Sanierung und Reorganisation. Insolvenzverfahren für Großunternehmen in rechtsvergleichender und rechtspolitischer Untersuchung: Insolvenzverfahren ... und rechtspolitischer Untersuchung 3166444912, 9783166444918

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Sanierung und Reorganisation. Insolvenzverfahren für Großunternehmen in rechtsvergleichender und rechtspolitischer Untersuchung: Insolvenzverfahren ... und rechtspolitischer Untersuchung
 3166444912, 9783166444918

Table of contents :
Titel
Vorwort
Inhalt
Abkürzungen
Einleitung
Erstes Kapitel: Entwicklung und Situation der deutschen Gesetzgebung
A. Vergleichsverfahren
I. Vorgeschichte
II. Geschäftsaufsicht und Vergleich (1914 und 1916)
III. Die Vergleichsordnung von 1927
IV. Die Vergleichsordnung von 1935
1. Entstehung
2. Inhalt
B. Sonderbereiche
I. Schuldverschreibungen
II. Versicherungen und Bausparkassen
III. Banken
C. Erfahrungen und Probleme
I. Krise des Konkursrechts
II. Erfahrungen mit Großunternehmen
1. Dysfunktion oder Deformation
2. Konkurrenz der öffentlichen Hand
III. Abhilfe
IV. Ideologie
Zweites Kapitel: Amerikanisches Recht
A. Einführung
B. Reorganisation durch Receivership
I. Entstehung des Verfahrens
1. Wirtschaftliche Ausgangslage
2. Rechtliche Ausgangslage
3. Das Verfahrensmodell
4. Rechtsgrundlage
II. Der Gang des Receivership-Verfahrens
1. Einleitung des Verfahrens
2. Planverhandlungen
3. Geschäftsführung durch den Receiver
4. Die finanzielle Operation
5. Die rechtliche Operation
III. Rechtliche Kontrolle
1. Mindestpreis
2. Planprüfung
IV. Anwendungsbereich
1. Industrie und Handel
2. Banken und Versicherungen
V. Der wirtschaftliche und soziale Rahmen
VI. Schwächen und Mißstände
C. Reformen 1933–1938
I. Rechtspolitische Situation
II. Die Gesetze von 1933/34
III. Die Gesetze von 1938
1. Entstehung
2. Reorganisation nach Kap. X
a) Der Treuhänder
b) Planprüfung
c) Abstimmung
d) Bestätigung und Durchführung
e) Unterstützende Regelungen
3. Arrangement nach Kap. XI
D. Die Reformen der siebziger Jahre
I. Gesetzgebung
II. Gründe, Interessen, Ergebnisse
E. Praxis und Problemschwerpunkte
I. Maßstäbe für den Reorganisationsplan
1. Durchführbarkeit
2. Gerechtigkeit
a) Northern Pacific Ry. Co. v. Boyd (1913)
b) Absolute gegen relative Vorrangstheorie
c) Case v. Los Angeles Lumber Products Co. (1939)
d) Folgeprobleme
e) Praxis
3. Unternehmenswert
4. Reform 1978
II. Interessenvertretung und Gebühren
III. Anwendungsbereich
IV. Dauer und Kosten
V. Sicherungsrechte
Drittes Kapitel: Vergleichung
A. Reorganisation und Vergleich
B. Sanierungsrecht in Deutschland
C. Reorganisation und Sanierung
I. Technik und Form
II. Reichweite
III. Planprüfung
IV. Ergebnis
D. England
I. Arrangement-Verfahren
1. Einleitung des Verfahrens
2. Maßstäbe
II. Insolvenzprozeduren
1. Abwicklung
2. Zwangsverwaltung
III. Würdigung
E. Frankreich
I. Allgemeines Insolvenzrecht
II. Besonderes Sanierungsverfahren
1. Entstehung
2. Eröffnung des Verfahrens
3. Wirkungen der Verfahrenseröffnung
4. Inhalt und Genehmigung des Sanierungsplans
5. Praxis und Bedeutung
III. Würdigung
Viertes Kapitel: Rechtspolitische Grundlagen
A. Ausgangspositionen
B. Wirtschaftswissenschaft
I. Allgemeiner Erkenntnisstand
II. Ausscheidungsfunktion des Konkurses
III. Schadenswirkung des Konkurses
IV. Eine amerikanische Analyse
1. Darstellung
2. Würdigung
V. Ausbeute für das Insolvenzrecht
C. Wirtschaftspolitik
D. Rechtspolitik
I. Aufgabe der Rechtsordnung
II. Rolle der staatlichen Finanzhilfe
1. Geld oder Gesetz
2. Sanierungsverfahren nach Verwaltungsrecht oder Privatrecht
III. Rechtspolitische Situation der Bundesrepublik
Fünftes Kapitel: Probleme eines Sanierungsverfahrens
A. Einführung
B. Organisation der Atempause
I. Ausstattung und Finanzierung
1. Abwehr der Gläubiger
2. Sicherungsrechte
3. Mietverträge und andere Existenzgrundlagen
4. Aufrechnung
5. Kreditversorgung
6. Rechtspolitische Würdigung
7. Verfassungsrecht
II. Geschäftsführung
1. Amerikanische Entwicklung
2. Vergleichung
III. Eröffnung des Verfahrens
1. Auslösender Tatbestand
2. Antragsrecht
3. Entscheidungsgrundlagen
a) Sanierungsvorschlag
b) Sanierungsfähigkeit
C. Sanierungsplan
I. Die Aufgabe
II. Inhalt und Reichweite
1. Die Maßnahmen und die Betroffenen
2. Die gesicherten Gläubiger
a) Vergleichung
b) Verfassungsrecht
c) Funktionsfähigkeit des Kreditwesens
III. Rechtliche Maßstäbe
1. Erhaltungsfähigkeit
2. Opfer- und Besitzverteilung
3. Erhaltungswürdigkeit
IV. Verfahren und Kompetenzen
1. Organisation und Entscheidung
2. Aufstellung des Planes
a) Modelle
b) Würdigung
3. Mitsprache und Mitbestimmung der Beteiligten
a) Ausgangslage
b) Kapitalgeber
c) Staat
d) Arbeitnehmer
V. Konzernprobleme
1. Haftung des Konzerns
2. Ansprüche des Konzerns
3. Insolvenz des Konzerns
D. Neutraler Sachverstand
I. Das Problem und die Lösungen
II. SEC und IHK
III. Überlegungen zur Organisation
E. Rechtsmittel
F. Anwendungsbereich
G. Systemort und Gesetzesform
Literatur
Sachverzeichnis

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Beiträge zum ausländischen und internationalen Privatrecht 48 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren: Professor Dr. Ulrich Drobnig, Professor Dr. Hein Kötz und Professor Dr. Dr. h. c. Ernst-Joachim Mestmäcker

Sanierung und Reorganisation Insolvenzverfahren für Großunternehmen in rechtsvergleichender und rechtspolitischer Untersuchung

von

Axel Flessner

ARTIBUS

J. C. B.Mohr (Paul Siebeck) Tübingen 1982

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung des Fachbereichs Rechtswissenschaft I der Universität Hamburg gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

CIP-Kurztitelaufaahme der Deutschen Bibliothek Flessner, Axel: Sanierung und Reorganisation: Insolvenzverfahren für Großunternehmen in rechtsvergieichender u. rechtspolit. Unters. / von Axel Flessner. Tübingen: M ohr, 1982. (Beiträge zum ausländischen und internationalen Privatrecht; 48) ISSN 0340-6709 ISBN 3-16-644491-2 / eISBN 978-3-16-16030-2 unveränderte eBook-Ausgabe 2022 NE:GT

© Axel Fiessner/ J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen 1982 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikroko­ pie) zu vervielfältigen. Printed in Germany. Satz und Druck:Gulde-Druck GmbH, Tübin­ gen. Einband:Großbuchbinderei Heinr. Koch, Tübingen.

Vorwort Die erste Fassung dieser Arbeit war im Sommer 1978 abgeschlossen und hat 1978/1979 dem Fachbereich Rechtswissenschaft I der Universität Ham­ burg als Habilitationsschrift vorgelegen. Anschließend war das in der Zwischenzeit verabschiedete neue amerikanische Konkursgesetz einzuar­ beiten. Dabei habe ich auch neue Literatur und Rechtsprechung bis Anfang 1981 nach Möglichkeit berücksichtigt. Entstanden ist die Arbeit vor allem während meiner Tätigkeit im MaxPlanck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Ham­ burg. Sein wissenschaftliches und menschliches Klima und seine Biblio­ thek waren für mich die wesentlichen Arbeitsbedingungen; dafür danke ich dem damaligen Institutsdirektor, meinem verehrten Lehrer Professor Dr. Konrad Zweigert, den Kollegen am Institut, mit denen ich die Probleme diskutieren konnte, sowie ganz besonders den Mitarbeitern der Bibliothek - die immer freundlich und mit Kompetenz das Nötige herbeischaffen halfen - und Frau Freda von Bülow - für frohgemut und mitdenkend geleistete Qualitäts-Schreibarbeit. Den jetzigen Direktoren danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe des Instituts. Geholfen haben auch eine Reihe von in- und ausländischen Personen und Institutionen; besonders dankbar hervorheben möchte ich die bereitwillige Unterstützung und Auskunft durch die Bibliothek der Law School der New York University und durch Mr. Aaron Levy, Direktor in der Securities and Exchange Commission in Washington, D.C. Wertvolle Hinweise erhielt ich auch vom Korreferenten im Habilitationsverfahren, Professor Dr. Karsten Schmidt. Für umsichtige und intelligente Hilfe bei der Herstellung der überarbei­ teten Fassung und beim Korrekturlesen danke ich Frau Olga Krause und Herm Salomon J. Augapfel, Frankfurt. Frankfurt, im Februar 1982

Axel Flessner

Inhalt Abkürzungen........................................................................................................................

XIII

Einleitung................................................................................................................................

1

Erstes Kapitel Entwicklung und Situation der deutschen Gesetzgebung A. Vergleichsverfahren..................................................... I. Vorgeschichte.............................................. II. Geschäftsaufsicht und Vergleich (1914 und 1916) III. Die Vergleichsordnung von 1927 ........................ IV. Die Vergleichsordnung von 1935 ................. 1. Entstehung.......................................... 2. Inhalt......................................................

7 7 10 12 15 15 17

B. Sonderbereiche............................................................. I. Schuldverschreibungen.............................. II. Versicherungen und Bausparkassen.............. III. Banken............ ...............................................

19 19 21 22

C. Erfahrungen und Probleme..................... I. Krise des Konkursrechts............ II. Erfahrungen mit Großunternehmen . 1. Dysfunktion oder Deformation . . 2. Konkurrenz der öffentlichen Hand III. Abhilfe............................................ IV. Ideologie.......................................

24 25 25 26 27 30

Zweites Kapitel Amerikanisches Recht A. Einführung......................................................................................................................

1. 2. 3. 4.

33

B. Reorganisation durch Receivership.................................................... 34 35 I. Entstehung des Verfahrens.................................................... Wirtschaftliche Ausgangslage............................................................. 35 36 Rechtliche Ausgangslage..................................................................... 37 Das Verfahrensmodell........................................................................... 39 Rechtsgrundlage.....................................................................................

II. Der Gang des Receivership-Verfahrens . 1. Einleitung des Verfahrens............ 2. Planverhandlungen....................... 3. Geschäftsführung durch den Receiver 4. Die finanzielle Operation............ 5. Die rechtliche Operation............ III. Rechtliche Kontrolle................................. 1. Mindestpreis................................. 2. Planprüfung................................. IV.Anwendungsbereich.................................. 1. Industrie und Handel.................... 2. Banken und Versicherungen....... V. Der wirtschaftliche und soziale Rahmen . VI. Schwächen und Mißstände.......................

40 40 46 49 51 55 58 59 60 64 64 66 67 72

C. Reformen 1933-1938 ............................................................. I. Rechtspolitische Situation...................................... II. Die Gesetze von 1933/34............................................ III. Die Gesetze von 1938................................................. 1. Entstehung..................................................... 2. Reorganisation nach Kap. X........................ a) Der Treuhänder.................................. b) Planprüfung........................................ c) Abstimmung........................................ d) Bestätigung und Durchführung........ e) Unterstützende Regelungen............. 3. Arrangement nach Kap. XI...........................

74 74 75 77 77 81 81 82 82 83 84 85

D. Die Reformen der siebzigerJahre........................................... I. Gesetzgebung......................................................... II. Gründe, Interessen, Ergebnisse...............................

86 86 88

E. Praxis und Problemschwerpunkte........................................ I. Maßstäbe für den Reorganisationsplan................. 1. Durchführbarkeit........................................... 2. Gerechtigkeit................................................... a) Northern Pacific Ry. Co. v. Boyd (1913)........... b) Absolute gegen relative Vorrangstheorie........... c) Case v. Los Angeles Lumber Products Co. (1939) d) Folgeprobleme..................................... e) Praxis.................................................. 3. Unternehmenswert........................................ 4. Reform 1978 ................................................... II. Interessenvertretung und Gebühren......................... III. Anwendungsbereich.................................................. IV. Dauer und Kosten....................................................... V. Sicherungsrechte.......................................................

89 90 91 94 94 95 99 103 107 110 115 120 124 129 131

Drittes Kapitel Vergleichung A. Reorganisation und Vergleich.......................................................................................

137

Sanierungsrecht in Deutschland....................................................................................

142

C. Reorganisation und Sanierung....................................................................................... I. Technik und Form....................................................................................... II. Reichweite..................................................................................................... III. Planprüfung.................................................................................................... IV. Ergebnis............................................................................................................

147 147 149 150 153

England........................................................................................................................... I. Arrangement-Verfahren........................................................................................... 1. Einleitung des Verfahrens................................................................... 2. Maßstäbe............................................................................................. II. Insolvenzprozeduren .................................................................................. .. 1. Abwicklung........................................................................................ 2. Zwangsverwaltung.............................................................................. III. Würdigung.......................................................................................................

156 157 157 158 159 160 161 162

E. Frankreich........................................................................................................................ I. Allgemeines Insolvenzrecht.......................................................................... II. Besonderes Sanierungsverfahren................................................................ 1. Entstehung........................................................................................... 2. Eröffnung des Verfahrens................................................................... 3. Wirkungen der Verfahrenseröffnung................................................ 4. Inhalt und Genehmigung des Sanierungsplans................................ 5. Praxis und Bedeutung........................................................................ III. Würdigung.......................................................................................................

164 164 164 165 165 167 168 169 170

B.

D.

Viertes Kapitel Rechtspolitische Grundlagen A.

Ausgangspositionen......................................................................................................

172

B.

Wirtschaftswissenschaft................................................................................................. I. Allgemeiner Erkenntnisstand....................................................................... II. Ausscheidungsfunktion des Konkurses..................................................... III. Schadenswirkung des Konkurses................................................................. IV. Eine amerikanische Analyse......................................................................... 1. Darstellung........................................................................................... 2. Würdigung........................................................................................... V. Ausbeute für das Insolvenzrecht..................................................................

173 173 176 181 183 185 187 189

C. Wirtschaftspolitik..........................................................................................................

191

D. Rechtspolitik.................................................................................................................. I. Aufgabe der Rechtsordnung....................................................................... II. Rolle der staatlichen Finanzhilfe.......... :.....................................................

194 194 199

1.

Geld oder Gesetz.................................................................................

199

2.

Sanierungsverfahren nach Verwaltungsrecht oder Privatrecht........

200

III. Rechtspolitische Situation der Bundesrepublik.....................................................

204

Fünftes Kapitel Probleme eines Sanierungsverfahrens A. Einführung.....................................................................................................................

206

B. Organisation der Atempause........................................................................................ I. Ausstattung und Finanzierung................................................................................ 1. Abwehr der Gläubiger.................................................................................. 2. Sicherungsrechte.......................................................................................... 3. Mietverträge und andere Existenzgrundlagen.......................................... 4. Aufrechnung.................................................................................................. 5. KreditVersorgung.......................................................................................... 6. Rechtspolitische Würdigung....................................................................... 7. Verfassungsrecht.......................................................................................... II. Geschäftsführung..................................................................................................... 1. Amerikanische Entwicklung....................................................................... 2. Vergleichung.................................................................................................. III. Eröffnung des Verfahrens......................................................................................... 1. Auslösender Tatbestand............................................................................... 2. Antragsrecht......................................................................................................... 3. Entscheidungsgrundlagen................................................................................... a) Sanierungsvorschlag................................................................................ b) Sanierungsfähigkeit...................................................................................

207 208 208 208 210 212 214 216 220 222 222 225 228 228 234 238 238 239

C. Sanierungsplan................................................................................................................ I. Die Aufgabe.................................................................................................... II. Inhalt und Reichweite....................................................................................... 1. Die Maßnahmen und die Betroffenen....................................................... 2. Die gesicherten Gläubiger............................................................................ a) Vergleichung....................................................................................... b) Verfassungsrecht............................................................................... c) Funktionsfähigkeit des Kreditwesens............................................... III. Rechtliche Maßstäbe................................................................................................ 1. Erhaltungsfähigkeit...................................................................................... 2. Opfer-und Besitzverteilung....................................................................... 3. Erhaltungswürdigkeit................................................................................. IV. Verfahren und Kompetenzen................................................................................... 1. Organisation und Entscheidung................................................................. 2. Aufstellung des Planes................................................................................. a) Modelle.............................................................................................. b) Würdigung......................................................................................... 3. Mitsprache und Mitbestimmung der Beteiligten....................................... a) Ausgangslage...................................................................................... b) Kapitalgeber....................................................................................... c) Staat .................................................................................................... d) Arbeitnehmer....................................................................................

242 242 243 243 244 244 245 247 249 249 254 262 267 267 269 269 272 273 273 274 281 283

V. Konzemprobleme...................................................................................................... 1. Haftung des Konzerns........................................................................ 2. Ansprüche des Konzerns................................................................... 3. Insolvenz des Konzerns......................................................................

285 286 287 292

D.

Neutraler Sachverstand................................................................................................ I. Das Problem und die Lösungen................................................................. II. SECundlHK................................................................................................ III. Überlegungen zur Organisation....................................................................

296 296 298 303

E.

Rechtsmittel....................................................................................................................

306

F.

Anwendungsbereich.......................................................................................................

314

G.

Systemort und Gesetzesform......................................................................................

318

Literatur...................................................................................................................................

322

Sachverzeichnis......................................................................................................................

344

Abkürzungen aaO. A.B.A.J. a.E. AG AktG A.L.R. 2d Am.Bankr.LJ. Anm. Art., Artt. Aufl. AWD BB B. C. Ind. Com. L. Rev. Bd. Betr. betr. BetrVG BGBl. BSpKG BSpKVO BT-Drucksache Bus. Hist. Rev. Bus. Law. BVerfGE Cal. ch. Cir. Col.L.Rev. Com. LJ. Com.L.Q. D. ders. Diss.

DJ DJT DJZ Doctr.

am angegebenen Ort American Bar Association Journal am Ende Die Aktiengesellschaft Aktiengesetz American Law Reports Annotated, Second Series American Bankruptcy Law Journal Anmerkung Artikel Auflage Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Der Betriebs-Berater Boston College Industrial and Commercial Law Review Band Der Betrieb betreffend Betriebsverfassungsgesetz Bundesgesetzblatt Bausparkassengesetz Bausparkassenverordnung Bundestags-Drucksache Business History Review The Business Lawyer Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts California chapter Circuit Columbia Law Review Commercial Law Journal Cornell Law Quarterly District (of. . .) derselbe Dissertation Deutsche Justiz Deutscher Juristentag, Verhandlungen Deutsche Juristen-Zeitung Doctrine

XIV DRpfl. D.S. ebda. Ed. E.D. etc. f., ff. F. 2d Fed. Fordham L.Rev. F.Supp. Gaz. Pal. Geo. LJ. Geo. Wash. L. Rev. GmbH GVG Harv.J.Legisl. Harv. L.Rev. HGB H.R. Hrsg., hrsg. i.d.F. 111. 111. L.Rev. Ind. Int.Comp.L.Q. Int.Enc.Comp.L. Iowa L.Rev.

J. JB1. J.Bus.L. J.C.P. J.O. JuS JW JZ KO KT KTS KWG La. L.Cont.Probl. LJLZ Mass. Md.

Abkürzungen

Der Deutsche Rechtspfleger Recueil Dalloz Sirey ebenda Edition Eastem District (of. . .) et cetera und folgende Federal Reporter, Second Series Federal Reporter Fordham Law Review Federal Supplement Gazette du Palais Georgetown Law Journal George Washington Law Review Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gerichtsverfassungsgesetz Harvard Journal on Legislation Harvard Law Review Handelsgesetzbuch House of Representatives Herausgeber; herausgegeben in der Fassung Illinois Illinois Law Review Indiana International and Comparative Law Quarterly International Encyclopedia of Comparative Law Iowa Law Review Justice Juristische Blätter Journal of Business Law Juris-Classeur Periodique: La semaine juridique Journal Officiel Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Konkursordnung Konkurs- und Treuhandwesen Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichts wesen Gesetz über das Kreditwesen Louisiana Law and Contemporary Problems Lord Justice Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht Massachusetts Maryland

MDR Mich. Mich. L.Rev. Minn. L.Rev. Miss. N. N.C.L.Rev. N.D. N.J. NJW

Nw.U. L.Rev. N.Y. N.Y.L.F. N.Y.U.L.Q.Rev. N.Y.U.L.Rev. NZZ ÖJZ OGH Okla.

Pa. P.R. RabelsZ Ref.J. Rev.jur.com. Rev.trim.dr.com. RG RGBl. RGZ RIW RpflG Rutg. L.Rev. Ry. Mt. L.Rev. Rz. S. SchVG S.D. SEC S.E.C. Sp. StabG

Stan. L.Rev. Stat. Sup.Ct.Rev. Supp.

Monatsschrift für Deutsches Recht Michigan Michigan Law Review Minnesota Law Review Mississippi Fußnote North Carolina Law Review Northern District (of. . .) New Jersey Neue Juristische Wochenschrift Northwestern University Law Review New York New York Law Forum New York University Law Quarterly Review New York University Law Review Neue Zürcher Zeitung österreichische Juristen-Zeitung Oberster Gerichtshof (Österreich) Oklahoma Pennsylvania Puerto Rico Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Journal of the National Association of Referees in Bankruptcy Revue de jurisprudence commerciale (Journal des agrs)

Revue trimestrielle de droit commercial Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft Rechtspflegergesetz Rutgers Law Review Rocky Mountains Law Review Randziffer

Satz; Seite; Senate Gesetz betreffend die Rechte der Inhaber von Schuldverschreibun­ gen (Schuldverschreibungsgesetz) Southern District (of. . .) Securities and Exchange Commission Securities and Exchange Commission: Decisions and Reports Spalte Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirt­ schaft (Stabilitätsgesetz) Stanford Law Review Statutes at Large The Supreme Court Review Supplement

XVI sz T.P.R. u.a. U.Chi.L.Rev. U.C.L.A.L.Rev. U. Colo. L.Rev. U.I11.L.F. U.Pa.L.Rev. U.S. U.S.C. U.S.C.A. U.Wash.Bus.Rev. UWG

V. VAG

Va. Va. L.Rev. Vand. L.Rev. VerglO Wash. W.D. Wis. L.Rev. Yale L.J. ZAkDR z.B. ZfB ZgesKW ZGR ZHR ZIP ZPO ZRP ZZP

Abkürzungen

Süddeutsche Zeitung Tijdschrift voor Privaatrecht und andere; unter anderem University of Chicago Law Review UCLA Law Review University of Colorado Law Review University of Illinois Law Forum University of Pennsylvania Law Review United States Reports United States Code United States Code Annotated University of Washington Business Review Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb versus (gegen) Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunter­ nehmungen und Bausparkassen (Versicherungsaufsichts-Gesetz) Virginia Virginia Law Review Vanderbilt Law Review Vergleichsordnung Washington WesternDistrict (of. . .) Wisconsin Law Review Yale Law Journal Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht zum Beispiel Zeitschrift für Betriebswirtschaft Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht; Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Zivilprozeß

Einleitung 1. Ein Unternehmen, das seine Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann, steht vor der Zwangsauflösung durch Konkurs oder vielfache Einzel­ vollstreckung. Abzuwenden ist dieses Schicksal nur, wenn die Gläubiger in ihren Forderungen ganz oder teilweise nachlassen. Solches Nachgeben kann im Interesse der Gläubiger liegen, wenn der Weiterbestand des Unternehmens ihnen letztlich ein besseres wirtschaftliches Ergebnis ver­ spricht als die Liquidation. Die Grundformen des Nachgebens sind die Stundung an sich fälliger Forderungen, die Umwandlung von Forderun­ gen in Beteiligungen oder längerfristige Forderungsrechte und schließlich der ersatzlose Erlaß von Forderungsbeträgen, wobei diese Formen sich auf die Haupt- oder die Zinsforderung beziehen und jeweils in allen Kombina­ tionen vorkommen können. Die rechtliche Entlastung, die das Unterneh­ men durch das Nachlassen der Gläubiger erreicht, dient wirtschaftlich letzten Endes immer der Erlangung neuen Kapitals. Bereits für sich genommen macht sie - dauernd oder einstweilen - Mittel frei, die nun für die Fortführung des Unternehmensbetriebes eingesetzt werden können; in vielen Fällen ist sie außerdem die Vorbedingung dafür, daß das Unterneh­ men neues Eigen- oder Fremdkapital aufnehmen kann. Die den Schuldner entlastende Veränderung der Gläubigerrechte muß, wenn die Rechtsordnung nicht zusätzliche Hilfe gibt, mit jedem einzelnen Gläubiger vereinbart werden - oder doch jedenfalls mit allen denen, die wegen ihrer Zahl oder der Höhe ihrer Forderungen in der gegebenen finanziellen Situation nicht einfach vorweg befriedigt werden können. Ein einziger solcher Gläubiger kann also ein Rettungskonzept vereiteln, wenn er seine Zustimmung verweigert oder nur gegen Sondervorteile geben will. Alle modernen Gesetzgebungen kennen daher Institutionen, die es ermöglichen, konkursabwendende Schuldenregelungen auch gegen wider­ strebende Gläubiger durchzusetzen, und die solchen Abkommen gewisse Garantien für korrekte Entstehung und Durchführung geben1. In Deutsch­ land ist dies vor allem das Verfahren nach der Vergleichsordnung2. 1 Übersichten über die ausländischen Rechte bei Jaeger (-Lent), KO, Einleitung S. LXff.; Dalhuisen, Compositions in Bankruptcy (Leyden 1968) 36-94. 2 Vergleichsordnung vom 26. 2. 1935, RGBl. I 321; seither nur in wenigen Einzelpunkten geändert.

2

Flessner BIPR 48

2. Die Beschlüsse und Vereinbarungen, die zur Abwendung der Zwangsliquidation getroffen werden, sind rechtliche Erscheinungsformen eines Geschehens, das im wirtschaftlichen und allgemeinen Sprachge­ brauch als Sanierung bezeichnet wird. Im weitesten Sinne sind darunter zu verstehen alle organisatorischen, finanziellen und rechtlichen Maßnahmen, die ein Unternehmen aus einer ungünstigen wirtschaftlichen Situation herausführen sollen, um seine Weiterexistenz zu sichern, also zum Beispiel: Umstellungen von Einkauf, Produktion und Absatz; Abstoßung von Un­ ternehmensteilen; Neuordnung der Unternehmensleitung; Herabsetzung und Neugewinnung von Eigenkapital und Fremdkapital; Umwandlung von kurzfristigem in langfristiges Fremdkapital, von Fremdkapital in Eigenkapital; Verschmelzung mit anderen Unternehmen3. Sanierung im weiteren Sinne ist nicht notwendig eine Reaktion auf eingetretene oder drohende Insolvenz. Eine Neuordnung der Organisation, der Kapitalstruktur oder der rechtlichen Verhältnisse ist auch dann Sanie­ rung, wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zwar schwierig, aber noch nicht lebensbedrohend ist. Und auch ein todkrankes Unterneh­ men ist, solange es nur mit Eigenkapital arbeitet, nicht insolvent in dem Sinne, daß ihm die rechtlich erzwungene Liquidation bevorstünde. Werden seine Schwierigkeiten nicht behoben, so vollendet es seine Existenz ohne weiteres Zutun, wenn die letzten Eigenmittel verausgabt sind. Die Sanie­ rung im Insolvenzfall hat demgegenüber eine eigene Qualität: sie soll das Unternehmen aus einer Situation retten, in der sich die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu einer rechtlichen Existenzgefahr verdichtet haben. In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff vor allem in diesem Sinne gebraucht werden. 3. Untemehmenserhaltung durch Sanierung ist in den europäischen Indu­ strieländern ein wichtiges Thema, seitdem beginnend mit der Ölkrise (1973) das stetige Wirtschaftswachstum der Nachkriegsjahre nachgelassen hat, vielfach sogar zum Stillstand gekommen ist. Jetzt häufen sich die finanziellen Zusammenbrüche, aber gleichzeitig schwindet die allgemeine

3 Siehe z.B. Schmalenbach, Die Aktiengesellschaft III (7. Aufl. 1950) 211; Zybon, „Sanierung“, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft I 3 (4. Aufl. 1976) 3493; Dr. Gablers Wirtschaftslexikon II (9. Aufl. 1975), Stichwort „Sanierung“; weitere Literaturhinweise bei UHLENBRUCK, ZIP 1980, 75 N. 11. Vielfach gebraucht die Betriebswirtschaftslehre den Sanierungsbegriff in einem engeren Sinne, nämlich nur für die finanziellen und die damit zusammenhängenden rechtlichen Maßnahmen; so z. B. Gutenberg, Finanzierung und Sanie­ rung, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft I (2. Aufl. 1938) 1774f; Pausenberger, Die finanzielle Sanierung, in: Finanzierungs-Handbuch (hrsg. vonjANBERG; 2. Aufl. 1970) 653ff; Vormbaum, Finanzierung der Betriebe (2. Aufl. 1972) 312 ff.

Bereitschaft, den Abgang der betroffenen Unternehmen ohne weiteres hinzunehmen. Denn wo Zuwachs nicht mehr garantiert erscheint, steigt der Wert des Vorhandenen, und die Aufmerksamkeit wendet sich verstärkt auf die Institutionen und Prozeduren, die im Krisenfall nicht den mehrfa­ chen späteren Gewinn, sondern die Bewahrung der gegenwärtigen Sub­ stanz in Aussicht stellen. Auch in der Reform des deutschen Insolvenzrechts, die seit kurzem in Angriff genommen ist, wird die Sanierung eine bedeutende Rolle spielen müssen4. Das rechtspolitische Interesse richtet sich zwar bisher am lebhaf­ testen auf das eigentliche (d. h. das liquidierende) Konkursverfahren, und hier speziell auf die Stellung der bevorrechtigten und gesicherten Gläubi­ ger5. Mit dem Fortschreiten der Arbeiten zu einem umfassenden Reform­ konzept werden die Überlegungen sich jedoch auch auf die rechtlichen Möglichkeiten der Erhaltung von Unternehmen richten müssen. Denn es besteht heute Einigkeit darüber, daß ein modernes Insolvenzrecht nicht ausschließlich auf Liquidation zusteuern darf, sondern als Alternative ein Sanierungsverfahren (unter irgendeinem Namen und in irgendeiner Ge­ stalt) anbieten und in organischer Weise mit dem konkursmäßigen Liqui­ dationsverfahren abstimmen muß6. 4. Die rechtlichen Institutionen, die Sanierungen insolventer Unterneh­ men ermöglichen sollen, müssen sich in besonderem Maße bewähren, wenn Bestand oder Untergang eines Großunternehmens in Frage stehen. Der schiere Umfang und die Komplexität des Sach Verhalts erschweren einer­ seits die rechtliche Bewältigung; andererseits hat das Resultat der insol­ venzrechtlichen Bemühung besonders weitreichende und überindividuelle Auswirkung. In der vorliegenden Arbeit soll untersucht werden, wie Sanierungspro­ zeduren beschaffen sein müssen, die den Problemen insolventer Großun­ ternehmen gerecht werden. Das Sanierungsrecht für diesen Größenbereich wird in der Bundesrepublik Deutschland als eine besondere Problemzone empfunden, nachdem einige spektakuläre Zusammenbrüche großer

4 Das Bundesjustizministerium hat im Februar 1978 eine Kommission für Insolvenzrecht eingesetzt, die den Entwurf eines Reformgesetzes vorlegen soll; siehe die Ansprache von Bundesjustizminister Vogel bei der Konstituierung der Kommission am 21. 2. 1978, abge­ druckt in: Recht (Informationen des Bundesministers der Justiz) 1978, 21-24. 5 Siehe die Darstellung bei Hanisch, ZZP 90 (1977) 2-5, 7-21, 37 f. mit Nachweisen. 6 Siehe z.B. Jaeger(-Jahr), KO §123 Anm. 29; Weber, KO-Festschrift 338, 342f.; Hanisch (N. 5) 30 f. und Arnold, DRpfl. 1977, 395 mit weiteren Nachweisen. Die Kommis­ sion für Insolvenzrecht (N. 4) hat inzwischen eine Arbeitsgruppe gebildet, in der über die Einführung eines Sanierungsverfahrens beraten wird.

Unternehmen viele Zweifel an der Eignung der vorhandenen Rechtsinsti­ tutionen hinterlassen haben7. Aber auch ohne solche traumatischen Erleb­ nisse muß die Insolvenzgesetzgebung ihre Aufmerksamkeit stärker als bisher auf große Unternehmen richten, denn von ihnen ist die Wirtschaft in der Bundesrepublik und vielen anderen hochentwickelten Industrieländern weithin geprägt8 - die allenthalben anzutreffenden Förderungsprogramme des Staates für kleine und mittlere Unternehmen sind nur die Bestätigung und Besiegelung dieser Tatsache. Wenn man sich also auf die Suche begibt nach adäquaten Formen der Insolvenzbewältigung, muß man wissen, welche Forderungen aus der Situation der Großunternehmen an den Sanie­ rungsteil des Insolvenzrechts zu stellen sind, und zwar gleichgültig, an welchen Typen von Unternehmen die Gesetzgebung sich schließlich aus­ richten will. Unter wissenschaftlicher und längerfristiger rechtspolitischer Perspek­ tive läßt sich das Insolvenzrecht der Großunternehmen auch als Problem des Unternehmensrechts denken. Die reiche deutsche und ausländische Literatur zu diesem Bereich hat die Schattenseiten des Unternehmensschick­ sals bisher eher vernachlässigt9, doch können die von ihr behandelten Probleme (Publizität, Mitbestimmung von Arbeitnehmern und Öffent­ lichkeit, Minderheitenschutz, Anlegerschutz, Erhaltung des Wettbewerbs) und manche anderen Fragen der Unternehmens Verfassung im Insolvenzfall sogar in besonderer Schärfe auftreten. Aus dieser Sicht könnte ein Insol­ venz- und Sanierungsrecht für Großunternehmen vielleicht als notwendi­ ges Schlußelement eines Systems der Unternehmensverfassung erscheinen und nach dessen Strukturprinzipien auszuwählen und einzupassen sein10. Eine Definition des Großunternehmens wird an dieser Stelle nicht 7 So einerseits die Fälle Borgward und Schlicker (Schilderung bei Hanisch, Rechtszustän­ digkeit der Konkursmasse 119 ff.), in denen Vergleichsbemühungen scheiterten, und anderer­ seits Fälle wie Krupp (Schilderung z.B. bei Bunselmeyer 138ff.), bei denen von vornherein nicht mehr das Insolvenzrecht, sondern die finanzielle Hilfe des Staates mobilisiert wurde. 8 Siehe darüber neuestens Ott, Recht und Realität der Untemehmenskorporation (1977) 17 ff. mit vielen weiteren Hinweisen. Statistische Angaben für die Bundesrepublik besonders bei Steinmann, 133ff.; Grossfeld, Aktiengesellschaft 5ff. 9 Neuere Zusammenfassungen und Aufarbeitungen der bisherigen Diskussion in dem Buch von Ott (N. 8) sowie bei GROSSFELD/EBKE, AG 1977, 57-65, 902-102; Horn, in: Sozialwissenschaften im Studium des Rechts, I: Zivil- und Wirtschaftsrecht (hrsg. von Horn und Tietz, 1977) 124—126; Ballerstedt, Festschrift Duden (1977) 15ff.; Kunze ebda. 201 ff.; Th. Raiser, Festschrift Rob. Fischer (1979) 561 ff.; Wiedemann ebda. 883ff. 10 Die vom Bundesjustizministerium 1972 eingesetzte Kommission für Unternehmensrecht hat die Insolvenz- und Sanierungsproblematik nicht behandelt: Bericht über die Verhandlun­ gen der Untemehmensrechtskommission, hrsg. vom Bundesministerium der Justiz (Köln 1980).

versucht. Sie wäre hier nur sinnvoll, wenn sie speziell im Hinblick auf Insolvenz- und Sanierungsprobleme gültig wäre. Deren Aufdeckung und Erörterung ist aber gerade das Ziel dieser Arbeit. Die Untersuchung geht deshalb zunächst ganz bewußt aus von dem nur umrißhaften Sach verhalt, der mit dem Begriff „Großunternehmen“ im allgemeinen assoziiert wird, wenn man sich solche Unternehmen als Gegensatz zu „kleinen und mittle­ ren“ Unternehmen vorstellt. Regelmäßig, aber nicht notwendig, wird es sich um Kapitalgesellschaften handeln, und zwar solche, die - nach deut­ scher Einteilung - zumeist (aber ebenfalls nicht notwendig) als Aktienge­ sellschaften organisiert sind11. 5. Die rechtspolitischen Überlegungen, die in dieser Untersuchung anzustellen sind, werden unterstützt durch Rechts Vergleichung. Ausführlich dargestellt und herangezogen werden die Entwicklung und die Praxis des amerikanischen Rechts, mehr kursorisch die einschlägigen Regelungen in England, Frankreich und Japan. Der Vergleich mit dem Recht der Vereinigten Staaten gehört in der wissenschaftlichen Behandlung des Wirtschaftsrechts in Deutschland zur guten Tradition. Er ist im insolvenzrechtlichen Zusammenhang nicht weniger angebracht als bei der bisherigen Entwicklung des Unternehmensund Gesellschaftsrechts, die ja von rechts vergleichenden Arbeiten zum deutschen und amerikanischen Recht ständig begleitet und gefordert wurde. Dort geht es um die Rahmenordnung der funktionierenden, hier um die rechtlichen Überlebensbedingungen der nichtfunktionierenden, notleidenden Unternehmen. Der eigentliche Grund für die ausführliche Heranziehung des amerikani­ schen Rechts ist jedoch die Tatsache, daß die Vereinigten Staaten ein hochentwickeltes Sanierungsverfahren haben, das ursprünglich speziell für Großunternehmen ausgebildet wurde und auch heute - inzwischen geset­ zestechnisch verschmolzen mit einem einfacheren Verfahrenstyp - für Unternehmen aus diesem Größenbereich zur Verfügung stehen soll. Dieses Verfahren hat eine über hundertjährige Geschichte hinter sich, die offen zutage liegt und in deutlichen Phasen verlaufen ist. Für die Weiterbildung des deutschen Insolvenzrechts kann die dort angehäufte Erfahrung von hohem Wert sein. Die amerikanische Praxis der Erhaltung insolventer Unternehmen ist zudem in starkem Maße juristisch durchdrungen und geformt - im Gegensatz zur deutschen Situation, wo das Sanierungswesen

11 Zur Größen- und Typenfrage siehe auch Ott (N. 8) 19ff., 239ff.; Rittner, Gedächtnis­ schrift Rödig 74ff; Kunze, Festschrift Rob. Fischer 365ff.

als Ganzes bisher eine Domäne der Betriebswirtschaftslehre geblieben ist12. Dies macht die amerikanische Erfahrung besonders geeignet als Anschau­ ungsmaterial für Überlegungen darüber, welchen Beitrag gerade das Recht mit seinen Instrumenten auf diesem Gebiet leisten kann. Die ausführliche Würdigung der amerikanischen Erfahrung ist schließ­ lich auch deshalb angebracht, weil sie für die Insolvenzrechts-Reform schon oft, aber ohne näheres Bekanntsein, als Anregungsquelle benannt worden ist13. Es ist anzunehmen, daß sie bei Reformarbeiten, aber auch bei der Rechtsangleichung in Europa, immer wieder herangezogen werden wird. Nach dem amerikanischen Vorbild ist 1952 in Japan ein Sanierungsver ­ fahren für insolvente Aktiengesellschaften geschaffen worden14. Da es sich sehr eng an sein Vorbild anlehnt, wird es hier nur erwähnt werden, wo es zu Einzelproblemen eine abweichende Lösung vorsieht. England hat in seinem Aktiengesetz seit langem ein Verfahren zur Umgestaltung der Kapitalstruktur, das auch für Sanierungszwecke im Fall der Insolvenz eingesetzt werden kann. Frankreich hat 1967 im Zuge der letzten Insolvenzrechts-Reform ein Sonderverfahren zur Erhaltung von national oder regional bedeutenden Unternehmen eingeführt, das aber in der Anlage viel enger ist als das amerikanische und englische und natürlich noch nicht die gleiche langjährige Praxis vorweisen kann. Dem deutschen Recht haben diese Verfahren voraus, daß sie bewußt auch für die Sanierung größerer Unternehmen allmählich entwickelt (so England) oder eigens für diesen Bereich entworfen wurden (so Frankreich). Gemeinsam ist ihnen andererseits der geringere Entwicklungsstand gegenüber dem amerikani­ schen Recht. Sie sollen deshalb nicht in Breite, sondern nur als abwei­ chende Regelungstypen in ihren Grundzügen vorgestellt und im übrigen zu Einzelproblemen herangezogen werden15. 12 Die juristische Behandlung konzentriert sich in Deutschland auf die Erläuterung der einzelnen Gesetzestexte und Rechtsfiguren. Umfassender bisher offenbar nur der unvollendet gebliebene Versuch einer Gesamtdarstellung des Sanierungsrechts von Hugo Emmerich, Die Sanierung, 1. Teil (1930) 201 S. 13 Siehe z. B. Bundesjustizminister Vogel (N. 4) 23; Arnold, DRpfl. 1977, 392 N. 80, 395; Kaltenbäck, ÖJZ 1977, 63. 14 Darüber berichten (auf deutsch) Nakano: in: Japanisches Recht I: Grundprobleme des Zivilprozeßrechts (hrsg. von Baumgärtel, 1977) 141-157; Shimojima, in: Hogaku Shirin 77 (1979) Heft 2, S. 1-10. 15 Auch in Italien ist 1979 ein Sondersanierungsverfahren für Großunternehmen eingeführt worden; es konnte in dieser Arbeit nicht mehr berücksichtigt werden, zumal es stark zugeschnitten erscheint auf die besondere Situation der italienischen Staatskonzerne: Gesetz Nr. 95 vom 3. 4. 1979, Gazzetta Ufficiale vom 4. 4. 1979 (Nr. 94). Einen ersten Bericht gibt Pesce, RIW 1980, 549 ff.

Erstes Kapitel

Entwicklung und Situation der deutschen Gesetzgebung A. Vergleichsverfahren Unter den gesetzlichen Institutionen, die im Insolvenzfall Abwendung des Konkurses und Sanierung ermöglichen, steht im deutschen System auf dem ersten Platz der gerichtliche Vergleich nach der Vergleichsordnung von 1935. Seine Ursprünge reichen bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts.

I. Vorgeschichte Als um 1870 die Arbeiten für eine einheitliche Konkursordnung began­ nen, gab es in Deutschland eine Vielfalt von Regelungen, die zur Abwen­ dung des Konkurses eine Modifizierung von Gläubigerrechten zuließen1. Für die Verfasser des ersten Entwurfs2, der 1873 als „Entwurf einer Deutschen Gemeinschuldordnung“ veröffentlicht wurde, ließen sich die deutschen Staaten in drei Gruppen einteilen. Manche kannten die Bewilli­ gung von Moratorien („Indulte", „Quinquenellen") durch die Staatsge­ walt, andere auch Forderungsherabsetzungen durch Mehrheitsbeschluß der Gläubiger unter gerichtlicher oder behördlicher Aufsicht, noch andere schließlich - so auch Preußen - hatten beide Möglichkeiten im Zuge der Rechtsmodernisierung ganz abgeschafft3. Mit den landesherrlich oder gerichtlich oktroyierten Moratorien hatte man schlechte Erfahrungen gemacht4. Aufgenommen wurde in den Ent­ 1 Über die Entstehung der Konkursordnung neuerdings UHLENBRUCK, KO-Festschrift 13-17 mit weiteren Hinweisen, und besonders ausführlich}. Thieme, KO-Festschrift 35ff. 2 Gemeinhin wird Carl Hagens als der Verfasser des Entwurfs und damit als Schöpfer der Konkursordnung angesehen. Seine führende Rolle wird aber auf Grund neuerer Forschungen von Thieme (N. 1) 65 ff in Zweifel gezogen. 3 Der damalige Rechtszustand ist zusammengestellt in den Motiven zu dem Entwurf einer Deutschen Gemeinschuldordnung (Berlin 1873) II 218-221. 4 So die Motive (N. 3) 218 f. ; siehe auch Jaeger, Lehrbuch 216 f.

wurf jedoch eine voll ausgearbeitete Vergleichsregelung zur Abwendung des Konkurses, die eine Herabsetzung und Stundung von Forderungen durch Beschluß der Gläubiger unter gerichtlicher Kontrolle vorsah5. In den Beratungen, die schließlich zur heute noch geltenden Konkurs­ ordnung von 1877 führten, konnte sich dieser Vorschlag nicht durchsetzen. Man meinte, das behauptete Bedürfnis für den konkursabwendenden Vergleich bestehe vor allem wegen der Unzulänglichkeit des eigentlichen Konkursverfahrens nach den noch geltenden antiquierten Landesrechten; die erhebliche Rechtsverbesserung durch das neue reichseinheitliche Gesetz werde deshalb den konkursvermeidenden Vergleich überflüssig machen6. Die Konkursordnung enthielt deshalb nur den „Zwangsvergleich“ inner­ halb des Konkursverfahrens, der zur Beendigung, nicht zur Abwendung des Konkurses abgeschlossen werden konnte; nach der Konzeption des Geset­ zes war er vor allem ein vereinfachter Weg, um die Quote festzustellen7. Bei dieser Lösung blieb man, als 1898 die Konkursordnung anläßlich der Schaffung des BGB und des neuen HGB überarbeitet wurde8. Die Konkursordnung war mit ihren Neuerungen für die damalige Zeit tatsächlich ein großer Fortschritt und sie ist oft als ein Meisterstück der deutschen Gesetzgebung gepriesen worden9. Die Ablehnung des konkurs­ abwendenden Vergleichs ließ aber vor allem die Wirtschaft unzufrieden. Schon der 4. Deutsche Handelstag von 1868 hatte die Aufnahme dieser Institution in das Insolvenzrecht gefordert10. In den folgenden Jahrzehnten drängten Handels-, Gewerbe- und Juristenkreise, zu denen auch die Gläu­ bigerschutzverbände gehörten, immer stärker auf die Einführung eines gerichtlichen Vergleichsverfahrens11. Man konnte dabei auf das europäische

5 §§ 233-256; dazu die Motive (N. 3) 218-236. Der Vergleich konnte allerdings von den im Termin anwesenden Gläubigem nur einstimmig angenommen werden, sollte dann aber, wenn gerichtlich bestätigt, auch die nicht anwesenden Gläubiger binden, §§ 249, 251. 6 Hahn, Materialien IV, 381-385. Vorher hatte sich bereits der 6. Deutsche Juristentag (1867) gegen die Einführung eines „Akkord-Verfahrens“ außerhalb des Konkurses ausgespro­ chen; siehe die Gutachten von Kompe, Lupp und Stubenrauch, DJT I (1865) 40ff., 134ff., 164ff, und die Beschlußfassung, 6. DJT III (1868) 120, 337. 7 Hahn (N. 6) 348 f. 8 Hahn/Mugdan, Materialien VII 231. 9 Siehe dazu z.B. Jaeger (-Lent), KO S. XLV, XLIX, LV; Uhlenbruck, NJW 1975, 897, und oben N. 1, mit Nachweisen über die vielen Lobsprüche. 10 Verhandlungen des Vierten Deutschen Handelstages (1868) 65ff, 68. 11 Eingehende Darstellung der Vorschläge und Forderungen in den Gutachten von Lieblich und Cahn für den 32. Deutschenjuristentag (1914) zu dem Thema: Ist die Schaffung eines gerichtlichen Ausgleichsverfahrens außerhalb des Konkurses wünschenswert und in welcher Form?: 32. DJT I (1914) 324-326, 347, 354, 746-751, 758-791.

Ausland verweisen, wo in dieser Zeit ein Staat nach dem anderen in irgendeiner Form solche Verfahren geschaffen hatte12. Zu Anfang des Jahrhunderts hatten diese Vorstellungen so viel Widerhall gefunden, daß 1905 wiederum der Deutsche Handelstag sowie der Deut­ sche Anwaltstag den gerichtlichen „Präventiv-Akkord" forderten13. Der Reichstag veranlaßte zur gleichen Zeit die Reichsregierung zur Vorlage einer Denkschrift, in der ausführlich die ausländischen Lösungen und das rechtspolitische Für und Wider dargelegt wurden14. Im Ergebnis mochte sich die Reichsregierung den erhobenen Forderungen nicht anschließen und fand darin die Zustimmung des Reichstags15. Es gab aber weitere Vorstöße der Wirtschaft in der Öffentlichkeit - Eingaben, Versammlungen und sogar eine „öffentliche Kundgebung“ in Berlin16-, bis schließlich 1913 der Reichstag die Regierung aufforderte, einen Gesetzentwurf über den Zwangsvergleich außerhalb des Konkurses vorzulegen17. Dazu kam es jedoch wegen des Kriegsausbruchs nicht mehr. Stattdessen erging am 8. August 1914 eine Verordnung des Bundesrates über „die Anordnung einer Geschäftsaufsicht zur Abwendung des Konkursverfahrens“18, die auf ein vier Tage zuvor beschlossenes Kriegsmaßnahmen-Gesetz gestützt war19. Aus dieser Verordnung, die zunächst als reiner Kriegsbehelf gedacht war, ist nach und nach das heute zur Verfügung stehende Vergleichsverfahren entwickelt worden.

12 Englisch: „Arrangement“; französisch: „concordat preventif*; Österreich: „Ausgleich“. Über Stand und Inhalt der damaligen ausländischen Gesetzgebung Lieblich (N. 11) 327-332, 355-403; Cahn (N. 11) 717-750; Jaeger, KO (3. und 4. Aufl. 1913) § 173 Anm. 27; Freund, ZHR 60 (1907) 67ff.; Dalhuisen (oben N. 1) 36ff., 44ff., 53f., 73ff., 80, 82ff. 13 Die Entwicklung seit Beginn des Jahrhunderts bis in die zwanziger Jahre wird besonders ausführlich und übersichtlich dargestellt von KIEsOW, VerglO (4. Aufl. 1932) Einl. S. XVIIff.; siehe außerdem Lieblich und Cahn (oben N. 11). Lebhaft befürwortet wurde der konkursabwendende gerichtliche Vergleich auch von Ernst Jaeger, dem großen Kommen­ tator des Konkursrechts; siehe DJZ 1905, 753ff ; LZ 1907, 132; LZ 1907, 584ff. 14 Verhandlungen des Reichstages, Bd. 226 S. 5590. 15 Siehe dazu Jaeger, LZ 1907, 585. 16 Angaben bei Kiesow (N. 13) S. XIXf.; Lieblich (N. 11) 326; Cahn (N. 11) 746f. 17 Siehe Kiesow (N. 13) S. XX. 18 RGBl. 363. 19 Gesetz vom 4. 8. 1914 über die Ermächtigung des Bundesrats zu wirtschaftlichen Maßnahmen und über die Verlängerung der Fristen des Wechsel- und Scheckrechts im Falle kriegerischer Ereignisse, RGBL 327. Das Gesetz (§ 3 I) ermächtigte den Bundesrat, „während der Zeit des Krieges diejenigen gesetzlichen Maßnahmen anzuordnen, welche sich zur Abhilfe wirtschaftlicher Schädigungen als notwendig erweisen“.

II. Geschäftsaufsicht und Vergleich (1914 und 1916) Die Geschäftsaufsicht nach der Verordnung vom 8. 8. 1914 konnte beim Konkursgericht beantragen, „wer infolge des Krieges zahlungsunfähig geworden“ war (§ 1). Das Gericht hatte dem Antrag stattzugeben, „wenn die Behebung der Zahlungsunfähigkeit nach Beendigung des Krieges in Aussicht genommen werden“ konnte (§3 1). Die Geschäftsaufsicht hatte zur Folge, daß die ungesicherten Gläubiger gegen den Schuldner nicht durch Zwangsvollstreckung oder Konkursantrag vorgehen konnten (§ 5); nicht betroffen von ihr waren Aus- und Absonderungsberechtigte, die wichtigsten der bevorrechtigten Gläubiger und Gläubiger aus erlaubten Geschäften des Schuldners nach der Anordnung der Geschäftsaufsicht (§ 9). Das Gericht bestellte eine „Aufsichtsperson“, die die Geschäftsführung des Schuldners überwachte, sie unter Umständen auch anderen Personen übertragen oder sogar selbst handeln durfte (§§ 6, 7). Der Schuldner sollte ohne Zustimmung der Aufsichtsperson nicht über Grundstücke verfugen und nur solche Verbindlichkeiten eingehen, die zur Geschäftsführung und für einen bescheidenen Lebensunterhalt notwendig waren. Die vorhande­ nen Mittel durften für Geschäftsführung und Lebensunterhalt, im übrigen aber nur zur Befriedigung der Gläubiger verwendet werden; über Umfang und Reihenfolge der Befriedigung bestimmte die Aufsichtsperson, im Streitfall das Gericht (§ 8). Alle Entscheidungen des Gerichts waren unan­ fechtbar (§ 11). Die Gläubiger hatten auf Einleitung und Ablauf des Verfahrens keinen rechtlich gesicherten Einfluß. Von der Geschäftsaufsicht wurde bald reger Gebrauch gemacht20. Sie zeigte jedoch Mängel, als der Krieg nicht das erwartete schnelle Ende nahm. Denn eine reguläre Beendigung der Aufsicht war nur aus „wichti­ gen Gründen“ vorgesehen (§ 10), und weder die Gläubiger noch das Gericht hatten eine Möglichkeit (noch der Schuldner einen besonderen Anreiz), während des Verfahrens auf eine Schuldenregulierung hinzu wir­ ken. Die Geschäftsaufsicht verschaffte also, je länger der Krieg währte, ein leicht zu erlangendes Moratorium von unabsehbarer Dauer, in dessen Schutz und weitem Rahmen der Schuldner zu Lasten der alten Gläubiger ungehindert weiterwirtschaften konnte. Um hier Abhilfe zu schaffen, erließ der Bundesrat Ende 1916 eine neue Verordnung über die Geschäftsaufsicht, die a) das gerichtliche Verfahren und die Aufsicht selbst vervollkommnete, b) die Bestellung eines Gläubi­ 20 Für 1915 verzeichnete die Statistik 3865 Verfahren der Geschäftsaufsicht gegen 4545 Konkurseröffnungen und 1947 Konkursablehnungen mangels Masse; siehe Jaeger, KO (6./7. Aufl. 1936) § 163 Anm. 10 mit weiteren statistischen Angaben.

gerbeirats mit Aufsichtsrechten ermöglichte, vor allem aber c) die Mög­ lichkeit eröffnete, die Geschäftsaufsicht durch einen „Zwangsvergleich zur Abwendung des Konkurses“ abzuschließen21. Die Vorschriften über den Vergleich bildeten jetzt die Hauptmasse der Verordnung (§§ 33-65), und hier finden sich - teils angelehnt an die Regelung des Zwangsvergleichs in der Konkursordnung, teils neu geschaffen - bereits die meisten der Bauele­ mente, aus denen das heutige Vergleichsverfahren besteht22. Praktisch war der Vergleich damit zum Ziel und Zweck des Verfahrens geworden, während die eigentliche Geschäftsaufsicht nunmehr den schüt­ zenden Rahmen bildete, innerhalb dessen der Versuch eines Vergleichsab­ schlusses gemacht werden konnte23. Allerdings kannte auch die neue Verordnung keine Befristung der Geschäftsaufsicht. Wenn also ein Ver­ gleich vom Schuldner nicht versucht wurde oder nicht zustande kam, konnten die Gläubiger ein Ende der Geschäftsaufsicht weiterhin nur errei­ chen, wenn sich „wichtige Gründe“ vorbringen ließen (§ 66), und lehnte das Gericht die Aufhebung des Verfahrens ab, so war sein Beschluß nicht anfechtbar (§§ 19, 68). In dieser Form galt die Verordnung über die Geschäftsaufsicht bis weit in die Nachkriegszeit hinein. Sie wurde allerdings in den ersten Jahren nach dem Kriegsschluß nur noch wenig in Anspruch genommen, weil die sich steigernde Inflation von selbst eine Entschuldung der Unternehmen her­ beiführte. Die Situation änderte sich sofort nach der Stabilisierung der Währung im November 1923. Durch die nunmehr eingeschlagene Defla­ tionspolitik gerieten zahlreiche Unternehmen in Schwierigkeiten24. Die Geschäftsaufsicht kam jetzt bei weiten Teilen der Wirtschaft in den Verruf, den Schuldnern eine allzu bequeme Zuflucht vor ihren Gläubigern zu bieten. Durch zwei Verordnungen wurden 1924 die Voraussetzungen für die Anordnung der Geschäftsaufsicht etwas verschärft, der Einfluß der Gläubiger auf Durchführung und Beendigung des Verfahrens gestärkt und

21 Verordnung des Bundesrats vom 14. 12. 1916 über die Geschäftsaufsicht zur Abwendung des Konkurses, RGBl. 1363. 22 Die Verordnung wurde erläutert u. a. von Jaeger, zunächst in Fortsetzungen: JW 1917, 66, 134, 189, 261, 326, 436, 507; dann in Buchform: Die Geschäftsaufsicht neuer Ordnung (Leipzig 1917). 23 Jaeger, JW 1917, 67, 68, 326; ZZP 48 (1920) Ulf. 24 Die Zahl der eröffneten und der mangels Masse abgelehnten Konkursverfahren war von zusammen 4129 im Jahr 1921 auf 497 im Jahr 1923 gefallen, die der Geschäftsaufsichten von 516 auf 163. Die Zahlen schnellten dann empor; 1924: 8034 Konkursanträge und 7111 Geschäftsaufsichten; 1925: 14805 und 6052; 1926: 15829 und 7454; siehe die Tabellen bei Jaeger (N. 20).

schließlich die Dauer der Geschäftsaufsicht zunächst auf ein Jahr, sodann auf drei Monate begrenzt25. Der weitverbreitete Unmut mit der Geschäftsaufsicht ließ sich dadurch nicht mehr besänftigen. Die zum Teil vehement vorgebrachte Kritik aus der Wirtschaft war inzwischen grundsätzlicher geworden und auf eine völlige Neugestaltung gerichtet. Bemängelt wurde vor allem, daß die Geschäftsaufsicht faulen Schuldnern und unfundierten Unternehmungen eine unverdiente Weiterexistenz ermögliche, zum Schaden der Gläubiger, der gesunden Unternehmen und der Allgemeinheit. Sie werde von „gewis­ senlosen Schuldnern“ ausgenutzt26, behindere den „Reinigungsprozeß der Wirtschaft“ und die notwendige „Austilgung der Inflationsblüten“, und man sprach von „skrupellosen Schuldnern“ und der „wehrlosen Gläubiger­ schaft“27. Gefordert wurde die völlige Abschaffung der vorbereitenden Geschäftsaufsicht, die Beschränkung des Vergleichs auf den wirtschaftlich „würdigen“ Schuldner und für das verbleibende Vergleichsverfahren eine Wende vom Schuldner- zum Gläubigerschutz bis hin zur „Gläubigerauto­ nomie“, das heißt: Beherrschender Einfluß der Gläubigermehrheit auf Einleitung und Durchführung des Verfahrens und die Bedingungen des Vergleichs; Zurückdrängung des Richters auf die bloße Leitung des Ver­ fahrensablaufs28. Das Ergebnis der Kritik war schließlich das Gesetz über den Vergleich zur Abwendung des Konkurses (Vergleichsordnung) vom 5. Juli 1927 (RGBl. I 139), das am 1. Oktober 1927 in Kraft trat und damit die Verordnung über die Geschäftsaufsicht ablöste.

III. Die Vergleichsordnung von 1927 Als die Reichsregierung im Februar 1925 ihren Entwurf einer Ver­ gleichsordnung vorgelegt hatte, zeigte sich, daß über den Wert der bisheri­ gen Geschäftsaufsicht und der zu wünschenden Änderungen in den interes­ sierten Kreisen durchaus keine einheitliche Meinung bestand. Gegenüber der vehementen Kritik aus der Wirtschaft meldeten sich jetzt vor allem aus der Wissenschaft und der könkursrichterlichen Praxis Stimmen, die für eine nüchterne und besonnene Verwertung der bisherigen Erfahrung plä­ 25 Verordnungen vom 8. 2. 1924 (RGBl. I 51) und vom 14. 6. 1924 (RGBl. I 641). 26 Cahn, LZ 1926, 205. 27 Siehe dazu Bley, VerglO (2. Aufl. 1955) 3 und ZZP 52 (1927) 113f., 120; Jaeger, DJZ 1926, 30, und Levy, VerglO (2. Aufl. 1929) 5f., die zu Skepsis gegenüber diesen politischen Schlagworten aufforderten. 28 Kritik und Reformforderungen übersichtlich dargestellt bei Kiesow (N. 13) S. XIII.

dierten29. Man warnte davor, wegen mancher Mißbräuche mit der alten Geschäftsaufsicht in wirtschaftlich besonders unruhiger Zeit das neue Gesetz aus einer prinzipiellen Gegnerschaft zur Institution des konkursab­ wendenden Vergleichs zu konzipieren. Verfehlt sei es insbesondere, auf die „Würdigkeit“ des Schuldners großes Gewicht zu legen, denn richtig ver­ standen sei der Vergleich ohnehin nicht eine Vergünstigung für den Schuldner, sondern habe den Interessen der Gläubiger zu dienen. Wenn zum Beispiel deren Interesse eine Vergleichsregelung mehr diene als die konkursmäßige Liquidation, bestehe kein Grund, den Vergleich an einer abstrakt umschriebenen „Unwürdigkeit“ des Schuldners scheitern zu las­ sen30. Von dieser Grundhaltung aus wurde gegen den Entwurf und die endgültige Gesetzes Vorlage entschiedene Kritik angemeldet31. Beim Gesetzgeber fanden diese Stimmen kein Gehör. Das neue Gesetz war geprägt von dem Bestreben, den konkursabwendenden Vergleich schwerer erhältlich und nur dem wirklich vergleichswürdigen Schuldner zugänglich zu machen. Ersatzlos gestrichen wurde die allgemeine Geschäftsaufsicht, es blieb nur das eigentliche Vergleichsverfahren. Der Schuldner mußte die Eröffnung des Verfahrens beantragen und dafür die schriftliche Zustimmung einer qualifizierten Gläubigermehrheit beibrin­ gen, die er aber nunmehr - nach der Streichung der Geschäftsaufsicht ohne den Schutz und die Hilfe des Gerichts einholen mußte. Dadurch wollte man den Schuldner zu größerer Eile bei der Vergleichs Vorbereitung antreiben und unseriöse oder mangelhaft vorbereitete Vergleichsanträge verhindern32. Vollstreckungs- und Konkurssperre galten erst, wenn das Gericht das Verfahren eröffnete (§§ 31, 32). Für die Zeit vor der Eröffnung gewährte das Gesetz nur mittelbaren Vollstreckungsschutz: Vollstrekkungsmaßnahmen während der letzten dreißig Tage vor dem Vergleichs­ antrag waren nach der Eröffnung des Verfahrens vorläufig einzustellen, im Falle der späteren Annahme und Bestätigung des Vergleichs oder des 29 Vor allem Bley, ZZP 52 (1927) 113ff., Jaeger (N. 27) und Levy (angesehener Konkurs­ richter in Berlin und später Gründer der Zeitschrift „Konkurs- und Treuhandwesen“ - heute: KTS) (N. 27) und DJZ 1926, 1530f.; Levy sprach von einer „geräuschvollen, durch einen Teil der Tagespresse und mehrere Spitzenorganisationen der Wirtschaft unterstützten Gegenbewe­ gung“ (gegen die Institution des konkursabwendenden Vergleichs); Jaeger meinte, daß „einzelne Verkehrskreise, besonders der Großindustrie, seine (des Vergleichs) radikale Besei­ tigung, nicht immer nur im Interesse der Wirtschaft, sondern mitunter in dem eigensüchtigen Bestreben, die schwächere Konkurrenz den Notständen der Zeit aufzuopfern", verlangt hätten; DJZ 1927, 1315. 30 Bley (N. 29) 114f., 118f. 31 Vor allem Bley und Jaeger (N. 29). 32 Kiesow (N. 13) S. XVIII.

Anschlußkonkurses wurden sie rückwirkend unwirksam (§§ 33, 70, 71, 84). Im übrigen erhöhte das Gesetz die Schwelle für die Beantragung und das Zustandekommen des Zwangsvergleichs an verschiedenen Stellen. Für den Erlaßvergleich wurde eine Mindestquote von 30% verlangt (§ 6) und die geforderte Mehrheit für die Annahme des Vergleichs heraufgesetzt (§ 63)33. Der Richter mußte anhand gesetzlich umschriebener Tatbestände die Ver­ gleichswürdigkeit des Schuldners prüfen. Zwingende Gründe für die Zurückweisung des Vergleichsantrages waren: Flucht oder unentschuldig­ tes Ausbleiben; frühere Strafverfahren wegen betrügerischen Bankrotts; Herbeiführung des Vermögens Verfalls durch Unredlichkeit oder Leicht­ sinn; böswillige Verzögerung des Vergleichsantrages (§ 22 Nr. 2-4). Die Eröffnung des Verfahrens war auch abzulehnen, wenn der Vergleichs Vor­ schlag der Vermögenslage des Schuldners nicht entsprach (§ 22 Nr. 4); sie konnte abgelehnt werden, wenn innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Vergleichsantrag der Konkurs, eine Geschäftsaufsicht oder ein Vergleichs­ verfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet oder mangels Masse abgelehnt worden war, oder der Schuldner in diesem Zeitraum den Offenbarungseid geleistet hatte (§ 23 Nr. 2 und 3), schließlich - bei Erlaß vergleichen - auch, wenn den Gläubigern weniger als die Hälfte ihrer Forderungen geboten wurde (§ 23 Nr. 1). Das Gericht mußte vor der Entscheidung über den Antrag die amtliche Berufsvertretung des Schuld­ ners zu dem Antrag hören (§ 20). Schließlich sollten durch kurze Fristen (§§ 19, 20, 26, 66, 67 III) und Beschränkung der Anfechtungsmöglichkei­ ten (§ 14) Verzögerungsmanöver ausgeschlossen werden. Der Vergleichs­ antrag, der nicht zur Eröffnung des Verfahrens oder zur Bestätigung des Vergleichs führte, galt nun als unwiderruflicher Konkursantrag (§§ 24, 71). Nur wenig berücksichtigt wurden in dem Gesetz dagegen die Forderun­ gen nach „Gläubigerautonomie“, das heißt nach weitgehender Herrschaft der Gläubigermehrheit über das Vergleichsverfahren. Das Gericht, nicht die Gläubiger, entschied über die Vergleichs Würdigkeit des Schuldners, und es blieb dabei, daß der von der erforderlichen Mehrheit angenommene Vergleich vom Gericht bestätigt werden mußte (§ 67). Immerhin beschränkte das Gesetz aber gegenüber der früheren Regelung der Geschäftsaufsicht die Gründe, aus denen der Richter die Bestätigung 33 Mehrheit der stimmberechtigten Gläubiger und 3/4 der Gesamtsumme der Forderungen, jedoch 4/5 bei einem Erlaß von mehr als 50% der Forderungen; bei bloßer Stundung bis zu einem Jahr mehr als die Hälfte der Gesamtsumme.

verweigern mußte und durfte. Der Vergleich mußte verworfen werden, wenn wesentliche Verfahrens Vorschriften nicht eingehalten waren und wenn der Schuldner flüchtig war oder wegen betrügerischen Bankrotts strafrechtlich verfolgt wurde (§ 68 I). Der Richter durfte aber nicht mehr von sich aus, sondern nur noch auf Antrag eines Gläubigers prüfen, ob der Vergleich unlauter zustande gebracht worden war oder sonst dem gemein­ samen Interesse der Gläubiger widersprach (§ 68 II). In der Praxis stellte sich bald heraus, daß die Entscheidung, dem Schuldner die Vorbereitung des Vergleichs und die Sammlung der Zustim­ mungserklärungen der Gläubiger vor Eröffnung des Verfahrens aufzuge­ ben, ein Mißgriff war, der den Gläubigern mehr Schaden als Nutzen brachte. Denn der Schuldner mußte sich zu diesem Zweck seinen Gläubi­ gern offenbaren. Das aber löste oft Arreste und Zwangsvollstreckungen aus, die das Zustandekommen eines Vergleichs von vornherein vereiteln konnten; andererseits waren die Gläubiger, die geneigt waren, auf die Vorschläge des Schuldners einzugehen, für ihre Entscheidungen allein auf die Angaben des Schuldners angewiesen, solange das Verfahren nicht eröffnet war34. Im übrigen aber ergaben sich gegen die neue Vergleichsord­ nung zunächst kaum Anstände.

IV. Die Vergleichsordnung von 1935 1. Entstehung Die Einschätzung des Gesetzeszustandes verschlechterte sich sofort wie­ der in der Zeit der Weltwirtschaftskrise, die um 1929 einsetzte. Jetzt wurde aus Kreisen der Wirtschaft der Vorwurf erhoben, daß auch das neue Gesetz noch zu schuldnerfreundlich sei und die Anforderungen an den Vergleichs­ schluß generell verschärft werden müßten35. In stärkerem Maße als zuvor wurde nun mit den Interessen der Gesamtwirtschaft und der Allgemeinheit für eine Erschwerung der Vergleiche argumentiert. Der Verband der Vereine Creditreform e. V. veröffentlichte um 1930 eine Denkschrift, in der es unter Hinweis auf Kapitalabflüsse und Kapitalknappheit hieß: „Das Ziel der Vergleichsordnung, möglichst viele ehrliche Kaufleute vor dem Ausscheiden aus dem Wirtschaftskreislauf zu bewahren, hat deshalb hinter der Notwendigkeit, die

34 Siehe die Berichte von Levy, KT 1927, 155; Maas, KT 1928, 34-36; Scherbel, KT 1929, 165 f. 35 Zusammenfassender Bericht über die Kritiken bei Röding, Die Praxis des gerichtlichen Vergleichs zur Abwendung des Konkurses (Jena 1933) 135 ff. mit Nachweisen.

vorhandene Kreditmenge auf den Kreis der gefestigten, leistungsfähigen Kreditempfänger so aufzuteilen, daß wenigstens diese arbeiten können, zurückzutreten. Das Interesse für die Aufrechterhaltung der kaufmännischen Einzelexistenz hat, verdrängt durch die Not der Gesamtwirtschaft, einer Auffassung weichen müssen, die in einer Bereini­ gung der Wirtschaft von schwachen Kreditnehmern den unumgänglichen Weg zur Erhaltung der kreditwürdigen Wirtschaftsglieder erblickt. Diese Auffassung ist es, die den zusammenge­ brochenen Schuldnern zumutet, endgültig abzutreten, damit durch sie die intakten Glieder des Kreditverkehrs nicht weiter gefährdet werden, sondern ihre Funktionen im Wirtschafts­ gange in einer möglichst gesunden Kreditsphäre wahrnehmen können. . . Für die Wirtschaft ist es kein Schaden, wenn künftig die Zahl der abgelehnten Vergleichsverfahren erheblich zunimmt. Es kann dadurch nur erreicht werden, daß die an sich zu knappe Kapitaldecke wenigstens für diejenigen Wirtschaftsglieder hinreicht, die sich ihrer mit einem volkswirt­ schaftlich nützlichen Erfolge bedienen. Das Ziel der Bereinigung des Wirtschaftskörpers von untauglichen Existenzen ist Hand in Hand mit dem der Kreditregulierung zu verfolgen.“36

Noch drastischer schrieb die Handelskammer Berlin in ihrem Jahresbe­ richt 1930, daß eine Gesetzgebung erforderlich sei, „die die allgemeinen Interessen an einer Gesundung unserer Verhältnisse mehr in den Vordergrund rückt, und nicht nur den Schutz der gegenwärtigen Gläubiger, sondern auch die künftige Geschäftsgebarung der Schuldner und die daraus entspringenden Gefahren betrach­ tet. Sie erfordert es, daß unzuverlässige und ungeeignete Elemente rücksichtslos ausgeschaltet werden, damit sie nicht weiteren Schaden anrichten“37.

Der Deutsche Industrie- und Handelstag legte dann 1931 der Reichsre­ gierung einen Gesetzesentwurf vor, der zusammen mit dem entsprechen­ den österreichischen Wirtschaftsverband ausgearbeitet worden war38. Dies führte zu Verhandlungen zwischen den deutschen und österreichischen Justizverwaltungen. Es entstand schließlich der Entwurf einer gemeinsa­ men deutsch-österreichischen Vergleichsordnung, der Anfang 1933 in Berlin und Wien publiziert wurde39. Die politischen Umstürze in beiden Ländern verhinderten, daß der Plan eines gemeinsamen Gesetzes verwirklicht wurde. Die deutsche nationalso­ zialistische Regierung griff den Entwurfjedoch auf und ließ ihn zunächst in der Akademie für Deutsches Recht beraten40. Der Entwurf ließ sich in seiner Grundtendenz verbinden mit der nationalsozialistischen Ideologie. 36 Die reformbedürftige Vergleichsordnung - Wirtschaftliche und rechtliche Kritik an der Vergleichsordnung vom 5. Juli 1927 und Vorschläge zu einer Reform des Gesetzes (Leipzig o.J.) 4, 5, 12. 37 Zitiert in der Denkschrift der Vereine Creditreform (N. 36). 38 Mitteilung in KT 1931, 15. 39 Entwurf einer Vergleichsordnung, nebst Einführungsgesetz und Begründung, veröffent­ licht durch das Reichsjustizministerium (Berlin 1933) ; Bundesministerium für Justiz: Entwurf einer Vergleichsordnung, nebst Einführungsverordnung und Begründung (Wien 1933). 40 Bericht über die Beratungen: Vogels, ZAkDR 1934, 143 ff.

In deren Licht hatte die Vergleichsordnung die „Belange des Volksganzen“ vor Schuldnerschutz und „Gläubigerpartikularismus" zu stellen. Sie durfte nicht den „Ausscheidungsprozeß kranker Wirtschaftsteile“ hindern, hatte vielmehr die „Gesamtwirtschaft vor der Betätigung schadenbringender Elemente“ zu schützen und so schließlich zu einer „Wiederkehr gesunder Verhältnisse im deutschen Wirtschaftsleben“ beizutragen. Das Verfahren ist gedacht für „den Schuldner, der nach seiner Persönlichkeit und Wirt­ schaftsweise Vertrauen und Schonung verdient“41. Unter diesem ideologischen Vorzeichen wurde der Entwurf überprüft und nach den Anregungen der Akademie für Deutsches Recht und anderen Stellungnahmen umgearbeitet, wobei aber im wesentlichen nur noch Einzelheiten verändert wurden. Die Reichsregierung verabschiedete den Entwurf im Februar 1935 und setzte ihn mit Wirkung vom 1. April 1935 als neue Vergleichsordnung in Kraft42.

2. Inhalt Das neue Gesetz sollte zunächst technische Mängel des alten beseitigen. Darüber hinaus versuchte es, noch höhere Barrieren gegen „unwürdige“ Schuldner zu errichten, außerdem gegenüber Schuldnern wie Gläubigern die Belange der gesamten Volkswirtschaft kräftiger zur Geltung zu bringen - dies letztere durch eine stärkere Stellung des Gerichts und des von ihm eingesetzten Vergleichs Verwalters. Im einzelnen brachte es die folgenden Neuerungen: Für die Eröffnung des Verfahrens ist jetzt nicht mehr die Zustimmung der Gläubiger erforderlich; sofort mit dem Eingang des Vergleichsantrages ernennt das Gericht vielmehr einen vorläufigen Vergleichs Verwalter (§ 11), der den Schuldner kontrolliert, und auf dessen Antrag das Gericht Zwangsvollstreckungen (für längstens sechs Wochen) einstellen kann (§ 13). Das Gericht kann auch Verfügungsbeschränkungen gegen den Schuldner aussprechen und den vorläufigen Verwalter zur Übernahme der Kassenführung ermächtigen (§§ 12, 57). Der Vergleichsantrag führt - wie nach dem alten Gesetz - auch dazu, daß die Entscheidung über einen Konkursantrag ausgesetzt werden muß (§ 46). Nach der Eröffnung des 41 Das zitierte Vokabular findet sich bei Vogels, VerglO (1935) 14 und DJ 1935, 373 f.; Paulsen, KT 1933, 81 f und 1936, 33 f. Über die damalige Diskussion auch Arnold, DRpfl. 1977, 387 mit weiteren Literaturhinweisen. 42 RGBl. I 321. Die Entwicklung seit der Vergleichsordnung von 1927 wird kurz und übersichtlich dargestellt von Vogels, VerglO (1935) 12-14, und Danielcik/Küch, VerglO 8-10.

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Flessner BIPR 48

Verfahrens sind alle Zwangsvollstreckungen kraft Gesetzes einstweilen eingestellt (§ 47). Die Tatbestände, bei denen das Gericht die Eröffnung des Verfahrens ablehnen muß, wurden ausgebaut und vermehrt. Die Eröffnung muß jetzt auch abgelehnt werden, a) wenn innerhalb der letzten fünf Jahre bereits einmal ein Insolvenzverfahren gegen den Schuldner stattgefunden hatte (§17 Nr. 4 und 5; vordem konnte das Gericht in einem solchen Fall die Eröffnung ablehnen); b) wenn die geschäftlichen Aufzeichnungen des Schuldners zu mangelhaft sind, um einen Überblick über seine Vermö­ genslage zu ermöglichen (§ 17 Nr. 8); c) wenn der Vermögens verfall durch Preisschleuderei herbeigeführt wurde (§ 18 Nr. 1); d) wenn der Vergleichs­ antrag schuldhaß verzögert wurde (§18 Nr. 2; vordem mußte böswillige Verzögerung nachgewiesen werden); e) wenn eine Erhaltung des Unter­ nehmens durch den Vergleich offenbar nicht zu erwarten ist (§ 18 Nr. 4); mit diesem letzteren Ablehnungsgrund sollte erreicht werden, daß das Vergleichsverfahren wirklich nur den Unternehmen zur Verfügung steht, die bei objektiver Betrachtung (nicht nur im Urteil der Gläubiger) auch nach der Erfüllung des Vergleichs noch lebensfähig sind43. Die Mindest­ quote für den Erlaß vergleich wurde erhöht auf 35%, bei einer Zahlungs­ frist von mehr als einem Jahr auf 40% (§ 7 I, II)44. Gänzlich neu war schließlich, daß nunmehr auch die Erßillung des bestätigten Vergleichs von Gericht und Verwalter überwacht wird (§§ 96ff.). Für die Nationalsozialisten konnte die Vergleichsordnung in dieser Form nur eine - allerdings notwendige - Übergangsregelung sein: „. . . meinem ausgebauten nationalsozialistischen Recht (darf) die Entscheidung darüber, ob ein Schuldner oder ein Betrieb für die Gesamtwirtschafi erhalten werden muß, nicht ausschließlich in die Hand einer eigeninteressierten Gläubiger­ mehrheit gelegt werden, sondern . . . darüber (muß) ein Organ der Volksgemeinschaft, und zwar unter verantwortlicher Mitwirkung der beteiligten Wirtschaftskreise, befinden“45. Es gab auch bereits 1936/37 wieder Vorarbeiten im Reichsjustizministerium für eine Weiterbildung des Vergleichsrechts46, doch wurde das Bedürfnis nach einer Novellierung der Vergleichsordnung während des Dritten Reiches offenbar immer geringer, 43 Vogels (N. 42) § 18 Anm. IV 1; BLEY/MOHRBUTTER, VerglO § 18 Anm. 11. 44 Eine Zahlungsfrist von mehr als 18 Monaten darf der Schuldner überdies nur insoweit in Anspruch nehmen, als er mehr als 40% bietet (§ 7 II 2). 45 Danielcik/Küch (N. 42) 7. In diesem Sinne auch ein Kommentar in der Sparte „Die rechtspolitische Linie“ (der nationalsozialistischen Gesetzgebung) in: Deutsches Recht (Zen­ tralorgan des Bundes Nationalsozialistischer Deutscher Juristen) 1935, 132, sowie - aus politisch distanzierterer Sicht - Bley, DJZ 1935, 392 f. 46 So berichtet es Künne, Betr. 1978, 729.

weil das Gesetz von den praktischen Verhältnissen nicht wirklich herausge­ fordert wurde. Die prononcierte Beschäftigungspolitik des Staates und die immer intensivere Wirtschaftslenkung durch Preisregulierung und Kontin­ gentierung gaben jedem einigermaßen ordentlich geführten Unternehmen einen Platz in der Gesamtwirtschaft47. Jedweder rechtspolitischer Druck verflüchtigte sich schließlich mit dem Einsetzen der Kriegswirtschaft nach 1939. Um Zusammenbrüche aus Gründen der Kriegslage zu vermeiden, gewährte und organisierte die Reichsregierung systematisch Unterneh­ mens-Beihilfen und Erhaltungskredite. In rechtlicher Hinsicht sorgte die Vertragshilfe-Verordnung vom 30. November 1939 (RGBl. I 2329) für eine Anpassung der Verbindlichkeiten an die neue Situation. Gleichzeitig wurde der Vergleichsordnung ein besonderes „Kriegsausgleichsverfahren “ zur Seite gestellt, in dem Unternehmen, die durch die Auswirkungen des Krieges insolvent geworden waren, Stundungs- und Erlaß vergleiche unter erleichterten Voraussetzungen erlangen konnten48.

B. Sonderbereiche I. Schuldverschreibungen In der deutschen Diskussion über den konkursabwendenden Vergleich, die zu Anfang dieses Jahrhunderts stattfand, wurde von den Befürwortern des Vergleichs hingewiesen auf Sonderregelungen, die dieses Institut für besondere Bereiche bereits eingeführt hatten49. An erster Stelle stand hier das Gesetz über die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschrei­ bungen vom 4. Dezember 1899, das gleichzeitig mit dem BGB in Kraft getreten war; es ist - mit einigen zwischenzeitlichen Änderungen - noch heute in Geltung50. Das Gesetz sieht vor, daß die Inhaber von Schuldver­ schreibungen aus einer Emission, die mindestens drei Millionen DM in mindestens dreihundert Stück zum Gegenstand hat, auf einer Gläubiger­ versammlung Mehrheitsbeschlüsse „zur Wahrung ihrer gemeinsamen

47 Die Zahl der Konkurse und Vergleichsverfahren war von 1932 auf 1933 schlagartig gefallen: Konkursanträge von 14138 auf 7954, Vergleichsanträge von 6189 auf 1476. Sie sank dann bis 1937 kontinuierlich weiter auf: Konkurse 4514; Vergleiche 421; siehe zuletzt Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich 57 (1938) 427. 48 Darüber Vogels, KT 1940, 3-7. 49 Z.B. Jaeger, KO (3./4. Aufl. 1913) § 173 Anm. 16; Cahn (oben N. 11) 742f. 50 RGBl. 1899, 691; Änderungen durch: Gesetz vom 14. 5. 1914, RGBl. 121; Verordnung des Reichspräsidenten vom 24. 9. 1932, RGBl. I 497; Gesetz vom 20. 7. 1933, RGBl. I 523; Gesetz vom 2. 3. 1974, BGBl. I 469, 521, Art. 133.

Interessen“ fassen können, die für alle Gläubiger aus dieser Emission verbindlich sind (§11). Der offizielle Sinn des Schuldverschreibungs-Gesetzes besteht darin, den Anleihegläubigern ein gemeinsames Handeln zur Wahrung ihrer Rechte zu ermöglichen51. Zu diesem Zweck kann die Gläubigerversammlung insbe­ sondere einen gemeinsamen Vertreter bestellen (§ 1 II) und die Befugnis einzelner Anleihegläubiger zur selbständigen Geltendmachung ihrer Ansprüche ausschließen (§14 II). Solche und andere Beschlüsse sind während der gesamten Laufzeit der Anleihe zulässig. Der hauptsächliche Grund für die Entstehung und Anwendung des Gesetzes ist jedoch das Bedürfnis des Schuldners der Anleihe, im Falle wirtschaftlicher Schwierig­ keiten mit der unübersehbaren Zahl der (meist unbekannten) Obligationäre wegen Erleichterungen der Zins- und Tilgungslast in Verbindung treten zu können52. Im Gesetz selbst kommt dies dadurch zum Ausdruck, daß die Versammlung primär durch den Schuldner und auf dessen Kosten berufen wird (§ 3 I, III). Zur Abwendung einer Zahlungseinstellung oder des Konkurses kann die Gläubigerversammlung mit qualifizierter Mehrheit die Aufgabe oder Beschränkung von Rechten der Gläubiger, insbesondere Zinsermäßigungen oder Stundung beschließen (§11 I-IV), oder den gemeinsamen Vertreter dazu ermächtigen (§14 III). Ein Erlaß der Haupt­ forderung konnte bindend allerdings zunächst nur dann beschlossen wer­ den, wenn das Konkursverfahren bereits eröffnet war (§18 1, VI i. V. m. § 12 III). Seit der Novelle von 193353 ist dem jedoch gleichgestellt die Eröffnung des Vergleichsverfahrens (§ 19a), so daß jetzt die Gläubiger Ver­ sammlung Forderungsnachlässe auch für Sanierungen zur Abwendung des Konkurses beschließen kann. Nach Entstehungsgrund und praktischer Funktion kann das Schuldver­ schreibungs-Gesetz als ein Teil der Insolvenzgesetzgebung angesehen wer­ den. Es ist allerdings unabhängig von der damaligen deutschen Insolvenz­ rechts-Diskussion, auch unabhängig von den Bestrebungen zur Einfüh­ rung des konkursabwendenden Vergleichs, konzipiert worden. Vielmehr war es Teil einer lebhaften Gesetzgebungsbewegung, die mit dem Herauf­ kommen der großen Aktiengesellschaften und deren spezifischen Kapital­ bedürfnissen verbunden war und in anderen Industriestaaten zu vergleich­ baren Gesetzen und Institutionen - teilweise im Rahmen des Aktienrechts 51 So die Regierungsbegründung zum Entwurf des Gesetzes, zitiert im Kommentar von Ansmann 1. 52 So deutlich die Kommentare von Ansmann 1 und Koenige 25. 53 Siehe oben N. 50.

geführt hat54. Praktische Bedeutung erlangte das Gesetz vor allem in der schweren Depression der Jahre 1901-1903 und dann in der Weltwirt­ schaftskrise um 193055 - so sehr, daß zu dieser Zeit noch zwei verbessernde Novellierungen notwendig wurden56. Seither ist es um das Schuldver­ schreibungs-Gesetz in der juristischen Erörterung still geworden. Die letzte Kommentierung des Gesetzes stammt aus dem Jahr 193357; die heutigen Lehrbücher und Kommentare zum BGB, zum Gesellschaftsrecht und zum Insolvenzrecht behandeln es zumeist überhaupt nicht, sonst nur am Rande durch knappe Hinweise auf seine Existenz.

II. Versicherungen und Bausparkassen Sonderrecht gilt seit langem für Versicherungsunternehmen. Schon die Verordnung über die Geschäftsaufsicht von 1916 nahm Versicherungsun­ ternehmungen, die der Versicherungsaufsicht unterstanden, von ihrem Geltungsbereich aus (§ 74), ebenso die Vergleichsordnung von 1927 (§ 94) und die heute geltende Vergleichsordnung von 1935 (§ 112). Stattdessen hat die Versicherungsaufsichtsbehörde verschiedene Möglichkeiten, den Konkurs eines Versicherungsunternehmens abzuwenden. Nach § 89 VAG kann die Aufsichtsbehörde, „wenn die Vermeidung des Konkurses . . . zum Besten der Versicherten geboten erscheint“, „das hierzu Erforderliche anordnen“, insbesondere auch alle Arten von Zahlungen zeitweilig verbie­ ten (§ 89 I). Wenn nötig, kann die Aufsichtsbehörde bei Lebensversiche­ rungsunternehmen auch mit dauernder Wirkung die Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen entsprechend dem Vermögensstand herabset­ zen (§ 89 II)58. Die Eingriffs- und Hilfsmöglichkeiten der Versicherungs­ aufsicht werden verstärkt dadurch, daß allein die Aufsichtsbehörde das 54 In Deutschland beriet z. B. der 24. Deutsche Juristentag über das Thema; siehe das Gutachten von Hecht, 24. DJT (1898) III 210, 219f., und das Referat von Riesser aaO. IV 203, 210ff. und (ausführlicher) ZHR 47 (1898) Beiheft 6f., 53ff. Über den Entwurf des Gesetzes auch Hecht, DJZ 1898, 364-367. Rechtsvergleichend: Escarra, Traite theorique et pratique de l’organisation des obligataires (groupement et representation) (Paris 1922); Brandenburg, Le groupement des obligataires (Lausanne 1912); Lederer, Die Verwaltungsund Kontrollbefugnisse der Obligationäre einer Aktiengesellschaft nach inländischem und ausländischem Recht (Marburg/Lahn 1941); Conard, Int. Enc. Comp. L. XIII (Business and Private Organizations) ch. 6 (Fundamental Changes in Marketable Share Companies) (1972) sect. 36-44. 55 Siehe Hecht, Schriften des Vereins für Socialpolitik 111 (1903) 102; Ansmann, SchVG 3ff, und generell den Erfahrungsbericht von Bernstein, Über Obligationärvertretung (Berlin 1936). 56 Siehe oben N. 50. 57 Ansmann, SchVG (München 1933). 58 Über die Einzelheiten Prölss(-Schmidt/Sasse), VAG (7. Aufl. 1974) zu § 89.

Recht hat, die Eröffnung des Konkurses über ein Versicherungsunterneh­ men zu beantragen (§ 88 I 2 VAG). Die gleiche Exemtion vom gerichtlichen Vergleichsverfahren gilt für Bausparkassen59. Auch hier kann die Aufsichtsbehörde (das ist das Bundes­ aufsichtsamt für das Kreditwesen, § 3 BSpKG) im Gefahrenfall „alle Arten von Zahlungen einstweilen verbieten“, wenn die Vermeidung des Konkur­ ses unter Abwägung der Interessen der Bausparer und der übrigen Gläubi­ ger geboten erscheint (§1511 BSpKG). Das Aufsichtsamt kann unter den gleichen Voraussetzungen auch einer „vereinfachten Abwicklung“ der Bausparverträge zustimmen (§15 12), was praktisch auf eine Streichung der Zuteilungsansprüche und eine zeitlich gestreckte Rückzahlung von Bausparguthaben, also auf Teilerlaß und Stundung hinausläuft60. Auch hier wird die Sanierungsfunktion der Staatsaufsicht durch ein Monopol für die Stellung des Konkursantrags abgesichert (§ 15 II 3 BSpKG).

III. Banken Sonderrecht gilt auch für die Banken und die anderen der Staatsaufsicht unterliegenden Kreditunternehmen. Soweit sie privatrechtlich organisiert oder sonstwie konkurs- und vergleichsfähig sind61, steht ihnen im Gegen­ satz zur Versicherungs Wirtschaft auch das gerichtliche Vergleichsverfahren offen; allerdings kann der Vergleichsantrag nur mit Zustimmung der Bankenaufsichtsbehörde gestellt werden62. Daneben stehen jedoch Ein­ griffsinstrumente der Bankenaufsicht, die seit der Neufassung des Kredit­ wesen-Gesetzes von 197663 denen der Versicherungs aufsicht angeglichen sind: Im Gefahrenfall kann das Bundesaufsichtsamt einstweilige Maßnahmen treffen, insbesondere Anweisungen für die Geschäftsführung geben, dem Geschäftsleiter die Tätigkeit beschränken oder untersagen und Aufsichts­ personen bestellen (§ 46 I KWG). Speziell zur Vermeidung des Konkurses darf es ein Veräußerungs- und Zahlungsverbot erlassen, die Schließung der Schalter anordnen und die Entgegennahme von Zahlungen verbieten (§ 46a I). Dadurch soll der Geschäftsbetrieb einstweilen „eingefroren“ 59 § 112 VerglO i.d.F. des Bausparkassen-Gesetzes vom 16. 11. 1972, BGBl. I 2097. 60 Über die Einzelheiten Lehmann/Schäfer, BSpKG und BSpKVO (1973) 114-117, 195. 61 Über die Konkurs- und damit Vergleichsfähigkeit siehe BLEY/MOHRBUTTER, VerglO § 2 Anm. 4, 6; über Konkurs- und Vergleichsfähigkeit von Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts siehe Jaeger(-Weber), KO § 213 Anm. 2-4; BLEY/MOHRBUTTER § 2 Anm. 6, 15. 62 § 112 II VerglO in der Fassung des Gesetzes vom 24. 3. 1976, BGBl. I 725. 63 Gesetz über das Kreditwesen (in der Neufassung vom 3. 5. 1976), BGBl. I 1122.

werden, um den kollektiven Sicherungseinrichtungen der KreditWirtschaft Gelegenheit zur Stützung der Bank und gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger zu geben64. Wie bei den Versicherungsunternehmen kann des­ halb der Konkursantrag nur vom Bundesaufsichtsamt gestellt werden (§ 46 b). Bei schwerwiegenden Gefahren für die Gesamtwirtschaft durch wirt­ schaftliche Schwierigkeiten von Kreditinstituten kann überdies die Bun­ desregierung selbst durch Rechtsverordnung einem Kreditinstitut Zah­ lungsaufschub gewähren, vorübergehende Konkurs-, Vollstreckungs- und Vergleichssperre und Schließung anordnen sowie für die Wiederaufnahme des Zahlungsverkehrs Vorschriften erlassen, insbesondere die Auszahlung von Guthaben beschränken (§§ 47, 48).

C. Erfahrungen und Probleme Die Geschichte der Vergleichsordnung zeigt, wie das Sanierungsinstru­ mentarium der Rechtsordnung ins Feuer vehementer Kritik gerät, wenn die Wirtschaft eine schwere Krise durchmacht. So war es 1923/24 auf dem Höhepunkt der Inflation und der dann abrupt einsetzenden Deflationspoli­ tik, und so war es in der Weltwirtschaftskrise zu Anfang der dreißiger Jahre. Beide Male entstand aus der wirtschaftlichen, sozialen und politi­ schen Turbulenz eine neue Vergleichsordnung. Katastrophen und Umwälzungen solcher Art hat es in der westdeut­ schen Nachkriegsgeschichte bisher nicht gegeben. Der Zeit von 1923/24 ist allenfalls vergleichbar die Zeit nach 1948, als viele Unternehmen direkt oder indirekt der Währungsumstellung und ihren Folgen zum Opfer fielen. Damals wurde in der Tat das gerichtliche Vergleichsverfahren als unzu­ länglich bezeichnet, und die Praxis versuchte teilweise, das aus dem Krieg überkommene Vertragshilfe-Verfahren als gleichrangiges „drittes Insol­ venzverfahren“ (neben Konkurs und Vergleich) zu etablieren65. Das bald einsetzende „Wirtschaftswunder“ ließ diese Entwicklung jedoch schnell im Sande verlaufen66. Die Konjunkturschwankungen der späteren Jahre und auch die länger 64 Darüber Szagunn/Neumann/Wohlschiess, KWG (3. Aufl. 1976) Einleitung S. 33 f. und zu S§ 46, 46a. 65 Siehe dazu Gerken, MDR 1950, 72ff., und speziell über die damalige Hamburger Praxis MEYER-LÜERSSEN, MDR 1950, 90f., 211 ff. und BB 1950, 373f. Rückblickend Weber, KTS 1959, 82 und KO-Festschrift 333. 66 Die Zahl der gewerblichen Insolvenzen (Konkurse und gerichtliche Vergleiche) fiel von 1950: 5168 Verfahren kontinuierlich bis 1962 auf2005 Verfahren; Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1953, Abschnitt XVI G, Tabelle la (ab 1957: Abschnitt XVI, Tabelle 10; 1959: Tabelle 9; 1960: Tabelle 10; 1961-1963: Tabelle 12).

anhaltenden und tiefergehenden Wirtschaftsprobleme seit 1973 haben keine Umgestaltungsforderungen hervorgerufen, die sich ähnlich energisch wie in den zwanziger und dreißiger Jahren auf das Vergleichsverfahren richte­ ten. Gleichwohl sind Anzeichen einer Struktur- und Funktionsschwäche des deutschen Sanierungsrechts unübersehbar. Sie sollen im folgenden spezifiziert werden.

I. Krise des Konkursrechts Die Misere des deutschen Konkursverfahrens ist die vielbeklagte „Aus­ höhlung der Konkursmassen“ durch Sicherungsrechte, Vorrechte und eine Kreditpraxis, die den Mangel an Ertrag und Substanz allzu lange verdecken kann67. Die Entwicklung ist inzwischen dahin gekommen, daß rund 70% der Konkurse nicht durchgeführt werden, weil die Masse nicht einmal die Verfahrenskosten deckt, und daß die durchgeführten Konkurse den einfa­ chen (nicht gesicherten und nicht bevorrechtigten) Gläubigern im Durch­ schnitt nur noch eine Quote von etwa 5% bringen68. An dieser Krise des Insolvenzwesens nimmt auch das Vergleichsverfah­ ren teil. Da es die gesicherten und bevorrechtigten Gläubiger nicht erfaßt (§§ 25, 26, 27 VerglO), mindert die Unzulänglichkeit der verbleibenden Masse auch die Aussichten, einen gerichtlichen Vergleich zustande zu bringen und durchzuführen. So ist der Anteil der eröffneten Vergleichsver­ fahren an der Gesamtzahl der an das Gericht herangetragenen gewerblichen Insolvenzen ziemlich kontinuierlich gesunken von 30% im Jahr 1950 auf 7% im Jahr 197469 und nur 1,5% im Jahr 197870. Der offensichtliche Funktionsvertust, der sich für Konkurs und Ver­ gleich aus diesen Zahlen ergibt, hat auf dem 51. Deutschenjuristentag 1976 zu Vorschlägen geführt, die gesicherten Gläubiger jedenfalls für die Dauer der Verfahren am Herausziehen ihrer Sicherheiten zu hindern, stattdessen dem Konkursverwalter (im Vergleichsverfahren dem Schuldner) unter bestimmten Voraussetzungen (Abnutzungsentschädigung, evtl. Benut­ zungsentgelt) das Recht zu geben, die Gegenstände im Betrieb weiter zu verwenden, unter Umständen auch zu verarbeiten71. Für die Sanierungs­ 67 Eine drastische Schilderung der Situation gibt Kilger, Der Konkurs des Konkurses, KTS 1975, 142ff.; seitdem auch: Drobnig, 51. DJT I (1976) F 24—28; Hanisch, ZZP 90 (1977) 1 ff. 68 Siehe die Angaben in Wirtschaft und Statistik 1979, 107f. und bei Drobnig, Hanisch (N. 67), Doehring, KTS 1977, 150, und Gessner u. a. 44, 163f. 69 Siehe Statistisches Jahrbuch 1953 (N. 66) aaO. und die nachfolgenden Jahrgänge. Für die Zeit ab 1965 sind die Daten wiedergegeben auch bei Kilger (N. 67) 143. 70 Wirtschaft und Statistik 1979, 107f. 71 Vorschläge von Drobnig (N. 67) F 86ff, Henckel, 51. DJT (1976) II O 22ff, Kilger,

praxis noch wichtiger ist freilich eine Einbeziehung der gesicherten Gläubi­ ger, die auch nach Abschluß des Verfahrens gewisse Bindungen äußert. Dies würde zum Beispiel durch den ebenfalls zum 51. Deutschenjuristen­ tag gemachten Vorschlag erreicht, die gesicherten Gläubiger jedenfalls an Stundungen zu binden, die im Vergleichsverfahren beschlossen und gerichtlich bestätigt werden72.

II. Erfahrungen mit Großunternehmen 1. Dysfunktion oder Deformation Besondere Belastungsproben für Sanierungsverfahren sind Insolvenzen von Großunternehmen. Die Vergleichsordnung besteht sie in der Regel nicht oder nur mit großer Mühe. Schreckbeispiele aus der deutschen Nachkriegsgeschichte sind die Fälle Borgward und Schlicker, die sich Anfang der Sechziger jahre abspielten. Hier sind ein angesehenes Automo­ bilwerk und ein leistungsfähiges Werftunternehmen nach verbreiteter Mei­ nung gescheitert an einer unzulänglichen Vergleichsordnung und ihrer mechanischen und überhasteten Anwendung, bevor die Möglichkeiten einer Sanierung ausreichend geprüft, geschweige denn ausgeschöpft wor­ den waren73. Auf der anderen Seite sind Großinsolvenzen zu verzeichnen, die zwar letztlich mit Hilfe der Vergleichsordnung gemeistert werden konnten, aber nur, weil man Grundprinzipien des Gesetzes bewußt unbe­ achtet ließ; so zum Beispiel in den Fällen der Bau-Kreditbank und der Herstatt-Bank in der Mitte der siebzigerJahre, in denen die Vergleichsver­ fahren gescheitert wären, hätte man mit den kurzen Fristen des Gesetzes und seiner Sperre gegen „unwürdige“ Schuldner wirklich ernst gemacht74. Die Sanierungsversuche bei Großunternehmen mit Hilfe der Vergleichs­ ordnung laufen also hinaus auf die Wahl zwischen Dysfunktion und Deformation: Entweder man will ein Vergleichsverfahren nach dem Wil­ len des historischen Gesetzgebers: dann zwingt es Großunternehmen in eine übereilte Liquidation; oder man will die Sanierungsmöglichkeiten ebda. O 41 f., 46, und die Beschlüsse, ebda. O 183. In dieselbe Richtung vorher schon Berges, Festschrift Weber (1975) 84f.; jetzt außerdem: N. Reich, JZ 1976, 468f.; Künne, Betr. 1978, 730f.; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, KO S. 10. 72 Drobnig (N. 67) F 88. 73 Darstellungen der Fälle bei Hanisch, Rechtszuständigkeit der Konkursmasse 119-122; Siedschlag 134-136; Bunselmeyer 161-171; Elger/Asmus, in: Finanzierungs-Handbuch 189-192. Sehr journalistisch Merten, Die Pleitemacher (1975) 79-97, 98-140. 74 Über die Fälle Herstatt und Bau-Kreditbank siehe Berges, KTS 1975, 84-91; Künne, KTS 1975, 178-191.

vernünftig ausloten: dann müssen wesentliche Strukturelemente des Geset­ zes beiseite geschoben werden75. 2. Konkurrenz der öffentlichen Hand In den Fällen Borgward und Schlicker scheiterten die Sanierungsbemü­ hungen auch deshalb, weil finanzielle Hilfe des Staates im einen Fall zurückgezogen, im anderen von vornherein verweigert wurde76. Heute droht dem Vergleichsverfahren FunktionsVerlust aus der entgegengesetz­ ten Richtung. Denn je größer und bedeutender das Unternehmen, um so wahrscheinlicher ist es inzwischen, daß im Insolvenzfall der Staat mit seinen finanziellen Mitteln als Sanierungshelfer einspringen wird; bekannte Beispielfälle sind die Rettungsaktionen für Krupp (Mitte der sechziger Jahre), die Unternehmen des Glöggler-Textilkonzerns (1976), für die Beton- und Monierbau A.G. (1978) und die Textilgruppe van Delden (1978)77. Man wird davon ausgehen können, daß mittlerweile in jedem Insolvenzfall von regionaler oder nationaler Bedeutung die Gewährung staatlicher Hilfe irgendwo im Kreise der Beteiligten oder der Behörden und staatlichen Banken mindestens erwogen wird78. Die staatliche Insolvenzhilfe bringt ihre eigenen juristischen Probleme mit sich. Sie dürften zunächst darin liegen, daß die Hilfe „weder System noch Gerechtigkeit“ erkennen läßt79. Denn anders als stimulierende und lenkende Subventionsprogramme hat die Insolvenzhilfe auf den unerwarte­ ten Einzel-Notfall zu reagieren, kann also nur in geringem Maße geplant und normiert werden80. Anders als in manchem anderen europäischen Land

75 In diesem Sinne auch Berges, KTS 1975, 81 ff, und Uhlenbruck, KTS 1975, 166ff. 76 Siehe N. 73 bes. Bunselmeyer und Merten. 77 Über Krupp ausführlich Bunselmeyer 138-148; über Glöggler: Uhlenbruck, KO­ Festschrift 26 f.; über Beton- und Monierbau: Neubert, Betr. 1979, 1949; über van Delden: FAZ 22. 2. 1978, S. 13. 78 Daß mit wachsender Unternehmensgröße auf finanzielle Insolvenzhilfe des Staates zunehmend gerechnet werden kann und gerechnet wird, nehmen Veröffentlichungen zu den unterschiedlichsten Problemen heute als allgemein bekannte Tatsache; siehe z. B. Lenel, Ursachen der Konzentration (2. Aufl. 1968) 344ff.; Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken (1975) 85; Grunsky, Einführung in das Zwangsvollstreckungs- und Konkurs­ recht (2. Aufl. 1979) 32 f.; Lutter/Hommelhoff/Timm, BB 1980, 738; Unternehmensrechts­ kommission, Bericht S. 121 f. Dazu auch - kritisch -: Weber, KO-Festschrift 381; Uhlen­ bruck, KO-Festschrift 26 ff. - Eine Zusammenstellung über die Praxis in den EG-Staaten gibt Pontarollo, II salvataggio industriale nell’Europa della crisi (Bologna 1976) 309 S. 79 So Jaspert, Die Welt vom 6. 1. 1975. 80 Der einzige Systematisierungsversuch ist bisher die betriebswirtschaftliche Arbeit von Bunselmeyer, Das Verhalten des Staates bei der Sanierung notleidender Unternehmungen

hat die Bundesrepublik für diesen Teil ihres Subventionswesens auch nicht einmal öffentlich bekannte Regeln für Zuständigkeit und Verfahren ent­ wickelt81. Aus der Sicht des Insolvenzrechts ist die staatliche Finanzhilfe zusätzlich problematisch, weil sie in der Regel nicht im Insolvenzverfahren, sondern vorher, mit dem Ziel seiner Vermeidung, gegeben wird. Sie beleuchtet so für den Bereich der Großunternehmen die Insuffizienz des Insolvenzrechts und fordert mit jedem Mal gleichzeitig den Anschein seiner Irrelevanz. Da sie außerdem ohne festes System gegeben wird, fordert sie Vergleiche heraus zwischen Wirksamkeit und Angemessenheit der politischen und der rechtlichen Insolvenzbewältigung. Diese Vergleiche mögen je nach Stand­ ort und Zugehörigkeit des Betrachters unterschiedlich ausfallen. Von der Seite der Insolvenzrechtler werden jedenfalls allmählich grundsätzlichere Bedenken gegen die finanzielle Staatshilfe formuliert82. Sie enthalten letzt­ lich den Vorwurf, daß derselbe Staat, der finanzielle Sanierungshilfe gewährt, das geeignete rechtliche Werkzeug bislang vorenthält83.

III. Abhilfe So offensichtlich und oft vermeldet die Funktionsschwäche der Ver­ gleichsordnung gerade im Bereich der Großunternehmen ist, so selten sind in der gewiß reichen Reformdiskussion konkrete Überlegungen, die spe­ der Privatwirtschaft (Diss. München 1969). Er ist anscheinend weder in der Wissenschaft weitergeführt noch in der Praxis aufgenommen worden. 81 In den systematischen Arbeiten zum Subventionswesen schält sich für die in Programme gefaßten Subventionen allmählich ein rechtliches Regelsystem heraus; die Insolvenzhilfe als eigener Fallbereich kommt in diesen Arbeiten dagegen nicht vor; siehe Zuleeg, Die Rechts­ form der Subventionen (1965); Götz, Das Recht der Wirtschaftssubventionen (1966); Zacher, Staatliche Wirtschaftsförderung in der Bundesrepublik Deutschland, in: Wirtschafts­ recht 4 (1972) 185ff.; Kuhn, Staatliche Finanzhilfen an die gewerbliche Wirtschaft (Diss. Mainz 1972); Schetting, Rechtspraxis der Subventionierung (1973); Rinck, Wirtschaftsrecht (5. Aufl. 1977) 103-111; Andel, Subventionen, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissen­ schaften VII (1977) 491-510; Bleckmann, Subventionsrecht (1978); Henke, Das Recht der Wirtschaftssubventionen (1979). Über Regelungen in europäischen Ländern siehe Ponta­ rollo (N. 78). Speziell für Frankreich und die EG: Scheuing, Les aides financieres publiques aux entreprises privees (Paris 1974) 381 S.; für England: Ganz, Government and Industry The Provision of Financial Assistance to Industry and Its Control (Abingdon 1977) 112 S. Italien hat neuerdings ein „Grundgesetz“ für die finanzielle Industriepolitik (einschließlich der Krisenhilfe): Gesetz Nr. 675 vom 12. 8. 1977 (Provvedimenti per il coordinamento della politica industriale, la ristrutturazione, la riconversione e lo sviluppo del settore), Gazzetta Ufficiale vom 7. 9. 1977, Nr. 243. 82 Hanisch, Rechtszuständigkeit der Konkursmasse 263 f.; Uhlenbruck, KO-Festschrift 26-31. 83 So ausdrücklich Hanisch aaO. 264.

ziell diesem Problembereich gewidmet sind. Allerdings gibt es manche allgemeineren Reformgedanken und Praktiken, die auch für Großunter­ nehmens-Insolvenzen Verbesserungen bringen würden. Allgemeine Einigkeit besteht darüber, daß die gegenwärtigen Prozedu­ ren es nicht erlauben, die Erhaltungswürdigkeit eines insolventen Unter­ nehmens mit Ruhe und Sorgfalt zu überprüfen; dieser Punkt wird natürlich um so wichtiger, je umfangreicher und komplexer das zu beurteilende Unternehmen ist. Vorgeschlagen wird deshalb eine Verlängerung der Fristen für die Behandlung des Vergleichsantrags, Schutz des Unterneh­ mensvermögens vor nachteiligen Veränderungen sofort mit der Stellung des Vergleichsantrags, und für jeden Insolvenzfall eine umfassendere und qualitativ verbesserte Prüfung der Unternehmenssituation, bevor die Ent­ scheidung zwischen Liquidation und Sanierung getroffen wird84. In der Literatur ist auch der Gedanke aufgetaucht, für gesamtwirtschaftlich bedeutsame Großunternehmen das Recht zur Stellung des Konkursantrags bei öffentlichen Institutionen zu monopolisieren, wie es bisher für Versi­ cherungen und Banken geschehen ist85. Als unpassend und hinderlich für eine sachgerechte Insolvenzbewälti­ gung werden auch die Bestimmungen über die Vergleichs Würdigkeit empfunden, besonders soweit sie auf Handelsgesellschaften und sonstige größere Unternehmungen angewendet werden86. Gewünscht wird ferner eine stärkere Stellung des Vergleichs Verwalters (vergleichbar der des Kon­ kursverwalters), die diesen in die Lage versetzt, unerwünschte Einflüsse der alten Unternehmensleitung auszuschalten, unter Umständen die Geschäftsführung selbst in die Hand zu nehmen, die Unternehmenssitua­ tion sachverständig zu prüfen und generell das Vertrauen der Gläubiger zu dem Unternehmen wieder herzustellen87. Generell wird für alle Phasen des Verfahrens größere Flexibilität emp­ 84 Berges, KTS 1955, 2ff.; 1975, 85; Betr. 1978 Beilage Nr. 5; Weber, KTS 1959, 87, und KO-Festschrift 332 ff., 338 f., 342 f.; BLEY/MOHRBUTTER, VerglO I Einl. S. 3f.; BöhleStamschräder, VerglO Einleitung S. 3ff.; Siedschlag 116ff., 118f.; Goldbeck 121, 124, 126; Soergel 141; Künne, KTS 1975, 188ff. und Betr. 1978, 729, 731; Kilger, ZRP 1976, 192f. und 51. DJT (1976) II O 41, 46; Hanisch, ZZP 90 (1977) 23-33 undJB1. 1977, 244f; Gessner u. a. 563ff.; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck KO S. 12. 85 Siedschlag 40 f. - Der Gedanke war bereits um die Jahrhundertwende (ohne Widerhall) vorgetragen worden von Kohler, Leitfaden des Deutschen Konkursrechts (2. Aufl. 1903) 54. 86 Böhle-Stamschräder, VerglO (N. 84); Bley/Mohrbutter, VerglO (N. 84); Sied­ schlag 138f; Berges, KTS 1975, 85ff; Goldbeck 122; Uhlenbruck, KTS 1975, 166ff; Künne, KTS 1975, 189. 87 Berges, KTS 1955, 2 ff.; Papke, Festschrift Knorr (1968) 8; Goldbeck 121 f; Künne, KTS 1975, 188; Böhle-Stamschräder, VerglO, Einleitung S. 6; Bley/Mohrbutter, Ver­ glO, Einleitung S. 3.

fohlen; kritisiert werden unter diesem Blickwinkel die förmlichen Anfor­ derungen an den Vergleichsantrag, die Voraussetzungen der Verfahrenser­ öffnung, die Fristen, die Mindestquoten und andere Vorschriften über den zulässigen Vergleichsinhalt sowie die Überführung in den Konkurs, die beim Scheitern der Vergleichsbemühung von §§ 19, 80, 101 VerglO erzwungen wird88. Die Praxis versucht hier und da, das Vergleichsverfahren durch freie Auslegung innerhalb des gegebenen Gesetzesrahmens zu verbessern. Besonders bekannt und konsequent durchgeführt ist das Verfahren des Kölner Konkursgerichts89. In ihm werden manche der genannten Reform­ wünsche einfach dadurch erfüllt, daß Bestimmungen des Gesetzes, die ursprünglich gedacht waren als Ermächtigung des Gerichts zu Ausnahme­ anordnungen nach besonderer Prüfung des Falles, formelhaft als Regelvor­ schriften angewendet werden - dies alles mit dem Ziel, schon von der Stellung des Vergleichsantrages an das Unternehmen bis zum Abschluß des Verfahrens intakt zu erhalten90. Strukturschwächen des Verfahrens besonders in ihrer Auswirkung auf Großunternehmen - lassen sich indes­ sen auf diesem Wege nicht beheben, und unter erfahrenen Sachkennern der Vergleichspraxis ist auch die Legitimität dieses Vorgehens noch nicht außer Zweifel91. Ähnliche Möglichkeiten wie das Kölner Verfahren bietet die Einsetzung eines Sequesters als Vorstufe des Konkursverfahrens nach § 106 KO. Die Praxis greift zunehmend zu diesem Mittel, um der Erschöpfung der Masse durch Arbeitnehmer- und Forderungsvorrechte vorzubeugen92. Da die Sequestration weitgehend als Moratorium wirkt, kann sie jedoch „auch als Tast-Versuch und Ausdruck bisheriger Unzulänglichkeiten des (Ver­ gleichs-) Verfahrens ernst genommen werden“93. Sie ist jedoch im gegebe­ nen gesetzlichen Rahmen nicht als Sanierungsverfahren ausbaufähig, da sie von ihrem Ansatz her nur die vorläufige Konservierung des Unterneh­ mensvermögens, nicht auch die Zusammenfassung der Gläubiger zu wei­ terführenden Sanierungsbeschlüssen bewirken kann. 88 von Stockum IfE; Soergel 131 ff.; Künne, KTS 1975, 178ff., 191 und Betr. 1978, 729ff.; Berges, KTS 1975, 84ff.; Hanisch, ZZP 90 (1977) 30-33. 89 Als „Kölner Modell“ oder „Verfahren Kölner Prägung“ bekannt geworden; siehe darüber Berges, KTS 1955, 6; 1975, 82f.; Betr. 1978 Beilage Nr. 5, S. 3-6; Künne, KTS 1971, 235; Uhlenbruck, KTS 1972, 220; Bley/Mohrbutter § 11 Anm. 8. 90 Eine eingehende Darstellung des Verfahrens gibt Uhlenbruck, KTS 1972, 220-229. 91 Siehe die Bedenken von Künne, KTS 1971, 235 ff. und 1975, 178 ff. 92 Darüber Kilger, KTS 1975, 158f. und (ausführlich) KO-Festschrift 189f., bes. 201 ff.; Castendiek, KTS 1978, 1 ff.; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, KO § 106 Rz. 6. 93 Knieper, BB 1977, 627.

IV. Ideologie Ein eigener Schwachpunkt des gegenwärtigen deutschen Insolvenzrechts ist das ideologische Fundament, auf dem Praxis und Reformdiskussion sich abspielen. Die Entstehung der geltenden Vergleichsordnung war geprägt von dem Gedanken, daß sich im Konkurs der natürliche und erwünschte Auslese­ prozeß kristallisiere, der nur möglichst wenig durch Gewährung der „Wohltat“ des Vergleichs gestört werden dürfe94. Die nationalsozialistische Ideologie, mit ihrem Affekt gegen das „Untüchtige“ und „Unreine“, übernahm den Gedanken bereitwillig und verschärfte ihn durch die aktive Rolle, die sie der staatlich organisierten Gemeinschaft - jedenfalls in der Theorie - beim Vorantreiben des Auslese- und Reinigungsprozesses, beim „Ausmerzen der schädlichen Elemente“ zuschrieb95. Dieses ideologische Fundament ist zerfallen. Obsolet ist seit dem Zusammenbruch des Dritten Reiches die propagierte Ausleseforderung durch den Staat. Das neue liberale Credo der sozialen Marktwirtschaft vertraute in diesem Punkt auf Ratio und Reinigungskraft des Wettbewerbs - ohne an der grundsätzlich vorsichtigen Einstellung zum Vergleichsrecht etwas zu ändern96. Aber mehr und mehr ist der Auslesegedanke selbst als Leitmotiv des Insolvenzrechts in Frage gestellt worden. Man sieht die Insolvenz nicht mehr als Anstoß für die vom Recht zu leistende Auslese, sondern als Folge eines bereits abgelaufenen marktwirtschaftlichen Ausle­ seprozesses, dessen Resultat (nämlich den wirtschaftlichen Verlust) das Insolvenzverfahren nur noch rechtsförmig festzustellen und den Beteiligten zuzuweisen hat97. Man weist darauf hin, daß die Gläubiger auch in der Insolvenz durchaus als Marktteilnehmer handeln, und daß deshalb nicht marktwirtschaftliches, sondern autoritäres Denken im Spiel ist, wenn das Insolvenzrecht um der „Gesamtwirtschaft“ willen einen von den Gläubi­ gern gebilligten Vergleich verhindern will98. Man bezweifelt ferner, ob im gegenwärtigen Wohlfahrtsstaat, der auf vielfältige, fast unübersehbare Weise stimulierend, bremsend, steuernd, schützend auf die Wirtschaft 94 Siehe oben S. 12-17. 95 Siehe oben S. 16f. 96 Der erste Bundeswirtschaftsminister, Ludwig Erhard, wird vielfach zitiert mit dem Satz, daß er um des Funktionierens der Wirtschaft willen mit einer hohen Zahl von Konkursverfahren durchaus zufrieden sei; siehe z. B. Gerhardt, Festschrift Weber (1975) 183; RINKLIN 5. 97 Gerhardt, Festschrift Weber 183, 185, 188 f.; Hamelbeck, NJW 1975, 1497; Arnold, DRpfl. 1977, 388. 98 In diesem Sinne immer wieder Berges, KTS 1955, 6, 50ff; 1960, 2; 1975, 80f.; 86-89; KO-Festschrift 363ff.; siehe auch Uhlenbruck, KTS 1975, 170f.

Einfluß nimmt, das marktwirtschaftliche Modell überhaupt noch dem Insolvenzrecht zugrunde gelegt werden kann", und man hebt das Insol­ venzgeschehen schließlich aus der Gläubiger-Schuldner-Beziehung heraus auf eine gesamtgesellschaftliche Ebene, wo das einzelne Unternehmen unlöslich und unselbständig eingebunden erscheint in die Lebensgesetze der industriellen Großproduktion, des hochentwickelten Kreditapparates und der staatlichen Wirtschaftsprogrammierung99 100. Das Resultat des Ideologiezerfalls ist eine gewisse Desorientierung der deutschen Insolvenzjurisprudenz. Das Spektrum der Meinungen reicht heute von der „alten“ Ausscheidungs- und Reinigungsthese, wonach der Konkurs die übrige Wirtschaft von dem Unfähigen befreien soll101, über die Betonung der Gläubigerinteressen im Marktprozeß102 bis zur Negierung des Marktmechanismus als Leitbild des Insolvenzrechtsdenkens - jedenfalls für den Bereich der Großunternehmen103. Die Abkehr von der staatsautori­ tären Ausscheidungsideologie läuft in der Sache darauf hinaus, Sanierungs­ prozeduren als gleichberechtigten, ja vorrangigen Lösungsweg für Insol­ venzfälle zu postulieren104. Der weitere Schritt - Ablösung des Insolvenz­ rechts aus der Rolle des Erfüllungsgehilfen der Marktwirtschaft - hinter­ läßt jedoch ein ideologisches Vakuum, das sich besonders bei der Behand­ lung von insolventen Großunternehmen bemerkbar macht. Denn die ideologische Abkoppelung des Insolvenzrechts vom Markt ist gleichbe­ deutend mit der These, daß die Insolvenzbehandlung auch an politischen und sozialen Kriterien gemessen werden muß105. Daraus hat sich aber bisher nur der Vorschlag ergeben, die Entscheidungsgremien des Insolvenzge­ 99 In diesem Sinne z. B. Weber, KTS 1959, 82 f.; Uhlenbruck, Protokolle 95; Hanisch, Rechtszuständigkeit der Konkursmasse 264f.; Gerhardt, Festschrift Weber 184; K. Schmidt, KO-Festschrift 248 f; Gessner u. a. 557ff. 100 So Knieper, BB 1977, 622 f. 101 So z. B. Wellmann, Festschrift Knorr 13ff.; Uhlenbruck, Abschreibungsgesellschaften lf., NJW 1975, 900 und KO-Festschrift 22. Im gleichen Sinne immer noch die „Richtlinien für die Begutachtung gerichtlicher Vergleichsanträge“ (abgedruckt bei Böhle-Stamschrä­ der, VerglO S. 305ff.), die - gereinigt von den eindeutig nationalsozialistischen Floskeln das Säuberungsdenken der dreißiger Jahre bewahrt haben; siehe die Einleitung und Nr. IV und VIII. 102 Berges (oben N. 98). 103 Weber, Gerhardt, Uhlenbruck (oben N. 99), Knieper (N. 100), Gessner u. a. (N. 99). 104 Siehe z. B. Weber (N. 99) und KO-Festschrift 332ff., 338; Berges (N. 98); Siedschlag 139ff.; Gerhardt, Festschrift Weber 194f.; Hanisch (N. 99) 264£; Knieper (N. 100) 627; Stüdemann, KO-Festschrift 439; Gessner u.a. 562ff.; Uhlenbruck, ZIP 1980, 74f.; K. Schmidt, ZIP 1980, 233ff., 328ff.; Lutter/Hommelhoff/Timm, BB 1980, 737. 105 Siehe Weber, Gerhardt, Knieper, Gessner u. a. (N. 103) und Uhlenbruck, Abschrei­ bungsgesellschaften 6 und KTS 1975, 170 - dieser in einem gewissen Gegensatz zu seinen oben N. 101 zitierten Auffassungen.

schehens so zusammenzusetzen, daß die sozialen und politischen Gesichts­ punkte mit den rein wirtschaftlichen in Konkurrenz treten können106. Über diese verfahrensmäßige Relativierung der wirtschaftlichen Aspekte hinaus ist noch kein Grundgedanke hervorgetreten, der die Praxis und die Politik des Insolvenzwesens inhaltlich leiten könnte107. In der Krise des Insolvenzrechts muß die Unsicherheit der Jurisprudenz über seinen eigentlichen Sinn als zusätzliche Schwäche des positiven Rechts angesehen werden. Die rechtspolitische Untersuchung wird sich deshalb auch mit der Frage befassen müssen, ob und wo eine festere Grundlage wieder gewonnen werden kann.

106 So Gerhardt, Festschrift Weber 184, 194 ff; Knieper (N. 100) 627; Gessner u. a. 563 ff; Siedschlag 30-42. 107 Auf die ganz widersprüchlichen Erwartungen, die in der Reformdiskussion an das Insolvenzrecht gerichtet werden, weist sehr anschaulich mit Beispielen auch Arnold hin, DRpfl. 1977, 393.

Zweites Kapitel

Amerikanisches Recht A. Einführung Das amerikanische Verfahren zur Sanierung von insolventen Großunter­ nehmen ist eine Schöpfung der Rechtspraxis des 19. Jahrhunderts. Es wurde 1934 kodifiziert durch Aufnahme in das bestehende Bundeskon­ kursgesetz und 1938 grundlegend reformiert im Zuge einer Gesamtrevi­ sion des Konkursrechts. Heute ist es - wiederum reformiert - und unter dem Titel „Reorganization" (Kapitel 11) - Bestandteil des neuen Konkurs­ gesetzes von 19781. In Europa wußte man vom amerikanischen Reorganisations-Verfahren bisher nur wenig. Die hervorragende Studie des Belgiers del Marmol blieb jedenfalls im deutschen Sprachraum - unbeachtet und war wegen der Reform von 1938 bald veraltet2. Es folgten einige kürzere Darstellungen im europäischen Ausland3 und schließlich eine Arbeit in deutscher Sprache, die den rechtlichen Rahmen, die Beteiligten und den Ablauf des Verfahrens nach dem Gesetzesstand von 1977 übersichtlich schildert4. 1 Der Bankruptcy Reform Act vom 6. 11. 1978 (Public Law 95-598) ersetzt das bisherige Bundeskonkursgesetz von 1898. Er besteht aus vier Titeln. Titel I: Neufassung von Titel 11 („Bankruptcy“) des United States Code. Dies ist das eigentliche Konkursgesetz, im neueren Sprachgebrauch auch Bankruptcy Code genannt. Titel II: Ergänzung von Titel 28 („Judiciary and Judicial Procedure“) des United States Code. Hier wird die Konkursgerichtsbarkeit neu geregelt. Titel III enthält Änderungen anderer Gesetze, Titel IV die Übergangsbestimmun­ gen. Der größte Teil des Reformgesetzes ist am 1. 10.1979 in Kraft getreten; aufgeschoben bis zum 1. 4. 1984 ist das Inkrafttreten von Titel II. 2 Charley del Marmol, La reorganisation des socits insolvables aux Etats-Unis (Paris 1938) 316 S. Die Arbeit gibt vom damaligen Stand ein besonders einfühlsames und plastisches Bild der Verhältnisse. 3 Rossi, II fallimento nel diritto americano (Padua 1956) 183-217; Dalhuisen, Compositions in Bankruptcy (Leyden 1968) 86-90; Malherbe, L’administration contrölee des entrepri­ ses en Belgique et ä l’etranger, specialement aux Etat-Unis, in: Idees nouvelles dans le droit de la faillite (Brüssel 1969) 57 ff., 67-85. 4 Kramer, Das anglo-amerikanische Sonderverfahren zur Reorganisation von Kapitalge­ sellschaften nach Abschnitt X des Bankruptcy Acts (Köln 1977) 136 S.

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Flessner BIPR 48

Der Schwerpunkt der Darstellung in der hier vorgelegten Studie liegt auf der Geschichte des Reorganisations-Verfahrens, seiner tatsächlichen Wir­ kungsweise und auf den Problemen, die mit ihm bewältigt werden. Zu diesem Zweck wird es unter zwei Perspektiven behandelt. Die folgenden Abschnitte dieses (zweiten) Kapitels beschreiben das Reorganisationsver­ fahren im geschlossenen Zusammenhang: seine bisherige Entwicklung; die wichtigsten Probleme, die ihm die Praxis stellt; die Weiterentwicklung, die es in der 1978 erfolgten Reform genommen hat. Das Ziel ist, einen Eindruck zu vermitteln vom faktischen Funktionieren und der Bewährung der Institution in den verschiedenen Phasen, die sie bisher durchlaufen hat. Die über hundertjährige Geschichte des Verfahrens liefert allein schon der RechtsVergleichung eine Mehrzahl (nacheinander) praktizierter Verfah­ rensmodelle und der Rechtspolitik eine Fülle von Reformerfahrung, die beim Fortschreiten von einer zur anderen Phase gewonnen wurde. Die Darstellung des amerikanischen Verfahrens wird - zusammen mit anderen Verfahrens typen und Überlegungen - ergänzt im dritten Kapitel bei dem Gesamtvergleich mit dem deutschen Recht und sodann wieder aufgenom­ men und erweitert im fünften Kapitel, wo einzelne Probleme des Sanie­ rungsrechts rechtsvergleichend und rechtspolitisch erörtert werden.

B. Reorganisation durch Receivership Das Reorganisationsverfahren wurde geboren und ausgebildet als Ver­ fahren der gerichtlichen Zwangsverwaltung (receivership) in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es war die Zeit der Besiedelung des Westens bis hin zum Pazifik und des stürmischen Heranwachsens der amerikani­ schen Wirtschaftsmacht. Motor und zugleich Vehikel dieser Entwicklung waren zunächst die Eisenbahnen. An ihnen entwickelten sich die Methoden der finanziellen und rechtlichen Organisation von Großunternehmen5 und zuerst für sie entstanden auch die Prozeduren finanzieller Reorganisation die dann später auf die großen Unternehmen anderer Bereiche übertragen wurden. Was damals geschaffen wurde, prägt noch heute die Struktur und den Problemhaushalt des amerikanischen Reorganisationsverfahrens 6. 5 Über die Vorbildfunktion der Eisenbahnen in rechtlicher und finanzieller Hinsicht: Dewing (unten N. 6) (1926) XVIII, (1953) 926f.; Chandler (Hrsg.), The Railroads: The Nation’s First Big Business (1965) 9ff., 43ff.; Bolino, The Development of the American Economy (1961) 172ff; über das gleiche Phänomen in Deutschland siehe z. B. Reich, in: lus Commune 2 (1969) 249ff. 6 Über die Reorganisation durch „receivership“ unterrichten unzählige Berichte und Hin­ weise in amerikanischen Rechtszeitschriften. Ausführliche systematische Darstellungen

I. Entstehung des Verfahrens 1. Wirtschaftliche Ausgangslage

Bis ungefähr 1850 hatten die Eisenbahnen lokalen Charakter; ihr Bau wurde finanziert vorwiegend durch Ausgabe von Aktien an die interessier­ ten Kreise des unmittelbaren Einzugsgebietes. Um die Jahrhundertmitte und besonders vehement nach dem Bürgerkrieg (1861-1865) begann dann der systematische Zusammenbau von großen Eisenbahnnetzen und die Erschließung des ganzen Landes durch transkontinentale Eisenbahnstrekken. Der immense Kapitalbedarf dieser Expansion konnte nur im nationa­ len und internationalen Rahmen gedeckt werden. Dies geschah vorwie­ gend durch öffentliche Anleihen. Neben den Grundstock von Aktien traten jetzt Schuldverschreibungen, die durch eine Hypothek an der neu zu bauenden Strecke (oder am rollenden Material) gesichert waren (mortgage bonds), später auch ungesicherte Schuldverschreibungen (debentures). In den Anleihebedingungen war meistens vorgesehen, daß die Rechte der Anleihebesitzer gegenüber der Gesellschaft durch einen Treuhänder (indenture trustee) wahrgenommen würden7. Der Anteil dieser Fremdmit­ tel an der Gesamtkapitalisierung der Bahngesellschaften war durchweg sehr hoch. Das Aktienkapital wurde oft gerade nur so hoch bemessen, wie es zur Ingangsetzung oder Erweiterung des Unternehmens und zur Herr­ schaftssicherung unbedingt erforderlich war. Das Anleihekapital betrug demgegenüber bei vielen Bahnen 60-70%, in manchen Fällen 80-90% der finanziellen Gesamtausstattung8. Das Geld kam aus allen Teilen der amerikanischen Bevölkerung, in sehr großem Ausmaß aber auch aus Europa, wo die Obligationen über Banken und Börsen vor allem in London, Amsterdam und Paris abgesetzt wurden9. Es herrschte allgemeiner Entwicklungsoptimismus, ein Glaube an Ameri­ geben: Collier VI § 0.04 S. 28-61; Dewing, The Financial Policy of Corporations (3. Aufl. 1926) 901-1132, (5. Aufl. 1953) 1228-1254; del Marmol (N. 2) 21-41, 109-128, 149-178, 214-217; Securities and Exchange Commission, Report on the Study and Investigation of the Work, Activities, Personnei and Functions of Protective and Reorganization Committees I (1937), II (1937), VI (1936), VIII (1940) bes. 1-60, im folgenden abgekürzt als: SEC-Report. Besonders gute Kurzbeschreibungen: J. N. Rosenberg, Col. L. Rev. 17 (1917) 521-529; Finletter, Principles of Corporate Reorganization (1937) 1—18; Fuller, L. Cont. Probl. 7 (1940) 377-392. 7 Es entwickelte sich eine große Vielfalt von Anleihetypen; besonders anschaulich und übersichtlich Dewing (1926) 78-232, (1953) 168-271. 8 Darüber eingehend Ripley, Railroads - Finance and Organization (1914; Neudruck 1927) 81 ff., 105 ff., 119f; siehe auch Dewing (1926) 922f. 9 Ripley 1 ff

kas unbegrenzte Möglichkeiten und in Amerika selbst viel Bereitschaft zu waghalsigen Unternehmungen, Spekulation und Börsenmanövern. So wurde manche Bahngesellschaft mit einer Kapitallast versehen, die ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten überstieg: man unterschätzte die Bauko­ sten, überschätzte die Erträge, oft wurden auch Strecken ohne eigentliche wirtschaftliche Basis gebaut mit dem alleinigen Ziel, einer anderen Bahn Konkurrenz zu machen und der neuen Linie so einen „Belästigungswert “ zu verschaffen; verbreitet war auch die Arrangierung von Gründergewin­ nen sowie Mißwirtschaft und Unredlichkeit bei der finanziellen Führung der Gesellschaften. Die Geschichte der amerikanischen Eisenbahnen in jener Zeit ist deshalb auch eine stete Folge finanzieller Krisen und Zusam­ menbrüche, mit Höhepunkten in den heftigen Depressionen, welche die amerikanische Wirtschaft nach dem Bürgerkrieg (1873), in den achtziger Jahren (besonders 1883) und wieder in den neunziger Jahren (beginnend 1893) durchmachte. In Erscheinung trat die Zahlungskrise in der Regel so, daß die fälligen Zinsen oder Tilgungsleistungen für eine Anleihe nicht mehr aufgebracht werden konnten10.

2. Rechtliche Ausgangslage Wenn eine Eisenbahn-Gesellschaft ihre Zahlungen einstellte, konnte jeder Gläubiger für sich klagen und die Vollstreckung in Bahneinrichtun­ gen betreiben. Dieses Vorgehen kam aber für die große Menge der Anleihegläubiger praktisch nicht in Betracht, weil es bedeutet hätte, auf den wesentlichen Besitz der Bahn - Strecken und sonstige Bahnanlagen zuzugreifen, dieser aber, durch massenhafte Einzelvollstreckungen ausein­ andergerissen und nicht mehr für Bahnzwecke benutzt, nur minimalen Wert gehabt hätte. Die Anleihegläubiger hatten andererseits die Möglich­ keit, durch gemeinsames Vorgehen (mit Hilfe ihres Treuhänders) den gerichtlichen Zwangsverkauf des Bahnvermögens (oder wenigstens einer Bahnstrecke) als Ganzes herbeizuführen. Aber das konnte nur gelingen, wenn Interessenten zu finden waren, die den Willen und das notwendige Millionenkapital hatten, eine Strecke oder ein ganzes Bahnsystem zu kaufen und so das dort bisher investierte Kapital auszulösen. In den meisten Fällen, besonders in Depressionszeiten, konnte damit nicht gerechnet werden.

10 Über die finanzielle Geschichte der amerikanischen Eisenbahnen in der Zeit nach 1860 bis etwa zum Ersten Weltkrieg vor allem das Buch von Ripley (oben N. 8) 638 S., sowie Dewing (1926) 362-377, 706-752, 975-1088, (1953) 493-498, 926-958, 1237-1254.

Die rechtlichen Waffen der Anleihegläubiger waren also stumpf: Gerichtliche Liquidierung des Betriebs war nicht sinnvoll, Übertragung des Betriebs auf andere Kapitalgeber in der Regel nicht möglich. Hinzu kam, daß in den Städten und Landstrichen, die von einer Bahn bedient wurden, der Weiterbestand der Eisenbahn schon früh als unerläßlich angesehen wurde. Die Einstellung einer Bahnlinie wäre als Rückfall auf eine frühere Zivilisationsstufe angesehen worden - ganz abgesehen von den wirtschaftlichen Einbußen, die zu entstehen drohten. So kam es, daß im Falle von finanziellen Schwierigkeiten einer amerikanischen Bahngesell­ schaft der Weiterbestand der Bahn offenbar von niemandem ernstlich in Frage gestellt wurde. Das Problem war nicht die Bahn selbst, sondern ihre Kapitallast; von dieser sah man die Schwierigkeiten ausgehen und für ihre Neuordnung mußte eine Lösung gefunden werden.

3. Das Verfahrensmodell

Neuordnung der Kapitalverhältnisse, die den Weiterbestand der Bahn ermöglichte, bedeutete vor allem: Erleichterung der Schuldenlast und Zufuhr des neuen Kapitals, das für die Fortführung des Betriebs in den meisten Fällen benötigt wurde. Wenn dafür die Zustimmung aller betroffe­ nen bisherigen Kapitalgeber (Gläubiger und Aktionäre) nicht zu erhalten war, bedurfte es rechtlicher Autorität, um die neue Kapitalstruktur auch gegen den Widerstand einzelner durchzusetzen. Ein gesetzlich geregeltes „Vergleichsverfahren“, das diesem Ziel dienen konnte, stand zu jener Zeit nicht zur Verfügung. Es fehlte auch ein Konkursverfahren, in dessen Rahmen eine solche Umgestaltung hätte erreicht werden können, denn ein dauerhaftes Konkursgesetz haben die Vereinigten Staaten erst seit 1898, nachdem es während des ganzen 19. Jahrhunderts nur drei kurzlebige Krisengesetze gegeben hatte11. Einige wenige Einzelstaaten hatten zwar besondere Insolvenzverfahren für „corporations“ gesetzlich vorgeschrie­ ben, darunter New York12; diese kamen aber schon wegen ihrer territoria­ len Beschränkung nicht in Frage für Eisenbahngesellschaften, die ja selten nur innerhalb eines Staates operierten. In dieser Situation entsannen sich die Juristen der Möglichkeiten, die das Richterrecht, insbesondere die „equity power“ der Gerichte bot, und entwickelten allmählich ein gerichtliches Verfahren, das die Neuordnung der Kapitalverhältnisse einer insolventen Eisenbahngesellschaft auch gegen 11 Darüber Kramer 5-7. Kurze amerikanische Darstellungen: Collier I § 0.03-0.05; Rie­ Creditors’ Remedies 471 f. 12 Darüber z. B. Riesenfeld (N. 11) 456f.

senfeld,

den Widerstand einer Aktionärs- oder Gläubigerminderheit erlaubte. In modellhafter Form, befreit von allen je nach dem Fall variierenden Einzel­ heiten, sah es so aus: Auf Antrag eines Gläubigers bestellte das Gericht für das gesamte Vermögen der insolventen Eisenbahngesellschaft einen Zwangsverwalter („receiver")13. Dieser hatte unter Aufsicht des Gerichts das Bahnvermögen im Interesse aller Gläubiger zu verwalten, das heißt: den Bahnbetrieb fortzufuhren, bis das weitere rechtliche Schicksal der Bahngesellschaft geklärt war. Die Einsetzung des Zwangsverwalters hatte zur Folge, daß Zwangsvollstreckungen gegen die Gesellschaft ohne Zustimmung des Gerichts nicht mehr möglich waren und das Gericht für die Anmeldung aller Forderungen ausschließlich zuständig wurde. Im Schutze der Vollstreckungssperre verhandelten jetzt die Beauftragten der beteiligten Kapitalgeber (Aktionäre, Geschäftsgläubiger, verschiedene Gruppen von Anleihegläubigern, neue Kapitalgeber) über die künftige Beteiligungs- und Schuldenstruktur der Gesellschaft. Wenn sie sich auf einen „Plan“ einigten, der von den Mehrheiten der betroffenen Kapitalge­ bergruppen gebilligt wurde, betrieb eine Gläubigergruppe, die durch Verabredung bestimmt wurde (meistens die Inhaber der erstrangig gesi­ cherten Anleihen), die Zwangsversteigerung des gesamten Bahnvermö­ gens. Im Versteigerungstermin „kauften“ die Kapitalgeber, die sich auf den Plan geeinigt hatten, das Bahnvermögen. Sie waren dazu in der Lage, weil sie den Kaufpreis zum größten Teil mit ihren Forderungen gegen die Gesellschaft verrechnen konnten und nur den geringeren Teil des Preises in bar aufbringen mußten. Aus dem bar gezahlten Teil befriedigte das Gericht anteilig die Gläubiger (und eventuell auch die Aktionäre), die dem Plan nicht zugestimmt hatten. Die anderen übertrugen das erworbene Vermö­ gen (das durch die gerichtliche Versteigerung für die Gläubiger der erststel­ ligen Hypothek lastenfrei geworden war) sogleich auf eine neue Gesell­ schaft, die sie verabredungsgemäß gegründet hatten, und erhielten dafür von der neuen Gesellschaft die Forderungs- und Anteilstitel, die im Plan vorgesehen waren. Wirtschaftlich gesehen handelte es sich nach deutschen Begriffen um eine Sanierung mit Hilfe einer Auffanggesellschaft. Rechtlich lag der Sinn der Operation einmal in der Vollstreckungssperre; sie verschaffte die Atem­ pause, die ungestörte Sanierungsverhandlungen möglich machte. Zum anderen eliminierte der gerichtliche Zwangsverkauf alle bisherigen Rechte am Bahnvermögen, die denen der betreibenden Gläubiger nachgingen, 13 Wörtlich: „Einnehmer“. Die nächstliegende Entsprechung im heutigen deutschen Recht wäre die Einsetzung eines Sequesters nach § 937 II ZPO oder § 106 KO.

und verwies die nicht zustimmenden Kapitalgeber auf ihren Anteil am Versteigerungserlös; von den anderen konnte so die neue Kapitalstruktur des Unternehmens frei bestimmt werden.

4. Rechtsgrundlage Die amerikanischen Juristen, vor der Aufgabe, für die Eisenbahninsol­ venzen ohne Hilfe des Gesetzgebers Lösungen zu finden, appellierten an die Befugnis der Gerichte, Anordnungen nach den Regeln der „Equity“ zu treffen - jenem geschmeidigen System von Rechtssätzen, das in England der Kanzler des Königs dem starreren „Common Law“ zur Seite gestellt hatte und das die Gerichte der amerikanischen Einzelstaaten und des Bundes übernommen hatten14. Im Equity-Recht ließen sich viele Präzedenzfälle finden, in denen bei unklarer Sach- und Rechtslage ein „receiver" als neutraler Sachwalter eingesetzt worden war; so etwa als temporärer Verwalter einer Sache oder eines Forderungsrechts während eines gerichtlichen Prätendentenstreits; als Verwalter eines noch ungeregelten Nachlasses zur Sicherung der Rechte aller Gläubiger; im Wege der Zwangsvollstreckung zur Einziehung und Auskehrung laufender Vermögenserträge (was durch die Vollstreckung nach Common Law nicht möglich war); oder auch als Liquidator eines Schuldnervermögens, das einfach wegen seines Umfangs oder wegen der großen Zahl der Verteilungsberechtigten diesen auf dem normalen Voll­ streckungsweg in geordneter Weise nicht zugänglich gemacht werden konnte15. Hieran knüpften die amerikanischen Gerichte bei den Eisenbahn­ Insolvenzen - an welches einzelne dieser Vorbilder, wurde meistens nicht ganz deutlich. Manche analogisierten den Fall des regelungsbedürftigen Nachlasses, andere das Bild des Zwangs Verwalters, der die Erträge ein­ zieht, noch andere den Receiver, der bei unübersichtlicher Rechts- oder Faktenlage für die vielen Gläubiger und Rechtsprätendenten als Fixpunkt fungiert16. Im Ergebnis dürften alle diese Vorstellungen zusammengewirkt 14 Über Equity siehe ZWEIGERT/KÖTz I 235-239, 248 £, und Blumenwitz 7-13; über ihre Rezeption in den Vereinigten Staaten: CHAFEE/SIMPSON/MALONEY, Cases on Equity (3. Aufl. 1951) 9-12; Blumenwitz 17-21. 15 Über die einzelnen Anwendungsfälle im englischen Recht z. B. Snell(-Megarry/ Baker), Principles of Equity (26. Aufl. 1966) 726ff.; im amerikanischen Recht: Clark, The Law and Practice of Receivers (3. Aufl. 1959) §§ 11-45, 91-100, 148-186, 187-203, 204-234, 235-247, 936-951, 981-999, 1008-1015; Pomeroy, Equity Jurisprudence IV (5. Aufl. 1941) §§ 1330-1335. 16 Zur Rechtsgrundlage der Eisenbahn-Receiverships aus heutiger Sicht: Collier VI § 0.04 S. 33ff.; Clark, Receivers §§ 700-702, 848, 855. Aus früherer Zeit vor allem Glenn, The

haben - Raum war in Equity genug, denn hinter allen Präzedenzfällen steht dort letzten Endes immer der Satz, daß „equity“ eingreifen muß, wenn „law“ dem Gläubiger keine ausreichende Befriedigungsmöglichkeit gewährt17. Notwendig war das Verfahren in den Insolvenzfällen der ameri­ kanischen Eisenbahnen schon deshalb, weil mangels eines bundeseinheitli­ chen Konkursgesetzes bei den in Frage stehenden riesigen Vermögens- und Schuldenmassen ein chaotischer Massenzugriff der Gläubiger anders nicht zu vermeiden war. Das Ziel des Verfahrens lag in der Bereinigung der Kapitalverhältnisse durch lastenfreie Übertragung des Bahnvermögens auf eine Auffanggesell­ schaft; die Einsetzung des Zwangsverwalters war eigentlich nur der erste Schritt auf dem Wege dahin. In der juristischen Erörterung trat dieser Aspekt aber so in den Vordergrund, daß das ganze Verfahren von daher seinen Namen erhielt („receivership“, „receivership proceedings“). Es bildete sich aus im Laufe mehrerer Jahrzehnte; in seiner reifen Form - die es ungefähr zu Anfang dieses Jahrhunderts erreicht hatte - muß es näher geschildert werden, weil es den Grundstock bildet für die reiche Erfah­ rung, die in das amerikanische Sanierungsrecht eingegangen ist.

II. Der Gang des Receivership-Verfahrens 1. Einleitung des Verfahrens Den Antrag auf Einsetzung des Receivers mußte ein Gläubiger stellen, der auf dem Gerichtsweg Befriedigung seines Anspruchs verlangte. Die Berechtigung eines solchen Antrags war nach den Equity-Regeln außer Zweifel, wenn der Gläubiger ein dingliches Recht an bestimmten Vermö­ gensgegenständen (z. B. eine Hypothek oder ein Nutzungsrecht) geltend machte. Der Receiver konnte dann für die Dauer des Rechtsstreits den streitbefangenen Gegenstand verwahren und zugunsten des letztlich Berechtigten verwalten. Auf diese Weise sind gelegentlich auch Receiver über Eisenbahngesellschaften zugunsten der hypothekarisch gesicherten Anleihegläubiger eingesetzt worden18. Im allgemeinen wurde eine Receivership über eine Bahngesellschaft aber Law Governing Liquidation (1935) 255 ff.; Col. L. Rev. 14 (1914) 369ff; 25 (1925) 434 ff.; weitere Nachweise bei Rohrlich, Corporate Control 183 f. N. 62. 17 Zur Hilfsfunktion des Equity-Rechts ZWEIGERT/KÖTZ (N. 14); Blumen WITZ 9; Pomeroy I § 172, 176, 178, 178a. 18 Beispiel: Davis v. Gray, 83 U.S. 203 (1872); siehe auch Dewing (1953) 1241 f.; Fuller (oben N. 6) 378.

durch den Antrag eines nichtgesicherten Gläubigers eingeleitet, weil nur so gewährleistet war, daß das gesamte Vermögen der Bahngesellschaft von der Receivership erfaßt wurde. Ein solcher Antrag begegnete allerdings zunächst der Grundregel des Equity-Rechts, daß ein ungesicherter Gläubi­ ger ein „equitable remedy" wie die Einsetzung eines Receivers nur dann erhalten kann, wenn er auf dem normalen Weg der Zahlungsklage und Zwangsvollstreckung „at law“ erfolglos geblieben ist19. Für die Zwecke der finanziellen Reorganisation einer Eisenbahngesellschaft war dies ein ernstli­ ches Hindernis. Wenn eine finanzielle Krise hereinbrach, war nicht immer gleich ein Gläubiger vorhanden, der ein vollstreckbares Urteil in der Hand hatte, und in der Regel war die Gesellschaft auch nicht so heruntergewirtschäftet, daß nicht wenigstens für die eine oder andere titulierte Forderung ein verwertbarer Vermögensgegenstand in der Zwangsvollstreckung gefunden werden konnte. Aber die auf Reorganisation durch Receivership bedachten Juristen wußten diese Schwelle zu überwinden. Die Gesellschaft konnte zum Beispiel ein Anerkenntnisurteil gegen sich ergehen lassen20; dann blieb für den Antragsteller nur noch die Aufgabe, die Unmöglichkeit einer Zwangs­ vollstreckung darzutun. Man konnte aber auch so vorgehen, daß der Gläubiger sogleich den Antrag auf Einsetzung des Zwangsverwalters stellte, die Eisenbahngesellschaft alle behaupteten Tatsachen zugestand und sich dem Antrag anschloß. Die Gerichte - unter dem Eindruck der wirtschaftlichen Notwendigkeiten - entwickelten alsbald den Satz, daß der Schuldner auf die vorherige Erschöpfung des normalen Klage- und Voll­ streckungsweges verzichten und dadurch die Einsetzung des Zwangsver­ walters ermöglichen könne21. Die Behandlung der Erschöpfungsregel - eigentlich ein Grundpfeiler des ganzen Equity-Rechts - als verzichtbare Einrede war der Schlüssel für alles weitere. Rechtlich war es damit in die Entscheidung der betroffenen Eisenbahngesellschaft, genauer: ihrer Leitung gelegt, ob sie durch Verzicht auf die Erschöpfungseinrede ein Receivership-Verfahren zwecks Reorgani­ sation durchlaufen wollte. Wirtschaftlich bedeutete dies, daß ein solches 19 Siehe dazu Clark, Receivers §§ 187, 211; Pomeroy § 1415; Pusey & Jones v. Hanssen, 261 U.S. 491, 497 (1923). Man sagte, daß der Gläubiger vom Vollstreckungsbeamten zunächst ein „return ofnulla bona“ erhalten haben müsse; siehe Clark § 211 S. 322; Pomeroy § 1415 S. 1068; Harkin v. Brundage, 276 U.S. 36, 52 (1928). 20 So geschehen z.B. im Fall Sage v. Memphis Rd. Co., 125 U.S. 361 (1888). 21 Siehe Sage v. Memphis Rd. Co. (N. 20) 361, 376; Brown v. Lake Superior Iron Co., 134 U.S. 530 (1889); Hollins v. Brierfield Coal & Iron Co., 150 U.S. 371, 380f. (1893); in diesen Entscheidungen des obersten Bundesgerichts wurde eine Praxis gebilligt, die bei den Instanz­ gerichten offenbar schon lange verbreitet war.

Verfahren in der Regel überhaupt nur auf Initiative der Unternehmenslei­ tung eröffnet werden konnte. Denn die Unternehmensleitung - und die Aktienmehrheit, von der sie getragen wurde - war normalerweise die Gruppe, die am Weiterbestand der Gesellschaft am meisten Interesse hatte; sie war gleichzeitig durch ihre Kenntnisse der finanziellen Lage des Unter­ nehmens am ehesten imstande, einem Gläubiger, der auf Liquidation aus war, durch rechtzeitige Einleitung eines Receivership-Verfahrens zuvorzu­ kommen. Der Gang der Ereignisse war daher typischerweise so: Die Unternehmensleitung, die einen Fälligkeitstermin für den Anleihe­ dienst herankommen sah, suchte sich einen Gläubiger - in der Regel einen, der der Gesellschaft durch geschäftliche Beziehungen verbunden war -, der den Antrag auf Zwangsverwaltung des Bahnvermögens stellen konnte und wollte. In dem Antrag wurde dargelegt und glaubhaft gemacht, daß die Gesellschaft nicht in der Lage sein werde, fällige Verbindlichkeiten zu erfüllen; daß der zu erwartende Ansturm der Gläubiger zu einer Masse von Einzelvollstreckungen, zu Unordnung und schließlich zur Zerstückelung des Bahnvermögens führen werde; daß die Verwaltung des Bahnvermö­ gens als Ganzes im Interesse aller Gläubiger liege, und daß dies nur durch die Einsetzung eines Receivers erreicht werden könne, der das Bahnvermö­ gen zugunsten aller Gläubiger zusammenhalten und den Betrieb bis zur Veräußerung des gesamten Unternehmens fortführen könne22. Gleichzeitig mit diesem Antrag reichte die Eisenbahngesellschaft die von ihren Anwäl­ ten sorgfältig vorbereitete Antwortschrift ein, und binnen weniger Stun­ den konnte daraufhin vom Richter ein Zwangsverwalter eingesetzt worden sein, ohne daß irgendein anderer Gläubiger bis dahin von der Sache etwas erfahren hatte. Das ganze Verfahren wurde so sorgfältig arrangiert, daß oft sogar die Anwälte der Eisenbahngesellschaft die Antragsschrift des „friendly creditor" ausarbeiteten23. Im juristischen Sprachgebrauch hieß das Verfahren meist „consent receivership“ oder „friendly receivership“24. Die Einsetzung des Receivers wurde so angesehen, als habe das Gericht durch ihn das gesamte Bahnvermögen bis zur endgültigen rechtlichen Klärung in seine Obhut genommen. Das bedeutete praktisch: Zwangsvoll­ 22 Beispiele für solche Antragsschriften: Wabash, St. Louis & Pacific Ry. Co. v. Central Trust Co., 22 Fed. 138, 139f. (N. D. Ohio 1884); Brown v. Lake Superior Iron Co. (N. 21) 530, 533 f.; Angaben darüber auch bei Fuller 380; Glenn, Liquidation 266; Clark, Receivers §185. 23 Vorbereitung, Einleitung und Eröffnung des Verfahrens übersichtlich beschrieben bei Collier VI § 0.04 S. 33-40; Finletter 8-12; del Marmol 24 f.; Fuller 379; SEC-Report VIII 24ff.; Dewing (1953) 1251 ff. 24 Siehe - repräsentativ für alle - Collier VI § 0.04 S. 33 ff.

Streckungen in das Bahnvermögen konnten ohne Einwilligung dieses Gerichts nicht mehr vorgenommen werden, und das Gericht erhielt die Zuständigkeit für die Entscheidung über alle Ansprüche gegen die Bahnge­ sellschaft25. Unter diesem Schirm des Gerichts konnten die beteiligten Kapitalgeber nun daran gehen, für die Reorganisation und Sanierung der Bahn ein Konzept zu finden26. Zuständig für die Ernennung eines Receivers war jedes Gericht, in dessen Bezirk sich Vermögen des Schuldners befand, jedoch können nach amerikanischer Auffassung die Gerichte eines der Einzelstaaten die Recei­ vership nur mit Wirkung für ihren Staat anordnen. Die großen Eisenbahn­ gesellschaften, deren Strecken immer durch mehrere Staaten führten, hätten deshalb in jedem dieser Staaten ein selbständiges Verfahren mit von einander unabhängigen Zwangsverwaltern in Gang setzen müssen. Dadurch konnten die Reorganisationen erheblich erschwert werden. Man begann deshalb schon früh, die Bundesgerichte mit diesen Verfahren zu befassen. Nach den maßgebenden Gesetzen war zwar die Zuständigkeit der erstinstanzlichen Bundesgerichte auf den jeweiligen Gerichtsbezirk begrenzt, so daß auch hier Parallelverfahren vor mehreren Gerichten nicht zu umgehen waren27. Man konnte aber erwarten, daß die Bundesgerichte, weil innerhalb des gleichen Gerichtssystems, enger und reibungsloser zusammenarbeiten würden. Auch hatte man es hier mit einem einheitli­ chen Verfahrensrecht zu tun, und schließlich traute man den Bundesrich­ tern mehr Sachkunde in diesen Fällen zu. Die Bundesgerichte erfüllten die in sie gesetzten Erwartungen und zeigten sich außerordentlich aufgeschlossen. Die Beteiligten konnten davon ausgehen, daß, wenn ein Verfahren in einem Bundesgericht anhän­ gig gemacht worden war, alle anderen Bundesgerichte dieser Entscheidung mehr oder weniger automatisch folgen würden, unter Umständen sogar die gleichen Personen als Zwangsverwalter einsetzen, mindestens aber im 25 Finletter 4, 11; Glenn, Liquidation 271; Clark, Receivers §§ 47, 646; SEC-Report VIII 26. 26 In der plastischen Rechtssprache der Amerikaner wurden diese Verfahren daher auch „umbrella receivership“ genannt; siehe z. B. Collier VI § 0.04 N. 18; Riesenfeld, Creditors* Remedies 769; Richter Hough in Manhattan Rubber Mfg. Co. v. Lucey Mfg. Co., 5 F. 2d 39, 43 (Cir. 2, 1925). 27 Es konnte deshalb sein, daß man mehr Gerichte beschäftigen mußte, als wenn man die Gerichte der Einzelstaaten in Anspruch genommen hätte, da viele Einzelstaaten in mehrere erstinstanzliche Bundesgerichtsbezirke aufgeteilt sind. Dies wurde aber für Eisenbahn-Gesell­ schaften 1911 geändert in der Weise, daß der von einem Bundesdistriktgericht ernannte Receiver zuständig wurde für den gesamten Bezirk des zuständigen Berufungsgerichts, der immer mehrere Staaten umfaßt; darüber Collier VI § 0.04 S. 35 f; Fuller 379 f.

weiteren Verlauf des Verfahrens die Entscheidungen des zuerst angegange­ nen Gerichts anerkennen und für ihren Bezirk nachvollziehen würden28. So entwickelten sich die „federal receiverships" als eigener Rechtszweig, mit einem kleinen Kreis von darin besonders erfahrenen Anwälten, mit einzel­ nen Gerichten, bei denen die Verfahren vorzugsweise anhängig gemacht wurden29, und schließlich auch mit einer beachtlichen, intellektuell anspruchsvollen Literatur30. Die Bundesgerichte hatten nach einigen Jahr­ zehnten so viel Erfahrung erworben, daß sie schließlich allein deswegen die erste Adresse für Receivership-Anträge waren31. Wenn die Bundesgerichte tätig werden sollten, mußten natürlich die für sie geltenden besonderen Zuständigkeitsvoraussetzungen erfüllt sein. Da bei einer Receivership im allgemeinen keine Frage des materiellen Bundes­ rechts zur Debatte stand, konnte das Bundesgericht nur tätig werden aufgrund der „diversity of citizenship jurisdiction", das heißt: wenn Kläger und Beklagte aus verschiedenen Staaten waren und die Streitsache die gesetzliche Wertgrenze erreichte32. Aber auch diese Voraussetzungen ließen sich schaffen. Die Bahngesellschaft, die auf eine Reorganisation zusteuerte, mußte nur den „friendly creditor“ so aussuchen, daß er in einem anderen als dem Sitzstaat des angerufenen Bundesgerichts seinen Wohn- oder Geschäftssitz hatte und eine Forderung in der notwendigen Höhe geltend machen konnte. Für eine größere Bahngesellschaft mit einer Vielzahl von Geschäftsbeziehungen in den verschiedenen Staaten (z. B. mit Banken und Lieferanten auch außerhalb ihres Streckenbereichs) war dies keine Schwie­ rigkeit; notfalls ließ sich diese Bedingung durch Abschluß eines entspre­ chenden Geschäfts noch arrangieren33. Als erster in den Rechtsprechungs-Sammlungen auftauchender Fall einer Eisenbahn-Receivership wird oft ein Verfahren zitiert, das um die Mitte

28 Man nannte diese Verfahren - weil an ein Hauptverfahren angehängt - „ancillary receiverships“; siehe Collier (N. 27). 29 Vor allem das für die Stadt New York zuständige Bundesdistriktgericht; siehe dazu auch Billig, Minn. L. Rev. 17 (1933) 245ff., 254. 30 Neben zahlreichen Zeitschriftenaufsätzen vor allem die zwei Sammelbände „Some Legal Phases of Corporate Financing, Reorganization and Regulation“, 1917 und 1931, sowie Rosenberg/Swaine/Walker, Corporate Reorganization and the Federal Court (1924). 31 Über die Entwicklung der Praxis in den Bundesgerichten und die Gründe dafür beson­ ders übersichtlich Collier VI § 0.04 S. 35ff.; Billig (N. 29) 245ff.; SEC-Report VIII 27ff. 32 Die Wertgrenze für solche Fälle wurde 1888 von 500 $ angehoben auf 2000 $, 1911 auf 3000 $ und beträgt heute (seit 1958) 10000 $; 29 U.S.C.A. § 1332 Anm. 531. 33 Auf Grund ihrer diversity-Zuständigkeit konnten die Bundesgerichte sogar rein lokale Unternehmen innerhalb eines Staates, z. B. U-Bahngesellschaften, in ihre Obhut nehmen; so z.B. Re Metropolitan Ry. Receivership, 208 U.S. 90 (1908).

des Jahrhunderts in Georgia durchgeführt wurde34, und 1872 bezeichnete das Oberste Bundesgericht das Receivership-Verfahren als übliche Proze­ dur für die Sanierung notleidender Eisenbahngesellschaften35. Es hat aber noch lange Zeit nicht an Kritik und Widerstand gefehlt. Widerstand kam zum einen von den Gerichten der Einzelstaaten, die zusehen mußten, wie mit juristischen Kunstgriffen die meisten und die wichtigsten Fälle der Bundesgerichtsbarkeit zugespielt wurden36. Grundsätzlich kritisiert wurde zum andern das gerichtlich sanktionierte Zusammenwirken von Schuldner und Gläubiger, wodurch dem Unternehmen erlaubt werde, sich mit Hilfe eines willigen - meistens „gekauften“ - Gläubigers vor den legitimen Ansprüchen aller übrigen Gläubiger unter den Mantel der Justiz zu flüch­ ten37. Diese Kritik erhielt besonderen Antrieb aus der verbreiteten Übung der Gerichte, als Receiver den bisherigen Bahnvorstand einzusetzen38. Die Gerichte wollten dadurch der Bahngesellschaft für den weiterlaufenden Betrieb den Sachverstand der Unternehmensleitung erhalten; viele Gläubi­ ger sahen hierin aber eher einen Versuch der Unternehmensführung, die Aufdeckung begangener Fehler und Versäumnisse und eine ehrliche Sanie­ rung zu verhindern. Die Praxis der Bundesgerichte blieb von diesen Einwänden unbeein­ druckt. In einem vieldiskutierten Fall erlaubte das Gericht sogar, daß die Eisenbahngesellschaft selbst - das heißt ohne Mithilfe eines dafür gewon­ nenen Gläubigers - den Antrag auf Receivership stellte39. Dieser Weg wurde aber in späteren Fällen nicht weiter verfolgt; die arrangierte „con­ sent receivership“ bot der Praxis ebenso, was sie brauchte, und der Oberste Gerichtshof ließ in den wenigen Fällen, die an ihn gelangten, dieses Verfahren ohne Anstand passieren40. Im Jahre 1908 setzte er sich schließlich mit den Einwänden auseinander41, und spätestens seit dieser Entscheidung

34 Macon & Western Ry. v. Parker, 9 Ga. 372 (1851), zitiert z. B. bei Glenn, Liquidation 265 f.; Clark, Receivers § 848. 35 Davis v. Gray, 83 U.S. 203, 219 (1872). 36 Darüber Collier VI § 0.04 S. 37 und Billig (N. 29) 254 mit Nachweisen. 37 Siehe z. B. Chamberlain, Harv. L. Rev. 10 (1896) 141 ff.; ausführliche Darstellung der Kritik und Versuch ihrer Widerlegung bei Glenn, Liquidation 284ff.; Col. L. Rev. 14 (1914) 380; 25 (1925) 39, 443. 38 Angaben bei Chamberlain (N. 37); Dewing (1926) 951 f.; SEC-Report 1204f., VIII33f.; Fuller 380. 39 Wabash, St. Louis & Pacific Ry. Co. (oben N. 22). 40 Sage v. Memphis Rd. Co. (oben N. 20); Brown v. Lake Superior Iron Co. (oben N. 21); Hollins v. Brierfield Coal & Iron Co. (oben N. 21). 41 Re Metropolitan Ry. Receivership (oben N. 33).

hatten sich für die Fachleute alle Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens erledigt42. 2. Planverhandlungen

Die Ernennung eines Receivers im Insolvenzfall wird in den allgemeinen Lehrwerken zum Equity-Recht dargestellt als ein nur unterstützender Behelf in einem Verfahren, das auf ordentliche Liquidation zielt43, und noch bis in die zwanziger Jahre wurde immer wieder versucht, die ausge­ dehnte Receivership-Praxis im Zusammenhang mit Untemehmensinsolvenzen als Liquidationshilfe darzustellen und zu rechtfertigen44. In Wirk­ lichkeit hatte die Ernennung eines Receivers in diesen Zusammenhängen immer den Zweck, den Fortbestand des Unternehmens sichern zu helfen, indem sie den Interessenten erlaubte, unter dem Schutz des Gerichts eine Neuordnung der Kapitalverhältnisse herbeizufuhren. Die Kapitalinteressen formierten sich alsbald nach der Ernennung des Receivers. Am meisten betroffen waren natürlich die Gläubiger: einerseits vor allem die Gläubiger aus den Geschäftsbeziehungen (Lieferanten, Ban­ ken) und die Arbeitnehmer, auf der anderen Seite die oft in die tausende gehende Zahl der Obligationäre (bondholders), die ihrerseits je nach der Art der Schuldverschreibung (gesichert, ungesichert) und den übrigen Bedingungen der Emission in verschiedene Klassen zerfielen. Ihnen gegen­ über standen die Aktionäre (shareholders), die je nach Aktientyp (z. B. Stammaktien, Aktien mit Dividendenvorzug, Aktien mit Liquidationsvor­ zug) ebenfalls verschiedene Gruppen bilden konnten. Eine besondere Inter­ essengruppe war die Unternehmensleitung. Ihre Mitglieder waren oft selbst Besitzer ansehnlicher Aktienmengen und von allen Interessenten die Gruppe, die über die tatsächliche Lage des Unternehmens am besten informiert war. Die Unternehmensleitungen achteten vor allem darauf, daß sie durch die Reorganisation der Gesellschaft nicht ihr Amt und ihren Einfluß verloren. Bei der Vielzahl von Gläubigern und Aktionären einer Eisenbahngesell­ schaft konnten Verhandlungen nur geführt werden, wenn die einzelnen Gruppen eine Vertretung ihrer Interessen organisierten. Die geschäftlichen Gläubiger nahmen dies gewöhnlich selbst in die Hand. Sie beauftragten einzelne Großgläubiger, Gläubigerausschüsse oder auch Kreditschutzver­ bände mit der Wahrung ihrer Interessen. 42 Collier VI § 0.04 S. 35; SEC-Report VIII 35f. 43 Clark, Receivers §§ 17, 51, 75, 701; Pomeroy §§ 1330, 1331. 44 Glenn, Liquidation 260; Col. L. Rev. 25 (1925) 435-438.

Den oft in aller Welt verstreuten Kapitalanlegern der Gesellschaft Aktionären und Obligationären - war meistens weder die individuelle Interessenwahrnehmung noch die Organisierung von Interessengemein­ schaften möglich. Sie wußten nichts voneinander und hatten - wenn private Sparer - auch nicht genug Einblick und Geschäftsgewandtheit, um die oft schwierigen Verhandlungen führen zu können. In der Regel bilde­ ten deshalb sogleich nach der Stellung des Receivership-Antrages die Unternehmensleitung und die mit ihr zusammenarbeitenden Banken „Schutzkomitees“ („protective committees“) für die Anleger: die Unter­ nehmensleitung je ein Komitee für die Aktionäre und die Vorzugsaktio­ näre, die Banken (oft in Zusammenarbeit mit der Unternehmensleitung) für jede Klasse von Obligationären. Mitglieder der einzelnen Komitees waren je nach Interessenlage und Beziehungen der Beteiligten die Vertreter von Banken, von befreundeten Unternehmen und die Unternehmenslei­ tung; daneben wurden angesehene Außenstehende - zum Beispiel Finanz­ leute, Anwälte, Präsidenten von Stiftungen oder Universitäten - herange­ zogen sowie Vertreter der institutioneilen Anleger (Versicherungen und Depotbanken), wenn diese größere Bestände einer Emission besaßen. Jedes Komitee bestellte Anwälte und einen Sekretär und forderte dann „seine“ Anleger durch die Post oder über die Zeitungen auf, es mit der Wahrnehmung ihrer Interessen zu beauftragen. Die Beauftragung geschah in der Regel so, daß der Aktionär oder Obligationär sein Papier bei dem Komitee deponierte und dieses durch ein „deposit agreement“ mit weitge­ henden Vollmachten für die Verhandlungsführung ausstattete; er erhielt dafür ein börsengängiges Hinterlegungszertifikat (deposit certificate), das ihm die Verfügung über sein hinterlegtes Papier auch während der Reorga­ nisationsverhandlungen ermöglichte. Erstes Ziel jedes Komitees war es, für seine Klasse von Anlegern möglichst viele Vollmachten auf sich zu ziehen, um eine starke Verhandlungsposition gegenüber den anderen Kapi­ talgebergruppen zu erhalten und potentielle Opponenten der eigenen Klasse zu entmutigen45. Es konnte vorkommen, daß sich unabhängig von den Schutzkomitees, die von der Unternehmensleitung und den Banken organisiert wurden, Konkurrenzkomitees bildeten, die ebenfalls um die Vollmachten der Titel­ inhaber warben. Die Motive solcher „independent committees“ waren unterschiedlich. Oft wollten sie eine sachliche Opposition zur Politik der 45 Über Zusammensetzung und Praxis der Schutzkomitees besonders anschaulich Dewing (1926) 935 fF.; del Marmol 115 ff.; SEC-Report 1341 ff, 847 ff., VIII162 ff; J. N. Rosenberg, Col. L. Rev. 17 (1917) 524ff; Levi/Moore, U. Chi. L. Rev. 5 (1938) 228ff.

Unternehmensleitung und der mit ihr verbundenen Banken betreiben, oft aber war es auch das Bestreben, im Zuge der Reorganisation Einfluß auf die insolvente Bahngesellschaft oder finanziellen Gewinn zu erlangen. Im Werben um die Vollmachten der Anleger waren diese Komitees von vornherein im Nachteil. Denn die Unternehmensleitung und die Banken hatten es aufgrund ihrer Kenntnis der Sachlage weitgehend in der Hand, den Zeitpunkt des Reorganisationsantrags zu bestimmen, und konnten dann gut vorbereitet sofort mit der Werbungskampagne beginnen. Noch wichtiger war, daß nur sie über die Listen der Aktionäre und Anleihegläu­ biger verfugten und diese daher persönlich anschreiben konnten. Die außenstehenden Konkurrenten konnten die Anleger nur durch Pressever­ lautbarungen und Anzeigen erreichen, was sich immer wieder als viel weniger wirksam erwies. In der Geschichte der Receiverships haben unab­ hängige Komitees denn auch nur in wenigen herausragenden Fällen so viele Vollmachten zusammengebracht, daß sie für die Reorganisation ein ernst zu nehmender Verhandlungspartner wurden46. Wenn die Interessentengruppen sich formiert hatten, begannen die Ver­ handlungen über den Reorganisationsplan, die für jedes Komitee in der Regel von beauftragten Mitgliedern geführt wurden. Ziel der Verhandlun­ gen war die Wiederanpassung der Kapitalstruktur an die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Bahngesellschaft. Dafür war immer erforderlich eine Reduktion der vorhandenen Kapitallast und meistens auch die Zuführung neuen Kapitals. Es ging also darum, welche Gruppe welche Opfer bringen mußte (z. B. Herabsetzung des Anleihezinses, Tilgungsverlängerung, Umwandlung von gesicherten Forderungen in ungesicherte, von ungesi­ cherten in Aktien, von Vorzugsaktien in einfache Aktien, Kapitalschnitt für die Stammaktien), woher das neue Geld kommen sollte und welchen Platz es in der neuen Kapitalstruktur erhalten sollte (d. h. äußerlich: welche Arten von Wertpapieren an die neuen Kapitalgeber aus gegeben werden sollten). Die Verhandlungen wurden in der Regel beherrscht von einem Interes­ sengegensatz zwischen einerseits den Gläubigern und andererseits den Aktionären; diese operierten von Anfang bis Ende aus der Defensive, weil die Gläubiger natürlich zunächst von ihnen die Opfer verlangten. Aber auch die einzelnen Klassen von Aktionären und Gläubigern standen oft im Gegensatz zueinander, je nachdem wie tief in die Kapitalstruktur eingegrif­ fen werden mußte, und je nachdem, ob es sich bei den Kapitalinteressen

46 SEC-Report I 671 fF., 878ff.; del Marmol 121 f.

zum Beispiel um Lieferanten, Banken, institutionelle Anleger oder kleine Sparer handelte. Die Verhandlungen waren meistens sehr schwierig, weil die Kapital­ strukturen der größeren amerikanischen Eisenbahngesellschaften beson­ ders kompliziert waren durch eine Vielzahl von Emissionen, die im Zuge der Expansion, bei Aufkäufen anderer Gesellschaften oder auch anläßlich früherer Reorganisationen stattgefunden hatten. Dadurch schwoll die Zahl der an den Verhandlungen zu beteiligenden Schutzkomitees47. Vor allem waren die relativen Positionen der einzelnen Emissionen im Rahmen der Gesamtkapitalstruktur oft nur schwer in ein einigermaßen objektives System zu bringen. Schwierigkeiten bereitete auf der anderen Seite auch der schiere Umfang der zur Disposition stehenden Vermögensmasse. Bevor es zur Ausarbeitung eines Planes kam, ließen die Komitees deshalb Untersuchungen über den wirklichen Status der Bahngesellschaft durchfuhren. Anwälte prüften die rechtliche Situation, zum Beispiel hin­ sichtlich laufender Verträge (bei großen Bahngesellschaften besonders wichtig, weil sie viele Strecken von kleineren Gesellschaften gemietet hatten); Wirtschaftsprüfer hatten den korrekten Buchwert des Unterneh­ mens festzustellen; Eisenbahnsachverständige und Ingenieure erstellten Gutachten über den Zustand der Bahnanlagen und über die künftigen Ertragsmöglichkeiten; Banken- und Börsenexperten mußten beurteilen, wie sich eine neue Kapitalstruktur auf den Wert der vorhandenen Titel auswirken würden und wie die neu auszugebenden Papiere am Markt wohl aufgenommen würden. Alle diese Gutachten sollten indizieren, wieviel Kapital die Bahn „tragen“ konnte und welche Opfer man von den bisheri­ gen Kapitalgebern vernünftigerweise verlangen durfte, das heißt, welcher Plan bei ihnen Aussicht auf Zustimmung hatte. Wenn das einigermaßen abzuschätzen war, ging es in den Verhandlungen darum, wie innerhalb dieses Kapitalrahmens die Berechtigungen verteilt werden sollten48. 3. Geschäftsführung durch den Receiver Der Prozeß der Formierung der Interessenten, der notwendigen Unter­ suchungen und der Verhandlungen konnte Jahre dauern49. Währenddessen führte der Receiver unter der Aufsicht des Gerichts den Bahnbetrieb 47 Bis zu zehn Komitees, bei besonders komplexen Kapitalstrukturen noch mehr, waren keine Seltenheit; Ripley 389. 48 Über Gang und Inhalt der Verhandlungen besonders anschaulich del Marmol 27 f., 122f.; Dewing (1926) 953ff., 976ff., 997f.; Fuller 380£. 49 Angaben bei Dewing (1926) 966; Billyou, U. Pa. L. Rev. 96 (1948) 815.

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Flessner BIPR 48

weiter. Der Receiver war befugt zur Vornahme aller Geschäfte des laufen­ den Betriebs; in Zweifelsfällen und bei außergewöhnlicheren Geschäften holte er vorher beim Gericht eine Ermächtigung ein50. Nachdem er sich zunächst einen Überblick über die rechtliche und finanzielle Situation der Gesellschaft verschafft hatte, mußte er entscheiden, in welchem Umfang der Betrieb weiterzufuhren war. Oft war die Bahn unter dem Receiver in besserer Verfassung als in der letzten Zeit vor der Reorganisation, weil ihr während der Zwangsverwaltung kein Geld für den Kapitaldienst entzogen werden mußte. Es konnte aber auch umgekehrt sein, wenn es dem Receiver an Qualität und Interesse fehlte. Das erste und schwierigste Problem des Receivers lag in der Beschaffung zusätzlichen Geldes. Dies konnte notwendig sein, solange die laufenden Einnnahmen nicht einmal die reinen Betriebskosten deckten. Im Regelfall waren überdies Erhaltungs- und Erneuerungsinvestitionen notwendig, manchmal auch solche, mit denen heruntergewirtschaftete Bahnanlagen überhaupt erst wieder voll verwendbar gemacht wurden. Da die Kredit­ quellen der Bahn normalerweise vor der Insolvenz ausgeschöpft waren, mußte das notwendige Kapital oft durch eine Umlage (assessment) bei den Anlegern, vor allem bei den Aktionären, aufgebracht werden: man stellte diese vor die Wahl, entweder den Umlagebetrag zu leisten oder mit ihren Rechten in der Reorganisation ganz auszufallen. Wenn der Weg der Umlage aus technischen oder wirtschaftlichen Grün­ den nicht gangbar erschien, mußte das Gericht Hilfe bieten. Das Gericht konnte den Receiver ermächtigen, Geld gegen Schuldscheine aufzuneh­ men, die ein vorrangiges Befriedigungsrecht an dem Bahnvermögen gewährten. Solche „receiver’s certificates", oft in Millionenhöhe, konnten, wenn das Gericht so entschied, sogar den ersten Rang - noch vor den Anleihehypotheken - erhalten und galten dann als verläßliche Kapitalan­ lage; ihre Ausgabe wurde deshalb andererseits oft erbittert bekämpft von den gesicherten Anleihegläubigern51. Das Recht zur Zurücksetzung der bestehenden Sicherungsrechte nahmen die Gerichte aus ihrer „equity power“. Grundgedanke: Nachdem das Gericht aufgrund seiner Equity-Zuständigkeit das Bahnvermögen mit Hilfe des Receivers für alle Gläubiger in seine Obhut genommen hat, darf und muß es auch durch Zurücksetzung anderer Rechte für seine Kapitalbe­ 50 Über die Rechtsstellung des Receivers im einzelnen Clark, Receivers §§ 329 fF. 51 Der Vorrang der „receiver’s certificates“ wurde höchstrichterlich etabliert durch die Entscheidungen Wallace v. Loomis, 97 U.S. 146 (1877); Miltenberger v. Logansport Ry. Co., 106 U.S. 286 (1882); Swan v. Clark, 110 U.S. 602 (1884); Union Trust Co. v. Illinois Midland Co., 117 U.S. 434 (1886); Kneeland v. American Loan Co., 136 U.S. 89 (1890).

dürfnisse sorgen, wenn ihm sonst das Vermögen unter den Händen zerfallen würde52. Aus diesem Grundgedanken heraus wurde dann im Einzelfall auch beurteilt, für welche Zwecke solche vorrangigen Schuld­ scheine ausgegeben werden durften. Leitmotiv war die Notwendigkeit der Investitionen, wobei die Gerichte aber häufig recht großzügig nicht nur Instandsetzungen, sondern auch Neuanschaffungen von Waggons und Lokomotiven und die Erweiterung des Streckennetzes, schließlich auch die Deckung schlichter Betriebsdefizite ermöglichten, wenn ihnen dies zur „Erhaltung“ des Bahnuntemehmens irgend angebracht erschien. Die Ein­ lösung der Schuldscheine geschah meistens, bevor das Gericht das inzwi­ schen reorganisierte Unternehmen aus seiner Obhut entließ; wenn nicht, mußte auch für die Inhaber dieser Schuldscheine ein zufriedenstellender Platz in der neuen Kapitalstruktur geschaffen werden53.

4. Die finanzielle Operation Das Ziel der Reorganisation war idealiter eine Kapitalstruktur, die der Bahngesellschaft dauerhaft erlaubte, ihren laufenden Betrieb zu finanzie­ ren, das langfristige Fremdkapital zu bedienen und - in normalen Zeiten auch eine angemessene Verzinsung des Aktienkapitals zu erwirtschaften. Um dies zu erreichen, benötigte die insolvent gewordene Bahn einerseits immer eine Reduktion ihrer Kapitallast, insbesondere der festverzinslichen Anleiheschuld, andererseits auch erhebliche Mengen neuen Kapitals - zur Ablösung kurzfristiger Verbindlichkeiten, zur Deckung der Kosten des Receivership-Verfahrens, zur Finanzierung von Erneuerungs- und Erwei­ terungsvorhaben oder zur Ablösung der dafür ausgegebenen „receiver’s certificates“, zur Ausstattung des reorganisierten Unternehmens mit Betriebskapital und schließlich zur Abfindung derjenigen Gläubiger und Aktionäre, die sich dem Reorganisationsplan nicht anschließen wollten. Reduktion der Kapitallast bedeutete, daß die Kapitalgeber an ihren Rechten Abstriche hinnehmen mußten - wie viel, das hing zunächst von der Situation der Bahn und der Art ihrer Kapitalstruktur ab54. Hauptsächlich wurde das langfristige Kapital zu Opfern veranlaßt, durch Zusammenstrei­ 52 Wallace v. Loomis (N. 51) 162; Kneeland v. American Loan Co. (N. 51) 98. 53 Über die „receiver’s certificates“ und ihre Entwicklung besonders ausführlich Dewing (1926) 142ff., 1013£E; außerdem Collier VI § 0.04 S. 41 f.; Levi/Moore (oben N. 45) 228£; del Marmol 25 f.; Finletter 13. 54 Beschreibungen der Kapitalstrukturen und aller Spielarten der möglichen Geld- und Beteiligungstitel bei Ripley 1-173, 227-280, 371-533; Dewing (1926) 3-232, 371 fF., 1047; del Marmol 90-94.

chung der verbrieften Kapitalbeträge, durch Herabsetzung der Zinssätze, Verlängerung der Tilgungszeiträume und durch Umwandlung von Obli­ gationen in Aktien sowie - wenn die Gesellschaft überschuldet war - durch Auslöschung von Aktien. Am wenigsten gefährdet waren einerseits die Inhaber von erstrangig gesicherten Obligationen sowie andererseits Forde­ rungen aus dem allgemeinen Geschäftsbetrieb; diese letzteren wurden meistens voll befriedigt oder doch jedenfalls teilweise bar und im übrigen mit gut gesicherten festverzinslichen Schuldverschreibungen beglichen55. Ein Sanierungsplan konnte also, wenn er alle Kapitalanleger irgendwie erfaßte, so aussehen: Umtausch aller Anleihen, die durch erstrangige Hypotheken an einzelnen Strecken gesichert sind, in eine einheitliche Anleihe mit etwas niedrigerem Nennbetrag und späterer Fälligkeit, die aber durch eine Hypothek an dem gesamten Bahnsystem gesichert ist; Zinsherabsetzung für die Anleihen, die durch Pfandrechte an rollendem Material oder an Beteiligungen gesichert sind; Umwandlung der nachran­ gig gesicherten und ungesicherten festverzinslichen Anleihen in Gewinn­ obligationen (income bonds) und Vorzugsaktien, unter Umständen mit Nachzahlungsanspruch für spätere Gewinnjahre oder mit einer Garantie, daß keine weiteren festverzinslichen Anleihen aufgenommen werden; die vorhandenen Gewinnobligationen werden im Nennbetrag herabgesetzt oder auch zu Vorzugsaktien; die Vorzugsaktien werden zu einfachen Aktien, die einfachen werden zusammengelegt oder - bei eindeutiger Überschuldung der Gesellschaft - ganz ausgelöscht, vielleicht mit dem Trostpflaster einer Kaufoption auf neue Aktien56. Das Ziel, die Kapitalstruktur den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gesellschaft anzupassen und dabei möglichst auch zu vereinfachen, wurde nicht immer erreicht, häufig von den Initiatoren der Reorganisation nicht einmal ernstlich angestrebt, wenn man fürchtete, daß die notwendigen Opfer von den Beteiligten nicht akzeptiert würden. Wie weit die Opfer gehen und wer sie erbringen mußte, hing deshalb nicht nur von der Lage der Gesellschaft ab, sondern war auch eine Sache der Machtpositionen, Verhandlungslagen und nicht zuletzt der Psychologie, mit der die Opera­ tion den Betroffenen schmackhaft gemacht wurde57. Besondere Schwierig­ 55 Es konnte allerdings auch vorkommen, daß Opfer eines Eisenbahnunfalls sich mit ihren Schadensersatzforderungen schließlich als Aktionäre der Bahn wiederfanden, so z. B. im Fall Phipps v. Chicago, Rock Island & Pacific Ry. Co., 284 Fed. 945 (Cir. 8, 1922). 56 Ausführliche Darlegung der Praxis bei Ripley 392—411; Dewing (1926) 979-1004, 1042-1088; del Marmol 152ff., 162ff. 57 Über die angewandten Strategien und Psychologien allgemein Dewing aaO. 901 ff., 930ff., 1050f., 1065f., 1068f, 1071, 1086ff.; del Marmol 157, 162f., 173ff.

keiten traten zum Beispiel auf, wenn den europäischen Anleihegläubigern Opfer abverlangt wurden, ohne daß die in amerikanischen Händen befind­ lichen Aktien vollständig eliminiert wurden58. Wenn die Eingriffe nicht tief genug gingen, war deshalb oft schon in der neuen Kapitalstruktur die nächste finanzielle Krise angelegt; es gab große Eisenbahngesellschaften, die auf diese Weise in den wenigen Jahrzehnten von der Jahrhundertmitte bis etwa zum 1. Weltkrieg durch mehrere finanzielle Reorganisationen gehen mußten59. Opposition und spätere erneute Reorganisation konnte man zu vermeiden suchen, indem man für aufzugebende Forderungsrechte großzügig Aktien austeilte. So kam die Bahn oft sogar mit einer insgesamt höheren Kapitallast aus der Reorganisation hervor, allerdings meistens doch mit einer spürbar geringeren Belastung durch feste Verbindlich­ keiten60. Eine Vorstellung von der Größenordnung der zu bewältigenden finan­ ziellen Probleme vermittelt eine Untersuchung aus den zwanziger Jahren über 21 der größeren und wichtigeren Eisenbahn-Reorganisationsfälle in der Zeit zwischen 1892 und 192461. Danach war das festverzinsliche Fremd­ kapital der betroffenen Eisenbahnen durch Reorganisationen herabgesetzt worden von insgesamt 1,5 Milliarden Dollar auf900 Millionen Dollar (also auf ca. 60% des Ursprungsbetrages) und damit die jährliche Zinsbelastung von 70 Millionen Dollar auf ca. 36 Millionen Dollar (ca. 52% der ursprünglichen Belastung). Der höchste Ausgangsbetrag war 259 Millio­ nen Dollar (im Falle der Atchison, Topeka & Santa Fe Railroad, herabge­ setzt 1865 auf 148 Millionen Dollar), der niedrigste 13 Millionen Dollar (im Fall der International and Great Northern Railroad, herabgesetzt 1911 auf Null). Im Durchschnitt ergab sich somit pro Bahngesellschaft eine Herab­ setzung des Fremdkapitals von 71 Millionen auf 42 Millionen Dollar. In welchem Umfang die Bahngesellschaft neues Kapital benötigte, hing ab von dem Status, der sich nach den Untersuchungen der Juristen, Wirtschaftsprüfer, Ingenieure und Banken im Laufe des Verfahrens heraus­ schälte. Man mußte dann den Betrag hinzuschlagen, den man voraussicht­ lich für die Barabfindung der nichtzustimmenden Beteiligten benötigte. Immer ging es um mehrstellige Millionenbeträge. Da der Kredit der insolvent gewordenen Bahngesellschaft naturgemäß erschöpft war, wandte man sich wegen des neuen Kapitals in erster Linie an 58 59 60 61

Siehe Dewing (1926) 993. Angaben z.B. bei Dewing (1926) 980 N. b. Ripley 406f.; Dewing (1926) 1086ff. Zitiert bei Dewing (1926) 1084.

die bisherigen Kapitalgeber, die sich durch Aufbringung einer ihrem Anteil entsprechenden Umlage eine mildere Behandlung oder überhaupt erst die weitere Berücksichtigung in der neuen Kapitalstruktur erkaufen konnten. Angesprochen wurden in erster Linie die Aktionäre, deren Rechte durch die Reorganisation sonst ausgelöscht worden wären, aber oft auch die zwischen den Aktionären einerseits und den erstrangig gesicherten Anlei­ hegläubigern andererseits stehenden Inhaber von ungesicherten oder nur nachrangig gesicherten Schuldverschreibungen, denen die Auslöschung oder erhebliche Verkürzung ihrer Rechte drohte. Welche Umlagebeträge man den einzelnen Gruppen von Kapitalgebern zumuten konnte, erfor­ derte diffizile wirtschaftliche und psychologische Erwägungen der Reorga­ nisationskomitees und der eingeschalteten Emissionsbanken. Da die Titel­ inhaber zur Leistung der Umlage nicht gezwungen werden konnten, mußte das Angebot der für die Umlage offerierten neuen Papiere so gefaßt sein, daß es möglichst vielen attraktiver erschien als die sonst drohende Auslöschung oder Dezimierung der Kapitalanlage62. Vor der Durchführung des Reorganisationsplans mußte gesichert sein, daß das erforderliche neue Kapitel bereitstand. Deshalb übernahmen die Emissionsbanken oft eine Garantie dafür, daß die aufgrund der Umlage auszugebenden neuen Titel (meistens Aktien) bei den angesprochenen Anlegern untergebracht würden. Sie erhielten dafür eine Provision und außerdem alle die Stücke der Emission, die von den angesprochenen Anlegern nicht abgenommen wurden63. In zweiter Linie kamen für die Hergabe neuen Kapitals Außenstehende in Betracht, jedoch mußte man ihnen erstklassige Sicherheit bieten können. Soweit in der geplanten Kapitalstruktur der reorganisierten Gesellschaft dafür noch Platz war, wurden deshalb auch Schuldverschreibungen ausge­ geben, die durch eine Hypothek an erster Stelle gesichert waren; diese Titel wurden dann von einem Emissionskonsortium zum Absatz an das allge­ meine Anlegerpublikum übernommen, entweder auf eigene Rechnung oder mit einer begleitenden Absatzgarantie, die natürlich durch eine Provi­ sion honoriert werden mußte. Die Einschaltung angesehener Emissions­ banken garantierte außerdem die nötige Kurspflege, solange der Sanie­ rungserfolg noch nicht sicher war. Da Reorganisationen eigentlich immer zum Umtausch von Obligatio­ nen in Aktien führten, mußten die bisherige Unternehmensleitung und die mit ihr verbundenen Interessen schließlich dafür sorgen, daß die Stimm­ 62 Über die Praxis der „assessments" ausführlich Dewing (1926) 1022-1034; Ripley 396 fF. 63 Darüber Dewing (1926) 1035-1041.

rechtsverhältnisse nicht zu ihren Ungunsten geändert wurden. Die neuen Aktien wurden daher oft mit einem „voting trust" verbunden, das heißt mit der Übertragung der Stimmrechtsausübung auf Treuhänder. Durch geschickte Auswahl der Treuhänder konnte dann die Weiterexistenz der Unternehmensleitung, die Repräsentation von Bankeninteressen in der Unternehmensleitung oder schlicht die weitere Herrschaft der alten Aktio­ närsmehrheit sichergestellt werden. Manchmal wurden Stimmrechts­ Treuhandschaften aber auch zugunsten von Anleihebesitzern eingerichtet, die dadurch veranlaßt werden sollten, den Aktionären eine Weiterexistenz in dem Unternehmen zuzubilligen. Dann wurde etwa bestimmt, daß die Obligationäre durch ihre Vertreter die Stimmrechtstreuhänder für die Aktionäre ernennen könnten64. Technisch bedeutete Reorganisation durch Receivership immer Einzie­ hung der bisherigen Schuld- und Anteilstitel sowie Ausarbeitung und Ausgabe der neuen, wie sie in dem Reorganisationsplan vorgesehen waren. Dies alles wurde von den Depotbanken, den Emissionsbanken und nicht zuletzt den herangezogenen Juristen besorgt, die dafür ihre Gebühren in Rechnung stellten. Das Ganze - die Verhandlungen und die finanzielle Exekution des Planes - spielte sich hauptsächlich in und um Wall Street ab, wo die für die großen Eisenbahngesellschaften tätige Finanzwelt konzen­ triert war.

5. Die rechtliche Operation Wenn die Komitees sich nach langen Verhandlungen auf einen Reorgani­ sationsplan geeinigt hatten, gaben sie einem gemeinsamen „Reorganisa­ tionskomitee“, in das alle Einzelkomitees Vertreter entsenden konnten, oder den beteiligten Banken den Auftrag, die verbleibende rechtliche Operation durchzuführen. Zunächst wurde der Plan veröffentlicht und mit einem erläuternden Bericht den Anlegern zugeschickt mit der Bitte, ihre Zustimmung zu erteilen. Die Hinterlegungsvereinbarungen mit den Komitees waren manchmal so abgefaßt, daß eine Mehrheit der jeweiligen Anlegergruppe durch ihre Zustimmung die Minderheit an den Plan binden konnte. Meistens sahen die Vereinbarungen jedoch vor, daß innerhalb einer bestimmten Frist nach der Veröffentlichung des Plans jeder Anleger, der nicht zustimmen wollte, die von ihm hinterlegten Titel zurückverlangen 64 Über die Praxis der „voting trusts" bei Reorganisationen del Marmol 160ff.; Dewing (1926) 622f.; Ripley 403f.

mußte; er hatte dann aber seinen Anteil an den bis dahin entstandenen Kosten des Komitees zu leisten. Dieser Anteil wurde in der Regel auf 1—2% des Nennbetrags der hinterlegten Papiere begrenzt; da aber die Aktien und Schuldverschreibungen der insolvent gewordenen Bahngesell­ schaft in der Regel ohnehin nur einen Bruchteil des Nennbetrages wert waren, konnte diese Umlage für die Entscheidung des Anlegers über Zustimmung oder Ablehnung durchaus eine Rolle spielen. Meistens machte deshalb unter denen, die das Komitee einmal beauftragt hatten, nur eine kleine Minderheit von dem Ablehnungsrecht Gebrauch65. Gleichzeitig mit der Einholung der Zustimmungen veranlaßte das Reor­ ganisationskomitee, daß das gerichtliche Verfahren nunmehr fortgeführt wurde. Der Gläubiger, der den Antrag auf Zwangsverkauf und Receiver­ ship gestellt hatte, konnte an sich diesen Antrag weiterverfolgen. Eine Zwangsversteigerung des Bahnvermögens aufgrund seines Antrags hätte aber alle Sicherungsrechte (Hypotheken, Pfandrechte am rollenden Mate­ rial u. a.), die ihm vorgingen, bestehen lassen. Meistens wurde daher ein hypothekarisch gesicherter Anleihegläubiger veranlaßt, ebenfalls einen Antrag auf Zwangsverkauf und Receivership zu stellen. Wenn die Reorga­ nisation in die Kapitalverhältnisse so tief eingriff, daß auch die durch erstrangige Hypotheken gesicherten Anleihegläubiger betroffen wurden, mußte der Antrag aus dieser Gläubigerklasse kommen; wenn nicht, war es meistens ein nachrangig gesicherter Gläubiger, der den Antrag stellte. Das Gericht verband diesen Antrag mit dem bereits vorliegenden Antrag des nicht gesicherten Gläubigers und ordnete nun auf dieser Grundlage den Zwangsverkauf des Bahnvermögens an, wobei es im vorhinein einen Mindestpreis nannte, den der Verkauf erbringen mußte. Obwohl alle Beteiligten einschließlich des Richters wußten, daß das Verfahren nicht auf Liquidation, sondern auf Sanierung hinauslaufen sollte, verlief dieser Zwangs verkauf mit allen Förmlichkeiten einer öffentlichen Versteigerung - im Prinzip nicht anders als bei der Zwangsversteigerung eines gewöhnli­ chen Grundstücks. Auf diese Weise wurden kleine Bahnstrecken und größte Eisenbahnnetze durch öffentlichen Ausruf an den Meistbietenden versteigert. „Bieter“ waren in der Regel nur die beauftragten Reorganisatoren und sie erhielten so den Zuschlag - meistens zu dem Preis, den das Gericht vorher als Mindestpreis festgelegt hatte. Andere Bieter, die über das 65 Über die Einholung der Zustimmung bei den Anlegern und deren Rechtsstellung in diesem Zusammenhang besonders ausführlich SEC-Report VIII 210-217, 231-241, 269-278; Rodgers, Harv. L. Rev. 42 (1929) 907ff., 915f.

gleiche Millionenkapital für den Erwerb eines ganzen Eisenbahnsystems verfugten, konnte es nach aller Erfahrung nicht geben, zumal die Reorga­ nisationskomitees es waren, die durch ihre engen Verbindungen mit den führenden Emissionshäusern die vorhandenen Geldquellen bereits weitge­ hend in Anspruch genommen hatten. Die Reorganisatoren hatten außer­ dem gegenüber anderen Interessenten den Vorteil, daß sie den Versteige­ rungspreis nur zum geringeren Teil in bar begleichen mußten. Da einer­ seits der Versteigerungserlös - nach Abzug der Kosten und einiger vorran­ giger Verbindlichkeiten - den bisherigen Kapitalgebern anteilig und nach ihrer Rangordnung gebührte, andererseits die Reorganisatoren die große Mehrheit eben dieser Kapitalgeber vertraten, konnten sie den größten Teil des geschuldeten Gesamtpreises durch Aufrechnung mit dem Erlösanteil begleichen66. Aus dem vom Reorganisationskomitee bar gezahlten Teil des Verkaufs­ preises berichtigte das Gericht zunächst die Kosten und die Geschäftsver­ bindlichkeiten der Bahngesellschaft aus der zwischenzeitlichen Verwal­ tung, die letzteren allerdings nur, wenn sie nicht von der neu zu organisie­ renden Gesellschaft übernommen werden sollten. Dazu gehörten vor allem die Verbindlichkeiten aus Schuldscheinen des Receivers, die das Gericht mit einem Vorrang versehen hatte67, sowie gewisse Forderungen von Lieferanten und Arbeitnehmern aus der Zeit vor der Einsetzung des Receivers68. Der verbleibende Teil des Erlöses wurde sodann an die Gläubi­ ger und Aktionäre, die sich dem Reorganisationsplan nicht angeschlossen hatten, nach ihrer Rangordnung verteilt. Die Reorganisatoren ihrerseits übertrugen das erworbene Bahn vermö­ gen sogleich weiter auf die neugegründete Gesellschaft, und diese gab dafür Aktien und Schuldverschreibungen aus, die, unter Umständen gegen Leistung der vorgesehenen Umlagen, nach Maßgabe des Reorganisations­ plans den von den Komitees vertretenen Anlegern und Gläubigern zuge­ teilt wurden. 66 Über das Versteigerungsverfahren und die dominierende Stellung des Reorganisations­ komitees in ihm sehr instruktiv Cutcheon, in: Some Phases (oben N. 30) (1931) 117ff., 124 ff. (ein auf dem Gebiet tätiger Anwalt); Dewing (1926) 963-966; del Marmol 29 f.; SECReport VIII 12-16, 28-30. 67 Siehe oben S. 50 f. 68 Die Gerichte hatten aufgrund ihrer „equity power“ auch den Forderungen vorrangige Befriedigung zugebilligt, die in den letzten 6 Monaten vor der Receivership für betriebsnot­ wendige Lieferungen und Leistungen entstanden waren; die wirkliche Tragweite dieser sogen, „six months rule" blieb aber immer verschwommen; darüber Cutcheon (oben N. 66) 105-110; Fordham, Minn. L. Rev. 15 (1931) 261 ff; del Marmol 26f.; Dewing (1926) 1005-1012.

Damit war die Operation abgeschlossen. Ihr rechtlicher Effekt lag in der Liquidation der alten und der Gründung und Ausstattung einer neuen Bahngesellschaft. Die Gläubiger- und Anteilsrechte an der alten Gesell­ schaft erloschen ersatzlos - so oft die alten Aktien - oder sie wurden ersetzt bei den einen durch den Anteil am Versteigerungserlös, bei den anderen die sich dem Reorganisationsplan angeschlossen hatten - durch Kapitalbe­ rechtigungen an der neuen Gesellschaft. Die neue Gesellschaft, deren Name sich eng an den der alten anlehnte, führte mit dem übernommenen Vermögen den Betrieb fort, die alte blieb zurück als leere Hülle ohne Aktiven und Passiven. Das wirtschaftliche Ergebnis war, daß die Bahngesellschaft mit modifi­ zierter Kapitalstruktur, aber mit kaum verändertem Namen, mit dem gleichen Bahnvermögen, und ohne daß der Bahnbetrieb einen Augenblick geruht hätte, weiterbestand: aus der Northern Pacific Railroad Co. war die Northern Pacific Railway Co. geworden69.

III. Rechtliche Kontrolle Zu Anfang nahmen die Gerichte auf den Inhalt der Reorganisationen keinen Einfluß. Die Rolle des Rechts bestand darin, für den Verhandlungs­ prozeß der Kapitalinteressen ein Forum zu stellen, während der Dauer der Auseinandersetzung den Weiterbestand des Streitobjekts zu ermöglichen und dieses am Schluß dem Berechtigten zu freier Verfügung auszuhän­ digen. Hieran änderte sich nichts, als 1898 das Bundeskonkursgesetz geschaffen wurde, das - inzwischen stark revidiert - bis 1978 in Geltung war70. Das Gesetz stellte in seinem § 12 auch ein Vergleichsverfahren („composition") bereit, das eine gerichtliche Kontrolle des Vergleichsinhalts vorsah. Doch war dieses Verfahren zugeschnitten auf kleine und mittelgroße Unterneh­ men (Einzelfirmen, Personenhandelsgesellschaften oder kleine Aktienge­ sellschaften mit GmbH-Charakter = „close corporations“), die ein Arran­ 69 So in der Reorganisation von 1896, geschildert bei Daggett, Railroad Reorganization (1924) 263fF., 308, und der Entscheidung Northern Pacific Ry. Co. v. Boyd, 228 U.S. 482, 487(1913). Sehr beliebt war es auch, die Bezeichnung „Company“ in „Corporation“ zu ändern oder umgekehrt. Diese Art von Namenstausch konnte mehrmals hin- und zurückge­ hen, wenn die Bahngesellschaft im Laufe ihrer Geschichte mehrere Reorganisationen durch­ machte; Fälle hierzu und über ähnliche Kunstgriffe bei Dewing (1926) 966 N. ww. 70 Über die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des Gesetzes: Collier I § 0.03-0.10; in der deutschen Literatur: Hanisch, Rechtszuständigkeit der Konkursmasse 164-167; Kra­ mer 5ff., 8ff. Über seine Ablösung durch die Reform von 1978 oben S. 33 N. 1 und unten S. 86 ff.

gement mit ihren Geschäftsgläubigern suchten; es beließ die gesicherten Gläubiger und die Anteilseigner außerhalb des Vergleichs und schien zu verlangen, daß vorrangige Forderungen und die im Vergleich übernom­ menen Verpflichtungen sogleich bar beglichen wurden71. Schließlich stand das Verfahren - wie auch das eigentliche Konkursverfahren - von vornher­ ein nicht zur Verfügung für Eisenbahngesellschaften (sowie Banken und V ersicherungen)72. Eine „composition“ nach § 12 des Bankruptcy Act war somit ungeeignet für große Kapitalgesellschaften wie die Eisenbahnen, die einen Neubau der gesamten Kapitalstruktur durch Ausgabe neuer Wertpapiere benötigten73. Die Praxis der Reorganisationen durch Receiverships wurde deshalb wie selbstverständlich neben dem Konkursgesetz weiterbetrieben, selbst als dieses Verfahren allmählich auch für andere als Eisenbahn-Unternehmen verwendet wurde74. Es gab offenbar kein Gericht, das hierin jemals ein Problem gesehen hätte. 1. Mindestpreis

Ein Equity-Gericht durfte den Zwangsverkauf allerdings nicht durch­ führen, wenn dieser gegenüber einem Beteiligten nicht „fair“ gewesen wäre. Aus diesem Grundsatz entwickelten die Gerichte schon bald die Übung, für die Versteigerung einen Mindestpreis (upset price) festzuset­ zen, unter dem sie den Zuschlag nicht erteilten75. Der Mindestpreis war gedacht als Schutz für die Minderheit, die dem Reorganisationsplan nicht zustimmen mochte und deshalb lieber Abfin­ dung in Geld verlangte. Er konnte diese Schutzfunktion aber nur unzu­ länglich erfüllen. Denn an sich setzte seine Bestimmung eine Bewertung des Unternehmens voraus - angesichts der gewaltigen Vermögensmassen von Eisenbahngesellschaften ein mit großen praktischen Schwierigkeiten verbundenes Verfahren. Die Gerichte urteilten daher im allgemeinen Heber nach ihrem eigenen „aufgeklärten“ Ermessen, wobei sie vor allem eine Grundgegebenheit zu beachten hatten: daß es für Unternehmen dieser Größenordnung in der Regel nur einen Bieter geben konnte, nämlich das 71 Siehe die Nachweise bei Collier VI § 0.03 S. 27 Nr. 33, 34; Finletter 26 N. 37. 72 § 4 des Gesetzes (11 U.S.C.A. § 22). Zu den Banken und Versicherungen siehe auch unten S. 66 f. Bis 1910 war der Konkurs einschließlich des Vergleichsverfahrens überhaupt nur für natürliche Personen gegeben. 73 Dazu besonders SEC-Report VIII 72 ff. 74 Darüber unten S. 64 ff. 75 Über die Anfänge der Entwicklung Weiner, Col. L. Rev. 27 (1927) 134ff.

Reorganisationskomitee der bisherigen Gläubiger und Aktionäre sowie der neuen Geldgeber. Der Mindestpreis mußte deshalb einerseits so hoch sein, daß er spätere Anfechtungen wegen unbilliger Verschleuderung ausschloß; er durfte andererseits nicht so großzügig bemessen werden, daß er die Masse der Anleger vom Reorganisationskomitee fort auf den Weg der Barauszahlung lockte. Denn dadurch wäre die finanzielle Position der Reorganisationskomitees erschwert und die Reorganisation unter Umstän­ den unmöglich gemacht worden. Letztlich mußte der Mindestpreis daher immer so festgesetzt werden, daß das Reorganisationskomitee den in bar zu entrichtenden Teil wirklich aufbringen konnte. Dies setzte Beratungen des Gerichts mit den beteiligten Kapitalgeberinteressen voraus. Ein gewisser Anhaltspunkt neben anderen war der Marktwert aller Schuldverschreibungen und Aktien der Bahngesellschaft zur Zeit der Reor­ ganisation, weil daraus, mit gewissen Vorbehalten, entnommen werden konnte, was der „Markt“ für das Unternehmen insgesamt zu bezahlen bereit war. Nach einer Schätzung aus jener Zeit lagen die gerichtlich festgesetzten Mindestpreise zwischen 10 und 80% des Gesamtmarktwerts aller Schuldverschreibungen und Aktien76, nach einer anderen im Durch­ schnitt bei zwei Dritteln dieses Wertes77. Bei dieser Praxis war die Abfin­ dung in bar keine gleichwertige Alternative für die Anleger. Der Mindest­ preis diente eher dazu, die noch Unentschlossenen in das Lager der Mehrheit zu treiben, die sich dem Reorganisationsplan anschließen wollte, und er verfehlte somit das Ziel, der nicht zustimmenden Minderheit einen adäquaten Ausweg zu eröffnen78.

2. Planprüfung Mit diesen minimalen Interventionen des Rechts lebte die Reorganisa­ tionspraxis jahrzehntelang - bis 1913. In diesem Jahr verkündete der Oberste Gerichtshof in Washington im Fall Northern Pacific Railway Co. v. Boyd eine Entscheidung, die bis heute auf das reorganisationsrechtliche Denken der Amerikaner nachwirkt und als einer der Marksteine der amerikanischen Rechtsgeschichte bezeichnet werden kann79. Der kompli­ zierte Fall soll hier - erheblich vereinfacht - geschildert werden, weil er die 76 Weiner aaO. 143 N. 55. 77 Swaine, Col. L. Rev. 27 (1927) 924. 78 Über Praxis und Probleme des Mindestpreises besonders ausführlich Weiner (N. 75) 132ff. und SEC-Report VIII 19f, 38-45. 79 Northern Pacific Ry. Co. v. Boyd, 228 U.S. 482 (1913). Max Radin zählte 1936 die Entscheidung zu den 14 wichtigsten Fällen der amerikanischen Rechtsgeschichte; Handbook of Anglo-American Legal History (1936) S. XII.

allgemeinen rechtlichen und wirtschaftlichen Probleme der damaligen Praxis anschaulich werden läßt80. Boyd hatte aus dem Bau einer Nebenstrecke in Idaho eine Werklohnfor­ derung von etwa 70000 $ gegen die Northern Pacific Railroad Co. - eine der fünf großen transkontinentalen Eisenbahngesellschaften. In der schwe­ ren Wirtschaftskrise der mittneunziger Jahre geriet die Northern Pacific in finanzielle Schwierigkeiten und es wurde 1893 ein Receiver für sie einge­ setzt. Die Bahn hatte damals ein Aktienkapital von etwa 155 Millionen Dollar, eine verbriefte und gesicherte Schuld von 157 Millionen Dollar und ungesicherte Geschäfts Verbindlichkeiten von etwa 15 Millionen Dollar. Nach langen Bemühungen kam ein Reorganisationsplan zustande und wurde 1896 in der üblichen Weise ausgeführt durch öffentliche Zwangs­ versteigerung des gesamten Bahn vermögens - und zwar für 61,5 Millionen Dollar an die zu diesem Zweck neu gegründete „Northern Pacific Railway Co.“. Der Reorganisationsplan bestimmte: Die Anleihegläubiger der „alten“ Northern Pacific erhalten Schuldverschreibungen der „neuen“ zum glei­ chen Betrag, aber mit niedrigerem Zinssatz; die Aktionäre und Vorzugsak­ tionäre der alten Gesellschaft können zum gleichen Nennwert Aktien und Vorzugsaktien der neuen erhalten gegen Zahlung einer Umlage von 15 bzw. 10 Dollar aufje hundert Dollar der alten Aktien. Die Gesamtkapitali­ sierung der neuen Gesellschaft bestand schließlich aus 190 Millionen Dollar Anleiheschuld und 155 Millionen Dollar Aktienkapital, zusammen also 345 Millionen Dollar81. Die kurzfristigen Geschäfts Verbindlichkeiten von 15 Millionen Dollar waren größtenteils voll abgelöst worden. Die Werklohnforderung von Boyd wurde jedoch nicht berücksichtigt, weil sie, aus Gründen, die nicht klar sind, nicht angemeldet worden war. Einige Jahre nach Abschluß der Reorganisation verlangte Boyd von der neuen Northern Pacific Beglei­ chung der Schuld. Begründung: Die neue Gesellschaft ist zwar nicht direkt Rechtsnachfolgerin der alten, aber sie haftet für deren Schulden, weil sie praktisch aus denselben Aktionären besteht und das gesamte Vermögen der alten Gesellschaft übernommen hat. Die Northern Pacific verteidigte sich dagegen mit der lastenbefreienden Wirkung des gerichtlichen Zwangsver­ kaufs. Boyd bekam Recht in allen drei Instanzen - beim Obersten Gerichtshof 80 Der Ausgangssachverhalt wird besonders ausführlich dargelegt in den Entscheidungen der Vorinstanzen; 170 Fed. 729 (1909); 177 Fed. 804 (1910). 81 Genauere Einzelheiten in der Fallstudie bei Daggett (oben N. 69) 301 ff.

mit einer 5: 4-Mehrheit der Richter. Kern der einfach und klar geschriebe­ nen Begründung: Aus dem Vermögen einer Aktiengesellschaft müssen zunächst die Gläubiger befriedigt werden, bevor die Aktionäre etwas beanspruchen können. Jeder Versuch der Aktionäre, hieran etwas zu ändern, ist gegenüber den nichtzustimmenden Gläubigern unwirksam. Eine Aktiengesellschaft kann deshalb ihr Vermögen wirksam auf eine andere übertragen, die von denselben Aktionären gebildet wird, aber: „Such a transfer by stockholders from themselves to themselves cannot defeat the claim of a non-assenting creditor. As against him the sale is void in equity.“82 Wenn deshalb die Anleihegläubiger, um eine Reorganisation zu ermöglichen, auch den Aktionären einen Platz in der reorganisierten Gesellschaft einräumen, so ist dagegen an sich nichts zu sagen, weil oft nur so zusätzliches Kapital und andere Hilfestellung von den alten Aktionären für die Reorganisation zu erlangen sind. Jedoch dürfen andere Gläubiger dadurch nicht benachteiligt werden. Sie müssen voll befriedigt werden oder im Austausch für ihre Forderungen ein „faires Angebot“ von Aktien oder Schuldtiteln der reorganisierten Gesellschaft erhalten83. 84 Wenn nicht, steht ihnen das Gesellschaftsvermögen auch in den Händen der neuen Gesellschaft zur Befriedigung offen, und es spielt keine Rolle, daß die Vermögensübertragung im Wege einer gerichtlichen Zwangsversteige­ rung vor sich gegangen war, denn: „As against creditors, it was a mere form. Though the Northern Pacific Railroad was divested of the legal title, the old stockholders were still owners of the same railroad, encumbered by the same debts. The circumlocution did not better their title against Boyd as a non-assenting creditor. They had changed the name but not the relation. The property in the hands of the former owners, under a new charter, was as much subject to any existing liability as that of a defendant who buys his own property at a tax sale. "84

Bei den Praktikern des Reorganisationsrechts verursachte die Entscheidung Bestürzung und Unruhe85. Sie drohte, das ReceivershipVerfahren überhaupt unbrauchbar zu machen, weil sie den gerichtlichen Zwangsverkauf und seine lastentilgende Wirkung nicht mehr ernst nahm und dadurch die rechtstechnische Basis für die Errichtung der neuen Kapitalstruktur in Frage stellte. Außerdem trug sie den Gerichten praktisch auf, zum Inhalt der Reorganisationspläne, der bislang der Verhandlungs­ kunst und Verhandlungsmacht der beteiligten Kapitalinteressenten über­ 82 228 U.S. 502. 83 aaO. 508. 84 aaO. 506f. 85 Berichte darüber bei Cutcheon (oben N. 66) 35 f.; Swaine ebda. 134 = Col. L. Rev. 27 (1927) 902; Fuller 383; Collier VI § 0.04 S. 49.

lassen war, ein Wort mitzureden. Die Boyd-Entscheidung war aufgezogen als ein Fall der Gläubigerbenachteiligung durch Vermögensverschiebung. Wenn man sich jedoch an den gerichtlich festgesetzten (und im Rechtsstreit nicht angegriffenen) Versteigerungspreis von 61,5 Millionen Dollar hielt, konnte eine Benachteiligung des Klägers, eines ungesicherten Gläubigers, gar nicht vorliegen, weil dieser Preis nicht einmal die gesicherten Anleiheforderungen (155 Mill. $) gedeckt hätte. Es war also klar, daß die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs eine allgemeinere Gerichtskon­ trolle der Reorganisationspraxis verlangte, die über die traditionellen Regeln der Gläubigeranfechtung hinausging. Die Praxis reagierte zunächst mit einem Verfahrensbehelf. Dem Gericht wurde nun mit dem Antrag auf Zwangsversteigerung regelmäßig auch der Reorganisationsplan unterbreitet, und zwar mit der Klausel, daß der Plan nur dann wirksam sein sollte, wenn das Gericht ihn nach Anhörung der Beteiligten für gerecht befinden würde. Dadurch wollte man die Gerichte zu einer frühzeitigen rechtskräftigen Erledigung dieses Zweifelspunktes ver­ anlassen, und die Gerichte übernahmen diese Aufgabe bereitwillig. Es war zwar nicht sicher, ob - trotz öffentlicher Bekanntmachungen und Ladungen - auch andere als die tatsächlichen Verfahrensteilnehmer in diesem Punkt gebunden werden konnten. Aber eine Anfechtung der Reorganisationsgrundlage nach vielen Jahren wie im Fall Boyd hat es offenbar seitdem nicht mehr gegeben, dagegen zahlreiche Rechtsstreite während des Reorganisationsverfahrens über die Bedingungen der vor­ gelegten Reorganisationspläne86. Es blieb die Aufgabe, die Boyd-Entscheidung für die inhaltliche Ausge­ staltung der Reorganisationspläne zu verarbeiten und praktikabel zu machen. Denn sicher war nach der Entscheidung nur, daß die Gläubiger überhaupt ein faires Angebot erhalten mußten, wenn gleichzeitig die Aktionäre an dem reorganisierten Unternehmen beteiligt sein sollten, nicht jedoch, wie ein solches Angebot im konkreten Fall auszusehen hatte, wenn es den geforderten Vorrang der Gläubiger vor den Aktionären wahren sollte. Auch stellte sich die Frage, ob und wie stark die Boyd-Entscheidung jeweils innerhalb der Aktionärsgesamtheit und der Gläubigergesamtheit Beachtung verlangte, das heißt: wenn die Stammaktionäre beteiligt werden sollten, wie mußte dann eine faire Behandlung der Vorzugsaktionäre aussehen; wenn die ungesicherten Geschäftsgläubiger, wie dann die Beteili­ gung der ungesicherten Anleihegläubiger, der mit beweglichem Vermögen 86 Cutcheon (N. 66) 47fE; Swaine (N. 85) 142ff. = 907ff.; Rohrlich, Corporate Control 200 ff; SEC-Report VIII 49 ff

gesicherten, der hypothekarisch gesicherten und so fort? Fragen dieser Art waren von nun an das Thema der reorganisationsrechtlichen Praxis sowie einer umfangreichen und anspruchsvollen Literatur87.

IV. Anwendungsbereich 1. Industrie und Handel Die Eisenbahnen waren bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts die einzigen wirklichen Großunternehmen, und für ihre Bedürfnisse war das Receivership-Verfahren entwickelt worden. Als dann in den neunziger Jahren allmählich die großen Industrie- und Handelsunternehmen als Kapi­ talgesellschaften in Erscheinung traten, lag es nahe, auch ihre Insolvenz­ probleme im Rahmen dieses Verfahrens zu behandeln - zumal diese Unternehmen weitgehend von denselben Anwaltsfirmen beraten wurden, die in der Reorganisationspraxis der Eisenbahngesellschaften den Ton angaben. Reorganisation durch Receivership wurde deshalb bald mit Selbstverständlichkeit auch bei Industrie- und Handelsunternehmen prakti­ ziert88 und stand schließlich mit Ausnahme der Banken und Versicherungen praktisch jedem nicht gänzlich unbedeutenden Wirtschaftsunternehmen, ob Industrie, Handel oder Dienstleistungsbereich, zur Verfügung89. Gegenüber den Eisenbahnen wiesen Reorganisationen in diesem Bereich allerdings einige Besonderheiten auf. Industrie und Handel stehen viel mehr im Wettbewerb als Eisenbahngesellschaften und können nicht wie jene mit einem verhältnismäßig konstanten Bedarf für ihre Güter und 87 Siehe z. B. Swaine (N. 85) 148ff. = 911 ff.; Bonbright/Bergerman, Col. L. Rev. 28 (1928) 127ff.; Gerdes, N.Y.U.L. Q. Rev. 12 (1934) Iff; (Note) Col. L. Rev. 35 (1935) 391 ff, 549ff; Rostow/Cutler, Yale L. J. 48 (1939) 1346ff.; Finletter 400ff.; SEC-Report VIII 52ff., 142ff.; alle mit umfangreichen Angaben über die Praxis. 88 Siehe z. B. Hollins v. Brierfield Coal & Iron Co., 150 U.S. 371 (1893); American Can Co. v. Erie Preserving Co., 171 Fed. 540 (W.D.N. Y. 1909); In re Edward Ellsworth Co., 173 Fed. 699 (W.D.N.Y. 1909); Burton v. R. G. Peters Salt & Lumber Co., 190 Fed. 262 (W. D. Mich. 1911); Hutchinson v. Philadelphia & Gulf Steamship Co., 216 Fed. 795 (E. D. Pa. 1914); Scattergood v. American Pipe & Contraction Co., 247 Fed. 712 (E. D. Pa. 1917). 89 Beispiele: Lebensmittel-Einzelhandel (Burton-Fall, N. 88); Femlehrinstitut (Kingsport Press v. Brief English Systems, 54 F. 2d 497 [Cir. 2, 1931]); Fischfabrik (Abm. S. See & Depew, Inc., v. Fisheries Products Co., 9 F. 2d 235 [Cir. 2, 1925]); Bekleidungsgeschäft (Price v. U.S., 269 U.S. 492 [1926]); Brotfabrik (Finney v. Continental Baking & Milling Co., 17 F. 2d 107 [D. Ind. 1927]); Kohlenhandel (Luhrig Collieries Co. v. Interstate Coal & Dock Co., 281 Fed. 265 [S.D.N.Y. 1922]); Fensterglasfabrik (Union Trust Co. of Pittsburgh v. Jones, 16 F. 2d 236 [Cir. 4, 1926]); Reederei (Nolte v. Hudson Navigating Co., 8 F. 2d 859 [Cir. 2, 1925]); Druckmaschinen-Hersteller (Christian v. R. Hoe & Co., 63 F. 2d 221 [Cir. 2, 1933]).

Leistungen rechnen. Auch spielt der Grundbesitz nicht die überragende Rolle wie notwendigerweise bei den Eisenbahnen. Bei Industrie- und Handelsunternehmen ist deshalb eine Finanzierung durch langfristiges Anleihekapital mit festen Zins- und Tilgungspflichten weniger verbreitet. Die Bedrohung kommt vielmehr von den Inhabern kurzfristiger Forderun­ gen aus Lieferungen, Bankkredit und Wechseln, die deshalb hier eine viel stärkere Stellung haben als bei den Eisenbahnen. Wegen der geringeren Konstanz der Einnahmen sind Industrie und Handel auch stärker auf liquide Mittel angewiesen, um den Marktschwankungen begegnen zu können. Ein Industrie- und Handelsunternehmen kann außerdem leichter liqui­ diert werden, ist andererseits in seinem Ansehen bei den Kunden durch eine Receivership leichter zu gefährden als eine Eisenbahngesellschaft. Daher war die Reorganisation als Alternative zur Liquidation hier weniger zwingend, und Gläubiger und Aktionäre konnten infolgedessen schwerer zu Opfern veranlaßt werden. Deshalb und wegen der geringeren Bedeu­ tung des langfristigen Anleihekapitals waren Reorganisationen von Indu­ strie- und Handelsunternehmen häufig abhängiger von der Beschaffung neuen Kapitals als von der Reduktion fester Verbindlichkeiten. Schließlich ist wegen der Vielfalt der Wirtschaftszweige und Marktbe­ dingungen der persönliche Sachverstand in der Führung von Industrie- und Handelsunternehmen ein stärkeres Element als bei Eisenbahngesellschaf­ ten. Die geringere Austauschbarkeit der Unternehmensleitung bedeutete mittelbar auch, daß die Aktionäre, von denen die Unternehmensleitung ja bestellt wurde, im Reorganisationsprozeß eine stärkere Verhandlungsposi­ tion hatten. Auf das rechtliche Verfahren hatten diese Dinge indessen nur geringen Einfluß. Man hätte erwarten können, daß die Gerichte angesichts der ungewisseren Ertragsaussichten und der andersartigen Zusammensetzung des Anlagevermögens hier die Erfolgsaussichten für eine Reorganisation, das heißt: die eigentliche sachliche Berechtigung für die Einsetzung eines Receivers, mit größerer Strenge prüfen würden als bei den Eisenbahnen. Das scheint aber nicht der Fall gewesen zu sein. Nach einigen frühen Entscheidungen, in denen die Gerichte sich noch ausdrücklich auf die Präzedenz-Fälle der Eisenbahn-Receivership beriefen und Gründe anführ­ ten, warum auch im vorgelegten Fall eine Receivership angebracht sei90, 90 American Can Co. v. Erie Preserving Co., 171 Fed. 540 (W.D.N.Y. 1909); Guaranty Trust Co. of New York v. International Steam Pump Co., 231 Fed. 594 (Cir. 2, 1916); Graselli Chemical Co. v. Aetna Explosives Co., 252 Fed. 456 (Cir. 2, 1918).

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waren später Receivership-Verfahren hier ebenso problemlos und geschwind wie dort „zu haben“91. Nur in einem machten die Gerichte einen Unterschied: sie erlaubten bei rein privatwirtschaftlichen Industrie- und Handelsunternehmen dem Receiver nicht, Schuldscheine (receiver‘s certificates) auszugeben, die einen Vorrang vor den bestehenden Gläubigerrechten begründeten, da anders als bei den Eisenbahnen hier kein zwingendes öffentliches Interesse das unein­ geschränkte Funktionieren des Unternehmens verlange92. 2. Banken und Versicherungen

Nach den Eisenbahnen gehörten, allein wegen der notwendigen Kapital­ ausstattung, die Banken und Versicherungen zu den ersten Großunterneh­ men in der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte. Sie standen jedoch schon früh unter einer bis ins einzelne gehenden Aufsicht des Staates. Bei den Banken war es nach Anfängen in der Gesetzgebung der Einzelstaaten vor allem der National Banking Act von 1864/1874, der eine detaillierte Aufsicht durch den „Comptroller of the Currency“ für die Banken ein­ führte, die ihre Konzession vom Bund erhielten (national banks). Nach diesem Vorbild haben dann auch die einzelnen Staaten für die von ihnen konzessionierten Banken (state banks) Bankaufsichtsbehörden geschaffen93. Die Versicherungsaufsicht ist bis heute beinahe ausschließlich durch die Einzelstaaten geregelt94. Die Bank- und Versicherungsaufsicht des Bundes und der Einzelstaaten hat vor allem auch das Recht, im Falle von Zahlungsschwierigkeiten die Bank oder die Versicherungsgesellschaft unter Zwangs Verwaltung zu stel­ len und notfalls ihre Liquidation herbeizuführen. Die Formen dieser Maß­ 91 So z. B. in den Fällen oben N. 88, 89. 92 Farmer’s Loan & Trust Co. v. Grape Creek Coal Co., 50 Fed. 481 (S. D. 111. 1892); Fidelity Insurance Trust & Safe Deposit Co. v. Roanoke Iron Co., 68 Fed. 623 (W. D. Va. 1895); Hanna v. State Trust Co., 70 Fed. 2 (Cir. 8, 1895); In re Cornell Co., 201 Fed. 381 (S.D.N.Y. 1912). 93 Über das amerikanische Bankwesen, insbesondere das System der National Banks und der State Banks siehe Zollmann, The Law of Banks and Banking (1936) §§ 101 ff., 201 ff.; deutsche Übersichten: Obst/Hintner, Geld-, Bank- und Börsenwesen (35. Aufl. 1963) 127 ff., 135, 146; ADLER/LÜBKES, „Vereinigte Staaten von Amerika“, in: Enzyklopädisches Lexikon für das Geld-, Bank- und Börsenwesen (3. Aufl. 1967/68) 1691-1694. Die Gesetze der Einzelstaaten werden aufgezählt in Bailey (Hrsg.), Encyclopedia of Banking Laws (Boston 1964). 94 Darüber Patterson, Essentials of Insurance Law (2. Aufl. 1957) 1-48; ders., The Insurance Commissioner in the United States (1927); Richards, The Law of Insurance (1952) §§ 39-61.

nahmen variieren. Manche Gesetze geben der Aufsichtsbehörde die Befug­ nis, das betroffene Unternehmen selbst in vorläufigen Besitz zu nehmen, nach anderen wird in diesen Fällen ein Zwangsverwalter durch das Gericht auf Antrag der Aufsichtsbehörde eingesetzt. Nach allen diesen Regelungen steht es jedenfalls bei der Aufsichtsbehörde, ob sie die Liquidation des Unternehmens betreibt oder es wieder zum eigenen Geschäftsbetrieb frei­ gibt, und in diesem Rahmen ist es ihr auch möglich, Reorganisationen zu initiieren oder doch zu beeinflussen95. Durch die besonderen Regelungen für Insolvenzen von Banken und Versicherungen wurde an sich die Möglichkeit, eine gerichtliche Zwangs­ verwaltung nach den allgemeinen Regeln der Bundesgerichte zu beantra­ gen, nicht ausgeschlossen. Faktisch gab es solche Verfahren aber nur selten, da die Bundesgerichte die Übernahme solcher Verfahren in der Regel ablehnten, wenn die zuständige Aufsichtsbehörde ihrerseits tätig geworden war; und auch wenn dies in casu noch nicht geschehen war, zögerten die Bundesgerichte doch mit dem Eingreifen. In den Aufsichtsgesetzen stand ja ein geordnetes Verfahren für Reorganisation oder Liquidation zur Verfü­ gung, und so war der eigentliche Anlaß für ein Equity-Verfahren, der drohende ungeordnete Zugriff der Gläubiger, in diesen Fällen nicht wirk­ lich gegeben96. Die Reorganisation von Banken und Versicherungen ist deshalb von vornherein auch verfahrens mäßig eigene Wege gegangen. Dem entspricht es, daß der Konkurs nach dem allgemeinen Konkursgesetz von 1898 wie auch die später in das Gesetz hereingenommenen Reorganisa­ tionsverfahren diesen Unternehmen nicht zugänglich gemacht wurden97.

V. Der wirtschaftliche und soziale Rahmen Der Platz des Receivership-Verfahrens in der Entwicklung des amerika­ nischen Sanierungsrechts muß erklärt werden auch aus den wirtschaftli­ chen und sozialen Bedingungen bei seiner Entstehung und Reifung vom Ende des Bürgerkrieges (1865) bis etwa zum 1. Weltkrieg. Das Verfahren 95 Über die Befugnisse der Banken- und Versicherungsaufsicht im Falle der Insolvenz und die gesetzlichen Grundlagen Zollmann (N. 93) §§ 6101 ff.; Braver, Liquidation of Financial Institutions (1936) 2, 1015-1038; Patterson, Insurance Commissioner (N. 94) 438f.; Richards (N. 94) § 52; Sovern, Section 4 of the Bankruptcy Act: The Excluded Corporations, Minn. L. Rev. 42 (1957) 209ff., 219ff. 96 Das Verhältnis der Aufsichtsregelungen zum Receivership-Verfahren der Bundesgerichte wird beschrieben in 11 A.L.R. 2d 463ff., 482—488; Continental Bank & Trust Co. v. Apodaca, 239 F. 2d 295, 297 f. (Cir. 10, 1956); siehe auch Loynd, Va. L. Rev. 31 (1944) 191 f; (Note) Yale L. J. 66 (1957) 1074 N. 11. 97 §§ 4, 106 (3), 306 (3) Bankruptcy Act (11 U.S.C.A. §§ 22, 506, 706).

war zunächst verknüpft mit der Geschichte der Eisenbahnen und wurde später ohne weiteres übertragen auf die Reorganisationsprobleme anderer Bereiche der Großwirtschaft. Die Eisenbahnen hatten in den Vereinigten Staaten damals eine viel größere wirtschaftliche, soziale und politische Bedeutung als im dichter besiedelten Europa. Sie ermöglichten überhaupt erst im größeren Stil die Besiedelung und wirtschaftliche Erschließung des leeren Kontinents westlich des Mississippi. Die Eisenbahngesellschaften zogen bis Ende des 19. Jahrhunderts den größten Teil des amerikanischen Anlage- und Sparkapitals auf sich (neben beträchtlichen Kapitalmitteln aus Europa), ihnen galt das Hauptinteresse der Geschäfts- und Finanzweit und sie beherrschten vielfach die politischen Institutionen im Bund und in den Einzelstaaten98. Das gesamte Streckennetz wuchs von 35000 Meilen (1865) auf 250000 (1914), das investierte Kapital von 8,9 Milliarden Dollar (1890) auf 20 Milliarden Dollar (1914)99; man schätzt, daß dies noch 1915 ungefähr 10% des amerikanischen Volksvermögens ausmachte100. Alles, was mit dem finanziellen Wohlergehen der Eisenbahnen zu tun hatte, war deshalb von größtem öffentlichen Interesse101. Finanzielle Schwierigkeiten, die nur mit einer Receivership bewältigt werden konnten, waren nichts Außergewöhnliches. Bis 1914 waren unge­ fähr die Hälfte der noch existierenden Eisenbahngesellschaften einmal, manche auch mehrmals, durch eine Zwangsverwaltung und Versteigerung gegangen; viele große Namen der amerikanischen Eisenbahngeschichte waren darunter zu finden102. Betroffen wurden dadurch von 1875 bis 1914 zusammen rd. 15 Milliarden Dollar an Aktien und Obligationen, sowie

98 Über die Bedeutung der Eisenbahnen orientieren alle Werke zur amerikanischen Wirt­ schafts- und Sozialgeschichte, z. B.: Faulkner, American Economic History (8. Aufl. 1960) 479 ff.; Krooss, American Economic Development: The Progress of a Business Civilization (3. Aufl. 1974) 354ff.; Bolino (oben N. 5) 134-178; Bryce, Amerika als Staat und Gesell­ schaft (Übersetzung von: The American Commonwealth) (Leipzig 1924) 406ff; speziell: Chandler (oben N. 5); Fogel, Railroads and American Economic Growth, in: Essays in Economic History (1964) 1-9. 99 U.S. Bureau of the Census: Historical Statistics of the United States, Colonial Times to 1957 (Washington D.C. 1957) 427, 429, 431, 432. 100 Faulkner (N. 98) 479. 101 Ein Beobachter schrieb: „The power of the railway System was the one active interest, to which all others were subservient, and which absorbed the energies of some sixty million people to the exclusion of every other force“; Adams, The Education of Henry Adams (Aufl. 1931) 330. 102 Union Pacific, Northern Pacific, Great Northern, Baltimore & Ohio, Santa Fe. Einige Fälle sind ausführlich beschrieben und analysiert bei Daggett (oben N. 69).

eine Streckenlänge, die dem Gesamtnetz von 1914 entsprach103. Es gab in dieser Zeit und selbst in der Wohlstandsdekade nach 1920 kein Jahr, in dem nicht mehrere Bahngesellschaften mit einigen tausend Meilen Streckennetz unter solcher Zwangsverwaltung standen104. Reorganisationen von Eisenbahnen durch gerichtliche Zwangsverwal­ tung waren im amerikanischen Leben jener Zeit daher ein alltägliches Schauspiel105. Sie trafen nicht nur die Benutzer und Angestellten der so verwalteten Bahnen, sondern auch unzählige Geschäftsleute und Private im ganzen Land, die in Eisenbahnpapieren investiert und spekuliert hatten. Die wichtigsten Akteure des Spiels waren zum einen die Leiter und Beherrscher der Eisenbahngesellschaften, unter ihnen die bekannten Namen Vanderbilt, Gould, Harriman und Hill, die oft im Zuge von Reorganisationen ihre Imperien zu erweitern oder zu konsolidieren such­ ten; zum anderen die bedeutenden Emissionsbanken (investment banks) der Ostküste - unter ihnen die bekanntesten Kuhn, Loeb & Co. und Morgan & Co. Die Emissionshäuser haben die größte Rolle: Sie haben für die Emissio­ nen das Konsortium organisiert und sind auch sonst die finanziellen Berater der Bahngesellschaft; sie fühlen sich verantwortlich für den Schutz der von ihnen verkauften Papiere, wollen nicht ihren Ruf beim Anlegerpublikum verlieren, wollen die Beziehung zur Bahngesellschaft aufrecht erhalten und bei den Emissionen aus Anlaß der Reorganisation mitwirken. Sie haben oft auch großen Einfluß auf die anderen Banken, zum Beispiel die Treuhän­ der-Banken für die Obligationäre, sie können zusammen mit der Unter­ nehmensleitung den Zeitpunkt der Reorganisation bestimmen, haben die Listen der Aktionäre und Obligationäre, sie wissen, was man dem Kapital­ markt zumuten kann, sie organisieren die Schutzkomitees der Anleger, sind führend bei der Ausarbeitung des Reorganisationsplans und werben um Zustimmung für ihn. Nachdem die Gründungsphase der amerikani­ schen Eisenbahngesellschaften abgeschlossen ist, wird die Reorganisation 103 Ripley 374 f. Allein zwischen 1884 und 1899 gerieten unter gerichtliche Zwangs Verwal­ tung 521 Bahngesellschaften mit einer Gesamtstreckenlänge von 78000 Meilen und einer Kapitalisierung von 5 Milliarden $; Dewing (1926) 903 N. 2. 104 Höhepunkte wurden erreicht in den heftigen Wirtschaftsdepressionen jener Zeit; 1876: 13000 Meilen von insgesamt 76000; 1885: 15000 Meilen von insgesamt 128000; 1894: 40000 von insgesamt 160000; 1916: 37000 von insgesamt 259000; siehe Historical Statistics (N. 99); Bolino (N. 5) 171; Ripley 344-377. 105 In Europa erregte es Verwunderung. Auf das „eigenartige System von Zusammenbrü­ chen und Bereinigungen“, in dem das europäische Kapital „immer wieder abgeworfen wurde“, wird z. B. hingewiesen bei Voigt, Verkehr, II 1: Die Entwicklung der Verkehrssy­ steme (1965) 538, 548.

dieser Gesellschaften zu einer der wichtigsten Beschäftigungen der ameri­ kanischen Hochfinanz106. Ort des Schauspiels ist die Finanzwelt von Wall Street. Hier erwirbt der große John P. Morgan als Reorganisator einen legendären Ruf durch die Kraft seiner Persönlichkeit, seine Fähigkeit, auch in schwieriger Situation neues Kapital zusammenzubringen, und durch seine auf strenge finanzielle Solidität gerichteten, aber auch psychologisch wohl bedachten Reorganisa­ tionspläne. Ein typischer Morgan-Plan drückt die Anleiheschuld wesent­ lich unter den konservativ geschätzten Ertrag der Bahn, erlaubt dagegen als Trostpflaster für die bisherigen Anleihegläubiger die großzügige Ausgabe von Aktien (die in dieser Menge bei nüchterner Betrachtung nur schwache Dividendenaussichten haben). Vor allem sichert Morgan sich aber weiteren Einfluß auf die reorganisierte Gesellschaft durch die Entsendung seiner Leute in den neu gebildeten Verwaltungsrat. Der beträchtliche rein finan­ zielle Gewinn ergibt sich aus den Provisionen für den Absatz der neuen Papiere und aus den gut bemessenen Honoraren für die organisatorische Tätigkeit107. Für die rechtliche Betrachtung sind ein wichtiger Teilnehmer die Anwälte. Sie präparieren und betreiben die Eröffnung des Verfahrens, arbeiten die Hinterlegungsverträge zwischen den Komitees und den Anle­ gern aus, prüfen den rechtlichen Status des Unternehmens, müssen die rechtlichen Möglichkeiten für die Veränderung des Kapitalgefüges beurtei­ len und dem Reorganisationsplan die Form einer detaillierten Vereinba­ rung geben, sie arbeiten die rechtliche Gestalt der neuauszugebenden Aktien und Obligationen aus und müssen schließlich das Zwangsversteige­ rungs-Verfahren mit seinen zahlreichen Förmlichkeiten betreiben. Es ent­ wickelte sich eine spezielle „reorganization bar“ - wenige große, sehr einflußreiche Anwaltsfirmen in Wall Street mit bekannten Namen. Ihr Ansehen und ihre Erfahrung auf diesem Grenzgebiet von Finanz und Recht ließ die Anwälte über das rein Juristische hinaus zu natürlichen Beratern, 106 Über die Emissionshäuser und ihre Rolle bei der Eisenbahnfinanzierung jener Zeit z. B. CAROSSO, Investment Banking in America - A History (Cambridge, Mass. 1970), bes. 29-50; in deutscher Sprache: Hellwig, Das Bankwesen der Vereinigten Staaten von Amerika Struktur und Entwicklungstendenzen (Jena 1928) 142-160. Speziell über ihre Stellung bei Reorganisationen Levi/Moore, U. Chi. L. Rev. 5 (1938) 410 fF.; SEC-Report I 136 ff., 243 ff., II 164 ff. 107 Über Morgan und seine Bedeutung für die Reorganisation von Eisenbahn-Gesellschaf­ ten KEMMERER/JONES, American Economic History (1959) 337-339; Chandler (oben N. 98) 44—47; Krooss (N. 98) 193f; Cochran, The American Business System (1957) 82ff.; Carosso, Hellwig (N. 106); Gras/Larson, Casebook in American Business History (1939) 552 ff.

oft auch Mitgründern der Reorganisationskomitees werden. Die Leistung der Anwaltschaft bestand darin, aus den Einzelstücken des Common Law mit Sinn für die wirtschaftlichen Notwendigkeiten und die finanziellen Möglichkeiten ein anerkanntes Verfahren geschmiedet zu haben und in Gang zu halten. Dafür wurde sie gut entlohnt108. Um die wirtschaftliche und soziale Bedeutung des Receivership-Verfah­ rens ganz zu verstehen, muß man sich die soziale Atmosphäre seiner Entstehungs- und Entwicklungszeit vergegenwärtigen109. Es ist das von der amerikanischen Geschichtsschreibung sogenannte „Gilded Age", in dem die Vereinigten Staaten gegenüber dem alten Europa endgültig ihre wirt­ schaftliche und kulturelle Identität gewinnen: rücksichtsloser Frühkapita­ lismus, stürmisches Wirtschaftswachstum, Entstehung riesiger Wirt­ schaftsimperien und Vermögen in den Händen der Eisenbahn-, Industrieund Finanzmagnaten, die Zeit der Vanderbilt, Rockefeller, Carnegie, Morgan, gigantische industrielle Unternehmungen und kühne Finanzope­ rationen, aber auch eigensüchtige Mißwirtschaft, riesenhafte Spekulatio­ nen und gewissenlose Börsenraubzüge, dies alles getragen von einem lebhaften Interesse der Menschen für „business and finance", das sich auch in frühzeitiger Verbreitung von Wertpapierbesitz ausdrückte110. 111 In solcher Atmosphäre konnte Reorganisation nicht nur ein objektives Verfahren zur möglichst sachgerechten Regelung einer bedrohlichen Finanzsituation sein, sondern es war vor allem auch offenes Ringen um die Herrschaft über die reorganisierten Unternehmen und um die Gewinne, die das Reorganisationsverfahren als solches abwarf11. Dramatische 108 Über Funktion und Honorierung der Anwälte sehr anschaulich del Marmol 125f, 215 f.; SEC-Report I 211 ff. Einen wertvollen Einblick in die Welt dieser Anwaltsfirmen und ihre Tätigkeit bei Reorganisationen gibt das Buch von Swaine, The Cravath Firm and Its Predecessors (1819—1947), I (1946), II und III (1948) - eine Geschichte der stilprägenden dieser Anwaltsfirmen, geschrieben von einem ihrer Partner, der in den zwanziger und dreißiger Jahren als Führer der anwaltlichen Reorganisationszunft angesehen wurde; siehe z. B. Frank, Va. L. Rev. 19 (1933) 568; Weiner, Col. L. Rev. 38 (1938) 280. 109 Über diese Zeit z. B. die oben N. 98 zitierten Werke und: Kemmerer/Jones (N. 107) 271 ff.; Friedman, A History of American Law (1973) 295ff.; Schwartz, The Law in America - A History (1974) 88 ff, 114f. 110 Der hohe Rang von „business“ im amerikanischen Wertesystem ist oft vermerkt worden: z.B. Bryce (N. 98) 415ff; Krooss (N. 98) 64ff, 167ff; Cochran, American Business in the Twentieth Century (1972) 3-12. 111 Wie sehr dieser Prozeß als Zuteilung von Herrschaft und Einfluß begriffen wurde, zeigt z. B. ein Buch zum Gesellschaftsrecht, in dem Receivership und Reorganisation ganz selbst­ verständlich neben anderen Herrschaftsprobiemen des Aktienrechts - Staatskontrolle, Aktien­ stimmrecht, Minderheitenschutz u. a. - behandelt wurden: Rohrlich, Law and Practice in Corporate Control (New York 1933) 169 ff.

Kämpfe haben sich in manchen Fällen abgespielt zwischen den beteiligten Kapitalgruppen. Sie sind vergleichbar manchen bekannten „proxy"Schlachten vor den Hauptversammlungen großer Aktiengesellschaften112 und den öffentlich durchgefochtenen Übernahmeangeboten (tender offers)113, und sie gehören wie diese zur Folklore des amerikanischen Kapitalismus114.

VI. Schwächen und Mißstände Zur amerikanischen Folklore gehören auch die Schwächen und Miß­ stände des Receivership-Verfahrens. Sie lassen sich zusammenfassen in der Feststellung, daß einerseits zu viel Recht, andererseits zu wenig Recht vorhanden war. Zu viel: (1) Die Notwendigkeit von Hilfs-Zwangsverwaltungen (ancillary receiverships) aufgrund der eng definierten örtlichen Zuständigkeit der Gerichte115; (2) die Notwendigkeit einer Zwangsversteigerung des Unter­ nehmens nach allen Regeln des Vollstreckungsrechts, obwohl nicht wirk­ lich eine Veräußerung des Unternehmens, sondern nur die Umorganisa­ tion der Kapitalverhältnisse bezweckt wurde. Zu wenig Recht: (1) Es gab weder für die Eröffnung des Verfahrens noch für die abschließende Zwangsversteigerung eine richterliche Prüfung der Erfolgsaussichten der Reorganisation. (2) Es gab keine rechtliche Kontrolle der Vereinbarungen, mit denen die Schutzkomitees sich von den Anlegern beauftragen ließen, vor allem keine Kontrolle der Kosten und Honorare, die sie in Rechnung stellten. (3) Es gab keine Möglichkeit, nichtzustimmende Kapitalgeber an den Reorganisationsplan zu binden und so zu verhindern, daß sie Barabfindung verlangten. (4) Das Gericht konnte andererseits nur beschränkt kontrollieren, ob der Reorganisationsplan einen angemessenen Ausgleich aller Interessen vorsah. Solche Prüfung erschien den Gerichten zwar durch die Boyd-Entscheidung zur Pflicht gemacht116. Da die Reorganisationspläne ihnen aber in der Regel erst 112 Darüber z.B. Wiethölter, Interessen und Organisation der Aktiengesellschaft 259ff.; Verwaltung, Konzerngewalt, Rechte der Aktionäre 62. 113 Darüber z. B. Dietrich, Die Tender Offer im Bundesrecht der Vereinigten Staaten (1975). 114 Auf die (melo)dramatischen und „poetischen“ Qualitäten von Reorganisationsfällen ist in Amerika oft hingewiesen worden; z. B. Rostow/Cutler, Yale L. J. 48 (1939) 1334; Weiner, Col. L. Rev. 38 (1938) 280. In dem bekannten ironisch-analytischen Buch „The Folklore of Capitalism" (1937) von Thurman Arnold wird „The Ritual of Corporate Reorganization“ in einem eigenen Kapitel als Beispiel vorgeführt. 115 Siehe oben S. 43f. 116 Siehe oben S. 60ff. MESTMÄCKER,

zusammen mit dem Antrag auf Zwangsversteigerung, also ganz am Ende des Verfahrens unterbreitet wurden, hatten die Richter eine natürliche Hemmung, die nach jahrelangen Verhandlungen gefundenen Kompro­ misse umzustoßen, wenn eine Mehrheit der beteiligten Kapitalgeber ihnen zugestimmt hatte. Der Mangel an rechtlicher Kontrolle bedeutete, daß die Unternehmenslei­ tung, die sie stützenden Kapitalgeber und die mit ihnen zusammenarbei­ tenden Banken sich weiteren Einfluß und Gewinn auf Kosten der allgemei­ nen Anlegerschaft sichern konnten. Denn diese Gruppen beherrschten über die von ihnen gegründeten Schutzkomitees die Reorganisationen, obwohl ihre Interessen oft im Widerstreit standen mit den Interessen der Anleger, die sie vertreten sollten. Die einzelnen Wertpapieranleger waren ihnen ausgeliefert. Sie konnten sich nur schwer selbst organisieren und konnten sich nur selten ein verständiges Urteil über den Reorganisationsplan bilden, weil sie als Außenstehende die Gründe für seinen Inhalt nicht wirklich kannten117. Berüchtigt war das Receivership-Verfahren in der Öffentlichkeit vor allem wegen seiner hohen Kosten. Diese waren im wesentlichen bedingt durch die Funktion und die notwendigen Umständlichkeiten des Verfah­ rens sowie durch die Vielzahl von Diensten und Leistungen, die das Verfahren erforderte. Aber die Notwendigkeit mancher Dienste und die Angemessenheit ihrer Vergütung konnte im einzelnen Fall zweifelhaft sein. Honorare und Unkostenersatz verlangten: der Zwangsverwalter (er wurde oft besser bezahlt als vorher der Bahnvorstand118, was besonders anstößig erschien, wenn eben dieser Bahnvorstand zum Zwangsverwalter ernannt wurde); die Schutzkomitees119 (für ihre oft prominenten Mitglieder und die oft beträchtlichen Werbungs- und Bürokosten); die technischen und wirt­ schaftlichen Sachverständigen120; die Emissionsbanken für den Absatz der neuen Titel; die Treuhand- und Depotbank (für die Verwahrung der den Schutzkomitees anvertrauten Aktien und Obligationen und für den techni­ schen Umtausch der alten in die neuen Wertpapiere); schließlich die Anwälte für ihre vielfältigen Dienste121. Die Gebühren der Anwälte waren zusammengerechnet oft der größte Posten der Vergütungen, die in einem

117 Über die Interessen Verquickung in den Komitees besonders ausführlich der SEC-Report I 1-670, II 11-535. 118 Siehe Dewing (1926) 952. 119 Darüber ausführlich SEC-Report I 180ff., 195 ff., 642f., VIII 231 ff. 120 Siehe oben S. 49. 121 Siehe oben S. 49, 70 f.

Reorganisationsfall anfielen122. Die Gerichte regelten von allen diesen Posten nur die Vergütung des Zwangsverwalters, die übrigen überließen sie der privaten Vereinbarung der Beteiligten. Auf diese Weise ergab sich für die Reorganisatoren vielfältige Gelegenheit zu hohem Gebührengewinn auf Kosten des Unternehmens und seiner Kapitalgeber.

C. Reformen 1933-1938 I. Rechtspolitische Situation Die Schwächen und Mißstände des Reorganisationsverfahrens traten scharf hervor in der 1929 hereinbrechenden Wirtschaftskatastrophe. Die Geschäftswelt und ihre Berater fühlten sich in ihren Bemühungen, Unter­ nehmen am Konkurs vorbeizusteuern, immer stärker behindert durch die technischen Unzulänglichkeiten des Verfahrens. Vor allem die Notwen­ digkeit der Barabfindung für die Kapitalgeber, die sich an der Reorganisa­ tion nicht beteiligen wollten, wurde zur ernsten Bedrohung, denn in der Depression war einerseits flüssiges Kapital viel schwerer zusammenzubrin ­ gen, andererseits stieg die Zahl der Anleger, die aus Ärger und Mißtrauen gegen „Wall Street“ und das „Management“, aber auch aus eigener wirt­ schaftlicher Notwendigkeit für bare Auszahlung votierten. Die Geschäfts­ welt und die Reorganisationsfachleute wünschten sich deshalb ein Verfah­ ren, in dem durch Mehrheitsbeschlüsse der beteiligten Interessen alle Anleger an den Reorganisationsplan gebunden werden könnten. Von anderer Art war die Einschätzung des Verfahrens bei der Masse der Sparer und Anleger und in der allgemeinen Öffentlichkeit. In deren Augen kam es den Reorganisatoren vor allem darauf an, vergangene Unterneh­ mensfehler zu verdecken, die Herrschaft über das Unternehmen zu behal­ ten, wenigstens aber an der Reorganisation noch zu verdienen - durch Börsentransaktionen mit Hilfe vertraulichen Wissens und durch zahllose und hohe Gebühren für Receiver, Banken, Komitees und alle ihre Helfer und Berater. Aus dieser Sicht mußte daher vor allem der Einfluß der Eingeweihten und Fachleute zugunsten der allgemeinen Anlegerschaft zurückgedrängt werden123. Mißtrauen gegen die Receivership-Praxis ergriff auch den Supreme Court in Washington. Es ergingen Entscheidungen, in denen das oberste 122 Über die Honorierung der Anwälte anschaulich del Marmol 125 f, 215 f., und ausführ­ lich SEC-Report I 211-240. 123 Über die unterschiedlich motivierten Kritiken zu jener Zeit Dodd, Harv. L. Rev. 48 (1935) 1100 ff.; Sabel, Minn. L. Rev. 19 (1934) 35f.; Dean, Corn. L. Q. 26 (1941) 540f.

Gericht einzelne Receivership-Verfahren für nichtig erklärte124. Zwar han­ delte es sich um Fälle, in denen das Verfahren eklatant zur Schädigung bestimmter Gläubiger- und Anlegergruppen mißbraucht worden war. Aus den Entscheidungen und ihren weitergefaßten Begründungen schien jedoch hervorzugehen, daß der Gerichtshof den Receivership-Verfahren allmählich entgegentreten, ihnen aber wenigstens einen engeren Anwen­ dungsbereich geben wollte125. Die Kritiker der Reorganisationspraxis konnten sich durch diese Rauchzeichen aus Washington bestärkt und ermutigt fühlen; für die Fachleute in Wall Street ließen sie es angeraten erscheinen, das richterrechtlich Erreichte durch den Bundesgesetzgeber sichern zu lassen.

II. Die Gesetze von 1933/34 Die ersten Vorlagen für eine Reform wurden noch unter Präsident Hoover erarbeitet; sie blieben jedoch im Kongreß zunächst Hegen. Aber mit der Verschärfung der Wirtschaftskrise und nach der Wahl von Roose­ velt im November 1932 erfaßte die Forderung nach Hilfe für die Schuldner die politischen Instanzen. Es kam zu mehreren Gesetzesinitiativen und schließlich verabschiedete der Kongreß im Juni 1933 ein Gesetz, das dem Konkursgesetz ein achtes Kapitel anfügte mit dem Titel: „Provisions for the Relief of Debtors". Hierin waren enthalten: § 74 - eine erweiternde Neuregelung des Vegleichsverfahrens für natürliche Personen126; § 75 - ein besonderes Vergleichsverfahren für Landwirte („farmers“)127; und §77 ein Verfahren für die Reorganisation von Eisenbahngesellschaften128. Jede dieser Bestimmungen war nach Umfang und Gehalt ein Gesetz für sich129. 130 Im Juni 1934 folgte als § 77B ein Gesetz über die Reorganisation von Kapitalgesellschaften („Corporate Reorganizations")130, das für andere als Eisenbahngesellschaften das Receivership-Verfahren ablösen sollte131. 124 Harkin v. Brundage, 276 U.S. 36 (1928); Shapiro v. Wilgus, 287 U.S. 348 (1932); First Nat. City Bank v. Flershem, 290 U.S. 504 (1934). 125 Über das, was die Entscheidungen wirklich bedeuteten und ankündigten, herrschte viel Spekulation; siehe z. B. Friendly, Harv. L. Rev. 48 (1934) 42ff; Weiner, Col. L. Rev. 34 (1934) 1185 N. 63. 126 11 U.S.C.A. § 202; abgedruckt auch bei Collier X, Appendix 1826ff. 127 11 U.S.C.A. § 203; abgedruckt auch bei Collier X, Appendix 1833ff. 128 11 U.S.C.A. § 205; mit den zwischenzeitlichen Änderungen auch abgedruckt bei Collier V 431 ff. 129 Der Text von § 77 umfaßte z. B. - im Abdruck bei Collier - 25 Seiten, der von § 75:10 Seiten, der von § 74 immerhin 5 Seiten. 130 11 U.S.C.A. § 207; abgedruckt auch bei Collier VI 72ff. 131 Über die Entstehungsgeschichte und die Einzelheiten des Gesetzgebungsganges

Das äußerlich auffälligste Ergebnis dieser Gesetzgebung war die rechts­ förmliche Sonderung der Eisenbahn-Reorganisationen von denen der son­ stigen Kapitalgesellschaften. Man hatte erkannt, daß die Eisenbahnen ein besonderes Problem waren - wegen der Größe der Vermögens- und Schuldenmassen, der Komplexität ihrer Kapitalstrukturen und wegen des besonderen öffentlichen Interesses an ihrem Betrieb und Bestand. Von nun an trennen sich die juristischen Wege der Reorganisationspraxis, wenn­ gleich sie auf langen Strecken noch parallel verlaufen und heute jedenfalls gesetzestechnisch auch zum Teil wieder näher beieinander liegen. Der Unterschied liegt vor allem darin, daß Eisenbahn-Reorganisationen seit 1933 einer intensiven Aufsicht des Staates - in erster Linie durch die Interstate Commerce Commission - unterliegen132. Die weitere Entwick­ lung auf diesem Bereich brachte nach und nach einige Änderungen und Ergänzungen des Gesetzesrechts und schließlich - besonders nach dem Zusammenbruch der Pennsylvania Central Railroad (1970) - die wach­ sende Bereitschaft des Staates zur kontinuierlichen Stützung oder gar Übernahme unrentabler Bahngesellschaften. Für die Zwecke dieser Unter­ suchung kann das Insolvenzrecht der Eisenbahnen nun aus den Augen gelassen werden133. Der neue § 77B für den verbleibenden Bereich der „normalen“ Kapital­ gesellschaften war zweierlei: Kodifizierung der bisherigen Receivership­ Praxis und Verbesserung des Verfahrens in einigen wichtigen Punkten. Die wichtigste Neuerung bestand darin, daß alle Gläubiger und Aktionäre durch einen Reorganisationsplan gebunden waren, wenn dieser mit den erforderlichen Mehrheiten der Betroffenen beschlossen und vom Gericht bestätigt wurde134. Die nicht zustimmenden Beteiligten konnten also nicht mehr Barablösung ihrer Rechte verlangen, sondern mußten von nun an die im Plan vorgesehenen Aktien oder Schuldtitel der reorganisierten Gesell­ schaft übernehmen. Dem Gericht wurde vom Gesetz andererseits aufgetra­ gen, den Plan nur dann zu bestätigen, wenn es ihn nach Anhörung der Friendly, Harv. L. Rev. 48 (1934) 49ff.; Weinstein, U. Pa. L. Rev. 83 (1935) 857f.; Gerdes, Harv. L. Rev. 52 (1938) lf; Wham, Va. L. Rev. 25 (1938) 389f; auch Kramer 35. 132 Seit 1920 waren alle Wertpapieremissionen von Eisenbahn-Gesellschaften der Interstate Commerce Commission zur Prüfung vorzulegen. Auf diese Weise konnte die Kommission de iure auch Reorganisationspläne verwerfen, doch war diese Befugnis in der Praxis ohne großen Einfluß geblieben; Billyou, U. Pa. L. Rev. 96 (1948) 794. 133 Über die Eisenbahn-Reorganisationen ausführlich: Collier V § 77.1-30; kurz: Riesen­ feld, Creditors’ Remedies 762; Kramer 12 f. Über die Entwicklung seit dem Penn-Central­ Fall z.B.: Barber, U.C.L.A.L. Rev. 21 (1973) 553-576; (Note) Yale L. J. 85 (1976) 371-375; Krutter, Harv. J. Legisl. 14 (1977) 575-619; Adams, Bus. Law. 32 (1977) 975 ff. 134 § 77B(e) (1).

Beteiligten billig und gerecht sowie wirtschaftlich durchführbar fände. Auch erhielt es in gewissem Maße die Aufgabe, die Honorare der an der Reorganisation Mitwirkenden zu kontrollieren135. Im übrigen brachte das Gesetz in vielen Punkten eine wesentliche Vereinfachung des Verfahrens136.

III. Die Gesetze von 1938 1. Entstehung Das Gesetz über „Corporate Reorganizations", das § 77B in den Bank­ ruptcy Act einführte, erging in der ersten, politisch noch hochaktiven Periode des New Deal, doch gehörte es nach Herkunft, Geist und Gehalt nicht wirklich zu der neuen Bewegung, die das Land erfaßt hatte. New Deal bedeutete Aufbruch aus Verwirrung und Betäubung zu einer Säube­ rung und Neuordnung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Kongreßuntersuchungen hatten skandalöse Mißstände in den Finanzprakti­ ken von Wall Street zutagegefördert; die Öffentlichkeit war aufgebracht und mißtrauisch gegen Banken und Big Business. Auch die Reorganisa­ tionspraxis war in diesem Klima ein Gegenstand ständiger kritischer Erörterungen in der Allgemeinheit137. Den überall erhobenen Forderungen nach Entmachtung und Kontrolle der herrschenden Finanz- und Wirtschaftskreise entsprach § 77B gar nicht. Das Gesetz war überwiegend noch geprägt von den Banken- und Unter­ nehmensinteressen, die die Reorganisationsprozedur nur einfacher und effizienter haben wollten. Zu derselben Zeit, als § 77B in Kraft gesetzt wurde, hatte der Kongreß aber zu beschließen über das neue Börsengesetz (Securities and Exchange Act) - einem Eckstein der vom New Deal getragenen Kapitalmarkt-Gesetzgebung138. Dieses Gesetz schuf die inzwi­ schen berühmte Wertpapier- und Börsenkommission (Securities and Exange Commission; abgekürzt: SEC) und erteilte dieser gleichzeitig den 135 § 77B(c) (9), (f) (5). 136 Literatur zu § 77B: Gerdes, Corporate Reorganization (1936) 3 Bände; Finletter, Principles of Corporate Reorganization (1937) 835 S.; Übersicht in Aufsätzen: WEINER, Col. L. Rev. 34 (1934) 1173f.; Friendly, Harv. L. Rev. 48 (1934) 39f.; Sabel, Minn. L. Rev. 19 (1934) 34fE; Dodd, Harv. L. Rev. 48 (1935) 1110f.; Silver/Tondel, Harv. L. Rev. 49 (1936) 1111 ff. (besonders ausführlicher Praxisbericht); Levi/Moore, U. Chi. L. Rev. 5 (1938) 245ff.; auch Kramer 35 ff. 137 Über den New Deal und Wall Street: Carosso (oben N. 106) 300 ff., 322 ff, 352 ff; über die öffentliche Meinung zum Reorganisationswesen Levi/Moore (N. 136) 5f, 244 f; Fuller 383f.; Jennings, Yale L. J. 73 (1964) 931 ff. 138 Darüber z.B. Hopt, ZHR 140 (1976) 203ff.

Sonderauftrag (§ 211), die Praxis und Zusammensetzung der Schutzkomi­ tees bei Reorganisationen zu untersuchen und darüber einen Bericht vorzu­ legen. Das war der Anfang für das Gesetzeswerk, das bis 1978 die Grund­ lage der Reorganisationspraxis bildete. Die SEC beauftragte mit der Untersuchung den 35-jährigen William O. Douglas, der sich als experimentierfreudiger und tatkräftiger Hochschul­ lehrer in Columbia und Yale hervorgetan hatte. Douglas’ Interesse galt dem Unternehmensrecht, das er durch ein vierbändiges Casebook-Lehrbuch auf eine neue Grundlage zu stellen suchte. Er hatte auch ungefähr ein Jahr in einer der prominentesten New Yorker Anwaltsfirmen gearbeitet und dort an mehreren großen Reorganisationsfällen mitgewirkt. Als er 1934 mit der Untersuchung des Reorganisationswesens betraut wurde, hatte er bereits ganz bestimmte Ansichten über die Aufgabe, die es zu bewältigen galt, und in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren war in erster Linie er es, der das amerikanische Sanierungsrecht formte - zunächst von der SEC aus (als Untersuchungsführer seit 1934, als einer der fünf Commissioners seit 1936, als deren Vorsitzender seit 1937) und später vom Obersten Gerichtshof aus, in den er von Roosevelt 1939 berufen wurde139. Nach Douglas war die Wirtschaftskatastrophe, die 1929 hereingebro­ chen war, nicht eine Krise des Kapitalismus schlechthin - wie es damals mancher, der dem New Deal nahestand, glauben mochte. Das Übel lag vielmehr darin, daß die Leiter der Banken und der großen Unternehmen ihre Treuhänderstellung gegenüber den Aktionären und Kapitalanlegern zum eigenen Nutzen vernachlässigten und mißbrauchten. Es galt daher, einen transparenten, anständigen, sozial verantwortlichen, kurzum: „demokratischen“ Kapitalismus zu schaffen, in dem die Führer der Wirt­ schaft sich ihrer treuhänderischen Verantwortung gegenüber Kapitalanlegem und der Öffentlichkeit bewußt sind und in dieser Haltung wirksam überwacht werden. Das Prinzip der Offenlegung, auf dem die neuen Wertpapier- und Börsengesetze beruhten140, war nach Douglas dafür die erste Voraussetzung, aber nicht ausreichend. Notwendig war vielmehr eine Organisation der Verhältnisse nach den Grundsätzen der repräsentati­ ven Demokratie: die Kapitalanleger sollten ihre Interessenvertreter nach vollständiger Information selbst bestimmen und in geregeltem demokrati­ schem Prozeß auch abberufen können, ihnen aber für die Dauer des Amtes weitgehende Handlungsfreiheit übertragen; die Kontrolle der Interessen139 Über Douglas und seine Rolle Jennings (N. 137) 920ff.; HOPKIRK, Vand. L. Rev. 18 (1964) 663 f. 140 Darüber siehe Loss, Securities Regulation (2. Aufl. 1961) 1119 fF.; Hopt (oben N. 138).

Vertreter kann jedoch letztlich trotz Publizität und Rechenschaftslegung nicht von der großen Masse der Kapitalanleger erwartet werden, die von wirtschaftlichen Dingen nichts versteht und schwer zu mobilisieren ist, sondern nur von einer gut ausgestatteten staatlichen Instanz141. Mit dieser Grundeinstellung ging Douglas energisch ans Werk. Eine kleine Mannschaft junger Juristen um sich, untersuchte er hunderte von Reorganisationsfällen und befragte eine Unzahl von dabei Beteiligten; ganz Wall Street fühlte sich auf die Anklagebank gesetzt142. Es entstand ein achtbändiger Bericht von über 4000 Druckseiten, der in den Jahren 1936-1940 vorgelegt wurde und heute - wohl auch wegen seiner direkten und farbigen Sprache - zu den amerikanischen Klassikern dieser Literatur­ gattung gezählt werden kann143. Der Bericht zeichnete von der Reorganisationspraxis ein trübes Bild. Tenor: Alle rechtlichen Schritte und Instrumente des Reorganisationsver­ fahrens bewirken letztlich nur, daß diejenigen, die das Verfahren dirigieren (Unternehmensleitung und Banken), ihre Verfehlungen verdecken, speku­ lative Gewinne machen, Honorare kassieren und die Herrschaft über das Unternehmen behalten und ausbauen können - zum Nachteil der außenste­ henden Kapitalanleger, die ohne Tatsachenwissen und Sach verstand nicht in der Lage sind, ihre Interessen wirksam zu vertreten. Dies hat sich auch unter der Herrschaft des neuen § 77B nicht geändert, da das Gesetz selbst die bisherigen Herren des Reorganisationswesens direkt begünstigt oder, wo es den Schutz der Anleger bezweckt, von den Gerichten nicht ausrei­ chend durchgesetzt wird144. Die SEC knüpfte an diesen Befund eine Reihe von Gesetzesvorschlägen, die auf Entmachtung der im Verfahren bisher dominierenden Kräfte und auf eine Versachlichung der Sanierungsbemühungen gerichtet waren145. Unter dem Titel „Demokratisierung des Reorganisationsprozesses“ wur­ den sie zum Gegenstand einer heftigen rechtspolitischen Auseinanderset­ zung146. 141 Das Credo von Douglas wird deutlich in seinem Buch „Democracy and Finance“ (1940), einer Sammlung von Ansprachen und Aufsätzen. Aus der Anfangszeit des New Deal sind kennzeichnend seine Aufsätze in: Harv. L. Rev. 47 (1934) 565ff., 1305ff.; Yale L. J. 43 (1933) 173 ff. 142 Einzelheiten über Ausrichtung und Methode der Untersuchung: HOPKIRK (N. 139) 666 ff.; del Marmol 221 f. 143 SEC-Report (oben N. 6). 144 Über die Würdigung von § 77B besonders SEC-Report VIII 88 ff. 145 aaO. VIII 308ff., 338ff. 146 Aus der juristischen Diskussion besonders interessant der Aufsatz von Dodd, Col. L. Rev. 38 (1938) 223 ff; beschreibend aus späterer Sicht: Teton, Yale L. J. 48 (1938) 573 f, 583, 586; Wham, Va. L. Rev. 25 (1939) 389 ff.

Inzwischen war 1936 vom Abgeordneten Chandler im Kongreß ein Gesetzentwurf eingebracht worden, der eine Reform des gesamten Kon­ kursrechts vorsah. Der Entwurf war ausgearbeitet worden von der Natio­ nal Bankruptcy Conference, einer losen Vereinigung von Konkursprakti­ kern (Richtern, Anwälten, Vertretern von Kreditschutz verbänden) und einigen Interessierten aus den Universitäten, die sich um 1932 zusammen­ gefunden hatten, als die allgemeine Unzufriedenheit mit den vorhandenen Insolvenzprozeduren wuchs, aber vorerst vom Gesetzgeber nicht aufge­ nommen wurde. Das Ziel dieser Gruppe war es, das Konkursgesetz für seine gewöhnlichen Benutzer - natürliche Personen sowie kleine und mittlere Unternehmen - moderner und praktikabler zu machen. Der Entwurf konzentrierte sich daher auf eine Renovierung des eigentlichen Konkursverfahrens und auf die Verbesserung und den Ausbau des einfa­ cheren Vergleichsverfahrens nach den bisherigen §§12 und 74. Dies letz­ tere erschien besonders angezeigt, da viele kleinere Unternehmen im Falle von Schwierigkeiten die Reorganisationsprozedur nach § 77B benutzten147, diese aber nach ihrer ganzen Anlage für kleinere Verhältnisse eigentlich zu umständlich und beschwerlich war. Das Reorganisationsverfahren selbst sollte nach dem Chandler-Entwurf nur in Sprache und Aufbau sowie in einigen mehr technischen Einzelheiten geändert werden148. Nachdem die SEC ihren Bericht vorgelegt hatte, wurden sie und die National Bankruptcy Conference aufgefordert, zusammenzuarbeiten, und es entstand daraus schließlich das umfassende Konkursreformgesetz von 1938, das nach seinem parlamentarischen Förderer „Chandler Act“ genannt wurde149. Der Zusammenspann der beiden ungleichen Gesetzesinitiatoren hatte zum Ergebnis, daß beide jeweils „ihr“ Gesetz erhielten: § 77B wurde ersetzt durch ein neues Kapitel X, in dem das Reorganisationsverfahren weitgehend nach den Vorstellungen der SEC geregelt wurde; die §§12 und 74 wurden ersetzt durch ein neues Kapitel XI, in dem unter dem Namen

147 In den vier Jahren seit 1934 ungefähr 4000 Unternehmen, darunter 10 von den 100 größten; del Marmol 260. 148 Über die National Bankruptcy Conference und die Entstehung des Chandler Act McLaughlin, U. Chi. L. Rev. 4 (1937) 369ff.; Rostow/Cutler, Yale L. J. 48 (1939) 1334 f., 1336; Jennings (N. 137) 939f.; auch Kramer 37, 39. 149 Über den Entstehungsgang und seine Antriebskräfte im einzelnen: Collier I § 0.07; Wham, Va. L. Rev. 25 (1939) 389f£; Gerdes, Harv. L. Rev. 52 (1938) lff.; Heuston, Col. L. Rev. 38 (1938) 1202-1204; (Comment) Nw. U. L. Rev. 50 (1956) 763f; auch Kramer 39f.

„Arrangements“ ein weniger aufwendiges Vergleichsverfahren bereitge­ stellt wurde150.

2. Reorganisation nach Kap. X Der Gang und die Beteiligten des Verfahrens nach Kap. X sind für deutsche Leser von Kramer vollständig geschildert worden151. Hier genügt deshalb ein Überblick, der die Neuerungen gegenüber dem früheren Recht und die charakteristischen Züge des Verfahrens hervortreten läßt. a) Der Treuhänder. - Wie schon in der Receivership-Zeit hatte das Verfahren zu beginnen mit der Einsetzung eines Zwangsverwalters, den das Gesetz nun aber „Treuhänder“ (trustee) nennt. Die Neuerung gegen­ über dem alten Recht liegt in dem Aufgabenbereich des Treuhänders. Dieser hat nicht nur das Unternehmen während des Verfahrens zusam­ menzuhalten und weiterzufuhren, sondern er muß als unabhängiger und neutraler Mittler zwischen den verschiedenen Kapitalinteressen fungieren und so die Durchführung der Sanierung in die Wege leiten. Das Gesetz trug ihm daher - neben der Führung des Unternehmens - auf: (1) Die bisherige Entwicklung des Unternehmens, seine gegenwärtige wirtschaft­ liche Lage sowie die Möglichkeiten seiner Weiterführung zu untersuchen und darüber einen Bericht vorzulegen, der allen Kapitalgebern und der SEC zur Kenntnis gebracht werden mußte; (2) innerhalb einer vom Gericht bestimmten Frist einen Reorganisationsplan aufzustellen und dem Gericht vorzulegen, nachdem er alle Beteiligten eingeladen hatte, ihm ihre Vorstel­ lungen dazu mitzuteilen152. Der neutrale und unabhängige Treuhänder als Motor des Reorganisa­ tionsgeschehens war für die SEC der Schlüssel für die Neugestaltung des Verfahrens153. Er sollte die bisher in der Praxis dominierenden Kräfte verdrängen und Reorganisationsbemühungen auf objektiven Sach verstand gründen154. Das Gesetz versuchte deshalb minuziös, jegliche Person, die in Interessenverbindung mit dem Unternehmen oder seinen Emissionsban­ 150 Kap. X umfaßte die §§ 101-276 (11 U.S.C.A. §§ 561-676), Kap. XI die §§ 301-399 (11 U.S.C.A. §§ 701-799). Zusammen mit diesen Neuerungen beschloß der Kongreß den sogen. Trust Indenture Act von 1939 (15 U.S.C.A. § 77aaa), der - ebenfalls von der SEC vorbereitet - im Interesse der Anleger die Pflichten des Anleihetreuhänders verschärfte und präzisierte, dazu siehe Loss, Securities Regulation II 720 ff. 151 Siehe oben N. 4. 152 Über die Einzelheiten §§ 167, 169 und Kramer 57ff. 153 So ausdrücklich Douglas in einer Anhörung vor dem Kongreß, zitiert bei Jennings (oben N. 137) 937 N. 93. 154 SEC-Report VIII 357f.; Douglas, A.B.A.J. 24 (1938) 877 f.

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Flessner BIPR 48

ken stand, vom Amt des Treuhänders auszuschließen, und es erstreckte diese Ausschlußgründe sogar auf die Anwälte, die der Treuhänder in dieser seiner Eigenschaft beschäftigen wollte155. Auch erlaubte es den Kapitalinter­ essen die Einreichung eigener Planvorschläge beim Gericht erst, wenn der Treuhänder seinen Reorganisationsplan vorgelegt hatte (§ 169). b) Planprüfitng. - Wie schon nach § 77B mußte der Reorganisationsplan vom Gericht geprüft und bestätigt werden. Damit aber das Gericht sich in seinem Urteil nicht an eine bereits vorgenommene Abstimmung der Aktionäre und Gläubiger faktisch gebunden fühle, durfte - dies die zweite wesentliche Neuerung - nach Kap. X die Abstimmung erst nach der gerichtlichen Billigung des Plans erfolgen. Das Gesetz verbot deshalb etwaigen Schutzkomitees und anderen Interessenten, schon vor der gerichtlichen Entscheidung bei den Rechtsinhabern für bestimmte Plan­ vorschläge um Zustimmung zu werben (§ 176). Sobald der Treuhänder seinen Plan vorgelegt hatte, veranstaltete das Gericht einen Erörterungstermin, in dem das Unternehmen sowie jeder Gläubiger und jeder Aktionär Einwendungen erheben, aber auch neue und ganz andere Pläne Vorschlägen konnte (§ 169). Das Gericht konnte auch die Gewerkschaften, in denen die Arbeitnehmer des Unternehmens organisiert waren, zu dem Planvorschlag anhören, wenn hierzu Anlaß bestand (§ 206). Der Richter mußte nach der Anhörung der Beteiligten prüfen, ob der Plan die gesetzlichen Anforderungen erfüllte und ob er gerecht und billig sowie durchführbar war (fair and equitable, and feasible, § 174). Bevor er aber zu einer positiven Entscheidung kam, mußte er - dies der dritte Hauptpunkt der Reform - den Plan der SEC zur Begutachtung vorlegen, wenn die Verbindlichkeiten des Unternehmens mehr als 3 Mio. $ betrugen (§ 172)156. Der Sach verstand der SEC sollte dem Richter zugänglich gemacht werden, weil dieser bei der Beurteilung der wirtschaftlichen und finanziellen Fragen, die in einem großen Reorganisationsfall zu lösen sind, sonst allzu sehr dem Wissen der beteiligten Interessenten ausgeliefert wäre157. Erst wenn die SEC ihr Gutachten abgegeben hatte (oder die gesetzte Frist hatte verstreichen lassen), durfte der Richter dem Plan seine Zustimmung („approval“) geben, wobei er freilich an das Gutachten der SEC nicht gebunden war (§§ 172, 173). c) Abstimmung. - Der Plan, der die Zustimmung des Richters gefunden hatte, wurde allen Gläubigern und Aktionären, die durch ihn betroffen 155 Einzelheiten in §§ 156-158 und bei Kramer 60 fF. 156 Wenn sie nur bis zu 3 Mio. $ betrugen, konnte der Richter die SEC einschalten. 157 SEC-Report VIII 160f., 338f.

waren, per Post zur Abstimmung unterbreitet. Damit jeder einzelne Betroffene sich ein Urteil bilden konnte, erhielt er: (1) Den Plan und eine vom Richter gebilligte Zusammenfassung seiner Bestimmungen; (2) die begründete Entscheidung des Richters; (3) das Gutachten der SEC, falls eines erstattet wurde; (4) sonstiges Material, das der Richter zur Informa­ tion der Betroffenen für notwendig oder wünschenswert hielt (§ 175). Die Abstimmung ging schriftlich vor sich. Der Plan galt als angenom­ men, wenn ihm alle betroffenen Gläubigergruppen jeweils mit Zweidrit­ telmehrheit der angemeldeten Forderungssumme und alle Aktionärsgrup­ pen jeweils mit einfacher Mehrheit des angemeldeten Kapitals zugestimmt hatten (§ 179). Stimmberechtigt waren allerdings nur die Gläubiger und Aktionäre, deren Rechte durch den Plan tatsächlich betroffen, das heißt zu ihrem Nachteil modifiziert wurden (§§ 179, 107). Nicht erforderlich war auch die Zustimmung der Gläubiger und Aktionäre, für deren Rechte und Ansprüche der Plan einen anderweitigen angemessenen Wertausgleich vorsah. d) Bestätigung und Durchfiihrung. - Wenn der Richter die erforderlichen Zustimmungserklärungen vorliegen hatte, setzte er einen Termin an, auf dem über die Erteilung der gerichtlichen Bestätigung („confirmation") verhandelt wurde. Hier konnte jeder Beteiligte - Unternehmensleitung, Gläubiger, Aktionäre; unter Umständen auch die SEC - Einwendungen gegen den Plan vorbringen, ohne durch die vor der Abstimmung ausge­ sprochene Zustimmung des Richters gebunden zu sein (§ 180). Auch der Richter selbst mußte außer dem Vorliegen der erforderlichen Mehrheiten nochmals prüfen, ob der Inhalt des Reorganisationsplans den gesetzlichen Anforderungen entsprach (§§ 221 [1, 2]). Es mußten außerdem alle Zah­ lungen für Dienste und Auslagen, die im Zusammenhang mit der Reorga­ nisation geleistet oder zugesagt wurden, dem Richter offengelegt werden und angemessen sein (§ 221 [4]). Schließlich mußten die Personen, die künftig das Unternehmen leiten sollten, angegeben und ihre Ernennung billig („equitable“) und vereinbar sein mit den Interessen der Aktionäre, Gläubiger und der „public policy“ (§ 221 [5]). Wenn der Richter sich von alledem überzeugt hatte, sprach er die Bestätigung des Reorganisations­ plans aus; sie band das reorganisierte Unternehmen, alle Gläubiger und Aktionäre sowie alle anderen Unternehmen, die entsprechend dem Reor­ ganisationsplan neue Wertpapiere ausgaben oder Vermögenswerte über­ nahmen (§ 224). Es folgt nun die Durchführung des Planes, wozu vor allem die Neuaus­ gabe von Aktien und Schuldtiteln entsprechend den im Plan vorgesehenen Änderungen der Kapitalverhältnisse gehört. Wenn der Plan ausgeführt

war, beendete das Gericht das Verfahren durch förmlichen Beschluß, der (1) das reorganisierte Unternehmen von allen Gläubiger- und Aktionärs­ rechten befreite, die der Plan nicht ausdrücklich aufrecherhielt, und (2) den Treuhänder von seinem Amt entband (§ 228). e) Unterstützende Regelungen. - Das Gesetz enthielt eine Reihe von flankierenden Regelungen, die alle dem erklärten rechtspolitischen Ziel der Gesetzesverfasser dienen sollten: Befreiung der Kapitalanleger aus der Vormundschaft der bisherigen Unternehmensleitung und der mit ihr zusammenarbeitenden Finanzkreise und Schaffung einer uneigennützigen und objektiven Sachwaltung für die Kapitalgeberinteressen. Zur Verwirk­ lichung dieses Programms gehörte: Wer Listen der Gläubiger und Aktio­ näre in Besitz hatte, konnte vom Gericht verpflichtet werden, sie jedem Beteiligten zur Einsicht offenzuhalten oder dem Gericht herauszugeben (§§ 165, 166). Die Berichte des Treuhänders an das Gericht mußten den Beteiligten zur Einsicht offenstehen, den jährlichen Verwaltungsbericht des Treuhänders mußte das Gericht allen Gläubigern und Aktionären zusenden (§ 190). Anwälte, Komitees oder sonstige Personen, die für Gläubiger oder Aktionäre auftraten, wurden verpflichtet zu weitgehender Offenlegung ihres Auftragsverhältnisses und ihrer eigenen Interessen an dem Unternehmen (§§ 210, 211, 249). Der Richter konnte einzelne Bedin­ gungen solcher Aufträge und erteilte Vollmachten für unbeachtlich erklä­ ren, wenn sie ihm unbillig („unfair“) erschienen (§ 212), und er kontrol­ lierte die Gebührenforderungen, die an das Unternehmen oder an die Anleger selbst für Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Reorgani­ sation gestellt wurden (§§ 221 [4], 241-243). Ausdrücklich billigte das Gesetz dem einzelnen Gläubiger und Aktionär das Recht zu, zu jeder Angelegenheit gehört zu werden (§ 206). Besonders aber konnte die SEC - über ihr Gutachteramt hinaus158 - vom Richter beigeladen oder auf ihren Antrag zum Verfahren zugelassen werden (§ 208). Sie hatte dann alle Rechte eines Verfahrensbeteiligten, allerdings nicht das der Berufung159. Damit die SEC ihr Wächteramt tatsächlich ausüben konnte, mußte sie in jedem Verfahren von jedem Verfahrens­ schritt benachrichtigt werden (§ 265 [a]).

158 Siehe oben S. 82. 159 In der Rechtsmittelinstanz konnte sie aber wiederum als Verfahrensbeteiligte mitwirken; Collier VI 2 § 9. 27 S. 1724.

3. Arrangement nach Kap. XI Das Verfahren nach Kap. XI war in Herkunft und Charakter ein bewußter Gegensatz zur „Corporate Reorganization" nach Kap. X. Seine Urheber, die Konkurspraktiker und Gläubiger-Schutzverbände, wollten ein schnelles und einfaches Verfahren für mittlere und kleinere Unterneh­ men, die ein Arrangement mit ihren Geschäftsgläubigern suchen. Vor allem wollten sie nicht die Aufsicht über den Prozeß des Arrangierens, die nach Kap. X von Treuhänder, Gericht und SEC bei Reorganisationen ausgeübt werden sollte160. In der deutschen Literatur wurde das Arrangement-Verfahren kurz und übersichtlich von Hanisch dargestellt161. 162 Hier genügt es deshalb, die Kon­ traste zu Kap. X sichtbar zu machen. Der Antrag, der das Verfahren einleitete, konnte nur vom Schuldner gestellt werden, und es konnte auch nur der Schuldner einen Vergleichs­ vorschlag unterbreiten (§§ 321, 323). Das Gericht berief sogleich eine Gläubigerversammlung ein, die nicht später als 40 Tage nach dem Antrag stattfinden sollte (§ 334). Hier wurden die Forderungen angemeldet und festgestellt, der Schuldner und eventuell Zeugen und Sachverständige gehört und schließlich die schriftlichen Zustimmungserklärungen der Gläubiger vom Gericht entgegengenommen, falls der Schuldner einen Vergleichs vorschlag rechtzeitig vorgelegt hatte (§ 336); falls nicht, setzte das Gericht dafür eine Frist und vertagte das Gläubigertreffen auf einen neuen Termin (§ 335). Ein Treuhänder oder Zwangs Verwalter wurde im gesetzlichen Normal­ fall nicht eingesetzt. Der Schuldner oder - bei juristischen Personen - die alte Unternehmensleitung arbeitete vielmehr weiter, de iure allerdings nicht aus eigenem Recht, sondern wie ein vom Gericht eingesetzter und als vom Gericht überwachter Treuhänder (Konkursverwalter) (§ 342) 162. Der Vergleich im Arrangement-Verfahren konnte nur die ungesicherten Forderungen berühren, er traf also nicht die gesicherten Gläubiger, die Aktionäre und - ohne ihre Zustimmung - auch nicht die Inhaber privile­ gierter Forderungen, wie etwa Steuerforderungen oder - in bestimmten Grenzen - Arbeitnehmeransprüche (§§ 356, 337 [2]). Eine Sanierung, die 160 Siehe Rostow/Cutler und Jennings (oben N. 137); Collier VI § 0.12 S. 121 f. 161 Hanisch, Rechtszuständigkeit der Konkursmasse 248 £; auch Kramer 15 £, 45 £ 162 Dazu besonders Hanisch (N. 161) 251 f£ Auf Antrag eines Beteiligten konnte das Gericht allerdings einen Zwangsverwalter (Receiver) einsetzen oder - falls das Konkursver­ fahren bereits eröffnet war - den Konkursverwalter im Amt belassen. Die Befugnisse des Verwalters beschränkten sich jedoch auf die Bewahrung und einstweilige Führung des Unternehmens, § 343.

auch von diesen Gläubigern und von den Anteilseignern Opfer verlangte, war also gegen deren Willen mit Hilfe des Arrangement-Verfahrens nicht möglich. Der Vergleich mußte vom Gericht bestätigt werden, wenn der Schuld­ ner bestimmte Beträge zur Vergleichserfüllung, die das Gesetz aufführte, hinterlegte und die Mehrheit der Gläubiger (nach Anzahl und Gesamtfor­ derungsbetrag) dem Vergleich zustimmte; wenn die Gläubiger vom Gericht in Klassen eingeteilt waren, war die Mehrheit in jeder Klasse erforderlich und ausreichend (§§ 361, 362). Der Richter hatte sich dann nur noch davon zu überzeugen, (a) daß der Vergleich im Interesse der Gläubi­ ger lag und durchführbar war, (b) daß keine Gründe vorlagen, die den Schuldner vergleichsunwürdig machten und (c) daß der Vergleich nicht durch unlautere Mittel zustande gebracht worden war (§ 366). Der Bestäti­ gungsbeschluß band dann den Schuldner und alle ungesicherten Gläubiger (§ 367). Das Verfahren verlief alles in allem denkbar einfach. Es hatte nichts von der absichtlichen Gemessenheit und der starken „amtlichen“ Mitwirkung (durch den Treuhänder, die SEC und das Gericht), die das Verfahren der „Corporate Reorganization“ nach Kap. X auszeichneten.

D. Die Reformen der siebzigerJahre I. Gesetzgebung Der Chandler Act von 1938 war ungefähr 30 Jahre alt, als eine neue Reformbewegung das amerikanische Konkursrecht erfaßte. Der Kongreß ermächtigte 1964 den Obersten Gerichtshof, über den Verfahrensgang in Konkurssachen Vorschriften zu erlassen, die das Gesetz ergänzen und, soweit mit ihm unvereinbar, ersetzen sollten163. Nach langen Vorarbeiten einer Sachverständigengruppe (die schon 1960 begonnen hatten) wurde in den Jahren 1973-1975 unter dem Namen „Bankruptcy Rules“ eine neue Verfahrensordnung in Teilen nach und nach in Kraft gesetzt, die den Ablauf des Verfahrens in vielen Punkten anders als das bisherige Gesetz regelte164. Unabhängig hiervon hatte der Kongreß 1970 durch Gesetz eine 163 28 U.S.C.A. § 2075. 164 Abgedruckt in: U.S.C.A., Bankruptcy Rules and Official Fornis (1975). Die Bezeich­ nung „Bankruptcy Rules“ wurde auch im engeren Sinne verwendet für die Vorschriften, die das eigentliche Konkursverfahren betrafen; die Vorschriften für das Reorganisations- und das Arrangement-Verfahren hießen im Gegensatz dazu dann „Chapter X Rules“ und „Chapter XI Rules“.

Kommission aus sachverständigen Anwälten, Richtern, Professoren und Kongreßmitgliedern gebildet, die den Auftrag erhielt, das Konkurswesen von Grund auf zu untersuchen und Vorschläge zu machen für eine Anpas­ sung des Konkursgesetzes an die technischen, finanziellen und kommer­ ziellen Bedürfnisse der Gegenwart165. Die Kommission präsentierte 1973 ihren Bericht sowie einen vollständigen Entwurf für ein neues Konkursge­ setz166. Dieser wurde alsbald in den Kongreß eingebracht167. Der Entwurf war sogleich heftig umstritten, vor allem weil er die Schaffung einer Bundesbehörde für die Verwaltung von Konkursen sowie die Einrichtung besonderer Konkursgerichte (diese im gleichen Rang mit den bestehenden erstinstanzlichen Bundesgerichten vorsah)168. Die Vereini­ gung der Konkursrichter ließ einen eigenen Gegenentwurf in den Kongreß einbringen169, ein weiterer Entwurf wurde schließlich vom Abgeordneten Edwards im Repräsentantenhaus eingebracht170. Ob überhaupt und mit welchem Inhalt aus diesen Entwürfen und den lange Zeit divergierenden Vorlagen von Senat und Repräsentantenhaus ein neues Konkursgesetz entstehen würde, war noch im Sommer 1978 ganz ungewiß. Zur Überraschung vieler kam es dann im Oktober 1978, kurz vor dem Ende der Legislaturperiode, zu übereinstimmenden Gesetzesbe­ schlüssen von Senat und Repräsentantenhaus, und am 6. November 1978 wurde das neue Konkursgesetz vom Präsidenten unterzeichnet; am 1. Oktober 1979 ist es zum größten Teil in Kraft getreten171. Das Gesetz gibt auch dem Reorganisationsverfahren eine neue Gestalt.

165 Offizieller Titel: Commission on the Bankruptcy Laws of the United States; im allgemeinen Sprachgebrauch kurz „Bankruptcy Commission“ genannt. 166 Report of the Commission on the Bankruptcy Laws of the United States (July 1973) I—III (Washington, D.C. 1973); Band I und II jetzt auch abgedruckt in Collier (15. Aufl.) App. Bd. 2. Über Entstehung, Zusammensetzung und Arbeitsweise der Kommission ausführlich Kennedy, U.C.L.A.L. Rev. 21 (1973) 381 ff. 167 93. Kongreß, S. 2565 und H. R. 10972 (1973). 168 Zu dem Entwurf siehe Trost, Am. Bankr. L. J. 48 (1974) 111 ff; L. P. King, Com. L. J. 78 (1973) 429ff.; Kramer 123ff. 169 93. Kongreß, H. R. 16643, S. 4060 (1974). Einen Bericht über den Entwurf und einen Vergleich mit dem Komissions-Entwurf geben Lee, Am. Bankr. L. J. 49 (1975) 1 ff., und Coogan/Broude/Glatt (s. unten N. 183) 1150 ff. 170 95. Kongreß, H. R. 6 (1977). 171 Über Struktur und Fundstelle des Gesetzes siehe oben S. 33 N. 1. Über den Gesetzge­ bungsgang ausführlich Klee, in: Collier (15. Aufl.) App. Bd. 2, S. I-XXIX, und Am. Bankr. L. J. 54 (1980) 275 ff; knapper: Klein, Am. Bankr. L. J. 53 (1979) If. und Com. L. J. 1979, 8. Die Gesetzesmaterialien sind wiedergegeben in: Resnick/Wypyski, Bankruptcy Reform Act of 1978: A Legislative History, 17 Bände (Buffalo, N.Y. 1979), die wichtigeren auch in Collier (15. Aufl.) App. Bände 2 und 3.

II. Gründe, Interessen, Ergebnisse Der wichtigste Anstoß für die Reformbewegung war die Flut der Verbraucherkonkurse, die die Kapazitäten des bisherigen Systems zu sprengen drohte172. Die Reformüberlegungen waren aber so grundsätzlich angelegt, daß wie selbstverständlich auch die gesetzlichen Sanierungsver­ fahren einbezogen wurden. Hier war freilich nichts mehr zu finden von den Enthüllungen, Anklagen, Rechtfertigungen und Forderungen, also nichts von der Dramatik des rechtspolitischen Kampfes, der sich auf diesem Feld in den dreißiger Jahren abspielte173. Denn die Ziele des Reformgesetzes von 1938 waren erreicht. Reorganisation großer Unternehmen ist nicht mehr ein Kampf im Dschungel, sondern ein geordneter und beinahe nüchterner Prozeß, der auch dem uneingeweihten Kapitalanleger durchsichtig ist und ihn vor Übervorteilung schützen kann174. Daß Kap. X sich in diesem Punkte bewährt hat, wird allgemein anerkannt175. Unbestritten ist auch, daß dieser Erfolg zu einem guten Teil nicht dem bloßen Buchstaben des Gesetzes, sondern dem entschiedenen Einsatz der SEC bei der Anwendung des Gesetzes zu verdanken ist176. Die Wünsche nach einer Reform waren nun von anderer Natur. Zum einen bestand das Bedürfnis, das Verfahren im Lichte der nunmehr vierzig­ jährigen Erfahrung zu verbessern und den geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen. Zum anderen traten, nachdem die unmittelbare rechtspolitische Aufgabe des Gesetzes erledigt war, die Schattenseiten des Verfahrens stärker hervor. Sie wurden besonders scharf gezeichnet von den Praktikern, die für die Geschäftswelt in dem Verfahren zu handeln haben. Diese bemängelten an Kap. X die Dauer, die Kosten, die Umständlichkeit und eine gewisse Wirtschaftsfremdheit des Verfahrens, an Kap. XI ande­ 172 Statistische Angaben bei Hanisch, Rechtszuständigkeit der Konkursmasse 171 Kra­ 18 f. Die auch in Europa vielbeachtete Studie der Brookings Institution: Stanley/Girth, Bankruptcy - Problem, Process, Reform (Washington D.C. 1971), beschäftigte sich vorwie­ gend mit diesem Problembereich. 173 Siehe oben S. 77 ff. 174 Viel zitiert wurde eine Äußerung des Vorsitzenden der SEC und späteren Bundesrichters Jerome Frank, der befriedigt konstatierte: „The major provisions of Chapter X . . . have converted reorganization from a battle of wits, strategy and endurance into a study and solution of a problem in financial rehabilitation with conscious attention to the business principles and the public interests involved"; N.Y.U.L.Q. Rev. 18 (1941) 350 f. 175 Bankruptcy Commission, Report I 247; Seligson, Am. Bankr. L. J. 45 (1975) 101; Rochelle/Balzersen, Am. Bankr. L. J. 46 (1972) 93; Weintraub/Crames, Am. Bankr. L. J. 48 (1974) 1. 176 Siehe z. B. Bankruptcy Commission, Report I 249; Billyou, Col. L. Rev. 49 (1949) 495f.; Segatto (s. unten N. 305) 645; Seligson (N. 175) 101. mer

rerseits eine Tendenz der Gerichte, in dieses Verfahren Elemente des unpraktischeren Verfahrens nach Kap. X hineinzubringen177. Auf der anderen Seite stand vor allem die SEC. Sie wandte sich sehr bestimmt gegen eine Verwässerung der bisherigen Gesetzeskonzeption und wurde hierin unterstützt aus der Wissenschaft178. Im Ergebnis hat die Geschäftswelt einen guten Teil der Positionen zurückgewonnen, aus denen sie 1938 von Douglas verdrängt wurde. Das neue Gesetz faßt die bisherigen Kapitel X und XI zu einem einheitlichen Verfahren (jetzt Kap. 11) zusammen. Gegenüber dem alten Kap. X zeich­ net sich dieses Verfahren aus durch Straffung und Vereinfachung sowie durch Zurückdrängung des Einflusses, den Gerichte und SEC auf den Inhalt des Reorganisationsplanes ausüben können179. Erfahrungen mit dem neuen Kapitel 11 werden sich erst allmählich ansammeln, da für alle Verfahren, die vor seinem Inkrafttreten (1. 10. 1979) begonnen haben, weiterhin das alte Recht gilt180. Andererseits ist das Gesetz eine Reaktion auf ganz bestimmte Erfahrungen, die mit den bisheri­ gen Verfahren gemacht wurden. Deshalb soll es hier nicht zusammenhän­ gend dargestellt werden, sondern es sollen seine Lösungen als vorläufiger Schlußpunkt der amerikanischen Entwicklung jeweils bei den einzelnen Problemen hinzugefugt werden, die im nachfolgenden Erfahrungsbericht und im fünften Kapitel aufzugreifen sind.

E. Praxis und Problemschwerpunkte Während der vierzig Jahre, in denen Kap. X des bisherigen Konkursge­ setzes in Kraft war, wurden fast 5000 Reorganisationsverfahren anhängig gemacht. Die Höchstzahl der Anträge wurde sogleich 1939 mit über 500 Anträgen erreicht - wohl noch eine Folge der Depression der dreißiger Jahre -, die niedrigste Zahl war 1956 mit nur 40 Anträgen zu verzeichnen, seit 1970 lag die jährliche Zahl der Anträge nicht mehr unter 100; insgesamt anhängig waren am Jahresende immer mehr als 200 Verfahren, oft stieg diese Zahl auf mehr als 300 und 400. Von den jährlich erledigten Verfahren 177 Darüber unten bei N. 278ff., N. 317ff 178 SEC, Report on Proposed Bankruptcy Legislation (mschr., Washington, D.C. 1976) 46 ff; Brudney, Am. Bankr. L. J. 48 (1974) 305-340. (Note) Harv. L. Rev. 87 (1974) 1786-1821. Blum/Kaplan, U. Chi. L. Rev. 41 (1974) 651 ff. 179 Überblicke geben: Klein (N. 171); Klee, A.B.A.J. 64 (1978) 1865 ff; speziell über das Reorganisationsverfahren: L. P. King, Am. Bankr. L. J. 53 (1979) 107ff; Klee, Am. Bankr. L. J. 53 (1979) 133 ff; Chatz/Costello/Gross, Com. L. J. 1979, 259ff; in deutscher Sprache jetzt: Bull, ZIP 1980, 843 ff. 180 Bankruptcy Reform Act, sec. 403(a).

wurden etwa 20-40% durch einen bestätigten Reorganisationsplan abge­ schlossen, die übrigen wurden nicht eröffnet, eingestellt oder ins Konkurs­ verfahren überwiesen181. Reorganisationsverfahren nach Kap. X machten unter den gewerblichen Insolvenzen eines Jahres selten mehr als 1% aus, doch wurde geschätzt, daß ihr Anteil an den betroffenen Verbindlichkeiten 20-25% betrug182. Die Zahlen lassen erkennen, daß Reorganisation nach dem Konkursge­ setz zu ejnem normalen Geschehen in der amerikanischen Insolvenzpraxis geworden ist. Die Kenntnis des Verfahrens unter den Praktikern hat sich verbreitet; Reorganisation ist nicht mehr die Domäne weniger großer, vor allem New Yorker Anwaltsfirmen. Heute ist in jeder gewerblichen Insol­ venz von einiger Bedeutung der Versuch einer Sanierung in einem der gesetzlichen Verfahren der normale erste Schritt183. Mit der „Popularisierung“ der Reorganisationspraxis sind auch die juri­ stischen Probleme andere geworden. Es geht nicht mehr um Schöpfung und Weiterentwicklung eines Praktiker-Handlungssystems und seine Ver­ teidigung gegen politische, gesetzgeberische und höchstrichterliche Ein­ griffe, sondern die Aufgabe war und ist, mit dem vom Gesetzgeber vorgegebenen, bis in Einzelheiten durchgebildeten Instrument in der Pra­ xis umzugehen. In den siebziger Jahren trat zeitweilig hinzu die Notwen­ digkeit, die anlaufende Gesetzesreform nach den jeweils empfundenen Mängeln und Bedürfnissen zu beeinflussen. Diejenigen Probleme, die die amerikanischen Juristen am meisten beschäftigt haben, werden in diesem Abschnitt vorgeführt.

I. Maßstäbe für den Reorganisationsplan Das Gesetz stellt für den Inhalt des Reorganisationsplans detaillierte Mindestanforderungen auf (früher § 216, heute § 1123), die aber in der Mehrzahl nur festlegen, was geregelt werden muß. Wie die Regelung im einzelnen Fall beschaffen sein muß, bestimmte das Gesetz von 1938 nur mit der Formel, daß der Plan„gerecht und billig, sowie durchführbar“ sein müsse („fair and equitable, and feasible", §§ 174, 221 [2]). Aber diese 181 Die Zahlen im einzelnen sind enthalten in den jährlich erscheinenden Tables of Bank­ ruptcy Statistics, hrsg. vom Administrative Office of the United States Courts (Washington, D.C.). Statistische Angaben auch bei Altmann, Corporate Bankruptcy in America (1971) 17f.; Kramer 18ff. 182 Altman (N. 181) 18. 183 Coogan, Bus. Law. 29 (1974) 740f.; Coogan/Broude/Glatt, Bus. Law. 30 (1975) 1150.

unscheinbaren Worte waren Kernbegriffe des Verfahrens. Sie sind im heutigen Kap. 11 ersetzt durch eine ausführlichere und verfeinerte Rege­ lung, die zum Teil eine Änderung der bisherigen Praxis bezweckt, deren Thema aber das gleiche ist, nämlich die Durchführbarkeit und die Gerech­ tigkeit des Reorganisationsplans (§ 1129 [a] [7] und § 1129 [b]). Hinter diesen Bestimmungen steht eine reich ausgebildete Reorganisations-Juri­ sprudenz. 1. Durchführbarkeit Das Gericht darf den Reorganisationsplan nur bestätigen, wenn er dem Unternehmen hinreichende Aussicht auf Gesundung bietet. Das Gesetz von 1938 verwendete dafür den Ausdruck „feasible“. Damit war aber nicht nur die praktische Durchführbarkeit des Planes, z. B. seine Finanzierbarkeit gemeint, sondern allgemein das, was ein angesehener Reorganisations­ praktiker und Autor so umschrieb: „The first object of a reorganization should be the production of a sound economic unit - a Corporation able to operate its business successfully and pay a reasonable retum to those having interests in it."184 Heute legt das Gesetz ausdrücklich fest, daß der Plan nur bestätigt werden darf, „wenn nicht wahrscheinlich ist, daß ihm doch nur die Liquidation oder eine weitere Reorganisation des Unternehmens folgen wird“ (§ 1129 [a] [11]). Besonders von der SEC wurde dieses Thema ernst genommen. In den Fällen, in denen sie sich durch Gutachten und Stellungnahmen am Verfah­ ren beteiligte, untersuchte sie eingehend die bisherige Entwicklung, den gegenwärtigen Zustand und die künftigen Aussichten des Unternehmens und des Wirtschaftszweiges, in dem es tätig war, einschließlich der Wettbe­ werbs- und Nachfragesituation, die das Unternehmen künftig vorfinden würde. Sie wandte sich gegen jeglichen Zeitdruck, unter den die Beteilig­ ten oder das Gericht sie hierbei vielleicht setzen mochten, um das Verfah­ ren schneller voranzubringen. Oberstes Ziel der SEC war es, durch entsprechende Gestaltung der Reorganisationspläne so gut wie möglich zu verhindern, daß das reoganisierte Unternehmen ein zweites Mal insolvent würde184 185. 184 Gerdes, U. Pa. L. Rev. 89 (1940) 41. 185 Über die Praxis der SEC und der Gerichte besonders ausführlich: D. R. King, Am. Bankr. L. J. 49 (1975) 340-385; (Note) Stan. L. Rev. 4 (1951) 125-137; CALKINS, Harv. L. Rev. 61 (1948) 743-781; Jome, Mich. L. Rev. 40 (1942) 626-653; Frank, N.Y.U.L.Q. Rev. 18 (1941) 343-349. Die vorstehenden und folgenden Ausführungen beruhen im übrigen auf einer Durchsicht der Entscheidungs- und Berichtssammlung („Decisions and Reports“) und der Jahresberichte („Annual Reports“) der SEC.

Wenn die künftigen Geschäftsaussichten einigermaßen beurteilt werden können, ist die Hauptfrage, mit welcher Kapitalausstattung das Unterneh­ men wieder in die Freiheit entlassen werden kann. Es geht darum, „wieviel Segel in welcher Form das Unternehmen tragen kann, ohne alsbald wieder zu kentern“186. Die SEC drang hier beständig auf äußerste Solidität. Die Überkapitalisierung des Unternehmens, die in der Insolvenz zutage getre­ ten war, mußte so weit zurückgeschnitten werden, daß das Fremdkapital auch bei Schwankungen des Geschäftsgangs ständig verzinst und angemes­ sen getilgt werden konnte und daß auch für das Aktienkapital eine einiger­ maßen begründete Aussicht auf Dividendenertrag bestand. Die angemessene Kapitalisierung ist das wichtigste, doch nicht das einzige Problem. Das reorganisierte Unternehmen muß ausreichende Betriebsmittel haben, es braucht auch künftig Kreditquellen (z. B. im Fall späterer Expansion oder Konsolidierung), und es benötigt eine neue Unternehmensleitung, wenn es aus der Obhut des Gerichts entlassen wird. Zu allen diesen Fragen mußte ein Reorganisationsplan sich ebenfalls auslas­ sen; und die SEC prüfte sehr genau, ob die gemachten Vorschläge zur Lebensfähigkeit des Unternehmens beitrugen oder sie eher in Frage stellten187. Schließlich kümmerte die SEC sich unter dem Titel „feasibility" um Dinge, die mit dem obersten Ziel - Vermeidung erneuter Insolvenz eigentlich unmittelbar nichts zu tun haben. Sie prüfte insbesondere vorge­ schlagene Satzungsbestimmungen des Unternehmens, zum Beispiel über die Stimmrechtsverteilung, und den Gehalt der Wertpapiere (Aktien und Schuldverschreibungen), die im Zuge der Reorganisation ausgegeben wer­ den sollten. Die Kommission votierte zum Beispiel durchweg gegen die Einrichtung von Stimmrechts-Treuhandschaften (voting trusts) - weil dadurch die Aktionäre in ungesunder Weise entrechtet würden -, gegen die Einräumung von selbständigen Aktien-Bezugsrechten (stock options) weil dadurch der Wert der gleichzeitig ausgegebenen Aktien verwässert werde - und gegen Gewinnschuldverschreibungen (income bonds) - weil es sich der Sache nach um stimmrechtslose Vorzugs-Aktien handele. Generell beargwöhnte sie „hybride“ und befürwortete „typenreine“ Wert­ papiere und immer sprach sie sich für einfache und klare Kapitalstrukturen aus188. 186 Gardner, U. Pa. L. Rev. 91 (1943) 440. 187 Dazu besonders Calkins aaO. 777£; D. R. King aaO. 382 ff. 188 Über das Vorstehende besonders ausführlich D. R. King aaO. 351-376. Über das Problem der Aktien-Bezugsrechte auch (Note) Stan. L. Rev. 3 (1951) 700-710.

Mit der Vermeidung erneuter Insolvenz können alle diese Dinge immer­ hin indirekt zu tun haben, indem eine durchsichtige Kapitalstruktur mit wenigen typenreinen Papieren Vertrauen erweckt und dem Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt und anderen Kreditquellen erleichtert. Im Grunde ging es der SEC aber bei diesen Punkten um ihre gesetzliche Hauptaufgabe - den Anlegerschutz. Es sollten auch im Zuge einer Reorga­ nisation keine Papiere ausgegeben werden, die irreführenden oder von vorherein spekulativen Charakter hatten. Die allgemein vorgeschriebene Anmeldung und Prüfung von Neuemissionen konnte hier nicht stattfin­ den, weil Emissionen im Zuge einer Reorganisation von der Anmeldungs­ pflicht ausdrücklich befreit sind189. Die SEC fühlte sich deshalb verpflich­ tet, ihr allgemeines Wächteramt hier im Rahmen der Planprüfung unter dem Stichwort „Durchführbarkeit“ auszuüben190. Der so in das Verfahren einfließende Sachverstand hat nach dem Urteil aller Betrachter die Ent­ scheidungspraxis der Gerichte erheblich geprägt191. Daß der Richter den Anträgen und Gutachten der SEC nicht folgte, kam dennoch vor - nach den veröffentlichten Entscheidungen zu urteilen allerdings nur in der Richtung, daß er den Plan gegen ein negatives Votum der SEC doch für durchführbar erklärte192. Die Abweichungen in der Einschätzung eines Reorganisationsplans offenbarten in gewissem Maße unterschiedliche Grundeinstellungen. Die SEC, Beschützerin des namenlo­ sen kleinen Anlegers, urteilte nach den hohen Idealen finanzieller Vorsicht und Solidität. Die Gerichte dagegen - die die örtlichen Verhältnisse und die beteiligten Interessen vor sich haben - sind zu beeindrucken von der Realität des einzelnen Falles, von der Schreckalternative der Liquidation und von der Notwendigkeit, das Verfahren doch einmal zu Ende zu bringen193. Sie neigten deshalb eher dazu, einen Plan zu billigen, der nicht 189 § 246 (a) des bisherigen Bankruptcy Act, § 1145 des heutigen Bankruptcy Code und § 3 (a) (10) des Securities Act von 1933; darüber Loss, Securities Regulation 584 ff., und besonders eingehend Corotto, Am. Bankr. L. J. 47 (1973) 183-213. 190 So ausdrücklich Frank (N. 185) 346f. (damals Vorsitzender der SEC); SEC, Annual Report 1942, 27ff.; 1974, 129; siehe auch (Note) Stan. L. Rev. 4 (1951) 128, 134. 191 D. R. King (N. 185) 340; Calkins (N. 185) 765; (Note) Stan. L. Rev. (N. 190) 137; Jome (N. 185) 637, 653. 192 Beispiele: In re Atlas Pipeline Corp., 39 F. Supp. 846 (D. La. 1941); In re Philadelphia & Western Ry. Co., 51 F. Supp. 129 (E. D. Pa. 1943); In re Quaker City Cold Storage Co., 71 F. Supp. 124 (E. D. Pa. 1947); In re Green River Steel Corp.; In re Griess-Pfleger Tanning Co., beide zitiert bei D. R. King (N. 185) 350 N. 104, 351 N. 110. 193 Im Fall Atlas Pipeline Corp. (N. 192) bezeichnete der Richter das ablehnende Votum der SEC als „etwas kaltherzig“, eine Haltung, die bei der Gründung eines neuen, nicht aber bei der Reorganisation eines bestehenden Unternehmens angebracht sei; in einem solchen Fall „a more practical view should be taken“ (S. 848). Für die oft weniger grundsätzliche Einstellung

der reinen Lehre der SEC entsprach, wenn er von der großen Mehrheit der Kapitalinteressen gestützt wurde und nicht zu offensichtlich den Keim der nächsten Insolvenz schon in sich trug. In der großen Mehrzahl der Fälle aber bestand Einvernehmen mit der SEC, und auch da, wo die Gerichte ihr nicht folgten, mußten sie sich wenigstens mit den kritischen Punkten des Planes bewußt und ausführlich auseinandersetzen. Die hier in der Vergangenheitsform geschilderte Prüfungspraxis der SEC war ein Reformthema - u. a. weil sie Zeit in Anspruch nahm194. Das neue Gesetz schreibt deshalb nicht mehr vor, daß die SEC am Verfahren von Amts wegen zu beteiligen ist, aber es beläßt ihr das Recht, im Verfahren zu Gehör zu kommen (§§ 1109). Die SEC scheint entschlossen, auch auf dieser schwächeren Grundlage in der Reorganisationspraxis wach­ sam und aktiv mitzu wirken195. 2. Gerechtigkeit Der Reorganisationsplan muß nicht nur wirtschaftlich gesund, sondern auch „billig und gerecht“ sein („fair and equitable“). Diese Worte gebrauchte das Gesetz von 1938 (§§ 174, 221 [2]), heute steht der gleiche Grundgedanke hinter einer weitaus komplizierteren Regelung (§ 1129 [a] [7], § 1129 [b]). Billig und gerecht bedeutet im Einklang mit den Grundsät­ zen des Equity-Rechts zunächst, daß der Plan nicht durch unlautere Mittel zustandegebracht werden und nicht einzelnen Interessenten oder einzelnen Gruppen in offensichtlich unbilliger Weise Vorteile verschaffen oder Scha­ den zufugen darf. Aber es genügt nicht, daß beim Aushandeln und Formulieren des Reorganisationsplans gewisse äußere Grenzen des geschäftlichen Anstands gewahrt werden. Unter dem Titel „Gerechtigkeit und Billigkeit“ sehen die amerikanischen Juristen vielmehr das Problem, wie die Lasten und die Wohltaten der Reorganisation auf die beteiligten Kapitalinteressen richtig zu verteilen sind. Diese Frage hat sie mehr als jede andere über Jahrzehnte hin beschäftigt. a) Northern Pacific Ry. Co. v. Boyd (1913). - Die Geschichte beginnt 1913 mit dem Fall des übergangenen Gläubigers der Northern Pacific196. Hier der Gerichte siehe auch In re Philadelphia & Western Ry. Co. (N. 192); Rauscher v. North West Cities Gas Co., 46 F. Supp. 49 (E. D. Wash. 1942); In re Dover Boiler Works, Inc., 38 F. Supp. 761 (D. N. J. 1941); In re Quaker City Cold Storage Co. (N. 192). 194 Dazu näher unten S. 129 f., 300. 195 So der zuständige Abteilungsleiter, Aaron Levy, in einem Brief an den Verfasser vom 1. 7. 1980 und in Am. Bankr. L. J. 54 (1980) 29 ff. 196 Siehe oben S. 60ff.

entschied der Oberste Gerichtshof, daß kein Gläubiger von der reorgani­ sierten Gesellschaft ferngehalten werden darf, wenn gleichzeitig den alten Aktionären Anteile am reorganisierten Unternehmen eingeräumt werden. Bis zu dieser Entscheidung hatte man das Neuarrangement der Kapitalin­ teressen der Vereinbarung der beteiligten Gruppen überlassen. Entschei­ dend waren Verhandlungsraum und Verhandlungskunst, nunmehr war der Verhandlungsraum begrenzt durch die Maßstäbe, die das Gericht unter dem Gesichtspunkt der „fairness" anlegen mochte197. Die Entscheidung wurde bald allgemein so verstanden, daß sie nicht nur im Verhältnis zwischen Gläubigern und Aktionären, sondern jeweils auch innerhalb der Gläubigergesamtheit und der Aktionärsgesamtheit die Beachtung einer gewissen Rangfolge zwischen den einzelnen Klassen verlangte. Aber wie danach die bisherigen Rechtsinhaber in der neuen Kapitalstruktur zu berücksichtigen seien, blieb ungeklärt. Die Gerichte entschieden von Fall zu Fall und ließen es meistens genügen, wenn der Reorganisationsplan eine Gruppe von Kapitalgebern nicht zu eklatant benachteiligte oder aus dem Unternehmen herauszudrängen versuchte; allseits akzeptierte Richtlinien ließen sich daraus nicht destillieren198. b) Absolute gegen relative Vorrangstheorie. - Die Beschäftigung mit dem Problem erhielt einen festeren begrifflichen Rahmen, als sich in der Diskus­ sion zwei gegensätzliche Modellpositionen herausschälten, mit deren Hilfe sich die Fülle der geäußerten und praktizierten Standpunkte einordnen ließ. Die eine wurde die Theorie des absoluten Vorrangs („theory of absolute priority"), die andere die Theorie des relativen Vorrangs („theory of relative priority“) genannt199. Das Problem der Lasten- und Nutzenvertei­ lung in der Reorganisation konnte nun in diesen Kategorien erörtert und die durchgeführten Reorganisationen danach beurteilt werden, ob in ihnen die eine oder die andere Theorie befolgt wurde200. Nach der absoluten Vorrangstheorie ist von der rechtlichen Situation auszugehen, die bei einer Liquidation oder einem Gesamtverkauf des Unternehmens bestünde. Dann würden die Kapitalgeber in ihrer streng­ 197 Siehe oben S. 62 ff. 198 Über die Praxis nach der Boyd-Entscheidung Swaine, Col. L. Rev. 27 (1927) 911 ff; (Note) Col. L. Rev. 35 (1935) 393-404; SEC-Report VIII 52-60; Dewing (1953) 1302f. 199 Geprägt wurden die Ausdrücke offenbar in einem - später als klassisch bezeichneten Aufsatz von BONBRIGHT/BERGERMAN, Two Rival Theories of Priority Rights of Security Holders in a Corporate Reorganization, Col. L. Rev. 28 (1928) 127 ff. 200 Die wohl klarste Darstellung der gegensätzlichen Vorrangslehren (mit Nachweisen der überreichlichen Literatur) findet sich bei Gerdes, U. Pa. L. Rev. 89 (1940) 39, 45-60. Kurz und übersichtlich mit vielen Nachweisen auch Collier VI A § 11.06 S. 210-215, 221 f.; Conard, Int. Enc. Comp. L. XIII 6 (1972) § 42.

rechtlichen Rangfolge aus dem Erlös befriedigt werden: zunächst voll die erstrangig gesicherten Gläubiger, dann, soweit für sie noch etwas übrig ist, die nachrangig gesicherten, dann die ungesicherten und schließlich, wenn alle Gläubiger befriedigt sind, die Aktionäre (erst die Aktionäre mit LiquidationsVorzug, dann die Stammaktionäre). Reorganisation ist in die­ ser Sicht Ersatz für die Liquidation. Von ihr unterscheidet die Reorganisa­ tion sich nur dadurch, daß - da ja das Unternehmen nicht zu Geld gemacht werden soll - die bisherigen Kapitalgeber nicht einen baren Erlösanteil, sondern verbriefte Rechte an dem reorganisierten Unternehmen erhalten, oder - anders gesehen -, daß der Wert des Unternehmens, weil nicht zu Geld gemacht, auf die bisherigen Kapitalgeber nicht in Geld, sondern qua Wertpapierausgabe verteilt wird. Aber auch bei dieser „Verteilung“ ist die Rangfolge der Kapitalgeber streng zu beachten. Die erstrangig gesicherten Anleihegläubiger müssen also Obligationen zum genau gleichen Gehalt und Betrag erhalten oder, da dies in der Regel nicht möglich ist, Wertpa­ piere, die nach Betrag und Gehalt einen vollen Wertausgleich für die „alten“ Rechte bieten (so z. B., wenn Aktien für Obligationen gegeben werden sollen). Erst wenn die vorrangigen Gläubiger auf diese Weise voll befriedigt sind, dürfen die nachrangigen Gläubiger und dann erst die Aktionäre mit Rechten gegen das reorganisierte Unternehmen bedient werden. Mit anderen Worten: Kein Gläubiger oder Aktionär darf - per Gläubigerrecht oder Anteilsrecht - in der Kapitalstruktur des reorganisier­ ten Unternehmens einen Platz erhalten, bevor nicht die Rechte aller vorrangigen Kapitalgeber durch Geld oder Wertpapiere mit Geldes Wert voll befriedigt sind201. Nach der relativen Vorrangstheorie ist die Reorganisation nicht Ersatz, sondern das Gegenteil von Liquidation: Ansprüche auf das Unternehmens­ vermögen, die nach strengem Recht gegeben sind, werden vertagt und versagt, weil der Fortbestand des Unternehmens wirtschaftlicher und gerechter erscheint als strenge Rechts Verwirklichung. Bei wirtschaftlicher Betrachtung werden von der Insolvenz des Unternehmens alle Kapitalge­ ber - gleichgültig ob Gläubiger oder Aktionäre - prinzipiell gleichartig getroffen, und es kann deshalb nicht falsch sein, wenn alle, auch die bestgesicherten Gläubiger, für den Fortbestand des Unternehmens in gewissem Maße zu Opfern herangezogen werden. Nach dieser Lehre ist also rechtlich nichts dagegen zu sagen, daß die vorrangigen Kapitalgeber, zum Beispiel gesicherte Anleihegläubiger, zu Opfern veranlaßt werden und doch auch den Aktionären eine Beteiligung an der reorganisierten 201 BONBRIGHT/BERGERMAN (N. 199) 130f.; Gerdes (N. 200) 45 ff.

Gesellschaft zugestanden wird. Was „fairness and equity“ verlangen, ist nur, daß der Rangunterschied, der in dem alten Unternehmen zwischen den einzelnen Klassen von Kapitalgebern bestand, in der neuen Kapital­ struktur gewahrt bleibt (wobei es wesentlich auf die Verteilung des laufen­ den Ertrags, nicht eines etwaigen Liquidationserlöses ankommt). Wenn also die alten Aktionäre am Anteilskapital der reorganisierten Gesellschaft beteiligt bleiben sollen, dürfen die alten hypothekarisch gesicherten und festverzinslichen Schuldverschreibungen in ungesicherte Gewinnobligatio­ nen umgewandelt werden, nicht aber in Aktien - weil dann der Rangunter­ schied (zwischen Gläubigern und Aktionären) nicht mehr gewahrt wäre202. Die Unterschiede zwischen diesen Positionen werden an einem einfach gehaltenen fiktiven Beispiel plastischer: Die Kapitalisierung des Unterneh­ mens sei erfolgt zu 4 Mio. mit gesicherten Obligationen, zu 1 Mio. mit ungesichertem Wechselkredit und zu 5 Mio. mit Aktien, zusammen mit 10 Mio. Nach Eintritt der Insolvenz zeigt sich, daß das Unternehmen, wenn durch Reorganisation gerettet, noch einen Wert von 4 Mio. hat. Die absolute Vorrangsregel erlaubt dann nur den gesicherten Obligationären die weitere kapitalmäßige Beteiligung an dem Unternehmen - durch Aktien und Forderungsrechte -, weil nur ihre Ansprüche vom Unterneh­ menswert gedeckt sind; die ungesicherten Wechselgläubiger und die Aktionäre sind „unter Wasser“; sie können ihren völligen Ausfall nur dadurch abwenden, daß sie neues Kapital einschießen (und damit den Unternehmenswert entsprechend erhöhen). Nach der relativen Vorrangs­ regel wäre es dagegen zulässig, auf der gleichen Basis von 4 Mio. auch die anderen bisherigen Kapitalgeber (zum Nachteil der Obligationäre) am reorganisierten Unternehmen zu beteiligen, solange die alten Rangunter­ schiede gewahrt bleiben, zum Beispiel: Die bisher gesicherten Obligatio­ näre erhalten ungesicherte Schuldverschreibungen im Betrag von 1,6 Mio., die Wechselgläubiger erhalten Vorzugsaktien im Betrag von 0,4 Mio. und die alten Aktionäre neue Stammaktien in Höhe von 2 Mio. Als die Betrachtung nach absoluter und relativer Vorrangstheorie Ende der zwanziger Jahre aufkam, ergaben Untersuchungen von unlängst abge­ schlossenen Eisenbahn-Reorganisationen, daß die Praxis keine der Theo­ rien in Reinheit befolgte, immerhin aber in ihren Ergebnissen näher an der relativen Vorrangstheorie lag203. Dies entsprach der damaligen wirtschaftli­ chen und rechtlichen Situation. Denn die absolute Vorrangsregel begün­ stigt die Gläubiger, und diese um so mehr, je besser sie gesichert sind. Bei 202 Bonbright/Bergerman (N. 199) 131 f.; Gerdes (N. 200) 56ff. 203 Bonbright/Bergerman aaO. 133 ff.

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Flessner BIPR 48

den Eisenbahnen und anderen Großunternehmen waren dies vor allem die Besitzer der hypothekarisch oder sonstwie an erster Stelle gesicherten Anleihen (first mortgage bonds), also der Papiere mit der größten Sicher­ heit und dem geringsten Ertrag - der typischen Anlageform für den kleinen unerfahrenen Sparer und die Versicherungsfonds. Die Doktrin des relati­ ven Vorrangs erlaubte dagegen eher auch den ungesicherten Geschäftsgläu­ bigern (z. B. Wechselinhabern, also oft: den Banken) und vor allem dem Aktienkapital (auf das sich die Unternehmensleitung stützte) die Weiterexi­ stenz im reorganisierten Unternehmen. Sie ließ anscheinend auch mehr Raum für das Aushandeln des Reorganisationsplans (weil nach ihr niemand von Rechts wegen ausgeschlossen werden muß); in der Ära der EquityReceivership begünstigte dies ebenfalls die Unternehmensleitung und die mit ihr zusammenarbeitenden Banken204. In dem Gegensatzpaar der absolu­ ten und der relativen Vorangstheorie standen also letztlich gegeneinander die Interessen des Sparkapitals und die Interessen des Unternehmerkapitals, und die Anlage des Receivership-Verfahrens machte es erklärlich, daß, wollte man die Ergebnisse in diesen Begriffen sehen, die relative Vorrangs­ theorie immer leicht die Oberhand behielt205. Der Widerstreit zwischen absoluter und relativer Vorrangsregel wurde fortgesetzt, als 1934 das Receivership-Verfahren vom Verfahren nach § 77B abgelöst wurde. Das neue Gesetz verlangte ausdrücklich, daß der Reorganisationsplan „fair and equitable“ sein müsse (§ 77B[f] [1]); aber was das bedeutete, ließ es offen, und die Praxis der Gerichte bewegte sich uneinheitlich zwischen den gegnerischen Stellungen (wobei freilich die Befürworter von „absolute priority“ leichte Geländegewinne für ihre Ansicht melden konnten)206. Die Formulierung, daß der Reorganisationsplan „fair and equitable“ sein müsse, ging 1938 unverändert in das neue Kap. X des Konkursgesetzes ein. Inzwischen hatte sich aber die Lage gewandelt. Die SEC, Vorkämpferin für den Anlegerschutz, hatte in ihrem achtbändigen Bericht über das Reorganisationswesen207 und in öffentlichen Äußerungen ihrer führenden Mitarbeiter die rigorose Anwendung der absoluten Vorrangsregel gefor­ dert208. Ihr ging es dabei um Anlegerschutz: die Erwartungen des Anlegers, 204 Siehe dazu oben S. 47ff., 72f. 205 Siehe die Darstellungen oben N. 198. 206 Über die Praxis unter § 77B: FINLETTER 385-422; SEC-Report VIII 142-152; Spaeth/ Friedberg, 111. L. Rev. 30 (1935) 137 ff; (Note) Harv. L. Rev. 49 (1936) 1190 ff; Frank (oben N. 185) 330 f; BONBRIGHT, Valuation 867 f, 885 ff. 207 Siehe oben S. 79 und N. 206. 208 Einige dieser Äußerungen werden zitiert von Rostow/Cutler, Yale L. J. 48 (1939) 1346 N. 55, und Gerdes (N. 200) 46 N. 25.

die sich auf den rechtlichen Gehalt des erworbenen Papiers gründen, sollten in der Reorganisation nicht mehr als unbedingt notwendig enttäuscht werden. Auch ließen sich mit dieser Doktrin die Banken- und Untemehmerinteressen bekämpfen, die nach Auffassung der SEC immer dazu neigten, die Masse der Anleger zum Spielball ihrer eigenen Belange zu machen209. Die SEC erhielt dann „ihr“ Gesetz in der Form des Kap. X. Die Theorie des absoluten Vorrangs war in das Gesetz zwar nicht hineingeschrieben. Nachdem das Gesetz der SEC aber den Zutritt zum Reorganisationsverfah­ ren eröffnet hatte, drang die Kommission in jedem Verfahren, an dem sie teilnahm, auf Respektierung der absoluten Vorrangstheorie - nach Ansicht der Kommission die einzig mögliche Auslegung des Gesetzes; dies wurde von den Gerichten auch mehr und mehr akzeptiert210. Im Frühjahr 1939 wurde William O. Douglas, bis dahin Vorsitzender der SEC, geistiger Urheber und teilweise selbst Verfasser des achtbändigen Berichts, zum Richter am Obersten Gerichtshof in Washington berufen. Noch im glei­ chen Jahr fällte der Gerichtshof eine berühmte Grundsatzentscheidung, die - begründet von Richter Douglas - der Reorganisationspraxis die Anwen­ dung der absoluten Vorrangsregel zur Pflicht machte211. c) Case v. Los Angeles Lumber Products Co. (1939). - Der Sachverhalt, über den der Oberste Gerichtshof zu entscheiden hatte, war einfach212. *Es ging um die Reorganisation einer mittelgroßen Werft in Los Angeles, die überschuldet war. Ihre Verbindlichkeiten bestanden im wesentlichen aus einer gesicherten Anleihe von 2,5 Mio. $ und aufgelaufenen Anleihezinsen von Höhe von 1,3 Mio. $, zusammen 3,8 Mio. $. Demgegenüber betrug der Wert des Anlagevermögens 465000 $, der des Umlaufvermögens (Vorräte, Außenstände) 365000 $, zusammen also nur 830000 $. Zwischen den Aktionären und den Anleihegläubigern wurde ein Reorganisationsplan ausgehandelt, der die Umwandlung der Anleiheforderungen (Kapital und Zinsen) in Aktien vorsah. Das neue Aktienkapital von insgesamt 1 Mio. $ sollte so zugeteilt werden: 641000 $ als Vorzugsaktien an die Gläubiger im Umtausch für ihre Forderungen; 189000 $ als einfache Aktien an die 209 Siehe z.B. SEC-Report VIII 153fF. 210 Angaben über die Praxis der SEC und der Gerichte in den ersten Jahren unter Kap. X bei Jome (N. 185) 629f., 643f.; Frank (N. 185) 338-343; (Note) N.Y.U.L.Q. Rev. 18 (1941) 459 f. 211 Case v. Los Angeles Lumber Products Co., 308 U.S. 106 (1939). 212 Die nachfolgende Darstellung beruht auf den veröffentlichten Entscheidungen aller drei Instanzen - 24 F. Supp. 501 (S.D.Cal. 1938); 100 F. 2d 963 (Cir. 8, 1939); 308 U.S. 106 (1939) - sowie der ausführlichen, auch Vorgeschichte und Hintergründe mitteilenden Darstellung von Dewing (1953) 1304f., insbes. Anm. h.

bisherigen Aktionäre (= zusammen 830000 $); der Rest von 170000 $ an neue Geldgeber. Der Plan wurde angenommen von den Aktionären mit einer Mehrheit von 99%, von den Anleihegläubigern mit einer Mehrheit von 92% der Gesamtforderung. Gegen ihn wandten sich vor Gericht zwei Anleihegläu­ biger, die zusammen weniger als 1/2% des Anleihekapitals besaßen. Sie rügten unter anderem, daß der Plan den Aktionären eine Weiterexistenz zubillige, obwohl das Vermögen der Gesellschaft nicht einmal zur Befrie­ digung der Anleihegläubiger ausgereicht habe. Der erstinstanzliche Richter wies die Rüge zurück, nicht zuletzt beeindruckt von der überwältigenden Mehrheit, die der Plan bei den Anleihegläubigern selbst gefunden hatte213. Das Berufungsgericht bestätigte ihn214. Die hartnäckigen Kläger baten nun den Obersten Gerichtshof in Washington um Überprüfung und dieser zog die Sache durch „writ of certiorari" an sich215. An diesem Punkt der Auseinandersetzung betrat die SEC den Kampf­ platz. Der Fall war an sich nicht wichtig, aber er war einfach genug, um den Unterschied zwischen absolutem und relativem Vorrang scharf her­ vortreten zu lassen. Die Kommission, die in hunderten von laufenden Verfahren die Instanzgerichte immer wieder zu ihrer Sicht der Problematik drängen mußte, suchte eine Gelegenheit, die absolute Theorie ein für allemal durch höchstrichterliche Autorität festschreiben zu lassen. Sie trat dem Verfahren als „amicus curiae" bei und stellte in einem sorgfältig ausgearbeiteten Schriftsatz noch einmal alle Gründe zusammen, die nach ihrer Ansicht für die absolute Vorrangsregel (und damit für die Aufhebung der Vorentscheidungen) sprachen, nämlich216: (1) Kapitalanleger, die in gut gesicherten vorrangigen Wertpapieren investieren, verzichten auf hohe Erträge um der Sicherheit der Anlage willen. Es ist ungerecht, sie im negativen Ernstfall doch gleichzustellen mit den Anlegern, die - etwa durch Kauf von Aktien - bewußt eine spekulati­ vere Anlageform gewählt haben. (2) Verwirklichung der absoluten Rangfolge führt allgemein zu einer sehr erwünschten Vereinfachung der Kapitalstrukturen - einfach dadurch, daß von den oft zahlreichen Kapitalschichten eines Unternehmens die „schwächeren“ rigoros ausgeschieden werden. Versucht man dagegen, allen alten Anlegergruppen auch im neuen Unternehmen einen Platz zu sichern, so bewahrt, ja erhöht man die Komplexität der Kapitalstruktur. 213 24 F. Supp. 508-510, 513£ 214 100 F. 2d 963 (Cir. 8, 1939). 215 307 U.S. 619 (1939). 216 Die wesentlichen Teile des Schriftsatzes sind abgedruckt bei Blum/Kaplan, Materials 389-391.

Das erschwert die Bewertung der einzelnen Wertpapiere und kann zu einem Hindernis für spätere Kapitalaufnahmen werden. (3) Wenn man versucht, alle Kapitalinteressen auch in der neuen Kapital­ struktur zu berücksichtigen, erhalten diejenigen, die am unteren Ende der Rangleiter stehen, oft Papiere (in der Regel Aktien), die vom wirtschaftli­ chen Wert des Unternehmens nicht mehr gedeckt sind. Solche Papiere sind eine Gefahr für spätere Käufer und lassen sich leicht für Marktmanipulatio­ nen einsetzen. (4) Aktien, die an sich wertlos sind, ermöglichen immerhin noch die Beherrschung des Unternehmens mit Hilfe des Stimmrechts. Bei über­ schuldeten Unternehmen den alten Aktionären die Herrschaft mit Hilfe neuer Aktien zu belassen, ist gegenüber den vorrangigen Anlegern (insbe­ sondere den Gläubigern) ungerecht. Die herrschende Aktionärsgruppe wird in solchen Fällen auch zu oft versucht sein, das neue Unternehmen zum Nachteil der anderen Kapitalgeber auszubeuten. (5) Eine klare Regel wie die des absoluten Vorrangs macht die Reorgani­ sation zu einem geordneten Verfahren, in dem Vermögenswerte nach einer bestimmten Rangfolge zugeteilt werden („orderly process of allocating assets in accordance with priorities"). Das erschwert denen das Geschäft, die durch bloße Obstruktion ungerechtfertigte Vorteile für sich herausho­ len wollen, was oft geschieht, wenn verstreuter vorrangiger Anleihebesitz auf eine beherrschende Aktionärsgruppe trifft. Der Supreme Court traf einstimmig die von der SEC gewünschte Entscheidung. Auf die rechtspolitischen Gründe ging das von Richter Douglas geschriebene Urteil nicht ein. Mit Entschiedenheit verkündete das Gericht: (1) Der Richter ist durch das Gesetz zur selbständigen Prüfung der Gerechtigkeit des Planes aufgefordert. Auch überwältigende Mehrheiten der Aktionäre und Gläubiger sind kein Indiz für die Gerechtigkeit des Plans und dürfen ihn von der eigenen Prüfung nicht abbringen217. (2) Die absolute Vorrangsregel ist seit jeher der Maßstab für die Gerech­ tigkeit des Reorganisationsplans. Sie verlangt, daß nachrangige Kapitalge­ ber am reorganisierten Unternehmen erst dann beteiligt werden dürfen, wenn alle vorrangigen für ihre alten Rechte volle „Bezahlung“ durch neue Papiere erhalten haben218. (3) Im Fall der Überschuldung verbietet sie eine Beteiligung der Aktio­ näre an dem neuen Unternehmen, weil in diesem Fall nicht einmal die Gläubiger durch neue Anteile voll befriedigt werden können219. 217 308 U.S. 114f.

218 aaO. 115-119.

219 aaO. 119-121

(4) Die Aktionäre können sich die Beteiligung an dem reorganisierten Unternehmen nur sichern, wenn sie einen neuen Betrag in Geld oder Geldeswert leisten220. Diesen Grundsätzen entsprach der vorgelegte Reorganisationsplan evi­ dentermaßen nicht. Das Vermögen der Werft (830000 $) deckte nicht einmal ein Viertel der Anleiheschuld zuzüglich der Zinsen (3,8 Mio. $); dennoch sollten ca. 23% seines Wertes für die alten Aktionäre „abgezweigt“221 222 werden, indem diese Aktien im Betrag von 189000 $ erhielten. „Ein solches Ergebnis ist unhaltbar. "222 Der erstinstanzEche Richter hatte die Beteiligung der alten Aktionäre unter anderem damit gerechtfertigt, daß die von ihnen gestellte Unterneh­ mensleitung mit dem Betrieb vertraut sei, daß die herrschende Aktionärs­ gruppe Ansehen in Bankkreisen und bei potentiellen Kunden genieße und daß durch sie die Kontinuität in der Unternehmensleitung sichergestellt würde223. Das läßt der Supreme Court nicht als hinreichenden Beitrag der Aktionäre gelten. Eine Weiterbeteiligung der Aktionäre könne sich nur auf Leistungen gründen, die sich in die Bilanz des reorganisierten Unterneh­ mens einstellen ließen; die hier vorgebrachten „Vorteile“ verkörperten nur vage Hoffnungen und Möglichkeiten. „The rigorous Standards of the absolute or full priority doctrine . . . will not permit valueless junior interests to perpetuate their position in an enterprise on such ephemeral grounds.“224. Für den Reorganisationsplan war des weiteren geltend gemacht worden, daß die Gläubiger erheblich weniger als den zugrunde gelegten Wert realisiert hätten, wenn die Werft liquidiert worden wäre225. Aber dieses Argument wischt der Supreme Court beiseite: Durch das Reorganisations­ verfahren soll die Liquidation im Interesse von Schuldnern und Gläubigern gerade vermieden werden. Dann kann nicht einer seiner wesentlichen Grundsätze mit dem drohenden Hinweis auf die Alternative der Liquida­ tion aus den Angeln gehoben werden226. Ergebnis: Der Reorganisationsplan war nicht „fair and equitable“; die bestätigenden Entscheidungen der Vorinstanzen mußten aufgehoben werden227. aaO. 121 f. „The value of the property . . . is partially diverted for the benefit of stockholders"; 120. aaO. 121. 223 24 F. Supp. 512f. 224 aaO. 123. 24 F. Supp. 513. 226 308 U.S. 123f. 227 „Wie es weiter ging“, wird von Dewing (N. 212) 1309 N. o mitgeteilt: Die den Anleihegläubigern schließlich zugeteilten Aktien hatten infolge der Kriegskonjunktur bis 1941 220 221 aaO. 222 225

d) Folgeprobleme. - Die Entscheidung im Los Angeles-Fall war nun der Leitstern, an dem Reorganisationspläne sich auszurichten hatten228. Die Praxis wurde begleitet von einer intellektuell anspruchsvollen Aufsatzlite­ ratur, in der die Probleme scharf analysiert und akribisch durchargumen­ tiert wurden. Eine Fülle von Fragen tat sich auf, die aus der Entscheidung selbst nicht ohne weiteres zu beantworten waren. Einige der wichtigeren sollen hier skizziert werden. Sie lassen die Schwierigkeiten erkennen, die zu bewältigen sind, wenn man - wie die absolute Vorrangstheorie es tut - die Lasten und Vorteile in der Reorganisation mit Hilfe einer Rechtsrcgd zu teilen will. Als oberster Grundsatz der absoluten Vorrangstheorie gilt: Die Teil­ nahme an der Reorganisation richtet sich nach der streng-rechtlichen Rangfolge der alten Rechtspositionen229; es muß erst jede Klasse von Kapitalgebern „vollen Ausgleich“ („full compensation“) für ihre alten Rechte erhalten, bevor die nächstrangige Gruppe von Kapitalgebern in der Kapitalstruktur des reorganisierten Unternehmens berücksichtigt werden kann230. . aa) Wofilr muß voller Ausgleich gewährt werden? Die absolute Vor­ rangsregel geht aus von der Befriedigungsfolge, die im Falle der Liquida­ tion einzuhalten wäre. Es hegt also nahe, die Kapitalgeber für den Betrag zu entschädigen, den sie im Falle einer Liquidation zu fordern haben, also bei Anleiheforderungen: mit dem Nennbetrag der Obligation (zuzüglich etwa aufgelaufener Zinsen). Aber entspricht es dem Wesen der Reorganisa­ tion, die doch die Erhaltung des Unternehmens bewirken soll, nicht eher, von dem Markt- oder Anlagewert (investment value) der Obligation auszugehen, den diese, erfolgreiche Reorganisation vorausgesetzt, gehabt hätte? Bei Obligationen, die ohne den Eintritt der Insolvenz noch nicht fällig gewesen wären, ist der Anlagewert in der Regel niedriger als der Liquida­ tions- und Nennwert, weil dieser für Anlageentscheidungen immer um die Risiken der verbleibenden Laufzeit zu diskontieren ist. Die Frage wurde

so sehr an Wert gewonnen, daß sich durch einen Verkauf praktisch das gesamte Forderungs­ kapital und ein großer Teil der Zinsforderung realisieren ließ. 228 Unmittelbar zu der Entscheidung besonders ausführlich Dodd, Harv. L. Rev. 53 (1940) 713 ff. Allgemein über die Rechtslage seitdem: Collier VI A § 11.06 mit Nachweisen über Literatur und Rechtsprechung. 229 Die Vorrangsregel wird deshalb oft auch „rule of strict priority“ genannt. 230 Eine besonders klare Darstellung der Regel und ihres Anwendungsmechanismus gibt ein Aufsatz (Note) in der Harv. L. Rev. 87 (1974) 1786 ff. Viel zitiert wird auch die kurze Beschreibung bei Collier (N. 228) S. 210-214. Zum Ganzen auch Kramer 96ff.

eine gewisse Zeit eingehend diskutiert; es scheint, daß die Befürworter der Nennwert-Entschädigung die Oberhand behielten231. bb) Wenn aufgrund des Unternehmenswertes feststeht, welche Kapital­ geber mit ihren Rechten in der Reorganisation überhaupt noch berücksich­ tigt werden müssen, ist die nächste Frage, in welcher Art und Menge der geforderte volle Ausgleich für die bisherigen Rechte geleistet werden muß. Geld kommt in der Regel nicht in Frage, da das Wesen der Reorganisation gerade in der Vermeidung der Barliquidation besteht. Auch kann der Ausgleich nur in Ausnahmefällen bedeuten, daß die Kapitalgeber Papiere erhalten, die nach Art und Betrag mit den bisherigen genau übereinstim­ men. Denn die Reorganisation muß immer eine Entlastung des Unterneh­ mens durch inhaltliche Schwächung der bisherigen Rechtspositionen von Kapitalgebern herbeifuhren232. Im Rahmen der absoluten Vorrangsregel entsteht also die Frage, wie denn Kapitalgeber für den Nennwert der Ansprüche als „voll befriedigt“ angesehen werden können, wenn sie Forderungs- oder Anteilstitel erhalten, die nach Inhalt oder Betrag von minderer Qualität als die bisherigen sind. Die Antwort ist einfach, wenn nach dem verbliebenen Wert des Unter­ nehmens überhaupt nur noch eine der bisherigen Kapitalgeberklassen für die Teilnahme an der Reorganisation in Betracht kommt. So lag es im Fall der Los Angeles Lumber Co.233, und so war das Beispiel oben S. 97 gebildet. In solchen Fällen ist es klar, daß die bisherigen Obligationäre ganz oder teilweise mit Aktien abgefunden werden müssen, da die reorganisierte Gesellschaft Eigenkapital haben muß. Ganz gleich aber, ob nur mit Aktien oder zum Teil auch mit neuen Forderungstiteln entschädigt wird: in jedem Fall steht doch fest, daß der Unternehmens wert, soweit noch vorhanden, qua Anteils- und Forderungstitel vollständig an die eine berechtigte Kapi­ talgeberklasse verteilt wird, diese also volle Entschädigung im Sinne der absoluten Vorrangsregel erhält. Die Schwierigkeiten beginnen, wenn - wie es häufiger ist - mehr als nur eine Kapitalgeberklasse mit ihren Rechten berücksichtigt werden kann. In dem Beispiel oben S. 97 sei der Reorganisationswert des Unternehmens nicht nur 4 Mio., sondern 5 Mio. Dann steht fest, daß auch die Wechsel­ gläubiger an dem reorganisierten Unternehmen irgendwie beteiligt werden 231 Für Entschädigung nach „investment value“: Billyou, Harv. L. Rev. (1954) 553ff., 1379 ff.; (Note) Yale L. J. 61 (1952) 656 ff; Yale L. J. 63 (1954) 812 ff.; für Entschädigung nach „liquidation value“: Blum, Harv. L. Rev. 67 (1954) 1367ff; U. Chi. L. Rev. 25 (1958) 421 ff; Brudney, Harv. L. Rev. 72 (1959) 645ff.; Blum/Kaplan, U. Chi. L. Rev. 41 (1974) 651 ff. 232 Sonst ist der Reorganisationsplan in der Regel nicht „durchführbar“; siehe oben S. 91 ff. 233 Siehe oben S. 99 ff

müssen. Ein Reorganisationsplan, der unter dem Gesichtspunkt der „feasi­ bility“ (siehe oben S. 92f.) den Grundsätzen solider Finanzierung entsprä­ che, könnte so aussehen: Die bisherigen Aktionäre müssen ausscheiden; die Wechselforderungen (1 Mio.) werden umgewandelt in Stammaktien glei­ chen Nennbetrags; die Obligationen werden umgewandelt zur Hälfte (2 Mio.) in Vorzugsaktien (mit Liquidations- und Dividenden Vorzug), zur anderen Hälfte (2 Mio.) in neue gesicherte Obligationen. Aber wäre der Plan „gerecht und billig“ im Lichte der absoluten Vorrangstheorie? Die Obligationäre erhalten zwar Anteils- und Forderungstitel zum gleichen Nennwert wie ihre bisherigen Obligationen, und es bleibt dadurch, daß sie Vorzugsaktien erhalten, ihr Einkommens- und Liquidationsvorrang gegen­ über den bisherigen Wechselgläubigern gewahrt. Da Vorzugsaktien jedoch keinen festen Zins- und Rückzahlungsanspruch gewähren, werden diese Papiere nicht denselben wirtschaftlichen Wert haben wie die dafür aufgege­ benen Obligationen gleichen Nennbetrags. Der Reorganisationsplan wird den Obligationären mithin nicht den „vollen Ausgleich“ verschaffen, der nach der Los Angeles-Entscheidung erforderlich ist. Eine zweite Grundsatzentscheidung des obersten Gerichts mußte aus diesen Schwierigkeiten den Ausweg weisen234. In ihr verfeinerte das Gericht die absolute Vorrangsregel durch einen Zusatz, der - etwas respektlos - die „Bonus-Regel“ genannt wurde, nämlich: In der Reorgani­ sation können Kapitalgeberrechte in neue Rechte von geringerer Qualität umgewandelt werden. Für den Qualitätsverlust muß aber ein zusätzlicher Ausgleich gewährt werden. Dieser kann bestehen in einer Erhöhung des Zins- oder Dividendenrechts, in Stimmrechts vorteilen oder in irgendeiner anderen „Beigabe“, die den wirtschaftlichen Wert der neuen Titel doch wieder auf den Nennwert der aufgegebenen alten bringt; er kann auch schlicht darin liegen, daß die Qualität der alten Titel durch eine größere Quantität an neuen Titeln kompensiert wird. Wenn der Reorganisationsplan im genannten Beispiel „gerecht und billig“ sein soll, müßte er den Obligationären also zusätzlichen Vorteil gewähren, zum Beispiel: ein Dividendenvorrecht, das höher ist als der Zinssatz des alten; ein Stimmrecht neben den Stammaktionären (oder auch - in dividendenlosen Jahren - an ihrer Stelle); einen zusätzlichen Posten an Aktien oder Vorzugsaktien auf Kosten der Aktienmenge, die für die alten Wechselgläubiger vorgesehen ist. Welches solcher Mittel - allein oder zusammen mit anderen - gewählt werden soll und tatsächlich zum vollen

234 Consolidated Rock Products Co. v. DuBois, 312 U.S. 510 (1941).

wirtschaftlichen Ersatz für die alten Rechte fuhrt, ist immer nach den Umständen und Erfordernissen des Einzelfalls zu beurteilen235. cc) Wenn voller Ausgleich in Form von neuen Kapitalgeber-Titeln zu leisten ist: welches ist dann der Geldwert, mit dem die neuen Titel in die Ausgleichsrechnung eingesetzt werden? Man könnte daran denken, den Kurs, zu dem der Markt die neuen Papiere aufnehmen wird, als Maßstab zu nehmen; dann könnten die Kapitalgeber durch Verkauf der neuen Papiere alsbald nach der Ausgabe den Wert ihrer alten Berechtigungen in bar realisieren236. Dabei würde aber verkannt, daß die Reorganisation gerade auf Mißtrauen gegen die Barliquidation sowie auf dem Prinzip Hoffnung beruht: Reorganisation ist nötig und möglich, weil die ihr zustimmenden Kapitalgeber und die sachverständigen Gerichts- und Behördeninstanzen den inneren Wert des Unternehmens langfristig höher einschätzen als der allgemeine Wertpapiermarkt es tut. Die neuen Papiere des reorganisierten Unternehmens werden - in den Augen der Reorganisa­ toren zu Unrecht - auf dem Wertpapiermarkt zunächst unterbewertet und können deshalb für die Zwecke der Rechtskompensation nicht mit ihrem Tagesmarktwert angesetzt werden237. Wann und wodurch der volle Wert­ ausgleich erreicht würde, mußten die Beteiligten, die SEC und das Gericht also in jedem Fall aufgrund aller Umstände selbständig herausfinden238. dd) Ein besonderes Problem bieten gesicherte Gläubiger, deren Vorrechte gleichen Rang haben, aber auf verschiedenen Gegenständen ruhen; so etwa, wenn von zwei Anleihen einer Ölgesellschaft die eine durch eine Hypothek an den Raffinerien, die andere durch eine Hypothek an der Tankerflotte gesichert ist. Dann muß geregelt werden, in welchem Ver­ hältnis die neuen Schuld- oder Anteilstitel, die an diesen Gläubigerrang ausgegeben werden, auf die verschiedenen (gleichrangigen) Gruppen zu verteilen sind. Neben den Nennbeträgen sind dafür sicher auch die Werte der jeweiligen Sicherheiten und ihr Verhältnis zu berücksichtigen. Aber

235 aaO. 529f. Zu Theorie und Praxis der Bonus-Regel besonders ausführlich (Note) Yale L. J. 84 (1975) 932 ff. mit umfassenden Nachweisen und eigener - scharfsinniger - Begrün­ dung. 236 So war der Supreme Court zunächst von manchen verstanden worden; siehe die Angaben bei Dean, Com. L. Q. 26 (1941) 559 N. 63; Gilchrist, Com. L. Q. 26 (1941) 617; Dodd (N. 208) 737f. N. 61; Swaine, Harv. L. Rev. 56 (1943) 1206ff. 237 Das ist heute allgemein anerkannt; Collier VI A § 11.06 S. 223 mit Nachweisen; besonders ausführlich auch (Note) Yale L. J. (N. 224) 937f. 238 Consolidated Rock Products Co. v. DuBois (N. 223); ebenso später Ecker v. Western Pac. Ry. Corp., 318 U.S. 448, 482f. (1943); Group of Institutional Investors v. Chicago, Milwaukee, St. Paul & Pac. Rd. Co., 318 U.S. 523, 555ff., 564ff. (1943).

wie soll, wenn man nicht liquidiert, der Wert bestimmt werden, den einzelne Vermögensteile für das lebende Unternehmen als Ganzes haben? Wegen der Schwierigkeiten, die sich hier ergaben, verlangte die Recht­ sprechung nicht, daß im Reorganisationsplan jedem der Vermögensteile, die als Sicherung dienten, Dollarwerte zugeschrieben würden, aus deren Verhältnis zueinander sich dann die Verteilungsquoten ergäben. Vielmehr müßten die Beteiligten jede Entscheidung des Reorganisationsrichters hin­ nehmen, die sich auf sachgerechte und nachprüfbare Bewertungskriterien stützen könne239. ee) Schwierige Überlegungen verursacht die absolute Vorrangsregel auch, wenn neues Kapital in der Kapitalstruktur zu berücksichtigen ist. Wenn dieses Kapital von bisherigen Kapitalgebern kommt, die sonst vom Ausschluß bedroht wären (also vor allem von Aktionären): in welchem Maß dürfen sie dann für ihren neuen Kapitalbeitrag doch mit Anteilstiteln der reorganisierten Gesellschaft bedacht werden? Die einfachste Lösung bestünde darin, an den Betrag des zugezahlten Kapitals anzuknüpfen, denn um eben diesen hat sich der Gesamtwert des Unternehmens vermutlich erhöht. Aber das muß nicht so sein. Wenn zum Beispiel ohne neues Kapital das Unternehmen zur Liquidation im Konkurs verurteilt wäre, kann die Differenz zwischen dem Liquidationswert und dem Wert, der dem mit neuem Kapital versehenen lebenden Unternehmen zuzuerkennen wäre, größer sein als der Nominalbetrag des neuen Kapitals. Der Ausgangspunkt der Überlegungen war deshalb in der Rechtsprechung nicht die Summe des eingebrachten Kapitals, sondern die Frage: wieviel Rechte müssen die vorrangigen Kapitalgeber den nachrangigen zugeste­ hen, um sie zur Hergabe des benötigten Kapitals zu veranlassen240? Jedoch sollte, was die Zuschießenden erhalten, „reasonably equivalent to their contribution" sein. Was das im einzelnen bedeutete, mußte das Gericht anhand aller Umstände des konkreten Falles bestimmen241. e) Praxis. - Die Praxis hatte die Aufgabe, die klaren Postulate der absoluten Vorrangstheorie mit den Bedürfnissen des Reorganisationsall ­ tags zu vereinen. Hier zeigte sich, daß die Vorrangslehre im Tagesgeschäft nicht so nachdrücklich befolgt wurde, wie das oberste Gericht sie verkün­ det hatte. Das hatte eine Reihe von rechtlichen und praktischen Gründen242. 239 Group of Institutional Investors (N. 238) 561, 565. Hier ging es um gleichrangige Hypotheken auf verschiedenen Strecken einer Eisenbahn-Gesellschaft. Die Entscheidung galt aber als Präzedenzfall auch für das Verfahren nach Kap. X; siehe z. B. Collier VIA § 11.05 S. 201 ff. 240 Case v. Los Angeles Lumber Products Co. (N. 211) 117. 241 aaO. 117, 121, 122. 242 Angaben über die Praxis enthalten alle in N. 228-237 zitierten Aufsätze und Berichte.

Der Oberste Gerichtshof selbst mußte in Entscheidungen, die dem Los Angeles-Fall nachfolgten, zugeben, daß die absolute Vorrangsregel in wichtigen Einzelfragen ihrer Anwendung den Umständen Raum lassen muß243. Er betonte und (praktizierte) in diesen Fällen ferner, daß ein oberes Gericht den Unterinstanzen in ihr Urteil nur hineinreden solle, wenn diese von rechtsirrtümlichen Erwägungen oder von einer offensichtlich unzurei­ chenden Tatsachenermittlung ausgegangen seien244. Beides zusammen „weiche“ Standards und Respekt vor dem Ermessen des erstinstanzlichen Richters - führten dazu, daß nur sehr wenige Reorganisationsfälle, in denen eine Verletzung der Vorrangsregel gerügt wurde, vom Obersten Gerichtshof in der Sache entschieden wurden245. „Praktische“ Lösungen, die nicht unbedingt den Geboten der Vorrangsregel entsprachen, hatten daher recht gute Aussicht auf unangefochtenen Bestand. Eine große Rolle spielten auch wirtschaftliche und psychologische Gege­ benheiten. So hängt bei mittelgroßen Unternehmen der Erfolg der Reorga­ nisation oft davon ab, daß die bisherige sachverständige Unternehmenslei­ tung dem Unternehmen erhalten bleibt. Die Reorganisatoren sind daher um des Gelingens der Sanierung willen oft bereit, dem Aktienbesitz der Unternehmensleitung und der sie stützenden Gruppen die Fortexistenz zuzubilligen, selbst wenn er nach der Vorrangsregel wegen Überschuldung an sich hätte ausgeschieden werden müssen. Solche Konzessionen liegen oft besonders im Interesse von Banken und Geschäftsgläubigern, denn ihnen kommt es gewöhnlich nicht so sehr an auf genaue Abrechnung über die Vergangenheit nach den Regeln des Rechts, noch auf eine langfristige Anlage in dem Schuldnerunternehmen, sondern auf Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen mit der ihnen vertrauten Unternehmensleitung. Die Schonung der Anteilseigner bei Überschuldung des Unternehmens ist genau die Situation, die im Los Angeles-Fall gebrandmarkt worden war246. Aber vor der Alternative, daß die Sanierung wirtschaftlich scheitern Außerdem: Collier VI A § 11.06 S. 210-234; Dewing (1953) 1320-1334. Spezielle Praxisbe­ richte: Jome (N. 185) 643-648; Billyou, Col. L. Rev. 49 (1949) 482-487; (Note) Col. L. Rev. 52 (1952) 900-921. 243 Siehe oben S. 106f. und den Ecker Fall (N. 238) 482ff. 244 312 U.S. 539f.; 318 U.S. 466ff, 475ff, 561 £, 565f. 245 Die Praxis bezog alle Inspiration aus dem Los Angeles-Fall und den drei in N. 238 genannten Folgeentscheidungen. Seitdem (1943) ergingen nur noch drei Entscheidungen des Supreme Court zu Vorrangstreitigkeiten, die aber mehr am Rande der Problematik lagen und keine Überprüfung oder Weiterentwicklung der absoluten Vorrangsregel verlangten: Protective Committee for Independent Stockholders of TMT Trailer Ferry, Inc. v. Anderson, 390 U.S. 322 (1970); United States v. Key, 397 U.S. 322 (1970); Baker v. Gold Seal Liquors, Inc., 417 U.S. 467 (1974). 246 Siehe oben S. lOOf.

werde, waren die Instanzgerichte oft bereit, Reorganisationspläne hinzu­ nehmen, die der Unternehmensleitung weiteren Aktienbesitz zuge­ standen247. Die vom Ausscheiden bedrohten Kapitalgeber haben ferner gegenüber den anderen Beteiligten erhebliche Obstruktionsmöglichkeiten, denn die Vorrangsregel wirkt sich in beide Richtungen aus: sie verbietet die Beteili­ gung der nachrangigen Kapitalgeber, wenn deren Kapital vom Unterneh­ menswert nicht mehr gedeckt ist, aber sie gebietet andererseits die Beteili­ gung aller Kapitalgeber, für deren Kapital diese negative Feststellung nicht getroffen werden kann. Die Kapitalgeber auf den schwächeren Rängen können somit den Abschluß der Reorganisation um Jahre verzögern, wenn sie den Streit um diesen Punkt durch alle Instanzen treiben. Vom Ausschluß bedroht, kön­ nen sie durch eine lange rechtliche Auseinandersetzung kaum noch etwas verlieren (außer den Kosten des Rechtsstreits), dagegen viel gewinnen, besonders wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens sich während­ dessen verbessern sollte. Speziell die Aktionäre haben überdies für Erhal­ tung und Ertrag ihres Kapitals von vornherein ein gewisses Risiko auf sich genommen. Die vorrangigen Kapitalgeber dagegen - vor allem die Inhaber der festverzinslichen und gesicherten Obligationen - sind typischerweise angewiesen auf regelmäßige Verzinsung (die während des Verfahrens ausgesetzt ist). Auch müssen sie mit ansehen, daß während des Verfahrens mit dem vorhandenen Unternehmensvermögen vor allem auf ihr Risiko gewirtschaftet wird, denn bei sofortiger Liquidation wäre der Erlös zum größten Teil ihnen zugefallen. Sie verzichten deshalb oft lieber auf das Durchfechten ihres Rechtsstandpunktes, um sich mit den nachrangigen Gläubigern und den Aktionären über die künftigen Anteile und Forderun­ gen vergleichsweise zu einigen248. Schließlich spielt die Psychologie der Richter eine Rolle. Einer Kapital­ geberklasse zu erklären, daß sie in der Reorganisation auszufallen habe, ist unangenehm und bedarf eingehender Begründung, denn anders als im Konkurs kann nicht auf die augenfällige Unzulänglichkeit des Liquida­ tionserlöses hingewiesen werden249. Auch scheint es, daß die Gerichte sich dem Druck großer Abstimmungsmehrheiten trotz Los Angeles Lumber 247 Vielzitiertes Beispiel: Horowitz v. Kaplan, 193 F. 2d 64 (Cir. 2, 1951); dort ging es allerdings in Wirklichkeit um die Gewinnung einer neuen Unternehmensleitung. 248 Die typische Interessenlage wird sorgfältig auseinandergesetzt von Guthmann, Col. L. Rev. 45 (1945) 747; Brudney, Am. Bankr. L. J. 48 (1974) 314f. Kurz und treffend auch Conard, Corporations in Perspective 251 f. 249 So der realistische Hinweis der SEC in ihrer Denkschrift von 1976 (unten N. 290) 51.

Co.250 häufig beugten, wenn eine Alternative zu dem vorgelegten Reorga­ nisationsplan sich nicht ohne weiteres anbot, vollends aber, wenn die nicht zustimmende Minderheit keine ausdrücklichen rechtlichen Einwände erhob, der Richter also von Amts wegen gegen die Mehrheiten der Kapitalgeber hätte entscheiden müssen251. Auf der anderen Seite blieben allerdings genug Kräfte, die einer allzu pragmatischen Tendenz entgegenwirkten. Einmal die Prävention, die davon ausging, daß tatsächlich jeder Kapitalgeber, der es nur wollte, den Reorganisationsplan anhand einer klaren Rechtsregel überprüfen lassen konnte. Zum anderen die SEC: Sie sorgte durch ihre Präsenz in den wichtigeren Verfahren dafür, daß die grundsätzlichen Postulate der Vor­ rangsregel nicht in Vergessenheit gerieten. Ihre Gutachten an das Gericht erörterten diese Seite des Falles immer ausführlich, und oft gelang es der SEC, schon bei der Aufstellung des Planes durch den Treuhänder im Sinne der absoluten Vorrangsregel korrigierend zu wirken252.

3. Unternehmenswert Im Verfahren nach dem bisherigen Kap. X war der Wert des Unterneh­ mens der Angelpunkt für den gesamten Planinhalt. Der Wert des Unter­ nehmens bestimmte darüber, ob die Reorganisation durchfiihrbar („feasible") war, das heißt: mit welcher Menge und welcher Art von Kapital das Unternehmen weiterleben konnte253. Und nur auf seiner Grundlage ließ sich eine Aussage über die Gerechtigkeit des Reorganisationsplans machen, das heißt nach der absoluten Vorrangsregel: welche Kapitalgeber mit welchen Rechten in die neue Kapitalstruktur übernommen und welche ausgeschieden werden mußten254. Der Oberste Gerichtshof hatte alsbald nach der Verkündung der Vorrangsregel in einer zweiten grundsätzlichen Entscheidung bestimmt, daß die Aufstellung des Reorganisationsplans wie auch seine Prüfung durch das Gericht und die SEC gegründet sein müsse auf eine möglichst exakte Bewertung des Unternehmens und - falls für die Zuteilung neuer Titel notwendig - seiner Einzelteile255. Es war nicht unbedingt notwendig, daß das Gericht dem Unternehmen einen Dollar­ 250 251 hen: 252 253 254 255

Oben S. 99 ff. Praxisberichte, die auch der Frage von „Recht und Realität“ der Vorrangsregel nachge­ Dewing (1953) 1449f.; (Note) Col. L. Rev. 52 (1952) 900ff. Frank (N. 185) 336; weitere Angaben in (Note) Harv. L. Rev. 87 (1974) 1796 N. 64. Siehe oben S. 92£ Siehe oben S. 94 ff. Consolidated Rock Products Co. v. DuBois (N. 234) 510, 520, 525 £

wert ausdrücklich zuschrieb; doch mußte ein objektiv nachprüfbarer syste­ matischer Bewertungsvorgang stattgefunden haben und aus dem Gesamt­ zusammenhang des Reorganisationsplans hervorgehen, welcher Unterneh­ menswert bei seiner Aufstellung und Genehmigung zugrunde gelegt wurde256. Das Ergebnis einer Unternehmensbewertung wird wesentlich bestimmt durch die Bewertungsmethode. Die betriebswirtschaftliche Bewertungs­ lehre kennt die Wertfestsetzung nach, einerseits, dem Substanzwert (auf der Basis der Anschaffungskosten des Betriebsvermögens, des Buchwer­ tes, des Wiederbeschaffungswertes oder des Veräußerungswertes) und nach, andererseits, dem Ertrags wert sowie nach verschiedenen vermitteln­ den Methoden257. Die SEC hatte sich von Anfang an für die Plangestaltung nach dem Ertragswert des Unternehmens ausgesprochen258, und so urteilte bald auch der Supreme Court259. Von da an war die Ertragswertmethode in der Sanierungspraxis Gesetz260; Ausnahmen galten für Vermögens teile, die für die Fortführung des Unternehmens nicht benötigt wurden (sie waren mit ihrem Veräußerungs wert dem Ertrags wert zuzuschlagen)261, sowie in besonderen Fällen, in denen die Ertragswertmethode unangebracht oder unnötig gewesen wäre262. Der Grundgedanke yar, daß für Sanierungsüber­ legungen die vermutliche Ertragskraft des lebenden Unternehmens (the earning power of the Corporation as a going concern) das natürliche Leitbild sein müsse263. 256 Das stellte der Supreme Court gegen übergenaue Instanzgerichte 1943 in zwei Fällen klar, die Eisenbahn-Reorganisationen zum Gegenstand hatten; Ecker v. Western Pac. Ry. Corp., 318 U.S. 448, 479-483 (1943); Group of Institutional Investors (N. 238) 523, 555 f. Das gleiche galt aber bei Reorganisationen nach Kap. X; siehe den Ecker-Fall aaO. 482 und Collier VI A § 11.05 N. 20. 257 Darüber ausführlich Bonbright, The Valuation of Property (1937) 113-268; Münster­ mann, Wert und Bewertung der Unternehmung (3. Aufl. 1970) 29 ff., 92 ff., 113 ff.; Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Untemehmensbewertung (1976) 47ff., 119ff. Einführend: Hax, in: Handbuch der Wirtschaftswissenschaften I (2. Aufl. 1966) 468-487. Gute Einführun­ gen für Juristen: W. Müller, JuS 1973, 603 ff., 745 ff; 1974, 147 ff., 424ff, 558 ff.; Gansweid, AG 1977, 336 ff; beide mit Hinweisen auf weitere betriebswirtschaftliche Literatur. 258 Angaben in Harv. L. Rev. 55 (1941) 127; Frank (N. 185) 341; Gardner, U. Pa. L. Rev. 91 (1943) 440ff. 259 Consolidated Rock (N. 234) 526. 260 Bestätigt in Protective Committee v. Anderson (N. 245) 414. 261 Collier VI A § 11.05. 262 So wurde z. B. bei Öl-Explorationsgesellschaften ausnahmsweise nicht der Netto­ Ertrag, sondern der voraussichtliche Bargeldfluß (cash flow) bewertet und bei einer Invest­ ment-Gesellschaft schlicht der vorhandene und leicht zu veräußernde Wertpapierbestand; Angaben bei Windle, Ref. J. 34 (1960) 40 N. 39, 41; Blum, U. Chi. L. Rev. 38 (1970) 173ff. 263 Collier VI A § 10.13 S. 62ff.

Unternehmensbewertung nach dem Ertragswert bedeutet, daß der gegenwärtige Wert des Unternehmens zu bemessen ist nach den Nettoer­ trägen, die das Unternehmen künftig erwirtschaften wird. Es gilt also, durch Abzinsung (Diskontierung) den Kapital wert einer (je nach vermu­ teter Lebensdauer des Unternehmens) endlichen oder unendlichen Folge erwarteter Erträge festzustellen. Anders gewendet: Da der jährliche Unter­ nehmensgewinn gesehen werden kann als Zinsertrag des im Unternehmen eingesetzten Kapitals, kann, wenn man Jahresertrag und Zinssatz kennt, der Betrag dieses Kapitals, also der Kapitalwert des Unternehmens, errech­ net werden264. Beispiel: Der durchschnittliche Jahresgewinn ist 1 Mio., er entspricht einem angenommenen Zinssatz von 10%; der gegenwärtige Unternehmens wert ist dann 10 Mio. - bei einem angenommenen Zinssatz von 20% ist er nur 5 Mio., bei einem Zinssatz von 5% ist er 20 Mio.265. Unternehmensbewertung nach dem Ertragswert verlangt mithin ein Schätzungsverfahren in zwei Schritten. Zunächst muß der künftige (durch­ schnittliche) Jahresertrag prognostiziert werden. Sodann wird der in con­ creto maßgebliche Kapitalisierungszinssatz festgelegt. Dieser muß minde­ stens so hoch sein wie der landesübliche Zinssatz für erstklassige, praktisch risikofreie langfristige Geldanlagen, zum Beispiel Staatsanleihen oder Grundpfandbriefe. In der amerikanischen Reorganisationspraxis wird er sodann erhöht um einen Zuschlag, der das besondere Risiko einer Anlage in dem konkret betroffenen Unternehmen abgilt266. Modellbeispiel: Wenn der landesübliche Basiszins 5% beträgt, kann für Geldanlagen in guten Industrieunternehmen vielleicht ein Kapitalzins von 10-12% erwartet werden267. Was hier als Grundschema vorgestellt worden ist, führt in der Einzelaus­ führung zu schwierigen und nuancierten Überlegungen über die Verwert264 Über die Ertragswertmethode siehe Bonbright 216-268; Dewing (1953) 287-295, 375-401; Münstermann 29fE; Moxter 119ff.; Hax 468-475; W. Müller 147ff., 424f.; Gans weid 338 ff (alle oben N. 257). 265 Das heißt: Je geringer (oder höher) der Zinssatz ist, umso höher (oder geringer) muß der Kapitalbetrag sein, der das Jahresergebnis produziert hat. 266 Ob ein solcher Risikozuschlag berechtigt ist, wird in der deutschen Bewertungslehre freilich von manchen bezweifelt, weil idealiter die Risiken bereits in der Ertragsprognose erfaßt sein müßten; siehe W. Müller (N. 257) 1974, 428 mit Nachweisen. 267 Dewing (1953) 388 ff. hat versucht, für einzelne Arten von Unternehmen die im allgemeinen richtigen Kapitalisierungsraten anzugeben; sie reichen von 10% (für alte, einge­ führte Unternehmen mit großem Anlagekapital und minimalem Risiko) über 15% (für eingeführte, aber konjunkturanfälligere Unternehmen), 20% (für die meisten mittelgroßen Unternehmen mit kleinerem Kapitalbedarf, aber größerer Abhängigkeit von der Qualität der Unternehmensleitung) bis zu 50% (für Unternehmen, bei denen außergewöhnliche Fähigkei­ ten der Unternehmensleitung im Wettbewerb die ausschlaggebende Rolle spielen).

barkeit präsenter Daten für die Prognose der künftigen Erträge, über Erfolgs- und Mißerfolgswahrscheinlichkeiten und über die Höhe von Risikoabschlägen und Risikozuschlägen268. Den dafür notwendigen Sach­ verstand mußten unter Kap. X der den Plan aufstellende Treuhänder und das Gericht selbst haben oder durch Gutachten von Experten beibringen lassen. Oft machte die SEC auf Grund ihrer Untersuchungen einen Bewer­ tungsvorschlag oder war jedenfalls in der Lage, zu den BewertungsVor­ schlägen anderer Beteiligter und Sachverständiger ein fundiertes Urteil abzugeben269. Das Problem der Praxis ist die Verläßlichkeit und Genauigkeit des Bewertungsergebnisses. Es beruht ja auf einer zweifachen Vorausschät­ zung - einmal der künftigen Erträge, zum anderen der verbleibenden Risiken, die im Kapitalisierungszinsfuß berücksichtigt werden müssen. Bei der Prognose der Erträge kann der Bewerter immerhin an vorhandene Daten anknüpfen, die sich aus Vergangenheit und Gegenwart des unter­ suchten Unternehmens ergeben, zum Beispiel an die Ertragsentwicklung der letzten Jahre, an die Wettbewerbssituation des Unternehmens, an die Anschaffungs- und Wiederbeschaffungskosten sowie den tatsächlichen Zustand der vorhandenen Anlagen, an den Zustand der vorhandenen Organisation, an die Qualität der bisherigen und der in Aussicht genom­ menen Unternehmensleitung und ähnliches. Viel schwächer ist die Daten­ basis bei der Festlegung des Kapitalisierungszinssatzes. Hier kann gerade nicht an die Verhältnisse des konkreten, notleidend gewordenen Unterneh­ mens angeknüpft werden, sondern es muß ein Vergleich mit dem Kapital­ ertrag anderer, nicht in Schwierigkeiten geratener Unternehmen (mög­ lichst des gleichen Wirtschaftszweigs) gefunden werden, obwohl bei Unternehmen die Vergleichbarkeit immer fragwürdig ist. Die Festlegung des Kapitalisierungszinssatzes ist daher weitgehend von der Intuition des Bewerters beeinflußt und die Ertragswertmethode überhaupt nach dem Urteil amerikanischer Autoritäten eine „anspruchsvolle Raterei“ („sophisticated guess-work“)270. In der Sanierungspraxis ergeben sich hieraus erhebliche Beurteilungs­ räume. Die gut gesicherten Gläubiger neigen zu vorsichtigen Schätzungen, die ungesicherten und die Aktionäre zu optimistischen Bewertungen, weil 268 Siehe die in N. 264 Zitierten sowie - aus der juristischen Literatur - Blum, U. Chi. L. Rev. 17 (1950) 573ff.; 40 (1972) 96f£; Gardner (N. 258) 451 ff. 269 Die Aktivitäten und die Arbeitsweise der SEC in diesem Bereich werden beschrieben von Gardner (N. 258) 444ff; Frank (N. 185) 335ff; J. L. King, Ref. J. 43 (1969) 23-25. 270 So Dewing (1953) 287 N. 1; ähnlich Bonbright (N. 257) 252 f. Entsprechend die Beurteilung in der deutschen Bewertungslehre; siehe W. Müller (N. 257) 1974, 428.

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Flessner BIPR 48

meistens nur so ihre weitere Beteiligung an dem Unternehmen zu begrün­ den ist. Nur ein oder zwei Prozent mehr oder weniger in der gewählten Kapitalisierungsrate kann über Sein oder Nichtsein einer ganzen Kapitalge­ berklasse entscheiden. Zum Beispiel sei in dem oben S. 97 gebildeten Fall der durchschnittliche künftige Jahresertrag nach der Sanierung auf 500000 geschätzt. Entspricht dies einem Zinssatz von 10%, so ist der gegenwärtige Wert des Unternehmens 5 Mio., und die Wechselgläubiger müssen mit Anteilen des sanierten Unternehmens bedacht werden, die Aktionäre dagegen vollständig ausscheiden. Bei einem Zinssatz von 12% Hegt der Unternehmenswert nur bei 4,2 Mio., und die Wechselgläubiger müssen mit dem größten Teil ihrer Forderung ebenfalls ausfallen; bei nur 8% dagegen ist der Unternehmens wert 6,25 Mio., und nicht nur die Wechsel­ gläubiger können vollständig, sondern sogar die Aktionäre können mit einem guten Fünftel ihrer Anteile (1,25 Mio.) noch berücksichtigt werden. Wegen dieser oft einschneidenden Auswirkung für einzelne Kapitalgeber­ klassen war die Bewertung des Unternehmens regelmäßig einer der am meisten umkämpften Punkte in der Reorganisationspraxis, die auch hierin von einer ausführlich berichtenden und präzis analysierenden Literatur begleitet wurde271. Die SEC - vom Gedanken des Anlegerschutzes her - neigte zu „konser­ vativen“, das heißt vorsichtigen Bewertungen272. Ihre Praxis wurde aller­ dings in den ersten Jahren ihrer Tätigkeit unter Kap. X von manchen auch als entschieden liberal bezeichnet273. 274 Im Zweifelsfall liberaler waren indes­ sen die Gerichte. Schon der Supreme Court hatte in seiner grundlegenden Entscheidung festgestellt, daß die Bewertung nicht mehr sein könne als „an estimate, as distinguished from mathematical certitude"274. Der Richter stand unter der Verpflichtung, die Bewertung anhand aller verfügbaren und relevanten Fakten solide zu fundieren. Wenn er dies getan hatte, wurde sein konkretes Bewertungsergebnis jedoch als Tatsachenfrage behandelt und 271 Am ausführlichsten Gardner (N. 258) 440-465. Außerdem Blum, U. Chi. L. Rev. 40 (1972) 96-110; 38 (1970) 173-183; Sup. Ct. Rev. 1968, 77-87; J. L. King, Ref. J. 42 (1968) 108-110, 125; 43 (1969) 23-25; Field, Ry. Mt. L. Rev. 16 (1943) 13-26; Jome (N. 185) 632-635; (Note) Harv. L. Rev. 55 (1941) 125-134. 272 Angaben über Ertragsprognosen der SEC bei Billyou, Col. L. Rev. 49 (1949) 498f.; J. L. King, Ref. J. 43 (1969) 23ff.; (Note) Col. L. Rev. 52 (1952) 904-907. 273 Die von der SEC zugrunde gelegten Kapitalisierungs-Zinssätze lagen im allgemeinen zwischen 8-12% bei Industrieunternehmen (also in der Nähe des Satzes, den Dewing (N. 267) für besonders solide fundierte Unternehmen angenommen hatte), gelegentlich aber auch bei 15-20%; siehe Collier VI A § 11.05 S. 198ff.; Jome (N. 185) 633ff.; (Note) Harv. L. Rev. (N. 271) 132f. 274 Consolidated Rock (N. 234) 526.

von der höheren Instanz nur gerügt, wenn es offensichtlich falsch („clearly erroneous") war275. Wenn die Beteiligung oder Nichtbeteiligung einer Gruppe von Kapitalgebern davon abhing, neigten die Gerichte deshalb im Gegensatz zur SEC oft dazu, mit Hilfe einer großzügigen Bewertung des Unternehmens die Gruppe in das reorganisierte Unternehmen vorsichts­ halber „hereinzulassen“, um die Sache abzuschließen und keine Anfechtun­ gen zu provozieren276. Die Bewertung konnte von den Gerichten so genutzt werden, „praktisch“ und flexibel zu bleiben, ohne den strengen Buchsta­ ben der absoluten Vorrangsregel antasten zu müssen277. 4. Reform 1978

Die absolute Vorrangsregel ist, obwohl vom Obersten Gerichtshof, der SEC und vielen Autoren so nachdrücklich postuliert, zu keiner Zeit ohne Kritik geblieben und besonders von den im Reorganisationswesen tätigen Anwälten eigentlich innerlich nie akzeptiert worden278. Hier Änderung zu schaffen, erschien vielen als eine der wichtigsten Reformaufgaben; gefragt wurde damit generell, inwieweit es überhaupt Sache der Rechtsordnung und der Gerichte sein könne, mit eigenen Maßstäben auf den Inhalt der Reorganisationspläne Einfluß zu nehmen. a) Diskussion. - Die Kritik an der absoluten Vorrangsregel wurde vor­ nehmlich begründet mit den übergroßen Schwierigkeiten und den unwill­ kommenen Nebenwirkungen ihrer praktischen Anwendung. Die Regel mache im Grundsatz die Neuordnung der Kapitalverhältnisse des Unter­ nehmens zum Gegenstand eines Rechnungsvorgangs; dadurch verenge sie den Verhandlungsspielraum der verschiedenen Kapitalgeber, schwäche deren Vergleichsbereitschaft und verzögere, ja gefährde so das Zustande­ kommen wirtschaftlich vernünftiger Reorganisationspläne279. Indem sie die Aktionäre eliminiere, beseitige sie auch die Stimmrechtsgrundlage der Unternehmensleitung und fuge dadurch dem Unternehmen einen Verlust an Führungstalenten zu280. Besonderen Anstoß erregte immer wieder die Bewertungsbasis für die Anwendung der Vorrangsregel. Die Regel wirke mit drakonischer Strenge gegen alle Kapitalgeber, deren Rechte durch den 275 Collier VI A § 11.05 S. 189£ mit weiteren Nachweisen. 276 Angaben über die Gerichtspraxis bei Gardner (N. 258) 456ff.; (Note) Col. L. Rev. (N. 272) 905ff;Jome (N. 185) 634; (Note) Harv. L. Rev. (N. 271) 134. 277 hierzu mit Angaben Gardner (N. 258) 456-458. 278 Bankruptcy Commission, Report I 256 ff; Coogan/Broude/Glatt (N. 317) sagen plastisch: „the rule has not been accepted in the market place“; 1164. 279 Bankruptcy Commission, Report I 256; Trost, U.C.L.A. L. Rev. 21 (1973) 544ff. 280 Guthmann, Col. L. Rev. 45 (1945) 741 ff; Trost (N. 279) 549 ff.

Unternehmenswert nicht mehr gedeckt, also „unter Wasser“ sind. Da aber jegliche Bewertung eines Unternehmens ungewiß sei und fragwürdig bleibe, sei es unangebracht und ungerecht, an sie so weitreichende Folgen zu knüpfen281. Vorgeworfen wurden der absoluten Vorrangsregel auch Verzögerung und Verteuerung des Verfahrens. Indem sie die nachrangigen Kapitalgeber mit dem Ausschluß bedrohe, veranlasse sie diese, durch Aufbietung von Bewertungssachverständigen und Ausschöpfung aller Verfahrensmöglich­ keiten und Instanzen bis zum letzten um ihre Positionen zu kämpfen, und zwinge so auch die Gerichte und die SEC, übermäßige Mühe auf die Bewertung zu verwenden - die doch nur eine illusionäre Gewißheit verschaffe282. In den Kongreßberatungen wurde außerdem das Verfahren, in dem die Einhaltung der Vorrangsregel zu prüfen war, als zu langsam und umständlich kritisiert: vor der Abstimmung auf Grund einer ausführlichen, oft Monate währenden Verhandlung zunächst durch das Gericht, dann (wiederum oft monatelang) durch die SEC und schließlich nach der Abstimmung auf Grund erneuter Verhandlung nochmal durch das Ge­ richt283. Der SEC hielt man ferner vor, daß sie mit der absoluten Vorrangsregel oft ihrem eigenen Auftrag untreu werde. Angeknüpft wurde dabei an die Beobachtung, daß das Sparkapital des kleinen Mannes heute auch in ungesicherte Schuldverschreibungen und Aktien fließt, während die gesi­ cherten festverzinslichen Papiere sich zu einem immer größeren Anteil in den Händen der institutioneilen Anleger, vor allem der Versicherungen finden284. Die Anwendung der absoluten Vorrangsregel kann also bedeu­ ten, daß die erfahrenen Versicherungsgesellschaften als gesicherte Obliga­ tionäre und die Banken und Lieferanten als gutgesicherte Kreditgeber gegen unerfahrene Kleinobligationäre und Kleinaktionäre geschützt werden285. Schließlich wurde auch hervorgehoben, daß die absolute Vorrangsregel, 281 Siehe z. B. Bankruptcy Commission, Report 1257; Rochelle/Balzersen (N. 175) 99£; GUTHMANN (N. 280) 745 ff.; Field, Ry. Mt. L. Rev. 16 (1943) 26. 282 Bankruptcy Commission, Report 127, 256, 257 f; Rochelle/Balzersen (N. 175) 101 f.; Billyou, Harv. L. Rev. 67 (1954) 586 f.; Guthmann (N. 280) 747. 283 Ausführlich der Begleitbericht des Rechtsausschusses (Committee on the Judiciary) des Repräsentantenhauses: H. R., Report No. 95-595 (Wash. 1977); (abgedruckt auch in Collier (15. Aufl.) App. Bd. 2), S. 221 f., 224f, 259f. 284 Angaben über die Verteilung des Obligationen-Besitzes z. B. bei Brudney, Am. Bankr. L. J. 48 (1974) 324 N. 55. 285 Bankruptcy Commission, Report I 256; Trost (N. 279) 544 f.; Rodden/Carpenter, U. Colo. L. Rev. 36 (1963) 140; H. R. Rep. 95-595 (oben N. 283) 222, 261.

die ja Teil des „Säuberungsprogramms“ der SEC war, heute in ihrer strengen Form deshalb nicht mehr benötigt werde, weil - das wird allgemein anerkannt - der moralische Standard der Reorganisationspraxis durch das gesamte Gesetz und durch das Wirken der SEC sowie durch die allgemeine Wertpapier- und Börsengesetzgebung deutlich gehoben wor­ den ist286. Ein bekannter Autor auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts schrieb dazu prägnant: 1938 war die absolute Vorrangsregel wohltätig wie ein frischer Luftzug in stinkender Atmosphäre; heute aber muß ihre Tyrannei abgelöst werden durch praktikable Richtlinien, die für Gerechtig­ keit der Reorganisationspläne sorgen, ohne diese durch ein lähmendes Formaldehyd-Bad zu ziehen287. b) Gesetzesergebnis. - Die Bankruptcy Commission hatte versucht, Kritik und rechtspolitische Vorschläge aufzunehmen, indem sie die absolute Vorrangsregel zwar beibehielt, aber in Einzelpunkten lockerte288. Schon diese Vorschläge waren lebhaft umstritten. Auf der einen Seite, vor allem bei den Anwälten der Unternehmen, Befriedigung über ihren „Realismus“289, auf der anderen Seite, vor allem von der SEC und der Rechtslehre, entschiedene und ausführliche Ablehnung290. Das Gesetz indessen, wie es schließlich verabschiedet wurde, geht über den Rahmen dieser Diskussion weit hinaus, indem es die Gerichte und die SEC von der Plangestaltung ganz grundsätzlich wegzudrängen versucht. Der Grundgedanke der neuen Regelung ist derselbe wie in der allgemei­ nen amerikanischen Börsen- und Wertpapiergesetzgebung: Die beteiligten Aktionärs- und Gläubigergruppen sollen ihre Entscheidungen möglichst ohne Bevormundung durch SEC und Gerichte treffen, vorausgesetzt, daß sie auf Grund ausreichender Information handeln können291. Erste Aufgabe des Verfahrens ist daher, die Offenlegung der Situation und damit die Information der Beteiligten zu gewährleisten. Nur wenn die 286 Siehe z.B. Trost (N. 279) 549f.; (Comment) Nw. U. L. Rev. 50 (1956) 773.; H. R. Rep. 95-595 (N. 283) 259; Bericht des Abg. Edwards im Repräsentantenhaus, 28. 9. 1978, 124 Cong. Rec. H 11101 (abgedruckt auch in Collier (15. Aufl.) App. Bd. 3, S. IX-111). Zu dieser Meinung neigte zeitweilig anscheinend auch die SEC; Nolan, Geo. L. J. 42 (1954) 432-445. 287 Conard, Corporations in Perspective 254 ft*. 288 Bankruptcy Commission, Report I 27, 256 ff*. 289 In diesem Sinne Coogan (N. 317) 749£; Coogan/Broude/Glatt (N. 317) 1164f. 290 SEC, Report on Proposed Bankruptcy Legislation (mschr., Washington, D.C. 1976) 46f.; Brudney, (N. 284) 305-340; (Note) Harv. L. Rev. 87 (1974) 1786-1821; Blum/ Kaplan, U. Chi. L. R. 41 (1974) 651-685. 291 Über das Offenlegungsprinzip (disclosure principle) des amerikanischen Rechts siehe Hopt, ZHR 140 (1976) 205 f.

beteiligten Gruppen sich auf dieser Grundlage über die Reorganisation nicht einig werden können, besteht Anlaß, weitere rechtliche Einfluß­ nahme und Kontrolle vorzusehen. Aber bereits die Aussicht auf diese Intervention wird die Kompromißbereitschaft der Beteiligten fördern. Das Ergebnis muß sein, daß Reorganisationsverfahren sich schneller und einfa­ cher durchfuhren lassen292. Die Ausführung dieses Gedankens im Gesetz sieht so aus: (1) Vor der Abstimmung der Betroffenen über einen vorgeschlagenen Reorganisationsplan hat das Gericht den Plan überhaupt nicht zu überprü­ fen, sondern lediglich dafür zu sorgen, daß alle Betroffenen so viel Infor­ mation erhalten, daß sie sich über den Plan ein verständiges Urteil bilden können. Nach Beginn des Verfahrens darf deshalb bei den Beteiligten um Zustimmung und Ablehnung des Reorganisationsplans erst geworben werden, wenn jedem Beteiligten ein Situationsbericht (disclosure State­ ment) übermittelt worden ist, den das Gericht nach mündlicher Anhörung der Beteiligten als ausreichende Information gebilligt hat (§ 1125 [b]). Die Verhandlung und Entscheidung über diesen Punkt wird in den Gesetzes­ motiven als ein Schlüsselelement des neuen Verfahrens bezeichnet293. Das Gesetz dispensiert für die Aufstellung und den Inhalt dieses Berichts ausdrücklich von den sonst an sich anwendbaren Vorschriften, also beson­ ders des allgemeinen Kapitalmarktrechts; es gibt vielmehr dafür eine eigene Generalklausel (§ 1125 [a]). Jedoch kann jede für den Kapitalmarkt zustän­ dige Behörde (also vor allem die SEC) verlangen, zu der Frage, ob der Bericht die Beteiligten angemessen unterrichtet, gehört zu werden (§ 1125 [d]). (2) Nach der so vorbereiteten Abstimmung über den Reorganisations­ plan hat das Gericht auf Grund erneuter mündlicher Verhandlung (an der wiederum die SEC teilnehmen kann) zu prüfen, ob der Plan bestätigt werden kann. Das Gesetz versucht auch für diesen Teil des Verfahrens, dem Gericht möglichst lange die Kontrolle des Phninhalts zu ersparen, ihm insbesondere nicht die Bewertung des Unternehmens aufzugeben. Heraus­ gekommen ist bei diesem Bemühen eine äußerst komplizierte und geset­ zestechnisch umständliche Regelung294. Das Gesetz unterscheidet: Wenn alle Gruppen von Gläubigern und Anteilseignern, deren Rechte vom Plan beeinträchtigt werden, dem Plan mit den erforderlichen Mehrheiten zuge­ stimmt haben, ist für die Bestätigung nur erforderlich, daß jeder Beteiligte 292 Der Grundgedanke der neuen Regelung wird besonders deutlich aus dem House Report (oben N. 283) 224, 226. 293 House Report (oben N. 283) 226£ 294 § 1129 (a) (7 und 8), § 1129 (b) (1 und 2) in Verbindung mit § 1111 (b) (1 und 2).

dem Werte nach so viel erhält, wie er im Falle einer Liquidation bar bekommen würde (§ 1129 [a] [7] [A]), und das Gericht braucht selbst dies nicht festzustellen für die Gruppen, die den Plan einstimmig angenommen haben (§ 1129 [a] [7] [A] [i]). Wenn dagegen nicht alle vom Plan betroffe­ nen Gruppen zugestimmt haben (aber wenigstens eine, sonst darf der Plan von vornherein nicht bestätigt werden, § 1129 [a] [10]), muß das Gericht den Plan auf Antrag dessen, der ihn vorgelegt hat, doch bestätigen, wenn der Plan für die nichtzustimmende Gruppe „gerecht und billig“ (fair and equitable) ist (§ 1129 [b] [1]). Die Mindestvoraussetzungen hierfür beschreibt das Gesetz ausführlich, getrennt für gesicherte Forderungen, ungesicherte Forderungen und Anteilsrechte (§ 1129 [b] [2] [A-C]). Im großen und ganzen läuft diese Prüfung darauf hinaus, daß in diesem Fall für die jeweils nichtzustimmende Gruppe (aber nur für diese) die absolute Vorrangsregel eingehalten werden muß295. Ob diese Gestaltung der gerichtlichen Plankontrolle die erstrebte verein­ fachende Wirkung hat, wird sich erweisen müssen. Das Gesetz hat zwar die absolute Vorrangsregel auf die Behandlung der nichtzustimmenden Kapi­ talgebergruppen zurückgedrängt, und man erhofft sich von dem Aufwand, der bei der Anwendung der Regel getrieben werden muß, einen abschrekkenden und konsensfordernden Effekt in der Richtung, daß die Kapitalge­ ber es zu einer Ablehnung des Reorganisationsplans in den einzelnen Gruppen möglichst nicht kommen lassen296. Jedoch wird auch die dann geltende Voraussetzung, daß jeder Kapitalgeber mindestens den Liquida­ tionswert seines Anspruchs oder Rechts erhalten muß, nicht immer einfach festzustellen sein. Schon der Liquidationswert selbst ist in diesen Fällen keine eindeutige Größe, da er ja wegen des erstrebten Fortbestandes des Unternehmens nur als hypothetischer festgestellt werden kann. In den Fällen, in denen die Kapitalgeber nicht mit Geld abgefunden werden (in Reorganisationsfällen eigentlich die Regel), ist dann weiter zu prüfen, ob das, was der einzelne Kapitalgeber für den Liquidationswert seines Rechts an neuen Rechten oder Ansprüchen erhält, tatsächlich dem angenommenen Liquidationswert seines bisherigen Rechts gleichkommt. Es ist zu vermu­ ten, daß der Wert der neuen Rechte häufig wieder nur durch eine Bewer­ tung des ganzen lebenden Unternehmens, mit allen daran hängenden Schwierigkeiten, bestimmt werden kann. Auch nach dem neuen, als einfacher gewollten Recht bleibt also Raum genug für juristisches Streiten und Entscheiden über die Planbestätigung. 295 Darüber ausführlich Klee, Am. Bankr. L. J. 53 (1979) 133-171; Collier (15. Aufl.) § 1129.03 (1) +(4) (d)-(g). 296 L. P. King, Am. Bankr. L. J. 53 (1979) 130; Klee aaO. 134, 145.

II. Interessenvertretung und Gebühren Die unkontrollierte Interessenvertretung der Kapitalgeber durch selbst­ ernannte Schutzkomitees und deren Anwälte sowie die dafür verlangten Gebühren waren die augenfälligsten Mißstände des alten ReceivershipVerfahrens297. In der Kodifikation von 1934 (§ 77B) wurden zunächst die Gebühren unter die Aufsicht des Gerichts gebracht. Der Richter hatte von nun an das Recht und die Pflicht, Gebührenforderungen der Beteiligten auf ihre Angemessenheit zu überprüfen298. Das neue Kap. X brachte dann 1938 auch eine gewisse Kontrolle der Schutzkomitees und sonstigen Interessen­ vertreter durch Offenlegungspflichten und gerichtliche Eingriffsbefugnisse (s. o. S. 81 ff). Die SEC fand aber, daß sich zur Effektivierung und Läuterung der Interessenvertretung auch das Gebührenwesen einsetzen ließ. Die Gerichte hatten die Gebühren bis dahin eher ab wehrend gesehen. In dem Bestreben, die Kosten des Verfahrens im Interesse der Kapitalanle­ ger niedrig zu halten, bewilligten sie Honorare und Kostenersatz für die Erarbeitung von Reorganisationsplänen in der Regel nur solchen Beteilig­ ten oder Anlegergruppen, die sich fiir den schließlich angenommenen und bestätigten Reorganisationsplan eingesetzt hatten, und sie neigten stark dazu, für jeweils eine Gläubiger- und Aktionärsklasse auch nur jeweils eine Interessenvertretung zu honorieren, weil konkurrierende Anlegerkomitees ihnen nur unnötige Doppelarbeit zu leisten schienen299. Erfolglose Opposi­ tion gegen einen Reorganisationsplan konnte also nicht auf Vergütung und Kostenerstattung aus dem Vermögen des Unternehmens rechnen, und ebenso nicht eine Minderheit, die zum Gelingen der Reorganisation zwar beigetragen, aber dafür ihre eigenen Interessenwahrer - Anwälte und Komitee - beschäftigt hatte. Praktisch bedeutete das, daß die Unterneh­ mensleitung und die mit ihr zusammenarbeitenden Banken, die wie eh und je am schnellsten und wirksamsten die Kapitalanleger organisieren konn­ ten, andere Gruppen von der Gebühren- und Kostenbewilligung ver­ drängten. Diese Praxis lief den rechtspolitischen Vorstellungen der SEC zuwider. Denn die SEC wollte vor allem eine „Demokratisierung“ des Reorganisa­ tionsprozesses. Jede Kapitalanlegergruppe mit eigenen Ansichten, ja jeder 297 S. o. S. 72fE, 78f. Die SEC brandmarkte in ihrem Bericht den Profitgeist der Interessenvertreter, die mehr als „reorganization adventurers" denn als Treuhänder handelten; SEC-Report I 647 f. 298 Über die einzelnen Vorschriften in § 77B und ihren Hintergrund Collier VI A § 13.01 S. 514f. 299 Über die Praxis nach § 77B: Collier VI A § 13.01 S. 515-518; del Marmol 214-217; SEC-Report VIII 241-252; Harv. L. Rev. 49 (1936) 1199-1206.

einzelne Kapitalanleger sollte im Verfahren zu Gehör kommen können; denn auch konstruktive Vorschläge von Minderheiten und reine Opposi­ tion konnten ein nützlicher Beitrag zur Verbesserung des Planinhalts oder auch nur zur Entmachtung der „Insider“ und damit zur Objektivierung des Verfahrens sein; selbst eine Opposition, die zum völligen Scheitern der Reorganisation führte, konnte unter Umständen eine wirtschaftlich und rechtlich vernünftige und richtige Haltung sein, die eine Vergütung und Kostenerstattung verdiente. Da wirkungsvolle Teilnahme am Reorganisa­ tionsverfahren aber immer einigen personellen und finanziellen Aufwand voraussetzt, drohte der prinzipielle Ausschluß der Konkurrenz- und Oppo­ sitionsgruppen von der Gebühren- und Kostenbewilligung die Demokratie im Reorganisationsverfahren zu ersticken300. Die SEC setzte sich deshalb dafür ein, den Kreis der Gebührenberechtig­ ten zu erweitern, um allen interessierten Kapitalanlegern eine ungehinderte Teilnahme an der Erarbeitung des Reorganisationsplans zu ermöglichen301. Andererseits betrachtete sie die Gebührenbewilligung ganz nüchtern auch als Mittel, die ethische Disziplin der im Verfahren tätigen Interessenvertre­ ter zu stärken. Sie drang deshalb auf eine scharf gefaßte Vorschrift, die dem Interessenvertreter, der seine Treuepflicht zum eigenen Nutzen verletzt hatte, einen Anspruch auf Vergütung vollständig aberkannte302. Der SEC gelang es, in beiden Punkten ihre Vorstellungen in dem neuen Gesetz zu verankern. Vergütung und Kostenerstattung aus dem Vermögen des Unternehmens konnte jetzt auch einzelnen Gläubigern und Aktionären, die sich am Verfahren aktiv beteiligten, sowie deren Anwälten gewährt werden (§ 243), und für die Bewilligung kam es nicht mehr darauf an, ob das Verfahren zu einem bestätigten Reorganisationsplan geführt und ob die Antragsteller ihn befürwortet oder abgelehnt hatten. Geprüft werden mußte nur, inwieweit die Tätigkeit des jeweiligen Antragstellers zur Bestätigung oder Ablehnung des Reorganisationsplans oder zur Verwal­ tung des Unternehmens tatsächlich beigetragen hatte (§§ 214-243). Keine Vergütung oder Kostenerstattung durfte andererseits einem Komitee, Anwalt oder sonstigen Interessenvertreter zugesprochen werden, der wäh­ rend der Zeit seiner Tätigkeit Aktien des Unternehmens oder Forderungen gegen das Unternehmen erworben oder veräußert hatte (§ 249). Von dem Termin, an dem über die Gebührenanträge verhandelt wurde, war - neben 300 SEC-Report VIII 252 f 301 SEC-Report VIII 340. Ausführliche Darlegungen, die dazu im Gesetzgebungsverfahren gemacht wurden, sind zitiert bei Collier VI A § 13.01 N. 23. 302 SEC-Report VIII 255f; Collier VI A § 13.18 bes. N. 21.

allen am Verfahren Beteiligten und allen Gläubigern und Aktionären auch die SEC zu unterrichten (§ 247)303. Die Frage des Ob und Wieviel einer Gebühren- und Kostenbewilligung hat die Praxis viel beschäftigt303 304. Obwohl das Gesetz selbst es nicht durch­ gängig vorschrieb, verlangten die Gerichte, daß die Tätigkeit für die Verwaltung des Unternehmens oder den Ausgang des Verfahrens einen Nutzen („benefit“) erbracht haben mußte, wenn sie aus dem Vermögen des Unternehmens honoriert werden sollte. Ob dies der Fall war, ist schwer zu beurteilen, soweit es um die Aufstellung oder Verwerfung des Reorganisa­ tionsplans geht. Hier ziehen oft viele Beteiligte unabhängig voneinander am gleichen Strang oder - umgekehrt - es opponieren einige, aber völlig ergebnislos. Die Gerichte müssen dann zwischen Demokratie und Ökono­ mie einen Weg finden. Demokratie würde bedeuten, allen, die im Verfah­ ren ernsthaft pro oder contra mitgewirkt haben, Vergütung und Kostener­ satz zu gewähren. Ökonomie verlangt dagegen, daß das reorganisierte Unternehmen und seine Kapitalgeber nicht mit zu hohen Reorganisations­ kosten belastet werden, wodurch mittelbar der Erfolg der Reorganisation selbst gefährdet würde. In der Praxis regierte der Einzelfall, wobei die SEC in ihren Stellungnahmen eher zur „Demokratie“, die Gerichte dagegen mehr zur „Ökonomie“ neigten305. Die SEC spielte in der Gebührenpraxis eine große Rolle. Sie betrachtete die Gebühren als einen Gefahren- und Angelpunkt für die Wirtschaftlich­ keit und den Stil des Verfahrens und widmete sich dieser Frage in vielen Verfahren mit großer Intensität. Sie setzte es durch, daß die Antragsteller Art und Ausmaß ihrer Dienstleistungen, für die sie Vergütung verlangten, schriftlich detailliert aufführen und eidesstattlich versichern mußten. Wenn diese Unterlagen eingereicht waren, prüfte die SEC jeden Posten und die Gesamtsumme aller Honorare und Kosten genau auf ihre Berechtigung 303 Über das System im einzelnen siehe auch Kramer 106 ff. 304 Man kann die Gebühren fast als Thema Nr. 1 der bisherigen Reorganisationspraxis bezeichnen. Die sukzessiven Ausgaben des „Decennial Digest“ der West Publishing Co. verzeichnen zur Gebührenfrage drei- bis fünfmal soviel gerichtliche Leitsätze wie zur Kon­ trolle des Reorganisationsplans, dem materiellen Herzstück des gerichtlichen Verfahrens (darüber oben S. 90ff); siehe z.B. Sixth Decennial Digest 1946-1956, 4 (1957) Bankruptcy §§ 639-651, 692-699; Seventh Decennial Digest 1956-1966, 4 (1967) Bankruptcy §§ 639-651, 692-699. Bei Collier, dem repräsentativen Handbuch des Konkursrechts, nimmt die Erörte­ rung der Gebührenfrage mehr als doppelt so viel Raum ein; Collier VI A § 11.04 (S. 181-242), § 13.01-13.19 (S. 514-674). 305 Die Praxis zum Grund und zur Höhe der Vergütung wird nachgewiesen bei Collier VI A §§ 13.02, 13.06, 13.10,13.12; Steinberg, N.Y.L.F. 8 (1962) 270ff., 279f.; Segatto, U. IU. L. F. 1958, 642f.; Meyers, Col. L. Rev. 53 (1953) 1049ff., 1066ff.; (Note) N.Y.U.L.Q. Rev. 469 ff.

und Tragbarkeit für das reorganisierte Unternehmen und die Kapitalgeber. Sodann machte sie dem Gericht einen begründeten Vorschlag306. Da die SEC von allen Verfahren Kenntnis erhielt, hatte sich allmählich bei ihr viel Erfahrung angesammelt. Bei den Gerichten - die meisten haben mit Reorganisationsfällen nur gelegentlich zu tun - hatten die Empfehlun­ gen der SEC zur Gebührenbemessung daher großes Gewicht307. Nur wenn die SEC im Interesse einer breiten Beteiligung von Kapitalanlegern dann und wann für liberale Anerkennung von Gebührenforderungen eintrat, scheinen die Gerichte ihr nicht mit der gleichen Willigkeit gefolgt zu sein308. 309 Insgesamt konnte die SEC aber für sich beanspruchen, die Gebührenpraxis nach ihren Vorstellungen gestaltet zu haben. Das Reformgesetz von 1978 beendet diese Praxis. Gegen das demokrati­ sche Ideal der Mitwirkungschancen für alle Kapitalgeber setzt es Ökono­ mie und Geschwindigkeit (was auch damit zu erklären ist, daß das neue Kap. 11 für große und kleine Unternehmen passen soll). Das Gesetz sieht deshalb vor, daß offizielle Komitees für die Gläubiger und die Anteilseig­ ner bestellt werden und daß im Normalfall nur diese Komitees Anspruch auf Kostenersatz haben. Im einzelnen: Das Gericht muß sogleich mit der Eröffnung des Verfahrens ein Komi­ tee für die ungesicherten Gläubiger bestellen, auf Antrag und wenn es zur angemessenen Interessenvertretung notwendig ist, auch Komitees für wei­ tere Gruppen und Untergruppen von Gläubigern und Anteilseignern (§ 1129[a))302.

Zu Mitgliedern der Komitees sollen im Regelfall die Gläubiger mit den sieben höchsten Forderungen und die Anteilseigner mit den sieben größten Anteilen berufen werden; wenn eine Gläubigerklasse jedoch bereits vor der Eröffnung des Verfahrens ein Komitee organisiert hatte, soll das Gericht 306 Über die Rolle und die Arbeitsweise der SEC Hooton, B. C. Ind. Com. L. Rev. 18 (1977) 443-467; Windle, Ref. J. 34 (1960) 39; Segatto (N. 305) 641 ff.; Nolan, Geo. L. J. 42 (1954) 432-445. 307 Hooton (N. 306) 444ff; Windle (N. 306) 39; Segatto (N. 305) 641 f.; alle mit Nachweisen über einzelne Fälle. 308 Angaben bei Nolan (N. 306) 424ff. und Hooton (N. 306) 446f. 309 Für einige Gerichtsbezirke hat das Reformgesetz probeweise das Amt des „United States Trustee“ geschaffen (11 U.S.C. Kap. 15). Diesem sind die mehr verwaltungsmäßigen Aufgaben des Konkursrichters (Bankruptcy Court) zugewiesen, vor allem die Ernennung und Überwachung des Konkursverwalters und des Reorganisationstreuhänders und auch die Bestellung der Komitees für die Gläubiger und Anteilseigner; 11 U.S.C. § 151102. Zu den Bezirken mit einem United States Trustee gehören unter anderem die Städte New York, Boston, Chicago, Dallas, Los Angeles. Die Erprobungszeit für diese neue Institution endet, wenn nicht vorher gesetzlich verlängert, am 31. 3. 1984 (sec. 408 [c] des Bankr. Ref. Act). Zu den Einzelheiten siehe Collier (15. Aufl.) I §§ 6.01 ff. und § 7.08.

dessen Mitglieder für das nun offizielle Komitee übernehmen, falls die Mitglieder angemessen ausgewählt worden waren („fairly chosen“) und die betreffende Gläubigerklasse hinreichend repräsentieren (§ 1129[b]). Die Komitees haben die Aufgabe, den Treuhänder oder die Unterneh­ mensleitung bei der Führung des Unternehmens zu überwachen und zu unterstützen; sie können auch die Unternehmenssituation prüfen, bei der Aushandlung und Formulierung des Reorganisationsplans mitwirken und bei ihrer Kapitalgebergruppe die Zustimmungen zum Reorganisationsplan einholen (§ 1103[c]). Sie dürfen für diesen Zweck Anwälte, Buchprüfer sowie andere Hilfspersonen beschäftigen, und diese (aber nicht mehr die Mitglieder des Komitees selbst) können für ihre Dienste, soweit sie not­ wendig waren, eine angemessene Vergütung und Kostenersatz aus dem Unternehmensvermögen verlangen (§ 503[b] [1+2] und § 330[a]). Das Gesetz schließt nicht aus, daß neben den gerichtlich bestellten sich weitere Komitees bilden, aber es gewährt solchen inoffiziellen Komitees, ebenso einzelnen Kapitalgebern, die sich aktiv beteiligen, Kostenersatz (sowie Vergütung für deren Anwälte und Buchprüfer) nur, wenn sie zu dem Verfahren einen „erheblichen Beitrag“ (substantial contribution) geleistet haben310.

III. Anwendungsbereich Der Gesetzgeber von 1938 hatte das Reorganisationsverfahren nach Kap. X und das Arrangement-Verfahren nach Kap. XI nebeneinander gestellt. Die Praxis plagte sich seitdem damit, die Anwendungsbereiche der beiden Verfahren gegeneinander abzugrenzen. Zyniker meinten, die Doppelspurigkeit des Gesetzes beruhe nicht auf rechtspolitischer Absicht, sondern spiegele lediglich die Unfähigkeit des damaligen Kongresses, sich zwischen den an ihn herangetragenen, eigent­ lich unvereinbaren rechtspolitischen Wünschen zu entscheiden311. Immer­ hin war aus der geistigen Herkunft der Verfahren klar: Das Arrangement­ Verfahren nach Kap. XI hatte man gedacht für kleinere Gesellschaften mit begrenztem Aktionärskreis, die einen schnellen Vergleich mit ihren Geschäftsgläubigern und kreditierenden Banken anstreben312, das Reorga­ nisationsverfahren nach Kap. X dagegen für die großen Unternehmen, die 310 § 503 (b) (3) (D) + (4). 311 Siehe darüber oben S. 80f. und die Bemerkung bei Krause, Bus. Law. 19 (1974) 511; in dieselbe Richtung auch der House Report (oben N. 283) 223. 312 Für Einzelfirmen und Personengesellschaften stand ohnehin nur dieses Verfahren zur Verfügung.

sich auf dem Kapitalmarkt finanzieren und es so mit einer unbestimmten Vielzahl von Wertpapieranlegern zu tun haben313. Dazwischen aber liegt der weite Bereich der „mittelgroßen“ Unternehmen, für die nach ihrer Art an sich jedes der beiden Verfahren in Frage kam. Um diese Unternehmen standen Kap. X und Kap. XI bis zuletzt im offenen Wettbewerb. Die Leiter der Unternehmen und ihre juristischen Berater drängten zum Arrangement-Verfahren nach Kap. XI, weil sie so die Fäden am ehesten in der Hand behielten: (1) Da in der Regel kein Verwalter ernannt wurde, konnte die alte Unternehmensleitung im Amt bleiben. (2) Es gab keine peinlichen Untersuchungen und Berichte eines Verwalters oder der SEC über die bisherige Unternehmensführung und den Unternehmenszustand. (3) Die Einleitung des Verfahrens und die Ausarbeitung eines Sanierungs­ plans waren Sache des Unternehmens, also der Unternehmensleitung; die Verhandlungen darüber mit den Gläubigern unterlagen keiner gerichtli­ chen oder behördlichen Kontrolle; es blieb also der Unternehmensleitung überlassen, wann, auf welche Weise und mit welchen Informationen sie sich die Zustimmung der Gläubiger beschaffte. (4) Der Inhalt des Sanie­ rungsplans wurde vom Gericht nur daraufhin überprüft, ob er „den Interessen der Gläubiger entspricht“ (§ 366[2]). Das war schon der Fall, wenn die Gläubiger durch das Arrangement mehr erhielten als durch eine Liquidation314. Nicht prüfen durfte das Gericht, ob der Plan auch „gerecht und billig“ war, womit im Reorganisationsverfahren die absolute Vor­ rangsregel ins Spiel kam315. Die Aktionäre und damit die bisherige Unter­ nehmensleitung brauchten im Arrangement-Verfahren also nicht zu befurchten, bei ungünstiger Unternehmensbewertung eliminiert zu wer­ den316. (5) Das Verfahren war billiger und schneller durchzufuhren als eine Reorganisation nach Kap. X317. 313 Über die Vorstellungen während der Gesetzesberatungen Collier VI § 0.12 S. 121; Rostow/Cutler, Yale L. J. 48 (1939) 1334 ff.; Cage, Geo. Wash. L. Rev. 8 (1940) 1056f.; (Comment) Nw. U. L. Rev. 50 (1956) 762 ff. 314 Collier IX § 9.17; Nachweise über die Rechtsprechung auch bei R. J. Rosenberg, N. C. L. Rev. 53 (1975) 1180. 315 Dieses Erfordernis war ursprünglich auch für das Arrangement-Verfahren aufgestellt (§ 366 [3] alter Fassung), aber anscheinend nie so ernst genommen worden wie nach Kap. X; 1952 wurde es gestrichen; siehe dazu Collier IX § 9.18 S. 296ff. 316 Zur Praxis nach Kap. X siehe oben S. 107ff., 110ff. 317 Die Einstellung der Geschäftswelt und ihrer juristischen Berater kommt besonders deutlich zum Ausdruck bei Weintraub/Levin, Ref. J. 33 (1959) 47f.; Fordham L. Rev. 26 (1957) 292; Rutg. L. Rev. 14 (1960) 575ff.; Am. Bankr. L. J. 47 (1973) 325ff.; Weintraub/ Crames, Am. Bankr. L. J. 48 (1974) 1 ff.; Coogan, Bus. Law. 29 (1974) 743f; Coogan/ Broude/Glatt, Bus. Law. 30 (1975) 1154ff. In einem der Praktikeraufsätze wurde geraten, Kap. X nur im Extremfall zu benutzen; Rodden/Carpenter, U. Colo. L. Rev. 36 (1963) 140.

In ihrer Vorliebe für das Arrangement-Verfahren wurden die Unterneh­ mensleitungen meistens gestützt von den Geschäftsgläubigern und Kredit­ banken des Unternehmens. Diese sind vor allem an der Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen mit der ihnen bekannten Unternehmensleitung interessiert318, 319 und selbst da, wo sie der bisherigen Unternehmensleitung eigentlich mißtrauen müßten, sagt man: „creditors usually prefer to operate with the devil they know rather than with a . . . stranger, whose onthe-job-training will be at the creditors’ expense"319. Die Schwäche des Verfahrens bestand in den Augen der Geschäftswelt nur darin, daß es widerspenstige Aktionäre und gesicherte Gläubiger nicht binden konnte. Aber es gelang der Praxis oft, auch diese Schwierigkeiten zu überwinden, indem nebenher Sondervereinbarungen geschlossen, Kapitalherabsetzung und anschließende Kapitalerhöhung nach einzelstaatlichem Gesellschafts­ recht durchgeführt sowie gegen gesicherte Gläubiger besondere Verwer­ tungsverbote während des Verfahrens erwirkt wurden320. Die SEC versuchte von Anfang an, dieser Tendenz entgegenzuwirken. Ihr Standpunkt: Eine Gesellschaft, die sich am öffentlichen Kapitalmarkt finanziert hat und deren Papiere sich in den Händen einer nennenswerten Zahl von Anlegern befinden, muß im Reorganisationsverfahren nach Kap. X saniert werden, weil nur dieses Verfahren dem Anlagepublikum den vom Gesetzgeber gewollten Schutz bietet. Mit dieser Auffassung interve­ nierte die SEC in zahllosen Verfahren, um ein Ausweichen der Unterneh­ men auf das bequemere Arrangement-Verfahren zu verhindern - oft mit Erfolg. Sie versuchte außerdem zweimal (1940 und 1958), den Kongreß zu veranlassen, durch eine entsprechende Gesetzesergänzung das Arrange­ ment-Verfahren zu sperren für Gesellschaften, deren Aktien und Obliga­ tionen auf mehr als hundert Besitzer verteilt sind - hierin jedoch ohne Erfolg321. Die Festlegung der Anwendungsbereiche blieb also den Gerich­ ten überlassen. Die Entwicklung der Rechtsprechung seit 1938 war markiert durch drei Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, die aber der Praxis keine

318 Siehe N. 317 und R. J. Rosenberg (N. 314) 1175 £ 319 Coogan/Broude/Glatt (N. 317) 1156. 320 Siehe z. B. Posi-Seal International, Inc. v. Chipperfield, 457 F. 2d 237 (Cir. 2, 1972); Blum/Kaplan, Wis. L. Rev. 1972, 978 f£; Festersen, Am. Bankr. L. J. 46 (1972) 324f£; Yacos, Ref. J. 44 (1970) 29 ff. 321 Über Standpunkt und Praxis der SEC: Loss, Securities Regulation II 758 ff; Hooton (N. 306) 447ff.; Katskee, Am. Bankr. L. J. 45 (1971) 193£; Seidman, Com. L. J. 1971, 35; Segatto (N. 305) 633 £; (Note) Harv. L. Rev. 69 (1955) 352 ff. Über die Gesetzgebungsvor­ schläge siehe (Comment) Nw. U. L. Rev. (N. 313).

eindeutige Grenzlinie boten322. Insbesondere fiir mittelgroße Unternehmen konnte das eine wie das andere Verfahren akut werden, und selbst große Unternehmen, deren Aktiven und Passiven 50 Mio. $ und mehr betrugen, kamen als „Klienten“ des Arrangement-Verfahrens in Betracht323; anderer­ seits wurde das Reorganisationsverfahren auch fiir Fälle herangezogen, die um Welten kleiner waren als die großen Eisenbahn-Insolvenzen, fiir die das Verfahren ursprünglich entwickelt worden war324. Welches der Verfahren im konkreten Fall durchgeführt wurde, bestimmten zu einem guten Maß die Unternehmen selbst und die SEC, da einerseits das Unternehmen zunächst wählen konnte zwischen dem Antrag nach Kap. X und dem nach Kap. XI325 und andererseits, wenn Kap. XI gewählt wurde, eine Verwei­ sung auf das Kap. X oft allein von der SEC beantragt wurde326. Für die jetzt abgeschlossene Reform war die Unsicherheit der Praxis in der Abgrenzung der Verfahrenstypen eines der dringlichsten Probleme. Die Bankruptcy Commission legte die „große Lösung“ vor. Ihr Entwurf faßte beide Verfahren zu einem einzigen zusammen, wobei er Elemente aus ihnen so kombinierte, daß das neue Verfahren ungefähr in der Mitte zwischen der Strenge und Gründlichkeit von Kap. X und der Einfachheit von Kap. XI lag327. Nur fiir Unternehmen mit öffentlich gestreuten Anteils- und Schuldtiteln sah der Entwurf noch einige besondere Regelun­ gen vor, die fiir wesentliche Stellen des Verfahrens die eigentlichen Schutz­ vorkehrungen des Kap. X - zum Teil in abgewandelter Form - wiederhol­ ten, aber an präzise quantitative Voraussetzungen knüpften328. Die im Repräsentantenhaus schließlich angenommene Gesetzesvorlage ging über das Konzept der Bankruptcy Commission noch hinaus, indem sie ein einheitliches Verfahren ohne irgendwelches Sonderrecht vorsah329. Der 322 SEC. v. United States Realty Co., 310 U.S. 434 (1940); General Stores Corp. v. Shlensky, 350 U.S. 462 (1955); SEC v. American Trailer Rentals Co., 379 U.S. 594 (1965). 323 So z. B. in re KDI Corp., 477 F. 2d 726 (Cir. 6, 1973); weitere Fälle genannt im House Report (oben N. 283) 222. 324 Angaben über die Praxis im Bericht der Bankruptcy Commission (oben N. 166) I 246 f. mit N. 31; Denkschrift der SEC (oben N. 290) 24 mit Appendix B; R. J. Rosenberg (N. 314) 1153f. 325 Gläubiger konnten nur nach Kap. X vorgehen; siehe oben S. 85. 326 Hooton (N. 306) 449. Von 1965-1975 hat die SEC nur noch 27 Verweisungsanträge gestellt; Denkschrift (oben N. 290) 23. 327 Kap. VII des Kommissionsentwurfs. Siehe dazu den Bericht der Kommission S. 237, 245 ff. Systematische Vergleiche zwischen dem vorgeschlagenen Verfahren und den bisheri­ gen Kap. X und XI: L. P. King (N. 168) 429-436; R. J. Rosenberg (N. 314) 1149-1196. 328 z.B. §§ 7-102 (1), 7-306-308, 7-310 (d) (2) (B), in Verbindung mit § 1-102 (36) und § 7-102 (a). 329 95. Kongreß, H. R. 8200; abgedruckt auch bei Collier (15. Aufl.) App. Bd. 3, S. III1f.

Senat in seiner Vorlage folgte dagegen im wesentlichen dem Konzept der Bankruptcy Commission330. Eine Einigung wurde erst in den letzten Tagen der Legislaturperiode erzielt. Durchgesetzt hat sich dabei die Vorlage des Repräsentantenhauses, wofür in einigen wenigen Punkten inhaltliche Kon­ zessionen an die Senatsvorlage gemacht wurden. Das jetzt geltende Kap. 11 sieht ein Einheitsverfahren vor, das aus Elementen der bisherigen Kap. X und XI, mit einem leichten Übergewicht des Kap. XI -Anteils, gemacht ist: Es wird nicht automatisch ein Treuhän­ der für das Unternehmen bestellt331; das Recht, einen Reorganisationsplan vorzuschlagen, hat zunächst die Unternehmensleitung; das Gutachten der SEC und die gerichtliche Planprüfung vor der Abstimmung sind gestri­ chen; die absolute Vorrangsregel und damit die Kontrolle des Gerichts sind zurückgedrängt. Aber (dies übernommen aus Kap. X): Das Verfahren kann auch auf Antrag von Gläubigern eröffnet werden; es ergreift auch gesicherte Gläubiger und Anteilseigner; es ermöglicht eine Zwangsbestäti­ gung gegen nichtzustimmende Kapitalgeberklassen332. Neu: die bisherige präventive Planprüfung nach Kap. X ist ersetzt durch eine gerichtliche Prüfung des Situationsberichts, der den Kapitalgebern vor der Abstim­ mung übersandt werden muß333. Dies entspricht der Grundphilosophie des neuen Verfahrens: zu gewährleisten, daß die Kapitalgeber ausreichende Information erhalten, dann aber die beteiligten Gruppen möglichst unbe­ engt durch Gesetz und Gericht über die Reorganisation verhandeln und entscheiden zu lassen334. Sicher ist, daß die erreichte Einheitslösung der Praxis die bisherigen Abgrenzungsstreitigkeiten erspart und schon damit viel Unzufriedenheit beseitigt. Es standen der Wirtschaft allerdings (und stehen auch weiterhin) durchaus noch andere Insolvenz verfahren zur Verfügung: (1) Das bisherige Konkursgesetz hatte in Kap. XIII ein besonderes Vergleichsverfahren für Lohn- und Gehaltsempfänger (unter dem Titel: Wage Earners’ Plans)335. Dieses Verfahren wurde im Zuge der Reform verbessert und modernisiert und steht heute (als Kap. 13) jeder natürlichen Person „mit regelmäßigem Einkommen “, d. h. auch einzelnen Kaufleuten und Gewerbetreibenden zur Verfügung, allerdings nur, wenn die ungesi­

330 331 332 333 334 335

95. Kongreß, S. 2266; abgedruckt auch bei Collier (15. Aufl.) App. Bd. 3, S. VII—1 fE Siehe darüber näher unten Seiten 224 f. Siehe oben Seite 118 f. und unten S. 278 fF. Siehe oben Seiten 117f. Siehe oben Seite 117-119. Siehe darüber Kramer 16 f.

cherten Verbindlichkeiten weniger als 100000 $, die gesicherten weniger als 350000 $ betragen (§ 109 [e))3%. (2) Auch die Gesetzgebung der Einzelstaaten bietet schon seit langem einige Insolvenzregelungen, die für Sanierungszwecke genutzt werden können. Seitdem der Bundesgesetzgeber das Gebiet mit seinem Gesetz dauerhaft in Anspruch genommen hat, sind die einzelstaatlichen Gesetze allerdings im wesentlichen auf die außergerichtliche Insolvenzpraxis zurückgedrängt worden. Hier spielt das einzelstaatliche Recht offenbar immer noch eine beträchtliche Rolle, indem es Erlaß- und Stundungsver­ gleiche (common law compositions) und Treuhand-Liquidationsvergleiche (assignments for the benefit of creditors; general assignments) mit Rechts­ garantien versieht und mißbräuchlichen Praktiken ent gegen tritt336 337. Für die Zwecke dieser Untersuchung kann das einzelstaatliche Recht außer Betracht bleiben, weil es für die Sanierung von Großunternehmen keine Bedeutung hat. Es verdeutlicht aber, daß auch das neue Verfahren nach Kap. 11, obwohl Einheitsverf^hren, nur eine relative Stellung im gesamten Insolvenzbereich einnimmt.

IV. Dauer und Kosten Ein ständiges und verbreitetes Klagethema sind die Dauer und die Kosten des Reorganisationsverfahrens338. Im Verfahren nach Kap. X waren Reorganisationen, die fünf Jahre und länger dauerten, keine Seltenheit, während man für das Arrangement-Verfahren im allgemeinen mit einer Dauer von zwölf bis achtzehn Monaten rechnete339. Dauer und Kosten des Reorganisationsverfahrens ergaben sich weitgehend unvermeidlich aus der 336 Über die Einzelheiten Collier (15. Aufl.) §§ 1300ff. 337 Über das einzelstaatliche Recht und sein Verhältnis zur Bundeskompetenz: Riesenfeld, Creditors’ Remedies 458, 466-468; Collier VI § 0.02, § 0.13; Billyou, U. 111. L. F. 1958, 556-585; Hanisch (N. 161) 167-169; Kramer 21-28. 338 Billyou (N. 176) 495; (Note) U.C.L.A.L. Rev. 13 (1966) 462; Quittner, Ref. J. 42 (1968) 37; Cowans, Ref. J. 43 (1969) 11 f.; Seligson (N. 175) 101; Rochelle/Balzersen (N. 175) 94ff.; R. J. Rosenberg (N. 314) 1172ff; Stanley/Girth 145. 339 Angaben bei Stanley Girth 143ff.; Rochelle, Ref. J. 41 (1967) 14; (Note) U.C.L.A.L. Rev. (N. 338) 462; Windle, Ref. J. 36 (1962) 12; Billyou (N. 176) 495. Noch 1949 waren 123 Verfahren anhängig, die unter § 77B (also vor 1939) begonnen hatten, 1959 noch 25; Tables of Bankruptcy Statistics 1949/50, F 1b; 1959/60, F lb. Von den 924 Kap. X-Verfahren, die in den Jahren 1967 bis einschließlich 1977 anhängig gemacht wurden, waren am Ende dieser Zeit 482 (positiv oder negativ) abgeschlossen, davon 92 (= 19%) mit einem durchgeführten Reorganisationsplan; Bericht des Abg. Edwards, 28. 9. 1978, Cong. Rec. Bd. 124, S. H 11102 (abgedruckt auch bei Collier (15. Aufl.) App. Bd. 3, S. IX-113). Eine Reorganisation, die 30 Jahre in Anspruch nahm, wird geschildert von Pines, A.B.A.J. 47 (1961) 1163ff.

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vom Gesetzgeber gewollten lang hingezogenen Folge vieler Verfahrens­ schritte mit einer großen Zahl von Beteiligten. Allein das gerichtliche Anhörungsverfahren zur Planprüfung vor der Abstimmung konnte Monate dauern, weitere Monate die daran anschließende Erstellung des Gutachtens der SEC340. Die SEC als hauptsächliche Verteidigerin des gesetzlichen Konzepts betonte den guten Sinn eines bedächtigen Verfahrens, da oft nur so alle Hilfsmöglichkeiten ausgeschöpft und voreilige Liquidationen verhindert werden könnten341. Aus der Sicht der nur mittelgroßen Unternehmen wurde der Zeit- und Geldaufwand des Verfahrens dagegen als zusätzliche Gefahr für das Gelingen der Sanierung betrachtet, da hier von vornherein weniger „Masse“ zur Verfügung steht, die Marktstellung in der Regel weniger sicher ist und deshalb auch die Zwischenfinanzierung bis zum Abschluß des Verfahrens schwerer zu beschaffen ist342. Für solche Unter­ nehmen erschienen manchem Beobachter die SchutzVorkehrungen des Reorganisationsverfahrens auch durch die Sache nicht geboten, sondern als teurer Luxus und Perfektionismus343. Das neue Kap. 11 soll die Beschleunigung der Verfahren durch eine starke Anlehnung an das bisherige Arrangement-Verfahren erreichen: Es wird nicht mehr automatisch ein Treuhänder bestimmt (der sich erst einarbeiten müßte), sondern die bisherige Unternehmensleitung wird im Amt belassen und darf den Reorganisationsplan aus arbeiten344; Gericht und SEC sind vor der Abstimmung nicht mehr in die Prüfung des vorgeschla­ genen Reorganisationsplans eingeschaltet345; schließlich darf - wie im alten Arrangement-Verfahren - schon vor der Eröffnung des Verfahrens über den Reorganisationsplan verhandelt und abgestimmt werden; das Gericht muß eine solche Abstimmung gelten lassen, wenn die betroffenen Kapital­ geber vorher angemessene Information erhalten hatten346. Diese Regelung berücksichtigt bewußt die Verhältnisse von mittelgro­ ßen und kleineren Unternehmen, weil das neue Einheitsverfahren auch ihnen gerecht werden muß; ob sie jedoch auch für Großunternehmen zu 340 So die Klage im House Report (oben N. 283) 225. 341 Siehe z.B. Windle (N. 339) 12; Pines (N. 339) 1170. 342 Hierzu besonders anschaulich Coogan (N. 317) 1170; Coogan/Broude/Glatt (N. 317) 1157; Cowans (N. 338) 11 f.; dieser erörtert die Problematik unter der Überschrift: „Ster­ bende Patienten meisterlicher Chirurgen“. 343 So die Äußerung eines Kenners der Insolvenzpraxis, zitiert in Harv. L. Rev. 69 (1955) 359 N. 66 und von Prof. Homer KRIPKE (New York) in einer gutachtlichen Äußerung; App. II zum House Report (oben N. 283) dort S. 260. 344 Siehe näher unten S. 224f, 271 f. 345 Siehe oben S. 115ff. 346 Einzelheiten in § 1126 (b).

einer Beschleunigung des Verfahrens fuhren wird (und um welchen Preis), bleibt abzu warten.

V. Sicherungsrechte Ein Problemkreis, der für das Reorganisationsverfahren erst in neuerer Zeit eine große Rolle spielt, ist die Behandlung der gesicherten Gläubiger während des Verfahrens. Hier stehen gegeneinander das Interesse des Unternehmens, das Sicherungsgut weiter benutzen, unter Umständen auch verarbeiten und veräußern zu dürfen, und das Interesse der Kreditge­ ber, über die kreditierten Beträge alsbald wieder verfugen zu können, jedenfalls aber das Dahinschwinden oder einen Wertverlust des Siche­ rungsgutes zu vermeiden. Im alten Receivership-Verfahren hatte die Einsetzung des Zwangs Ver­ walters zur Folge, daß alle Gläubiger, auch die gesicherten, an der Geltend­ machung ihrer Rechte vorerst gehindert waren. Diese automatische Vollstreckungs- und Verwertungssperre auch gegen Sicherungsrechte wurde in das Kap. X übernommen (§ 148), jedoch konnte das Gericht sie auf Antrag aufheben; es entschied darüber nach seinem Ermessen auf Grund aller Umstände des Einzelfalls347. Solange das Reorganisationsverfahren haupt­ sächlich die Eisenbahnen und vergleichbare Großunternehmen betraf, wurde die Abwehr der gesicherten Gläubiger rechtspolitisch nicht „auffäl­ lig“, weil das Verfahren sich im wesentlichen gegen die Inhaber von gesicherten Schuldverschreibungen und anderen Kapitalmarktpapieren richtete, die durch Teile des langlebigen Anlagevermögens (Grundstücke, Gebäude, Lokomotiven und Waggons, Maschinenanlagen) gesichert waren. Diese Kapitalgeber konnten darauf vertrauen, am Ende des Verfah­ rens im Reorganisationsplan entsprechend dem Wert ihrer Sicherheit berücksichtigt zu werden. Ein Wertverfall der Sicherheiten während des Verfahrens war hier seltener zu befurchten - wenn doch, konnten die Gläubiger, die den Ausgang des Verfahrens nicht ab warten wollten, an der Börse verkaufen und so theoretisch immer den derzeitigen „Wert“ ihrer Sicherheit liquidieren. Inzwischen trifft das Reorganisationsverfahren auch auf kleinere und mittelgroße Unternehmen; deren Kredit beruht in der Regel auf nicht börsengängigen oder sonst handelbaren Sicherungsrechten an Warenvorrä­ ten, Außenständen und kurzlebigeren Anlagegütern (z. B. Lastkraftwagen, Büromaschinen). Auch hat die Einführung des Uniform Commercial 347 Das Verfahren war zuletzt geregelt in Bankruptcy Rule 10-601 (c)

Code seit Beginn der Sechziger jahre die Begründung von Sicherungsrech­ ten an beweglichem Vermögen (auch an wechselnden Warenvorräten und Außenständen) erleichtert und damit generell, auch für die großen Unter­ nehmen, zu einer Ausweitung des kurz- und mittelfristigen Kredits auf dieser Sicherungsgrundlage beigetragen348. In solchen Kreditbeziehungen stellt sich mit größerer Schärfe die Frage, wie lange dem gesicherten Gläubiger, der den Verlust oder Wertverfall seiner Sicherungen befurchtet, das Warten auf ein positives oder negatives Ende des Verfahrens zugemutet werden kann. Die Gerichte, ohne nähere Anleitung durch das Gesetz, neigten dazu, durch Aufrechterhaltung der Verwertungssperre den gesicherten Gläubi­ ger das Erfolgsrisiko des Reorganisationsverfahrens in hohem Maße mit­ tragen zu lassen349. Die Bankruptcy Commission kodifizierte und verfei­ nerte in ihrem Entwurf diese Praxis mit einzelnen Modifikationen350. Die gerichtliche Praxis und der Kommissionsentwurf waren lebhaft umstrit­ ten. Auf der einen Seite, unterstützt von der Kreditwirtschaft, die These, daß den gesicherten Gläubigern mindestens der Liquidationswert garan­ tiert sein müsse, den das Sicherungsgut zur Zeit der Verfahrenseinleitung gehabt habe; die Sicherheit müsse deshalb ohne Rücksicht auf sonstige Unstände sofort freigegeben werden, wenn die Erhaltung dieses Wertes im Laufe des Verfahrens nicht mehr gewährleistet erscheine351. Der Rechtspre­ chung und der damaligen Gesetzesregelung wurde vorgeworfen, diese Mindestgarantie nicht ausreichend einzuhalten352. Die Gegenthese wurde vor allem von der SEC vertreten: Nach Sinn und Zweck des Reorganisa­ tionsverfahrens entscheide über die Position aller Gläubiger erst der Reor­ 348 Siehe die Bemerkungen von Seligson (N. 175) 87 f.; Trost (N. 279) 133; Countryman, Com. L. J. 82 (1977) 349; R. J. Rosenberg, U. Pa. L. Rev. 123 (1975) 515f. Über das neue Recht der Kreditsicherheiten nach dem UCC allgemein: Coogan/Hogan/Vagts, Secured Transactions under the Uniform Commercial Code (Loseblattausgabe, Stand 1977) Kap. 1-3A. Siehe jetzt auch Collier (15. Aufl.) § 363.01 (2); House Report (oben N. 283) 3f. 349 Die Rechtsprechung ist zusammengetragen und gewürdigt bei Festersen, Am. Bankr. L. J. 46 (1972) 324-332; Murphy, Bus. Law. 30 (1974) 30ff., Cal. L. Rev. 63 (1975) 1489ff., 1503; R. J. Rosenberg, N.C.L. Rev. 53 (1975) 1193ff.; Countryman (N. 348); Webster, Am Bankr. L. J. 51 (1977) 197ff. Peitzman/Smith, Cal.L.Rev. 65 (1977) 1224; Salter, Com. L. J. 82 (1977) 253 ff. Besonders viel diskutiert wurden zwei Entscheidungen des für New York zuständigen Bundesberufungsgerichts: In re Yale Express System, Inc., 384 F. 2d 990 (Cir. 2, 1976); In re Bermec Corp., 445 F. 2d 367 (Cir. 2, 1971). 350 §§ 4-501 und 7-203. 351 So besonders zugespitzt Murphy, Bus. Law 30 (1974) 25; Jacobson, U. Chi. L. Rev. 42 (1975) 510ff. 352 Coogan/Hogan/Vagts, Secured Transactions §9.05(4) S. 1050.14ff.; Coogan/ Broude/Glatt, Bus. Law. 30 (1975) 1177f.; Murphy, Bus. Law. 30 (1974) 48; Cal. L. Rev. 63 (1975) 1499ff., 1508ff.; R. J. Rosenberg (N. 314) 1193f.; Trost (N. 279) 133ff.

ganisationsplan und deshalb seien auch etwaige Entwertungsverluste der gesicherten Gläubiger grundsätzlich in Kauf zu nehmen, solange das Verfahren nicht, mit oder ohne Reorganisationsplan, beendet sei. Die SEC wandte sich deshalb dagegen, daß überhaupt die Aufhebung oder Modifi­ zierung der Verwertungssperre gesetzlich zugelassen werden sollte. Der richtige Ort für die Behandlung auch der gesicherten Gläubiger sei viel­ mehr der endgültige Reorganisationsplan (oder, wenn er nicht zustande komme, die Gesamtliquidation), in dem dann mit Hilfe der absoluten Vorrangsregel den besonderen Ansprüchen der Sicherungsgläubiger Genüge getan werden könne. Nur wenn ein gesicherter Gläubiger beson­ dere Billigkeitsgründe ins Feld fuhren könne, die für seine Bevorzugung vor den anderen (auch den anderen gesicherten) Gläubigem sprächen, sollte er nach Ansicht der SEC ausnahmsweise von der Verwertungssperre ausgenommen werden353. Das Reformgesetz von 1978 folgt im wesentlichen den Vorschlägen der Bankruptcy Commission, aber es baut einige zusätzliche Schutzvorkeh­ rungen in das Verfahren ein. Die Regelung - ausführlich und kompliziertgilt gleichermaßen für Liquidation und Reorganisation und ist deshalb nicht im Kap. 11 des Gesetzes, sondern im allgemeinen Kapitel über „Verwaltung“ während des Verfahrens (Kap. 3) enthalten (SS 361-363). Sie wird aber für Reorganisationsverfahren zweifellos die größere Bedeu­ tung erlangen. In den Grundzügen sieht sie so aus: Die mit dem Verfahren automatisch einsetzende Vollstreckungs- und Verwertungssperre gilt auch für die gesicherten Gläubiger (§ 362 [a] [3+4]). Das Schuldnerunternehmen (oder sein Treuhänder) darf das Siche­ rungsgut im ordentlichen Betriebsgang veräußern, verbrauchen oder sonstwie benutzen; soweit diese Inanspruchnahme über den ordentlichen Geschäftsgang hinausgeht, muß die vorherige Erlaubnis des Gerichts (nach Anhörung der Beteiligten) eingeholt werden, und generell für die Inan­ spruchnahme von Barmitteln, Konten, Wechseln, Börsenpapieren und anderen geldgleichen Gegenständen, an denen ein Sicherungsrecht besteht (§ 363 [a]-[c]). Die Gerichte hatten aus dem Grundgedanken des bisherigen Rechts sogar die Befugnis hergeleitet, dem Gläubiger, der selbst im Besitz des Sicherungsgutes ist, die Herausgabe an das Unternehmen zu befehlen, damit das Sicherungsgut dort während des Verfahrens für betriebliche Zwecke benutzt werden könne354. Das neue Kap. 11 übernimmt auch diese Regelung (§ 542). 353 SEC, Report on Proposed Legislation (oben N. 290) 98-101. 354 Z.B. Reconstruction Finance Corporation v. Kaplan, 185 F. 2d 791 (Cir. 1, 1950);

Der gesicherte Gläubiger kann demgegenüber verlangen, daß das Gericht die Zugriffssperre aufhebt oder einschränkt, wenn keine Aussicht besteht, daß ein Reorganisationsplan wirklich zustandekommt oder wenn das Sicherungsgut für eine wirksame Reorganisation (auch für den laufen­ den Betrieb oder die künftige Ausstattung des Unternehmens) nicht benö­ tigt wird (§ 362 [d] [2]). Die Aufhebung oder Modifizierung der Verwer­ tungssperre oder der Benutzungserlaubnis kann außerdem verlangt wer­ den, wenn während des Verfahrens kein „angemessener Schutz“ (adequate protection) des Sicherungsrechts gegeben ist (§ 362[d] [1]). Was unter angemessenem Schutz zu verstehen ist, umschreibt das Gesetz mit Beispie­ len und einer Generalklausel (§ 361(1-3]), nämlich: das Gericht kann dem Unternehmen (oder seinem Treuhänder) aufgeben, (1) periodische Ent­ schädigungszahlungen für die Abnutzung des Sicherungsgutes zu leisten (§ 361(1]), (2) Ersatz- oder Zusatzsicherheiten zu bestellen (§ 362(2]), oder es kann - Genralklausel - (3) jede sonstige Anordnung treffen, die dem Gläubiger ein unbezweifelbares Äquivalent für den Wert seines Siche­ rungsrechts verschafft (§ 361(3]). In der Generalklausel steckt der Grundgedanke der Regelung: Der Gläubiger hat während des Verfahrens keine Gewähr für die Durchsetzbar­ keit seines Sicherungsrechts, auch nicht für seinen individuellen Bestand, jedoch muß ihm der Wert, den das Sicherungsrecht verkörpert, durch Ersatzmaßnahmen garantiert sein355. Das Gesetz verstärkt diesen Grundge­ danken durch eine Ausfallgarantie: Wenn sich später herausstellt, daß die Ersatzmaßnahmen doch nicht ausgereicht haben, den Sicherungswert zu erhalten, hat der Sicherungsgläubiger in Höhe seines dadurch entstandenen Ausfalls eine Forderung als Massegläubiger, die am Ende des Verfahrens vor allen anderen Masseforderungen zu befriedigen ist (§ 507[b]). Zusätzlichen Schutz erhält der gesicherte Gläubiger durch das Verfahren, in dem über die Aufhebung oder Aufrechterhaltung der Verwertungs­ sperre und der Nutzungserlaubnis entschieden wird. Der Gläubiger, der die Aufhebung der Verwertungssperre oder Benutzungsermächtigung begehrt, muß die Voraussetzungen dafür schlüssig dartun, also gegebenen­ falls auch, daß seine Rechtsposition während des Verfahrens nicht ange­ messen geschützt ist. Es ist dann aber Sache des Antragsgegners (also meistens des Unternehmens oder seines Treuhänders, aber auch andere Kapitalgeber kommen als Gegner in Betracht), das Gegenteil zu beweisen Central Railroad Co. v. Manufacturers Hanover Trust Co., 421 F. 2d 604 (Cir. 3, 1970); In re Georgetown on the Delaware, Inc., 466 F. 2d 80 (Cir. 3, 1972). Weitere Entscheidungen bei Countryman, Am. Bankr. L. J. 50 (1976) 317ff. 355 House Report (oben N. 283).

oder zusätzliche Maßnahmen anzubieten, die auch nach Auffassung des Gerichts den angemessenen Schutz des Gläubigers sicherstellen (§ 362[g], § 363[e]). Obwohl das Gesetz so verstanden werden könnte, ist es doch nicht Sache des Gerichts, von sich aus solche Schutzmaßnahmen zu ersin­ nen und anzuordnen356. Über den Antrag des gesicherten Gläubigers muß überdies innerhalb von dreißig Tagen entschieden werden; wenn nicht, tritt die Verwertungssperre für den Antragsteller automatisch außer Kraft (§ 362[e]). Mit dieser Regelung soll verhindert werden, daß der dem gesicherten Gläubiger an sich zu gewährende Schutz an der übergroßen Geschäftslast oder der Unentschlossenheit des zuständigen Richters schei­ tert357.

356 Collier (15. Aufl.) § 361.01 (1); House Report (oben N. 283) 357 House Report (oben N. 283) 175.

Drittes Kapitel

Vergleichung Vor das Vergleichen und Verwerten stellt die Rechts Vergleichung die anschauende Begegnung mit der fremden Rechtskultur. Das amerikanische Reorganisationsverfahren bietet den eigenen Reiz solcher Begegnung in besonderem Maße. Wie die amerikanischen Rechtspraktiker für den alles überragenden Wirtschaftsfaktor ihrer Zeit, die Eisenbahnen, aus verstreu­ ten Einzelstücken des Vertragsrechts, Prozeßrechts und Equity-Rechts, ohne Hilfe des Gesetzgebers oder einer juristischen Wissenschaft, ein funktionierendes und anerkanntes Verfahren der Krisenbewältigung schmiedeten und später universell verwendbar machten: das ist - vor allem Nachdenken über den Lehrwert der Institution für andere Zeiten und Länder - eine Demonstration des angelsächsischen Rechtsgenius. Die wirtschaftliche, soziale und politische Bedeutung der Aufgabe war enorm, die anfänglich vorhandenen juristischen Mittel (gemessen an der Aufgabe) primitiv. Bedenkt man dies, so wird man die Herausbildung des Reorgani­ sationsverfahrens durchaus in einer Reihe sehen können mit anderen großen Rechtsschöpfungen der Praktiker (z. B. dem Trust), für die das Common Law so oft bewundert wird1. Und wie in den dreißiger Jahren politische und soziale Impulse nun nicht mehr von den Praktikern, sondern von akademischer Intelligenz energisch zusammengefaßt und in ein grund­ legendes Reformgesetz verwandelt wurden, ist beispielhaft für den moder­ nen amerikanischen Rechtsstil, dessen Entstehung und Erscheinungsformen Max Rheinstein beschrieben hat2. Die jüngste Gesetzesrevision (von 1978) ist schließlich eine Erneuerung der allgemeinen rechtsgeschichtlichen Erfahrung, daß mit wachsendem zeitlichen Abstand zu einer emphatischen und grundsätzlich angelegten Reform mehr und mehr die Normalitätsbe­ dürfnisse der Praktiker die Rechtspolitik wieder bestimmen.

1 Über den Trust siehe z. B. Zweigert/Kötz I 328 ff. 2 Rheinstein, Die Rechtshonoratioren und ihr Einfluß auf Charakter und Funktion der Rechtsordnungen, RabelsZ 34 (1970) lff. (7ff).

A. Reorganisation und Vergleich Hält man das amerikanische Reorganisationsverfahren in seiner Ent­ wicklung, seiner Wirkungsweise und seinen wesentlichen Problemen gegen das deutsche Vergleichsverfahren, so entsteht ein Bild der Kontraste. Gegensätzlich ist schon die Herkunft der Verfahren. Das amerikanische ist ein Kind des Großkapitalismus, entstanden aus einer innigen Verbin­ dung der Hochfinanz mit den Besten der amerikanischen Anwaltschaft. Früh gereift und gewöhnt an hochkomplizierte Finanzierungsaufgaben, ist es erst in langer Entwicklung und nach politischen Kämpfen auch für kleinere und weniger illustre Verhältnisse erreichbar geworden, wo aber seine fachlichen, zeitlichen und finanziellen Ansprüche immer wieder Mißstimmung erzeugten. Das deutsche Vergleichsverfahren ist dagegen die Erfüllung langjähriger Forderungen des wirtschaftlichen „Mittelstandes“. Die Idee stammt aus der Kaufmannschaft, dem Handwerk und der kleinen Industrie. In den Diskussionen, die seiner Schaffung vorausgingen, beklagen seine Befür­ worter die Umständlichkeit und Dauer des Konkursverfahrens, den oft unverdienten Ehrverlust des Gemeinschuldners und das Verramschen der Konkursmasse zum Nachteil der Konkurrenz; sie erhoffen sich ein einfa­ ches und schnelles Verfahren, das dem anständigen Schuldner eine neue wirtschaftliche Existenz ermöglicht3. Die Gegner fürchten, daß der gericht­ liche Vergleich von leichtsinnigen und unseriösen Geschäftemachern aus­ genutzt wird und dadurch die anständigen Wettbewerber geschädigt wer­ den4. Die Diskussion wird vorwiegend mit Argumenten geführt, die auf den in kleineren Verhältnissen wirtschaftenden, in der Regel persönlich haftenden Gewerbetreibenden ausgerichtet sind5. Manche vermerken aus­ drücklich, daß es um Insolvenzbewältigung in der kleinen und mittelgro­ ßen Wirtschaft geht und daß für die großen Kapitalgesellschaften sicher andere, umfassendere Verfahren angebracht seien6. 3 Repräsentativ für die Vielzahl der befürwortenden Äußerungen: Kompe, 6. DJT (1865) I 164ff.; Lieblich und Cahn, 32. DJT (1914) I 2, 321 ff. und 695ff.; Jaeger, DJZ 1905, 735. 4 Stubenrauch und Lupp, 6. DJT (1865) 40 ff, 134ff ; der spätere Diskussionsstand wird ausführlich wiedergegeben bei Lieblich und Cahn (N. 3). 5 Übersicht über die Veröffentlichungen bis 1914 bei Kiesow, VerglO S. XVII Anm. 9. Eine nicht unwichtige Rolle spielte eine Kundgebung der mittelständischen Wirtschaft im Dezember 1912 in Berlin, die mit der Forderung nach einem gerichtlichen Vergleichsverfah­ ren endete; siehe Kiesow aaO. S. XX; Jaeger, Lehrbuch 217. Die öffentliche Diskussion bei der weiteren Entwicklung bis zur heutigen Vergleichsordnung hatte den gleichen mittelstän­ dischen Tenor; siehe oben S. 11 ff. 6 So Kohler, Leitfaden, 43, 167; Freund, ZHR 60 (1907) 81; Cahn (N. 3) 743.

Der Gegensatz setzt sich fort in der heutigen Erscheinungsform der Verfah­ ren. Die amerikanische Reorganisation stand ursprünglich nur Kapitalge­ sellschaften offen, und das ganze Verfahren war lange Zeit geprägt durch das Ziel, die Rechte des langfristigen, verbrieften Kapitals (Aktienkapital; Anleiheschuld) neu zu ordnen. Zwar ist das Verfahren heute auch für Warengläubiger, die Banken als Kreditgeber und alle sonstigen Gläubiger da, aber sein Zuschnitt und viele seiner Einzelheiten sind doch nur zu verstehen, wenn man sich vergegenwärtigt, daß das Verfahren die Neuordnung der Anleiheschuld und des Aktienkapitals soll bewirken können. Die Reorganisation kann deshalb zur eingehenden Prüfung des Falls durch die Kapitalmarkt-Aufsicht fuhren, sie erfaßt sämtliche Kapitalund Kreditgeber (Anteilseigner, gesicherte und ungesicherte Gläubiger) und zielt deutlich auf Umgestaltung und Auswechselung, nicht finanzielle Ablösung, der Kapitalgeberrechte - dies alles Probleme und Themen, die vorwiegend bei größeren Unternehmen eine Rolle spielen. Ganz anders die deutsche Vergleichsordnung: Im Vordergrund des deutschen Insolvenzrechts steht die natürliche Person als selbsthaftender Schuldner7; das zeigt bei der Vergleichsordnung nicht zuletzt die Würdig­ keitsprüfung, die das Gesetz für die Eröffnung des Verfahrens und die Bestätigung des Vergleichs verlangt, und die Tatsache, daß das Verfahren erst am Schluß des Gesetzes (§ 108) ausdrücklich auch den Kapitalgesell­ schaften zugänglich gemacht wird. Alles (Antragserfordernisse, Fristen, Prüfungsmaßstäbe, Anfechtungsmöglichkeiten) ist auch angelegt auf mög­ lichst schnelle und einfache Erledigung des Vefahrens8. Es wird keine umfassende Neuordnung der Kapitalverhältnisse angestrebt, sondern nur eine Stundung oder die möglichst schnelle Abfindung der ungesicherten und nicht bevorrechtigten Gläubiger mit einer baren Quote; deren Min­ destbetrag legt das Gesetz im vorhinein fest, weil es offenbar von einfa­ chen, häufig wiederkehrenden Verhältnissen ausgeht, die eine schemati­ sche Regelung vertragen können. Die Herkunft prägt auch den Geist der Verfahren. Der Weiterbestand einer insolvent gewordenen Eisenbahn-Gesellschaft stand in der Blütezeit des amerikanischen Eisenbahnwesens, wenn es sich nicht um eine völlig unbedeutende Lokalbahn handelte, nicht wirklich in Frage. Und auch bei großen Industrieunternehmen kann trotz der Insolvenz doch davon ausge­ gangen werden, daß die Einnahmen für eine gute Weile jedenfalls die 7 Darauf weist seit längerem Weber hin, KTS 1970, 73 £, und KO-Festschrift 341; siehe auch Hanisch, ZZP 90 (1977) 23£; Knieper, BB 1977, 625. 8 Siehe oben S. 13 ff.

Kosten des laufenden Betriebs decken. Die Atmosphäre des Reorganisa­ tionsverfahrens, das von diesen Unternehmen seine Inspiration bezogen hat, ist deswegen stark erfüllt von der Vorstellung, daß eigentlich nur ein Problem der Überkapitalisierung zu lösen ist: „From the legal standpoint corporate reorganization is primarily a problem of readjusting legal promi­ ses to conform to economic substance. "9 Der rechtliche Schwerpunkt des amerikanischen Verfahrens lag daher von Anfang an in der Erhaltung der vorhandenen Substanz des Unterneh­ mens (dessen Existenzwürdigkeit in der Regel nicht bezweifelt wurde) durch Abwehr der Gläubiger und Absetzung der Unternehmensleitung sowie in der Beantwortung der Frage, welchen der Kapitalgeber zu wel­ chen Anteilen und in welcher Form (Gläubiger- oder Anteilsrechte) das reorganisierte Unternehmen „gehören“ sollte. Erst seit den dreißiger Jah­ ren ist gleichrangig hinzugetreten die Frage, ob das Unternehmen sich überhaupt in einen lebensfähigen Organismus reorganisieren läßt. Aber eine Antwort auf diese Frage wird für den vom Gesetzgeber angenomme­ nen typischen Fall erst im Laufe des Verfahrens erwartet, wenn alle Fakten und Erwägungen bekannt sind. Das Reorganisationsverfahren ist durchzo­ gen von der Vorstellung, daß vor der Liquidation eines insolventen Unter­ nehmens die Möglichkeit seiner Weiterexistenz immer sorgfältige Prüfung verdient und daß die Substanz des Unternehmens im Regelfall groß genug ist, um auch in den Augen der Gläubiger die Kosten und die Dauer dieser Prüfung zu rechtfertigen. Heute wird das Verfahren auch für Unterneh­ men verwendet, in denen diese Voraussetzungen nicht mehr selbstver­ ständlich gegeben sind. Aber die Schwierigkeiten, die daraus entstehen, sind nur ein zusätzlicher Beweis des Geistes, auf den das Verfahren lange gegründet war. Anders die Vergleichsordnung. Ihre Schöpfer sahen die kleinen und mittelgroßen Unternehmen als „Klienten“ des Verfahrens. Bei diesen verlangt die Existenzfrage im Falle der Insolvenz eine viel raschere Ant­ wort - einfach weil die etwa noch vorhandene (kleinere) Substanz sich schneller aufzehrt (nachdem das Gesetz die mit Sicherungsrechten belaste­ ten Vermögens teile ohnehin dem Verfahren nicht zur Verfügung stellt). Die Gesetzgebungsgeschichte, aber auch die Diskussionen in der Praxis, werden deshalb beherrscht von der Frage, ob der Schuldner mit seinem Unternehmen überhaupt erhaltungswürdig ist910; auf eine schnelle Klärung 9 Field, Ry. Mt. L. Rev. 16 (1943) 13. 10 Siehe oben S. 11 ff. Der Schwerpunkt des Vergleichsverfahrens Hegt deshalb im Vorver­ fahren; UHLENBRUCK, KTS 72, 224.

dieser Frage, auch anhand moralischer Kriterien, ist das Verfahren ange­ legt, wobei in der Erörterung immer wieder gefordert wird, daß diese Prüfung dem Schuldner nicht zu leicht gemacht werden darf1. Die Frage dagegen, wie die Kapitalverhältnisse des Unternehmens nach abgeschlos­ senem Vergleich geordnet werden sollten, tritt als Rechtsfrage kaum in das Bewußtsein, und schwach ausgebildet ist das Streben des Gesetzes, durch Einsetzung eines Verwalters die weitere Substanzaushöhlung zu verhin­ dern12. Auch hier läßt sich feststellen, daß der offizielle Geist und die Realität nicht immer übereinstimmen und dies zu Schwierigkeiten fuhrt; aber die abweichenden Verfahrensmodalitäten, die - wie zum Beispiel das Kölner Modell oder die Sequestrationspraxis1311-12 diese Schwierigkeiten vermeiden wollen, können eben nur mit Verfahrenskrücken, nicht mit der Normalre­ gelung des Gesetzes verwirklicht werden. In das Kontrastbild gehört schließlich ein Umriß der Ideologien, die das Vergleichsverfahren hier, das Reorganisationsverfahren drüben begleiten. Die amerikanische Ideologie ist von großer Nüchternheit: Nach ihr geht es darum, den Kapitalinteressenten (Gläubigern und Aktionären) den Mehr­ wert zugute zu bringen, den das lebende Unternehmen besitzt, genauer: die Differenz zwischen dem Wert des Unternehmens, den es bei alsbaldiger Liquidation hätte (liquidation value), und dem höheren Wert, den es als lebende Organisation besitzt (going-concern value)14. Das Reorganisations­ verfahren bietet das Forum, auf dem in den Formen und mit den Garantien des Rechts verhandelt und entschieden wird, wer zu welchem Anteil (in Form von Aktien oder Obligationen der reorganisierten Gesellschaft) an diesem Mehrwert beteiligt wird15. In amerikanischen Augen erhält das Verfahren seine Rechtfertigung aus der Unzulänglichkeit des Marktmecha­ nismus: Man hält es für notwendig, weil ein adäquater „Markt“ für ein großes Unternehmen oder sein Vermögen in der Insolvenzkrise nicht besteht und die alsbaldige Liquidation so zu einem Verkauf „unter Wert“ 11 Siehe oben S. 12-18. 12 Nach dem gesetzlichen Regelbild soll der Vergleichs Verwalter die Geschäftsführung des Schuldners nur überwachen; §§ 39, 40 VerglO. 13 Darüber oben S. 29. 14 Repräsentative Äußerungen: Gerdes, U. Pa. L. Rev. 89 (1940) 40; Brudney, Am. Bankr. L. J. 48 (1974) 307; Coogan, Bus. Law. 29 (1974) 741; (Note) Harv. L. Rev. 69 (1955) 357. 15 Plastischer: Reorganisation ist das Ringen widerstreitender und konkurrierender Interes­ sen um einen Piratenschatz, der aus dem Meer des Wirtschaftsgeschehens an die Küste gespült wurde, und ein Gesetz über das Reorganisationsverfahren ist das „UWG“ für diesen Vertei­ lungskampf; so Levi/Moore, U. Chi. L. Rev. 5 (1938) 415.

fuhren würde. Reorganisation ist deshalb bewußte Abkehr vom tatsächli­ chen Markt und juristische Herstellung eines Ersatzsystems, das angemes­ sene Entscheidungen über den Unternehmenswert und seine Zuteilung an die Kapitalgeber produzieren soll. Die gesamtökonomische „Richtigkeit“ der hier erzielten Ergebnisse bleibt aber wegen der Abkoppelung vom realen Markt zweifelhaft. In der historischen Realität ist das Reorganisations­ verfahren ohnehin nicht aus solchen wirtschaftlichen Erwägungen entstan­ den, sondern aus einem politischen Impuls zugunsten derjenigen Kapitalan­ leger, die bei einer sofortigen Liquidation ausfallen müßten16. Die deutsche Betrachtungsweise ist von anderer Art. Es gab und gibt zwar auch hier die These, daß das Vergleichsverfahren den unmittelbar Beteiligten (Schuldner und Gläubigern) eine interessengerechtere Behand­ lung der Insolvenz ermöglichen solle als das Konkursverfahren, daß also Werterhaltung und Interessenwahrung für die einzelnen von der Insolvenz betroffenen Teilnehmer des Wirtschaftsprozesses das Ziel des Verfahrens ist17. Die Gesetzgebung, und besonders die heute geltende Vergleichsord­ nung, ist jedoch beherrscht von Vorstellungen über den gesamtwirtschafilichen Sinn oder Unsinn der Konkurs Vermeidung, und auch da, wo die bisherige Rechtssituation kritisiert wird, geschieht dies wiederum überwie­ gend mit Argumenten, die auf die Funktion von Insolvenzprozeduren im wirtschaftlichen und politischen Gesamtsystem hinweisen18. Der Klang des rechtspolitischen Meinungskonzertes wird überdies seit jeher bestimmt durch wirtschaftsmoralische, wirtschaftspolitische und systemkritische Ober- und Untertöne19. Bei alledem ist gegenüber der amerikanischen Situation letztlich zu konstatieren, daß ein allgemeiner Konsens oder auch nur eine herrschende Auffassung über Sinn und Zweck von Sanierungspro­

16 Die Kontrastierung mit dem „Markt“ ist die Explikation von Professor Walter J. Blum, Chicago, einem akademischen Spezialisten des Reorganisationsrechts, der anhand eines theoretischen Konzepts die wichtigen Sachprobleme einer Reorganisation analysierte und damit das reorganisationsrechtliche Denken stark beeinflußte: The Law and Language of Corporate Reorganization, U. Chi. L. Rev. 17 (1950) 565ff.; aus jüngerer Zeit siehe D. R. King, Am. Bankr. L. J. 49 (1975) 333; Jacobson, U. Chi. L. Rev. 42 (1975) 510; (Note) Yale L. J. 84 (1975) 937. ' 17 Siehe z. B. Jaeger und Bley (oben S. 12f. N. 29); heute vor allem Berges, KTS 1955, 6, 50ff.; 1960, 2, 10; 1975, 85f. 18 Siehe oben S. 30f. und Jaeger(-Weber) § 173 KO Anm. 8: das Institut des Zwangsver­ gleichs liegt im Interesse der Wirtschaft, weil es die unerwünschten Kettenreaktionen des Konkurses vermeidet. (Hervorhebung hinzugefugt) 19 Z. B. gegen unverdiente Vergleiche: Wellmann (oben S. 31 N. 101); gegen „Dirigis­ mus“: Berges (oben S. 30 N. 98); gegen „Planlosigkeit“: Knieper (oben S. 32 Nr. 106); gegen „Staatsintervention“: UHLENBRUCK, KO-Festschrift 26 ff.

zeduren, speziell auch für Großunternehmen, sich bisher nicht gebildet hat20.

B. Sanierungsrecht in Deutschland Die Kontrastierung der amerikanischen Unternehmens-Reorganisation mit dem deutschen Vergleichsverfahren zeigt, daß in diesem Punkt unge­ fähr der gleiche Gegensatz herrscht wie innerhalb des bisherigen amerika­ nischen Rechts zwischen Kap. X (Reorganisationen) und Kap. XI (Arran­ gements) des Konkursgesetzes. Es handelt sich um eigentlich unvergleich­ bare Verfahrens typen, die, obwohl im Anwendungsbereich sich gelegent­ lich überschneidend, im Grunde für sehr verschiedene Unternehmens wei­ ten gemacht sind. Dies feststellen heißt, daß die beabsichtigte Vergleichung noch nicht komplett ist. Denn auch in Deutschland sind im 19. Jahrhundert die Eisenbahnen und nicht viel später andere Großunternehmen entstanden. Vergleichen kann man daher erst, wenn man weiß, mit welchen rechtli­ chen Mitteln in Deutschland die Sanierungsprobleme von insolventen Großunternehmen tatsächlich behandelt wurden und werden. Was die Eisenbahnen angeht, so gibt es im Deutschland des 19. Jahrhun­ derts kein wirkliches Gegenstück zu den schweren Finanzkrisen, die die amerikanischen Eisenbahnen durchmachen mußten. Die großen deutschen Bahnen waren bis zum 1. Weltkrieg durchweg profitabel und erbrachten eine regelmäßige Rendite auf das eingesetzte Kapital21. Auch war die finanzielle Beteiligung des Staates von Anfang an sehr stark. Die großen süddeutschen Länder (Bayern, Württemberg und Baden) sowie Hannover und Braunschweig hatten von vornherein ihre Staatsbahnen. Private Eisen­ bahngesellschaften entfalteten sich vor allem in Preußen22; ihre Aktien und Obligationen waren aber weitgehend durch Zinsgarantien des Staates gesichert. Wenn diese in Anspruch genommen werden mußten, konnte es geschehen, daß der Staat die Bahngesellschaft „übernahm“, jedoch scheint

20 Siehe oben S. 31 f. 21 Angaben bei Stumpf, Geschichte der deutschen Eisenbahnen (4. Aufl. 1961) 47£; Hundert Jahre deutsche Eisenbahnen (Jubiläumsschrift, hrsg. von der Hauptverwaltung der Deutschen Reichsbahn; 1935) 405, 411; Voigt (oben S. 69 N. 105) 523ff*.; in Preußen deckten 1904 die Einnahmen der Staatsbahn ein Drittel des Staatshaushalts; Seraphim, Deutsche Wirtschafts- und Sozialgeschichte (1962) 177. 22 Die bedeutendsten waren die Rheinische Eisenbahn, die Köln-Mindener und die Ber­ gisch-Märkische Eisenbahngesellschaft, alle in Westfalen und im Rheinland; siehe Wieden­ feld, Die Eisenbahn im Wirtschaftsleben (1938) 76.

dies in nennenswertem Umfang nicht vorgekommen zu sein23. Um 1875 begann dann Preußen - aus politischen Gründen - die Eisenbahnen zu verstaatlichen; die Aktionäre wurden mit Staatspapieren zufriedenstellend entschädigt. Als dieser Vorgang um 1885 abgeschlossen war, betrieben die Staatsbahnen über 90% des deutschen Streckennetzes; private Eisenbahn­ gesellschaften von Bedeutung gab es nicht mehr24. Für die Ausbildung eines privatwirtschaftlichen Reorganisationsverfahrens fehlte es nach allem in Deutschland zu jener Zeit an Bedürfnis und Gelegenheit. Die privatwirtschaftliche finanzielle Reorganisation konnte sich also nur an den großen Aktiengesellschaften der Industrie und des Handels entwikkeln. Es scheint, daß bis in den Anfang dieses Jahrhunderts solche Opera­ tionen vorwiegend mit Hilfe des Aktienkapitals durchgeführt wurden durch reine Zuzahlung oder durch Kapitalerhöhung mit oder ohne vorhe­ rige Zusammenstreichung des bisherigen Kapitals25. Die Hauptform war offenbar die sogen. „Alternativ- Sanierung“: die Aktionäre wurden durch Beschluß der Generalversammlung vor die Wahl gestellt, entweder neues Kapital herzugeben oder eine empfindliche Zusammenlegung ihrer An­ teilsrechte hinzunehmen. Rechtlich war hierbei nur problematisch, ob dieses Verfahren nicht einen Zuzahlungszwang ausübte, der mit der Beschrän­ kung der Haftung auf den Aktien-Nennbetrag unvereinbar war. Hierin lag „das Sanierungsproblem“, mit dem sich Literatur und Praxis jener Zeit beschäftigten26. Mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch trat dann 1900 auch das Gesetz über die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen in Kraft27. Nun konnten unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen mit 23 Über die finanzielle Hilfe des Staates Seraphim (N. 21) 140f.; Henderson, Die Entste­ hung der preußischen Eisenbahnen 1815-1848, in: Born (Hrsg.), Moderne deutsche Wirt­ schaftsgeschichte (1966) 148; Willkomm, Die rechtliche Ausgestaltung des deutschen Eisen­ bahnwesens von 1871-1925 (1926) 12; Jahn, Der Wandel in den Formen der Kapitalsanierung deutscher Aktiengesellschaften (Diss. Berlin 1937) 51 £ 24 Angaben bei Stumpf (N. 21) 47 f.; Hundert Jahre deutsche Eisenbahnen (N. 21) 406f.; Voigt (N. 21) 520ff.; Witte, Eisenbahnen und Staat (1932) 42; Willkomm (N. 23) 23; Stolper (Häuser/Borchardt), Deutsche Wirtschaft seit 1870 (2. Aufl. 1966) 46. 25 Darüber Oertel, Die industriellen Sanierungen in den Jahren 1926-1933 (Halle 1934) 71; Jahn (N. 23) 8, 46 £, 54 ff. 26 Siehe Levinger, Die Sanierung notleidender Aktiengesellschaften, in: Schriften des Vereins für Socialpolitik 110 (1903) 404ff.; Leist, Die Sanierung von Aktiengesellschaften (1905) 25ff; Brantl, Die Sanierung von Aktiengesellschaften (1908); Fischer, Das Sanie­ rungsproblem: Aktien- und Bilanzrechtliche Schriften (1911). Die damalige Problematik wird übersichtlich skizziert von Staub(-Pinner), HGB (14. Aufl. 1933) § 290 Anm. 13, 14, der heutige Meinungsstand von Wiedemann, Großkommentar § 182 Anhang. 27 RGBl. 1899, 691.

Rechtszwang auch die Obligationäre eines Unternehmens zu Sanierungs­ opfern herangezogen werden, und es scheint, daß schon in der Depression von 1901-1903 von dem Gesetz reger Gebrauch gemacht wurde28. Umwandlungen der Anleiheschuld in Aktienkapital konnten mit Hilfe dieses Gesetzes allerdings nicht bewirkt werden, weil das Gesetz in seiner damaligen Fassung einen Mehrheits verzicht auf die „Kapitalansprüche“ aus den Schuldverschreibungen nur im Konkursverfahren zuließ (§ 12 III, § 18 VI) und das Reichsgericht schon bald entschieden hatte, daß auch ein Umtausch in Beteiligungsrechte einen solchen verbotenen Verzicht dar­ stelle29. Solche Umwandlungen waren zur Abwendung des Konkurses also praktisch nur möglich, wenn dafür auf die damalige „amerikanische Art“ Einstimmigkeit oder jedenfalls eine so überwiegende Mehrheit der Obliga­ tionäre erzielt wurde, daß die Nichtzustimmenden leicht ausgezahlt wer­ den konnten. Auch solche Fälle gab es; sie müssen aber eine Ausnahmeer­ scheinung gewesen sein30. In den Jahren nach dem 1. Weltkrieg und besonders in der Wirtschafts­ krise seit 1929 hat das Schuldverschreibungsgesetz größere Bedeutung erlangt31. Inzwischen war das Vergleichsverfahren in der Vergleichsord­ nung von 1927 konsolidiert worden. Es wurde jetzt die Ansicht vertreten, daß die nach dem Schuldverschreibungsgesetz gegebene Möglichkeit, einen Kapitalverzicht im Konkurs mehrheitlich bindend zu beschließen, analog auch im Vergleichsverfahren gegeben sein müsse32; 1933 wurde dies 28 Darauf wird hingewiesen von Hecht, Schriften des Vereins für Socialpolitik 111 (1903) 102. 29 RGZ 75, 259, 263. 30 Ein zu seiner Zeit aufsehenerregender und in der späteren Literatur vielerwähnter Fall war der Zusammenbruch der Preußischen Hypothekenbank in der Krise von 1901-1903. Hier wurde eine Reorganisation dadurch ermöglicht, daß die Pfandbriefbesitzer (zusammen 350 Mio. Mark) für ihre Forderungen Aktien der Hypothekenbank übernahmen. Der Fall zeigte alle Merkmale einer großen Reorganisation amerikanischen Stils: Bildung einer Gläubiger­ Schutzvereinigung, die gegen Hinterlegung der Pfandbriefe Zertifikate ausgab; Bevollmächti­ gung der Schutzvereinigung zur Führung der Verhandlungen; Beherrschung der Schutzver­ einigung durch große Berliner Banken; Führung der Verhandlungen mit den Aktionären, die immer noch eine gewisse faktische Verhandlungsmacht besaßen, etc.; der Fall wird ausführ­ lich beschrieben von Kritzler, Schriften des Vereins für Socialpolitik 111 (1903) 18 ff; er wird erwähnt auch von Hecht (N. 28) 94 ff., 108f.; Nussbaum, Hypothekenwesen 251; Leist (N. 26) 12; Jahn (N. 23) 55 ff. Aus den Erwähnungen geht hervor, daß diese Art der Problembewältigung als ungewöhnlich betrachtet wurde. 31 In der betriebswirtschaftlichen Literatur werden nun auch Sanierungen unter Heranzie­ hung der Gläubiger häufiger erwähnt; siehe Mannheimer, Die Sanierung (1924) 67 f., 72, 75ff., 88, 125ff; Schmalenbach, Finanzierungen (1932) 329ff; Oertel (N. 25) 14, 55ff, 65ff, 68ff, 73f; Jahn (N. 23) 69f; Mundt, Die neuen Formen der Sanierung bei den deutschen Aktiengesellschaften (Diss. Königsberg 1937) 44ff 32 Siehe Ansmann, SchVG 200 f.

durch Gesetz ausdrücklich so geregelt33. Nach der Eröffnung des Ver­ gleichsverfahrens konnten nunmehr auch tiefergreifende Sanierungen durchgeführt werden, bei welchen, wie im amerikanischen Reorganisa­ tionsverfahren, die Obligationäre in die Rolle von Aktionären gezwungen wurden. Wie wichtig das Gesetz in jener Zeit war, zeigt die Tatsache, daß 1932 an ihm eine Reihe von Änderungen vorgenommen wurden; unter anderem erhielt es eine Vorschrift, mit der die Unparteilichkeit des Vertreters der Obligationäre sichergesteilt werden sollte34: Nach dem so eingefugten § 14a soll zum Vertreter nicht bestimmt werden, (a) wer dem Schuldner­ unternehmen oder einem seiner Kreditgeber (d. h. vor allem: seinen Ban­ ken) angehört, (b) wer zu dem Schuldner in Kreditbeziehungen steht und (c) auf wen der Schuldner oder ein Gläubiger des Schuldners maßgebenden Einfluß hat. Die letztere Alternative zielte vor allem auf die von den großen Banken gegründeten Treuhandgesellschaften, denen die Wahrnehmung der Obligationärsinteressen oft übertragen worden war. Es war offenbar zu den gleichen Mißbräuchen und Interessenverquickungen gekommen, wie sie von der SEC in den folgenden Jahren im amerikanischen Reorgani­ sationswesen aufgedeckt und durch das spätere Kap. X bekämpft wurden35. In dieser Zeit begann auch sonst eine starke Aktivität des Staates bei der Rettung und Reorganisation insolventer Großunternehmen. Sie bestand aber vor allem darin, daß der Staat finanzielle Mittel und Organisation zur Verfügung stellte, die das weitere Funktionieren, zunächst des Bankenap­ parates, dann auch einzelner Unternehmen, sicherstellen sollten36. 33 Gesetz über die Anwendung von Vorschriften des Gesetzes betr. die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen vom 20. 7. 1933, RGBl. I 523. 34 Verordnung des Reichspräsidenten über die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen vom 24. 9. 1932, RGBl. I 447. 35 Darüber Quassowski/Schmölder, Verordnung über die Rechte der Schuldverschrei­ bungsgläubiger (1932) 35 ff. 36 Die damalige Stützung des Bankensystems wird skizziert bei Moschel, Das Wirtschafts­ recht der Banken (1972) 202, 210, 218 mit weiteren Nachweisen; Brüggemeier, Entwicklung des Rechts im organisierten Kapitalismus I 277ff.; Oertel (N. 25) 55ff., 92ff.; Jahn (N. 23) 79ff. Wegen der Hilfe für die Industrie siehe z. B.: Gesetz über die Sanierung des SchichauUntemehmens vom 28. 5. 1929, RGBl. 1109; weitere Fälle werden in der betriebswirtschaftli­ chen Literatur erwähnt: Schmalenbach, Die Aktiengesellschaft (7. Aufl. 1950) III 252 f. (Hapag); ders., Finanzierungen 305; Oertel 74 f; Jahn 68, 73; Mundt 48. Die finanzielle und organisatorische Sanierungshilfe des Staates geschah damals hauptsächlich mittelbar, indem der Staat die Banken durch Eröffnung von Refinanzierungsmöglichkeiten in die Lage versetzte, Unternehmenssanierungen durch Kredite und Beteiligungserwerb zustandezubringen. Rechtsgrundlage dafür war vor allem die Verordnung über die Bilanzierung von Forderungen gegen Tilgungskassen für gewerbliche Kredite und gegen die Aktiengesellschaft Deutsches Finanzierungsinstitut A.G. vom 24. 12. 1932, RGBl. I 577. Das System wird beschrieben von Jahn (N. 23) 83ff.; Oertel (N. 25) 14, 55ff., 93f.

Die rechtliche Hilfe (außerhalb des Bankensektors) war zu dieser Zeit vor allem wieder aktienrechtlicher Art, nämlich die Verordnung des Reichs­ präsidenten vom 6. 10. 1931 über die vereinfachte Kapitalherabsetzung (RGBl. I 556), mit der die Bilanzbereinigung als erster Schritt für eine Sanierung erleichtert wurde. Die vereinfachte Kapitalherabsetzung wurde 1937 als dauernde Einrichtung in das neue Aktiengesetz übernommen37. Die Jahre nach 1933 sahen eine immer stärkere Einbindung der Großun­ ternehmen in die Planwirtschaft und schließlich die Kriegswirtschaft, wodurch in diesem Bereich das Insolvenzproblem zunächst obsolet wurde. Die Insolvenzen, die in der wieder freien Wirtschaft nach 1949 auftraten, haben zwar häufig finanzielle Staatshilfe ausgelöst, jedoch keine Auswei­ tung des rechtlichen Instrumentariums zur Folge gehabt38. Dieser Überblick über die in Deutschland aufgetretenen Probleme zeigt, daß die Situationen, die der amerikanischen Reorganisationspraxis ver­ gleichbar sind, in Deutschland mit einer Vielzahl von rechtlichen Mitteln angegangen werden. Die Aktionäre erreicht man über das Aktienrecht; die Gläubiger zunächst mit der Vergleichsordnung. Mit der Vergleichsord­ nung lassen sich auch die Anleihegläubiger zur Sanierung heranziehen. Allerdings sind Anleihen der industriellen und kommerziellen Großunter­ nehmen (im Gegensatz zu den Anleihen des Staates und der Kommunen) in den meisten Fällen durch Hypotheken oder sonstwie gesichert39. 40 Da die Vergleichsordnung die gesicherten Gläubiger in Höhe des Sicherungswer­ tes nicht erfaßt, können mithin auch Anleihegläubiger durch sie nur in Höhe ihres „Ausfalls“ an den Tisch der Sanierungsverhandlungen gezogen werden. Für sie hat deshalb das Schuldverschreibungsgesetz die größere Bedeutung. Schließlich kennt auch das deutsche Effektenwesen seine „protective committees" in der Form der „Schutzvereinigungen“ (ständiger oder ad hoc gebildeter), die durch die schiere Mehrheitsmasse der sich ihr anschließenden Anleihebesitzer eine Reorganisation unter Umständen bewerkstelligen können; sie haben aber anscheinend nie die gleiche Rolle gespielt wie die Schutzkomitees in den Vereinigten Staaten vor 193840. 37 38 39 162;

Heute §§ 229 ff. AktG. Zur Geschichte Schilling, Großkommentar § 229 Anm. 1. Über die finanzielle Hilfe des Staates oben S. 26 f. Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, III: Die Finanzen (2. Aufl. 1969) Pfeiffer, in: Finanzierungs-Handbuch (hrsg. von Janberg; 2. Aufl. 1970) 304; Ritters­ hausen ebda. 207. 40 In der Literatur finden sich nur vereinzelte Hinweise: Kritzler (N. 30) 18ff.; Hecht (N. 28) 105ff.; wohl typisch die Schrift von Bernstein, der die Problematik der Schutzver­ einigungen auf mehreren Seiten erörtert (96-102), aber seine Beispiele und Anregungen nur der ausländischen Praxis entnimmt.

Vorläufiges Ergebnis: Eine Sanierung unter Einschluß der Aktionäre und aller Gläubiger, wie sie das amerikanische Reorganisationsverfahren möglich macht, ist in Deutschland allenfalls durch bewußte Kombinatio­ nen mehrerer, an sich voneinander unabhängiger Verfahren zu erreichen. Solches Zusammenspannen von eigentlich unverbundenen Verfahren für einen konkreten Insolvenzfall ist rechtlich möglich und wird in Deutsch­ land gelegentlich auch praktiziert41. Der rechts vergleichende Blick muß sich in Deutschland also auf diese Verfahrenskonstruktion richten, die sich aus aktienrechtlicher Herabsetzung und Erhöhung des Kapitals, Ver­ gleichsverfahren und Mehrheitsbeschlüssen nach dem Schuldverschrei­ bungsgesetz zusammensetzt. Für die Zwecke der Vergleichung mit dem amerikanischen Recht sei sie - korrespondierend dem amerikanischen Begriff der „Reorganisation“ - einfach als „Sanierung“ oder als „deutsches Verfahren“ bezeichnet. Im folgenden Abschnitt soll skizziert werden, wie sich dieses Verfahren und das amerikanische in ihren Hauptzügen gegenein­ ander ausnehmen.

C. Reorganisation und Sanierung I. Technik und Form Verglichen mit dem amerikanischen ist das deutsche Verfahren hervor­ stechend gekennzeichnet durch seinen Mangel an Geschlossenheit, da es ja nur die Addition von drei selbständigen Verfahren nach drei verschiedenen Gesetzen darstellt42. Es ist rechtlich möglich, diese Einzelverfahren für einen konkreten Fall nach einem einheitlichen Plan zusammenzuschließen, indem die Beschlüsse in den einzelnen Verfahren inhaltlich aufeinander abgestimmt und durch Hinzufügung von wechselseitigen Bedingungen miteinander verknüpft werden. Aber hier zeigen sich bereits Schwierigkei­ ten. Während ein Beschluß der Anleihegläubiger nach dem Schuldver­ schreibungsgesetz unbestritten auch unter eine Bedingung gestellt werden kann (etwa die, daß die Aktionäre die im Plan vorgesehenen Beschlüsse über Kapitalherabsetzung und Kapitalerhöhung fassen)43, ist dies für die 41 Schilderung von Fällen bei Levinger (N. 26) 409ff Siehe auch den Fall der Preußischen Hypothekenbank und seine Schilderung durch Kritzler und Hecht (N. 30). 42 - wobei auch das Aktiengesetz selbst für seinen eigenen Bereich kein schlüssiges Verfahrenskonzept liefert, sondern nur einzelne Bausteine für ein solches bereithält; so die treffende Kennzeichnung durch Lutter/Hommelhoff/Timm, BB 1980, 739. 43 Siehe z. B. Ansmann SchVG 120.

Beschlüsse der anderen Gläubiger im Vergleichsverfahren nicht so sicher. Die Wirkungen eines Vergleichs können zwar an sich von Bedingungen abhängig gemacht werden, doch darf nach Meinung der Kommentare das Gericht einen aufschiebend bedingten Vergleich nicht bestätigen, bevor die Bedingung eingetreten ist44. Wollen die Vergleichsgläubiger sichergehen, daß in den anderen Verfahren (nach dem Schuldverschreibungsgesetz und dem Aktiengesetz) ebenfalls die im Plan vereinbarten Beschlüsse gefaßt werden, müssen sie deshalb versuchen, den Vergleichstermin solange aufzuschieben oder zu vertagen, bis über die Beschlüsse der anderen Gewißheit besteht, obwohl die kurzen Fristen der Vergleichsordnung (§§ 10, 77) dafür an sich nicht viel Raum lassen. Es bedarf also auf jeden Fall eines verständnisvollen Vergleichsrichters, wenn das Vergleichsver­ fahren wirksam mit dem „Gesamtverfahren“ verknüpft werden soll. Wenn der Zusammenschluß gelingt, bleiben als Unebenheiten die zahl­ reichen Unterschiede der Teilverfahren in den Verfahrensvoraussetzungen, den prozeduralen Modalitäten, den Mehrheitserfordernissen und der Form und Intensität der rechtlichen Kontrolle der gefaßten Beschlüsse. Das amerikanische Verfahren dagegen faßt alle Beteiligten und Probleme in einer einheitlichen Prozedur zusammen, in der von Gesetzes wegen alle Einzelheiten des Verfahrens und des Planinhalts aufeinander abgestimmt sind. Das ist zu würdigen vor dem Hintergrund einer Rechtsordnung, die durchaus auch alle Einzelverfahren, die in Deutschland für das Gesamter­ gebnis benutzt werden, zur Verfügung stellt: Die Aktienrechte der Einzel­ staaten haben ihre Regeln über Kapitalherabsetzung und Kapitalerhö­ hung45, das Arrangement nach Kap. XI des alten Bundeskonkursgesetzes bot ein Verfahren nach Art der deutschen Vergleichsordnung46, und der Praxis der Schuldverschreibungen sind Anleihebedingungen geläufig, in denen die Obligationäre sich von vornherein zur Hinnahme von Mehr­ heitsentscheidungen der Anleihebesitzer bereit erklären47. Das Reorganisa­ tionsverfahren ist also eine zusätzliche Leistung, die das amerikanische Recht für den Insolvenzfall des Großunternehmens zur Verfügung stellt.

44 BLEY/MOHRBUTTER § 78 Anm. 6; BÖHLE-STAMSCHRÄDER, VerglO § 78 Anm. 3. 45 Übersicht bei Oleck, Modern Corporation Law III §§ 1222ff.; über andere Modifizie­ rungen des Grundkapitals IV §§ 1917f. 46 Siehe oben S. 85f., 142. * 47 Darüber ausführlich Billyou, Corporate Mortgage Bonds and Majority Clauses, Yale L.J. 57 (1948) 595-612. Beschlüsse, die das Gläubigerrecht selbst ändern, dürfen allerdings nicht gefaßt werden, mit Ausnahme von Zinsstundungen auf höchstens drei Jahre; Trust Indenture Act § 316 (15 U.S.C.A. § 77 ppp); dazu Loss, Securities Regulation II 739f. Darüber auch Horn, Internationale Anleihen 438 ff.

II. Reichweite Die erste Frage für jedes Sanierungsgesetz ist, welche Kapitalgeber vom Verfahren „in die Pflicht“ genommen werden können. Die Reichweite des amerikanischen Verfahrens ist total. Das Gesetz erlaubt es, zu den Opfern und Lasten alle Arten von Gläubigern und Aktionären heranzuziehen, und hindert natürlich während des Verfahrens alle diese Interessenten an der individuellen Rechtsverfolgung gegen das Unternehmen. Das deutsche Verfahren läßt Lücken. Es kann den Reorganisationsplan durch Mehrheitsbeschlüsse in Kraft setzen für die Aktionäre (mit Hilfe des Aktienrechts, §§ 229ff., 182ff. AktG), für die Inhaber von Schuldver­ schreibungen (über das SchVG) und für die ungesicherten und nicht bevorrechtigten anderen Gläubiger (über die VerglO); nicht erreicht wird aber die große Gruppe der gesicherten und der bevorrechtigten Gläubiger, deren Forderungen nicht in Teilschuldverschreibungen verbrieft sind. Im deutschen Verfahren können also nicht von Gesetzes wegen mitge­ ordnet werden die gesicherten Verbindlichkeiten aus Warenlieferungen, Bankkredit und sonstigem gesicherten, kurz- und langfristigen Darlehens­ kredit. Die Immunität dieser Kreditgläubiger ist im Vergleich mit dem amerikanischen Verfahren bedeutsam, weil ein großer Teil der langfristi­ gen Fremdfinanzierung, die in den Vereinigten Staaten durch öffentliche Anleihen (bonds und debentures) besorgt wird, in Deutschland traditionell in der Form von mittel- und langfristigem Bankkredit und - in den letzten Jahrzehnten verstärkt - durch direkte gesicherte Ausleihungen der Versi­ cherungsgesellschaften (sogen. Schuldschein-Darlehen) zur Verfügung gestellt wird48. Das deutsche Verfahren erfaßt also von vornherein einen wesentlichen Teil der Schuld nicht, um deretwillen das ursprüngliche Reorganisationsverfahren „erfunden“ wurde. Für diesen Teil der Verbind­ lichkeiten, soll er im konkreten Fall in die Sanierung einbezogen werden, muß das deutsche Verfahren also noch um die Prozedur des außergerichtli­ chen Vergleichs ergänzt werden49. 48 Vergleichende Angaben über die Unternehmens-Finanzierung in Deutschland und den Vereinigten Staaten bei Lipfert, Finanzierungs-Handbuch (N. 39) 70ff.; Rittershausen ebda. 46 fF.; Jeorger, Etüde comparee du financement des entreprises dans six pays industriels, in: Economie appliquee, Archives de l’ISEA 21 (1968) 561-663; Daloz, Croissance et accumulation de Capital - L'industrie allemande de la reforme monetaire de 1948 ä la recession de 1967 (1967) 153ff.; Glutz, Le financement des investissements dans un marche commun elargi (These Lausanne 1974) 54ff, 63 ff. Über die Schuldschein-Darlehen z. B. Christians, Finan­ zierungs-Handbuch (N. 39) 281 ff; Rittershausen ebda. 235 ff. 49 Dazu repräsentativ Künne, Außergerichtliche Vergleichsordnung (7. Aufl. 1968).

Noch geringer ist die Reichweite des deutschen Verfahrens, wo es um den Bestandsschutz des Unternehmens während des Verfahrens geht. Anleihegläubiger, obwohl am Ende vom Sanierungsplan erfaßbar, können durch das Gesetz nicht gehindert werden, die Verwertung des ihnen verschriebenen Sicherungsgutes zu betreiben50. Nur wenn die Anleihe nicht gesichert ist (und bei gesicherten Anleihen für den Ausfall), gilt für sie die allgemeine Vollstreckungssperre des § 47 VerglO, falls gleichzeitig ein Vergleichsverfahren in Gang gesetzt wurde.

III. Planprüfung Aus europäischer Sicht ist einer der am meisten auffallenden Züge des amerikanischen Rechts die intensive rechtliche Kontrolle, die in der Reorga­ nisation über den Inhalt des Sanierungsplans ausgeübt wird. Für den größten Teil des deutschen Verfahrens gilt im wesentlichen nur der Gleichbehandlungsgrundsatz und das Verbot, durch Ausübung des Stimmrechts sich oder Dritten Sondervorteile zu verschaffen51. Nur in dem begrenzten Bereich des Vergleichsverfahrens muß außerdem geprüft wer­ den, ob der Vergleich nicht dem gemeinsamen Interesse der Vergleichs­ gläubiger widerspricht (§ 79 Nr. 4 VerglO). Verlangt wird in der Praxis unter diesem Gesichtspunkt aber meistens nur, daß der Vergleich erfüllbar erscheint und den Gläubigern eine bessere Quote bietet, als im Konkurs­ verfahren zu erwarten wäre52. Gleichbehandlung innerhalb der jeweiligen Gläubiger- und Aktionärs­ gruppen setzt das amerikanische Verfahren ebenfalls voraus53, und es verlangt in gewissem Maße die Ausrichtung des Mehrheitsbeschlusses an den gemeinsamen Interessen der betroffenen Anlegerklasse. Zwar wird jedem Kapitalanleger realistischerweise zugebilligt, daß er die Frage nach Gutheißung oder Ablehnung in der Abstimmung so beantwortet, wie es ihm persönlich für die Wahrung seines Anlegerinteresses richtig erscheint; wenn er aber zustimmt, weil er andere als wirkliche Anlegerinteressen im 50 Anders natürlich, wenn die Mehrheit nach dem SchVG sogleich eine vorläufige Stun­ dung beschließt oder wenn schon die Anleihebedingungen Hindernisse für die individuelle Rechtsverfolgung vorsehen, z. B. durch die Bestimmung eines „Vertragsvertreters“ mit ausschließlicher Vertretungsmacht; siehe § 16 I SchVG und Ansmann, SchVG 178£ 51 Aktienrecht: § 243 AktG; dazu BAUMBACH/HUECK, AktG § 11 Anm. 2, § 243 Anm. 7; WÜRDINGER, Aktien- und Konzemrecht § 10 VI. - Schuldverschreibungen: §§ 11, 121 SchVG und dazu Koenige, SchVG § 1 Anm. 48, 55, § 12 Anm. 1 ff.; Ansmann, SchVG § 1 Anm. 47, § 12 Anm. lff. - Vergleiche: § 8 I VerglO. 52 Bley/Mohrbutter § 79 Anm. 11; Böhle-Stamschräder, VerglO § 79 Anm. 5. 53 §§ 1122, 1123 (a) (4).

Auge hat (man hat ihm z. B. einen Sitz im Vorstand versprochen oder den anschließenden Abkauf seiner Anleihestücke zu einem viel höheren als dem derzeit erzielbaren Preis), dann fehlt es ihm an „good faith“, und aus diesem Grund darf das Gericht seine Stimme bei der Feststellung der Mehrheiten nicht mitzählen54. Über diese Dinge hinaus hatte das amerikanische Verfahren aber bisher zu gewährleisten, daß die Anlegerrechte am reorganisierten Unternehmen nach der rechtlichen Vorrangsregel verteilt sind und die Kapitalstruktur einen gesünderen Fortbestand des Unternehmens erwarten läßt55. Diese Verfahrensambition ist in der jüngst abgeschlossenen Reform zurückge­ nommen worden. Aber auch nach dem neuen Gesetz bleibt die Verteilung der auszugebenden Anlagetitel einer rechtlichen Rangordnungskontrolle prinzipiell unterworfen und wird voraussichtlich die SEC ihre bisher entwickelten Vorstellungen über angemessene Kapitalstrukturen im Ver­ fahren weiterhin zur Geltung bringen56. Dieser Prüfungsauftrag und die von ihm ausgelöste, hochentwickelte Jurisprudenz der angemessenen Kapitalstruktur und der gerechten Opferund Lastenverteilung haben im deutschen Recht kein Gegenstück. Daß zum Beispiel bei der Sanierung eines Unternehmens zunächst die Aktio­ näre und erst in zweiter Linie die Gläubiger zu Opfern heranzuziehen sind, wird zwar gelegentlich als wirtschaftliche Anstandsregel genannt57, ist jedoch niemals als rechtliches Gebot aufgefaßt worden58. Was die Eignung des Sanierungsplans für den künftigen Erfolg des Unternehmens angeht, so machen das Aktiengesetz und das Schuldverschreibungsgesetz gar keine expliziten Vorschriften. Die Vergleichsordnung verlangt immerhin, daß das schuldnerische Unternehmen sich nicht „übernehmen“ darf (§18 Nr. 3) und daß seine Erhaltung durch den Vergleich zu erwarten ist (§ 18 Nr. 4). Dies wird jedoch nur bei der Eröffnung des Verfahrens und hier dann notgedrungen nur kursorisch geprüft59; das Gericht darf aus diesem Gesichtspunkt die Eröffnung des Verfahrens nur ablehnen, wenn die wirtschaftliche Aussichtslosigkeit des Verfahrens klar zutage hegt60. 54 Collier VI 2 § 9.21, VI A § 11.08. 55 Darüber siehe oben S. 90 fF. 56 Siehe oben S. 91 ff., 99ff. 57 Z.B. Mannheimer (N. 31) 88; Fischer (N. 26) 68f.; Levinger (N. 26) 409ff; Oertel (N. 25) 68 ff, 73. 58 Überhaupt keine Äußerungen findet man in der Literatur dazu, daß es auch innerhalb des Aktionärs- und des Gläubigerkreises eine rechtliche Rangfolge für die Teilnahme an der Sanierung geben könnte. 59 Siehe dazu unten S. 241. 60 Bley/Mohrbutter § 18 Anm. 11, 12; Böhle-Stamschräder, VerglO § 18 Anm. 5.

Bei der Organisation und dem Verfahren der Planprüfung hat das neue amerikanische Konkursgesetz ebenfalls eine Vereinfachung gebracht, indem die obligatorische Vorprüfung des Planes durch Gericht und SEC abgeschafft wurde61. Es bleibt aber ein zweistufiges Verfahren insofern, als das Gericht, bevor die Beteiligten abstimmen, über die Angemessenheit des Informationsberichts nach Anhörung der Beteiligten entscheiden muß, und es bleibt die Konzentration aller Maßnahmen und Beschlüsse bei dem einen Reorganisationsgericht. Die Organisation der Planprüfung im deutschen Verfahren ist viel schwächer - zunächst schon deshalb, weil für jeden Verfahrens teil und jeweils nur für diesen Teil ein anderes Gericht zuständig ist: das Vergleichs­ gericht nach § 2 VerglO; für aktienrechtliche Beschlüsse das Registergericht62 und das in Anfechtungssachen ausschließlich zuständige Landgericht (§ 246 III AktG); für Beschlüsse nach dem Schuldverschreibungsgesetz jedes ordentliche Prozeßgericht, bei dem nach den Anleihebedingungen und der Zivilprozeßordnung eine Nichtigkeitsklage erhoben werden kann63. Außerdem ist die Prüfung nur für den kleinen Teil des Vergleichs­ verfahrens präventiv und mehrstufig organisiert, indem - so oft die Praxis - zunächst der vorläufige Vergleichs Verwalter64, dann die Industrie- und Handelskammer und dann bei der Verfahrenseröffnung und später bei der Bestätigung das Gericht die Zulässigkeit des Vergleichs zu überprüfen haben65. Für die Beschlüsse der Aktionäre, der Anleihegläubiger und für die außergerichtlichen Vergleichs Vereinbarungen gibt es dagegen nur eine nachträgliche Prüfung durch das ordentliche Prozeßgericht, und dies auch nur, wenn von einem der Beteiligten die Nichtigkeits- oder Anfechtungs­ klage erhoben wird66. 61 Siehe oben S. 117 ff. 62 Siehe §§ 181, 184, 188, 189, 195, 210, 211, 223, 224, 238 AktG. 63 Anders als bei der aktienrechtlichen Anfechtungsklage (§§ 246 ff. AktG) und der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit (§ 249 AktG) kennt das SchVG keine prozessuale Bündelung von Beschlußanfechtungen und keine Rechtskrafterstreckung. Die Nichtigkeit von Beschlüs­ sen wegen Gesetzes Verletzung oder Verstoßes gegen die guten Sitten kann daher jeder Gläubiger für sich im Wege der Klage oder der Einwendung im normalen Zivilprozeß unbefristet geltend machen. Kritisch dazu Ansmann, SchVG § 1 Anm. 51, 52. 64 Siehe unten S. 302. 65 §§ 14, 16, 78 VerglO. 66 Im Verfahren der Grundkapitaländerung prüft immerhin der Registerrichter die Recht­ mäßigkeit der gefaßten Beschlüsse; im Normalfall darf er sich dafür aber mit einer Beurtei­ lung der ihm eingereichten Anmeldungsunterlagen begnügen; Wiedemann, Großkommentar § 181 Anm. 4; BAUMBACH/HUECK, AktG § 181 Anm. 3. Werden ihm von einem Beteiligten Anfechtungsgründe vorgetragen, so wird er zunächst abwarten, ob innerhalb der Monatsfrist die Anfechtungsklage erhoben wird (§ 246 I AktG), und, wenn dies geschieht, seine Entschei-

IV. Ergebnis Am Anfang der Gegenüberstellung des deutschen und des amerikani­ schen Rechts schien es so, als wäre im deutschen Recht das Nichts, wo im amerikanischen die Fülle herrscht. Dieser Befund läßt sich sicherlich nicht aufrechterhalten, denn es gibt durchaus ein deutsches Verfahren zur Sanie­ rung insolventer Großunternehmen, das mit dem amerikanischen Reorga­ nisationsverfahren verglichen werden kann. Der wirkliche Unterschied zwischen beiden Rechtsordnungen liegt zunächst in der Geschlossenheit der amerikanischen Regelung - verglichen mit den von Fall zu Fall immer wieder zusammenzuholenden Einzelteilen des deutschen Verfahrens -, sodann in der erheblich größeren Zugrijffsintensität des amerikanischen Verfahrens. Geschlossenheit und Zugriffsintensität des heutigen amerikanischen Verfahrens sind das Ergebnis einer langen Geschichte von Interessenkämpfen und juristischen Erfindungen, die schließlich zu einem energischen, im offenen rechtspolitischen Kampf herausgeforderten Anpacken der Gesamtproblematik durch den Gesetzge­ ber führte. Man könnte versuchen, sich auch das deutsche Sanierungsverfahren als Ergebnis einer bewußten rechtspolitischen Entscheidung zu denken, die eben aus den deutschen Verhältnissen erwachsen und deshalb für uns prima facie zu akzeptieren wäre. Das deutsche Verfahren wäre dann eine Ent­ scheidung für betonte Einfachheit (weniger Recht; weniger Gericht) und für größere Flexibilität (da im deutschen Verfahren von Fall zu Fall entschieden werden kann, ob es als Ganzes oder nur mit einem seiner Teilverfahren für die Sanierung benötigt wird). In dieser Vorstellung läge aber etwas Künstliches. Denn von den Einzel­ teilen des deutschen Verfahrens sind wenigstens zwei nicht speziell auf unsere Problematik zugeschnitten, wenngleich für sie verwendbar: das Vergleichsverfahren nicht auf Großunternehmen und die aktienrechtliche Kapitaländerung nicht auf die Probleme akuter Insolvenz. Auch ist das deutsche Verfahren als Einheit im juristischen Bewußtsein kaum vorhan­ den. Die Literatur zum Recht der Kapitalgesellschaften nimmt kaum Notiz von der Vergleichsordnung und dem Schuldverschreibungsgesetz, und die Literatur des Insolvenzrechts umgekehrt nicht vom Schuldverschreibungs­ gesetz und von aktienrechtlichen Sanierungsmitteln 67. In der bisherigen düng bis zum Abschluß des Anfechtungsprozesses aussetzen; siehe dazu Wiedemann aaO. § 181 Anm. 7 a. E.; Zöllner, Kölner Kommentar § 181 Rz. 17, 18. 67 Siehe z. B. einerseits: Würdinger, Aktien- und Konzemrecht §§ 38, 39; Baumbach/ HUECK, AktG, Übersicht vor §§ 222-228 Anm. 4; Schilling, Großkommentar § 222 Anm.

Rechtspolitik ist es ähnlich: Die Einzelteile des Verfahrens sind ohne Verbindung miteinander entstanden, und in der Diskussion des künftigen Unternehmensrechts denkt man nicht an Insolvenzprobleme68; in der Dis­ kussion des künftigen Insolvenzrechts taucht das Sanierungsproblem der großen Unternehmen zwar auf, jedoch nicht alle Verfahrensteile, die für Sanierungen heute schon zur Verfügung stehen69. Kurzum: Eine übergrei­ fende Jurisprudenz oder Rechtspolitik zur Sanierung gibt es nicht. Das amerikanische Recht, andererseits, kennt die Einzelverfahren, aus denen sich das deutsche Verfahren zusammensetzt, seit langem genau so oder in ähnlicher Form und hat dennoch daneben das Reorganisationsver­ fahren entwickelt70. Es ist deshalb nicht einfach inhaltlich anders als das deutsche Recht, sondern es verkörpert einen Bewußtseins vorsprung, den die amerikanischen Juristen in planmäßigem Eingehen auf die Sanierungspro­ bleme insolventer Großunternehmen erreicht haben. Diesen Vorsprung feststellen heißt nicht, daß das amerikanische Recht den universellen Idealtyp der Problembewältigung liefere. Denn das Reor­ ganisationsverfahren ist so offensichtlich ein Produkt der besonderen Geschichte und der wirtschaftlichen Verhältnisse Amerikas, daß es nicht nur wegen seines Entwicklungsstandes auch anderen Ländern ein Vorbild sein müßte71. Die ins Auge fallenden Unterschiede der amerikanischen und der deutschen Situation liegen zum einen in der Finanzierungsweise der amerikanischen Unternehmen und den Anlagegewohnheiten der Kapital­ geber, also der Beschaffenheit des Kapitalmarktes72: in den Vereinigten 2; andererseits: Bley/Mohrbutter § 116 Anm. 5 (behandelt vom SchVG nur die Zuständig­ keit des Vergleichsrichters für die Abhaltung der Gläubigerversammlung). Bei BöhleStamschräder, VerglO, und Künne, Außergerichtliche Vergleichsordnung, kommen das SchVG und Kapitaländerungen bei der AG und der GmbH überhaupt nicht vor. 68 Besonders kennzeichnend aus jüngster Zeit die Arbeit der 1972 eingesetzten Untemehmensrechtskommission, die ihren Bericht 1979 erstattet hat: Bericht über die Verhandlungen der Unternehmensrechtskommission, hrsg. vom Bundesministerium der Justiz (Köln 1980). 69 Siehe die Autoren oben S. 28 f. und Weber, KO-Festschrift 331. Mit breiterem Ansatz aber inzwischen K. Schmidt, ZIP 1980, 233 ff. 70 Siehe oben S. 148. 71 Die eindrückliche Mahnung von Grossfeld, RabelsZ 39 (1975) 9-26, zu Vorsicht und Bescheidung bei der Wertung amerikanischer Rechtsinstitutionen ist auch auf diesem Gebiet angebracht. 72 Angaben dazu bei den oben N. 48 Zitierten. Außerdem: Goblet, Les techniques de financement par actions et obligations aux Etats-Unis d’Amerique (Paris 1959); Lees/Eng, International Financial Markets - Development of the Present System and Future Prospects (New York 1975) 49ff, 93ff, 199ff.; Mott, Young, Darrell, deJasay, in: Les emissions de titres de socits en Europe et aux Etats-Unis (Brüssel 1970) 101 f, 125 ff, 277 ff, 283 ff; Wiethölter, Interessen und Organisation der Aktiengesellschaft lOff, 97ff., 171 ff, 210ff, 238 ff, 293, 302 f; Roth, Treuhandmodell 176 ff, 182 ff, 186 ff; Hopt, Kapitalanlegerschutz

Staaten erhebliche Streuung des Aktienbesitzes auf weite Bevölkerungs­ kreise, in Deutschland auch bei Großunternehmen (die sogar als GmbH, Personengesellschaft und Einzelfirma betrieben werden können) vorwie­ gend dauerhafter Mehrheitsbesitz; Fremdfinanzierung dort weitgehend über den öffentlichen Kapitalmarkt durch Ausgabe von Schuldverschrei­ bungen, hier überwiegend durch Bankkredit oder direkte Darlehen von Versicherungsgesellschaften; dort Anlage des freien Sparkapitals der priva­ ten Haushalte vorwiegend in Kapitalmarktpapieren, hier vorwiegend bei den Banken, die es ihrerseits verwenden für Ausleihungen und Aufnahme von Kapitalmarkt-Emissionen oder es vielfach auf andere Anlageformen (z. B. Gold, Grundstücksfonds u. ä.) hinleiten. Es leuchtet ein, daß das Sanierungsrecht nicht unbeeinflußt sein kann davon, ob Kapitalanlage und Kapitalbeschaffung vorwiegend mit Hilfe von fungiblen und öffentlich vertriebenen Kapitalmarktpapieren oder hauptsächlich über Banken und andere Kapitalsammelstellen organisiert werden. Hinzu kommt die notorisch größere Freiheit, die das Aktienrecht der amerikanischen Einzelstaaten für die Gründung und Führung der Gesellschaften läßt73. Das Reorganisationsverfahren nach dem Bundeskon­ kursgesetz kann deshalb, wie im übrigen die Vorkehrungen des eigentli­ chen amerikanischen Kapitalmarktrechts, auch als notwendiger Ausgleich für das aktienrechtliche Regelungsdefizit aufgefaßt werden. Schließlich hat der Wertpapierbesitz in den Vereinigten Staaten noch weitgehend die Funktion der Not- und Altersvorsorge, die in Deutschland viel stärker durch Sozialversicherung gewährleistet wird74. Mit Recht ist deshalb gesagt worden, daß die ethische Kraft und juristi­ sche Energie, die in den Vereinigten Staaten seit langem den Anlagerschutz betreibt, vergleichbar ist dem rechtspolitischen Einsatz, den Deutschland der Sozialversicherung widmet75. Diese sozialen und politischen Quellen haben das Reorganisationsverfahren seit Anfang dieses Jahrhunderts gespeist76 und dürften für Großunternehmen auch durch die Reform von 1978 nicht wesentlich abgedämmt worden sein. Das heutige deutsche Sanierungsverfahren ist dagegen in Zuschnitt und Atmosphäre eine Ange­ legenheit, die sich vorwiegend innerhalb der Geschäftswelt abspielt; in den politischen Anforderungen an das künftige Recht dürfte überdies die Erhal­ 9£, 11 £, und ZHR 141 (1977) 437 f. mit wertvollen Hinweisen auf die einschlägigen internationalen Studienberichte (N. 207); Conard, Corporations in Perspective (1976) 258ff.; Kohl/Walz, AG 1977, 29f.; Schwark, ZGR 1976, 272ff. 73 Darüber im Vergleich zu den europäischen Aktienrechten Conard (N. 72) 11-29. 74 Siehe Grossfeld (N. 71) 8. 75 Wiedemann, BB 1975, 1591. 76 Siehe oben S. 67ff, 74, 77ff.

tung von Arbeitsplätzen größere Bedeutung haben als der Schutz von Kapitalpositionen. Die unterschiedlichen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Voraus­ setzungen des amerikanischen und des deutschen Sanierungsrechts brau­ chen an diesem Punkt nur angedeutet zu werden. Es ist vor allem nicht notwendig der Versuch, einzelne Züge des deutschen und des amerikani­ schen Verfahrens direkt auf bestimmte Gegebenheiten des jeweiligen Lan­ des zurückzuführen. Das allgemeine Maß der Unterschiedlichkeit in den Voraussetzungen ergibt sich aus der vorstehenden Skizze mit hinreichender Deutlichkeit. Es zeigt, daß der konstatierte amerikanische Entwicklungs­ stand auf einer bestimmten wirtschaftlichen und sozialen Situation beruht, die in Deutschland so nicht existiert und, selbst wenn der Kapitalmarkt für breitere Bevölkerungsschichten Bedeutung gewinnen sollte, sich nicht notwendig wie die amerikanische entwickeln muß. Das amerikanische Verfahren darf deshalb gewiß nicht als Ganzes auf deutsche oder auch andere europäische Verhältnisse übertragen werden. Aber der in ihm gebundene Erfahrungsschatz dürfte die Erfassung einzelner Probleme des Sanierungsrechts erleichtern. Das wird im 5. Kapitel näher darzustellen sein. Damit aber zunächst das Spektrum der von der Realität gebotenen Modelle sichtbar wird, sollen in den folgenden Abschnitten zusätzlich die Grundzüge des englischen und des französischen Verfahrens dargestellt werden.

D. England In England ist es seit jeher üblich, daß in den Anleihebedingungen Mehrheitsbeschlüsse der Anleihebesitzer vorgesehen werden, mit denen, falls notwendig, bindend für alle Obligationäre Stundungen und Erlasse gewährt, aber auch Rechtsumwandlungen vereinbart werden können77. Das englische Recht der Kapitalgesellschaften (kodifiziert im Companies Act 1948, mit Ergänzungen 1967) gibt überdies die Möglichkeit (§ 306), daß im Abwicklungsverfahren (zu dem auch die Insolvenz einer Gesell­ schaft führt) oder kurz zuvor die Gläubiger durch Mehrheitsbeschluß einen Vergleich mit der Gesellschaft schließen (wodurch die Abwicklung unter Umständen abgewendet oder wieder aufgehoben werden kann); auch erlaubt es im Abwicklungsstadium die Übertragung der Gesellschaft im ganzen auf ein anderes Unternehmen (§ 287). 77 Palmer (SCHMITTHOFF/THOMPSON), Company Law (21. Aufl. 1968) 406; Pennington, Company Law (3. Aufl. 1973) 450f.

Zusammen mit Kapitalherabsetzung und Kapitalerhöhung78 entsprechen diese Möglichkeiten dem, was als „deutsches Verfahren“ bezeichnet wurde. Der englische Companies Act bietet aber daneben, unter dem Titel „Arrangements and Reconstructions", ein eigenes Verfahren, mit dem die gesamte Kapitalstruktur des Unternehmens durch Mehrheitsbeschlüsse der Kapitalgeber unter Aufsicht des Gerichts umgestaltet werden kann79. Die­ ses Verfahren ist hier vorzustellen.

I. Arrangement-Verfahren Unter Arrangement ist jede Änderung von Kapitalgeberrechten zu verstehen - von der bloßen Schuldenstundung über Abschwächungen und Umwandlungen von Rechten (z. B. von Forderungen in Aktien) bis zur Verschmelzung mit anderen Unternehmen80. Alle Kapitalgeber können zu dem Arrangement herangezogen werden, also auch die gesicherten Gläubi­ ger. Die Einbeziehung auch der gesicherten Gläubiger wurde von den Gerichten bereits im vorigen Jahrhundert - gegen den Einwand, daß darin eine unzulässige Konfiskation liege - ausdrücklich für zulässig erklärt81. Wegen der bindenden Mehrheitsbeschlüsse, die es zu Lasten aller Kapital­ geberklassen ermöglichte, wurde das englische Gesetz von amerikanischer Seite, als dort noch das umständlichere Receivership-Verfahren praktiziert wurde, oft als Muster einer modernen Regelung angesehen82. Erforderlich für solche Beschlüsse ist, daß jede Kapitalgeberklasse, die von der Neuord­ nung in ihren Rechten betroffen wird, in einer Versammlung mit einfacher Mehrheit der Abstimmenden, die mindestens drei Viertel der jeweiligen Forderungen oder Aktien repräsentiert, dem Arrangement zustimmt (§ 206 [2]). 1. Einleitung des Verfahrens Das Verfahren beginnt mit einem Antrag an das Gericht, Versammlun­ gen der betroffenen Kapitalgebergruppen einzuberufen. Der Antrag wird 78 Geregelt in §§ 61 ff., 66ff des Companies Act 1948. 79 Geregelt in §§ 206-208; in Literatur und Praxis oft als „schemes of arrangement“ bezeichnet. Darstellungen bei Gower, The Principles of Modern Company Law (3. Aufl. 1969) 619-621, 635-646; Pennington 451-462; Palmer (SCHMITTHOFF/THOMPSON) 695-707; siehe jetzt auch Goode, RabelsZ 44 (1980) 704f.; Gottwald, KTS 1981, 27f. 80 Beispiele bei Pennington 453 f; Palmer (Schmitthoff/Thompson) 697 f; Gower, Company Law 619 f. 81 Re Empire Mining Co., (1890) 44 Ch. D. 402; Re Alabama, New Orleans, Texas & Pacific Junction Ry., (1891) 1 Ch. 213, 237, 243. 82 J. N. Rosenberg, Col. L. Rev. 17 (1917) 530ff; Spring, Harv. L. Rev. 32 (1919) 489f.

meistens von dem Unternehmen selbst gestellt, kann aber auch von jedem Gläubiger und Aktionär ausgehen. Dem Antrag und der Einberufung muß beigefugt sein eine Erläuterung des vorgeschlagenen Arrangements und seiner Auswirkungen sowie Aufklärung darüber, inwieweit eigene Interes­ sen der Vorstandsmitglieder (directors) in dieser Eigenschaft, als Aktionäre oder als Gläubiger von dem Plan in besonderer Weise berührt werden (§ 207 [1] [a]); das gleiche gilt für den Anleihetreuhänder, wenn Obligatio­ näre von dem Arrangement erfaßt werden (§ 207 [2]). Wenn der Plan mit den erforderlichen Mehrheiten angenommen ist, wird seine Bestätigung beim Gericht beantragt. Der vom Gericht bestä­ tigte Plan ist bindend für die Gesellschaft und alle von ihm betroffenen Aktionäre und Gläubiger, sobald der Bestätigungsbeschluß zum Gesell­ schaftsregister beim Department of Trade and Industry eingereicht worden ist. (§ 206 [3]). Falls das Arrangement die Verschmelzung des Unterneh­ mens mit einem anderen Unternehmen oder die Übertragung seines Vermögens auf ein anderes Unternehmen vorsieht, kann das Gericht alle Anordnungen erlassen, die zur Durchführung dieser Operation erforder­ lich sind83. 2. Maßstäbe Das Gesetz gibt dem Gericht keinen Prüfungsmaßstab; es macht also keinerlei Vorschrift darüber, wann der Richter die Bestätigung des Arran­ gements ablehnen und wann er sie aussprechen darf oder muß. Das Gericht hat dadurch einen gewissen Ermessensrahmen. In der Praxis wird einer­ seits geprüft, ob die Verfahrensregeln eingehalten wurden, ob insbeson­ dere die Initiatoren des Arrangements den Beteiligten ausreichende Aufklä­ rung gegeben haben und ob korrekt abgestimmt wurde. Auch müssen die dem Arrangement zustimmenden Mehrheiten einigermaßen repräsentativ sein für die Gesamtzahl der Mitglieder ihrer Klasse und dürfen mit ihrer Zustimmung nicht in Wirklichkeit nur eigensüchtige Sonderinteressen verfolgen; in diesem Fall würde ihre Zustimmung, weil nicht in „good faith“ gegeben, vom Richter zurückgewiesen84. Auf der anderen Seite muß das Gericht auch prüfen, ob der Inhalt des beschlossenen Arrangements gerecht („fair“) gegen alle Beteiligten ist85.

83 84 85 Ch.

Einzelheiten in § 208. Fälle bei Pennington 460-462; Palmer (Schmitthoff/Thompson) 702-704. Zum Beispiel Re Alabama (N. 81) 239 (Lindley, L. J.); Re Dorman Long & Co., (1934) 635, 657 (Maugham, J.).

Dieser Maßstab ähnelt im Ansatz dem des amerikanischen Verfahrens86, doch haben die englischen Entscheidungen aus ihm bei weitem nicht eine so klare Rechts- und Rangordnungsregel entwickelt wie die amerikanische Rechtsprechung. Nicht auf die Wahrung von Rechtspositionen kommt es an, sondern darauf, ob das Arrangement „reasonable" ist, ob also ein vernünftiger Mann an der Stelle der Abstimmenden dem Plan zugestimmt hätte. Unter diesem Vorzeichen mögen die Richter sich einer Mehrheit, die zuvor über die Bedeutung des Plans ausreichend aufgeklärt war, offenbar nur ungern entgegenstellen. Daher kommt es durchaus vor, daß Pläne gebilligt werden, die den Gläubigern erhebliche Opfer zumuten und doch auch den Anteilseignern für die Zukunft noch gewisse Rechte einräumen87. Entscheidend ist, ob solche Kompromisse zwischen den Kapitalgebergrup­ pen im Sinne der Geschäftswelt „vernünftig“ erscheinen. Verweigert wird die gerichtliche Zustimmung nur, wenn eine Kapitalgebergruppe durch das Arrangement eindeutig übervorteilt wurde88. Immerhin scheint aber die bloße Aussicht, daß das Gericht die Bestätigung verweigern könnte, auf die Praxis einen gewissen mäßigenden Einfluß auszuüben. Dieser wird verstärkt durch die Praxis der Gerichte, Einwände einzelner Beteiligter im Bestätigungsverfahren, wenn sie nicht völlig aus der Luft gegriffen sind, bereitwillig anzuhören und die Kosten solcher Interventionen auch im Falle ihrer Zurückweisung dem Unternehmen aufzuerlegen89.

II. Insolvenzprozeduren Das Arrangement nach §§ 206-208 des Companies Act steht nicht nur für Insolvenzsituationen zur Verfügung. Das Gesetz regelt es vielmehr in seinem Teil IV über die Führung und Verwaltung der Gesellschaft („Mana­ gement and Administration“) und eröffnet das Verfahen somit ohne wei­ tere Voraussetzung für alle Fälle, in denen einer der Beteiligten (meist die Unternehmensleitung oder die herrschende Aktionärsgruppe) eine Anpas­ sung der Kapitalstruktur an veränderte Umstände (oder sogar einen Zusammenschluß mit einem anderen Unternehmen) für ratsam hält90. 86 Siehe oben S. 94 ff. 87 Fälle bei Pennington 454. Es ist auch durchaus üblich, die ungesicherten Geschäftsgläu­ biger voll zu befriedigen, um ihre Zustimmung zum Arrangement entbehrlich zu machen, jedoch den gesicherten Anleihegläubigern Opfer zuzumuten; Gower, Company Law 621. 88 Darstellung der Rechtsprechung bei Pennington 459ff.; Palmer (Schmitthoff/Thomp­ son) 702ff.; Gower, Company Law 639ff. 89 Gower, Company Law 641 f. 90 Siehe Pennington 453 f.; Palmer (Schmitthoff/Thompson) 695, 697 f.; Gower, Com­ pany Law 619, 620.

Weil das Arrangement nicht als Insolvenzverfahren konzipiert ist, gewährt es selbst nicht die Möglichkeit, den Ansturm der Gläubiger abzuwehren. Es muß also für die Zwecke dieser Untersuchung im Zusam­ menhang mit den gegebenen Insolvenzprozeduren gesehen werden. 1. Abwicklung Das reguläre Insolvenzverfahren für Kapitalgesellschaften ist in England nicht im Konkursgesetz (Bankruptcy Act), sondern als Abwicklungsver­ fahren in Teil V des Aktiengesetzes (Companies Act) geregelt. Insolvenz ist einer der Gründe, die zur Abwicklung (winding up) einer Kapitalgesell­ schaft führen. Das Gesetz unterscheidet die Abwicklung „durch das Gericht“ (winding up by the court) und die „freiwillige“ (voluntary) Abwicklung (§ 211)91. Der Unterschied liegt vor allem darin, daß bei der gerichtlichen Abwicklung der Abwickler (englisch: Liquidator) vom Gericht eingesetzt und von diesem sowie dem Handels- und Industriemini­ sterium (Department of Trade and Industry) überwacht wird, während bei der freiwilligen Abwicklung unter bestimmten Voraussetzungen die Aktionäre, sonst die Gläubiger den Abwickler bestellen und überwachen92. Die Eröffnung des Abwicklungsverfahrens bewirkt eine Sperre für den Zugriff der Gläubiger: Klagen und Zwangsvollstreckungen werden unzu­ lässig93, nicht mehr vollendete Zwangsvollstreckungen werden unwirksam (§ 325). Die Unternehmensleitung verliert ihre Befugnisse durch die Ein­ setzung des Abwicklers; die Ursachen des Zusammenbruchs und das bisherige Verhalten der Unternehmensleitung können untersucht werden94. Im Schutze und mit den Hilfsmitteln des Abwicklungsverfahrens kann der Versuch gemacht werden, ein Arrangement der oben beschriebenen Art zustande zu bringen und so - statt der Liquidation - die Sanierung des Unternehmens zu erreichen. Der Rahmen, den das Abwicklungsverfahren hierfür bietet, ist allerdings unvollkommen. Denn zum einen ist es eben im Verfahrensgang auf Abwicklung und Auflösung gerichtet und bestimmt 91 Die Abwicklung durch das Gericht wird deshalb in Literatur und Praxis auch als „compulsory winding up“ bezeichnet; siehe z. B. Gower, Company Law 648ff.; Pennington 697, 698. 92 §§ 233 ff, 237 ff. und §§ 284 ff, 292 ff. 93 Bei gerichtlicher Abwicklung automatisch, §§ 228, 231, bei freiwilliger auf Antrag durch Ermessensverfügung des Gerichts, § 307, die aber so gut wie immer gewährt wird, wenn ein Arrangement in Aussicht genommen ist; Palmer (Schmitthoff/Thompson) 768; Penning­ ton 723; Gower, Company Law 660. 94 Siehe dazu Pennington 703 f., 707 ff; Gower, Company Law 655 ff.

entsprechend eng die Geschäftsführungsbefugnisse des Abwicklers. Zum anderen verweist das Gesetz (§ 317) für die Stellung der Gläubiger während des Verfahrens auf das Konkursrecht; dieses aber läßt den gesicherten Gläubigem das Recht, ohne weiteres die Verwertung ihrer Sicherung zu betreiben95. Die gesicherten Gläubiger können also mit Hilfe des Arrange­ ment-Verfahrens an den Sanierungsplan gebunden werden, aber das Abwicklungsverfahren kann sie nicht hindern, sich dem durch vorherige Verwertung ihrer Sicherheit zu entziehen.

2. Zwangsverwaltung Die UnVollkommenheit des Abwicklungsverfahrens für Sanierungs­ zwecke wird aber wettgemacht durch ein dem englischen Recht eigentüm­ liches Verfahren der Zwangs Verwaltung (Receivership) für gesicherte Gläubiger. Nach englischem Sachenrecht können Kreditsicherungen in der Weise verwertet werden, daß der Gläubiger von sich aus, also ohne Hilfe des Gerichts, einen Zwangsverwalter („receiver") einsetzt; dieser hat das Siche­ rungsgut in Besitz zu nehmen, seine Erträge einzuziehen und es schließlich zu verwerten. Die Aufgaben und Befugnisse solcher Zwangsverwalter sind im Law of Property Act (1925) beschrieben (§ 101); sie (und die Vorausset­ zungen der Einsetzung des Verwalters) können aber auch in der Siche­ rungsvereinbarung in jeder Richtung besonders geregelt werden (§ 101 [3,4]). Die Zwangs Verwaltung kommt natürlich vornehmlich in Betracht, wenn die Vollstreckung in größere Vermögenswerte für hohe Forderun­ gen betrieben werden soll. Eines der wichtigsten Sicherungsrechte für den Kredit von Kapitalgesell­ schaften ist die „floating Charge“ (wörtlich: „schwebende Last“) - eine Hypothek an dem Unternehmen, die sich auf das gesamte feste und bewegliche, gegenwärtige und künftige, dauernde und wechselnde Unter­ nehmensvermögen erstrecken kann96. Sie kann für jede Form des Kredits bestellt werden - zur Sicherung von Anleihen ebenso wie von Bankkredi­ ten. Für englische Kapitalgesellschaften ist sie das erstrangige Mittel der Kreditbeschaffung; wohl jedes Unternehmen bestellt eine floating charge 95 Siehe darüber Eckstein, Das englische Konkursrecht (1935) 69ff., 190ff.; Goode, RabelsZ 44 (1981), 698f., 709. 96 Ausführliche und sehr informative Darstellung bei ter Meulen, Die Floating Charge ein Sicherungsrecht am Vermögen einer englischen Company (1969) 153 S.; kurz und anschaulich auch Drobnig, 51. DJT (1976) I F 83 f. Kurze englische Darstellung: Gower, Company Law 420ff.; Collins, Int. Comp. L. Q. 27 (1978) 691-695. Siehe jetzt auch Goode, RabelsZ 44 (1980) 687ff., 701 ff.; Gottwald, KTS 1981, 33ff.

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Flessner BIPR 48

für den Überziehungskredit bei der Bank und oft eine weitere für eine Serie von Schuldverschreibungen97. Wenn der durch floating charge gesicherte Kredit notleidend wird, ist es üblich, daß eine Zwangsverwaltung eingerichtet wird. Diese Zwangsver­ waltung schließt Vollstreckungs- und Verwertungsmaßnahmen von ande­ ren Gläubigern aus98. Sie hat Vorrang auch vor dem Abwicklungsverfah­ ren, selbst wenn dieses wegen der Solvenzkrise schon vorher eröffnet war; denn sie hat die Realisierung eines Sicherungsrechts zum Ziel, und dies kann ja vom Abwickler nicht verhindert werden (siehe oben S. 161). Da sie überdies prinzipiell das gesamte Unternehmensvermögen ergreift, ist der Abwickler von der Verwaltung des Unternehmens praktisch ausgeschlos­ sen, bis der Zwangsverwalter seinen Verwertungsauftrag erfüllt hat99. Der Wert der floating charge als Unternehmenshypothek beruht andererseits wesentlich auf dem Wert des lebenden, nicht des liquidierten Unterneh­ mens. Der Zwangs Verwalter ist deshalb eher geneigt, das Unternehmen durch Reorganisation zu erhalten oder jedenfalls als Ganzes auf ein anderes zu übertragen, und seine Geschäftsführungsbefugnisse sind in der Regel dem angepaßt100. Im Schutze dieser sanierungsfreundlichen Zwangsverwal­ tung kann deshalb auch die Neuordnung der Kapitalstruktur durch ein Arrangement vorbereitet und durchgeführt werden.

III. Würdigung Das englische Modell ist ein Sanierungsverfahren, das sich zusammen­ setzt aus einem Arrangement nach §§ 206-208 des Companies Act und dem gesellschaftsrechtlichen Abwicklungsverfahren oder der Zwangsver­ waltung aufgrund einer das Unternehmen erfassenden Sicherungslast. Dem deutschen Verfahren hat es voraus: Es kann zur Absetzung der bisherigen Unternehmensleitung führen, sichert weitgehend die vorläufige Erhaltung des Unternehmens auch gegenüber den gesicherten Gläubigern und ermöglicht eine umfassende Neuordnung der Kapitalverhältnisse durch Einschluß der Anteilseigner und der gesicherten Gläubiger. Seine 97 Gower, Harv. L. Rev. 69 (1956) 1397; Company Law 357. Weitere Angaben über die praktische Bedeutung der floating charge bei ter Meulen (N. 96) 109. 98 Nur vorrangig gesicherte Gläubiger werden von ihr nicht betroffen; Einzelheiten bei ter Meulen (N. 96) 76ff., 80ff., 99ff. 99 Gower, Company Law 436; Loose, Liquidators (1972) 66 f. Die Durchführung eines Abwicklungsverfahrens in der Insolvenz einer englischen Kapitalgesellschaft kann deshalb überflüssig sein, wenn nach der Befriedigung der gesicherten Gläubiger qua Receivership keine nennenswerte Masse für die nachrangigen Gläubiger und die Aktionäre übrig bleibt. 100 Gower, Company Law 435; Pennington 434; ter Meulen (N. 96) 92ff, 98.

Einbettung in das Recht der Kapitalgesellschaften gewährleistet, daß die Solvenz- und Finanzierungsprobleme großer Unternehmen ihm nicht fremd sind. Für kleinere und mittlere Unternehmen wird es denn auch vielfach als zu umständlich empfunden1001. Gegenüber dem amerikanischen Verfahren zeigt das englische - wie das deutsche Verfahren - zunächst die geringere gesetzestechnische Geschlos­ senheit. In der Substanz lag bisher der wesentliche Unterschied darin, daß im englischen Verfahren die Situation des Unternehmens und der Sanie­ rungsplan mit viel geringerer Intensität durchleuchtet werden. Inzwischen allerdings scheint das amerikanische Recht sich dem englischen wieder etwas angenähert zu haben, indem es die angemessene Information der Beteiligten ebenfalls zur zentralen Schutzbastion erhebt101. Es bleibt aber abzuwarten, ob die bisher viel strengere Tradition des amerikanischen Verfahrens sich nicht auch unter dem neuen Gesetz bemerkbar machen wird. In der Gesamterscheinung ist das englische Verfahren einem früheren Stadium des amerikanischen Rechts nicht unähnlich. Wie anfänglich dort, zieht es zur vorläufigen Erhaltung des Unternehmens die Institution des Zwangsverwalters (Receiver) heran und wie früher im amerikanischen Verfahren üben die Gerichte nur eine lockere Gerechtigkeitskontrolle aus. Wie früher im amerikanischen Recht hat auch dieser Punkt inzwischen Kritik ausgelöst - die allerdings bislang akademisch geblieben ist. Professor Gower, einer der führenden Kenner des englischen Gesellschaftsrechts, hält den Schutz der Anleger und Gläubiger gegen unbillige und mißbräuchliche Reorganisationspläne für unzureichend, ist aber skeptisch gegenüber zu viel rechtlicher Organisation der Plankontrolle. Den Schutz müßten letzt­ lich die aufgeklärte öffentliche Meinung, die kritische Wirtschaftspresse und die unter ihrem Einfluß sich ständig bessernde Geschäftsmoral lei­ sten102. Es gibt andererseits Stimmen, die für die Insolvenz größerer Unter­ nehmen eine stärkere Mitwirkung des Gerichts und auch behördlicher Instanzen (etwa des Department of Trade) befürworten103.

1002 Farrar, J. Bus. L. 1976, 222; Goode, RabelsZ 44 (1980) 704f. 101 Siehe oben S. 117 ff. 102 Gower, Company Law 654 f. 103 So Farrar, J. Bus. L. 1976, 222.

E. Frankreich I. Allgemeines Insolvenzrecht Frankreich hat in seinem Insolvenzgesetz von 1967 gleichberechtigt nebeneinander den Konkurs (liquidation des biens) und ein gerichtliches Vergleichsverfahren (reglement judiciaire)104. Vom deutschen unterscheidet sich das französische Insolvenzrecht durch die einheitliche Gesetzeskonzep­ tion für Konkurs und Vergleich sowie dadurch, daß ins Vergleichsverfah­ ren in gewissem Maße auch die bevorrechtigten und gesicherten Gläubiger gezogen werden105. Das Gesetz über Handelsgesellschaften von 1966 kodifi­ ziert überdies die Praxis der rechtsändernden Mehrheitsbeschlüsse von Anleihegläubigern106. Durch solche Beschlüsse können einheitlich für alle Obligationäre einer Emission, nach Bestätigung durch das Gericht (Art. 316), Stundungen, Zinsermäßigungen, Änderungen der Tilgungsmodali­ täten, Aufgabe von Sicherheiten und sonstige Änderungen des Anleihever­ trages gewährt werden; ausgenommen ist allerdings der Umtausch von Obligationen in Aktien (Art. 317 II). Zusammen mit Kapitalherabsetzung und Kapitalerhöhung nach Gesell­ schaftsrecht hat das französische Recht somit den gleichen Stand, den das deutsche Sanierungsverfahren erreicht hat. Ein nicht unwesentlicher Unterschied besteht allerdings darin, daß die gesetzlichen Grundlagen des französischen Rechtszustandes zum größeren Teil ein halbes bis ein ganzes Jahrhundert jünger sind als die deutschen und damit modernen Anschau­ ungen in manchem Punkt näher sein dürften.

II. Besonderes Sanierungsverfahren Neben das Instrumentarium, das vom „droit commun“, also vom allgemeinen Insolvenzrecht und Gesellschaftsrecht geboten wird, hat die französische Gesetzgebung ein Sonderverfahren gesetzt, das die Sanierung bedeutender Unternehmen erleichtern soll. Es ist dieses Verfahren, das bei der Vergleichung der Modelle berücksichtigt werden muß.

104 Siehe darüber Sonnenberger, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht (1975) 195, 197 ff. 105 Näheres darüber bei Sonnenberger (N. 104) 199f. 106 Übersichtliche Darstellung bei RODIRE, Droit commercial - Groupements commerdaux (Preds Dalloz, 8. Aufl. 1972) Nr. 259 ff; Horn, Recht der internationalen Anleihen 423 f.

1. Entstehung

Als die vom Justizministerium vorbereitete Reform des Insolvenzrechts 1967 abgeschlossen wurde, war das Wirtschafts- und Finanzministerium noch nicht zufrieden mit den Möglichkeiten, die das neue Vergleichsver­ fahren (reglement judiciaire) für die Rettung wichtiger Unternehmen bot. Man fand das Verfahren wohl zu „juristisch“ und, wegen der vorgeschrie­ benen Beteiligung der Gläubiger, zu langsam. Vor allem konnte das Vergleichsverfahren erst mit der Zahlungseinstellung (cessation des payements) beantragt werden, während es nach Meinung der Fachleute im Wirtschafts- und Finanzministerium gerade darauf ankam, der Zahlungs­ einstellung zuvorzukommen und so die Sanierung notleidender Unterneh­ men zu erleichtern. Offenbar unter dem Eindruck der finanziellen Schwie­ rigkeiten einer großen Werft und gestützt auf Sondervollmachten, die die Regierung zu wirtschafts- und sozialpolitischen Maßnahmen erhalten hatte, erging deshalb auf Veranlassung des Wirtschafts- und Finanzministe­ riums ohne weitere Vorbereitung der Öffentlichkeit am 23. 9. 1967 eine Verordnung (Ordonnance), die ein besonderes Sanierungsverfahren ein­ führte für Unternehmen, „deren Untergang eine ernstliche Störung der nationalen oder regionalen Wirtschaft bedeuten würde“107. Das Ziel der Verordnung war ein Verfahren, das ein Maximum an Schnelligkeit und Effizienz erreicht durch kurze Fristen, umfassende Richtermacht und ein Minimum an Gläubigerbeteiligung und Publizität108. 2. Eröffnung des Verfahrens Das Unternehmen von nationaler oder regionaler Bedeutung, dem das Verfahren zugute kommen soll, muß sich in schwieriger finanzieller Situa­

107 Ordonnance Nr. 67-820 du 23 Septembre 1967 tendant ä faciliter le redressement economique et financier de certaines entreprises, § 1, J. O. vom 28. 9. 1967, S. 9534. Die offizielle Begründung enthält ein Bericht an den Präsidenten der Republik, der dem Text der Verordnung vorangestellt ist. Über Motive und Hintergründe finden sich Angaben bei Ithurbide, Histoire critique de la faillite (1973) 365 ff; RODIRE, Droit commercial - Effets de commerce, Contrats commerciaux, Faillites (Precis Dalloz, 6. Aufl. 1972) Nr. 355; Houin, Rev. jur. com. 20 (1976) Numero special 326. Am gleichen Tage wurde aufgrund derselben Vollmachten die Verordnung über das „Groupement d’intrt economique“ erlassen (Ordon­ nance Nr. 67-821), das in Deutschland so große Aufmerksamkeit gefunden hat; siehe z. B. Sonnenberger, (N. 104) 108 ff und ausführlich Müller-gugenberger, AWD 1971, 263 ff. mit weiteren Nachweisen. 108 Übersichtliche Darstellungen bei RoDIRE (N. 106) Nr. 356 ff; Ripert/Roblot, Traite elementaire de droit commercial, II (8. Aufl. 1976) Nr. 2826 ff, 3332ff; deJuglart/Ippolito, Droit commercial, III (1973) 427 ff; Sonnenberger (N. 104) 196f.

tion befinden, die aber noch nicht unheilbar zerrüttet ist und auch noch nicht zur Zahlungseinstellung geführt hat (in diesem letzteren Fall schreibt die Verordnung die Verweisung ins allgemeine Konkurs- oder Vergleichs­ verfahren vor, Art. 10 II); die Erhaltung des Unternehmens zu Bedingun­ gen, die mit dem Interesse der Gläubiger vereinbar sind, muß möglich erscheinen (Art. 1 II). Der Antrag auf Eröffnung des Verfahrens kann von dem Unternehmen selbst oder von Gläubigem gestellt werden, die einzeln oder zusammen mindestens 15% der Forderungen innehaben; das Gericht kann das Verfah­ ren aber auch von Amts wegen einleiten (Artt. 3, 7). In der Praxis stellt so gut wie immer das Unternehmen selbst den Antrag109. Das Recht des Gerichts zur selbständigen Verfahrenseröffnung gibt aber immerhin den interessierten staatlichen Instanzen die Möglichkeit, diskret auf eine Sanie­ rung hinzuwirken. Zuständig ist für Handels- und Industrieunternehmen (um die es in aller Regel geht) das Handelsgericht (tribunal de commerce) (Art. 2 1). Da das Verfahren von den Richtern erheblichen Sachverstand erfordert, ist durch besonderes Dekret die Zuständigkeit auf die Gerichte in zehn Großstädten konzentriert worden110. Ist ein Antrag auf Verfahrenseröffnung gestellt, so muß ein beauftragter Richter dem Gerichtspräsidenten innerhalb von 15 Tagen einen Bericht vorlegen über die Situation des Unternehmens und die Aussichten seiner Erhaltung (Art. 5). Innerhalb weiterer 8 Tage wird der Bericht dem Gericht vorgelegt und dieses entscheidet über den Antrag nach nichtöffent­ licher Anhörung des Schuldners (Artt. 6, 10 I). Um sich ein Bild über die Bedeutung und die Lage des Unternehmens zu verschaffen, kann das Gericht Auskünfte einholen von allen Behörden, Sozialversicherungsan­ stalten, Banken und zentralen Kreditschutzstellen; weder gesetzliche noch sonstige Versehwiegenheits- und Vertraulichkeitspflichten können ihm entgegengehalten werden (Art. 9). Hält das Gericht die Voraussetzungen des Verfahrens für gegeben, so wird seine Entscheidung den betroffenen Behörden sowie im Handelregister und den amtlichen Verkündungsblättem bekanntgegeben 111.

109 RODIRE (N. 106) Nr. 359; Massin, Rev. jur. com 15 (1971) 147. 110 Dekret Nr. 67-1254 vom 31. 12. 1967, J. O. vom 3. 1. 1968, S. 19. Zuständig sind die Handelsgerichte in Paris sowie Bordeaux, Lille, Limoges, Lyon, Marseille, Nancy, Rennes, Straßburg, Toulouse. 111 Art. 12 des ergänzenden Dekrets Nr. 67-1255 vom 31. 12. 1967, J. O. vom 3. 1. 1968, S. 20.

3. Wirkungen der Verfahrenseröffnung

Zugleich mit der Eröffnung des Verfahrens ernennt das Gericht einen Verwalter („curateur"), dessen Aufgaben je nach den Gegebenheiten bestimmt werden können - von der bloßen Überwachung und Unterstüt­ zung der bisherigen Unternehmensleiter bis zur völligen Übernahme der allgemeinen Geschäftsführung für die Dauer des Verfahrens (Art. 13)112. Die Eröffnung des Verfahrens hat weiter zur Folge, daß - außer den Arbeitnehmern - sämtliche Gläubiger, auch die bevorrechtigten und die gesicherten, an der individuellen Rechtsverfolgung gegen das Unterneh­ men einstweilen gehindert sind, auch nicht freiwillig befriedigt werden dürfen, und daß das Unternehmen ohne richterliche Genehmigung keine außergewöhnlichen Geschäfte vornehmen und keine Sicherungsrechte bestellen darf (Artt. 15-20, 22). Diese Befriedigungs- und Verfolgungs­ sperre113 darf für höchstens drei Monate angeordnet und allenfalls um einen Monat verlängert werden (Art. 11). Im Schutze dieser Schonfrist muß das Unternehmen nun versuchen, einen Sanierungsplan zustandezubringen (Art. 14). In aller Regel wird diese Aufgabe von dem Verwalter übernommen114. Um ihn dabei zu unterstüt­ zen, kann das Gericht wiederum von Behörden, Banken und ähnlichen Institutionen alle Arten von Auskünften einholen (Art. 141). Der Plan muß spätestens einen Monat vor Ablauf der Schonfrist, also spätestens zwei Monate (im Verlängerungsfall drei Monate) nach der Eröffnung des Ver­ fahrens beim Gericht eingereicht werden, damit dieses ihn in Kraft setze (Art. 23). Bis zu diesem Zeitpunkt haben die Gläubiger und sonstige Beteiligte offiziell keine Gelegenheit gehabt, an der Formulierung des Sanierungsplans mitzu wirken; der Verwalter wird allerdings seine Vor­ schläge nicht aus der Luft greifen, sondern in der Regel nur einen Plan vorlegen, über den er vorher mit den maßgebenden Gläubigern und anderen Kapitalgebern verhandelt hat115. Die Einreichung des Plans wird öffentlich bekanntgemacht; jeder Inter­ essierte kann ihn nun bei Gericht einsehen (Art. 23). Das Gericht trifft seine Entscheidung frühestens zehn Tage nach der Einreichung des Plans und spätestens vor Ablauf der genannten Schonfrist (Art. 24). Während dieser 112 Über die Praxis Verdot, J.C.P. 1972 I, Ed. Commerce et Industrie Nr. 10425; Honorat, Rev. jur. com. 1978, 3f. 113 Ihretwegen wird das Verfahren in französischen Darstellungen oft unter dem Kurztitel „Suspension provisoire des poursuites“ abgehandelt. 114 Siehe Art. 14 I und Verdot (N. 112) Nr. 18, 19; Gensburger, Rev. jur. com. 14 (1970) 130. 115 Verdot aaO. Nr. 20; Gensburger aaO. 130ff.

Zeit können neue Einwände gegen die Annahme des Plans bei Gericht erhoben werden. Dazu sind aber nur Gläubiger berechtigt, die einzeln oder zusammen mindestens 15% der Forderungssumme repräsentieren (Art. 25). Werden Einwände erhoben, so wird darüber nichtöffentlich verhan­ delt, die Entscheidung aber in öffentlicher Sitzung verkündet116.

4. Inhalt und Genehmigung des Sanierungsplans Die Verordnung vom 23. 9. 1967 geht davon aus, daß der Sanierungs­ plan aus zwei Teilen besteht: aus dem Plan zur Wiederherstellung des Unternehmens (plan de redressement economique et financier); in ihm werden alle betrieblichen, finanziellen und rechtlichen Maßnahmen zusam­ mengefaßt, die zur Wiedergesundung fuhren sollen; und aus dem Plan der kollektiven Schuldenbereinigung (plan d’apurement collectif du passif); in ihm wird, aufbauend auf dem Gesamtplan, geregelt, wie die Verbindlich­ keiten des Unternehmens beglichen werden sollen, das heißt speziell: welche Erlasse und Stundungen dem Unternehmen zugebilligt werden. Das Gericht befindet über beide Teile des Sanierungsplans, doch kann es nur den Plan der Schuldenbereinigung gegen den Willen einzelner Betrof­ fener in Kraft setzen und selbst dies nur mit bestimmtem Inhalt: Es dürfen so nur Stundungen erzwungen werden und nur solche, die drei Jahre nicht überschreiten (Art. 27). Erlasse und andere Schuldänderungen, auch Umwandlungen in Anteilsrechte, können zwar in dem bestätigten Plan enthalten sein, bedürfen aber der Zustimmung jedes einzelnen dadurch betroffenen Gläubigers (Artt. 27, 28). Eine Neuordnung der Anteilsstruk­ tur kann ohnehin nur im nichterzwingbaren Wiederherstellungsplan, also nur mit Zustimmung der bisherigen Anteilseigner geregelt werden. Das Gericht bestätigt den vorgelegten Plan, wenn es ihn für „ernsthaft“ („serieux“) hält und er ausreichende Gewähr für seine Durchführung bietet (Art. 29). Beide Voraussetzungen verweisen im wesentlichen auf die wirtschaftliche Vernünftigkeit und Durchführbarkeit des Sanierungsplans; daß die Behandlung der einzelnen Beteiligten auf der angenommenen wirtschaftlichen Grundlage angemessen zu sein habe, schreibt die Verord­ nung nicht vor. Immerhin kann aus der Eingangs Vorschrift (§1) entnom­ men werden, daß die Erhaltung des Unternehmens unter Bedingungen erreicht werden muß, die mit den Interessen der Gläubiger vereinbar sind; auch kann die Bestätigung abhängig gemacht werden von einer Entlassung der bisherigen Unternehmensleitung (Art. 32). Aber schon die Frage, 116 Art. 17 des Dekrets Nr. 67-1255 (oben N. 111)

inwieweit zwischen den Gläubigern Gleichbehandlung erforderlich ist, wird von der Verordnung offen gelassen und wird in Literatur und Rechtsprechung offenbar weitgehend verneint117. Es ist offensichtlich, daß das Verfahren im Interesse schneller und effizienter Rettungsmaßnahmen nicht vom Gericht mit Gerechtigkeitsfragen zwischen den einzelnen Betei­ ligten belastet werden soll. Der bestätigte Schuldenbereinigungsplan bindet hinsichtlich der ange­ ordneten Stundung alle Gläubiger, auch die gesicherten, mit Ausnahme der Arbeitnehmer, sowie im übrigen alle Gläubiger, die ihm zugestimmt haben (Artt. 28, 34). Zugleich mit der Bestätigung wird ein Beauftragter („commissaire") bestellt, der über die Durchführung des Plans zu wachen hat (Artt. 28, 36); in der Regel ist dies der bisherige, bei der Eröffnung ernannte Verwalter118. Wenn das Schuldnerunternehmen den Plan nicht einhält, kann dieser nachträglich aufgehoben werden; wenn es gar die vorgesehenen Zahlungs­ termine verstreichen läßt, wird das allgemeine Insolvenzverfahren eingelei­ tet (Art. 38). Das gleiche gilt natürlich, wenn das Gericht den Plan von vornherein verworfen und die Zahlungseinstellung festgestellt hat (Art. 31).

5. Praxis und Bedeutung Das besondere Sanierungsverfahren ist nach französischer Auffassung nicht mehr eigentliche Insolvenzgesetzgebung auf dem Gebiet des Privat­ rechts, sondern hat den Charakter von öffentlichem Wirtschaftsrecht, das von gesamtwirtschaftlichen und politischen Motiven gespeist wird119. Die Verordnung ist deshalb in der Rechts weit zum Teil mit großer Skepsis aufgenommen worden. Der bekannte Handelsrechtler RODIRE spricht von „etatistischer Prozedur“ und von „Dirigismus, der nichts mehr verbirgt“120. Ein früherer Präsident des Pariser Handelsgerichts sieht die Schöpfer des Gesetzes als „Technokraten“, die sich ausschließlich von wirtschaftlichen, finanziellen, sozialen und politischen Erwägungen leiten ließen, dabei aber elementare rechtliche Garantien vernachlässigten121. Andere Autoren sahen die Verordnung gar nur als politische Konjunkturmaßnahme, um die es 117 Darüber z. B. Geisenberger, Gaz. Pal. 1971, 2, 464f.; Honorat, Rev. jur. com. 1978, 12; Houin/LeGall/Soinne, Rev. trim. dr. com. 1980, 600ff. (kritisch). 118 deJuglart/Ippolito (N. 108) 451. 119 Siehe z. B. die Bemerkungen bei deJuglart/Ippolito (N. 108) 12; Verdot (N. 112) Nr. 28; Blondel 369 f. 120 RODIRE (N. 107) Nr. 355. 121 Ithurbide (N. 107) 367.

nach einer Veränderung der momentanen Umstände bald wieder still sein würde122. Inzwischen wird das Verfahren seit gut 12 Jahren praktiziert123. In der Zeit von 1968-1977 wurden 458 Verfahren beantragt, 340 eröffnet und 200 bis zur Bestätigung eines Sanierungsplans geführt124. Im allgemeinen herrscht heute wohl das Gefühl, daß das Verfahren seinen Zweck erfüllt. Diskutiert wird vor allem über seine Verbesserung in Einzelheiten und seine Verdeutlichung für die Praxis. So wird vielfach als künstlich empfun­ den die Unterscheidung zwischen „schwieriger finanzieller Situation“ (in der das Verfahren zur Verfügung steht) und der „Zahlungseinstellung“ (bei der sofort ins allgemeine Insolvenzverfahren übergeleitet werden muß)125. Die Praxis müht sich überdies mit der Lakonie des Verordnungstextes126, die viele wichtige Einzelfragen offenläßt und Anlaß zu einigen Rechtspre­ chungsdivergenzen gegeben hat127. Ein Gesetzentwurf der Regierung, der einige Zweifelsfragen klären und das Verfahren noch effektiver machen soll, liegt seit November 1977 der Nationalversammlung vor128. Ein besonderes Indikatorensystem soll für eine rechtzeitigere Einleitung des Verfahrens sorgen; die Zeit für die Durchführung des Sanierungsplans soll auf fünf Jahre verlängert werden; Sicherungsgut soll während dieser Zeit verbraucht und veräußert werden dürfen, wenn dem Gläubiger gleichwertige Ersatzsicherung geboten wird; die Unternehmensinhaber sollen vom Gericht zur Abtretung ihrer Anteile gezwungen werden können129. Das Schicksal des Entwurfs ist aber gerade wegen dieser weitreichenden Eingriffe ungewiß.

III. Würdigung Zu der rechtsvergleichenden „Modellschau“, die hier unternommen wird, ist das französische Sanierungsverfahren nach der Verordnung vom 122 Toujas/Argenson, J. C. P. 1968 Doctr. 2130 Nr. 1 a.E. 123 Ausführliche Praxisberichte geben Geisenberger (N. 117) 455ff.; Honorat, Rev. jur. com. 22 (1978) Iff, 57ff; Haehl, Rev. jur. com. 1979, lff, 41 ff. Kürzer: Gensburger (N. 114) 123ff; Massin (N. 109) 135ff 124 Statistik bei Haehl (N. 123) 50. 125 Massin (N. 109) 144ff; Perrot, Gaz. Pal. 1979, 1, 55; Houin/LeGall/Soinne (obenN. 117) 599. 126 „Summarisch bis zum Exzeß“; Ripert/Roblot (N. 108) Nr. 3332. 127 Darüber eingehend die Berichte von Geisenberger (N. 117), Honorat (N. 123), Haehl (N. 123) und Houin/LeGall/Soinne (N. 117). 128 Projet de loi relatif ä la prevention et au traitement des difficultes des entreprises: Assemblee Nationale (1977-1978) Drucksache Nr. 3214. 129 Einzelheiten und Würdigung ausführlich bei Haehl (N. 123) 42ff.

23. 9. 1967 ein origineller Beitrag; manche seiner Wesenszüge sind aufge­ nommen in einen belgischen Gesetzentwurf30. Vom deutschen Verfahren unterscheidet das französische sich durch die bewußte Hinwendung auf Unternehmen, deren Existenzprobleme nationales oder regionales Inter­ esse wachrufen; außerdem durch die selbstverständliche Einbeziehung auch der gesicherten Gläubiger in das Verfahren und den Sanierungsplan. Gegenüber dem amerikanischen und englischen Recht hebt es sich ab, einerseits, durch die gesetzlich forcierte Geschwindigkeit seiner Durchfüh­ rung, aber andererseits durch die bescheidene Zwangswirkung, die es dem bestätigten Sanierungsplan zubilligt: in England und Amerika kann mit Rechtszwang die gesamte Kapitalstruktur eines Unternehmens umgestaltet werden, im französischen Verfahren kann gegen den Willen eines Beteilig­ ten nur die Schuldenlast durch Stundung auf begrenzte Zeit gemildert werden. Von allen anderen, hier präsentierten Sanierungsverfahren unterscheidet sich das französische schließlich durch zwei Züge, die miteinander Zusam­ menhängen dürften: Es ist nicht in längerer Entwicklung gewachsen, sondern ist ein Produkt aus der Retorte eines hochkompetenten, mächtigen Ministeriums; und es beschränkt die Gläubiger (zu schweigen von anderen Beteiligten) auf eine minimale Beteiligung am Verfahren, fordert dagegen - durch Auskunfts- und Eingriffsbefugnisse - die Zusammenarbeit des Gerichts mit den am Schicksal des Unternehmens interessierten Behörden.

130 Projet de loi sur la gestion assistee: Belgischer Senat, Drucksache 1030 (1976-1977) Nr. 1. '

Viertes Kapitel

Rechtspolitische Grundlagen A. Ausgangspositionen Am Anfang aller rechtspolitischen Überlegungen zum Sanierungsrecht steht die Frage, ob die Liquidation oder die Erhaltung des gestrandeten Unternehmens - als Grundsatz oder im Einzelfall - die sinnvollere Lösung ist. Dies ist das Kernproblem für jegliche Sanierungspolitik. Man nähert sich ihm oft von ganz gegensätzlichen Standpunkten. Für die einen ist der Konkurs das juristische Vollzugs mittel des unerbitt­ lichen Marktgesetzes, das die unrentablen Betriebe vom Wirtschaftsprozeß ausscheidet. Der Konkurs ist in dieser Sicht ein oft leidvoller, aber notwen­ diger Prozeß der Reinigung des Wirtschaftskörpers von unnützen und daher schädlichen Bestandteilen. Jeder Versuch der Rechtsordnung, diesen Prozeß durch Bereitstellung von Sanierungsverfahren zu verhindern, ist grundsätzlich suspekt und eigentlich zu erklären nur aus der bekannten menschlichen Scheu vor Heilungseingriffen, die mit Schmerzen verbunden sind1. Die Gegenposition wird in Deutschland repräsentiert durch den vielzitierten Satz von Ernst Jaeger: „Der Konkurs ist ein Wertvernichter schlimmster Art.“2 Unter diesem Blickwinkel treten die Störungen und Verluste in den Vordergrund, die bei der Zwangsliquidation eines Unter­ nehmens den Gläubigern, den Arbeitnehmern, ferner den Zulieferern und Abnehmern, schließlich dem weiteren regionalen und nationalen Wirt­ 1 Die Ausscheidungstheorie ist offenbar besonders populär bei den Praktikern des Wirt­ schaftslebens (wenn über Insolvenzen anderer geurteilt wird) und in der allgemeinen Wirt­ schaftspublizistik; siehe z. B. die Richtlinien für die Begutachtung gerichtlicher Vergleichsan­ träge durch die Industrie- und Handelskammern, abgedruckt bei Böhle-Stamschräder, VerglO 305ff; Wellmann, Festschrift Knorr 13ff; sowie die Angaben bei Preyer, KTS 1966, 90 f. und Siedschlag 19, 20. Ihr entschiedenster und oft zitierter Vertreter in der deutschen Wirtschaftspublizistik ist Muthesius, der den Konkurs als notwendiges „Fege­ feuer“ bezeichnet und sogar die Abschaffung der Vergleichsordnung gefordert hat; ZgesKW 1954, 759f; 1961, 185f. 2 Jaeger, Lehrbuch 216.

schaftsleben entstehen3. Diese Betrachtungsweise gab zu Anfang des Jahr­ hunderts den Impuls für die Schaffung des Vergleichsverfahrens und sie muß um so mehr die konkursabwendende Sanierung von Großunterneh­ men begünstigen, weil mit der schieren Masse, Komplexität und Bedeu­ tung des Unternehmens natürlich auch das Schadenspotential der konkurs­ mäßigen Liquidation anwächst4. Kurzformel: Hochkapitalisierte „TechnoStrukturen“ können nicht mehr einfach liquidiert oder einem privaten Vergleich überlassen werden5. Das Umherwandern des rechts vergleichenden Blickes gibt allein keine Antwort auf die Frage, welche dieser insolvenzpolitischen Grundpositio­ nen oder welche nationale Insolvenzgesetzgebung die „richtigere“ oder „bessere“ ist. Überhaupt dürfte nicht nur die Rechts Vergleichung, sondern die rechtswissenschaftliche Betrachtung generell Schwierigkeiten haben, im Gegeneinander der insolvenzpolitischen Überzeugungen einen dauer­ haften Standpunkt zu fixieren; denn gemeinsam ist den beschriebenen Meinungspositionen, daß sie - obwohl oft von Juristen vertreten - Aussa­ gen über die wirtschaftlichen Bedingungen und Folgen des Insolvenzrechts enthalten. Festerer Grund ist deshalb nur zu gewinnen, wenn die wirt­ schaftswissenschaftliche Analyse des Problems im rechtspolitischen Ansatz verarbeitet ist. Der Versuch einer Sammlung und kritischen Nutzung der wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnis soll im folgenden gemacht werden.

B. Wirtschaftswissenschaft I. Allgemeiner Erkenntnisstand Wer bei der Wirtschaftswissenschaft Auskunft über Insolvenz und Unternehmenserhaltung sucht, stößt zunächst auf eine reichhaltige betriebs­ wirtschaftliche Literatur, die sich mit der „Sanierung“ von Unternehmen beschäftigt6. Geboten wird vielfach eine weit durchgearbeitete, allerdings 3 Solche Sicht der Dinge findet anscheinend bei Juristen - Praktikern wie Wissenschaftlern - erheblichen Anklang; siehe Jaeger aaO.; Berges, KTS 1955, 52 £; 1975, 80 £; Preyer, KTS 1966, 90f£; aber auch Henzel, KTS 1959, 102f.; besonders ausführlich Gerhardt, Fest­ schrift Weber 183-189. 4 In diesem Sinne Hanisch, Rechtszuständigkeit der Konkursmasse 264; Weber, KO­ Festschrift 351. 5 So Hanisch aaO. 264. 6 Siehe z. B. die oben S. 2 N. 3 zitierten Werke und: Fürst, Insolvenzen in betriebswirt­ schaftlicher Schau (1962); Rinklin, Die vergleichsfähige und die konkursreife Unternehmung (1960); Deutsch, Sanierung, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, III (3. Aufl. 1960)

von Autor zu Autor variierende Systematik der sanierungsauslösenden Situationen und der Sanierungsmaßnahmen einschließlich der dazugehö­ renden Finanz- und Rechtsoperationen. Manche Werke geben dem Prakti­ ker auch Anleitungen für die Analyse der konkreten Situation und die Auswahl der richtigen Sanierungsbehelfe7. Nicht systematisch behandelt wird jedoch der Nutzen oder Schaden von Sanierungen (oder des Unterlas­ sens einer Sanierung) und ihrer verschiedenen Formen für den weiteren Wirtschaftszusammenhang. Dies erklärt sich ohne weiteres aus dem Erkenntnisziel der Betriebswirtschaftslehre, die ja auf das Funktionieren des einzelnen Unternehmens ausgerichtet ist. Die für die Insolvenzrechtspolitik wichtigen Fragen, die mit den skiz­ zierten Grundpositionen aufgeworfen werden, sind gesamtwirtschaftlicher Art; sie können sinnvoll nur der Volkswirtschaftslehre (Nationalöko­ nomie) gestellt werden. Von deren deskriptivem Zweig erhofft man sich empirisch fundierte Darstellungen der gesamtwirtschaftlichen Folgen ein­ zelner Insolvenzen und ihrer Bereinigung, von ihrem hochentwickelten Theorieapparat eine gesamtwirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung des Insolvenzgeschehens und schließlich von der Theorie der Wirtschafts- und Konjunkturpolitik Anleitungen für gesamtwirtschaftlich vernünftiges Han­ deln in der Gesetzgebung und im rechtlichen Angehen des konkreten Insolvenzfalls. Die Volkswirtschaftslehre gibt indessen auf alle diese Fragen keine Antwort. In den Lehrwerken der Wirtschaftstheorie und der allgemeinen Wirtschaftspolitik kommen die Krisen des einzelnen Unternehmens nicht vor; Insolvenz, Konkurs, Sanierung und Insolvenzpolitik (oder gar Insolvcnzrechtl) sind ihnen kein Thema8. Selbst die Konjunkturtheorie (die dem 4754 fE; SCHMITT/SCHMITT, Rationelle Sanierung (1958); Fleege-Althoff, Die notleidende Unternehmung, I: Krankheitserscheinungen und Krankheitsursachen (1930); H. Emmerich, Die Sanierung (1930); Mannheimer, Die Sanierung (1924). 7 Z. B.

SCHMITT/SCHMITT aaO.

115f.

8 Siehe z. B. beschreibende Werke: Hoffmann, Das Wachstum der deutschen Wirtschaft seit der Mitte des 19. Jahrhunderts (1965); Lampert, Die Wirtschafts- und Sozialordnung der Bundesrepublik Deutschland (5. Aufl. 1976) 99ff, 287ff; wirtschaftstheoretische: Bernholz, Grundlagen der Politischen Ökonomie I (1972) 194ff, II (1975); Eucken, Die Grundlagen der Nationalökonomie (7. Aufl. 1959); Gahlen/Hardes/Rahmeyer/Schmid, Volkswirtschafts­ lehre (1976) 81 ff, 117ff; Häuser, Volkswirtschaftslehre (1967); Henderson/Quandt, Mikroökonomische Theorie (deutsche Übersetzung) (2. Aufl. 1970); Samuelson, Volkswirt­ schaftslehre (deutsche Übersetzung) I und II (5. Aufl. 1972); E. Schneider, Einführung in die Wirtschaftstheorie, I (8. Aufl. 1960), II (6. Aufl. 1960), III (5. Aufl. 1959); H. Schneider, Mikroökonomie (3. Aufl. 1977); Sohmen, Allokationstheorie und Wirtschaftspolitik (1976); Stavenhagen, Geschichte der Wirtschaftstheorie (4. Aufl. 1969) 542ff, 585ff.; Stobbe, Gesamtwirtschaftliche Theorie (1975) 123ff, 379ff; derselbe, Volkswirtschaftslehre

Thema eigentlich am ehesten verbunden sein müßte) scheint Insolvenzen allenfalls als Konjunkturindikator, nicht jedoch als möglichen Gegenstand einer Handlungslehre oder wirtschaftspolitischer Maßnahmen zu begrei­ fen9. Dies alles ist zu würdigen im Lichte der Tatsache, daß die wirtschafts­ politische Literatur andere rechtliche Gestalten und Rahmenbedingungen der Wirtschaft und der Wirtschaftspolitik, wie etwa das Vertragsrecht, das Aktienrecht, das Wettbewerbsrecht, das Stabilitätsgesetz, das Steuer- und Subventionsrecht, in ihre Betrachtungen durchaus aufzunehmen pflegt10. Über die Gründe für dieses Desinteresse der Volkswirtschaftslehre am Insolvenzproblem kann der Jurist nur Vermutungen anstellen. Erklärlich ist es natürlich bei der makroökonomischen Betrachtungsweise (die nur mit Globalgrößen und ganzen Wirtschaftssektoren rechnet), aber nicht ohne weiteres für die mikroökonomische Analyse (die die Vorgänge der Gesamtwirtschaft aus dem Verhalten der einzelnen Wirtschaftsteilnehmer erklärt)11. Es hat den Anschein, daß die ökonomische Theorie in ihrer Konzentration auf das Marktgeschehen prinzipiell von einer unbestimmten Zahl von Marktteilnehmern ausgeht. Zahl und Schicksal der einzelnen auf dem Markt handelnden Unternehmen sind in dieser Perspektive erst dann ein Problem, wenn durch das Verschwinden eines Marktteilnehmers der Markt selbst seine wesentlichen Eigenschaften ändert, etwa zum oligopolitischen oder gar monopolistischen Markt werden könnte. Auch baut die Wirtschaftstheorie ihre Modelle offensichlich auf die Vorstellung von den im Produktions- und Austauschprozeß aktiv Handelnden, während das insolvente Unternehmen sich im Zustand der Ohnmacht befindet und so für (4. Aufl. 1976); Stützel, Volkswirtschaftliche Saldenmechanik (1958); Woll, Volkswirt­ schaftslehre (4. Aufl. 1974); wirtschaftspolitisch-theoretische: Eucken, Grundsätze der Wirt­ schaftspolitik (4. Aufl. 1968); GÄFGEN, Theorie der Wirtschaftspolitik, in: Kompendium der Volkswirtschaftslehre (hrsg. von Ehrlicher u. a.) II (3. Aufl. 1972) 1-9; Giersch, Allgemeine Wirtschaftspolitik, I: Grundlagen (1961); Kirschen, Ziele der praktischen Wirtschaftspolitik, in: Grundlagen der Wirtschaftspolitik (hrsg. von GÄFGEN, 1966) 237 ff.; Tuchtfeldt, Das Instrumentarium der Wirtschaftspolitik - Ein Beitrag zu seiner Systematik, ebda. 260ff.; Seitenzahlen beziehen sich (außer bei den Sammelwerken) auf die Stellen, wo Insolvenz nach dem Zusammenhang am ehesten hätte behandelt sein können. 9 Siehe z.B. Schmölders, Konjunkturen und Krisen (1955); Stavenhagen (N. 8) 542f.; von Arnim, Volks Wirtschaftspolitik (1974) 140 ff.; Teichmann, Grundriß der Konjunkturpo­ litik (2. Aufl. 1978). 10 Siehe z.B. Bernholz; Eucken, Wirtschaftspolitik 254ff.; Giersch (alle N. 8); von Arnim (N. 9) 83 ff, 140ff, 181 ff Für das Vertragsrecht speziell Tietz, in: Sozialwissenschaf­ ten im Studium des Rechts, I: Zivil- und Wirtschaftsrecht (hrsg. von Horn und Tietz, 1977) 22ff. 11 Über den Unterschied zwischen Makro- und Mikroökonomie z. B. Fossati, Handwör­ terbuch der Sozialwissenschaften, VII (1961) 329 ff; für den Nicht-Ökonomen besonders klar Häuser (N. 8) 205 f.

das weitere Geschehen vorerst zum Objekt wirtschaftlicher, sozialer und politischer Interessen geworden ist. Die Wirtschaftswissenschaft müßte vermutlich eine Theorie des Kapitalgeber-, Arbeitnehmer- und Staatshan­ delns entwickeln, um dieser Situation gerecht zu werden. Das Desinteresse der Volkswirtschaftslehre kann weiter daran liegen, daß die Wirtschafts­ wissenschaft ihren Blick traditionell auf vorbedachte Wohlfahrtsmaximie­ rung richtet, während bei der Alternative zwischen Liquidation und Sanie­ rung die nachträgliche Verlustminimierung im Vordergrund steht. Nicht auszuschließen ist endlich, daß die Wirtschaftswissenschaft, insbesondere die Konjunkturtheorie und die Theorie der Konjunkturpolitik, so stark noch unter dem Einfluß des makroökonomisch denkenden Keynes steht, daß für mikroökonomische Modelle und Rezepte der Krisenbehandlung geistig bisher kein Platz war. Die hier geäußerten Vermutungen kommen dem Nicht-Ökonomen wie von selbst, wenn er seinen aufmerksamen Gang durch die wirtschaftswis­ senschaftlichen Lehrwerke beendet hat. Es entsteht der Eindruck, daß die Außerachtlassung des Insolvenzproblems nicht eine zufällige Forschungs­ lücke ist, sondern auf grundsätzlicheren Annahmen und Ausrichtungen der ökonomischen Theorie beruht. Deshalb ist wohl auch nicht zu erwarten, daß zur Schließung der Lücke in naher Zukunft genug an wirtschaftswis­ senschaftlicher Erkenntnis produziert werden könnte12. Für die Rechtspolitik macht dieser Erkundungsgang durch die Wirt­ schaftswissenschaft zunächst so viel klar, daß keine der zu Anfang beschrie­ benen Ausgangspositionen eine Stütze in allgemein anerkannter und ver­ breiteter wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnis findet oder alsbald fin­ den könnte. Es handelt sich vielmehr um „Alltagstheorien“ - auf individu­ elle Allgemeinbildung und Erfahrung gestützte Erklärungsthesen, die wis­ senschaftlich nicht gesichert, aber auch nicht widerlegt sind.

II. Ausscheidungsfunktion des Konkurses Die These von der erwünschten Ausscheidungsfunktion des Konkurses kann sich allerdings vordergründig bestätigt fühlen durch manche bekann12 Inzwischen - 1981 - ist jedoch ein wichtiger Anfang gemacht durch drei (teils monogra­ phische) Arbeiten, die alle von der Finanzierungstheorie ihren Ausgang nehmen: DRUkarczyk, Finanzierungstheorie (1980) 258-295; R. H. Schmidt, ökonomische Analyse des Insolvenzrechts (1980) 156 S.; Steiner, Ertragskraftorientierter Unternehmenskredit und Insolvenzrisiko (1980), bes. S. 101-200. Außerdem - mehr von der betriebswirtschaftlichen Seite her - Rohde, Auslese durch Insolvenzen (1979). Auf die Ergebnisse dieser Arbeiten wird im weiteren Verlauf noch verwiesen.

ten Wirtschaftswissenschaftler, die dem Konkurs in allgemeineren Betrachtungen positive Eigenschaften zuschreiben. In Deutschland zitiert man dafür häufig Wilhelm Röpke und Joseph A. Schumpeter13. Röpke benutzt das Bild des Konkurses, um mit ihm den Mechanismus des Rentabilitätsprinzips in der Marktwirtschaft zu kennzeichnen. Er schreibt: „Die Herrschaft der Rentabilität bewirkt, daß ein Unternehmer, der sich einfugt, vom Markte belohnt, und ein Unternehmer, der sich nicht einfügt, vom Markte bestraft wird. Die Belohnung ist ebenso hoch, wie die Bestrafung hart ist, aber gerade dadurch wird eine besonders wirksame Auslese der Leiter des Produktionsprozesses bewirkt. Da nun wahr­ scheinlich die Furcht vor Verlust immer größer ist als das Streben nach Gewinn, kann man sagen, daß unser Wirtschaftssystem letzen Endes durch den Konkurs reguliert wird.“14

Für Schumpeter15 ist der Untergang der unrentablen Unternehmen eine Zwischenphase des gesamtwirtschaftlichen Entwicklungsprozesses. Wirt­ schaftliche Entwicklung (im Sinne einer markanten Weiterentwicklung, also eines Entwicklungssprunges) findet statt, wenn ein Unternehmer eine neue Kombination von Produktionsfaktoren durchsetzen will, für die er den „alten“ Unternehmen einen Teil der in der Wirtschaft vorhandenen Mittel streitig machen muß. Die andersartige Verwendung des Mittelvor­ rats, das heißt: das „Niederkonkurrieren“ und die „Deklassierung“ der alten Unternehmen durch die aufstrebenden neuen sind notwendige Erscheinungsform der wirtschaftlichen Entwicklung; Auftrieb und Deklassierung sind für die Entwicklung wichtiger als die Existenz relativ konstanter Besitzpositionen. Die Verluste der Depression sind wesentliche Elemente der wirtschaftlichen Entwicklung, die man nicht, ohne diese zu lähmen, eliminieren kann. Auf die ultima ratio der völligen Vernichtung der hoffnungslos unangepaßten Existenzen kann die private Unterneh­ menswirtschaft daher nicht verzichten16. * Was hier, in verkürzter Form und mit Schlag Worten dargestellt, wie Lob und Preis des Konkurses erscheint, ist indessen von beiden Autoren so nicht gemeint gewesen. Beide machen - erstens - ausdrücklich die Ein­ schränkung, daß das von ihnen gezeichnete Bild nur einem System völlig freier Konkurrenz zwischen persönlich haftenden Einzelunternehmern ent­ 13 Außerdem häufig Sombart, Der moderne Kapitalismus, III: Das Wirtschaftsleben im Zeitalter des Hochkapitalismus (Neudruck 1955) 584£; seine Ausführungen über das Aus­ scheiden des „Morschen, Faulen, Schwächlichen“ beruhen aber nicht auf eindringender wissenschaftlicher Analyse, sondern sind eher ein Kolossalgemälde von Aufstieg und Nieder­ gang; sie brauchen deshalb als wissenschafiliche These nicht diskutiert zu werden. 14 Röpke, Die Lehre von der Wirtschaft (9. Aufl. 1961) 301. 15 - in seiner berühmten „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ (5. Aufl. 1952). 16 Schumpeter 101 ff., 353ff.

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spricht. Dieses System gibt es - so wohl Röpke - nur im vorbildhaften theoretischen Modell oder gab es - so wohl Schumpeter - vielleicht in der Vergangenheit, es existiert aber nicht in unserer wirtschaftlichen Gegen­ wart; diese ist vielmehr weithin geprägt durch finanzkräftige Kapitalgesell­ schaften und - auf bedeutenden Teilmärkten - durch Monopole, Oligopole und Marktmacht von Großunternehmen und durch staatliche Steuerung, Stützung und Subventionierung17. Keiner der beiden Autoren stellt zweitens - den Konkurs so dar, als ob er allein die Anpassung der Unternehmen an das Gesetz des Marktes oder der Entwicklung herbeifuh­ ren könnte - wie sie überhaupt zu der Frage: Konkurs oder Sanierung, keine Aussage machen. Vielmehr erscheint der Konkurs bei beiden nur als ultima ratio, wenn die Anpassung an den Markt (Röpke) oder an die Entwicklung (Schumpeter) nicht auf andere Weise (Unternehmensumstel­ lung, „stille“ Liquidation, Übernahme durch andere Unternehmen oder ähnliches) eintritt. Schumpeter fugt dem hinzu, daß die konkursvermeidende Unternehmensanpassung außerdem legitim sein kann wegen der Arbeitnehmer, „die mit Verursachung und Sinn des Zyklus nichts zu tun haben“18. In den Konzepten dieser Autoren hat deshalb auch diejenige Form der Anpassung Platz, die durch Sanierung bewirkt wird. Die Markt- und Entwicklungstheoretiker der Wirtschaftswissenschaft lassen sich als Kronzeugen der Ausscheidungstheorie demnach nicht ver­ wenden. Die These könnte zudem, wenn sie mit dem Anspruch eines rechtspolitischen Leitgedankens vorgebracht würde, einer unbefangenen realistischen Betrachtung nicht standhalten. Es ist eine oft beobachtete Tatsache, daß alte und große Unternehmen „konkursfester“ sind als junge und kleinere, ohne daß ihre relative Leistungsfähigkeit und Rentabilität größer sein müßte; die schiere Größe und die Ansammlung finanzieller und struktureller Polster in einem langen Unternehmensleben vermindern die Anfälligkeit gegenüber erzwungener Liquidation in Phasen des Mißer­ folgs19. Wo Großunternehmen Marktteilnehmer sind, ist der Konkurs also am wenigsten geeignet, die untüchtigsten Unternehmen, also in wirt­ schaftswissenschaftlicher Kennzeichnung: die mit den höchsten Grenzko­ sten, als erste zu eliminieren. Und selbst wenn die größere Sterblichkeit der jüngeren Unternehmen deren geringere ökonomische Effizienz verläßlich 17 Röpke 302f.; Schumpeter 356 f. 18 Schumpeter 366. 19 Darauf wies schon Schumpeter hin, 353 £: „Das Gesicherte, nicht das an sich Vollkom­ menste, hat die beste Aussicht, die Krise zu überleben.“ Aus der deutschen Statistik zuletzt z. B. Doehring, KTS 1977, 254. Siehe auch die Hinweise auf deutsche und amerikanische Untersuchungen bei Uhlenbruck, Abschreibungsgesellschaften 58, und jetzt die Analyse bei Rohde (oben N. 12) 108ff., 129ff.

anzeigen sollte, ist damit nicht gesagt, daß der von ihnen geräumte Platz im Markt ohne weiteres den verbleibenden „gesunden“ Unternehmen zufallen müßte. Im System des prinzipiell freien Marktzugangs kann der geräumte Platz ebenso von Neuankömmlingen besetzt werden, für die - weil mei­ stens kleiner und jünger als die Etablierten - die gleiche Ineffizienz Wahr­ scheinlichkeit gelten würde: der Wohlfahrtsgewinn durch das Ausscheiden des einen wäre durch den Hinzutritt des Neuen hinfällig geworden20. Es ist außerdem bekannt, daß die Ursachen der Zahlungsunfähigkeit äußerst vielfältig sein können und durchaus nicht alle eine fehlende Wirt­ schaftlichkeit des Unternehmens spiegeln müssen21. Und bei solchen Schwächeursachen, die dem Unternehmen selbst zuzurechnen sind, kann die „Auslese“ in der Beseitigung eben dieser Ursachen statt in der Vernich­ tung des ganzen Unternehmens bestehen22: Eine unfähige Unternehmens­ leitung kann ersetzt werden, Produktion, Beschaffung und Absatz können umgestellt werden, eine ungünstige Finanzstruktur kann reorganisiert werden. Stattdessen bei jedem Schwächeanfall eines Unternehmens, der sich in mangelnder Zahlungsfähigkeit äußert, nach der Ausscheidungsthese zu verfahren, hieße, wo sorgsame Untersuchung und Behandlung eines individuellen wirtschaftlichen Leidens gefragt ist, grundsätzlich die Hin­ richtung anzuordnen. Solch standrechtliches Exekutionsdenken ist auch aus ökonomischer Sicht um so weniger angebracht, je größer und kompli­ zierter der zu behandelnde Unternehmenszusammenhang sich darstellt23. Letztlich verbindet sich mit der Ausscheidungsthese und ihren darwini­ stischen Untertönen die naive Vorstellung, man könne durch die Liquida­ tion des erfolglosen Unternehmens den Wirtschaftsorganismus von einer belastenden, unter Umständen gar „toxischen“ Substanz „befreien“ und so alle Probleme, die sich aus dem Vorhandensein dieses Unternehmens ergeben, ohne Rückstände verschwinden lassen. Dieses Bild fuhrt für die Wahl zwischen Liquidation und Sanierung am eigentlichen Problem vor­ 20 Das wird in einer amerikanischen Studie besonders deutlich auseinandergelegt: SAMLI, U. Wash. Bus. Rev. 23 (1964) 56ff. 21 Z.B. bei unvorhersehbaren Verlustfaktoren wie Mißernte, Streik, Ausfall eines großen Schuldners, etc.; siehe darüber die oben N. 6 zitierten Werke. Nachweise über Erforschung der Insolvenzursachen auch bei Siedschlag 152ff. Ausführlich jetzt auch Steiner (oben N. 12) 105 ff. mit Nachweisen über einschlägige Untersuchungen und Rohde (N. 12). 22 Dies hat schon Bley, der führende Kommentator der Vergleichsordnung, 1927 hervor­ gehoben: ZZP 52 (1927) 113 N. 3. 23 Gegen die Ausscheidungsthese auch K. Schmidt, KO-Festschrift 248; Stüdemann, KO­ Festschrift 439. Sehr deutlich auch R. H. Schmidt (oben N. 12): Vergangene Verluste sind kein sinnvoller Indikator dafür, ob eine Zerschlagung gesellschaftlich besser als eine Fortfüh­ rung wäre (S. 29). Die Auslesetheorie ist „das markanteste Beispiel für eine in rechtliche Diskussionen hineingetragene ökonomische Ideologie“ (S. 86 N. 1).

bei. Denn soweit Vermögensgegenstände des Unternehmens nach der Liquidation überhaupt einer anderen Verwendung zugeführt werden, blei­ ben sie der Gesamtwirtschaft erhalten; was sich ändert, ist nur der organi­ satorische Zusammenhang, in den sie eingefugt sind, und - je nach dem erzielten Liquidations-Veräußerungserlös - der Wertansatz, mit dem sie in der Wirtschaftsrechnung aufgeführt werden. Nicht anders ist es mit der in dem Unternehmen tätigen Arbeitskraft. Daß sie als Produktionsfaktor erhalten bleibt, ist evident, soweit sie alsbald in einem anderen Unternehmen Beschäftigung findet. Das gleiche muß aber für den Teil der menschlichen Arbeitskraft gelten, der für längere Zeit nicht anderweitig beschäftigt werden kann. Denn die Ausscheidungstheorie postuliert gewiß nicht, daß Arbeitskräfte um der ökonomischen Effizienz willen unter Umständen für immer vom Wirtschaftsgeschehen ausge­ schlossen werden müssen, sondern behauptet im Gegenteil, daß durch beherzte Zwangsliquidationen die ökonomisch nützliche Verwendung der menschlichen Arbeitskraft langfristig am besten sichergestellt werden kann. Die Liquidation notleidend gewordener Unternehmen führt also auch in der Sicht der Ausscheidungstheorie am Ende nur dazu, daß die in dem Unternehmen kombinierten Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit an anderer Stelle und in Kombination mit anderen dieser Produktionsfak­ toren wiederverwendet werden24. Die Konkursliquidation bewirkt demnach gesamtwirtschaftlich nicht wirklich „Ausscheidung“ ökonomisch unnützer oder schädlicher Substanz, sondern nur eine Umordnung der in der Volkswirtschaft vorhandenen Mittel. Beseitigt wird mit dem insolventen Unternehmen nicht Substanz, sondern Organisation, nämlich die spezifische Kombination, in der in dem Unternehmen die Faktoren Kapital und Arbeit nach Art und Menge zusammengebracht waren. Der Unterschied zwischen konkursmäßiger Liquidation und Sanierung erweist sich demnach lediglich als einer des Maßes und der Form, denn auch die Sanierung bedeutet ja, soll sie Erfolg haben, daß die im Unterneh­ men versammelten sachlichen, personellen und finanziellen Mittel umor­ ganisiert und den äußeren Verhältnissen angepaßt werden müssen. In der Sanierung geschieht diese Umordnung im Rahmen und durch Änderung der vorhandenen Unternehmensorganisation, während die Konkursliqui­ dation sie durch völlige Auflösung der alten Unternehmensorganisation zu 24 Ausführlichere Überlegungen zur Ausscheidung und Wiederverwendung von Produk­ tionsfaktoren bei Daniel, Ausscheidungsprozesse in der Marktwirtschaft und ihre Lenkung durch die Rechtsordnung (Diss. Bonn 1958), bes. 15f., 34ff. Jetzt auch Rohde (oben N. 12) 87ff., bes. hinsichtlich der Arbeitskräfte.

erreichen versucht. Die Ausscheidungstheorie müßte dartun können, daß die gesamtwirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung der Umordnung von Produktionsfaktoren, die durch Insolvenz erzwungen wird, günstiger aus­ fällt, wenn das alte Organisationsgebäude abgerissen und die in ihm vereinten Produktionskräfte auf die Straße gesetzt werden, als wenn das vorhandene Gehäuse so umgebaut wird, daß die alten Produktionskräfte umquartiert und neue aufgenommen werden können. Modelle und Rech­ nungen mit dieser Tendenz sind in der Wirtschaftswissenschaft bisher selbst ansatzweise nicht aufgestellt worden25.

III. Schadenswirkung des Konkurses Die andere Betrachtungsweise, die vor allem das Schadenspotential der konkursmäßigen Liquidation ins Auge faßt, hat der Auslesetheorie auf den ersten Blick voraus, daß sie sich auf die Statistik der Konkursergebnisse stützen kann sowie auf einzelne volkswirtschaftliche Untersuchungen, die speziell den Schadensfolgen des Konkurses nachgegangen sind. Bei nähe­ rem Hinsehen zeigt sich jedoch, daß aus diesen Daten und Studien für die Wahl zwischen Konkurs und Sanierung keine Anhaltspunkte zu gewinnen sind. Die Statistik der Konkursergebnisse (also der Konkursquoten26) wird oft gedacht als Statistik der gesamtwirtschaftlichen „KonkursVerluste“, und diese Verluste werden mehr oder weniger direkt dem geltenden Insolvenz­ recht, insbesondere dem Konkurs zur Last gelegt27. Hierin dürfte indessen ein mehrfacher Trugschluß liegen. Zum einen sagen die Liquidationserlöse nicht notwendig etwas aus über den gesamtwirtschaftlichen Wert der dabei veräußerten Gegenstände. Selbst unverkäufliches Gut (z.B. hochspeziali­ sierte oder völlig veraltete Industrieausrüstung) hat einen gewissen Wert, 25 Daß ein Sanierungs verfahren als solches keine nachteiligen Wirkungen auf den Marktme­ chanismus hat, wird quasi „amtlich“ bestätigt durch die Antitrust-Abteilung des amerikani­ schen Justizministeriums; diese sieht im Reorganisationsverfahren (früher nach Kap. X, heute nach Kap. 11) überhaupt kein Problem für ihren Aufgabenbereich. Entscheidend sei nur, daß alle Beteiligten aufgrund vollständiger Information handelten und z.B. auch staatliche Finanzhilfen in diesem Zusammenhang offengelegt würden; so der damalige Leiter der Abteilung, John H. SHENEFIELD, auf einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung in Ham­ burg am 9. 12. 1977. 26 Über die Bundesrepublik siehe oben S. 24; für die Vereinigten Staaten z. B. wiedergege­ ben bei Stanley/Girth 129 f.; Drobnig, 51. DJT (1976) I F 26. 27 Siehe z.B. Jaeger, Lehrbuch 216 und (ganz naiv) ZZP 48 (1920) 140f.; Henzel, KTS 1959, 102; Siedschlag 149 ff; Drobnig (N. 26) F 27; Arnold, DRpfl. 1977, 388, 390; Sturm, Süddeutsche Zeitung vom 24. 10. 1975, S. 25; Jaspert, Die Welt vom 6. 1. 1975 („Dämme für die Pleitenfront“).

solange es noch benutzbar ist; nachdem es einmal unter Aufwand von Kapital hergestellt und angeschafft, dann aber auf Null abgeschrieben worden ist, hat es einen gesamtwirtschaftlichen Wert schon dann, wenn die Erträge seiner weiteren Nutzung wenigstens höher sind als der für die Nutzung erforderliche Aufwand28. Die Ausfälle, zum anderen, welche die Gläubiger im Konkurs erleiden, sind nur zum geringsten Teil durch das Konkursverfahren verursacht. In Wirklichkeit offenbart sich in ihnen nur der Wertverlust, den die Gläubiger an ihren Forderungen bereits vor der Eröffnung des Verfahrens erlitten hatten, und dieser Wertverlust ist wiederum nur das Spiegelbild der Tatsache, daß den Forderungen der Gläubiger wegen des wirtschaftlichen Zusammenbruchs des Schuldners keine ausreichende Haftungsmasse beim Schuldner mehr zur Verfügung stand. Die Wertminderung einer größten­ teils uneinbringlichen Forderung ist ganz die gleiche - ob sie sich offenbart als Ausfall im Konkurs, in der Einzelzwangsvollstreckung, im Vergleich oder im schlicht resignierenden Abschreiben der Forderung in den Büchern des Gläubigers. Mit anderen Worten: Die Verluste der Gläubiger sind im wesentlichen der Ursachenseite, nicht den Folgen des Insolvenzverfahrens zuzurechnen. Aus ihrer Existenz an sich und allein lassen sich keine Argumente für oder gegen die zwangsmäßige Liquidation des schuldneri­ schen Unternehmens herleiten29. Bezweifelt werden muß schließlich, ob bei den Konkursausfällen über­ haupt von gesamtwirtschaftlichen Verlusten gesprochen werden kann. Denn die finanziellen Mittel, die den Gläubigern und anderen Kapitalge­ bern in Höhe ihres Ausfalls entgehen, sind über das Unternehmen an andere Teilnehmer des Wirtschaftsprozesses geflossen (z.B. Lieferanten, Arbeitnehmer, Aktionäre und fernere Empfänger), die an der durch Kredit gestützten Existenz des Unternehmens „verdient“ haben. Gesamtwirt­ schaftlich haben wir es also nicht mit Verlust, sondern nur mit einer Verlagerung wirtschaftlicher Mittel zu tun. Diese muß ökonomisch gesehen nicht unbedingt deshalb „falsch“ sein, weil die rechtlichen Ansprüche der Gläubiger und anderer Kapitalgeber auf diese Mittel durch die Insolvenz enttäuscht werden. Denn das Vertrags- und Haftungsrecht sagt uns im Einzelfall nichts darüber, ob bestimmte Mittel im Hinblick auf das gesamt­ wirtschaftliche Optimum an diese oder an jene Stelle gehören. Diese Überlegungen werden mittelbar bestätigt durch die vorliegenden 28 Darauf wird in der wirtschaftstheoretischen Literatur öfters hingewiesen; siehe Buchanan (unten N. 40) 333 f.; Harrod, Economica 1 (1934) 289. 29 So auch wohltuend deutlich Arnold, DRpfl. 1977, 387 f.

volkswirtschaftlichen Untersuchungen der Schadensseite des Konkursver­ fahrens30. Sie laufen darauf hinaus, daß nicht der Konkursausfall als solcher volks wirtschaftlich bedenklich ist, sondern die Modalitäten des Verfah­ rens, die oft zu einer unnötigen Erhöhung der Konkursverluste fuhren31. Andererseits beschäftigen sich diese Studien nicht mit dem Nutzen und den Kosten einer dauerhaften Erhaltung des Unternehmens. Vielmehr spezifi­ zieren sie die volkswirtschaftlichen „Zusatzkosten“ des Konkurses und gründen darauf Vorschläge für einen wirtschaftlicheren, also weniger verlustbringenden Ablauf des Verfahrens32. Entsprechende Zusatzkosten können aber auch durch unzweckmäßige Gestaltung eines Sanierungsver­ fahrens verursacht werden. Hierüber und über den eigentlichen volkswirt­ schaftlichen Sinn oder Unsinn der Erhaltung eines insolvent gewordenen Unternehmens machen auch diese Arbeiten keine Aussagen33. 34

IV. Eine amerikanische Analyse Das wirtschaftswissenschaftliche „Unentschieden“, das sich für unsere Frage aus der Sichtung vor allem der deutschen Literatur ergeben hat, wird auf den ersten Blick bestätigt durch die amerikanische Wirtschaftswissen­ schaft. Die alternativen Grundpositionen werden dort nicht anders gesehen als in der deutschen Diskussion (oben S. 172f.)34. Mit Insolvenzursachen und Sanierungsmaßnahmen beschäftigen sich eingehend (vorwiegend unter den Stichworten „readjustment“ und „reorganization") die Autoren, die - der deutschen Betriebswirtschaftslehre vergleichbar - über Organisa­ tion und Finanzierung der Kapitalgesellschaften schreiben35. Seit den sech­ ziger Jahren ist hinzugetreten die „Finanzanalyse“ (financial analysis), die anhand von Bilanzzahlen, Börsenkursen, Statistiken und anderen Kennzif­ fern die Prognose von Insolvenzen methodisch zu entwickeln versucht vorwiegend mit dem Ziel, optimale Wertpapieranlage-Entscheidungen zu 30 Im deutschen Sprachraum sind dies: von Schullern-Schrattenhofen, Die Gesetzge­ bung über den Gläubiger-Concurs vom Standpunkt der Volkswirtschaft, in: Zeitschrift für Volkswirtschaft, Socialpolitik und Verwaltung (Wien) 1 (1892) 420-471; Stemmer, Konkurs und Wirtschaft - Eine kritische Untersuchung des Vollstreckungsrechts vom ökonomischen Standpunkt (Basel 1952). 31 von Schullern-Schrattenhofen aaO. 424ff; Stemmer aaO. 102-132. 32 von Schullern-Schrattenhofen aaO. 451 ff.; Stemmer aaO. 115ff. 33 Insofern unergiebig auch zwei neue amerikanische Untersuchungen, die von DRUkarczyk (oben N. 12) 272ff. zitiert werden. 34 Siehe z. B. Samli (oben N. 20) 54-56; Altman, Corporate Bankruptcy 1 f. 35 Repräsentative Beispiele: Dewing (1953) 1175 ff; Guthmann/Dougall, Corporate Financial Policy (3. Aufl. 1955) 644 ff.

ermöglichen36. Für die eigentliche Volkswirtschaftslehre dagegen („Econo­ mics“ im englischen und amerikanischen Sprachgebrauch) ist bis in die jüngste Zeit zum Insolvenzthema verbreitetes Schweigen zu notieren37. Es gibt aus neuerer Zeit offenbar nur eine (etwas abgelegen veröffentlichte) Untersuchung, die dem gesamtökonomischen Kosten-Nutzen-Saldo von Insolvenzen mit Hilfe gewisser statistischer Daten nachzugehen versucht38. Das Ergebnis ist jedoch ein schwaches Einerseits-Andererseits; es endet mit der trivialen Vermutung, daß die Insolvenz in Zeiten der allgemeinen Hochkonjunktur wahrscheinlich eher ökonomische Ineffizienz anzeigt als in der Depression39. Die amerikanische Diskussion verfugt jedoch über eine Studie, in der die Alternative von Liquidation und Sanierung mit wirtschaftstheoretischem Rüstzeug exakt abgehandelt wird. Sie ist Teil eines vor gut vierzig Jahren geschriebenen Lehrbuches, in dem versucht wird, das grenzanalytische Nutzen- und Allokationsdenken der Wirtschaftstheorie für die Unterneh­ menslehre fruchtbar zu machen40. Die Studie fuhrt einen bedeutenden Schritt hinaus über die Einsichten, die in der deutschen juristischen und ökonomischen Diskussion der Sanierungsproblematik verwendet wurden. Da sie außerhalb der Vereinigten Staaten nicht bekannt ist und speziell dem Juristen die angewandte wirtschaftstheoretische Betrachtungsweise nicht ohne weiteres vertraut ist, soll sie im folgenden mit einfachem Strich nachgezeichnet und dann kritisch gewürdigt werden. 36 Die Beschäftigung mit dieser Seite des Konkursproblems wurde anscheinend maßgebend eingeleitet durch Beaver, Financial Ratios as Predictors of Failure, in: Empirical Research in Accounting (Selected Studies, 1966) (1967) 71-111 = Journal of Accounting Research 4 (1966) 71 ff. Zusammenfassend über die weitere Entwicklung: Altman, Corporate Bankruptcy 57 ff, 83 ff, 125 ff Hinweise auf entsprechende Untersuchungen in Deutschland und anderen Ländern bei Uhlenbruck, Abschreibungsgesellschaften 53-58; jetzt auch bei Mentzel/ Kuhn/Uhlenbruck, KO Vorbem. 4; Steiner (oben N. 12) 153 ff. 37 So ausdrücklich Cole, Bus. Hist. Rev. 35 (1961) 77; Altman, Corporate Bankruptcy 1; Weston, L. Cont. Pr. 41 (1977) 62; Professor Richard A. Posner, Chicago, führender Vertreter der „Economic Analysis of Law“, in einem Brief vom 7. 4. 1977 an den Autor (über Posner und seine „Schule“ siehe Koch, RabelsZ 40 (1976) 181 ff.; Horn, AcP 176 (1976) 307ff.; Assmann/Kirchner/Schanze (Hrsg.), ökonomische Analyse des Rechts (1978) 386 S.). 38 Samli, The Role of Business Failures in the Economy, in: U. Wash. Bus. Rev. 23 (1964) 53-63. 39 aaO. 63. Hinzugekommen ist seitdem ein wissenschaftliches Symposium über „The Economics of Bankruptcy Reform“ im Frühjahr 1977, dessen Ergebnisse (Beiträge und Diskussion) abgedruckt sind in: Law and Contemporary Problems, Bd. 41 (1977) Nr. 4 (tatsächlich erschienen Mitte 1978). Die Resultate blieben für die hier erörterte Problematik unergiebig. 40 N. S. Buchanan, The Economics of Corporate Enterprise (1940; Ausgabe 1950).

1. Darstellung41 Ob ein insolvent gewordenes Unternehmen erhalten (reorganisiert) oder aufgelöst (liquidiert) werden soll, beantwortet ein Vergleich des Wertes, den das gegenwärtige Unternehmensvermögen hat, wenn das Unterneh­ men reorganisiert wird und Weiterarbeiten kann (Reorganisationswert = R), mit dem anderen Wert, den das Unternehmensvermögen hat, wenn das Unternehmen liquidiert, also sein Vermögen veräußert wird (Liquida­ tionswert = L). Wenn R größer ist als L, sollte das Unternehmen reorgani­ siert, wenn nicht, liquidiert werden. Der Liquidationswert ist gleich dem zu erzielenden Veräußerungserlös der Vermögensbestandteile. Der Erlös wird wesentlich bestimmt : (a) von dem Spezialisierungsgrad der Unternehmensausrüstung, das heißt: inwie­ weit die Vermögensgegenstände anderen Benutzungsarten und anderen Benutzern zugeführt werden können; (b) von dem Maße, in dem die Brauchbarkeit einzelner Gegenstände abhängig oder unabhängig ist von ihrer organisatorischen Verbindung mit anderen Gegenständen im bisheri­ gen Unternehmenszusammenhang42; (c) von der Art und Weise der Liqui­ dation: ob schnell oder allmählich, ob Verkauf in größeren oder kleineren Teilen; (d) von den Kosten der Liquidation, also von den Arbeits- und Materialkosten für die physische Auflösung des Unternehmensvermögens sowie von den Kosten der notwendigen rechtlichen und kommerziellen Prozeduren. Für die Berechnung des Liquidationswerts ist von einer Art und Weise der Auflösung auszugehen, welche die nach den Umständen höchstmöglichen Veräußerungserlöse erzielt - also, wenn möglich, auch durch eine preisgünstige Veräußerung ganzer Anlagen oder Betriebe - und die geringstmöglichen Kosten verursacht43. Der Reorganisationswert, andererseits, ist zu berechnen aus dem Ertrags wert des Unternehmens (E), der in der üblichen Weise durch Kapitalisierung der erwarteten Erträge festgestellt wird44. In aller Regel benötigt das Unternehmen für die Weiterexistenz nicht nur eine Neuord­ nung seiner Schulden- und Beteiligungsstruktur, sondern neues Kapital manchmal nur für den laufenden Betrieb, häufiger aber für Ersatz-, 41 Buchanan 371-378. 42 - was in der deutschen insolvenzrechtlichen Erörterung oft als „Verbundwert“ bezeich­ net wird. 43 Nach Buchanan ist in jedem konkreten Fall die möglichst genaue Bestimmung des Liquidationswerts in diesem Sinne eine Vorbedingung für die vernünftige Entscheidung zwischen Erhaltung und Liquidation des Unternehmens. Die Ungenauigkeitsmarge schätzt er für die meisten Fälle auf nicht mehr als 10%; aaO. 373 f. 44 Darüber oben S. 110 ff.

Erneuerungs- oder Erweiterungsinvestitionen. Den Reorganisationswert des im Zeitpunkt der Insolvenz schon vorhandenen Unternehmensvermö ­ gens erhält man daher erst, wenn man von dem erwarteten Ertragswert des reorganisierten ganzen Unternehmens den zusätzlichen Kapitalbetrag (K), der für die Reorganisation erforderlich ist, abzieht (R = E - K)45. Gleichzei­ tig wird aber gerade die Höhe der künftigen Erträge, und damit des Ertrags wertes, auch davon abhängen, wieviel Kapital in das Unternehmen neu investiert wird. Es gilt also, die Höhe des erforderlichen neuen Kapitals festzustellen. Der Einsatz neuen Kapitals zur Reorganisation (= Sanierung) eines Unternehmens ist im Prinzip eine Investition wie jede andere und kann deshalb volkswirtschaftlich nach den allgemeinen Regeln optimaler Fakto­ ren-Allokation beurteilt werden46. Er ist daher, einerseits, gesamtökono­ misch „nützlich“ nur, wenn die zu erwartenden Unternehmenserträge eine Kapitalverzinsung ergeben, die mindestens ebenso hoch, besser noch: höher ist als bei jeder anderen Anlage mit vergleichbarem Wagnisgehalt, die dem Kapitalgeber in diesem Zeitpunkt möglich wäre. Andererseits gilt auch hier das Gesetz des abnehmenden Grenzertrags, wonach der zusätzli­ che Ertrag, der durch die Steigerung einer Investition zu erzielen ist (Gren­ zertrag), bei jeder weiteren Steigerung geringer ausfällt, schließlich sogar unter den Steigerungsbetrag selbst absinkt47. Aus diesen Grundregeln der Wirtschaftswissenschaft ergibt sich die optimale Bemessung der Investition, also der Kapitalbetrag, der - nicht mehr und nicht weniger - bei nutzenmaximierender Betrachtung in dem Unternehmen eingesetzt werden sollte (wenn es überhaupt Ertragsaussich­ ten hat): Optimal bemessen ist die Investition, deren Grenzertrag gleich hoch ist wie der bei alternativer Anlage erzielbare Zins. Um den Betrag dieser Investition ist also der mit ihr erzielbare Gesamtertragswert des Unternehmens zu kürzen, wenn man denjenigen Teil des Ertragswerts ermitteln will, der auf die bisher vorhandene Unternehmensausrüstung entfällt, das heißt: den Reorganisationswert, der mit dem Liquidationswert verglichen werden muß. Ist der Reorganisationswert größer als der Liqui­ 45 Die Größen der Rechnung sind hier nach der deutschen Sprache abgekürzt bezeichnet. 46 Zum Allokationsdenken siehe z. B. Sohmen (oben N. 8). Zu den Bestimmungsgründen für Investitions-Entscheidungen z. B. Hax, Handbuch der Wirtschaftswissenschaften, I (1966) 404f. 47 Leicht verständliche Erklärungen des Grenzertragsgesetzes geben z. B. J. H. Müller, Marginalanalyse, in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, VII (1961) 121 ff, 124f.; Brockhaus Enzyklopädie (17. Aufl.) V (1968), Stichwort „Ertragsgesetz“; Samuelson, Eco­ nomics (International Student Edition, 9. Aufl. 1973) 24-27; Röpke (N. 14) 182 f.

dationswert, dann ist die Erhaltung, ist er es nicht, dann ist die Auflösung des Unternehmens die ökonomisch sinnvolle Lösung.

2. Würdigung Die eben skizzierte Studie des Sanierungsproblems ist von der übrigen amerikanischen Wirtschaftswissenschaft, soweit ersichtlich, nicht aus­ drücklich diskutiert worden. Das dürfte aber mit dem generellen Desinter­ esse der Wirtschaftstheorie gegenüber dem Insolvenzphänomen zu erklären sein. Wenn ein Autor überhaupt Aufmerksamkeit auf das Thema wendet, wird die Buchanansche Analyse offenbar ohne weiteres zum Bestand der einschlägigen wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisse gerechnet48. Aus­ giebig herangezogen wird sie überdies in der juristischen Literatur, die sich mit dem Reorganisationsverfahren beschäftigt49. Man wird also annehmen dürfen, daß sie repräsentiert, was die Wirtschaftswissenschaft an Durch­ dringung des Problems heute leisten kann50. Gegenüber allem, was zum Sanierungsproblem sonst gedacht worden ist, ist die vorgeführte grenz- und allokationstheoretische Betrachtung ein Fortschritt. Denn sie bringt das Problem mit Basislehrsätzen der Volks­ wirtschaftslehre in Verbindung und macht es so dem hochentwickelten analytischen Werkzeug der Wirtschaftstheorie zugänglich. Der Effekt ist ein Gewinn an Nüchternheit und Klarheit. An die Stelle des Pathos der Reinigungskraft des Konkurses - auf der einen Seite -, der dunklen Furcht vor Kettenreaktionen und letztlich undurchschaubaren Schadensfolgen des Konkurses - auf der anderen Seite -, und - dazwischen - der resignierenden Fügung in die „Erfordernisse“ und „Möglichkeiten“ des Einzelfalls setzt die ökonomische Analyse die These, daß die Frage nach Erhaltung oder Auflösung des Unternehmens eigentlich in jedem Insolvenzfall ernsthaft gestellt, sauber durchdacht und - wenn die nötigen Daten zur Hand sind im einen oder anderen Sinne rational beantwortet werden kann. Wird der Anspruch an die Wirtschaftswissenschaft, eine gesamtwirtschaft­ liche Rechnung zu liefern, allerdings ganz ernst genommen, so erscheint die Buchanansche Analyse noch unvollständig. Denn die optimale Allokation muß auch den Produktionsfaktor Arbeit unterbringen. Nutzen und Kosten 48 Siehe z. B. Cole (N. 37) 75-88; Guthmann/Dougall (N. 35) 761. 49 Siehe z. B. Blum/Kaplan, Materials 280f., 288; D. R. King, Am. Bankr. L. J. 49 (1975) 328f. N. 16, 19, 20. 50 Siehe jetzt aber die mehr am Kapitalgeberverhalten ansetzende Studie von R. H. Schmidt (oben N. 12), deren Würdigung in der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion noch aus­ steht.

der in dem Unternehmen arbeitenden Menschen sind zwar erfaßt im Ertragswert des sanierten Unternehmens, weil dieser ja nur aus dem Zusammenwirken von Kapital und Arbeit zu erreichen ist. In der Berech­ nung des Liquidationswertes jedoch berücksichtigt die Formel vor allem die Kosten der Arbeitskraft nicht vollständig. Denn bei vollständiger Auflö­ sung des Unternehmens ist der Wert der Arbeitsorganisation für Gläubiger und Kapitalgeber gleich Null, da die Arbeitskraft der in dem Unternehmen tätig gewesenen Menschen ihnen nicht als Haftungsmasse zur Verfügung steht. Anders als Kapitalgüter, die man, wenn sie keinerlei ökonomischen Wert mehr haben, meistens ohne weitere Kosten „aufgeben“ kann, wollen und müssen Menschen weiterleben, auch wenn sie keine wirtschaftlich nützliche Beschäftigung haben. Sie verursachen dadurch der Gesellschaft „Kosten“, in der Form von Unterhaltsleistungen der Familie, der Arbeits­ losen-Versicherung oder der Sozialhilfe des Staates. Wenn also das liqui­ dierte Unternehmen Arbeitskräfte hinterläßt, die anderweitig nicht beschäftigt werden können, kann ein an sich gegebener Liquidationswert des Unternehmens allein durch die weiterlaufenden Unterhaltskosten aus­ gelöscht und sogar negativ werden, und zwar um so mehr negativ, je größere und je längere Arbeitslosigkeit durch die Liquidierung des Unter­ nehmens verursacht wird. Die Möglichkeit, daß der Reorganisationswert größer ist als der Liquidationswert, dürfte also häufiger gegeben sein als die Formel von Buchanan vermuten läßt. Mit anderen Worten: Auch die Wohlfahrtsverluste durch Arbeitslosigkeit müssen bei gesamtökonomi­ scher Betrachtung des Sanierungsproblems berücksichtigt werden501. Ebenso unberücksichtigt bleiben in der Formel anscheinend die nutzen­ wirksamen Eigenschaften der Wirtschaftsstruktur. Wenn man zum Bei­ spiel der Meinung ist, daß möglichst viel Wettbewerb nicht nur freiheitssi­ chernde Funktion für die politische Gesellschaft hat, sondern auch für die bestmögliche Allokation der vorhandenen wirtschaftlichen Mittel sorgt51, dann muß in der gesamtökonomischen Nutzenbetrachtung ein Negativpo­ sten erscheinen, sobald monopolistische Tendenzen auf einem gegebenen Markt dadurch verstärkt werden, daß eines der konkurrierenden Großun­ ternehmen durch Liquidation ausgeschaltet wird. Die Formel von Buchanan erfaßt diese - und vielleicht noch andere - nutzenmindernde Effekte einer Unternehmensliquidation nicht, weil sie anscheinend von vornherein nur den volkswirtschaftlichen Nutzen oder Schaden für den 504 Einläßlichere Analyse dieses Aspekts jetzt bei Rohde (oben N. 12) 87-93. 51 Über die Diskussion der Funktionen des Wettbewerbs z. B. Grossfeld, Aktiengesell­ schaft 73 ff.; Moschel, Wettbewerb im Schnittfeld von Rechtswissenschaft und Nationalöko­ nomie, Tübinger Festschrift 333 ff, bes. 348 ff.

Bestand des vorhandenen Kapitals ins Auge faßt, andere Produktionsfakto­ ren und Wohlfahrtsdeterminanten dagegen vernachlässigt.

V. Ausbeute für das Insolvenzrecht Die Ausbeute, die für das Insolvenzrecht aus der Wirtschaftswissenschaft gewonnen werden kann, schien zunächst darin zu bestehen, daß keine der Grundpositionen, die zur Alternative von Liquidation und Sanierung eingenommen werden, auf wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnis gestützt werden kann, allerdings durch die Wirtschaftswissenschaft auch nicht widerlegt wird (siehe oben S. 174ff). Die exaktere wirtschaftstheo­ retische Analyse fuhrt einen Schritt weiter. Sie zeigt, daß Begünstigung oder Ablehnung von Sanierungen als generelle Haltung falsch ist: Liquida­ tion und Sanierung sind theoretisch immer am Einzelfall durchzurechnen. Mit dieser Feststellung dürfte die Grenze dessen erreicht sein, was die rein ökonomische Analyse für die Rechtspolitik leisten kann. Sie liefert das Rüstzeug für die gedankliche Durchdringung des einzelnen Insolvenzfalls. Nach ihrem bisherigen Stand bietet sie aber kein Konzept für eine allge­ meine Insolvenzpolitik, geschweige denn Ziele oder Gestaltungsvorschläge für die Insolvenzgesetzgebung. Vielmehr ist sie im rechtspolitischen Effekt geradezu rcgelfeindlich, indem die beschriebene Formel auffordert zu einer voraussetzungslosen Prüfung jedes Einzelfalls. Für die Gesetzgebung wird man der ökonomischen Analyse allenfalls das stillschweigende Petitum entnehmen können, ein Verfahren zu schaffen, das dem ökonomisch sauberen Durchrechnen von Liquidations- und Sanierungswert im Einzel­ fall eine grundsätzliche Chance, das heißt: Gelegenheit, Raum und Zeit gewährt, und das für die Verwirklichung der so errechneten „richtigen“ Lösung geeignete rechtliche Vorkehrungen trifft52. Selbst diese ganz allgemein gehaltene Forderung trägt aber vom eigenen ökonomischen Ansatz her Schwächen in sich. Denn das Durchrechnen der Liquidations-Sanierungs-Alternative setzt ja eine Masse von Daten voraus (über das Unternehmen, über vergleichbare Unternehmen, über volks­ wirtschaftliche Verläufe und Zusammenhänge), die faktisch nur schwer zu 52 Etwas anders aber jetzt wohl der Ansatz von R. H. Schmidt (oben N. 12): Die wirtschaftstheoretische Analyse muß vom Gesetzgebungszeitpunkt ausgehen. Hier ergibt sich, daß Zwangsliquidation und Sanierung als gleichwertige Rechtsinstrumente zur Verfü­ gung stehen müssen. Im konkreten Insolvenzfall ist die Wahl zwischen diesen Möglichkeiten nicht so sehr eine Funktion objektiver ökonomischer Analyse, sondern der akuten individuel­ len Präferenzen von alten und (eventuell) neuen Kapitalgebern; s. besonders S. 72ff., 86ff, 109 ff.

gewinnen sind, und es verlangt mehrfache Prognosen, die immer mit großer Unsicherheit behaftet bleiben. Die Schwierigkeiten der Ermittlung des Ertrags wertes wurden oben Seite 113 ff. geschildert. Sie wiederholen sich für die Ermittlung des Liquidationswertes, weil auch hier nicht mit tatsächlich erzielten, sondern mit vorausgeschätzten Erlösen und Kosten der Veräußerung gerechnet werden muß. Hinzu kommen auf dieser Seite der Rechnung als eine besondere Schwierigkeit die durch Arbeitslosigkeit entstehenden Kosten. Da sie wesentlich abhängen von der Dauer der durch die Liquidation erzeugten Arbeitslosigkeit, ist hier eine besonders langfri­ stige Voraussage erforderlich. Diese dürfte aber noch schwieriger sein als die Vorausschätzung von Unternehmenserträgen (bei der Berechnung des Ertrags- und Sanierungswertes); denn hier hat man es nicht mehr mit der Voraussage des Erfolgs nur einer Wirtschaftseinheit, sondern mit dem weiteren Arbeitsschicksal zahlreicher einzelner Arbeitskräfte zu tun, und vorauszusagen ist nicht nur der Umfang eines an sich vorhandenen Positivums (des Unternehmensertrags), sondern zunächst das Ende eines Negativums (des fehlenden Arbeitseinkommens)53. Es ist mithin zu befurchten, daß die Buchanansche Formel, so einfach und klar sie ist, für die juristische Praxis nicht praktikabel gemacht werden kann, weil die Größen, mit denen zu rechnen ist, mit den heute gegebenen Mitteln nicht ausreichend sicher zu bestimmen sind. Hinzu kommt, daß sie, selbst mit verläßlichen Größen ausgefüllt, keine Prognose des tatsächli­ chen Verhaltens der einzelnen Gläubiger, Kapitalgeber und sonstigen Interessenten im konkreten Einzelfall erlaubt. Die wirtschaftstheoretische Analyse liefert Kriterien für die objektive Beurteilung der ökonomischen Nützlichkeit des einen oder anderen Insolvenzverhaltens, doch gewährlei­ stet sie nicht, daß die im Insolvenzgeschehen entscheidenden Akteure sich danach richten. Im Gegenteil: Der theoretische Ökonom kann selbst bereitwillig anerkennen, daß zum Beispiel für die Anlage von neuem Privatkapital in notleidend gewordenen Unternehmen besondere psychi­ sche Hemmungen überwunden werden müssen, die durch die objektiven ökonomischen Umstände nicht begründet sind54. Wie ein bei einem Unfall beschädigtes Auto selbst nach perfekter Reparatur immer einen „merkanti­ len Minderwert“ behält55, so muß in der Realität des Wirtschaftslebens der 53 Man wird davon ausgehen können, daß die Fortführung eines Großunternehmens irgendeinen Bruttoertrag immer produziert; problematisch ist nur, ob netto Gewinn oder Verlust erwirtschaftet wird und ob ein etwaiger Gewinn gegenüber der Liquidationsaltemative groß genug ist. 54 So ausdrücklich Buchanan 2H1L 55 Buchanan benutzt ausdrücklich dieses Beispiel, aaO. 374f, 377 N. 11.

erwartete Ertrag einer Geldanlage zur Sanierung eines insolvent geworde­ nen Unternehmens erheblich höher sein als der von anderen, objektiv vergleichbaren Anlagemöglichkeiten, wenn neue Mittel von privaten Kapitalgebern gewonnen werden sollen. Soweit aber, auf der anderen Seite, staatliche Finanzhilfe für das Unternehmen in Betracht kommt, liegt es von vornherein in der Natur der Sache, daß die öffentliche Hand ihr Kapital nicht aus rein ökonomischem Kalkül hergibt. Schließlich enthält die wirtschaftstheoretische Analyse keine Aussage darüber, ob die Kosten ihrer Anwendung in einem angemessenen Verhält­ nis zu dem mit ihr erzielbaren Wohlfahrtsgewinn stehen. Im einzelnen Insolvenzfall müßte der Aufwand für die analytische ökonomische Durch­ prüfung gemessen werden an der Höhe der Differenz zwischen Sanie­ rungswert und Liquidationswert, die so errechnet und realisiert werden kann. Auf die große Menge muß außerdem eine Rolle spielen die Häufig­ keit, mit der ein Durchrechnen von Insolvenzfällen nach der theoretischen Formel in der wirtschaftlichen Wirklichkeit zur Liquidation oder zur Sanierung fuhren müßte. Denn der organisatorische und verfahrenstechni­ sche Aufwand könnte, rein ökonomisch betrachtet, zu hoch sein, wenn das vollständige Durchrechnen der Alternativen in der großen Mehrzahl der Fälle (oder vielleicht bei einzelnen Arten von Fällen) zu keinem anderen Ergebnis fuhren würde als primitivere oder gar intuitive Abschätzungen. Die ökonomische Analyse kann also - wenn die nötigen Daten zur Hand sind - Nutzen und Kosten von Liquidation oder Sanierung (einschließlich der bei jeder dieser Alternativen auftretenden Prüfungs- und Verfahrensko­ sten) theoretisch in jedem Insolvenzfall bestimmen. Sie kann jedoch nicht angeben, ob ihre eigene Anwendung, wenn allgemein vorgeschrieben, im Einzelfall oder auf die große Menge gesehen den erforderlichen Aufwand wert ist. Gerade das aber ist für praktische Rechtspolitik eine nicht unwich­ tige Frage. Sie könnte wohl nur durch empirische Wirtschaftsforschung beantwortet werden.

C. Wirtschaftspolitik Der Ertrag, den die Sichtung der wirtschaftswissenschaftlichen Erkennt­ nis für die Insolvenzrechtspolitik ergeben hat, läßt sich in einer positiven und einer negativen Aussage zusammenfassen. Erstens: Alle allgemeinen Theorien über den volkswirtschaftlichen Sinn oder Unsinn des Konkurses (oder der Vermeidung des Konkurses) finden in der Wirtschaftswissen­ schaft keine Stütze. Notwendig (und nur möglich) ist vielmehr die Beurtei­ lung jedes Einzelfalls. Zweitens: Weil die Wirtschaftswissenschaft auf den

Einzelfall verweist, bietet sie kein Konzept für eine allgemeine Insolvenz­ politik oder Insolvenzrechtspolitik. Ihre Empfehlung an die Rechtspolitik wäre allenfalls: verfahrensmäßige Gewährleistung der sauberen volkswirt­ schaftlichen Analyse des Einzelfalls und der so ermittelten „richtigen“ Lösung. Aber die praktische Durchführbarkeit und der Nutzen dieser Prüfung bleiben selbst unter ökonomischen Gesichtspunkten zweifelhaft. Mit diesem Ergebnis befindet sich die Rechtspolitik in einer anderen Situation als manche andere wirtschaftsregelnde Gesetzgebung. So konnte zum Beispiel das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)56 auf eine hochentwickelte Theorie des Wettbewerbs und der Wettbewerbspoli­ tik aufgebaut werden, das sogenannte Stabilitätsgesetz (StabG)57 auf die ebenso stark durchgebildete Gleichgewichts- und Beschäftigungstheorie von Keynes und seinen Nachfolgern58. Die Insolvenzrechtspolitik findet sich ohne solche wirtschaftswissenschaftlichen Vorgaben. Daß die Wirtschaftswissenschaft keine Rezepte für das Insolvenzrecht liefert, besagt natürlich nicht, daß nicht Wirtschaftspolitik das Handeln des Gesetzgebers leiten könnte oder dürfte. Dem größten Teil der in Gesetze gefaßten Wirtschaftspolitik fehlt ein wissenschaftlicher Unterbau, und auch das Wettbewerbsrecht (nach dem GWB) und die Globalsteuerung der Wirtschaft (nach dem StabG) könnten ohne ihr theoretisches Fundament schlicht aus politischen Grundströmungen ihrer Entstehungszeit erklärt werden. Über die nichtökonomischen Faktoren (kulturelle, soziale und rein politische), die jeder Gesetzgebung, auch auf wirtschaftlichem Gebiet, notwendig zugrunde liegen, hat die Wirtschafts Wissenschaft ohnehin keine Aussagemacht. Die Frage für die Insolvenzgesetzgebung lautet deshalb auch: Gibt es wenigstens einen Bestand an wirtschaftspolitischen Grundvor­ stellungen, an dem die Rechtspolitik sich ausrichten, oder genauer: eine herrschende Insolvenzpolitik, der das Insolvenzrecht folgen könnte? Mit der Frage stößt man zunächst auf die Tatsache, daß der moderne Staat in Insolvenzkrisen oft und aus mannigfachen Gründen finanzielle oder gezielte rechtliche Unterstützung gewährt; etwa um der mittelständi­ schen Wirtschaft zu helfen, um Arbeitslosigkeit zu verhindern, um den Wettbewerb in einem Wirtschaftsbereich zu erhalten, um eine bestimmte Industrie (z. B. Flugzeugbau; Schiffbau) überhaupt im Land oder in einer bestimmten Region zu behalten; oder ganz allgemein, um den unberechen­ 56 - heute in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. 9. 1980, BGBl. I 1761. Zur Wettbewerbstheorie zuletzt besonders übersichtlich Moschel (N. 51) 333 ff. 57 Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. 6. 1967, BGBl. I 582. 58 Siehe darüber von Arnim, Volks Wirtschaftspolitik 83 ff., 104 ff., 140 ff.

baren gesamtwirtschaftlichen Folgen eines größeren Zusammenbruchs zuvorzukommen59. Alle solche Maßnahmen sind aber zeit- und situations­ gebunden, widersprechen sich vielfach (wenn von höherer Ebene oder aus größerer zeitlicher Entfernung betrachtet) und beruhen in der Regel nicht auf wirtschaftspolitischem Grundkonsens, sondern auf akutem politischen Willen60. Sind sie dagegen, wie es manchmal der Fall ist, in grundsätz­ lichere Förderungsprogramme für einzelne Wirtschaftszweige oder Regio­ nen eingebettet, so spiegeln sie doch keine wirtschaftspolitische Grundhal­ tung speziell gegenüber Insolvenzen. Es gibt offensichtlich, zumindest in Deutschland, keine generelle und herrschende wirtschaftspolitische Kon­ zeption, die auf Insolvenzsituationen allgemein oder bei bestimmten Arten von Unternehmen oder Wirtschaftszweigen immer anwendbar wäre, also eine allgemeine und auf Dauer angelegte Insolvenzgesetzgebung tragen könnte. Gäbe es wirklich einmal ein herrschendes insolvenzpolitisches Konzept, so wäre überdies an seiner Lebensdauer zu zweifeln, denn die allgemeine Einstellung gegenüber Konkurs und Sanierung ist empfindlich gegen Konjunkturen. In den dreißiger und vierziger Jahren war die Politik weltweit beherrscht von der Furcht vor Arbeitslosigkeit; sie begünstigte daher die Unternehmenserhaltung. Ein Autor konnte noch um 1970 dies notieren und gleichzeitig feststellen, daß die „Ideologie“ sich inzwischen verlagert hatte - dahin nämlich, daß Anpassung an den Markt, Strukturra­ tionalisierung und Ausschaltung der nicht konkurrenzfähigen Unterneh­ men wieder den Vorrang haben müßten61. Heute (1981), mit Arbeitslosig­ keit und vermindertem Wachstum, herrscht eher das Gefühl, daß man bei geringerem Zuwachs mit dem Vorhandenen vorsichtiger umgehen muß, und so wird man insolvenzpolitisch vielfach geneigt sein, auf die Ideologie der dreißiger Jahre zurückzukommen. Weder die eine noch die andere Einstellung muß „unrichtig“ sein; sie entsprechen beide der in der Wirt­ schaftswissenschaft schon öfter geäußerten Vermutung, daß der Konkurs bei guter Konjunktur eher als bei schlechter die wirklich untüchtigen, also gesamtwirtschaftlich „ineffizienten“ Unternehmen nachweist62, und sicher ist, daß in der guten Konjunktur die gesamtwirtschaftlichen Folgen eines Konkurses einfacher aufzufangen sind. Dies alles zeigt aber nur, daß jede 59 Für die Bundesrepublik siehe oben S. 26 f. 60 Eine hervorragende Zusammenfassung der wirtschaftlichen, politischen und administra­ tiven Aspekte der Staatshilfe gibt Scheuing, Les aides financieres 47-75; siehe auch die Bemerkungen bei Andel 503-505. 61 GOMARD, RabelsZ 35 (1971) 228 f. 62 So z.B. Samli (N. 38) 62f.

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Flessner BIPR 48

dieser Einsichten, wenn jeweils allein zur „Konkursideologie“ erhoben, stark konjunkturgebunden ist und als solche nicht für eine auf Dauer angelegte Gesetzgebung taugt.

D. Rechtspolitik I. Aufgabe der Rechtsordnung Wenn die wirtschaftswissenschaftliche und wirtschaftspolitische Be­ trachtung für das Ob und das Wie eines Sanierungsverfahrens nicht genug hergibt, so ist die Rechtsordnung in diesem Bereich auf ihre „klassischen“ Funktionen verwiesen: für ein soziales Geschehen, das im Grunde als gegeben hinzunehmen ist, eine Rahmenordnung zu setzen, die den beteiligten Interessen erlaubt und hilft, ihre Gegensätze in einem offenen und geregelten Prozeß auszutragen und zu einem gültigen, mit den Grundprinzipien der Rechtsordnung vereinbaren Abschluß zu bringen. Die erste Aufgabe einer Rechtspolitik in diesem Sinne ist die möglichst unbefangene und vollkommene Erfassung der sozialen Realität. Was findet sie vor? Zum einen die bedeutende Rolle, die Großunternehmen in der modernen Industriegesellschaft einnehmen. Man kann Stellung und Funk­ tion der Großunternehmen durch wirtschaftliche Zahlen kennzeichnen63 wie auch ihre Bedeutung als soziale und politische Institution hervorheben. Beide Betrachtungsweisen zusammengenommen lassen keinen Zweifel daran, daß Großunternehmen - als „öffentliche Veranstaltung“, als „politi­ sche und soziale Macht- und Aktionszentren“, als „Schaltstellen der gesell­ schaftlichen Entwicklung“ - heute zu den bestimmenden Elementen der Wirtschaft, der Politik und der allgemeinen Kultur gehören64. Bei unbefangener Anschauung ist zweitens zu notieren, daß jede Insol­ venzkrise eines großen Unternehmens lebhafte Interessenreaktionen aus­ löst. Es genügt die Lektüre der Tageszeitungen, um zu sehen, wie zahlreich und vielfältig die Interessen sind, die sich im Insolvenzfall eines Großunter­ nehmens berührt fühlen. In erster Linie natürlich die Gläubiger und die Anteilseigner, sie versuchen, die von ihnen in das Unternehmen gegebenen 63 Zahlenangaben über die Bedeutung in der deutschen Wirtschaft bei von Arnim, Volks­ wirtschaftspolitik 92-100 mit Nachweisen. Auch über andere wichtige Länder: Steinmann, Großunternehmen 133 ff. 64 Eine Summe der hierzu entwickelten Einsichten - die in der amerikanischen Literatur besonders weit getrieben sind - zieht Ott, Untemehmenskorporation, bes. 17-35. Problem­ übersichten auch bei Grossfeld/Ebke, AG 1977, 57ff., 92ff; Horn (oben S. 4 N. 9) 124ff. Die danach erschienenen Beiträge sind vermerkt bei K. Schmidt, ZIP 1980, 233 N. 5.

Mittel zu retten, und sie machen sich gegenseitig das noch Vorhandene streitig. Außer diesen „klassischen“ Beteiligten tritt eine ganze Reihe von Interes­ senten auf den Plan, die nicht hingegebenes Kapital, sondern wirtschaftli­ che Zukunftserwartungen repräsentieren. Zunächst die Arbeitnehmer des Unternehmens, die sich gegebenenfalls durch ihre Betriebsvertretungen und die Gewerkschaften Durchsetzungskraft zu verschaffen suchen; sie können wegen rückständiger Gehälter und Löhne auch Gläubiger sein; ihr wesentliches Interesse ist jedoch die künftige Verwertbarkeit ihrer Arbeits­ kraft, also der Fortbestand der Arbeitsplätze. Eine besondere Gruppe zwischen Arbeitnehmern und Kapitalgebern sind die Mitglieder der engeren Unternehmensleitung (das „Management“). Sie sind oft auch die Anteilseigner; jedenfalls beruht ihre Stellung haupt­ sächlich auf dem Stimmrecht der Anteilseigner, in schwächerem Maße - je nach dem Grad ihrer Mitbestimmung - auch der Arbeitnehmer. Die eigenen Herrschaftsinteressen der Unternehmensleitung - Schlagwort: Trennung von Besitz und Herrschaft - und ihr Interesse an dem ökono­ misch vorteilhaften Einsatz ihrer Arbeitskraft lassen sie jedoch als einen eigenständigen Interessenfaktor auch im Insolvenzfall auftreten. Betroffen von der Insolvenz sind oft auch die Zulieferer des Unterneh­ mens und die Abnehmer seiner Produkte. Sie sind Gläubiger, wenn Liefe­ rungen an das Unternehmen unbezahlt sind, langfristige Lieferungsver­ pflichtungen des Unternehmens bestehen oder Ersatzansprüche aus bereits getätigten Lieferungen des Unternehmes geltend zu machen sind; jedoch können ihre künftigen Verhältnisse durch den Ausfall des Unternehmens viel schwerer betroffen sein, so etwa bei Zulieferern, die ihre Produktion ganz auf das größere Unternehmen eingestellt haben, oder bei Händlern, vor allem bei den Vertragshändlern, die sich dem Unternehmen als Absatz­ mittler voll verschrieben haben. Schließlich werden im Insolvenzfall eines Großunternehmens früher oder später politische Instanzen sich bemerkbar machen oder von anderen Beteiligten und der Öffentlichkeit direkt angesprochen werden; sie sollen für die Zwecke dieses Überblicks unter dem Begriff „Staat“ zusammenge­ faßt werden, obwohl im Einzelfall mehrere Stellen mit durchaus unter­ schiedlichen Aufgaben und oft gegensätzlichen Betrachtungsweisen auftre­ ten können65. Der Staat kann betroffen sein im lokalen Bereich, wo die von dem Untemehmenszusammenbruch herrührende Arbeitslosigkeit am 65 Das ist eine Erscheinung, die in föderativ organisierten Staaten besonders häufig, auf diese aber nicht beschränkt ist.

stärksten zu spüren ist; in seiner Strukturpolitik - so wenn das Unterneh­ men einem besonders geförderten Wirtschaftszweig angehört oder in einer geförderten Region liegt; in seiner allgemeinen Wirtschaftspolitik, wenn der Zusammenbruch andere Wirtschaftsbereiche in Mitleidenschaft ziehen würde; in seiner internationalen Geltung, wenn das Unternehmen nationa­ len Symbolwert besitzt oder Güter herstellt, die ein Land als Nachweis seiner wirtschaftlichen und technischen Potenz einfach herstellen „muß“66. Seitdem staatliche Finanzhilfen zugunsten insolventer Unternehmen zum guten Ton gehören, sind auch die rein fiskalischen Interessen des Staates betroffen, da theoretisch jeder Insolvenzfall eines Großunternehmens zu dringlichen Forderungen nach Staatshilfe fuhren kann, die oft nur schwer abzuwehren sind. Schließlich sind unübersehbar auch politische Eigenin­ teressen der Regierung im Spiel; denn die Regierung muß befurchten, daß sowohl die Entstehung wie auch die Behandlung der Insolvenz von der Opposition und der öffentlichen Kritik ihr zur Last gelegt werden. Die Szenerie und die Akteure sind damit beschrieben. Was aus dieser Konstellation im Insolvenzfall entsteht, ist ein öffentlicher Großkonflikt. Für Rechtspolitik, die dem gerecht werden soll, ergeben sich einige Folgerun­ gen, die sich so umreißen lassen: Erstens dürfen Insolvenzprozeduren für Großunternehmen keinen Voll­ streckungscharakter haben. Das allmähliche Heranwachsen eines Reorga­ nisationsverfahrens für Großunternehmen in den Vereinigten Staaten und die gedankliche Analyse der Wirtschaftswissenschaft lehren wenigstens dieses: daß die natürliche und die rationale Reaktion auf die Insolvenzkrise des Großunternehmens zunächst darin bestehen muß, den Lauf der Dinge anzuhalten, Gelegenheit zu geben für eine sorgsame Prüfung der Lage und für eine Neuordnung des Unternehmens, die den legitimen Interessen aller Beteiligten gerecht zu werden versucht. Denn die großen Unternehmen wachsen in den modernen Industriegesellschaften in den Bereich der öffentlichen Institutionen hinein. Organisationen dieser Art und Größe, die das allgemeine wirtschaftliche und soziale Leben vielfältig bestimmen und in denen eine große Zahl unterschiedlicher Interessen aufeinandertrifft, können nicht ohne Besinnen aufgegeben werden, nur weil das private Schuldrecht es zu befehlen scheint. Die Insolvenz eines Großunternehmens schafft vielmehr eine Problemlage, die über die Dimensionen privatrechtli­ cher Schuld und Haftung hinausgeht und deshalb nicht einfach durch 66 Z.B. elektronische Instrumente, Flugzeuge oder auch nur Autos. So ist es trotz der chronischen Schwierigkeiten der British Leyland Corp. schwer vorstellbar, daß England eines Tages darauf verzichten würde, eine eigene Autoindustrie zu haben.

exekutorisches Zu-Ende-Denken derjenigen wirtschaftlichen Entscheidun­ gen zu bewältigen ist, die zur Begründung der Verbindlichkeiten geführt haben. In den Begriffen der zivilrechtlichen Dogmatik läßt sich sagen, daß die Konkursliquidation eines Großunternehmens außerhalb des Normzwecks def materiellen Haftungsregel liegt: eine Forderung gegen ein Großunter­ nehmen zu haben, bedeutet nicht notwendig, ihren Wert durch Zwangsauf­ lösung des Unternehmens realisieren zu können, weil hierdurch ein Mehr an wirtschaftlicher und sozialer Problematik geschaffen wird, als normaler­ weise mit schuldrechtlicher Haftung verbunden ist. Jedenfalls für Großun­ ternehmen ist deshalb den Stimmen zu folgen, die im Insolvenzverfahren nicht mehr starre Kollektiv Vollstreckung sehen wollen, sondern ihm die Aufgabe zuschreiben, die Insolvenzsituation je nach den Erfordernissen und Möglichkeiten, also unter Umständen auch durch Fortführung des Unternehmens, vernünftig zu bereinigen67. Die Aufgabe gegenüber den Gläubigern besteht darin, zu prüfen, ob die ursprünglich gegebenen Ansprüche auf sofortige Barbefriedigung aufrechterhalten werden müssen oder ob die Interessen der Gläubiger im Lichte der veränderten Gesamtsi­ tuation nicht auch durch andere Regelungen gewahrt werden können. Das Verfahren muß gewährleisten, daß alle dafür erheblichen Umstände in die Prüfung der Alternativen aufgenommen werden können. Das Verfahren muß, zweitens, allen Interessen, die durch die Insolvenz betroffen sind, erlauben, an der Lösung des Falles mitzuwirken. Damit ist noch nicht gesagt, in welcher Form und mit welchen Rechten solche Mitwirkung sich abspielt68. Soll die Rechtsordnung ihre Aufgabe der Problemlösung und Befriedung erfüllen, so ist jedenfalls die Mindestanfor­ derung die, daß alle real betroffenen Interessen herbeitreten können auf das Forum, auf dem über die Zukunft des Unternehmens verhandelt wird. Das möglichst vollständige Zusammentragen der für die Zukunft des Unter­ nehmens erheblichen Umstände kann letztlich nur von den Interessenten selbst erwartet werden. Die Teilnahme an einem geregelten Verfahren zwingt diese gleichzeitig, ihrer Auseinandersetzung die Form konsensfahigen Argumentierens und Handelns zu geben. Aus der Größe des wirtschaftlichen Objekts und der Vielzahl der betei­ ligten Interessen folgt schließlich, daß die Rechtsordnung es nicht allein den Beteiligten überlassen kann, auf dem von ihr gebotenen Forum zu einer 67 In diesem Sinne Weber, KO-Festschrift 338, 342 ff.; Hanisch, Rechtszuständigkeit der Konkursmasse 264f. und ZZP 90 (1977) 34f; Kilger, 51. DJT (1976) II O 41 und ZRP 1976, 192; Arnold, DRpfl. 1977, 392 mit weiteren Hinweisen. 68 Darüber unten S. 234ff., 273ff.

Einigung zu kommen. Die wirtschaftliche, soziale und politische Bedeu­ tung der Aufgabe verlangt vielmehr, daß letztlich eine Lösung mit der Autorität des Rechts erzielt werden kann. Das bedeutet zum einen: Auch wenn es den großen Gläubigern und den Finanzinstitutionen oft gelingt, das notleidend gewordene Unternehmen ohne die Hilfe offizieller Recht­ sprozedur vor der Konkursliquidation zu bewahren, kann die Rechtsord­ nung nicht darauf verzichten, selbst ein geeignetes Verfahren bereitzuhal­ ten. Einerseits gibt es keine Garantie, daß die autonome Insolvenzbereini­ gung durch die Wirtschaft in allen Fällen versucht wird, in denen sie angebracht wäre, und diese Ungewißheit kann das Gemeinwesen um so weniger hinnehmen, je höher die wirtschaftliche, soziale und politische Bedeutung des betroffenen Unternehmens einzuschätzen ist. Andererseits bringen gerade solche einverständlichen Sanierungen ihre eigenen Pro­ bleme mit sich. Wenn sie zum Beispiel so geschehen, daß das gefährdete Unternehmen von einem anderen (gesunden) übernommen wird, kann in Deutschland die Fusionskontrolle nach Wettbewerbsrecht (§ 24 GWB) auf den Plan gerufen sein, doch kann deren Wirksamkeit behindert werden durch das oft vorgebrachte Argument, daß die einzige Alternative zur Sanierungsfusion der Konkurs wäre69. Ein Verfahren, das die Sanierung des Unternehmens als einer selbständigen Wirtschaftseinheit dadurch ermög­ licht, daß es dem Unternehmen eine Atempause verschafft und schließlich die Kapitallast mit Rechtsautorität erleichtert, wäre geeignet, die beschrie­ bene Spannung zwischen Sanierung und Wettbewerbsrecht zu lösen. Lösung der Insolvenzkrise mit der Autorität des Rechts bedeutet zum anderen, daß für die Entscheidung rechtliche Maßstäbe vorhanden sein müssen. Denn die Entscheidung über Erhaltung oder Auflösung des Unternehmens muß immer den einen oder den anderen Interessen Opfer auferlegen und sie muß im Falle des Großunternehmens vor einer breiten Öffentlichkeit gerechtfertigt werden können. Sie kann deshalb nicht in das freie Belieben irgendwelcher Mehrheiten oder staatlicher Instanzen gelegt werden. Die Rechtsordnung muß vielmehr dafür sorgen, daß im öffentli­ chen Wirtschafts- und Sozialkonflikt großen Ausmaßes die wesentlichen Gerechtigkeitswerte gewahrt werden. Es gibt auch im Krisenfall keinen Dispens von der Entwicklungsregel, daß für Großunternehmen, die zu öffentlichen Institutionen heranwachsen, die „rule of law" mehr und mehr zum Lebensgesetz wird70. 69 Siehe dazu den eindringlichen Bericht von V. EMMERICH, AG 1978, 129, 131f. Weiter­ hin: Möschel, Die Sanierungsfusion im Recht der Zusammenschluß-Kontrolle, in: Fest­ schrift Rob. Fischer (1979) 487ff; Emmerich, AG 1979, 47. 70 Die immer stärkere rechtliche Durchdringung der Großunternehmen und ihrer Aktions­

II. Rolle der staatlichen Finanzhilfe Bei Insolvenzkrisen von Großunternehmen ist es heute wohl in allen Industriegesellschaften der westlichen Welt nicht ungewöhnlich, daß der Staat mit finanziellen Mitteln einspringt, um das Überleben eines Unter­ nehmens zu ermöglichen. Die Institutionen und Prozeduren reichen von der Entscheidung im jeweiligen Einzelfall durch die Regierung über die Einfügung in die allgemeinere staatliche Wirtschaftsforderung bis hin zur Einrichtung von besonderen Fonds und Agenturen, die über die Gewäh­ rung der Mittel nach festgelegtem Verfahren entscheiden71. Je normaler die finanzielle Krisenhilfe des Staates für Großunternehmen wird, um so mehr stellt sich die Frage, ob die Unterstützung von Sanie­ rungsbemühungen durch rechtliche Mittel auf diesem Bereich überhaupt noch eine nennenswerte Rolle spielen kann. Wird nicht der moderne Wohlfahrtsstaat bei allen größeren Insolvenzen einspringen müssen, wenn er seine Aufgaben richtig erfüllen will, und wird nicht dadurch das Insolvenzrecht überflüssig werden? 1. Geld oder Gesetz Daß finanzielle Hilfe des Staates für Großunternehmen vielfach eine Alternative zu rechtlichen Sanierungsprozeduren darstellt, wird mehr und mehr bemerkt und teils bedauert, teils für unausweichlich angesehen72. Für die langfristige Insolvenzrechtspolitik wird man bei solchem Konstatieren gegenwärtiger Realität nicht stehenbleiben können. Denn die Finanzhilfe des Staates für notleidende Großunternehmen ist zwar einerseits ein inter­ national verbreitetes Faktum, das die Rechtspolitik akzeptieren muß. Andererseits besteht aber, je mehr ein Unternehmen zum „Großunterneh­ men“ und damit zum Gegenstand öffentlichen Interesses wird, ein um so räume ist der allgemeine Nenner, auf dem das vielfältige Nachdenken über die Problematik der Großunternehmen sich zu treffen scheint; siehe Ott, Untemehmenskorporation 241-283; Grossfeld/Ebke (N. 64); Horn (N. 64). 71 Über die in den Ländern der EG praktizierten Systeme informiert übersichtlich, aller­ dings spärlich dokumentiert, Pontarollo (oben S. 26 N. 78). Bericht über die französischen Prozeduren bei Hudin, Rev. jur. com. 20 (1976) Numero special 274-279, über die belgischen bei Verougstraete, T.P.R. 1979, 793 (802f.) Amerikanische Fälle werden erwähnt z. B. von

Murphy, Cal. L. Rev. 63 (1975) 1507; Jacobson, U. Chi. L. Rev. 42 (1975) 529 N. 120. Im Vordergrund des Interesses steht neuestens der Fall Chrysler; s. z. B. die Berichte in der FAZ vom 24. 12. 1979, vom 23. 6. 1980, und in der SZ vom 23. 6. 1980. 72 Siehe z.B. Hanisch, Rechtszuständigkeit der Konkursmasse 263f ; Uhlenbruck, KO­ Festschrift 26—31; Weber, KO-Festschrift 331; Grunsky, Zwangsvollstreckungs- und Kon­ kursrecht 27; Jennings, Yale L. J. 73 (1964) 958.

größeres Bedürfnis nach Publizität, Transparenz und öffentlicher Verant­ wortung der das Unternehmen betreffenden Entscheidungen. Ein großer Teil der Gesetzgebung und der weiteren Erörterungen über Unterneh­ mensrecht und Unternehmensverfassung läuft darauf hinaus, diesem Bedürfnis stärkere rechtliche Anerkennung zu verschaffen73. Das Interesse der Öffentlichkeit macht sich natürlich besonders stark bemerkbar, wenn über Sein oder Nichtsein und die künftige Gestalt des notleidend geworde­ nen Großunternehmens verhandelt und entschieden wird. Staatliche Finanzhilfe ist in der Form, wie sie heute in Deutschland praktiziert wird, eher geeignet, Durchsichtigkeit und Öffentlichkeit zu verhindern. Die Voraussetzungen und die Prozeduren der Mittelvergabe im Insolvenzfall sind nicht normiert, die Unterrichtung der Öffentlichkeit erfolgt zufällig oder nach Opportunität. Da außerdem der Staat für seinen Kapitaleinsatz keine akribische Risikoanalyse vorzunehmen braucht (ihm geht es legitimerweise um andere Ziele als Kapitalerhaltung und Kapitaler­ trag; Verluste gehen auf das Konto „Politik“), hat seine Finanzhilfe die Tendenz, Gegensätze der übrigen Interessen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung eigentlich ausgetragen werden müßten, zu verdecken und zu ersticken. Dadurch unterbleiben leicht auch notwendige Wirtschaftlich­ keitsüberlegungen, die das Gegeneinander der sonstigen Interessen norma­ lerweise provozieren würde. Es wäre eigenartig, das Großunternehmen, solange es erfolgreich wirt­ schaftet, immer mehr rechtlich zu durchdringen und mit der Öffentlichkeit institutionell zu verbinden, in der Insolvenzkrise aber, in der es um Sein oder Nichtsein geht, das Heil und die Vernunft in den verschwiegenen Beschlüssen von Kabinetten, staatlichen Kreditausschüssen, Staatsbanken und ähnlichen Stellen zu suchen. Erforderlich ist vielmehr, daß mit der Fortbildung der Unternehmens Verfassung auch die Regularisierung der staatlichen Insolvenzhilfe als Aufgabe erkannt wird. Die Entwicklung muß auf längere Sicht konsequenterweise dahin gehen, die staatliche Finanzhilfe für insolvente Großunternehmen dadurch transparent zu machen und zu legitimieren, daß auch sie in ein geregeltes, also rechtliches Verfahren einbezogen wird. 2. Sanierungsverfahren nach Verwaltungsrecht oder Privatrecht

Wenn die staatliche Insolvenzhilfe für Großunternehmen der rechtlichen Einbindung bedarf, muß die eingangs gestellte Frage umformuliert wer­ 73 Siehe die Hinweise oben N. 70.

den. Zu fragen ist, ob nicht im Bereich der Großunternehmen eine rechtliche Insolvenzordnung realistischerweise vor allem darauf gerichtet sein müßte, die Voraussetzungen und Modalitäten der staatlichen Mittel­ vergabe zu normieren, das heißt: in die heutige ad-hoc-Praxis Gerechtig­ keit und System zu bringen. Für die Zukunft heißt die Alternative also nicht „Geld oder Gesetz“, sondern es geht darum, ob Sanierung von Großunternehmen mehr und mehr eine Sache des öffentlichen Rechts, also des Finanz- und Verwaltungsrechts sein wird oder eine des Privatrechts, nämlich des Insolvenzrechts im traditionellen Sinne. Für die Abschätzung dieser Alternative ist zunächst eine nüchterne Betrachtung der Leistungskraft des öffentlichen Rechts auf diesem Bereich notwendig. Es zeigt sich dann, daß selbst auf dem Gebiet der regulären, also in Programme gefaßten staatlichen Wirtschaftsforderung erst allmäh­ lich und mühevoll allgemeine Grundsätze des „Subventionsrechts“ entwikkelt werden können74. Die finanzielle Insolvenzhilfe des Staates ist demge­ genüber eine Reaktion auf den nicht geplanten und nicht erwarteten Einzelfall. Um wieviel schwerer muß es sein, für diese Situation allgemeine Rechtsregeln zu entwickeln; in der Bundesrepublik sind sie bis heute selbst in Ansätzen nicht erkennbar. Was vermutlich mit der Zeit entstehen könnte, ist ein gewisses System von Zuständigkeiten und Prüfungsproze­ duren75. Wenig wahrscheinlich ist jedoch, daß die Voraussetzungen für die Vergabe der Mittel an insolvente Großunternehmen jemals in praktikable Normen gefaßt werden könnten oder würden. Denn die Insolvenz eines Großunternehmens ist kein alltäglicher, statistisch vorkommender Fall. Die Situation ist kompliziert durch die schiere Größe des Objekts und immer durch die individuellen Umstände bestimmt; sie kann schwerlich in Rechtsregeln als auslösender Tatbestand für die Hergabe staatlichen Kapi­ tals umschrieben werden. Auch dürfte politische Klugheit es dem Staat verbieten, für die notwendigerweise hohen Summen, die zur Sanierung großer Unternehmen erforderlich sind, durch allgemeines Gesetz rechtli­ che Bindungen einzugehen. Es ist nach allem nicht anzunehmen, daß es für Großunternehmen jemals ein voll ausgebautes „öffentlich-rechtliches Sanierungsverfahren“ geben wird, das die Weiterentwicklung des privat­ rechtlichen Insolvenzinstrumentariums überflüssig machen würde. Aber auch unabhängig vom Grad ihrer rechtlichen Ausreifung kann die staatliche Finanzhilfe wesentliche Aufgaben nicht erfüllen, die der Insol­ 74 Siehe oben S. 27 N. 81. 75 Rechtstechnisch am weitesten ist wahrscheinlich Italien mit seinem Gesetz vom 12. 8. 1977; siehe oben S. 27 N. 81.

venzrechtspolitik gestellt sind, nämlich die Einbeziehung des privaten (nicht­ staatlichen) Kapitals in den Sanierungsprozeß der Großunternehmen. Denn die staatliche Finanzhilfe ist aus der Sicht der Unternehmen zunächst nichts anderes als eine alternative Kapitalquelle, die den Vorteil hat, auch und gerade dann zu fließen, wenn Kapital zu passenden Bedingungen ander­ weitig nicht gewonnen werden kann. Die Hergabe staatlichen Kapitals sorgt für sich gesehen nicht dafür, daß auch die bisherigen Kapitalgeber des Unternehmens für dessen Weiterexistenz Opfer bringen - zunächst zeitli­ che (durch Stillhalten während der Sanierungsverhandlungen), dann auch substantielle (durch abschwächende Modifizierung von bisherigen Rechts­ positionen). Der Staat kann seinen Beistand zwar von solchen Opfern abhängig machen76. Je größer aber mit der Zeit die allgemeine soziale und politische Bedeutung der Großunternehmen und je größer generell das Interesse des Staates an der Bereinigung ihrer Insolvenzkrisen wird, um so weniger werden die alten Kapitalgeber ihrerseits zu Konzessionen bereit sein, denn sie können mit dem sozialen und politischen Druck rechnen, der zugunsten der Unternehmenserhaltung auf den Staat ausgeübt wird77. In einem voll ausgebauten Insolvenzhilfesystem des Staates könnten die Kapi­ talgeber zu Opfern an ihren bisherigen Positionen letztlich nur durch Einzelfallgesetze, also durch Enteignung oder Sozialisierung, gezwungen werden. Aber dann müßte der Staat nicht nur Sanierungskapital zuschie­ ßen, sondern zusätzlich für die enteigneten Kapitalpositionen Entschädi­ gung leisten. Auch wäre auf diesem Wege immer - nicht zuletzt wegen der Entschädigungsfrage - mit erheblichen politischen und verfassungsrechtli­ chen Hemmnissen zu rechnen. Die ausgebaute Insolvenzhilfe des Staates, wenn ohne Ergänzung durch privatrechtliches Insolvenzverfahren, tendiert also dazu, daß Sanierungen vom Staat zu „teuer“ bezahlt werden - entweder weil alte Kapitalgeberpo­ sitionen trotz ihrer Wertminderung nicht angetastet werden können, oder zwar beseitigt werden können, dann aber in Geld, unter Umständen überhöht, vergütet werden müssen. Das ist der Mechanismus der viel berufenen „Sozialisierung der Verluste“. Die Sozialisierung der Verluste ist für Staat und Steuerzahler ein gewis­ ses fiskalisches Problem. Für die Privatwirtschaft kann sie - scheinbar paradox - eine Bedrohung werden. Denn ein gemischtwirtschaftliches 76 So z.B. durch Gesetz im Fall Chrysler, s. oben N. 71. 77 Auch dafür ist ein Beispiel der Fall Chrysler. Die im Gesetz ausdrücklich genannten Bedingungen für die staatliche Hilfsaktion mußten schließlich von der Regierung stillschwei­ gend ignoriert werden; siehe die Berichte in der SZ oben N. 71 und der NZZ vom 13. 5. 1980.

System, das - wie das der Bundesrepublik und vieler anderer westlicher Länder - so stark von privatem (nicht-staatlichem) Kapital und marktwirt­ schaftlichen Prinzipien getragen wird, lebt von dem Nachweis, daß auch die Existenzkrisen einzelner Unternehmen vom privaten Kapital gelöst werden können, das heißt bei Sanierung: durch Verzicht auf alte, wirt­ schaftlich ausgehöhlte Kapitalpositionen und die Gewinnung neuen priva­ ten Kapitals. Die Insolvenzhilfe des Staates schwächt diesen privatwirt­ schaftlichen Prozeß, da sie alte private Kapitalberechtigungen tendenziell nicht ausreichend beschneidet und damit die Notwendigkeit und die Möglichkeit vermeidet, neues privates Kapital für das Unternehmen zu interessieren. Das gegenwärtige Wirtschaftssystem würde seinen privat­ wirtschaftlichen Teil letztlich selbst aufgeben, wenn es die Insolvenzbewäl­ tigung für den bedeutenden Sektor der Großunternehmen primär der staatlichen Finanzhilfe überlassen würde. Soll es seinen Strukturprinzipien treu bleiben, dann verlangt es geradezu nach einem Sanierungsverfahren, das private Kapitalpositionen umordnen kann, damit selbst bei solchen Großunternehmen, die aus sozialen und politischen Gründen „nicht mehr aufgegeben werden können“, nicht nur der Staat aufgerufen ist, die Opfer zu bringen. Solange ein solches Verfahren nicht vorhanden ist, bleibt das Insolvenzwesen die offene Flanke des privatkapitalistischen Teils der Wirt­ schaftsverfassung. Jede Existenzkrise eines Großunternehmens führt dann mit großer Wahrscheinlichkeit dazu, daß ein bedeutender Tätigkeitsbereich ohne öffentlich verantwortete Prüfung des Warum, Wie und Wozu in den öffentlichen Sektor hinübertreibt. Die Wirtschaftsverfassung ist deshalb insgesamt unvollständig, wenn nicht ein für Großunternehmen geeignetes Verfahren vorhanden ist, das eine offene Untersuchung und Erörterung der Situation erlaubt und dann den alten Kapitalgebern die Verluste sowie dem notwendigen neuen Kapital, falls es zu gewinnen ist, seinen Platz zu weist. Auf diesem Forum und in diesem Prozeß müßte auch über den Sanierungsbeitrag des Staates verhandelt werden78. 78 Sehr treffend daher Conard, Int. Enc. Comp. L. XIII Ch. 6 §40 a. E., bei einem Vergleich der europäischen mit den amerikanischen Reaktionen auf die Finanzkrisen der Eisenbahnen: „In Europe they [die Probleme] were solved by nationalizing the railroads. In the United States, where there was an inseverable loyalty to the principle of private ownership of business, more ingenuity was required. Private ownership of the railroads was preserved by expropriating the old shareholders in favor of the bondholders, instead of expropriating them (as in Europe) in favor of the state. “ - Der Vergleich trifft für Deutschland faktisch nicht zu, weil die Eisenbahnen noch zur Zeit ihrer unangefochtenen Prosperität verstaatlicht wurden; siehe oben S. 142 f. Er macht jedoch ganz klar, daß im Insolvenzzusammenhang die „Enteignung“ von wertlosen privaten Kapitalgeberrechten zugunsten anderer privater Kapi­ talgeber ein Dienst ßir das privatkapitalistische Wirtschaftssystem ist.

III. Rechtspolitische Situation der Bundesrepublik In den vorstehenden Abschnitten sind die Anforderungen skizziert wor­ den, die an ein Insolvenzrecht gerichtet werden müssen, das den Großun­ ternehmen gerecht werden soll. Das „deutsche Sanierungsverfahren“, das sich, wenn man so will, aus mehreren Einzelstücken konstruieren läßt79, erfüllt diese Anforderungen evidentermaßen nur sehr unvollkommen: die Atempause, die es (nach den Vorschriften der Vergleichsordnung) dem Unternehmen gewährt, ist für eine sorgsame Untersuchung und Heilung der Unternehmenssituation zu kurz; das Verfahren erfaßt nicht einmal alle Kapitalgeber, geschweige denn andere als Kapitalgeberinteressen; es gewährleistet nicht die offene und verständige Erörterung der Insolvenzur­ sachen und des Sanierungskonzepts; und es stellt faktisch keine materiellen Gerechtigkeitsanforderungen an die Mehrheits- oder Gerichtsbeschlüsse, die über das Schicksal des Unternehmens bestimmen und in die Rechte von Kapitalgebern eingreifen80. Es ist nicht zu erwarten, daß die Praxis ein befriedigendes Verfahren allein entwickeln könnte. Denn sie würde letztlich immer den starken Arm des Rechts, mindestens also die Hilfe der Gerichte benötigen. Die amerika­ nische Erfahrung mit Richterrecht ist jedoch nicht wiederholbar. Sie mußte auch dort vom Gesetzgeber abgebrochen werden, als die wirtschaftlichen und sozialen Probleme übermächtig wurden. Sie dürfte noch weniger den deutschen Gerichten möglich sein, die nach ihrem Selbstverständnis und dem Charakter des deutschen Rechtssystems viel stärker in Gesetzeszusam­ menhänge eingebunden sind. Ein Insolvenzverfahren zu schaffen, das die Sanierung von Großunter­ nehmen rechtlich ermöglicht, ist also die Aufgabe des Gesetzgebers. Der deutsche Gesetzgeber wird sich dieser Aufgabe nicht mehr für alle Zukunft entziehen können. Einerseits wird es immer wieder spektakuläre Fälle insolventer Großunternehmen geben, in denen die derzeitigen Insolvenz­ prozeduren ihr Ungenügen handgreiflich erweisen. Andererseits geht es hier auch um die Vollständigkeit der Unternehmensverfassung. Deren Gestaltung und Fortbildung ist weiterhin auf der rechtspolitischen Tages­ ordnung81. Gesetzgebung und rechtspolitische Diskussion haben aber bis­ her ihr Augenmerk vornehmlich auf das Unternehmen im Normalzustand gerichtet - wohl weil das Machtproblem (um das alle Überlegungen kreisen) im wirtschaftlichen und sozialen Umgang mit Großunternehmen immer 79 Siehe oben S. 147. 80 Siehe oben S. 147 ff. 81 Siehe den Bericht der Unternehmensrechtskommission (1980).

gegenwärtig ist. Insolvenzkrisen von Großunternehmen sind dagegen selten, dann aber wegen der Masse des Objekts und der schwerwiegenden Folgen in besonderem Maße mit wirtschaftlichen, sozialen und politischen Problemen aufgeladen. Das Gebäude der Unternehmensverfassung bleibt zugig, solange für die Bewältigung solcher Existenzkrisen kein befriedi­ gendes Verfahren zur Verfügung steht. Das Gesetz, das diese Lücke schließt, wäre zu den Grundgesetzen der Unternehmensverfassung zu zählen.

Fünftes Kapitel

Probleme eines Sanierungsverfahrens A. Einführung Im vorhergehenden Kapitel sind die Aufgabe und die Notwendigkeit eines für Großunternehmen geeigneten Sanierungsverfahrens begründet worden; seine Gestaltung im einzelnen bleibt zu entwickeln. Die enorme Bedeutung großer Unternehmen für Wirtschaft und Gesellschaft macht ohne weiteres einsichtig, daß über das Ob und Wie eines solchen Verfah­ rens letzlich nicht wissenschaftliche Bemühungen, sondern wirtschaftliche und politische Kräfte bestimmen werden. Auch hier gilt, was zur rechtli­ chen Einrahmung der Großunternehmen unlängst generell konstatiert wurde: „... die Neuordnung der Unternehmenskorporation und des Unternehmensrechts (ist) eine politische Aufgabe und theoretisch nicht voll determinierbar“1. Die Wissenschaft würde deshalb ihre Kräfte überschätzen, wenn sie nach der Herausarbeitung der leitenden Gedanken außerdem versuchen wollte, die Grundzüge eines Sanierungsverfahrens oder gar eine durchformulierte Gesetzesempfehlung vorzulegen. Was sie auf diesem Feld und in der gegenwärtigen Phase der deutschen Diskussion kann, ist: Probleme bezeichnen, Lösungen erörtern und so versuchen, der rationalen Auseinan­ dersetzung im anlaufenden rechtspolitischen Prozeß Raum zu verschaffen. Der Versuch soll in diesem letzten Kapitel unternommen werden: Wichtige Problembereiche eines Sanierungsverfahrens werden markiert und mögliehe Lösungen mit ihrem Für und Wider vorgeführt. Es ist diese weniger grundsätzliche Ebene, auf der speziell die Rechtsvergleichung ihren Ertrag bringt. Sie erweitert die Anschauung des Problemfeldes und präsentiert praktizierte Modelle rechtlicher Regelung. In der folgenden rechtsvergleichenden Erörterung der Probleme wird von den ausländischen Rechten das amerikanische Reorganisationsverfah­ 1 Ott, Untemehmenskorporation 271

ren im Vordergrund stehen. Nicht nur vereinigt es in sich lange Erfahrung und hohen Entwicklungsstand2, sondern es dürfte auch den Grundgedan­ ken zu Sinn und Zweck des Sanierungsverfahrens, die sich aus dem wirtschaftlichen, sozialen und politischen Befund von heute ergeben, trotz seines Alters am nächsten stehen. Zum einen war es durch seine ursprüngUche Ausrichtung auf die Reorganisation von Eisenbahnen3 von vornherein rechtliches Mittel für die Austragung von öffentlich bedeutsamen Wirt­ schafts- und Sozialkonflikten. Unter der betont privatrechtlichen Einklei­ dung des Receivership-Verfahrens blieb diese faktische Funktion zwar oft verborgen, doch wurde sie spätestens durch W. O. Douglas und „sein“ Kapitel X anerkannt und in rechtliche Form umgesetzt4. Indem das Gesetz von 1938 unter der Losung der „Demokratisierung“ für Durchsichtigkeit des Verfahrens, Mitwirkungschancen der Beteiligten und öffentliche Kon­ trolle sorgte, entsprach es auch in seinem sachlichen Inhalt dem, was heute von einem Sanierungsverfahren für Großunternehmen gefordert werden muß. Die Reform von 1978 ist zwar dem kaufmännischen Pragmatismus wieder ein Stück entgegengekommen, doch wird für Großunternehmen der Gesamtcharakter des Verfahrens sich dadurch nicht wesentlich ändern. Der Lehrwert des amerikanischen Rechts ist aber auch deshalb groß, weil es konzipiert wurde für die Eisenbahnen, also Unternehmen, deren Weiterexistenz in den meisten Fällen nicht in Frage gestellt werden durfte5. Die Großunternehmen, „die nicht mehr aufgegeben werden können“, dürften - jedenfalls in Europa - heute in viel größerer Zahl und auf weiteren Bereichen vorkommen, und sie stellen für ihren Bereich dem Insolvenzrecht die Lebensfrage6. Das amerikanische Verfahren zeigt dage­ gen bis in die Einzelheiten, daß gerade im Unsterblichkeitsfall für ein Insolvenzrecht noch vieles und Entscheidendes zu tun bleibt.

B. Organisation der Atempause Die erste Aufgabe eines Sanierungsverfahrens ist es, den Beteiligten eine Atempause zu verschaffen, in der die Verhältnisse geprüft und über das weitere Schicksal des Unternehmens entschieden werden kann. Das Ziel der rechtlichen Organisation ist deshalb zunächst die Erhaltung des Status quo, damit einerseits die Lebensfähigkeit des Unternehmens, soweit noch vorhanden, einstweilen bewahrt und andererseits den Beteiligten, die für 2 Zu diesem Gesichtspunkt siehe oben S. 5f. 3 Siehe oben S. 35ff., 67f. 4 Siehe oben S. 77 ff.

5 Siehe oben S. 36 f. 6 Siehe oben S. 26£, 199f.

die Dauer des Verfahrens an der RechtsVerfolgung gehindert werden, die Substanz ihrer Rechte möglichst ungeschmälert erhalten wird.

I. Ausstattung und Finanzierung 1. Abwehr der Gläubiger

Erhaltung des Status quo bedeutet vor allem anderen, daß die Gläubiger gehindert werden müssen, dem Unternehmen das vorhandene Betriebs­ vermögen zu entziehen. Die deutsche Vergleichsordnung verbietet deshalb Vollstreckungsmaßnahmen nach der Eröffnung des Verfahrens (§§ 47, 48), verbietet die Konkurseröffnung, ermöglicht Sicherungsmaßnahmen bereits mit der Stellung des Vergleichsantrags (§ 46) und vereitelt nach­ träglich Vollstreckungen, die kurze Zeit vor dem Eröffnungsantrag betrie­ ben wurden (§ 28). Im amerikanischen Verfahren stand für diesen Zweck bisher eine ganze Batterie von teilweise sich überlagernden Rechtssätzen zur Verfügung. Heute sind diese in einer Vorschrift so zusammengefaßt, daß der Antrag auf Reorganisation automatisch alle gegen das Unternehmen gerichteten Ver­ fahren zum Stillstand bringt, solange nicht das Gericht - auf Antrag - eine andere Anordnung trifft (§ 362). Vom deutschen Recht unterscheidet sich das amerikanische dadurch, daß schon der Antrag auf Reorganisation die generelle Zugriffs- und Verfah­ renssperre auslöst (§ 362 [a]) und daß der Schuldner auch ein bereits eröffnetes Konkursverfahren (Liquidationsverfahren) durch seinen bloßen Antrag in ein Reorganisationsverfahren umwandeln kann (§ 706 [a]); stellt ein anderer Beteiligter den Reorganisationsantrag, so kann das Gericht nach vorheriger Anhörung diese Umwandlung aussprechen (§ 706 [b]). Anders als die deutsche Vergleichsordnung (§§ 10, 14, 20 Abs. 2) setzt das ameri­ kanische Recht auch keine Fristen, sondern überläßt es dem Gericht, auf Antrag die Zugriffssperre einzuschränken, aufzuheben oder das Reorgani­ sationsverfahren ganz abzubrechen, wenn dies zum Schutz der Gläubiger notwendig erscheint7. 2. Sicherungsrechte

Die Kernfrage für diese Phase des Verfahrens ist die nach der Behand­ lung der gesicherten Gläubiger. Die deutsche Vergleichsordnung erfaßt die

Einzelheiten in § 362 (d) und § 1122.

Sicherungsrechte prinzipiell nicht (§§ 26, 27), und daher scheint für sie auch die nur vorübergehende Einbeziehung dieser Gläubiger in die Sanie­ rungsbemühungen kein Thema zu sein. Das amerikanische Verfahren dagegen ist geradezu geboren aus dem Bestreben, den hypothekarisch gesi­ cherten Gläubigern Opfer abzuverlangen, und deshalb mag ihm die Abwehr der gesicherten Gläubiger schon während des Reorganisationsverfahrens ganz natürlich erscheinen. In Wirklichkeit stellt sich die Frage, ob den gesicherten Gläubigern während des Verfahrens Einhalt geboten werden kann, ganz unabhängig von der anderen Frage, inwieweit man sie am Ende auch gegen ihren Willen in den Sanierungs- und Reorganisationsplan einbeziehen kann. Das zeigt zum Beispiel die deutsche Reformdiskussion um das Insolvenzrecht, in der seit dem 51. Deutschen Juristentag befürwortet wird, den gesicherten Gläubigern sogar für das eigentliche Konkursverfahren die selbständige Geltendmachung und Verwertung der Sicherheiten aus der Hand zu neh­ men8. Im amerikanischen Recht zeigte sich das gleiche am Arrangement­ Verfahren nach Kap. XI des alten Konkursgesetzes. Dieses Verfahren zielte wie die deutsche Vergleichsordnung nur auf eine Neuordnung der ungesi­ cherten Schuld9, aber trotzdem kannte es immer schon, ähnlich dem Reorganisationsverfahren, die Verwertungssperre für die gesicherten Gläu­ biger, solange das Verfahren andauerte10. In den Vereinigten Staaten wurde dann andererseits zunehmend erkannt, daß auch für das eigentliche Reor­ ganisationsverfahren die vorläufige Abwehr der gesicherten Gläubiger keine Selbstverständlichkeit ist. Denn das Verfahren kann aus den unter­ schiedlichsten Gründen ohne Reorganisationsplan enden, und gerade für diesen Fall - wenn nach langen Mühen doch nur die Liquidation des Unternehmens bleibt - stellt sich die Frage, ob es gerechtfertigt war, die gesicherten Gläubiger während der Dauer des Verfahrens an der Verwirkli­ chung ihrer Rechte zu hindern11. 8 51. DJT (1976) II O 183, Beschlüsse Nr. 23 und 24; und die vorbereitenden Gutachten und Referate von Drobnig, aaO. I F 86f., Henckel, aaO. II O 22f, und Kilger, aaO. II O 41 f.; seitdem: Weber, KO-Festschrift 355 f.; Künne, Betr. 1978, 729, 730 f. 9 Siehe oben S. 85 f. 10 Nach § 314 konnte das Gericht nach seinem Ermessen Abwehrverfügungen auch gegen gesicherte Gläubiger erlassen; es scheint, daß solche Verfügungen allmählich zur Regel geworden waren; die Rechtsprechung wird ausführlich referiert von Phtzman/Smith, Cal. L. Rev. 65 (1977) 1224; Webster, Am. Bankr. L. J. 51 (1977) 197ff.; Yacos, Ref. J. 44 (1970) 29 ff. Diese Praxis wurde kodifiziert in Bankruptcy Rule 11-44. 11 Zur neueren Diskussion siehe oben S. 131 ff, außerdem Trost, Am. Bankr. L. J. 48 (1974) 133ff.; Countryman, Com. L. J. 82 (1977) 349ff.; Webster (N. 10); Peitzman/Smith (N. 10) 1216ff.

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Flessner BIPR 48

Das amerikanische Recht beantwortet diese Frage mit einem grundsätzli­ chen und entschiedenen Ja. Die Klage- und Vollstreckungssperre nach § 362 richtet sich auch und gerade gegen die Verwertung von Sicherheiten, ob durch gerichtliches Verfahren oder durch freihändiges Vorgehen der gesicherten Gläubiger. Problematisch erschien offenbar nie die Verwer­ tungssperre an sich, sondern - für bestimmte Arten von Sicherheiten - ihre Dauer und die dem Unternehmen zusätzlich verliehene Nutzungs- und Verbrauchserlaubnis. Das alte wie auch das neue Recht überlassen es letztlich dem Gericht, im Einzelfall auf Antrag für den nötigen Schutz des gesicherten Gläubigers zu sorgen12.

3. Mietverträge und andere Existenzgrundlagen Für die vorläufige Erhaltung des Unternehmens ist oft nicht minder wichtig die Belassung oder der Bezug von Leistungen und Gegenständen, die das Unternehmen sich durch langfristige Verträge sichert. Beispiele: Mietverträge; Wasser und Energie; Telefon und Bahnanschluß. Die Bedeutung der Mietverträge ist ohne weiteres klar im Fall gemieteter Betriebsgrundstücke. Aber auch für das bewegliche Betriebsvermögen gewinnen sie an Bedeutung, je mehr sich die reine Miete oder die Kauf­ Miete (unter dem Titel „Leasing“) als Form der gesicherten Anlagenfinan­ zierung ausbreitet. Im Insolvenzzusammenhang stellt sich dann das Pro­ blem, ob und unter welchen Bedingungen der Vermieter gehalten werden kann, die vermieteten Gegenstände für die Dauer des Verfahrens dem Unternehmen zu belassen. Das deutsche Vergleichsverfahren kennt (anders als die KO, § 19) kein besonderes Kündigungsrecht des Vermieters. Im Mietvertrag kann aber die Auflösung der Vertrages oder ein Kündigungsrecht für den Fall des Vergleichs vereinbart sein; auch kann unter Umständen die Insolvenz als „wichtiger Grund“ im Sinne der gesetzlichen Kündigungsvorschriften angesehen werden, oder der Vermieter kann wegen rückständigen Miet­ zinses kraft Gesetzes zur Kündigung berechtigt sein (siehe §§ 554, 564 BGB). Gegen die Ausübung solcher Lösungsbefugnisse des Vermieters unternimmt das deutsche Insolvenzrecht nichts. Das Rücktrittsverbot des § 36 II 2 VerglO, wenn überhaupt auf Mietverträge anwendbar, gilt nur für die Vergangenheit, nicht für die noch bevorstehende Vertragszeit13. Der Vermieter kann also, wenn Vertrag oder Gesetz ihm das Recht dazu geben, 12 Im einzelnen siehe oben S. 131 ff. 13 Siehe BLEY/MOHRBUTTER § 36 Anm. 50.

die Insolvenz oder die Einleitung des Vergleichsverfahrens zum Anlaß nehmen, dem Unternehmen die Mietsache zu entziehen. Er kann sich die Mietsache ferner dann wieder verschaffen, wenn der Mietvertrag während des Verfahrens durch Zeitablauf oder durch ordentliche Kündigung endet. Das amerikanische Recht versperrt oder beschränkt alle diese Möglich­ keiten. Die heutige gesetzliche Regelung - in den Einzelheiten umständlich und komphziert - ist Festschreibung einer Rechtssprechung, die schon seit langem, zum Teil gestützt nur auf ihre reorganisationsrechtliche Fürsorge­ zuständigkeit, sich bemüht, dem Unternehmen die Mietsache zu erhalten, wenn dies für den Erfolg des Verfahrens notwendig erscheint14. Im einzel­ nen: Vertragsbestimmungen, die im Falle der Insolvenz den Vertrag enden lassen oder dem Vermieter ein Kündigungsrecht geben, sind im Reorgani­ sationsverfahren unwirksam; über das weitere Schicksal des Mietvertrages soll letztlich der Reorganisationsplan bestimmen (§ 363 [1], § 365 [e]). Der Vermieter kann freilich dem Unternehmen (oder seinem Treuhänder) durch das Gericht eine Frist bestimmen lassen zur Erklärung, ob der Vertrag „übernommen“ oder „abgelehnt“ werde (§ 365 [d] [2]); in der bisherigen Praxis haben die Gerichte dem Treuhänder für die Wahl zwi­ schen Übernahme oder Ablehnung recht großzügig Zeit gelassen und damit die Rückforderung der Mietsache zugunsten des Unternehmens in der Schwebe gehalten15. Übernahme und Ablehnung des Vertrages bedür­ fen, wenn sie außerhalb des Reorganisationsplans vom Unternehmen oder dem Treuhänder erklärt werden, der Zustimmung des Gerichts (§ 365 [a]). War das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt mit dem Mietzins im Verzug, so darf es sich für die Weiterführung des Vertrages nur entscheiden, a) wenn der Rückstand beglichen oder seine alsbaldige Begleichung ausrei­ chend zugesichert wird, b) wenn dem Vermieter ein Verzugsschaden ersetzt oder alsbaldiger Ersatz ausreichend zugesichert wird und c) wenn angemessene Zusicherungen für die künftigen Mietzahlungen gegeben werden können (§ 365 [b]). Das Recht zum Festhalten am Mietvertrag hilft dem Unternehmen nicht, wenn der Vertrag aus sich heraus oder durch ordentliche Kündigung vor oder während des Verfahrens endet. Aber selbst in diesem Fall genießt das Unternehmen einen gewissen Schutz, weil die allgemeine Klage-, Zugriffs- und Verwertungssperre prinzipiell auch gegenüber der Heraus­ 14 Nachweise bei Collier VI § 3.23 (3) N. 24, 28, 29; Queens Bd. Wine & Liquor Corp. v. Blum, 503 F. 2d 202 (Cir. 2, 1974); In re Fleetwood Motel Corp., 335 F. 2d 857 (Cir. 3, 1964); Weaver v. Hutson, 459 F. 2d 741 (Cir. 4, 1972); In re Lane Foods, 213 F. Supp. 133 (S.D.N.Y. 1963). 15 Collier VI § 3.23 (6); siehe dazu auch Kramer 116f.

gabeklage des Eigentümers wirkt16. Die Herausgabesperre kann vom Gericht auf Antrag aufgehoben werden, jedoch nicht, wenn die Mietsache für eine wirksame Reorganisation benötigt und der Vermieter für die weitere Belassung ausreichend entschädigt wird (§ 362 [d]). Der Vermieter wird insofern wie ein gesicherter Gläubiger behandelt17. Die hier am Beispiel der Miete beschriebenen vertragserhaltenden Regeln gelten für alle Verträge, die beiderseits noch nicht erfüllt sind („executory contracts"), mit Ausnahme von Kreditversprechen und Ver­ trägen, die höchstpersönliche Leistungen vorsehen (z. B. Dienst- und ArbeitsVerträge). An solchen Vereinbarungen braucht der andere Teil sich vom insolvent gewordenen Unternehmen nicht festhalten zu lassen (§ 365 [c] + [e] [2]). Eine besondere Regelung ist aber getroffen für Versorgungs­ unternehmen („Utilities“); sie dürfen Zahlungsrückstände aus der Zeit vor der Eröffnung des Verfahrens nicht zum Anlaß nehmen, die Belieferung zu unterbrechen oder einzuschränken, jedoch können sie verlangen, daß innerhalb von zwanzig Tagen nach der Eröffnung des Verfahrens ange­ messene Sicherheit für die Bezahlung der weiteren Belieferung geleistet wird (§ 366).

4. Aufrechnung

Die notwendigen baren Mittel für den laufenden Betrieb unterhält ein Unternehmen in der Regel als Giro- und Sichtguthaben bei Banken. Diese sind normalerweise auch Kreditgeber des Unternehmens, und besonders im Insolvenzfall wird der bei der ständigen Bankverbindung des Unterneh­ mens bestehende Kredit nicht unerheblich sein. Umgekehrt ist es auch nicht unüblich, daß die Bank von ihrem Kreditnehmer verlangt, daß er zu einem gewissen Prozentsatz des Kredits Sicht- und Giroguthaben bei ihr unterhält. Soweit das Unternehmen daher über eigene Barbestände über­ haupt noch oder (im Laufe des Verfahrens) wieder verfügt, sind diese in der Regel bedroht durch das der Bank aus ihrer Kreditforderung erwachsene Aufrechnungsrecht.

16 § 362 (a) (3) verbietet jede Besitzerlangung von „property ofthe estate or of property fiom the estate“ (Hervorhebung hinzugefugt); in diesem Sinne versteht anscheinend auch Collier (15. Aufl.) S. 362-31 f die Bestimmung. 17 Der Kommissionsentwurf hatte die Herausgabesperre nur gegenüber dem Vermieter beweglicher Sachen vorgesehen, § 7-203; die darin liegende Begünstigung der Vermieter von Grundstücken - auch gegenüber den gesicherten Gläubigern - wurde aber als widersprüchlich und unnötig kritisiert; siehe Coogan/Broude/Glatt, Bus. Law. 30 (1975) 1177ff.; Murphy, Cal. L. Rev. 63 (1975) 1495 f, 1498 f.; Festersen, Am. Bankr. L. J. 46 (1972) 324-332, 335; Peitzman/Smith (N. 10) 1256ff; Webster (N. 10) 240ff.

Das deutsche Recht erlaubt ausdrücklich auch dem Vergleichsgläubiger (den Nicht-Vergleichsgläubigern ohnehin) die Aufrechnung unter den gleichen Voraussetzungen wie im Konkursverfahren (§ 54 VerglO). Die Aufrechnungsmöglichkeit wird nur bezweifelt für den Fall, daß gemäß §§ 58, 62 VerglO auch ein Verfügungsverbot ausgesprochen worden ist18. Aber auch diese Ansicht - die sich bisher nicht durchgesetzt hat19 - würde nur die Aufrechnung mit Zahlungen verbieten, die nach der Vergleichser­ öffnung für den Schuldner bei der Bank eingehen, nicht dagegen mit dem schon vorher bestehenden Guthaben. Das amerikanische Verfahren erkennt dagegen auch in dieser Situation ein Problem der vorläufigen Substanzerhaltung. Seit einer Entscheidung des Supreme Court aus den dreißiger Jahren war anerkannt, daß das Reorganisationsgericht, wenn es zum Schutz des Unternehmens unum­ gänglich schien, kraft seiner allgemeinen Fürsorgezuständigkeit von Fall zu Fall Aufrechnungsverbote aussprechen konnte. Bei vielen Gerichten bür­ gerte es sich ein, sogleich mit der Verfahrenseröffnung ein allgemeines Aufrechnungsverbot zu verkünden und es den betroffenen Gläubigern zu überlassen, dessen Aufhebung zu beantragen20. Sachliche Begründung: (1) Den für den laufenden Betrieb notwendigen Zufluß von Barmitteln zu unterbrechen, würde den Erfolg des Reorganisationsverfahrens gefährden. (2) Die wirksame Aufrechnung würde faktisch dem Gläubiger ein Vor­ zugsrecht verschaffen, das im Widerspruch stünde zu dem Ziel, allen Gläubigern letztlich im Reorganisationsplan Gerechtigkeit (nach der abso­ luten Vorrangsregel) widerfahren zu lassen21. Das neue Gesetz konsolidiert diese Praxis und versucht, die Interessen der Beteiligten zu einem besseren Ausgleich zu bringen. Nach § 362 (a) (7) bewirkt der Verfahrensantrag auch eine automatische Aufrechnungssperre. Auf Antrag des Gläubigers kann das Gericht die Sperre unter denselben Voraussetzungen aufheben wie die sonstige Zugriffssperre - oder auch modifizieren mit Auflagen, die dem Gläubiger ausreichenden Schutz ge­ währen22. Die Aufrechnungssperre bedeutet eigentlich, daß das Unternehmen über UHLENBRUCK, KTS 1972, 224 N. 18. 19 Siehe BLEY/MOHRBUTTER § 62 Anm. 9; BöHLE-STAMSCHRÄDER, VerglO § 62 Anm. la; siehe auch Canaris, KO-Festschrift 89 f. 20 Führende Entscheidungen: Lowden v. Northwestern Nat. Bank & Trust Co., 298 U.S. 160 (1936); Baker v. Gold Seal Liquor, Inc., 417 U.S. 467 (1974); kommentiert in Mich. L. Rev. 75 (1975) 932 ff. Die Praxis wird dargestellt von Festersen (N. 17) 321 ff; Morton, Am. Bankr. L. J. 50 (1976) 379ff; Bankruptcy Commission, Report II 238. 21 So im Baker-Fall (N. 20) 470, 474. 22 Siehe dazu oben S. 134f.

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seine so geschützte Forderung im ordentlichen Geschäftsgang auch verfu­ gen, z. B. Auszahlung verlangen oder die Forderung abtreten kann23. Handelt es sich jedoch um ein Bankguthaben oder eine ähnliche Forderung mit Bargeldfunktion, so muß für eine Verfügung über das Guthaben vorher eine Ermächtigung des Gerichts eingeholt werden (§ 363 [c] [2]). Wie bei der Nutzungserlaubnis für Sicherungsgut darf das Gericht diese Ermächtigung (nach Anhörung des anderen Teils) nur aussprechen, wenn dem anderen Teil (Gläubiger der Gegenforderung) Garantien gegeben werden können (z. B. Ersatzsicherheiten oder Zusagen vorrangiger Befrie­ digung im Reorganisationsplan), die ihn ebenso sichern wie die vordem gegebene Aufrechnungsmöglichkeit (§ 363 [e]). 5. Kreditversorgung

Den Status quo sichern heißt, daß das Unternehmen nicht nur als tote Masse, sondern als lebende Organisation erhalten werden muß. Das Unternehmen muß mit den ihm belassenen Vermögens teilen also auch arbeiten können. Dafür sind Geld und Kredit notwendig, womit die Kosten des laufenden Betriebs, insbesondere Löhne und Materialeinkauf, unter Umständen aber auch unaufschiebbare Investitionen bestritten wer­ den können. Eine gewisse Hilfe bringt die bloße Eröffnung des Verfahrens dadurch, daß sie durch die Vollstreckungs- und Verwertungssperre den Zinsen- und Tilgungsdienst für das bisher vorhandene Kapital einstweilen aussetzt24; die so frei werdenden Barmittel können für den laufenden Betrieb verwendet werden. Oft ist jedoch für die vorläufige Fortführung des Unternehmens zusätzliches Kapital erforderlich, und dies, bevor der Erfolg des Verfahrens gewährleistet ist. Im deutschen Vergleichsverfahren wird dieses Bedürfnis nur schwach berücksichtigt. Darlehen, die der Schuldner mit Zustimmung des Ver­ gleichsverwalters zur Fortführung des Geschäfts aufgenommen hat („Ver­ walterdarlehen“), sind nach § 106 VerglO Masseschulden, wenn später doch der Konkurs eröffnet werden mußte. Diese Vorschrift gilt nach allgemeiner Meinung wirklich nur für eigentliche Darlehen, also nicht zum Beispiel für Lieferungen und Leistungen, die dem Unternehmen auf Kredit erbracht werden25. Der Kreditierende kann sich in diesen Fällen durch Ausbedingung von Sicherheiten (z. B. Eigentums vorbehalt) schützen,

23 Siehe oben S. 133. 24 Siehe auch §§ 8 III, 29 Nr. 1 VerglO. 25 BLEY/MOHRBUTTER § 106 Anm. 3; BöHLE-STAMSCHRÄDER, VerglO § 106 Anm. 1

jedoch nur, wenn es sich um Lieferung von Sachen handelt, die Gegen­ stand eines Sicherungsrechts sein können, also nicht bei Dienstleistungen. Das amerikanische Recht geht das Problem sehr viel energischer an. Alle Verbindlichkeiten, die nach der Verfahrenseröffnung für den Geschäftsbe­ trieb eingegangen werden, sind Verwaltungsausgaben („administrative expenses"), die den alten Verbindlichkeiten vorgehen26. Mißlingt der Sanierungsversuch, so müssen diese Gläubiger im anschließenden Konkurs vor den allgemeinen Gläubigern befriedigt werden27. Kommt es zu einem rechtskräftigen Reorganisationsplan, so dürfen sie gegen ihren Willen nicht mit Anteils- oder Forderungsrechten abgefunden, sondern müssen bar befriedigt werden28. Darüber hinaus aber kann das Gericht den Treuhänder auf Antrag und nach Anhörung der Beteiligten ermächtigen, Kredite gegen Einräumung von Sicherungen aufzunehmen, die sogar allen (oder auch nur einzelnen) bestehenden Sicherungsrechten vorgehen (§ 364). Diese Möglichkeit der Geldbeschaffung hatten die Gerichte zunächst für Reorganisationen von Eisenbahngesellschaften im Receivership-Verfahren entwickelt29. Sie wurde dann entsprechend der schon vorher bestehenden gerichtlichen Praxis auch in die für andere Gesellschaften geltenden Reor­ ganisationsgesetze (zunächst § 77B, dann Kap. X) aufgenommen30. Die heutige Gesetzesfassung (§ 364) verdeutlicht die Rechtsgrundlage und spe­ zifiziert die notwendigen Kautelen. Denn es ist klar, daß Schuldtitel, die allen anderen Sicherungsrechten vorgehen können, ein äußerst wirksames Geldbeschaffungsmittel darstellen, daß ihre Ausgabe aber andererseits den alten Gläubigern, besonders den gesicherten, erheblichen Schaden zufügen kann. In der Praxis der Gerichte (die nach ihrem Ermessen entscheiden) wurde die Einräumung von Vorrängen daher als ultima ratio betrachtet. Alle anderen Finanzierungsquellen (z. B. Barmittel, Veräußerung nicht betriebsnotwendigen Vermögens, Zuzahlungen von bisherigen Kapitalge­ bern) mußten ausgeschöpft sein, und es mußte dargetan werden können, daß die Geldzufuhr zur einstweiligen Erhaltung des Unternehmens not­ wendig und geeignet sein würde. Auch durften für den Fall eines Mißlin­ 26 Bankruptcy Code §§ 503, 507 (a). 27 § 726(a) (1).

28 Collier VI A § 10.05 S. 22f. Das Gesetz bringt dies dadurch zum Ausdruck, daß es diese Verbindlichkeiten vom Regelungszugriff des Reorganisationsplans ausnimmt, § 1123(a) (1), und ihre Barbegleichung spätestens mit Rechtskraft des Plans verlangt, § 1129 (a) (9). 29 Siehe oben S. 50 f. 30 § 116(2): . to issue certificates of indebtedness for cash, property, or other consideration approved by the judge, upon such terms and conditions and with such security and priority in payment over existing obligations, secured or unsecured, as in the particular case may be equitable."

gens der Reorganisation die Rechte der alten, besonders der gesicherten Gläubiger auf den Liquidationserlös nicht zu offensichtlich gefährdet er­ scheinen31. Der Kommissionsentwurf von 1973 (§ 7-106) versuchte nur, das Ver­ fahren bei der Ermächtigung zur Schuldscheinausgabe zu verbessern; im übrigen verwies er auf die in der bisherigen Praxis entwickelten Maßstäbe. Das nun geltende Gesetz (§ 364) enthält darüber hinaus eine Präzisierung, indem es eine Stufenleiter der Dringlichkeit und der notwendigen Schutz­ vorkehrungen aufstellt: (1) Im gewöhnlichen Geschäftsgang kann das Schuldnerunternehmen (oder sein Treuhänder) ungesicherten Kredit aufnehmen, der als Verwal­ tungsverbindlichkeit (Masseverbindlichkeit) behandelt wird (§ 364 [a]); eine Kreditaufnahme, die außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsganges liegt, bedarf der Genehmigung des Gerichts auf Grund einer Anhörung der Beteiligten (§ 364 [b]). (2) Wenn ungesicherter Kredit so nicht zu erhalten ist, darf das Gericht nach Anhörung der Beteiligten die Kreditforderung mit einem Vorrang vor allen anderen Verwaltungs Verbindlichkeiten ausstatten oder sie durch bislang unbelastete Teile des Unternehmensvermögens sichern lassen (§ 364 [c]). (3) Erst wenn Kredit auch so nicht zu erlangen ist, darf das Gericht die Bestellung von Sicherungsrechten am Unternehmens vermögen mit Gleich­ rang oder Vorrang vor anderen Sicherungsgläubigern gestatten, jedoch muß diesen zurückgesetzten Gläubigern angemessener Schutz durch Subsi­ diärsicherheiten oder sonstwie gewährt werden (§ 364 [a] in Verbindung mit § 361). Die Beweislast, daß solcher Schutz gewährleistet ist, hat das Unternehmen (oder sein Treuhänder) (§ 364 [2]). 6. Rechtspolitische Würdigung Daß die gesicherten Gläubiger in das Insolvenzverfahren einbezogen und während dieser Zeit an der Verwertung gehindert werden müssen, ist zur Zeit communis opinio in der deutschen insolvenzpolitischen Diskussion32. Aus dem Bedürfnis nach einem für große Unternehmen geeigneten Sanie­ rungsverfahren ergibt sich die Einbeziehung der Sicherungsrechte zwangs­ läufig. Denn angesichts des Umfangs, den Kreditsicherungen in der heuti­ gen Wirtschaft angenommen haben, und angesichts der besonderen Quali­ 31 Ausführliche Darstellung der Rechtsprechung bei Tondel/Scott, Bus. Law. 27 (1971) 26ff.; Baker, Am. Bankr. L. J. 50 (1976) 16ff., 35ff. 32 Siehe oben S. 24, 209.

tät der von ihnen erfaßten Unternehmensbestandteile müssen gerade die gesicherten Gläubiger zum Stillhalten gezwungen werden, wenn das Ver­ fahren überhaupt einen Sinn haben soll. In allen ausländischen Rechten, die in dieser Untersuchung behandelt werden, ist die einstweilige Abwehr auch der gesicherten Gläubiger daher selbstverständlicher Bestandteil des Verfahrenskonzepts, in den Vereinigten Staaten sogar bisher schon auch desjenigen Verfahrens (Arrangement nach dem alten Kap. XI), das am Ende eine Bindung der gesicherten Gläubiger an den Sanierungsplan nicht zuließ33. Das gegenwärtige deutsche Recht befindet sich zu dieser interna­ tionalen Entwicklung in einem deutlichen Rückstand, und auch die bishe­ rige Reformdiskussion zu diesem Problem ist bislang noch auffällig zag­ haft. Ein beherztes Hereinziehen der gesicherten Gläubiger in das Sanie­ rungsverfahren wenigstens bis zu dessen positivem oder negativem Ende erscheint angebracht. Die gesicherten Gläubiger für die Dauer des Sanie­ rungsverfahrens an der Ausübung ihrer Rechte zu hindern, geht weniger weit und ist deshalb sowohl gesetzessystematisch als auch politisch eher realisierbar als Eingriffe in die Substanz der Sicherungsrechte, die in der deutschen Diskussion bisher hauptsächlich ins Auge gefaßt wurden34. Die vielbeklagte Hypertrophie der Sicherungsrechte könnte nach einer solchen Lösung weitaus gelassener betrachtet werden. Wenn die einstweilige Abwehr der gesicherten Gläubiger akzeptiert wird, so ergibt sich daraus natürlich ein Weiterdenken in die Richtung anderer Zugriffsrechte, die die wirtschaftliche Existenzgrundlage des Unter­ nehmens bedrohen. Das amerikanische Recht fuhrt uns vor, wie sich allmählich eine geschlossene Konzeption entwickelt (seit 1978 auch äußer­ lich zusammengefaßt, §§ 361-366), die immer weniger von der Rechtsna­ tur des Zugriffs und immer mehr von dem wirtschaftlichen Problem selbst geformt wird. Das ist die Lösung der Zukunft. Denn wenn man nicht von der rechtlichen Einkleidung des Sicherungs- und Nutzungsverhältnisses, sondern von dem wirtschaftlichen Erstziel des Verfahrens - einstweilige 33 Siehe oben S. 209. Für England und Frankreich siehe oben S. 161 f., 167. Reform in dieser Richtung ist auch in Österreich vorgesehen in der Regierungsvorlage eines Insolvenzrechtsän­ derungsgesetzes (1979): Stenographische Protokolle des Nationalrates XV. GP, 3 der Beila­ gen, S. 27, 33 (zu § 11 II AO). 34 Siehe z.B. Drobnig, 51.DJT (1976) I F 54ff., 98; Hanisch, ZZP 90 (1977) 10ff.; Arnold, DRpfl. 1977, 392, 395; Meyer-Cording, NJW 1979, 2126 f.; alle mit Angaben über die ältere Reformliteratur. Der Gedanke, mehr bei der verfahrensrechtlichen Stellung der Sicherungsrechte anzusetzen, wird dagegen in den Vordergrund gestellt von Henckel, 51. DJT (1976) II O 22f., und Kilger ebda. O 35f, 40ff.; jetzt auch Drobnig, RabelsZ 44 (1980) 806, und Allan/Drobnig ebda. 645, 647; dagegen kritisch Komo, BB 1979, 246ff.; Komo/ Seelig/Thamm, BB 1980, 220ff.; Komo, NJW 1980, 817ff.

Unternehmenserhaltung - ausgeht, dann ist es gleichgültig, aufgrund welchen Rechtstitels (Sicherungsrecht, Eigentum, Aufrechnung) dem Unternehmen der Entzug des existenzwichtigen Vermögensteils droht. Diese Sicht der Dinge wird bestätigt durch die Erfahrung, daß die klassischen Sicherungsrechte mit anderen Formen der Kreditsicherstellung mehr und mehr funktionell austauschbar werden. Die Miete oder Kauf­ miete („Leasing“) ist in vielen Bereichen der Wirtschaft nicht nur für bewegliches Vermögen, sondern auch für die Betriebsgrundstücke zu einer immer präsenten Alternative der Fremdfinanzierung geworden; ebenso ist die Möglichkeit der Aufrechnung (hauptsächlich für die Banken) immer eine erwägenswerte Alternative zu anderen Formen der Kreditsicherung (etwa einer sichernden Abtretung von Außenständen). Die Entwicklung von Sicherungsübereignung und Sicherungsabtretung in Deutschland zeigt zur Genüge, daß die Kreditbedürfnisse auf gesetzliche Kataloge von Siche­ rungstypen keine Rücksicht nehmen. Ebenso hat es insolvenzrechtlich wenig Sinn, die einstweilige Belassung von Betriebsvermögen im Insol­ venzverfahren von einer immer nur zeitweilig gültigen Unterscheidung zwischen „Sicherungsrechten“ und „anderen“ Herausgabe- oder Zugriffs­ rechten abhängig zu machen. Ein Problem anderer Art ist vielleicht die einstweilige Kreditversorgung. Wenn während des Sanierungsverfahrens neues Kreditkapital zugeführt wird, das einstweilen den weiteren Betrieb ermöglichen soll, so werden dadurch dem Unternehmen zusätzliche Verbindlichkeiten aufgebürdet, die später auf jeden Fall, gleichgültig ob in der Liquidation oder in der Sanierung, Berücksichtigung verlangen. Die Situation bleibt unproblema­ tisch, wenn die Kapitalzufuhr zu einer solchen Erhöhung des Unterneh­ menswerts führt, daß die neuen Kapitalgeber daraus ungeschmälert (in bar oder in Anteils- oder Schuldtiteln des sanierten Unternehmens) befriedigt werden können. Gerade dies ist aber im Zeitpunkt des Kapitalbedarfs normalerweise nicht sicher vorhersehbar. Andererseits ist der Bedarf des Unternehmens nach Überbrückungskapital für die Zeit der Sanierungsbe­ mühungen oft unabweislich. Die Frage ist also: Wer soll das Sanierungsverfahren finanzieren und wer soll die Gefahr tragen, daß dieses Kapital am Ende des Verfahrens dem Kapitalgeber weder in bar noch in Anlagetiteln wieder voll verfügbar ist? Der amerikanische Behelf der Kreditaufnahme gegen vorrangige Sicher­ heit ist eine eindeutige privatwirtschaftliche Lösung des Problems. Die Mittel werden auf dem allgemeinen Kapitalmarkt besorgt, und aus dessen Gesetzen ergibt sich die Strenge des Befriedigungsvorrangs, denn ohne ihn ist von privaten, wirtschaftlich kalkulierenden Kapitalbesitzern das nötige

Geld nicht zu erlangen. Das genannte Risiko müssen in erster Linie also die bisherigen Anleger und Kreditgeber tragen, da ihnen in Höhe des vorran­ gigen neuen Kapitals die weitere Aushöhlung ihrer Ansprüche droht. Inwieweit diese Lösung auf andere Länder übertragbar ist, wird weitge­ hend von deren wirtschaftlicher und politischer Verfassung abhängen. Der heutigen Situation in der Bundesrepublik würde sie vermutlich nicht vollständig gerecht werden. Denn einerseits ist der deutsche Kapitalmarkt für Risikokapital wohl weniger ergiebig als der amerikanische35, anderer­ seits dürfte hier der Staat (im weitesten Sinne, einschließlich der staatlichen Kreditinstitute) kontinuierlicher als in den Vereinigten Staaten bereit sein, Sanierungskapital zu stellen und dessen Erhaltungsrisiko zu übernehmen. Auch liegt es wohl mehr als im amerikanischen politischen Denken in der Tradition des deutschen Sozialstaates, für Problembereiche nicht nur Rechte und Prozeduren zu gewährleisten, sondern auch für die Chancen ihrer effektiven Nutzung Verantwortung zu fühlen. Für die deutsche Situation wäre deshalb ein System, das allein auf die Mobilisierung des privaten Kapitalmarkts mit Hilfe von Vorrangskonzes­ sionen baut, nicht angemessen. So wenig wie man wegen der Bedeutung der großen Unternehmen für unser Wirtschaftssystem auf die sanierungs­ notwendige Zurückhaltung der bisherigen Kapitalgeber bei der Verfol­ gung ihrer Rechte vertrauen kann36, so wenig kann man zulassen, daß die Finanzierung des Sanierungsverfahrens allein vom privaten Kapitalmarkt abhängig ist. Daneben wird vielmehr der Staat als Quelle von Überbrükkungskapital für Sanierungsversuche immer eine bedeutende Rolle spielen. Die Aufgabe der Insolvenzrechtspolitik liegt unter anderem darin, diese Funktion des Staates, die faktisch seit langem das Insolvenzgeschehen bei großen Unternehmen mitbestimmt, rechtlich zu systematisieren und in das Insolvenzverfahren einzubauen. Die rechtliche und finanzielle Form wäre etwa eine Überbrückungskasse für Sanierungsverfahren, die durch gün­ stige Kredite das notleidende Unternehmen so lange finanzieren würde, bis das Sanierungsverfahren zu einem positiven oder negativen Abschluß gekommen ist. In der abschließenden Reorganisation oder (ungünstigen­ falls) Liquidation des Unternehmens wäre die Überbrückungskasse als einfacher Gläubiger zu berücksichtigen. Der Gedanke der finanziellen Mitverantwortung des Staates für den Sanierungsprozeß findet sich im ersten Ansatz sogar in der amerikanischen Diskussion; auf ihn wird in der 35 Die geringere Ergiebigkeit des deutschen Kapitalmarkts ist ständiges Thema deutsch­ amerikanischer Vergleiche; siehe z. B. Kohl/Walz, AG 1977, 29ff. Siehe auch oben S. 154 N. 72. 36 Siehe oben S. 198.

Literatur der Vorschlag gegründet, den gesicherten Gläubigern für den zusätzlichen Verlust, den sie durch das Einfrieren ihrer Sicherheiten wäh­ rend des Reorganisationsverfahrens erleiden, eine Steuergutschrift zu ertei­ len und so das Verfahren von Staats wegen mitzufinanzieren37. Finanzielle Mitverantwortung des Staates für das Sanierungsverfahren bedeutet nicht, daß die staatlichen Kapitalgeber die endgültige Weiterexi­ stenz von notleidend gewordenen Unternehmen zu sichern hätten. Aber selbst wenn staatliche Überlebenshilfen für Großunternehmen ausschließ­ lich als Ursache für Strukturversteinerungen und volkswirtschaftliche Effi­ zienzverluste zu sehen und deshalb bewußt und prinzipiell abzulehnen wären, bliebe doch anzuerkennen, daß die Zwischenümnzierung von Sanierungsversuchen nicht anders als die Darbietung des rechtlichen Ver­ fahrensrahmens eine legitime Aufgabe des modernen Staates ist. Wo diese Aufgabe zufriedenstellend erfüllt wird, besteht naturgemäß weniger stark das Bedürfnis, ein so drastisches Mittel privatwirtschafilicher Kapitalbeschaf­ fung wie die Bevorrechtigung neuer Kreditgeber zur Verfügung zu stellen.

7. Verfassungsrecht Die Abwehr derjenigen Kapitalgeber, die dem notleidend gewordenen Unternehmen existenzwichtige Mittel entziehen wollen, ist vorstehend als die einleuchtende und - für die Sicherungsrechte - als schon weitgehend akzeptierte Lösung dargestellt worden38. Das heißt natürlich nicht, daß gegen eine solche Lösung sich nicht wirtschaftlicher und politischer Wider­ stand regen wird. In einem rechtlichen und politischen System wie dem der Bundesrepublik wird die rechtspolitische Erörterung dann früher oder später mit verfassungsrechtlichen Überlegungen durchsetzt werden39. Auch in dieser Hinsicht bietet das amerikanische Recht ein Beispiel. In den letzten Jahren hat sich dort wieder eine Diskussion entwickelt, die sich an der Behandlung der Sicherungsrechte entzündet, der Sache nach aber alle der geschilderten Abwehr- und Finanzierungsmittel trifft. Nach einer einschlägigen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs von 1935 wurde die Behandlung der gesicherten Gläubiger im Reorganisations­ verfahren verfassungsrechtlich für lange Zeit nicht mehr angezweifelt40. 37 R. J. Rosenberg, U. Pa. L. Rev. 123 (1975) 513 ff.; Gordanier, Am. Bankr. L. J. 54 (1980) 329 ff. 38 Siehe oben S. 216 f. 39 So ansatzweise bereits bei Komo und Komo/Seelig/Thamm, oben N. 34. 40 Continental Illinois Nat. Bank & Trust Co. v. Chicago, Rock Island and Pacific Ry. Co., 294 U.S. 648, 681 (1935); siehe dazu Bankruptcy Commission, Report II 236; Countryman (N. 11) 349 ff.

Die neuerlichen Bedenken werden gegründet auf eine Entscheidung aus der gleichen Zeit, mit welcher der Gerichtshof ein Gesetz des New Deal (den sogen. „Frazier-Lemke Act“) für ungültig erklärte, das der bedrängten Landwirtschaft ein Hypothekenmoratorium und sodann schonendere Hypothekenverwertungsbedingungen verschaffen sollte41. Das Gesetz wurde zwei Jahre später in leicht veränderter Form erneut verabschiedet und nun in einer zweiten Entscheidung nicht mehr beanstandet42. Die erste Entscheidung dient aber heute noch als Aufhänger für eine zum Teil äußerst scharfsinnige Problemerörterung, die im wesentlichen zu dem Ergebnis kommt: Gesicherte Gläubiger dürfen im Reorganisationsverfah­ ren grundsätzlich an der Verwertung ihrer Sicherheit einstweilen gehindert werden; es verstößt aber gegen das Verbot entschädigungsloser Enteig­ nung und gegen das Gebot von „due process“, wenn sie am Ende nicht ebenso viel erhalten, wie sie zu Beginn des Verfahrens durch Liquidierung ihrer Sicherheit hätten erlösen können43. Das sachliche Gewicht dieser verfassungsrechtlichen Bedenken ist zwei­ felhaft. Manche der Autoren, die sie vorbringen, stehen der Kreditwirt­ schaft nahe44. Seit der Radford-Entscheidung des Supreme Court ist auch keine Gerichtsentscheidung mehr zu finden, die eine Verwertungssperre mit verfassungsrechtlicher Begründung aufgehoben hätte, obwohl die Gefährdung der Gläubigerrechte durch das Reorganisationsverfahren oft Gegenstand des Streits war45. Professor Vern Countryman von der Har­ vard Law School, angesehener Autor auf dem Gebiet der „creditors’ rights“, stellt deshalb mit Recht die Frage, ob die gleichen Erwägungen nicht auch für die ungesicherten Gläubiger gelten müßten (deren Abwehr verfassungsrechtlich niemals ernstlich zweifelhaft war); der Sinn des Siche­ rungsrechtes liege nicht in der Garantie eines bestimmten Verwertungser­ löses, sondern nur in dem Vorrang vor anderen Gläubigern; dieser werde durch das Reorganisationsverfahren selbst nicht angetastet46. Die genann­ ten Bedenken dürften aber immerhin mitbewirkt haben, daß die Schutz­

41 Louisville Joint Stock Bank v. Radford, 295 U.S. 555 (1935). 42 Wright v. Vinton Branch of the Mt. Trust Bank, 300 U.S. 440 (1937). 43 Besonders ausführlich R. J. Rosenberg (N. 37) 520ff., 524f., 536ff.; Jacobson, U. Chi. L. Rev. 42 (1975) 510ff.; außerdem Coogan/Broude/Glatt, Bus. Law. 30 (1975) 1169ff.; Murphy, Bus. Law. 30 (1974) 23 f., 34. 44 Coogan/Broude/Glatt und Murphy. 45 Die Fälle werden erörtert bei den in N. 17 genannten Autoren und bei Countryman (N. 11) 355ff, Am. Bankr. L. J. 50 (1976) 334ff.; Baker, Am. Bankr. L. J. (1976) 8-16ff., 30-35 ff. 46 (N. 11) 359f., Am. Bankr. L. J. 50 (1976) 335 f.

Standards zugunsten der gesicherten Gläubiger im neuen Gesetz präzisiert wurden47. Für eine auf deutschem Boden sich wiederholende Diskussion des Pro­ blems ergeben sich die folgenden Überlegungen: Zu den unerläßlichen Erfolgsbedingungen eines brauchbaren Sanierungsverfahrens gehört, daß während des Verfahrens auch die gesicherten Gläubiger an der Zwangs Ver­ wertung der Sicherheit gehindert werden. Andererseits tragen dadurch nicht nur sie, sondern auch die nicht gesicherten Gläubiger das Risiko, daß die Vermögenssituation des Unternehmens sich während dieser Zeit weiter verschlechtert. Die Verwertungssperre für die gesicherten Gläubiger ist deshalb nur eine zeitgemäße Weiterentwicklung des geltenden Insolvenz­ rechts, das sich jedenfalls für Großunternehmen vom Vollstreckungsden­ ken lösen muß48. Sie ist ebenso zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentums nach Art. 14 I 2 GG, wie Konkursordnung und Vergleichsordnung es für die ungesicherten Gläubiger heute schon sind49. Bei der Heranziehung der amerikanischen Diskussion ist allerdings zu bedenken, daß sie vor dem Hintergrund der Rechtsregeln geführt wird, die dem gesicherten Gläubiger für das Ende des Verfahrens in jedem Fall die Wahrung seines Vorrangs versprechen. Dieser Zusammenhang muß auch für die deutsche verfas­ sungsrechtliche Bewertung im Auge behalten werden50.

II. Geschäftsführung 1. Amerikanische Entwicklung

Eine der wichtigsten Fragen, die im Sanierungsfall gleich zu Anfang beantwortet werden müssen, ist die, wem die einstweilige Weiterführung des Unternehmens anvertraut werden soll. Das amerikanische Reorganisa­ tionsverfahren zeigt sich in seiner langen Geschichte als ein Anwendungs­ feld für alle Erwägungen, die sich hierzu anstellen lassen. In der Zeit der Receiverships lag die Sache übersichtlich. Die Verwal­ tung des Unternehmens wurde dem Receiver als einem Beauftragten des Gerichts übertragen; die Interessenten (Aktionäre, bisherige Unterneh­ mensleitung, Gläubiger, Banken) kümmerten sich um das Zustandekom­ men des Reorganisationsplans51. Die Abgrenzungslinien konnten allerdings dadurch etwas verwischt werden, daß einerseits nicht selten der bisherige Präsident der Gesellschaft zum Receiver ernannt wurde, andererseits der 47 Siehe oben S. 133 ff. 50 Näheres unten S. 245 ff., 256, 260. 48 Siehe darüber oben S. 196f. 51 Siehe oben S. 46 ff., 49 f. 49 In diese Richtung auch schon N. Reich, JZ 1976, 465.

Receiver durch die Art seiner Geschäftsführung, durch seine Untersuchun ­ gen, Berichte und Ratschläge auch in das Aushandeln des Reorganisations­ plans eingeschaltet war52. Die verbreitete Praxis, als Receiver die bisherige Unternehmensleitung einzusetzen, wurde in dem Reformgesetz von 1934 so kodifiziert, daß das Gericht nach seinem Ermessen von der Bestellung eines Verwalters (jetzt „trustee“ genannt) ganz absehen konnte. Den Vorteil sah man in der Erhaltung von Erfahrung und Sachkunde für die weitere Leitung des Unternehmens. Von der Möglichkeit, die alte Unternehmensleitung im Amt zu belassen, wurde viel Gebrauch gemacht53. Diese Praxis unter § 77B war einer der Hauptangriffspunkte der SEC in ihrem Feldzug für ein neues Reorganisationsgesetz. In den Augen der SEC hatte der Verbleib der alten Unternehmensleitung im Amt vornehmlich die Wirkung, daß unfähige oder unredliche Unternehmensleitungen ihre bis­ herige Geschäftsführung der Kritik entziehen und den Reorganisationsplan in ihrem Sinne beeinflussen konnten, das heißt vor allem: den Verlust ihres Amtes und ihres Aktienbesitzes verhindern konnten. Die SEC stritt des­ halb dafür, in jedem Fall einen Treuhänder einzusetzen, dem außer der Unternehmensführung auch die Ausarbeitung des Reorganisationsplans übertragen werden sollte; sie betrachtete dies als den eigentlichen Kern­ punkt der anstehenden Gesetzesreform54. Ihre Kritiker befürchteten indes­ sen die Kosten, den Zeitverlust und die Gefährdung der Sanierungsaussich­ ten durch die Berufung nicht ausreichend befähigter Treuhänder55. Das Reformgesetz von 1938 war auch in diesem Punkt ein Kompromiß. Für das eigentliche Reorganisationsverfahren nach Kap. X siegte im wesentlichen die SEC: Wenn die Verbindlichkeiten 250000 $ überstiegen, war ein Treuhänder obligatorisch; dieser hatte den Betrieb zu führen, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu ermitteln, unter Umständen die frühere Unternehmensleitung zur Rechenschaft zu ziehen und dann einen Reorganisationsplan vorzulegen56. Immerhin erlaubte das Gesetz, ihm als Mittreuhänder ein Mitglied der bisherigen Unternehmensleitung oder einen Angestellten des Unternehmens beizugeben, dies aber nur für die Unternehmensführung, nicht auch für die Ausarbeitung des Reorganisa­ 52 Siehe auch oben S. 45, 72f. 53 Siehe die Darstellungen oben S. 76 N. 136. 54 Siehe z. B. Douglas, A.B. A.J. 24 (1938) 877; Chandler, A.B. A.J. 24 (1938) 883; und die Hinweise oben S. 81 f. 55 Siehe z. B. Heuston, Col. L. Rev. 38 (1938) 1240; Swaine, Col. L. Rev. 38 (1938) 263ff.; weitere Angaben bei Collier VI 2 §§ 7.01 N. 24, 7.04 N. 10. 56 Siehe oben S. 81 f. Über die Stellung des Treuhänders auch Kramer 57 ff.

tionsplans (§ 156 a. E.). Außerdem wurde der Treuhänder ausdrücklich ermächtigt, zu seiner Unterstützung Führungskräfte des Unternehmens anzustellen (§ 191). Die Gegenargumente setzten sich durch in der Gestal­ tung des Arrangement-Verfahrens nach Kap. XI. Hier war die Einsetzung eines Treuhänders (oder eines Sequesters) nur im Ausnahmefall nach Ermessen des Gerichts vorgesehen (§ 332)57. In der Praxis zeigte sich, daß die Geschäftswelt (und die von ihr beschäftigten Anwälte) auch in größeren Fällen ins Arrangement-Verfah­ ren drängte, um die Einsetzung eines Treuhänders zu vermeiden57 58. Die Argumente zwischen Kap. X und Kap. XI waren die gleichen wie Ende der dreißiger Jahre. Die SEC verlangte im Interesse der unerfahrenen Anleger, daß ein Treuhänder mit umfassenden Befugnissen die wirtschaft­ liche Situation des Unternehmens untersucht und einen Sanierungsplan ausarbeitet. Die Praktiker dagegen befürchteten, daß das Unternehmen in der Hand eines unerfahrenen Treuhänders Schaden nehmen würde, daß insbesondere Gläubiger, sonstige Kapitalgeber und Lieferanten durch das Verschwinden der alten Unternehmensleitung verschreckt würden59. Die Argumente gingen in gewissem Grade aneinander vorbei, da die SEC vornehmlich an Situationsaufklärung und Planvorbereitung, die Praktiker dagegen an die Führung des laufenden Betriebs dachten. Der Kommissionsentwurf von 1973 versuchte eine Regelung, die beiden Standpunkten gerecht würde: unterhalb einer bestimmten Unternehmens­ größe (1 Mio. $ Verbindlichkeiten, 300 Wertpapieranleger) sollte ein Treu­ händer nur aus besonderen Gründen auf Antrag, oberhalb der Grenze jedoch regelmäßig bestellt werden (mit der Möglichkeit, aus besonderen Gründen von einer Bestellung doch abzusehen) (§ 7-102 [a]). Das schließlich entstandene Gesetz geht noch einen Schritt weiter in die Richtung der Geschäftswelt-Position: Grundsätzlich wird auch bei großen Unternehmen kein Treuhänder bestellt; dies muß auf Antrag und nach Anhörung der Beteiligten aber doch geschehen, wenn besondere Gründe vorliegen, wie Unredlichkeit oder Unfähigkeit der bisherigen Geschäftslei­ tung, oder wenn die Bestellung im Interesse von Gläubigern oder Anteils­ 57 Siehe oben S. 85. Andererseits gab es Gerichtsbezirke, in denen - gegen den eigentlichen Sinn des Gesetzes - auch im Arrangement-Verfahren automatisch ein Sequester (Receiver) eingesetzt wurde; so berichtet von L. P. King, Com. L. J. 78 (1973) 429; R. J. Rosenberg, N.C.L. Rev. 53 (1975) 1156 N. 25. 58 Darüber oben S. 124ff. 59 Über die Schwierigkeit, fähige und einsatzbereite Treuhänder zu gewinnen, besonders anschaulich Rochelle/Balzersen, Am. Bankr. L. J. 46 (1972) 103; siehe auch Coogan/ Broude/Glatt (N. 17) 1156; Quittner, Ref. J. 42 (1968) 37 f.; Rochelle/Palmer, Ref. J. 32 (1958) 99ff.

eignem liegt (§ 1104 [a]); das Gesetz verbietet jedoch ausdrücklich, schon die bloße (hohe) Zahl der Wertpapieranleger oder die Höhe von Aktiven oder Passiven des Unternehmens als einen solchen besonderen Grund anzusehen (§ 1104 [a]). Wenn kein Treuhänder bestellt wird, muß aber auf Antrag ein „Prüfer“ („examiner“) bestellt werden, falls a) dies im Interesse bestimmter Beteiligter liegt oder b) die ungesicherten Verbindlichkeiten des Unternehmens aus Geldkredit mehr als 5 Mio. $ betragen. Der Prüfer hat insbesondere die bisherige Geschäftsleitung auf Inkompetenz und Unredlichkeit zu untersuchen, und er hat darüber einen Bericht vorzule­ gen; außerdem muß er zur Vorbereitung des Sanierungsplans berichten über das Unternehmen selbst - seinen finanziellen und betrieblichen Zustand - und über die Aussichten, es dauerhaft weiterzufuhren (§ 1104 [b], § 1106 [b]). Das Unternehmen, das nicht einem Treuhänder unterstellt wird, kann aber während des Verfahrens nicht etwa frei schalten und walten. Ein solches Unternehmen ist „debtor in possession“ („im Besitz belassener Schuldner“) und hat als solcher die gleichen Aufgaben und Pflichten, die ein Treuhänder gehabt hätte (§ 1107). Diesen Begriff hatte schon § 77B eingeführt; er ist in Kap. X und XI und nunmehr in das Gesetz von 1978 übernommen worden. Er bedeutet: Ein Unternehmen im Sanierungsver­ fahren, dem der Treuhänder erspart bleibt, ist selbst nur Treuhänder gegenüber allen Beteiligten; das heißt bei Kapitalgesellschaften praktisch, daß die Organe der Gesellschaft die Treuhänderpflichten erfüllen. Sie sind für die Dauer des Verfahrens Beauftragte des Gerichts und als solche nicht mehr nur der Gesellschaft, sondern allen Beteiligten verantwortlich, in deren Interesse das Gericht seine Zuständigkeit ausübt60. 2. Vergleichung Das deutsche Sanierungsverfahren61 sieht die Absetzung der bisherigen Unternehmensleitung prinzipiell gar nicht vor. Möglich ist sie allenfalls im Vergleichsverfahren dadurch, daß dem Vergleichs Verwalter neben seinen Berichts- und Überwachungsaufgaben einzelne Geschäftsbefugnisse gesondert übertragen werden (§§ 57 II, 58, 64 VerglO)62. Die allgemeine Stärkung der Stellung des Vergleichs Verwalters gehört aber zu den ältesten

60 Über die Stellung des „debtor in possession“ Hanisch, Rechtszuständigkeit der Kon­ kursmasse 265; Collier VI 2 § 8.10. 61 Zu dem Begriff siehe oben S. 147. 62 Darüber oben S. 29.

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Flessner BIPR 48

und am meisten erhobenen Reformforderungen63. Im „Kölner Verfahren“ ist sie teilweise verwirklicht dadurch, daß der Verwalter vom Eingang des Vergleichsantrags an praktisch zum Mitgeschäftsführer gemacht wird63 64. Doch handelt es sich hierbei um eine Behelfslösung, die vor allem nicht die Forderung nach stärkerer offizieller Einschaltung des Verwalters in die Vergleichs Verhandlungen erledigt65. Insoweit wird nach geltendem Recht heute nur zugestanden, daß der Verwalter bei der Erarbeitung des Ver­ gleichs helfen darf; gesetzlich ungesichert ist aber sein Anspruch auf Vergü­ tung für diese zusätzliche Tätigkeit66. Eine Lehre aus dem amerikanischen Recht könnte zunächst sein, daß die Funktionen des Sanierungsverwalters sich personell auseinanderhalten las­ sen. Sie liegen einmal in der Betriebsführung, zum anderen in der Aufklä­ rung der Unternehmenssituation und Mitwirkung bei der Gestaltung des Sanierungskonzepts. Die Art der Unternehmensführung während der Sanierungsverhandlungen kann zwar Entscheidungen mit sich bringen, die das Gelingen oder den Zuschnitt der Sanierung präjudizieren, so etwa, wenn Kredite aufgenommen oder wichtige Betriebsteile veräußert werden. Solche Entscheidungen lassen sich jedoch mit den Sanierungsbemühungen auch so verzahnen, daß nicht alle Funktionen in einer Hand liegen, etwa indem wichtige Maßnahmen des Betriebs an die Genehmigung des Gerichts oder eines Gremiums der Beteiligten geknüpft werden. So darf nach heutigem amerikanischen Recht der Treuhänder im Reorganisations­ verfahren nur mit Genehmigung des Gerichts: laufende Verträge bestätigen oder aufkündigen, Darlehen gegen vorrangige Sicherheit aufnehmen67, Betriebsvermögen veräußern oder vermieten (wenn dies nicht notwendig zum laufenden Betrieb gehört)68. Soweit nur die einstweilige Betriebsführung in Frage steht, liegen die Verhältnisse bei großen Unternehmen sicher anders als bei dem Normal­ typ des Schuldners nach der Vergleichsordnung, dem persönlich handeln­ den und haftenden Kaufmann. In den großen Unternehmen, regelmäßig in der Form der Kapitalgesellschaft organisiert, vollzieht sich mehr und mehr die vielerörterte Trennung von Eigentum und Herrschaft, aus der sich ein 63 Berges, KTS 1955, 3ff; Künne, Vorwort zu Bley, VerglO S. 7; KTS 1975, 193; Betr. 1978, 730; Goldbeck 121; BLEY/MOHRBUTTER, Einl. S. 3. 64 Darüber oben S. 29. 65 Zu diesem Teil der Verwaltertätigkeit siehe Berges und Künne (N. 63). 66 Siehe dazu BLEY/MOHRBUTTER § 39 Anm. 5, § 43 Anm. 3a, b. Über die Verwaltertätig­ keit insgesamt sehr anschaulich auch Knorr, KTS 1970, 69 f. 67 Dazu oben S. 214f. 68 §§ 363(b), 364(b-d), 365(a).

Verantwortungsgefühl der Unternehmensführer (des „Management“) mehr für „das Unternehmen“ als für die Eigentümerinteressen der Aktio­ näre entwickelt69. Man kann also hier eher als beim „Eigentümer-Unter­ nehmer“ davon ausgehen, daß die Unternehmensleitung konstitutionell mehr daran interessiert ist, durch ordentliche Geschäftsführung das Unter­ nehmen zu erhalten (und damit natürlich auch die eigene Position) als auf Kosten der Gläubiger möglichst viele Vermögenswerte des Unternehmens für sich zu retten. Die bisherige Unternehmensleitung durch einen Treu­ händer zu ersetzen, schafft deshalb wohl Klarheit der Verhältnisse sowie Gewißheit für alle Beteiligten, daß Unfähigkeit und Unlauterkeit, wenn sie vorgelegen haben, zunächst einmal beseitigt sind. Der Preis ist jedoch oft die Ungewißheit über die Eignung des Treuhänders und die Gewißheit, daß auch der Kenntnisreichste und Fähigste eine gewisse Zeit der Einarbei­ tung benötigt. Der Wechsel in der Unternehmensführung kann sich vor allem nachteilig in der Einstellung der Lieferanten und Banken auswirken, auf deren Vertrauen und Wohlwollen das Unternehmen besonders in der kritischen ersten Zeit nach der Insolvenz angewiesen ist. Gegenüber diesen Nachteilen kann die Unternehmensleitung, die kraft gerichtlichen Auftrags nach amerikanischem Vorbild als „debtor in posses­ sion“ im Amt verbleibt, beträchtliche Vorzüge haben. Ihre Haftung gegen­ über allen Beteiligten könnte ausdrücklich statuiert werden. Sie wäre ein Ansporn zu gewissenhafter Geschäftsführung, die Hoffnung auf Erhaltung der Leitungsposition zudem ein Antrieb zu effizientem Wirtschaften. Angesichts dieses Einerseits - Andererseits, dessen Auflösung so von den Umständen des Falles abhängt, erscheint Flexibilität in der Frage der Betriebsführung angebracht. Das amerikanische Recht in seiner heutigen Form erreicht einen vernünftig erscheinenden Kompromiß zwischen Flexi­ bilität und Stabilität, indem es die Unternehmensleitung grundsätzlich im Amt beläßt, ihre Ablösung aus triftigen Gründen aber ermöglicht und zu diesem Zweck auch die Erforschung ihrer Redlichkeit und Kompetenz durch einen unabhängigen Prüfer. Eine ähnliche Lösung ist faktisch ver­ wirklicht auch im französischen Verfahren, wo das Gericht - umgekehrtzwar immer einen Verwalter (curateur) einsetzen muß, seine Aufgaben aber flexibel nach den Erfordernissen des Falles zu bemessen hat70.

69 Siehe darüber statt vieler Ott, Unternehmenskorporation 162-173 mit zahlreichen Hinweisen auf die übrige Literatur. 70 Siehe oben S. 167.

III. Eröffnung des Verfahrens Die Bedeutung eines großen Unternehmens im wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhang verlangt, daß die einstweilen abwehrenden und bewahrenden Maßnahmen des Sanierungsverfahrens den Vorrang haben müssen vor Liquidationsprozeduren (Konkurs oder Zwangsvollstrek­ kung), gleichgültig ob diese erst drohen oder schon anhängig sind. Die Voraussetzungen der Eröffnung eines Sanierungsverfahrens müssen des­ halb unter zwei Aspekten gesehen werden: (1) Wann überhaupt ein Insol­ venzverfahren (mit seinen mindestens einstweiligen Einschränkungen für das Unternehmen und dessen Kapitalgeber) angebracht ist, und (2) wann es angebracht erscheint, gerade das Sanierungsverfahren (anstelle und als Blockade sonst gegebener Liquidationsprozeduren) in Gang zu setzen. 1. Auslösender Tatbestand Permanentes Unbehagen besteht, vor allem in der Wirtschaftswissen­ schaft, darüber, daß die gesetzlichen Gründe für das Insolvenzverfahren Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung - nicht notwendig Zusammen­ hängen mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens, auf die es doch eigentlich ankommen müßte71. Soweit die Bedenken sich gegen den Verfahrensgrund der Zahlungsun­ fähigkeit richten, rühren sie daher, daß - in wirtschaftlicher Ausdrucks­ weise - die Liquidität an sich nichts über die Rentabilität aussagt72. Aus dieser „Fehlanbindung“ des Verfahrens kann sich ergeben, daß Verfahren unnötigerweise oder voreilig eingeleitet werden; jedoch trifft diese Befürchtung vorwiegend das eigentliche Konkursverfahren, das von vorn­ herein auf die Liquidation des Unternehmens gerichtet ist. Ein Sanierungs­ verfahren, das zunächst eine Besinnungspause verschafft, kennt das Pro­ blem weniger, da die ruhige Prüfung der Rentabilität des Unternehmens gerade zu seinen Verfahrenszwecken gehört. Erweist das Unternehmen sich im Verfahren als eigentlich ertragsfähig, so ist genau das die Grundlage der alsdann zu treffenden Sanierungsentscheidungen. Für Sanierungsverfahren gilt eher die umgekehrte Befürchtung: daß die Liquidität eines defizitären Unternehmens durch weitere Kreditgewährung 71 Siehe z.B. Siedschlag 50 ff.; Stemmer 78, 93 f.; von juristischer Seite Hanisch, Rechts­ zuständigkeit der Konkursmasse 259 f. und ZZP 90 (1977) 27 f.; Knieper, BB 1977, 625 f. 72 Sehr anschaulich Rüfli/Boemle, Unternehmensfinanzierung (Zürich 1967) 38: Rentabili­ tät und Liquidität verhalten sich zueinander wie Nahrung und Atmung; das eine ist so wichtig wie das andere, doch stehen sie in keinem direkten zeitlichen Zusammenhang. Siehe auch Siedschlag 50 ff.

oder durch Zehren von der Substanz zu lange aufrechterhalten wird und dadurch der Zeitpunkt für eine erfolgreiche Sanierung versäumt wird73. Die Frage ist hier also die, ob das rechtliche Sanierungsverfahren schon vor dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit eingesetzt werden sollte, sobald die Situation des Unternehmens „kritisch“ zu werden beginnt. Das heute geltende deutsche Recht beantwortet die Frage mit Nein, soweit die Vergleichsordnung herangezogen werden muß74. Das Gesetz verweist einerseits auf den konkursrechtlichen Begriff der Zahlungsunfähig­ keit (§213), und dieser erlaubt nach den Formulierungen der Rechtspre­ chung und der Kommentare das Verfahren erst, wenn das Unternehmen seine sofort fälligen Verbindlichkeiten allgemein nicht mehr erfüllen kann75. Der Konkursgrund der Überschuldung, andererseits, soll nach der Intention des Gesetzes, insbesondere in Verbindung mit den gesetzlichen Antragspflichten76, zwar für eine rechtzeitigere Einleitung des Verfahrens sorgen77. Nach dem Urteil von Kennern der Praxis spielt dieser Verfah­ rensgrund aber für große Unternehmen kaum noch eine Rolle, weil der raschen und zweifelsfreien Feststellung einer Überschuldung bei komple­ xen Wirtschaftseinheiten zu große faktische und rechtliche Schwierigkeiten entgegenstehen78. Ob die in der neueren wissenschaftlichen Diskussion hervortretenden, höchst beachtlichen, aber divergierenden Bemühungen um eine Klärung und Belebung des Überschuldungsbegriffs diese Praxis verändern werden, bleibt abzuwarten79. Vorerst ist noch zu konstatieren, daß das deutsche Recht in praxi kein Sanierungsverfahren vor der Zah­ lungsunfähigkeit zuläßt. Das amerikanische Recht ist hier flexibler. Nach bisherigem Recht konnte das Reorganisationsverfahren auch dort bei Überschuldung (die das 73 Siehe z. B. Hanisch, ZZP 90 (1977) 28; Arnold, DRpfl. 1977, 392, 395; Kilger, 51. DJT (1976) II O 37 f.; UHLENBRUCK, NJW 1975, 898. 74 Maßnahmen nach AktG und SchVG (soweit nicht Forderungsverzichte verlangt werden) sind dagegen auch ohne besonderen Insolvenztatbestand zulässig; siehe oben S. 143ff. 75 Siehe Jaeger(-Weber), KO § 102 Anm. 2; Mentzel/Kuhn, KO § 30 Anm. 2; (anders jetzt aber UHLENBRUCK in der 9. Auf!., § 30 Anm. 2, § 102 Anm. 2); BÖHLE-STAMSCHRÄDER/ Kilger, KO § 102 Anm. 2; VerglO § 2 Anm. 4. 76 § 92 AktG, § 64 GmbHG, §§ 130a, 177a HGB. 77 Siehe dazu eingehend K. Schmidt, AG 1978, 334ff. 78 Uhlenbruck, Kreditschutz-Kongreß 99 f. und NJW 1975, 899. Über die Fragwürdigkeit des Überschuldungs-Tatbestandes neuerdings sehr eingehend Egner/Wolf, AG 1978, 99 ff. 79 Aus der Diskussion pro Überschuldungstatbestand vor allem: K. Schmidt, oben N. 77 und ZIP 1980, 234ff., 328ff.; Drukarczyk, ZGR 1979, 553ff. und - sehr vorsichtig - ZfB 1981, 248ff.; Uhlenbruck, ZIP 1980, 73ff; Fischer, Die Überschuldungsbilanz (1980). Dagegen kritisch - wegen der mangelnden Aussagekraft einer Überschuldungsfeststellung Plate, Betr. 1980, 217 ff.

Gesetz als „Insolvenz“ bezeichnete) oder Zahlungsunfähigkeit beantragt werden (§ 130 [l])80, wobei in der Praxis aber nur die Zahlungsunfähigkeit eine Rolle spielte. Dieser Begriff erlaubt aber nach amerikanischer Auffas­ sung das Verfahren unter Unständen dann schon, wenn mit Gewißheit festgestellt werden kann, daß das Unternehmen zu künftigen Fälligkeitster­ minen nicht zahlungsfähig sein wird. So wurde das Reorganisationsverfah­ ren zugelassen für eine New Yorker Vorortbahngesellschaft, die zwar ausreichende Barmittel für die laufenden Verbindlichkeiten besaß, jedoch nach vielen verlustreichen Geschäftsjahren mit Sicherheit nicht in der Lage gewesen wäre, eine Millionenanleihe einzulösen, die zwei Jahre später fällig geworden wäre81. Ähnlich in einem anderen Fall, in dem das Verfahren eröffnet wurde, obwohl das Unternehmen nach eigenen Angaben mit den vorhandenen Barmitteln durchaus noch zwei oder drei Monate ohne Hilfe des Gerichts hätte arbeiten können82. Das Gesetz von 1978 versucht, den Zugang zum Verfahren - jedenfalls für den Schuldner - stark zu vereinfachen. Es unterscheidet: Das Schuld­ nerunternehmen kann den Antrag selbst stellen (voluntary petition); dann braucht ein Konkursgrund nicht dargelegt zu werden; das Verfahren gilt mit der Einreichung des Schuldnerantrags als eröffnet (§ 301). Ähnlich beim Antrag von Gläubigem (involuntary petition): die Insolvenz des Schuldners muß zwar behauptet werden, doch muß das Gericht das Verfahren ohne weitere Prüfung eröffnen, wenn der Schuldner sie nicht bestreitet (§ 303 [h]). Nur im Streitfall muß vom antragstellenden Gläubi­ ger bewiesen werden entweder a) daß der Schuldner im allgemeinen seine Schulden bei Fälligkeit nicht begleicht oder b) daß während der letzten 120 Tage zwecks Schuldentilgung ein Sequester für das Vermögen des Schuld­ ners zwangsweise bestellt wurde (§ 303 [h] [1+2]). Der Tatbestand der allgemeinen Nichtbegleichung fälliger Schulden scheint - wie das bisherige Recht - zu erlauben, auch künftige Fälligkeiten zu berücksichtigen83. Ohnehin gilt aber diese Voraussetzung nur mehr für den Gläubigerantrag, so daß jedenfalls der Schuldner selbst ohne weiteres in der Lage ist, das Verfahren im Hinblick auf die künftige Finanzlage des Unternehmens einzuleiten.

80 Siehe dazu Kramer lOf, 80f. 81 In re Hudson and Manhatten Rd. Co., 138 F. Supp. 195 (S.D.N.Y. 1955). 82 In re Kelly-Springfield Tire Co., 10 F. Supp. 414 (D. Md. 1935); ähnlich In re Windermere Hotel Co., S.E.C. 40 (1963) 970. 83 Das Gesetz formuliert:... if the debtor is generally not paying such debtor’s debts as such debts become due" (§ 303 [h] [1]).

Als Ausgleich für den erleichterten Verfahrenszugang sieht das Gesetz vor, daß das Gericht nach Anhörung der Beteiligten das Verfahren von Anfang an verweigern oder später jederzeit einstellen kann, wenn den Interessen der Gläubiger und des Schuldners damit besser gedient ist (§§ 305 [a]); ferner kann es ein eröffnetes Reorganisationsverfahren jeder­ zeit auf Antrag in ein Liquidations verfahren überleiten oder ganz einstellen, wenn eine Sanierungsaussicht vernünftigerweise nicht oder nicht mehr besteht oder das Verfahren nicht den vorgesehenen Fortgang nimmt (§ 305 [a], § 1112 [b]). Wie das bisherige amerikanische Recht bestimmt auch der englische Companies Act für die Eröffnung des Abwicklungsverfahrens84, daß die Zahlungsunfähigkeit mit Berücksichtigung der bedingten und künftigen Verbindlichkeiten des Unternehmens zu beurteilen ist (§ 233[d]). Noch weiter gingen Vorschläge, die - ohne Erfolg - aus Wirtschaft und Wissen­ schaft bei der Schaffung der deutschen Vergleichsordnung gemacht wur­ den. Danach sollte der Vergleich nicht erst bei Konkursfälligkeit, sondern bei „ernster Zahlungsschwierigkeit“ oder „voraussichtlicher Zahlungs­ stockung“ beantragt werden dürfen85. Im heutigen französischen Recht ist dieser Gedanke verwirklicht worden. Das Verfahren nach der Verordnung von 1967 hat den erklärten Zweck, einer Zahlungseinstellung durch recht­ zeitige Sanierungsmaßnahmen zuvorzukommen. Es kann deshalb schon eröffnet werden, wenn das Unternehmen sich in einer „schwierigen finan­ ziellen Situation“ befindet (Art.l)86. Es ist allerdings nicht leicht zu erken­ nen, inwieweit der Zeitpunkt des Verfahrenszugriffs sich dadurch wirklich vorverlegen läßt. Denn ohne Offenbarung der Finanzkrise durch eine Zahlungseinstellung wird faktisch nur das Unternehmen selbst, also seine Geschäftsleitung, in der Lage sein, die Notwendigkeit des Verfahrens darzulegen87. Die Geschäftsleitungen haben aber konstitutionell die Ten­ denz, das gerichtliche Insolvenzverfahren so lange wie möglich zu vermei­ den, weil es in der Regel zu Beschränkungen, unter Umständen zum Verlust der bisherigen Leitungsbefugnisse führen wird. Die französischen Gerichte haben es daher vorwiegend mit Eröffnungsanträgen der Schuld­ ner zu tun und sie müssen dabei offenbar kämpfen mit dem Problem, 84 Darüber oben S. 160 f. 85 So schon Jaeger, ZZP 48 (1920) 145; dann ausführlich Bley, ZZP 52 (1927) 115 ff. mit weiteren Hinweisen. 86 Dieser Begriff ist gebildet worden als Gegensatz zur „Zahlungseinstellung“ („cessation des paiements“); wenn diese vorliegt, kann nur noch das allgemeine Insolvenzverfahren (reglement judiciaire) eröffnet werden; Art. 10 III. 87 So - treffend - RODIRE, Droit commercial (oben S. 164 N. 106) 353.

„finanzielle Schwierigkeit“ und „Zahlungseinstellung“ auseinanderzuhal­ ten88. Der 1975 veröffentlichte amtliche Bericht über die Reform der Unternehmen („Rapport Sudreau“) schlug vor, ein obligatorisches Melde­ system für bestimmte Krisensymptome einzurichten (z. B. Wechselprote­ ste, Nichtabführung von Steuern und Sozialabgaben, größere Entlassungs­ aktionen) und an das Vorliegen solcher Erscheinungen Informations- und Prüfungsrechte anderer Beteiligter (Minderheitsaktionäre, Gläubiger, Betriebsrat) und des Gerichts zu knüpfen89. Dadurch sollten einerseits die Unternehmensleitung „aufgeweckt“ und andererseits Außenstehende (Regierung, Justiz, Kapitalgeber und Arbeitnehmer) in die Lage versetzt werden, Sanierungsmaßnahmen in Gang zu setzen. Die Vorschläge des Berichts sind zum Teil übernommen worden in den Entwurf einer Novel­ lierung des Verfahrens90, aber deren Zustandekommen ist ungewiß - wohl auch deshalb, weil die Unternehmerschaft das vorgeschlagene „Frühwarn­ system“ mit großer Reserve betrachtet91. Wie das Gesetz die Situation definiert, welche das Sanierungsverfahren auslöst, wird stark davon abhängen, ob es Unternehmenserhaltungen bewußt fordern oder nur den Bemühungen um sie einen angemessenen institutionellen Rahmen schaffen will. Im ersten Fall wird der Gesetzgeber geleitet sein von dem unbestreitbaren Satz, daß Sanierungsbemühungen um so aussichtsreicher sind, je eher sie einsetzen; im zweiten wird er eher auch daran denken, daß ein von der Zahlungsunfähigkeit gelöstes Sanie­ rungsverfahren mißbraucht werden kann als billiger Zufluchtshafen und für eine Erleichterung der Kapitallast, die der Unternehmensleitung oppor­ tun erscheint, und daß es umgekehrt vielleicht zu vielen Beteiligten und Instanzen Gelegenheit gibt, der Unternehmensleitung bei der Bewältigung schwieriger Situationen hineinzureden. Das französische Verfahren beruht eindeutig auf einer Politik der Unter­ nehmenserhaltung im Interesse des Fiskus, des Arbeitsmarktes und der nationalen und regionalen Wirtschaftsstruktur. Wie stark dieser wirt­ schaftspolitische Impuls ist, zeigt sich daran, daß das Verfahren nicht, wie die allgemeine Konkursrechtsreform des Jahres 1967, vom Justizministe­

88 Berichte von Haehl, Rev. jur. com. 1979, 7f.; Paillusseau, Rev. jur. com. 1976, Numero special 263ff.; Geisenberger, Gaz. Pal. 1971, 456. 89 La reforme de l’entreprise, Rapport du comite prsid par Pierre Sudreau (1975) 178 ff. Über ähnliche Vorschläge in Belgien berichtet Malherbe 106 ff. 90 Siehe oben S. 170. 91 So die Diskussionsbeiträge in Rev. jur. com. 1976, Numero special 282, 285. Der Unternehmensverband hat es öffentlich abgelehnt; Overrath, ZGR 1976, 383.

rium, sondern vom Wirtschafts- und Finanzministerium angeregt und geschaffen wurde92. Ob und wann eine solche Politik gesamtwirtschaftlich „richtig“ ist, kann die Wirtschaftswissenschaft nach ihrem heutigen Stand nicht angeben93. Staatlich organisierte Unternehmenserhaltung ist also im reinen Sinne „Politik“, die immer an Zeit und Ort gebunden ist. Für die deutsche Situation kann eine dezidierte und systematische Unternehmenserhal­ tungspolitik im französischen Sinne bislang nicht festgestellt werden. Die Gründe mögen in den Unterschieden der vorherrschenden Wirtschaftsphi­ losophien liegen: in Frankreich der Akzent auf Staatsunternehmen, Pla­ nung und Lenkung, in der Bundesrepublik auf liberaler Marktwirtschaft und - allenfalls - globaler Steuerung. Vielleicht spielt auch eine Rolle die straffere Organisation des französischen Staatsapparats und die engere personelle Verflechtung zwischen Staat und Großwirtschaft. In der Bun­ desrepublik, auf der anderen Seite, findet Staatshilfe zur Erhaltung großer Unternehmen zwar ebenfalls statt (vielleicht sogar im gleichen quantitati­ ven Umfang), aber sie ist unkoordiniert, oft widersprüchlich und muß in der Öffentlichkeit regelmäßig gegen den Vorwurf der Wettbewerbs Verzer­ rung, der Fehlleitung von Ressourcen und der Strukturversteinerung ver­ teidigt werden. Bei realistischer Betrachtung der wirtschaftlichen und politischen Ver­ fassung der Bundesrepublik scheint es deshalb, daß Insolvenzgesetzgebung gegenwärtig und auf absehbare Zeit nicht Wirtschaftspolitik, sondern Rechtspolitik sein muß, das heißt: nicht direkt auf Unternehmenserhaltung zielen, sondern Konfliktprozeduren etablieren sollte, die Unternehmenser­ haltung (statt Liquidation) gleichberechtigt möglich machen. Für ein solches Verfahren ist es angemessener, an den offenen Konfliktfall der Zahlungs­ einstellung und Zahlungsunfähigkeit anzuknüpfen und nicht präventive Unternehmensbetreuung im Vorfeld des Insolvenzkonflikts zu versuchen. Allerdings ließe sich unter Umständen schon die kritische Vorphase der Insolvenz als latenter Konflikt begreifen und so zum geeigneten Objekt für konfliktlösendes Rechtshandeln erklären94. Doch dürfte beim heutigen Stand der betriebswirtschaftlichen Insolvenzprognose-Forschung95 keine Aussicht bestehen für einen Konsens darüber, wann ein staatliches Eingrei­ 92 Siehe oben S. 165. 93 Siehe oben S. 173ff., 189ff 94 In diese Richtung anscheinend Gessner u. a. 540ff, 544 ff, 565 und wohl auch die gesetzliche Intention des Überschuldungstatbestandes, siehe oben S. 229. 95 Angaben darüber oben S. 183 f. und bei Arnold, DRpfl. 1977, 392, N. 84; neuestens auch Uhlenbruck, in: Internationales Symposium für Kreditschutz (1980) 54 ff.; Denk, ebda. 89ff.

fen in diesem Vorstadium des Zusammenbruchs notwendig oder förder­ lich wäre. Wenn Zahlungsunfähigkeit und Zahlungseinstellung die Auslösungsfak­ toren des deutschen Sanierungsverfahrens bleiben, sollten sie allerdings aus der konkursrechtlichen Verengung gelöst werden und nach amerikanischem Vorbild den Blick in die Zukunft erlauben. Wenn die Zahlungsunfähigkeit also noch nicht gegeben ist, aber nach Lage der Dinge gleichsam „vorpro­ grammiert“ erscheint, dann muß das Verfahren schon in diesem früheren Zeitpunkt eröffnet werden dürfen96. Ein Formulierungsvorbild gibt inso­ fern das deutsche Versicherungsaufsichts-Gesetz, das in seinem § 89 das rettende Eingreifen der Aufsichtsbehörde erlaubt, wenn die Unterneh­ mung „für die Dauer nicht mehr imstande ist, ihre Verpflichtungen zu erfüllen“. Die Bereitwilligkeit, das Verfahren rechtzeitig einzuleiten, kann überdies durch die Ausgestaltung des Verfahrens selbst gesteigert oder vermindert werden. So kann die Initiative für einen Sanierungsversuch in der Regel am ehesten von der Unternehmensleitung ausgehen, weil diese die Verhält­ nisse am besten kennt. Die Neigung dazu wird jedoch nicht gefördert, wenn die Unternehmensleitung durch die Vefahrenseröffnung mit Sicher­ heit ihr Amt rechtlich oder faktisch verlieren würde oder wenn sie peinli­ che Untersuchungen über die Vergangenheit befürchten muß. Die Rege­ lung im französischen Verfahren und im neuen amerikanischen Gesetz, wonach die Unternehmensleitung gute Aussichten hat, auch während des Sanierungsverfahrens im Amt zu bleiben und an dem Sanierungsprozeß weiter mitwirken zu können97, müssen deshalb auch unter dem Postulat rechtzeitiger Verfahrenseinleitung gewürdigt werden. 2. Antragsrecht Ein Sanierungsverfahren, das für die Dauer seiner Durchführung Vor­ rang hat gegenüber der konkursmäßigen Liquidation, muß selbstverständ­ lich nicht nur durch den Schuldner, sondern auch durch die Gläubiger beantragt werden können. Zu fragen wäre nur, ob die Schwelle für einen Gläubigerantrag höher zu sein hätte als für den des Schuldners. So das 96 So jetzt auch die Tendenz im österreichischen Recht; OGH, JB1. 1978, 158; Sprung/ Schumacher, JB1. 1978, 122. In die gleiche Richtung prinzipiell auch Drukarcyk, ZfB 1981, 239-249, der aber wegen des Informationsvorsprungs des Schuldners annimmt, daß der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit in der Praxis nicht ökonomisch richtig funktionie­ ren kann. 97 Siehe oben S. 167, 224 f.

geltende amerikanische Recht: Der Antrag muß von mindestens drei Gläubigern gestellt werden, deren Forderungen zusammen in Höhe von mindestens 5000 $ ungesichert sind (§ 303 [b] [1]). Hat das Unternehmen weniger als 12 ungesicherte Gläubiger, genügt der Antrag eines von ihnen, wenn der genannte Mindestbetrag der Forderung erreicht wird (§ 303 [b] [2]). Das japanische Gesetz setzt die Schwelle auf 1/10 der Gesamtverbindlichkeiten98, 99 und das französische Verfahren kann gar nur von einem oder mehreren Gläubigern beantragt werden, die mindestens 15% der Gesamt­ forderungssumme auf sich vereinigen". Nach bisherigem amerikanischen Recht mußte im Gläubigerantrag neben der Zahlungsunfähigkeit (oder der Überschuldung) außerdem einer der Tatbestände dargelegt werden, die das Gesetz als Indikatoren für die Krisenlage des Unternehmens aufführte (z. B. Eröffnung eines Konkurs­ verfahrens; Zwangsvollstreckungen aus Hypotheken; Konkurshandlungen etc.)100. Dadurch sollten das Unternehmen und andere Gläubiger gegen leichtfertige oder erpresserische Gläubigeranträge geschützt werden101. 102 Das neue Gesetz verzichtet auf diesen Indizienkatalog, um den Gläubigern im Interesse besserer Sanierungsaussichten die zeitigere Antragstellung zu ermöglichen und dadurch mittelbar auch den Schuldner zu rechtzeitiger Antragstellung zu veranlassen. Stattdessen soll der Richter trotz gegebener Zahlungsunfähigkeit den Gläubigerantrag ablehnen können, wenn die Ablehnung den Interessen des Schuldners und der Gläubiger besser dienen würde (§ 305) 102. Im französischen Recht ergibt sich ein gewisses Ermessen des Gerichts bereits daraus, daß der Eröffnungsgrund der „Situation financiere difficile" einen erheblichen Beurteilungsraum läßt103. Das amerikani­ sche Gesetz sieht als zusätzliche Kautele vor, daß bei einer Abweisung des Antrags wegen Fehlens der Voraussetzungen (Mindestbetrag, Zahlungs­ unfähigkeit) der Antragsteller zu Schadensersatz verurteilt werden kann (§ 303 [i]). Von grundsätzlicher Bedeutung ist die Frage, ob auch andere Interessen­ ten als das Schuldnerunternehmen selbst und seine Gläubiger das Antrags­ recht haben sollten. Zu denken ist an die Aktionäre, Arbeitnehmer, Lieferanten, Abnehmer und nicht zuletzt den Staat. Soweit diese Interes­ 98 Siehe Nakano 147. 99 Art. 7 der Verordnung von 1967; dazu oben S. 166. 100 § 131; dazu auch Kramer 81. 101 Collier VI 1 § 4.16(1) S. 873f. 102 So auch schon der Kommissionsentwurf von 1973, §§ 4-205 (c), 4-208 (a); dazu Bankruptcy Commission, Report II 78. 103 Zu diesem Begriff oben S. 165 £, 231.

senten rückständige Forderungen gegen das Unternehmen haben, können sie den Antrag in ihrer Eigenschaft als Gläubiger stellen. Die Interessen des Staates sowie solcher Personen und Unternehmen, die wirtschaftlich oder rechtlich längerfristig mit dem Unternehmen verbunden sind, reichen aber evidentermaßen über die bloße Gläubigerstellung hinaus. Die rechtspoliti­ sche Frage ist also, ob dem Staat und anderen Betroffenen auch ohne akutes Forderungsrecht die Initiative für ein Insolvenzverfahren gegeben werden sollte. Das amerikanische Recht ist in diesem Punkt unergiebig. Für das Reor­ ganisationsverfahren steht im Vordergrund die bestmögliche Erhaltung hingegebenen Kapitals, also Gläubiger- und Anlegerschutz. Das französi­ sche Recht räumt immerhin dem Staat Initiativmöglichkeiten ein, indem es das Gericht ermächtigt, das Verfahren auch ohne Antrag von Amts wegen einzuleiten (Art. 8). Nach dem Rapport Sudreau würde das Initiativrecht mittelbar auf Aktionäre und Arbeitnehmer erweitert und die staatliche Intervention außerdem erleichtert dadurch, daß das vorgesehene Meldesy­ stem bei den für das Verfahren zuständigen Handelsgerichten eingerichtet wird104. 105 Der vorliegende Gesetzesentwurf05 hat hiervon jedoch das Initia­ tivrecht gar nicht übernommen und das Meldesystem diskreter ausge­ staltet106. In Deutschland wird die Beschränkung des Insolvenzverfahrens auf die Gläubiger-Schuldner-Beziehung seit längerem beklagt; für eine Reform wird von sehr unterschiedlichen Seiten vorgeschlagen, auch die nicht kapitalgebundenen Interessen (vor allem Staat und Arbeitnehmer), die durch die Insolvenz berührt werden, zur Mitsprache heranzuziehen107. Speziell der Gedanke einer Interventionsmöglichkeit des Staates hat eine lange Tradition108, und es ist sogar zu bedenken gegeben worden, bei bedeutenden Großunternehmen dem Staat das Monopol der Verfahrensini­ tiative zu geben, so wie es für Banken und Versicherungen schon heute besteht109. Wenn das Sanierungsverfahren ernstlich als Prozedur für die Austragung eines wirtschaftlichen und sozialen Konflikts verstanden wird, erscheint es 104 Rapport Sudreau (N. 89) 178 ff. 105 Siehe oben S. 170. 106 Siehe oben Haehl, Rev. jur. com. 1979, 41 ff. 107 Weber, KTS 1959, 83; Siedschlag 40; Gerhardt, Festschrift Weber 194 f.; Zeuner, JZ 1976, 6; Knieper, BB 1977, 627; Gessner u. a. 564f.; Arnold, DRpfl. 1977, 395; ebenso für Österreich: Kaltenbäck, ÖJZ 1977, 63. 108 Vorgeschlagen schon von Levin Goldschmidt, Schriften des Vereins für Socialpolitik 1 (1873) 35; Kohler, Annalen des Deutschen Reichs 1902, 635 f. 109 Siedschlag 40 f.

ganz natürlich, daß bei Insolvenzen von Großunternehmen nicht nur die Gläubiger (und das Unternehmen selbst), sondern alle von der Insolvenz real Betroffenen die Möglichkeit erhalten, die Prozedur in Gang zu setzen, um dort ihre Interessen vertreten zu können. Dieser Gedanke schließt andererseits ein Antragsmonopol des Staates aus. Die insolvenzrechtliche Sonderbehandlung der Banken und Versicherungen erklärt sich aus den speziellen Bedürfnissen und Eigenheiten des Geldwesens und einer gewis­ sen Tradition; sie ist deshalb kein erweiterungsfähiger Ansatz für andere Wirtschaftsbereiche. Ein Antrag von Nicht-Gläubigern sollte allerdings nicht zur Einleitung des eigentlichen Konkursverfahrens fuhren, da diese Beteiligten kein Befriedigungsinteresse vorweisen können, das durch einen Liquidationser­ lös gestillt werden könnte. Es genügt für sie die Möglichkeit, das Sanie­ rungsverfahren zu beantragen und dadurch den Konkurs zu blockieren. Wenn das Verfahren ohne Sanierungsbeschluß endet, dürfte eine Zwangs­ liquidation anschließend nur eingeleitet werden, wenn sie durch den zusätzlichen Antrag eines Gläubigers oder des Schuldners getragen wäre. Erweitert man den Kreis der Antragsberechtigten in dieser Weise, so müssen doch Grenzlinien gezogen werden, damit nicht jeder auch nur irgendwie und mittelbar Betroffene das Unternehmen und seine Kapitalge­ ber in ein Sanierungsverfahren ziehen kann. Bei allen nichtstaatlichen Beteiligten bietet sich an, das Antragsrecht davon abhängig zu machen, daß sie zu dem Unternehmen in einem nicht nur momentanen Rechtsver­ hältnis stehen; damit wären zum Beispiel erfaßt die Aktionäre, die Arbeit­ nehmer, sowie die Zulieferer und Abnehmer mit längerdauernden Ver­ tragsbindungen. Der Staat als Betroffener wird meistens auch Gläubiger sein, da Insolvenzen in der Regel mit Steuerrückständen verbunden sind. Die Finanzverwaltung ist jedoch nicht die Stelle, von der die wirtschaftspo­ litischen, sozialpolitischen und rein politischen Gesichtspunkte, die den Staat erst wirklich zum Betroffenen machen, vorzubringen wären110. Damit das Unternehmen gegen die Vielzahl der möglichen staatlichen Interve­ nienten geschützt ist, und zur Harmonisierung der divergierenden staatli­ chen Interessen, würde es sich empfehlen, das Antragsrecht bei wenigen Stellen zu konzentrieren; für die Bundesrepublik bietet sich an, die Reprä­ sentation der staatlichen Belange, die nicht an die Gläubigerposition gebunden sind, je einer Stelle in Bund, Land und Gemeinde zu übertragen. Es bleibt dann das Problem, daß der Antragsberechtigte, der nicht Gläubiger oder Aktionär ist, mit dem Sanierungsverfahren kein besonderes 110 Zu diesen Interessen oben S. 195 f.

Vermögensrisiko eingeht und deshalb zu leichtfertiger, weil für ihn „kostenloser“ Antragstellung neigen kann. Dem Heße sich sicherlich durch verschiedene Mittel begegnen. Eine Möglichkeit wäre, solche Betroffenen dem gleichen Vermögensrisiko auszusetzen wie antragsberechtigte Gläubi­ ger. Wenn also nach den ausländischen Beispielen der Antrag eines Gläubi­ gers eine Mindestforderungssumme voraussetzt, so müßte der Antrag von Aktionären an den gleichen Aktiennennbetrag geknüpft werden; der Antrag anderer Nicht-Gläubiger wäre davon abhängig zu machen, daß der Betrag dem Unternehmen kreditweise zur Verfügung gestellt wird und diese Kreditforderung später im Sanierungsplan nicht anders als andere vergleichbare Gläubigerforderungen berücksichtigt wird. Auch könnte das Gericht nach dem Vorbild des amerikanischen Gesetzes ausdrücklich ermächtigt werden, leichtfertige oder schikanöse Anträge zurückzuweisen, selbst wenn an sich die Voraussetzungen für ein Sanierungsverfahren gegeben sind, und bei unbegründeter Antragstellung auch Schadenshaf­ tung anzuordnen111.

3. Entscheidungsgrundlagen Daß das Gericht sich in streitigen Fällen von dem Insolvenztatbestand (Zahlungsunfähigkeit, Zahlungseinstellung, Überschuldung), der das Ver­ fahren auslöst, überzeugen muß, ist eine Selbstverständlichkeit. Dem dienen die detaillierten Angaben über die wirtschaftliche und rechtliche Situation des Unternehmens und den vergangenen Geschäftsverlauf, die in allen Verfahrensordnungen dem Antrag beizufügen sind112. a) Sanierungsvorschlag. - Im deutschen Verfahren nach der Vergleichsord­ nung wird außerdem verlangt, daß der Antrag mit einem Vergleichs Vor­ schlag verbunden ist, den das Gericht auf Bestimmtheit, Mindestsatz und Angemessenheit zu überprüfen hat, bevor es das Verfahren eröffnet (§§ 7, 17 Nr. 1 VerglO). Das amerikanische Reorganisationsverfahren beruht dagegen auf der Vorstellung, daß der Sanierungsplan bei Großunterneh­ men erst im Verfahren aufgestellt werden kann, nachdem die Situation des Unternehmens und die Einstellung der Beteiligten sorgsam erforscht wor­ den ist; es verlangt deshalb für den Eröffnungsantrag keinerlei Angaben darüber, wie die Reorganisation bewerkstelligt werden soll113. Ebenso das 111 Siehe oben S. 235. 112 USA: Bankruptcy Rules 10-104, 10-105; Official Forms 10-1 und 10-2; Frankreich: Art. 4 der Verordnung Nr. 67-820 vom 23. 9. 1967; Dekret Nr. 67-1255 vom 31. 12. 1967 (J.O. vom 3. 1. 1968, S. 20); Deutschland: §§ 3-6 VerglO. 113 Siehe N. 112.

französische Recht, das die Erarbeitung des Sanierungs- und Schuldentil­ gungsplans ebenfalls in die Zeit nach der Verfahrenseröffnung verweist (Art. 23ff.)14. Wenn man den Gläubigern und anderen außenstehenden Beteiligten das Antragsrecht gibt, ist der Verzicht auf den Sanierungsvorschlag im Eröff­ nungsverfahren logisch. Denn Außenstehende können beim Ausbruch der Krise in der Regel nicht den Einblick in die Verhältnisse des Unternehmens haben, der für konstruktive Sanierungsüberlegungen notwendig ist. Einen Sanierungsplan schon bei der Eröffnung des Verfahrens zu verlangen, würde aber vor allem dem eigentlichen Zweck des Verfahrens widerspre­ chen. Ein Sanierungsverfahren für große Unternehmen muß zunächst eine Besinnungspause verschaffen, in der die Situation und die weiteren MögEchkeiten des Unternehmens einigermaßen sorgsam geprüft werden kön­ nen. Der Sanierungsplan kann ganz natürlich nur die Folge, nicht die Vorbedingung dieser Untersuchung sein. b) Sanierungsßhigkeit. - Die Ausarbeitung des Sanierungsplans muß im Sanierungsverfahren geschehen und damit auch die Prüfung, ob das Unter­ nehmen überhaupt sanierungsfähig ist114 115. Die Sanierungsfähigkeit ist jedoch ein Problem schon vor der Eröffnung des Verfahrens. Läßt man das Verfahren zu, ohne daß sie vorher geprüft wird, so kann es als billiger Zufluchtsort mißbraucht werden von Unternehmen, deren Lage bereits hoffnungslos ist, und dadurch den alten und den noch hinzukommenden Gläubigern und Anlegern Schaden zufügen. Macht man die Verfahrenser­ öffnung dagegen von einer vorherigen Prüfung der Sanierungsfähigkeit abhängig, so besteht die Gefahr von Fehleinschätzungen, die zu unnötigen Liquidationen führen. Auch kann dadurch der rechtspolitische Sinn des Verfahrens, den beteiligten Interessen zunächst möglichst rasch eine Gele­ genheit zur Überprüfung und Neuordnung der Situation zu verschaffen, geschwächt werden. Das amerikanische Gesetz wies bisher den Richter an, die Eröffnung abzulehnen, wenn keine vernünftige Aussicht für das Zustandekommen eines Reorganisationsplans bestand (§ 146 [3]). Die Gerichte gingen über diese Schwelle leicht hinweg, wenn dem Eröffnungsantrag kein Beteiligter widersprach116. Wurde die Eröffnung jedoch streitig, so konnte daraus (zusammen mit den gegebenen Rechtsmitteln) ein monatelanges Eröff­ 114 Dazu oben S. 167£ 115 Darüber unten S. 249ff. 116 Die einschlägige Darstellung bei Collier VI 2 § 6.09 ist ganz konzentriert auf streitige Fälle.

nungsverfahren entstehen, in dem die Sanierungsaussichten eingehend geprüft wurden117. Nach diesen Erfahrungen hat das neue Gesetz von 1978 die Schwelle für die Eröffnung des Verfahrens herabgesetzt, indem es die EinleitungsVor­ aussetzungen für Liquidation und Reorganisation einheitlich regelt und die Prüfung der Sanierungsaussichten in eine spätere Verfahrensstufe verweist. Der Antrag des Unternehmens selbst (voluntary petition) führt ohne weiteres zur Eröffnung des Verfahrens118; wenn ein Beteiligter einwenden will, daß keine hinreichende Sanierungsaussicht besteht, kann er dies erst im Verfahren (dort aber jederzeit) durch besonderen Antrag geltend machen (§§ 305, 1112 [b]). Der Effekt ist, daß der normale Gang des Verfahrens durch den Oppositionsantrag allein nicht gehemmt werden kann. Ähnliches gilt für Eröffnungsanträge von Gläubigern. Ihnen kann offenbar vor der Verfahrenseröffnung nur mit der Begründung widerspro­ chen werden, daß der Insolvenztatbestand nicht gegeben sei (§ 303 [h]); hinsichtlich der Sanierungsfähigkeit sind die Beteiligten darauf verwiesen, ihren Widerspruch nachträglich im Verfahren vorzubringen (§ 305). Ohne besondere Überlegungen, gleichsam naturwüchsig, ist dies auch die Lösung des englischen Rechts geworden. Sie ergibt sich daraus, daß einerseits die Neuordnung der Kapitalverhältnisse durch das „Arrange­ ment“ kein eigentliches Insolvenzverfahren ist und daher keiner gerichtli­ chen „Eröffnung“ bedarf, und daß die Prozedur andererseits im Insolvenz­ fall komplettiert werden muß durch das gesetzliche Abwicklungsverfahren oder die Zwangsverwaltung, für deren Eröffnung natürlich die Sanie­ rungsfähigkeit keine Rolle spielt119. In der neueren Gesetzgebung vertritt das französische Verfahren den gegenteiligen Lösungstyp. Vorbedingung für die Eröffnung des Verfah­ rens ist, daß die finanzielle Situation des Unternehmens schwierig, aber noch nicht unheilbar zerrüttet ist („irremediablement compromise“; Art. 1). Dies und die Aussichten für eine Wiederherrichtung („perspectives de redressement") prüft ein beauftragter Richter, wobei er Sachverständige zu Hilfe rufen und von der Finanzverwaltung, Sozialversicherung und den Banken detaillierte Auskünfte fordern kann (Art. 5, 8, 9); sein Bericht muß aber binnen 15 Tagen dem Gericht vorliegen, so daß die Untersuchung notgedrungen nur kursorisch geführt werden kann120. Da bis zur Eröffnung oder Ablehnung des Verfahrens kein Außenstehender Gelegenheit erhält, 117 118 119 120

Nachweise Siehe oben Siehe oben Siehe oben

der Rechtsprechung bei Collier aaO. S. 230. S. 157-162. S. 166 und den Bericht von Geisenberger (N. 88) 459.

Einwände vorzubringen, dürfte diese Prüfung der Sanierungsfähigkeit bei bedeutenderen Unternehmen nur selten Anhaltspunkte dafür liefern, die Eröffnung des Verfahrens abzulehnen. In seiner Eröffnungsphase ähnelt das französische Verfahren dem der deutschen Vergleichsordnung. Auch diese verlangt eine vorherige Prüfung der Sanierungsaussicht (§ 18 Nr. 4), von Amts wegen (§ 116), mit Hilfe amtlichen wirtschaftlichen SachVerstands (§ 14) und unter Zeitdruck (§§ 13, 14). Akteure und Beobachter der deutschen Vergleichspraxis sind sich einig darin, daß unter diesen Bedingungen eine ausreichende Prüfung der Sanierungsaussichten nicht möglich ist121. Von der rechtspolitischen „Philosophie“ her, aber auch unter prakti­ schen Gesichtspunkten, erscheint die französische Verfahrenskonstruktion fragwürdig. Praktisch: Je größer und komplexer das insolvente Unterneh­ men, um so schwieriger und zeitraubender die solide Herausarbeitung seiner wirtschaftlichen Situation und seiner Gesundungsmöglichkeiten. Je schwieriger und zeitraubender diese Aufgabe ist, um so gewichtiger ist andererseits das Bedürfnis, dem Unternehmen für diese (voraussichtlich nicht kurze) Zeit alsbald eine feste und verläßliche Führung zu geben sowie den vollständigen rechtlichen und personellen Apparat für die Klärung der Sanierungsfrage zur Verfügung zu stellen. Vorverfahren nach Art des französischen Sonderverfahrens und des deutschen Vergleichsverfahrens verfehlen diese Forderungen. Einerseits verlängern sie durch die Prüfung der Sanierungsaussichten die eingetretene Unsicherheit über den Unter­ nehmensbetrieb, andererseits können sie wegen der kurzen Fristen kein solides Untersuchungsergebnis liefern. Auch kann die Sanierungsfähigkeit ja nicht anhand abstrakter Wirtschaftsdaten, sondern nur auf der Basis der dem Unternehmen wirklich zur Verfügung stehenden Mittel beurteilt werden. Da eine Sanierungsaktion in aller Regel den Einschuß neuen Kapitals erfordert, ist eine der wichtigsten Fragen die, wieviel Kapital bei welchem Kapitalgeber zu welchen Bedingungen für das Unternehmen gewonnen werden kann. Die Antwort hängt auch davon ab, wieweit die alten Kapitalgeber zurücktreten, um neuem Kapital Platz zu machen. Beides - die Behandlung der alten und die Gewinnung der neuen Kapital­ geber - sind Probleme, die bei größeren Wirtschaftseinheiten nicht schnell vorweg, sondern nur innerhalb des Verfahrens verhandelt und geklärt werden können. Verfahren, die eine Untersuchung der Sanierungsfähigkeit zur Vorbe­ dingung alles weiteren machen, verkennen letztlich die rechtspolitische 121 Siehe oben S. 28.

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Flessner BIPR 48

Aufgabe, die das Sanierungsverfahren erfüllen muß: Je größer das Unter­ nehmen, umso selbstverständlicher und natürlicher tritt neben die Liquida­ tion die unternehmenserhaltende Sanierung als eine Bereinigungsmöglich­ keit für die eingetretene Insolvenz. Deshalb spielt es zunächst keine Rolle, ob die Insolvenz schließlich in eine Liquidation oder eine Sanierung des Unternehmens mündet. Die Situation, die am Anfang bewältigt werden muß, ist der durch die Insolvenz ausgelöste Großkonflikt. Wie das eigentli­ che Konkursverfahren mit seiner Vollstreckungssperre und Zwangs Ver­ waltung nicht mehr verlangt als den Tatbestand der Insolvenz, so sollte auch das Sanierungsverfahren eigentlich von keinen weiteren Vorausset­ zungen abhängig sein, solange es den Beteiligten die wirtschaftliche Sub­ stanz ihrer Rechte in gleichem Maße wie das Konkursverfahren garantiert. Das neue amerikanische Gesetz entspricht diesen grundsätzlichen Über­ legungen, weil es einerseits die Sanierungsaussicht nicht mehr Vorbedin­ gung für das Verfahren sein läßt, andererseits den Beteiligten in jedem Zeitpunkt des eröffneten Verfahrens das Recht gibt, wegen Aussichtslosig­ keit der Sanierungsversuche doch die Liquidation oder die schlichte Ver­ fahrenseinstellung zu verlangen. Für diese Lösung spricht außerdem, daß sie aus praktischer Erfahrung mit einem Gesetz entstanden ist, in dem die Gleichberechtigung von Sanierung und Liquidation für größere Unterneh­ men seit langem verwirklicht ist.

C. Sanierungsplan I. Die Aufgabe In der Insolvenz offenbart sich, daß die wirtschaftlichen Kräfte des Unternehmens nicht mehr an die ihm entgegengebrachten rechtlichen Erwartungen heranreichen. Sanierung ist letztlich nichts weiter als der Versuch, wirtschaftliches Können und rechtliches Sollen dauerhaft wieder in Übereinstimmung zu bringen. Sie kann ansetzen auf der wirtschaftli­ chen Seite - indem durch organisatorische und finanzielle Maßnahmen die wirtschaftliche Kraft wieder auf das Niveau der rechtlichen Erwartungen gebracht wird - oder auf der rechtlichen Seite - indem die rechtlichen Ansprüche heruntergeschraubt werden auf die wirtschaftlichen Möglich­ keiten, die noch vorhanden sind. In der Wirklichkeit ist sie immer eine Kombination aus beidem. Eine bloße Anpassung der rechtlichen Ansprü­ che an das Vorhandene genügt nicht, da das Unternehmen in aller Regel auch neues Kapital, mindestens aber einige betriebliche Umstellungen nötig hat. Zufuhr neuen Kapitals ist andererseits kein rein wirtschaftlicher

Vorgang, sondern schafft ihrerseits rechtliche Erwartungen der Kapitalge­ ber, die in die Anteils- und Schuldenstruktur des Unternehmens eingebaut werden müssen, indem alte Kapitalpositionen zurückgedrängt werden. Das gilt selbst dann, wenn das Kapital vom Staat als „verlorener“ Zuschuß gegeben wird, da in solchen Fällen doch aus haushaltsrechtlichen oder subventionspolitischen Gründen gewisse Vorbedingungen gestellt werden müssen. In der Atempause, die es den Beteiligten verschafft, muß das Sanierungs­ verfahren die authentische Feststellung ermöglichen, ob und unter welchen Bedingungen eine Sanierung möglich ist. Es muß sodann die rechtlichen Mittel für die Durchführung der Sanierung bereitstellen: Einwirkung auf die bisherigen Rechte und Ansprüche gegen das Unternehmen, Öffnung des Unternehmens für neues Kapital und organisatorische Umstellungen. Die verschiedenen Beiträge und Maßnahmen müssen zusammengefaßt und aufeinander abgestimmt werden in einem Sanierungsplan. Über ihn muß im Verfahren eine rechtsverbindliche Entscheidung getroffen werden.

II. Inhalt und Reichweite 1. Die Maßnahmen und die Betroffenen Die Sanierung eines großen Unternehmens ist in der Regel eine Kombi­ nation aus betrieblichen, finanziellen und rechtlichen Maßnahmen. Sie muß immer nach den Erfordernissen des einzelnen Falles konzipiert wer­ den. Sanierungsbemühungen werden deshalb behindert, wenn das Gesetz von vornherein bestimmte Maßnahmen vorschreibt oder andere aus­ schließt. So die deutsche Vergleichsordnung, indem sie Mindestquoten vorschreibt und deren Erfüllung in bar verlangt (§ 7 I—III), und die französische Verordnung von 1967, die für den gerichtlich bestätigten Teil des Sanierungsplans überhaupt nur Stundungen vorsieht122. Die Folge solcher Regelungen kann sein, daß Sanierungen, die möglich und wirt­ schaftlich vernünftig wären, scheitern oder außerhalb und ohne Hilfe der offiziellen Prozedur zustandegebracht werden müssen. Richtiger ist es, wie das amerikanische und das englische Gesetz grundsätzlich alle sanierungs­ dienlichen Maßnahmen zuzulassen123. Für den Schutz der Gläubiger (dem die abstrakten gesetzlichen Festlegungen dienen sollen) ist die geeignetere 122 Siehe oben S. 168. 123 Siehe oben S. 90, 158. Auch für das bisherige amerikanische Arrangement-Verfahren (das dem deutschen Vergleichsverfahren ähnelte) machte das Gesetz keine einengenden Vorschriften.

Stelle der Richter, der die Erfordernisse des einzelnen Falles beurteilen kann. Das amerikanische Reorganisationsverfahren (ebenso das englische Arrangement-Verfahren) ist den kontinentaleuropäischen Prozeduren auch darin voraus, daß es sämtliche Kapital- und Kreditgeber, von den Aktionä­ ren über die einfachen bis zu den bestgesicherten Gläubigern, in einem einheitlichen Verfahren zusammenfaßt und an den Sanierungsplan binden kann124.

2. Die gesicherten Gläubiger

Der kritische Punkt für die Gesetzgebung ist die Behandlung der gesi­ cherten Gläubiger. Sollen auch sie an den Sanierungsplan gebunden wer­ den? Bindung an den Sanierungsplan bedeutet, daß sie nicht nur während, sondern auch am Ende des Verfahrens an der Verwertung ihrer Sicherheit gehindert werden und stattdessen, wie andere Beteiligte auch, Änderungen ihrer Forderungs- und Sicherungsrechte (Stundung, Erlaß, Abschwä­ chung, Umwandlung in andere Rechte) hinnehmen müssen. a) Vergleichung. - Das deutsche Recht erspart den gesicherten Gläubigern (allerdings nicht den gesicherten Anleihegläubigern) 125 den Zugriff des Verfahrens vollständig126. Der weitestgehende Reform vorschlag, der bisher veröffentlicht wurde, geht dahin, die gesicherten Gläubiger an gerichtliche Stundungsvergleiche zu binden127. Ihnen Teilerlasse oder gar Umwandlun­ gen zuzumuten, ist noch kein Gegenstand der allgemeinen Diskussion. Das amerikanische Recht geht dagegen mit Selbstverständlichkeit davon aus, daß im Reorganisationsverfahren auch die gesicherten Gläubiger prinzipiell vom Sanierungsplan erfaßt werden dürfen128; ebenso das engli­ sche Verfahren129, das französische (das allerdings allen Gläubigern nur Stundungs vergleiche zumutet)130 und das japanische (das für die Zustim­ mungsbeschlüsse der gesicherten Gläubiger aber besonders hohe Mehrhei­ ten verlangt)131. Die naturwüchsige Herausbildung des amerikanischen Reorganisations­ verfahrens, die Bestätigung in den Lösungen anderer Länder und schließ­ lich der rechtspolitische Zweckgedanke sprechen dafür, daß für Sanierun­ gen von Großunternehmen die Einbeziehung der gesicherten Gläubiger eigentlich zur Logik des Verfahrens gehört. Ein praktischer Gesichtspunkt 124 125 126 127

Dazu oben S. Siehe oben S. Siehe oben S. Drobnig, 51.

149, 157. 19 ff. 149ff, 208 ff. DJT (1976) I F 88.

128 129 130 131

Siehe oben S. 131 ff, 208 ff. Siehe oben S. 157. Siehe oben S. 168 ff. Siehe Nakano 152 und unten S. 275.

kommt hinzu: Der Anteil der Fremdmittel in der deutschen Unternehmensfmanzierung ist heute so hoch und die Sicherungspraxis so total, daß ein Sanierungsverfahren ohne die gesicherten Gläubiger den größten Teil der Kapitalgeber verfehlen würde132. Bedenken gegen ihre Einbeziehung lassen sich also schwerlich aus dem rechtspolitischen Grundgedanken des Sanierungsverfahrens entwickeln. Sie könnten jedoch, wie das amerikani­ sche Beispiel ebenfalls zeigt, verfassungsrechtlichen Charakter haben oder aus den Notwendigkeiten des Kreditwesens hergeleitet werden. b) Verfassungsrecht, - Es geht im wesentlichen um die Frage, ob es mit der Eigentumsgarantie vereinbar ist, wenn der Sanierungsplan den gesicherten Gläubiger in die Neuordnung der Kapitalverhältnisse einbezieht und es ihm dadurch verwehrt, seine Sicherheit zu verwerten oder sich sonstwie sofortige Befriedigung zu verschaffen. Der amerikanische Oberste Gerichtshof hat dies bereits 1883 bejaht133. Als die Frage für die Reformge­ setze von 1933/34 (§§ 77 und 77B) gestellt wurde, bekräftigte er seinen Standpunkt für das Gesetz im allgemeinen, und gleichzeitig bescheinigten einige Berufungsgerichte die Verfassungsmäßigkeit speziell der Einbezie­ hung der gesicherten Gläubiger134. Anders als die Behandlung der gesicher­ ten Gläubiger während des Verfahrens135, ist diese verfassungsrechtliche Frage seitdem kein Diskussionspunkt mehr136. Die Argumentation für diese Unbedenklichkeitserklärung stützte sich vornehmlich auf den Sinn des Insolvenzverfahrens: Der Gesetzgeber, der überhaupt die Kompetenz zur Regelung dieser Materie hat, muß das Verfahren vernünftigerweise auf die gesicherten Gläubiger erstrecken kön­ nen, solange er ihnen angemessene Verfahrens- und Substanzgarantien („due process") bietet137. In der Sprache des deutschen Verfassungsrechts: Bindung der gesicherten Gläubiger an den Sanierungsplan ist nicht Enteig­ nung, sondern sachlich gebotene Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums nach Art. 14 I 2 des Grundgesetzes. In der Tat sind die Argumente, die die einstweilige Verwertungssperre

132 Zahlen über Fremdfinanzierung und Sicherungspraxis bei Drobnig (N. 127) F 15ff.; über Fremdkapitalanteile bei insolventen Unternehmen Gessner u. a. 524ff 133 United States v. Gebhard, 109 U.S. 527 (1883). 134 Continental Illinois Nat. Bank & Trust Co. v. Chicago, Rock Island and Pacific Ry. Co., 294 U.S. 648 (1935); Campbell v. Alleghany Corp., 75 F. 2d 947 (Cir. 4, 1935); In re Central Funding Co., 75 F. 2d 256 (Cir. 2, 1935). 135 Siehe oben S. 131 ff, 220 ff. 136 Siehe Collier VI § 0.10. 137 Continental-Fall (N. 134) 667-675; Campbell-Fall (N. 134) 952ff; Central Funding-Fall (N. 134) 260.

während des Verfahrens verfassungsrechtlich legitimieren138, auch in diesem Zusammenhang gültig. Denn das Sicherungsrecht verleiht der Forderung eines Kapitalgebers kein Eigentum grundsätzlich höherer Art, sondern lediglich einen Befriedigungsvorrang für den Fall der Nichterfüllung. Was die einfachen Gläubiger im Sanierungsverfahren hinnehmen müssen, muß deshalb auch bei den gesicherten Gläubigern jedenfalls dann zulässig sein, wenn ihnen, für den Fall erneuter Nichterfüllung nach abgeschlossener Reorganisation, ihr Befriedigungsvorrang erhalten bleibt. Denn letztlich stehen alle Kapitalgeber eines Unternehmens (Anteilseigner, einfache Gläubiger, gesicherte Gläubiger) in einer Gefahrengemeinschaft, die zwar, wenn die Gefahr sich verwirklicht hat, unterschiedliche Verlustbeiträge der Genossen zuläßt, nicht jedoch duldet, daß einzelne Teilnehmer sich den Rettungsbemühungen völlig fernhalten139. Es ist, so ein amerikanischer Autor, wie bei der großen Haverei: Ein Schiff ist auf ein Riff gelaufen, und um es wieder flott zu machen, muß man Ladung über Bord werfen, die vielen verschiedenen Eigentümern gehört140. Schlußfolgerung: Es geht nicht an, daß einer der Betroffenen seine Ware, weil besonders wertvoll, der Aufopferung entziehen will; die unterschiedlichen Werte der Ladungs­ partien werden erst berücksichtigt, wenn am Ende der Reise die Schadens­ teilung stattfindet141. * Ob ein Sanierungsverfahren den Kapitalgebern überhaupt Opfer zumuten darf, kann verfassungsrechtlich mithin für einfache und gesicherte Gläubiger nur einheitlich beantwortet werden. Der wesentliche Gesichts­ punkt im Lichte der Eigentumsgarantie dürfte sein, ob das Verfahren von den Gläubigern ein Sonderopfer für das Gemeinwohl verlangt oder ob es für den Fall des Konflikts mit anderen Vermögensinteressen lediglich die allgemeinen Grenzen des Gläubigerrechts näher bestimmt, vielleicht gar im eigenen Interesse der Gläubiger wirken will. Ein Sanierungsverfahren, das einen wirtschaftlichen und sozialen Interessenkonflikt beenden soll, aber nicht Unternehmenserhaltung um jeden Preis anstrebt, sondern den Betei­ ligten, einschließlich der Kapital- und Kreditgeber, den Mehrwert des lebenden Unternehmens erhalten will, muß unter diesem Gesichtspunkt verfassungsrechtlich unbedenklich sein. Wäre es anders, so müßten auch 138 Siehe oben S. 221 f. 139 Den Gedanken der Gefahrengemeinschaf betont auch Drobnig (N. 127) 87 mit Nachweisen über seine Anerkennung in der allgemeinen Meinung. Jetzt auch Allan/ Drobnig, RabelsZ 44 (1980) 624, 636 ff. 140 Dodd, Col. L. Rev. 38 (1938) 254f. 141 Siehe im deutschen Recht §§ 700 ff. HGB und Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehan­ delsrecht (2. Aufl. 1950) § 28.

die Vergleichsordnung und das Schuldverschreibungsgesetz (das Mehr­ heitsbeschlüsse der gesicherten Anleihegläubiger zuläßt) seit der Geltung des Grundgesetzes unanwendbar geworden sein. c) Funktionsföhigkeit des Kreditwesens. - Die verfassungsrechtliche Unbe­ denklichkeit bedeutet natürlich nicht, daß die Einbeziehung der gesicherten Gläubiger nicht rechtspolitisch unerwünscht sein könnte. Zu denken ist in erster Linie an die Funktionstüchtigkeit des Kapitalmarktes und des Kredit­ wesens, die durch ein „Einfrieren“ von gesicherten Forderungen im Sanie­ rungsplan vielleicht berührt werden könnte. Die Tatsache, daß die amerikanische Wirtschaft, Musterbild einer „credit economy“, mit dem Reorganisations verfahren seit mehr als hundert Jahren lebt, spricht gegen derartige Befürchtungen. Es müßte gezeigt werden können, daß gerade das deutsche Kreditwesen ungünstiger auf ein solches Verfahren reagieren würde, wenn die amerikanische Erfahrung unbeacht­ lich sein sollte. Dieser Nachweis dürfte schwerlich zu fuhren sein, denn zu der Erfahrung, die mit dem amerikanischen Verfahren seit langem gemacht wurde, treten Überlegungen, die sich aus den Lebenstatsachen von Kapitalanlage und Kredit ergeben. Zum einen: Auch gesicherte Gläu­ biger haben durchaus keine Garantie, bei der konkursmäßigen Liquidation eines Unternehmens volle Befriedigung zu erhalten. Nach einer sozialwis­ senschaftlichen Repräsentativerhebung der Konkurspraxis erzielen die gesicherten Gläubiger aus ihrer Sicherheit im Durchschnitt nur 70% Dekkung, wobei die Banken im Schnitt eher mehr, die kreditierenden Waren­ lieferanten meistens weniger erhalten142. Der durchschnittliche Ausfall von 30% ist verursacht vor allem durch den Wertabfall, den das Sicherungsgut wegen der ungünstigen Auswirkungen einer Zwangsliquidation erleidet143. Auch die gesicherten Gläubiger können also, auf die Masse gesehen, durchaus etwas gewinnen, wenn sie durch Einbindung in den Sanierungs­ plan zur Erhaltung des Unternehmens und seines Organisationswertes herangezogen werden144. Zum anderen: Kreditkapital, das von dem gesicherten Gläubiger aus einem Unternehmen herausgezogen wird, will alsbald an anderer Stelle wieder eingesetzt werden; nur ein wohlhabender Privatmann könnte es 142 Gessner u. a. 175. 143 aaO. 173ff. 144 So auch die Einschätzung von Coogan, einem prominenten, an sich „gläubigerfreundli­ chen“ Autor des Rechts der Kreditsicherung, in: Coogan/Hogan/Vagts, Secured Transactions § 9.02 (2) (b) S. 983: „In all probability, secured creditors gain more than they lose through the reorganization process, even though their rights are interfered with, sometimes drastically. The losses caused by the liquidation of a going enterprise are so great that almost any price may be paid to preserve its „going value". The price paid by the secured creditor is smaller than the price asked of others with an interest in the venture. “

sich leisten, größere Kapitalbeträge ungenutzt brachliegen zu lassen. Der gesicherte Gläubiger, der durch Zwangsliquidation oder Barablösung befriedigt wird, muß also eine neue Anlageentscheidung treffen, die a priori nicht mehr und nicht weniger Risiken birgt als die im Sanierungsver­ fahren getroffene Entscheidung, das Unternehmen weiter existieren zu lassen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß diese von dem einzelnen Gläubiger für „seinen“ Kapitalbetrag vorzunehmende Risikoschätzung verläßlicher wäre oder gesamtökonomisch „richtiger“ als die Prüfung der Unternehmensaussichten, die im Sanierungsverfahren kollektiv von allen Beteiligten anzustellen ist. Schließlich: Der Konflikt zwischen dem Liquidationsinteresse des gesi­ cherten Gläubigers und dessen möglicher Bindung an den Sanierungsplan wird nur dann praktisch, wenn die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens im Verfahren von den erforderlichen Mehrheiten und Instanzen an sich bejaht worden ist und nunmehr entsprechend gehandelt werden soll. Können die gesicherten Gläubiger, die sich an der Sanierung nicht beteili­ gen wollen, immer Barablösung ihrer Rechte verlangen, wird von den Sanierungswilligen konsequenterweise der Versuch gemacht werden müs­ sen, für die entstandene Kapitallücke eine Ersatzfinanzierung zu finden. Gelingt es ihnen, so muß der Kapitalmarkt also auch in diesem Fall Mittel für das betroffene Unternehmen „hergeben“ und wird so mit dem Risiko „belastet“, das eine Kapitalanlage in dem sanierten Unternehmen mit sich bringt. Fazit: Auch gesicherte Gläubiger an den Sanierungsplan zu binden, scheint für sich genommen auf Kapitalmarkt und Kreditwesen weder positiven noch negativen Einfluß zu haben. Was die gesicherten Gläubiger gegen ihre „Sanierungspflichtigkeit“ ins Feld führen könnten, sind nicht höhere Belange des Kapital- und Kreditsystems oder Richtigkeitskriterien der gesamten Volkswirtschaft, sondern allein ihre eigenen Interessen an freier und individueller Verfügung über ihren Kapitaleinsatz. Dieses Inter­ esse, das sie mit allen, also auch den ungesicherten Kreditgebern teilen, ist ohne Zweifel legitim. Seine Unterordnung unter die im Sanierungsverfah­ ren möglichen Beschlüsse ist aber nicht deshalb schon ein Stoß gegen die allgemeine Funktionstüchtigkeit des Kapitalmarktes und des Kreditwe­ sens. Letztlich gilt auch hier, was im verfassungsrechtlichen Zusammen­ hang zu würdigen war: Ein Verfahren, das von der Idee lebt, den Beteilig­ ten und der gesamten Volkswirtschaft den Mehrwert zu erhalten, den das lebende gegenüber dem toten Unternehmen besitzt, wird in seinen Grund­ zügen eher als Hilfe denn als Belastung für Kapitalmarkt und Kreditwesen zu sehen sein.

III. Rechtliche Maßstäbe Sanierung ist zuallererst diktiert von wirtschaftlicher sowie - in den Überlegungen des Staates - sozialer und politischer Zweckmäßigkeit und Konvenienz. Hätte das Sanierungsverfahren nur das Forum des Interessen­ streits und am Ende die Beurkundung des Verhandlungsergebnisses zu bieten, so würde das Recht nur darüber zu wachen haben, daß die Sanierungsbeschlüsse der Beteiligten nicht durch Irrtum oder unlautere Beeinflussung zustande kommen. Aber Forum- und Notarfunktion sind schon für den klassischen Typ des Vergleichsverfahrens nicht genug: Die Aufgabe des Verfahrens besteht darin, eine rechtsverbindliche Entschei­ dung über die Sanierung auch gegenüber widersprechenden Beteiligten zu liefern. Für ein modernes Insolvenzverfahren, das Sanierungen von Groß­ unternehmen ermöglicht, kommt hinzu, daß Beschlüsse für oder gegen Sanierungskonzepte in diesem Größenbereich vor der weiteren Öffentlich­ keit legitimiert werden müssen. Diese Funktionen kann das Sanierungsver­ fahren nur erfüllen, wenn das Recht auch für den Inhalt der Sanierungs­ pläne Maßstäbe setzt. Die Insolvenzgesetzgebung muß darauf achten, daß sie durch die Festle­ gung solcher Maßstäbe einerseits zweckmäßige Sanierungskonzepte nicht erstickt, andererseits die allgemeinen Gerechtigkeitswerte auch gegen große Interessenmehrheiten behauptet. Manche Gesetze erlauben unter diesem Gesichtspunkt überhaupt nur bestimmte Sanierungsmaßnahmen oder schließen andere von vornherein aus145. Daß diese Technik dem Sanierungsrecht der Großunternehmen nicht angemessen ist, wurde bereits dargelegt146. Vorzuziehen ist die Prüfung im Einzelfall, für die der Gesetz­ geber den Beteiligten und der Instanz (Gericht oder Behörde), die über den Plan rechtsverbindlich befindet, die Maßstäbe an die Hand zu geben hat. Alle hier untersuchten Gesetze enthalten solche Beurteilungsformeln, aller­ dings alle nur in ganz lapidarer Form.

1. Erhaltungsfähigkeit

Die Sanierung muß erfolgreich sein: sie muß dem Unternehmen die Lebensfähigkeit dauerhaft zurückgeben, also einen erneuten Zusammen­ bruch so verläßlich wie möglich ausschließen. Dies ist bei allen Beteiligten am Sanierungsgeschehen von Anfang an eine beherrschende Überlegung. Denn ein Mißerfolg wäre in konventioneller ökonomischer Sicht gleichbe­ deutend mit der Fehlleitung von Kapital - des neuen Sanierungskapitals 145 Siehe oben S. 243 f.

146 Siehe oben S. 243.

wie auch des „alten“, das, soweit noch möglich, nicht herausgelöst und anderer Verwendung zugeführt, sondern im Unternehmen „stehengelas­ sen“ wurde147. Für die einzelnen Geldgeber bedeutet eine erfolglose Sanie­ rung in jedem Fall eine Verschlechterung ihrer Kapitalpositionen - gutes Geld wurde schlechtem nachgeworfen und das schlechte (alte Kapital) ist noch schlechter geworden. Das Unternehmen, das letztlich unzureichend saniert worden ist, ist schließlich während seiner prekären Existenz eine latente Bedrohung des Kapital- und Kreditverkehrs. Nur die Arbeitneh­ mer, Kunden, Lieferanten und staatlich-politischen Interessen, die sich mit dem Weiterbestand des Unternehmens verbinden, können unter Umstän­ den Vorteil gezogen haben aus dem Zeitgewinn, den der erfolglose Sanie­ rungsversuch ihnen verschaffte. Aber auch sie werden während der ersten Krise im eigenen Interesse und aus argumentativen Rücksichten für eine dauerhaft wirkende Sanierung plädiert haben. Erfolg oder Mißerfolg einer Sanierung sind bei Großunternehmen dem­ nach das Existenzproblem für eine solche Masse von Kapitalpositionen, Arbeitsplätzen und eingespielten Wirtschaftsbeziehungen, dazu auch von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit, daß die Rechtsordnung es nicht den beteiligten Interessengruppen allein überlassen kann, die Erfolgs­ aussichten zu prüfen und zu beurteilen. Das ist umso weniger möglich, je mehr im Verfahren Mehrheitszwang gegen widersprechende Betroffene ausgeübt wird. Alle hier untersuchten Rechtsordnungen kennen daher eine „kassatorische“ Prüfung der Erfolgsaussichten des Unternehmens durch das Gericht, wenn über den Sanierungsplan zu befinden ist, nämlich in der Weise, daß das Gericht den mit den notwendigen Mehrheiten beschlosse­ nen Sanierungsplan doch ablehnen muß, wenn es die Erfolgschancen der Sanierung negativ beurteilt148. Im deutschen Vergleichsverfahren wird das Thema freilich nur schwach angesprochen. Die Vergleichsordnung ver­ 147 Daß die Weiterfinanzierung eines notleidenden Unternehmens, welches dann nach mehr oder weniger langer Zeit doch endgültig zusammenbricht, ein volkswirtschaftliches „Verlust­ geschäft“ ist, dürfte freilich auch mehr eine „Alltagstheorie“ als wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis sein. Denn in eine vollständige Gewinn- und Verlustrechnung wäre eine große Zahl von schwer verifizierbaren Hypothesen einzustellen, z. B.: anderweitige Einsatzmög­ lichkeiten für die Arbeitskräfte und das zur Weiterfinanzierung verwendete Kapital sowie deren Risikogehalt; Bezifferung der FernWirkungen einer Liquidation (oder ihrer Vermei­ dung) bei Staat, Lieferanten, Kunden, etc. Empirische oder theoretische Untersuchungen scheinen hierzu nicht vorzuliegen. Das zeitweilige Mitschleppen eines eigentlich unrentablen Unternehmens kann deshalb durchaus einmal „billiger“ sein als die Auflösung; so auch Stemmer 20. 148 USA: § 1129 (a) (11); Frankreich: Art. 27 I der Verordnung von 1967; siehe oben S. 168. England: Wenn der Plan keine Erfolgsaussicht hat, ist er nicht „fair“ gegen alle Beteiligten und muß deshalb abgelehnt werden; siehe oben S. 158 f.

langt eine gerichtliche Prüfung der Erfolgsaussichten (§18 Nr. 4) schon für die Eröffnung des Verfahrens und zieht dafür sogar den Sachverstand der Industrie- und Handelskammer heran (§ 14). Letztlich muß die Prüfung aber mindestens bei Großunternehmen kursorisch bleiben, weil sie zu früh (vor der Eröffnung des Verfahrens) und unter zu starkem Fristendruck stattfindet. Die unzureichende Diagnosemöglichkeit ist deshalb ein Haupt­ klagepunkt in der deutschen Reformdiskussion149. Später, im eröffneten Verfahren, kann die Erfolgsaussicht nur noch mittelbar zum vorgeschrie­ benen Prüfungsthema werden, wenn nämlich das Gericht feststellen muß, ob der angenommene Vergleich dem gemeinsamen Interesse der Gläubiger entspricht (§ 79 Nr. 4); denn zum Interesse der Gläubiger gehört auch die Erfüllbarkeit der Vergleichszusagen150, und diese ist sicher häufig bedingt durch eine nachhaltige Gesundung des Unternehmens. Notwendig ist dieser Zusammenhang aber nicht; es kann im Einzelfall durchaus vorkom­ men, daß die korrekte Erfüllung des Vergleichs gesichert ist, aber gleich­ zeitig die Möglichkeit besteht, daß der erfüllte Vergleich das Unternehmen ausgeblutet zurückläßt. Im Zeitpunkt der Vergleichsbestätigung hat das Gericht keine gesetzesoffizielle Gelegenheit mehr, auf die fehlende Erhal­ tungsaussicht in diesem substantielleren Sinne zurückzukommen, weil dieser im Eröffnungsverfahren zu behandelnde Mangel durch die Mehr­ heitsbeschlüsse der Gläubiger als geheilt gilt (§ 101 I Nr. 1). Die Erhaltungsaussicht von der Entscheidungsinstanz des Sanierungs­ verfahrens prüfen zu lassen, bedeutet natürlich nicht automatisch, daß diese Stelle die Prüfung selbst vollständig durchführen könnte. Denn die Fest­ stellung der gegenwärtigen inneren und äußeren Situation des Unterneh­ mens und die Prognose seiner künftigen Entwicklung kann nur von Wirtschaftsfachleuten geleistet werden, die sowohl die allgemeine wirt­ schaftliche Lage, die Situation in dem betreffenden Wirtschaftszweig wie auch die besonderen Verhältnisse des betroffenen Unternehmens in ihr Urteil verarbeiten. Ohne Hilfe von ad hoc bestellten Sachverständigen wird ein Gericht zu solchem Urteil nie, eine Spezialbehörde nur selten in der Lage sein. Die Aufgabe der entscheidenden Instanz wird also zunächst darin beste­ hen, den erforderlichen Sachverstand zu mobilisieren und seine Ergebnisse aufmerksam zu würdigen. Die amerikanische Insolvenzjurisprudenz hatte dafür im Laufe der Jahrzehnte ein geschlossenes Konzept entwickelt, das prinzipiell in jedem Fall zunächst gedanklich der Entscheidung zugrunde­ 149 Siehe oben S. 28. 150 BLEY/MOHRBUTTER § 79 Anm. 11; Böhle-Stamschräder, VerglO § 79 Anm. 5.

gelegt werden kann. Das Konzept ist die an der Ertragskraft orientierte Unternehmensbewertung151. Es zeichnet sich zunächst dadurch aus, daß von den Beteiligten und dem Richter eine für die längere Zukunft gültige Bewertung des Unternehmens als einer Einheit verlangt wird. Damit entsprach es der am Weiterbestand des Unternehmens aus gerichteten Anlage des amerikanischen Verfahrens. Man war seit den Zeiten der Eisenbahn-Reorganisationen daran gewöhnt, das Unternehmen als die Konstante, die Gläubiger- und Anteilsrechte dagegen als den disponiblen Faktor zu behandeln, dessen künftige Rolle und Zusammensetzung vom Wert des Unternehmens her durch das Verfahren selbst neu definiert wird. Die Ertragswertmethode bietet hierbei - außer dem konsequenten Blick in die Zukunft - den methodischen Vorteil, daß der Wert des Unternehmens als Ganzes sich zunächst errechnen läßt unabhängig von den gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten und unabhängig von dem rechtlichen Status der Unternehmensausstattung (Sicherungsrechte, Mietsachen etc.). Das ermöglicht eine unbefangenere und klarere Vorstellung davon, welche Kapitallast in welcher Art und Zusammensetzung (einschließlich des Eigenkapitals) das Unternehmen künftig noch tragen kann und wie man durch Zuschneiden der Kapitalstruktur die Existenzfähigkeit des Unter­ nehmens herstellen (oder verhindern) kann. Bei Unternehmen, die über­ haupt nennenswerte Ertragserwartungen haben, ist dann die Entscheidung über die Erhaltungsfähigkeit nur noch eine über die dem Ertragswert angemessene Kapitalstruktur. Es leuchtet ein, daß diese Betrachtungsweise um so angebrachter ist, je größer das Unternehmen ist und je mehr davon ausgegangen wird, daß es aus politischen und sozialen Gründen nicht aufgegeben werden kann. Der praktische Vorteil des amerikanischen Konzepts dürfte darin liegen, daß jede Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen oder Entscheidungs­ instanzen zur Erhaltungsfähigkeit des Unternehmens letztlich auf eine Zahl, den Unternehmens wert, reduzierbar sein muß, und daß diese Zahl prinzipiell durch eine bestimmte Methode, die Ertragswertberechnung, gewonnen sein muß152. Das ermöglicht von vornherein eine einheitliche Fragestellung an alle Beteiligten und Sachverständigen sowie den verstän­ digen Vergleich ihrer Antworten. Divergieren die von verschiedenen Seiten gegebenen Bewertungen - was in streitigen oder komplizierteren Fällen regelmäßig der Fall ist - so kann der Richter (oder die mit der Entscheidung betraute Behörde) sich in der Regel immerhin darauf beschränken, „seine“ Bewertungsziffer innerhalb der Divergenzmarge zu 151 Darüber ausführlich oben S. 110 ff.

152 Siehe oben S. 111 ff.

suchen. Zu diesem Zweck wird er den Einzelpunkt oder die Punkte suchen, in denen die zugrunde liegenden Wertberechnungen nicht überein­ stimmen, und sich für die plausibelsten Annahmen entscheiden. Der Gewinn an Durchsichtigkeit und Rationalität, der durch diese konsequente Problemeingrenzung erzielt wird, ist evident. Das deutsche Insolvenzrecht hat eine vergleichbare Konzeption nicht entwickelt. Die Vergleichsordnung legt das Schwergewicht auf die Inven­ tarisierung und Bewertung der einzelnen Aktiven, ihre Konfrontation mit den Passiven und die Schlußfolgerungen, die sich daraus für Inhalt und Erfüllbarkeit des Vergleichs ergeben (§§ 4-6, 18 Nr. 3); denn für sie steht eben im Vordergrund nicht die Unternehmenserhaltung, sondern die möglichst baldige Barbefriedigung der nach dem Vergleich verbliebenen Forderungen. In der Literatur wird immerhin seit einiger Zeit hingewiesen auf die Notwendigkeit, nicht nur eine Vermögensbilanz, sondern auch einen Zahlungsplan aufzustellen, der die künftige Ertragsentwicklung des Unternehmens berücksichtigt, doch beziehen auch diese Überlegungen sich mehr auf die Sicherung der Vergleichserfüllung als auf die Erhaltungs­ fähigkeit des Unternehmens153. Die Erhaltungsfähigkeit wird von der Vergleichsordnung allerdings zu einer der EröffnungsVoraussetzungen gemacht (§ 18 Nr. 4); aber weder das Gesetz, noch die sonst sehr ausführli­ chen amtlichen Richtlinien für die Begutachtung gerichtlicher Vergleichs­ anträge154, noch Literatur oder Rechtsprechung geben für ihre Prüfung weitere Anweisungen oder Hilfe. Die auf schnelle Schuldenabwicklung gerichtete Konzeption des Gesetzes erübrigte bisher eine systematische Beschäftigung mit diesem Problem. Ein Sanierungsverfahren für Großunternehmen wird ohne anerkannte Maßstäbe und Methoden, die dem Entscheidungsorgan die Prüfung der Erhaltungsfähigkeit ermöglichen, nicht auskommen, weil sonst die Prü­ fungsbefugnis, wenn ausgeübt, zur Lotterie, wenn aber mangels Sach­ kenntnis faktisch nicht ausgeübt, zur leeren Form würde. Nicht zu verken­ nen ist andererseits, daß eine Bewertung des ganzen Unternehmens nach der Ertragswertmethode zwar theoretisch befriedigt, aber durch Aufwand an Zeit, Kosten und Gutachterstreit erhebliche praktische Probleme erzeugt, insbesondere wenn die Bewertung erst am Ende des Verfahrens stattfindet - nachdem der Sanierungsplan von den notwendigen Mehrhei­ ten bereits beschlossen ist. Das neue amerikanische Gesetz versucht des­ halb, durch Zurückdrängung der SEC - bisherige Protagonistin der Unter­ 153 Knorr, KTS 1955, 81 ff.; Veismann, KTS 1968, 46ff. 154 Abgedruckt z. B. bei Böhle-Stamschräder, VerglO 305 ff.

nehmensbewertung - und durch Dejuridifizierung des Verteilungs Streits die Unternehmensbewertung möglichst vermeidbar zu machen155. 156 Ob das Gesetz damit für Großunternehmen Erfolg hat, bleibt abzuwarten. Der entscheidende Gesichtspunkt für die Rechtspolitik dürfte sein, daß nicht eine sanierungsunwillige Minderheit der Kapitalgeber, die im Abstimmungsverfahren bereits unterlegen ist, die Gelegenheit erhält, durch den bloßen Zeit- und Kostenaufwand, den die Prüfung der Erhal­ tungsaussicht erfordert, die Reorganisation doch scheitern oder sich zusätz­ liche Vorteile versprechen zu lassen. Dem müßte mit verfahrenstechni­ schen Auflagen begegnet werden. Speziell eine Unternehmensbewertung nach der Ertragswertmethode ließe sich möglicherweise von Gesetzes wegen auf die Fälle beschränken, in denen ein sanierungsunwilliger Betei­ ligter nicht so sehr die dem Sanierungsplan zugrunde liegenden Ertrags­ prognosen, sondern den Umfang und die Art der vorgesehenen Kapitali­ sierung angreift. 2. Opfer- und Besitzverteilung Sanierung fordert immer Rechtsverzichte von den bisherigen Gläubigern und Anteilseignern. Wer welche Opfer zu bringen hat, ist Gegenstand eines oft heftigen Interessenkampfes, der durch die Annahme oder Verwer­ fung des Sanierungsplans zum Abschluß gebracht wird. In einem echten Sanierungsverfahren, das auf Vermeidung der Barablösung gerichtet ist, hat der Sanierungsplan aber auch eine positive Seite, indem er die künftig noch bestehenden Kapitalgeberrechte benennt und definiert. Wo das Ver­ fahren prinzipiell keine Barbefriedigung in Aussicht stellt, muß dieser Aspekt des Sanierungsplans sogar in den Vordergrund des Interesses treten. Denn nachdem die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens festge­ stellt worden ist, entscheidet der Sanierungsplan darüber, wem und in welcher Form (Forderungs- oder Anteilsrechte) der „Besitz“ dieses Ver­ mögensobjektes und die mit ihm verbundenen Gewinnchancen zuzuteilen sind. Für die amerikanischen Juristen ist die positiv-zuteilende Funktion des Sanierungsplanes seit jeher das juristische Hauptproblem, über das in der Reorganisation zu entscheiden ist. In ihrer bildhaften Sprache geht es darum, wer unter welchen Konditionen ein „Sanierungsbillett“ (reorgani­ zation ticket) erhält, also an der Sanierung „teilnehmen“ darf56. In 155 Siehe oben S. 115 ff. 156 Siehe z. B. Levi/Moore, U. Chi. L. Rev. 5 (1938) 408 ff; Frank, N. Y. U. L. Q. Rev. 18 (1941) 339; Brudney, Harv. L. Rev. 72 (1959) 679; Am. Bankr. L. J. 48 (1974) 307ff;

Deutschland dagegen ist diese - hellere - Seite des Insolvenzprozesses als Problem, geschweige denn als Rechtsprobicm, kaum erkannt. Daß über die Opfer- und Besitzverteilung nach rechtlichen Maßstäben zu entscheiden ist, lehrt überzeugend das amerikanische Beispiel. Vergli­ chen mit der Prüfung der Erfolgsaussichten der Sanierung (siehe oben 1), befindet sich die Jurisprudenz hier auf ureigenem Grund. Denn wenn die Durchführbarkeit der Sanierung und damit ein gewisser Wert des Unter­ nehmens für die Zwecke des Verfahrens einmal feststehen, geht es nun­ mehr um Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Kapitalgebern. Das amerika­ nische Recht bietet zu diesem Problembereich das beeindruckende Bild einer klaren Konzeption und einer konsequenten juristischen Durchdrin­ gung. Das deutsche Verfahren ist eher mager ausgestattet. Gerechtigkeits­ anforderungen an den Inhalt des Vergleichs statuiert die Vergleichsord­ nung in der Form der Mindestsätze (§ 7 I, II), der Erfüllungsfristen (§ 7 II) und des Gleichbehandlungsgebots (§ 8); für die richterliche Festlegung von Verteilungsanforderungen könnten genannt werden die Vorschriften, daß das Vergleichsangebot den Verhältnissen des Schuldners und der Vergleich dem gemeinsamen Interesse der Gläubiger entsprechen muß (§§ 18 Nr. 3, 79 Nr. 4). Es scheint aber, daß die Praxis den gegebenen Rahmen in dieser Richtung nicht auszufüllen pflegt157. Auch das Schuldverschreibungsgesetz und das Aktiengesetz verwenden als inhaltliche Anforderung im wesentli­ chen nur (ausdrücklich oder stillschweigend) das Gleichheitsgebot158. Nur indirekt äußert sich die Rechtsordnung zur Verteilungsproblematik, näm­ lich in der Weise, daß sie einerseits vom Vergleichsverfahren die gesicher­ ten und die privilegierten Gläubiger ausnimmt und andererseits in der Vergleichsordnung und dem Schuldverschreibungsgesetz von der unbehel­ ligten Existenz der Anteilseigner ausgeht, so daß diese Gruppen in die Opfer- und Chancengemeinschaft der Sanierungsteilnehmer nur durch Verhandlungen oder wirtschaftlichen Druck einzubinden sind. Im ausgebauten Sanierungsrecht muß die Opfer- und Besitzverteilung rechtlich voll geprüft werden können. Das gilt besonders in einem System, in dem bei Zahlungsunfähigkeit eines Großunternehmens der Sanierungs­ ROCHELLE/BALZERSEN, Am. Bankr. L. J. 46 (1972) 99 N. 9; (Note) Harv. L. Rev. 87 (1974) 1786fF.; D. R. King, Am. Bankr. L. J. 49 (1975) 334f. 157 Bei der Prüfung nach § 18 Nr. 3 scheint die Hauptsorge zu sein, daß der Schuldner zu viel bieten könnte; siehe BLEY/MOHRBUTTER § 18 Anm. 9; Goldmann, KTS 1962, 95 ff. Bei § 79 Nr. 4 wird der Akzent offenbar ebenfalls auf die Erjiillbarkeit des Vergleichs gelegt sowie darauf, daß die Gläubiger mehr als im Konkursverfahren erhalten; siehe BLEY/MOHRBUTTER § 79 Anm. Ila, c; Böhle-Stamschräder VerglO § 79 Anm. 5. 158 Siehe oben S. 150f.

versuch im gerichtlichen Verfahren das Normale, die sofortige Liquidation dagegen die Ausnahme sein sollte. Denn wenn Unternehmen nicht sterben dürfen, bleibt doch als wichtige Aufgabe die Neuordnung der Besitzver­ hältnisse. Diese kann nicht ohne Rücksicht auf bestehende Rechtstitel, gleichsam wie auf einem blanken Blatt Papier, entworfen werden, insbe­ sondere dann nicht, wenn das Verfahren sämtliche Kapitalgeber, auch die gesicherten und vorrangigen Gläubiger, ergreift. Sanierung durch Um­ wandlung und Neubestimmung von Kapitalgeberrechten enthält zwar begriffsnotwendig den vorläufigen Ausschluß des Rechts auf Erzwingung der Barbefriedigung; sie bedeutet aber nicht, daß die Kapitalgeberrechte (Forderungen und Anteilsrechte) in ihren sonstigen Elementen, vor allem ihren Rangmerkmalen, mit der Eröffnung des Verfahrens voll zur Disposi­ tion der rechtsförmlich beschließenden oder auch nur wirtschaftlich durch­ setzungskräftigen Interessenmehrheiten stehen könnten. Das Zivilrecht würde außer Funktion gesetzt und das Kapitalmarkt- und Kreditsystem wichtiger Kalkulationsgrundlagen beraubt, wenn potentiell bei jeder Insol­ venz eines größeren Unternehmens sorgsam bedachte Haftungs- und Rangfolgebestimmungen der Kapitalgeberrechte ohne weiteres hinfällig wären. Daß dann auch das Verfassungsrecht ins Spiel käme, ist offensicht­ lich und durch die amerikanische Erfahrung ebenfalls bereits vorgefuhrt159. Inwieweit bei der Opfer- und Besitzverteilung die bisherigen Haftungsund Rangordnungen der Kapitalgeberrechte beachtet werden, muß mithin bei der Entscheidung über den Sanierungsplan eine Rolle spielen. Das heißt nicht unbedingt, daß man hierbei der absoluten Vorrangsregel folgen müßte, so wie diese im amerikanischen Verfahren entwickelt wurde. Die absolute Vorrangsregel verlangt ja, daß die Opfer und der Besitz im Prinzip nicht anders verteilt werden als bei erzwungener Liquidation des Unternehmens: Mit ihren Rechten müssen in erster Linie die Anteilseigner ausfallen (unter ihnen die Stammaktionäre vor den Aktionären mit Liqui­ dationsvorzug), sodann die ungesicherten Gläubiger, und so weiter in der Rangfolge der Kapitalgeberrechte, bis die Kapitalgeberklasse erreicht ist, deren Verteilungsansprüche ganz oder teilweise vom Unternehmens wert gedeckt sind; oder anders herum: Kapitalpositionen in dem Unternehmen in der Form von Forderungen oder Anteilsrechten dürfen bisherige Kapi­ talgeber nur erhalten, wenn die ihnen im Rang vorgehenden Kapitalgeber ihrerseits voll berücksichtigt worden sind160. Die absolute Vorrangsregel ist so der weitestgehende Versuch, die gegebene zivilrechtliche Haftungsordnung auch in der Sanierung aufrecht­ 159 Siehe oben S. 220ff., 245ff

160 Siehe ausführlich oben S. 95ff

zuerhalten. Sie wird im amerikanischen Verfahren gespeist von dem Gedanken, daß die Reorganisation nicht anders als die Liquidation eine Verteilung des Unternehmens vermögens auf die Berechtigten bezweckt. Der Unterschied liegt nur darin, daß bei der Sanierung wegen der Erhal­ tung des Organisationswertes die Verteilungsmasse größer ist und die Verteilung nicht in Geld (Liquidationserlös), sondern in Naturalien (Gläu­ biger- und Anteilsrechte = „ReorganisationsWährung“)161 erfolgt162. Die eindrucksvolle Geschlossenheit dieses Konzepts darf nicht verdekken, daß seine Entstehung durch Eigenarten der amerikanischen Rechtsent­ wicklung stark bedingt ist: durch die ursprüngliche Einkleidung der Sanie­ rungspraxis in ein Zwangsliquidationsverfahren163, was natürlich die Anlehnung auch an materielle Liquidationsgrundsätze nahelegte; durch die eklatanten Mißbräuche der früher bestehenden Verhandlungs- und Gestal­ tungsfreiheit, gegen die schließlich ein ebenso deutlicher und kräftiger Gegenmaßstab gefunden werden mußte; und durch die starke, von der allgemeinen Politik getragene Anlegerschutz-Bewegung, die in der absolu­ ten Vorrangsregel ein willkommenes scharfes Instrument für ihre Ziele erblickte164. Entsprechende Faktoren hatte und hat die deutsche Situation nicht aufzuweisen. Vor der Übernahme der absoluten Vorrangsregel wären auch die Wir­ kungen zu bedenken, die sie in anderen als amerikanischen Verhältnissen haben würde. Zum Beispiel: In Deutschland geschieht die Unternehmens­ finanzierung vermutlich mehr über die Banken und andere Kapitalsammel­ stellen als über den Kapitalmarkt, der auch enger ist und weniger Risikoka­ pital bietet als der amerikanische165. Da die absolute Vorrangsregel tenden­ ziell Forderungs- in Anteilsrechte umwandelt, würde sie in Deutschland 161 Blum, U. Chi. L. Rev. 17 (1950) 580. 162 Ein prominenter Autor hat dies einmal so ausgedrückt: „. . . Reorganization as well as liquidation is a procedure to divide the assets of the Corporation to those entitled to them, . . . the difference being that in bankruptcy the assets of the Corporation are converted into cash, which is distributed, while in reorganization the assets are retained by the Corporation, and interests in such assets are distributed in the form of new or revised interests (obligations assumed or shares of stock) in the reorganized Corporation. The preservation of going concem values [durch die Reorganisation] merely enlarges the pot available for distribution; it does not change the relative interests or equities of creditors and stockholders in the pot“; Gerdes, U. Pa. L. Rev. 89 (1940) 42, 46. 163 Siehe oben S. 37ff., 55ff. 164 Siehe oben S. 72ff, 94-102. 165 Siehe oben S. 153 ff., 219. Vergleichbar die Lage in Japan, wo ein Reorganisationsverfah ­ ren nach amerikanischem Muster praktiziert wird: Prof. Shimojima (Tokio) 1978 in einem Beitrag für die Insolvenzrechtskommission; auf Deutsch veröffentlicht in: Hogaku Shirin, Bd. 77 (1979) Heft 2.

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den Anteilsbesitz der Banken vermehren, der aber wegen der hier geringe­ ren Popularität der Aktie und der geringen Handelbarkeit andersartiger Anteilsrechte nicht so leicht wieder absetzbar wäre. In welchem Maße dies tatsächlich eintreten würde und wie dieser Tatbestand unter banken- und wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten zu beurteilen wäre, müßte unter­ sucht und erörtert werden166. Andererseits: Die Eigenkapitalbasis der deut­ schen Unternehmen ist notorisch schwächer als die der amerikanischen167. Die Verwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital durch die absolute Vorrangsregel kann also für die Zukunft der betroffenen Unternehmen eine durchaus erwünschte Stärkung der Kapitalstrukturen bewirken. Die absolute Vorrangsregel an sich macht zudem deutlich, daß die schwächere Eigenkapitalbasis nicht gleichbedeutend ist mit geringerer wirtschaftlicher Leistungskraft, sondern nur eine risikoreichere Rechtsform der Kapitalver­ sorgung spiegelt, die folglich im Rechtsverfahren der Sanierung verbessert werden kann. Vom europäischen Standpunkt müßte schließlich die Kritik gewürdigt werden, die in den Vereinigten Staaten - vornehmlich aus praktischen Gründen - gegen die absolute Vorrangsregel erhoben worden ist und zu ihrer Zurückdrängung im neuen Konkursgesetz geführt hat168. Einige grundsätzlichere Erwägungen lassen sich hinzufügen: Das Abstellen auf die Verteilungsordnung bei der Liquidation hat etwas Irreales, wo die Sanie­ rung (wenn sie gelingt) zur Erhaltung des Unternehmens führt und jegli­ ches Kapital doch vornehmlich im Hinblick auf die Ertragskraft des lebenden Unternehmens gegeben wird; die Verwertung der Sicherheit für den Fall der Insolvenz ist ultima ratio und überdies ihrerseits mit Ausfallri­ siken behaftet. Etwas Künstliches hat auch die Zuteilung der neuen Kapi­ talpositionen nach einem Stichtag. Diese Fixierung ist für die Erlösvertei­ lung in der Liquidation natürlich, weil es hier eine Zukunft nicht mehr gibt; für den Fall der Sanierung erscheint sie dagegen weniger zwingend, weil die „gerettete“ Zukunft auch für flexiblere Lösungen Raum lassen würde. Die Rigorosität der Verteilungsordnung ist in der Liquidation schließlich unproblematisch, weil die Rangfolge eine klar zu beantwor­ tende Rechtsfrage ist, die Verteilung des Erlöses sich daraus automatisch 166 Die Bankenstrukturkommission, an sich für eine gesetzliche Beschränkung des Anteils­ besitzes der Banken plädierend, will für den Sanierungserwerb eine Ausnahme machen: Bericht der Studienkommission „Grundsatzfragen der Kredit Wirtschaft“ (Bonn 1979) S. 261 ff., 274—276. 167 Angaben darüber z. B. bei Gruhler, AG 1977, 73ff., und neuestens bei Kübler, AG 1981, 6f. 168 Siehe oben S. 115 ff.

ergibt und auch die Verteilungsmasse (Geld) in ihrem Wert nicht mehr in Frage gestellt werden kann. In der Sanierung ist aber wegen der Unsicher­ heiten der Unternehmensbewertung gerade die Größe des zu verteilenden „Kuchens“ eigentlich ungewiß und ebenso die relative Größe und der Gehalt der einzelnen Kuchenstücke, die an die Sanierungsteilnehmer verteilt werden. Die Entscheidungsinstanzen und ihre Sachverständigen sind oft überfordert, wenn sie auf so zweifelhafter Grundlage und in so problemati­ scher Form weitreichende und endgültige Vermögenszuteilungen vorneh­ men müssen. Ein letztes grundsätzliches Bedenken ergibt sich aus der Funktion, die ein Sanierungsverfahren für Großunternehmen in der heutigen Wirtschaft erfüllen muß: Die absolute Vorrangsregel regelt die Verteilung unter den betroffenen Kapitalgebern, und durch die einschneidenden Folgen, die sie auf problematischer Bewertungsgrundlage für einzelne Kapitalgebergrup­ pen haben kann, ist sichergestellt, daß ihre Anwendung oft genug heiß umkämpft sein wird. Dadurch werden in den Hintergrund gedrängt die nicht kapitalgebundenen Interessen (Arbeitnehmer, Staat), denen bei Großunternehmen ebenfalls Gehör verschafft werden muß. Aus dieser Sicht wäre also eine Regel vorzuziehen, die die Auseinandersetzung zwi­ schen den Kapitalgebern einfacher und weniger geräuschvoll ablaufen läßt. Die absolute Vorrangsregel ist nach allem nicht unproblematisch. Sie hat aber auch für europäische Verhältnisse nennenswerte Vorzüge. In erster Linie ist sie ein klares Ideal in unübersichtlicher Situation, das den Beteilig­ ten verwehrt, sich in der Wirrnis der Insolvenz aus früher getroffenen Kredit- und Anlageentscheidungen „herauszumogeln“. Sie erlaubt, wenn ihre Anwendung explizit gemacht wird, der Allgemeinheit eine Überprü­ fung der Opfer- und Besitzverteilung anhand eines gedanklich eindeutigen Rechtsmaßstabes. Das ist um so wichtiger, je mehr das betroffene Unter­ nehmen wegen seiner Größe oder Bedeutung zur öffentlichen Institution geworden ist. Die absolute Vorrangsregel verwirklicht hierbei konsequent die im Insolvenzrecht generell geforderte und den Großunternehmen allge­ mein angemessene Trennung von Eigentümern (Aktionären) und Unter­ nehmen169, indem sie bei Überschuldung für die Auswechslung der Aktio­ näre (und wenn nötig, auch anderer Kapitalbeteiligter) sorgt. Der praktische Wert der Regel liegt darin, daß sie durch die Eliminie­ rung wertloser Rechtspositionen die Heranziehung neuen Kapitals erleich­ tert. Ihre Verwendung ist deshalb auch geeignet, der vielbeklagten „Sozia­ 169 Dazu allgemein Hanisch, Rechtszuständigkeit der Konkursmasse 45fF., 275fE; K. Schmidt, KTS 1976, 15; Arnold, DRpfl. 1977, 395.

lisierung der Verluste“ entgegenzuwirken. Diese besteht ja oft darin, daß der Staat genötigt ist, Sanierungskapital zur Verfügung zu stellen, weil nicht erreicht werden kann, daß die Rechte der bisherigen Kapitalgeber angemessen zurückgesteckt werden. Wo aber, andererseits, staatlicher Kapitaleinsatz unvermeidlich erscheint, wäre die absolute Vorrangsregel dem Staat Mittel und Ansporn, eine seinem Kapitalbeitrag wirklich ent­ sprechende Position in der Kapitalstruktur des sanierten Unternehmens einzunehmen. Daß die Regel - schließlich - in der Praxis nicht so eindeutig anzuwenden ist, wie sie sich formuliert darstellt, ist im Grunde kein stichhaltiger Einwand. Sie teilt dieses Schicksal mit anderen Rechtsidealen, zum Beispiel dem Entschädigungsgebot bei der Enteignung: die Rechtsre­ gel ist klar, und doch füllen die Rechtsprechung und ihre Kommentierung Bücher über den Enteignungstatbestand und die Bemessung der Entschä­ digung. Die Gegenposition ist die relative Vorrangsregel. Nach ihr ist es zulässig, alle Kapitalgeberrechte (auch die erstrangig gesicherten Gläubigeransprü­ che) entsprechend dem geschrumpften Unternehmenswert proportional herabzusetzen oder - anders gewendet - alle alten Kapitalgeber proportio­ nal an dem sanierten Unternehmen zu beteiligen, solange nur die bestehen­ den Rangverhältnisse auch in der neuen Kapitalstruktur gewahrt werden170. Es ist sogar behauptet worden, die relative Vorrangsregel gestatte es, allein die Gläubigerrechte zusammenzustreichen und in andere Rechte (etwa Vorzugsaktien) umzuwandeln, solange nur gegenüber den unbehelligt gebliebenen Aktionären der Vorrang erhalten bleibe171. Die relative Vorrangsregel muß verfassungsrechtlich wohl als das Mini­ mum an erforderlicher Rechtsgarantie für die vorrangigen Kapitalgeber angesehen werden. Sie gewährt allen Beteiligten mehr Verhandlungsraum und damit letztlich den rangniederen Kapitalgebern, vor allem den Anteils­ eignern, günstigere Verhandlungsergebnisse. Für die vorrangigen Gläubiger birgt sie dagegen erhebliche Risiken. Denn wenn entgegen den Erwartun­ gen das Unternehmen nach einiger Zeit doch wieder notleidend wird, haben sie sich nicht nur mit der zusätzlichen Last des frisch zugeführten Sanierungskapitals auseinanderzusetzen, sondern sie gehen in diese Ausein­ andersetzung von vornherein von einer rangmäßig oder betragsmäßig geringeren Stufe als im ersten Sanierungsverfahren. Hinter der relativen Vorrangsregel (oder jeder anderen Lockerung der ursprünglichen Rang­ ordnung) steht der Gedanke, den vorrangigen Kapitalgebern die Über­ 170 Siehe oben S. 95 ff. 171 Finletter 457 f.; Dodd, Harv. L. Rev. 53 (1940) 732.

nähme dieses Risikos zu ermöglichen, wenn sie sich dadurch andere Vorteile, besonders einen schnelleren Abschluß des Sanierungsverfahrens versprechen. Die vorrangigen Gläubiger müssen in der Regel an einem schnellen Verfahren interessiert sein, weil während des Verfahrens haupt­ sächlich auf ihr Risiko gewirtschaftet wird. Die Anteilseigner können dagegen durch ein langes Verfahren nichts verlieren (wenn sie bei der Liquidation ausgefallen wären), dafür aber noch gewinnen, wenn sich während des Verfahrens die Lage des Unternehmens verbessert. Sie stehen in der amerikanischen Diskussion daher im Verdacht, konstitutionell an Verzögerung durch Ausschöpfung aller Verfahrensmöglichkeiten interes­ siert zu sein172. Hier besteht also der Raum für Konzessionen, welche die Gläubiger im eigenen Interesse den Aktionären vielleicht machen möchten. In dem durch absolute und relative Vorrangsregel abgesteckten Feld sind auch Zwischenlösungen denkbar. Etwa könnte bis zur Höhe des gedachten Liquidationswerts die strenge Rangfolge eingehalten, die Differenz bis zum höheren Sanierungs wert dagegen nach lockereren Gesichtspunkten auf alle Kapitalgeber verteilt werden173. Oder es könnten an der Differenz zwischen Liquidations- und Sanierungswert die Anteilseigner jedenfalls dann ganz oder teilweise beteiligt werden, wenn die Sanierung und damit der Wert des lebenden Unternehmens ohne ihre Beteiligung faktisch nicht realisiert werden kann174. Die vielfältigen Erwägungen, die bei der Opfer- und Besitzverteilung ins Spiel kommen können, sollen in dieser Untersuchung nur angedeutet werden. Im deutschen Insolvenzrecht fehlte bisher das volle juristische Bewußtsein für diese Seite des Sanierungsprozesses. Nötig ist zunächst, daß die Problematik als natürliche Folge eines entwickelten Sanierungsver­ fahrens erkannt und auf breiter Ebene diskutiert wird. Im amerikanischen Recht hat die Herausbildung der einschlägigen Maß Stäbe Jahrzehnte gedau­ ert und die Diskussion dürfte auch durch das neue Konkursgesetz nicht abgeschlossen sein175.

172 Siehe oben S. 116. 173 So heute das amerikanische Gesetz für den Fall, daß die Mehrheit der betroffenen Kapitalgeberklasse dem Plan zugestimmt hat, also nur eine Minderheit zu schützen ist: die Verteilung des „Mehrwertes“ auf die Kapitalgeberklassen ist Verhandlungssache; siehe oben S. 117f. 174 So vorgeschlagen von Guthmann, Col. L. Rev. 45 (1945) 741 ff.; Trost, U. C. L. A. L.R. 21 (1973) 551 f. 175 Siehe oben S. 117, 119.

3. Erhaltungswürdigkeit Ob Sanierung oder Liquidation die bessere Lösung ist, ist das Grundpro­ blem des Sanierungsrechts. Seine Behandlung hat Folgen nicht nur für einzelne Unternehmen und die mit ihm verbundenen Interessen. Denn ökonomisch geht es darum, ob die im Unternehmen noch vorhandenen und die für eine Sanierung neu einzubringenden Produktionsfaktoren (Kapital und Arbeit) hier oder an anderer Stelle der Volkswirtschaft den größeren Nutzen bringen. Werden Produktionskräfte durch Sanierung im Unternehmen belassen und ihnen von außen weitere zugefügt (vor allem Kapital), obwohl sie bei anderer Verwendung größeren Nutzen brächten, dann entsteht gesamtwirtschaftlich ein Wohlfahrts vertust, wenngleich dieser nur schwer in Zahlen zu fassen ist. Das gleiche gilt im umgekehrten Fall: wenn Kapital und Arbeit durch Liquidation freigesetzt werden, aber eine produktivere Verwendung an anderem Ort nicht möglich ist. Die so gestellte Frage nach der Erhaltungswürdigkeit des Unternehmens hängt zusammen, ist aber nicht beantwortet mit der anderen Frage nach den Erfolgsaussichten einer Sanierung176. Die Antworten decken sich, wenn dem Unternehmen aufgrund objektiver Umstände (z. B. Markt­ struktur, technische Entwicklungen, Nachfrageschwund) keine Ertrags­ aussichten gemacht werden können; damit steht in der Regel auch fest, daß die Liquidation die wirtschaftlich günstigere (weil weniger verlustbrin­ gende) Lösung ist. Die Erfolgsaussicht kann dem Sanierungsplan aber abgehen, weil die vorgesehene Kapitalausstattung nicht ausreicht (weil etwa zu wenig neues Betriebskapital gewonnen werden könnte) oder weil die Kapitallast, gemessen an den Ertragsaussichten, zu groß ist (weil zum Beispiel die alten Kapitalgeber nicht genug zurückstecken wollen). Dann kann das Unternehmen doch an sich erhaltungswürdig sein (und auch erhalten werden können), wenn nur der „richtige“ Sanierungsplan vorge­ legt und finanziert würde. Umgekehrt kann die Erhaltungswürdigkeit doch fehlen, selbst wenn die Erfolgsaussichten der Sanierung gegeben sind. Denn der im Plan vorgesehene und zugesagte Einsatz des im Unternehmen noch gebundenen und des neuen Kapitals kann gesamtökonomisch „unvernünftig “ sein, weil das Kapital bei anderer Verwendung höheren Ertrag brächte. Die Sanierung ist dann zwar „machbar“, aber volkswirt­ schaftlich zu „teuer“ und deswegen wirtschaftlich eigentlich nicht zu befürworten. Die Erhaltungswürdigkeit ist demnach nicht dasselbe wie die ErhaltungsJahigkeit des Unternehmens. Ob liquidiert oder saniert werden sollte, ist 176 Dazu oben S. 249 fF.

vielmehr die erstrangige Frage in jedem Insolvenzfall; sie müßte eigentlich vor allen anderen, mehr technischen Fragen wie den Erfolgsaussichten, der praktischen Durchführbarkeit und der Opfer- und Chancenverteilung beantwortet werden. Auf den ersten Blick fällt es daher auf, wie wenig die Rechtsordnungen dafür tun, daß die Frage im Insolvenzverfahren direkt gestellt und fundiert beantwortet wird. Im amerikanischen Gesetz wird die Erhaltungswürdigkeit des Unternehmens nirgends als rechtliche Anforde­ rung an die Reorganisation ausformuliert. Wenn ein Treuhänder oder ein Prüfer („examiner") eingesetzt ist, soll dieser sich in seinem Situationsbe­ richt zwar auch darüber äußern, ob die Fortführung des Unternehmens „wünschenswert“ (desirable) ist (§ 1106 [a] [3]). Es scheint aber, daß in der bisherigen Praxis (auch nach dem insofern gleichlautenden früheren Gesetz) die Berichte diese Frage in der Regel nicht berührten177 oder formelhaft über sie hinweggingen178. In der nächsten Stufe, bei der Überprüfung des Sanierungsplans durch das Gericht, besteht an sich auch die Möglichkeit, den ökonomischen Sinn oder Unsinn von Liquidation oder Reorganisation zu überdenken. Denn ein Reorganisationsplan, der den Kapitalgebern weniger bietet als eine Liquidation, kann gegen den Willen auch nur einzelner so Betroffener nicht in Kraft gesetzt werden; es müßte auch an seiner Erfolgsaussicht gezweifelt werden, da ein Unternehmen, dessen Sanierungswert unter dem Liquida­ tionswert liegt, von den wirtschaftlichen Kräften über kurz oder lang doch auf eine Liquidation hingedrängt würde179. In Wirklichkeit zeigt sich aber, daß die Praxis auch im Rahmen dieser Prüfungskategorien keinen Versuch macht, die Erhaltungswürdigkeit des Unternehmens zu untersuchen. Das Mittel dazu wäre die Unternehmensbewertung. Es hätten (nach dem bisherigen Gesetzesstand) nicht nur der Reorganisationswert, sondern ebenso systematisch der Liquidationswert des Unternehmens ausgerechnet und beide einander gegenübergestellt werden müssen. Aber die Gerichte in ihren Entscheidungen und die SEC in ihren Berichten behandelten den Punkt höchstens andeutungsweise. Ein wirklich durchgerechneter Ver­ gleich der Alternativen findet sich nur in einem der zahlreichen Fallberichte nach § 172, die von der SEC in ihrer Entscheidungs- und Berichtssamm­

177 Von den bei Collier (oben N. 117) zitierten Fällen wird der Liquidationswert nur in zwei Entscheidungen überhaupt erwähnt, aber auch nicht vollständig durchgerechnet: In re Doyle Mfg. Corp., 77 F. Supp. 116 (N.D.N.Y. 1948); In re Delta Food Processing Corp., 313 F. Supp. 788, 795 (N. D. Miss. 1970). 178 So in den Mustern für Treuhänderberichte bei Collier VII Nr. 2131, 2132. 179 D. R. King (N. 156) 330; Brudney, Am. Bankr. L. J. 48 (1974) 307.

lung veröffentlicht worden sind180. Im allgemeinen beschränkte man sich auf die eine Seite der Rechnung, die der Feststellung des Reorganisations­ werts diente, das heißt: nur die Erhaltungsfähigkeit, nicht auch die Erhal­ tungswürdigkeit des Unternehmens wurde zur Grundlage der rechtlichen Entscheidung gemacht. Im deutschen Verfahren nach Vergleichsordnung, Schuldverschrei­ bungsgesetz und Aktiengesetz ist die Situation im Ergebnis nicht anders. Nur die Vergleichsordnung bietet überhaupt normative Ansätze, die für eine Überprüfung der Erhaltungswürdigkeit des Unternehmens genutzt werden könnten. Nach § 79 Nr. 4 darf der Vergleich dem gemeinsamen Interesse der Gläubiger nicht widersprechen. Das bedeutet nach allgemei­ ner Anschauung unter anderem, daß er den Gläubigern mehr bieten muß, als sie im Konkursverfahren zu erwarten hätten181. Feststellung und Ver­ gleichung von Liquidations- und Sanierungswert des Unternehmens wer­ den dadurch eigentlich herausgefordert. Aber die Vorschrift krankt - wie die ganze Vergleichsordnung - daran, daß sie nicht das ganze Unterneh­ men, sondern nur den Forderungsbestand der ungesicherten und nichtbe­ vorrechtigten Gläubiger im Visier hat. Auch liefert das Gesetz nicht die Informationsgrundlagen, die dem Richter überhaupt eine solche Altemativenrechnung möglich machen würden. Die Richtlinien für die Gutachten der Industrie- und Handelskammern verlangen diese Durchrechnung nicht182. Der nach § 5 des Gesetzes beizubringende Vermögensstatus liefert sie auch nicht, weil er - so die moderne Auffassung - den Wert des Vermögens für die Erfüllung des in concreto vorgeschlagenen Vergleichs erkennen lassen muß183; alternative Bewertungen im Hinblick auf die Wahl zwischen Auflösung und Fortführung des Unternehmens schreibt das Gesetz nicht vor. Ebenso unergiebig ist das Vorverfahren, in dem die „VergleichsWürdigkeit“ des Schuldners geprüft wird. Die Würdigkeit des Schuldners wird vorwiegend persönlich-moralisch gesehen (§§ 17 Nr. 2-5, 18 Nr. 1, 2); im übrigen wird nur die Möglichkeit der Unternehmenserhal­ tung, nicht deren wirtschaftlicher Preis untersucht (§ 18 Nr. 3, 4). Auch das englische und das französische Verfahren gehen über diesen Punkt nicht hinaus184. Die Zurückhaltung des Rechts gegenüber dem Hauptproblem der Insol­ venzsituation beruht auf einer wohl unbewußten, aber realistischen Ein­ 180 181 182 183 184

In re Atlas Pipeline Corp., S.E.C. (1941) 9, 416, 432f. BLEY/MOHRBUTTER § 79 Anm. 11c; Böhle-Stamschräder, VerglO § 79 Anm. 5. Siehe oben N. 154. BLEY/MOHRBUTTER § 5 Anm. 10b, 11; Böhle-Stamschräder, VerglO § 5 Anm. 5. Siehe dazu oben S. 158, 165, 168.

Schätzung seiner eigenen Möglichkeiten. Im Ergebnis erscheint die rechtli­ che Abstinenz heute und wohl noch für lange Zeit berechtigt. Die Wirt­ schaftswissenschaft kann, wenn man den oben beschriebenen Gedanken­ gang von Buchanan akzeptiert, für die Wahl zwischen Liquidation und Sanierung zwar an sich ein gedankliches Gerüst liefern185. In seiner bisher vorliegenden Form ist es jedoch unvollständig und - wäre es vervollstän­ digt - praktisch nicht verwendbar oder zu aufwendig186. Gar keine Unter­ stützung gibt die Wirtschaftswissenschaft überdies für die Bewertung der nichtquantifizierbaren Faktoren, die bei der Abwägung zwischen Sanie­ rung und Liquidation zu berücksichtigen sind. Es handelt sich hier vorwie­ gend um Erwägungen der Konjunkturpolitik, Regionalpolitik, Beschäfti­ gungspolitik, die in der Regel vom Staat eingebracht werden; sie sind oft sozial oder politisch determiniert, also gerade auf Überwindung der rein ökonomischen Betrachtungsweise gerichtet. Aber selbst wo solche Über­ legungen auf wirtschaftliche Optimierung zielen, lassen sie sich meistens nicht in eine handfeste Wirtschaftlichkeitsrechnung aufnehmen. Der Gesetzgeber wie auch die entscheidenden Instanzen im Sanierungs­ verfahren finden sich nach allem in der Frage der gesamtwirtschaflichen Erhaltungswürdigkeit des Unternehmens ohne die Hilfe des wissenschaft­ lichen Sachverstands. Auch die allgemeine insolvenzpolitische Meinung schwankt zwischen Skepsis und Offenheit gegenüber dem gesamtwirt­ schaftlichen Nutzen von Sanierungsversuchen187. Es ist daher verständlich und legitim, daß die Insolvenzgesetzgebung, ohne Vorgaben aus der Wissenschaft und der allgemeinen Überzeugung, sich selbst und die Rechtsorganisation aus der Auseinandersetzung um die Erhaltungswürdig­ keit eines Unternehmens heraushält. Diese Feststellung ist ein gewisser Gegensatz zu Gedanken, die seit einiger Zeit in der deutschen Diskussion häufiger vorgebracht werden. Danach muß das Insolvenzverfahren vor allem an „gesamtwirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Zielen“ ausgerichtet sein. Einzelinteressen „sind gesamtwirtschaftlichen Überlegungen unterzuordnen“. Die im Ver­ fahren zu treffenden Entscheidungen (u. a. über Liquidation oder Erhal­ tung des Unternehmens) müssen „gesamtwirtschaftlich begründbar“ sein188. Es gilt, die herrschende „Planlosigkeit“ der Insolvenzbehandlung zu überwinden189. Im Organisatorischen laufen diese Gedanken natürlich dar­ auf hinaus, eine Instanz zu schaffen, die über den gesamtwirtschaftlichen 185 Siehe oben S. 183 ff. 186 Ausführlich oben S. 187-191. 187 Siehe oben S. 191 ff.

188 Gessner u. a. 562-565. 189 Knieper, BB 1977, 627.

Wert oder Unwert des Unternehmens rechtsverbindlich entscheiden kann190. Die Befunde der vorliegenden Untersuchung stimmen skeptisch gegen­ über solchen Vorstellungen. Der „gesamtwirtschaftliche Nutzen“ ist ein wissenschaftlich konstruiertes Ideal, doch nach dem heutigen Stand der Erkenntnis und der Überzeugungen keine faßbare Realität für die Entschei­ dungspraxis. Wissenschaft und Politik liefern insbesondere für gesamtöko­ nomisch richtiges Insolvenzh^ndeln keine konstanten und allgemein akzep­ tierten Maßstäbe. Die Entscheidungsinstanz im Insolvenzverfahren müßte deshalb von Fall zu Fall urteilen oder selbst eine längerfristig tragfähige Insolvenzpolitik zu entwickeln versuchen. Dafür wäre in erheblichem Maße ordnungs-, sozial- und wirtschaftspolitischer Wille einzusetzen. Ob eine hoheitlich urteilende Instanz dieser Art für das Insolvenzgeschehen benötigt wird, ist deshalb eine Frage, die eigentlich nicht rechtswissen­ schaftlich, sondern wiederum nur aus einer politischen Konzeption heraus beantwortet werden kann. Die rechtswissenschaftliche Analyse kann nur mit Nüchternheit Auskunft darüber geben, ob die rechtspolitische Forde­ rung in die angenommene wirtschaftliche, politische und rechtliche Situa­ tion paßt oder nicht paßt. Eine Insolvenzinstanz, die allgemeine Insolvenzpolitik definiert und über den volkswirtschaftlichen Wert von Unternehmen entscheidet, dürfte der gegenwärtigen deutschen Situation nicht gerecht werden. Der Sache nach wäre sie betraut mit Investitionslenkung. Denn das Urteil über die Erhal­ tungswürdigkeit eines Unternehmens ist gleichbedeutend mit der Bestim­ mung über das dort noch vorhandene und zusätzlich zu investierende Kapital. Zur Neutralisierung des Reizcharakters des Wortes sei betont, daß der Staat seit langem Investitionslenkung praktiziert - rahmensetzend durch Struktur- und Konjunkturpolitik, individueller ansetzend durch Steuer-, Ausgaben- und Subventionspolitik191. Auf der anderen Seite ist aber festzustellen, daß Investitionslenkung durch direkte rechtliche Anord­ nung in der Bundesrepublik nicht stattfindet und in absehbarer Zukunft nicht zu erwarten ist. Unter den regierungsfähigen politischen Kräften wird sie nicht einmal von der linken Seite - die dafür am ehesten in

190 Knieper (N. 189) : „Sanierungsgremium“; Gessner u. a. 563, 565: „Entscheidungsträger für die gesamtwirtschaftliche Wertung des insolventen Unternehmens.“ „Entscheidungs­ struktur für die gesamtwirtschaftlichen Aufgaben.“ 191 Über den Befund besteht weitestgehend Einigkeit, siehe z. B. Badura, JuS 1976, 212; N. Reich, ZRP 1976, 67ff, 70; Steindorff, Wirtschaftsrecht 115ff., 118ff, 137f.; Mertens/ Kirchner/Schanze, Wirtschaftsrecht 213 ff.

Betracht käme - zur offiziellen Forderung erhoben192. Der politische und verfassungsrechtliche Widerstand gegen ihre Einführung wäre überdies gewaltig, der Ausgang eines Kampfes völlig ungewiß. In dieser Situation erscheint es unangemessen, unausgereift und aussichtslos, der hoheitlichen Investitionslenkung durch die Hintertür des Insolvenzwesens einen Brükkenkopf verschaffen zu wollen. Der Gedanke der gesamtwirtschaftlich orientierten Insolvenzinstanz könnte nur als Teil eines umfassenderen wirtschaftlichen Lenkungssystems in Diskussion und politischem Kampf erhärtet und, wenn es dazu jemals kommen sollte, nur zusammen mit diesem verwirklicht werden. Fazit: Es gibt heute weder ausreichendes Wissen noch tragfähigen Kon­ sens, worauf ein Urteil über die volkswirtschaftliche Erhaltungswürdigkeit eines insolventen Unternehmens gebaut werden könnte. Das bedeutet nicht, daß im Sanierungsverfahren die Erhaltungswürdigkeit des Unter­ nehmens überhaupt nicht zur Sprache kommen dürfte, sondern lediglich, daß die Rechtsordnung die Beurteilung ganz den Interessen und dem Willen der Beteiligten (einschließlich der betroffenen staatlichen Stellen) überlassen muß. Das Verfahren muß nur gewährleisten, daß jeder Betei­ ligte seine Einschätzung des Problems in den Verhandlungsprozeß einfuh­ ren und mit den Mitteln, die das Verfahren erlaubt, in die Entscheidung über den Sanierungsplan einfließen lassen kann. Auf die Modalitäten dieses Prozesses ist im folgenden Abschnitt einzugehen.

IV. Verfahren und Kompetenzen 1. Organisation und Entscheidung

Das klassische Modell des Verfahrens, wie es nahezu überall zu finden ist, wo konkursabwendende Prozeduren geboten werden, ist dieses: Ein Sanierungsplan wird beim Gericht eingereicht; dieses stellt ihn unter den beteiligten Kapitalgebern zur Erörterung und Abstimmung; mit dem Ergebnis der Abstimmung geht der Plan wieder an das Gericht, das ihn, nach mehr oder weniger einläßlicher und selbständiger Prüfung, verwirft oder bestätigt und in Kraft setzt193. Ein anderer Typ ist das Verfahren, in dem staatliche Instanzen im 192 So der „Orientierungsrahmen 1985“ der SPD, beschlossen auf dem Mannheimer Parteitag 1975. Die Anhänger einer „imperativen Investitionslenkung“ blieben Minderheit; siehe darüber N. Reich, ZRP 1976, 69. 193 Einen guten Überblick über die wichtigsten nationalen Rechte gibt Dalhuisen, Compositions in Bankruptcy (1968).

wesentlichen allein über den Sanierungsplan entscheiden. Beispiel: Das Sanierungsverfahren für Versicherungsunternehmen nach § 89 des deut­ schen Versicherungsaufsichts-Gesetzes, das von der Aufsichtsbehörde allein und ohne vorgeschriebene Beteiligung der Gläubiger durchgeführt wird. Eine Variante ist das französische Verfahren nach der Verordnung von 1967. Das Unternehmen selbst ist unter Umständen an der Aufstel­ lung des Sanierungsplans beteiligt194. Über die Rechtsverbindlichkeit des Plans entscheidet jedoch allein das Gericht. Interessenten können ihn vorher einsehen (Art. 23 II), Gläubiger mit qualifizierter Mehrheit auch förmliche Gegenvorstellungen erheben (Art. 25), doch werden ihnen kei­ nerlei Beschlußrechte zugebilligt. Für ein Sanierungsverfahren, wie es in der deutschen Situation benötigt wird, ist das „autoritäre“ Modell kein Vorbild. Versicherungen (und Banken) sind ein besonders empfindlicher Bereich für sich. Bei ihnen untersteht auch die laufende Geschäftsführung der Staatsaufsicht; ihre Insolvenzprozeduren sind nur Annex dieser Aufsicht und nicht übertragbar auf andere Bereiche der Wirtschaft, wo diese Aufsicht nicht besteht (und nach herrschender Meinung nicht bestehen soll). Das französische Verfah­ ren beruht auf einer dezidierten Begünstigung von Untemehmenserhaltungen im nationalen politischen und sozialen Interesse. Es kann auch nur deshalb so autoritär sein, weil es die Wirkungen des Plans in engen Grenzen hält: Gegen den Willen eines Gläubigers kann nur eine Stundung bis zu drei Jahren angeordnet werden (Art. 27 I); alle anderen Maßnahmen (Erlasse, Rechtsänderungen, Umwandlungen in Anteilsrechte, Heranziehung der alten Anteilseigner), die an sich ebenfalls in den Plan aufgenommen werden können, müssen mit jedem einzelnen Beteiligten ausgehandelt werden (soweit nicht andere Gesetze, z. B. das Aktiengesetz, Mehrheitsentschei­ dungen vorsehen)195. Das autoritäre Modell als allgemeine Lösung wäre vielleicht zu rechtfer­ tigen, wenn der Staat und seine im Verfahren entscheidenden Instanzen überlegene Einsicht in den gesamtwirtschaftlichen Effekt dieser oder jener Behandlung des Insolvenzfalles besäßen. Daß solche Einsicht mit den heute gebotenen Mitteln überhaupt möglich ist, muß nach dieser Untersuchung aber bezweifelt werden196, und es besteht in der Bundesrepublik - anders als offenbar in Frankreich - auch kein einheitlicher politischer Wille, der den Mangel an Erkenntnis in irgendeiner Richtung überbrücken könnte. Das autoritäre Modell widerspricht daher dem rechtspolitischen Gedanken, der 194 Siehe oben S. 167 f. 195 Siehe oben S. 168 f.

196 Siehe oben S. 189ff., 265 ff.

in der politischen und sozialen Verfassung der Bundesrepublik ein Sanie­ rungsverfahren für Großunternehmen tragen muß, nämlich: den betroffe­ nen Interessen einen Modus offener und geordneter Konfliktbewältigung zu eröffnen. Dazu ist nur ein Verfahren klassischen Zuschnitts geeignet, das die Beteiligten und eine Verfahrensinstanz zur „Mitbestimmung“ zusammenspannt. Ob die Organisation und die Entscheidung dieses Prozesses den Gerich­ ten oder einer Behörde übertragen wird, ist an sich gleichgültig, solange nur gewährleistet ist, daß es sich um eine neutrale Institution handelt - die nicht den Auftrag hat, wirtschaftspolitische Interessen des Staates und der politischen Instanzen zur Geltung zu bringen, sondern allein nach den oben genannten Maßstäben der Erhaltungsfähigkeit und der Verteilungsgerech­ tigkeit entscheidet. Es leuchtet aber ein, daß die Justiz für eine solche Aufgabe am meisten Tradition und Erfahrung mitbringt. 2. Aufstellung des Planes

Ein Sanierungsplan setzt voraus, daß Klarheit besteht über: (a) die gegenwärtige betriebliche und finanzielle Situation des Unternehmens; (b) die Aussichten, die sich dem sanierten Unternehmen künftig im Markt bieten. Es kommt dann darauf an, die betrieblichen, finanziellen und rechtlichen Maßnahmen zu konzipieren, die zur Anpassung des Unterneh­ mens an die neue Situation und unter den gegebenen Verhältnissen mög­ lich sind. Von wem und in welcher Weise sollen das wirtschaftliche Gesamtbild des Unternehmens erstellt und das Sanierungskonzept präsen­ tiert werden? a) Modelle. - Das deutsche Verfahren betraut mit dieser Aufgabe in erster Linie die Inhaber und Leiter des insolventen Unternehmens. Nur der Schuldner kann den Vergleichs vorschlag unterbreiten, und zunächst kom­ men von ihm auch die Unterlagen über die wirtschaftliche Situation, die für die Beurteilung des Vergleichs Vorschlages erforderlich sind (§§ 3-6 VerglO). Das gleiche gilt für die Kapitalherabsetzung nach Aktienrecht und de facto wohl auch für die Maßnahmen nach dem Schuldverschrei­ bungsgesetz197. Die Informationen durch das insolvente Unternehmen wer­ den nach der Vergleichsordnung allerdings ergänzt durch das Gutachten der Berufs Vertretung (§ 14) und den Bericht des Vergleichs Verwalters im Vergleichstermin (§ 40 III), wodurch der Vergleichs vorschlag aber allen­ falls mittelbar beeinflußt werden kann. Die verfahrensrechtliche Mitwir­ 197 Siehe oben S. 20.

kung der anderen Beteiligten (Gläubiger nach VerglO und SchVG, Aktio­ näre nach AktG) beschränkt sich auf Zustimmung oder Ablehnung im Abstimmungstermin; wenn Einfluß auf die Konzipierung des Plans gesucht wird, muß er in Verhandlungen außerhalb des Verfahrens ausge­ übt werden. Die Initiative für den Vergleichs vorschlag lag auch im bisheri­ gen amerikanischen Arrangement-Verfahren allein beim Schuldner198, und faktisch scheint es auch im englischen Arrangement so zu sein199. Das französische Verfahren läßt die Informations- und Initiativfunktio­ nen des schuldnerischen Unternehmens in den Hintergrund treten, gleich­ zeitig aber auch die Mitwirkung der anderen Kapitalinteressenten. Einer­ seits sind die wirtschaftliche Analyse und die Vorlage eines Sanierungs­ plans Aufgabe des Verwalters, der sie je nach den ihm erteilten Befugnissen allein oder zusammen mit dem Unternehmen erledigt (Art. 14). Anderer­ seits können die Gläubiger sich von dem Plan Kenntnis überhaupt erst verschaffen, wenn er beim Gericht niedergelegt wurde (Art. 23), und müssen (als einzelne oder als Gruppe) 15% des Gesamtforderungsbetrags innehaben, wenn sie mit Gegenvorstellungen im Verfahren gehört werden wollen (Art. 25). Das eigentliche Gegenmodell bot bisher das amerikanische Reorganisa­ tionsverfahren. Nachdem in der Receivership-Ära und noch unter § 77B das Feld der Unternehmensleitung und den mit ihr zusammenarbeitenden Kapitalinteressen überlassen war, brachte das Reformgesetz von 1938 die bewußte Wende zur Objektivierung und „Demokratisierung“ der Planer­ arbeitung. Dies war einer der Schlüsselpunkte der Reform: wirtschaftliche Analyse und Formulierung des Reorganisationsplans sollten denen, die das Unternehmen bisher beherrschten, entwunden und einer objektiven und unabhängigen Instanz anvertraut werden, die in einem offenen Prozeß allen Beteiligten die Mitwirkung ermöglichen würde200. 201 Die Ausführung dieses Gedankens war der Treuhänder, der die Sanie­ rungsfähigkeit zu prüfen und, bei positivem Ausgang der Untersuchung, binnen bestimmter Frist einen Reorganisationsplan vorzulegen hatte (§§ 167, 169)201. Die Untersuchung war gründlich; sie umfaßte die bishe­ rige Entwicklung des Unternehmens, die Ursachen seiner Schwierigkei­ ten, seine gegenwärtige betriebliche, finanzielle und rechtliche Verfassung, seine Stellung im Markt, die bisherige und künftige Entwicklung des m Siehe oben S. 85, 125. 1" Gower, Company Law 619; Palmer (SCHMITTHOFF/THOMPSON) 699. 200 Siehe oben S. 77 ff. Die Gesetzesmotive werden ausführlich wörtlich zitiert bei Collier VI 2 § 7.01, bes. N. 44. 201 Dazu auch Kramer 57 f., 63 f., 84 f., 88 f.

betreffenden Wirtschaftszweiges, der allgemeinen Konjunktur und die bisherige und zu erwartende Einfügung des Unternehmens in diese allge­ meineren Daten. Der Treuhänder konnte sich der Hilfe von Experten bedienen (Wirtschaftsprüfer, Ingenieure, Juristen und andere), und insbe­ sondere stand die SEC mit personellem Apparat, großer Erfahrung und reichem volkswirtschaftlichem Datenmaterial bereit, ihn bei seiner Auf­ gabe zu unterstützen202. Das Ergebnis seiner Untersuchung legte der Treuhänder in einem Bericht nieder, der allen Gläubigern, Aktionären, Anleihetreuhändern, der SEC und anderen Personen, die der Richter benannte, in geeigneter Form unterbreitet wurde (§ 167 [6]). Der Treuhänder lud nun die Gläubiger und Aktionäre ein, ihm binnen bestimmter Frist ihre Anregungen, Vorschläge oder Entwürfe für einen Reorganisationsplan zukommen zu lassen (§ 167 [6]). Der zugrunde liegende Gedanke war, daß der Treuhänder als Brennpunkt und „Clearing house" für die Vorstellungen und Bestrebungen der Beteiligten diene und am Ende aus allem in Unabhängigkeit und eigener Verantwortung den Entwurf eines Reorganisationsplans destillie­ ren könne. Den so erarbeiteten Reorganisationsplan legte er dem Gericht vor, das daraufhin das Anhörungs- und Genehmigungsverfahren einleitete. Erst in diesem Verfahren konnten dann die Beteiligten dem Gericht Anregungen und eigene Plan Vorschläge ohne Vermittlung des Treuhän­ ders unterbreiten (§ 169). Von diesem Modell ist das neue Gesetz von 1978 wieder abgerückt. Nicht nur die einstweilige Geschäftsführung203, sondern auch die Erarbei­ tung des Sanierungsplans ist wieder (wie vor 1938) in die Hände der bisherigen Unternehmensleitung gelegt. Diese hat während 120 Tagen nach der Eröffnung des Verfahrens das alleinige Recht, einen Plan einzurei­ chen, und während weiterer 60 Tage das alleinige Recht, die notwendige Zustimmung der betroffenen Kapitalgebergruppen zu dem Plan einzuho­ len; die Fristen können vom Gericht auf Antrag verkürzt oder verlängert werden (§ 1121). Erst wenn diese Fristen ergebnislos verstrichen sind oder wenn doch ein Treuhänder eingesetzt wurde204, dürfen auch andere Betei­ ligte Sanierungspläne vorlegen und zur Abstimmung bringen lassen (§ 1121 [c]). Dem Treuhänder selbst wird dies sogar zur Aufgabe gemacht (§ 1106 [a] [5]). Solange aber ein Treuhänder nicht bestellt ist, sorgt für die Objektivierung des Planinhalts nur der Situationsbericht des Prüfers (falls 202 Darüber Dewing (1953) 1284f.; Frank (N. 156) 336; Orrick, Geo. Wash. L. Rev. 28 (1959) 80f. Zur SEC siehe auch unten S. 298 ff. 203 Dazu siehe oben S. 222 ff. 204 Dazu siehe oben S. 224f.

einer bestellt wurde)205 sowie die vom Gericht vorzunehmende Prüfung, ob der Begleitbericht des PlanVerfassers, den die Beteiligten vor der Abstim­ mung erhalten müssen, diesen ausreichende Information verschafft (§ 1125 [b]). b) Würdigung. - Für Großunternehmen muß das amerikanische Verfah­ ren der Planaufstellung nach dem bisherigen Kap. X als musterhaft bezeichnet werden. Denn wo im Insolvenzfall so viele Interessen auf den Plan gerufen, so wesentliche Belange der Gesamtheit im Spiele und so komplexe Wirtschaftszusammenhänge zu ordnen sind, ist Problemlösung durch neutrale Instanzen, aufgrund solider Analyse, in einem geordneten, offenen und demokratischen Verfahren (mit rechtlichem Gehör für jeden) eine natürliche Forderung. Die Zusammenstellung der Faktengrundlage und die Erarbeitung des Sanierungskonzepts markieren das Gelände für alle weiteren Verfahrensschritte. Das amerikanische Verfahren war seinen europäischen Entsprechungen darin erheblich voraus, daß es die Gedanken der Neutralität, Solidität, Publizität und Prozeßdemokratie alle zusammen bereits für diese entscheidende Phase des Verfahrens verwirklichen wollte. Für die Rechtspolitik bleibt nur das Bedenken, daß das Aufstellungsver­ fahren in dieser Form zu aufwendig und zeitraubend sein kann. Dieser Gefahr, der auch die bisherige amerikanische Praxis nicht entgangen zu sein scheint, läßt sich aber durch vernünftige Fristenbemessung begegnen, die einerseits der Schwierigkeit des einzelnen Falles angepaßt ist, anderer­ seits die Beteiligten, vor allem den Treuhänder zu konzentrierter Arbeit anhält. Eine starre gesetzliche Frist für die Vorlage des Sanierungsplans gibt es in Frankreich (2 Monate, bei Bedarf verlängerbar auf 3 Monate; Artt. 11, 23). Sie wird dort aber für diese Aufgabe allgemein als sehr knapp empfunden206. Festsetzung der Vorlegungsfrist von Fall zu Fall durch das Gericht war (und ist noch) die amerikanische Lösung; es scheint, daß viele Gerichte mit Fristverlängerungen großzügig waren und dadurch Gelegen­ heit zu säumiger Vorbereitung gaben207. Die richtige Lösung dürfte sein: Nicht zu kleinliche Fristenbemessung von Fall zu Fall je nach Umfang und Schwierigkeit der Aufgabe, zugleich aber gewisse Einschränkung der Möglichkeit, Fristverlängerungen zu gewähren. Grundsätzlich muß der Zeit- und Geldaufwand für das Verfahren gesehen werden als Vorbedin­ gung für die überlegteren und daher besseren wirtschaftlichen Entschei­ dungen, die das Verfahren ermöglichen soll. Und schließlich ist er gegen205 Siehe oben S. 225. 206 Bord, Reglement judiciaire 334; Geisenberger, Gaz. Pal. 1971, 2, 462. 207 SEC, Report (1976) 37f.

überzustellen dem Gewinn an Rechtlichkeit, den das Verfahren gewährlei­ stet. Dieser ist um so höher zu veranschlagen, je umfangreicher und bedeutender die wirtschaftliche Organisation ist, um deren Existenz das Verfahren geführt wird. Es scheint somit, daß der amerikanische Rückzug auf die Gesetzeslage von vor 1938 jedenfalls für Großunternehmen kein Vorbild sein kann. Er ist erklärlich aus einer momentanen Durchsetzungskraft von dezidierten Geschäftsweltinteressen im Gesetzgebungsprozeß208 und außerdem aus der Tatsache, daß das neue Gesetz ein Einheitsverfahren für große und kleinere Unternehmen geschaffen hat209. Für Großunternehmen allein bleibt jedenfalls in deutschen Verhältnissen - das Demokratiemodell unverändert vorbildhaft. 3. Mitsprache und Mitbestimmung der Beteiligten a) Ausgangstage. - Daß die betroffenen Kapitalgeber (Gläubiger, unter Umständen auch Aktionäre) über den Sanierungsplan mitentscheiden müs­ sen, ist eine Selbstverständlichkeit. Auch hier gilt, was für das Unterneh­ mensrecht in anderem Zusammenhang unlängst bemerkt wurde: „Jede Unternehmensverfassung, die den Kapitalgeber ins zweite Glied stellt, ist Utopie.“210 Für die künftige Gesetzgebung liegt der kritische Punkt in der Frage, ob und wie die Interessen, die nicht auf hingegebenem Kapital beruhen, in das Verfahren einzubauen sind. In Deutschland kann man beinahe schon als „herrschende Meinung“ verzeichnen, daß im künftigen Recht die nicht kapitalgebundenen Interes­ sen (z. B. Staat und Arbeitnehmer), die durch die Insolvenz betroffen werden, zur Mitsprache im Verfahren heranzuziehen sind211. Die Forde­ rung entspricht der Logik des Verfahrens, das grundsätzlich alle am Insolvenzkonflikt real Beteiligten erfassen will. Der rechtspolitische Grundgedanke allein und auch die bisherigen Reformvorschläge lassen jedoch unbestimmt, in welcher Form und mit welchen Befugnissen diese Interessen in das Verfahren integriert werden sollten. Die ausländischen Rechte geben für diese Frage nichts her, da sie ebenfalls noch ganz auf Kapitalgeberinteressen ausgerichtet sind (so Amerika und England) oder

208 Siehe oben S. 88f, 130f 209 Siehe oben S. 124 ff. 210 Roth, Treuhandmodell 205. 211 Weber, Siedschlag, Gerhardt, Zeuner, Knieper, Gessner u. a., Arnold (oben S. 236, N. 107).

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Flessner BIPR 48

den autoritären Weg gehen (Frankreich), der für die deutsche Situation nicht angemessen ist212. Sicherlich sollte das Verfahren für alle Beteiligten in weitestmöglichem Umfange Informations-, Anhörungs- und Antragsrechte vorsehen. Alle, die sich als wesentlich Betroffene legitimiert haben, müssen unterrichtet werden über den Gang des Verfahrens, über die Situation und die Aussich­ ten des Unternehmens, über Sanierungsvorschläge anderer Beteiligter, und sie müssen Gelegenheit haben, ihre Vorstellungen einzubringen, eigene Sanierungsvorschläge zu unterbreiten und die notwendigen Entscheidun­ gen zu beantragen. Es geht darum, für den Konflikt- und Problemfall, der in der Insolvenz eines Großunternehmens gegeben ist, ein Forum zu schaffen, auf dem alle beteiligten Interessen tariert und schließlich zu praktischem Handeln zusammengefaßt werden können. Dies zu organisie­ ren, ist eine wesentliche Aufgabe des Gesetzes. Der harte Kern des Problems ist erreicht, wenn es darum geht, ob und in welcher Weise die nicht kapitalgebundenen Interessen über den Sanie­ rungsplan nicht nur mitsprechen, sondern auch mitbestimmen dürfen. Die bisherigen Vorschläge lassen diesen Punkt unbestimmt. Aber auch die (unstreitige) Mitbestimmungsbefugnis der Kapitalgeber wirft in einem ausgebauten Sanierungsverfahren Probleme auf, die für den deutschen Rechtsbereich noch weitgehend neu sind. Die Mitbestimmungsposition der betroffenen Interessen soll in den folgenden Abschnitten behandelt werden. Für die nicht kapitalgebundenen Interessen werden sie exem­ plarisch an den zwei wichtigsten Interessenten - Staat und Arbeitnehmer dargestellt. b) Kapitalgeber. - Die Mitbestimmung der Kapitalgeber erfordert zwei mehr technische Festlegungen, die ihrerseits ein wichtiges materielles Problem zur Folge haben. aa) Festzulegen ist die Mehrheit, mit der die Beschlüsse der Kapitalgeber gefaßt werden müssen. Im deutschen Verfahren ist für die Annahme des Sanierungsplans erforderlich: bei den Gläubigem nach der Vergleichsord­ nung die Mehrheit der im Termin Anwesenden und der schriftlich Zustim­ menden nach Köpfen und drei Vierteln der Gesamtforderungssumme (§ 74 I), unter Umständen sogar vier Fünfteln (§ 74III); bei den Gläubigem nach dem Schuldverschreibungsgesetz drei Viertel der Forderungssumme der abgegebenen Stimmen, mindestens aber die Hälfte der Gesamtsumme der im Umlauf befindlichen Schuldverschreibungen, unter Umständen sogar zwei Drittel (§11 II); für die Kapitalherabsetzung nach Aktienrecht drei 212 Siehe oben S. 268 f.

Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Aktienkapitals (§ 222 I AktG). Drei Viertel der jeweiligen Forderungs- und Aktiensumme ver­ langt auch das englische Gesetz für die Annahme eines Arrangements213. Das amerikanische Reorganisationsverfahren begnügt sich mit geringe­ ren Mehrheiten: zwei Drittel der Forderungs- oder Kapitalsumme in jeder Klasse von Gläubigern und Anteilseignern, sowie zusätzlich bei den Gläu­ bigem mehr als die Hälfte der Forderungen (§ 1126 [c+d]). Neu gegen­ über dem bisherigen Gesetzesrecht ist, daß die erforderlichen Mehrheiten jetzt nur noch von den tatsächlich abgegebenen Ja- und Nein-Stimmen berechnet werden müssen. Nach der Begründung zu dem Kommissions­ entwurf soll dies die Demokratisierung des Verfahrens durch Mobilisie­ rung der Kapitalgeber fördern214. 215 Die SEC befurchtet aber den gegenteili­ gen Effekt: diejenigen, die einen Plan durchbringen wollten, brauchten ihn nicht mehr möglichst vielen Anlegern schmackhaft zu machen, sondern könnten sich auf die Überredung der großen Gläubiger konzentrieren - „in the hope that the hinterlands remain asleep"215. Das nun eingefugte zusätzli­ che Erfordernis, daß es auch auf die Mehrheit der Zahl der Forderungen ankommt (im alten Gesetz nicht gefordert), soll offenbar diesem Einwand Rechnung tragen. Eine interessante Mittellösung bietet das japanische Recht. Es begnügt sich mit den Mehrheiten des bisher geltenden amerikanischen Rechts216, verlangt aber für die Zustimmung der gesicherten Gläubiger eine Summen­ mehrheit von drei Vierteln für Stundungen, von vier Fünfteln für alle weitergehenden Einschränkungen217. bb) Aus der Natur eines Sanierungsverfahrens, das alle Kapitalgeber erfaßt, ergibt sich, daß die Kapitalgeber für ihre Beschlüsse in Klassen eingeteilt werden müssen. Die deutsche Vergleichsordnung brauchte dies nicht vorzusehen218, da sie nur die ungesicherten und nicht bevorrechtigten Gläubiger betrifft. Sobald man aber einerseits auch die gesicherten und bevorrechtigten Gläubiger, andererseits auch die Aktionäre in das Verfah­ ren einbezieht, erscheint die Abstimmung nach gesonderten Gruppen gemäß dem amerikanischen Vorbild unausweichlich, weil sonst in der Abstimmung eine schematische Einebnung der Kapitalgeberrechte stattfin­ den würde ohne Rücksicht auf ihren Inhalt, ihren Rang und die damit verbundenen Interessenunterschiede der Kapitalgeber. 213 214 215 217 218

Siehe oben S. 157ff. Bankruptcy Commission, Report II 254. SEC, Report (1976) 85. 216 Siehe vorhergehenden Absatz. Nakano 152f. Ausnahme: § 111 Nr. 5 für Genossenschaften.

Vorbild im deutschen Recht sind insofern das Schuldverschreibungsge ­ setz, das eine Klassifizierung der Anleihegläubiger je nach dem Inhalt ihrer Forderungsrechte voraussetzt219, und das Aktiengesetz, das bei einer Herab­ setzung des Grundkapitals getrennte Abstimmung nach Aktiengattungen vorschreibt (§ 222 I AktG). Im übrigen bewirkt im deutschen Verfahren schon die Sonderung der einfachen Gläubiger, der Anleihegläubiger und der Aktionäre in verschiedene Verfahren, daß nach Kapitalgeberklassen abgestimmt wird. cc) Wenn der Sanierungsplan von den erforderlichen Mehrheiten ange­ nommen worden ist, kann das Gericht (oder die sonst eingeschaltete Entscheidungsinstanz) ihn doch ablehnen, falls er den gesetzlichen Maßstä­ ben nicht entspricht220. Wie aber umgekehrt: Kann ein Plan, der die vorgeschriebenen Mehrheiten nicht gefunden hat, dennoch genehmigt und rechtsverbindlich gemacht werden? Das deutsche Verfahren kennt eine solche Erzwingungsbejugnis gar nicht. Die Ablehnung des Vergleichs in der Gläubigerabstimmung läßt dem Gericht nach der Vergleichsordnung keine andere Wahl, als das Verfahren in den Anschlußkonkurs zu überfuhren (§§ 100 I Nr. 8, 101, 102ff. VerglO); in den Verfahren nach AktG und SchVG ist der Sanierungsplan in einem solchen Fall schlicht gescheitert. Für die „autoritären“ Verfahrens­ modelle ist die Erzwingung des Sanierungsplans dagegen konstitutives Element, weil diese Verfahren ja eine förmliche Beteiligung der Gläubiger und anderer Kapitalgeber überhaupt nicht oder nur in der Form einer Anhörung vorsehen221. Das amerikanische Reorganisationsverfahren zeigt, wie das Problem auch innerhalb eines Verfahrens, das eigentlich auf die Entscheidung der Beteiligten baut, akut werden kann. Der Grund ist die für ein umfassendes Sanierungsverfahren notwendige Klasseneinteilung der Kapitalgeber. Ließe man es dabei bewenden, so hätte jede Kapitalgebergruppe ein Vetorecht wie der einzelne Gläubiger in der Praxis des außergerichtlichen Vergleichs. Daß hier einer vernünftigen Sanierungspraxis reale Gefahren drohen, folgt schon aus der großen Zahl von Gläubigergruppen, die unter Umständen gebildet werden müssen. Denn es genügt nicht die Einteilung in gesicherte und ungesicherte Gläubiger; vielmehr müssen die gesicherten Gläubiger unterteilt werden nach ihrem Rang (z. B. erstrangige und zweit­ rangige Hypothekare) und nach der Art ihrer Sicherheiten (Warenvorräte; Außenstände; Grundstücke; Wertpapiere). Wenn man vermeiden will, daß 219 Siehe § 1 SchVG und Ansmann, SchVG § 1 Anm. 32-37. 220 Dazu oben S. 249 ff. 221 Siehe oben S. 267 f.

Ungleiches gleichbehandelt wird, kann es - wie die amerikanische Erfah­ rung zeigt - sogar notwendig werden, gleichartig gesicherte Gläubiger je nach dem individuellen Sicherungsgut so zu unterteilen, daß jeder Gläubi­ ger für sich eine „Klasse“ bildet. Für das neue Gesetz ist bereits die Ansicht vertreten worden, daß diese „Alleinstellung“ eigentlich die Regel sein müsse222. Die Sanierungsgesetzgebung ist mithin durch die unvermeidliche Klas­ seneinteilung auf ihr Urmotiv - die Erzwingungsmacht gegenüber wider­ strebenden Einzelnen oder Mehrheiten - zurückgeworfen. Im amerikani­ schen Verfahren gibt es Mittel, mit denen sich das Dilemma überwinden läßt. Der nächste Weg zur Ausschaltung widerstrebender Beteiligter ist die Einengung des Kreises der Stimmberechtigten. Im amerikanischen Verfah­ ren sind abstimmungsberechtigt nur die Gläubiger und Aktionäre, deren Interessen vom Reorganisationsplan „beeinträchtigt“ („impaired“) wer­ den. Damit sind einerseits diejenigen ausgeschieden, deren Rechte der Reorganisationsplan unangetastet läßt (§ 1124 [1]). Insofern besteht Über­ einstimmung mit der deutschen Vergleichsordnung, die nur die vom Verfahren berührten „Vergleichsgläubiger “ an der Abstimmung beteiligt, und von diesen auch nur die, deren Kapitalforderungen vom Vergleichs­ vorschlag „beeinträchtigt“ werden (§ 72 I). Außerdem gelten nach ameri­ kanischem Recht als nicht beeinträchtigt diejenigen Gläubiger (und die Anteilseigner mit summenmäßigem Liquidations-Vorzugsrecht oder Ein­ lösungsanspruch), denen der Reorganisationsplan für den Zeitpunkt seines Inkrafttretens sofortige volle Barbegleichung ihres Anspruchs verspricht (§ 1124). Alle diese nicht beeinträchtigten Gläubiger und Anteilseigner werden für die Zwecke der nachfolgenden Planbestätigung so behandelt, als hätten sie dem Plan zugestimmt (§ 1126 [f]). Nach dem bisherigen Gesetz ging das amerikanische Recht indessen noch einen Schritt weiter. Mit der Formel von der inhaltlichen Betroffen­ heit wurden auch die Kapitalgeber von der Mitentscheidung ausgeschlos­ sen, die zwar in ihren Rechten zurückstecken mußten, dadurch aber wirt­ schaftlich keine Einbuße erlitten, weil ihre Rechte ohnehin wertlos waren. Schlüsselbegriff war auch hier der „Wert“ des Unternehmens223: alle die Rechte und Ansprüche, die durch den Wert des Unternehmens nicht mehr 222 Collier (15. Aufl.) § 1122-8. Klee, Am. Bankr. L. J. 53 (1979) 151. Über die Rechtsprechung nach dem bisherigen Gesetz zu diesen oft sehr schwierigen Klassifizierungs­ fragen Collier VI 2 § 9.10-9.14. 223 Dazu Näheres oben S. 1 lOff.

gedeckt waren, wurden ausgeschieden, wobei zugunsten der Beteiligten der Reorganisationswert, nicht der Liquidationswert zugrundezulegen war. Wenn also das Unternehmen selbst unter diesem Maßstab überschul­ det war, konnten die Aktionäre nicht „betroffen“ sein im Sinne des Gesetzes; je nach dem Maß der Überschuldung konnten aber auch Gläubi­ gerklassen ausfallen, und zwar soweit und in der Reihenfolge, wie sie bei einer Liquidation des Unternehmens (zum Reorganisationswert) ausgefal­ len wären224. Dieses Konzept wurde in das neue Gesetz bewußt nicht übernommen, weil es schon für die Feststellung der Abstimmungsberechtigung eine Bewertung des Unternehmens erforderlich machte und dadurch verfah­ rensverzögernde Zwischenstreite heraufbeschwor. Von Bewertungsfragen soll das Verfahren aber überhaupt so weit wie möglich freigehalten wer­ den225. 226 Das neue Gesetz geht sogar darüber noch hinaus und statuiert, daß jede Kapitalgeberklasse, die nach dem Plan (gleich aus welchem Grunde) überhaupt nichts erhalten soll, so angesehen wird, als habe sie den Plan abgelehnt (§ 1126 [g]). Das Gericht hatte außerdem im amerikanischen Verfahren schon bisher die Möglichkeit, den Plan auch gegenüber nichtzustimmenden Kapitalge­ bergruppen in Kraft zu setzen (§ 216 [7+8]), und diese Erzwingungsbefiignis ist in das neue Gesetz übernommen worden (§ 1129 [b]). Davon wurde jedoch bisher nur sehr vorsichtig Gebrauch gemacht. Nachdem das neue Gesetz aber das Ablehnungspotential erhöht hat, indem es das Stimmrecht auch bei wirtschaftlicher Wertlosigkeit der Rechtsposition bestehen läßt, muß die Erzwingungsbefugnis erhöhte Bedeutung erlangen. Im neuen Gesetz ist sie deshalb eingehend geregelt. Grundregel: Auf Antrag dessen, der den Sanierungsplan vorgelegt hat, soll das Gericht den Plan trotz seiner Ablehnung in einzelnen Kapitalgeberklassen doch bestätigen, wenn er die ablehnende Klasse nicht unangemessen benachteiligt und ihr gegenüber „gerecht und billig“ („fair and equitable") ist. Man geht davon aus, daß damit für die Erzwingungsbefugnis doch die absolute Vorrangsregel (aber nur zugunsten der nichtzustimmenden Klasse) der Prüfungsmaßstab ist, jedoch gibt das Gesetz dafür detaillierte Vorschriften, die offenbar für eine gewisse Lockerung der Regel und für größere Praktikabilität sorgen sollen, nämlich:226 224 Beispiele: In re VID, Inc., 226 F. 2d 113 (Cir. 7, 1955); In re Frank Fehr Brewing Co., 268 F. 2d 170 (Cir. 6, 1959); zum Ganzen ausführlich: Collier VI §§ 2.20, 2.21, VI A §§ 10.13, 11.05. 225 Siehe oben S. 115 ff. 226 Einzelheiten bei Klee, Am. Bankr. L. J. 53 (1979) 133 fF.

(1) Der Plan kann gegenüber einer ihn ablehnenden Klasse von ungesi­ cherten Gläubigern nur dann gerecht und billig sein, wenn (a) jeder dieser Gläubiger durch den Plan den Gegenwert des Nennbetrages (nicht nur des tatsächlichen Wertes) seiner Forderung erhält oder wenn (b) nachrangige Kapitalgeber überhaupt nichts erhalten (§ 1129 [b] [2] [B]). Das Gleiche gilt für nichtzustimmende Klassen von Anteilseignern, wobei es hier nicht auf den Nennbetrag, sondern auf den Wert des Anteilsrechts (dieser aber berechnet nach dem Reorganisationswert des Unternehmens) ankommt227. (2) Die gesicherten Gläubiger sind stärker geschützt. Sie brauchen sich nicht entgegenhalten zu lassen, daß nachrangige Kapitalgeber überhaupt nichts erhalten. Für eine nichtzustimmende Klasse von ihnen (die „Klasse“ wird wegen der Art der Sicherheit häufig aus nur einem Gläubiger beste­ hen) kann der Plan vielmehr nur dann gerecht und billig sein, wenn er (a) dem Gläubiger die Sicherung ungeschmälert beläßt oder (b) künftige Raten­ zahlungen verspricht, deren gesamter auf den Zeitpunkt des Reorganisa­ tionsplans berechneter Gegenwartswert dem Wert der Sicherheit entspricht oder (c) im Falle des Verkaufs der Sicherheit das Sicherungsrecht auf das Surrogat erstreckt oder wenn er (d) sonstwie dem gesicherten Gläubiger den unbezweifelbaren Gegenwert seiner gesicherten Forderung verspricht (§ 1129 [b [2] [A]). Dies letztere soll nach den Gesetzesmaterialien nicht der Fall sein, wenn dem gesicherten Gläubiger Wechsel oder Anteilsrechte (selbst rechnerisch gleichwertige) anstelle seiner Forderung gegeben werden228. Diese komplizierte Regelung macht für die Aktivierung der Erzwin­ gungsbefugnis häufig doch die Feststellung des going-concern-Wertes des Unternehmens notwendig, weil sonst der Wert der im Reorganisations­ plan vorgesehenen Zuteilungen gar nicht bestimmt werden kann. Ihr voller Sinn erschließt sich jedoch erst im Zusammenhang mit den Abstim­ mungsregeln. Da jede Klasse, die nach dem Plan überhaupt nichts erhält, als nichtzustimmend gilt (siehe oben S. 278), kann der Plan in einem solchen Fall nur durch gerichtliche Erzwingung in Kraft gesetzt werden. Die so betroffene Klasse hat es damit in der Hand, eine Bewertung des Unternehmens zu erzwingen; dem könnte nur ausgewichen werden, wenn der Plan auch der nächstniedrigeren Kapitalgeberklasse gar nichts zuspricht (siehe oben Abs. 1). Das ist aber nicht möglich bei den Anteilseignern, die keinerlei Vorzugsrechte besitzen (z. B. die Stammaktionäre), weil es hinter 227 Siehe Klee aaO. 145. Eine Ausnahme gilt nur für Anteilseigner mit summenmäßigem Liquidationsvorzugsrecht oder Einlösungsanspruch (§ 1129 [b] [c] [C]). 228 Klee (oben N. 226) 156 mit Nachweisen.

ihnen eine weitere Klasse nicht gibt. Die Anteilseigner, denen - etwa wegen angenommener Überschuldung - der völlige Ausschluß vom Unternehmen droht, können somit den sanierungswilligen vorrangigen Kapitalgebern mit der Unternehmensbewertung und der damit verbunde­ nen Verfahrens Verzögerung drohen, um sich so ihre Zustimmung zum Plan (wodurch die Unternehmensbewertung überflüssig wird) abkaufen zu lassen. Die Gesetzesverfasser, ausgehend davon, daß die Unternehmensbe­ wertung in der Sanierungspraxis ungeliebt ist, haben genau diesen Mecha­ nismus gewollt229. Im Ergebnis ist damit gegenüber dem früheren Recht nicht nur Praktikabilität gewonnen (durch Erweiterung von Verhandlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten), sondern auch dem Anteilsbesitz ein „Belästigungswert“ verschafft, der vor allem der engeren Geschäfts­ welt (im Gegensatz zur nichtunternehmerischen Anlegerschaft) zugute kommen dürfte. dd) Die Lehren, die aus dem amerikanischen Beispiel gezogen werden können, sind zwiespältig. Nachahmenswert dürfte sein, das Stimmrecht unabhängig vom wirt­ schaftlichen Wert der betroffenen Rechtsposition zu geben, weil sonst das Verfahren mit zu viel Zwischenstreit belastet werden könnte. Um so wichtiger ist dann aber die Erzwingungsbefugnis gegenüber nichtzustim­ menden Kapitalgeberklassen. Daß die Erzwingung nicht unbillig sein darf, ist selbstverständlich. Das vom neuen amerikanischen Gesetz hierfür zusätzlich installierte Kriteriensystem erscheint jedoch problematisch, weil es die Obstruktion durch die Unternehmenseigner begünstigt. Andere denkbare Lösungen (einzeln oder kombiniert): (1) Abfindungspflicht gegenüber den nichtzustimmenden Kapitalgebergruppen, aber nur zum angemessenen Liquidationswert; (2) Erzwingungsbefugnis gegenüber denen, deren neue Forderungs- und Anteilsrechte ohne weiteres handels­ und beleihungsfähig sind (z. B. durch Verbriefung in Wechseln oder börsengängigen Wertpapieren); (3) Erzwingungsbefugnis, wenn eine Mehrheit der Kapitalgeberklassen oder des Gesamtkapitals dem Sanie­ rungsplan zugestimmt hat. Zu berücksichtigen ist bei der Erzwingungsbefugnis auch der enge Zusammenhang mit der Festlegung der Mehrheiten, die für die Annahme des Sanierungsplans erforderlich sind. Je höher diese Mehrheiten, um so eher kann das Bedürfnis bestehen, den ablehnenden Kapitalgeberklassen den Plan doch aufzuzwingen, zumal die Ablehnung innerhalb der einzelnen

229 L. P. King, Am. Bankr. L. J. 53 (1979) 109; Klee, ebda. 145, 146.

Kapitalgebergruppe von einer bloßen Minderheit getragen sein kann, wenn für die Annahme eine qualifizierte Mehrheit erforderlich wäre230. Bei alledem muß allerdings Klarheit darüber bestehen, daß das Gericht nicht berufen werden darf, seine Ansicht zu dem gesamtwirtschaßlichen Sinn oder Unsinn der Sanierung über die Entscheidungen der Kapitalgeber zu stellen. Die Erzwingungsbefugnis im Sanierungsverfahren ist nicht Mittel zur hoheitlichen Förderung des Gemeinwohls, sondern soll nur die Gerechtigkeit zwischen den Kapitalgebern wahren helfen, die in der Institu­ tion des Zwangsvergleichs durch Mehrheitsbeschluß notwendig angelegt ist, aber durch die unvermeidliche Klasseneinteilung verlorengehen kann. c) Staat. - Als Besitzer oder Beschaffer von Kapital kann der Staat auf Sanierungen Einfluß nehmen durch die mehr oder weniger strengen Bedingungen, an die er seine Hilfe knüpft. Ein modernes Sanierungsver­ fahren müßte dem Staat von Anfang an Information und Mitsprache garantieren231. Dadurch würden die Verhandlungen und Entscheidungen des Staates und der Beteiligten über die Gewährung und die Inanspruch­ nahme von Staatshilfe fundierter und gleichzeitig transparenter gemacht. Soll aber der Staat bei Großunternehmen auch gegen den Willen der anderen Kapitalgeber und ohne eigenen Kapitaleinsatz über die Sanierungs­ pläne mitbestimmen können? Konkret: Wenn die notwendigen Mehrheiten der alten Kapitalgeber und neue Kapitalgeber sich zur Sanierung entschlos­ sen haben: soll der Staat den Sanierungsplan durch seine Mitwirkung im Verfahren verhindern können? Und umgekehrt: Soll er einem Sanierungs­ plan Rechtsverbindlichkeit verschaffen können, der bei den alten Kapital­ gebern abgelehnt wurde und auch nicht vom Gericht gegen einige wider­ strebende Kapitalgebergruppen erzwungen werden könnte? Die Frage stellen, heißt sie verneinen. Die skizzierten Situationen wären ein Vetorecht des Staates gegen unerwünschten und eine Befugnis der Zwangsverpflichtung zu erwünschtem Kapitaleinsatz. Als staatliche Mit­ wirkung im Sanierungsverfahren ist beides im heutigen politischen und verfassungsrechtlichen System nur schwer vorstellbar. Der Staat kann zwar durch allgemeine Gesetze bewußt behindernde oder begünstigende Rahmenbedingungen für Kapitalinvestitionen setzen. Er kann die Unterneh­ men und private Kapitalbesitzer so unter Umständen auch zu gesamtwirt­ schaftlich erwünschten Investitionen verpflichten, wie das Beispiel des Inve­

230 Wenn z. B. für Zustimmung eine Mehrheit von zwei Dritteln gefordert wird, dann genügt für die Ablehnung eine Minderheit von etwas mehr als einem Drittel. 231 Siehe oben S. 194ff., 235ff., 273f.

stitionshilfe-Gesetzes gezeigt hat232. Er kann schließlich der Exekutive auch ein Vetorecht gegen Kapitalinvestitionen geben, wenn die Exekutive sich dabei im Rahmen einer gesetzlich definierten Politik halten muß - wie zum Beispiel das Bundeskartellamt bei der Fusionskontrolle im Wettbewerbs­ recht (§ 24 GWB). Verfassungsrechtlich zweifelhaft und politisch weithin unakzeptabel wäre es indessen, die Sanierung im Einzelfall abhängig zu machen davon, ob der Staat aus gesamtwirtschaftlichen, sozialen oder politischen Erwägungen Einspruch gegen sie erhebt. Noch unwahrschein­ licher ist es, daß die staatliche Exekutive ermächtigt werden könnte, aus diesen ganz allgemeinen Erwägungen Kapital zum Verbleib oder gar zum Eintritt in das Unternehmen zwangsweise zu verpflichten. Alles dies liefe hinaus auf Investitionslenkung durch Behörden für das abstrakte Gemein­ wohl. Die Unvereinbarkeit einer solchen Konzeption mit dem gegenwärti­ gen und absehbaren wirtschaftlichen, politischen und verfassungsrechtli­ chen System ist beim Thema der Erhaltungswürdigkeit von Unternehmen bereits dargelegt worden233. Die vorstehenden Annahmen aufgrund des Systemzustands sind zu ergänzen durch den wirtschaftswissenschaftlichen Befund dieser Untersu­ chung: Über das gesamtwirtschaftlich richtige Verhalten im Insolvenzfall gibt es keine objektive Gewißheit234. In solcher Situation sind hoheitliche Entscheidungen über den optimalen Einsatz der in der Volkswirtschaft vorhandenen Mittel unangebracht. Man muß sich vielmehr begnügen mit der Hoffnung, daß volkswirtschaftliche Rationalität und Effizienz des Kapitaleinsatzes im Insolvenzfall hergestellt werden durch die Entschei­ dungen derjenigen, die den Verlust des Kapitals zu tragen oder jedenfalls vor anderen Instanzen zu verantworten hätten. Daß im Sanierungsverfah­ ren auch dissentierende Kapitalgeber durch Mehrheitsbeschlüsse gebunden werden können, ist kein Gegenargument. Denn solche Beschlüsse setzen immer voraus, daß diejenigen, die mit der Mehrheit stimmen, dadurch auch ihre eigenen Kapitalpositionen für das Beschlossene einsetzen und daß ihr Stimmgewicht von der Größe ihres Kapitaleinsatzes abhängt. Ergebnis für die Mitwirkung des Staates: Wenn der Staat in Sanierungs­ verfahren mitbestimmen will, kann er es in unserem wirtschaftlichen, ver­ fassungsrechtlichen und politischen System nur durch Einkauf mit eige­ nem Kapital. Sonst ist er im Verfahren nur zur Information und Mitspra­ che, nicht aber zur Mitentscheidung heranzuziehen. Diese Unterscheidung 232 Gesetz vom 7. 1. 1952 (BGBl. I 7) und dazu die Entscheidung des Bundesverfassungsge­ richts vom 20. 7. 1954, BVerfGE 4, 7 ff. 233 Siehe oben S. 262 ff. 234 Siehe oben S. 189 ff.

zwischen Mitsprache und Mitbestimmung ist rudimentär bereits in der deutschen Vergleichsordnung für einen ähnlichen Fall vorgesehen: Die vom Vergleichsverfahren nicht erfaßten Gläubiger (z. B. die gesicherten Gläubiger) beschließen nicht über den Vergleich, aber sie können im Vergleichstermin erscheinen und sind auf ihren Antrag zu hören (§ 66 II). d) Arbeitnehmer. - In der Bundesrepublik haben die Arbeitnehmer oder ihre Vertretungen schon heute beachtliche Mitsprache-, Mitbestimmungsund Ausgleichsrechte in Fragen der sozialen, personellen und betrieblichen Organisation der Unternehmen235. Diese Rechte werden vom Insolvenz­ recht her vielfach als Behinderung empfunden, doch haben die Arbeitsge­ richte die Tendenz, den Buchstaben des Gesetzes auch im Insolvenzfall für die Arbeitnehmer durchzusetzen236. Rechtspolitisch dürfte dem jedenfalls für Sanierungsverfahren nichts entgegenzuhalten sein. Denn es steht dem Insolvenzrecht nicht an, Grundzüge der allgemeinen Rechts- und Wirt­ schaftsverfassung in Frage zu stellen. So verfehlt es deshalb wäre, im Sanierungsverfahren die grundsätzlichen Zuständigkeiten für Kapitalein­ satz außer Kraft zu setzen237, so unrealistisch und unangemessen wäre es, von hier aus den wesentlichen rechtlichen Besitzstand der Arbeitnehmer anzugreifen. Die Mitwirkungs- und Ausgleichsrechte der Arbeitnehmer muß das Sanierungsrecht daher prinzipiell als gegebene Realität nehmen, selbst wenn eine andere Arbeits- und Betriebsverfassung (welche?) die Sanierungspraxis zu erleichtern schiene. Die Rechtspolitik kann bei realisti­ scher Einschätzung nur darauf gerichtet sein, den Status quo der Arbeitneh­ merrechte für Sanierungsfälle zu halten oder zu verbessern und ihn in technischer Hinsicht den Notwendigkeiten des Verfahrens anzupassen. Verfahrenstechnisch wäre es richtig, die Mitspracherechte der Arbeit­ nehmer durch Konzentration der gerichtlichen Zuständigkeit in das Sanie­ rungsverfahren förmlich einzubeziehen und dadurch inhaltlich wie zeitlich mit den übrigen Sanierungsverhandlungen zu verbinden238. Die Mitsprache der Arbeitnehmer würde damit auf einfachste Weise über das Soziale, Betriebliche und Organisatorische hinaus erstreckt auf alle Verhandlungs­ punkte des Verfahrens, also auch auf die rechtliche und finanzielle Seite der 235 Vor allem nach den §§ 74-113 des Betriebsverfassungsgesetzes vom 18. 1. 1972, BGBl. I 13. 236 Meinungsstand und Rechtsprechung übersichtlich dargestellt bei Zeuner, JZ 1976, 4 ff. Der Hauptstreit der letzten Jahre ging um die Behandlung der Sozialplanforderungen; vorläufig abgeschlossen durch BAG (GS), NJW 1979, 774 und - darauf aufbauend - BAG, RdA 1980, 123. 237 Siehe oben S. 266f., 281 f. 238 In diese Richtung auch Zeuner (N. 236) 6.

Sanierung. Die sachliche Notwendigkeit für diese Erweiterung wurde dargelegt239 und steht in der bisherigen Diskussion außer Zweifel240. Der kritische Punkt ist erreicht, wenn zu regeln ist, ob die Arbeitnehmer außer den besonderen Mitbestimmungsrechten nach der Betriebsverfas­ sung (vor allem in sozialen Angelegenheiten und bei der Erstellung eines Sozialplans, §§ 87, 112 BetrVG) ein allgemeines Mitentscheidungsrecht über den Sanierungsplan haben sollen. Eine Antwort erübrigt sich für die Fälle, in denen die allgemeine Beschäftigungslage für die Art von Arbeitskräften, die für das Unterneh­ men wichtig sind, gut ist und das Unternehmen Schwierigkeiten hat, solche Arbeitskräfte zu gewinnen. Die Arbeitnehmer können dann den Sanierungsplan schon durch die Bedingungen, die sie für das Verbleiben im Unternehmen stellen, in ihrem Sinne beeinflussen. Der Bewährungsfall für das allgemeine Mitentscheidungsrecht wäre die wohl häufigere umge­ kehrte Situation - wenn Arbeitslosigkeit oder verschlechterte Arbeitsbe­ dingungen zu befürchten sind. Auch in dieser Frage wird die wissenschaftliche Begleitung der Rechts­ politik die politischen Realitäten ins Auge fassen müssen. Die allgemeine deutsche Arbeits- und Betriebsverfassung, kodifiziert vor allem im Betriebsverfassungsgesetz von 1972 und im Mitbestimmungsgesetz von 1976, ist ein mühsam erreichter politischer Kompromiß. Die Insolvenz­ rechtspolitik würde sich vermutlich übernehmen, wenn sie in der absehba­ ren Zukunft den Versuch machen wollte, an der politisch gefundenen Kompetenzverteilung Wesentliches zu ändern. Grundsätzlichere Überlegungen müssen hinzufügt werden. Ein allge­ meines und ungebundenes Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer über den Sanierungsplan wäre Verfügung über fremdes Kapital (das der bisheri­ gen und der in Aussicht genommenen Kapitalgeber), nicht anders als ein vergleichbares Mitentscheidungsrecht in der Hand des Staates. Vom Staat unterscheiden sich die Arbeitnehmer allerdings darin, daß sie in das Unter­ nehmen notwendig auch ihr „Kapital“, Arbeitskraft, einbringen und des­ halb von einem Mißerfolg der Sanierung ähnlich direkt betroffen werden wie die Besitzer des investierten Geldkapitals. Die angenommene Insol­ venzsituation, in der das gesetzliche Mitentscheidungsrecht der Arbeitneh­ mer akut würde, zeichnet sich aber dadurch aus, daß dem Unternehmen Geld fehlt, während Arbeitskräfte ohne weiteres zu haben sind. Wenn also Arbeitsplätze anderwärts nicht zur Verfügung stehen, können die Arbeit­ nehmer durch die Bereitschaft, im Unternehmen zu bleiben, nur gewin­ 239 Siehe oben S. 197, 236f., 273f.

240 Siehe oben S. 273.

nen; ihre Mitentscheidung über den Sanierungsplan wäre kein Einsatz mit eigenem Risiko, sondern wirtschaftliche Disposition im eigenen Interesse auf fremde Rechnung. Solchen Einsatz fremden Kapitals wird man in einem offenen Wirtschaftssystem den Arbeitnehmern ebensowenig wie dem Staat zubilligen können, wenn Rationalität und Effizienz der Kapital­ verwendung erhalten bleiben sollen. Die in der deutschen Diskussion gestellte Frage, ob im Falle der Mitent­ scheidung die Arbeitnehmer nicht auch an den Opfern und Lasten der Sanierung zu beteiligen sind241, dürfte nach allem so zu beantworten sein: Mitentscheidung über die Sanierung können die Arbeitnehmer, deren Arbeitskraft keinen Knappheitswert hat, nur erreichen, wenn sie benötig­ tes Geldkapital selbst zur Verfügung stellen oder andere Kapitalgeber, zum Beispiel den Staat, dazu veranlassen können. Dieser Satz bezeichnet ein Dilemma. Er muß aber in der Bundesrepublik verstanden werden zum einen im Lichte der Tatsache, daß viele Gewerkschaften finanziell gut gestellt sind und die Gewerkschaftsbewegung insgesamt große Banken, Produktionsbetriebe und Handelsunternehmen besitzt242. Warum sollte diese wirtschaftliche Kraft der Gewerkschaften nicht von Fall zu Fall für Unternehmenssanierungen im Interesse der Arbeitnehmer eingesetzt wer­ den können? Zum anderen sind die Gewerkschaften auch eine politische Kraft, der es oft gelingt, staatliche Hilfe für Unternehmenssanierungen in Gang zu setzen. Dieser Vorgang läßt zwar wiederum das Problem entste­ hen, daß Risiko und Verantwortung von den Arbeitnehmern auf andere hier die Allgemeinheit - verlagert werden. Die Einschaltung des Kapitalbe­ sitzers „Staat“ hat aber gegenüber einer „direkten“ Mitentscheidung der Arbeitnehmer immerhin den Vorteil, daß der staatliche Kapitaleinsatz unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohls öffentlich verantwortet wer­ den muß.

V. Konzernprobleme Größere Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft sind oft Teile eines weiteren Unternehmensverbandes unter einheitlicher Lei­ tung, also eines Konzerns im Sinne des deutschen Aktienrechts (§18 AktG)243. Insolvenzrechtspolitik, die Großunternehmen erfassen will, steht 241 Zeuner (N. 236) 6. 242 Einen nützlichen Überblick gibt von Lösch, AG 1977, 69 ff. 243 Ende der sechziger Jahre schätzte man den Anteil der konzernverbundenen Unterneh­ men in Deutschland bei den Aktiengesellschaften auf 50 bis 70%, bei der GmbH auf ungefähr 20%; siehe die Angaben bei Rehbinder, Konzemaußenrecht 21 f. Die Anteile sind inzwischen bestimmt nicht geringer geworden.

deshalb notwendig vor der Frage, wie auf die besonderen Probleme einzugehen ist, die sich aus der Konzernbindung des insolventen Unter­ nehmens ergeben. Mit der neueren amerikanischen Literatur lassen sich drei Fragenkreise unterscheiden: (1) Die Haftung anderer Teile des Konzerns für die Schulden eines insolventen Konzernunternehmens; (2) Der Status der Forderungs- und Anteilsrechte, die in der Insolvenz eines Konzemun­ ternehmens von anderen Konzernunternehmen geltend gemacht werden; (3) Die verfahrensmäßige Bewältigung der Insolvenz des ganzen Konzerns.

1. Haftung des Konzerns

Eine der ersten Überlegungen des Gläubigers eines insolventen Kon­ zernunternehmens wird sein, ob er für den erwarteten Forderungsausfall andere Konzernunternehmen in Anspruch nehmen kann. Das amerikani­ sche Recht stellt ihm als Präjudiz eine reiche Rechtsprechung zur Verfü­ gung, die unter dem Stichwort „piercing the corporate veil“ (wörtlich: „den Schleier der juristischen Person durchstoßen“) den Zugriff auf beherr­ schende Anteilsinhaber erlaubt, wenn diese ihre Stellung eigennützig zu Unterkapitalisierung, VermögensVermischung, Aussaugung und Kapital­ entzug mißbraucht haben244. 245 Im246 deutschen Recht entsprechen dem die Lehre und Rechtsprechung zum „Haftungsdurchgriff", außerdem die im Vergleich mit dem amerikanischen Recht durchweg strengeren Kapitalent­ zugsverbote des Gesellschaftsrechts (§§ 57, 62 AktG; §§ 30, 31 GmbHG)246. Für die in unserem Zusammenhang vor allem interessierende Aktiengesell­ schaft kommt hinzu die besondere Regelung der Konzembeziehungen im Aktiengesetz, die der abhängigen Gesellschaft (und damit mittelbar auch ihren Gläubigem) je nach den Umständen Ansprüche auf Verlustüber­ nahme, Nachteilsausgleichung oder Schadensersatz gegen das beherr­ schende Unternehmen verschaffen kann (§§ 302, 311, 317 AktG)247. Speziell für das Sanierungsverfahren spielen die Möglichkeiten des Haf­ tungsdurchgriffs oder der Konzernhaftung wohl nur eine mittelbare Rolle.

244 Eine Zusammenstellung der Rechtsprechung gibt Landers, U. Chi. L. Rev. 42 (1975) 606 ff. Deutsche Darstellungen: Drobnig, Haftungsdurchgriff 25-87; Rehbinder, Konzemau­ ßenrecht 125-130; Schanze, Einmanngesellschaft 84-101. 245 SERICK, Rechtsform und Realität juristischer Personen (1955); Drobnig (N. 244); Rehbinder (N. 244) 90ff; Schanze (N. 244) 56ff, 67ff. 246 Siehe Drobnig (N. 244) 13f., 88, 91; Rehbinder (N. 244) 127f. 247 Daß diese Regelungen funktionell an die Stelle eines Haftungsdurchgriffs treten, haben schon Drobnig (N. 244) 46 ff. und Rehbinder (N. 244) hervorgehoben.

Denn seiner Natur nach zielt das Verfahren auf Vermeidung der Barbefrie­ digung durch Umwandlung und Ausschluß der Kapitalgeberrechte. Soweit nach diesem Prozeß die alten Kapitalgeber durch neue Rechte an dem sanierten Unternehmen voll entschädigt sind, ist weitergehenden Ansprüchen gegen andere Konzernunternehmen der Boden entzogen. Soweit dagegen - etwa nach der absoluten Vorrangsregel - eine Entschädi­ gung versagt werden muß (d. h.: Kapitalgeber mit ihren Rechten ausgefal­ len sind), ist die Problemlage des Haftungsdurchgriffs bestehen geblieben. Ansprüche können dann aber wenigstens nicht mehr gegen das sanierte Unternehmen gerichtet werden, weil dessen Sanierung gerade beruht auf dem rechtskräftigen Ausschluß der nicht berücksichtigungsfähigen Rechte. Die mittelbaren Auswirkungen der Haftungserstreckung sind allerdings wichtig. Wenn andere Konzerngesellschaften für die Verbindlichkeiten des insolventen Unternehmens herangezogen werden können, fuhrt dies zu einer Auffüllung der für eine Sanierung zur Verfügung stehenden Unter­ nehmenssubstanz. Auch kann das Verhandlungs- und Abstimmungsver­ halten der Beteiligten durch die Möglichkeit eines Haftungsdurchgriffs entscheidend beeinflußt werden: je substantieller der aus der Konzernhaf­ tung erwartete Erlös, umso geringer vermutlich die Bereitschaft der Gläu­ biger, einer Sanierung des einzelnen Unternehmens für sich genommen zuzustimmen, um so größer aber die Bereitschaft der Konzemleitung, die Sanierung durch Konzessionen und Zubußen doch zu ermöglichen. Diese faktischen Auswirkungen eines erfolgreich abgeschlossenen oder auch eines nur möglichen Haftungsdurchgriffs für den Sanierungsprozeß sind indessen, so wichtig sie sind, kein Regelungsproblem speziell für das Sanierungsrecht, sondern für dieses eher ein Datum, das vom allgemeinen Haftungs-, Gesellschafts- und Insolvenzrecht beigesteuert wird.

2. Ansprüche des Konzerns Für die rechtliche Fassung des Sanierungsprozesses ist wichtiger die Frage, was zu geschehen hat, wenn in der Insolvenz eines Konzernunter­ nehmens Ansprüche von anderen Konzernunternehmen geltend gemacht werden; so, wenn ein beherrschendes Unternehmen nicht nur aufgrund seiner Anteilsrechte, sondern auch als Insolvenzgläubiger auftritt: aus Lieferungen, Dienstleistungen, Auslagen für das abhängige Unternehmen oder schlicht aus der Gewährung von Darlehen. Die Frage stellt sich mit Schärfe, wenn - etwa nach der absoluten Vorrangsregel - das herrschende Unternehmen mit seinen Anteilsrechten ausgeschieden werden müßte; soll es dann wenigstens mit seinen Gläubigerrechten im Sanierungsplan noch

Berücksichtigung finden oder können die anderen Gläubiger verlangen, daß es auch als Gläubiger hinter ihre Forderungen zurücktritt? Im amerikanischen Recht kann das Gericht die Ansprüche des herrschen­ den Unternehmens den Rechten anderer Kapitalgeber (Gläubiger und Aktionäre) unterordnen, wenn die beherrschende Stellung benutzt wurde, um das abhängige Unternehmen zu seinem Nachteil und zum Vorteil des herrschenden Unternehmens zu fuhren, zum Beispiel durch vollkommene Eingliederung in die Geschäftspolitik des herrschenden Unternehmens, durch Vermischung der Vermögen, durch Aussaugung und Kapitalentzug aufgrund ungerechter Verträge oder übermäßiger Dividenden, durch man­ gelhafte Kapitalisierung für die dem Unternehmen zugewiesenen Aufga­ ben oder schließlich durch allgemeine Mißwirtschaft. Solche Unterord­ nung von Gläubigerrechten des herrschenden Unternehmens hatte sich zunächst im Rahmen der allgemeinen Durchgriffslehre entwickelt248. Seit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Fall Taylor v. Standard Gas Co. (1939)249 wird sie jedoch unter dem Namen „equitable Subordina­ tion“ oder „Deep Rock Doctrine“ als eigener Rechtsbehelfbehandelt250. In jenem Fall wehrten sich Minderheitsaktionäre der insolvent gewordenen Deep Rock Corporation - einer kleinen Ölgesellschaft - gegen Forderun­ gen in Millionenhöhe, die von der Mehrheitsaktionärin - Standard Gas Co. - aus Lieferungen, Mietverträgen, Dienstleistungen, Darlehen und sonsti­ gen Kreditierungen geltend gemacht wurden. Es wurde festgestellt, daß Deep Rock von Anfang an unterkapitalisiert war, daß Standard Gas allein die Geschäftsführung bestimmt und dabei der abhängigen Gesellschaft durch vielerlei Transaktionen und Buchungen Mittel entzogen und Ver­ bindlichkeiten auferlegt hatte251. Der Oberste Gerichtshof entschied des­ halb, daß ihre Forderungen hinter die Ansprüche der Minderheitsaktionäre zurückzutreten hätten. Da der Wert der Deep Rock die Ansprüche der übrigen Gläubiger und der Minderheitsaktionäre nicht überstieg, bedeutete die Zurücksetzung, daß die herrschende Gesellschaft in der Reorganisation

248 Die ältere Rechtsprechung ist dargestellt bei Latty, Subsidiaries and Affiliated Corporations (1936) 142ff.; siehe auch Drobnig (N. 244) 70-76. 249 306 U.S. 307 (1939). 250 Siehe z.B. Israels, Col. L. Rev. 42 (1942) 376ff; Krotinger, Col. L. Rev. 42 (1942) 1124ff.; (Note) Col. L. Rev. 47 (1947) 800ff.; (Note) Yale L. J. 58 (1949) 773ff.; Herzog/ ZWEIBEL, Vand. L. Rev. 15 (1961) 90ff; Gleick, Bus. Law. 16 (1961) 611 ff; Landers (N. 244) 597 ff. 251 In einer nachfolgenden Entscheidung bezeichnete der Oberste Gerichtshof den Deep Rock-Fall als „eine Geschichte der Ausbeutung, der Mißwirtschaft und der treulosen Verwal­ tung“; Pepper v. Litton, 308 U.S. 295, 308 (1939).

weder mit ihrem Anteilsbesitz noch mit ihren Forderungen berücksichtigt werden konnte252. Für die rechtliche Fundierung ihrer Judikatur können die amerikanischen Gerichte sich letztlich immer auf die „equitable powers“ des Konkursge­ richts berufen253. Die Entwicklung nach der Deep-Rock-Entscheidung zeigt eine eigentümliche Wellenbewegung in der Schärfe, mit der interne Konzernforderungen beurteilt wurden. Das angesehene Bundesberufungs­ gericht in New York ging so weit, für die Zurücksetzung solcher Forde­ rungen nicht mehr als den Nachweis der Konzernabhängigkeit des insol­ venten Unternehmens zu verlangen254. Der Oberste Gerichtshof machte aber in einer späteren Entscheidung klar, daß die Möglichkeit eines Miß­ brauchs (aufgrund der Konzernherrschaft) nicht ausreiche, vielmehr erst eine tatsächliche Ausnutzung der Mißbrauchsmöglichkeiten die Zurückset­ zung von Konzernforderungen rechtfertige255. Der Kommissionsentwurf von 1973 wollte wieder, ohne irgendeine Begründung, alle konzerninter­ nen Forderungen zurücksetzen, ohne einen Mißbrauchsnachweis zu for­ dern256. Dagegen wandten sich aber mit Entschiedenheit Verbände der Kredit Wirtschaft und die SEC; diese hielten es für unerläßlich, daß wie bisher die Gerichte über die Zurücksetzung von Fall zu Fall entscheiden könnten257. Das neue Konkursgesetz kehrt zu dieser Auffassung zurück, indem es das Problem ausdrücklich aufgreift, inhaltlich aber schlicht auf die „principles of equitable Subordination“ verweist (§ 510 [c]). Das deutsche Recht hat in der Rechtsprechung und Lehre zum Haftungs­ durchgriff ein dem amerikanischen vergleichbares Instrument zur Verfü­ gung258. Es ist bisher allerdings vorwiegend für GmbH-Fälle genutzt worden. Die wichtige Entscheidung des Reichsgerichts vom 16. 11. 1937 hatte die Abwehr von Gesellschafterforderungen im Konkurs der GmbH zum Gegenstand259; die Einzelheiten des Abhängigkeitsmißbrauchs waren dort - wenn auch im kleineren Maß stab - dem amerikanischen Deep­ Rock-Fall durchaus ähnlich. Die danach folgende Rechtsprechung des 252 Krotinger (N. 250) 1124 N. 1. Einzelheiten auch bei Blum/Kaplan, Materials 418 ff. 253 Zur „equitable Subordination“ ausführlich Herzog/Zweibel (N. 250). 254 In re Loewer’s Gambrinus Brewing Co., 167 F. 2d 318 (Cir. 2, 1948). 255 Comstock v. Group of Institutional Investors, 335 U.S. 211, 228ff. (1949). Die gesamte Rechtsprechung seit Deep Rock ist dargestellt bei Landers (N. 244) 597-605; noch spätere Entscheidungen bei Macey, Com. L. J. 1980, 44ff. Zum amerikanischen Recht jetzt auch Grossmann, Gesellschaftsdarlehen bei Insolvenz (1978).

256 § 4—406 (a) (2). 257 SEC, Report (1976) 61; weitere Nachweise bei Macey, Com. L. J. 1980, 46f. 258 Siehe Drobnig und Rehbinder (N. 245). 259 RG, JW 1938, 862.

20 Flessner BIPR 48

Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs hat sich - zugespitzt auf die Gesellschafterdarlehen - in die GmbH-Novelle von 1980 fortgesetzt260. Die großen Unternehmen sind eher in der Form der Aktiengesellschaft organisiert. Für sie läßt sich eine den GmbH-Fällen ähnliche Durchgriffsrechtsprechung nicht feststellen - wohl deshalb, weil die strengeren Gläu­ bigerschutz- und Kapitalerhaltungsregeln des Aktiengesetzes einen großen Teil der Fälle auffangen261. Vor allem wirken hier das Verbot der Einlagen­ rückgewähr und der verdeckten Gewinnausschüttung (§§ 57 I, 58 V, 62 AktG)262. Seit der Aktienrechtsreform von 1965 sind die Schutzvorschriften des Konzernrechts dazugetreten. Ist im Konzern ein Beherrschungsvertrag abgeschlossen, so verpflichtet § 302 AktG das herrschende Unternehmen, den Jahresverlust des abhängigen Unternehmens zu tragen. Besteht ein Beherrschungsvertrag nicht, so muß nach § 311 AktG das herrschende Unternehmen die Nachteile, die es dem abhängigen Unternehmen durch seine Leitungsmacht zugefugt hat, bis zum Ende des Geschäftsjahrs aus­ gleichen, andernfalls gemäß § 317 AktG Schadensersatz leisten. Im Vergleich des deutschen mit dem amerikanischen Recht waren schon die traditionellen Gläubigerschutz- und Kapitalerhaltungsregeln des deut­ schen Gesetzes als Gegenstücke zur amerikanischen Durchgriffs- und Unterordnungsrechtsprechung anzusehen263. Mit den Vorschriften des deutschen Konzernrechts dürfte nunmehr die volle Schutz-Äquivalenz erreicht sein264. Für den Vertragskonzern ist dies evident: die Verpflichtung des herrschenden Unternehmens zur Verlustübernahme nach § 302 AktG, gleichgültig aus welchem Grund der Verlust entstanden ist, schützt Gläubi­ ger (und Minderheitsaktionäre) des abhängigen Unternehmens gegen die finanziellen Folgen nachteiliger Konzerneinflüsse perfekter als jede Rege­ lung es könnte, die auf Mißbrauch oder Nachteils Verursachung abstellt. Aber auch im Konzern ohne besonderen Beherrschungsvertrag leisten die §§ 311 ff. AktG so viel wie eine an Mißbrauchstatbeständen orientierte Rechtsprechung. Denn die Fallsituationen, die nach § 311 AktG als aus­ gleichspflichtiger „Nachteil“ gelten können, werden im großen und gan­ zen dieselben sein, die in der amerikanischen Rechtsprechung als miß­ 260 §§ 32 a, b GmbHG, eingeführt durch Gesetz vom 13. 5. 1980, BGBl. I 836; dazu informativ K. Schmidt, NJW 1980, 1769ff, besonders 1772f. Die Rechtsprechung von Reichsgericht und Bundesgerichtshof ist zusammengestellt bei Winter, Haftung der Gesell­ schafter 61 ff, und Schanze (N. 244) 68 ff; anschließend: Rehbinder, Festschrift Rob. Fischer 579 ff. 261 Drobnig (N. 244) 92, 93. 262 Siehe dazu Mestmäcker, Verwaltung, Konzemgewalt, Rechte der Aktionäre 232-240. 263 Siehe oben S. 286 mit N. 246. 264 Drobnig (N. 244) 96f.; Rehbinder (N. 244) 120-122.

bräuchliche Ausnutzung der beherrschenden Stellung figurieren. Auch amerikanische Analysen kommen zu der Feststellung, daß die Rechtspre­ chung zur Unterordnung von Konzernforderungen letztlich auf die Frage hinausläuft, ob eine Maßnahme zum Nutzen des abhängigen Unterneh­ mens oder des herrschenden Unternehmens (oder des ganzen Konzerns) getroffen wurde265. Andererseits nähert sich das deutsche Recht den ethi­ schen Maßstäben der amerikanischen Rechtsprechung, indem nach der inzwischen herrschenden Meinung als „Nachteil“ im Sinne von § 311 AktG von vornherein nur die ungünstige Maßnahme gelten soll, die der ordentliche und sorgfältige Geschäftsleiter eines unabhängigen Unterneh­ mens nicht vorgenommen hätte266. Der Unterschied zwischen der deut­ schen und der amerikanischen Lösung ist damit nur noch ein technischer. Während das amerikanische Recht im Sanierungsverfahren sich auf die Abwehr von Konzernforderungen durch Unterordnung konzentriert, gibt das deutsche Recht dem abhängigen Unternehmen eigene Ausgleichsan­ sprüche; diese können aber durch Gegenrechnung oder Zurückhaltung ebenfalls zur Vereitelung von Konzernansprüchen eingesetzt werden. Eine genauere Nachzeichnung des Wirkungsumfangs der amerikani­ schen Rechtsprechung einerseits und des deutschen Konzernrechts anderer­ seits ist in diesem Zusammenhang nicht nötig. Der vorstehende Überblick zeigt jedenfalls, daß das deutsche Recht das Schutzbedürfnis der Minder­ heitsaktionäre und Gläubiger gegen konkurrierende Konzernforderungen mit den Instrumenten des Gesellschaftrechts befriedigen will, und daß Schutzlücken, die noch auftreten mögen, vermutlich durch Fortentwick­ lung dieses Instrumentariums gefüllt werden. Zwar wird die Ausgleichsre­ gelung für die Fälle der bloß faktischen Konzernierung rechtspolitisch immer noch angezweifelt, doch gehen alle Verbesserungsvorschläge in die Richtung stärkeren und praktikableren, nicht schwächeren Schutzes des abhängigen Unternehmens, seiner Aktionäre und seiner Gläubiger267. Eine Regelung dieses Punktes auf der spezielleren Ebene des Insolvenzrechts erscheint also in der deutschen Situation nicht mehr notwendig. Dieser Befund gilt auch für die GmbH, soweit sie Teil eines Konzerns

265 HERZOG/ZWEIBEL (N. 250); Landers (N. 244) geht sogar so weit, anzunehmen, daß im Konzern ökonomisch sinnvoll immer im Konzeminteresse, und daher langfristig immer zum Nachteil einzelner Konzernunternehmen entschieden werden müsse. 266 Argument aus § 317II; siehe Biedenkopf/Koppensteiner, Kölner Kommentar § 311 Rz. 10; Kropff § 311 Rz. 108, 109; Emmerich/Sonnenschein, Konzemrecht 210 f. 267 Siehe den Überblick bei Kropff, Vorbem. § 311 Rz. 11, 13-17, 22-38; siehe auch Emmerich/Sonnenschein, Konzemrecht 197-201.

ist268. Eine Teillösung ist erreicht durch die Regelung der Gesellschafterdar­ lehen in §§ 32a, b GmbHG269. Angesichts der bereits weit getriebenen Diskussion über die rechtlich angemessene Kapitalausstattung der GmbH270 dürfte die notwendige weitere Vervollkommnung langfristig auch in die­ sem Bereich so geschehen, daß die Forderungen beherrschender Unterneh­ men mit Hilfe des Gesellschaftsrechts unter Kontrolle gebracht werden271. Ein Anfang war gemacht mit dem Referenten-Entwurf von 1969 und dem folgenden Regierungsentwurf, die beide neben einer Regelung der Gesell­ schafterdarlehen auch ein dem Aktienrecht nachgebildetes Konzernrecht enthielten272. Daß die Konzernregelung dann wieder fallengelassen wurde, darf nicht als Tendenzumkehr verstanden werden. Denn die jüngste Novelle ist von ihren Verfassern selbst nur als erster Schritt einer Gesamt­ reform gedacht273. Die Kritik, die gegen die Konzernregelung in den voraufgegangenen Entwürfen geübt worden war, verneinte auch überwie­ gend nicht grundsätzlich die Berechtigung eines GmbH-Konzernrechts, sondern wandte sich gegen seine allzu unselbständige Anlehnung an die vorhandenen Vorschriften des Aktiengesetzes274. Das GmbH-Konzernrecht ist deshalb weiterhin auf der rechtspolitischen Tagesordnung und wird zweifellos - wie schon das Aktienrecht - die Insolvenzrechtspolitik von den speziellen Konzernproblemen weitgehend freihalten275.

3. Insolvenz des Konzerns

Den bisher erörterten Problemen lag der Fall zugrunde, daß nur eine Konzerngesellschaft sich im Sanierungsverfahren befindet. Wie aber ist es, 268 Angaben über das Ausmaß der Konzernierung bei der GmbH: Rehbinder, Konzemau­ ßenrecht 21, und in: GmbH-Reform (1970) 127, 129 f. mit Nachweisen. 269 Siehe auch oben S. 289 f. 270 Aus neuerer Zeit eindrücklich und ausführlich P. Ulmer, Festschrift Duden 661 ff., und LUTTER/HOMMELHOFF, ZGR 1979, 31 ff. 271 Rehbinder, Konzemaußenrecht 122, und in: GmbH-Reform (1970) 127. 272 Referenten-Entwurf eines Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung (hrsg. von Bundesministerium der Justiz, 1969) §§ 234 ff.; Regierungsentwurf 1972 (BT-Drucksache VI 3088) §§ 230ff. 273 Siehe Deutler, GmbH-Rundschau 1977, 73. 274 Siehe Rehbinder, ZGR 1976, 390 f. mit Nachweisen. 275 Siehe z. B. die Referate und Diskussionsbeiträge auf einer Arbeitstagung im Dezember 1975, hrsg. unter dem Titel „Der GmbH-Konzem“ (1976), sowie die Würdigung von Eder, GmbH-Rundschau 1977, 41. Rehbinder, ZGR 1977, 585, spricht treffend vom „im Werden begriffenen GmbH-Konzemrecht“. In der Sache gehen in diese Richtung auch die Vorschläge zur angemessenen Kapitalisierung der GmbH, z.B. P. Ulmer und LUTTER/HOMMELHOFF, oben N. 270. Überblick über den Problem- und Diskussionsstand auch bei Rehbinder, ZGR 1976, 387, 390 f.; Emmerich/Sonnenschein, Konzemrecht 230 ff.

wenn der ganze Konzern (oder jedenfalls die Mehrzahl seiner Unterneh­ men) insolvent geworden ist? Es ist dann möglich, daß jedes der insolven­ ten Konzernunternehmen dem Haftungsdurchgriff der Gläubiger der ande­ ren insolventen Konzernunternehmen ausgesetzt ist und daß konzerninteme Forderungen, die wechselseitig geltend gemacht werden, wiederum wechselseitig untergeordnet werden müssen. Das ist bestimmt dann der Fall, wenn die Insolvenz des ganzen Konzerns gerade durch die Mithaftung für die Schulden einzelner Konzernteile ausgelöst wurde. In solcher Situa­ tion kann es praktisch sein, die Aktiven und Passiven aller Unternehmen zusammenzulegen und den Konzern in einem einheitlichen Sanierungsver­ fahren neu zu ordnen. Der Effekt läge darin, daß alle konzerninternen Forderungen und Haftungen eliminiert würden und das Konzernvermögen als eine Masse allen Gläubigern (und eventuell den Aktionären) zur Verfü­ gung stünde. Im Außenverhältnis würde es sich so erübrigen, die Forde­ rungen der Gläubiger jeweils an einzelnen Konzernunternehmen festzuma­ chen, was bei inniger Konzernverflechtung oft nur durch mühsame und künstliche Zuweisungen geschehen kann276. Das amerikanische Gesetzesrecht bietet die Möglichkeit, Insolvenzver­ fahren mehrerer Konzernunternehmen, die an sich an verschiedenen Orten zu führen wären, bei einem Gericht zu konzentrieren und für alle Unterneh­ men einen Treuhänder einzusetzen277. Diese Zusammenfassung - im allge­ meinen „consolidation" genannt278 - ist aber nur eine verfahrens- und verwaltungsmäßige (procedural, administrative); die Vermögen und die Kapitalverhältnisse der einzelnen Konzernunternehmen bleiben auch unter der Personalunion des Treuhänders rechtlich selbständig und sind jedes für sich neu zu ordnen279. Die amerikanischen Konkursgerichte erlauben jedoch, ohne besondere gesetzliche Grundlage, oft auch eine materiellrechtliche Zusammenlegung der einzelnen Konzernteile in dem Sinne, daß konzerninterne Ansprüche und Forderungen entfallen und im Außenverhältnis eine Haftungsmasse für

276 Zu diesem „Identifizierungsproblem,, übersichtlich Rehbinder, Konzernaußenrecht 133 ff. 277 Bisher: Bankruptcy Act § 129, ergänzt und erweitert durch Bankruptcy Rules 10-114 (a) (2) und (c), 10-115. Heute: 28 U.S.C. § 1472. 278 Siehe z.B. SELIGSON/MANDELL, Com. L. J. 73 (1968) 341 ff; Ashe, Am. Bankr. L. J. 49 (1972) 291 ff.; Landers (N. 244) 634, 643; Berry, Am. Bankr. L. J. 50 (1976) 343ff.; Wes, Cal. L. Rev. 65 (1977) 720f. 279 So ausdrücklich die offiziöse Anmerkung (Advisory Committee’s Note) zu Bankruptcy Rule 10-115, sowie § 4-305 des Entwurfs von 1973.

eine Gläubigerschaft gebildet wird („substantive consolidation“)280. Ein Paradefall ist die Insolvenz des Reeders Kulukundis. Dieser besaß mit einigen Familienmitgliedern 8 Frachtdampfer, für die jeweils eine Gesell­ schaft als Eigentümer fungierte. Als alle Gesellschaften ihre Zahlungen einstellten, verlangte der Bundesfiskus als Steuergläubiger die Vereinigung aller Verfahren. Es wurde festgestellt, daß alle Gesellschaften als ein einheitliches Unternehmen geführt worden waren, daß Guthaben und Verbindlichkeiten von einer zur anderen Gesellschaft je nach Bedarf hin und her geschoben worden waren und daß es zeitraubender und kostspieli­ ger Prüfungen bedurft hätte, um das Geflecht von Buchungen und Gegen­ buchungen zu entwirren und jeder Gesellschaft „ihre“ Aktiven und Passi­ ven zuzuweisen. Das Gericht entschied sich deshalb für die Zusammenle­ gung und einheitliche Regelung des gesamten Vermögenskomplexes281. Problematisch wird diese Zusammenlegung der einzelnen Konzernteile, wenn Gläubiger vorhanden sind, die im Vertrauen auf die Bonität eines der Konzernunternehmen diesem Kredit gewährt haben. Denn über die Befrie­ digung aus der Gesamtkonzernmasse kommen ihnen zwar anteilig auch die anderen Vermögensmassen zugute, doch müssen sie umgekehrt auch die Beteiligung der Gläubiger der anderen Konzernunternehmen an dem Ver­ mögen „ihres“ Konzernteiles hinnehmen. Wenn die Vermögenslage dieses Konzernunternehmens günstiger war als die der anderen, erleiden seine Gläubiger durch die Zusammenlegung per saldo einen Verlust. War dieses Unternehmen gleichzeitig das im Konzern herrschende Unternehmen, fallen zwar durch die Zusammenlegung Ersatzansprüche weg, die wegen der Insolvenz von anderen Konzernunternehmen oder deren Gläubigem aufgrund „Durchgriffs" oder Konzernhaftung gegen das Unternehmen hätten geltend gemacht werden können. Das herrschende Konzemunter­ nehmen muß aber nicht notwendig das bestausgestattete sein, und selbst wenn es im Einzelfall so ist, steht damit noch nicht fest, ob solche Ansprüche überhaupt bestehen und geltend gemacht werden. Auch für dieses Problem ist der Fall des Reeders Kulukundis ein gutes Beispiel. Eine Bank hatte eine Hypothek auf einem der Schiffe. Die rechtliche Gültigkeit der Hypothek wurde aber angefochten vor einem indischen Gericht, bei dem der Erlös aus einem Zwangsverkauf des Schiffes offenbar hinterlegt war. Die Bank wandte sich gegen die Zusam­

280 Die Rechtsprechung ist aufgearbeitet bei Landers (N. 244) 633ff.; Berry (N. 278); Wes (N. 278). 281 Chemical Bank v. Kheel, 255 F. Supp. 696 (S.D.N.Y. 1966); 369 F. 2d 845 (Cir. 2, 1966).

menlegung, weil sie im Fall der Nichtanerkennung der Hypothek als ungesicherte Gläubigerin die Konzerngesellschaft, der das Schiff gehört hatte, in Anspruch nehmen wollte. Diese Gesellschaft war - wohl mehr zufällig - die im Verhältnis bestausgestattete aller Konzerngesellschaften. Das Gericht wies den Einwand zurück, vor allem deshalb, weil die inneren Konzernbeziehungen „hoffnungslos obskur“ seien und ihre Entwirrung für alle Gläubiger zusammen mehr Kosten als Nutzen gebracht hätte282. Dieses Argument kritisierte allerdings Chefrichter Friendly in einem Sondervotum. Eine Unternehmensgruppe dürfe nicht durch undurchsich­ tige Gestaltung ihrer Innenbeziehungen die Erwartungen eines Gläubigers, der auf die Bonität gerade eines der Konzemglieder gesetzt habe, zunichte machen können. Die Zusammenlegung sei im konkreten Fall nur des­ halb gerechtfertigt, weil die Bank im Grunde wohl nicht auf die Bonität der Gesellschaft, sondern auf den Wert ihrer Hypothek vertraut habe283. Wegen ihrer oft problematischen Folgen wird die Zusammenlegung offenbar im großen und ganzen nur vorsichtig praktiziert. Die heute als Präzedentien vorwiegend zitierten Entscheidungen hatten es mit Fällen zu tun, in denen die verschiedenen Gesellschaften erkennbar als ein Unterneh­ men (mit mehreren gesellschaftsrechtlich organisierten Betriebsabteilun­ gen) geführt wurden oder doch ihre internen Vermögensbeziehungen praktisch unentwirrbar waren284. In dieser Beschränkung hat die amerikani­ sche Rechtsprechung besonders beim Sanierungsverfahren einiges für sich. Denn im Konkursverfahren, das auf Versilberung und Erlös Verteilung aus ist, kann man die Gläubiger auf die penible Aufklärung aller konzeminter­ nen Verflechtungen warten lassen, ohne daß - abgesehen von den Kosten der Aufklärung - der Erfolg des Verfahrens wesentlich gefährdet würde. Im Sanierungsverfahren dagegen, in dem es um das Weiterleben des Unternehmens geht, ist Zeitersparnis wertvoller, da in der Regel das noch nicht beendete Verfahren als solches geeignet ist, in der Außenwelt Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Unternehmens wachzuhalten. Hinzu kommt, daß im Sanierungs verfahren ohnehin an vielen Stationen Ver­ handlungskompromisse, Schätzungen und Ermessensentscheidungen not­ wendig sind. Es liegt deshalb durchaus im Charakter einer Sanierung, daß 282 Chemical Bank v. Kheel, 369 F. 2d 845, 847 (Cir. 2, 1966). 283 aaO. 847. 284 Außer dem behandelten Kheel-Fall vor allem: Soviero v. Franklin Nat. Bank, 328 F. 2d 446 (Cir. 2, 1964); Stone v. Eacho, 127 F. 2d 284 (Cir. 4, 1942); Consolidated Rock Products Co. v. DuBois, 312 U.S. 510 (1941); New York Trust Co. v. Island Oil and Transport Co., 56 F. 2d 580 (Cir. 2,1932). Neuester, vielbehandelter Fall: In re Continental Vending Machine Co., 517 F. 2d 997 (Cir., 2, 1975); dazu Berry (N. 278), bes. 464ff.

man sich, wenn dadurch eine wesentliche Zeit- und Kostenersparnis zu erzielen ist, mit der gewissen Anspruchsnivellierung abfindet, die darin liegt, daß nach einer Zusammenlegung alle Gläubiger, die gleichartige Rechte haben, sich in die eine Gesamtmasse teilen müssen. Das heutige deutsche Recht ist von diesen Überlegungen noch weit entfernt. Es kann noch nicht einmal die rein verwaltungsmäßige Parallelität mehrerer Sanierungsverfahren gewährleisten, da für die verschiedenen Konzernglieder jeweils das Gericht am Ort ihrer Niederlassung ausschließ­ lich zuständig ist (§ 71 KO, § 211 VerglO). Der erste Schritt wäre also, bei einer Insolvenz mehrerer verbundener Unternehmen nach dem Muster des amerikanischen Rechts die Zusammenfassung aller Einzelverfahren bei einem Gericht und einem Verwalter zu ermöglichen. Der zweite Schritt wäre, unter bestimmten Kautelen die materiell-rechtliche Zusammenle­ gung der einzelnen Konzernteile für die Zwecke des Insolvenzverfahrens zuzulassen. Bei diesem Schritt ist Vorsicht geboten, und vielleicht sollte man es, vergleichbar der amerikanischen Situation, zunächst den Gerichten überlassen, die dafür passenden Falltypen allmählich herauszuspüren. Nach der deutschen Rechtstradition wäre dafür allerdings sicher eine ausdrückli­ che Aufforderung durch das Gesetz vonnöten.

D. Neutraler Sachverstand I. Das Problem und die Lösungen Die rechtlichen Entscheidungen, die im Sanierungsverfahren zu treffen sind, erfordern ein Urteil über oft komplexe wirtschaftliche Sachverhalte und Maßnahmen. Für die Beurteilung der Sanierungsfähigkeit und der Durchführbarkeit des Sanierungskonzepts ist dies evident; es gilt aber auch für die Gerechtigkeit des Sanierungsplans, weil sie letztlich immer aus der finanziellen Lage und den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Unterneh­ mens hergeleitet sein muß. Wirtschaftliche Urteile erfordern schließlich auch die Entscheidung über die Einsetzung eines Verwalters, dessen Aus­ wahl, die Überwachung der Geschäftsführung und die Genehmigung außerordentlicher geschäftlicher Maßnahmen während der Sanierungsver­ waltung. Selbst bei einer Konzentrierung von Sanierungsverfahren auf wenige und gutbesetzte Gerichte ist nicht zu erwarten, daß die Richter den hier geforderten Sachverstand besitzen. Er würde allein in ihrer Person auch nicht ausreichen, wenn über das Ob und Wie der Sanierung in erheblicher Zahl Beteiligte mitsprechen, die die wirtschaftliche Situation nicht ausrei­

chend überblicken und einschätzen können. Sachverstand, wenn mit Objektivität und Autorität dargeboten, ist schließlich sogar für die an sich erfahrenen Beteiligten (z. B. Banken, Geschäfts gläubiger, Fiskus) nützlich, weil er in der verwickelten Insolvenzsituation helfen kann, den Verhand­ lungs- und Entscheidungsstoff auf die wirklich wichtigen Streitpunkte einzugrenzen. Daß neutraler Sachverstand in das Sanierungsverfahren gehört, wird in allen Rechtsordnungen empfunden. Er wird gestellt von dem Sanierungs­ verwalter (VergleichsVerwalter; trustee; curateur) oder dem Prüfer, der das Gericht und die Beteiligten ins Bild zu setzen und den Sanierungsplan zu erarbeiten hat285. In Frankreich und Deutschland kann das Gericht zusätzliche Sachverstän­ dige, in Japan einen oder mehrere Untersuchungsbeiräte berufen, die zu einzelnen Punkten oder dem ganzen Sanierungskonzept Tatsachen zu ermitteln oder ihr Urteil abzugeben haben286. Nur England scheint bisher alles den Beteiligten und dem Gericht zu überlassen287, aber diese Situation wird als unbefriedigend empfunden288. Im amerikanischen und im deutschen Verfahren ist außerdem eine amtliche Stelle außerhalb des Gerichtssystems eingeschaltet, die nach ihrem allge­ meinen Aufgabenkreis zur Beurteilung wirtschaftlicher und finanzieller Sachverhalte geeignet erscheint: im Vergleichsverfahren die Industrie- und Handelskammer (IHK), die nach § 14 VerglO als „BerufsVertretung“ zum Vergleichs antrag zu hören ist; im Reorganisations verfahren die Securities and Exchange Commission (SEC), die unter bestimmten Voraussetzungen als Beteiligte im Verfahren auftritt289. Von allen hier genannten Sanierungsverfahren dürfte das amerikanische mit der Heranziehung der SEC die Beibringung von Sachverstand am weitesten entwickelt haben. Das neue Gesetz von 1978 drängt zwar die Mitwirkung der SEC zurück und ebenso den Prüfungsauftrag des Gerichts290. Geblieben ist aber das Recht der SEC, zu jeder Zeit am Verfahren teilzunehmen und zu jedem Aspekt des Falles gehört zu werden (§ 1109 [a]); in den noch auszuarbeitenden neuen Bankruptcy Rules soll 285 Siehe o. S. 222 ff., 269 ff. Über den japanischen Sanierungsverwalter siehe Nakano 149, 151. 286 In Deutschland ermächtigt dazu § 116 VerglO, in Frankreich Art. 12 II der Verordnung von 1967. Über Japan siehe Nakano 149 f. 287 Siehe oben S. 157 ff. Anders aber offenbar in Schottland, wo die Übung besteht, den Sanierungsplan von einem Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt begutachten zu lassen; Gower, Company Law 646. 288 Gower, Company Law 645f. 290 Siehe oben S. 89, 117ff., 130f. 289 Siehe oben S. 82, 88, 91 ff.

auch vorgesehen werden, daß die SEC von allen Verfahrens Vorgängen ebenso wie die beteiligten Gläubiger Mitteilung erhält. Die SEC scheint entschlossen, diese ihre Verfahrensstellung zugunsten der Kapitalanleger weiterhin aktiv zu nutzen291. Was dabei tatsächlich geleistet werden kann, ist aus den schon bisher unscheinbaren Gesetzesvorschriften nur undeutlich zu erkennen. Die bisherige Praxis der SEC soll daher - im Vergleich mit ihrer deutschen Entsprechung - im folgenden ausführlicher dargestellt und gewürdigt werden292.

II. SEC und IHK Die Heranziehung der SEC durch Berichterstattung und Verfahrens teil­ nähme war eine der wichtigsten Neuerungen der Reform von 1938293. Sie sollte die SEC vor allem als Wächter über die Gesetzmäßigkeit, Sauberkeit und Gerechtigkeit der Sanierungspraxis einsetzen. Andererseits wurden ihr - auch als Folge eines politischen Kompromisses - bewußt keine Mitent­ scheidungsrechte, sondern eben nur die Berater- und Parteistellung zuge­ wiesen294. Gehör und Einfluß konnte die SEC sich deshalb nur durch die fachliche Qualität ihrer Mitwirkung verschaffen. So konnte - als gewollter Dienstleistungseffekt des Wächteramts - von neutraler Stelle ein erhebli­ ches Maß an reinem wirtschaftlichen Sachverstand in das Verfahren gege­ ben werden295. Um ihre Kräfte nicht zu verzetteln, machte die SEC es sich zur Regel, einem Verfahren nur dann beizutreten, wenn in erheblichem Maße allge­ meine Anlegerinteressen beteiligt waren. Insgesamt hat sie auf diese Weise seit 1938 an über 600 Verfahren teilgenommen296. Wenn die SEC einem Verfahren beitrat, prüfte sie zunächst, ob der vom 291 So der zuständige Abteilungsleiter der SEC, Aaron Levy, siehe oben S. 94 N. 195. 292 Über die Praxis der SEC geben Auskunft deren Jahresberichte (Annual Reports). Sie ist ferner dargestellt bei Loss, Securities Regulation II 754 ff. und V (Supplement) 2688 ff; Frank, N.Y.U.L.Q. Rev. 18 (1941) 333ff; Segatto, U. Ih. L. F. 1958, 631 ff; Orrick, Geo. Wash. L. Rev. 28 (1959) 80f.; Windle, Ref. J. 34 (1960) 37ff.; Hooton, B. C. Ind. Com. L. Rev. 18 (1977) 427 ff; Kramer 70-73. 293 Darüber oben S. 77 ff, 82. 294 Die SEC hatte ursprünglich wohl eine beherrschendere Rolle angestrebt; siehe Kramer 40 N. 35. 295 Offenbar, um Befürchtungen zu zerstreuen, die Gerichte könnten von der SEC bevor­ mundet und die Sanierungspraxis staatlich gelenkt werden, stellten in den Anfangsjahren des Gesetzes von 1938 die Vertreter der SEC diese Dienstleistungsfunktion ganz in den Vorder­ grund ihrer öffentlichen Äußerungen; siehe Douglas, A.B.A.J. 24 (1938) 878; Frank (N. 292) 317ff, 349f. (in Auseinandersetzung mit Roscoe Pound). 296 SEC, Report (1976) 4.

Gericht eingesetzte Treuhänder und sein Anwalt die gesetzlichen Anforde­ rungen an Fähigkeit und Unabhängigkeit erfüllten; sie konnte hier aus ihrer Kenntnis des Kapitalmarkts und der Personenzusammenhänge in der Wirt­ schaft dem Gericht oft wertvolle Hinweise geben. Sodann versuchte sie umgehend, möglichst viele Informationen zusammenzubringen über das Unternehmen, seine bisherige Entwicklung, die Ursachen seines Zusam­ menbruchs, den Zustand seiner Finanzen, Anlagen und Vorräte, seine Stellung im Markt und die Eignung seiner Unternehmensleiter. Die SEC arbeitete hierbei eng mit dem Treuhänder zusammen, Heß oft auch die Bücher, Bilanzen und die bei ihr früher eingereichten Registrierungsbe­ richte des Unternehmens durch eigene Fachleute prüfen und stellte selbst Untersuchungen an über die Lage des Wirtschaftszweigs und gesamtwirt­ schaftliche Faktoren, die für das Unternehmen Bedeutung hatten. Das Ergebnis der Untersuchungen befähigte die SEC, in jeder Lage des Verfahrens ihren Standpunkt zu einzelnen Fragen mit fachlicher Autorität zu vertreten. Oft sorgte sie auch durch reinen Tatsachenvortrag dafür, daß das Gericht und die Beteiligten die nötige Faktengrundlage für ihre Ent­ scheidungen erhielten. Für mindestens ebenso wichtig hielt die SEC die vielen außergerichtlichen Beratungen, die ihre Mitarbeiter mit dem Treuhänder und anderen Betei­ ligten führten. Hier gewann die SEC selbst ihre Informationen, unterrich­ tete aber vor allem ihrerseits die Beteiligten, wies sie auf Probleme hin und versuchte mit ihnen, Lösungen noch vor der förmlichen Verhandlung vor Gericht zu erarbeiten. Auf diese Weise half die SEC dem Treuhänder bei der Aufstellung seines Situationsberichts, bei der Geschäftsführung und bei der Ausarbeitung des Reorganisationsplans. Es kam durchaus vor, daß der Treuhänder den Entwurf seines Berichts zunächst mit der SEC besprach und daß Mitarbeiter der SEC an vorgerichtlichen Beratungen des Treuhän­ ders und der Beteiligten über den Reorganisationsplan teilnahmen. Ihren äußerlichen Höhepunkt erreichte die Mitwirkung der SEC, wenn dem Gericht auf seine Anfrage das förmliche Gutachten zu den Planent­ würfen erstellt wurde, die das Gericht nach dem ersten Verhandlungster­ min für „erwägenswert“ („worthy of consideration") hielt. Das Gericht mußte die Pläne der SEC vorlegen, wenn die Verbindlichkeiten mehr als 3 Mio. $ betrugen297. * Es stand dann im Ermessen der SEC, ob sie ein förmliches Gutachten abgeben wollte. Wenn ja, hatten das Gericht und die 297 Unterhalb dieser Grenze konnte es dies tun; das geschah aber anscheinend nicht häufig, da das Gericht über die Auffassung der SEC in der Regel hinlänglich durch deren Äußerungen als Verfahrensbeteiligte informiert war; siehe Loss (N. 292) 755.

Beteiligten eine ausführliche und geordnete Darstellung des Sach- und Problemstandes vor sich, die mit einer klaren Aussage darüber schloß, ob oder unter welchen Bedingungen die SEC den vorgelegten Reorganisa­ tionsplan als gerecht und durchführbar ansah. Das typische Gutachten stellte zunächst das Unternehmen dar (seine bisherige Entwicklung jetzige Vermögens- und Kapitalstruktur und seine allgemeinen Aussichten für die Zukunft) und erläuterte anschließend den Reorganisationsplan. Es entwikkelte sodann anhand aller denkbaren Faktoren und in Auseinandersetzung mit etwaigen abweichenden Ansichten des Treuhänders oder anderer Beteiligter, welcher Unternehmens wert der Beurteilung des Sanierungs­ plans zugrundezulegen sei. Dies war durchweg der relativ längste Teil des Gutachtens und der gewichtigste, denn aus ihm folgte alles weitere: ob der Plan mit der vorgesehenen Kapitalstruktur durchführbar („feasible") war und ob er die Rechte an dem neuen Unternehmen gerecht und billig („fair and equitable“) verteilte298. Diese Vorprüfung der Reorganisationspläne durch das Gericht und die SEC hat das neue Gesetz als zu umständlich und zeitraubend gestrichen299. Die SEC hatte aber schon bisher darauf hingewiesen, daß das äußerliche Hervortreten ihrer Gutachten in gewisser Weise einen falschen Eindruck erweckte; der größere Teil ihrer Mitwirkung liege in ihrer Rolle als Verfahrensbeteiligte, für die sie nicht weniger Untersuchungs- und Vorbe­ reitungsarbeit aufwenden müsse als für die Erstattung eines Gutachtens300. Diese weniger förmliche Mitwirkung ist auch nach dem neuen Gesetz möglich und offenbar von der SEC beabsichtigt; die Aufmerksamkeit der SEC wird sich jetzt nur nicht mehr so sehr auf den vorgelegten Reorganisa­ tionsplan, sondern gezielt auf Menge und Güte der Information richten, die den Anlegern vom Planproponenten vor der Abstimmung zu unterbreiten ist301. Die SEC setzt für ihre Reorganisationspraxis Juristen, Buchprüfer, Anlageanalytiker und andere Wirtschaftsfachleute ein. Diese arbeiten hauptsächlich von Zweigstellen der SEC aus, um an Ort und Stelle leicht verfügbar zu sein302. Insgesamt beschäftigte die SEC 1975 für ihre Reorga­ nisationspraxis 35 Mitarbeiter (einschließlich des Schreib- und Verwal­

298 Darüber oben S. 91 ff., 94ff. 299 Siehe auch oben S. 115ff. 300 Siehe z. B. Annual Report 1950, 130. 301 Die Aufgaben der SEC zu diesem Punkt beschreibt Levy (oben N. 291) 38 ff. 302 Für Reorganisationsfälle sind die Zweigstellen in New York, Chicago, Los Angeles, Seattle sowie (für den südöstlichen Teil des Landes) die Zentrale in Washington, D.C., zuständig; Annual Report 1975, 149.

tungspersonals)303. Der Vergleich mit der Gesamtzahl der Mitarbeiter der Behörde (1975: ca. 1900) zeigt, daß die Mitwirkung im Reorganisations­ verfahren für die SEC quantitativ gesehen nur eine Nebenaufgabe ist303 304. Ihre Stärke in diesem Bereich liegt in der Zentralisierung und Summierung der Erfahrung bei einer Institution; sie verschafft ihr eine gewisse fachliche Überlegenheit gegenüber den Treuhändern und den Gerichten, für die Reorganisationsverfahren immer nur Einzelfälle sind. Zum anderen kom­ men ihr zugute die allgemein hohe Qualität ihrer Organisation und ihres Personals sowie das Wissen und Können, das sie in ihrer Hauptfunktion, der Aufsicht über den Kapitalmarkt, herausgebildet hat305. Im Ergebnis war die SEC in den Reorganisationsverfahren schon bisher nicht nur Wächterin über die Gesetzlichkeit und Gerechtigkeit, sondern der potenteste Lieferant von Sachverstand. In einem Fall, an dem die SEC sich beteiligte, konnten der Richter und die Beteiligten damit rechnen, daß ihnen zu den wesentlichen Fragen das Material kundig aufbereitet wurde. Den Anträgen und Empfehlungen der SEC folgten die Gerichte zwar nicht in jedem Fall, doch wurde anerkannt, daß ihre Stellungnahmen immer eine wertvolle Hilfe für die Entscheidungspraxis bildeten306. Wenn man die Kommentare zu § 14 der deutschen Vergleichsordnung und die offiziellen Begutachtungsrichtlinien liest, entsteht der Eindruck, daß der Prüfungsauftrag der Industrie- und Handelskammer (IHK), gemessen an den meist kleineren Verhältnissen des Vergleichsverfahrens, sich von dem bisherigen der SEC im Grundsatz nicht unterscheidet307. Tatsächlich bleibt die IHK aber hinter dem, was die SEC geleistet hat, und wohl auch in Zukunft noch leisten kann, weit zurück. Der Grund dafür Hegt vornehmlich in Anlage und Ziel des Vergleichs­ verfahrens: Die IHK wird nur zu Anfang des Verfahrens und unter erheblichem Fristendruck eingeschaltet; sie hat kein eigenes Antrags- und Beschwerderecht; und da das Verfahren vor allem auf möglichst schnelle 303 Genauer: 35 „Mannjahre“; SEC, Report (1976) 4. 304 In den Jahresberichten stellt die Reorganisationspraxis nur 5-10% der Berichtsmasse. 305 Über Aufgabe, Organisation und Bewährung der SEC im allgemeinen Wiethölter, Aktiengesellschaft 163ff.; Hopt, Kapitalanlegerschutz 528f. und ZHR 140 (1976) 203ff. 306 Viel zitiert wurde eine Stellungnahme des für New York zuständigen Bundesberufungs­ gerichts, in der die Leistungen der SEC im Reorganisationsgeschehen als „höchst wertvoll, wenn nicht gar unerläßlich“ für die gerichtliche Erledigung dieser Fälle bezeichnet wurden; Annual Report 1955, 89; Hooton (N. 292) 465; Loss (N. 292) 758 N. 10; Segatto (N. 292) 645. 307 Siehe BLEY/MOHRBUTTER § 14 Anm. 7-10; Böhle-Stamschräder, VerglO § 14 Anm. 2; Veismann, KTS 1968, 45 ff; Begutachtungsrichtlinien, abgedruckt bei Böhle-Stamschräder aaO. 305ff.

Barbefriedigung der vereinbarten Quoten gerichtet ist, konzentriert sich das Gutachten der IHK in der Regel (neben der „Würdigkeit“ des Schuld­ ners) auf die Angemessenheit der Vergleichsquote und die Sicherstellung der Vergleichserfüllung; die langfristige Erhaltungsaussicht für das Unter­ nehmen wird dagegen, obwohl in den Richtlinien als „einer der wichtig­ sten Gesichtspunkte für die Beurteilung des Vergleichsantrags“ bezeich­ net308, eher kursorisch und formelhaft angesprochen309. Der engeren Anlage der Vergleichsordnung entsprechen die Organisa­ tion und das Verfahren der IHK-Begutachtung310. In den größeren Kam­ mern sind für die Begutachtung sogenannte Insolvenzausschüsse gebildet worden, deren Mitglieder ehrenamtlich tätig sind und anscheinend vorwie­ gend nach Ansehen und allgemeiner praktischer Erfahrung aus gewählt werden. Einen Expertenapparat wie in der SEC benötigen die Insolvenz­ ausschüsse für ihre Urteilsbildung anscheinend nicht (obwohl Ansätze dafür in den Fachabteilungen der Kammern vielleicht vorhanden wären); denn eigene Ermittlungen über die Geschichte, die Situation und die künftigen Möglichkeiten des insolventen Unternehmens unternehmen die Kammern nur selten. Vielmehr stützen sie ihre Gutachten in der Regel auf den Vergleichsantrag und die ihm beizufügenden Unterlagen, den Bericht des vorläufigen Vergleichs Verwalters und auf eine Anhörung des Schuld­ ners (bzw. der Unternehmensleitung), wichtiger Gläubiger, des vorläufi­ gen Vergleichs Verwalters und manchmal weiterer Sachkundiger311. Die in der IHK heute vorhandene Organisation ist nach allem, wie die Vergleichsordnung selbst, auf die schneller überschaubaren Verhältnisse kleiner und mittelgroßer Unternehmen gerichtet. Sie ist kaum geeignet, die umfänglicheren und verwickelteren Probleme eines insolventen Groß­ unternehmens zu durchdringen, noch weniger, für die Lösung dieser Probleme fundierte Beiträge zu entwickeln. Dies feststellen heißt nicht, daß das reiche, vielleicht überreiche Informations- und Hilfsangebot der 308 Richtlinien, Abschnitt VIII. 309 Diese Feststellung beruht auf Gesprächen mit Vergleichsrichtern, Anwälten, Mitarbei­ tern der Handelskammer in Hamburg sowie auf der Durchsicht von Vergleichsakten der Handelskammer. 310 Darüber allgemein Veismann, KTS 1968, 40 ff. 311 Siehe Veismann (N. 310) 44; BLEY/MOHRBUTTER § 14 Anm. 7. Welche Vorstellungen über die Organisation der IHK-Mitwirkung im allgemeinen bestehen, beleuchten die Äuße­ rungen zu der Frist, innerhalb welcher das Gutachten vorzulegen ist. Die gesetzliche Frist von einer Woche (§14 VerglO) wird allgemein als viel zu kurz angesehen, aber vorgeschlagen wird nur eine Verlängerung auf zwei bis drei, höchstens vier Wochen; siehe BöhleStamschräder, VerglO § 14 Anm. 3; BLEY/MOHRBUTTER § 14 Anm. 8. Für die Verhältnisse von Großunternehmen dürfte in der Regel auch diese Frist nicht ausreichen.

SEC den benötigten Sach verstand in idealer Art und Menge zur Verfügung stellt. Doch ist sicher, daß ein Sanierungsverfahren, das für Großunterneh­ men geeignet sein will, die fachliche Unterstützung des Gerichts und der Beteiligten wenigstens in der Richtung des amerikanischen Beispiels fort­ zuentwickeln hätte. Wie weit, dürfte de iure nur schwer festzulegen sein; das zeigen einerseits die kargen amerikanischen Gesetzesvorschriften, andererseits die wohl zu detaillierten deutschen Begutachtungsrichtlinien, die beide die Art und das Maß der tatsächlich geleisteten Unterstützung nicht erkennen lassen. Diese wird vielmehr in ihrem Charakter untrennbar abhängen von der Organisationsform, in welcher der Sachverstand dem Verfahren zugeführt wird.

III. Überlegungen zur Organisation Wenn es nur um das Maß und die Güte des Sachverstands geht, ist eine Lösung, die eine dauerhafte und fachlich kompetente Institution beauf­ tragt, gewiß das Optimum. Die Heranziehung einzelner Sachverständiger oder die Zusammenstellung sachverständiger Gremien von Fall zu Fall kann nützlich sein, wenn die Unternehmensleitung im Amt gelassen wird, aber sonst bewirkt sie nur eine Verdoppelung dessen, was von dem fachkundigen SanierungsVerwalter erwartet wird, und sie ist ein Verzicht auf die zusätzlichen Vorteile der Institution: organisatorischer Unterbau, Speicherung von Erfahrung und - im günstigen Fall - öffentliche Autori­ tät. Ein englischer Beobachter hat freilich gemeint, die Einschaltung einer Untersuchungs- und Beratungsbehörde nach amerikanischem Vorbild in jedem Sanierungsfall sei vielleicht dasselbe wie „einen Preßlufthammer nehmen, um eine Nuß zu knacken“312. Bei Großunternehmen ist diese Befürchtung indessen nicht angebracht. Die eigentlichen Schwierigkeiten beginnen mit der Frage, wo die kom­ petente und neutrale Institution zu finden oder anzusiedeln ist. Die IHK ist nicht ideal, weil ihre fachliche Perspektive notwendig geformt ist durch ihre Eigenschaft als Berufsorganisation der gewerblichen Wirtschaft313. Für Großunternehmen, deren Insolvenzen auch öffentliche und soziale Interes­ sen berühren, ist diese Perspektive zu eng. Auch die SEC bietet sich als Modell nicht an, selbst wenn es in Deutschland einmal zu einem Kapital­ marktrecht, gehütet und durchgesetzt von einer Aufsichtsbehörde, kom­ 312 Gower, Company Law 646. In die gegenteilige Richtung aber Farrar, J. Bus. L. 1976, 222. 313 Einen guten Überblick über Aufgaben und Organisation der Industrie- und Handels­ kammern gibt Basedow, BB 1977, 366 ff.

men sollte314. Die organisatorische Verbindung der Kapitalmarktaufsicht mit der Sanierungspraxis in den Vereinigten Staaten ist durch die Eigenart der amerikanischen Rechtsentwicklung und des amerikanischen Kapital­ marktes bedingt. Denn als in den dreißiger Jahren das moderne amerikani­ sche Kapitalmarktrecht entstand, traf es sich, daß zur gleichen Zeit in der Sanierungspraxis der Großunternehmen der Anlegerschutz als das rechts­ politische Problem hervorgetreten war. Da lag es nahe, das Sanierungsge­ setz als Stück des Anlegerschutzes zu verstehen und die Beaufsichtigung und Bedienung der Sanierungspraxis der Kapitalmarktbehörde zuzu­ ordnen. Für die heutige deutsche Situation wäre diese Sicht überholt und zu beschränkt. Der deutsche Kapitalmarkt ist notorisch enger als der amerika­ nische: Wertpapierbesitz ist weniger verbreitet, Aktienbesitz ist weniger gestreut, die Unternehmen finanzieren sich langfristig zu einem deutlich größeren Anteil als die amerikanischen durch Bankkredit und Versiche­ rungsdarlehen statt über den öffentlichen Kapitalmarkt315. In einem solchen System werden durch die Insolvenz eines Großunternehmens die Banken­ aufsicht und die Versicherungsaufsicht mindestens ebenso angesprochen wie eine etwa bestehende Kapitalmarktbehörde. Im übrigen wird man in der Bundesrepublik heute dem Schutz der Arbeitnehmer und der Arbeits­ plätze im Fall der Insolvenz rechts- und wirtschaftspolitisch mindestens gleich große Bedeutung zumessen wie dem Schutz von Kapitalgeberrech­ ten. Von daher könnte sogar die staatliche ArbeitsVerwaltung als „berufen“ erscheinen, den benötigten Sachverstand für die Sanierungspraxis beizu­ steuern316. In Wirklichkeit ist im System der Bundesrepublik keine der staatlichen Schutzinstanzen, deren Klienten durch Insolvenz von Großunternehmen betroffen werden können, prädestiniert für die Bereitstellung des neutralen Sachverstands, der im Sanierungsverfahren benötigt wird. Im Sanierungs­ verfahren steht eine Vielzahl von Interessen zur Disposition - private und öffentliche, kapitalgebundene und nicht-kapitalgebundene. Sachverstand zur Verfügung stellen, der als neutral akzeptiert wird, kann jede dieser Sonderbehörden nur, wenn ihr eine Abteilung angefügt wird, die für diese Tätigkeit die an sich legitime engere Fachperspektive der Behörde mißach314 Über solche Bestrebungen siehe Gutachten (Hopt), Referat (Mertens) und Diskussions­ beiträge auf dem 51. Deutschenjuristentag (1976): 51. DJT (1976) I G 9ff, II P 10ff., 51 ff.; Kohl/Walz, AG 1977, 29ff ; Kübler, AG 1977, 85ff. 315 Siehe auch oben S. 154ff. 316 Über die Befassung der Landesarbeitsämter mit Insolvenzen ausführlich Gessner u. a. 365 ff.

ten kann und darf. Zwar ist nicht zu verkennen, daß die Intensität und die Qualität der SEC-Arbeit im Reorganisationsverfahren nicht zum wenig­ sten herrühren aus dem einseitigen Anlegerschutz-Ethos, dem die SEC institutionell verpflichtet ist. Die Vorstellung aber, daß es im Sanierungs­ verfahren nur um den rechten Ausgleich zwischen starken und schwachen Kapitalinteressen gehe, läßt sich heute, zumindest in Deutschland, als Motor behördlicher Tätigkeit nicht mehr einsetzen, ebensowenig aber jede andere Verengung des Blickfelds auf einzelne der hier betroffenen Interes­ sen. Ein auf der Pluralität der berührten Interessen aufbauendes Sanie­ rungsverfahren muß auch den benötigten Sachverstand auf möglichst breiter Interessenanschauung organisieren. Die größere Nüchternheit und geringere Antriebskraft der objektiveren Organisation muß wohl in Kauf genommen werden. Die Überlegungen scheinen hinauszulaufen auf einen Vorschlag, der in dem französischen Bericht zur Unternehmens Verfassung (Rapport Sudreau) gemacht wird317. Der Bericht empfiehlt die Schaffung einer eigenständigen staatlichen „Agentur“, die, mit fachkundigem Personal besetzt, bei finanziellen Schwierigkeiten dem Unternehmen, dem um Finanzhilfe angegangenen Staat und dem Konkursgericht diagnostische und organisatorische Hilfe leistet318. Die Neutralität des fachlichen Beistands wäre mit einer solchen Organi­ sation eher gewährleistet, doch hat der Vorschlag andere Schwächen. Die eine liegt in den beträchtlichen politischen Vorbehalten, denen ein solches Insolvenzhilfeamt selbst dann begegnet, wenn es als reine Dienstleistungs­ agentur ohne Entscheidungsbefugnisse konzipiert wird. Die genannte Empfehlung des Rapport Sudreau - die den Dienstleistungscharakter der „Agentur“ bewußt betonte319 - ist inzwischen vom französischen Unter­ nehmerverband abgelehnt worden320. Mit ähnlichen Vorbehalten hatten sich die amerikanischen Reformer von 1938 auseinanderzusetzen321. Abgesehen von dieser politischen Einschätzung ist natürlich zu fragen, ob die Aufgabe eines Amts für Insolvenzhilfe, wenn auf die Sanierungsfälle größerer Unternehmen gerichtet, überhaupt ausreicht, dem Amt stetige 317 Oben S. 232 N. 89. 318 aaO. 182ff. Ähnliche Vorschläge gab es früher schon in Belgien; Malherbe 109f. 319 aaO. 182. 320 Siehe Overrath, ZGR 1976, 383. Die gleiche Reaktion in Belgien; siehe Malherbe 109f. 321 Die Charakterisierungen der vorgeschlagenen SEC-Mitwirkung reichten von „Sozialis­ mus“ bis zu „Verwaltungsabsolutismus“; siehe z. B. Roscoe Pound, zitiert bei Frank (N. 292) 320f.; ähnlich, aber nüchterner, Teton, Yale L. J. 48 (1938) 573.

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Flessner BIPR 48

Beschäftigung zu schaffen und damit die Erfahrung und Fachkenntnis, die man sich von ihm erhoffen würde. Man kann diesem Problem nur ausweichen, wenn man die Insolvenzhilfe entweder doch bei einer beste­ henden Institution mit allgemeinerem Wirkungskreis ansiedelt (so SEC und IHK) - dann entsteht wieder das Problem der Perspektivenverengung - oder den Auftrag des selbständigen Amtes erweitert, etwa in Richtung einer allgemeinen Beobachtungs- und Warnungsinstanz für die allgemeine Insolvenzentwicklung. Das Amt wäre dann entfernt vergleichbar der Monopolkommission, die nach § 24b GWB die Entwicklung der Unter­ nehmenskonzentration zu beobachten hat und mehr nebenher - quasi als Nebenfrucht ihres Hauptauftrags - auch zu einzelnen Fusionsfällen Gut­ achten abgibt (§ 24b V 6 GWB)322. Aber das Wettbewerbsrecht unterschei­ det sich vom Insolvenzrecht dadurch, daß es eine in Gesetzesform gefaßte Politik dieses Rechtsgebiets gibt, auf die die Monopolkommission notwen­ dig verpflichtet ist. Solange nicht eine bestimmte Insolvenzpolitik ähnlich verpflichtend etabliert ist (nach dem Ergebnis dieser Untersuchung ist dies zur Zeit schwerlich möglich323), wird man deshalb dem Amt für Insolvenz­ hilfe nur ungern eine solche allgemeine Beobachtungs- und Begutach­ tungsfunktion zubilligen mögen. Es ist nach allem klar, daß die wissenschaftlichen Überlegungen zur Organisation des im Sanierungsverfahren benötigten Sachverstands in einer gewissen Verlegenheit enden müssen. Zwischen dem Optimum an Sachverstand, an vernünftiger finanzieller und personeller Ausstattung und an größtmöglicher Neutralität und Offenheit muß eine Entscheidung gefunden werden. Diese wird letztlich nur politisch aus der jeweiligen Situation heraus zu gewinnen sein.

E. Rechtsmittel Rechtsmittel im Sanierungsverfahren sind ein besonderes Problem, weil hier zwei Grundbedürfnisse des Verfahrens gegeneinanderstehen, die nur schwer zum Ausgleich gebracht werden können: Auf der einen Seite die Notwendigkeit, dem Unternehmen möglichst schnell Normalität und VetrauensWürdigkeit zu verschaffen; von daher eine starke Tendenz zur Abkürzung des Verfahrens und Einschränkung der Rechtsmittel. Auf der anderen Seite steht das Faktum, daß es im Sanierungsverfahren um hohe 322 Ähnlich der Vorschlag von Mertens für eine Kapitalmarkt-Behörde; 51. DJT (1976) IIP 43, 50. 323 Siehe oben S. 189ff., 191 ff.

wirtschaftliche Werte, öffentlichen Großkonflikt, folgenschwere soziale Entscheidungen und einschneidende Rechtsumwandlungen großen Stils gehen kann; gegenüber gerichtlichen Entscheidungen in Situationen dieser Größenordnung Rechtsmittel vorzusehen, ist ein fast natürlicher rechtspo­ litischer Reflex. Das deutsche Recht trägt der Größenordnung der Situation nur dort Rechnung, wo Änderungen von Eigenkapital und Schulden nach dem Aktiengesetz und dem Schuldverschreibungsgesetz für die Sanierung ein­ gesetzt werden324. Soweit solche Maßnahmen überhaupt anfechtbar sind (vornehmlich unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung)325, ist wegen der in der Regel hohen Streitsumme der volle Rechtszug bis zum Revisionsgericht (Bundesgerichtshof) gegeben326. Die Vergleichsordnung dagegen ist durchdrungen vom Beschleunigungsstreben. Von den für den Ablauf des Verfahrens wichtigen Entscheidungen erlaubt sie Rechtsmittel nur gegen drei: gegen die Ablehnung der Verfahrenseröffnung, gegen die nachträgliche Einstellung des Verfahrens und gegen die Verwerfung des Vergleichs327; mit dem Rechtsmittel (der Beschwerde) kann nur die nächst­ höhere Instanz (das Landgericht) erreicht werden; eine weitere Be­ schwerde ist ausdrücklich ausgeschlossen (§ 121 III). Nicht anfechtbar sind also: die Eröffnung des Verfahrens (§ 16), die Ernennung des Ver­ gleichsverwalters (§ 201), Ablehnung oder Genehmigung von Vertragsbe­ endigungen §§ 50, 51), Feststellung des Stimmrechts (§ 71 II), Bestätigung des Vergleichs (§ 78), Entscheidung über Aufhebung oder Fortsetzung des Verfahrens (§§ 90, 91, 96). Eine gewisse Vermehrung der Entscheidungs­ stationen ergibt sich nur daraus, daß für alle Entscheidungen nach der Verfahrenseröffnung grundsätzlich der Rechtspfleger zuständig ist und gegen seine Entscheidungen grundsätzlich die Erinnerung an den Richter gegeben ist328. Dadurch wird - auch für die nach der Vergleichsordnung eigentlich unanfechtbaren Entscheidungen - eine Überprüfungsmöglich­ keit gewonnen, die aber über die Ebene des Amtsgerichts nicht hinaus­ reicht.

324 Dazu oben S. 142 ff., 147 f. 325 Siehe oben S. 150ff. 326 Siehe § 546 ZPO. Soweit in diesen Sachen das Amtsgericht als Registergericht (nach §§ 184, 188, 223 AktG) oder nach §§ 4, 18, 19a SchVG tätig wird, steht den Beteiligten der volle Beschwerde-Rechtszug offen nach §§ 19 ff. FGG und §§ 72, 73 III KO i.V.m. §§ 567 ff. ZPO. 327 §§ 121 I i.V.m. §§ 19 II, 80 II, 101 S. 2 VerglO. 328 §§ 3 Nr. 2f., 11, 19 VerglO. Ausgeschlossen ist die Erinnerung allerdings gegen Entscheidungen über das Stimmrecht nach § 71 VerglO; siehe § 11 V 2 RPflG.

Ganz anders das amerikanische Recht. Der komplette Rechtsmittelzug wird dort für alle Insolvenzverfahren beinahe rückhaltlos verwirklicht, denn jede Entscheidung des Reorganisationsgerichts, und zwar prinzipiell auch jede Zwischenentscheidung, kann nach dem Gesetz angefochten und bis zum Obersten Gerichtshof in Washington getragen werden329. So ist es möglich, daß das amerikanische Reorganisationsrecht ganz wesentlich durch die oberstgerichtliche Rechtsprechung mitgeprägt worden ist. Obwohl über die Langwierigkeit des Reorganisationsverfahrens oft geklagt wird, scheint die Reichhaltigkeit der Rechtsmittel nicht als Pro­ blem empfunden zu werden330. Das neue Gesetz macht eine Einschränkung nur für Zwischenentscheidungen: ihre Anfechtung bedarf der Zulassung durch die erste Rechtsmittelinstanz331. Hie Kargheit der Rechtsmittel, dort Überfluß: Für ein deutsches Sanie­ rungsverfahren wird eine Position zwischen diesen Extremen gesucht werden müssen. Die heutige Vergleichsordnung kann kein Vorbild sein, weil sie im Grunde auf rasche Schuldenabwicklung bei kleinen und mittle­ ren Unternehmungen zielt und diese Ausrichtung natürlich auch ihr Rechtsmittelsystem prägt. Andererseits überzeugt auch die amerikanische Großzügigkeit nicht ohne weiteres, da sie sich nicht speziell für Reorgani­ sationsverfahren entwickelt hat, sondern unabhängig von der Größe des Falles für alle Insolvenzverfahren gilt, also auch für den Konkurs (und bisher auch das dem deutschen Vergleich ähnliche Arrangement-Verfah­ ren)332. Auch scheint die amerikanische Regelung, wenn man auf die Länge des möglichen Rechtsmittelzuges blickt, das Interesse an Beschleunigung völlig außer acht zu lassen. Vermutlich ist sie nur deshalb praktikabel, weil schon die erste Rechtsmittelinstanz nur ein eingeschränktes Prüfungsrecht hat333 und weil die Arbeits- und Kostenlast den allzu häufigen Einsatz von Rechtsmitteln unterbindet334. 329 Bisher: Bankruptcy Rule 10-801 i.V.m. Rule 801; Bankruptcy Act § 24; Judicial Code (28 U.S.C.) § 1254; darüber kurz auch Kramer 109. Heute: 28 U.S.C. §§ 1293, 1334, 1482 in der Fassung des Bankruptcy Reform Act von 1978, Title II. 330 In der Literatur zur jetzt abgeschlossenen Konkursreform wurde dieser Problemkreis kaum erwähnt; siehe die Aufsätze oben S. 129ff. (N. 338ff.). 331 28 U.S.C. §§ 1534 (b), 1482 (b). 332 Über das Rechtsmittelsystem des Konkursgesetzes im Ganzen Collier (15. Aufl.) I § 3.03. 333 Siehe sogleich unten S. 311 f. 334 Die Vorbereitung einer Berufung an das Bundesberufungsgericht ist besonders aufwen­ dig. Die Bundesberufungsregeln von 1968 (Federal Rules of Appellate Procedure) machen z. B. minuziöse Vorschriften über Form, Aufbau und äußere Gestalt der Schriftsätze (Rules 29, 32). Begründung und Beantwortung der Berufung müssen dem Gericht in 25 gedruckten und gebundenen Exemplaren eingereicht werden; hinzu kommen die den anderen Beteiligten

Das Rechtsmittelsystem eines Sanierungsverfahrens für Großunterneh­ men muß also mit eigenständigen Erwägungen entwickelt werden. Zunächst die Zuständigkeit für Rechtsmittelentscheidungen: Sie muß auf eine Ebene gehoben werden, die der Bedeutung der Problemsituation angemessen ist. Die Lösung der Vergleichsordnung, die als letzte Instanz die Landgerichte bestimmt, ist schon für ihren eigenen Bereich wiederholt kritisiert worden, weil sie die Grundsatzbildung und die Fortentwicklung des Rechtsgebietes behindert335. Für größere Sanierungsverfahren ist sie vollends unannehmbar, weil sie darauf hinausläuft, Konfliktfälle von öffentlichem Belang in den unteren Gerichtsinstanzen zu verstecken. Das Sanierungsrecht für große Unternehmen ist wesentlicher Teil auch des allgemeinen Unternehmensrechts; dessen Bedeutung wird das Rechtsmit­ telsystem nur gerecht, wenn die großen Fragen seiner Ausformung und Anwendung von oberen Gerichten entschieden werden. Nur sie können dem Sanierungsrecht die Öffentlichkeit verschaffen, die die Problemsitua­ tion in diesen Fällen ohnehin schon hat. Jedenfalls in diesem Punkt kann das amerikanische Sanierungsrecht als Beispiel dienen. Sein hohes gedank­ liches Niveau und die weitgetriebene juristische Verarbeitung der wirt­ schaftlichen Problemlagen dürften ganz wesentlich zu erklären sein aus der Tatsache, daß die hohe und höchste Gerichtsbarkeit seit jeher mit Sanie­ rungsproblemen befaßt werden konnte. Für den deutschen Bereich heißt dies, daß das Sanierungsrecht der großen Unternehmen in irgendeiner praktikablen Weise auch zur Sache der Oberlandesgerichte und des Bun­ desgerichtshofs gemacht werden muß. Für die Teilbereiche der Sanierung nach Aktienrecht und Schuldverschreibungsgesetz ist dies schon heute so. Es bleibt die Frage, welche Entscheidungen so wichtig sind, daß sie im Rechtsmittelzug überprüfbar sein müssen. Anders als im normalen Zivil­ prozeß kann die Anfechtung einer Entscheidung, wenn überhaupt zugelas­ sen, oft nicht bis zur Endentscheidung aufgeschoben werden, weil viele Entscheidungen einerseits schon während des Verfahrens Rechte beein­ trächtigen oder andererseits den Ausgang des Verfahrens präjudizieren des Verfahrens zuzustellenden Exemplare (Rule 31 [b]). Die Schriftsätze müssen im Anhang (ebenfalls gedruckt) sämtliche Teile der erstinstanzlichen Akte und die Gesetze wiedergeben, auf die sie Bezug nehmen (Rule 30). Die Kosten hierfür trägt der Unterliegende (Rule 39). Nicht erstattungsfähig sind aber die Kosten für Anwälte, Sachverständige und Zeugen. Ähnliche Regeln (40 gedruckte Exemplare)gelten für den Antrag an den Obersten Gerichts­ hof, eine Sache durch „writ of certiorari“ zur Überprüfung anzunehmen (Revised Rules of the Supreme Court, Rules 35—42, 47), allerdings mit noch eingeschränkterer Regelung der Kostenerstattung (siehe Rule 57). 335 Siehe schon Bley, ZZP 52 (1927) 123. Heute: Bley/Mohrbutter § 121 Anm. 13; Weber, KO-Festschrift 345; Künne, Betr. 1978, 731.

können. Die mit der Verfahrenseröffnung verbundene Volls treckungsund Verwertungssperre und die Einsetzung eines Treuhänders wirken zum Beispiel schon (und nur) während des Verfahrens; die Genehmigung einer Darlehensaufnahme oder die Veräußerung eines Unternehmensteils kann Folgen haben für die Sanierungsfähigkeit oder die Rechte, die den bisheri­ gen Kredit- und Kapitalgebern im Sanierungsplan schließlich noch zugebil­ ligt werden können. Das Problem der Anfechtbarkeit ist im Sanierungs­ verfahren also in den meisten Fällen gleichbedeutend mit der Frage, ob die selbständige Anfechtung einzelner (Zwischen-) Entscheidungen zugelassen werden soll. Die Größe und Schwere der Probleme und der möglichen Entschei­ dungsfolgen legen es nahe, Rechtsmittel grundsätzlich gegen jede Entschei­ dung zu gewähren, die für den Ausgang des Verfahrens wichtig ist. Zu diesen Entscheidungen gehören: Eröffnung oder Nichteröffnung sowie nachträgliche Einstellung des Verfahrens; Einsetzung oder Nichteinset­ zung eines Treuhänders; Genehmigung oder Nichtgenehmigung bedeu­ tender Geschäftsführungsmaßnahmen während des Verfahrens; Einzelfall­ regelungen für Sicherungsrechte, Mietverträge, VersorgungsVerträge etc.336; Feststellung der Anteils- und Forderungsrechte, des Stimmrechts und ihre Einteilung in Stimmrechtsgruppen; Bestätigung oder Nichtbestä­ tigung des von den Beteiligten angenommenen Sanierungsplans; Schlie­ ßung oder Fortsetzung des Verfahrens je nach Ausführung des bestätigten Sanierungsplans. Der vorstehende Katalog mag befurchten lassen, es möchte am Ende doch amerikanischer Rechtsmittelüberfluß - ohne die dort eingebauten Kostenschranken - importiert werden. Schrankenlose Anfechtbarkeit jeder Entscheidung bis zur letzten Instanz könnte in der Tat das Sanierungsver­ fahren unerträglich in die Länge ziehen und so seine praktische Brauchbar­ keit gefährden. Gegen diese Gefahr sind jedoch die radikale Limitierung der anfechtbaren Entscheidungen und das Hinabdrücken in die Tatsachen­ instanzen - so die deutsche Vergleichsordnung - wie auch die blind wirkende generelle Kostenschranke - so im amerikanischen Recht - zu grobes Geschütz. Es gibt Modalitäten des Anfechtungsrechts, die gleich wirksam sind, den Notwendigkeiten und Zielen des Verfahrens aber besser entsprechen. Einige der gesetzgeberischen Möglichkeiten seien im folgen­ den skizziert: (1) Einschränken läßt sich das Anfechtungsrecht der Beteiligten dadurch, daß schon die erste Rechtsmittelinstanz nur die Einhaltung der Rechtsnor­ 336 Darüber oben S. 208 ff., 216 ff.

men überprüft. Die tatsächlichen und wirtschaftlichen Festeilungen und Prognosen des Sanierungsgerichts sind dann entsprechend dem deutschen Revisionsrecht nur anfechtbar, wenn sie auf Verletzungen von Verfahrens­ normen, Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen beruhen, und auch die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe kann in Grenzen vor einer revisions gerichtlichen Überprüfung geschützt sein337. Solche Beschränkung auf die Rechtsfragen hat zum Beispiel im amerikanischen Verfahren dazu geführt, daß der Oberste Gerichtshof - nachdem er den Inhalt der „fair and equitable"-Klausel in Grundsatzentscheidungen festge­ legt hatte - nur noch selten mit der Anwendung dieser Bestimmung befaßt wurde338. (2) Eine andere Möglichkeit ist die, zwar auch die Faktengrundlage zu überprüfen, aber nur anhand des Akteninhalts, der in der ersten Instanz zusammengetragen worden ist. Das ist die amerikanische Ausgestaltung des Berufungsverfahrens. Sie erlaubt zwar dem Berufungsgericht, von den Tatsachenannahmen des Untergerichts abzuweichen oder sie aufzuheben, aber normalerweise nur, wenn es die Annahmen des Untergerichts nach dem Akteninhalt für offensichtlich falsch („clearly erroneous") hält; neues Vorbringen und neue Beweismittel sind grundsätzlich unzulässig339. Hier­ durch werden zum Beispiel die umfänglichen Feststellungen des Reorgani­ sationsgerichts zur wirtschaftlichen Situation des Unternehmens und seine Prognosen zur Sanierungsfähigkeit weitgehend unangreifbar. (3) Einschränken läßt sich auch die Überprüfung von Entscheidungen, in denen das Sanierungsgericht über wirtschaftliche Zweckmäßigkeiten und Möglichkeiten oder über die Eignung von Personen urteilen muß, so bei der Einschätzung der Sanierungsfähigkeit, bei der Genehmigung oder Ablehnung bestimmter Geschäftsmaßnahmen und bei der Ernennung des Treuhänders. Hier kann die Rechtsmittelinstanz darauf beschränkt werden, Mißbräuche abzuwehren sowie Ermessens- und Urteilsfehler, die auf falschen Annahmen über die Tatsachen- oder Rechtslage beruhen340. Solche Einschränkung der Überprüfung ähnelt den Grundsätzen, nach denen die 337 Siehe dazu Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht (12. Aufl. 1977) § 144 I, II; Thomas/ Putzo, ZPO (9. Aufl. 1977) § 550 Anm. 2 b-e. 338 Siehe oben S. 108 N. 245. 339 Federal Rules of Civil Procedure, Rule 52a; Bankruptcy Rules, Rule 810. Zur Tatsachen­ überprüfung ausführlich Collier II A §§ 25.30 (2.1), 39.28. Eine selbständigere Rolle wird der Rechtsmittelinstanz nur zugebilligt, wenn es um die Würdigung von tatsächlichen Schlüssen aus Urkunden oder - dies aber zweifelhaft - aus unbestrittenen Tatsachen geht; siehe Orvis v. Higgins, 180 F. 2d 537, 539 (Cir. 2, 1950); Collier aaO. S. 1031 f. mit Nachweisen. 340 Für künftige Unanfechtbarkeit von Ermessensentscheidungen auch Weber (N. 335) 345.

Verwaltungsgerichte die Ermessens- und Beurteilungsräume der Behörden zu respektieren haben341. Sie läßt sich mit dieser Analogie auch für das Insolvenzgericht rechtfertigen, weil sein Handeln in solchen Fällen oft tatsächlich mehr Verwaltungs- als Rechtsprechungscharakter trägt342. (4) Manche Entscheidungen, zum Beispiel die Genehmigung einzelner geschäftlicher Maßnahmen während des Verfahrens, sind solche, die ihrer Art nach von den Beteiligten mit den erforderlichen Mehrheiten auch in den Sanierungsplan hineingenommen und durchgesetzt werden könnten. Hier wäre daran zu denken, die Anfechtung der Genehmigung während des Verfahrens nur einer bestimmten Mehrheit von Beteiligten zu gestatten, die auch bei der Beschlußfassung über den Sanierungsplan nicht über­ stimmt werden könnte. (5) Wie nach dem neuen amerikanischen Gesetz von 1978 könnte die selbständige Überprüfung von Zwischenentscheidungen an eine besondere Zulassung nach Ermessen des Gerichts geknüpft werden343. Ein Beispiel ist die gerichtliche Festlegung des Stimmrechts. Statt ihre selbständige Anfechtung zuzulassen, kann es richtiger sein, die Entscheidung des Gerichts über die Bestätigung des Sanierungsplans abzuwarten, wenn diese Entscheidung alsbald nach der Abstimmung ergehen wird. Die Entschei­ dung über das Stimmrecht kann sich dann zwischenzeitlich erledigt haben (z. B. bei einer Ablehnung der Planbestätigung oder wenn es nach den Stimmverhältnissen auf die „streitigen“ Stimmen gar nicht ankam), oder sie kann unschwer zusammen mit der Planbestätigung angefochten werden. (6) Wichtig für das Maß der Verzögerung durch Rechtsmittel ist die Zahl der eingeschalteten Rechtsmittelinstanzen. Die deutsche Vergleichsord­ nung kennt im Prinzip nur eine Stufe, das Landgericht als Beschwerdege­ richt (§ 121). Das amerikanische Recht sah bisher zwei Stufen vor: das Bundesberufungsgericht und - auf besondere Zulassung - den Obersten Gerichtshof. Da jedoch im Distriktsgericht die Konkurssachen in der Regel dem Bankruptcy Judge (früher: Referee in Bankruptcy) als Hilfsbeamten überlassen waren, trat faktisch der Vollrichter des Gerichts als weitere 341 Siehe die Übersichten bei Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht (1975) 147-156; EYERMANN/FRÖHLER, Verwaltungsgerichtsordnung (7. Aufl. 1977) zu § 114; REDEker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung (5. Aufl. 1975) zu § 114. 342 Im amerikanischen Konkursverfahren werden anfechtungsfreie Ermessensräume des Konkursrichters anerkannt; siehe Collier II § 24.39 (2), § 24.40 und oben S. 108. Im heutigen deutschen Insolvenzrecht ist die herrschende Meinung für freie Nachprüfbarkeit; siehe Jaeger(-Weber), KO § 73 Anm. 7. 343 Siehe oben S. 308 und dort N. 334.

Rechtsmittelstufe hinzu344. Heute ist dies auch de iure so. Das neue Gesetz hat - organisatorisch nur noch angelehnt an das Bundesdistriktsgericht den Bankruptcy Court geschaffen345. Von da fuhrt die erste Stufe des ordentlichen Rechtsmittelzuges an das Distriktsgericht oder, wo ein sol­ cher gebildet wird, an den aus Konkursrichtern bestehenden Berufungs­ ausschuß (appeal panel) und dann weiter auf dem beschriebenen Weg zum Obersten Gerichtshof346. Zwei Rechtsmittelinstanzen dürften das Äußerste sein, was ein Sanie­ rungsverfahren ohne Verzögerungsschaden vertragen kann. Wegen der Bedeutung des Sanierungsverfahrens erscheint es rechtspolitisch erwünscht, daß die zweite Stufe des Rechtsmittelzuges an das höchste nationale Gericht fuhrt. Zur weiteren Entschärfung des Verzögerungspro­ blems kann dort die Überprüfung auf Grundsatzfragen und Auslegungsdi­ vergenzen beschränkt und an die Zulassung durch das höchste Gericht selbst gebunden werden; beim Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staa­ ten ist diese Art der Zulassung die Regel, aber auch im deutschen Verfah­ rensrecht ist sie nicht mehr unbekannt (§ 554b ZPO). Im deutschen Bereich würde die Einschaltung des Bundesgerichtshofs es dann nahele­ gen, die Oberlandesgerichte als erste Rechtsmittelinstanz zu bestimmen. Wenn das Amtsgericht auch für Sanierungsverfahren zuständig wird, müßte der Rechtsmittelzug also von ihm direkt an das Oberlandesgericht gehen. Auch dafür gibt es inzwischen Vorbilder im deutschen Verfahrens­ recht347. (7) Ein direktes Mittel der Verzögerungsabwehr liegt schließlich darin, kurze Anfechtungsfristen zu bestimmen und dem Rechtsmittel aufschie­ bende Wirkung nur auf Antrag in besonderen Fällen zuzubilligen. Das amerikanische Recht verlangte bisher für die Anrufung des Distriktsrich­ ters gegen Entscheidungen „seines“ Konkursrichters die Einhaltung einer Zehn-Tage-Frist (Rules 801, 802), im übrigen aber unterstellte es auch Reorganisationssachen den allgemeinen - längeren - Rechtsmittelfristen348. 344 Über die Bankruptcy Judges siehe Kramer 52 ff. Die Berufung gegen deren Entschei­ dungen an den Distriktsrichter unterlag dann hinsichtlich der Sachverhaltsprüfung den allgemein geltenden Einschränkungen; siehe oben N. 339; Rule 10-801 i.V.m. Rule 810. 345 28 U.S.C. Kap. 6 (§§ 151 ff), eingeführt durch den Bankruptcy Reform Act, Title II, sec. 201. Das Inkrafttreten dieser Neuerung ist allerdings aufgeschoben bis zum 1. 4. 1984: Bankruptcy Reform Act, Title IV, sec. 402 (d). 346 28 U.S.C. §§ 1293, 1334 (a), 1482. 347 So der Rechtsmittelzug in Familiensachen, § 119 I Nr. 1 und 3 GVG. 348 Bisher: Bankruptcy Act §§ 24, 25. Die „Rules“ zum neuen Gesetz waren bei dessen Inkrafttreten (1. 10. 1979) noch nicht erlassen; vorerst wird noch nach den alten Bankruptcy Rules verfahren, soweit sie mit dem neuen Gesetz vereinbar sind (Bankruptcy Reform Act -

Das deutsche Recht setzt dagegen im Insolvenzverfahren den schnelleren und nicht automatisch aufschiebenden Rechtsbehelf der sofortigen Beschwerde ein349. Nach ihrem Muster könnte auch das Rechtsmittel im Sanierungsverfahren organisiert werden. Die vorstehende Skizze einiger möglicher Modalitäten der Rechtsmittel erlaubt diese Zusammenfassung: Das Rechtsmittelsystem des Sanierungs­ verfahrens muß der Komplexität und der wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung der erfaßten Sachverhalte angemessen sein. Deshalb muß in wichtigen Fällen auf eine Weise, die den Zeitaufwand in vertretbarem Rahmen hält, auch die höchstrichterliche Rechtsprechung mit dem Sanie­ rungsrecht befaßt werden können. Modalitäten lassen sich finden, die ein solches System auch unter den besonderen Beschleunigungsbedürfnissen des Sanierungsverfahrens praktikabel machen.

F. Anwendungsbereich Der Gesetzgeber, der ein für Großunternehmen geeignetes Sanierungs­ verfahren bereitstellen will, steht vor der Frage, ob und wie er die Unternehmen, um die es ihm geht, näher bestimmen soll. Es ist anzuneh­ men, daß die Probleme und Bedürfnisse, die in den vorhergehenden Abschnitten erörtert wurden, umso deutlicher hervortreten und die emp­ fohlenen Regelungen umso angebrachter sind, je größer und komplexer das Unternehmen ist, je mehr es also zu den Wirtschaftsgiganten („Größtunternehmen“)350 gehört. Die Anwendungsgrenzen des Sanierungsverfah­ rens „nach oben“ sind deshalb allenfalls faktisch-politischer Art, weil mit wachsender Unternehmens große die Wahrscheinlichkeit zunimmt, daß der Staat (evtl, mit Hilfe von Großfinanz und Großindustrie) es zu einer Insolvenz von vornherein nicht kommen läßt. Das eigentliche Problem des Gesetzgebers ist die Abgrenzung der Groß­ unternehmen „nach unten“. Viele Regelungen des Sanierungsverfahrens werden gleichermaßen für große und kleinere Unternehmen notwendig oder geeignet sein. Aber unter den Insolvenzen kleiner und mittlerer Unternehmen wird es immer auch Fälle oder einzelne Probleme geben, die nach einfacheren Prozeduren verlangen, als sie im Sanierungsrecht für Title IV - § 405 [d]). Ein Ausschuß zur Ausarbeitung der neuen Rules hat für einige Zweifelsfragen „Interim Rules“ veröffentlicht, nach denen die Praxis vorerst verfahren kann; darüber Kennedy, Com. L. J. 1980, 125 ff. 349 §§ 73 III, 72 KO i.V.m. §§ 572, 577 ZPO. 350. Der Ausdruck wird verwendet z. B. von Ott, Untemehmenskorporation 295 f.; Wiede­ mann, ZGR 1975, 395; V. Emmerich, AG 1978, 122, 123.

Großunternehmen normalerweise vorzusehen sind. Die Gesetzgebung muß also eine Grenzlinie finden zwischen dem Sanierungsrecht für große Unternehmen und dem anderen Bereich, wo auf die kleinen und mittleren Unternehmen einzugehen ist. Diese Lokalisierungsaufgabe ist nicht iden­ tisch mit der anderen, die gemeint ist, wenn über „vereinfachte Verfahren für Kleinkonkurse“ gesprochen wird351. Die Entwicklung des amerikanischen Rechts bietet zu dem Problem eine Folge unterschiedlicher Lösungen. Zunächst gab es eine Mehrzahl mögli­ cher Verfahren, die jeweils naturwüchsig, ohne Sorgen um die Abgren­ zung zu anderen Verfahren, aufgekommen waren: Receivership nach Bundesrecht, Receivership nach einzelstaatlichem Recht, andere gesetzli­ che oder gewohnheitsrechtliche Prozeduren nach einzelstaatlichem Recht, schließlich § 12 des Bundeskonkursgesetzes von 1898352. Die Wahl zwi­ schen den Verfahrensarten war praktisch den Beteiligten überlassen. Sie übten sie aus nach den Erfordernissen ihrer Situation, den jeweils gebote­ nen rechtlichen Möglichkeiten, den Kosten und sonstigen Nachteilen und weithin auch nach den herrschenden Gewohnheiten353. Die erste bundesge­ setzliche Regelung der Reorganisationspraxis in Gestalt von § 77B brachte 1934 eine gewisse faktische Einschränkung der Wahlmöglichkeiten. Denn das Reorganisationsverfahren nach Bundesrecht war nun das weitaus modernste Sanierungsverfahren; auch wurde nun verfassungsrechtlich fragwürdig, ob einzelstaatliche Regelungen daneben weiterhin erhalten und praktiziert werden konnten354. Die Reform von 1938 zielte auf Beseitigung der Wahlfreiheit, indem sie mit Kap. X und XI je ein modernes Verfahren für einerseits große, andererseits mittlere und kleine Unternehmen zur Verfügung stellte. Da das Gesetz dies aber nur konkludent zu erkennen gab und keine Abgren­ zungsmerkmale enthielt, war die Zuweisung in das eine oder das andere Verfahren zu einem besonderen Problempunkt der Praxis geworden. Die notwendig fallbezogene Entscheidungspraxis ließ den unteren Instanzen Beurteilungsräume und damit faktisch auch den Beteiligten eine gewisse Wahlfreiheit355. Das Problem der amerikanischen Regelung war also die Unbestimmtheit der Abgrenzung zwischen zwei Verfahren, die als einan­ 351 Darüber Gerhardt, Festschrift Weber 195; Hanisch, ZZP 90 (1977) 35 f; Weber, KO­ Festschrift 340; Arnold, DRpfl. 1977, 396. 352 Siehe oben S. 58, 128 f. und Kramer 21 ff. 353 Siehe oben S. 39, 40ff., 58. 354 Zur föderativen Kompetenzlage Collier VI § 0.04 N. 8 und S. 60f., § 0.13; Riesenfeld, Creditors’ Remedies 466 ff. 355 Siehe oben S. 124 ff.

der ausschließend gedacht waren. Hinzu kam, daß nach verbreitetem Eindruck weder das eine noch das andere Verfahren für das Zwischenreich der mittelgroßen Unternehmen ganz zu passen schien356. Das neue Gesetz hat dem ein Ende gemacht durch die Schaffung eines Einheitsverfahrens für alle Größenbereiche357. Ob das amerikanische Recht mit seiner heutigen Lösung nachahmens­ wert ist, bleibt zweifelhaft. Denn das neue Konzept des Einheitsverfahrens war bis zum Schluß heftig umstritten und hat seine Bewährungsprobe noch vor sich. Auch muß es gesehen werden im Lichte der Tatsache, daß für die ganz kleinen Unternehmen immer noch ein Ausweichen auf Vergleichsregelungen möglich ist, die, wenn auch weniger vollkommen und nicht unbedingt wirksam im nationalen Rahmen, von der Gesetzge­ bung vieler Einzelstaaten angeboten werden358. Hinzu kommt, daß selbst das neue amerikanische Gesetz in seinem Kap. 13 ein einfacheres Ver­ gleichsverfahren für kleinere Verhältnisse bereithält359. Die amerikanische Situation liefert also auch heute noch Indizien dafür, daß eine gewisse Scheidung verschiedener Größenbereiche unvermeidlich ist. Sie zeigt allerdings auch, daß die Scheidelinie eindeutig sein muß. Lange Streitigkeiten über die richtige Verfahrenszuweisung oder die abstrakte Zulässigkeit bestimmter wichtiger Maßnahmen vermindern die Effizienz eines Sanierungs- oder Vergleichsverfahrens erheblich. Wo die erwünschte eindeutige Grenzmarkierung eingesetzt werden sollte, ist letztlich eine politische Willens- und Kompromißentscheidung. Die Wissenschaft kann nur eine mehr oder weniger breite Zone angeben, innerhalb welcher nach ihrer Sicht die Grenzziehung vernünftig wäre. Anhaltspunkte liefern in Deutschland die vorhandenen Gesetze zu ver­ schiedenen Problemen der Großwirtschaft: Zusammenschlüsse von Unter­ nehmen müssen dem Kartellamt angezeigt werden (§ 23 I 1 GWB) bei einem bestimmten Marktanteil (20%) oder bei einer bestimmten Größe der fusionierenden Unternehmen (zusammen 10000 Beschäftigte oder 500 Mio. DM Jahresumsatz); öffentliche Rechnungslegung ist vorgeschrieben für Aktiengesellschaften (§§ 148 ff. AktG) sowie für alle anderen Unter­ nehmen, die zwei der drei folgenden Merkmale haben: 125 Mio. DM Bilanzsumme, 250 Mio. DM Jahresumsatz, mehr als 5000 Arbeitnehmer360; paritätische Mitbestimmung der Arbeitnehmer gilt allgemein für Unter­ 356 Siehe die Aufsätze oben S. 125 N 317. 357 Siehe dazu oben S. 128f. 358 Siehe oben S. 129 und Kramer 21 ff. 359 Siehe darüber oben S. 128f. 360 § 1 I des Gesetzes über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen vom 15. 8. 1969, BGBl. I 1189; sogenanntes Publizitätsgesetz (PubIG).

nehmen mit 2000 Beschäftigten, in der Montanindustrie schon bei 1000 Beschäftigten361; Mitbestimmung durch Drittelbesetzung des Aufsichtsrats gilt schließlich für Kapitalgesellschaften mit wenigstens 500 Arbeitneh­ mern362. Mit diesen Zahlen sind die äußersten Grenzen abgesteckt. Nicht jedes der hier genannten Markierungsvorbilder ist für das Sanierungsrecht glei­ chermaßen verwertbar. Die Fusionskontrolle nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist konzentriert auf die Macht im Markt, die Mibestimmungsgesetze zielen auf die Macht des Kapitals über die Arbeit363. Der Machtaspekt ist für das Insolvenzrecht der Großunternehmen nicht der richtige Ansatzpunkt. Der Existenzgrund des Sanierungsverfahrens ist nicht die Macht, sondern der Zusammenbruch des Großunternehmens und der öffentliche Großkonflikt, der durch den Zusammenbruch ausgelöst wird. Die rechtspolitische Verwandtschaft des Sanierungsrechts ist daher am engsten mit dem sogenannten Publizitätsgesetz364. Denn die Offenle­ gung der Verhältnisse, die das Gesetz den Unternehmen ab einer bestimm­ ten Größe unabhängig von der Rechtsform zur Pflicht macht, wird wesentlich getragen von dem Gedanken an die weitreichenden Störungen in Wirtschaft und Gesellschaft, die der Zusammenbruch eines Großunter­ nehmens verursachen würde365. Solche Verwandtschaft feststellen, heißt allerdings nicht, daß der Kreis der in Frage kommenden Unternehmen im Sanierungsrecht genauso wie dort gezogen werden müßte. Denn das Publizitätsgesetz ist auch in dieser Frage ein politischer Kompromiß366. Außerdem will es nur ein Beobach­

361 § 1 I des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (MitbestG) vom 4. 5. 1976, BGBl. I 1153. § 1 des Mitbestimmungsgesetzes (Montan-MitbestG) vom 21. 5. 1951, BGBl. I 347. Zu diesen Gesetzen Th. Raiser, Mitbestimmungsgesetz (Kommentar) (1977) Einl. Rnr. 9-17, § 1 Rnr. 23-29. 362 §§ 76 ff. des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 (i.d.F. von § 129 des BetrVG vom 18. 1. 1972, BGBl. I 13). Eine nützliche Zusammenstellung der an Größenmerkmale anknüpfenden Gesetzgebung im Unternehmensrecht gibt jetzt Kunze, Festschrift Rob. Fischer 367 ff. 363 Zum sozialen und politischen Hintergrund des Mitbestimmungsrechts ausführlich Th. Raiser (N. 361) Einl. Rnr. 1-36. 364 Siehe oben N. 360. 365 So ausdrücklich die Begründung zum Regierungsentwurf (BT-Drucksache V 3197); abgedruckt auch bei Biener (Hrsg.), Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen (1973) 2f. Ebenso die Ausführungen von Bundesjustizminister Heinemann und der Abgeordneten Kurlbaum im Bundestag, abgedruckt bei Biener aaO. 6, 8. 366 Ein früherer SPD-Entwurf war ausgegangen von den Zahlen: 50 Mio. DM Bilanzsumme, 100 Mio. DM Jahresumsatz, 2000 Beschäftigte; BT-Drucksache IV 203, abgedruckt auch bei Biener 137 f. Ein späterer SPD-Entwurf zur Untemehmensverfassung

tungssystem installieren, während das Sanierungsverfahren immer einen tatsächlich entstandenen Konflikt zu bewältigen hat. Für das Sanierungs­ recht wäre es daher eigentlich sachgerechter, nicht an die Größe des Unternehmens, sondern an die öffentliche Dimension des ausbrechenden Konfliktes anzuknüpfen. Insofern trifft das französische Recht das Rich­ tige, indem es das besondere Sanierungsverfahren vorsieht für Unterneh­ men, „deren Verschwinden eine ernste Störung für die nationale oder regionale Wirtschaft hervorrufen würde“367. Im Ansatz ähnlich sachgerecht (allerdings verengt auf die Kapitalgeber-Öffentlichkeit) das amerikanische Recht, wenn es die Bestellung eines besonderen Prüfers (examiner) daran knüpft, daß Verbindlichkeiten aus ungesichertem Geldkredit in bestimm­ ter Mindesthöhe (mehr als 5 Mio. $) bestehen368. Fragt man primär nicht nach der Größe des Unternehmens, sondern nach der Größenordnung des Insolvenzkonflikts, so kann gesetzestech­ nisch dennoch die Anknüpfung an Größenmerkmale des Unternehmens am praktikabelsten sein. Entscheidend ist nur, daß die Festlegung dieser Grenze nicht vom Bild des funktionierenden Unternehmens, sondern von der Vorstellung des öffentlichen Großkonflikts im Falle des Unterneh­ menszusammenbruchs geleitet wird. Unter diesem Blickwinkel wird das Sanierungsverfahren auch für kleinere Unternehmen als die im Publizitäts­ gesetz umschriebenen in Betracht kommen, namentlich für solche, die zwar keine nationale Bedeutung haben, aber doch eine Stütze der regiona­ len Wirtschaftsstruktur bilden. Wenn dadurch die Abgrenzung zu den wirklich kleineren Unternehmen schwieriger wird, läßt sich dem vielleicht begegnen mit der Anerkennung einer Größenzone, in der sowohl das Sanierungsverfahren als auch das einfachere Verfahren zur Verfügung stehen, das Sanierungsverfahren aber ohne weiteres Vorrang hat, sobald es von einer bestimmten Art oder Anzahl von Beteiligten beantragt wird.

G. Systemort und Gesetzesform Wenn über Inhalt und Anwendungsbereich des Sanierungsverfahrens entschieden ist, hat die Frage, an welchem Ort und in welcher Gestalt das Sanierungsrecht in das Gesetzessystem einzubauen ist, zunächst äußerliche und technische Bedeutung. Erstens geht es darum, ob das Sanierungsver­ fahren dem Unternehmensrecht (speziell dem Gesellschaftsrecht) oder dem (BT-Drucksache V 3657) nannte: 75 Mio. DM Bilanzsumme, 150 Mio. DM Jahresumsatz, 2000 Beschäftigte; Ott, Untemehmenskorporation 240 N. 240. 367 § 1 I der Verordnung von 1967; dazu oben S. 164f. 368 Siehe auch oben S. 225.

Verfahrensrecht (speziell dem Insolvenzrecht) zuzuschlagen ist. Hier hinein spielt die weitere Frage, wie das Verfahren mit anderen Insolvenzprozedu­ ren, vor allem der konkursmäßigen Liquidation, abzustimmen und zu verbinden ist. Die Lokalisierung des Sanierungsverfahrens im System ist aber eine Aussage gleichzeitig über die „Zuständigkeit“ für die wissenschaftliche und die gesetzgeberische Pflege und Weiterbildung des Unternehmens-Sanie­ rungsrechts. In Deutschland ist treffend von der „wissenschaftlichen Hei­ matlosigkeit des Gesellschaftskonkurses“ gesprochen worden369. Die Han­ dels-, Gesellschafts- und Unternehmensrechtler beachten das Insolvenz­ problem nur am Rande, und auch die Insolvenzjurisprudenz ist den unter­ nehmensrechtlichen Komponenten des Problems bisher eher ausgewi­ chen370. Der Grund für diesen „negativen Kompetenzkonflikt“ liegt zum Teil darin, daß die konstitutiven Elemente des heutigen deutschen Sanie­ rungsverfahrens auf mehrere Gesetze und Rechtsgebiete verteilt sind371. Herab- und Heraufsetzung des Kapitals sind geregelt im Aktiengesetz und im GmbH-Gesetz, also im Gesellschafts- und Unternehmensrecht; die Behandlung der ungesicherten und nichtbevorrechtigten Gläubiger geschieht im Vergleichsverfahren, einem Teil des Insolvenzrechts; die Organisation der Anleihegläubiger schließlich ist Gegenstand eines Son­ dergesetzes; dessen systematischer Standort dürfte irgendwo zwischen privatem Schuldrecht, Wertpapierrecht, Unternehmensrecht und Verfah­ rensrecht zu suchen sein372. Die Rechtsvergleichung zeigt andere Möglichkeiten: In der Terminolo­ gie eindeutig „unternehmensrechtlich“ qualifiziert das englische Recht. Es regelt das gesamte Insolvenzrecht der Kapitalgesellschaften im Aktienge­ setz (Companies Act), und so auch die rechtlichen Verfahren, die zu einer Sanierung führen können; mit der Institution des Receivers, der die „floa­ ting charge“ realisiert, kommt ein Schuß von Zwangsvollstreckungsrecht dazu373. Anders die Mischung im amerikanischen Recht: Reorganisationen sind Teil des Konkursgesetzes, nach deutschen Begriffen also Verfahrens­ recht. Den Inhalt des Reorganisationsrechts haben jedoch geprägt zunächst die Praktiker des Unternehmensrechts, dann auch (in der Person von Douglas und seiner „Mannschaft“) die akademischen Vertreter dieses Bereichs, in der jüngsten Reform schließlich auch die Praktiker und 369 370 371 372

Weber, KTS 1970, 75. Siehe oben S. 153 f. und Weber (N. 369) 76. Siehe im einzelnen oben S. 142ff., 147ff. Siehe auch oben S. 21.

373 Siehe oben S. 157 ff, 161 f.

akademischen Vertreter des Kreditsicherungs- und Insolvenzrechts374. An das Insolvenzrecht wird wohl auch das französische Sonderverfahren ange­ lehnt, wobei freilich das Insolvenzrecht in Frankreich seit je als Teil des Handelsrechts behandelt wird375. Auch zeigen die Vorschläge des Rapport Sudreau, daß das Sanierungsrecht als Problem des Unternehmensrechts aufgefaßt wird376. Die Herkunft aus dem Wirtschafts- und Finanzministe­ rium verleiht dem Verfahren schließlich einen Hauch von zielbezogenem Wirtschaftsrecht. In der deutschen Situation ließe sich ein Sanierungsverfahren für Groß­ unternehmen mit gleich guten Gründen sowohl im Unternehmensrecht wie im Verfahrensrecht ansiedeln. Nach dem heutigen, noch unvollkom­ menen Stand des Unternehmensrechts könnte das Verfahren zum Beispiel in das Aktiengesetz eingebaut werden. Dann müßte es allerdings nach dem Vorbild des Publizitätsgesetzes für Großunternehmen in anderer Rechts­ form analog anwendbar erklärt werden. Es könnte aber auch in einem dritten Insolvenzgesetz (neben KO und VerglO) geregelt oder gar als ein Verfahrenstyp in ein neuzuschaffendes Gesamt-Insolvenzgesetz aufgenom­ men werden. Sobald man sich über Sinn und Substanz des Verfahrens im klaren ist, sind dies Entscheidungen über die zweckmäßigste Gesetzestech­ nik. Der vorstehende Überblick und diese ganze Untersuchung zeigen aller­ dings, daß das Sanierungsrecht der Großunternehmen in der Sache eine gemeinsame Aufgabe von Insolvenz- und Unternehmensjurisprudenz ist377. In der anstehenden Reform des Insolvenzrechts ist das Sanierungsverfahren für Großunternehmen also mit zu berücksichtigen, gleichgültig, in wel­ chem Gesetzeskleid man es schließlich haben möchte. Aber das gleiche gilt für die ebenfalls im Diskussions-Stadium befindliche Weiterbildung des Unternehmensrechts378. Beide Reformen bleiben solange unvollkommen, wie eine angemessene Regelung dieses Problemfeldes nicht gelungen ist. Das zweite Problem ist die Abstimmung und Verklammerung der verschiedenen Insolvenz-Verfahrenstypen. Es besteht im gegenwärtigen deutschen Recht zwischen Konkurs- und Vergleichsverfahren und ist nach Siehe oben S. 39, 40ff., 70f., 79f., 88£, 124ff. Siehe Weber (N. 369) 76. Dazu oben S. 232, 305. In diesem Sinne auch Hanisch, Rechtszuständigkeit der Konkursmasse 264 £; K. Schmidt, KO-Festschrift 270 und jetzt besonders eindrücklich in ZIP 1980, 233 ff. und 328 ff. 378 Über die Reform des Unternehmensrechts siehe oben S. 8 und dort N. 10. Von der Untemehmensrechtskommission, die ihren Bericht 1979 vorgelegt hat, wurde das Sanie­ rungsrecht nicht behandelt; s. auch oben S. 204. 374 375 376 377

allgemeiner Auffassung schlecht gelöst. Gefordert wird das einheitliche Insolvenzrecht, das wie das amerikanische Gesetz Regelungsdivergenzen zwischen den Verfahrenstypen abbaut und in jedem Stadium flexible Zuweisung an den einen oder anderen Verfahrens typ erlaubt, wenn die Voraussetzungen für ihn gegeben sind379. Diese Forderung muß natürlich für das Sanierungsverfahren gleichermaßen gelten und sie ist technisch erfüllbar, gleichgültig, unter welchem Gesetzestitel es erscheint. Das Sanie­ rungsrecht der Großunternehmen, wie es in dieser Untersuchung skizziert worden ist, gehört in der Sache sowohl dem Unternehmensrecht als auch dem Verfahrensrecht an. Seine gesetzesförmige Anlehnung an oder Einfü­ gung in einen der Bereiche kann an dieser Zwischenstellung sachlich nichts ändern, sondern hat lediglich zur Folge, daß die notwendigen Verbindun­ gen zum anderen Bereich explizit hergestellt werden müssen.

379 Berges, KTS 1955, 49fF.; Weber, KTS 1959, 87 f.; Hanisch (N. 377) 39ff., 244, 258 ff.; ZZP 90 (1977) 30ff; Kilger, ZRP 1976, 192f und 51. DJT (1976) II O 41; Arnold, DRpfl. 1977, 395; Henckel, ZIP 1981, 1296f.

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Sachverzeichnis Amerikanisches Recht 33ff. - Einführung 33 f. - Gesetzgebung der Einzelstaaten 129 - Praxis und Problemschwerpunkte 89 ff. - Reformen 1933-1938 74ff - Reformen der siebzigerJahre 86 ff - Reorganisation durch Receivership 34 ff - Vergleichung mit dem deutschen Recht 137ff, 147ff Antragsrecht 234 ff Anwendungsbereich des Sanierungsver­ fahrens 64ff, 124ff,156ff,162ff,165, 314ff Arbeitnehmer als Beteiligte 234 ff, 283 ff Arrangement - nach Kap. XI 85 f., 124ff - England 156 ff. Aufrechnung 212 ff. Ausscheidungstheorie des Konkurses 172, 176ff Banken 22 f., 66 f., 268 Bausparkassen 21 Beteiligte am Verfahren 46 ff, 194 ff, 234ff, 273ff.

Deutsche Gesetzgebung, Entwicklung und Situation 7 ff. - Erfahrungen und Probleme 23 ff - Sonderbereiche 19 ff - Vergleichsverfahren 7 ff, 157 ff. - Vorgeschichte 7 ff. Durchgriffshaftung 289 ff. Equity 39 ff. Erhaltungsfähigkeit 239 ff, 249 ff. Erhaltungswürdigkeit 232 ff, 262 ff. Eröffnung des Verfahrens 40 ff, 157, 160, 165f., 229ff. Ertragswertmethode 111 ff, 252 ff.

Finanzierung der Unternehmen 35 ff, 132f, 154f, 257f. - während des Verfahrens 51 f., 208 ff, 214ff, 218f. Floating Charge 161 f. Frankreich 164 ff.

Gebühren 73f., 120ff. Gemeinschuldordnung, deutsche 7 f. Gesamtwirtschaftliche Würdigung 173ff, 184ff, 232ff, 262ff, 265ff. Geschäftsaufsicht, Verordnung über die lOff Geschäftsführung während des Verfahrens 38, 39, 49, 167, 223 ff Gesicherte Gläubiger 131 ff, 149 f., 161 f, 167ff, 208ff, 216ff, 243ff, 279f. Großunternehmen 3 f, 25 ff, 68,124f., 131 f., 137, 194ff, 314ff.

Industrie- und Handelskammer 298 ff. Interessenvertretung 120 ff. Italien 6 Japan 6, 235, 275, 297 Kapitalmarkt 35£, 154f, 247f, 257£, 304 Kapitalstruktur 51 ff, 92 £, 107, 242 £ Kölner Verfahren 29 Konkurs - Ausscheidungsfunktion 176 ff. - Schadens Wirkung 181 ff. Konkursordnung 8f. Kontrolle, rechtliche38£, 72£, 82, 150ff, 158£, 197£, 249ff, 267ff. Konzernprobleme 285 ff. Kosten des Verfahrens 71, 73 £, 120 ff Kosten - Nutzen-Analyse von Konkurs und Sanierung 173 ff, 184 ff.

Marktwirtschaft 172,175, 176ff., 188, 265ff., 281 ff Mehrheiten für die Abstimmung 274 ff Mietverträge und andere Existenzgrundla­ gen 210 ff. Mitsprache und Mitbestimmung der Be­ teiligten 273 ff.

Nationalsozialismus 16 ff, 30 Northern Pacific Ry. Co. v. Boyd 60ff, 94 Opfer- und Besitz Verteilung 48 f., 51 ff, 60ff, 94ff, 107ff, 115ff, 254ff.

Planprüfung 60ff, 82, 90ff, 150ff, 158f, 168 f, 249 ff, 296 ff. Probleme eines Sanierungsverfahrens 206-321

Rangfolge der Kapitalgeber 95 ff, 256 ff. Receivership 34 ff, 40 ff. Rechtliche Maßstäbe 59 ff., 90 ff., 150 ff., 158f, 198, 249ff. Rechtsmittel 306 ff. Rechtspolitik 194 ff. - Aufgabe der Rechtsordnung 194 ff. - Situation der Bundesrepublik 204 f. Rechtspolitische Grundlagen 172 ff. - Ausgangspositionen 172f. - Rechtspolitik 194 ff. - Wirtschaftspolitik 191 ff. - Wirtschaftswissenschaft 173 ff. Reformgesetzgebung 3, 73 ff, 86 ff, 165, 204 ff. Reorganisation 34 ff. - durch Receivership 34 ff. - nach Kap. X81ff. - und Sanierung 147 ff. - und Vergleich 137 ff. Reorganisationsplan 46 ff, 90 ff. Sachverstand 91 ff, 296 ff. Sanierung - Begriff 2, 173 f. - und Zivilrecht 196 f. Sanierungsplan 167 ff, 242 ff, 269 ff, 273 ff. Sanierungsrecht - in Deutschland 142 ff. - Stellung im System 4f, 203 ff, 318 ff; s. auch Sanierungsverfahren

Sanierungsverfahren - Aufgabe 242 - Entwicklung in Deutschland 142 ff. - französisches 164 ff. - Grundgedanke 196 ff. - nach Verwaltungsrecht oder Privatrecht 200 ff. - Reichweite 149 ff, 243 ff. Schadenstheorie des Konkurses 181 ff. Schuldverschreibungen 19 ff., 35 f., 156, 164 SEC77f., 91 ff, 98ff, 114, 116ff, 120ff, 126f., 130f., 298ff. Sequestration 29 Sicherungsrechte 131 ff., 208 ff., 244 f., 279 f., s. auch Gesicherte Gläubiger Sonderbereiche 19 ff, 66 f. Sozialisierung der Verluste 202 f, 259 f. Staat als Beteiligter 234 ff, 281 ff. Staatliche Finanzhilfe 26, 192f, 199 ff

Überschuldung 228 ff. Unternehmenserhaltung 2f, 232 ff. Unternehmensrecht 4 f., 203 ff., 318 ff. Unternehmenswert 110 ff, 251 ff. Verfahren und Kompetenzen 267 ff. Verfassungsrecht 220 ff., 245 ff., 265 ff., 281 ff. Vergleichsordnung - von 1927 12ff. - von 1935 15 ff, 137 ff. Vergleichsverfahren 7 ff, 137 f. Vergleichung 137 ff, 147ff, 153 f., 162f., 170f., 206f., 216ff, 225ff. Versicherungen 21 f, 67 f. Verwalter40ff, 49ff, 81 ff, 125f, 160ff, 167, 222ff, 269ff. Vollstreckungssperre 208 ff. Vorrangstheorie - absolute 95ff, 103ff, 115ff, 256ff. - relative 96 ff, 260 f.

Wirtschaftskrise 11,15f., 23, 36, 74ff, 144f. Wirtschaftspolitik 191 ff. Wirtschaftswissenschaft 173 ff.

Zahlen über Vergleichs- und Sanierungs­ verfahren 24f., 89f., 129f., 170, 298ff. Zahlungsunfähigkeit 228 ff. Zuständigkeiten 43 ff, 267 ff.