Risikoschutz durch Privatrecht: Eine Untersuchung zur negatorischen und deliktischen Haftung unter besonderer Berücksichtigung von Umweltschäden 9783161512186, 9783161497469

Menschliches Verhalten ist regelmäßig mit Risiken für andere verbunden. Der damit notwendigen Abgrenzung der Freiheits-

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Risikoschutz durch Privatrecht: Eine Untersuchung zur negatorischen und deliktischen Haftung unter besonderer Berücksichtigung von Umweltschäden
 9783161512186, 9783161497469

Table of contents :
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Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen
Einleitung
I. Fragestellung und Gegenstand der Untersuchung
II. Gang und Grundgedanken der Darstellung
1. Ausgangspunkte
2. Verhältnis von negatorischer und deliktischer Haftung
3. Pflichtwidriges Verhalten als Haftungsgrund
4. Verkehrspflichten als Voraussetzung der negatorischen und deliktischen Haftung
5. Zurechenbarkeit als Voraussetzung der Verkehrspflichten
6. Interessenabwägung als Voraussetzung der Verkehrspflichten
7. Drohende oder eingetretene Verwirklichung des Risikos
8. Verschulden als subjektive Pflichtwidrigkeit
9. Haftung aus verbotenem, geduldetem und erlaubtem Risiko
§1 Ausgangspunkte
I. Freiheitsgewähr als Aufgabe des Privatrechts
A. Das Verhältnis von Freiheit und Risiko
1. Abgrenzung von Freiheitssphären
2. Einbeziehung des räumlichen und zeitlichen Fernbereichs
3. Einbeziehung von Risiken
4. Die gegenseitige Bedingtheit von Freiheit und Risiko
B. Freiheitsgewähr als Zuweisung subjektiver Rechte aufgrund einer Interessenabwägung
1. Freiheitsgewähr durch Zuweisung subjektiver Rechte
2. Notwendigkeit der Interessenabwägung
3. Berücksichtigung von Allgemeininteressen
II. Ökonomische Analyse des Rechts
A. Inhalt
B. Problematik der Voraussetzungen
C. Abweichung von Wertungen der Rechtsordnung
D. Eingeschränkte Berücksichtigung der ökonomischen Analyse
III. Das Verhältnis des privaten Haftungsrechts zum öffentlichen Recht
A. Privatrecht und Verfassungsrecht
1. Drittwirkung der Grundrechte im Privatrecht
2. Drittwirkung der Staatsziele
3. Risikoschutz durch Verfassungsrecht
B. Privatrecht und Verwaltungsrecht
1. Grundsätzliche Autonomie des Privatrechts
2. Partielle Abhängigkeit des Privatrechts vom Verwaltungsrecht
IV. Relativität der Rechtswidrigkeit
§2 Verhältnis von negatorischer und deliktischer Haftung
I. Gemeinsamer Schutzbereich
A. Schutzbereich der deliktischen Haftung
B. Schutzbereich der negatorischen Haftung
II. Abgrenzung von negatorischer und deliktischer Haftung
A. Bisherige Abgrenzungsversuche
1. Usurpationstheorie
a) Begründung
b) Kritik
2. Kausalitätstheorie
3. Risikotheorie
4. actus-contrarius-Theorie
5. Sicherungstheorie
B. Unterschiedliche zeitliche Schutzrichtung
1. Vergangenheits- und Zukunftsbezogenheit
2. Systemimmanente Überschneidung der negatorischen und deliktischen Haftung
III. Funktion der deliktischen Haftung
A. Vergangenheitsbezogenheit
B. Kompensationsfunktion
C. Präventionsfunktion
D. Abgrenzungsfunktion
1. Notwendigkeit der Abgrenzung
2. Handlungsfreiheit
3. Integritätsschutz
IV. Funktion der negatorischen Haftung
A. Zukunftsbezogenheit
1. Unterlassungsansprüche
2. Beseitigungsansprüche
a) Beseitigung nur der Risikoquelle
b) Weiterfressende Beeinträchtigung
c) Inhalt des Anspruchs
B. Präventionsfunktion
C. Keine Kompensationsfunktion
D. Abgrenzungsfunktion
V. Funktion des §906 BGB
A. Verhältnis zu § 1004 BGB
B. §906 II BGB als Ersatz der negatorischen Haftung
1. Zukunftsbezogenheit
2. Verschuldensunabhängigkeit
3. Nur angemessener Ausgleich
4. Räumlicher Anwendungsbereich
5. Persçnlicher Anwendungsbereich
a) Grundstückseigentümer
b) Dinglich und obligatorisch Berechtigte
c) Arbeitnehmer
d) Sonstige Berechtigte
6. Sachlicher Anwendungsbereich
C. §906 I BGB als allgemeiner Grundsatz
D. Verhältnis des § 906 BGB zur deliktischen Haftung
1. Duldungspflicht des §906 I BGB
2. Duldungspflicht des §906 II BGB
3. Analoge Anwendung des §906 II 2 BGB
a) Andere Duldungspflichten des Nachbarrechts
b) Faktischer Duldungszwang
E. Kodifizierung allgemeiner Wertungen und Abwägungsgesichtspunkte
VI. Funktionelles Ergänzungsverhältnis
§3 Pflichtwidriges Verhalten als Haftungsgrund
I. Pflichtverletzung als Grund der deliktischen Haftung
A. Lehre vom Erfolgsunrecht
B. Kombinationslehre
C. Lehre vom Verhaltensunrecht
1. Verhaltensstandards auch bei unmittelbaren Beeinträchtigungen
2. Verhaltensunrecht auch bei vorsätzlichen Beeinträchtigungen
3. Verhaltenspflichten als Tatbestandsmerkmal
4. Schutzgesetzverletzung
5. Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung
II. Pflichtverletzung als Grund der negatorischen Haftung
A. Keine Haftung für in der Vergangenheit liegendes Verhalten
B. Keine Zustandshaftung
C. Keine Kausalhaftung
D. Notwendigkeit einer Verhaltenspflicht
1. Verhaltenspflicht zur Vermeidung einer drohenden Beeinträchtigung
2. Relevanz der Pflichtverletzung für das Bestehen der negatorischen Haftung
3. Haftung aus drohendem Verhaltensunrecht
III. Rechtswidrige Pflichtverletzung als gemeinsamer Haftungsgrund
IV. Erfolgsbezogenheit der Verhaltenspflicht
A. Verhaltenspflicht auf Vermeidung eines Erfolgs gerichtet
B. Stärkung der allgemeinen Handlungsfreiheit
C. Erfolgsbezogenheit als Risikobezogenheit
V. Beweislastverteilung
§4 Verkehrspflichten als Voraussetzung der deliktischen und der negatorischen Haftung
I. Verkehrspflichten als gemeinsame Verhaltenspflichten
A. Verkehrspflichten als deliktische Verhaltenspflichten
B. Negatorische Verhaltenspflichten als Verkehrspflichten
II. Die Verkehrspflichten als Verhaltensstandards und Verhaltenspflichten
A. Das Verhältnis von Verhaltensstandard und Verhaltenspflicht
B. Keine bloße Erfolgsverantwortlichkeit
III. Verkehrspflichten als Risikoschutzpflichten
A. Risikoverteilung als Inhalt der Verkehrspflichten
B. Das Bestehen eines Risikos als Voraussetzung der Verkehrspflichten
1. Konkretes oder abstraktes Risiko?
2. Wesentlichkeit des Risikos
IV. Inhalt der Verkehrspflichten
A. Arten des Risikoschutzes
1. Direkter und indirekter Schutz
2. Aktiver und passiver Schutz
3. Allgemeine Grundpflichten und besondere Schutzpflichten
4. Organisationspflichten
a) Akzessorische und originäre Pflichten
b) Konkrete und abstrakte Pflichten
B. Interessenabwägung
1. Interessenabwägung im Rahmen der Verkehrspflichten
2. Relevanz der Arten des Risikoschutzes für die Interessenabwägung
V. Bestimmung der Verkehrspflichten
A. Gemeinsame Bestimmung
B. Notwendigkeit und Grenzen der Systembildung
1. Notwendigkeit eines Systems
2. Offenes und bewegliches System
C. Systematisierungsversuche
1. Negatorische Haftung
a) Handlungs- und Zustandsstçrer
b) Tätigkeits- und Untätigkeitsstörer
c) Handlungshaftung oder Zustandshaftung?
d) Handlungs- und Nichthandlungshaftung
2. Deliktische Haftung
a) Pragmatische Gliederungen
b) Sicherungs- und Fürsorgepflichten
3. Relevanz für die negatorische und die deliktische Haftung
D. Abschichtung der Fragestellungen
1. Möglichkeit der Abschichtung
2. Zurechenbarkeit
3. Interessenabwägung
§5 Zurechenbarkeit als Voraussetzung der Verkehrspflichten
I. Möglichkeit der Risikosteuerung
A. Einfluss auf das Risiko
B. Zumutbarkeit
C. Objektive Erkennbarkeit
D. Zeitpunkt
II. Zurechnungsgrund
A. Handlungshaftung
1. Vorangegangenes Tun
2. Bereichshaftung
3. Übernahmehaftung
B. Nichthandlungshaftung
1. Notwendigkeit eines Zurechnungsgrundes
2. Maßgeblichkeit der §§ 836–838 BGB
3. Anknüpfungspunkt
a) Risikobeherrschung?
b) Inhaber der Bestimmungsgewalt und Sachhalter?
c) Besitzer?
d) Eigentümer?
e) Eigenbesitzer
C. Zeitpunkt
1. Entstehung der Verantwortlichkeit
2. Wegfall des Anspruchs
a) Besitzaufgabe und Dereliktion?
b) Übergang des Eigenbesitzes?
c) Verjährung
D. Einschaltung Dritter
1. bertragung der aus den Verkehrspflichten resultierenden Aufgaben
2. Verantwortlichkeit des Übertragenden
3. Verantwortlichkeit des Übernehmenden
4. Verantwortlichkeit von Organen
E. Nebeneinander von Verkehrspflichtigen
§6 Interessenabwägung als Voraussetzung der Verkehrspflichten
I. Zu berücksichtigende Wertungen
A. Eingeschränkte Bedeutung übergreifender Wertungen
1. Risikoveranlassung und -beherrschung sowie Korrespondenz von Vorteil und Risiko
2. Vertrauensschutz und Verkehrsauffassung
3. Gesamtwirtschaftliche Vorteilhaftigkeit
B. Maßgeblichkeit gesetzlicher Wertungen
1. Zu berücksichtigende Wertungen
2. Verteidigungsnotstand
3. Angriffsnotstand
4. Nachbarrechtliche Duldungspflicht
C. Abwägung im Einzelfall
II. Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen
A. Eintrittswahrscheinlichkeit
B. Belastung des Betroffenen
1. Größe des drohenden Schadens
2. Rang des bedrohten Rechtsguts
C. Wirksamkeit der Schutzmaßnahme
D. Rechtswidrigkeit
III. Gesichtspunkte zugunsten des potentiell Verantwortlichen
A. Wirtschaftliche Belastung des Verantwortlichen
1. Begründung aus den gesetzlichen Wertungen
2. Objektiver Maßstab
3. Berücksichtigung nur bei Unverhältnismäßigkeit
4. Keine vollständige Erfassung der Risiken
5. Berücksichtigung nur der unvermeidbaren Belastung
B. Zumutbarkeit für den Verantwortlichen
C. Möglichkeit des Selbstschutzes
D. Mitverantwortung des Betroffenen
E. Mangelnde Erkennbarkeit
F. Hinzutreten weiterer Risikofaktoren
IV. Neutrale Gesichtspunkte
A. Berücksichtigung von Gesichtspunkten im Allgemeininteresse
B. Verkehrserwartung und Vertrauensschutz
C. Verfassungsrecht
D. Verwaltungsrecht
1. Verwaltungsrechtliche Verhaltensvorschriften
2. Verwaltungsvorschriften
3. Öffentlich-rechtliche Genehmigungen
E. Technische Regelwerke
V. Bezug der Interessenabwägung zum Inhalt der Verkehrspflichten
A. Aktiver und passiver Schutz
B. Direkter und indirekter Schutz
C. Allgemeine Grundpflichten und besondere Schutzpflichten
D. Organisationspflichten
VI. Umweltrelevanz
§7 Eingetretene oder drohende Verwirklichung des Risikos
I. Unterschiedliche Anspruchsvoraussetzungen
II. Materiellrechtliche Anspruchsvoraussetzungen
III. Drohende Verwirklichung des Risikos
A. Erstbegehungs- und Wiederholungsgefahr
B. Zeitliche Nähe des Eintritts
C. Wahrscheinlichkeit des Eintritts
D. Interessenabwägung
1. Notwendigkeit der Interessenabwägung
2. Inhalt der Interessenabwägung
3. Umweltrelevanz
IV. Eingetretene Verwirklichung des Risikos
A. Kausalität der Pflichtwidrigkeit
B. Erweiterte Zurechnung aufgrund der Parallelen zur negatorischen Haftung
1. Anteilshaftung oder Wahrscheinlichkeitshaftung
2. Erweiterte Anwendung des § 830 I 2 BGB
a) Begründung des §830 I 2 BGB
b) §830 I 2 BGB als Risikohaftung bei Unsicherheit
c) Reichweite der Haftung
d) Haftungskonstellationen
§8 Verschulden als subjektive Pflichtwidrigkeit
I. Verschuldenserfordernis der deliktischen Haftung
A. Eigenständigkeit des Verschuldens gegenüber dem Unrecht
1. Verkehrspflichtverstoß als Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt
2. Unterscheidung zwischen Unrecht und Verschulden
3. Eigenständigkeit des Verschuldens
B. Subjektivierung des Verschuldens als Konsequenz seiner Eigenständigkeit
1. Unvereinbarkeit der Objektivierung des Verschuldens mit seiner Eigenständigkeit
a) Unterscheidung hinsichtlich der Rechtsfolgen
b) Unterscheidung hinsichtlich der zeitlichen Perspektive
c) Unterscheidung hinsichtlich der Intensität
d) Unterscheidung zwischen konkreten und abstrakten Verhaltensstandards
e) Unterscheidung zwischen äußerer und innerer Sorgfalt
2. Vereinbarkeit der Subjektivierung des Verschuldens mit seiner Eigenständigkeit
a) Unterscheidung zwischen objektiven und subjektiven Verhaltensstandards
b) Verhältnis zur Fahrlässigkeitsdefinition
c) Verhältnis zur Deliktsfähigkeit
C. Die der Subjektivierung des Verschuldens zugrundeliegenden Wertungen
1. Zugrundeliegender Interessenkonflikt
2. Subjektivierung keine Selbstverständlichkeit
3. Kompensationsfunktion?
4. Präventionsfunktion und Vertrauensschutz?
a) Präventionsfunktion
b) Vertrauensschutz
c) Erkennbarkeit
5. Abgrenzungs- und Freiheitsfunktion
a) Haftung als Funktion der persönlichen Freiheit
b) Abgrenzung der Freiheitssphären
c) Erhalt der Handlungsfreiheit und der freien Entfaltung der Persçnlichkeit
d) Existenzbedrohende Haftung für subjektive Schwächen
e) Interessen des Verantwortlichen und des Betroffenen
D. Objektive Elemente im subjektivierten Verschulden
1. Subjektiviertes Verschulden als Ausnahme
2. Objektiver Maßstab für subjektive Verhaltensstandards
3. Objektive Pflichtwidrigkeit als Indiz der subjektiven Pflichtwidrigkeit
4. Umkehr der Darlegungs- und Beweislast
5. Vereinbarkeit der objektiven Elemente mit der Freiheitsfunktion
E. Subjektiviertes Verschulden als Pflichtwidrigkeit
II. Verschulden und negatorische Haftung
A. Begründung der Verschuldensunabhängigkeit
B. Praktische Bedeutung
§9 Haftung aus verbotenem, geduldetem und erlaubtem Risiko
I. Haftung aus verbotenem Risiko
II. Haftung aus geduldetem Risiko
A. Auseinanderfallen der Voraussetzungen der negatorischen und deliktischen Haftung
B. Haftung als Ausgleich für Duldungspflichten
1. Duldungspflichten aus § 14 BImSchG
2. Duldungspflichten aus § 906 BGB
III. Haftung aus erlaubtem Risiko
A. Begründung der Gefährdungshaftung
1. Keine Begründung durch Verteilungsgerechtigkeit
2. Keine Begründung durch Erfolgsverantwortlichkeit für Risiken
3. Keine Begründung durch besonders gefährliche Aktivitten
4. Keine Begründung durch Kompensation für die Erlaubtheit des Risikos
5. Keine Begründung durch Prävention und gesamtwirtschaftlichen Vorteil
a) Erhöhte Präventionswirkung
b) Ökonomische Betrachtung
c) Partielle Gefhrdungshaftung
6. Kodifizierung von Verkehrspflichten und Verschuldensmaßstäben
7. Haftung aus erlaubtem Risiko als Billigkeitshaftung
B. Verhältnis zur deliktischen Haftung
C. Verhältnis zur negatorischen Haftung
D. Grundsätzlich keine Analogiefähigkeit
Wesentliche Ergebnisse
Literaturverzeichnis
Entscheidungsregister
Sachregister

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JUS PRIVATUM Beitrge zum Privatrecht Band 141

Rdiger Wilhelmi

Risikoschutz durch Privatrecht Eine Untersuchung zur negatorischen und deliktischen Haftung unter besonderer Bercksichtigung von Umweltschden

Mohr Siebeck

Rdiger Wilhelmi, geboren 1968; Studium der Rechtswissenschaft in Tbingen und Leiden (NL); 2001 Promotion; mehrjhrige Ttigkeit als Syndikusanwalt in einem Industrieunternehmen; 2007 Habilitation; Privatdozent fr Brgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Wirtschaftsrecht und Rechtsvergleichung an der Universitt Tbingen.

Gedruckt mit Untersttzung des Fçrderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT. e-ISBN PDF 978-3-16-151218-6 ISBN 978-3-16-149746-9 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet ber http:// dnb.d-nb.de abrufbar.  2009 Mohr Siebeck Tbingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschtzt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulssig und strafbar. Das gilt insbesondere fr Vervielfltigungen, bersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Kirchheim/Teck aus der Garamond Antiqua gesetzt, von Gulde-Druck in Tbingen auf alterungsbestndiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Vorwort Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind mit der deliktischen und der negatorischen Haftung zwei zentrale Institute unseres »klassischen« Privatrechts. Angestoßen wurde die Untersuchung durch meine Ttigkeit als Referent in der zentralen Rechtsabteilung eines großen deutschen Industrieunternehmens, bei der sich die Voraussetzungen der negatorischen Haftung und ihr Verhltnis zur deliktischen Haftung nicht nur in der praktischen Anwendung, sondern auch hinsichtlich ihrer theoretischen und dogmatischen Durchdringung als problematisch erwiesen. Die Arbeit unternimmt es demgemß, das System deliktischer und negatorischer Ansprche im modernen Privatrecht aufzuarbeiten. Sie behandelt die fr das Recht einer freiheitlichen Gesellschaft zentrale Frage, wie das Privatrecht die Freiheits- und Interessensphren der Rechtssubjekte dadurch voneinander abgrenzt, dass es einer Person negatorische und deliktische Ansprche zum Schutz vor solchen Risiken gewhrt oder nicht gewhrt, die einer anderen Person zurechenbar sind. Dabei geht es insbesondere darum, wie neben den Interessen der beteiligten Personen auch Allgemeininteressen, fr die exemplarisch der Umweltschutz steht, im grundstzlich individualistisch konzipierten Privatrecht Bercksichtigung finden. Dank schulde ich zunchst meinem akademischen Lehrer Prof. Dr. Dr. h. c. Harm Peter Westermann. Er hat die Arbeit wohlwollend begleitet und vor allem durch wertvolle Gesprche gefçrdert und mir als Wissenschaftlichem Assistenten die notwendige Freiheit und die materielle Grundlage fr das Habilitationsprojekt gegeben. Zu danken habe ich sodann Prof. Dr. Gottfried Schiemann, der nicht nur ebenfalls ein wertvoller Gesprchspartner war und das Zweitgutachten erstattet hat, sondern durch die Bereitschaft, mich nach der Emeritierung von Prof. Westermann an seinen Lehrstuhl zu bernehmen, auch berhaupt erst den Wechsel aus der Praxis in die Wissenschaft ermçglicht hat. Dank gebhrt weiter dem Fçrderungsund Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort fr die Gewhrung eines Druckkostenzuschusses sowie dem Verlag Mohr Siebeck fr die Untersttzung bei der Beantragung des Zuschusses und die Aufnahme der Arbeit in seine Reihe Jus Privatum. Vor allem aber mçchte ich mich bei meiner Familie bedanken, ohne deren Geduld, Verstndnis und Untersttzung dieses

VI

Vorwort

Habilitationsprojekt nicht mçglich gewesen wre. Meiner Frau und unseren Kindern ist dieses Buch gewidmet. Die Arbeit wurde im Sommer 2007 an der Juristischen Fakultt der Eberhard Karls Universitt Tbingen eingereicht und im Herbst 2007 als Habilitationsschrift angenommen. Wesentliche Literatur ist bis Sommer 2008 nachgetragen. Tbingen im November 2008

Rdiger Wilhelmi

Inhaltsverzeichnis Vorwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Abkrzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII

Einleitung .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

I. Fragestellung und Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Gang und Grundgedanken der Darstellung. . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhltnis von negatorischer und deliktischer Haftung . . 3. Pflichtwidriges Verhalten als Haftungsgrund . . . . . . . . . . 4. Verkehrspflichten als Voraussetzung der negatorischen und deliktischen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zurechenbarkeit als Voraussetzung der Verkehrspflichten 6. Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Drohende oder eingetretene Verwirklichung des Risikos . 8. Verschulden als subjektive Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . 9. Haftung aus verbotenem, geduldetem und erlaubtem Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 1 Ausgangspunkte

. . . 6 . . . 6 . . . 7 . . . 8 . . . 8 . . . 9 . . . 9 . . 10 . . 10 . . 11

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

I. Freiheitsgewhr als Aufgabe des Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . A. Das Verhltnis von Freiheit und Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgrenzung von Freiheitssphren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einbeziehung des rumlichen und zeitlichen Fernbereichs . 3. Einbeziehung von Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die gegenseitige Bedingtheit von Freiheit und Risiko . . . . B. Freiheitsgewhr als Zuweisung subjektiver Rechte aufgrund einer Interessenabwgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Freiheitsgewhr durch Zuweisung subjektiver Rechte . . . 2. Notwendigkeit der Interessenabwgung . . . . . . . . . . . . . 3. Bercksichtigung von Allgemeininteressen . . . . . . . . . . .

. 12 . 12 . . . .

13 14 15 18

. . 19 . . 20 . . 20 . . 21

VIII

Inhaltsverzeichnis

II. konomische Analyse des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Problematik der Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Abweichung von Wertungen der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . D. Eingeschrnkte Bercksichtigung der çkonomischen Analyse . III. Das Verhltnis des privaten Haftungsrechts zum çffentlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Privatrecht und Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Drittwirkung der Grundrechte im Privatrecht . . . . . . . . 2. Drittwirkung der Staatsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Risikoschutz durch Verfassungsrecht. . . . . . . . . . . . . . . B. Privatrecht und Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundstzliche Autonomie des Privatrechts . . . . . . . . . 2. Partielle Abhngigkeit des Privatrechts vom Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Relativitt der Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 2 Verhltnis von negatorischer und deliktischer Haftung .

22 23 23 26 29

. . . 30 . . . 30 . . . .

. . . .

. . . .

30 33 34 35

. . . 36 . . . 39 . . . 40 . . . 42

I. Gemeinsamer Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 A. Schutzbereich der deliktischen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 B. Schutzbereich der negatorischen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . 44 II. Abgrenzung von negatorischer und deliktischer Haftung . . . . . . . 46 A. Bisherige Abgrenzungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Usurpationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 a) Begrndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

2. Kausalittstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Risikotheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. actus-contrarius-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sicherungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Unterschiedliche zeitliche Schutzrichtung . . . . . . . . . . . . 1. Vergangenheits- und Zukunftsbezogenheit . . . . . . . . . 2. Systemimmanente berschneidung der negatorischen und deliktischen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Funktion der deliktischen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Vergangenheitsbezogenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Kompensationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

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. . . . .

53 54 55 56 56

. . . . 56 . . . . 60 . . . . 62 . . . . 62 . . . . 62

IX

Inhaltsverzeichnis

C. Prventionsfunktion . . . . . . . . . . . D. Abgrenzungsfunktion . . . . . . . . . . 1. Notwendigkeit der Abgrenzung 2. Handlungsfreiheit . . . . . . . . . . . 3. Integrittsschutz . . . . . . . . . . . . IV. Funktion der negatorischen Haftung . A. Zukunftsbezogenheit . . . . . . . . . . . 1. Unterlassungsansprche . . . . . . 2. Beseitigungsansprche . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

. . a) Beseitigung nur der Risikoquelle . . . b) Weiterfressende Beeintrchtigung . . c) Inhalt des Anspruchs . . . . . . . . . .

. . . . .

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71 72 73 74 77

B. Prventionsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 C. Keine Kompensationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 D. Abgrenzungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 V. Funktion des § 906 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Verhltnis zu § 1004 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. § 906 II BGB als Ersatz der negatorischen Haftung 1. Zukunftsbezogenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschuldensunabhngigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nur angemessener Ausgleich . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rumlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . 5. Persçnlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . a) b) c) d)

Grundstckseigentmer . . . . . . . . . . Dinglich und obligatorisch Berechtigte . Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Berechtigte . . . . . . . . . . . . .

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. . . . . . . . . 81 . . . . . . . . . 81 . . . . . . . . . 82 . . . . . . . . .

6. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . C. § 906 I BGB als allgemeiner Grundsatz . . . . . . . . . . D. Verhltnis des § 906 BGB zur deliktischen Haftung . 1. Duldungspflicht des § 906 I BGB . . . . . . . . . . . . . 2. Duldungspflicht des § 906 II BGB . . . . . . . . . . . . 3. Analoge Anwendung des § 906 II 2 BGB . . . . . . .

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82 83 83 84 85 85 87 89 89

. . . . . . . . 91 . . . . . . . . 93 . . . . . . . . 94

. . . a) Andere Duldungspflichten des Nachbarrechts . . . . . . . b) Faktischer Duldungszwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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94 96 97 97 98

E. Kodifizierung allgemeiner Wertungen und Abwgungsgesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 VI. Funktionelles Ergnzungsverhltnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

X

Inhaltsverzeichnis

§ 3 Pflichtwidriges Verhalten als Haftungsgrund .

. . . . . . . . . . . 104

I. Pflichtverletzung als Grund der deliktischen Haftung. . . . . . . . . A. Lehre vom Erfolgsunrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Kombinationslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Lehre vom Verhaltensunrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verhaltensstandards auch bei unmittelbaren Beeintrchtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhaltensunrecht auch bei vorstzlichen Beeintrchtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhaltenspflichten als Tatbestandsmerkmal . . . . . . . . . . . 4. Schutzgesetzverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vorstzliche sittenwidrige Schdigung . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pflichtverletzung als Grund der negatorischen Haftung . . . . . . . A. Keine Haftung fr in der Vergangenheit liegendes Verhalten . B. Keine Zustandshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Keine Kausalhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Notwendigkeit einer Verhaltenspflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verhaltenspflicht zur Vermeidung einer drohenden Beeintrchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Relevanz der Pflichtverletzung fr das Bestehen der negatorischen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Haftung aus drohendem Verhaltensunrecht . . . . . . . . . . . . III. Rechtswidrige Pflichtverletzung als gemeinsamer Haftungsgrund IV. Erfolgsbezogenheit der Verhaltenspflicht . . . . . . . . . . . . . . . A. Verhaltenspflicht auf Vermeidung eines Erfolgs gerichtet . B. Strkung der allgemeinen Handlungsfreiheit . . . . . . . . . . C. Erfolgsbezogenheit als Risikobezogenheit . . . . . . . . . . . .

104 105 109 112 112 115 116 117 118 118 119 121 123 124 124 127 129 130

. . . 132 . . . 132 . . . 133 . . . 136

V. Beweislastverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

§ 4 Verkehrspflichten als Voraussetzung der deliktischen und der negatorischen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . 141

I. Verkehrspflichten als gemeinsame Verhaltenspflichten . . . . . . . . 141 A. Verkehrspflichten als deliktische Verhaltenspflichten . . . . . . . 141 B. Negatorische Verhaltenspflichten als Verkehrspflichten . . . . . 143 II. Die Verkehrspflichten als Verhaltensstandards und Verhaltenspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

XI

Inhaltsverzeichnis

A. Das Verhltnis von Verhaltensstandard und Verhaltenspflicht 145 B. Keine bloße Erfolgsverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 III. Verkehrspflichten als Risikoschutzpflichten . . . . . . . A. Risikoverteilung als Inhalt der Verkehrspflichten . B. Das Bestehen eines Risikos als Voraussetzung der Verkehrspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konkretes oder abstraktes Risiko?. . . . . . . . . . 2. Wesentlichkeit des Risikos. . . . . . . . . . . . . . . . IV. Inhalt der Verkehrspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Arten des Risikoschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Direkter und indirekter Schutz . . . . . . . . . . . . 2. Aktiver und passiver Schutz . . . . . . . . . . . . . . 3. Allgemeine Grundpflichten und besondere Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . 151 . . . . . . . . . 151 . . . . . . . . . 153 . . . . . . . . . 153 . . . . . . . . . 156 . . . . . . . . . 157 . . . . . . . . . 158 . . . . . . . . . 158 . . . . . . . . . 159

. . a) Akzessorische und originre Pflichten . . . . . . . . . . b) Konkrete und abstrakte Pflichten . . . . . . . . . . . . .

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B. Interessenabwgung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Interessenabwgung im Rahmen der Verkehrspflichten . 2. Relevanz der Arten des Risikoschutzes fr die Interessenabwgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Bestimmung der Verkehrspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Gemeinsame Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Notwendigkeit und Grenzen der Systembildung . . . . . . . . 1. Notwendigkeit eines Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Offenes und bewegliches System . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Systematisierungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Negatorische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) b) c) d)

Handlungs- und Zustandsstçrer . . . . . . . Ttigkeits- und Unttigkeitsstçrer . . . . . . Handlungshaftung oder Zustandshaftung?. Handlungs- und Nichthandlungshaftung .

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160 161 161 162

. . 164 . . 164 . . 165 . . 166 . . 166 . . 166 . . 167 . . 168 . . 168 . . . . .

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169 169 171 171 173

2. Deliktische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 a) Pragmatische Gliederungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 b) Sicherungs- und Frsorgepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

3. Relevanz fr die negatorische und die deliktische Haftung 176 D. Abschichtung der Fragestellungen . 1. Mçglichkeit der Abschichtung . 2. Zurechenbarkeit . . . . . . . . . . . . 3. Interessenabwgung . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

XII

Inhaltsverzeichnis

§ 5 Zurechenbarkeit als Voraussetzung der Verkehrspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Mçglichkeit der Risikosteuerung A. Einfluss auf das Risiko . . . . . B. Zumutbarkeit . . . . . . . . . . . . C. Objektive Erkennbarkeit . . . . D. Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

II. Zurechnungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Handlungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorangegangenes Tun . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bereichshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. bernahmehaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Nichthandlungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Notwendigkeit eines Zurechnungsgrundes 2. Maßgeblichkeit der §§ 836–838 BGB . . . . . 3. Anknpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) b) c) d) e)

. . . . . . . 182

. . . . . . . . . . . . 186 . . . . . . . . . . . . 186 . . . . . . . . . . . . 186 . . . . . . . . . . . . 187 . . . . . . . . . . . . 189 . . . . . . . . . . . . 190 . . . . . . . . . . . . 191 . . . . . . . . . . . . 192 . . . . . . . . . . . . 195

Risikobeherrschung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaber der Bestimmungsgewalt und Sachhalter? Besitzer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigentmer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenbesitzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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195 198 199 200 203

C. Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 1. Entstehung der Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 2. Wegfall des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 a) Besitzaufgabe und Dereliktion? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 b) bergang des Eigenbesitzes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 c) Verjhrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

D. Einschaltung Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. bertragung der aus den Verkehrspflichten resultierenden Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verantwortlichkeit des bertragenden . . . . 3. Verantwortlichkeit des bernehmenden . . . 4. Verantwortlichkeit von Organen . . . . . . . . . E. Nebeneinander von Verkehrspflichtigen . . . . .

§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . 213 . . . .

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214 214 216 220

. . . . . . . . . . . 225

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I. Zu bercksichtigende Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 A. Eingeschrnkte Bedeutung bergreifender Wertungen . . . . . . 231

XIII

Inhaltsverzeichnis

1. Risikoveranlassung und -beherrschung sowie Korrespondenz von Vorteil und Risiko . . . . . 2. Vertrauensschutz und Verkehrsauffassung . . . 3. Gesamtwirtschaftliche Vorteilhaftigkeit . . . . . B. Maßgeblichkeit gesetzlicher Wertungen . . . . . . . 1. Zu bercksichtigende Wertungen . . . . . . . . . 2. Verteidigungsnotstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Angriffsnotstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nachbarrechtliche Duldungspflicht . . . . . . . . C. Abwgung im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen . A. Eintrittswahrscheinlichkeit . . . . . . . . . . B. Belastung des Betroffenen . . . . . . . . . . . 1. Grçße des drohenden Schadens . . . . . 2. Rang des bedrohten Rechtsguts . . . . . C. Wirksamkeit der Schutzmaßnahme . . . . D. Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . 231 . . . . . . . . . . 233 . . . . . . . . . . 235 . . . . . . . . . . 237 . . . . .

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237 240 242 244 245

. . . . . . . . . . . . . . . . 247 . . . . . . . . . . . . . . . . 247 . . . . . . . . . . . . . . . . 249 . . . . . . . . . . . . . . . . 249 . . . . . . . . . . . . . . . . 250 . . . . . . . . . . . . . . . . 251 . . . . . . . . . . . . . . . . 252

III. Gesichtspunkte zugunsten des potentiell Verantwortlichen . A. Wirtschaftliche Belastung des Verantwortlichen . . . . . . . 1. Begrndung aus den gesetzlichen Wertungen. . . . . . . 2. Objektiver Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bercksichtigung nur bei Unverhltnismßigkeit . . . . 4. Keine vollstndige Erfassung der Risiken . . . . . . . . . 5. Bercksichtigung nur der unvermeidbaren Belastung. B. Zumutbarkeit fr den Verantwortlichen. . . . . . . . . . . . . C. Mçglichkeit des Selbstschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Mitverantwortung des Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . E. Mangelnde Erkennbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Hinzutreten weiterer Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . 252 . . . . 252 . . . . .

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253 253 254 256 256

. . . . 257 . . . . 258 . . . . 262 . . . . 264 . . . . 265

IV. Neutrale Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Bercksichtigung von Gesichtspunkten im Allgemeininteresse B. Verkehrserwartung und Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . C. Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verwaltungsrechtliche Verhaltensvorschriften . . . . . . . . . . 2. Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. ffentlich-rechtliche Genehmigungen . . . . . . . . . . . . . . . .

266 266 267 271 272 272 274 275

XIV

Inhaltsverzeichnis

E. Technische Regelwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 V. Bezug der Interessenabwgung zum Inhalt der Verkehrspflichten A. Aktiver und passiver Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Direkter und indirekter Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Allgemeine Grundpflichten und besondere Schutzpflichten . . D. Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

278 279 279 280 281

VI. Umweltrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282

§ 7 Eingetretene oder drohende Verwirklichung des Risikos

.

289

I. Unterschiedliche Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . 289 II. Materiellrechtliche Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . 291 III. Drohende Verwirklichung des Risikos . . . . . . . . . . . . . A. Erstbegehungs- und Wiederholungsgefahr . . . . . . . . B. Zeitliche Nhe des Eintritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Wahrscheinlichkeit des Eintritts . . . . . . . . . . . . . . . D. Interessenabwgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Notwendigkeit der Interessenabwgung . . . . . . . 2. Inhalt der Interessenabwgung . . . . . . . . . . . . . . 3. Umweltrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Eingetretene Verwirklichung des Risikos . . . . . . . . . . . A. Kausalitt der Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . B. Erweiterte Zurechnung aufgrund der Parallelen zur negatorischen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anteilshaftung oder Wahrscheinlichkeitshaftung . 2. Erweiterte Anwendung des § 830 I 2 BGB . . . . . . a) b) c) d)

Begrndung des § 830 I 2 BGB . . . . . . . . . . . . § 830 I 2 BGB als Risikohaftung bei Unsicherheit Reichweite der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . Haftungskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 8 Verschulden als subjektive Pflichtwidrigkeit

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . . . . . 292 . . . . . . . 292 . . . . . . . 294 . . . . . . . 295 . . . . . . . 296 . . . . . . . 296 . . . . . . . 299 . . . . . . . 301 . . . . . . . 302 . . . . . . . 302 . . . . . . . 304 . . . . . . . 305 . . . . . . . 305 . . . .

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306 309 310 311

. . . . . . . . . . . . 314

I. Verschuldenserfordernis der deliktischen Haftung . . . . . . . . . . A. Eigenstndigkeit des Verschuldens gegenber dem Unrecht . 1. Verkehrspflichtverstoß als Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterscheidung zwischen Unrecht und Verschulden . . . . 3. Eigenstndigkeit des Verschuldens . . . . . . . . . . . . . . . . .

. 314 .

314

. 315 . 315 . 317

XV

Inhaltsverzeichnis

B. Subjektivierung des Verschuldens als Konsequenz seiner Eigenstndigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 1. Unvereinbarkeit der Objektivierung des Verschuldens mit seiner Eigenstndigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 a) b) c) d)

Unterscheidung hinsichtlich der Rechtsfolgen . . . . . . Unterscheidung hinsichtlich der zeitlichen Perspektive. Unterscheidung hinsichtlich der Intensitt. . . . . . . . . Unterscheidung zwischen konkreten und abstrakten Verhaltensstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Unterscheidung zwischen ußerer und innerer Sorgfalt

. . . . . . . 318 . . . . . . . 319 . . . . . . . 319 . . . . . . . 320 . . . . . . . 321

2. Vereinbarkeit der Subjektivierung des Verschuldens mit seiner Eigenstndigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 a) Unterscheidung zwischen objektiven und subjektiven Verhaltensstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 b) Verhltnis zur Fahrlssigkeitsdefinition. . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 c) Verhltnis zur Deliktsfhigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

C. Die der Subjektivierung des Verschuldens zugrundeliegenden Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zugrundeliegender Interessenkonflikt . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Subjektivierung keine Selbstverstndlichkeit . . . . . . . . . . . 3. Kompensationsfunktion? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Prventionsfunktion und Vertrauensschutz? . . . . . . . . . . .

332 332 333 334 335

a) Prventionsfunktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 b) Vertrauensschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 c) Erkennbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337

5. Abgrenzungs- und Freiheitsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 a) Haftung als Funktion der persçnlichen Freiheit . . . . . b) Abgrenzung der Freiheitssphren . . . . . . . . . . . . . . c) Erhalt der Handlungsfreiheit und der freien Entfaltung der Persçnlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Existenzbedrohende Haftung fr subjektive Schwchen e) Interessen des Verantwortlichen und des Betroffenen . .

. . . . . . . 339 . . . . . . . 339 . . . . . . . 340 . . . . . . . 340 . . . . . . . 343

D. Objektive Elemente im subjektivierten Verschulden . . . . . 1. Subjektiviertes Verschulden als Ausnahme . . . . . . . . . . . 2. Objektiver Maßstab fr subjektive Verhaltensstandards . 3. Objektive Pflichtwidrigkeit als Indiz der subjektiven Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Umkehr der Darlegungs- und Beweislast. . . . . . . . . . . . 5. Vereinbarkeit der objektiven Elemente mit der Freiheitsfunktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Subjektiviertes Verschulden als Pflichtwidrigkeit . . . . . . . .

. . 344 . . 345 . . 345 . . 346 . . 346 . . 348 . . 349

II. Verschulden und negatorische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 A. Begrndung der Verschuldensunabhngigkeit . . . . . . . . . . . . 352

XVI

Inhaltsverzeichnis

B. Praktische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352

§ 9 Haftung aus verbotenem, geduldetem und erlaubtem Risiko . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . 354

I. Haftung aus verbotenem Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 II. Haftung aus geduldetem Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 A. Auseinanderfallen der Voraussetzungen der negatorischen und deliktischen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 B. Haftung als Ausgleich fr Duldungspflichten . . . . . . . . . . . . 356 1. Duldungspflichten aus § 14 BImSchG . . . . . . . . . . . . . . . . 356 2. Duldungspflichten aus § 906 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 III. Haftung aus erlaubtem Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 A. Begrndung der Gefhrdungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 1. Keine Begrndung durch Verteilungsgerechtigkeit . . . . . . 360 2. Keine Begrndung durch Erfolgsverantwortlichkeit fr Risiken 363

3. Keine Begrndung durch besonders gefhrliche Aktivitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 4. Keine Begrndung durch Kompensation fr die Erlaubtheit des Risikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 5. Keine Begrndung durch Prvention und gesamtwirtschaftlichen Vorteil. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 a) Erhçhte Prventionswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 b) konomische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 c) Partielle Gefhrdungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373

6. Kodifizierung von Verkehrspflichten und Verschuldensmaßstben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Haftung aus erlaubtem Risiko als Billigkeitshaftung B. Verhltnis zur deliktischen Haftung. . . . . . . . . . . . . . . C. Verhltnis zur negatorischen Haftung . . . . . . . . . . . . . D. Grundstzlich keine Analogiefhigkeit . . . . . . . . . . . .

. . . . . 374 . . . . . 377 . . . . . 378 . . . . . 380 . . . . . 382

Wesentliche Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 Entscheidungsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425

Abkrzungen Siehe Kirchner, Hildebert / Butz, Cornelie: Abkrzungsverzeichnis der Rechtssprache, 5. Aufl. Berlin 2003.

Einleitung Keine Chance ohne Risiko! Dieser Ausspruch stand zwar ursprnglich in der konomie dafr, dass die Erzielung von Gewinnen in der Regel Investitionen voraussetzt, die auch vergeblich sein kçnnen1, kann aber auch in dem Sinne allgemein auf menschliches Verhalten bezogen werden, dass dieses notwendig mit Risiken verbunden ist, die dabei allerdings nicht nur den Handelnden, sondern auch andere Personen treffen kçnnen. Chance und Risiko stehen demgemß in einem Spannungsverhltnis, das sptestens dort der Justierung bedarf, wo diese anderen Personen betroffen sind, da dort die Freiheits- und Interessensphre des Handelnden mit derjenigen des Betroffenen in Konflikt gert. Diese Justierung ist Gegenstand und Aufgabe des Rechts und insbesondere des gesetzlichen Haftungsrechts. Wie das private Haftungsrecht diese Aufgabe dadurch lçst, dass es dem anderen mehr oder weniger Risikoschutz gewhrt, ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit.

I. Fragestellung und Gegenstand der Untersuchung Die Untersuchung bezieht sich dabei vor allem auf die negatorische und die deliktische Haftung und dort wiederum auf § 823 I BGB als zentrale Norm2, whrend sie die Gefhrdungshaftung nur in ihrem Bezug auf die negatorische und deliktische Haftung in den Blick nimmt und die Aufopferungshaftung nur bei der Rolle der Duldungspflichten bercksichtigt. Sie geht fr das geltende deutsche Recht der Frage nach, wie die negatorische und die deliktische Haftung die Freiheits- und Interessensphren des potentiell Verantwortlichen und des Betroffenen abgrenzen, indem sie letzterem mehr oder weniger Risikoschutz gewhren. Dabei konzentriert sie sich auf die neuere Rechtsprechung des BGH und auf die neuere Literatur. Potentiell Verantwortlicher ist dabei derjenige, dessen Verhalten ein Risiko setzt oder aufrechterhlt, das Gegenstand des Haftungsrechts ist; Betroffener ist jeweils die andere Person, die durch dieses Verhalten und das darauf zurckzufhrende Risiko einen Nachteil in seinen Interessen erlei1

Damm, ARSP 79 (1993), 159, 163 f.; Evers/Nowotny, S. 34 f. So etwa Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 I 2 a (S. 375 f.); Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 13; hnl. Erman/Schiemann, Vor § 823 Rn. 2. 2

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Einleitung

den kann. Unter Risiko wird die Mçglichkeit des Eintritts von Nachteilen verstanden, die grundstzlich der Kontrolle des Verantwortlichen unterliegt. Es ist von der Gefahr abzugrenzen, die als einfache Gefahr dadurch gekennzeichnet ist, dass sie nicht der Kontrolle des Verantwortlichen unterliegt, und die als qualifizierte Gefahr ein gesteigertes Risiko ist, das als Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr Voraussetzung der negatorischen Haftung und als Polizeigefahr Voraussetzung der Gefahrenabwehr durch das Sicherheits- und Ordnungsrecht ist. Die Frage, wie die negatorische und die deliktische Haftung durch die Gewhrung von Risikoschutz die Freiheitssphren des potentiell Verantwortlichen und des Betroffenen abgrenzen, umfasst vor allem zwei Komplexe. Zunchst geht es um das Verhltnis zwischen der negatorischen und der deliktischen Haftung, die beide den Schutz vor Risiken zum Gegenstand haben. Sodann stellt sich die Frage, worauf die negatorische und die deliktische Haftung beruhen und von welchen Voraussetzungen sie abhngen. Zentrale Thesen der Arbeit sind dabei, dass zwischen der negatorischen Haftung, die auf die Vermeidung des Eintritts von Risiken gerichtet ist, und der deliktischen Haftung, die vor allem auf den Ausgleich der Folgen bereits eingetretener Risiken gerichtet ist, ein funktionelles Ergnzungsverhltnis besteht. Weiter knpft nicht nur die deliktische, sondern auch die negatorische Haftung an ein pflichtwidriges Verhalten an und setzt einen Verstoß gegen eine Verkehrspflicht voraus, die der Zuordnung der Risiken zwischen dem potentiell Verantwortlichen und dem Betroffenen dient und auf einer Interessenabwgung beruht. Demgegenber unterscheiden sich die negatorische und die deliktische Haftung hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen eines drohenden oder eingetretenen Risikos und des Verschuldenserfordernisses. Schließlich kann demgemß unter Einbeziehung der Gefhrdungshaftung zwischen einer Haftung aus verbotenem, geduldetem und erlaubten Risiko unterschieden werden. Illustriert sei dies im Ausgangspunkt an einem Fall des fnften BGHSenats3. Die Klgerin betrieb auf ihrem Grundstck çkologischen Landbau, der Beklagte baute auf dem oberhalb gelegenen Grundstck Mais an und setzte dabei chemische Unkrautvernichtungsmittel ein. Von dem Grundstck des Beklagten wurde Niederschlagswasser mit Schlamm und Unkrautvernichtungsmitteln auf dasjenige der Klgerin gesplt, was Ernteausflle verursachte und Ackerboden ausschwemmte. Die Klgerin verlangte einerseits Schadensersatz fr den Ernteausfall, andererseits Schutz vor erneuten Schden. Der BGH hat hier zunchst fr den Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB die Regelung des § 906 BGB fr maßgeblich gehalten, ob eine widerrechtliche Handlung vorliegt4. Sodann hat er Unter3 4

BGHZ 90, 255 ff.; hnl. BGHZ 114, 183 ff. BGHZ 90, 255, 258 ff.

I. Fragestellung und Gegenstand der Untersuchung

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lassungsansprche aus §§ 1004 I, 862 I 2 BGB bezglich des abfließenden Wassers und des dadurch angeschwemmten Schlamms unter anderem mit der Begrndung verneint, dass die darin liegende Beeintrchtigung zwar auf ein Verhalten des Beklagten zurckzufhren sei, dieses sich jedoch im Rahmen normaler landwirtschaftlicher Nutzung halte5, whrend er fr die Anschwemmung der Unkrautvernichtungsmittel davon ausgegangen ist, dass darin eine nicht gemß § 906 BGB zu duldende und daher gemß §§ 1004 I, 862 I 2 BGB zu unterlassende Beeintrchtigung liegen kçnne, ohne hier darauf einzugehen, ob sie sich im Rahmen normaler Nutzung halte6. An diesem Fall wird nicht nur deutlich, dass die gleiche Art von Beeintrchtigungen grundstzlich Gegenstand sowohl der deliktischen als auch der negatorischen Haftung sein kann, sondern auch, dass auch die negatorische Haftung durch die Einhaltung von Verhaltensstandards grundstzlich ausgeschlossen werden kann, wobei allerdings das Verhltnis zu § 906 BGB unklar bleibt, so dass sich die Frage nach dem Verhltnis zwischen negatorischer und deliktischer Haftung und ihren Voraussetzungen und nach der Rolle der Duldungspflichten des § 906 BGB stellt. An den geschilderten Fall anknpfend hat der BGH die negatorische Haftung fr das bergreifen von Schdlingen auf ein benachbartes Grundstck zunchst sogar von der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch den Betreiber des ursprnglich befallenen Grundstcks abhngig gemacht7, die Voraussetzungen der negatorischen Haftung also auch terminologisch an solche der deliktischen Haftung angeknpft, spter allerdings in diesem Zusammenhang nur noch von der Verletzung einer Sicherungspflicht gesprochen8, die allerdings nicht nur fr natrliche Immissionen gelte, sondern auch fr solche aufgrund technischer Defekte9. Maßgeblich fr die Pflichtverletzung sei vor allem, ob sich die Nutzung des stçrenden Grundstcks im Rahmen ordnungsgemßer Bewirtschaftung halte10. Auch angesichts dieser Entwicklung stellt sich die Frage nach dem Verhltnis zwischen negatorischer und deliktischer Haftung und ihren Voraussetzungen. Dabei ist vor allem zu klren, welche Rolle die Pflichtverletzung spielt, wie sie sich insbesondere in Bezug auf die deliktische Verkehrspflicht verhlt und wie sie zu bestimmen ist. Neben der geschilderten Rechtsprechungsentwicklung sei zur Illustration weiter auf einen Fall des sechsten BGH-Senats verwiesen11. Dort hatte die Klgerin ihr Grundstck an ein Recyclingunternehmen vermietet, das 5

BGHZ 90, 255, 265 ff. BGHZ 90, 255, 267 f. 7 BGH, NJW-RR 2001, 1208. 8 BGHZ 157, 33, 42; BGH, NJW 2004, 603, 604; BGH, NJW 2004, 1035, 1036. 9 BGHZ 157, 33, 42. 10 So auf natrliche Immissionen beschrnkt BGHZ 157, 33, 42; ohne ausdrckliche Beschrnkung auch BGH, NJW 2004, 603, 604; BGH, NJW 2004, 1035, 1036. 11 BGH, NJW 2006, 3628 – Sachverhalt vereinfacht. 6

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Einleitung

dort mit Einverstndnis der Klgerin eine Altreifenrecyclinganlage betreiben wollte. Die Beklagte hatte dann Altreifenmaterial zur Entsorgung an ein Entsorgungsunternehmen weitergegeben. Das Entsorgungsunternehmen hatte dieses Material ber Subunternehmen zu der Recyclinganlage auf dem Grundstck gebracht. Schließlich hatte die Klgerin dem in Zahlungsverzug geratenen Recyclingunternehmen den Mietvertrag gekndigt und nahm die Beklagte nun auf Beseitigung des umweltgefhrdenden Altreifenmaterials in Anspruch. Der Senat hat hier eine Schadensersatzpflicht aus § 823 I BGB mit der Begrndung verneint, dass die Klgerin vom Schutzzweck einer etwa bestehenden Verkehrssicherungspflicht der Beklagten nicht erfasst werde, da sie die von dem Altreifenmaterial ausgehenden Umweltgefahren freiwillig in Kauf genommen habe, indem sie das Grundstck ihrer Mieterin zum Betrieb einer Altautoreifenrecyclinganlage berließ12. Eine Beseitigungspflicht aus § 1004 I BGB hat er mit der Begrndung abgelehnt, dass § 254 BGB Anwendung finde, weil die Klgerin die Stçrung selbst ermçglicht und damit die entscheidende Ursache fr diese gesetzt habe, indem sie das Grundstck zum Betrieb einer Altautoreifenrecyclinganlage vermietet habe13. Bei der sich auch bei diesem Fall wieder stellenden Frage nach dem Verhltnis zwischen der deliktischen Schadensersatzpflicht und der negatorischen Beseitigungspflicht fllt insbesondere auf, dass die Begrndung fr die Ablehnung sowohl der deliktischen als auch der negatorischen Haftung im Kern darauf abstellt, dass die Eigentmerin die Beeintrchtigung wissentlich selbst verursacht habe, woraus aber bei der deliktischen Haftung ein fehlender Verstoß gegen eine Verkehrssicherungspflicht hergeleitet wird, whrend bei der negatorischen Haftung auf die fehlende Stçrereigenschaft geschlossen wird, so dass es vor allem um die Frage nach dem Verhltnis zwischen den Voraussetzungen der negatorischen und deliktischen Haftung geht. Die angefhrten Flle zeigen, dass im Rahmen der Abgrenzung der Freiheitssphren des potentiell Verantwortlichen und des Betroffenen sowohl das Verhltnis zwischen der negatorischen und der deliktischen Haftung als auch ihr Haftungsgrund und ihre Voraussetzungen der Klrung bedrfen. Dabei wird in den Fllen zumindest angedeutet, dass die negatorische und deliktische Haftung nicht unverbunden nebeneinander stehen, sondern aufeinander bezogen sind, und dass sie zumindest auch auf gemeinsamen Voraussetzungen beruhen, insbesondere dem Erfordernis einer Pflichtverletzung, die auch als Verkehrspflichtverletzung aufgefasst werden kann. Dem Verhltnis von negatorischer und deliktischer Haftung nachzugehen und die Gemeinsamkeiten und Unterschiede hinsichtlich ihres Haftungs-

12 13

BGH, NJW 2006, 3628, 3629 f. BGH, NJW 2006, 3628, 3630.

I. Fragestellung und Gegenstand der Untersuchung

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grundes und ihrer Voraussetzungen herauszuarbeiten, ist Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Die Untersuchung erfolgt dabei unter besonderer Bercksichtigung von Umweltschden. Dies findet seinen Grund nicht nur darin, dass als Umweltprivatrecht vor allem das nicht nur auf Schadensersatz, sondern auch auf Unterlassung und Beseitigung gerichtete Umwelthaftungsrecht begriffen wird14 und die Bestimmung des richtigen Maßes an Umweltschutz zu den drngenden Fragen der Gegenwart gehçrt15, sondern auch darin, dass sich bei Umweltschden einige grundstzliche Probleme des Haftungsrechts mit besonderer Schrfe stellen und ein Großteil des relevanten Fallmaterials Umweltschden zum Gegenstand hat, wie die zur Illustration angefhrten Flle zeigen. Dabei interessiert hier nicht, wie Umweltschden, insbesondere sogenannte Distanz- und Summationsschden, im Rahmen des Haftungsrechts erfasst und zugerechnet werden kçnnen, sondern wie der Umweltschutz als Allgemeininteresse im grundstzlich individualistisch konzipierten Privatrecht zu bercksichtigen ist. Vor dem Hintergrund des Staatsziels Umweltschutz des Art. 20a GG geht es vor allem um die Frage, in welchem Verhltnis der Umweltschutz zu anderen Wertungen des Rechts steht und wie er demgemß in die negatorische und deliktische Haftung einfließen kann, ohne dass aber geklrt werden soll, ob das Privatrecht besser als das çffentliche Recht geeignet ist, einen wirksamen Schutz der Umwelt zu gewhrleisten, und wie ein mçglichst weit reichender Umweltschutz erreicht werden kann. Als solches nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist daher das Umwelthaftungsgesetz16 und das Umweltschadensgesetz17, dass die EU-Richtlinie zur çffentlich-rechtlichen Umwelthaftung umsetzt18.

14 Vgl. Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR Rn. 3; hnl. Schlger, ZMR 2002, 85, 88; enger Kloepfer, Umweltrecht, § 6 Rn. 1 (S. 433); zum Umweltschutz als Vertragsgegenstand Fritz, S. 63 ff. und passim. 15 Vgl. nur Medicus, UTR 11, S. 5, 6. 16 Umwelthaftungsgesetz vom 10. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2634), gendert durch Artikel 129 des Gesetzes vom 19. April 2006 (BGBl. I S. 866); dazu etwa G. Hager, NJW 1991, 134 ff.; Landsberg/Llling, DB 1990, 2205 ff.; dies., Umwelthaftungsrecht; Paschke, Umwelthaftungsgesetz; Salje/Peter, UmweltHG; Schmidt-Salzer, Umwelthaftungsgesetz; Staudinger/Kohler, UmweltHR. 17 Gesetz ber die Vermeidung und Sanierung von Umweltschden vom 10. Mai 2007 (BGBl. I S. 666), dazu etwa L. Diederichsen, NJW 2007, 3377; G. Wagner, VersR 2008, 565. 18 RL 2004/35/EG des Europischen Parlaments und des Rates vom 21. 4. 2004 ber Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschden, ABl EG Nr L 143 S. 56; dazu Becker, NVwZ 2005, 371 ff.; Beyer, ZUR 2004, 257 ff.; Schink, EurUP 2005, 67 ff.; G. Wagner, VersR 2005, 177 ff.; zur Umsetzung RegE, BT-Drucks 16/3806 vom 13. 12. 2006; Spindler, UTR 90, S. 147 ff.

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Einleitung

II. Gang und Grundgedanken der Darstellung Vorab seien kurz der Gang der Darstellung und ihre leitenden Gedanken skizziert: Die vorliegende Arbeit stellt zunchst kurz ihre Ausgangspunkte fr die weitere Untersuchung dar. Auf dieser Grundlage untersucht sie sodann das Verhltnis von negatorischer und deliktischer Haftung als den beiden zentralen Elementen des Haftungsrechts. Daran anschließend arbeitet sie zunchst die Pflichtwidrigkeit als Haftungsgrund sowohl der negatorischen als auch der deliktischen Haftung heraus und beschftigt sich dann nher mit den Verkehrspflichten als gemeinsamer Voraussetzung nicht nur der deliktischen, sondern auch der negatorischen Haftung. Eingehend behandelt die Arbeit sodann die Zurechenbarkeit als Voraussetzung der Verkehrspflichten und die zur Bestimmung der Verkehrspflichten notwendige Interessenabwgung. Anschließend beschftigt sich die Arbeit mit den neben die Verkehrspflichtverletzung tretenden Voraussetzungen, zunchst mit der drohenden Verwirklichung des Risikos bei der negatorischen Haftung und der eingetretenen Verwirklichung des Risikos bei der deliktischen Haftung, sodann mit dem Verschulden als Erfordernis der deliktischen, nicht aber der negatorischen Haftung und seinem Verhltnis zur Verkehrspflichtverletzung. Schließlich wird die Unterscheidung zwischen verbotenem, geduldetem und erlaubtem Risiko dargestellt, die sich aus dem im Verlauf der Arbeit herausgearbeiteten Verhltnis zwischen der negatorischen und der deliktischen Haftung sowie ihrer Beziehung zur Gefhrdungshaftung ergibt, bevor die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit kurz zusammengefasst werden.

1. Ausgangspunkte Die Arbeit geht in Paragraph 1 zunchst davon aus, dass das Recht und insbesondere das private Haftungsrecht und der damit verbundene Risikoschutz vor allem der Gewhrleistung der Freiheit und damit der Abgrenzung von Freiheitssphren dienen, und dass diese Abgrenzung auch auf Risiken bezogen ist, wobei sich Freiheit und Risiko gegenseitig bedingen. Diese Freiheitsgewhr erfolgt durch die Zuweisung subjektiver Rechte auf der Grundlage einer Interessenabwgung, bei der auch Allgemeininteressen Bercksichtigung finden. Weiter geht sie davon aus, dass die Freiheitsgewhr nicht allein aufgrund der im Vordringen befindlichen çkonomischen Analyse des Rechts bestimmt werden kann, da diese aufgrund ihrer teilweisen Abweichung von den Wertungen der Rechtsordnung nur eingeschrnkt zu bercksichtigen ist. Sodann sieht die Arbeit den privatrechtlichen Risikoschutz durch die negatorische und die deliktische Haftung als Ergnzung des çffentlich-rechtlichen Schutzes. Denn zum einen kann der privatrecht-

II. Gang und Grundgedanken der Darstellung

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liche Risikoschutz das Verfassungsrecht konkretisieren und zum anderen ist er gegenber dem Verwaltungsrecht, insbesondere dem Polizei- und Umweltrecht, zwar grundstzlich autonom, ergnzt dieses aber funktionell, so dass das Verwaltungsrecht nur im Einzelfall Vorgaben fr das Haftungsrecht enthlt. In diesem Zusammenhang wird schließlich davon ausgegangen, dass die Rechtswidrigkeit relativ ist, also nicht einheitlich fr die gesamte Rechtsordnung oder Teilrechtsordnungen zu bestimmen ist, sondern nur in Bezug auf die jeweilige Norm.

2. Verhltnis von negatorischer und deliktischer Haftung Zur Bestimmung des Verhltnisses von negatorischer und deliktischer Haftung hlt der folgende Paragraph 2 zunchst fest, dass sich die von ihnen geschtzten Rechtsgter und Rechte decken. Weiter wird herausgearbeitet, dass sich die negatorische und deliktische Haftung zwar in ihren Anwendungsbereichen zu einem gewissen Grad berschneiden kçnnen, ihnen aber eine unterschiedliche Funktion zukommt, indem die negatorische Haftung zukunftsbezogen eingreift, bevor es zu einem Nachteil in einer Sphre kommt, whrend die deliktische Haftung vergangenheitsbezogen nach Eintritt eines solchen Nachteils greift. Dass die negatorische Haftung dabei auch die Beseitigung bereits eingetretener Beeintrchtigungen umfassen und sich damit mit der deliktischen Haftung berschneiden kann, wird sodann damit erklrt, dass die Funktion der negatorischen Haftung, drohende Beeintrchtigungen zu verhindern, nicht ausschließt, dass dazu auch bereits eingetretene Beeintrchtigungen beseitigt werden mssen, wenn und soweit diese Ursache fr die drohende Beeintrchtigung sind. Die Beseitigung der bereits eingetretenen Beeintrchtigung stellt sich insoweit weder als primre, noch als sekundre Funktion der negatorischen Haftung dar, sondern als ein unvermeidlicher Nebeneffekt. Weiter wird herausgearbeitet, dass die negatorische und deliktische Haftung trotz ihrer unterschiedlichen Funktion der Abgrenzung der Freiheitssphren der Beteiligten dienen. Im Rahmen dieser Abgrenzungsfunktion dient die deliktische Haftung vor allem der Kompensation und nur indirekt der Prvention, whrend die negatorische Haftung ausschließlich der Prvention dient. Sowohl die Kompensations- als auch die Prventionsfunktion setzen aber voraus, dass die Grenze zwischen den Freiheitssphren der Beteiligten bestimmt wird, deren Verletzung Gegenstand der Prvention und der Kompensation ist. Die Abgrenzung selbst erfolgt unabhngig von der Prventions- und Kompensationsfunktion und beruht vor allem auf einer Interessenabwgung auf der Grundlage der gesetzlichen Wertungen.

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Einleitung

Im Zusammenhang mit der negatorischen und der deliktischen Haftung wird auch die Funktion der Duldungspflichten und des Ausgleichsanspruchs des § 906 BGB geklrt. Diese werden vor allem als Modifikation der negatorischen, nicht jedoch der deliktischen Haftung aufgefasst. Insgesamt lsst sich das Verhltnis zwischen negatorischer und deliktischer Haftung als Ergnzungsverhltnis beschreiben, indem beide zwar der Abgrenzung der Freiheitssphren der Beteiligten dienen, zueinander aber in einem Komplementrverhltnis stehen, da die negatorische Haftung allein der Prvention von zuknftigen Beeintrchtigungen dient, whrend die deliktische Haftung vor allem auf die Kompensation bereits eingetretener Beeintrchtigungen gerichtet ist.

3. Pflichtwidriges Verhalten als Haftungsgrund Der nchste Paragraph 3 hat die Rolle der Pflichtwidrigkeit zum Gegenstand, die als Haftungsgrund sowohl der negatorischen als auch der deliktischen Haftung begriffen wird. Diese ergnzen sich nicht nur funktionell, sondern weisen auch insofern die gleiche Struktur auf, als beide auf der Tatbestandsebene nicht nur einen Erfolg in Form der Beeintrchtigung des Schutzbereichs voraussetzen, sondern neben Kausalitt und Zurechnung auch ein pflichtwidriges Verhalten. Die drohende oder eingetretene Beeintrchtigung des Schutzbereichs allein lçst weder Unterlassungs- und Beseitigungs- noch Schadensersatzansprche aus. Auch wenn die negatorische und die deliktische Haftung damit auf Verhaltensunrecht beruhen, sind sie jedoch insoweit erfolgsbezogen, als die zugrundeliegenden Verhaltenspflichten als Risikovermeidepflichten auf die Vermeidung eines Erfolgs bezogen sind, der im Eintritt des zu vermeidenden Risikos liegt. In diesem Zusammenhang wird schließlich auch auf die Konsequenzen eingegangen, die der allgemeine Haftungsgrund der Pflichtwidrigkeit fr die Beweislastverteilung hat.

4. Verkehrspflichten als Voraussetzung der negatorischen und deliktischen Haftung Im folgenden Paragraph 4 werden die gemeinsamen Verhaltensstandards der negatorischen und der deliktischen Haftung im hier interessierenden Zusammenhang in den Verkehrspflichten gefunden, die damit Voraussetzung sowohl der deliktischen als auch der negatorischen Haftung sind. Dabei erweisen sich die Verkehrspflichten nicht als bloße Verhaltensstandards, sondern sind zumindest insoweit Verhaltenspflichten als sie einer Pflicht im Sinne der Pflichtverletzung als Voraussetzung des Schadensersatzanspruchs der §§ 280 ff. BGB entsprechen. Sodann wird herausgearbeitet, dass sich die

II. Gang und Grundgedanken der Darstellung

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Verkehrspflichten als Risikoschutzpflichten darstellen, indem sie sich auf das Risiko eines Erfolgseintritts beziehen und dieses Risiko dem Verantwortlichen zuweisen, also ein Risiko voraussetzen, vor dem sie schtzen. Vor diesem Hintergrund wird sodann auf die Arten des Risikoschutzes und die mit der Entscheidung, ob und welche Risikoschutzpflichten bestehen, notwendig verbundene Abwgung zwischen den Interessen des potentiell Verantwortlichen und des Betroffenen eingegangen. Schließlich werden die bisherigen Systematisierungsversuche zur Bestimmung der Verkehrspflichten behandelt, denen jedoch nur eingeschrnkte Aussagekraft zugemessen wird, indem sich aus ihnen fr die Bestimmung der Verkehrspflichten vor allem ergibt, dass die verschiedenen in ihnen anklingenden Fragestellungen in der Form abgeschichtet werden kçnnen, dass zunchst die Zurechenbarkeit im Sinne der potentiellen Verantwortlichkeit bestimmt wird und sodann eine Abwgung der Interessen des potentiell Verantwortlichen und des Betroffenen sowie der Allgemeinheit erfolgt.

5. Zurechenbarkeit als Voraussetzung der Verkehrspflichten Gegenstand des nchsten Paragraphen 5 ist die Frage, wem ein Risiko zurechenbar ist, wer also fr das Risiko verantwortlich sein kann, so dass seine Interessen mit denjenigen des Betroffenen abzuwgen sind und die Verkehrspflichten fr ihn gelten, wenn diese Abwgung zu seinen Ungunsten ausgeht. Dabei muss neben die faktische Mçglichkeit zur Risikosteuerung eine normativ begrndete Zustndigkeit fr die konkrete Risikoquelle bzw. das zu schtzende Rechtsgut treten, um die potentielle Verantwortlichkeit und damit die Mçglichkeit der Geltung von Verkehrspflichten zu begrnden. Diese wird beim Handlungsstçrer aus dessen vorangegangenem Tun hergeleitet, whrend sie beim Nichthandlungsstçrer aus dem Eigenbesitz folgt. Der maßgebliche Zeitpunkt fr das Vorliegen der potentiellen Verantwortlichkeit wird im Entstehen des Anspruchs gesehen; der Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs ist nur relevant, wenn der Anspruch noch nicht entstanden oder wieder weggefallen ist.

6. Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten Der folgende Paragraph 6 hat die nhere Bestimmung der Wertungen und Gesichtspunkte zum Gegenstand, die bei der Abwgung der Interessen des Betroffenen und des potentiell Verantwortlichen als Voraussetzung der Verkehrspflichten zu bercksichtigen sind. Dabei zeigt sich, dass sich die zu bercksichtigenden Wertungen nicht aus dem Recht bergeordneten und diesem gewissermaßen vorgegebenen Wertungen ergeben; sie sind vielmehr unter Rckgriff auf die Wertungen und Kriterien zu bestimmen, die den

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Einleitung

gesetzlichen Regelungen zugrunde liegen, die ebenfalls der Abgrenzung der Freiheitssphren der Verkehrsteilnehmer mittels einer Interessenabwgung dienen. Dabei entscheidet jeweils eine Abwgung im Einzelfall darber, welche Interessen sich aufgrund welcher Wertungen durchsetzen. Es wird herausgearbeitet, dass im Rahmen der Interessenabwgung zugunsten des Betroffenen die Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos, die Grçße des drohenden Schadens und der Rang des bedrohten Rechtsguts sowie die Wirksamkeit des Schutzes und die Rechtswidrigkeit als solche zu bercksichtigen sind, whrend zugunsten des potentiell Verantwortlichen vor allem dessen Belastung zu bercksichtigen ist. Daneben sind auch Gesichtspunkte des Allgemeininteresses von Belang, insbesondere die Verkehrserwartung und der Vertrauensschutz, aber auch die Wertungen des Privatrechts und des Verfassungsrechts sowie des Verwaltungsrechts. Dabei fllt der Umweltschutz als Allgemeininteresse hufig, aber nicht notwendig zugunsten des Betroffenen ins Gewicht.

7. Drohende oder eingetretene Verwirklichung des Risikos Nachdem in den Paragraphen 2 bis 6 die gemeinsamen Voraussetzungen der negatorischen und deliktischen Haftung behandelt wurden, geht es in Paragraph 7 um die drohende Verwirklichung des Risikos als Voraussetzung der negatorischen Haftung und die eingetretene Verwirklichung des drohenden Risikos als Voraussetzung der deliktischen Haftung. Dabei wird zunchst herausgearbeitet, dass die drohende Verwirklichung das Bestehen einer Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr voraussetzt, die sich auf die zeitliche Nhe und die Wahrscheinlichkeit des Risikoeintritts bezieht und anhand einer Interessenabwgung zu bestimmen ist. Diese wird gegenber der Interessenabwgung zur Bestimmung der Verkehrspflichten dadurch abgegrenzt, dass sie zwar aufgrund derselben Gesichtspunkte, aber in Bezug auf den Inhalt gerade der negatorischen Haftung erfolgt. Bei der Verwirklichung des durch die Verkehrspflichten zugewiesenen Risikos als Voraussetzung der deliktischen Haftung wird zunchst dargelegt, dass die haftungsbegrndende Kausalitt durch den Verstoß gegen eine Verkehrspflicht vermittelt wird. Sodann wird gezeigt, dass die Parallele zur negatorischen Haftung und der damit verbundene Risikobezug der deliktischen Haftung gegenber der quivalenten Kausalitt auch zu einer Erweiterung der Zurechnung fhren kçnnen.

8. Verschulden als subjektive Pflichtwidrigkeit Da die Pflichtwidrigkeit als Voraussetzung auch als Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt aufgefasst werden kann, wird in Paragraph 8

II. Gang und Grundgedanken der Darstellung

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fr die deliktische Haftung das Verhltnis des Verschuldenserfordernisses zum Unrecht diskutiert und fr die negatorische Haftung erçrtert, warum diese anders als die deliktische Haftung kein Verschulden voraussetzt. Dabei wird dem Verschuldenserfordernis der deliktischen Haftung aufgrund der gesetzlichen Konzeption eine eigenstndige Bedeutung gegenber dem Unrecht zugewiesen, deren Konsequenz die Subjektivierung des Verschuldens ist, die durch die gesetzlichen Wertungen besttigt wird, aber nicht ausschließt, dass beim Verschulden auch objektive Elemente bercksichtigt werden, soweit dies nicht zu einer vollstndigen Objektivierung fhrt. Die Begrndung fr den Verzicht der negatorischen Haftung auf das Verschuldenserfordernis wird darin gesehen, dass es dort noch um die Vermeidung des Eintritts von Nachteilen geht, whrend bei der deliktischen Haftung nur noch die Folgen der eingetretenen Nachteile verteilt werden kçnnen.

9. Haftung aus verbotenem, geduldetem und erlaubtem Risiko Schließlich wird in Paragraph 9 der Arbeit dargelegt, dass sich aus dem System der negatorischen und deliktischen Haftung und dessen Verhltnis zur Gefhrdungshaftung die Unterscheidung zwischen verbotenem, geduldetem und erlaubtem Risiko ergibt. Ein verbotenes Risiko kann nicht nur zu deliktischen Schadensersatzansprchen fhren, sondern begrndet auch negatorische Unterlassungs- und Beseitigungsansprche, whrend ein geduldetes Risiko zwar zu deliktischen Schadensersatzansprchen, nicht aber zu Unterlassungs- und Beseitigungsansprchen fhren kann, und das erlaubte Risiko mangels Verstoßes gegen Verkehrspflichten weder eine negatorische, noch eine deliktische Haftung begrnden kann, sondern nur Schadensersatzansprche aus Gefhrdungshaftung. Dabei zeigt sich, dass die Haftung aus erlaubtem Risiko ihren genuinen Anwendungsbereich nicht bei besonders gefhrlichen Risiken hat, sondern vor allem bei Risiken, die zu gering sind, um eine Verkehrspflichtverletzung und ein Verschulden zu begrnden. Sie beruht daher auf Billigkeitserwgungen, weshalb die analoge Anwendung der Gefhrdungshaftung grundstzlich nicht mçglich ist, ohne dass dadurch eine wesentliche Rechtsschutzlcke begrndet wird.

§ 1 Ausgangspunkte Zentraler Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung ist die Freiheitsgewhr als Aufgabe des Rechts und insbesondere des privaten Haftungsrechts, die durch die Abgrenzung von Freiheitssphren erfolgt, bei der sich Freiheit und Risiko gegenseitig bedingen. Weitere Ausgangspunkte sind, dass die Freiheitsgewhr als Funktion des Rechts nicht maßgeblich auf der Grundlage der konomischen Analyse des Rechts erfolgen kann und dass der privatrechtliche Schutz der Freiheit den çffentlich-rechtlichen Schutz ergnzt, dem çffentlichen Recht insoweit also kein Primat ber das private Haftungsrecht zukommt, womit zusammenhngt, dass die Rechtswidrigkeit relativ ist, also nicht einheitlich, sondern nur in Bezug auf die jeweilige Norm zu bestimmen ist. Diese Ausgangpunkte werden der weiteren Untersuchung als Prmissen zugrunde gelegt und kçnnen hier nur kurz skizziert werden.

I. Freiheitsgewhr als Aufgabe des Privatrechts Im Rahmen der Gewhrleistung der Freiheit als Grundfunktion des privaten Rechts wird davon ausgegangen, dass die Gewhrleistung vor allem in der Abgrenzung von Freiheitssphren liegt, wobei Freiheit und Risiko ambivalent sind, und dass die Abgrenzung durch die Zuweisung subjektiver Rechte erfolgt, die notwendig auf einer Interessenabwgung beruht, in die auch Allgemeininteressen einfließen kçnnen.

A. Das Verhltnis von Freiheit und Risiko Sptestens seit Kant wird die Funktion des Rechts vor allem in der Freiheitsgewhr gesehen, so dass sich fr den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit die Frage nach dem Verhltnis von Freiheit und Risiko stellt. Dabei ist nicht nur davon auszugehen, dass die Freiheitsgewhr ber den Nahbereich hinaus auch auf den rumlichen und zeitlichen Fernbereich bezogen ist, sondern auch davon, dass sie in der modernen Welt auch auf Risiken bezogen ist, weil Freiheit und Risiko sich einerseits gegenseitig bedingen und andererseits voneinander abzugrenzen sind. In dieser Abgren-

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zung liegt die Funktion gerade des Haftungsrechts, das mit den negatorischen Unterlassungs- und Beseitigungsansprchen und den deliktischen Schadensersatzansprchen subjektive Rechte zur Durchsetzung dieser Abgrenzung beinhaltet. Das Haftungsrecht zielt demgemß auf die Abgrenzung der Freiheitssphren der konkret Beteiligten im Sinne eines individuellen Interessenausgleichs. Demgegenber strebt die çkonomische Analyse des Rechts eine gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt im Sinne der gesamtwirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit an.

1. Abgrenzung von Freiheitssphren Das geltende Recht einschließlich des Privatrechts ist stark von der Ethik und Rechtsphilosophie Kants geprgt1. Danach ist das Recht »der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkr des einen mit der Willkr des anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit zusammen vereinigt werden kann«2. Eine gerechte Rechtsordnung hat dabei die ußere Freiheit der Rechtssubjekte als Grundbaustein zum Gegenstand; denn das allgemeine Rechtsgesetz lautet nach Kant »Handle ußerlich so, dass der freie Gebrauch deiner Willkr mit der Freiheit von jedermann nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen kçnne, so dass die Freiheit das einzige angeborene Recht darstellt«3. Auch wenn es bisher an einer berzeugenden Begrndung fehlt, ist die Freiheit als grundlegendes Prinzip des Rechts weitgehend akzeptiert4. Demgemß werden Privateigentum und Privatautonomie auch als Konstituenten des Privatrechts aufgefasst, die unter der Bedingung, dass die Freiheit des einen nicht auf Kosten des anderen geht, wiederum Voraussetzung fr die Anerkennung des Gewaltmonopols des Staates durch das Privatrechtssubjekt bei der Durchsetzung privater Rechte seien5. Zu den Konstituenten des Privatrechts gehçrt demgemß aber auch die Haftung, da sie die Verteidigung des Privateigentums und der sonstigen Voraussetzungen der Privatautonomie ermçglicht, ohne das staatliche Gewaltmonopol zu verletzen. Das Privatrecht gewhrt Freiheit dabei sowohl positiv als auch negativ. Positiv, indem es insbesondere ber die Privatautonomie dem Privatrechtssubjekt eine rechtliche Gestaltungsmacht einrumt, durch die subjektive Rechte begrndet und dann auch durchgesetzt werden kçnnen. Negativ, indem es dem Privatrechtssubjekt subjektive Rechte zur Verteidigung seiner Freiheitssphre gibt, die es ihm ermçglichen, die eigene Freiheitssphre 1 Vgl. nur Hattenhauer, S. 290 f.; Jaun, S. 148 ff.; Larenz/Wolf, § 2 Rn. 2 ff.; Mestmcker, KJ 1991, 177, 180; Wieacker, S. 6. 2 Kant, Rechtslehre, S. 230. 3 Kant, Rechtslehre, S. 231; vgl. auch Khl, Recht und Moral, S. 469, 470. 4 Khl, Recht und Moral, S. 469, 470. 5 M. Kçhler, in: Jungius-Ges., S. 103, 113 ff.; Nçrr, in: Kitagawa u. a. S. 297, 306 f.

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gegen Eingriffe anderer zu verteidigen und damit gegenber deren Freiheitssphre abzugrenzen6. Diese negative Gewhrung der Freiheit lsst sich auch als Schutzfunktion des Privatrechts umschreiben, da es mit der Verteidigung der Freiheitssphre, die auch die im Rahmen der Privatautonomie begrndeten Rechte umfassen kann, um den Schutz der Freiheitssphre geht. Demgemß wird die Privatautonomie als Prinzip der Selbstgestaltung der Rechtsverhltnisse durch den einzelnen Betroffenen nach seinem Willen zwar in der Regel durch Rechtsgeschfte verwirklicht7, umfasst aber auch den Problemkreis der Verkehrsstçrung8 und damit die Haftung fr die Beeintrchtigung von Freiheitssphren. Indem die Privatautonomie ihre Grenzen in der Haftung fr die Verletzung der Rechte und Rechtsgter anderer findet, ist sie nicht nur der zivilrechtliche Entsprechungsbegriff zur Handlungsfreiheit9, sondern kann auch als Verwirklichung der Freiheitsphilosophie Kants verstanden werden10. Die Gewhrung der Freiheit ist dabei notwendig mit der Abgrenzung der Freiheitssphren verbunden, da die Freiheit des einen ihre Grenze in der Freiheit des anderen findet. Demgemß werden das Aktivittsinteresse des potentiell Verantwortlichen und das Integrittsinteresse des Betroffenen gegenbergestellt11. Das Privatrecht dient also der Abgrenzung der Rechte und Freiheitssphren der Brger untereinander12. Dabei hat insbesondere das Haftungsrecht die Verteidigung und Abgrenzung der Freiheitssphren der jeweils Beteiligten zum Gegenstand13, die damit auch Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind.

2. Einbeziehung des rumlichen und zeitlichen Fernbereichs In diesem Zusammenhang wird aus heutiger Sicht betont, dass die Ethik nicht nur auf den rumlichen und zeitlichen Nahbereich bezogen ist, sondern als Konsequenz der Mçglichkeiten der modernen Technik auch den Fernbereich umfassen muss14. Ob und inwieweit dieser Befund zu einer 6 Vgl. auch die Unterscheidung zwischen offensiven und defensiven Rechten bei Damm, ARSP 79 (1993), 159, 182; hnlich Denninger, KJ 1989, 147, 152. 7 Flume, BGB AT II, S. 1; Mayer-Maly, Privatautonomie, S. 268. 8 Mayer-Maly, Privatautonomie, S. 268, 269. 9 So BVerfG, NJW 2005, 2363, 2365; Maunz/Drig/Di Fabio, GG, Art. 2 Rn. 101; vor allem auf die Vertragsfreiheit bezogen auch BVerfGE 89, 214, 231; Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 2 Rn. 4. 10 So Soergel/Hefermehl, Vor § 116 Rn. 4. 11 Widmer, in: Zimmermann, 2003, 147, 175 f. 12 Larenz/Wolf, § 2 Rn. 15; vgl. auch Mugdan II, S. 1073. 13 So fr das Deliktsrecht Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, § 53 4 b (S. 132 f.); Larenz/ Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 I 1 (S. 350); RGRK-BGB/Steffen, Vor § 823 Rn. 6 f.; Staudinger/J. Hager, Vorbem zu §§ 823 ff. Rn. 12; vgl. auch schon die erklrte Absicht des Gesetzgeber bei Mugdan II, S. 1073. 14 Jonas, S. 22 ff., 27.

I. Freiheitsgewhr als Aufgabe des Privatrechts

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neuen oder erweiterten Ethik gerade auch in Bezug auf Umweltschden fhrt, etwa im Sinne eines kategorischen Imperativs der Verantwortung, der sich allerdings mehr an die çffentliche Politik als an das private Verhalten richten soll15, ist hier nicht zu erçrtern. In Anknpfung an diesen Befund wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit jedoch davon ausgegangen, dass das Recht nicht nur Beeintrchtigungen der Freiheit aus dem Nahbereich zum Gegenstand hat, sondern auch aus dem Fernbereich. Die Abgrenzung der Freiheitssphren als Gegenstand des Haftungsrechts ist demgemß nicht nur im Nahbereich notwendig. Dies zeigt sich zunchst rumlich bei der Ausweitung des Nachbarrechts, indem § 906 BGB nicht nur auf benachbarte Grundstcke angewandt wird16. Auch zeitlich kann es als solches keinen Unterschied machen, ob sich die Beeintrchtigung der Freiheitssphre sofort oder erst spter auswirkt. Die Freiheit wird nicht dadurch weniger schutzwrdig, dass die Ursache fr ihre Beeintrchtigung zeitlich weiter entfernt liegt. Rechtstechnisch problematisch wird die Einbeziehung des zeitlichen Fernbereichs erst, wenn sie Zeitrume umfasst, in denen dem betroffenen Rechtssubjekt ein Gegenber fehlt, gegen das es seine Freiheitssphre verteidigen kann, da dann der auf subjektiven Rechten beruhende Regelungsmechanismus17 des Privatrechts nicht mehr ohne weiteres greift. Schließlich gehçrt in den Zusammenhang des rumlichen und zeitlichen Fernbereichs auch der Schutz vor Risiken, soweit sie entfernt liegen.

3. Einbeziehung von Risiken Weiter wird davon ausgegangen, dass die Abgrenzung der Freiheitssphren auch auf Risiken bezogen ist. Denn die Freiheit umfasst auch die Setzung von Risiken, und umgekehrt beinhaltet ein wirksamer Schutz auch den Schutz vor Risiken. Die Abgrenzung von Freiheitssphren macht es demgemß notwendig, den Beteiligten nicht nur die Verantwortung fr eingetretene Beeintrchtigungen zuzuweisen, sondern auch die Verantwortung fr drohende Beeintrchtigungen, also das Risiko ihres Eintritts18. Auch hier gilt, dass sich das Privatrecht der Abgrenzung nicht entziehen kann, die Nichtbercksichtigung von Risiken also die Freiheitssphre des Stçrers auf Kosten des Gestçrten erweitert. Die Einbeziehung von Risiken in die Abgrenzung der Freiheitssphren durch das Haftungsrecht ist als solche nicht neu. Sie ist vielmehr seit jeher Gegenstand der negatorischen und der deliktischen Haftung19. Zwar wer15

Jonas, S. 36 f. Siehe unten S. 84. 17 Vgl. Medicus, AT, Rn. 70 ff.; Larenz/Wolf, § 13 Rn. 24. 18 Vgl. Renzikowski, S. 195 f.; fr das Polizeirecht auch Lege, in: Kaufmann/Renzikowski, S. 173, 186. 19 Vgl. Damm, in: Hart, S. 13, 31. 16

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den in der Risikodiskussion drei historische Schbe ausgemacht, wonach sich der Schwerpunkt der Diskussion von çkonomischen auf soziale und schließlich auf technologische Risiken verlagert habe20, aber dadurch hat sich die Reichweite des Haftungsrecht bezglich der von ihm erfassten Risiken nicht verndert. Begreift man Risiko zunchst neutral als Eintrittswahrscheinlichkeit von Nachteilen21, so haben die auf den drohenden Eintritt von Beeintrchtigungen bezogene negatorische Haftung und die auf eingetretene Schden bezogene deliktische Haftung notwendig eingetretene Risiken zum Gegenstand, unabhngig davon, ob sich diese als çkonomische, soziale oder technologische Risiken darstellen. Dies gilt auch unter dem Gesichtspunkt der Zurechnung, wenn man wie in der Soziologie das der eigenen Entscheidung unterliegende und damit kontrollierbare Risiko von der unkontrollierbaren Gefahr abgrenzt22, da dann das Risiko im Gegensatz zur Gefahr grundstzlich zurechenbar wre. Auch wenn die Gefahr als erhçhtes Risiko begriffen wird23, wird zumindest ein Teil der Risiken selbst dann vom Haftungsrecht erfasst, wenn man dieses nur auf Gefahren anwenden will, wie dies etwa bei der negatorischen Haftung der Fall ist, bei der fr die Voraussetzung der Erstbegehungsgefahr nicht schon die Bedrohung ausreichen soll, sondern erst die ernstliche Bedrohung24. Schließlich sind die vom Haftungsrecht erfassten Risiken unabhngig davon, ob es sich um reale oder hypothetische Risiken handelt. Dies gilt nicht nur dann, wenn mit dieser Unterscheidung auf die Grçße oder den Grad der Unbekanntheit der den Nachteil verursachenden Kausalkette abgestellt wird, sondern auch dann, wenn nach dem Bekanntheitsgrad der Art der mçglichen Nachteile unterschieden wird; also zwischen realen Risiken, die den mçglichen Eintritt von als solchen bekannten Ereignissen zum Gegenstand haben; hypothetischen Risiken, die auf den mçglichen Eintritt von Ereignissen, die bisher nur theoretisch oder qualitativ beschrieben wurden, bezogen sind, von denen man also nicht weiß, ob die Art des Risikos tatschlich besteht; sowie Meta-Risiken, bei denen es um den mçglichen Eintritt von Nachteilen geht, durch die sich die Art der realen und hypothetischen Risiken grundlegend verndert25. 20 Damm, ARSP 79 (1993), 159, 163 f.; Evers/Nowotny, S. 32 ff.; vgl. auch die Unterscheidung zwischen »klassischen Risiken« und »neuen Risiken« bei Kçck, AçR 121 (1996), 1, 6; im Anschluss an Beck, Risikogesellschaft, passim. 21 Dietz, S. 7; Lege, in: Kaufmann/Renzikowski, S. 173, 174; Winter, KJ 1998, 518, 520 m. Fn. 6; WBGU, S. 36 f. 22 So etwa Luhmann, S. 30 f.; vgl. auch Damm, ARSP 79 (1993), 159, 160; GottschalkMazouz, S. 486. 23 So etwa Lege, in: Kaufmann/Renzikowski, S. 173, 175; Winter, KJ 1998, 518, 520 m. Fn. 6. 24 Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 76; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 32; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 213. 25 Zu den Unterscheidungen Gottschalk-Mazouz, S. 486, 487; vgl. auch Lege, in: Kaufmann/Renzikowski, S. 173, 181 f.

I. Freiheitsgewhr als Aufgabe des Privatrechts

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Dabei umfassen letztere auch die sogenannten Groß- oder Makro-Risiken26, die vor allem Gegenstand der Diskussion um die Risikogesellschaft sind27, mit denen als solche sich die vorliegende Arbeit jedoch nicht befasst. Problematisch ist hier jeweils nicht, ob das Haftungsrecht berhaupt Risiken zum Gegenstand hat, sondern nur, welche Risiken eine Haftung auslçsen, insbesondere welcher Grad an Wahrscheinlichkeit dafr im konkreten Fall vorliegen muss. Auch wenn die Einbeziehung von Risiken in die Abgrenzung der Freiheitssphren nicht neu ist, rckt sie jedoch in der Moderne dadurch in den Vordergrund, dass die Risiken, die grundstzlich Gegenstand des Haftungsrechts sein kçnnen, im Verhltnis zu frheren Zeiten zugenommen haben. Dies ist einerseits darauf zurckzufhren, dass unsere moderne Welt deutlich dichter besiedelt ist, was insbesondere, aber nicht nur fr die Ballungsrume gilt, und sich durch die Technisierung die Mçglichkeit der Beeintrchtigung potenziert hat28. Andererseits liegt es daran, dass durch den Fortschritt von Wissenschaft und Technik auch die Mçglichkeit gewachsen ist, Risiken zu kontrollieren, sich in der angesprochenen soziologischen Terminologie also Gefahren in Risiken verwandelt haben29. Diese Zunahme von Risiken fhrt nicht nur dazu, dass sich Risiken zunehmend berlagern, indem sich bei einer eingetretenen Beeintrchtigung mehrere Risiken verwirklicht haben oder haben kçnnen, was insbesondere im Rahmen der Zurechnung zu bercksichtigen ist30, sondern auch dazu, dass sich die Freiheitssphren berschneiden, also die Konflikte zwischen den Interessen der verschiedenen Rechtssubjekte zunehmen. Demgemß ist darauf hingewiesen worden, dass niemand leben kçnne, ohne anderen zu schaden oder sie zumindest zu gefhrden, und dass sich aus den Lebensbedingungen der modernen Gesellschaft ergebe, welche Beeintrchtigungen und Gefhrdungen hingenommen werden mssen31. Damit rckt die Frage der Abgrenzung der Risikosphren in den Vordergrund, die zentrales Thema der vorliegenden Arbeit ist. Gegen die Einbeziehung von Risiken in die Abgrenzung der Freiheitssphren durch das private Haftungsrecht kann dabei nicht eingewendet werden, dass dem Privatrecht an sich das Prinzip der Selbstverantwortung 26

Gottschalk-Mazouz, S. 486, 487. Vgl. Beck, Risikogesellschaft; kritisch etwa Di Fabio, Jura 1996, 566, 567 m. Fn. 1. 28 Vgl. F. Baur, AcP 160 (1961), 465; Friauf, Rn. 46 f.; RGRK-BGB/Steffen, Vor § 823 Rn. 5; H. Westermann, Maßnahmen, S. 8; in Bezug auf Grundstcke auch Erman/Lorenz, § 906 Rn. 1; hnl. in Bezug auf die Auswirkungen des Straßenverkehrs BGHZ 49, 148, 152; in Bezug auf die Technisierung etwa auch Katzenmeier, AcP 203 (2003), 79, 113 f.; von Bar, Gutachten und Vorschlge, S. 1681, 1687; Winter, KJ 1998, 518, 520; fr die Zeit der Entstehung des BGB auch Thier, S. 407, 410 ff. 29 Damm, ARSP 79 (1993), 159, 160; zur damit zusammenhngenden Neubewertung von Risiken Lege, in: Kaufmann/Renzikowski, S. 177 f.; vgl. auch Evers/Nowotny, S. 315. 30 Vgl. unten S. 304 ff. 31 Von Caemmerer, FS 100 Jahre DJT, S. 49, 79. 27

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§ 1 Ausgangspunkte

und Selbstbestimmung des Brgers zugrunde liege32 und dieses Prinzip ausgehçhlt werde, wenn an die Stelle individueller Verantwortung fr ein beherrschbares Feld von Pflichten das Einstehen fr Gefahren und Risiken tritt33. Denn die Selbstverantwortung und Selbstbestimmung entfallen noch nicht dadurch, dass sie sich auf das Setzen oder Aufrechterhalten von Risiken beziehen. Sie werden erst dann problematisch, wenn auch dann fr Risiken gehaftet wird, wenn es bei deren Setzung oder Aufrechterhaltung an der Mçglichkeit der Selbstverantwortung und Selbstbestimmung fehlt. Demgemß trifft der Einwand vor allem die Gefhrdungshaftung, nicht aber die deliktische Verschuldenshaftung. Denn die Gefhrdungshaftung kann noch nicht mit der Begrndung auf die Selbstverantwortung zurckgefhrt werden, dass der Haftende sich das Risiko durch die bernahme und Beherrschung ja zunutze mache und beherrschen kçnne34, weil diese Mçglichkeit das Fehlen der Selbstverantwortung bei der bernahme und Beherrschung des Risikos noch nicht ausschließt.

4. Die gegenseitige Bedingtheit von Freiheit und Risiko Die Einbeziehung von Risiken in die Abgrenzung von Freiheitssphren ist auch insofern mit der Funktion der Freiheitsgewhr des Haftungsrechts vereinbar, als Freiheit und Risiko ambivalent sind, indem sie sich einerseits gegenseitig bedingen und andererseits von einander abzugrenzen sind. Denn zunchst bedeutet die Freiheit auch die Freiheit von Beeintrchtigungen, so dass das Risiko von Beeintrchtigungen auch ein Risiko fr die Freiheit ist. Sodann setzt die Ausbung der Freiheit als Handlungsfreiheit regelmßig eine ußere Freiheitssphre voraus, die demgemß vor Beeintrchtigungen und damit auch den diesen vorgelagerten Risiken zu schtzen ist. Dies wird insbesondere fr das Eigentum angenommen, das in Art. 14 GG als Grundbedingung der Verwirklichung individueller Freiheit geschtzt wird35. Es gilt aber auch fr den Umweltschutz; dementsprechend liegt auch dem Staatsziel Umweltschutz des Art. 20a GG ein çkologisch-anthropozentrisches Konzept zugrunde, das zwar die Umwelt schtzt, dies aber nur mit Bezug auf den Menschen, so dass nur ein Verhalten erfasst wird, das die Freiheit und die Gter von jetzt oder in Zukunft lebenden Menschen zu beeintrchtigen geeignet ist36. 32

So Zçllner, AcP 188 (1988), 85, 95 ff. So aber Zçllner, in: Kitagawa u. a., S. 111, 116 f. 34 So aber Larenz/Wolf, § 2 Rn. 27. 35 BVerfGE 50, 290, 339; BVerfGE 97, 350, 370 f.; BVerfGE 102, 1, 15 f.; Baur/Strner, § 24 Rn. 9; Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 14 Rn. 1; MnchKomm-BGB/Scker, § 906 Rn. 3; Sachs/Wendt, Art. 14 Rn. 5; Staudinger/Seiler, Vorbem zu §§ 903 ff. Rn. 19. 36 Khl, Recht und Moral, S. 469, 475 f. 33

I. Freiheitsgewhr als Aufgabe des Privatrechts

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Schließlich fhrt die Ausbung der Freiheit regelmßig zu Risiken fr sich und andere, indem ein Verhalten das Risiko birgt, nicht nur die Integritt der eigenen Sphre zu verletzen, sondern auch diejenige fremder Sphren. Die Handlungsfreiheit des einen stellt insoweit ein Risiko des anderen dar. Insoweit gilt, dass ein Mehr an Freiheit fr den potentiell Verantwortlichen ein Weniger an Freiheit fr den Betroffenen zur Folge hat37. Dem Anspruch auf die Eingehung von Risiken steht der Anspruch auf den Schutz vor Risiken gegenber38. Dies zeigt sich wiederum am Eigentum, das weder im Verhltnis zu anderen noch zur Allgemeinheit schrankenlos ist39. Mit dem Eigentum wird demgemß eine ußere Freiheitssphre geschtzt, die nur im Interesse der Freiheit anderer eingeschrnkt werden darf40. hnlich wird die allgemeine Handlungsfreiheit verfassungsrechtlich in Art. 2 I GG nur soweit gewhrleistet, als nicht Rechte anderer verletzt werden; die Haftung stellt sich also als ein Korrelat der Handlungsfreiheit dar, indem sie andere dort vor der Verletzung ihrer Rechte schtzt, wo die Handlungsfreiheit nicht mehr gewhrleistet wird41. Das Haftungsrecht strebt demgemß einerseits nach weitgehender Handlungsfreiheit fr das einzelne Privatrechtssubjekt42, hat sich aber auch an dem Schutz der Integritt der durch die Ausbung dieser Freiheit Betroffenen zu orientieren43. Die Abgrenzung der Freiheitssphren durch das Haftungsrecht bezieht sich demgemß auf die Handlungsfreiheit und den Integrittsschutz44, die miteinander in Einklang zu bringen sind.

B. Freiheitsgewhr als Zuweisung subjektiver Rechte aufgrund einer Interessenabwgung Weiter wird davon ausgegangen, dass die Abgrenzung der Freiheitssphren durch die Zuweisung subjektiver Rechte zur Verteidigung der eigenen Freiheitssphre erfolgt. Diese beruhen auf einer Interessenabwgung, in die auch Allgemeininteressen einfließen kçnnen.

37 Vgl. fr die deliktische Haftung Staudinger/J. Hager, Vorbem zu §§ 823 ff. Rn. 12; hnl. RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 7. 38 Damm, ARSP 79 (1993), 159, 178. 39 Staudinger/Seiler, Vorbem zu §§ 903 ff. Rn. 19. 40 Khl, Recht und Moral, S. 469, 470. 41 Bullinger, FS Caemmerer, S. 297, 301 m. Fn. 16. 42 So fr die deliktische Haftung Canaris, FS Larenz, 1983, S. 27, 35 ff.; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 1. 43 Erman/Schiemann, § 823 Rn. 11. 44 Canaris, VersR 2005, 577, 591; fr das Deliktsrecht auch RGRK-BGB/Steffen, Vor § 823 Rn. 6 f.; hnl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 I 1 (S. 350); Staudinger/J. Hager, Vorbem zu §§ 823 ff. Rn. 12.

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§ 1 Ausgangspunkte

1. Freiheitsgewhr durch Zuweisung subjektiver Rechte Zentrales Instrument zur Gewhrung von Freiheitsspielrumen und Schutzbereichen der Privatrechtssubjekte ist das subjektive Recht als grundlegende Figur des Privatrechts45. Als subjektives Recht wird hier die dem Einzelnen durch die Rechtsordnung verliehene Rechtsmacht zur Befriedigung von Interessen verstanden46, genauer die Zuweisung einer Verhaltensberechtigung mit Schutz- und Ausschließlichkeitsgewhr, also die ausschließliche Befugnis zur Vornahme bestimmter Handlungen47. Soweit das Privatrecht die Freiheit positiv gewhrt, ist das subjektive Recht das Instrument, mit dem die Privatautonomie rechtliche Gestaltungsmacht erlangt, indem eben subjektive Rechte begrndet und dann auch durchgesetzt werden kçnnen. Soweit die Freiheit negativ gewhrt wird, indem Freiheitsspielrume und Schutzbereiche abgegrenzt werden, dienen die subjektiven Rechte der Zuordnung und der Durchsetzung von Schutzbereichen. Erst durch die Zuweisung eines subjektiven Rechts bekommt das Rechtssubjekt die Mçglichkeit, seine Freiheitssphre zu verteidigen. Dem subjektiven Recht kommt insoweit eine Ausschließungs- und Schutzfunktion zu. Das subjektive Recht ist, wie sein Attribut schon andeutet, von der Person seines Inhabers her gedacht, nicht vom jeweiligen Gegenstand. Subjektive Rechte dienen demgemß zunchst der Verfolgung des Eigeninteresses, nicht notwendig des Allgemeininteresses.

2. Notwendigkeit der Interessenabwgung Das subjektive Recht stellt sich dabei insofern als ambivalent dar, als es nicht nur die Gewhrleistung, sondern auch die Beschrnkung von Freiheit beinhaltet, indem mit den Rechten des einen Pflichten des anderen korrespondieren48. Aus dieser Ambivalenz folgt nicht nur die Notwendigkeit einer zustzlichen Begrndung fr die Verteilung von Lasten und Freiheiten49, sondern auch, dass dem subjektiven Recht stets eine Interessenabwgung zugrunde liegt, die in dessen Voraussetzungen zum Ausdruck kommt. Weil es bei den gesetzlichen Schuldverhltnissen an der durch die Notwendigkeit der Einigung vermittelten Interessenkongruenz fehlt, die bei den vertraglichen Schuldverhltnissen die Selbstbestimmung gewhrleisten soll50, hat die 45 Zçllner, AcP 188 (1988), 85, 95; hnl. Larenz/Wolf, § 13 Rn. 24; Medicus, AT, Rn. 70 ff. 46 Vgl. Bork, Rn. 280; Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil I, S. 428 f.; Larenz/ Wolf, § 13 Rn. 24; § 14 Rn. 1. 47 Bork, Rn. 281 f. 48 Bydlinski, System, S. 137 f. 49 Schilcher, FS Bydlinski, S. 353, 354 Fn. 7. 50 Vgl. Larenz/Wolf, § 29 Rn. 1; Medicus, AT, Rn. 430.

I. Freiheitsgewhr als Aufgabe des Privatrechts

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Interessenabwgung im Rahmen der außervertraglichen Haftung besondere Bedeutung. Das Haftungsrecht kann sich dabei weder der Abgrenzung der Freiheitssphren der Beteiligten noch der ihr notwendig als zentrales Element zugrundeliegenden Abwgung der Interessen der Beteiligten entziehen. Denn auch das Fehlen der Haftung bedeutet eine Abgrenzung der Freiheitssphren, und zwar zulasten des durch das Verhalten des Verantwortlichen Betroffenen, dessen Interessen gegenber denjenigen des Verantwortlichen zurcktreten mssen. Unter dem Gesichtspunkt der Externalisierung von Kosten trgt dann der Betroffene die durch den Verantwortlichen ausgelçsten Kosten und nimmt sie diesem ab51, was auch als Subvention aufgefasst werden kann52. Die Haftung benachteiligt also den Verantwortlichen, ihr Fehlen den Betroffenen. Sie kann damit nicht neutral sein, sondern setzt eine normative Wertung auf der Basis einer Abwgung der Interessen des potentiell Verantwortlichen und des Betroffenen voraus. Diese Wertung stellt den materialen Haftungsgrund dar. Die der Abgrenzung der Freiheitssphren der Beteiligten zugrundeliegende Interessenabwgung ist demgemß in den gesetzlichen Voraussetzungen der Haftung enthalten. Soweit diese Voraussetzungen jedoch auslegungsbedrftig sind oder unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln enthalten, ist die Abgrenzung in besonderem Maße dem Rechtsanwender aufgegeben, der damit auch eine Abwgung der Interessen vornimmt. Die Bestimmung der fr die Abgrenzung und die Interessenabwgung maßgeblichen Wertungen ist demgemß ein zentraler Gegenstand der vorliegenden Arbeit.

3. Bercksichtigung von Allgemeininteressen Es wird davon ausgegangen, dass in die Interessenabwgung nicht nur die individuellen Interessen der jeweils Beteiligten einfließen, sondern auch Allgemeininteressen bercksichtigt werden kçnnen, ohne dass dies mit der Freiheitsgewhr als Funktion des Haftungsrechts kollidiert. Die Bercksichtigung der Allgemeininteressen verschiebt dabei die Gewichte zwischen den individuellen Interessen der Beteiligten, indem diejenigen Individualinteressen, die mit den Allgemeininteressen gleich laufen, eine erhçhte Durchsetzungschance erhalten. Dieser indirekte Schutz der Allgemeininteressen ber den Schutz paralleler Individualinteressen ist insofern mit der Freiheitsfunktion des Privatrechts vereinbar, als er nur dazu fhrt, dass die Freiheitssphre des Beteiligten, dessen Interessen mit den Allgemeininteressen gleichlaufen, zulasten 51 52

Gerlach, S. 382. Bullinger, FS Caemmerer, S. 297, 302.

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§ 1 Ausgangspunkte

der Freiheitssphre des Beteiligten, dessen Interessen den Allgemeininteressen zuwiderlaufen, erweitert wird. Insbesondere fhrt dieser indirekte Schutz nicht zu einer Materialisierung des subjektiven Rechts53 in der Form, dass die Ausbung des subjektiven Rechts gebunden wird, es also nur noch ausgebt werden drfte, aber dann mçglicherweise auch msste, wenn die Ausbung dem Allgemeininteresse dient. Die Entscheidung ber die Ausbung des subjektiven Rechts wird keine gebundene Entscheidung, wie sie fr das çffentliche Recht typisch ist54, sondern bleibt grundstzlich eine freie Entscheidung. So wird die Umwelt indirekt geschtzt, wenn einem Betroffenen ein subjektives Recht zum Schutz seiner Rechtsgter gewhrt wird und entweder seine Rechtsgter selbst zur schutzwrdigen Umwelt gehçren, etwa die Bume eines Waldbesitzers, oder deren Schutz parallel auch die Umwelt schtzt, etwa indem ein Fischteichbesitzer gegen die Verschmutzung des seinen Teich speisenden Wassers vorgeht55. Dabei wird zwar die Handlungsfreiheit desjenigen beschrnkt, dessen Verhalten die Rechtsgter bedroht, gleichzeitig aber die Freiheit des Inhabers des subjektiven Rechts erweitert. Einerseits wird seine Freiheitssphre gegen Beeintrchtigungen ihrer Integritt geschtzt, andererseits wird auch seine Handlungsfreiheit erweitert, weil er nicht nur weiter ber seine bedrohten Rechtsgter verfgen kann, sondern auch sein subjektives Recht ausben kann, aber nicht muss.

II. konomische Analyse des Rechts Die hier vorausgesetzte Funktion des Haftungsrechts, die individuellen Freiheitssphren der Beteiligten voneinander abzugrenzen56, ist vor allem von der Funktion zu unterscheiden, die die im Vordringen befindliche çkonomische Analyse des Rechts dem Haftungsrecht zuweist. Denn diese beansprucht zwar, im Sinne eines normativen Individualismus auf den Zielen und Prferenzen der Gesellschaftsmitglieder zu beruhen57, zielt aber nicht auf die Abgrenzung der Freiheitssphren der konkret Beteiligten im Sinne eines individuellen Interessenausgleichs, sondern strebt eine gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt im Sinne der gesamtwirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit an. Die çkonomische Analyse des Rechts ist daher im Rahmen der Freiheitsgewhr als Aufgabe des Haftungsrechts nur eingeschrnkt zu bercksichtigen. 53 54 55 56 57

Dazu Damm, ARSP 79 (1993), 159, 175 f. Vgl. Medicus, AT, Rn. 10. Vgl. Medicus, UTR 11, S. 5, 11. Siehe oben S. 14. Schfer/Ott, S. 3.

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A. Inhalt Die çkonomische Analyse des Rechts sieht die Funktion des Rechts und vor allem des Haftungsrechts darin, eine mçglichst effiziente Ressourcenallokation zu erreichen, indem der Saldo aus Nutzen und Kosten der Aktivitten der Rechtssubjekte maximiert wird58. Dies wird insbesondere bei der Bestimmung der Verhaltenspflichten des potentiell Verantwortlichen relevant, indem die çkonomische Analyse dort zu dem Ergebnis kommt, dass die Kosten der Erfllung der Verkehrspflichten durch den potentiell Verantwortlichen entsprechend der Learned Hand-Formel das Produkt aus Schadenshçhe und Eintrittswahrscheinlichkeit nicht bersteigen drfen59, genauer die Grenzkosten strengerer Verhaltensstandards nicht hçher als der Grenznutzen dadurch zustzlich vermiedener Eingriffe sein drfen60, und dass sie nach der Figur des cheapest cost avoider nicht hçher sein drfen als die Kosten des Geschdigten zur Vermeidung des drohenden Risikos61.

B. Problematik der Voraussetzungen Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird davon ausgegangen, dass der çkonomischen Analyse des Rechts und ihrem zentralen Kriterium der Allokationseffizienz nur eingeschrnkte Bedeutung zukommt62. Zwar erscheint eine Beurteilung der çkonomischen Folgen des Haftungsrechts und der daraus jeweils resultierenden Haftung grundstzlich notwendig und legitim. Aber ihre Bedeutung wird dadurch begrenzt, dass nicht nur ihren theoretischen Prmissen gewichtige Einwnde gegenberstehen, sondern auch die Voraussetzungen fr ihre Anwendung in der Praxis in der Regel nicht vorliegen. 58 MnchKomm-BGB/Wagner, Vor § 823 Rn. 40; hnl. etwa Adams, Analyse, S. 165 ff.; Edenfeld, VersR 2002, 272, 276 f.; Gimpel-Hinteregger, S. 43 ff.; Kçtz, KF 1990, S. 14, 16 ff.; Kçtz, FS Steindorff, S. 643, 646 ff.; Schfer/Ott, S. 1, 5 ff., 157 ff.; vgl. auch Deckert, JA 1996, 712, 717; Taupitz, AcP 196 (1996), 115, 137 ff.; grundlegend Coase, JLE 3 (1960), S. 1 ff. 59 Gimpel-Hinteregger, S. 110; MnchKomm-BGB/Wagner, § 823 Rn. 249; Soergel/ Krause, § 823 Anh II Rn. 33 m. Fn. 160; zu der Learned Hand-Formel nher United States Circuit Court of Appeals, United States v. Caroll Towing Co., 159 f. 2 d 169 (2nd Cir. 1947); Kçtz/Wagner, Rn. 65 ff.; MnchKomm-BGB/Wagner, Vor § 823 Rn. 42; Schfer/ Ott, S. 121 ff., 157 ff. 60 MnchKomm-BGB/Wagner, § 823 Rn. 249; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 33 m. Fn. 160. 61 Gimpel-Hinteregger, S. 110 f.; MnchKomm-BGB/Wagner, § 823 Rn. 252; zum »cheapest cost avoider« nher Calabresi, S. 135 ff.; Kçtz/Wagner, Rn. 71; Schfer/Ott, S. 226 f.; Shavell, S. 9 ff. 62 hnl. etwa Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 33; Staudinger/J. Hager, Vorbem zu §§ 823 Rn. 15 ff.; im Prinzip auch MnchKomm-BGB/Wagner, Vor § 823 Rn. 52 ff.; vgl. auch Assmann, in: Assmann u. a., S. 17, 58; Blaschczok, S. 155 ff., 165 ff.

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So wird gegen die çkonomische Analyse des Rechts eingewendet, dass sie sich auf theoretische Modelle sttzt, deren Annahmen vielfach nicht realistisch sind63. Dies gilt insbesondere fr das zentrale Coase-Theorem, nach dem sich unter der Voraussetzung der Abwesenheit von Transaktionskosten die effizientere Ressourcennutzung in Verhandlungen zwischen Privaten und damit auf dem Markt unabhngig davon durchsetzen wird, wie die rechtlich zugewiesenen Eigentumsrechte verteilt sind, da jeweils derjenige die Ressource erwerben wird, der sie besser nutzen kann64. Bereits die zentrale Prmisse der çkonomischen Analyse des Rechts, dass es sich bei den handelnden Rechtssubjekten um rational-egoistisch handelnde Nutzenmaximierer handelt, ist offenbar nicht gegeben65. Unrealistisch ist sodann, dass die Modelle in der Regel die tatschlich vorhandenen Transaktionskosten vernachlssigen66 und die Anfangsverteilung der in Frage stehenden Interessen ausblenden67. So bercksichtigt das Coase-Theorem weder die Mçglichkeit strategischen Verhaltens68, noch, dass allgemein keine vollstndige Konkurrenz besteht und ein Informationsdefizit vorliegt, weshalb das Verhandlungsergebnis in der Regel nicht effizient ist69. Zudem erscheint das Theorem problematisch, wenn auf beiden Seiten eine Vielzahl von Verhandlungsparteien existiert, wie etwa bei der Umwelt als einem çffentlichen Gut70. Das Coase-Theorem und der ihm zugrundeliegende Verhandlungsmechanismus erscheinen daher nicht praktikabel und mit dem Verursacherprinzip als Verteilungsnorm nicht vereinbar, weshalb ihnen gerade in der Umweltçkonomie auch die Relevanz fr die Praxis abgesprochen wird71. An der Realitt vorbei geht auch, dass die çkonomische Betrachtung beim Handelnden ein çkonomisches Kalkl voraussetzt, das praktisch nur in Ausnahmefllen adquat vorgenommen werden drfte. Dies ist nicht nur auf den bereits erwhnten Einwand zurckzufhren, dass es sich bei den Verkehrsteilnehmern nicht notwendig um rational-egoistisch handelnde Nutzenmaximierer handelt. Es ist auch nicht nur in den Fllen des Augen63 Blaschczok, S. 145 ff.; Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 33; eingeschrnkt auch MnchKomm-BGB/Wagner, Vor § 823 Rn. 54; aus çkonomischer Sicht etwa auch Goodhart, MLR 60 (1997), 1, 10 ff.; Schfer/Ott, S. 104 ff.; aus Sicht der Umweltçkonomie auch Cansier, S. 38 ff. 64 Coase, JLE 3 (1960), S. 1, 6 ff. 65 MnchKomm-BGB/Wagner, Vor § 823 Rn. 54; Staudinger/J. Hager, Vorbem zu § 823 Rn. 16; kurzer berblick bei Schfer/Ott, S. 63 ff.; aus çkonomischer Sicht auch Brinkmann, S. 259 f.; Selten, JITE 146 (1990), S. 649 ff.; Selten, JITE 150 (1994), S. 42 ff. 66 Goodhart, MLR 60 (1997), 1, 11. 67 Assmann, in: Assmann u. a., S. 17, 40, 42; Cansier, S. 39 f.; Goodhart, MLR 60 (1997), 1, 11 ff.; vgl. auch Blaschczok, S. 158 f.; Schfer/Ott, S. 106 f. 68 Cansier, S. 41; Schfer/Ott, S. 105 f. 69 Cansier, S. 40 f. 70 Cansier, S. 41 f. 71 Cansier, S. 42.

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blicksversagens und der bloßen Unachtsamkeit ausgeschlossen72. Vielmehr fehlt es den Rechtssubjekten auch als Wirtschaftssubjekten an den notwendigen Kenntnissen und Fhigkeiten zur Vornahme des Kalkls73. Insbesondere neigen Menschen allgemein dazu, die Relevanz von Risiken falsch einzuschtzen74. Das ist insbesondere bei den hier vor allem interessierenden Umweltschden relevant, da diese Fehleinschtzungen dann besonders groß sind, wenn es sich um entfernt liegende Risiken handelt75. Aber auch bei wirtschaftlich kalkulierenden Unternehmen oder der çffentlichen Hand kann weder das Kalkl als solches ohne weiteres unterstellt werden76, noch die zutreffende Einschtzung von Risiken, da es konkret doch wieder von Menschen vorgenommen wird. Es drfte nur dort vorkommen, wo ein professionelles Risikomanagement existiert, insbesondere im Zusammenhang mit Versicherungen77, die aber regelmßig allenfalls indirekten Einfluss auf das Risiko und den Umgang damit haben. Aus praktischer Sicht stehen zudem die fr das çkonomische Kalkl der Rechtsanwender notwendigen Informationen in der Regel nicht zur Verfgung78. Insbesondere ist der Schadenserwartungswert als wesentliche Komponente dieses Kalkls vielfach nicht hinreichend genau festzustellen79; und selbst dort, wo eine hinreichend genaue Feststellung theoretisch mçglich ist, kann dies mit einem Aufwand verbunden sein, der mit dem der çkonomischen Betrachtung zugrunde liegenden Postulat der gesamtwirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit des Aktivittsniveaus nicht mehr vereinbar ist80. Dies gilt insbesondere auch fr Umweltschden, die sich çkonomisch nur unvollkommen erfassen lassen81. Das Fehlen der notwendigen Informationen lsst sich auch nicht damit abtun, dass bei der Rechtsanwendung keine quantitativen Aussagen erforderlich seien, sondern qualitative Urteile gengen wrden82. Denn damit scheidet insbesondere die Mçglichkeit aus, die hochentwickelten Kalkle der Mathematik fr die Lçsung konkreter Rechtsprobleme fruchtbar zu machen, da diese Kalkle auf quantitativen

72

Brggemeier, Haftungsrecht, S. 63 f. Brinkmann, S. 259; vgl. auch Arrow, S. 69 ff. 74 Brggemeier, Haftungsrecht, S. 64; Japp, KritV 1997, 80, 84 ff. 75 MnchKomm-BGB/Wagner, Vor § 823 Rn. 54. 76 So aber Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 34; eingeschrnkt auch Brggemeier, Haftungsrecht, S. 64. 77 Brggemeier, Haftungsrecht, S. 64. 78 Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 33; Staudinger/J. Hager, Vorbem zu § 823 Rn. 17; Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 157 ff.; im Ausgangspunkt auch MnchKomm-BGB/Wagner, Vor § 823 Rn. 53. 79 Brggemeier, Haftungsrecht, S. 65 f.; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 34. 80 Brggemeier, Haftungsrecht, S. 65; Dworkin, S. 281 f. 81 Vgl. Cansier, S. 16; Deckert, Rechtstheorie 26 (1995), 117, 129 f.; zu den Grenzen der Marktwirtschaft fr den Umweltschutz auch Fikentscher, S. 24 ff. 82 So aber MnchKomm-BGB/Wagner, Vor § 823 Rn. 53. 73

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Aussagen beruhen83. Die Learned Hand-Formel etwa stellt demgemß keine mathematische Formel dar, die sich berechnen ließe, indem ihren Variablen Werte zugeordnet werden, sondern ist lediglich in mathematischer Terminologie verfasst. Die çkonomische Analyse verliert damit einen Gutteil ihrer Faszination, die darin liegt, dass an die Stelle schwieriger Wertungsfragen mathematische Exaktheit tritt.

C. Abweichung von Wertungen der Rechtsordnung Darber hinaus stçßt die çkonomische Analyse des Rechts auf das entscheidende Problem, dass die Maßgeblichkeit der Effizienz im Sinne der Maximierung des çkonomisch bestimmten Gemeinwohls mit den Wertungen der Rechtsordnung kollidieren kann84, was insbesondere auch fr das Haftungsrecht gilt. So kann sie den unterschiedlichen Rang, den das geltende Recht den betroffenen Rechtsgtern und Rechten beilegt, nicht angemessen bercksichtigen. Der monetre Wert, selbst wenn er feststellbar wre, ist insoweit inadquat. Zwar mçchte die çkonomische Analyse auch immaterielle Beeintrchtigungen in das çkonomische Kalkl einfließen lassen85, aber es bleibt offen, wie diese bercksichtigt werden sollen. So lassen sich immaterielle Werte nicht adquat erfassen, insbesondere kçnnen die Schutzgter Leben sowie Kçrper und Gesundheit nicht ohne weiteres in monetre Grçßen umgerechnet werden86. Dasselbe gilt zumindest eingeschrnkt auch fr das Schutzgut des Eigentums; nicht nur lsst sich das Affektionsinteresse nur schwer bestimmen, sondern vielfach lsst sich auch eine Eigentumsbeeintrchtigung nur unvollstndig beseitigen, so dass auch die mit ihr verbundenen Kosten allenfalls unvollstndig festgestellt werden kçnnen, was insbesondere dort gilt, wo die Eigentumsbeeintrchtigung eine Umweltbeeintrchtigung beinhaltet. Dieses Problem lsst sich auch nicht dadurch vermeiden, dass auf eine aus der Risikoprmie errechnete Grçße abgestellt wird87, da auch die Risikoprmie einen monetren Wert des mit dem Eintritt des Risikos verbundenen Nachteils voraussetzt. Weiter lsst sich auch dem Gesetz entnehmen, dass die Abgrenzung der Freiheitssphren der Beteiligten nicht vorrangig nach çkonomischen Kriterien erfolgt. So gengt im Rahmen der Voraussetzungen des Angriffsnotstands gemß § 904 BGB das berwiegen des drohenden Schadens gegenber dem bei seiner Abwehr entstehenden Schaden noch nicht, sondern es 83

Vgl. Brinkmann, S. 52. hnl. Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, § 53 4 (S. 138 f.); Ott, FS Kbler, S. 21, 31 ff.; Schfer/Ott, S. 8; vgl. auch Eidenmller, S. 445 ff.; Taupitz, AcP 196 (1996), 115, 137 ff. 85 So fr die Bestimmung der Verkehrspflichten MnchKomm-BGB/Wagner, § 823 Rn. 250 mit Verweis auf Vor § 823 Rn. 55; Shavell, S. 133 ff. 86 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 4 h (S. 417); Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 34. 87 So aber MnchKomm-BGB/Wagner, Vor § 823 Rn. 55; hnl. Schfer/Ott, S. 370 ff. 84

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muss sich als unverhltnismßig darstellen, was bei einer Gegenberstellung der materiellen Werte erst bei einem berwiegen von mindestens der Hlfte angenommen wird88 und aus einer rein çkonomischen Perspektive nicht gerechtfertigt wre. Auch dass im Falle einer Duldungspflicht aus § 906 II 1 BGB an die Stelle des negatorischen Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruchs ein Ausgleichsanspruch gemß § 906 II 2 BGB tritt, zeigt, dass die Interessenabwgung in § 906 II 1 BGB nicht allein unter çkonomischen Gesichtspunkten stattfindet, da die Abwgung zunchst unabhngig davon stattfindet, inwieweit ein Wertausgleich stattfindet. Zudem spricht § 906 II 1 BGB auch insofern gegen eine reine Anwendung der çkonomischen Analyse des Rechts, als die wirtschaftlichen Zumutbarkeitsgesichtspunkte durch die Ortsblichkeit, also einen nicht çkonomischen Gesichtspunkt begrenzt werden. Schließlich ist der Schadensersatz gemß § 249 BGB zunchst auf Naturalrestitution gerichtet, also auf Wiederherstellung des verletzten Rechtsguts oder Rechts, nicht nur auf Ausgleich des çkonomisch allein relevanten Vermçgensschadens, wie sich auch darin zeigt, dass der Schadensersatz in Geld gemß § 251 II 1 BGB nicht schon dann zulssig ist, wenn die Wiederherstellungskosten den Wert des beschdigten Rechtsguts bersteigen, sondern erst, wenn sie unverhltnismßig sind. Zudem bercksichtigt die çkonomische Analyse des Rechts den fr das Haftungsrecht zentralen Aspekt der Abgrenzung von Freiheitssphren und damit der Gewhrleistung von Handlungsfreiheit nicht hinreichend. Denn aus ihrer Sicht regelt das Haftungsrecht lediglich den Preis fr die Aktivitt des potentiell Verantwortlichen89. Aber darin liegt nur eine Wirkung des Haftungsrechts, nicht aber seine Funktion90. Die Handlungsfreiheit ist damit zwar vom çkonomischen Kalkl und seinen Ergebnissen betroffen, da diese sich auf die mit der Ausbung der Handlungsfreiheit verbundenen Kosten auswirken. Aber sie fließt nicht in die çkonomische Betrachtung ein, wird also von dem çkonomischen Kalkl nicht bercksichtigt. Ihr kommt im Rahmen der çkonomischen Analyse kein eigener Wert zu. Sie stellt sich allenfalls als Funktion der finanziellen Potenz des potentiell Verantwortlichen dar. Demgemß kann sie durch das çkonomische Kalkl bermßig eingeschrnkt werden, was nicht nur im Hinblick auf ihren grund- und menschenrechtlichen Schutz problematisch ist, sondern vor allem auch deshalb, weil es deutlich macht, dass dem Haftungsrecht weder allein noch maßgeblich eine çkonomische Betrachtung zugrunde gelegt werden kann, wenn man nicht den fr unsere Gesellschafts- und Rechtsordnung zentralen Wert der Handlungsfreiheit vernachlssigen will. 88 Erman/Lorenz, § 904 Rn. 6; MnchKomm-BGB/Scker, § 904 Rn. 11; Staudinger/ Seiler, § 904 Rn. 27. 89 So Schfer/Ott, S. 79 f.; kritisch Jansen, Struktur, S. 56 ff. 90 So auch Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 34; hnl. Eidenmller, S. 341 ff.

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Ferner erscheint es zwar selbstverstndlich, dass das Recht nicht mit unnçtigen Kosten verbunden sein soll91. Aber die Frage, wann Kosten unnçtig sind, ist damit noch nicht beantwortet. Sie kann auch nicht allein von der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt her beantwortet werden. Zwar kann die volkswirtschaftliche Leistungsfhigkeit nicht unbercksichtigt bleiben, aber wenn man mit Kant von der Wrde des Menschen ausgeht, kraft der er ber »allen Preis erhaben ist«92, und den Einzelnen nicht als bloßes Mittel zum Zweck ansieht93, dann muss der Schutz der Handlungsfreiheit auch dann Geltung beanspruchen kçnnen, wenn er nach dem geschilderten Kalkl gesamtwirtschaftlich nicht vorteilhaft ist. Dasselbe gilt eingeschrnkt auch fr das Staatsziel Umweltschutz, das zwar gegenber wirtschaftlichen Argumenten nicht notwendig Vorrang beanspruchen kann, aber umgekehrt auch nicht notwendig hinter dem gesamtwirtschaftlichen Vorteil zurckstecken muss, zumal dieser die Umweltbeeintrchtigungen nur unvollkommen reflektiert, da sie nur ber die dadurch verursachten menschlichen Nutzeneinbußen als Kosten wahrgenommen werden94. Neben den der çkonomischen Analyse zugrunde liegenden Wertungen existieren also im gesetzlichen Haftungssystem weitere Wertungen, die bei der Rechtsanwendung ebenfalls zu bercksichtigen sind und sogar Vorrang beanspruchen kçnnen. Schließlich zielt die çkonomische Analyse des Rechts nicht auf einen individuellen Interessenausgleich der konkret Beteiligten, sondern auf das Allgemeininteresse. Sie beansprucht zwar, die tatschlichen Prferenzen der Rechtssubjekte abzubilden95, abstrahiert von diesen jedoch so sehr, dass die Interessen der jeweils Betroffenen nur als Rechnungswert in die Berechnung des Allgemeininteresses einfließen96. Sie gewhrleistet nicht das Pareto-Optimum, nach dem durch eine Entscheidung niemand schlechter gestellt werden darf, sondern ist nur auf die Erfllung des KaldorHicks-Kriteriums gerichtet, das nur die gedankliche Mçglichkeit der Entschdigung der durch eine Entscheidung Benachteiligten erfordert, nicht aber ihre tatschliche Entschdigung, die ihre Schlechterstellung verhindern wrde97. Dieser Mangel wird durch die Vermutung der Generalkompensation zu rechtfertigen versucht, bei der davon ausgegangen wird, dass die erlittenen Nachteile in Summe und auf Dauer ausgeglichen werden98. Aber 91

Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 32. Kant, Grundlegung, S. 434; dazu Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 4 h (S. 417). 93 Vgl. Kant, Grundlegung, S. 438; vgl. auch BVerfGE 30, 1, 26; Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 1 Rn. 5. 94 Cansier, S. 16. 95 Schfer/Ott, S. 3. 96 Seelmann, § 10 Rn. 5. 97 Cansier, S. 26 f.; Schfer/Ott, S. 30 ff. 98 Schfer/Ott, S. 35 f. 92

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ob eine derartige Generalkompensation mehr als eine Vermutung ist, erscheint zweifelhaft99; zudem ist sie notwendig nur ein statistischer Effekt, der nicht gewhrleistet, dass der von einer konkreten Entscheidung Benachteiligte im Endeffekt auch tatschlich nicht schlechter gestellt wird. Die tatschlichen Prferenzen der Rechtssubjekte spielen also in der çkonomischen Analyse des Rechts allenfalls noch eine untergeordnete Rolle. Unter der çkonomischen Analyse des Rechts kann das Haftungsrecht demgemß nur noch eingeschrnkt der Abgrenzung der Freiheitssphren der konkret Beteiligten dienen, sondern wre vor allem ein Instrument der çkonomischen Wohlfahrt der Gesamtgesellschaft.

D. Eingeschrnkte Bercksichtigung der çkonomischen Analyse Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird daran festgehalten, dass sich die Abgrenzung der Freiheitssphren als Aufgabe des Haftungsrechts vor allem auf die tatschliche Handlungsfreiheit und den Integrittsschutz der konkret Beteiligten bezieht100. Diese Abgrenzung hat dabei vor allem auf der Grundlage der gesetzlichen Wertungen zu erfolgen, die zwar auch çkonomische Gesichtspunkte und das Allgemeininteresse an einer effizienten Ressourcenallokation umfassen, diese jedoch nicht vorrangig bercksichtigen. Der çkonomischen Analyse wird dementsprechend auch von ihren Vertretern vielfach kein Absolutheitsanspruch gegenber demokratisch oder judiziell legitimierten Entscheidungen zugesprochen101. Sie kann daher bei der Anwendung des Rechts nicht allein maßgeblich sein. Der çkonomischen Effizienz kann weder notwendig Vorrang gegenber den Freiheitssphren der Beteiligten zukommen102, noch kann sie allein maßgeblich fr deren Bestimmung sein. Die Effizienz des Rechts ist kein Ziel an sich. Das bedeutet jedoch nicht, dass çkonomische Gesichtspunkte gar nicht zu bercksichtigen sind. Sie kçnnen jedoch nur dort greifen, wo das Haftungsrecht keine abweichenden Zielvorgaben und Richtungsentscheidungen vorsieht103, was aber angesichts der Ausdifferenzierung des Rechts und der dann greifenden Drittwirkung der Verfassung die Ausnahme ist.

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Vgl. Schfer/Ott, S. 35 f. So fr das Deliktsrecht RGRK-BGB/Steffen, Vor § 823 Rn. 6 f.; hnl. Esser/Weyers, § 53 4 b (S. 132 ff.); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 I 1 (S. 350); Staudinger/J. Hager, Vorbem zu §§ 823 ff. Rn. 12. 101 So etwa MnchKomm-BGB/Wagner, § 823 Rn. 52; Ott/Schfer, JZ 1998, 213, 214; Schfer/Ott, S. 6 ff.; vgl. auch fr die demokratische Legitimation Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 33; aus çkonomischer Sicht kritisch zur Bedeutung der konomischen Analyse des Rechts fr die Rechtswissenschaft auch Feess, S. 97 ff. 102 So auch Esser/Weyers, § 53 4 b (S. 138 f.). 103 hnl. Deckert, JA 1996, 712, 717; Eidenmller, S. 487; Kbler, FS Steindorff, S. 697, 698 ff.; Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 33. 100

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III. Das Verhltnis des privaten Haftungsrechts zum çffentlichen Recht Die negatorische und die deliktische Haftung des Privatrechts, die Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind, haben vielfach Sachverhalte zum Gegenstand, die nicht nur privatrechtlich geregelt sind, sondern auch vom çffentlichen Recht erfasst werden. Dabei stellt die privatrechtliche Haftung eine Ergnzung des çffentlichen-rechtlichen Schutzes dar, indem sie zum einen das Verfassungsrecht konkretisiert und zum anderen gegenber dem Verwaltungsrecht, insbesondere dem Polizei- und Umweltrecht grundstzlich autonom ist, was allerdings nicht ausschließt, dass das Verwaltungsrecht im Einzelfall Vorgaben fr das private Haftungsrecht enthlt.

A. Privatrecht und Verfassungsrecht Das Verhltnis des Privatrechts zum Verfassungsrecht hat Bedeutung insbesondere fr die Bestimmung der Verhaltenspflichten, die der negatorischen und deliktischen Haftung zugrunde liegen, aber auch allgemein fr die Auslegung und damit Anwendung der Regelungen der negatorischen und deliktischen Haftung.

1. Drittwirkung der Grundrechte im Privatrecht Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird zunchst davon ausgegangen, dass die privatrechtlichen Gesetze entsprechend der Normenhierarchie und dem Wortlaut des Art. 1 III GG an der Verfassung und insbesondere den Grundrechten zu messen sind104; Verfassungsrecht und Privatrecht kçnnen trotz ihrer ursprnglich getrennten Entwicklung nicht als vçllig disparate Rechtsgebiete aufgefasst werden105, was sich schon daran zeigt, dass das Privatrecht sonst einschließlich seiner Grundprinzipien vollstndig zur Disposition des Gesetzgebers stnde und etwa die deliktische Haftung vçllig gestrichen werden kçnnte106. Soweit von der Anwendung privatrechtlicher Vorschriften im Einzelfall Grundrechte berhrt werden, sind »diese Vorschriften im Lichte der Grundrechte auszulegen und anzuwen104 So etwa Canaris, AcP (1984), 201, 212; Canaris, Grundrechte, S. 11 ff., Dreier/H. Dreier, Vorbem Rn. 97, Art. 1 III Rn. 54; J. Hager, JZ 1994, 373, 374 f.; Jarass/Pieroth/Jarass, Vor Art. 1 Rn. 56; Stern III/1, S. 1556 ff., 1565 ff.; allgemein fr das Verfassungsrecht MnchKomm-BGB/Wagner, Vor § 823 Rn. 57; Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 20 f.; Staudinger/J. Hager, Vorbem zu §§ 823 ff. Rn. 68; vgl. auch BVerfGE 96, 375, 393 ff.; BVerfGE 97, 157, 164. 105 So aber offenbar U. Diederichsen, AcP 198 (1998), 171, 209 ff.; kritisch in Bezug auf die Privatautonomie auch Zçllner, AcP 196 (1996), 1, 8 ff. 106 MnchKomm-BGB/Wagner, Vor § 823 Rn. 58.

III. Das Verhltnis des privaten Haftungsrechts zum çffentlichen Recht

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den«107. Dies kann letztlich die Anwendung und Auslegung aller Privatrechtsnormen betreffen108. Insbesondere kann sie sich auch auf die Formulierung von Verhaltenspflichten auswirken109 und ist damit fr die Bestimmung der Verkehrspflichten relevant, die nach hier vertretener Auffassung110 nicht nur der deliktischen, sondern auch der negatorischen Haftung zugrunde liegen. Die verfassungsrechtliche Bindung des Privatrechts ußert sich dabei einerseits darin, dass dem potentiell Verantwortlichen ein Abwehrrecht zusteht, wenn privatrechtliche Normen oder die diese anwendende Rechtsprechung ein Verhalten verbieten, das grundrechtlich geschtzt ist, wobei sich ein derartiges Verbot aus der Verhaltenspflicht zur Vermeidung einer deliktischen Schadensersatzpflicht ergeben kann111, aber auch in der Verhaltenspflicht liegen kann, die Gegenstand einer negatorischen Unterlassungs- oder Beseitigungspflicht ist. Andererseits ußert sie sich darin, dass den Staat bei der privatrechtlichen Gesetzgebung und Rechtsprechung eine Schutzpflicht zugunsten des Betroffenen trifft, da er diesem zwar nicht unmittelbar Nachteile zufgt, aber doch mittelbar, wenn er ihm keinen Schutz gegenber der Nachteilszufgung durch den potentiell Verantwortlichen ermçglicht112. Dabei muss der einfachgesetzliche Schutz im Sinne des sogenannten Untermaßverbotes verfassungsrechtlichen Minimalanforderungen gengen113. So mssen etwa Grundstckseigentmer ein umweltbeeintrchtigendes Vorhaben nur hinnehmen, wenn dieses im berwiegenden Interesse der Allgemeinheit geboten ist und sie eine Kompensation erhalten114. Der Erfllung dieser Schutzpflicht dient zunchst die deliktische Haftung115. Deren Schadensersatzpflichten greifen jedoch erst nach dem Nachteilseintritt, so dass sie den Betroffenen allenfalls indirekt schtzen. Einen direkten Schutz gewhrt demgegenber die negatorische Haftung mit ihren Unterlassungs- und Beseitigungspflichten. Damit dient nicht nur die deliktische Haftung der Er107 BVerfGE 84, 192, 195; hnl. BVerfGE 103, 89, 100; Jarass/Pieroth/Jarass, Vor Art. 1 Rn. 58; Sachs/Sachs, Vor Art. 1 Rn. 32. 108 J. Hager, JZ 1994, 373, 381 ff.; Jarass/Pieroth/Jarass, Vor Art. 1 Rn. 59; Stern III/1, S. 1584; Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 21. 109 Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 21; Stern III/1, S. 1560 f., 1572 ff. 110 Siehe unten S. 141 ff. 111 Vgl. Staudinger/J. Hager, Vorbem zu §§ 823 ff. Rn. 70. 112 Vgl. Canaris, Grundrechte, 93 f.; Canaris, AcP 184 (1984), 212 f., 229 ff.; Dreier/H. Dreier, Vorbem Rn. 101; Isensee, in: Isensee/Kirchhoff V, § 111 Rn. 9–11 u. 86–88; Staudinger/J. Hager, Vorbem zu §§ 823 ff. Rn. 71. 113 BVerfGE 88, 203, 254; Canaris, AcP 184 (1984), 200, 228; Jarass/Pieroth/Jarass, Vorb. vor Art. 1 Rn. 53; MnchKomm-BGB/Wagner, Vor § 823 Rn. 58; Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 21. 114 BVerfGE 61, 82, 113; MnchKomm-BGB/Wagner, Vor § 823 Rn. 58; G. Wagner, Genehmigung, S. 123 ff. 115 Staudinger/J. Hager, Vorbem zu §§ 823 ff. Rn. 71.

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§ 1 Ausgangspunkte

fllung der Schutzpflicht, sondern auch die negatorische Haftung, die den indirekten Schutz durch einen direkten Schutz ergnzt. Die deliktische wie die negatorische Haftung sind damit dadurch gekennzeichnet, dass sowohl auf der Seite des potentiell Verantwortlichen als auch auf derjenigen des Betroffenen grundrechtlich geschtzte Positionen streiten116, die miteinander in Einklang gebracht werden mssen. Dabei scheinen die Grundrechte als Schutzpflichten zwar vordergrndig einen geringeren Schutz zu gewhren denn als Abwehrrechte117, weil sie zunchst nur den Staat verpflichten118, der Umsetzung mittels eines Gesetzes bedrfen119 und einen erheblichen Gestaltungsspielraum lassen120. Aber darin liegt keine strukturelle Bevorzugung des potentiell Verantwortlichen vor dem Betroffenen121, da die Grundrechte grundstzlich allen Beteiligten gleichermaßen Schutz gewhren122 und sich im Konfliktsfall auf beiden Seiten grundrechtlich geschtzte Interessen gegenberstehen, die miteinander in Einklang zu bringen sind, ohne dass die Interessen des einen die Interessen des anderen notwendig berwiegen. Zudem kçnnen auch die Schutzgebote ein subjektives Recht des Betroffenen enthalten123 und eine Gestaltung des Privatrechts verlangen, die die in den Grundrechten verkçrperte objektive Ordnung wahrt124. Wessen grundrechtlich geschtzte Interessen berwiegen, wie die verfassungsrechtlich geschtzten Freiheitssphren also abzugrenzen sind, ist jeweils fr den Einzelfall zu bestimmen. Diese Abgrenzung kann dabei nicht ohne weiteres unter Anwendung des Verhltnismßigkeitsprinzips erfolgen, da es insofern an dem notwendigen Bezugspunkt fehlt, weil die Freiheit des einen die Unfreiheit des anderen Betroffenen ist125. Sie ist vielmehr nach den Grundstzen der praktischen Konkordanz vorzunehmen126, so dass unter Bercksichtigung sowohl der falltypischen Gestaltung als auch 116 Allgemein fr privatrechtliche Konflikte auch BVerfGE 89, 214, 232; Jarass/Pieroth/Jarass, Vorb. vor Art. 1 Rn. 57; Maunz/Drig/Di Fabio, Art. 2 I Rn. 109; Stern III/1, S. 1579 f. 117 Vgl. Canaris, Grundrechte, S. 47. 118 Canaris, AcP 184 (1984), 228, 229. 119 BVerfGE 88, 203, 261; BVerfG, NJW 1997, 1769, 1770; Dreier/H. Dreier, Vorbem Rn. 102; Isensee, in: Isensee/Kirchhoff V, § 111 Rn. 151 f. 120 BVerfGE 97, 169, 176; Canaris, AcP 184 (1984), 228, 231; Isensee, in: Isensee/ Kirchhoff V, § 111 Rn. 151 f.; Jarass/Pieroth/Jarass, Vorb. vor Art. 1 Rn. 52; Maunz/Drig/Herdegen, Art. 1 III Rn. 23; Sachs/Sachs, Vor Art. 1 Rn. 35. 121 So aber Canaris, Grundrechte, S. 47. 122 J. Hager, JZ 1994, 373, 381; Hesse, Rn. 354; Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 21; Staudinger/J. Hager, Vorbem zu §§ 823 ff. Rn. 71. 123 BVerfGE 56, 54, 73; Maunz/Drig/Herdegen, Art. 1 III Rn. 28; Isensee, in: Isensee/ Kirchhoff V, § 111, Rn. 92; Jarass/Pieroth/Jarass, Vorb. vor Art. 1 Rn. 6. 124 BVerfGE 98, 365, 395; Jarass/Pieroth/Jarass, Vorb. vor Art. 1 Rn. 7. 125 Vgl. J. Hager, AcP 196 (1996), 168, 181 f.; MnchKomm-BGB/Wagner, Vor § 823 Rn. 59; Staudinger/J. Hager, Vorbem zu §§ 823 ff. Rn. 72. 126 Staudinger/J. Hager, Vorbem zu §§ 823 ff. Rn. 72; Stern III/1, S. 1577.

III. Das Verhltnis des privaten Haftungsrechts zum çffentlichen Recht

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der besonderen Umstnde des Einzelfalls zu entscheiden ist, welches grundrechtlich geschtzte Interesse zurckzutreten hat, soweit die Interessen nicht zum Ausgleich gebracht werden kçnnen127. Allerdings findet die Abgrenzung bei der negatorischen und deliktischen Haftung zunchst auf der Ebene des Privatrechts im Rahmen der Auslegung und Anwendung der dafr geltenden Regelungen statt128. Die Grundrechte sind demgemß vor allem bei der Bestimmung der Verhaltenspflichten, insbesondere der Verkehrspflichten zu bercksichtigen129, in welche die fr die Abgrenzung der Freiheitssphre der Beteiligten maßgeblichen Wertungen einfließen130, so dass sie ein klassisches Einfallstor131 der verfassungskonformen Anwendung und Auslegung des Privatrechts sind.

2. Drittwirkung der Staatsziele Die Ergebnisse zur Drittwirkung der Grundrechte im Privatrecht lassen sich eingeschrnkt auch auf das brige Verfassungsrecht bertragen. Zwar fehlt hier die unmittelbare Bindung der çffentlichen Gewalt gemß Art. 1 III GG. Aber Art. 20 III GG enthlt eine hnliche Bindung, da Gesetz und Recht auch die Verfassung und das Verhltnis von Verfassungsund einfachem Recht umfassen132. Damit kommt auch den Staatszielen eine mittelbare Drittwirkung zu. Fr das Staatsziel Umweltschutz wird dies durch Art. 20a GG ausdrcklich angeordnet. Es gilt demgemß auch fr die Anwendung und Auslegung des Privatrechts133 und enthlt eine Schutzpflicht, aus der auch Private zu umweltfreundlichem Verhalten verpflichtet sein kçnnen134. Die mittelbare Drittwirkung der Staatsziele hat dabei zur Konsequenz, dass bei der Abgrenzung der Freiheitssphren der Beteiligten auch Allgemeininteressen Bercksichtigung finden kçnnen, und zwar auch im Privatrecht.

127 Jarass/Pieroth/Jarass, Vorb. vor Art. 1 Rn. 49; von Mnch/Kunig/von Mnch, Vor Art. 1 Rn. 47; vgl. auch BVerfGE 35, 202, 225; BVerfGE 67, 213, 228. 128 So fr das Deliktsrecht auch MnchKomm-BGB/Wagner, Vor § 823 Rn. 60; Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 21. 129 Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 21; Stern III/1, S. 1560 f., 1572 ff. 130 Siehe unten S. 271. 131 Vgl. die Bezeichnung als Drittrichtung bei Drig, FS Nawiasky, S. 157, 167 f. 132 Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 20 Rn. 38; Sachs/Sachs, Art. 20 Rn. 107. 133 Vgl. allgemein fr einfachgesetzliche Regelungen Sachs/Murswiek, Art. 2 Rn. 201; ablehnend aber Fehn/Laschet, UPR 1998, 7, 10. 134 Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 20 Rn. 21 f.; Kloepfer, in: Bonner Kommentar, Art. 20a Rn. 29; Sachs/Murswiek, Art. 20a Rn. 56a.

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§ 1 Ausgangspunkte

3. Risikoschutz durch Verfassungsrecht Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird weiter davon ausgegangen, dass das Verfassungsrecht auch den Schutz vor Risiken umfasst, wenn diese hinreichend konkretisiert sind. Das bloße Risiko einer Grundrechtsbeeintrchtigung liegt im Allgemeinen im Vorfeld verfassungsrechtlich relevanter Grundrechtsbeeintrchtigungen, kann diesen jedoch unter Umstnden gleich zu achten sein, so dass Grundrechtsgefhrdungen einen Grundrechtseingriff darstellen kçnnen135. So stellen Risiken fr grundrechtlich geschtzte Gter grundstzlich auch dann noch keinen Eingriff dar, wenn es sich um elementare und hochrangige Gter wie Leben oder Gesundheit handelt, aber da ein wirksamer Grundrechtsschutz praktisch effizient sein muss, umfasst er auch die Bereitstellung eines Instrumentariums, das zumindest fr typische Gefahrenlagen einen effizienten Schutz gewhrleistet136. Zudem wird etwa Art. 2 II GG nicht erst verletzt, wenn die dort genannten Rechtsgter beeintrchtigt werden, sondern bereits dann, wenn eine Beeintrchtigung hinreichend wahrscheinlich ist137, wobei die erforderliche Eintrittswahrscheinlichkeit von der Grçße des potentiellen Schadens und der Wertigkeit der Rechtsgter abhngig gemacht wird138. Das Verfassungsrecht gebietet demgemß, in die Abgrenzung der Freiheitssphren der Beteiligten auch Risiken einzubeziehen, die von den Beteiligten zu verantworten oder denen sie ausgesetzt sind, ohne dass es vçllige Risikofreiheit gewhrleistet. Auf das Staatsziel Umweltschutz bezogen bedeutet dies, dass Konflikte zwischen diesem und anderen Schutzgtern einschließlich subjektiver Grundrechtspositionen nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz zu lçsen sind, da es sich um prinzipiell gleichrangige Verfassungsgter handelt139. Demgemß berwiegt der Umweltschutz weder notwendig noch in aller Regel die anderen Verfassungsgter. Dem Staatsziel Umweltschutz lsst sich aber immerhin entnehmen, dass dem Umweltschutz gegenber der Rechtslage vor der Einfhrung des Art. 20a GG ein strkeres Gewicht zukommt, da diese Vorschrift eine Verbesserung des Umweltschutzes bezweckt. Demgemß beeinflusst er etwa die Grundrechtsauslegung, indem er auf Seiten desjenigen, der die Umwelt 135 BVerfGE 51, 324, 346; BVerfGE 52, 214, 220; BVerfGE 66, 39, 57 f.; BVerfGE 77, 170, 220; Jarass/Pieroth/Jarass, vor Art. 1 Rn. 26; Sachs/Murswiek, Art. 2 Rn. 176; Stern III/2, S. 210 ff. 136 Canaris, Grundrechte, S. 77; hnl. in Bezug auf die Umwelt Sachs/Murswiek, Art. 2 Rn. 198 f. 137 BVerfGE 51, 324, 346 ff.; BVerfG, NJW 2002, 51, 52; Sachs/Murswiek, Art. 2 Rn. 176. 138 Sachs/Murswiek, Art. 2 Rn. 179; Sachs/Sachs, Vor Art. 1 Rn. 95; vgl. auch BVerfGE 52, 214, 220; BVerfG, NJW 2002, 51, 52. 139 BVerwG, NJW 1995, 2648, 2649; Maunz/Drig/Scholz, Art. 20a GG Rn. 42; hnl. Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 20a Rn. 14 ff.

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belastet, grundrechtsbegrenzend und auf Seiten desjenigen, der dadurch belastet wird, grundrechtserweiternd wirkt140. Diese Gewichtsverschiebung findet ihren Grund nicht nur in den Gesetzgebungsmaterialien141, sondern auch darin, dass die Umwelt und ihr Schutz auch schon vor der Einfhrung des Staatsziels Gegenstand der Verfassung waren, so etwa in den Art. 2 II 1 und 1 I GG, die ein çkologisches Existenzminimum schtzen142. ber die mittelbare Drittwirkung des Staatsziels Umweltschutz und der Grundrechte wirkt sie dabei auch auf das Privatrecht ein. Risikoschutz und Umweltschutz sind demgemß Bestandteil der dem Privatrecht vorgegebenen objektiven Wertordnung der Verfassung. Als solche mssen sie mit den anderen Bestandteilen dieser Ordnung in Einklang gebracht werden, vor allem mit der insbesondere durch das Privatrecht gewhrleisteten Freiheit. Dabei fließen sie allerdings nur mittelbar und eingeschrnkt in die Anwendung und Auslegung des Privatrechts ein, insbesondere durch die verfassungskonforme Auslegung im Rahmen von Auslegungs- und Wertungsspielrumen. Sie kçnnen sich vor allem bei der Bestimmung der Verhaltenspflichten auswirken, die der negatorischen und deliktischen Haftung zugrunde liegen. Die genaue Auswirkung der Verfassung auf den Risiko- und Umweltschutz durch Privatrecht lsst sich jedoch nicht abstrakt, sondern nur konkret fr jede Norm oder zumindest jeden Normkomplex bestimmen. Dabei ist zunchst deren Sinn und Zweck im Rahmen der dafr relevanten Privatrechtsdogmatik festzustellen und erst dann mit den diese betreffenden Wertungen der Verfassung zum Umweltschutz abzuwgen, die dort eine besondere Relevanz haben, wo die einschlgige Norm lter als das Staatsziel Umweltschutz ist.

B. Privatrecht und Verwaltungsrecht Das Verhltnis des Privatrechts zum çffentlichen Recht beschrnkt sich nicht auf das Verfassungsrecht, sondern betrifft auch das Verwaltungsrecht. Dies zeigt sich insbesondere in Bezug auf das Umweltrecht, unter dem zwar im Allgemeinen vor allem das çffentlich-rechtliche Umweltrecht verstanden wird, das eingehende Regelungen etwa zum Immissionsschutzrecht, Wasserrecht oder Bodenschutzrecht enthlt, zu dem aber auch das private Haftungsrecht gehçrt, das auch durch die Umweltmedien Luft, Wasser und Boden verursachte Beeintrchtigungen erfassen kann143. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird davon ausgegangen, dass das Privatrecht gegenber dem Verwaltungsrecht grundstzlich autonom ist, das Ver140

Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 24. Gemeinsame Verfassungskommission, BT-Drs. 12/6000, S. 65; Sachs/Murswiek, Art. 20a Rn. 21; Maunz/Drig/Scholz, Art. 20a GG Rn. 30. 142 Maunz/Drig/Scholz, Art. 20a GG Rn. 7 ff.; vgl. auch BVerfGE 49, 89, 140 ff. 143 Vgl. Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR Rn. 25. 141

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waltungsrecht allerdings partiell Vorgaben fr die negatorische und deliktische Haftung enthalten kann. Dies wird nicht nur insbesondere im Rahmen des § 823 II BGB und des § 906 I 2 und 3 BGB und zudem der Duldungspflichten und der Rechtswidrigkeit sowie der Schuld relevant, sondern auch bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe und vor allem der Bestimmung der Verhaltenspflichten, die nach der hier vertretenen Auffassung der negatorischen und deliktischen Haftung zugrunde liegen.

1. Grundstzliche Autonomie des Privatrechts Den Auffassungen, dass privatrechtliche und çffentlich-rechtliche Maßstbe zu vereinheitlichen sind144 oder das Privatrecht dem çffentlichen Recht untergeordnet ist145, wird hier demgemß nicht zugestimmt. Das Privatrecht ist vielmehr gegenber dem Verwaltungsrecht grundstzlich autonom. Fr die Bindung des Privatrechts an das çffentliche Recht, aber auch umgekehrt, scheint zwar der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung zu sprechen, nach dem rechtliche Normen nicht miteinander im Widerspruch stehen drfen146. Allerdings wird schon bestritten, dass die Verfassung diesbezglich als Einheit verstanden werden kçnne147, so dass erst recht nicht von einer Einheit der gesamten Rechtsordnung auszugehen sei148. Aber auch wenn man von einer entsprechenden Einheit ausgeht, wofr immerhin das Gebot der Konsistenz der Rechtsnormen spricht149, erzwingt dies noch keine Determinierung des Privatrechts durch das Verwaltungsrecht150, die sich insbesondere auf die Bestimmung der Verkehrspflichten und der Rechtswidrigkeit beziehen wrde151. Denn der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung hat nur dort eine Bindung zur Folge, wo eine entsprechende Wertungsparallelitt zwischen den Regelungen des Privat- und des Verwaltungsrechts besteht152. Wie sich etwa darin zeigt, dass behçrdliche Ge144

So BGHZ 111, 63, 66 ff.; BGHZ 120, 239, 246. So etwa Schapp, S. 30 ff., 162 ff., 241 ff.; H. Westermann, FS Larenz, 1973, S. 1003, 1024 ff.; hnl. Petersen, S. 73 ff.; im Ausgangspunkt auch U. Diederichsen, 56. DJT, S. L 48, 65 ff.; fr »faktischen Vorrang« des çffentlichen Rechts Dolderer, DVBl. 1998, 19, 26. 146 So U. Diederichsen, 56. DJT, S. L 48, 65. 147 So etwa Peine, Recht, S. 24 ff.; Peine, JZ 1990, 201, 210; Peine, NJW 1990, 2442, 2446. 148 Peine, NJW 1990, 2442, 2446; vgl. G. Wagner, Genehmigung, S. 90 ff. 149 G. Wagner, Genehmigung, S. 93 ff.; im Ausgangspunkt auch Peine, NJW 1990, 2442, 2446. 150 Peine, NJW 1990, 2442, 2446. 151 Canaris, FS Larenz, 1983, 27, 55 f.; Enders, 110 ff.; Engelhardt, S. 178 f.; Gerlach, S. 47 f., 85 ff.; Gerlach, JZ 1988, 161, 163 ff.; Lytras, S. 315 ff.; MnchKomm-BGB/Wagner, § 823 Rn. 270; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR Rn. 306; Versen, S. 104; G. Wagner, Genehmigung, S. 93 ff., 99; vgl. auch Kloepfer, UTR 11, S. 35, 63 f. 152 hnl. Selmer, S. 10; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR Rn. 306. 145

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nehmigungen in der Regel unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt werden und ihnen im Privatrecht nur in ausdrcklich genannten Einzelfllen, etwa in § 14 S. 1 BImSchG, rechtfertigende Wirkung zukommt, setzt das geltende Recht eine Wertungsparallelitt zwischen der Zulssigkeit eines Verhaltens in einem Bereich des Rechts und seiner Rechtswidrigkeit in einem anderen Bereich nicht notwendig voraus153. Vielmehr kçnnen aus den unterschiedlichen Zwecken und Funktionen der verschiedenen Rechtsgebiete und ihrer Regelungen auch unterschiedliche Verhaltensmaßstbe folgen154. Die Einheit der Rechtsordnung wre erst dann tangiert, wenn ein Verhalten einerseits geboten und andererseits verboten wre, nicht aber, wenn ein Verhalten Gegenstand einer çffentlich-rechtlichen Genehmigung und einer privatrechtlichen Haftung ist, weil die Genehmigung noch kein Handlungsgebot enthlt155. Demgemß kommt der deliktischen und negatorischen Haftung des Privatrechts eine eigenstndige Funktion gegenber dem Verwaltungsrecht zu156. Zunchst ist sie auf den Schutz privater Rechtsgter und Rechte bezogen, whrend die Vorschriften des Verwaltungsrechts dem Schutz privater Rechtsgter und Rechte allenfalls indirekt dienen, soweit sie nicht Schutzgesetze im Sinne des § 823 II BGB sind. Demgemß kann die Einhaltung verwaltungsrechtlicher Vorschriften einen Verstoß gegen die zivilrechtlichen Vorschriften nur ausschließen, soweit die Vorschriften explizit private Rechte zum Gegenstand haben und diese ausdrcklich prkludieren157, wobei es sich dann allerdings wiederum um Schutzgesetze handelt oder um das inhaltliche, nicht funktionelle Gegenteil davon, wenn nicht der Betroffene, sondern der potentiell Verantwortliche handelt. Zudem erfasst die negatorische und deliktische Haftung grundstzlich alle bestehenden Risiken. Die Vorschriften des Verwaltungsrechts und insbesondere des çffentlichen Sicherheitsrechts betreffen demgegenber hufig nur einen Teil der bestehenden Risiken158. Sie kçnnen demgemß auch allenfalls beanspruchen, gerade diese Risiken abschließend zu regeln. Schließlich dient die negatorische und deliktische Haftung der ber das çffentliche Recht hinausgehenden Abgrenzung der Freiheits- und Risikosphren im Einzelfall159. Das Verwaltungsrecht einschließlich des çffentli153

Gerlach, S. 75 f.; Selmer, S. 12; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 306. hnl. MnchKomm-BGB/Wagner, § 823 Rn. 270; Versen, S. 106 f. 155 Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 306; G. Wagner, Genehmigung, S. 93 ff., 99. 156 MnchKomm-BGB/Wagner, § 823 Rn. 270; Steffen, UTR 11, S. 71, 76 ff.; Steffen, ZVersWiss. 82 (1993), 13, 24. 157 hnl. Johlen, S. 38 f.; fr çffentlich-rechtliche Genehmigungen auch Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 48; Canaris, FS Larenz, 1983, S. 27, 56; G. Wagner, Genehmigung, S. 93 ff., 116. 158 So fr çffentlich-rechtliche Genehmigungen auch Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 48; hnl. BGH, VersR 1976, 149, 150. 159 In Bezug auf Verhaltenssteuerung auch MnchKomm-BGB/Wagner, § 823 Rn. 270. 154

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chen Sicherheitsrechts hat eine generalisierende Tendenz, orientiert sich regelmßig am Durchschnitt und ist hufig Ergebnis eines politischen Kompromisses, whrend die negatorische und deliktische Haftung auf einen an den konkreten Umstnden des Einzelfalls ausgerichtete Abgrenzung der Freiheits- und Risikosphren gerichtet ist160. Indem die negatorische und deliktische Haftung die Abgrenzung im konkreten Einzelfall und unter besonderer Bercksichtigung der Interessen des potentiell Verantwortlichen und des Betroffenen vornimmt, ergnzt sie also die grundstzlich generalisierende Verhaltenssteuerung des Verwaltungsrechts. Das Verwaltungsrecht kann damit gegenber der negatorischen und deliktischen Haftung des Privatrechts nur Vorrang beanspruchen, soweit es ausdrcklich die Abgrenzung privater Freiheits- und Risikosphren zum Gegenstand hat, die dafr relevanten Risiken vollstndig erfasst und keine generelle, sondern eine Einzelfallregelung anstrebt, was regelmßig nicht der Fall ist und hufig seine Konkretisierung durch einen Verwaltungsakt voraussetzt. Das Privatrecht ist also gegenber dem Verwaltungsrecht und insbesondere dem Verwaltungsakt grundstzlich autonom161. Dies zeigt sich auch darin, dass behçrdliche Genehmigungen nur dann rechtfertigend wirken, wenn sie gesetzlich mit Ausschlusswirkung gegenber privaten Rechten Dritter ausgestattet sind und die diesen zugemuteten Nachteile durch Gewhrung von Aufopferungs-Entschdigungsansprchen kompensiert werden162, und dass die mit ihnen verbundenen Verhaltensstandards und Auflagen auch die Verkehrspflichten des Adressaten nicht abschließend determinieren163. Auch die Vorschriften des çffentlichen Sicherheitsrechts stellen keine fr das Privatrecht verbindliche und abschließende Regelung der Verhaltenspflichten des jeweiligen Adressaten dar164. Dies gilt 160 So in Bezug auf den Integrittsschutz durch das Deliktsrecht auch Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 47; Steffen, ZVersWiss 82 (1993), 13, 17 ff.; vgl. auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 4 f (S. 416). 161 BGHZ 30, 382, 390; fr die deliktische Haftung auch Canaris, FS Larenz, 1983, S. 27, 54 ff.; U. Diederichsen, 56. DJT, S. L 48, 58 ff., 65 ff.; Gerlach, S. 74 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 4 f (S. 416); Marburger, 56. DJT, S. C 106 ff.; MnchKommBGB/Wagner, § 823 Rn. 270; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 286 auch Rn. 302 f.; van Veldhuizen, S. 190 ff.; von Bar, JuS 1988, 169, 173; G. Wagner, Genehmigung, S. 18, 84 ff. 162 So fr die deliktische Haftung MnchKomm-BGB/Wagner, § 823 Rn. 275 f., 307 f.; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 302; G. Wagner, Genehmigung, S. 123 ff.; hnl. fr die negatorische Haftung Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 55 ff.; MnchKomm-BGB/ Medicus, § 1004 Rn. 67. 163 BGH, NJW 1984, 801, 802; BGH, NJW 1985, 620, 621; BGH, NJW 1994, 2232, 2233; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 4 f (S. 416); MnchKomm-BGB/Wagner, § 823 Rn. 275 f. 164 BGHZ 139, 43, 46 f.; BGHZ 139, 79, 83; BGH, NJW 1990, 1236, 1237; BGH, NJW 1999, 2815, 2816; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 4 f (S. 416); MnchKommBGB/Wagner, § 823 Rn. 268; anders offenbar BGHZ 62, 265, 270; dazu Canaris, FS Larenz, 1983, S. 27, 55 f.; differenzierend Staudinger/J. Hager § 823 Rn. E 34.

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insbesondere auch fr die Vorgaben des çffentlichen Umweltrechts und die dieses konkretisierenden allgemeinen Verwaltungsvorschriften, wie die TA Luft und die TA Lrm165.

2. Partielle Abhngigkeit des Privatrechts vom Verwaltungsrecht Diese grundstzliche Autonomie des Privatrechts gegenber dem Verwaltungsrecht schließt jedoch nicht aus, dass sich aus dem Verwaltungsrecht in bestimmten Fllen Vorgaben fr die negatorische oder deliktische Haftung ergeben. Insoweit ist das Privatrecht partiell vom çffentlichen Recht abhngig166. Dies ist zunchst der Fall, soweit eine privatrechtliche Wirkung des Verwaltungsrechts ausdrcklich angeordnet wird, etwa in § 14 BImSchG oder § 11 WHG167 oder soweit ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB vorliegt168. Weiter beinhaltet das Verwaltungsrecht zumindest eingeschrnkte Vorgaben fr das Privatrecht, wo es eine Vermutung begrndet, die eine Bindung der negatorischen und deliktischen Haftung enthlt, soweit sie nicht durch die Umstnde des Einzelfalls widerlegt werden kann. Dies ist etwa in § 906 I 2 und 3 BGB angeordnet169 und gilt auch in § 906 II 1 BGB fr die Ortsblichkeit, die unter Bercksichtigung der verwaltungsrechtlichen Raumordnungs- und Bauleitplne sowie der entsprechenden Genehmigungen erfolgt170, bei der jedoch letztendlich die tatschliche Situation maßgeblich ist171. Auch ber § 906 BGB hinaus kommt çffentlich-rechtlichen Standards die Wirkung eines antizipierten Sachverstndigengutachtens zu, die fr das Privatrecht nur mittelbar verbindlich und im Einzelfall widerleglich sind172. So werden etwa die Verkehrspflichten insofern durch çffentlich-rechtliche drittschtzende Umweltschutzmaßstbe mitbestimmt, als diese ein regelmßig auch fr das Privatrecht 165 BGHZ 92, 143, 152; BGHZ 121, 248, 251; BGH, NJW 1997, 2748, 2749; Larenz/ Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 4 f (S. 416); MnchKomm-BGB/Wagner, § 823 Rn. 272. 166 So etwa auch Papier, NVwZ 1986, 624, 626; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 286; Wolfrum/Langenfeld, S. 220 f.; hnl. Baur, JZ 1987, 317, 322. 167 Bamberger/Roth/Fritzsche, § 906 Rn. 12; Gerlach, S. 380; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR Rn. 278. 168 Vgl. MnchKomm-BGB/Wagner, § 823 Rn. 268; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 272. 169 Bamberger/Roth/Fritzsche, § 906 Rn. 44; MnchKomm-BGB/Scker, § 906 Rn. 16. 170 Lytras, S. 311 ff.; Marburger, 56. DJT, S. C 102 ff.; MnchKomm-BGB/Scker, § 906 Rn. 91; weitergehend Schapp, S. 30 ff., 162 ff., 241 ff.; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 301. 171 Vgl. BGH, NJW 1992, 2569; Bamberger/Roth/Fritzsche, § 906 Rn. 62 f.; Erman/Lorenz, § 906 Rn. 29 f.; MnchKomm-BGB/Scker, § 906 Rn. 17 ff.; Palandt/Bassenge, § 906 Rn. 22; Staudinger/Roth, § 906 Rn. 214; differenzierend Fehn/Laschet, UPR 1998, 7, 10 f. 172 BGHZ 92, 143, 151 f.; BGHZ 111, 63, 66 ff.; BGHZ 121, 248, 251; BGH, NJW 1997, 2748, 2749; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 252; U. Diederichsen, 56. DJT, S. L 48, 58 ff., 65 ff.; MnchKomm-BGB/Wagner, § 823 Rn. 272; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 305; G. Wagner, Genehmigung, S. 18 ff., 86 ff.

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§ 1 Ausgangspunkte

maßgebliches Minimum an Sorgfalt angeben, ber das im konkreten Fall allerdings hinausgegangen werden kann173. Schließlich wird angenommen, dass durch die Einhaltung çffentlich-rechtlicher Vorgaben in der Regel das Verschulden ausgeschlossen wird, wenn nicht im Einzelfall erkennbar Anlass zu weitergehenden Schutzvorkehrungen besteht174. Diese Wirkungen des çffentlichen Rechts auf das Privatrecht lassen sich jedoch nicht verallgemeinern, sondern wirken nur punktuell. Zudem sind sie in der Regel nur indirekt und nicht abschließend, so dass das Privatrecht letztendlich eigenstndig bleibt.

IV. Relativitt der Rechtswidrigkeit Bereits im Zusammenhang mit der grundstzlichen Autonomie des Privatrechts gegenber dem Verwaltungsrecht ist angeklungen, dass die Rechtswidrigkeit relativ ist. Aufgrund dieser Relativitt wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit davon ausgegangen, dass die Rechtswidrigkeit nicht einheitlich fr die gesamte Rechtsordnung oder zumindest das Privatrecht zu bestimmen ist, sondern nur in Bezug auf die Norm, deren Anwendung jeweils in Frage steht. Denn die Auffassung, dass die Rechtswidrigkeit in der gesamten Rechtsordnung oder zumindest in der Privatrechtsordnung einheitlich zu bestimmen sei, wird aus dem Gebot der Einheit der Rechtsordnung abgeleitet175, das jedoch, wie gezeigt176, nur eingeschrnkt Geltung beansprucht. Demgemß sind die Zwecksetzungen der verschiedenen Teilrechtsordnungen zu unterschiedlich, als dass die Rechtswidrigkeitsbegriffe gleichgesetzt werden kçnnten177. Zudem ist das Rechtswidrigkeitsurteil einer Norm jeweils nur auf ihren Tatbestand bezogen178. Es erscheint daher nicht berzeugend, dass die Einheit der Rechtsordnung, so es sie denn gibt, dazu zwinge, ein Verhalten, das unter einer Norm erlaubt oder zumindest 173 BGHZ 139, 43, 46 f.; BGHZ 139, 79, 83; BGH, NJW 1999, 2364; BGH, NJW 1999, 2815, 2816; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 251; Canaris, FS Larenz, 1983, 27, 55 f.; U. Diederichsen, 56. DJT, S. L 48, 59 ff., 63; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 4 f (S. 416); Marburger, 56. DJT, S. C 110 f., 121; Taupitz, UTR 40, S. 237, 256 f.; Staudinger/ Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 273. 174 BGHZ 92, 143, 152; BGH, NJW 1997, 2748, 2749; Gerlach, S. 102 ff.; Staudinger/ Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 275. 175 RGSt 61, 242, 247; Engisch, S. 58; Jescheck/Weigend, § 31 III 1 (S. 327); Lerche, FS von der Heydte, 2. Hbd., 1977, S. 1033, 1037; Mnzberg, Verhalten, S. 14; Nipperdey, NJW 1957, 1777 ff.; hnl. Lackner/Khl, Vor § 32 Rn. 2; im Ausgangspunkt auch Soergel/ Fahse, Vor § 227 Rn. 4. 176 Siehe oben S. 36. 177 Braun, NJW 1998, 941, 942; Hellmann, S. 83 ff., 90; MnchKomm-BGB/Grothe, § 227 Rn. 1; fr das Strafrecht etwa auch H.-L. Gnther, passim, insb. S. 80 f., 393 ff.; Roxin, § 14 Rn. 33 ff. 178 So auch Soergel/Fahse, Vor § 227 Rn. 4.

IV. Relativitt der Rechtswidrigkeit

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geduldet ist, indem es von ihrem Tatbestand und damit auch hinsichtlich ihrer Rechtsfolge nicht erfasst wird, auch in Bezug auf alle anderen Normen als erlaubt oder zumindest geduldet anzusehen ist, so dass auch diese es hinsichtlich ihrer Rechtsfolge nicht erfassen. Die Differenzierung des Rechts nicht nur in Teilrechtsordnungen, sondern auch hinsichtlich der Aktiv- und Passivlegitimation und vor allem der spezifischen Verknpfung von Voraussetzungen und Rechtsfolgen spricht vielmehr dafr, die Rechtswidrigkeit zumindest insofern zu relativieren, als fr jede Anspruchsgrundlage gesondert festzustellen ist, ob ein Verhalten oder ein Zustand hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen verboten oder erlaubt ist. Dass das Verhalten von anderen Normen hinsichtlich deren Rechtsfolgen verboten oder erlaubt ist, ist dafr nur maßgeblich, wenn ausdrcklich auf diese Normen verwiesen wird oder wenn sich unauflçsbare Widersprche ergeben sollten179; andernfalls kommt ihm allenfalls Indizwirkung zu. Die Rechtswidrigkeit ist demgemß fr jede Norm gesondert festzustellen.

179

2446.

Fr Nichtgeltung der sich widersprechenden Normen aber Peine, NJW 1990, 2442,

§ 2 Verhltnis von negatorischer und deliktischer Haftung Die Abgrenzung von negatorischer und deliktischer Haftung wird bisher allgemein zu den ungelçsten Problemen des Haftungsrechts gezhlt, da der Anspruch auf Beseitigung zumindest zum Teil dieselbe wiederherstellende Wirkung hat wie der Schadensersatzanspruch, und die Gefahr besteht, dass das Verschuldenserfordernis der deliktischen Schadensersatzhaftung durch den verschuldensunabhngigen Beseitigungsanspruch der negatorischen Haftung unterlaufen wird1. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird die Auffassung vertreten, dass die Abgrenzung der negatorischen und deliktischen Haftung ber ihre Funktion erfolgt, was nicht ausschließt, dass sie sich zu einem gewissen Grad berschneiden. Sowohl die negatorische als auch die deliktische Haftung dienen danach der Abgrenzung der Freiheitsund Risikosphren der Rechtssubjekte und ergnzen sich hierbei funktionell, indem die negatorische Haftung eingreift, bevor es zu einem Nachteil in einer Sphre kommt, whrend die deliktische Haftung nach Eintritt eines solchen Nachteils greift.

I. Gemeinsamer Schutzbereich Dieses Ergnzungsverhltnis zeigt sich zunchst darin, dass der Schutzbereich der negatorischen und deliktischen Haftung dieselben Rechtsgter und Rechte umfasst.

A. Schutzbereich der deliktischen Haftung Der Schutzbereich der deliktischen Haftung umfasst im gesetzlichen System der drei kleinen deliktsrechtlichen Generalklauseln2 im Rahmen des hier besonders interessierenden § 823 I BGB die dort genannten Rechtsgter und Rechte, also Leben, Gesundheit, Kçrper, Freiheit und Eigentum sowie sonstige, dem Eigentum hnliche Rechte, zu denen inzwischen auch 1 So etwa BGH, NJW 1996, 845, 846; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 I 2 a (S. 674); Picker, Beseitigungsanspruch, S. 18 ff.; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 71 ff.; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 137 ff. 2 Vgl. nur Erman/Schiemann, Vor § 823 Rn. 1; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 I 3 a (S. 154 f.).

I. Gemeinsamer Schutzbereich

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das allgemeine Persçnlichkeitsrecht und das Recht am eingerichteten und ausgebten Gewerbebetrieb gezhlt werden3. Das Vermçgen ist als solches jedoch vom Schutzbereich des § 823 I BGB nicht erfasst, sondern wird nur im Rahmen des § 823 II BGB ber entsprechende Schutzgesetze oder im Rahmen des § 826 BGB geschtzt, wenn eine sittenwidrige vorstzliche Schdigung vorliegt4. Die Umwelt als solche wird demgegenber nicht vom Schutzbereich der deliktischen Haftung umfasst. Die Auffassung, Umweltgter seien als sonstige Rechte anzuerkennen5, steht im Widerspruch zu der Ausrichtung des § 823 I BGB auf den Schutz von Individualinteressen. Den Umweltgtern fehlt es insoweit am Zuweisungsgehalt und an der Ausschlussfunktion. Zudem wrde die Erfassung der Umweltgter als sonstige Rechte zu einer Haftung fr allgemeine Vermçgensschden fhren, die § 823 I BGB gerade nicht gewhrt6. Sie kme daher einer Popularklage nahe, die im Privatrecht allgemein abgelehnt wird7. Ebenso wenig ist der Auffassung zuzustimmen, dass der Schutz der Umwelt durch ein entsprechend weit verstandenes Allgemeines Persçnlichkeitsrecht erfasst wird, indem Umweltschden als Stçrung des emotionalen Wohlbefindens verstanden werden8, da die Voraussetzung einer solchen Stçrung nicht nur durch Beeintrchtigungen der Umwelt erfllt wird, sondern durch jeden anderen als subjektiv stçrend empfundenen Vorgang9. Zudem verschwimmt dadurch die Grenze zwischen der schdigenden Umweltbelastung und der hinzunehmenden Stçrung, weil die Grenzen und Grundlagen der Haftung fr Umweltstçrungen im Unklaren bleiben10. Konsequent angewandt wrde dies auch dazu fhren, dass jeder seine Gesinnung zumindest mittels Unterlassungs- und Beseitigungsansprchen durchsetzen kçnnte. Zudem wrde es ebenfalls zu einer Haftung fr allgemeine Vermçgensschden fhren11, da diese immer das Kriterium einer Beeintrchtigung des emotionalen Wohlbefindens erfllen 3

Vgl. nur Erman/Schiemann, § 823 Rn. 48 ff.; Palandt/Sprau, § 823 Rn. 19 f. Vgl. nur Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 0.5; MnchKomm-BGB/Wagner, § 823 Rn. 176. 5 So Kçndgen, UPR 1983, 345, 348 ff.; hnl. Godt, S. 149 ff. 6 Marburger, 56. DJT, S. C 120 f.; MnchKomm-BGB/Wagner, § 823 Rn. 169; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. B 188; hnl. Seibt, S. 50. 7 So im Ausgangspunkt auch Kçndgen, UPR 1983, 345, 349; vgl. Lytras, S. 111 m. Fn. 102. 8 So aber Forkel, S. 24 ff., 47 ff.; G. H. Roth, NJW 1972, 921, 922 f.; in Bezug auf die Gesundheitsverletzung hnl. Mçllers, Rechtsgterschutz, S. 35 ff. 9 hnl. MnchKomm-BGB/Wagner, § 823 Rn. 167. 10 So Gerlach, S. 286; Kçndgen, UPR 1983, 145, 348; Lytras, S. 91 ff.; Marburger, 56. DJT, S. C 117, 120; Medicus, JZ 1986, 778, 780; Seibt, S. 49; Selmer, S. 18; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 59; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. B 187; hnl. Kadner, S. 82 f. 11 Marburger, 56. DJT, S. C 120 f.; Selmer, S. 18; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 63; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. B 187. 4

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§ 2 Verhltnis von negatorischer und deliktischer Haftung

drften. Die Anknpfung an das allgemeine Persçnlichkeitsrecht wrde damit wiederum zu einer Art Popularklage fhren12. Die Umwelt wird also nur dort geschtzt, wo Beeintrchtigungen der Umwelt mit Beeintrchtigungen an individuellen Rechtsgtern verbunden sind13. Dies entspricht dem oben angesprochenen Befund, dass Allgemeininteressen durch subjektive Rechte nur indirekt geschtzt werden14.

B. Schutzbereich der negatorischen Haftung Der Schutzbereich der negatorischen Haftung beschrnkte sich ausweislich der Stellung und des Wortlauts des § 1004 BGB ursprnglich auf das Eigentum. Er ist aber inzwischen auch auf sonstige durch die deliktische Haftung geschtzte Rechtsgter und Rechte erweitert worden. Die negatorische Haftung ist gemß § 1004 I BGB zunchst auf Beeintrchtigungen des Eigentums bezogen15, die auch Gegenstand der deliktischen Haftung insbesondere gemß § 823 I BGB ist, wenn sie zu einem Schaden gefhrt hat. Eine Beeintrchtigung des Eigentums wird dabei vor allem bei Grundstcken angenommen16, kann aber auch bei beweglichen Sachen gegeben sein17. Es lsst sich auch nicht sagen, dass Eigentumsbeeintrchtigungen bei beweglichen Sachen nur eine geringe Rolle spielen18. Vielmehr kçnnen insbesondere Eingriffe in die Sachsubstanz und in die tatschliche Benutzung, etwa durch unerwnschten Gebrauch, auch bei beweglichen Sachen erfolgen. So kçnnen sich Beeintrchtigungen der Substanz beweglicher Sachen zwar in einem Schaden erschçpfen, fr den nur eine deliktische Haftung besteht, aber dadurch wird die Anwendbarkeit der negatorischen Haftung noch nicht ausgeschlossen19, was nicht nur fr Grundstcke, sondern auch fr bewegliche Sachen gilt. Vielmehr kçnnen derartige Beeintrchtigungen auch das Risiko weiterer Beeintrchtigungen 12 U. Diederichsen, 56. DJT, S. L 48, 76; Gerlach, S. 286; Kçndgen, UPR 1983, 345, 349; Medicus, UTR 11, S. 5, 11; MnchKomm-BGB/Wagner, § 823 Rn. 167; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. B 187; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 59; fr die negatorische Haftung auch Marburger, 56. DJT, S. C 117. 13 Medicus, JZ 1986, 778, 780; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. B 186; fr verstrkten Gesundheitsschutz demgemß Mçllers, Rechtsgterschutz, S. 35 ff., 381 f. 14 Siehe oben S. 14. 15 Zu der hier nicht zu behandelnden Frage, ob auch negative oder ideelle Beeintrchtigungen erfasst sind, vgl. etwa Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 18 ff.; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 33 ff. 16 Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 39; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 31; vgl. auch die Beispiele bei Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 16–25. 17 BGH, LM, Nr. 27 zu § 1004 BGB; BGH, NJW 2003, 3702; BGH, NJW-RR 2006, 270; BGH, NJW-RR 2006, 566; Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 39; MnchKommBGB/Medicus, § 1004 Rn. 31. 18 So aber mit Verweis auf die Rechtsprechung Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 39; jurisPK-BGB/Habermeier, § 1004 Rn. 5. 19 In diese Richtung aber Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 39.

I. Gemeinsamer Schutzbereich

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in sich bergen, wie schon die sogenannten Weiterfresserschden20 zeigen, so dass nicht nur Schadensersatzansprche, sondern grundstzlich auch Unterlassungs- und Beseitigungsansprche in Betracht kommen. hnlich kann ein Eingriff in die tatschliche Benutzung zwar eine vollstndige Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes darstellen, die allein unter § 985 BGB fallen wrde21, so dass die Anwendung des § 1004 BGB ausgeschlossen wre, muss es aber nicht. So ist etwa in der Befllung von fremden Flaschen und Behltern eine Eigentumsbeeintrchtigung gesehen worden, ohne dass ein Anspruch auf Herausgabe des Besitzes bestand22. Zudem lsst sich auch nicht sagen, dass Beeintrchtigungen beweglicher Sachen vornehmlich unter dem Gesichtspunkt des Ausgleichsanspruchs aus § 906 II 2 BGB zu sehen sind und gesehen wurden23, da es bei der Anwendung des § 1004 I BGB auf bewegliche Sachen vielfach um schlichte Unterlassungsansprche ging24. Schließlich setzt auch der Ausgleichsanspruch nach hier vertretener Auffassung zunchst einen an sich bestehenden Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch voraus, dem aber gemß § 906 II 1 BGB eine Duldungspflicht entgegensteht25. Der Schutzbereich der negatorischen Haftung umfasst jedoch nicht nur das Eigentum an Grundstcken und beweglichen Sachen. Vielmehr ist inzwischen allgemein anerkannt, dass alle deliktisch geschtzten Rechtsgter und Rechte denselben Schutz wie das Eigentum genießen26. Dass ihr Schutz hinter demjenigen des Eigentums zurckbleibt, erscheint nicht gerechtfertigt, was insbesondere fr die hçchstpersçnlichen Rechtsgter gilt, die die Rechtsordnung grundstzlich als hçherwertig einstuft27. 20 Dazu etwa BGHZ 67, 359, 363 ff.; BGHZ 86, 256, 257 ff.; BGHZ 146, 144, 148 f.; BGH, NJW 2005, 1423, 1425; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 124 f.; MnchKomm-BGB/ Wagner, § 823 Rn. 121 ff.; Soergel/Spickhoff, § 823 Rn. 80 ff.; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. B 110 ff. 21 MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 21; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 5; vgl. auch BGH, LM, Nr. 27 zu § 1004 BGB; Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 15. 22 BGH, LM, Nr. 27 zu § 1004 BGB; BGH, NJW 2003, 3702; BGH, NJW-RR 2006, 270; BGH, NJW-RR 2006, 566; Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 39; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 8; kritisch bezglich der Annahme eines Restbesitzes bei Mietvertrag aber OLG Brandenburg, OLG-NL 2004, 3, 4; Kçnig, NJW 2005, 191, 192 ff. 23 So aber offenbar Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 39. 24 So in den Fußnote 22 genannten Fllen und auch in BAG, NJW 1979, 1847. 25 Vgl. unten S. 82. 26 BGH, NJW 1998, 2058, 2059; Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 2 ff.; Baur/ Strner, § 12 Rn. 3; Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 9 f.; Erman/Schiemann, Vor § 823 Rn. 20 f.; Esser/Weyers, § 62 III (S. 263); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 I 1 (S. 673 f.); MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 6; MnchKomm-BGB/Wagner, Vor § 823 Rn. 74; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 4; Palandt/Sprau, Vor § 823 Rn. 19, 29; Soergel/ Mnch, § 1004 Rn. 112; Staudinger/J. Hager, Vor § 823 Rn. 63; kritisch auf dem Boden der Usurpationstheorie Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 4 ff., 16. 27 OLG Hamm, NJW-RR 2001, 237, 238; Erman/Lorenz, § 904 Rn. 6; Erman/E. Wagner, § 228 Rn. 7; Mçllers, Haftungsrecht, S. 189, 195 ff.; ders., Rechtsgterschutz, S. 144 ff.; MnchKomm-BGB/Grothe, § 228 Rn. 10; MnchKomm-BGB/Scker, § 904 Rn. 10; Stau-

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§ 2 Verhltnis von negatorischer und deliktischer Haftung

II. Abgrenzung von negatorischer und deliktischer Haftung Bei der Bestimmung der Funktion der negatorischen Haftung ist zunchst davon auszugehen, dass dieser gegenber der deliktischen Haftung eine eigenstndige Funktion zukommt. Die Eigenstndigkeit der negatorischen Haftung liegt dabei in ihrer Zukunftsbezogenheit. Ihre Funktion liegt allein in der Verhinderung zuknftiger Beeintrchtigungen; soweit sie zugleich bereits eingetretene Beeintrchtigungen ausgleicht, ist dies nur eine unbeabsichtigte Folge dieser Funktion, nicht jedoch ihr Gegenstand. Die negatorische Haftung ist damit nur anwendbar, soweit in der Zukunft Beeintrchtigungen drohen, dies aber unabhngig davon, ob die Beeintrchtigungen tatschlicher oder rechtlicher Art sind.

A. Bisherige Abgrenzungsversuche Eine berzeugende Abgrenzung von negatorischer und deliktischer Haftung ist bisher nicht gelungen.

1. Usurpationstheorie Die sogenannte Usurpationstheorie mçchte rein tatschliche Beeintrchtigungen des Eigentums nicht unter § 1004 I BGB fassen, sondern nur Beeintrchtigungen des rechtlichen Gehalts des Eigentums bercksichtigen, die nur dann vorlgen, wenn der Verantwortliche die Befugnisse des betroffenen Eigentmers dadurch usurpiere, dass er durch sein Handeln oder durch den Zustand seiner Sachen dessen Eigentum fr sich in Anspruch nehme und dadurch der Ausbung der Sachherrschaft durch den Berechtigten im Wege stehe, nicht aber, wenn nur die Einwirkungsfreiheit des Betroffenen auf sein Eigentum beschrnkt werde28.

a) Begrndung Die Usurpationstheorie sttzt sich im Wesentlichen auf die beiden Prmissen, dass zwischen der negatorischen und der deliktischen Haftung strikt zu trennen sei und dass die negatorische Haftung genuin sachen- und nicht dinger/Seiler, § 904 Rn. 27; bzgl. Leben auch Schçnke/Schrçder/Perron, § 34 Rn. 23 f.; kritisch Fikentscher/Heinemann, Rn. 1402. 28 Picker, Beseitigungsanspruch, S. 49 ff., 82 ff., 129; Picker, FS Lange, S. 625, 657; Picker, FS Gernhuber, S. 315, 332, 333 ff.; auch Alternativkommentar-BGB/Kohl, § 1004 Rn. 50; Buchholz/Radke, Jura 1997, 454, 459 ff.; Lobinger, JuS 1997, 981, 982 f.; A. Schmidt, S. 11 ff.; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 17; H. Westermann/Gursky, § 36 I 1 a (S. 259 ff.); Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 1396; hnl. schon Wetzel, S. 116; im Ergebnis vorsichtig zustimmend auch Taupitz, FS Hagen, S. 469, 481.

II. Abgrenzung von negatorischer und deliktischer Haftung

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schuldrechtlich zu verstehen und daher § 1004 BGB parallel zu dem komplementren Anspruch aus § 985 BGB zu konstruieren sei. Dabei knpft sie zunchst an den allgemein anerkannten Befund an, dass die Abgrenzung zwischen der Beseitigungspflicht und der Schadensersatzpflicht Schwierigkeiten bereitet29, und geht demgegenber davon aus, dass es sich bei der Eigentumsbeeintrchtigung und dem Schaden um fundamental unterschiedliche Rechtsfiguren handele, zwischen denen strikt zu trennen sei und die sich allenfalls zufllig berschneiden kçnnten, so dass sich der Beseitigungsanspruch nicht als ein um das Verschulden verkrzter Schadensersatzanspruch darstellen drfe30; andernfalls lge ein logisches Kuriosum und sachliches Unding vor31. Zudem entspreche sie der auf das klassische rçmische Recht zurckgehenden Rechtstradition, in der die negatorische und die deliktische Haftung nebeneinander bestanden htten, ohne sich gegenseitig in Frage zu stellen32. Die negatorische Haftung diene demgemß nicht der Verhinderung eines Schadens, sondern nur dem Schutz des Eigentumsrechts, so dass nur die rechtliche Integritt des Eigentums im Sinne der faktischen Rechtsusurpation durch einen Dritten erfasst werde33, whrend die kçrperliche Integritt der Sache allenfalls mittelbar geschtzt werde34. Dies habe zur Konsequenz, dass nur der Schaden lediglich einen Nachteil beim Betroffenen voraussetze, whrend es bei der Beeintrchtigung auf den Vorteil beim Verantwortlichen ankomme35. Die Beeintrchtigung weise insoweit eine Parallele nicht zum Deliktsrecht, sondern zum Bereicherungsrecht auf, weil die Rechtssphre des Verantwortlichen auf Kosten der Rechtssphre des Betroffenen so verschoben werde, dass sie das beeintrchtigte Eigentum erfasse36. Der Beseitigungsanspruch wird demgemß als genuin sachenrechtlicher Anspruch aufgefasst37. § 1004 BGB sei daher entsprechend § 985 BGB aufzufassen, da beiden Vorschriften die gleiche Struktur zugrunde liege38, so dass der Beseitigungsanspruch wie der Herausgabeanspruch darauf be29 So etwa Baur, AcP 160 (1961), 465 f., 475 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 I 2 a (S. 674); MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 71; Picker, Beseitigungsanspruch, S. 18 ff.; Picker, FS Gernhuber, S. 315, 334; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 137. 30 Picker, Beseitigungsanspruch, 30 ff., 49 ff., 85 ff.; Picker, FS Gernhuber, S. 315, 331 f., 333 ff.; Picker, FS Bydlinski, S. 269, 279 f.; zustimmend Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 139; im Ausgangspunkt auch Medicus, Schuldrecht II, Rn. 946. 31 Picker, FS Gernhuber, S. 315. 32 Picker, Beseitigungsanspruch, S. 61 ff.; Picker, FS Gernhuber, S. 315, 322; kritisch allerdings Brge, FS Canaris I, S. 59, 69 ff. 33 Picker, Beseitigungsanspruch, S. 50 f.; Picker, FS Gernhuber, S. 315, 332. 34 Picker, Beseitigungsanspruch, S. 86. 35 Picker, Beseitigungsanspruch, S. 51 f., Picker, FS Gernhuber, S. 315, 333. 36 Picker, Beseitigungsanspruch, S. 51 f.; Picker, FS Gernhuber, S. 332, 334. 37 Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 98; Picker, FS Bydlinski, S. 269, 279. 38 Picker, Beseitigungsanspruch, S. 53 f.; Picker, FS Gernhuber, S. 315, 333; Staudinger/ Gursky, § 1004 Rn. 98.

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schrnkt sei, einen dem Eigentum entsprechenden Zustand dadurch wiederherzustellen, dass die Rechtsusurpation beendet wird39. Dabei liegt eine Beeintrchtigung nur solange vor, wie die Einwirkungshandlung dauere40. Die negatorische Haftung entfalle daher mit dem Verlust und insbesondere der Dereliktion des Eigentums des Verantwortlichen an der stçrenden Sache41.

b) Kritik Die skizzierte Auffassung, dass die von der negatorischen Haftung vorausgesetzte Beeintrchtigung in einer Rechtsusurpation liegt, wird berwiegend abgelehnt42. Stattdessen wird die Auffassung vertreten, dass § 1004 I BGB auch auf tatschliche Beeintrchtigungen bezogen sei. Jenseits der Frage, ob dies nicht zumindest unter dem Gesichtspunkt der Rechtsfortbildung als geltendes Recht aufgefasst werden sollte43, sind insbesondere auch die Prmissen der Usurpationstheorie abzulehnen. Der Prmisse, dass zwischen der negatorischen und der deliktischen Haftung strikt zu trennen sei, die wiederum Voraussetzung fr ein genuin sachen- und nicht schuldrechtliches Verstndnis der negatorischen Haftung ist, stehen bereits Wortlaut und Entstehungsgeschichte entgegen, denen sich nicht entnehmen lsst, dass zwischen der Verletzung und der Beeintrchtigung des Eigentums in dem Sinne zu trennen ist, dass nur erstere auf tatschliche Beeintrchtigungen gerichtet sei, nicht aber letztere44. So lsst sich dem Wortlaut des § 1004 I BGB nicht entnehmen, dass die Beeintrchtigung eine Rechtsusurpation im Sinne der faktischen Anmaßung von Eigentmerbefugnissen voraussetzt45. Der Begriff der Beeintrchtigung umfasst vielmehr auch tatschliche Beeintrchtigungen. Dies wird auch durch die Entstehungsgeschichte besttigt, da der Gesetzgeber davon ausging, dass eine Beeintrchtigung vorliegt, wenn ein tatschlicher Zustand 39 Picker, Beseitigungsanspruch, 53 f.; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 98; hnl. Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 1380 ff.; Lobinger, JuS 1997, 981, 982; A. Schmidt, S. 10. 40 Picker, S. 86 ff.; Picker, FS Gernhuber, S. 315, 335 f.; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 99. 41 Picker, S. 113 ff.; Picker, FS Gernhuber, 315, 336 ff.; Picker, FS Bydlinski, S. 269, 309; auch Lobinger, JuS 1997, 981, 983; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 113 ff.; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 1385 ff.; bezglich Besitzaufgabe auch Alternativkommentar-BGB/Kohl, § 1004 Rn. 50 f. 42 So etwa BGH, NJW 2005, 1366, 1367; Benecke, VersR 2006, 1037, 1038 f.; Erman/ Ebbing, § 1004 Rn. 13; Erman/Hefermehl, 10. Aufl., § 1004 Rn. 7; Jabornegg/Strasser, 1976, S. 120 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 III 3 d (S. 689) u. § 86 V 2 (S. 696); MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 25 ff.; Soergel/Mnch, § 1004 Rn. 25. 43 Vgl. Stoll, AcP 162 (1963), 203, 223 ff.; hnl. Soergel/Mhl, 12. Aufl., § 1004 Rn. 29; ablehnend Picker, Beseitigungsanspruch, S. 36 f.; Picker, FS Gernhuber, S. 315, 330; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 13. 44 Vgl. auch Thier, S. 407, 409 f. 45 Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 35.

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eingetreten ist, der dem Inhalt des Eigentums zuwiderluft, und in diesem Zusammenhang von einem kçrperlichen Verhltnis spricht46. Dabei hat er den allgemeinen Begriff der »Beeintrchtigung« dem zunchst erwogenen Begriff der »Verletzung« nur deshalb vorgezogen, weil er es nicht fr mçglich hielt, alle in Betracht kommenden Mçglichkeiten der Zuwiderhandlung zu beschreiben47. Die negatorische Haftung luft also nach den Vorstellungen des Gesetzgebers insoweit parallel zur deliktischen Haftung, als sie wie diese nicht nur auf den gleichen Gegenstand, das Eigentum bezogen ist, sondern auch auf den gleichen Nachteil, die Verletzung, die von der Beeintrchtigung umfasst ist. Auch die Auffassung, dass die Beschrnkung der Beeintrchtigung auf Eingriffe in die rechtliche Integritt des Eigentums den Schutz des Eigentums zu stark einschrnke und zu erheblichen Schutzlcken fhre48, lsst sich auf die Vorstellungen des Gesetzgebers zurckfhren. Denn der Betroffene ist hier zwar jedenfalls hinsichtlich der Beseitigung nicht vçllig schutzlos, weil immerhin eine grundstzlich auf Naturalrestitution gerichtete deliktische Haftung in Betracht kommt49, so dass es allein um die Frage geht, ob die Beseitigungspflicht ein Verschulden voraussetzt oder nicht. Aber der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass der Verantwortliche alles zur Beseitigung der Beeintrchtigung Erforderliche auf eigene Kosten vorzunehmen habe50. Dem wrde die Konsequenz der Usurpationstheorie, dass die negatorische Haftung durch die Aufgabe des Eigentums an der stçrenden Sache entfllt51, zuwiderlaufen, weil dem Verantwortlichen dann im Ergebnis ein Wahlrecht zwischen der Beseitigung und der Dereliktion zukme52. Dass bei der Ablagerung von Abfall auf fremden Grundstcken der Beseitigungsanspruch entfllt, wenn das Eigentum aufgegeben wird53, ist demgemß mit der Intention des Gesetzgebers nicht vereinbar. Dasselbe gilt, wenn ein Beseitigungsanspruch bei Bodenkontaminationen nicht in 46 Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 34; vgl. auch die Motive zum BGB bei Mugdan III, S. 218, 236. 47 Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 34; vgl. auch die Protokolle zum BGB bei Jakobs/Schubert, Sachenrecht I, S. 850 ff., 852, 859. 48 So BGH, NJW 2005, 1366, 1367; Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 35; Erman/ Hefermehl, 10. Aufl., § 1004 Rn. 7; Fritzsche, S. 137 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 V 2 (S. 696); MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 25; Soergel/Mhl, 12. Aufl., § 1004 Rn. 29. 49 So auch Gursky, JZ 1996, 683, 684; Lobinger, JuS 1997, 981, 983; Picker, FS Gernhuber, S. 315, 338; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 113; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 1385. 50 Vgl. Mugdan III, S. 425 f.; vgl. auch BGH, NJW 2005, 1366, 1367; Canaris, JZ 1993, 377, 387, 390; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 III 3 d (S. 689) u. § 86 V 2 (S. 696). 51 Siehe oben S. 48. 52 Canaris, JZ 1993, 377, 387, 390; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 III 3 d (S. 689); hnl. BGH, NJW 2005, 1366, 1367; Bensching, S. 86 f.; Erman/Hefermehl, 10. Aufl. § 1004 Rn. 7; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 25.; H. Roth, JZ 1998, 94, 95; differenzierend Neuner, JuS 2005, 385, 388 f. 53 So Lobinger JuS 1997, 981, 983; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 113.

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Frage kommt, weil der Verantwortliche das Eigentum an den Immissionen verliert54. In diesen Zusammenhang gehçrt auch die Auffassung, dass die Rechtsusurpation bloß tatschliche Beeintrchtigungen nicht erfasse, insbesondere die im Rahmen von Umweltschden besonders relevanten Immissionen55. Diese Konsequenz wird von der Usurpationstheorie zwar mit dem Argument zurckgewiesen, dass es sich insofern nicht nur um tatschliche, sondern auch um rechtliche Beeintrchtigungen handele, als sie Gegenstand einer Dienstbarkeit oder sonstigen Berechtigung sein kçnnten56. Aber bei einer derartigen Verrechtlichung tatschlicher Beeintrchtigungen bleibt nicht nur unklar, welche Rolle den Duldungspflichten des § 906 BGB zukommt57. Vielmehr wird dann auch der Begriff der Rechtsusurpation konturlos, weil sich kaum eine tatschliche Beeintrchtigung denken lsst, die nicht Gegenstand einer Dienstbarkeit oder sonstigen Berechtigung sein kçnnte. Wenn es fr die Beeintrchtigung nur darauf ankommt, dass sich ein entsprechendes Recht aus dem Eigentum abspalten lsst, ist nicht erkennbar, warum tatschliche Beeintrchtigungen nicht unter § 1004 BGB fallen, da sie gemß § 903 BGB vom Inhalt des Eigentums umfasst werden und Gegenstand eines eigenen Rechts sein kçnnen. Die Prmissen, dass zwischen der negatorischen und der deliktischen Haftung strikt zu trennen sei, und vor allem, dass die negatorische Haftung genuin sachen- und nicht schuldrechtlich zu verstehen und daher § 1004 BGB parallel zu dem komplementren Anspruch aus § 985 BGB zu konstruieren sei, sind aber auch aus systematischer Sicht abzulehnen. So hat die Usurpationstheorie entgegen ihrem erklrten Ziel keinen genuin sachenrechtlichen Anspruch zum Gegenstand, der unabhngig von schuldrechtlichen Wertungen ist. Denn sie vermeidet zwar Anleihen im Deliktsrecht, greift aber stattdessen auf Elemente des Bereicherungsrechts zurck, indem der mit der Beeintrchtigung verbundene Nachteil des Betroffenen nach ihrem Verstndnis mit einem Vorteil des Verantwortlichen korrespondieren muss, der usurpiert wird58. Gegen ein genuin sachenrechtliches Verstndnis der negatorischen Haftung spricht auch, dass bei den auch als geistiges Eigentum bezeichneten Immaterialgterrechten kein vergleichbarer Gegensatz zwischen Beeintrchtigung und Schaden angenommen wird, so etwa in § 97 I UrhG und § 14a GeschmMG, wo Beseitigung, Unterlas54

Vgl. BGH, NJW 2005, 1366, 1367; vgl. auch Lobinger, JuS 1997, 981, 983. So Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 35; Herrmann, Stçrer, S. 79 ff., 92 ff., 148 ff.; Jabornegg/Strasser, S. 102 f.; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 26; vgl. auch Lobinger, JuS 1997, 981, 983; fr alleinige Anwendbarkeit des § 906 BGB Olzen, Jura 1991, 281, 284; differenzierend Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 25. 56 So Gursky, JR 1989, 397, 398; Picker, FS Gernhuber, S. 315, 347. 57 So Petersen, S. 14. 58 Steinbach, S. 84 f.; zustimmend Bensching, S. 89 f. 55

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sung und Schadensersatz nebeneinander stehen59. Zudem wird in § 12 S. 1 BGB nicht nur die Namensbestreitung neben den unbefugten Namensgebrauch gestellt60, sondern der dort gewhrte Beseitigungsanspruch lsst sich auch nicht ohne weiteres als sachenrechtlich auffassen, weil das Namensrecht vor allem als ein dem Privatrecht angehçrendes absolutes Persçnlichkeitsrecht aufgefasst wird61 und allenfalls fr den geschftlichen Bereich und als Bezeichnung eines Unternehmens als immaterielles Gterrecht gesehen wird62. Auch lsst sich die Usurpationstheorie nicht auf § 985 BGB sttzen. Daraus, dass der Herausgabeanspruch des § 985 BGB mit der Vorenthaltung des Besitzes eine besondere Form der Eigentumsbeeintrchtigung zum Gegenstand hat, lsst sich nicht schließen, dass die negatorische Haftung des § 1004 BGB hnlich strukturiert ist63. Die Beeintrchtigung des Eigentums wird als Voraussetzung des Herausgabeanspruchs positiv definiert, weil dieser gegen den frheren Besitzer ins Leere gehen wrde64, whrend sie als Voraussetzung der Unterlassungs- und Beseitigungsansprche negativ und in Abgrenzung zu der positiven Definition des Herausgabeanspruchs definiert wird. Die Vorschriften sind also hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs weniger parallel als vielmehr komplementr. Dass der Anwendungsbereich des § 1004 BGB entsprechend dem Anwendungsbereich des § 985 BGB zu beschrnken sei, lsst sich den Vorschriften dementsprechend nicht entnehmen. Zudem steht der Usurpationstheorie der possessorische Besitzschutz entgegen, da dieser neben der negatorischen Haftung anwendbar ist und zu ihr in einem Wertungswiderspruch stnde, wenn sie im Sinne der Usurpationstheorie verstanden wird65. Denn zunchst setzt § 862 BGB verbotene Eigenmacht voraus, die sich gemß § 858 I BGB wiederum vor allem auf eine Handlung des Stçrers bezieht66. Vor allem aber kann man die Beeintrchtigung des Besitzes nicht im Sinne einer Rechtsusurpation auffassen, da dieser gemß § 854 I BGB nur tatschliche Sachherrschaft voraussetzt67. 59

Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 35. Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 35. 61 BVerfGE 97, 391, 399; BGHZ 8, 318, 319; BGHZ 143, 214, 217 ff.; Canaris, Handelsrecht, § 10 Rn. 7; Erman/Saenger, § 12 Rn. 2; MnchKomm-BGB/Bayreuther, § 12 Rn. 1 ff.; Palandt/Heinrichs, § 12 Rn. 2; Staudinger/Habermann, § 12 Rn. 19 f. 62 Canaris, Handelsrecht, § 10 Rn. 7; Erman/Saenger, § 12 Rn. 2; MnchKomm-BGB/ Bayreuther, § 12 Rn. 4; Palandt/Heinrichs, § 12 Rn. 2; Staudinger/Habermann, § 12 Rn. 19. 63 Bensching, S. 87; Herrmann, Stçrer, S. 148 ff.; Herrmann, JuS 1994, 273, 277; Marc Wolf, S. 111. 64 Armbrster, NJW 2003, 3087, 3088; Marc Wolf, S. 115. 65 Bensching, S. 85 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 II 2 b (S. 677 f.) u. § 86 V 2 (S. 696); MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 27; Marc Wolf, S. 171 ff. 66 Bensching, S. 85; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 II 2 b (S. 677) u. § 86 V 2 (S. 696). 67 Bensching, S. 86; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 27; Marc Wolf, S. 168 f. 60

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Auch der unberechtigte Besitz ist geschtzt. Gegen den Versuch, die Usurpationstheorie dadurch zu retten, dass § 862 BGB im Sinne des § 1004 BGB, wie er von der Usurpationstheorie verstanden wird, interpretiert wird68, spricht, dass fr eine rechtliche Integritt des Besitzes kein Anhaltspunkt besteht. Der rein faktisch bestimmte Besitz streitet eher fr ein Verstndnis der Beeintrchtigung, das auch rein tatschliche Beeintrchtigungen umfasst, unabhngig davon, ob damit eine Rechtsusurpation verbunden ist. Zwar mag die Usurpationstheorie hinsichtlich der daraus abgeleiteten Voraussetzungen und Rechtsfolgen auch die Flle der Besitzstçrung erfassen kçnnen, indem auf eine faktische Rechtsusurpation in dem Sinne abgestellt wird, dass der Verantwortliche bezglich des Besitzes die Position innehabe, die nach der Rechtsordnung allein dem Betroffenen als Inhaber des Besitzes als rechtlich geschtzter Beziehung zukomme69. Aber der argumentative Ausgangspunkt der Begrndung der Usurpationstheorie, dass nur das Eigentumsrecht als Recht geschtzt sei70, wird damit verlassen, da der Besitz auch durch den possessorischen Besitzschutz nicht zu einem Recht wird, sondern sich gemß § 854 I BGB in der tatschlichen Sachherrschaft erschçpft. Aus systematischer Sicht spricht auch die Eigentumsdefinition des § 903 BGB fr die Einbeziehung auch tatschlicher Beeintrchtigungen in die negatorische Haftung71. Denn danach umfassen die Befugnisse des Eigentmers auch die tatschliche Nutzung, so dass die rechtliche Integritt auch tatschliche Beeintrchtigungen umfasst, die negatorische Haftung also auch diese zum Gegenstand hat72. Schließlich fhrt die Usurpationstheorie zwar zu einer Beschrnkung des Anwendungsbereichs der negatorischen Haftung und erweitert damit den eigenstndigen Anwendungsbereich der deliktischen Haftung. Dennoch ist auch im Rahmen des nach der Usurpationstheorie verbleibenden Anwendungsbereichs des negatorischen Beseitigungsanspruchs regelmßig auch die deliktische Haftung anwendbar, da in der Rechtsusurpation auch eine mit einem Schaden verbundene Eigentumsverletzung liegt, so dass die Aufgabe der usurpierten Eigentumsposition auch den Ersatz des daraus resultierenden Schadens im Wege der Naturalrestitution darstellt. Die Funktion der negatorischen Haftung lge damit nach der Usurpationstheorie in einem besonderen Schutz des rechtlichen Gehalts des Eigentums. Warum gerade das Eigentum und gerade sein rechtlicher Gehalt einen gegenber 68 Gursky, JR 1989, 397, 400; Picker, FS Gernhuber, 315, 354 f.; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 97; auch Buchholz/Radke, Jura 1997, 454, 463; Neuner, JuS 2005, 385, 388. 69 Picker, FS Gernhuber, 315, 354 f. 70 Picker, Beseitigungsanspruch, S. 50 f.; Picker, FS Gernhuber, S. 315, 332. 71 BGHZ 66, 37, 39; BGHZ 156, 172, 175; BGH, NJW 2005, 1366, 1367; Bamberger/ Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 34; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 6; Soergel/Mhl, 12. Aufl. § 1004 Rn. 29. 72 E. Wagner, S. 287 f.

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der deliktischen Haftung besonderen Schutz verdienen, bleibt offen. Zudem steht dem besonderen Schutz des Eigentums und seines rechtlichen Gehalts auch entgegen, dass die ebenfalls durch § 823 I BGB geschtzten Rechtsgter Leben sowie Kçrper und Gesundheit grundstzlich hçherwertig sind73, womit sich ihr geringerer Schutz nicht vereinbaren lsst.

2. Kausalittstheorie Auch die sogenannte Kausalittstheorie, nach der die negatorische Haftung neben der Beeintrchtigung des Eigentums nur deren Verursachung durch den Haftenden voraussetzt74, vermag die Eigenstndigkeit der negatorischen Haftung nicht zu begrnden. Zunchst kann die Kausalitt schon aufgrund der Gleichwertigkeit aller Ursachen im Sinne einer conditio sine qua non nur notwendige, nicht aber hinreichende Voraussetzung fr die Haftung sein75. Die Kausalitt verfgt aufgrund der quivalenz der Ursachen ber keine ausreichende Differenzierungsleistung, um die relevanten von der großen Menge der irrelevanten Ursachen zu unterscheiden76. Dementsprechend wird auch in der Kausalitt noch kein hinreichender Gerechtigkeitsgrund fr die Haftung gesehen77. Zudem wrde die Kausalittstheorie zu einer Verursachungshaftung fhren, die eine erheblichen Einschrnkung der Handlungsfreiheit des Verantwortlichen zur Folge htte78, was insbesondere dann gelten wrde, wenn jeder Verursachungsbeitrag zur negatorischen Haftung fhren kçnnte. Vor allem aber wrde sich die negatorische Haftung auf der Grundlage der Kausalittstheorie nicht von der deliktischen Haftung abgrenzen lassen79, da im Falle einer deliktischen Haftung immer auch eine negatorische Haftung gegeben wre.

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Siehe oben S. 45. So etwa BGHZ 17, 266, 291; BGHZ 49, 340, 347 f.; BGHZ 59, 378, 380; BGHZ 110, 313, 316 f.; Benecke, VersR 2006, 1037, 1038; Gerlach, S. 197 f., 215; Habersack, Rn. 129; Lutter/Overrath, JZ 1968, 345, 347 ff.; RGRK-BGB/Pikart, § 1004 Rn. 52; eingeschrnkt auch Herrmann, Stçrer, S. 556; aus immaterialgterrechtlicher Sicht auch Th. Dreier, S. 434 ff. 75 Armbrster, NJW 2003, 3087, 3088; Canaris, Vertrauenshaftung, S. 473 ff.; Larenz/ Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 V 1 a (S. 694); hnl. J. Wenzel, NJW 2005, 241; vgl. auch Adams, JZ 1989, 787. 76 Herrmann, Stçrer, S. 29 ff., 57. 77 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 V 1 a (S. 694 f. m. Fn. 71); Picker, Beseitigungsanspruch, S. 26 ff.; hnl. Armbrster, NJW 2003, 3087, 3088; Neuner, JuS 2005, 385, 387. 78 Vgl. Picker, FS Gernhuber, S. 315, 326 f. 79 Armbrster, NJW 2003, 3087, 3088; Neuner, JuS 2005, 385, 387; Picker, Beseitigungsanspruch, S. 30 f.; Picker, FS Gernhuber, S. 315, 322 ff.; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 97. 74

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§ 2 Verhltnis von negatorischer und deliktischer Haftung

3. Risikotheorie Die Theorie der Risikohaftung, nach der die negatorische Haftung unter dem Gesichtspunkt der Zurechnung als Risikohaftung aufgefasst wird80, vermag die Eigenstndigkeit ebenfalls noch nicht zu begrnden. Sie ist zunchst nur eine Variante der Kausalittstheorie, bei der die Verursachung bereits in der Setzung oder Aufrechterhaltung einer Risikoquelle liegt81. Als Variante der Kausalittstheorie kann sie genauso wenig wie diese angeben, wie zwischen den kausal gleichwertigen Risikoquellen zu unterscheiden ist. Denn jeder Verursachungsbeitrag beinhaltet die Setzung oder Aufrechterhaltung einer Risikoquelle. Demgemß bezieht sich auch die Risikotheorie nur auf eine notwendige, nicht aber auf eine hinreichende Bedingung der negatorischen Haftung. Vor allem aber gibt auch sie keinen berzeugenden Grund an, warum die verschuldensunabhngige negatorische Haftung neben die verschuldensabhngige deliktische Haftung treten und diese verdrngen kann, warum also bei der negatorischen Haftung auf das Verschuldenserfordernis verzichtet wird. Zwar versucht sie, die von ihr konstatierte gefhrliche Nhe zur Gefhrdungshaftung82 zu vermeiden, indem sie die Risikohaftung dadurch einzuschrnken und von der Gefhrdungshaftung abzugrenzen versucht, dass sie im Tatbestand die Fortdauer der Stçrung voraussetzt und die Rechtsfolgen auf die Pflicht zur Beseitigung der Stçrung beschrnkt83. Aber die in diesem Zusammenhang fr den Verzicht auf das Verschuldenserfordernis gegebene Begrndung, dass der Beeintrchtigte in diesen Fllen nicht gemß § 1004 II BGB zur Duldung verpflichtet sei84, vermag nicht zu berzeugen. Denn aus der fehlenden Duldungspflicht des Betroffenen ergibt sich noch nicht notwendig eine Beseitigungspflicht des Verantwortlichen, weil insoweit auch eine bloße Duldungspflicht des Verantwortlichen gegenber Beseitigungsmaßnahmen des Betroffenen denkbar wre. Die fehlende Duldungspflicht gemß § 1004 II BGB fhrt demgemß nur dann zu einer Haftung, wenn eine Beseitigungspflicht nach § 1004 I 1 BGB besteht. Damit setzt die Begrndung der Beseitigungspflicht ber die Duldungspflicht letztendlich wiederum die Beseitigungspflicht voraus, die es zu bestimmen gilt.

80 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 V 3 b (S. 697); zustimmend Knoche, S. 200 f.; Petersen, S. 15 f. 81 Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 II 2 a (S. 677). 82 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 V 3 b (S. 697); Petersen, S. 15; jenseits der Risikotheorie auch Picker, FS Gernhuber, S. 315, 360 ff.; vgl. auch Alternativkommentar/ Kohl, § 1004 Rn. 64 f. 83 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 V 3 b (S. 697); Petersen, S. 15. 84 So aber Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 V 3 b (S. 697 f.); Petersen, S. 15.

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4. actus-contrarius-Theorie Die actus-contrarius-Theorie beruht ebenfalls auf der Kausalittstheorie, mçchte diese jedoch dadurch einschrnken, dass der Anspruchsinhalt enger gefasst wird, indem nur der actus contrarius geschuldet wird, der darauf gerichtet ist, die Beeintrchtigung rckgngig oder wirkungslos zu machen85. Allerdings bleibt auch hier offen, wie sich diese Einschrnkung, die sich aus dem Wortlaut des § 1004 I 1 BGB noch nicht ergibt86, begrnden lsst. Zudem bleibt weitgehend ungeklrt, worin der actus contrarius konkret liegt87. Vor allem aber ist der actus contrarius primr auf die eingetretene Beeintrchtigung gerichtet, die rckgngig zu machen ist, vergleicht also wie die Naturalrestitution des § 249 I BGB den durch die Beeintrchtigung eingetretenen Zustand mit demjenigen ohne die Beeintrchtigung. Die entscheidende Frage ist demgegenber, welche Beeintrchtigungen vom negatorischen Beseitigungsanspruch erfasst werden und fr welche nur der deliktische Schadensersatzanspruch gilt und warum. Auch die actus-contrarius-Theorie vermag somit weder anzugeben, warum eine negatorische Haftung besteht, noch ihre Eigenstndigkeit gegenber der deliktischen Haftung zu begrnden. Ebenfalls auf eine Einschrnkung des Anspruchsinhalts luft die Ansicht hinaus, die einen Halbteilungsgrundsatz annimmt, wonach der Verantwortliche und der Betroffene die Kosten der Beseitigung je zur Hlfte zu tragen haben, da sie beide Zustandsstçrer seien und demgemß nach § 426 I 1 BGB im Zweifel zueinander zu gleichen Teilen verpflichtet seien88. Aber auch diese Ansicht vermag die Frage nicht zu beantworten, welche Beeintrchtigungen vom negatorischen Beseitigungsanspruch erfasst werden und fr welche nur der deliktische Schadensersatzanspruch gilt und warum. Insbesondere bleibt offen, warum der Verantwortliche und der Betroffene gleichstufig haften, was nach § 426 I 1 BGB nur im Zweifel der Fall ist. Im Ergebnis luft diese Lçsung entsprechend ihrer Kennzeichnung als vermittelnde Lçsung zwischen der Kausalittstheorie und der Usurpationstheorie89 auf einen Vergleich hinaus, bei dem sich die Kontrahenten in der Mitte treffen, indem die Entscheidung, ob der Beseitigungsanspruch ein Scha-

85 So Baur, AcP 160 (1961), 465, 489 f.; Baur/Strner, § 12 Rn. 20; Lettl, JuS 2005, 871, 872; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 73; Waas, VersR 2002, 1205, 1211 ff.; Wieling, Sachenrecht, § 23 IV 1 b aa (S. 372 ff.); in Bezug auf die Beseitigung der primren Stçrungsquelle auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 V 3 c (S. 698). 86 Erman/Hefermehl, 10. Aufl., § 1004 Rn. 7; hnl. Picker, Beseitigungsanspruch, S. 23; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 136. 87 Erman/Hefermehl, 10. Aufl., § 1004 Rn. 7; Jabornegg/Strasser, S. 77; Mertens, NJW 1972, 1783, 1786; Picker, FS Gernhuber, S. 315, 328 f.; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 137. 88 So Neuner, JuS 2005, 385, 390. 89 Vgl. Neuner, JuS 2005, 385, 387 f., 388 f., 389 ff.

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densersatzanspruch ist oder nicht, dadurch vermieden wird, dass der Beseitigungsanspruch als ein halber Schadensersatzanspruch aufgefasst wird.

5. Sicherungstheorie Die Sicherungstheorie geht davon aus, dass eine Zustandshaftung nur dort begrndet ist, wo objektive Sicherungspflichten bestehen, die aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhltnis und den Wertungskriterien des gesetzlichen Nachbarrechts eine Handlungspflicht begrnden und so die Zurechnung der Herbeifhrung oder Unterhaltung eines stçrenden Zustands ermçglichen90. Sie ermçglicht es zwar, mit der Pflichtwidrigkeit einen ber die Kausalitt hinausgehenden Haftungsgrund fr die negatorische Haftung anzugeben. Aber sie bezieht sie sich insoweit zunchst nur auf das Nachbarrecht, so dass offen bleibt, worin der Haftungsgrund bei Beeintrchtigungen nicht des Grundeigentums, sondern des Mobiliareigentums und der sonstigen geschtzten Rechtsgter und Rechte liegt. Vor allem aber bleibt ungeklrt, inwieweit die Pflichtwidrigkeit auch eine eigenstndige Funktion der negatorischen Haftung gegenber der deliktischen Haftung begrndet, die mit dem Verkehrspflichtverstoß ebenfalls eine Pflichtwidrigkeit als Haftungsvoraussetzung kennt. Auch sie vermag somit die Eigenstndigkeit von negatorischer und deliktischer Haftung noch nicht zu begrnden.

B. Unterschiedliche zeitliche Schutzrichtung Die diskutierten Versuche, die negatorische und deliktische Haftung ber die unterschiedliche Bestimmung der Beeintrchtigung und Verletzung auf der Tatbestandsseite oder der Beseitigung und des Schadensersatzes auf der Rechtsfolgenseite voneinander abzugrenzen, konnten nicht berzeugen. Dies findet seinen Grund darin, dass die negatorische und deliktische Haftung letztendlich dieselbe Art von Beeintrchtigungen zum Gegenstand haben, sich jedoch bezglich ihrer zeitlichen Schutzrichtung ergnzen und damit auch unterscheiden.

1. Vergangenheits- und Zukunftsbezogenheit Die deliktische Haftung bezieht sich auf Beeintrchtigungen in der Vergangenheit, indem sie bereits eingetretene Verletzungen zum Gegenstand hat. Soweit angenommen wird, die deliktische Haftung sei aufgrund ihrer Prventionsfunktion in die Zukunft gerichtet91, ist diese Zukunftsbezogenheit 90 J. Wenzel, NJW 2005, 241, 242 f.; auf eine Sicherheitspflicht abstellend auch schon Herrmann, Stçrer, S. 402 ff., 556 ff. 91 So im Zusammenhang mit dem Schadensrecht G. Wagner, 66. DJT, S. A 20.

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gegenber der Vergangenheitsbezogenheit nur sekundr, da auch die Prventionsfunktion gegenber der Kompensationsfunktion nur sekundr ist, weil die in die Zukunft gerichtete Prvention die drohende Kompensation in der Vergangenheit liegender Schden voraussetzt92. Die negatorische Haftung bezieht sich demgegenber auf Beeintrchtigungen in der Zukunft. Diese Zukunftsbezogenheit gilt nicht nur fr die negatorischen Unterlassungsansprche, sondern auch fr die negatorischen Beseitigungsansprche. Dabei ist sowohl die Frage, ob ein Beseitigungsanspruch vorliegt, als auch die Frage, wie weit dieser geht, welchen Inhalt er also hat, aus der Zukunftsbezogenheit zu bestimmen. Der unterschiedliche zeitliche Bezug der negatorischen und deliktischen Haftung klingt an, wenn der negatorische Beseitigungsanspruch dadurch vom deliktischen Schadensersatzanspruch abgegrenzt wird, dass die Beseitigung auf die Verhinderung zuknftiger Beeintrchtigungen gerichtet sei, whrend der Schadensersatz vor allem die in der Vergangenheit abgeschlossenen Beeintrchtigungen betreffe93, die Beseitigung sich also nicht auf die Folgen, sondern auf die Ursachen der Beeintrchtigungen beziehe94. Dem entspricht es, wenn die negatorische Haftung als Instrument des vorbeugenden Rechtsschutzes begriffen wird95, was insbesondere auch dann der Fall ist, wenn der Beseitigungsanspruch nur auf die Risikoquelle als solche bezogen wird96. Innerhalb der negatorischen Haftung ist damit allerdings die Gegenberstellung von Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch in der Form, dass der Beseitigungsanspruch auf gegenwrtige Beeintrchtigungen bezogen sei, whrend sich der Unterlassungsanspruch auf drohende und damit zuknftige Beeintrchtigungen richte, also nur letzterer prventiv sei97, zumindest irrefhrend. Die Ansicht, § 1004 I BGB ziele sowohl auf die Aufhebung des beeintrchtigenden Zustands als auch auf die Vermeidung knftiger Beeintrchtigungen98, geht fehl. Der Beseitigungsanspruch kann nicht als Weiterbildung des deliktischen Schadensersatzanspruchs aufgefasst werden, der lediglich hinsichtlich seiner Tatbestandsvoraussetzungen und 92

Vgl. auch unten S. 64. So BGHZ 28, 110, 113; Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 64; Medicus, Schuldrecht II, Rn. 946; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 28; Soergel/Mhl, 12. Aufl. § 1004 Rn. 112; Wieling, Sachenrecht, § 23 IV 1 b aa (S. 372 f.); vgl. auch MnchKomm-BGB/Wagner, Vor § 823 Rn. 74; im Ausgangspunkt auch Baur, AcP 160 (1961), 465, 489. 94 So BGH, NJW 2004, 1035, 1036; Erman/Hefermehl, 10. Aufl., § 1004 Rn. 7; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 71. 95 Soergel/Mnch, § 1004 Rn. 75; hnl. Picker, Beseitigungsanspruch, S. 171. 96 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 V 3 c (S. 698); hnl. RGZ 170, 317, 320; Erman/Hefermehl, 10. Aufl., § 1004 Rn. 7; Medicus, Schuldrecht II, Rn. 946. 97 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 87 I 1 (S. 704); in diese Richtung auch Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 135. 98 So Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 1. 93

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Rechtsfolgen hinter diesem zurckbleibt99. § 1004 I BGB dient allein der Vermeidung knftiger Beeintrchtigungen. Der Beseitigungsanspruch hat zwar eine gegenwrtige und damit bereits eingetretene Beeintrchtigung zum Gegenstand, dies jedoch nur, soweit diese eine Risikoquelle darstellt, also eine Ursache fr weitere Beeintrchtigungen100. Er dient damit wie der Unterlassungsanspruch der Verhinderung drohender und damit zuknftiger Beeintrchtigungen. Der Beseitigungsanspruch ist somit wie der Unterlassungsanspruch auf Prvention gerichtet101. Die Begrndung fr die Zukunftsbezogenheit der negatorischen Haftung liegt damit nicht nur darin, dass sich die negatorischen Beseitigungsansprche ber ihre Funktion und damit ihren zeitlichen Bezug berzeugend von den deliktischen Schadensersatzansprchen abgrenzen lassen. Sie ergibt sich vielmehr auch aus dem Verhltnis von Beseitigungs- und Unterlassungsansprchen, die im Rahmen der negatorischen Haftung demselben Ziel dienen, der Verhinderung drohender und damit zuknftiger Beeintrchtigungen. Der Unterlassungsanspruch des § 1004 I 2 BGB stellt dabei unstreitig darauf ab, ob Beeintrchtigungen drohen, unabhngig davon, ob dem Wortlaut der Vorschrift entsprechend Wiederholungsgefahr oder ihrem prventiven Zweck entsprechend nur Erstbegehungsgefahr vorliegt102. Er ist also auf die Verhinderung von noch nicht eingetretenen Beeintrchtigungen gerichtet, whrend die Schadensersatzansprche auf den Ausgleich bereits eingetretener Beeintrchtigungen zielen. Der Unterlassungsanspruch dient so der Vermeidung von Schadensersatzansprchen, indem er Beeintrchtigungen verhindert, die wiederum Voraussetzung fr eine Verletzung und damit fr Schadensersatzansprche sind. Der Beseitigungsanspruch des § 1004 I 1 BGB ist im Lichte des Unterlassungsanspruchs des § 1004 I 2 zu lesen. Den Abwehrrechten des § 1004 I BGB ist insoweit ein einheitliches Verstndnis zugrunde zu legen103. Sowohl der Beseitigungs- als auch der Unterlassungsanspruch sind auf die Verhinderung drohender Beeintrchtigungen gerichtet, so dass fr sie grundstzlich dieselben Prinzipien gelten. Dies wird durch die Fassung des § 1004 I BGB besttigt, der dies sowohl auf der Tatbestands- als auch auf der Rechtsfolgenseite nur in Ausschnitten regelt, aber auf die Funktion der Verhinderung drohender Beeintrchtigungen zurckzufhren ist. Auf der Rechtsfolgenseite ist der § 1004 I BGB insofern unvollstndig, als er strikt 99

So aber Esser/Weyers, § 63 IV (S. 264). Vgl. Erman/Hefermehl, 10. Aufl., § 1004 Rn. 7. 101 Erman/Hefermehl, 10. Aufl., § 1004 Rn. 20; E. Wagner, S. 273 f.; wohl auch MnchKomm-BGB/Wagner, Vor § 823 Rn. 73. 102 BGHZ 2, 394, 395 f.; BGHZ 160, 232, 236; Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 76; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 95; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 32; Soergel/Mhl, 12. Aufl., § 1004 Rn. 168; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 214. 103 Erman/Hefermehl, 10. Aufl., § 1004 Rn. 20; E. Wagner, S. 273 f. 100

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zwischen der Beseitigung als positivem Tun und dem Unterlassen unterscheidet, obwohl diese sich berschneiden kçnnen, etwa in Form einer Pflicht zum Unterlassen des Unterlassens104, und sich die Unterlassenspflicht vielfach als Pflicht zu einem positiven Tun darstellt. Auf der Tatbestandsseite ist er insofern unvollstndig, als er nicht nur in Satz 1, sondern auch in Satz 2 zunchst nur an bereits eingetretene Beeintrchtigungen anknpft, whrend die erstmals drohende Beeintrchtigung nicht geregelt ist. Beide Stze haben den Zweck, drohende weitere Beeintrchtigung zu verhindern; auch die andauernde Beeintrchtigung lsst sich als Extremfall der drohenden Beeintrchtigung auffassen, die sich dadurch auszeichnet, dass ihr Eintritt unmittelbar bevorsteht und sicher ist. Die Begrndung der allgemein anerkannten Erweiterung der Unterlassungsansprche auf erstmals drohende Beeintrchtigungen, dass es nicht entscheidend auf die eingetretene Beeintrchtigung, sondern auf die drohende Beeintrchtigung ankommt105 und der eingetretenen Beeintrchtigung nur Indizwirkung fr das Vorliegen der Wiederholungsgefahr zukommt106, wirkt so auch auf § 1004 I 1 BGB zurck. Beide Stze des § 1004 I BGB regeln damit unmittelbar nur die Flle, in denen eine Beeintrchtigung eingetreten ist und weitere Beeintrchtigungen drohen, und dienen dabei der Verhinderung der weiteren Beeintrchtigung, wobei der Beseitigungsanspruch die Flle erfasst, bei denen die Verhinderung die Beseitigung der bereits eingetretenen Beeintrchtigung erfordert, whrend der Unterlassungsanspruch die Flle erfasst, in denen dies nicht notwendig ist, weil die drohende Beeintrchtigung nicht durch die eingetretene Beeintrchtigung verursacht wird. Sie sind aber entsprechend ihrem Zweck, drohende Beeintrchtigungen zu verhindern, auch auf die Flle anzuwenden, in denen noch keine Beeintrchtigung eingetreten ist. Maßgeblich ist damit die drohende und damit zuknftige Beeintrchtigung. Insoweit lsst sich auch sagen, dass die negatorische Haftung notwendig einen Unterlassungsanspruch beinhalte107 und dass der Beseitigungsanspruch als ein Unterfall des Unterlassungsanspruchs aufzufassen sei108. Der Beseitigungsanspruch stellt sich insofern als Unterlassungsanspruch dar, bei dem die Unterlassung im Sinne der Verhinderung einer drohenden Beeintrchtigung zunchst die Beseitigung einer bereits eingetretenen Beeintrchtigung erfordert. Demgemß zeichnet sich die negatorische Haftung nicht nur hinsichtlich der Unterlassungsansprche, sondern auch hinsichtlich der Besei104 Dazu Loschelder, WRP 1999, 57, 58; hnlich Erman/Hefermehl, 10. Aufl., § 1004 Rn. 20. 105 BGHZ 2, 394, 395 f.; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 95; Soergel/Mhl, 12. Aufl., § 1004 Rn. 168; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 214. 106 Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 77; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 95; Mnzberg, JZ 1967, 689, 690; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 214. 107 Vgl. differenzierend Fritzsche, S. 211. 108 Vgl. E. Wagner, S. 270.

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tigungsansprche dadurch aus, dass sie auf die Zukunft bezogen ist, whrend die Schadensersatzansprche der deliktischen Haftung auf eingetretene Verletzungen und damit auf die Vergangenheit bezogen ist. Damit dienen sowohl die deliktische als auch die negatorische Haftung dem Schutz des Eigentums und laufen weitgehend parallel. Sie unterscheiden sich daher weniger hinsichtlich der Beeintrchtigung, auf die sie bezogen sind, als hinsichtlich der brigen Voraussetzungen und ihrer Rechtsfolgen109, insbesondere dem Verschuldenserfordernis.

2. Systemimmanente berschneidung der negatorischen und deliktischen Haftung Die unterschiedliche Funktion der negatorischen und der deliktischen Haftung schließt zwar nicht aus, dass sie sich hinsichtlich ihres Anwendungsbereiches berschneiden kçnnen. Aber der von der Usurpationstheorie erhobene Vorwurf der Doppelnormierung110 trifft nicht zu. Die berschneidung findet ihren Grund vielmehr in den unterschiedlichen Funktionen der negatorischen und der deliktischen Haftung und ist daher systemimmanent. Denn die Funktion der negatorischen Haftung, drohende Beeintrchtigungen zu verhindern, schließt nicht aus, dass dies voraussetzt, bereits eingetretene Beeintrchtigungen zu beseitigen, weil diese die Ursache fr die drohende Beeintrchtigung sind. Die mit der Verhinderung der drohenden Beeintrchtigung verbundene Beseitigung der bereits eingetretenen Beeintrchtigung ist dabei aber weder primre noch sekundre Funktion der negatorischen Haftung, sondern nur ein unvermeidlicher Nebeneffekt. Obwohl die Beseitigung der bereits eingetretenen Beeintrchtigung aus Sicht des Betroffenen regelmßig sehr willkommen sein drfte, kommt dem Beseitigungsanspruch damit keine Wiedergutmachungsfunktion zu111, sondern bleibt ein bloßer Nebeneffekt der Verhinderung drohender Beeintrchtigungen. Demgemß kann in dem mangelnden Verschuldenserfordernis der negatorischen Haftung, also darin, dass die mit der Verhinderung drohender Beeintrchtigungen verbundene Beseitigung bereits eingetretener Beeintrchtigungen kein Verschulden voraussetzt, kein Wertungswiderspruch gesehen werden. Zwar liegt insoweit eine verschuldensunabhngige Beseitigungspflicht vor, die als deliktischer Schadensersatzanspruch ein Verschulden voraussetzen wrde112. Darin liegt aber weder ein logisches Kuriosum noch 109

Bensching, S. 87 f. So ausdrcklich Picker, FS Gernhuber, S. 315, 322. 111 So aber Picker, FS Gernhuber, S. 315, 345. 112 Vgl. Medicus, Schuldrecht II, Rn. 946; Picker, Beseitigungsanspruch, S. 30 ff., 49 ff., 85 ff.; Picker, FS Gernhuber, S. 315, 331 f., 333 ff.; Picker, FS Bydlinski, S. 269, 279 f.; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 139. 110

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ein sachliches Unding113. Denn der Grund fr die Verschuldensunabhngigkeit der Pflicht, drohende Beeintrchtigungen zu verhindern, liegt darin, dass so bereits Beeintrchtigungen vermieden werden kçnnen, es also um Schadensvermeidung statt Schadensverteilung geht114. Dieser Grund entfllt jedoch nicht dadurch, dass diese Vermeidung die Beseitigung bereits eingetretener Beeintrchtigungen voraussetzt und damit umfasst. Er gilt also sowohl fr die Unterlassungs- als auch fr die Beseitigungsansprche der negatorischen Haftung. Demgegenber gilt er nicht fr die deliktischen Schadensersatzansprche, da es bei diesen nur um die Verteilung der Folgen bereits eingetretener Beeintrchtigungen geht. Die Verschuldensunabhngigkeit der Beseitigungsansprche findet ihre Rechtfertigung damit in der Funktion der negatorischen Haftung, zuknftige Beeintrchtigungen zu verhindern, und dies auch, soweit dafr bereits eingetretene Beeintrchtigungen beseitigt werden. Aufgrund dieser Funktion der negatorischen Haftung lsst sich die berschneidung des Anwendungsbereichs des Beseitigungsanspruchs mit demjenigen der Schadensersatzansprche auch nicht dadurch vermeiden, dass § 823 I BGB als speziellere Vorschrift aufgefasst wird, die dem § 1004 I 1 BGB bei Beschdigungen oder Zerstçrungen der Sachsubstanz vorgeht115. Dabei wird die Annahme einer lex specialis zwar nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass sich der Schadensersatz- und der Beseitigungsanspruch nur teilweise berschneiden116, da es gengt, dass sich der Anwendungsbereich berhaupt berschneidet, wenn die Normen trotz der unterschiedlichen Regelung den gleichen Gegenstand behandeln. Aber bei der negatorischen und der deliktischen Haftung fehlt es an diesem gleichen Gegenstand. Der Schutz der negatorischen Haftung setzt ex ante an, indem der Eintritt von Nachteilen verhindert werden soll, hat also knftige Beeintrchtigungen zum Gegenstand, whrend der Schutz der deliktischen Haftung ex post ansetzt, indem eingetretene Nachteile rckgngig gemacht oder zumindest ausgeglichen werden sollen, also bereits eingetretene Beeintrchtigungen zum Gegenstand hat, die durch die negatorische Haftung nur reflexartig und unvollstndig geschtzt werden. Wrde die deliktische Haftung als lex specialis der negatorischen Haftung vorgehen, htte dies also zur Konsequenz, dass bei fehlendem Verschulden nicht nur der auf die Vergangenheit gerichtete Schutz entfiele, sondern auch der in die Zukunft gerichtete. Das auf die Vergangenheit gerichtete Verschuldenserfordernis wrde also eine Sperrwirkung in die Zukunft entfalten.

113 114 115 116

So aber Picker, FS Gernhuber, S. 315. Dazu nher unten S. 352. So aber Armbrster, NJW 2003, 3087, 3089. So aber J. Wenzel, NJW 2005, 241, 243; hnlich Benecke, VersR 2006, 1037, 1040.

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III. Funktion der deliktischen Haftung Aufgrund ihrer unterschiedlichen zeitlichen Schutzrichtung kommen der negatorischen und der deliktischen Haftung unterschiedliche Funktionen zu. Sie dienen zwar beide der Abgrenzung der Freiheitssphren der Beteiligten. Aber die deliktische Haftung ist im Gegensatz zur negatorischen Haftung vor allem auf den Ausgleich von bereits eingetretenen Verletzungen der Freiheitssphren gerichtet, auch wenn sie damit zugleich auch eine prventive Wirkung entfalten kann. Wann die deliktische Haftung greift, wo also die Grenze zwischen den Sphren der Beteiligten verluft, kann dabei weder aus der Kompensations- noch aus der Prventionsfunktion bestimmt werden. Sie ist vielmehr Gegenstand der Abgrenzungsfunktion und wird von dieser vorausgesetzt.

A. Vergangenheitsbezogenheit Aus der zeitlichen Schutzrichtung der deliktischen Haftung ergibt sich, dass sie zunchst vergangenheitsbezogen ist. Sie knpft an eine Verletzung der geschtzten Rechtsgter und Rechte an, die in der Vergangenheit stattgefunden hat, und gewhrt Ersatz fr die Schden, die aus dieser Verletzung entstehen. Dabei wirkt die deliktische Haftung zwar auch insofern in die Zukunft, als auch erst entstehende Schden zu ersetzen sind, bleibt dabei aber insofern vergangenheitsbezogen, als der Schadensersatzanspruch erst entsteht, wenn der Schaden eingetreten ist, also eine in der Vergangenheit liegende Verletzung voraussetzt. Darber hinaus wirkt sie auch insofern in die Zukunft, als der bei einem mçglichen Verhalten drohende Schadensersatzanspruch in die Entscheidung ber dieses Verhalten einfließen kann, was aber nichts daran ndert, dass der deliktische Schadensersatzanspruch nicht an eine zuknftige Verletzung der geschtzten Rechtsgter und Rechte anknpft, sondern eine bereits eingetretene Verletzung voraussetzt. Schließlich kann sie auch insofern in die Zukunft wirken, als durch die Beseitigung bereits eingetretener Beeintrchtigungen im Wege des deliktischen Schadensersatzes auch die Ursache fr eine drohende Beeintrchtigung beseitigt und diese mithin verhindert wird. Aber auch hier wird die eingetretene Beeintrchtigung nicht im Hinblick auf die Verhinderung der drohenden Beeintrchtigung beseitigt, sondern um den in ihr selbst liegenden Nachteil fr den Betroffenen auszugleichen.

B. Kompensationsfunktion Die unmittelbare Funktion der deliktischen Haftung liegt in der Kompensation erlittener Schden. Denn die deliktische Haftung bezieht sich auf be-

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reits eingetretene Verletzungen ihres Schutzbereichs und ordnet den Ersatz des daraus entstehenden Schadens an; dieser Schadensersatz ist gemß § 249 I BGB darauf gerichtet, den Zustand vor der Verletzung wieder herzustellen, die Verletzung also auszugleichen. Der deliktischen Haftung kommt damit zunchst eine Ausgleichsfunktion zu117. Gegen die Ausgleichsfunktion lsst sich nicht einwenden, dass das Deliktsrecht insoweit durch das Sozial- und Privatversicherungsrecht berlagert werde, indem dieses den Schaden unabhngig von einer deliktischen Haftung ausgleiche und das Deliktsrecht nur noch die Mçglichkeit des Regresses zum Gegenstand habe118. Denn dieser Befund ndert zunchst nichts daran, dass das Deliktsrecht als solches den Ausgleich von Schden zum Gegenstand hat und diese Funktion jedenfalls dort erfllt, wo es anwendbar ist und angewendet wird. Insoweit wird es auch nicht vollstndig vom Sozial- und Privatversicherungsrecht verdrngt oder auch nur berlagert119. Dass seine Funktion auch durch andere Ausgleichsmechanismen erfllt wird, ndert noch nichts daran, dass ihm diese Funktion auch zukommt. Zudem fhrt es auch dort zu einem Ausgleich, wo es Grundlage fr einen Regress oder auch nur ein Schadensteilungsabkommen ist, also zumindest mediatisiert wirkt120. Im Bereich der Haftpflichtverletzung ist es sogar Voraussetzung fr den Eintritt des Versicherungsfalls, auch wenn die Ausgleichspflicht weniger den fr den Schaden Verantwortlichen als den Haftpflichtversicherer trifft. Die Kompensationsfunktion ist allerdings insofern inhaltsleer121, als sich aus ihr noch nicht ableiten lsst, wann eine Kompensation geboten ist122, wo also die Grenze zwischen der Freiheitssphre des potentiell Verantwortlichen und der Freiheitssphre des Betroffenen verluft. Sie definiert diese Grenze nicht, sondern setzt ihre Existenz voraus, indem sie an ihre Verletzung anknpft.

117 Brggemeier, Haftungsrecht, S. 9; Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 17; Th. Dreier, S. 147; Kleindiek, S. 198; Lange, in: Lange/Schiemann, Einl. III 2 a (S. 9 ff.); Larenz, Schuldrecht I, § 27 I (S. 424); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 I 2 i (S. 354); Prtting/Wegen/Weinreich/Schaub, § 823 Rn. 3; Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 30; Staudinger/J. Hager, Vorbem zu §§ 823 ff. Rn. 9; Taupitz, 66. DJT, S. L 57; eingeschrnkt auch MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 32. 118 So aber MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 33; zu der berlagerung auch Weyers, S. 401 ff.; Fuchs, S. 173 ff.; Kçtz, Wandel, S. 26 f. 119 Vgl. Esser/Weyers, § 53 4 a und b (S. 135 ff.). 120 Vgl. Esser/Weyers, § 53 4 a (S. 135 f.). 121 Vgl. Schiemann, Argumente, S. 185 f. 122 Kçtz, FS Steindorff, S. 643, 644 f.; Koziol, AcP 196 (1996), 593, 601; MnchKommBGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 32; Rehbinder, in: Endres u. a., S. 38 f.; Schiemann, Argumente, S. 185 ff.; G. Wagner, VersR 1999, 1441, 1442; aus çkonomischer Sicht auch Schfer/Ott, S. 126.

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C. Prventionsfunktion Neben der Kompensation wird die Funktion der deliktischen Haftung vor allem in der Prvention gesehen123. Diese wird dabei zum Teil als erwnschtes Nebenprodukt qualifiziert124, was insofern zutreffend ist, als die deliktische Haftung nur indirekt, nmlich ber die drohende Schadensersatzpflicht und damit ihre Ausgleichsfunktion, prventiv wirkt, die Prventionsfunktion also die Kompensationsfunktion voraussetzt. Dies wird dadurch besttigt, dass sich die deliktische Haftung nicht nur auf die Gefhrdung bezieht, die allein Gegenstand der Prvention ist125, sondern auch die Verletzung voraussetzt, die auszugleichen ist, so dass die Prventionsfunktion auch insofern nur indirekt ber die Ausgleichsfunktion gegeben ist und von dieser abhngt. In diesem Sinne ist die Kompensationsfunktion primr und die Prventionsfunktion sekundr. Der Auffassung, maßgebliche Funktion der deliktischen Haftung sei ihre prventive Wirkung126, ist demgemß nicht zuzustimmen. Dabei wird schon bezweifelt, inwieweit der deliktischen Haftung in tatschlicher Hinsicht berhaupt eine prventive Wirkung zukommt127. Zudem kann diese Auffassung auch nicht damit begrndet werden, dass die Prventionsfunktion im Gegensatz zur Kompensationsfunktion unabhngig von der berlagerung des Deliktsrechts durch das Sozial- und Privatversicherungsrecht sei128. Denn indem die deliktische Haftung nur ber die Ausgleichsfunktion prventiv wirkt, kann auch die Prventionsfunktion nur soweit zum Tragen kommen, wie auch die Ausgleichsfunktion greift, was auch gilt, wenn nicht unmittelbar auf den Ausgleich des Schadens abgestellt wird, sondern çkonomisch auf die Kosten des Ausgleichsystems129. Auch die Prventionsfunktion wird damit vom Sozial- und Privatversicherungsrecht berlagert130. 123 Brggemeier, Haftungsrecht, S. 9 f.; Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 18; Th. Dreier, S. 149 ff., 413; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 I 2 i (S. 354); Staudinger/J. Hager, Vorbem zu §§ 823 ff. Rn. 10; Taupitz, 66. DJT, S. L 57. 124 So Kleindiek, S. 198; Lange, in: Lange/Schiemann, Einl. III 2 b (S. 11); Larenz, Schuldrecht I, § 27 I (S. 423 f.); hnl. Honsell, FS Mayer-Maly, S. 287, 301; Prtting/Wegen/Weinreich/Schaub, § 823 Rn. 4; Schiemann, Argumente, S. 190. 125 hnl. Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 31. 126 So Kçtz, FS Steindorff, S. 643, 644 ff.; MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 35; Schfer/Ott, S. 125 ff.; G. Wagner, VersR 1999, 1441, 1442 ff.; vgl. auch G. Hager, JZ 1990, 397, 400 f.; Magnus, S. 282; weitergehend fr eine Sanktionsfunktion im Rahmen der Prventionsfunktion des Schadensrechts G. Wagner, 66. DJT, S. A 15. 127 So Brggemeier, Haftungsrecht, S. 10; Esser/Weyers, § 53 4 b (S. 137 f.); Kleindiek, S. 198; RGRK-BGB/Steffen, Vor § 823 Rn. 7; fr das Verkehrsunfallsrecht auch BVerfG NJW 2000, 2187, 2188. 128 So aber MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 35. 129 Esser/Weyers, § 53 4 b (S. 138 f). 130 Staudinger/J. Hager, Vorbem zu §§ 823 ff. Rn. 10.

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Vor allem aber ist auch die Prventionsfunktion insofern inhaltsleer, als sich aus ihr ebenso wenig wie aus der Ausgleichsfunktion ableiten lsst, wann eine Prvention geboten ist, welche Verletzungen also verhindert werden sollen und welche nicht. Soweit das Prventionsziel anhand çkonomischer Kriterien konkretisiert wird, indem im Sinne einer effizienten Ressourcenallokation die Maximierung des Saldos aus Nutzen und Kosten der Aktivitten der Rechtssubjekte angestrebt wird131, trgt die Prventionsfunktion ihre Legitimation nicht mehr in sich, sondern bezieht sie aus der Normativierung einer çkonomischen Effizienzanalyse, bei der die Maximierung eines çkonomisch bestimmen Gemeinwohls gegenber konkurrierenden Zielen des Rechtssystems absolut gesetzt wird132. Die Auffassung, die Prventionsfunktion sei deshalb gegenber Ausgleichsfunktion vorzugswrdig, weil sie anders als diese angeben kçnne, wo die Grenze zwischen Haftung und Nichthaftung verluft133, geht also fehl, indem sie voraussetzt, dass die Prventionsfunktion identisch mit dem Ziel einer effizienten Ressourcenallokation ist und diese auch der maßgebliche Zweck der deliktischen Haftung ist. Demgegenber ist festzuhalten, dass die Prventionsfunktion nicht notwendig auf die Maximierung eines çkonomisch bestimmten Gemeinwohls bezogen ist, sondern als solche nur beinhaltet, die Verletzung der Freiheitssphre des Betroffenen zu verhindern, unabhngig davon, wie deren Grenzen bestimmt werden. Wie die Ausgleichsfunktion definiert sie diese Grenzen nicht, sondern setzt ihre Existenz voraus, indem sie an den Fall ihrer Verletzung anknpft und fr diesen Fall mit der Ausgleichspflicht droht. Auch in dieser Hinsicht ist die Prventionsfunktion notwendig mit der Ausgleichsfunktion verbunden und von dieser abhngig.

D. Abgrenzungsfunktion Die Kompensationsfunktion und die Prventionsfunktion sind Teil der Abgrenzungsfunktion der deliktischen Haftung.

1. Notwendigkeit der Abgrenzung Weder aus der Ausgleichsfunktion, noch aus der Prventionsfunktion lsst sich mithin ableiten, wann eine deliktische Haftung besteht, weil der Verantwortliche die Grenzen seiner Freiheitssphre berschritten und die Freiheitssphre des Betroffenen verletzt hat. Sowohl die Ausgleichsfunktion als auch die Prventionsfunktion setzen vielmehr voraus, dass die Grenze zwi131 132 133

So MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 35, 39 ff.; Schfer/Ott, S. 121 ff. hnl. Esser/Weyers, § 53 4 (S. 138 f.). So MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 35.

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schen den Freiheitssphren der Beteiligten anderweitig bestimmt wird. Sie dienen lediglich der Verteidigung dieser Grenze, indem die Ausgleichsfunktion die Grenze bei ihrer Verletzung wiederherstellt und die Prventionsfunktion von der Verletzung der Grenze abschreckt, weil dann die Ausgleichsfunktion greift. In diesem Sinne dient die deliktische Haftung also der Abgrenzung der Freiheitssphren der Beteiligten134, indem die Grenze dort verluft, wo der Verantwortliche wegen der Verletzung der Freiheitssphre des Betroffenen auf Schadensersatz haftet135, ohne dass diese Grenze aber aus der Ausgleichs- und Prventionsfunktion selbst heraus bestimmt werden kann. Die Abgrenzung der Freiheitssphren der Beteiligten ist nicht nur die tatschliche Wirkung der deliktischen Haftung, sondern auch die Funktion, die ihr die Gesetzesverfasser beigelegt haben136. Sie spiegelt sich auch verfassungsrechtlich in der Notwendigkeit, die kollidierenden Grundrechtspositionen des potentiell Verantwortlichen und des Betroffenen voneinander abzugrenzen, da ihre Freiheitssphren auch grundrechtlich geschtzt sind, wobei sich der potentiell Verantwortliche vor allem auf die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG und den Eigentumsschutz des Art. 14 GG, der auch die Nutzung des Eigentums umfasst, berufen kann, whrend fr den Betroffenen vor allem das Recht auf Leben und kçrperliche Unversehrtheit des Art. 2 II GG und der Eigentumsschutz des Art. 14 GG streiten137. Schließlich ist die Abgrenzungsfunktion paradigmatisch fr Kants Definition des Rechts als des »Inbegriffs der Bedingungen, unter denen die Willkr (d. h. die Freiheit) des einen mit der Willkr des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann«138. Der gegen die Abgrenzung der Freiheitssphren der Beteiligten als Funktion der deliktischen Haftung vorgebrachte Einwand, dass diese als zusammenfassende Bezeichnung des Anwendungsgebietes des Deliktsrechts wenig unterscheidungskrftig sei und sich ein gemeinsamer Nenner insoweit kaum finden lasse139, trifft demgemß nur die Schwierigkeit, die Grenze zwischen den Freiheitssphren zu ziehen. Diese Schwierigkeit ist jedoch nicht nur in der gesetzlichen Regelung der deliktischen Haftung an134 Esser/Weyers, § 53 2 u. 3 (S. 132 ff.); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 I 1 (S. 350); RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 6; auch Pick, S. 3 f.; in Bezug auf Interessensphren auch Prtting/Wegen/Weinreich/Schaub, Vor §§ 823 ff. 2; in Bezug auf Risikosphren auch Mçllers, Haftungsrecht, S. 189, 200; Mçllers, Rechtsgterschutz, S. 113. 135 Auf den Rechtskreis des Betroffenen bezogen auch Marc Wolf, S. 20 f. 136 Vgl. die Motive bei Mugdan II, S. 1073. 137 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 I 1 (S. 350); Isensee, in: Isensee/Kirchhoff V, § 111 Rn. 128. 138 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 I 1 (S. 350) mit Verweis auf Kant, Rechtslehre, S. 230. Vgl. auch oben S. 13. 139 So Erman/Schiemann, Vor § 823 Rn. 12.

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gelegt, insbesondere indem sie mit Generalklauseln arbeitet, die sich gerade dadurch auszeichnen, dass eine ber allgemeine und als solche notwendig sehr abstrakte Grundstze hinausgehende Definition nicht mçglich oder zumindest nicht gewollt ist. Sie ist auch dem Gegenstand geschuldet, da die Mçglichkeiten der Ausbung und damit auch der Beschrnkung der Freiheit praktisch unbegrenzt sind und letztendlich nur fr die einzelne Fallkonstellation mittels einer Interessenabwgung auf der Grundlage der gesetzlichen Wertungen mçglich ist140. Dies ndert aber nichts daran, dass die Funktion der deliktischen Haftung in der Grenzziehung liegt. Wie die Grenze zu ziehen ist, bildet einen wesentlichen Teil des Untersuchungsgegenstands der vorliegenden Arbeit. Die Abgrenzung der Freiheitssphren bezieht sich dabei auf die Handlungsfreiheit und den Integrittsschutz141 und kann nicht nur als Vermçgensschutz begriffen werden.

2. Handlungsfreiheit Die abzugrenzenden Freiheitssphren umfassen die Handlungsfreiheit zunchst insofern, als das Eingreifen der deliktischen Haftung die Grenze markiert, bis zu welcher der potentiell Verantwortliche handeln kann, ohne Schadensersatzansprche frchten zu mssen, auch wenn andere durch sein Verhalten betroffen werden. Insoweit wird also ein Verhaltensfreiraum markiert142. Denn die drohende Haftung kann den persçnlichen und wirtschaftlichen Verhaltensspielraum massiv einschrnken143 und wird dies in der Regel auch tun. Die positive Definition der Haftungsvoraussetzungen beinhaltet damit die negative Definition der Freiheitssphre des potentiell Verantwortlichen als den Bereich, in dem diese Voraussetzungen durch sein Verhalten nicht erfllt werden. Die Handlungsfreiheit des potentiell Verantwortlichen bildet damit die Kehrseite des fehlenden Schutzes der Freiheitssphre des Betroffenen, so dass ein Mehr an Freiheit fr den potentiell Verantwortlichen ein Weniger an Freiheit fr den Betroffenen zur Folge hat144. In diesem Sinne grenzen also die Freiheitssphren der Beteiligten aneinander an und stehen in einem gegenseitigen Abhngigkeitsverhltnis. Der wirksame Schutz der Handlungsfreiheit setzt nicht nur voraus, dass es einen Bereich gibt, in dem das Verhalten des potentiell Verantwortlichen keine deliktische Haftung nach sich zieht, sondern auch, dass dieser Bereich 140

Dazu unten S. 237. RGRK-BGB/Steffen, Vor § 823 Rn. 6 f.; hnl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 I 1 (S. 350); Staudinger/J. Hager, Vorbem zu §§ 823 ff. Rn. 12. 142 RGRK-BGB/Steffen, Vor § 823 Rn. 7. 143 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 I 1 (S. 350). 144 Staudinger/J. Hager, Vorbem zu §§ 823 ff. Rn. 12; hnl. RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 7. 141

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zumindest insoweit erkennbar ist, als zwischen einem Verhalten unterschieden werden kann, das voraussichtlich keine Haftung nach sich zieht; einem Verhalten, dass mçglicherweise eine Haftung nach sich zieht; und einem Verhalten, dass sehr wahrscheinlich oder sicher eine Haftung nach sich zieht. Denn bereits das nicht abschtzbare Risiko einer drohenden Haftung beeintrchtigt den Verhaltensspielraum des potentiell Betroffenen145. Insofern ist der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit als Voraussetzung der tatschlichen Handlungsfreiheit angesprochen. Die abzugrenzenden Freiheitssphren umfassen die Handlungsfreiheit aber auch insofern, als die deliktische Haftung auch die Handlungsfreiheit des Betroffenen schtzt. Denn diese setzt ein handlungsfhiges Subjekt und geeignete Objekte voraus, so dass der Schutz der Integritt von Subjekt und Objekten mittelbar auch der Handlungsfreiheit zugute kommt146. Mit dem Schutz der Handlungsfreiheit des Betroffenen hngt der Schutz des Vertrauens der Verkehrsteilnehmer in die Abgrenzung der Freiheitssphren zusammen. Jeder Verkehrsteilnehmer stellt sein Verhalten auf das Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer ein und vertraut dabei darauf, dass diese insbesondere dort gewisse Verhaltensstandards einhalten, wo ihr Verhalten andere gefhrden kann147. Anders wre eine Teilnahme am Verkehr gar nicht mçglich. Wenn jeder Verkehrsteilnehmer stndig damit rechnen wrde, dass seine Rechte und Rechtsgter von anderen Verkehrsteilnehmern gefhrdet werden, she er sich insbesondere unter den Bedingungen des modernen Zusammenlebens vieler Menschen ohne persçnliche Bindungen auf engem Raum stndig erheblichen und fr ihn unberschaubaren Risiken ausgesetzt148. Die daraus resultierende Notwendigkeit zur Kontrolle dieser Risiken wrde den einzelnen berfordern. Ohne dass ihm die anderen Verkehrsteilnehmer notwendig feindselig gesinnt sind, wrde er subjektiv in dem Zustand stndiger Angst vor Schdigungen durch andere leben, aus dem Hobbes die Notwendigkeit des Staates hergeleitet hat149. Dabei erscheint nicht nur das Vertrauen der Verkehrsteilnehmer in die Achtung der Freiheitssphren berechtigt, sondern auch das Vertrauen in die Haftung fr den Fall ihrer Missachtung. Andernfalls wrde die deliktische Haftung ihrer Funktion der Abgrenzung von Freiheitssphren und damit der Sicherung der allgemeinen Handlungsfreiheit nicht gerecht. Kçnnten die Verkehrsteilnehmer in diesen Fllen nicht auf die Ersatzpflicht derjenigen Verkehrsteilnehmer vertrauen, die die Abgrenzung der Freiheitssphren missachten, wren sie gezwungen, selbst Vorsorge gegen ein 145 146 147 148 149

hnl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 I 1 (S. 350). Vgl. oben S. 18. Vgl. Medicus, Schuldrecht I, Rn. 309. Vgl. oben S. 17. Vgl. Hobbes, s. Leviathan, S. 112 ff.

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Risiko zu betreiben, das sie nicht gesetzt haben, nicht aufrechterhalten und auch nicht beeinflussen kçnnen, oder zumindest die Kosten fr den Fall zu tragen, dass sich das Risiko verwirklicht. Die die Freiheitssphren missachtenden Verkehrsteilnehmer kçnnten das von ihnen gesetzte oder aufrechterhaltene Risiko und die damit verbundenen Kosten also externalisieren. Die Abgrenzung der Freiheitssphren ist dabei zunchst normativ und damit von ihrer tatschlichen Einhaltung unabhngig, indem sie mit der Abgrenzung auch die Verantwortung fr das Risiko der Beeintrchtigung der Freiheitssphren und die daraus resultierenden Kosten verteilt. Dieser Funktion ist inhrent, dass die Verkehrsteilnehmer grundstzlich nicht nur auf die Achtung der Abgrenzung, sondern auch auf die Ersatzpflicht fr den Fall der Missachtung vertrauen kçnnen. Dieses Vertrauen wird insbesondere dann gegeben sein, wenn das Risiko einer aus der Nichteinhaltung resultierenden Beeintrchtigung relativ gering erscheint, also mit dem Eintritt des Risikos nicht konkret zu rechnen ist. Gegen den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes kann dabei auch nicht angefhrt werden, dass bekannt sei, dass manche Verkehrsteilnehmer die Freiheitssphren verletzten, weil sie nicht anders kçnnten oder dies wollten, so dass das Vertrauen in die Einhaltung der allgemeinen Sorgfaltspflichten nicht gerechtfertigt sei150. Das Vertrauen ist insofern ein generalisiertes, als es darauf gerichtet ist, dass die Sorgfaltspflichten in der Regel eingehalten werden, also auf die Wahrscheinlichkeit der Einhaltung. Es erscheint erst dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn mit der Nichteinhaltung der allgemeinen Sorgfaltspflichten und einer daraus resultierenden Beeintrchtigung konkret zu rechnen ist. Demgemß kann gegen den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes auch nicht eingewendet werden, dass denjenigen, der sich einem gefhrlichen Verhalten aussetzt, weil er auf die typischen Fhigkeiten des Schdigers und damit auf dessen Ersatzpflicht vertraut, ein erhebliches Mitverschulden trfe151. Denn ein Mitverschulden lge insoweit nur vor, wenn die Verkehrsteilnehmer nicht auf die Einhaltung der allgemeinen Sorgfaltspflichten durch die anderen Verkehrsteilnehmer vertrauen wrden, sondern frei nach dem Grundsatz »Dulde und liquidiere!« nur auf deren Schadensersatzpflicht. Es kommt demgemß erst in Betracht, wenn mit der Nichteinhaltung und der daraus resultierenden Beeintrchtigung konkret zu rechnen ist. Drften die Verkehrsteilnehmer demgegenber nicht grundstzlich auf die Einhaltung der allgemeinen Sorgfaltspflicht durch die anderen Verkehrsteilnehmer vertrauen, wrde die deliktische Haftung nicht mehr die Risikosphren der Verkehrsteilnehmer voneinander abgrenzen und ihre freiheitsstiftende Wirkung verlieren. 150 151

So aber Koziol, AcP 196 (1996), 593, 605. So aber Koziol, AcP 196 (1996), 593, 605.

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§ 2 Verhltnis von negatorischer und deliktischer Haftung

Der Schutz der Handlungsfreiheit des Betroffenen umfasst damit auch den Schutz des Vertrauens des Betroffenen in die Respektierung seiner Freiheitssphre. Diese setzt allerdings die Abgrenzung seiner Freiheitssphre von derjenigen des Verantwortlichen voraus. Denn nur auf die Achtung dieser Abgrenzung und die Sanktionierung ihrer Missachtung darf der Betroffene vertrauen. Nur insoweit liegt berechtigtes Vertrauen vor. Die Abgrenzung der Freiheitssphren ist dabei jedoch weitgehend unabhngig von der Verkehrserwartung152. Inwieweit das Vertrauen der Verkehrsteilnehmer berechtigt ist, dass die deliktische Haftung Beeintrchtigungen ihrer Freiheitssphre durch andere sanktioniert, also ihren Interessen Vorrang gegenber denjenigen des Verantwortlichen einrumt, ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung der deliktischen Haftung und den ihr zugrundeliegenden Wertungen. Dabei findet das Vertrauen der Verkehrsteilnehmer zu einem gewissen Grad bei der Bestimmung der Verkehrspflichten als Voraussetzung der deliktischen Haftung Bercksichtigung153.

3. Integrittsschutz Dass die durch die deliktische Haftung geschtzte Freiheitssphre des Betroffenen dessen Interesse an der Integritt seiner Rechtsgter und Rechte und insoweit eingeschrnkt auch seines Vermçgens umfasst, ergibt sich bereits aus der Fassung der Haftungsnormen, die ja die Verletzung dieser Integritt voraussetzen. Die Freiheit ist insoweit als die Freiheit von Beeintrchtigungen zu verstehen. Die Freiheitssphre des Betroffenen umfasst insoweit auch die Integritt der einzelnen Vermçgensgegenstnde und nicht nur den Wert des Gesamtvermçgens154. Zwar sieht § 253 I BGB vor, dass der Ersatz nur des Vermçgensschadens die Regel ist, whrend der Ersatz immaterieller Schden die Ausnahme darstellt. Aber dieser Grundsatz wird schon in § 253 II BGB fr die wichtigsten Flle immaterieller Schden durchbrochen. Demgemß schtzt der § 823 I BGB nicht nur das Eigentum und sonstige Rechte, die zum Vermçgen gezhlt werden kçnnen, sondern mit Leben, Kçrper und Gesundheit sowie Freiheit auch Rechtsgter, die nicht zum Vermçgen gehçren und deren Verletzung allenfalls einen sekundren Vermçgensschaden zur Folge hat. Zudem ist der Schadensersatz gemß § 249 I BGB zunchst auf Naturalrestitution gerichtet, also auf Wiederherstellung des verletzten Rechtsguts oder Rechts, nicht nur auf Ausgleich des Vermçgensschadens, wie sich auch darin zeigt, dass der Schadensersatz in Geld gemß § 251 II BGB nicht schon dann zulssig ist, wenn die Wiederherstellungskosten den Wert des beschdigten Rechtsguts bersteigen, sondern erst, wenn sie 152 153 154

BGHZ 113, 297, 303. Vgl. unten S. 267. Als strukturelle Vermçgensbetrachtung bezeichnet von Marc Wolf, S. 38 f.

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unverhltnismßig sind. Die Differenzhypothese, nach welcher der Schaden durch den Vergleich des Zustands, der durch den zum Ersatz verpflichtenden Umstand verursacht wurde, mit dem Zustand, er ohne diesen Umstand bestehen wrde, festgestellt wird155, bezieht sich demgemß nicht nur auf Vermçgensschden, und auch der Schaden kann damit nicht auf eine rechnerisch ermittelte Gesamtvermçgensdifferenz verkrzt werden156, da dies weder mit dem Grundsatz der Naturalrestitution noch mit der Mçglichkeit des Ersatzes auch von Nichtvermçgensschden vereinbar ist157.

IV. Funktion der negatorischen Haftung Die negatorische Haftung hat ebenfalls die Funktion, die Freiheitssphren der Beteiligten voneinander abzugrenzen, indem sie darauf gerichtet ist, zuknftige Verletzungen dieser Sphren durch tatschliche Beeintrchtigungen des Eigentums zu verhindern. Demgemß dient sie vor allem der Prvention. Wann die negatorische Haftung greift, wo also die Grenze zwischen den Sphren der Beteiligten verluft, kann auch bei ihr nicht aus der Prventionsfunktion bestimmt werden, sondern ist Gegenstand der Abgrenzungsfunktion und wird von der Prventionsfunktion vorausgesetzt.

A. Zukunftsbezogenheit Aus der zeitlichen Schutzrichtung der negatorischen Haftung ergibt sich, dass sie strikt zukunftsbezogen ist. Dies gilt nicht nur fr die Unterlassungsansprche, sondern auch fr die Beseitigungsansprche.

1. Unterlassungsansprche Die Zukunftsbezogenheit der Unterlassungsansprche ergibt sich dabei schon daraus, dass immer nur zuknftiges Unterlassen verlangt werden kann. Das Unterlassen einer in der Vergangenheit liegenden Beeintrchtigung ist unmçglich. Die Unterlassungsansprche sind dabei kein rein prozessualer Rechtsbehelf, sondern stellen einen materiellen Anspruch im Sinne eines subjektiven Rechts dar158, der auf die Verhinderung oder Vermeidung einer Beeintrchtigung gerichtet ist. Sie sind insoweit ergebnisorientiert. Ihr Inhalt ist nur 155

Erman/Ebert, Vor §§ 249–253 Rn. 24; Staudinger/Schiemann, § 249 Rn. 5. MnchKomm-BGB/Oetker, § 249 Rn. 21 f.; Staudinger/Schiemann, § 249 Rn. 7. 157 Erman/Ebert, Vor § 249–253 Rn. 25. 158 Erman/Hefermehl, 10. Aufl., § 1004 Rn. 27; Fritzsche, S. 114 ff.; MnchKommBGB/Medicus, § 1004 Rn. 97; Mnzberg, JZ 1967, 689, 692 f.; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 31; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 87 I 2 (S. 705); Staudinger/Gursky, § 1004 156

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dort auf ein Unterlassen im Sinne eines Nichttuns gerichtet, wo die drohende Beeintrchtigung in einer Handlung liegt, whrend er dort, wo die drohende Beeintrchtigung auf einem Risiko beruht, das zu seiner Verwirklichung keiner, jedenfalls keiner weiteren Handlung bedarf, auf die Verhinderung oder Vermeidung dieses Risikos gerichtet ist und damit auch die Vornahme entsprechender Schutzmaßnahmen umfasst. Der darauf gerichtete Anspruch kann nicht als ungeschriebener, dem § 1004 I BGB in erweiternder Auslegung zu entnehmender Verhinderungsanspruch verstanden werden, der zwischen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch stehe, funktionell aber letzterem entspreche159, sondern ist als Unterlassungsanspruch aufzufassen160, der auf das Unterlassen des Unterlassens geht161. Dies zeigt sich schon darin, dass der Anspruch auf Schutzmaßnahmen dem Unterlassungsanspruch funktionell entspricht, wobei aber nicht allein auf den gemeinsamen Zweck der Prvention gegen zuknftige Stçrungen abgestellt werden kann162, weil auch der Beseitigungsanspruch der Prvention gegen drohende Beeintrchtigungen dient163, sondern darauf abzustellen ist, dass er dem Beseitigungsanspruch insoweit nicht entspricht, als er nicht auf die Beseitigung bereits bestehender Beeintrchtigungen gerichtet ist. Zudem kann der Unterlassungsanspruch auch sonst durchaus einen Anspruch auf ein positives Tun zum Inhalt haben. Denn er ist in der Regel nicht auf die Vornahme oder Nichtvornahme einer bestimmten Handlung gerichtet, sondern lsst dem Verantwortlichen die Wahl, auf welchem Weg er die drohende Beeintrchtigung abwendet164. Soweit nicht ausnahmsweise ausschließlich eine bestimmte Abhilfemaßnahme in Betracht kommt165, die in einem Unterlassen liegt, kann der Verantwortliche den Unterlassungsanspruch damit auch dadurch erfllen, dass er die Abwendung der drohenden Beeintrchtigung durch positives Tun erreicht.

2. Beseitigungsansprche Bei den Beseitigungsansprchen ergibt sich die Zukunftsbezogenheit erst daraus, dass die Beseitigung einer Beeintrchtigung nur insoweit geschuldet Rn. 212; anders Esser/Weyers, § 62 IV (S. 265); von Caemmerer, FS 100 Jahre DJT, S. 49, 56. 159 So aber Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 87 II 2 (S. 705 f.). 160 So auch BGHZ 90, 255, 266; BGH, NJW 2004, 1035, 1036 f.; Fritzsche, S. 211 f.; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 33; auf der Grundlage der Usurpationstheorie auch Picker, Beseitigungsanspruch, S. 82 f. m. Fn. 163; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 211; sehr vorsichtig aber Stoll, FS Lange, S. 737 f. 161 Vgl. Loschelder, WRP 1999, 58. 162 So aber Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 87 II 2 (S. 706). 163 Siehe oben S. 57. 164 BGHZ 120, 239, 248; BGH, NJW 2004, 1035, 1037; Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 95; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 211. 165 BGH, NJW 2004, 1035, 1037; Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 95.

IV. Funktion der negatorischen Haftung

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wird, als sie zukunftsbezogen der Verhinderung oder Vermeidung von zuknftigen Beeintrchtigungen dient, nicht jedoch, soweit sie sich in der Beseitigung bereits eingetretener Beeintrchtigungen erschçpft.

a) Beseitigung nur der Risikoquelle Zu beseitigen sind also nur diejenigen Beeintrchtigungen, die eine Risikoquelle darstellen, also in dem Sinne andauern, dass sie zuknftige Beeintrchtigungen verursachen, die ber die bereits eingetretenen Beeintrchtigungen hinausgehen, sich also weiterfressen. Dies hat zunchst zur Folge, dass unerheblich ist, ob die zu beseitigende Beeintrchtigung ihre Ursache in einem gegenwrtigen oder einem in der Vergangenheit liegenden Verhalten hat166. Aus ihr ergibt sich aber auch, dass hinsichtlich der Beeintrchtigung nicht nur auf die Gegenwart zu schauen ist167. Vielmehr ist allein maßgeblich, ob eine Beeintrchtigung fr die Zukunft droht. Demgemß ist die Aussage, dass der Beseitigungsanspruch des § 1004 I 1 BGB eine fortdauernde Beeintrchtigung in dem Sinne voraussetze, dass sie nicht der Vergangenheit abgeschlossen sein drfe, sondern noch bestehen msse168, nicht zutreffend, da sie, wenn auch negativ, auf die Vergangenheit bezogen ist, nicht aber auf die Zukunft. Vielmehr muss die Beeintrchtigung in dem Sinne fortdauern, dass sie nicht nur in der Gegenwart vorliegt, sondern auch in der Zukunft vorliegen wird oder zumindest vorzuliegen droht. Sie muss also ber die Gegenwart hinaus fortdauern. Die gegenwrtige Beeintrchtigung lçst die negatorischen Beseitigungsansprche nur aus, soweit sie eine Risikoquelle ist, also zuknftige Beeintrchtigungen zur Folge hat. Andernfalls bestehen nur deliktische Schadensersatzansprche. Dabei ist eine in die Zukunft fortdauernde Beeintrchtigung nicht schon dann gegeben, wenn ihre Folgen auch noch in der Zukunft vorliegen. Denn sonst wrde jeder bleibender Schaden, der als solcher ja nicht auf die Gegenwart beschrnkt ist, sondern auch in Zukunft bleibt, bereits einen verschuldensunabhngigen Beseitigungsanspruch aus negatorischer Haftung begrnden, so dass die verschuldensabhngigen Schadensersatzansprche des Deliktsrechts weitgehend leer liefen. Der Beseitigungsanspruch des § 1004 I 1 BGB ist demgemß kein allgemeiner Folgenbeseitigungsanspruch des Privatrechts169. Er lsst sich demgemß auch weder als Weiterbildung des deliktischen Schadensersatzanspruchs auffassen, der sowohl hinsichtlich seiner Tatbestandsvoraussetzungen als auch hinsichtlich seiner Rechts166 Bensching, S. 84 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 II 2 b (S. 678); hnl. Picker, FS Gernhuber, S. 315, 351. 167 So aber Picker, FS Gernhuber, S. 315, 351. 168 So MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 24; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 27; RGRK-BGB/Pikart, § 1004 Rn. 33 f.; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 135. 169 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 VI 1 b (S. 700); Picker, FS Gernhuber, S. 315, 357 ff.; anders Gerlach, S. 206 f.; Hohloch, S. 175 ff.

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§ 2 Verhltnis von negatorischer und deliktischer Haftung

folgen hinter diesem zurckbleibe170, noch zu einer weitreichenden verschuldensunabhngigen Einstandspflicht ausbauen171. Vielmehr ist die Beseitigung einer Beeintrchtigung und ihrer Folgen nur geschuldet, soweit darin wieder eine Risikoquelle liegt, so dass eine weitere Beeintrchtigung drohen muss, die sich nicht in der bereits vorliegenden Beeintrchtigung und ihren Folgen erschçpft172.

b) Weiterfressende Beeintrchtigung Die Abgrenzung zwischen bloßen Folgen der eingetretenen Beeintrchtigung, die zwar erst in der Zukunft eintreten, aber nur einen deliktischen Schadensersatzanspruch auslçsen, und weiteren Beeintrchtigungen, die in der Zukunft eintreten oder einzutreten drohen und einen negatorischen Beseitigungsanspruch auslçsen, erfolgt dabei anhand der Kriterien fr die sogenannten Weiterfresserschden im Rahmen der Haftung fr fehlerhafte Produkte173, da es hier wie dort darum geht, ob eine nicht ersatzfhige Beeintrchtigung weitere Beeintrchtigungen zur Folge hat, die ersatzfhig sind. Whrend es bei den Weiterfresserschden im Rahmen der Produkthaftung darum geht, diejenigen Schden zu identifizieren, die nicht in der Fehlerhaftigkeit des Produktes liegen, geht es beim Beseitigungsanspruch der negatorischen Haftung darum, diejenigen Beeintrchtigungen zu identifizieren, die nicht bereits in der eingetretenen Beeintrchtigung liegen. Abgrenzungskriterium ist insoweit die mangelnde Stoffgleichheit des Mangels174. Das Konzept der Weiterfresserschden und das Kriterium der mangelnden Stoffgleichheit haben zwar insbesondere unter dem Gesichtspunkt der freien Konkurrenz zwischen vertraglichen und deliktischen Ansprchen auch Zustimmung erfahren175, sind aber berwiegend auf Kritik gestoßen176. Diese Kritik kann jedoch insbesondere im hier interessierenden Zusammenhang mit der negatorischen Haftung letztendlich nicht ber170

So aber Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, § 63 IV (S. 264). So aber Alternativkommentar-BGB/Kohl, § 1004 Rn. 65 f.; Gerlach, S. 206 ff.; Pleyer, AcP 156, 300 ff.; ablehnend im Hinblick auf das deliktsrechtliche Verschuldenserfordernis und das gefhrdungsrechtliche Enumerationsprinzip Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 V 3 c (S. 698). 172 Vgl. RGZ 127, 29, 34; BGHZ 28, 110, 113; Erman/Hefermehl, 10. Aufl., § 1004 Rn. 7; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 VI 1 a (S. 700). 173 Dazu etwa BGHZ 67, 359, 363 ff.; BGHZ 86, 256, 257 ff.; BGHZ 146, 144, 148 f.; BGH, NJW 2005, 1423, 1425; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 124 f.; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 121 ff.; Soergel/Spickhoff, § 823 Rn. 80 ff.; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. B 110 ff. 174 BGHZ 86, 256, 258; BGHZ 117, 183, 187 f.; BGHZ 162, 86, 94; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. B 118 ff.; Steffen, VersR 1988, 976, 977 ff. 175 So etwa Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 65 ff.; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. B 116 ff.; differenzierend Gsell, S. 31 ff., 95 ff. 176 So etwa Erman/Schiemann, § 823 Rn. 124; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 125; Soergel/Spickhoff, § 823 R. 82 ff.; eingehend Gsell, S. 31 ff. 171

IV. Funktion der negatorischen Haftung

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zeugen, wobei hier nur auf die drei wichtigsten Einwnde eingegangen werden kann177. Beim ersten Einwand, dass es bei den Weiterfresserschden an einer Eigentumsverletzung fehle178, ist weder im Rahmen der Produkthaftung einsichtig, warum mangelhaftes Eigentum keinen Deliktsschutz genießen soll179, noch im Rahmen der negatorischen Beseitigungshaftung nachvollziehbar, warum beeintrchtigte Rechtsgter keinen Schutz vor weiteren Beeintrchtigungen genießen sollen. Dem zweiten Einwand, dass die mangelnde Stoffgleichheit kein praktikables Abgrenzungskriterium sei180, ist zurecht entgegengehalten worden, dass dieses Kriterium bisher durchaus eine praktikable Abgrenzung ermçglicht habe181, zumal berzeugendere Abgrenzungskriterien nicht erkennbar seien182. Der dritte Einwand, dass das vertragliche Gewhrleistungsrecht Vorrang vor dem Deliktsrecht habe183, hat zwar insofern mehr Gewicht, als die dem Konzept der Weiterfresserschden zugrundeliegende Prmisse, dass dem vertragsrechtlich geschtzten quivalenzinteresse ein deliktsrechtlich geschtztes Integrittsinteresse gegenbergestellt werden kann184, insofern nicht berzeugt, als das quivalenzinteresse grundstzlich auch das Integrittsinteresse umfasst, so dass das Vertragsrecht zumindest auf der Basis dieser Prmisse das Deliktsrecht verdrngen wrde185. Aber dieses Argument verfngt im hier interessierenden Zusammenhang nicht, weil sowohl der negatorische Beseitigungsanspruch als auch der deliktische Schadensersatzanspruch auf den Schutz des Integrittsinteresses gerichtet sind, also kein echter oder vermeintlicher Gegensatz von quivalenz- und Integrittsinteresse besteht. Gegen diese Abgrenzung kann nicht eingewendet werden, dass eine Beschdigung regelmßig eine weiterfressende Beeintrchtigung sei, die einen negatorischen Beseitigungsanspruch begrnde, etwa bei Substanzverletzungen oder Gesundheitsbeschdigungen, die zu funktionellen Beeintrchtigungen fhren186. Denn eine weiterfressende Beeintrchtigung begrndet 177

Vgl. auch MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 125. So etwa Reinicke/Tiedtke, NJW 1986, 10, 15; differenzierend Gsell, S. 45 f. 179 MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 125; Soergel/Spickhoff, § 823 Rn. 82; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. B 115. 180 So etwa Reinicke/Tiedtke, NJW 1986, 10, 12 f. 181 Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 67; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 125; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. B 116; fr schwer nachvollziehbar hlt dieses Kriterium aber Erman/Schiemann, § 823 Rn. 124; Rechtsunsicherheit beklagt Soergel/Spickhoff, § 823 Rn. 84. 182 Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 67; Gsell, S. 86. 183 So etwa Reinicke/Tiedtke, NJW 1986, 10, 13 f.; anders etwa Gsell, S. 424 ff. 184 BGHZ 86, 256, 258 ff.; BGHZ 117, 183, 187 f.; BGHZ 162, 86, 94; Steffen, VersR 1988, 976, 978 ff. 185 So etwa MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 125; hnl. etwa Erman/Schiemann, § 823 Rn. 125. 186 So aber Picker, FS Gernhuber, S. 315, 323. 178

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nur dann einen negatorischen Beseitigungsanspruch, wenn sie zu einer nicht stoffgleichen Beeintrchtigung fhrt oder zu fhren droht. Zudem muss die zuknftige Beeintrchtigung gegenber der bereits eingetretenen Beeintrchtigung so sehr ins Gewicht fallen, dass sie als eigenstndige Beeintrchtigung aufzufassen ist, die als solche nach den allgemeinen Regeln der negatorischen Haftung einen Beseitigungsanspruch begrndet. Die Differenz zwischen bereits eingetretener und zuknftiger Beeintrchtigung muss also die im weiteren Verlauf der Arbeit herauszuarbeitenden Voraussetzungen der negatorischen Haftung, die eine Interessenabwgung aufgrund der Wertungen des Gesetzes umfassen187, erfllen. Auch sonst mssen die Voraussetzungen des § 1004 I 1 BGB vorliegen, so dass Beeintrchtigungen des Vermçgens grundstzlich keinen Beseitigungsanspruch auslçsen. Unter Anwendung dieser Grundstze ist etwa die Zerstçrung eines Hauses eine gegenwrtige Beeintrchtigung sowohl des Eigentums an dem Grundstck, auf dem die Trmmer des Hauses liegen, als auch des Eigentums am Haus, aber zu beseitigen sind nur die Trmmer auf dem Grundstck, das mit dem Haus nicht stoffgleich ist, whrend das Haus nicht wiederaufzubauen ist, weil sich die Beeintrchtigung des Hauses in der bereits eingetretenen Substanzverletzung erschçpft. hnlich hat etwa eine Gesundheitsbeschdigung auch dann keine weitere drohende Beeintrchtigung zur Folge, wenn sie sich im Kçrper weiter ausbreitet, da insofern Stoffgleichheit vorliegt und die Verschlimmerung des Gesundheitszustands insoweit regelmßig in das mit einer Gesundheitsbeschdigung verbundene allgemeine Lebensrisiko fllt, wobei letzteres grundstzlich auch fr die Gefahr der Ansteckung anderer gilt. Demgegenber wre etwa bei Gesundheitsbeschdigungen, die in der Infizierung mit einer ansteckenden Krankheit liegen, die als Seuche zu qualifizieren ist, ein Beseitigungsanspruch gegeben, da insoweit ein besonders schutzwrdiges Risiko vorliegt, wie das Seuchenrecht zeigt. Demgemß kann dort, wo ohne den Willen des Eigentmers fremde Gegenstnde oder Stoffe auf sein Grundstck oder in dessen Boden gelangen, nicht einfach eine Quelle fortdauernder Eigentumsstçrung angenommen und damit begrndet werden, dass die dem Eigentmer durch § 903 BGB garantierte umfassende Sachherrschaft beeintrchtigt werde, zu der auch die Mçglichkeit gehçrt, fremde Gegenstnde oder Stoffe von dem eigenen Grundstck fern zu halten188. Denn unter dem Gesichtspunkt der Stoffgleichheit stellen zwar die fremden Gegenstnde eine mit dem Grundstck nicht stoffgleiche Beeintrchtigung dar, so dass insbesondere auch das unbefugte Lagern zu einem Beseitigungsanspruch fhren kann. Aber bei den 187

Siehe unten S. 237. So aber BGH, NJW 1996, 845, 846 f.; BGH, NJW 2005, 1366, 1367; Lohse, AcP 201 (2001), 902, 924. 188

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fremden Stoffen ist zu unterscheiden. Soweit diese nur eine Verletzung der Substanz des Grundstcks zur Folge haben, die sich darin erschçpft, dass die Stoffe in den Boden gelangt sind, besteht kein Beseitigungsanspruch. In diesem Sinne ließe sich zwar sagen, dass Gifte, die Nachbarhuser kontaminiert haben, nicht vom Beseitigungsanspruch umfasst sind189, aber dies drfte bei Giften regelmßig nicht der Fall sein. Denn soweit die Stoffe sich weiter ausbreiten oder auszubreiten drohen und insbesondere die Gesundheit oder die Umwelt gefhrden, geht es um eine zuknftige und nicht stoffgleiche Beeintrchtigung, gegen die mit dem negatorischen Beseitigungsanspruch vorgegangen werden kann. So sind die Verunreinigungen des Erdreichs mit Milchpulverrckstnden190, mit Chemikalien191 oder mit l192, bei denen ein Beseitigungsanspruch angenommen wurde193, ber die Kontamination des Bodens hinaus auch Gefhrdungen der Gesundheit und der Umwelt, die nach der hier vertretenen Auffassung den Beseitigungsanspruch begrnden. Insbesondere ist die damit verbundene Umweltgefhrdung nicht stoffgleich mit der ursprnglichen Beeintrchtigung und stellt ein besonders schutzwrdiges Risiko dar, wie das çffentliche Bodenschutzrecht zeigt.

c) Inhalt des Anspruchs Der Beseitigungsanspruch bleibt hinter der Naturalrestitution insofern zurck, als nicht die Herstellung des Zustands ohne die Beeintrchtigung und damit die Beseitigung aller Schadensfolgen geschuldet wird, sondern nur Verhinderung oder Vermeidung der drohenden Beeintrchtigung fr die Zukunft, also die Unschdlichmachung der Risikoquelle194. Demgemß sind etwa Substanzverletzungen als solche nur zu beseitigen, wenn in der Verletzung auch eine Beeintrchtigung der Funktion der Substanz liegt, die zu weiteren Beeintrchtigungen fhrt, wobei dann aber zunchst nur die Wiederherstellung der funktionellen Integritt geschuldet ist. Insoweit kann auch eine provisorische Reparatur gengen, die gegenber dem ursprnglichen Zustand von minderer Qualitt ist, obwohl die Naturalrestitution die Neuherstellung oder zumindest die Wiederherstellung der alten Qualitt beinhalten wrde. Umgekehrt umfasst der Beseitigungsanspruch aber wiederum alle Maßnahmen, die zum Unschdlichmachen der Risikoquelle notwendig sind. Demgemß ist etwa bei lkontaminationen auch 189

So Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 VI 1 b (S. 700). BGHZ 110, 313, 315. 191 BGH, NJW 1996, 845, 846; BGH, NJW 2005, 1366. 192 BGHZ 142, 227, 237; vgl. auch BGHZ 98, 235, 241. 193 Ebenso Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 93; Soergel/Mhl, 12. Aufl., § 1004 Rn. 29. 194 BGH, NJW 2004, 1035, 1036; Benecke, VersR 2006, 1037, 1040; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 IV 1 (S. 700); Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 28. 190

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die verçlte Erde zu beseitigen, da das beeintrchtigende l nur so zu beseitigen ist195. Damit ist jedoch nicht notwendig die Wiederherstellung des Zustands der Benutzbarkeit verbunden. Die Wiederbenutzbarkeit ist als solche nicht Inhalt des Beseitigungsanspruchs196, da sie ber die Beseitigung der Risikoquelle zur Verhinderung drohender Beeintrchtigungen hinausgeht. Die sogenannte Wiederbenutzbarkeitstheorie zielt nicht auf die Folgen der Beeintrchtigung selbst, sondern auf die Folgen ihrer Beseitigung197. Sie setzt also voraus, dass die Beseitigung der Beeintrchtigung geschuldet wird und bezieht sich nur auf die Folgen dieser Beseitigung, also die durch sie zustzlich entstandenen Schden. Soweit nicht der aus § 1004 I 1 BGB an sich dazu verpflichtete Verantwortliche, sondern der Betroffene die in der Beeintrchtigung liegende Risikoquelle beseitigt, kann dieser Ersatz der dazu erforderlichen Aufwendungen aus Geschftsfhrung ohne Auftrag oder ungerechtfertigter Bereicherung verlangen198. Dasselbe gilt fr die Kosten von sonstigen Prventionsmaßnahmen des Betroffenen, durch die der Verantwortliche Aufwand fr die Beseitigung der Stçrungsquelle erspart, die nicht vom Beseitigungsanspruch selbst erfasst werden199, sondern wie die Selbstvornahme der Beseitigung, an deren Stelle sie treten, Ansprche aus Geschftsfhrung ohne Auftrag begrnden200 oder zumindest einen Bereicherungsanspruch zur Folge haben. Da der Beseitigungsanspruch wie der Unterlassungsanspruch der Vermeidung zuknftiger Beeintrchtigungen dient, ist auch der Auffassung, dass er analog § 251 II BGB durch die Zahlung einer angemessenen Entschdigung ersetzt werden kann, wenn die Beseitigungskosten außer Verhltnis zum Nutzen der Beseitigung fr den Betroffenen stehen201, nicht zu folgen. Denn dadurch wrden nicht nur die §§ 904, 912 I BGB funktionslos, sondern auch der Kern der negatorisch geschtzten Rechtsgter 195

BGH, NJW 1996, 845, 846; Jauernig/Jauernig, § 1004 Rn. 7. So aber Habersack, Rn. 132; Manfred Wolf, Rn. 319. 197 BGHZ 97, 231, 236; BGHZ 135, 235, 238 f.; BGH, NJW 1995, 395, 396; BGH, NJW 2004, 603, 604 f.; BGH, NJW 2005, 1366, 1367 f.; Benecke, VersR 2006, 1037, 1040; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 VI c (S. 701); Picker, Beseitigungsanspruch, S. 165; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 162; J. Wenzel, NJW 2005, 241, 243. 198 BGH, NJW 2005, 1366, 1367; Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 69; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 VI 1 e (S. 701); MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 90; Palandt/Bassenge, § 1004 R. 30; gegen einen Bereicherungsanspruch aber Staudinger/Gursky, 1999, § 1004 Rn. 159. 199 So aber Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 IV 1 d (S. 701). 200 So BGH, NJW 1966, 1360, 1362. 201 So BGHZ 143, 1, 6; Armbrster, NJW 2003, 3087, 3090; Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 65; Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 100; Larenz/Canaris, § 86 VI 2 a (S. 701); Lettl, JuS 2005, 871, 877; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 47; vgl. fr § 912 I BGB auch BGHZ 62, 388, 391. 196

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und Rechte zur Disposition gestellt202. Anders als beim Schadensersatz geht es nicht darum, einen bereits eingetretenen Schaden zu verteilen, sondern die Beeintrchtigung und damit den Schaden berhaupt erst zu verhindern, was nicht nur die Verschuldensunabhngigkeit der negatorischen Haftung rechtfertigt, sondern auch die unter Umstnden erheblichen Kosten der Beseitigung wie auch des Unterlassens. Diese Kosten sind allerdings, wie im weiteren Verlauf der Arbeit ausgefhrt wird203, im Rahmen der Interessenabwgung zur Bestimmung der Verkehrspflichten und zur Feststellung eines drohenden Risikos zugunsten des potentiell Verantwortlichen zu bercksichtigen, fließen also indirekt in die Voraussetzungen der negatorischen Haftung ein. Nicht ausgeschlossen ist es zudem, in Extremfllen § 242 BGB heranzuziehen204.

B. Prventionsfunktion Aus der Zukunftsbezogenheit der negatorischen Haftung ergibt sich zunchst, dass sie auf die Verhinderung oder Vermeidung drohender und damit zuknftiger Beeintrchtigungen gerichtet ist und damit der Prvention dient205. Neben die indirekte Prventionswirkung der drohenden deliktischen Schadensersatzhaftung tritt damit die Prventionswirkung der negatorischen Haftung, die sowohl direkt wirkt, indem sie durchsetzbare Ansprche auf Beseitigung und Schadensersatz gewhrt, als auch indirekt, indem die drohende negatorische Haftung ebenfalls verhaltenssteuernd wirken kann206.

C. Keine Kompensationsfunktion Aus der Zukunftsbezogenheit der negatorischen Haftung ergibt sich weiter, dass ihr keine Kompensationsfunktion zukommt. Die Funktion der negatorischen Haftung, drohende Beeintrchtigungen zu verhindern, schließt zwar nicht aus, dass damit auch bereits eingetretene Beeintrchtigungen zu beseitigen sind, weil diese die Ursache fr die drohende Beeintrchtigung sind, ihre Beseitigung also Voraussetzung fr die Verhinderung der drohenden Beeintrchtigung ist. Insofern kann die negatorische Haftung also faktisch einen Ausgleich bewirken und in ihrer Wirkung der Naturalrestitution durch Schadensersatzansprche nahe kommen. Die Auffassungen, 202 MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 79; Picker, AcP 176 (1976), 28, 52 ff.; Picker, FS Lange, S. 625, 691 f.; Staudinger/Schiemann, § 251 Rn. 31; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 156; hnl. Baur/Strner, § 12 Rn. 21; Herrmann, Stçrer, S. 497 f. 203 Siehe unten S. 252 und 296. 204 So auch Picker, FS Lange, S. 525, 692 ff.; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 156; hnl. Picker, AcP 176 (1976), 28, 63 ff. 205 hnl. Th. Dreier, S. 147. 206 Dazu und zu den Grenzen der Verhaltenssteuerung nher Th. Dreier, S. 131 f.

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§ 2 Verhltnis von negatorischer und deliktischer Haftung

dass der negatorische Beseitigungsanspruch einer kleinen Generalklausel der Gefhrdungshaftung hnele207 und aufgrund seiner Verschuldensunabhngigkeit eine wichtige Ergnzung des Schutzes durch die deliktische Haftung sei208 oder eine Weiterbildung des deliktischen Schadensersatzanspruchs sei209, gehen trotzdem fehl, weil sie die Wirkung der negatorischen Haftung nur teilweise erfassen sowie Ursache und Wirkung verwechseln. Denn whrend die Prvention eine Wirkung der negatorischen Haftung sein muss, kann die Kompensation zwar eine Wirkung der negatorischen Haftung sein, muss es aber nicht, und selbst dort, wo sie eine Wirkung der negatorischen Haftung ist, kann sie nur Nebenwirkung sein. Die negatorische Haftung wird nicht im Hinblick auf den damit mçglicherweise verbundenen Ausgleich bereits eingetretener Beeintrchtigungen gewhrt, sondern um drohende und damit zuknftige Beeintrchtigungen zu vermeiden. Sie kann demgemß auch nicht damit begrndet werden, dass ein Ausgleich zu gewhren ist, sondern nur damit, dass durch den Ausgleich eine drohende Beeintrchtigung zu verhindern ist.

D. Abgrenzungsfunktion Die negatorische Haftung dient wie die deliktische Haftung der Abgrenzung der Freiheitssphren des Betroffenen und des Verantwortlichen210. Dabei kann auch bei der negatorischen Haftung aus der Prventionsfunktion nicht abgeleitet werden, wann eine Haftung besteht und wann nicht. Die Grenze zwischen den Freiheitssphren wird von der negatorischen Haftung vorausgesetzt und dadurch verteidigt, dass mit dem Beseitigungsoder Unterlassungsanspruch gegen drohende Verletzungen dieser Grenze vorgegangen werden kann. Wie bei der deliktischen Haftung bezieht sich die Abgrenzung der Freiheitssphren auf die Handlungsfreiheit und den Integrittsschutz. Denn das Eingreifen der negatorischen Haftung markiert die Grenze, bis zu welcher die Handlungsfreiheit des potentiell Verantwortlichen geht und der Betroffene daraus resultierende Beeintrchtigungen hinnehmen muss und ab welcher der Betroffene sein Eigentum dadurch schtzen kann, dass er den Verantwortlichen zur Vermeidung von Beeintrchtigungen zwingt. Auch hier bildet die Handlungsfreiheit des potentiell Verantwortlichen die Kehrseite des fehlenden Schutzes der Freiheitssphre des Betroffenen. Der Integrittsschutz durch die negatorische Haftung ergibt sich ebenfalls schon daraus, dass diese eine drohende Beeintrchtigung der tatschlichen wie rechtlichen Integritt voraussetzt, die geschtzten Rechtsgter und Rechte 207 208 209 210

So Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 VII (S. 703). So Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 I 1 a (S. 673). Esser/Weyers, § 62 IV (S. 264). Zur Abgrenzungsfunktion der deliktischen Haftung siehe oben S. 65.

V. Funktion des § 906 BGB

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also frei von Beeintrchtigungen halten will. Dabei wird wie bei der deliktischen Haftung nicht nur der Wert des Gesamtvermçgens geschtzt, sondern die Integritt der einzelnen Vermçgensgegenstnde, da nur auf deren Beeintrchtigung abgestellt wird.

V. Funktion des § 906 BGB In den Zusammenhang mit der negatorischen und der deliktischen Haftung gehçren auch die Duldungspflichten und der Ausgleichsanspruch bei der Zufhrung unwgbarer Stoffe gemß § 906 BGB. Diese modifizieren die negatorische, nicht jedoch die deliktische Haftung.

A. Verhltnis zu § 1004 BGB Als Ausgangspunkt fr die Bestimmung der Funktion des § 906 BGB ist festzuhalten, dass dieser eine Duldungspflicht im Sinne des § 1004 II BGB beinhaltet, so dass davon auszugehen ist, dass Beseitigungs- und Unterlassungsansprche gemß § 1004 I BGB bestehen, soweit der § 906 BGB oder andere Duldungspflichten nicht anwendbar sind211. Das hat zunchst zur Konsequenz, dass die Rede davon, dass der Duldungspflichtige durch § 906 BGB geschtzt werde212, zumindest irrefhrend ist. Denn die Duldungspflichten, aber auch der Ausgleichsanspruch des § 906 BGB setzen voraus, dass an sich die Abwehrrechte des § 1004 I BGB gegeben wren. Der Duldungspflichtige wrde also durch die negatorische Haftung geschtzt, wenn diese nicht durch die Duldungspflichten des § 906 BGB ausgeschlossen wren, so dass diese dem Schutz durch die negatorische Haftung zunchst entgegensteht. Der Ausgleichsanspruch des § 906 II 2 BGB soll dies zwar kompensieren213, tut dies jedoch nur eingeschrnkt, da der Anspruch nur in Bezug auf die Duldungspflicht des § 906 II 1 BGB, nicht aber auf diejenige des § 906 I BGB gewhrt wird, zudem nur auf einen angemessenen Ausgleich, nicht aber notwendig auf den Ersatz des gesamten Schadens geht214, und schließlich nur das Vermçgen, nicht aber die einzelnen Vermçgensgegenstnde schtzt.

211

hnl. Erman/Lorenz, § 906 Rn. 2; Staudinger/Roth, § 906 Rn. 3. So Erman/Lorenz, § 906 Rn. 5; hnl. in Bezug auf § 906 II 2 BGB Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 5 (S. 662 f.). 213 BGHZ 68, 350, 354; BGHZ 144, 200, 209; BGHZ 147, 45, 50; Staudinger/Roth, § 906 Rn. 249. 214 Dazu nher unten S. 83. 212

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§ 2 Verhltnis von negatorischer und deliktischer Haftung

B. § 906 II BGB als Ersatz der negatorischen Haftung § 906 II BGB dient dazu, die negatorische Haftung durch eine Pflicht zur Leistung eines angemessenen Ausgleichs zu ersetzen215. Denn die Duldungspflicht aus § 906 II 1 BGB schließt zwar die negatorische Haftung aus, ist aber an die zukunftsbezogene und verschuldensunabhngige Ausgleichspflicht gemß § 906 II 2 BGB gekoppelt. Die beiden Stze dieses Absatzes sind somit aufeinander bezogen und mssen notwendig im Zusammenhang gesehen werden216. Die Duldungspflicht hat notwendig den Ausgleichsanspruch zur Folge. Umgekehrt setzt der Ausgleichsanspruch notwendig die Duldungspflicht voraus217. Ohne Duldungspflicht gibt es keinen Ausgleichsanspruch, stattdessen sind jedoch die Abwehrrechte des § 1004 I BGB gegeben, soweit ihre Voraussetzungen vorliegen.

1. Zukunftsbezogenheit Wie die negatorische Haftung ist der Ausgleichsanspruch des § 906 II 2 BGB zukunftsbezogen. Diese Zukunftsbezogenheit findet ihren Grund zunchst darin, dass der Ausgleichsanspruch an die Stelle der durch § 906 II 1 BGB ausgeschlossenen negatorischen Haftung tritt218 und diese anders als die deliktische Haftung nicht auf den Ersatz bereits eingetretener Schden gerichtet ist, sondern auf die Vermeidung zuknftiger Beeintrchtigungen219. Wie die negatorische Haftung kann er damit nur bezglich drohender Beeintrchtigungen geltend gemacht werden220, dies allerdings bereits dem Grunde nach. Er erfasst demgemß nur die nach seiner Geltendmachung eintretenden Nachteile; nur diese kçnnen durch ihn abgegolten werden, whrend vorher eingetretene Nachteile nur durch den verschuldensabhngigen Schadensersatzanspruch der deliktischen Haftung kompensiert werden kçnnen. Die Haftung aus § 906 II 2 BGB kommt deshalb nicht als Grundlage einer gefhrdungshaftungsartig von Rechtswidrigkeit und Verschulden gelçsten anlagenbezogenen Schadensersatzhaftung fr den Normalbetrieb und fr den Stçrfall in Frage221 und kann damit auch nicht vor allem dazu die215 216

BGHZ 16, 366, 373; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 91. Aus dem Gedanken der Marktimitation durch § 906 II BGB auch Maultzsch,

S. 254. 217

So auch Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Einl Rn. 122. Blz, JZ 1992, 57, 71; Erman/Lorenz, § 906 Rn. 40. 219 hnl. Benecke, VersR 2006, 1037, 1041; Armbrster, NJW 2003, 3087, 3089; Neuner, JuS 2005, 487, 491. 220 Siehe oben S. 71 ff. 221 So aber Gerlach, S. 229; Landsberg/Llling, Umwelthaftungsrecht, § 906 Rn. 11; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 92; hnl. Blz, JZ 1992, 57, 58; Dçring, S. 30 f. 218

V. Funktion des § 906 BGB

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nen, durch die Umweltmedien Luft und Boden vermittelte Schden hnlich wie Beeintrchtigungen der Wasserqualitt durch § 22 WHG zu sanktionieren222. Denn dies wrde voraussetzen, dass er insbesondere auch in der Vergangenheit entstandene Schden umfassen wrde, was mit der eben herausgearbeiteten Zukunftsbezogenheit nicht vereinbar ist223.

2. Verschuldensunabhngigkeit Dass der Ausgleichsanspruch des § 906 II 2 BGB im Gegensatz zu den deliktischen Schadensersatzansprchen verschuldensunabhngig ist224, findet seine Rechtfertigung demgemß darin, dass § 906 II 1 BGB die negatorische Haftung gerade dort ausschließt, wo sie an sich gegeben wre, also eine Haftung aus verbotenem Risiko bestnde. Die Einschrnkung der negatorischen Haftung fhrt also zu einem verminderten Schutz des Betroffenen zugunsten des Verantwortlichen. Die Verschuldensunabhngigkeit des Ausgleichsanspruchs ist der Preis, den der Verantwortliche fr die darin liegende Einschrnkung seiner negatorischen Haftung zu zahlen hat und der dadurch abgemildert wird, dass er nur fr die nach der Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs wenigstens dem Grunde nach eintretenden Nachteile zu entrichten ist. Zudem rechtfertigt sich die Verschuldensunabhngigkeit aus der Zukunftsbezogenheit des Ausgleichsanspruchs. Denn wie bei der negatorischen Haftung findet die Verschuldensunabhngigkeit des Ausgleichsanspruchs ihren Grund darin, dass der Verantwortliche bei der Geltendmachung der Unterlassungs- und Beseitigungsansprche wie des an ihre Stelle tretenden Ausgleichsanspruchs noch die Mçglichkeit hat, den Eintritt des Nachteils zu verhindern, so dass er auf eigenes Risiko handelt, wenn er dies unterlsst.

3. Nur angemessener Ausgleich Der Ausgleichsanspruch des § 906 II 2 BGB ist nicht notwendig auf den Ersatz des vollen Schadens gerichtet225, sondern gewhrt nur einen angemessenen Ausgleich in Geld, der gemeinhin in Anlehnung an die Grundstze 222 So aber G. Hager, NJW 1991, 308, 309; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 85; H. P. Westermann, UTR 11, S. 103, 126 ff.; vgl. auch H. P. Westermann, ZHR 155 (1991), 223, 228 f.; H. Westermann/H. P. Westermann, § 7 V 2 (S. 61 f.). 223 Kritisch zum Vergangenheitsbezug auch Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 91. 224 Bamberger/Roth/Fritzsche, § 906 Rn. 75; Erman/Lorenz, § 906 Rn. 43; MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 25; Soergel/Baur, § 906 Rn. 140; Staudinger/Roth, § 906 Rn. 249. 225 So aber Jauernig/Jauernig, § 906 Rn. 8; Palandt/Bassenge, § 906 Rn. 27; MnchKomm-BGB/Scker, § 906 Rn. 138.

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§ 2 Verhltnis von negatorischer und deliktischer Haftung

zur Enteignungsentschdigung bestimmt wird226; § 906 II 2 BGB hnelt insoweit dem Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff227. Dies kann allerdings nicht ohne weiteres darauf zurckgefhrt werden, dass der Ausgleichsanspruch des § 906 II 2 BGB nur eine Billigkeitsentschdigung sei, whrend es sich bei dem Schadensersatzanspruch des § 14 S. 2 BImSchG um einen rechtsfortsetzenden Anspruch handele, der den an sich gegebenen, aber durch § 14 S. 1 BImSchG ausgeschlossenen Anspruch aus § 1004 I BGB ersetze228, da sich auch der Ausgleichsanspruch des § 906 II 2 BGB als eine Fortsetzung der durch § 906 II 1 BGB ausgeschlossenen negatorischen Haftung darstellt. Dass dieser Ausgleich nicht notwendig den vollstndigen Ersatz des Schadens umfasst, ergibt sich vielmehr aus dem Wortlaut des § 906 II 2 BGB229, der nur von einem angemessenen Ausgleich in Geld spricht. Die darin liegende Beschrnkung der Position des betroffenen Grundstckseigentmers stellt gegenber der Haftung aufgrund § 14 S. 2 BImSchG eine Privilegierung des Verantwortlichen dar, die ihren Grund im nachbarlichen Gemeinschaftsverhltnis findet. Denn die Nachbarschaft der Grundstcke nçtigt zu gegenseitigem Nachgeben230. Aufgrund seiner Zukunftsbezogenheit kann der Ausgleichsanspruch des § 906 II 2 BGB nur solche Nachteile ausgleichen, die nach seiner Geltendmachung nach entstehen. Diese Nachteile umfassen grundstzlich zum einen die abstrakten Einschrnkungen der Benutzungsmçglichkeit des Grundstcks, die dadurch entstehen, dass eine mit den Einwirkungen nicht vereinbare Benutzung von vornherein unterlassen wird, und zum anderen die konkreten Einschrnkungen, die durch Nachteile an der Substanz des Grundstcks und der darauf befindlichen Sachen entstehen.

4. Rumlicher Anwendungsbereich § 906 BGB wird zwar als zentrale Norm des Nachbarrechts verstanden. Als solche regele sie die widerstreitenden Interessen der Nachbarn aufgrund des faktischen Verbunds ihrer Grundstcke im nachbarlichen Raum, der im modernen Zeitalter der Technik und der rumlichen Enge oft zu wechselseitigen Beeintrchtigungen bei ihrer Nutzung fhre231. Aber entsprechend ihrem Wortlaut, der sich lediglich auf Grundstcke bezieht und nicht voraussetzt, dass diese benachbart sind, wird die Vorschrift nicht genuin 226 Bamberger/Roth/Fritzsche, § 906 Rn. 77 f.; Soergel/Baur, § 906 Rn. 8, 149; Staudinger/Roth, § 906 Rn. 262 f.; H. Westermann/H. P. Westermann, § 62 II 5 b (S. 508); vgl. auch Erman/Lorenz, § 906 Rn. 40. 227 BGHZ 158, 263, 267 f.; Medicus, Schuldrecht II, Rn. 898. 228 So aber Staudinger/Roth, § 906 Rn. 263. 229 So auch Staudinger/Roth, § 906 Rn. 257. 230 Vgl. Erman/Lorenz, § 906 Rn. 1. 231 Erman/Lorenz, § 906 Rn. 1; ohne Bezug auf die moderne Zeit hnl. MnchKommBGB/Scker, § 906 Rn. 1; vgl. auch oben S. 17.

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nachbarrechtlich aufgefasst und daher nicht nur auf unmittelbar aneinandergrenzende Grundstcke angewandt, sondern auch auf Einwirkungen von einem Grundstck auf ein anderes Grundstck schlechthin232, so dass es auf die Lage im Einwirkungsbereich einer Stçrungsquelle ankommt233. Darin zeigt sich, dass sich Emissionen in der modernen Industriegesellschaft unserer Zeit nicht auf einen kleinrumigen Bereich beschrnken, sondern weitrumig wirken. Auch das Kriterium der Ortsblichkeit spricht nicht dafr, § 906 BGB auf Einflsse aus der Nachbarschaft als einem relativ engem Raum zu begrenzen234. Dagegen spricht schon, dass die Ortsblichkeit nur Voraussetzung der Duldungspflicht des § 906 II 1 BGB, nicht aber der Duldungspflicht des § 906 I BGB ist. Zudem wrde die Ortsblichkeit nur dann dafr sprechen, § 906 BGB nur auf relativ nahe beieinander liegende, wenn auch nicht notwendig aneinander grenzende Grundstcke anzuwenden, wenn auch sie nur kleinrumig zu bestimmen wre. Demgegenber ist die Ortsblichkeit zwar im Hinblick auf sowohl das beeintrchtigte, als auch das einwirkende Grundstck zu bestimmen235. Aber das ist nicht nur bei kleinrumigen, sondern auch bei großrumigen Einwirkungen mçglich. Ausgeschlossen erscheint es nur, die Duldungspflicht des § 906 II 1 BGB auf großrumige Einwirkungen anzuwenden, die Ortsblichkeit als Voraussetzung dieser Pflicht jedoch kleinrumig zu bestimmen. Die Ortsblichkeit ist demgemß anhand eines Gebietes zu bestimmen, dass sowohl das beeintrchtigte, als auch das einwirkende Grundstck umfasst.

5. Persçnlicher Anwendungsbereich Der persçnliche Anwendungsbereich des § 906 II BGB ist nicht auf Grundstckseigentmer beschrnkt, sondern erfasst neben dinglich und obligatorisch Berechtigten auch Arbeitnehmer und sonstige Berechtigte.

a) Grundstckseigentmer Die Duldungspflicht des § 906 II 1 BGB und der Ausgleichsanspruch des § 906 II 2 BGB treffen nach dem Gesetzeswortlaut zunchst nur den Eigentmer des beeintrchtigten Grundstcks236. Sie treffen ihn allerdings inso232 Bamberger/Roth/Fritzsche, § 906 Rn. 32; MnchKomm-BGB/Scker, § 906 Rn. 1; Staudinger/Roth, § 906 Rn. 112; Wolff/Raiser, § 52 (S. 182); E. Wolf, S. 164 f.; vgl. auch Prtting, Rn. 327 – schwerste Schdigungen oft von weiter abgelegenen Grundstcken. 233 Gerlach, S. 179; RGRK-BGB/Augustin, § 906 Rn. 27; H. P. Westermann, UTR 11, S. 103, 110; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR Rn. 10; eingeschrnkt auch U. Diederichsen, 56. DJT, S. L 48, 55. 234 So aber H. Westermann/H. P. Westermann, § 62 IV 1 (S. 511 f.). 235 H. Westermann/H. P. Westermann, § 2 IV1 (S. 512). 236 So auch Bamberger/Roth/Fritzsche, § 906 Rn. 67.

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§ 2 Verhltnis von negatorischer und deliktischer Haftung

weit persçnlich, als sie nicht nur Beeintrchtigungen seines Grundstcks, sondern auch Beeintrchtigungen seiner darauf befindlichen beweglichen Sachen erfassen237, also an der Eigenschaft als Grundstckseigentmer, nicht aber am Grundstck anknpfen. Denn die Beschrnkung des § 906 II BGB nur auf Beeintrchtigungen des Grundstcks wrde zu untragbaren Wertungswidersprchen fhren238. Dabei lsst sich die Anwendung des § 906 II BGB auch auf bewegliche Sachen des Grundeigentmers noch nicht damit begrnden, dass die Abwehrrechte des § 1004 I BGB grundstzlich vor Beeintrchtigungen des Eigentums nicht nur an Grundstcken, sondern auch an beweglichen Sachen schtzen239. Denn dies spricht als solches noch nicht dagegen, dass der Gesetzgeber die Abwehrrechte der Grundeigentmer aus § 1004 I BGB nur bei Beeintrchtigungen ihrer Grundstcke ausschließt und dies durch einen Ausgleichsanspruch kompensiert, whrend die Abwehrrechte bei Beeintrchtigungen ihrer beweglichen Sachen bestehen bleiben, so dass bewegliche Sachen umfassender geschtzt wrden als Grundstcke, was sich grundstzlich durch deren Situationsbezogenheit rechtfertigen ließe; ein Widerspruch wrde erst vorliegen, wenn nur § 906 II 1 BGB, nicht aber § 906 II BGB auf bewegliche Sachen des Grundeigentmers angewendet wrde. Allerdings erscheint es nicht nur widersprchlich, § 906 II BGB zwar auf die Beeintrchtigung von auf dem Grundstck angebauten Pflanzen anzuwenden, nicht aber auf die Beeintrchtigung der auf dem Grundstck gehaltenen Tiere240. Vielmehr erscheint die Anwendung des § 906 II BGB zwar auf das Grundstck, nicht aber auf die darauf befindlichen beweglichen Sachen auch insoweit widersprchlich, als § 906 II BGB Beeintrchtigungen nicht nur der Substanz, sondern auch der Benutzung des Grundstcks erfasst241 und die Benutzung des Grundstcks in der Regel auch die Verwendung beweglicher Sachen auf dem Grundstck voraussetzt, die nicht notwendig Zubehçr des Grundstcks im Sinne des § 97 BGB darstellen, und sich die Beeintrchtigungen darin sogar erschçpfen kçnnen. Wrde man in diesen Fllen die Abwehrrechte des § 1004 I BGB zulassen, wrden die Duldungspflichten des § 906 I und II 1 BGB und der Ausgleichsanspruch des § 906 II 2 BGB weitgehend leer laufen und der Zweck der Vorschrift, einen Ausgleich der widerstreitenden Nutzungsinteressen der Grundstcksnachbarn zu schaffen, dementsprechend konterkariert. Dies 237 BGHZ 92, 143, 145 f.; OLG Dsseldorf, VersR 1995, 1446, 1447; Gerlach, S. 236 f.; Heck, Sachenrecht, § 50 Nr. 10 (S. 220); Konzen, S. 203; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 5 a (S. 662 f.); Staudinger/Roth, § 906 Rn. 109; vgl. auch Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 219. 238 So auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 5 a (S. 662 f.). 239 So aber Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 5 a (S. 663). 240 So Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 5 a (S. 662 f.). 241 hnl. OLG Dsseldorf, VersR 1995, 1446, 1447; Staudinger/Roth, § 906 Rn. 109.

V. Funktion des § 906 BGB

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gilt umso mehr, als ein Grundeigentmer dann durch das Verbringen entsprechend empfindlicher Sachen auf sein Grundstck das Maß der Nutzung der Nachbargrundstcke bestimmen kçnnte. Demgemß ist die Benutzung des Grundstcks nicht nur in Bezug auf die Wesentlichkeit der Benutzungsbeeintrchtigung weit zu ziehen, indem dazu etwa auch das Wohnen als solches gezhlt wird242 und auf die konkrete Nutzung abgestellt wird243, sondern bereits bezglich des Anwendungsbereichs des § 906 BGB. Die dogmatische Begrndung findet sich darin, dass der § 906 BGB an sich nicht die Beeintrchtigung des Grundstcks, sondern die Beeintrchtigung seiner Nutzung zum Gegenstand hat. Diese, nicht das Grundstck darf in § 906 I BGB nur unwesentlich und muss in § 906 II 1 BGB wesentlich beeintrchtigt sein, und diese, nicht das Grundstck, muss in § 906 II 2 BGB unzumutbar beeintrchtigt sein, damit ein Ausgleich verlangt werden kann. Die Benutzung des Grundstcks erstreckt sich aber auch auf die dabei verwendeten beweglichen Sachen, sei es, dass sie Mittel fr die Nutzung sind, wie etwa Maschinen oder Anlagen, sei es, dass sie Gegenstand der Nutzung sind, wie etwa auf dem Grundstck gelagerte Sachen. Gegenstand des § 906 BGB sind damit sowohl das betroffene Grundstck als auch die darauf befindlichen Sachen als Nutzung desselben. Der Grundstcksbezug liegt demgegenber darin, dass es sich um Einwirkungen von einem Grundstck auf ein anderes Grundstck handeln muss, allgemeiner aus der Sphre des Verantwortlichen in diejenige des Betroffenen. Dies findet seinen Grund darin, dass sich die Sphren des Betroffenen und des Verantwortlichen insoweit berschneiden, als bei den Imponderabilien, die Gegenstand des § 906 BGB sind, die Emission auch dann regelmßig nur mit verhltnismßig großem Aufwand unterbunden werden kann, wenn die Immissionen und ihre Wirkungen relativ gering sind. Die dem § 906 BGB insofern zugrunde liegende Wertung begnstigt demgemß den einwirkenden Nachbarn, indem die Vorschrift sein Interesse schtzt, sein Grundstck nutzen zu kçnnen, ohne bermßige Rcksicht auf die dadurch betroffenen Nachbarn nehmen zu mssen.

b) Dinglich und obligatorisch Berechtigte Die Duldungspflichten des § 906 I und II 1 BGB und der Ausgleichsanspruch des § 906 II 2 BGB beziehen sich nach dem Gesetzeswortlaut zwar nur auf den Eigentmer des betroffenen Grundstcks. Sie gelten nach all242 So in Bezug auf die Wesentlichkeit der Benutzungsbeeintrchtigung BGH, NJW 1958, 1393; BGH, NJW 1984, 1242; Palandt/Bassenge, § 906 Rn. 22; Staudinger/Roth, § 906 Rn. 176. 243 So jedenfalls soweit sie Auswirkung auf den Verkehrswert des Grundstcks hat BGH, WM 1980, 680, 681; Palandt/Bassenge, § 906 Rn. 16; Staudinger/Roth, § 906 Rn. 176.

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§ 2 Verhltnis von negatorischer und deliktischer Haftung

gemeiner Ansicht aber auch fr Inhaber beschrnkt dinglicher Rechte und obligatorisch berechtigte Besitzer244. Dies findet seinen Grund darin, dass diese Personen ihre Rechtsstellung vom duldungspflichtigen Eigentmer ableiten245 und ihre Rechte nicht weiter gehen kçnnen als diejenigen des Eigentmers246, was sie aber wrden, wenn bei ihnen die Duldungspflichten des § 906 I und II 1 BGB nicht anwendbar wren. Denn dann kçnnten sie gegen Beeintrchtigungen ihrer beweglichen Sachen aus § 1004 I BGB vorgehen, dessen Anwendbarkeit auf bewegliche Sachen trotz der grundstzlichen Mçglichkeit des Ausweichens nicht notwendig ausgeschlossen ist247, weil er sich anders als § 906 BGB nicht auf Grundstckseigentmer beschrnkt, sondern sich auf das Eigentum schlechthin bezieht und inzwischen auf alle deliktisch geschtzten Interessen Anwendung findet248. Soweit demgemß die Duldungspflicht des § 906 II 1 BGB greift, bedarf es auch der Kompensation der darin liegenden Verkrzung des Schutzes des Eigentums der beweglicher Sachen der dinglich und obligatorisch Berechtigten, so dass dann auch der Ausgleichsanspruch des § 906 II 2 BGB gegeben sein muss, da die beiden Stze dieses Absatzes aufeinander bezogen sind und eine einheitliche Regelung darstellen. Zudem ist es aus Sicht des Verantwortlichen ohne Bedeutung, ob seine Einwirkung zu einer Beeintrchtigung des Eigentmers oder eines von diesem verschiedenen Besitzers des Grundstcks fhrt249. Der § 906 BGB gilt jedoch nicht zwischen zwei Mietern auf demselben Grundstck250. Denn die Vorschrift setzt Einwirkungen von einem Grundstck auf ein anderes Grundstck voraus251. Zudem leiten die Mieter ihre Rechtsstellung vom selben Eigentmer ab. Etwas anderes wird jedoch hinsichtlich Teilrechts eines Miteigentmers gegenber den anderen Miteigentmern und dem Sondernutzungsrecht eines Wohungseigentmers gegenber den anderen Wohnungseigentmern angenommen, da hier ein nachbarschaftshnliches Verhltnis mit entsprechender Interessenlage vorliege252. 244 BGH, NJW 2008, 992, 993; Bamberger/Roth/Fritzsche, § 906 Rn. 67; Erman/Lorenz, § 906 Rn. 5; MnchKomm-BGB/Scker, § 906 Rn. 6 m. Fn. 17; Staudinger/Roth, § 906 Rn. 107; in Bezug auf den Besitzer auch BGHZ 90, 255, 267 f.; BGHZ 147, 45, 50; BGH, NJW 1995, 132. 245 Bamberger/Roth/Fritzsche, § 906 Rn. 67. 246 BGH, NJW 1995, 132. 247 So aber Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 6 a (S. 663 f.). 248 Siehe oben S. 44 ff. 249 So im Zusammenhang mit § 57 II TKG BGH, NJW-RR 2002, 1576, 1577. 250 BGHZ 157, 188, 192 ff.; Erman/Lorenz, § 906 Rn. 5; anders Siems, JuS 2005, 884, 885; mit flschlichem Zitat des BGH anders auch Bamberger/Roth/Fritzsche, § 906 Rn. 32. 251 BGHZ 157, 188, 192; zu dieser Voraussetzung siehe auch oben S. 84. 252 Vgl. BGHZ 116, 392, 394 f.; BGH, NJW 2007, 3636 f.

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c) Arbeitnehmer Die Duldungspflichten aus § 906 I und II 1 BGB und der Ausgleichsanspruch aus § 906 II BGB gelten auch fr Arbeitnehmer des Eigentmers des betroffenen Grundstcks bezglich ihres dort befindlichen Eigentums. Die Auffassung, dass die Beeintrchtigung beweglicher Sachen, die sich auf dem betroffenen Grundstck befinden und dort angestellten Arbeitnehmern gehçren, keinen Ausgleichsanspruch gemß § 906 II 2 BGB zur Folge haben kann253, berzeugt nicht. Denn die Position des auf dem Grundstck beschftigten Angestellten des Grundstckseigentmers gleicht derjenigen des obligatorisch am Grundstck Berechtigten. Dies findet seinen Grund nicht nur darin, dass auch sie eine vergleichbar enge Beziehung zum betroffenen Grundstck haben, wie der Immobiliarberechtigte, so dass von ihnen auch kein Ausweichen verlangt werden kann254. Vielmehr sind die Arbeitnehmer auch insoweit obligatorisch berechtigt, als sie infolge des Arbeits- oder Dienstvertrags nicht nur einen Beschftigungsanspruch gegenber dem Grundstckseigentmer haben255, sondern auch zumindest Besitzdiener an dem Grundstck oder einem Teil davon sind. Als solchen stehen ihnen gegenber Beeintrchtigungen des Grundstcks gemß § 860 BGB grundstzlich dieselben Rechte zu wie einem Besitzer. Zudem sind sie aus dem Arbeitsverhltnis regelmßig auch zur Ttigkeit auf dem Grundstck verpflichtet. Vor allem aber mssen die auf dem Grundstck beschftigten Arbeitnehmer ebenfalls die Duldungspflichten des § 906 I und II 1 BGB gegen sich gelten lassen, damit sie nicht besser stehen als ihr Arbeitgeber als Grundstckseigentmer, so dass ihnen auch der Ausgleichsanspruch des § 906 II 2 BGB zustehen muss, da beide Stze dieses Absatzes aufeinander bezogen sind und eine einheitliche Regelung darstellen.

d) Sonstige Berechtigte Schließlich gelten die Duldungspflichten des § 906 I und II 1 BGB und der Ausgleichsanspruch des § 906 II 2 BGB auch fr bewegliche Sachen auf dem betroffenen Grundstck, die sonstigen Berechtigten gehçren. Denn wenn schon die Rechte der dinglich oder obligatorisch Berechtigten und der Arbeitnehmer nicht weiter gehen kçnnen als diejenigen des Eigentmers, gilt dies erst recht fr diejenigen, die ihre Position nicht von derjenigen des Eigentmers ableiten. 253 So BGHZ 92, 143, 145; BAG, NJW 2000, 3369, 3371; Olzen, Jura 1991, 281, 284; Palandt/Bassenge, § 906 Rn. 25; Staudinger/Roth, § 906 Rn. 108. 254 So Gerlach, S. 236 ff.; Konzen, S. 203 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 6 b (S. 664); Marburger, 56. DJT, S. C 119; hnl. U. Diederichsen, 56. DJT, S. L 48, 54. 255 Erman/Edenfeld, § 611 Rn. 351 f.; MnchKomm-BGB/Mller-Glçge, § 611 Rn. 973; Palandt/Weidenkaff, § 611 Rn. 118.

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§ 2 Verhltnis von negatorischer und deliktischer Haftung

Aus dem Eigentum an ihren beweglichen Sachen kçnnen auch ihnen die Abwehransprche des nicht immobiliarbezogenen § 1004 I BGB zustehen. Wie bei den obligatorisch oder dinglich Berechtigten und den Arbeitnehmern schließt die Mçglichkeit des Ausweichens die Abwehransprche nicht notwendig aus256. Auch die Gefahr einer Popularklage wird nicht im Rahmen des § 906 BGB, sondern bereits bei § 1004 BGB relevant257 und ist bei der Frage, wann eine Beeintrchtigung im Sinne des § 1004 I BGB vorliegt, zwar zu bercksichtigen, fhrt aber aufgrund der Fassung der Vorschrift nicht notwendig zum Ausschluss von Abwehransprchen gegen die Beeintrchtigung des Eigentums an beweglichen Sachen. Ein Anspruch aus § 1004 I BGB ist damit bei Beeintrchtigungen des Eigentums von Grundstcken mangels Ausweichmçglichkeit eher gegeben als bei beweglichen Sachen, aber bei letzteren nicht ausgeschlossen. Zudem liegt auch dann, wenn sich Personen auf dem betroffenen Grundstck aufhalten oder dort ihre Sachen haben, ohne dinglich oder obligatorisch Berechtigte oder Arbeitnehmer zu sein, objektiv eine Nutzung des Grundstcks vor, so dass auch eine Immobiliarbezogenheit gegeben ist. Die Auffassung, § 906 BGB setze eine Grundstcksbezogenheit zwar nicht im Sinne einer dinglichen Rechtsstellung, sondern nur im Sinne eines dauernden Betroffenseins und der Nichtvermeidbarkeit von Beeintrchtigungen voraus, also insofern als der Betroffene den Einwirkungen hnlich einem Eigentmer oder Besitzer ausgesetzt sein msse, indem er sich ihnen regelmßig und fr lngere Dauer nicht entziehen kann258, hat nur den Ausgleichsanspruch des § 906 II 2 BGB im Blick, nicht aber die Duldungspflichten des § 906 I und II 1 BGB. Bezieht man demgegenber auch diese Pflichten ein, so wrde deren Nichtanwendung wie bei den dinglich oder obligatorisch Berechtigten und den Arbeitnehmern dazu fhren, dass Nichteigentmern die Abwehransprche des § 1004 I BGB auch dort zustehen kçnnen, wo sie fr den Grundstckseigentmer ausgeschlossen sind. Wenn aber schon der Eigentmer des Grundstcks duldungspflichtig ist und dies auch fr die dinglich oder obligatorisch Berechtigten und die Arbeitnehmer gilt, muss dies erst recht fr diejenigen gelten, die ihre Position nicht von derjenigen des Eigentmers ableiten und von der Einwirkung in ihren Rechten insofern weniger beeintrchtigt werden, als bei ihnen nur das Eigentum an beweglichen Sachen beeintrchtigt wird, nicht aber ein obligatorisches oder dingliches Nutzungsrecht, da ihre Nutzung des betroffenen 256

So aber Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 6 a (S. 664). Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 6 a (S. 663 f.). 258 So U. Diederichsen, 56. DJT, S. L 48, 54; Gerlach, S. 236 ff.; Konzen, S. 202; Lytras, S. 166 f., 179 f.; Marburger, 56. DJT, S. C 119; Schimikowski, Rn. 7; Staudinger/Kohler, Einl. zum UmweltHR, Rn. 122; hnl. Ronellenfitsch/Wolf, NJW 1986, 1955, 1960; in Bezug auf Schadensersatzsprche auch F. Wenzel, S. 109; anders Engelhardt, S. 62 ff.; Pfeiffer, S. 176 ff. 257

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Grundstcks nur auf dem bloßen Einverstndnis des Grundeigentmers oder çffentlich-rechtlichen Gestattungen aus dem Straßen- und Wegerecht fr den Gemeingebrauch, so etwa § 13 StrG BW, oder dem Wald- und Naturschutzrecht, so etwa aus § 37 NaturschutzG BW oder § 37 LWaldG BW, beruht. Mit der Duldungspflicht des § 906 II 1 BGB ist dann auch der den Wegfall der Abwehrrechte aus § 1004 I BGB kompensierende Ausgleichsanspruch gemß § 906 II 2 BGB gegeben. Allerdings kommen weder die Duldungspflichten des § 906 I und II 1 BGB noch der Ausgleichsanspruch des § 906 II BGB dort in Betracht, wo schon die Abwehrrechte des § 1004 I BGB nicht gegeben sind, was insbesondere bei unberechtigten Nutzern des betroffenen Grundstcks der Fall ist. Zwar ist ein Ausgleichsanspruch auch dort gewhrt worden, wo es an der Berechtigung zum Besitz fehlte259, aber dort lag offenbar immerhin eine Duldung des Besitzes vor. Soweit hingegen der Eigentmer einer beweglichen Sache das betroffene Grundstck unbefugt nutzt, entfallen regelmßig die Abwehrrechte des § 1004 I BGB, da der Eigentmer der Einwirkung nicht nur ausweichen konnte, sondern auch musste, weil keine rechtlich schutzwrdige Position beeintrchtigt wird.

6. Sachlicher Anwendungsbereich Der sachliche Anwendungsbereich des § 906 II BGB erstreckt sich zunchst auf Beeintrchtigungen des Eigentums, und zwar nicht nur an Grundstcken, sondern, wie im Rahmen des persçnlichen Anwendungsbereichs diskutiert, auch an beweglichen Sachen. Darber hinaus soll § 906 II BGB auch auf Beeintrchtigungen des Lebens sowie des Kçrpers und der Gesundheit anwendbar sein. Dieser erweiterte Anwendungsbereich soll vor allem fr die Ausgleichspflicht des § 906 II 2 BGB gelten und wird damit begrndet, dass den genannten Rechtsgtern zumindest der gleiche Rang zukomme wie dem Eigentum, so dass eine abweichende Behandlung zu Wertungswidersprchen fhren wrde260. Er wird aber auch fr die Duldungspflicht des § 906 II 1 BGB angenommen, weil insoweit nur eine einheitliche Duldungspflicht eine effektive und rechtssichere Grundstcksnutzung gewhrleiste261. Demgegenber ist fr die Duldungspflicht des § 906 II 1 BGB davon auszugehen, dass sie nicht auch auf Beeintrchtigungen von Leben, Kçrper und Gesundheit anwendbar ist. Diese mangelnde Anwendbarkeit ergibt sich allerdings aus den im Rahmen des persçnlichen Anwendungsbereichs 259

So mit Bezug auf § 57 II TKG BGH, NJW-RR 2002, 1576, 1577. Gerlach, S. 236 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 5 b (S. 663). 261 Lytras, S. 170; hnl. Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 121, 222; G. Wagner, Genehmigung, 262 ff.; im Ergebnis wohl auch BGHZ 92, 143, 148 f.; anders wohl Engelhardt, S. 183; H. P. Westermann, UTR 11, S. 103, 111 f. 260

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angefhrten Grnden nicht aus einer Immobiliarbezogenheit des § 906 II 1 BGB262. Sie folgt vielmehr daraus, dass die Gesamtregelung des § 906 II BGB nur auf Fallgestaltungen bezogen ist, in denen sich auf beiden Seiten Eigentums- oder zumindest Vermçgensrechte gegenberstehen263. Denn der Wegfall der Duldungspflicht soll durch den Ausgleichsanspruch des § 906 II 2 BGB kompensiert werden, was jedoch nur eingeschrnkt mçglich ist, da zwar Beeintrchtigungen des Eigentums als Teil des Vermçgens durch Zahlungen ausgeglichen werden kçnnen, nicht aber ohne weiteres Beeintrchtigungen sonstiger Rechtsgter und Rechte, die keine Vermçgensgter sind, wie etwa die Gesundheit264. Dies gilt umso mehr, als diesen Rechtsgtern und Rechten grundstzlich ein hçheres Gewicht zukommt als dem Eigentum. Zudem lsst sich auch den Wertungen des Bundesimmissonsschutzgesetzes entnehmen, dass wesentliche Gesundheitsverletzungen auch dann nicht hingenommen werden mssen, wenn sie ortsblich sind265. Der sachliche Anwendungsbereich der Duldungspflicht des § 906 II 1 BGB umfasst demgemß nicht Beeintrchtigungen des Lebens sowie des Kçrpers und der Gesundheit266. Soweit keine Duldungspflicht aus § 906 II 1 BGB vorliegt, ist aber grundstzlich auch der Ausgleichsanspruch des § 906 II 2 BGB nicht gegeben267. Demgemß lsst sich die Anwendung des Ausgleichsanspruchs auch auf Beeintrchtigungen des Lebens sowie des Kçrpers und der Gesundheit nicht allgemein damit begrnden, dass diese gegenber dem Eigentum nicht schlechter gestellt werden drften268 und dass das Grundstck andernfalls seine Nutzbarkeit als menschlicher Lebensbereich verlçre269. Denn der Schutz dieser Rechtsgter und des Lebensbereichs entfllt durch die Nichtanwendung des § 906 II 2 BGB dann nicht, wenn auch die Duldungspflicht des § 906 II 1 BGB keine Anwendung findet, da dann die Unterlassungs- und Beseitigungsansprche des § 1004 I BGB gegeben sind, die bereits die Beeintrchtigung verhindern und damit grundstzlich einen besseren Rechtsschutz gewhren als der Ausgleichsanspruch des § 906 II 2 BGB. Dies gilt insbesondere auch fr Umweltbeeintrchtigungen. 262 So auch Petersen, S. 7 f.; anders Erl, S. 251 ff.; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 219; von Bar, KF 1987, S. 4, 10 f. 263 hnl. Pfeiffer, S. 182 ff. 264 Pfeiffer, S. 183; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. B 189; anders wohl BGHZ 49, 148, 152. 265 Staudinger/Roth, § 906 Rn. 110. 266 So auch J. Hager, Jura 1991, 303, 305; Petersen, S. 8; Pfeiffer, S. 182 ff.; Staudinger/ Roth, § 906 Rn. 10, 231; von Bar, KF 1987, S. 4, 10 f. 267 Siehe oben S. 82. 268 So aber BVerwGE 54, 211, 222; Baur, JZ 1987, 317, 319; Gerlach, JZ 1988, 161, 170; Gerlach, S. 236 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 5 b (S. 663); Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 120 f. 269 So aber Marburger, 56. DJT, S. C 118 f.; Gerlach, S. 184 ff.; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 121.

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C. § 906 I BGB als allgemeiner Grundsatz Die Duldungspflicht des § 906 I BGB erlaubt unwesentliche Beeintrchtigungen des Eigentums und damit auch das Risiko einer solchen Beeintrchtigung, ohne dafr einen Ausgleich oder gar einen Schadensersatz zu gewhren. Ob eine unwesentliche Beeintrchtigung vorliegt, soll anhand einer Interessenabwgung auf der Grundlage des Empfindens eines verstndig wertenden Durchschnittsmenschen unter Bercksichtigung der Allgemeininteressen zu bestimmen sein270. In diese Abwgung kann damit auch das Interesse am Schutz der Umwelt und das genderte Umweltbewusstsein der Bevçlkerung einfließen271, etwa bei Froschgequake272 oder Unkrautsamenflug273. Allerdings geht es dabei weniger um eine Abwgung zwischen verschiedenen Rechtsgtern, als in erster Linie um die Frage, wann eine Beeintrchtigung vorliegt, so dass vor allem auf das beeintrchtigte Rechtsgut abzustellen ist. Demgemß wird etwa bei Grundstcken fr die Wesentlichkeit die konkrete, durch Natur und Lage sowie Gestaltung und Zweckbestimmung geprgte Beschaffenheit des Grundstcks fr maßgeblich gehalten274. Die Beeintrchtigung ist also absolut, aber unter Bercksichtigung der abstrakten Allgemeininteressen, und nicht relativ als Abwgung zwischen den sich im konkreten Fall gegenberstehenden Rechtsgtern und Interessen zu bestimmen. Die Pflicht zur Duldung unwesentlicher Beeintrchtigungen des § 906 I BGB bezieht sich zwar nach dem Wortlaut der Vorschrift nur auf Einwirkungen zwischen Grundstcken. Aber angesichts der faktischen Unvermeidbarkeit von geringfgigen Beeintrchtigungen im Rahmen des menschlichen Zusammenlebens gerade auch in der modernen Gesellschaft275 beinhaltet die Vorschrift die Kodifikation eines allgemeinen Grundsatzes, dass dadurch verursachte Beeintrchtigungen hinzunehmen sind, solange sie unwesentlich sind. hnlich wird etwa auch eine Polizeigefahr erst bei Beeintrchtigungen mit einem hinreichenden Intensittsgrad mit der Begrndung angenommen, dass eine zu geringe Intensittsschwelle auch solche Ttigkeiten als Gefahren erfassen wrde, auf die die Gesellschaft nicht verzichten kçnne oder wolle, etwa den Straßenverkehr oder die industrielle Produktion276. Derartige Beeintrchtigungen gehçren gewissermaßen zum allgemeinen Lebensrisiko. Dabei ist der Auffassung, 270

BGHZ 121, 248, 255. Baur/Strner, § 25 Rn. 27; vgl. auch Knoche, S. 152 ff.; kritisch Vieweg, NJW 1993, 2570, 2572; zur Entwicklung des Umweltbewusstseins seit 1945 Schmidt-Salzer, NJW 1994, 1304, 1313 f. 272 BGHZ 120, 239, 255; Baur/Strner, § 25 Rn. 27. 273 OLG Dsseldorf, OLGZ 1993, 451, 452; Baur/Strner, § 25 Rn. 27. 274 BGHZ 140, 1, 4 ff.; Erman/Lorenz, § 906 Rn. 17 f.; Palandt/Bassenge, § 906 Rn. 16. 275 Siehe oben S. 17. 276 Friauf, Rn. 46 f.; im Ergebnis hnl. Lisken/Denninger/Denninger, Rn. E 40. 271

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dass bei nicht Immobiliarberechtigten die Wesentlichkeit schon deswegen entfllt, weil sie den Immissionen ausweichen kçnnen277, nicht zuzustimmen, da deren Interessen, wie oben zum persçnlichen Anwendungsbereich des § 906 II BGB gezeigt, nicht notwendig weniger schutzwrdig sind als diejenigen der Immobiliarberechtigten.

D. Verhltnis des § 906 BGB zur deliktischen Haftung Die Duldungspflichten des § 906 BGB werden vielfach als maßgeblich fr die Rechtswidrigkeit nicht nur der negatorischen, sondern auch der deliktischen Haftung angesehen278. Dem ist jedoch nicht zuzustimmen.

1. Duldungspflicht des § 906 I BGB Die Duldungspflicht des § 906 I BGB lsst die deliktische Haftung zunchst unberhrt. Dies ergibt sich zunchst aus der Fassung der Vorschrift. Denn diese bezieht sich nur auf das Verbieten der Beeintrchtigung, also die darauf gerichteten negatorischen Unterlassungs- und Beseitigungsansprche gemß § 1004 I BGB279, und schließt nur diese aus. Die Auffassung, dass § 906 I BGB im Rahmen seines Anwendungsbereichs auch fr die Rechtswidrigkeit als Voraussetzung der deliktischen Haftung maßgeblich ist, also auch fr das Deliktsrecht darber entscheidet, ob ein Verhalten Unrecht darstellt oder nicht, ließe sich daher nur begrnden, wenn das Rechtswidrigkeitsurteil ber ein Verhalten im Rahmen einer Norm auch die Rechtswidrigkeit im Rahmen anderer Normen determinieren wrde, was aber mit der bereits oben dargelegten Relativitt der Rechtswidrigkeit280 nicht vereinbar ist. Gegen die bertragung der auf die negatorische Haftung bezogenen Duldungspflicht des § 906 I BGB auf die Rechtswidrigkeit der deliktischen Haftung spricht, dass sich die negatorische und deliktische Haftung zwar ergnzen, aber durchaus eigenstndige Regelungen enthalten281, so dass die negatorische und die deliktische Haftung nicht notwendig gleichlaufen. Besttigt wird die Unanwendbarkeit der Duldungspflicht des § 906 I BGB auf die deliktische Haftung dadurch, dass die unwesentliche Beeintrchtigung als Voraussetzung der Duldungspflicht bereits den Tatbestand 277

Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 6 a (S. 664); vgl. auch BGHZ 92, 143, 150. So etwa BGHZ 44, 130, 134; BGHZ 90, 255, 257 ff.; BGHZ 92, 143, 148; BGHZ 113, 384, 390; BGHZ 117, 110, 111; BGHZ 120, 239, 249; BGH, NJW-RR 2000, 537; Erman/Lorenz, § 906 Rn. 6; Lytras, S. 334 ff.; Rçthel, Jura 2000, 917, 920; H. Roth, JuS 2001, 1661 f.; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. B 189; Staudinger/Roth, § 906 Rn. 57. 279 Vgl. Erman/Lorenz, § 906 Rn. 2; MnchKomm-BGB/Scker, § 906 Rn. 4; Soergel/ Baur, § 906 Rn. 1 f.; Staudinger/Roth, § 906 Rn. 3. 280 Siehe oben S. 40. 281 hnl. mit Bezug auf § 906 II 2 BGB Neuner, JuS 2005, 487, 491. 278

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der deliktischen Haftung ausschließt. Denn der Eintritt immissionsbedingter Schden wird gemeinhin als wesentliche Beeintrchtigung aufgefasst282, was sogar dann gelten soll, wenn der Schadenseintritt auf einer besonders empfindlichen Nutzung beruht283 oder wenn Schden trotz Einhaltung der im Einzelfall maßgeblichen Grenzwerte entstehen, da der Schadenseintritt die Regelvermutung widerlegt284. Die Duldungspflicht liefe insoweit ins Leere. Allerdings kann die Duldungspflicht des § 906 I BGB als kodifizierte Abwgung der Interessen des Betroffenen und des potentiell Verantwortlichen aufgefasst werden, deren Ergebnis, dass bei unwesentlichen Beeintrchtigungen die Interessen des potentiell Verantwortlichen berwiegen, verallgemeinert wird und in die Interessenabwgung zur Bestimmung der Verkehrspflichten einfließen kann. Aber auch dann besteht kein Anwendungsbereich fr die Duldungspflicht des § 906 I BGB, weil es dann bereits an der Verkehrspflichtverletzung als Voraussetzung der negatorischen und deliktischen Haftung fehlt. Allenfalls aus Schutzgesetzen im Sinne des § 823 II BGB und deren Konkretisierung durch privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte kann sich daher eine Verhaltenspflicht zum Schutz des Betroffenen ergeben, die dann nicht nur deliktische Schadensersatzansprche, sondern auch quasinegatorische Unterlassungs- und Beseitigungsansprche zur Folge haben kçnnen285. Das Bestehen einer derartigen Verhaltenspflicht qualifiziert dann die Beeintrchtigung, auf deren Verhinderung sie gerichtet ist, als wesentlich. § 906 I BGB schließt damit die negatorische Haftung dort aus, wo keine Verkehrspflichtverletzung vorliegt und damit auch keine deliktische Haftung besteht. Er enthlt also einen allgemeinen Grundsatz, der bereits im Rahmen der Bestimmung der Verkehrspflichten zu bercksichtigen ist, so dass strenggenommen mangels an sich bestehender negatorischer Haftung keine Duldungspflicht vorliegt, diese also auch nicht auf die deliktische Haftung Anwendung finden kann.

282 So BGHZ 157, 33, 43 f.; BGH, NJW 1999, 1029, 1030; Bamberger/Roth/Fritzsche, § 906 Rn. 46; Boecken, S. 266 ff.; auf Gesundheitsschden bezogen auch Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. B 189; in Bezug auf Menschen, Tiere und Pflanzen auch MnchKommBGB/Scker, § 906 Rn. 33; nur auf wesentliche Schden bezogen aber Staudinger/Roth, § 906 Rn. 110, 178; wohl auch noch BGHZ 70, 102, 110; fr durch Erschtterungen verursachte Schden auch Soergel/Baur, § 906 Rn. 109; anders Piekenbrock, VersR 1999, 727, 728. 283 So BGHZ 90, 255, 257; OLG Dsseldorf, NJW-RR 1995, 1482, 1484; Soergel/ Baur, § 906 Rn. 104; Staudinger/Roth, § 906 Rn. 182. 284 BGH, NJW 1999, 1029, 1030; Bamberger/Roth/Fritzsche, § 904 Rn. 46. 285 hnl. Erman/Lorenz, § 906 Rn. 6; vgl. auch BGHZ 122, 1, 2 ff.; BGH, NJW 1995, 132, 134; Palandt/Sprau, Vor § 823 Rn. 18.

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2. Duldungspflicht des § 906 II BGB Die Duldungspflicht des § 906 II 1 BGB lsst die deliktische Haftung ebenfalls zunchst unberhrt, da sie bezglich ihrer Rechtsfolgen auf § 906 I BGB verweist, der sich nur auf das Verbieten der Beeintrchtigung, also die darauf gerichteten negatorischen Unterlassungs- und Beseitigungsansprche gemß § 1004 I BGB bezieht. Der Auffassung, dass die Duldungspflicht des § 906 II 1 BGB auch fr die Rechtswidrigkeit als Voraussetzung der deliktischen Haftung maßgeblich ist286, kann nicht gefolgt werden. Zwar htte die Duldungspflicht hier insofern einen Anwendungsbereich, als sich § 906 II 1 BGB anders als § 906 I BGB auf wesentliche Beeintrchtigungen bezieht, die auch Gegenstand der Verkehrspflichten der deliktischen Haftung sein kçnnen. Aber eine Anwendung der Duldungspflicht des § 906 II 1 BGB wrde den Gleichlauf mit § 906 I BGB aufheben, von dem der Wortlaut der Vorschrift ausgeht. Vor allem aber spricht gegen die Anwendbarkeit der auf die negatorische Haftung bezogenen Duldungspflicht des § 906 II 1 BGB auch auf die deliktische Haftung das bereits in Bezug auf die Duldungspflicht des § 906 I BGB angesprochene Argument, dass die Rechtswidrigkeit relativ und damit jeweils konkret fr die jeweils in Frage stehende Norm zu bestimmen ist und es sich bei der negatorischen und deliktischen Haftung trotz ihres funktionalen Ergnzungsverhltnisses um durchaus eigenstndige Regelungen handelt. Ein Ausschluss der deliktischen Haftung ergibt sich auch nicht aus § 906 II 2 BGB. Denn der dort normierte Ausgleichsanspruch stellt gegenber dem deliktischen Schadensersatzanspruch keine diesen verdrngende speziellere Regelung dar. Der Ausgleichsanspruch weicht vielmehr sowohl hinsichtlich seiner Voraussetzungen als auch hinsichtlich seiner Wirkungen vom deliktischen Schadensersatzanspruch ab. Zudem tritt er an die Stelle der durch § 906 II 1 BGB ausgeschlossenen negatorischen Haftung, ersetzt also diese und nicht die deliktische Haftung. Demgemß besteht zwischen der deliktischen Haftung und dem Ausgleichsanspruch des § 906 II 2 BGB materielle Anspruchskonkurrenz287. Zudem erscheint auch die Mçglichkeit, das Entfallen der negatorischen Haftung durch einen Ausgleichsanspruch zu kompensieren, nicht analogiefhig, da zwar Beeintrchtigungen des Eigentums als Teil des Vermçgens durch Zahlungen ausgeglichen werden kçnnen, nicht aber ohne weiteres sonstige Rechtsgter und Rechte, denen grundstzlich ein hçheres Gewicht zukommt. § 906 II BGB schließt damit bei Beeintrchtigungen, die zwar wesentlich, aber ortsblich und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen zu verhindern sind, die negatorische Haftung aus, nicht aber auch die deliktische Haftung, und gewhrt dafr einen Ausgleichsanspruch. 286 287

Siehe Nachweise in Fn. 278. J. Wenzel, NJW 2005, 241, 243 f.

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3. Analoge Anwendung des § 906 II 2 BGB Eine analoge Anwendung des Ausgleichsanspruchs aus § 906 II 2 BGB kommt nur dort in Betracht, wo dieser eine Kompensation fr eine Duldungspflicht entsprechend derjenigen aus § 906 II 1 BGB bietet. Nicht in Betracht kommt sie dort, wo eine entsprechende Duldungspflicht nicht besteht. Der sogenannte faktische Duldungszwang begrndet demgemß keinen verschuldensunabhngigen Ausgleichsanspruch analog § 906 II 2 BGB, der an die Stelle der deliktischen Haftung tritt.

a) Andere Duldungspflichten des Nachbarrechts Die analoge Anwendung des § 906 II 2 BGB knpft an der Funktion des Ausgleichsanspruchs an, unter Nachbarn den Ausschluss der Unterlassungs- und Beseitigungsansprche des § 1004 I BGB durch die Duldungspflicht des § 906 II 1 BGB zu kompensieren. Demgemß kann § 906 II 2 BGB dort analog angewendet werden, wo unter Nachbarn aufgrund ihrer Nachbarschaft Duldungspflichten bestehen, die von § 906 II 1 BGB an sich nicht erfasst werden288. Denn in diesen Fllen kommt dem Ausgleichsanspruch des § 906 II 2 BGB dieselbe Funktion zu wie gegenber der Duldungspflicht aus § 906 II 1 BGB, nmlich aufgrund einer kodifizierten Interessenabwgung zu einem angemessenen Ausgleich zwischen dem Betroffenen und dem Verantwortlichen zu kommen, indem der Betroffene zwar seine ihm an sich zustehenden Unterlassungs- und Beseitigungsansprche aus negatorischer Haftung nicht geltend machen kann, stattdessen aber einen Ausgleichsanspruch erhlt. Umgekehrt kann der Verantwortliche aufgrund der Zukunftsbezogenheit dieses Anspruchs bei dessen Geltendmachung whlen, ob er die Beeintrchtigung vermeidet oder die verschuldensunabhngige Ausgleichshaftung in Kauf nimmt. Die Analogiebasis liegt allerdings nicht allein in dieser Zukunftsbezogenheit, sondern in der Duldungspflicht, so dass der Ausgleichsanspruch nicht schon dann besteht, wenn ein negatorischer Anspruch geltend gemacht wird und keine Duldungspflicht besteht; eine verschuldensunabhngige Haftung besteht dann nur gemß § 287 S. 2 BGB, der auch bei Ansprchen aus § 1004 BGB Anwendung findet289. Eine analoge Anwendung des Ausgleichsanspruchs aus § 906 II 2 BGB ist demgemß etwa geboten, wenn ein Grundstckseigentmer ausnahmsweise Grobimmissionen zu dulden hat290. Auch dann, wenn man eine Dul288

hnl. Neuner, JuS 2005, 487, 491. Erman/J. Hager, § 286 Rn. 15; MnchKomm-BGB/Ernst, § 286 Rn. 6; Staudinger/J. Hager, § 286 Rn. 15. 290 So etwa BGHZ 58, 149, 159 f.; BGHZ 111, 158, 162 f.; BGHZ 155, 99, 103; BGHZ 160, 232, 236; Bamberger/Roth/Fritzsche, § 906 Rn. 811; Benecke, VersR 2006, 1037, 1041; 289

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dungspflicht fr gemeinwichtige Betriebe annimmt291, ist er gegeben292. Vertretbar erscheint eine analoge Anwendung auch, wenn sich nachtrglich herausstellt, dass die Voraussetzungen einer Duldungspflicht doch nicht bestanden haben293, aufgrund der Zukunftsbezogenheit des Ausgleichsanspruchs allerdings nur, wenn der Ausgleichsanspruch bereits geltend gemacht wurde und sowohl der Betroffene als auch der Verantwortliche von dem Bestehen einer Duldungspflicht ausgingen. Schließlich ist eine analoge Anwendung auch dann geboten, wenn die Duldungspflicht des § 906 II 1 BGB oder eine entsprechende Duldungspflicht auch Unterlassungs- und Beseitigungsansprche bezglich Beeintrchtigungen von Mobiliareigentum ausschließt294.

b) Faktischer Duldungszwang Hingegen ist der Auffassung, dass der Ausgleichsanspruch aus § 906 II 2 BGB beim sogenannten faktischen Duldungszwang analog anzuwenden sei, also wenn Einwirkungen das zumutbare Maß einer entschdigungslos hinzunehmenden Beeintrchtigung bersteigen und der Betroffene aus besonderen tatschlichen Grnden gehindert war, diese Einwirkungen durch die Abwehransprche des § 1004 I BGB zu unterbinden295, nicht zuzustimmen. Die Analogie lsst sich weder aus dem Gesetz herleiten, noch durch besondere Sachzwnge begrnden296. So erscheint die Annahme, dass in den Fllen des sogenannten faktischen Duldungszwangs mangels nachweisbaren Verschuldens eine Rechtsschutzlcke existiere297, schon insofern als befremdlich, als diese Annahme nicht auf das Nachbarrecht beschrnkt wre, sondern das Deliktsrecht als solches trfe. Auf der Grundlage des geltenden Haftungsrechts fhrt das VerschulErman/Lorenz, § 906 Rn. 43; Neuner, JuS 2005, 487, 491; Palandt/Bassenge, § 906 Rn. 35; A. Schmidt, S. 93 ff.; Soergel/Baur, § 906 Rn. 152. 291 So etwa BGHZ 144, 200, 205 ff. 292 BGHZ 48, 98, 101 ff.; Erman/Lorenz, § 906 Rn. 73; Neuner, JuS 2005, 487, 491; Manfred Wolf, Rn. 361; Karsten, S. 74 f. 293 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 III 1 a (S. 664); Neuner, JuS 2005, 487, 491; A. Schmidt, S. 81 ff. 294 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 5 (S. 662 f.); Neuner, JuS 2005, 487, 491, Staudinger/Roth, § 906 Rn. 109 ff. 295 So BGHZ 85, 375, 384; BGHZ 90, 255, 262; BGHZ 111, 158, 164; BGHZ 113, 384, 391; BGHZ 142, 66, 67 f.; BGHZ 144, 200, 209; BGHZ 147, 45, 49 f.; BGHZ 155, 99, 101 ff.; BGHZ 160, 232, 236; Erman/Lorenz, § 906 Rn. 53; Hagen, FS Lange, S. 483, 498 ff.; Jauernig, JZ 1986, 605, 611; MnchKomm-BGB/Scker, § 906 Rn. 141; Soergel/ Baur, § 906 Rn. 151 ff.; Staudinger/Roth, § 906 Rn. 66 ff.; eingeschrnkt auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 III 1 (S. 664 f.). 296 Bensching, S. 227 ff.; Knoche, S. 213; Neuner, JuS 2005, 487, 491; Schlechtriem, FS Gernhuber, S. 407, 416 ff.; A. Schmidt, S. 180 ff.; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 781 ff.; aus çkonomischer Sicht auch Maultzsch, S. 249 ff.; differenzierend H. Roth, Aufopferungsanspruch, S. 1, 14 ff., 20 ff., 45. 297 So offenbar Bamberger/Roth/Fritzsche, § 906 Rn. 81.

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denserfordernis zwar dazu, dass die deliktische Haftung dort keinen Rechtsschutz gewhrt, wo das Verschulden fehlt oder nicht nachweisbar ist, aber dies entspricht offenbar den Wertungen des Gesetzes, das ja ein Verschulden erfordert, darin also ein taugliches Abgrenzungskriterium zur Abgrenzung der Freiheits- und Risikosphren des Betroffenen und des potentiell Verantwortlichen sieht. Zudem fhrt die Anknpfung des Verschuldens bereits an den Zeitpunkt der Risikosetzung dazu, dass das Fehlen des Verschuldens tatschlich wie systematisch einen Ausnahmefall darstellt298. So ist etwa in dem vom BGH entschiedenen Fall, in dem es um den Ersatz des Schadens durch umgestrzte Bume ging, die ihre Standsicherheit durch die Rodung umliegender Bume verloren hatten299, sowohl hinsichtlich der Rechtswidrigkeit als auch hinsichtlich des Verschuldens nicht auf das Nichtfllen der umgestrzten Bume, sondern auf die Rodung der umliegenden Bume abzustellen300. Auch das Argument, dass mit der Beschrnkung des Ausgleichsanspruchs des § 906 II 2 BGB auf die Kompensation von Duldungspflichten gemß § 906 II 1 BGB der rechtswidrig Verletzte schlechter gestellt wird als der rechtmßig Verletzte301, geht unter dem hier zugrunde gelegten Verstndnis der Vorschrift fehl. Denn die Duldungspflichten und die korrespondierenden Ausgleichspflichten beziehen sich auf die zukunftsbezogenen Abwehransprche aus § 1004 I BGB302, so dass auch dem rechtmßig Betroffenen nur Ansprche aus deliktischer Haftung zustehen, solange er seinen Ausgleichsanspruch nicht wenigstens dem Grunde nach geltend gemacht hat303. Vor allem aber spricht gegen die analoge Anwendung des § 906 II 2 BGB auf den sogenannten faktischen Duldungszwang, dass sie zu einem Systembruch innerhalb des geltenden Schadensersatzrechts fhren wrde, das von der deliktischen Haftung als Regelfall ausgeht und eine verschuldensunabhngige Gefhrdungshaftung grundstzlich nur in gesetzlich festgelegten Ausnahmefllen zulsst, zu denen eine Gesamtanalogie nicht und auch eine Einzelanalogie allenfalls eingeschrnkt mçglich ist304. Die Annahme einer generellen Gefhrdungshaftung im Verhltnis zwischen Nachbarn305 ist damit nicht vereinbar, da aus der Nachbarschaft als solcher noch keine besondere Gefahr erwchst und auch die mangelnde Mçglichkeit des 298

Dazu nher unten S. 345 ff. BGHZ 160, 232 ff. 300 So unter Bejahung von Rechtswidrigkeit und Fahrlssigkeit Wieling, LMK 2005, 26 f.; im Ausgangspunkt mit Bezug auf § 831 BGB auch BGHZ 160, 232, 235. 301 So Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 III 1 a (S. 664 f.). 302 So auch Neuner, JuS 2005, 487, 491. 303 Siehe oben S. 82. 304 So zunchst auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 III 1 b (S. 665 f.); hnl. Neuner, JuS 2005, 487, 491; zur Analogiefhigkeit nher unten S. 382. 305 So Gerlach, S. 229. 299

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§ 2 Verhltnis von negatorischer und deliktischer Haftung

Grundstcks, Einwirkungen von seinen Nachbargrundstcken auszuweichen, noch keine derartige Gefahr begrndet306. Diese mangelnde Ausweichmçglichkeit ist, wie der dem Kupolofenurteil zugrundeliegende Sachverhalt307 zeigt, nicht notwendig auf Grundstcke beschrnkt; zudem ist nicht einsichtig, warum Mobiliareigentum und andere geschtzte Rechtsgter und Rechte, wie Gesundheit und Kçrper und sogar Leben, insoweit einen geringeren Schutz genießen sollen, als sie den Einwirkungen dort weichen mssen, wo es das Immobiliareigentum nicht tun muss308. Die analoge Anwendung des Ausgleichsanspruchs des § 906 II 2 BGB auf den sogenannten faktischen Duldungszwang htte dabei zur Konsequenz, dass die deliktische Haftung im Nachbarverhltnis keinen eigenstndigen Anwendungsbereich mehr besitzt309 und insbesondere das Verschuldenserfordernis des Deliktsrechts aufgehoben wird310. Dies gilt insbesondere, wenn zwischen der deliktischen Haftung und dem Ausgleichsanspruch gemß und analog § 906 II 2 BGB materielle Anspruchskonkurrenz angenommen wird311. Aber auch die Annahme, dass der analoge Ausgleichsanspruch gegenber deliktischen Schadensersatzansprchen subsidir sei, also nur in Betracht komme, wenn eine andere gesetzliche Bestimmung den konkreten Tatbestand nicht abschließend regele312, vermag diesen Befund nicht zu ndern. Denn wenn der analoge Ausgleichsanspruch immer dann eingreift, wenn die deliktische Haftung mangels nachweisbaren Verschuldens nicht gegeben ist, luft das Verschuldenserfordernis leer. Dies gilt insbesondere, wenn der Ausgleichsanspruch auf den Ersatz des vollen Schadens gerichtet wre313. Aber auch, wenn man wie hier davon ausgeht, dass der Ausgleichsanspruch nicht notwendig auf den Ersatz des vollen Schadens gerichtet ist314, erscheint fraglich, ob der praktische Unterschied im Anspruchsinhalt nicht zu gering ist, um dem Verschuldenserfordernis noch einen eigenstndigen Anwendungsbereich zukommen zu lassen315. Vor allem aber erscheint der zugrunde liegende Subsidiarittsbegriff fragwrdig. Er ist allein von den Rechtsfolgen her gedacht und bersieht, 306

So auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 III 1 b (S. 665 f.). BGHZ 92, 143 f. 308 So im Ausgangspunkt auch Gerlach, S. 236 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 5 b (S. 663); Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 120 f. 309 Wieling, LMK 2005, 26, 27. 310 Neuner, JuS 2005, 487, 491. 311 So J. Wenzel, NJW 2005, 241, 243 f. 312 So BGHZ 142, 227, 236; BGH, NJW 2003, 1732, 1733; Bamberger/Roth/Fritzsche, § 906 Rn. 82; Erman/Lorenz Rn. 43; Palandt/Bassenge, § 906 Rn. 25; hnl. BGHZ 72, 289, 295; BGHZ 120, 239, 249; BGHZ 160, 232, 234 f. 313 So Jauernig/Jauernig, § 906 Rn. 8; Palandt/Bassenge, § 906 Rn. 27; MnchKommBGB/Scker, § 906 Rn. 138; J. Wenzel, NJW 2005, 241, 243. 314 Siehe oben S. 83. 315 So Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 III 1 b (S. 665); anders Bamberger/Roth/ Fritzsche, § 906 Rn. 82. 307

V. Funktion des § 906 BGB

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dass der Regelungsgehalt gerade darin liegt, die Rechtsfolgen an bestimmte Voraussetzungen zu knpfen. Denn eine abschließende Regelung bedeutet, dass allein die Voraussetzungen der fraglichen Norm fr die von ihr angeordneten Rechtsfolgen maßgeblich sind. Andernfalls wre die Regelung nicht abschließend, weil die Regelung notwendig auch ihre Voraussetzungen und damit innerhalb ihres grundstzlichen Anwendungsbereichs die Entscheidung ber die konkrete Anwendung ihrer Rechtsfolgen umfasst. Jeder Regelung ist die Entscheidung ber ihre Anwendung immanent, so dass bei einer abschließenden Regelung dann, wenn sie eine Fallgestaltung zwar grundstzlich erfasst, im konkreten Fall aber nicht anwendbar ist, weil eine ihrer Voraussetzungen nicht erfllt ist, auch keine andere Regelung mit derselben oder hnlichen Rechtsfolge mehr greifen kann. Andernfalls liegt gerade keine abschließende Regelung vor. Die analoge Anwendung des Ausgleichsanspruchs des § 906 II 2 BGB kann auch nicht mit einer Dreispurigkeit des Haftungssystems gerechtfertigt werden, bei der neben die Gefhrdungs- und die Deliktshaftung eine verschuldensunabhngige Stçrerhaftung auf der Grundlage des Ausgleichsanspruchs trete316. Stellt man die Ausgleichshaftung als dritte Spur gleichberechtigt neben die Gefhrdungs- und Deliktshaftung, wird nicht nur die negatorische Haftung bersehen, auf der der Ausgleichsanspruch beruht, sondern auch das funktionelle Ergnzungsverhltnis zwischen den verschiedenen Haftungsarten ignoriert und der Boden des gesetzlichen Systems verlassen. Vor allem aber berschneidet sich die dritte Spur der Ausgleichshaftung weitgehend mit der ersten Spur der deliktischen Haftung, so dass im Ergebnis doch allenfalls eine Zweieinhalbspurigkeit, wenn nicht sogar nur eine Zweispurigkeit des Haftungssystems bleibt, in dem die deliktische Haftung weitgehend, unter der Annahme, dass der Ausgleichsanspruch den vollen Schadensersatz umfasst, sogar vollstndig von der verschuldensunabhngigen Stçrerhaftung verdrngt worden ist.

E. Kodifizierung allgemeiner Wertungen und Abwgungsgesichtspunkte Allerdings bedeutet die mangelnde Anwendbarkeit des § 906 II BGB auf Beeintrchtigungen des Lebens sowie des Kçrpers und der Gesundheit nicht, dass die dort maßgeblichen Kriterien der Ortsblichkeit und der wirtschaftlichen Zumutbarkeit fr den Verantwortlichen bei Beeintrchtigungen jener Rechtsgter berhaupt nicht zu bercksichtigen wren. Vielmehr kçnnen diese Kriterien im Rahmen der Voraussetzungen der negatorischen und deliktischen Haftung bei der Bestimmung der Verkehrspflichten bercksichtigt werden317, indem sie in die dafr notwendige Interes316

So aber BGHZ 155, 99, 104; J. Wenzel, NJW 2005, 241, 243 f.

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§ 2 Verhltnis von negatorischer und deliktischer Haftung

senabwgung einfließen318. Demgegenber werden sie im Rahmen des § 906 II 1 BGB nicht relativiert. Die dort angeordnete Duldungspflicht stellt also gegenber der allgemeinen Regelung eine Privilegierung des fr die Beeintrchtigung Verantwortlichen dar, die zwar durch den Ausgleichsanspruch des § 906 II 2 BGB kompensiert wird, aber trotzdem den Handlungsspielraum des Verantwortlichen erweitert. Sie bedeutet damit grundstzlich auch eine Schlechterstellung des Betroffenen, die allerdings nicht damit begrndet werden kann, dass der Ausgleichsanspruch den Immobiliarberechtigten vorbehalten bleibe319, weil der persçnliche Anwendungsbereich, wie gezeigt320, alle Grundstcksberechtigten umfasst; die Schlechterstellung beruht vielmehr darauf, dass die Verhinderung der Beeintrchtigung dem Ausgleichsanspruch in der Regel vorzuziehen ist.

VI. Funktionelles Ergnzungsverhltnis Aus dem vorstehend Erçrterten ergibt sich, dass sich die deliktische und die negatorische Haftung in ihrem Schutz ergnzen321. Denn sie haben nicht nur den gleichen Schutzbereich, sondern dienen auch beide der Abgrenzung der Freiheitssphren des Betroffenen und des Verantwortlichen, indem sie die Integritt der geschtzten Rechtsgter und Rechte des Betroffenen und damit auch dessen Handlungsfreiheit schtzen und dadurch auch den Spielraum der Handlungsfreiheit des potentiell Verantwortlichen markieren. Das Ergnzungsverhltnis zwischen negatorischer und deliktischer Haftung folgt dabei daraus, dass beiden zwar die Funktion der Abgrenzung der Freiheitssphren der Beteiligten zukommt, sie aber hinsichtlich Kompensations- und der Prventionsfunktion grundstzlich in einem Komplementrverhltnis zueinander stehen, indem die negatorische Haftung allein der Prvention von zuknftigen Beeintrchtigungen dient, whrend die deliktische Haftung vor allem auf die Kompensation bereits eingetretener Beeintrchtigungen gerichtet ist. Whrend die negatorischen Beseitigungs- und Unterlassungsansprche also ex ante greifen und eine drohende Beeintrchtigung zu verhindern suchen, greifen die deliktischen Schadensersatzansprche ex post und suchen eine eingetretene Beeintrchtigung rckgngig zu machen. Die grundstcksbezogenen Regelungen des § 906 BGB stellen sich insoweit als Modifikation der negatorischen Haftung dar und lassen 317

So allgemein auch Erman/Lorenz, § 906 Rn. 4. Siehe dazu unten S. 237 ff. 319 Gerlach, JZ 1988, 161, 170 ff.; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 220; H. P. Westermann, UTR 11, S. 103, 111 ff. 320 Siehe oben S. 85 ff. 321 Vorausgesetzt bei MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 74. 318

VI. Funktionelles Ergnzungsverhltnis

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die deliktische Haftung unberhrt, soweit sie nicht allgemein Grundstze kodifizieren. Indem sie gegen Beeintrchtigungen seiner geschtzten Rechtsgter und Rechte durch den Verantwortlichen gerichtet sind, dienen sowohl die negatorische als auch die deliktische Haftung mithin dem Schutz des Betroffenen, setzen fr diesen Schutz aber unterschiedlich an, indem die negatorische Haftung ex ante und die deliktische Haftung ex post greift, und stehen damit in Bezug auf den Schutz der Freiheitssphre des Betroffenen in einem Ergnzungsverhltnis. Dieses Ergnzungsverhltnis hat zur Folge, dass die negatorische und die deliktische Haftung nicht nur den gleichen Schutzbereich haben, sondern grundstzlich auch die gleichen Beeintrchtigungen zum Gegenstand haben. Abweichungen zwischen der negatorischen und der deliktischen Haftung ergeben sich demgemß nur aus den Unterschieden hinsichtlich ihrer zeitlichen Schutzrichtung und ihres Anspruchsinhalts. Angelehnt an die Struktur des allgemeinen Leistungsstçrungsrechts der §§ 275 ff. BGB und der diesem zugrundeliegenden Unterscheidung zwischen Primr- und Sekundrpflichten lsst sich das Verhltnis zwischen negatorischer und deliktischer Haftung so beschreiben, dass die negatorische Haftung die auf ein bestimmtes Verhalten gerichteten Primrpflichten zum Gegenstand hat, whrend sich die deliktische Haftung auf die Sekundrpflicht richtet, die an die Stelle der Primrpflicht tritt, soweit diese ausgeschlossen ist. Dabei wird zwar davon ausgegangen, dass das Recht der Leistungsstçrungen in §§ 275 ff. BGB grundstzlich fr alle vertraglichen und gesetzlichen Leistungspflichten einschließlich der Schutz- und Obhutspflichten gemß § 241 II BGB gilt322, aber die negatorische und deliktische Haftung stellt insoweit die speziellere Regelung dar, so dass die §§ 823 ff., 1004 BGB den §§ 275 ff. BGB vorgehen. So ist etwa die negatorische Haftung als speziellere Regelung maßgeblich dafr, wann ein klagbarer Anspruch auf Erfllung der Primrpflicht besteht. Allerdings kann eine ergnzende Anwendung des Leistungsstçrungsrechts in Betracht kommen, wobei jedoch die damit verbundenen Probleme, etwa die schwierige Frage nach der Rolle der Pflichtverletzung in den §§ 280 ff. BGB und ihres Verhltnisses zum Ausschluss der Leistungspflicht in § 275 BGB und zur Fahrlssigkeit des § 276 BGB323, den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen wrden und daher hier nicht nher betrachtet werden.

322 Vgl. mit Bezug auf § 241 II BGB Erman/H. P. Westermann, Vor § 275 Rn. 10; vgl. auch MnchKomm-BGB/Ernst, § 275 Rn. 12, § 280 Rn. 6; Palandt/Heinrichs, § 275 Rn. 3, § 280 Rn. 5 ff. 323 Dazu etwa Erman/H. P. Westermann, § 280 Rn. 8 f.

§ 3 Pflichtwidriges Verhalten als Haftungsgrund Die negatorische und die deliktische Haftung ergnzen sich nicht nur funktionell, sondern weisen auch insofern die gleiche Struktur auf, als beide auf der Tatbestandsebene voraussetzen, dass die drohende oder eingetretene Beeintrchtigung des Schutzbereichs im Sinne eines nachteiligen Erfolges dem Verantwortlichen nicht nur zurechenbar ist, sondern auch auf einem pflichtwidrigen Verhalten des Verantwortlichen beruht, wobei die zugrundeliegende Verhaltenspflicht allerdings auf einen Erfolg bezogen sein kann.

I. Pflichtverletzung als Grund der deliktischen Haftung Der Haftungsgrund der deliktischen Haftung liegt in der rechtswidrigen Verletzung einer Verhaltenspflicht. Dies gilt nicht nur fr die Haftung wegen vorstzlicher sittenwidriger Schdigung nach § 826 BGB und fr die Haftung wegen Schutzgesetzverletzung nach § 823 II BGB, sondern auch fr die hier interessierende Haftung wegen vorstzlicher oder fahrlssiger Verletzung eines Rechtsguts oder Rechtes nach § 823 I BGB. Dabei ist zunchst allgemein anerkannt, dass die Schadensersatzpflicht an ein Verhalten des Schdigers anknpft. Auch die Lehre vom Erfolgsunrecht hat ein solches Verhalten zum Gegenstand1. Indes soll die Verletzung einer Verhaltenspflicht dort erst im Rahmen des Verschuldens relevant werden2, whrend sie bei der Lehre vom Verhaltensunrecht bereits im Rahmen der Rechtswidrigkeit maßgeblich ist3. Eine vermittelnde Position nimmt die so genannte Kombinationslehre ein, bei welcher der in der Verletzung eines 1 Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 II 3 b (S. 365); Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. H 14. 2 Vgl. BGHZ 24, 21, 25 ff.; BGHZ 118, 201, 207; Jauernig/Teichmann, § 823 Rn. 50; Palandt/Sprau, § 823 Rn. 24; RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 114 ff. Anders allerdings die Lehre von der Erfolgsverantwortlichkeit, die im Unrecht auf die Verletzung sogenannter Haftungsobliegenheiten abstellt, so Jansen, Struktur, S. 480. 3 Vgl. mit Unterschieden im Einzelnen etwa Alternativkommentar-BGB/Kohl, vor §§ 823 Rn. 48; Brggemeier, Deliktsrecht, Rn. 106 ff., 112 f., 114 f.; Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil II, S. 1279 ff.; Esser/Schmidt, Schuldrecht I/2, § 25 IV 1 a (S. 64 f.); Esser/ Weyers, § 55 II 3 (S. 170 f.); Gimpel-Hinteregger, S. 87 ff., 91; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 24; Mnzberg, Verhalten, S. 47 ff., 109 ff., 201 ff.; Nipperdey, NJW 1957, 1777, 1779 ff.; Staudinger/Lçwisch, § 276 Rn. 12; Stoll, AcP 162 (1962), 203, 209 ff.; Wiethçlter, S. 33 ff.

I. Pflichtverletzung als Grund der deliktischen Haftung

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geschtzten Rechtsguts bzw. Rechts liegende Erfolg als Indikator der Rechtswidrigkeit nur gengt, wenn die Beeintrchtigung eine unmittelbare ist, whrend bei mittelbaren Beeintrchtigungen einschließlich solchen durch Unterlassen eine Verletzung einer Verhaltenspflicht hinzutreten muss4.

A. Lehre vom Erfolgsunrecht Die Lehre vom Erfolgsunrecht geht davon aus, dass jeder Eingriff in einen fremden Rechtskreis rechtswidrig ist, der nicht durch eine besondere Befugnis gedeckt ist5. Sie berzeugt nicht, da sie die deliktische Haftung nicht konsistent zu begrnden vermag. Sie beruft sich dabei zunchst auf §§ 276 I u. II, 823 I BGB, da dort im Rahmen der Fahrlssigkeit auf die im Verkehr erforderliche Sorgfalt Bezug genommen und die Fahrlssigkeit als Verschuldensform aufgefasst wird6. Die Bercksichtigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Rahmen des Verschuldens schließt jedoch nicht aus, auch auf der Ebene des Tatbestands oder der Rechtswidrigkeit bereits mit Verhaltensstandards zu operieren7. Die Lehre vom Erfolgsunrecht sttzt sich weiter auf die §§ 228, 904 BGB, da dort kein rechtfertigender Notstand vorgesehen ist, wenn die Abwehr von Gefahren nicht durch die Zerstçrung und Beschdigung einer fremden Sache, sondern durch die Beeintrchtigung anderer fremder Rechtsgter, insbesondere auch Leben, Kçrper und Gesundheit, erfolgt und die Beeintrchtigung eines solchen fremden Rechtsguts hinter derjenigen des gefhrdeten Rechtsguts zurck bleibt. Insoweit bestehe eine Schutzlcke, wenn eine Rechtsgutsverletzung trotz Einhaltung der Verhaltensstandards drohe; denn bei der Bercksichtigung der Einhaltung der Verhaltensstandards bereits im Rahmen der Rechtswidrigkeit liege kein gegenwrtiger rechtswidriger Angriff vor, so dass die Voraussetzungen fr die Notwehr gemß § 227 BGB nicht gegeben seien, whrend bei der Berck4 Vgl. etwa Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 237; Fezer, S. 510 ff.; Fikentscher/Heinemann, Rn. 1414 f.; G. Hager, FS E. Wolf, 133, 135 ff.; Hk-BGB/Staudinger, § 823 Rn. 61; U. Huber, FS E. R. Huber, S. 253, 275 ff.; Larenz, FS Dçlle I, S. 169, 183 ff., 193; Larenz/ Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 II 3 b (S. 365); Medicus, Schuldrecht II, Rn. 750; Palandt/ Sprau, § 823 Rn. 26; Prtting/Wegen/Weinreich/Schaub, § 823 Rn. 12; Stathopoulos, FS Larenz, 1983, S. 631, 640 ff.; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. H 16; Stoll, AcP 162 (1963), 203, 214 ff., 227 ff.; von Bar, Verkehrspflichten, S. 156; von Caemmerer, FS 100 Jahre DJT, S. 49, 77 f. 5 RG, JW 1926, 364, 365; Baur, AcP 160 (1961), 465, 470, 486; Jauernig/Teichmann, § 823 Rn. 48, 50; MnchKomm-BGB/Grundmann, § 276 Rn. 19; Palandt/Heinrichs, § 276 Rn. 8; Palandt/Sprau, § 823 Rn. 25; im Ausgangspunkt auch Jaun, S. 394 ff., insb. 402 f. 6 Vgl. etwa MnchKomm-BGB/Grundmann, § 276 Rn. 23; RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 107. 7 Vgl. unten S. 314 ff.

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§ 3 Pflichtwidriges Verhalten als Haftungsgrund

sichtigung der Einhaltung der Verhaltenstandards erst im Rahmen des Verschuldens die Rechtswidrigkeit nicht ausgeschlossen sei, so dass Notwehr mçglich bleibe8. Diese Schutzlcke besteht jedoch nur, wenn man den Blick auf das BGB verengt. Bercksichtigt man hingegen auch den ehemals bergesetzlichen Notstand, der inzwischen in § 34 StGB normiert ist und auch im Privatrecht gilt9, so liegt bei der Abwehr einer trotz Einhaltung der Verhaltensstandards drohenden Rechtsgutsverletzung ein rechtfertigender Notstand vor, wenn eine Interessenabwgung unter Bercksichtigung des Grades der drohenden Gefahr ergibt, dass das gefhrdete Rechtsgut das beeintrchtigte berwiegt. In dem Schulbeispiel der Krankenschwester, die im Begriff ist, einem Patienten unter Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ein tçdliches Mittel zu injizieren10, darf die Krankenschwester also grundstzlich mit Gewalt daran gehindert werden, da ein rechtfertigender Notstand vorliegt. Die Tçtung der Krankenschwester ist hingegen nicht erlaubt, da es dann an einem berwiegenden Interesse fehlt. Nimmt man hingegen mit der Lehre vom Erfolgsunrecht einen gegenwrtigen rechtswidrigen Angriff an, wre im Rahmen der Notwehr nach § 227 BGB auch die Tçtung erlaubt; ein Korrektiv bildet hier nur noch das Verbot unzulssiger Rechtsausbung nach § 242 BGB, das bei schuldlosen Angreifern die Notwehrrechte beschrnkt11. Dabei wre Notwehr auch bei nur geringfgigen Beeintrchtigungen mçglich, wie sie insbesondere bei Umweltsachverhalten denkbar sind. Die Lehre vom Erfolgsunrecht stellt also umgekehrt den alle Verhaltensstandards einhaltenden Schdiger weitgehend schutzlos. Demgegenber ist bei der Bercksichtigung von Verhaltensstandards bereits bei der Rechtswidrigkeit im Rahmen des Notstands eine Differenzierung unter Abwgung der beteiligten Rechtsgter und Interessen mçglich. Schwierigkeiten bereitet der Lehre vom Erfolgsunrecht zudem, dass die Schadensersatzpflicht nicht auf die Herbeifhrung unmittelbarer Beeintrchtigungen beschrnkt ist. Eine derartige Beschrnkung wrde die Handlungsfreiheit des Schdigers einseitig auf Kosten der Geschdigten erweitern und damit der Notwendigkeit der Abgrenzung der individuellen Freiheitssphren nicht gerecht werden12. Sie wrde zudem insbesondere den Ersatz von Umweltschden weitgehend ausschließen, die vielfach auf mittelbaren Beeintrchtigungen beruhen. Die Schadensersatzhaftung beschrnkt sich daher auch im Rahmen der Lehre vom Erfolgsunrecht nicht 8 Vgl. zur Begrndung des Erfolgsunrechts im Rahmen der Kombinationslehre Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 II 3 b (S. 366); Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. H 16. 9 Erman/E. Wagner, § 228 Rn. 1; Medicus, AT, Rn. 164; Palandt/Heinrichs, § 228 Rn. 2. 10 Vgl. mit anderem Beispiel auch Deutsch, Fahrlssigkeit und erforderliche Sorgfalt, 1995, S. 258 f.; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 12. 11 Erman/E. Wagner, § 227 Rn. 14; Palandt/Heinrichs, § 227 Rn. 8. 12 Vgl. etwa auch Erman/Schiemann, § 823 Rn. 11; Soergel/Zeuner, 12. Aufl., § 823 Rn. 5 gegen Fraenkel, S. 242.

I. Pflichtverletzung als Grund der deliktischen Haftung

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auf unmittelbare Beeintrchtigungen, sondern erstreckt sich insbesondere auch auf Unterlassungen und mittelbare Beeintrchtigungen13. Damit besteht jedoch die Notwendigkeit, aus dem großen Kreis derer, die den Erfolg verursacht haben, indem sie entweder negativ die Beeintrchtigung eines geschtzten Rechtsguts oder Rechts nicht verhindert haben, obwohl sie es gekonnt htten, oder positiv eine Ursache fr die Beeintrchtigung gesetzt haben, die Schadensersatzpflichtigen zu bestimmen14. Fr diese Abgrenzung kann nicht allein auf den Erfolg bzw. seine Verursachung abgestellt werden. Denn diese sind nicht nur bei allen Verursachern definitionsgemß gegeben, sondern kçnnen als solche auch wegen der Gleichwertigkeit der Ursachen im Sinne einer conditio sine qua non noch keine Haftung rechtfertigen15. Eine Abgrenzung ist demgemß nur anhand des Verhaltens der Verursacher mçglich, indem es an bestimmten Standards gemessen wird, die hufig als Verkehrspflichten bezeichnet werden16. Die Lehre vom Erfolgsunrecht sieht sich dementsprechend gençtigt, zumindest bei Unterlassungen und mittelbaren Verletzungen nicht erst im Rahmen des Verschuldens, sondern bereits im Rahmen des Tatbestands auf Verhaltensstandards abzustellen17. Dies geschieht nicht nur durch die Annahme eines so genannten Rechtfertigungsgrunds des sozialadquaten oder verkehrsrichtigen Verhaltens18. Vielmehr erfolgt es auch, indem bei Unterlassungen im Tatbestand eine Handlungspflicht vorausgesetzt wird19 und bei mittelbaren Verletzungen im Rahmen der haftungsbegrndenden Kausalitt auf die adquate Kausalitt bzw. den Schutzzweckzusammenhang abgestellt wird20. Da adquate Kausalitt vorliegt, wenn die verursachende Handlung im Allgemeinen und nicht nur unter ganz außergewçhnlichen Umstnden zur Herbeifhrung des Erfolges geeignet war21, und der Schutzzweckzusammenhang gegeben ist, wenn die Haftungsnorm gerade 13 Vgl. etwa Jauernig/Teichmann, § 823 Rn. 50 f.; Palandt/Sprau, § 823 Rn. 2; RGRKBGB/Steffen, § 823 Rn. 116. 14 So unter dem Gesichtspunkt der Funktion der Verkehrspflichten auch Medicus, BR, Rn. 646. 15 So im Zusammenhang mit dem Beseitigungsanspruch auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 V 1 a (S. 694). 16 Vgl. etwa fr mittelbare Beeintrchtigungen Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 23; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 5; Palandt/Sprau, § 823 Rn. 45; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 3. 17 So auch MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 17. 18 So aber BGHZ 24, 21, 25 ff.; dazu kritisch insbesondere im Hinblick auf die Beweislastverteilung etwa Erman/Schiemann, § 823 Rn. 8; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 79 III 2 c (S. 479 f.); Soergel/Zeuner, 12. Aufl., § 823 Rn. 3; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 23. 19 Vgl. Jauernig/Teichmann, § 823 Rn. 51; RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 116. 20 Vgl. Jauernig/Teichmann, § 823 Rn. 50; RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 116. 21 Vgl. etwa BGHZ 137, 11, 19; BGH, NJW 2002, 2232, 2233; Erman/Ebert, Vor §§ 249–253 Rn. 31; Jauernig/Teichmann, § 823 Rn. 25; Palandt/Heinrichs, Vorb v § 249 Rn. 59.

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§ 3 Pflichtwidriges Verhalten als Haftungsgrund

fr die verursachende Handlung einen Schadensersatzanspruch begrnden will22, wird mithin maßgeblich auf das Verhalten und damit letztendlich auf Verhaltensstandards als Abgrenzungskriterien abgestellt. Diese werden auf Tatbestandsebene bercksichtigt und fließen so in die Rechtswidrigkeit ein, indem sie diese indizieren. Damit ist nicht mehr allein der Erfolg haftungsbegrndend. Vielmehr muss ein Verstoß gegen Verhaltensstandards hinzutreten. Die Lehre vom Erfolgsunrecht verlsst dadurch zumindest bei Unterlassungen und mittelbaren Beeintrchtigungen ihre theoretische Basis, was nicht nur Zweifel an ihrer Konsistenz aufkommen lsst, sondern auch zu Schwierigkeiten fhrt, die Existenz der Verhaltensstandards, die ihnen zugrunde liegenden Wertungen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen angemessen zu behandeln. Dies zeigt sich etwa daran, dass die Maßgeblichkeit des Erfolgs fr die Rechtswidrigkeit zur Folge hat, dass bei Unterlassungen und mittelbaren Beeintrchtigungen das in Frage stehende Verhalten nicht schon als solches rechtswidrig ist, sondern erst durch den Eintritt des Erfolgs und damit womçglich rckwirkend als rechtswidrig qualifiziert werden kann23. Solange der Erfolg nicht eingetreten ist oder zumindest unmittelbar bevorsteht, ist es damit mangels Rechtswidrigkeit schwierig, Unterlassungsansprche oder Selbstverteidigungsrechte zu begrnden; ist der Erfolg eingetreten, kommen Unterlassungsansprche und Selbstverteidigungsrechte zu spt, was regelmßig auch fr den unmittelbar bevorstehenden Erfolg gilt. Der fr unmittelbare Beeintrchtigungen erhobene Vorwurf, dass die Bercksichtigung von Verhaltensstandards bereits im Rahmen der Rechtswidrigkeit mangels Notwehrrecht zu einer Schutzlcke fhre, trifft also nicht nur nicht zu, sondern kehrt sich fr Unterlassungen und mittelbare Beeintrchtigungen sogar um. hnlich wird auch der Vorschlag, die Delikts- und Gefhrdungshaftung auf den Oberbegriff der Erfolgsverantwortung zurckzufhren24, als zu abstrakt und inhaltsarm und daher zu vage abgelehnt25. Auch hier bleibt die entscheidende Frage offen, wann fr einen Erfolg einzustehen ist, unter welchen Voraussetzungen dafr also gehaftet wird. Eine generelle Erfolgsverantwortlichkeit wrde der Trennung der Freiheits- und Risikosphren zuwiderlaufen. Sie wird auch nicht durchgehalten, da auch unter dem Oberbegriff der Erfolgsverantwortung eine Haftung nur bei der Verletzung von so genannten Haftungsobliegenheiten angenommen wird, die wiede22 Vgl. Jauernig/Teichmann, § 823 Rn. 26; MnchKomm-BGB/Oetker, § 249 Rn. 115; Palandt/Heinrichs, Vorb v 249 Rn. 62; Staudinger/Schiemann § 249 Rn. 27 ff.; hnl. Lange, in: Lange/Schiemann, § 3 IX 1 (S. 101); nur auf Gefahren abstellend aber Erman/Ebert, Vor §§ 249–253 Rn. 34. 23 Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 II 3 b (S. 365 f.); Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. H 16. 24 Jansen, Struktur, S. 119 ff., 567 ff.; vgl. auch schon Bengen, S. 301. 25 Canaris, VersR 2005, 577, 580 m. Fn. 25.

I. Pflichtverletzung als Grund der deliktischen Haftung

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rum auf Sorgfaltsstandards und damit auf Verhaltensstandards beruhen26. Der Haftungsgrund liegt also auch hier in der Verletzung von Sorgfaltsstandards. Lge er bereits in der Erfolgsverantwortung im Sinne einer Haftungsgarantie, htte dies auch zur Konsequenz, dass die Darlegungs- und Beweislast fr die haftungsbefreiende Einhaltung der Sorgfaltsstandards beim Schdiger lge, ohne dass diese Konsequenz tatschlich gezogen wird27.

B. Kombinationslehre Die so genannte Kombinationslehre folgt der Lehre vom Erfolgsunrecht nur fr unmittelbare Beeintrchtigungen, whrend sie sich bei mittelbaren Beeintrchtigungen an der Lehre vom Verhaltensunrecht orientiert, so dass der in der Beeintrchtigung eines geschtzten Rechtsguts bzw. Rechts liegende Erfolg als Indikator der Rechtswidrigkeit nur gengt, wenn die Beeintrchtigung eine unmittelbare ist, whrend bei mittelbaren Beeintrchtigungen eine Verletzung einer Verhaltenspflicht hinzutreten muss28. Allerdings bereitet bei der Kombinationslehre bereits die praktische Abgrenzung zwischen mittelbaren und unmittelbaren Beeintrchtigungen Schwierigkeiten29. Dies zeigt sich nicht zuletzt an den verschiedenen Kriterien, auf die dabei abgestellt wird. So wird das Vorliegen einer unmittelbaren Verletzung etwa davon abhngig gemacht, dass der Erfolg final angesteuert wird30; dass der Erfolg noch vom Schdiger kontrolliert werden kann31; dass der Erfolg im Rahmen des Handlungsablaufs liegt und nicht nur eine entfernte Folge der Handlung ist32; dass die letzte, unmittelbar zur Verletzung fhrende Ursache vom Ersatzpflichtigen und nicht vom Geschdigten, einem Dritten oder einem ußeren Ereignis gesetzt wurde33; oder dass nicht nur eine Gefahr einer Verletzung begrndet wird34. Demgemß wird die Auffassung vertreten, dass die Differenzierung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Beeintrchtigungen vielfach nicht ohne 26

So Jansen, Struktur, S. 480. Vgl. auch von Bar, AcP 203 (2003), 859, 861. 28 Vgl. etwa die Nachweise in Fn. 4; vgl. auch MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 7; Soergel/Spickhoff, § 823 Rn. 18. 29 So auf der Basis der Kombinationslehre auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 II 3 b (S. 365); Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. H 16; vgl. auch MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 7. 30 G. Hager, FS E. Wolf, S. 136, 137 f. 31 U. Huber, FS E. R. Huber, S. 253, 276; hnl. Stoll, AcP 162 (1963), 203, 227 f. 32 Larenz, FS Dçlle I, S. 169, 193; Medicus, Schuldrecht II, Rn. 750; von Bar, Verkehrspflichten, S. 156. 33 Medicus, BR, Rn. 646; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 1 c (S. 401 f.); von Bar, Verkehrspflichten, S. 157; hnl. Fikentscher/Heinemann, Rn. 1414. 34 Medicus, BR, Rn. 643; hnl. wohl auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2§ 76 III 1 c (S. 402). 27

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§ 3 Pflichtwidriges Verhalten als Haftungsgrund

Willkr vorgenommen werden kçnne35 und etwa bei Organisationsentscheidungen berhaupt nicht mçglich sei36. Schwerer wiegt, dass die Unterscheidung zwischen mittelbaren und unmittelbaren Verletzungen auch dogmatisch wenig berzeugt. So ist zunchst festzuhalten, dass sich nicht nur mittelbare, sondern auch unmittelbare Beeintrchtigungen als Verletzung einer Verhaltenspflicht konstruieren lassen37. Eine derartige Verhaltenspflicht hat zum Inhalt, sich so zu verhalten, dass die geschtzten Rechtsgter und Rechte nicht unmittelbar beeintrchtigt werden. Die Kombinationslehre mçchte demgegenber zwischen einer fr unmittelbare Beeintrchtigungen geltenden Erfolgsvermeidungspflicht und einer fr mittelbare Beeintrchtigungen geltenden Gefahrvermeidungspflicht unterscheiden38. Diese Unterscheidung verliert jedoch an berzeugungskraft, wenn man bercksichtigt, dass auch die Gefahr immer auf einen Erfolg bezogen ist, da es um das Risiko des Erfolgseintritts geht, und dass umgekehrt der eingetretene Erfolg immer auf der Schaffung bzw. Unterhaltung eines Risikos beruht, das im Extremfall mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit verbunden ist. Erfolg in diesem Sinne ist verwirklichtes Risiko. Da der Erfolg als solcher und auch die Kausalitt als solche wegen der Gleichwertigkeit der Ursachen im Sinne einer conditio sine qua non noch keine Haftung rechtfertigen kçnnen39, knpft auch die Erfolgsvermeidungspflicht an die Schaffung bzw. Unterhaltung eines Risikos an. Die in der Bezeichnung als Erfolgsvermeidungspflicht aufscheinende vordergrndige Anknpfung an den Erfolg beruht darauf, dass das Risiko so groß ist, dass es kaum vom Erfolg zu trennen ist40. Die Erfolgsvermeidungspflicht knpft damit an das Risiko des Eintritts des Erfolgs an, der als so sicher erscheint, dass das Risiko nicht mehr hinzunehmen ist41. Damit geht es bei der so genannten Erfolgsvermeidungspflicht um die Vermeidung eines besonders großen Risikos und damit auch bei unmittelbaren Verletzungen strukturell um eine Risikovermeidungspflicht. Die Erfolgsvermeidungspflicht ist nur ein Spezialfall der Gefahrvermeidungspflicht. Der Unterschied zwischen der Erfolgs- und der Gefahrvermeidungspflicht und damit 35 Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 3; Zçllner, JZ 1997, 293, 294; hnl. E. Wagner, S. 211. 36 Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 867 m. Fn. 141. 37 Vgl. auch Soergel/Zeuner, 12. Aufl., § 823 Rn. 10. 38 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 II 3 b (S. 366 f.); Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. H 16. 39 Vgl. im Zusammenhang mit dem Beseitigungsanspruch auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 V 1 a (S. 694). 40 Vgl. die Argumentation »… fr die Anschauung des Lebens nicht … zu trennen …« bei Larenz, FS Dçlle I, S. 169, 193. 41 Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 II 3 b (S. 366).

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zwischen unmittelbaren und mittelbaren Beeintrchtigungen ist somit kein prinzipieller, sondern allenfalls ein gradueller42. Die unmittelbaren Eingriffe lassen sich dementsprechend auch als Sonderfall der mittelbaren Eingriffe auffassen, bei denen die Gefahr so groß und konkret ist, dass sie nicht mehr hinnehmbar ist. Auch hier ist nicht der Erfolg schlechthin verboten, sondern nur das Verhalten, dass mit Sicherheit zu dem Erfolg fhrt. Demgemß lsst sich die Unterscheidung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Beeintrchtigungen auch nicht mit der Unterscheidung zwischen Erfolgs- und Verhaltensunrecht in dem Sinne rechtfertigen, dass der Haftungsgrund beim Erfolgsunrecht in der Schutzwrdigkeit des Rechtsguts oder Rechts als solchem liege, whrend er sich beim Verhaltensunrecht in der Art und Weise des Verhaltens finde43. Denn sowohl bei unmittelbaren als auch bei mittelbaren Beeintrchtigungen ist das betroffene Rechtsgut oder Recht dasselbe; unterschiedlich ist nur die Art und Weise des Verhaltens und vor allem das Risiko der Beeintrchtigung, das wiederum aus dem Verhalten resultiert. Der Haftungsgrund kann daher nicht allein in der Schutzwrdigkeit des Rechtsguts oder Rechts als solchem liegen, sondern muss immer auch in dem Verhalten und dem damit verbundenen Risiko der Beeintrchtigung liegen. Andernfalls wre die Unterscheidung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Beeintrchtigungen nicht begrndbar. Das Verhaltensunrecht fließt demgemß auch bei der Kombinationstheorie in die Feststellung des Erfolgsunrechts ein, indem letztendlich die Art und Weise des Verhaltens und das daraus resultierende Risiko dafr maßgeblich sind, ob eine unmittelbare Beeintrchtigung vorliegt oder nicht. Damit entscheidet sowohl bei Unterlassungen und mittelbaren Beeintrchtigungen als auch bei unmittelbaren Beeintrchtigungen nicht der eingetretene Erfolg als solcher ber das Bestehen einer Schadensersatzhaftung, sondern das zu diesem Erfolg fhrende Verhalten. Eine Schadensersatzpflicht besteht nur, wenn dieses Verhalten gegen Verhaltensstandards verstçßt. Bei unmittelbaren Beeintrchtigungen liegt dieser Verhaltensstandard darin, durch das eigene Verhalten kein so großes Risiko zu schaffen, dass eine Beeintrchtigung der geschtzten Rechtsgter und Rechte als sicher erscheint. Die Unmittelbarkeit der Beeintrchtigung ist gewissermaßen ein Indiz fr das Vorliegen eines Verhaltensstandards, der nicht eingehalten wurde. Diese Maßgeblichkeit des Verhaltens trifft sich mit dem der Verschuldenshaftung gegenber der Gefhrdungshaftung zugesprochenen rechtsethischen Gehalt, der auch von der Kombinationstheorie in der Anknpfung an ein vorwerfbares Fehlverhalten gesehen wird44. Gegenstand der 42 Brggemeier, Deliktsrecht, Rn. 112; Mnzberg, Verhalten, S. 335 f.; Soergel/Zeuner, 12. Aufl., § 823 Rn. 10. 43 Vgl. aber Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 II 3 b (S. 367). 44 So etwa Canaris, VersR 2005, 577, 578.

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rechtsethischen Beurteilung ist also ein Verhalten. Maßstab fr die Beurteilung sind demgemß Verhaltensstandards. Der Unrechtsgehalt der Schadensersatzhaftung aus § 823 I BGB lsst sich somit nicht auf die Verletzung der geschtzten Rechtsgter und Rechte reduzieren45, vielmehr muss die Verletzung von Verhaltensstandards hinzutreten, ohne die eine Haftung nicht begrndet ist und die damit zumindest auch Haftungsgrund ist.

C. Lehre vom Verhaltensunrecht berzeugend ist es demgemß nur, mit der Lehre vom Verhaltensunrecht davon auszugehen, dass im Rahmen des § 823 I BGB nicht nur bei Unterlassungen und mittelbaren Beeintrchtigungen, sondern auch bei unmittelbaren Beeintrchtigungen neben der Beeintrchtigung der geschtzten Rechtsgter und Rechte immer auch eine Verletzung von Verhaltensstandards vorliegen muss, die nicht erst fr das Verschulden maßgeblich ist, sondern bereits die Rechtswidrigkeit indiziert46.

1. Verhaltensstandards auch bei unmittelbaren Beeintrchtigungen Zwar ist der Kombinationstheorie zuzugeben, dass die Existenz und Verletzung eines Verhaltensstandards in der Regel nur bei Unterlassungen und mittelbaren Beeintrchtigungen problematisch ist, whrend sie bei unmittelbaren Verletzungen hufig unproblematisch sein drfte47. Damit scheinen fr den von der Kombinationstheorie bei unmittelbaren Beeintrchtigungen vorgenommenen Verzicht auf ein Verhaltensunrecht zumindest pragmatische Grnde zu sprechen. Jedoch spricht fr die Maßgeblichkeit der Verletzung von Verhaltensstandards auch bei unmittelbaren Beeintrchtigungen nicht nur die damit vermiedene Inkonsistenz in der Struktur des Haftungsrechts48. Vielmehr stellt sich das Problem der Existenz und Verletzung eines Verhaltensstandards bei unmittelbaren Beeintrchtigungen nicht deshalb nicht, weil ein solcher Standard nicht existiert und daher auch nicht verletzt werden kann, sondern allein deshalb nicht, weil in diesen Fllen unausgesprochen von einem als selbstverstndlich vorausgesetzten Verhaltensstandard ausgegangen wird, der auf die Vermeidung unmittelbarer Beeintrchtigungen der geschtzten Rechtsgter und Rechte gerichtet ist, so dass seine Verletzung durch den in der Beeintrchtigung eines Rechtsguts 45

Vgl. aber Canaris, VersR 2005, 577, 581. Vgl. mit Unterschieden im Einzelnen etwa die Nachweise in Fn. 3; im Rahmen der Abgrenzung des § 823 I BGB zu § 823 II BGB auch Canaris, FS Larenz, 1983, S. 27, 79 f.; auf der Basis eines Erfolgsunrechts auch Jaun, S. 415 ff., 426. 47 hnl. MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 19; hnl. U. Huber, FS E. R. Huber, S. 253, 274 ff. 48 In diesem Sinne MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 19. 46

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oder Rechts liegenden Erfolg indiziert wird. Der Verzicht auf die Problematisierung der Existenz und Verletzung eines Verhaltensstandards stellt also bei genauer Betrachtung lediglich eine pragmatische Verkrzung dar. Diese Verkrzung wird von der Kombinationslehre jedoch theoretisch verabsolutiert, indem sie ein Verhaltensunrecht fr unmittelbare Verletzungen leugnet. Damit verdeckt die Kombinationslehre die Existenz eines grundstzlich auf die Vermeidung unmittelbarer Beeintrchtigungen gerichteten Verhaltensstandards und vor allem die darin zum Ausdruck kommenden Wertungen, die somit auch nicht problematisiert werden kçnnen. Die Lehre vom Verhaltensunrecht ist nicht nur theoretisch folgerichtig49, sondern hat auch praktische Relevanz. Denn die Kombinationslehre htte zur Konsequenz, dass § 823 I BGB den geschtzten Rechtsgtern und Rechten einen absoluten Schutz gegen unmittelbare Beeintrchtigungen gewhrt, indem sie die Maßgeblichkeit der Verhaltensstandards fr die Rechtswidrigkeit auf Unterlassungen und unmittelbare Beeintrchtigungen beschrnkt. Diese Beschrnkung ist jedoch durchaus problematisch und wird im Ergebnis auch nicht durchgehalten. Sie ist insofern problematisch, als sich unter den bereits angesprochenen Bedingungen des Zusammenlebens in der modernen, insbesondere in Ballungsrumen durch hohe Bevçlkerungsdichte geprgten Welt50 die Frage stellt, ob und unter welchen Bedingungen nicht nur mittelbare, sondern auch unmittelbare Verletzungen der geschtzten Rechtsgter und Rechte zumutbar vermeidbar sind. Diese Frage lsst sich nicht allein dadurch beantworten, dass man ein absolut wirkendes Wesentlichkeitskriterium einfhrt, das unwesentliche Beeintrchtigungen aus dem Schutzbereich der Haftung ausschließt. Vielmehr stellt sich auch dort, wo dieses Kriterium nicht greift, die Frage, inwieweit unmittelbare Beeintrchtigungen verhindert werden kçnnen und sollen, inwieweit also entsprechende Verhaltensstandards existieren, die sich, wie etwa die ber die Jahrzehnte genderte Beurteilung des Rauchens und des damit verbundenen Passivrauchens zeigt, durchaus ndern kçnnen und die durchaus auch in dem Sinne situativ sein kçnnen, dass dieselbe Beeintrchtigung unter Umstnden erlaubt und unter anderen Umstnden verboten ist. hnlich ließe sich der Rechtfertigungsgrund des verkehrsrichtigen Verhaltens, wenn man ihn denn berhaupt anerkennt51, kaum nur auf Unterlassungen und mittelbare Beeintrchtigungen beschrnken, sondern wrde auch bei unmittelbaren Beeintrchtigungen greifen. 49

So aber Erman/Schiemann, § 823 Rn. 7. Siehe oben S. 17. 51 So BGHZ 24, 21, 25 ff.; kritisch etwa Erman/Schiemann, § 823 Rn. 8; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 79 III 2 c (S. 479 f.); Soergel/Zeuner, 12. Aufl., § 823 Rn. 3; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 23. 50

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Vor allem aber wendet auch das Gesetz Verhaltensstandards auch auf unmittelbare Beeintrchtigungen an. So erfasst etwa § 906 I und II 1 BGB nicht nur mittelbare, sondern auch unmittelbare Beeintrchtigungen. Damit wird der absolute Schutz zumindest des Grundeigentums gegen unmittelbare Beeintrchtigungen jedenfalls durch den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch des § 1004 BGB nicht gewhrleistet. Vielmehr ist auch bei unmittelbaren Beeintrchtigungen zu fragen, ob sie gemß § 906 I BGB nur unwesentlich sind oder gemß § 906 II 1 BGB ortsblich und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhinderbar sind, ob sie damit also gegen Verhaltensstandards verstoßen. Dagegen spricht auch nicht, dass die Zufhrung unwgbarer Stoffe durch eine direkte Leitung gemß § 906 III BGB verboten ist, da darin zwar eine unmittelbare Beeintrchtigung liegt, diese sich aber nicht in der Unmittelbarkeit erschçpft, sondern sich darber hinaus direkt gegen ein Nachbargrundstck richtet, obwohl dies ohne weiteres vermeidbar wre, so dass das Verbot sich dem Schikaneverbot des § 226 BGB annhert. Dass die Verhaltenspflichten bereits in der gesetzlichen Konzeption des § 823 I BGB angelegt sind, wird dadurch besttigt, dass Begehungs- und Unterlassungsdelikte hufig nicht klar voneinander abzugrenzen sind, etwa wenn durch positives Tun eine Gefahr geschaffen wird, aus der eine Pflicht zum Schutz Dritter folgt, die unterlassen wird52. hnlich ist die Abgrenzung zwischen mittelbaren und unmittelbaren Verletzungen problematisch, da sich nicht genau angeben lsst, wann eine unmittelbare in eine mittelbare Verletzung umschlgt. Auch ließe sich die mangelnde Rechtswidrigkeit von Verletzungen durch geringfgige Regelverstçße im Sport nicht nur durch die Fiktion einer stillschweigenden Einwilligung erreichen53, sondern auch durch die Annahme entsprechender Verhaltenspflichten, die die Unterlassung von Allerweltsfouls nicht erfassen, sondern erst bei besonders groben Regelverletzungen eingreifen54. Diese Verhaltenspflichten wrden dann nicht nur bei mittelbaren, sondern auch bei unmittelbaren Verletzungen relevant, wie sie im Sport die Regel sind. Auch hier ist die Unterscheidung zwischen mittelbaren und unmittelbaren Verletzungen irrelevant. Die Verhaltensstandards sind somit fr die Rechtswidrigkeit nicht nur von Unterlassungen und mittelbaren Beeintrchtigungen maßgeblich, sondern auch von unmittelbaren Beeintrchtigungen. Indem sie jeweils an das Verhalten anknpfen, erlauben sie es zudem, die der Haftung zugrunde liegenden Wertungen genauer herauszuarbeiten, insbesondere auch im Ver52 Zeuner, 25. Jahre KF, S. 196, 198; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 8; auch Anwaltkommentar/Katzenmeier, § 823 Rn. 102; Prtting/Wegen/Weinreich/Schaub, § 823 Rn. 12. 53 So etwa BGHZ 63, 140, 144; OLG Hamm, MDR 1997, 553; Erman/H. P. Westermann, § 276 Rn. 29; MnchKomm-BGB/Grundmann, § 276 Rn. 79. 54 Vgl. Fleischer, VersR 1999, 785, 787 ff.

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hltnis der Schadensersatz- zu den Unterlassungs- und Beseitigungsansprchen.

2. Verhaltensunrecht auch bei vorstzlichen Beeintrchtigungen Im Rahmen der Vorsatzhaftung werden die Verkehrspflichten gemeinhin nicht fr relevant gehalten55. Konsistenter erscheint es jedoch, auch die Haftung fr vorstzliche Beeintrchtigungen von der Verletzung einer Verhaltenspflicht abhngig zu machen. Fr diese Relevanz der Verhaltenspflichten spricht zunchst, dass sich auch die Haftung fr vorstzliches Handeln auf Verhaltensstandards zurckfhren lsst, die es verbieten, die geschtzten Rechtsgter und Rechte willentlich und wissentlich zu verletzen. Bei Unterlassen lsst sich eine Haftung sogar ohne eine Handlungspflicht, die wiederum letztendlich einen Verhaltensstandard darstellt, auch dann nicht begrnden, wenn es vorstzlich erfolgte. Weiter spricht fr die Relevanz, dass sich dann die Fahrlssigkeits- und die Vorsatzdelikte auf der Grundlage der Lehre vom Handlungsunrecht einheitlich konstruieren lassen56, so dass im Rahmen des § 823 I BGB eine grçßere dogmatische Geschlossenheit erreicht wird. Vor allem aber stellt sich auch bei vorstzlichen Beeintrchtigungen die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen diese unter den Bedingungen des modernen Zusammenlebens vermeidbar sind oder vermieden werden sollen. Die Relevanz der Verhaltensstandards ist demgemß bei vorstzlichen Beeintrchtigungen von eminent praktischer Bedeutung. Denn Vorsatz liegt nicht erst vor, wenn der Erfolg gewollt wird, also Absicht vorlag, sondern auch dann, wenn der Erfolg als sicher vorausgesehen wird, ohne dass er gewollt wird, sowie bei bedingtem Vorsatz, also dann, wenn der Erfolg fr mçglich gehalten und billigend in Kauf genommen wird57. Dabei muss der Erfolg nicht angestrebt werden, um bedingten Vorsatz zu begrnden58; zumindest wenn nicht ernsthaft auf das Ausbleiben des Erfolgs vertraut wird, gengt sogar Gleichgltigkeit gegenber dem Erfolg59. Zudem muss sich der Vorsatz nicht auf die Person des Beeintrchtigten beziehen, sondern kann zunchst gegen jedermann gerichtet sein60. 55 So etwa Brggemeier, Haftungsrecht, S. 51; Esser/Weyers, § 55 II 3 (S. 170 f.); von Caemmerer, FS 100 Jahre DJT, S. 49, 77; vgl. auch MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 20. 56 MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 21 f. 57 BGHZ 7, 311, 313; BGHZ 117, 363, 368; Erman/H. P. Westermann, § 276 Rn. 7; Palandt/Heinrichs, § 276 Rn. 10; Staudinger/Lçwisch, § 276 Rn. 21. 58 BGHZ 148, 175, 182; MnchKomm-BGB/Grundmann, § 276 Rn. 161. 59 Vgl. MnchKomm-BGB/Grundmann, § 276 Rn. 161; Staudinger/Lçwisch, § 276 Rn. 22. 60 RGZ 79, 55, 60; BGH, NJW 1956, 1595; BGH, NJW 1963, 579, 580; MnchKommBGB/Grundmann, § 276 Rn. 156.

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In der Praxis drfte damit unter den Bedingungen des modernen Zusammenlebens relativ hufig Vorsatz vorliegen, sei es in der Form des bedingten Vorsatzes bei Unterlassungen und mittelbaren Beeintrchtigungen, sei es in der Form des Voraussehens des Erfolgs bei Unterlassungen und unmittelbaren Beeintrchtigungen. Bei vielen modernen Verhaltensweisen ist bekannt, dass sie zu Beeintrchtigungen fhren oder zumindest die Wahrscheinlichkeit von Beeintrchtigungen deutlich erhçhen, ohne dass der einzelne oder die Gesellschaft als Gesamtheit ohne weiteres bereit sind, darauf zu verzichten61. Dem Interesse des Beeintrchtigten steht insoweit die Handlungsfreiheit des Schdigers gegenber. Dies gilt insbesondere fr Beeintrchtigungen der Umwelt. So ist es etwa fr den Fhrer oder Halter eines am Straßenverkehr teilnehmenden Kraftfahrzeugs in der Regel unvermeidbar und damit auch voraussehbar, dass fremde Sachen durch die Abgase und hoch geschleuderte Partikel verschmutzt werden62 und andere Verkehrsteilnehmer insbesondere in den Abgasen enthaltene Schadstoffe mit der Atemluft aufnehmen, so dass Kçrper und Gesundheit beeintrchtigt werden63. Trotz des bekannten Schdigungspotentials kann sich hier nur selten das eine Interesse auf Kosten des anderen Interesses vollstndig durchsetzen, vielmehr ist in aller Regel ein Kompromiss zwischen den beteiligten Interessen notwendig. hnlich wurde etwa das Rauchen, jedenfalls soweit es nicht am Arbeitsplatz erfolgt, bisher trotz der damit verbundenen und bekannten Gesundheitsgefahren durch das Passivrauchen im Allgemeinen fr zulssig gehalten64.

3. Verhaltenspflichten als Tatbestandsmerkmal Da die Verkehrspflichtverletzung als Verhaltenspflichtverletzung die Haftung erst begrndet, was insbesondere fr die Haftung aufgrund von Unterlassungen gilt, gehçren das Bestehen einer Verhaltenspflicht und ihre Verletzung bereits zum Tatbestand65, nicht erst zur Rechtswidrigkeit66 61 Vgl. etwa U. Huber, FS Wahl, S. 301, 307 ff.; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 21. 62 Beispiel der Verschmutzung einer Hauswand bei Palandt/Sprau, § 823 Rn. 9. 63 Beispiel fr Abgase von Industriebetrieb bei Palandt/Sprau, § 823 Rn. 5; allgemein fr Luftverunreinigungen auch Sachs/Murswiek, Art. 2 Rn. 201; vgl. auch Murswiek, WiVerw 1986, 179, 201, der daraus weitreichende Schlsse zieht. 64 So vor Erlass der (verwaltungsrechtlichen) Nichtraucherschutzgesetze etwa MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 74; zwischen Mietern auch AG Wennigsen, WuM 2001, 487; allgemein bei mangelnder Ausweichmçglichkeit anders Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. B 22. 65 So etwa BGH, NJW 1987, 2671, 2672; Fikentscher/Heinemann, Rn. 1595; Erman/ Schiemann, § 823 Rn. 75 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 II 3c (S. 368), § 76 III 2 d (S. 406); Medicus, BR, Rn. 646 f.; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 21 f.; Soergel/Krause, § 823 Ahn II Rn. 15.

I. Pflichtverletzung als Grund der deliktischen Haftung

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oder zum Verschulden67. Die Pflichtwidrigkeit erschçpft sich nicht darin, den Widerspruch des Verhaltens zur Rechtsordnung zu begrnden68. Vielmehr dient sie auch der Bestimmung des Verpflichteten und damit eines zentralen Tatbestandselements69. Als Tatbestandsmerkmal indiziert sie auch die Rechtswidrigkeit, die dann nur durch die Rechtfertigungsgrnde ausgeschlossen wird70.

4. Schutzgesetzverletzung Auch die Haftung wegen Verletzung eines Schutzgesetzes gemß § 823 II BGB beruht auf pflichtwidrigem Verhalten. Ihr liegt eine hnliche Struktur zugrunde wie der Haftung wegen Verletzung eines geschtzten Rechtsguts gemß § 823 I BGB. Die Unterschiede liegen vor allem in dem weiteren Schutzbereich des § 823 II BGB, der nicht auf die durch § 823 I BGB geschtzten Rechtsgter und Rechte beschrnkt ist, und darin, dass der Verstoß gegen ein Schutzgesetz, das eine Verhaltenspflicht enthlt71, an die Stelle des Verstoßes gegen eine Verkehrspflicht tritt. Auch wenn die Verkehrspflichten dabei den Schutzgesetzen hneln72, ist allerdings der Auffassung, dass sie selbst als solche zu qualifizieren sind73, nicht zu folgen74. Nicht nur die Struktur des § 823 II BGB entspricht derjenigen des § 823 I BGB, sondern auch das Verhltnis zur negatorischen Haftung. Denn § 1004 I BGB wird ber das Risiko der Beeintrchtigung des Eigentums hinaus nicht nur auf Risiken fr die brigen durch § 823 I BGB geschtzten Rechtsgter und Rechte angewendet, sondern auch auf das Risiko einer Beeintrchtigung durch die Verletzung eines Schutzgesetzes des § 823 II BGB75. Die Lehre vom Verhaltensunrecht erlaubt es demgemß, die Haf66 So aber Esser/Weyers, § 55 II 3 b (S. 170); von Bar, Verkehrspflichten, S. 174 f.; wohl auch Soergel/Zeuner, 12. Aufl., § 823 Rn. 187; eingeschrnkt auch RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 140. 67 So aber Deutsch/Ahrens, Rn. 261; U. Huber, FS E. R. Huber, S. 253, 263 f., 275 ff.; RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 107, 140. 68 Vgl. oben S. 40. 69 hnl. Medicus, BR, Rn. 646. 70 So etwa Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 15; vgl. auch Fikentscher/Heinemann, Rn. 1595. 71 Vgl. Erman/Schiemann, § 823 Rn. 1; Soergel/Zeuner, 12. Aufl., § 823 Rn. 4; differenzierend Esser/Weyers, § 56 I (S. 200 f.). 72 Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 4. 73 So etwa Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 106; von Bar, Verkehrspflichten, S. 157 ff. 74 So etwa Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 2 b (S. 405); MnchKomm-BGB/ G. Wagner, § 823 Rn. 59; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 14; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 5. 75 Erman/Schiemann, Vor § 823 Rn. 20; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 VII (S. 704); MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 74; Palandt/Sprau, Einf v § 823 Rn. 19, 28; fr Unterlassungsansprche auch Staudinger/J. Hager, Vorbem zu § 823 Rn. 63.

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§ 3 Pflichtwidriges Verhalten als Haftungsgrund

tung aus § 823 I und § 823 II BGB auch in einem so zentralen Punkt wie dem Haftungsgrund parallel zu konstruieren.

5. Vorstzliche sittenwidrige Schdigung Die Haftung wegen vorstzlicher sittenwidriger Schdigung gemß § 826 BGB beruht ebenfalls auf pflichtwidrigem Verhalten. Auch sie hnelt in ihrer Struktur der Haftung wegen Verletzung eines geschtzten Rechtsguts gemß § 823 I BGB. Sie hat wie § 823 II BGB einen gegenber § 823 I BGB erweiterten Schutzbereich, da sie jeden Schaden erfassen kann, setzt aber ebenfalls den Verstoß gegen einen Verhaltensstandard voraus. Die Voraussetzungen fr diesen Verstoß sind zwar deutlich strenger, indem sie nicht an die Verkehrspflichten, sondern an einen Verstoß gegen die guten Sitten anknpfen, die vor allem auf das Verhalten des Verantwortlichen abstellen76 und eine besondere Verwerflichkeit dieses Verhaltens voraussetzen, die anhand des verfolgten Ziels, der eingesetzten Mittel, der darin zutage tretenden Gesinnung und den eintretenden Folgen zu bestimmen ist77. Aber sowohl bei § 823 I BGB als auch bei § 826 BGB muss der Verstoß gegen einen Verhaltensstandard zu einem Nachteil des Betroffenen fhren. Demgemß ist die Sittenwidrigkeitsprfung nach § 826 BGB der Sache nach auch als richterliche Begrndung von Verkehrspflichtverletzungen aufgefasst worden78. hnlich muss bei § 826 BGB zwar zumindest bedingter Vorsatz vorliegen, whrend bei § 823 I BGB auch Fahrlssigkeit gengt, aber dieser Unterschied betrifft nur den Grad des Verschuldens, nicht aber das Verschuldenserfordernis als solches. Auch § 823 I und § 826 BGB kçnnen demgemß auf der Grundlage der Lehre vom Verhaltensunrecht parallel konstruiert werden.

II. Pflichtverletzung als Grund der negatorischen Haftung Auch im Rahmen der negatorischen Haftung begrnden der in der Beeintrchtigung liegende Erfolg und das Fehlen von Duldungspflichten noch keine Unterlassungs- und Beseitigungsansprche. Vielmehr ist auch hier im Rahmen der Rechtswidrigkeit die Verletzung von Verhaltenspflichten 76 BGH, NJW 1970, 657; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 78 II 2 b (S. 452 f.); Palandt/Sprau, § 826 Rn. 4; hnl. Soergel/Hçnn, § 826 Rn. 8 ff. 77 BGH, NJW 2001, 3702 f.; Palandt/Sprau, § 826 Rn. 4; hnl. Erman/Schiemann, § 826 Rn. 8 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 78 II 2 (S. 451 f.); Soergel/Hçnn, § 826 Rn. 37; fr eine Bestimmung der Sittenwidrigkeit aus der Perspektive der çkonomischen Analyse des Rechts, aber ohne Bezug zum Wortlaut des Gesetzes MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 826 Rn. 11 ff. 78 Schiemann, Arzthaftung, in: Weick, S. 55, 64; von Bar, Verkehrspflichten, S. 211 f.

II. Pflichtverletzung als Grund der negatorischen Haftung

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notwendig, die wiederum die Verantwortlichkeit des Stçrers voraussetzen. Nicht nur die deliktische, sondern auch die negatorische Haftung beruht demgemß auf einer Pflichtverletzung.

A. Keine Haftung fr in der Vergangenheit liegendes Verhalten Die Frage nach der Pflichtverletzung als Grund der negatorischen Haftung scheint sich zwar auf den ersten Blick mit der Diskussion um die Rolle der Rechtswidrigkeit bei § 1004 BGB zu berhren, da dort die Ansicht, dass die Rechtswidrigkeit mit dem Fehlen einer Duldungspflicht gleichzusetzen ist79, der Lehre vom Erfolgsunrecht zugeordnet wird, whrend die Auffassung, dass die Rechtswidrigkeit die Duldungspflicht noch nicht ausschließt80, der Lehre vom Handlungsunrecht zugeordnet wird81. Dieser Diskussion kommt aber insoweit nur terminologische Bedeutung zu82, als gemeinhin angenommen wird, dass es im Ergebnis nicht auf die Rechtswidrigkeit des fr die Beeintrchtigung kausalen und in der Vergangenheit liegenden Verhaltens ankommt, sondern der aktuelle Zustand zum Zeitpunkt der in Frage stehenden negatorischen Haftung zu beurteilen ist83. Dass fr die negatorische Haftung nicht notwendig das Verhalten maßgeblich ist, das zu der Beeintrchtigung des Eigentums gefhrt hat, zeigt sich besonders deutlich, wenn zwar das in der Vergangenheit liegende Verhalten rechtswidrig war, der Erfolg dieses Verhaltens aber von einer gesetzlichen oder vertraglichen Duldungspflicht gedeckt wird, der beeintrchtigende Zustand also keine Verhaltenspflicht auslçst, gegen die der Stçrer verstçßt. So etwa beim rechtswidrigen, aber entschuldigtem berbau gemß § 912 I BGB, wo zwar das berbauen als Handlung rechtswidrig ist, 79 So Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 53, 98; Baur/Strner, § 12 Rn. 8; Erman/ Ebbing, § 1004 Rn. 32; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 34; nach Handlungs- und Zustandsstçrer differenzierend Picker, Beseitigungsanspruch, S. 171 ff.; Picker, JZ 1976, 370 f.; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 173; auch BGHZ 142, 227, 235. 80 So Bensching, S. 67 ff.; Jauernig/Jauernig, § 1004 Rn. 21; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 IV 1 a (S. 691 f.); Mnzberg, Verhalten, S. 377 f.; Mnzberg, JZ 1967, 689, 690 f. 81 So MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 59; Soergel/Mnch, 12. Aufl., § 1004 Rn. 237; anders Jauernig/Jauernig, § 1004 Rn. 21. 82 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 IV 1 a (S. 692); Soergel/Mnch, 12. Aufl., § 1004 Rn. 239; hnl. Brehm/Berger, § 7 Rn. 19; Erman/Hefermehl, 10. Aufl., § 1004 Rn. 32; Jauernig/Jauernig, § 1004 Rn. 21. 83 So im Ausgangspunkt auch BGHZ 66, 37, 39; BGHZ 142, 227, 235; BGH, NJWRR 2003, 953, 954; BayObLG, NJWE-MietR 1996, 60; Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 53; Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil II, S. 1297 f.; Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 34 f., 40; Esser/Weyers, § 62 II 1 (S. 258 f.); Fritzsche, S. 141 ff.; Jauernig/Jauernig, § 1004 Rn. 21; Mnzberg, Verhalten, S. 383 ff., 417; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 12; Picker, Beseitigungsanspruch, S. 175; Soergel/Mnch, § 1004 Rn. 239; fr den Beseitigungsanspruch auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 IV 1 a (S. 691 f.).

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§ 3 Pflichtwidriges Verhalten als Haftungsgrund

der berbau als beeintrchtigender Zustand hingegen aufgrund der Duldungspflicht rechtmßig84; oder wenn der Eigentmer zwar einen Erfolg gestattet, nicht aber den gewhlten Weg zu diesem, wie bei der Gestattung der Beseitigung eines Gebudes durch Abbruch, nicht aber durch Sprengung, wo zwar die Sprengung rechtswidrig ist, nicht aber die dadurch erreichte Beseitigung des Gebudes85. Umgekehrt kann auch das in der Vergangenheit zu der Beeintrchtigung fhrende Verhalten rechtmßig sein, whrend der beeintrchtigende Zustand als Ergebnis dieses Verhaltens rechtswidrig ist und die negatorische Haftung begrndet. So ist die Errichtung einer Anlage auf einem fremden Grundstck rechtmßig, wenn sie der Eigentmer genehmigt, whrend die Anlage als Erfolg dieses rechtmßigen Verhaltens mit Wegfall der Genehmigung rechtswidrig wird, so dass gegen denjenigen, der fr die Anlage verantwortlich ist, ein Beseitigungsanspruch besteht86; dasselbe gilt, wenn das Eigentum an dem Grundstck im Wege der Einzelrechtsnachfolge bergeht, da die schuldrechtliche Genehmigung nicht gegenber dem neuen Eigentmer wirkt87. Demgemß ist im Rahmen der negatorischen Haftung zwischen der Rechtswidrigkeit des bereits abgeschlossenen Verhaltens und der mangelnden Duldungspflicht des daraus resultierenden Erfolgs zu unterscheiden. Sie sind nicht notwendig gleichzusetzen88, sondern kçnnen zwar gleichlaufen und tun dies in der Regel auch, mssen es aber nicht, sondern kçnnen auch auseinanderfallen, indem der Erfolg eines rechtswidrigen Verhaltens zu dulden sein kann oder der Erfolg eines rechtmßigen Verhaltens Unterlassungs- und Beseitigungsansprche auslçst89. Maßgeblich fr das Bestehen der negatorischen Haftung ist damit, ob die Beeintrchtigung angesichts der aktuellen Situation Unterlassungs- und Beseitigungsansprche auslçsen kann und in die Verantwortlichkeit des Inanspruchgenommenen fllt. Aufgrund der Zukunftsbezogenheit90 der negatorischen Haftung ist dabei fr das Bestehen der Unterlassungs- und Beseitigungsansprche nicht maßgeblich, ob angesichts des aktuellen Zustands bereits eine Beeintrchtigung vorliegt, sondern ob eine Beeintrchtigung fr die Zukunft droht. Das in der Vergangenheit liegende Verhalten ist nur insoweit relevant, als es die Zurechenbarkeit des Risikos zum potentiell

84 Vgl. Mnzberg, Verhalten, S. 392 f.; auch MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 60. 85 Vgl. Mnzberg, Verhalten, S. 403; auch MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 60. 86 Vgl. etwa BGH, NJW-RR 2003, 953, 954; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 60; Picker, JZ 1976, 370 f. 87 Soergel/Mnch, § 1004 Rn. 238. 88 So grundstzlich aber MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 61. 89 So fr den Beseitigungsanspruch auch Mnzberg, Verhalten, S. 383 ff., 417; Soergel/ Mnch, § 1004 Rn. 238. 90 Vgl. oben S. 71.

II. Pflichtverletzung als Grund der negatorischen Haftung

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Verantwortlichen begrnden und bei der Interessenabwgung zur Bestimmung der Verkehrspflichten zu bercksichtigen sein kann.

B. Keine Zustandshaftung Die Maßgeblichkeit des aktuellen Zustands fr das Bestehen der negatorischen Haftung bedeutet nicht, dass diese eine Zustandshaftung begrndet. Der Auffassung, dass die negatorische Haftung keine Rechtswidrigkeit voraussetze, sondern nur einen Zustand, der dem Inhalt des Eigentums gemß § 903 BGB widerspreche und der nicht durch Duldungspflichten gedeckt sei91, ist nicht zuzustimmen. Dasselbe gilt fr die Ansicht, nach der die negatorische Haftung zwar eine Rechtswidrigkeit voraussetze, diese aber nicht ein Verhalten, sondern den aktuellen Zustand betreffe und dem Fehlen einer Duldungspflicht entspreche92, und die Ansicht, dass die negatorische Haftung zwar die Rechtswidrigkeit des zu der Beeintrchtigung fhrenden Vorverhaltens voraussetze, diese sich jedoch nach der Duldungspflicht des daraus resultierenden Zustands bemesse93, da diese Ansichten der erstgenannten Auffassung insoweit entsprechen, als der Rechtswidrigkeit des Zustands dann gegenber der Duldungspflicht des Verhaltens keine material eigenstndige Funktion zukommt94. Vielmehr bedarf es ber die Beeintrchtigung und die mangelnde Duldungspflicht hinaus auch der rechtswidrigen Verletzung einer Verhaltenspflicht, die sich jedoch nicht schon notwendig aus dem in der Vergangenheit liegenden, fr die aktuelle Situation kausalen Verhalten ergibt, sondern erst aus der andauernden oder drohenden Beeintrchtigung, wie sie sich aufgrund der aktuellen Situation darstellt. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass § 1004 BGB die §§ 985 f. BGB ergnzt und es bei § 986 BGB auch nicht darum gehe, ob die beeintrchtigende Handlung rechtswidrig war, sondern allein darum, ob der gegenwrtige Zustand bestehen bleiben drfe95. Denn dass sich § 1004 BGB und §§ 985 f. BGB hinsichtlich des Eigentumsschutzes ergnzen, bedeutet noch nicht, dass die Normen gleich funktionieren. Die Ergnzungsfunktion 91 So aber etwa Mnzberg, Verhalten, S. 376 f.; Soergel/Mhl, 12. Aufl., § 1004 Rn. 81; Manfred Wolf, Rn. 316; fr den Beseitigungsanspruch etwa auch BGHZ 66, 37, 39; Esser/ Weyers, § 62 II 1 (S. 258 f.); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 IV 1 (S. 691 f.); hnl. Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 53; vgl. auch Koziol, FS Canaris I, S. 631, 634 ff. 92 So aber etwa BayObLG, NJWE-MietR 1996, 60; Fritzsche, S. 141 ff.; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 35; Soergel/Mhl, 12. Aufl., § 1004 Rn. 81; kritisch zu der Terminologie etwa Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 IV 1 (S. 691 f.). 93 So aber Fritzsche, S. 141. 94 hnl. Brehm/Berger, § 7 Rn. 20. 95 So aber Mnzberg, Verhalten, S. 378 ff.; Mnzberg, JZ 1967, 689, 691 f.; hnl. etwa Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 63; Esser/Weyers, § 62 II 1 (S. 258 f.); Fritzsche, S. 141 f.; Jauernig/Jauernig, § 1004 Rn. 21.

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§ 3 Pflichtwidriges Verhalten als Haftungsgrund

spricht zunchst sogar dafr, dass die Normen den Schutz unterschiedlich verwirklichen und sich gerade dadurch ergnzen. § 985 ff. BGB und § 1004 BGB unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich ihres unmittelbaren Schutzgegenstands, der einerseits Besitzentzug und -vorenthaltung, andererseits sonstige Stçrungen umfasst, sondern auch hinsichtlich der Regelungstechnik, indem etwa § 986 BGB vom stçrenden Besitzer ausgeht und auf ein Recht zum Besitz abstellt, whrend § 1004 II BGB vom gestçrten Eigentmer ausgeht und auf dessen Duldungspflicht abstellt96. Vor allem aber wird die Beeintrchtigung des Eigentums in § 985 BGB als Besitz des Nichteigentmers definiert, whrend sie in § 1004 BGB nicht positiv bestimmt wird. Der Verstoß gegen eine Verhaltenspflicht liegt demgemß bei §§ 985 f. BGB per definitionem in der unberechtigten Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes. Das rechtswidrige Verhalten liegt also im Besitz des Nichteigentmers gemß § 985 BGB ohne Recht zum Besitz gemß § 986 BGB. Demgegenber stellt § 1004 I BGB nur auf Beeintrchtigungen in anderer Weise ab, ohne diese Stçrungen positiv zu definieren. Die Beeintrchtigung und ihre Rechtswidrigkeit mssen also erst bestimmt werden, indem der Verstoß gegen eine auf die Vermeidung der Beeintrchtigung gerichtete Verhaltenspflicht festgestellt wird. Dass die negatorische Haftung an die Voraussetzung der Verletzung einer Verhaltenspflicht geknpft ist, wird auch nicht durch den Wortlaut des § 1004 BGB ausgeschlossen. Zwar wird die Haftung in § 1004 I BGB an die Beeintrchtigung des Eigentums und damit an einen Erfolg geknpft und in § 1004 II BGB nur fr den Fall des Vorliegens einer Duldungspflicht ausgeschlossen. Aber auch bei der deliktischen Haftung wird das ursprnglich im Verschulden angesiedelte Erfordernis der Verletzung einer Verhaltenspflicht inzwischen als Tatbestandsmerkmal aufgefasst97, obwohl der Wortlaut des § 823 I BGB ber den Begriff der Verletzung hinaus keine Anknpfung im Tatbestand bietet. hnlich kann das Erfordernis der Verletzung einer Verhaltenspflicht in den Tatbestand des § 1004 I BGB hineingelesen und als Bestandteil der Beeintrchtigung oder der Stçrereigenschaft aufgefasst werden. Zudem folgt aus der Beeintrchtigung des Eigentums im Sinne der Eigentumsdefinition des § 903 BGB und dem Fehlen einer Duldungspflicht zunchst nur, dass der Eigentmer selbst Maßnahmen gegen die Beeintrchtigung ergreifen darf98. Wenn es darber hinaus darum geht, ob ein anderer die Beeintrchtigung unterlassen oder beseitigen muss, geht es um das Verhalten dieses anderen und die Rechtswidrigkeit dieses Verhaltens99. 96

Vgl. Jauernig/Jauernig, § 1004 Rn. 21. Vgl. oben S. 116. 98 MnchKomm-BGB/Hanau, 3. Aufl., § 276 Rn. 23. 99 MnchKomm-BGB/Hanau, 3. Aufl., § 276 Rn. 23; zustimmend MnchKommBGB/Grundmann, § 276 Rn. 19. 97

II. Pflichtverletzung als Grund der negatorischen Haftung

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Es kommt also weder auf die Rechtswidrigkeit des fr die Beeintrchtigung kausalen und in der Vergangenheit liegenden Verhaltens an, noch allein auf die Rechtswidrigkeit des aktuellen Zustands, sondern auf die Rechtswidrigkeit des Verhaltens, dass der auf der Basis des aktuellen Zustands bestehenden Pflicht zur Unterlassung oder Beseitigung der Beeintrchtigung zuwiderluft.

C. Keine Kausalhaftung Die negatorische Haftung wird damit wie die deliktische Haftung nicht schon durch die Verursachung eines Erfolgs und die Abwesenheit von Duldungspflichten begrndet. Dies gilt sowohl fr die Kausalittstheorie, als auch ihre Spielarten der Risikotheorie und der actus-contrarius-Theorie, die bereits im Zusammenhang mit der Abgrenzung von negatorischer und deliktischer Haftung angesprochen wurden100. Weder der Erfolg noch seine Verursachung rechtfertigen hier bereits die Haftung. Genauso wenig wird die Haftung durch die Mçglichkeit der Vermeidung der Beeintrchtigung begrndet101. Bereits dargelegt wurde, dass die Kausalittstheorie die Eigenstndigkeit der negatorischen gegenber der deliktischen Haftung nicht begrnden kann102. Im hier interessierenden Zusammenhang relevanter ist jedoch, dass die Kausalitt schon aufgrund der Gleichwertigkeit aller Ursachen im Sinne einer conditio sine qua non nur notwendige, nicht aber hinreichende Voraussetzung fr die Haftung sein kann103. Dass die Kausalitt als Zurechnungsgrund nicht ausreicht, wird nicht nur bei der notwendigen Einbeziehung des Unterlassens in die potentielle Verantwortlichkeit deutlich, sondern auch bei der notwendigen Ausgrenzung entfernter Ursachen104. Dies zeigt schon das Schulbeispiel des Produzenten des stçrenden Gegenstands. Wird etwa Grundeigentum durch ein dort abgestelltes und Schadstoffe emittierendes Autowrack beeintrchtigt, kann der Eigentmer den Hersteller des Autos nicht deshalb auf Beseitigung in Anspruch nehmen, weil dieser das Auto produziert hat und zunchst Eigentmer des Autos war, da dies allein noch keine negatorische Haftung begrndet; eine solche kann sich erst daraus ergeben, dass der Hersteller etwa auch der letzte Eigentmer oder Halter des Autos war oder es auf dem Grundstck abgestellt hat. Die bloße Verursachung der Beeintrchtigung wrde die allge100

Dazu oben S. 53 ff. Erman/Ebbing, §1004 Rn. 109; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 94 f. 102 Siehe oben S. 53. 103 Armbrster, NJW 2003, 3087, 3088; Canaris, Vertrauenshaftung, S. 473 ff.; Larenz/ Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 V 1 a (S. 694); hnl. J. Wenzel, NJW 2005, 241; vgl. auch Adams, JZ 1989, 787. 104 Herrmann, Stçrer, S. 29 ff., 57. 101

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§ 3 Pflichtwidriges Verhalten als Haftungsgrund

meine Handlungsfreiheit demgemß erheblich beschrnken105. Dementsprechend wird auch in der Kausalitt noch kein hinreichender Gerechtigkeitsgrund fr die Haftung gesehen106.

D. Notwendigkeit einer Verhaltenspflicht Da die negatorische Haftung weder Haftung fr ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten noch Haftung fr einen Zustand oder dessen Verursachung ist, beruht sie darauf, dass sich der Verantwortliche aktuell rechtswidrig verhlt107, indem er gegen eine auf die Vermeidung der drohenden oder andauernden Beeintrchtigung gerichtete Verhaltenspflicht verstçßt, die sich aus dem aktuellen Zustand ergibt.

1. Verhaltenspflicht zur Vermeidung einer drohenden Beeintrchtigung Die negatorische Haftung setzt eine Verhaltenspflicht voraus, die auf die Vermeidung einer drohenden Beeintrchtigung gerichtet ist. Es muss also eine Pflicht bestehen, diese Beeintrchtigung zu unterlassen oder zu beseitigen. In diesem Sinne ist auf die Rechtswidrigkeit des zuknftigen Verhaltens abzustellen, das als geschehen gedacht rechtswidrig sein muss108. Es geht allerdings nicht nur darum, ob die Verletzung einer Verhaltenspflicht droht109 oder andauert, sondern vor allem darum, ob sich aus der drohenden Beeintrchtigung eine akute Verhaltenspflicht ergibt. Die derartige Verhaltenspflicht kann auch auf ein positives Tun gerichtet sein, wenn die Vermeidung der Beeintrchtigung kein schlichtes Unttigsein erfordert, sondern die Ergreifung von Vermeidemaßnahmen110. Sie geht dann nicht notwendig auf Beseitigung, da noch keine Beeintrchtigung vorliegen muss, sondern kann auch auf das Unterlassen eines Unterlassens gerichtet sein111, wenn dies zur Vermeidung der Beeintrchtigung notwendig ist. Der dagegen erhobene Einwand, es sei logisch kurios, wenn das Unterlassen einen Anspruch auf Unterlassen eben dieses Unterlassens begrnde112, bercksichtigt nicht, dass nicht erst das Unterlassen die Haftung be105

Vgl. Picker, FS Gernhuber, S. 315, 326 f. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 V 1 a (S. 694 f. m. Fn. 71); Picker, Beseitigungsanspruch, S. 26 ff.; hnl. Armbrster, NJW 2003, 3087, 3088. 107 hnl. MnchKomm-BGB/Hanau, 3. Aufl., § 276 Rn. 23; zustimmend MnchKomm-BGB/Grundmann, § 276 Rn. 19; auch Soergel/Mnch, 12. Aufl., § 1004 Rn. 238. 108 So fr die Verhaltenshaftung im Gegensatz zur Zustandshaftung auch Picker, Beseitigungsanspruch, S. 175 ff. 109 So fr den Unterlassungsanspruch aber Mnzberg, Verhalten, S. 418 ff., 425. 110 Vgl. fr deliktische Verkehrspflichten Zeuner, 25. Jahre KF, S. 196, 198; Soergel/ Krause, § 823 Anh II Rn. 8. 111 Vgl. Loschelder, WRP 1999, 57, 58. 112 So Picker, FS Gernhuber, S. 315, 327. 106

II. Pflichtverletzung als Grund der negatorischen Haftung

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grndet, sondern die Verhaltenspflicht, gegen die durch das Unterlassen verstoßen wird. Dabei ist der Ansicht, dass zwischen Unterlassungs- und Beseitigungsansprchen zu unterscheiden ist113, nicht zu folgen. Der negatorischen Haftung geht es nicht nur beim Unterlassungs-, sondern auch beim Beseitigungsanspruch nicht darum, dem Stçrer sein Verhalten und den daraus resultierenden Erfolg vorzuwerfen, sondern allein darum, sein knftiges Verhalten zu beeinflussen, um dadurch drohende Beeintrchtigungen zu verhindern114. Der Beseitigungsanspruch umfasst nur die Beseitigung einer Risikoquelle115. Die Beseitigung der bereits bestehenden Beeintrchtigung ist insoweit nur Reflex der Beseitigung der drohenden Beeintrchtigung, die aus der bestehenden Beeintrchtigung resultiert116. Dass zwischen Beseitigungs- und Unterlassungsansprchen nicht zu unterscheiden ist, beruht dabei darauf, dass ein Beseitigungsanspruch im Grunde ein rckwirkender Unterlassungsanspruch ist, bei dem die Vermeidung der drohenden Beeintrchtigung auch die Beseitigung der eingetretenen Beeintrchtigung umfasst. Paradigmatisch fr die negatorische Haftung ist demgemß entgegen der blichen Darstellung, die den Unterlassungsanspruch nur im Anschluss an den Beseitigungsanspruch behandelt117, nicht der Beseitigungs-, sondern der Unterlassungsanspruch. Demgemß kann die hier vertretene Auffassung, dass die negatorische Haftung eine Verhaltenspflicht voraussetzt, die auf die Vermeidung einer drohenden oder andauernden Beeintrchtigung gerichtet ist, an die Ansicht, dass es beim Unterlassungsanspruch auf die Beurteilung nicht des Zustands, sondern des Verhaltens ankomme, dieses also rechtswidrig sein msse118, anknpfen. Auch der zu beseitigende Zustand ist also im Lichte der Verhaltenspflicht zur Vermeidung einer drohenden Beeintrchtigung zu beurteilen. Auch die Unterscheidung zwischen Zustands- und Verhaltenshaftung119 ist fr die Frage, ob die negatorische Haftung die Verletzung einer Verhaltenspflicht voraussetzt, irrelevant. Nicht die Rechtswidrigkeit beruht auf 113 Vgl. etwa Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §§ 86, 87 (S. 672 ff.); Koziol, FS Canaris I, S. 631, 648; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 59; Mnzberg, Verhalten, S. 383 ff. 114 hnl. fr die Verhaltenshaftung im Gegensatz zur Zustandshaftung auch Picker, Beseitigungsanspruch, S. 177. 115 Siehe oben S. 73 ff. 116 Vgl. oben S. 80. 117 Vgl. etwa Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 64 ff., 76 ff.; Fritzsche, S. 148 ff., 154 ff., 177 ff.; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 71 ff., 95 ff.; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 135 ff., 210 ff.; Staudinger/J. Hager, vor § 823 Rn. C 259 ff. 118 So Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 87 III (S. 706 f.); MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 59; Mnzberg, Verhalten, S. 422; Picker, Beseitigungsanspruch, S. 175; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 173. 119 Vgl. Picker, Beseitigungsanspruch, S. 172 ff.; zustimmend Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 173.

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§ 3 Pflichtwidriges Verhalten als Haftungsgrund

einem Verhalten oder Zustand120, sondern die Verhaltenspflicht, deren Verletzung zum Tatbestand gehçrt, der Gegenstand der Rechtswidrigkeit ist und diese indiziert. Auch bei der Zustandshaftung ist die Rechtswidrigkeit dementsprechend nicht unmittelbar auf den Zustand bezogen121, sondern auf die Verletzung einer Verhaltenspflicht, die sich aus dem Zustand ergeben kann. Entgegen der Ansicht, die Rechtswidrigkeit sei nur relevant, wenn die Stçrung gerade im Verhalten liege, nicht aber, wenn die Stçrung auf einer dem Stçrer zugeordneten Sache oder einem ihm zuzuordnenden Zustand beruhe, der Stçrer also nicht Verhaltens-, sondern Zustandsstçrer sei122, setzt die negatorische Haftung notwendig die rechtswidrige Verletzung einer Verhaltenspflicht voraus. Die hier vertretene Auffassung, dass die negatorische Haftung eine auf die Vermeidung einer drohenden oder andauernden Beeintrchtigung gerichtete Verhaltenspflicht voraussetzt, berhrt sich mit der Sicherungstheorie. Diese setzt fr die Zustandshaftung ebenfalls eine Verhaltenspflicht voraus, indem sie die Herbeifhrung oder Unterhaltung eines stçrenden Zustands nur zurechnen mçchte, wenn objektive Sicherungspflichten bestehen, die aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhltnis und den Wertungskriterien des gesetzlichen Nachbarrechts eine Handlungspflicht begrnden123. Gegenber der Sicherungstheorie ist die Notwendigkeit der Verhaltenspflicht als Voraussetzung der negatorischen Haftung aber zu verallgemeinern. Sie kann aus den gerade genannten Grnden nicht auf die Zustandhaftung beschrnkt werden und gilt auch nicht nur im Nachbarrecht, weil sie sich nicht aus den §§ 903 ff. BGB ergibt124, sondern aus § 1004 BGB, der allgemeine Geltung beansprucht und die Anspruchsgrundlage der negatorischen Haftung bildet. Der Notwendigkeit einer Verhaltenspflicht als Voraussetzung der negatorischen Haftung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass Verkehrspflichten nur Gefahrenquellen zum Gegenstand htten, whrend es bei der negatorischen Haftung auch um bloße Stçrungen gehe, und dass Verkehrspflichten im Gegensatz zur negatorischen Haftung nicht notwendig eine Beseitigungspflicht zum Inhalt htten, sondern auch auf weniger einschneidende Maßnahmen gerichtet sein kçnnten125. Denn zum einen hat die negatorische Haftung aufgrund ihrer Zukunftsbezogenheit126 nur 120

So aber Picker, Beseitigungsanspruch, S. 172. So aber Picker, Beseitigungsanspruch, S. 181. 122 So Picker, Beseitigungsanspruch, 171 ff.; Picker, JZ 1976, 370 f.; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 173; hnl. fr den Beseitigungsanspruch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 IV 1 b (S. 692). 123 J. Wenzel, NJW 2005, 241, 242 f.; auf eine Sicherheitspflicht abstellend auch schon Herrmann, Stçrer, S. 402 ff., 556 ff. 124 So aber wohl J. Wenzel, NJW 2005, 241, 242. 125 So aber Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 V 1 c (S. 695); Marc Wolf, S. 215. 126 Siehe oben S. 71. 121

II. Pflichtverletzung als Grund der negatorischen Haftung

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drohende Beeintrchtigungen zum Gegenstand, so dass bereits eingetretene Stçrungen nicht bereits als solche, sondern erst als Gefahrenquelle fr eine drohende oder andauernde Beeintrchtigung erfasst werden. Zum anderen kann die Verhaltenspflicht zwar auf die Beseitigung gerichtet sein, so dass ein Beseitigungsanspruch begrndet ist, muss es aber nicht, da die negatorische Haftung ja auch Unterlassungsansprche umfasst, die neben dem Unterlassen einer Handlung auch auf ein positives Tun zu Vermeidung einer Beeintrchtigung gerichtet sein kçnnen, so dass auch weniger einschneidende Maßnahmen als die Beseitigung Inhalt der negatorischen Haftung sein kçnnen. Schließlich bedeutet die Voraussetzung der Verhaltenspflicht noch nicht, dass mit ihrem Vorliegen notwendig auch die negatorische Haftung gegeben ist, diese kann vielmehr durch das Nichtvorliegen anderer Voraussetzungen scheitern, die auch die Angemessenheit der negatorischen Haftung bercksichtigen kçnnen127. Auch der Einwand gegen die Kausalittstheorie, dass sie zu einer Verursachungshaftung fhre, die eine erhebliche Einschrnkung der Handlungsfreiheit des Verantwortlichen zur Folge htte, lsst sich nicht aufrechterhalten, wenn der Verantwortliche nur dann haftet, wenn er eine Verhaltenspflicht verletzt hat128. Denn die Handlungsfreiheit kann dann im Rahmen der Interessenabwgung zur Bestimmung der Verkehrspflichten bercksichtigt werden, da dort zugunsten des potentiell Verantwortlichen auch seine wirtschaftliche Belastung und eine etwaige Unzumutbarkeit einfließen129. Zwar ist jede Haftung und damit auch die negatorische Haftung mit einer Einschrnkung der Handlungsfreiheit des Verantwortlichen verbunden. Das Erfordernis einer Verhaltenspflicht kann jedoch bermßige Einschrnkungen verhindern.

2. Relevanz der Pflichtverletzung fr das Bestehen der negatorischen Haftung Auch die Rechtsprechung macht die negatorische Haftung davon abhngig, dass der Stçrer fr die Beeintrchtigung verantwortlich ist und daher Verhaltenspflichten des Stçrers zur Vermeidung der Beeintrchtigung bestehen. Zwar findet sich die Aussage, dass fr das Bestehen der negatorischen Haftung nur der dem Inhalt gemß § 903 BGB widersprechende Zustand maßgeblich sei130. Aber diese Aussage ist offenbar nur gegen die Auffassung gerichtet, dass die negatorische Haftung die Rechtswidrigkeit des die Beeintrchtigung verursachenden Verhaltens voraussetze. Eine abschließen127

Dazu nher unten S. 297 ff. So aber Picker, FS Gernhuber, S. 315, 326 f. 129 Dazu unten S. 252 ff. 130 So fr den Beseitigungsanspruch BGHZ 66, 37, 39; BGH, NJW-RR 2001, 232; Mnzberg, Verhalten, S. 376 f. 128

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§ 3 Pflichtwidriges Verhalten als Haftungsgrund

de positive Definition der Voraussetzungen der negatorischen Haftung ist damit nicht verbunden131. Insbesondere ist damit noch keine Aussage ber die Notwendigkeit der Verantwortlichkeit des Stçrers und der daraus folgenden Verhaltenspflichten verbunden. Dies zeigt sich, wenn die Rechtsprechung fr die negatorische Haftung die Verantwortlichkeit des Stçrers fr die Beeintrchtigung voraussetzt und dafr auf ein pflichtwidriges Verhalten des Stçrers abstellt132. Die Verantwortlichkeit kann dabei nicht allein als eine Frage der Zurechnung der Beeintrchtigung zum Stçrer und damit der Stçrereigenschaft begriffen werden, die sich auf die Frage nach der Verursachung der Beeintrchtigung beschrnkt133. Sie ist zwar Voraussetzung der Zurechnung und wird daher vielfach im Zusammenhang mit dieser behandelt134, geht aber ber die bloße Verursachung der Beeintrchtigung hinaus. Die Zurechnung der Beeintrchtigung als im weiteren Sinne kausale Verbindung zwischen dem Stçrer und der Beeintrchtigung reicht nicht aus, um die negatorische Haftung zu begrnden. Vielmehr bedarf es mit der Verantwortlichkeit einer Bewertung des Verhaltens des Stçrers135, das pflichtwidrig sein muss. Demgemß ist die Verantwortlichkeit des Stçrers zwar nicht unabhngig davon, ob die Beeintrchtigung durch menschliches Verhalten verursacht wird136. Umgekehrt gengt es aber auch nicht, wenn die Beeintrchtigungen durch menschliches Verhalten, also nicht durch Naturereignisse verursacht werden137 oder auf der Schaffung einer Gefahrenquelle durch den Stçrer beruhen138. Es reicht allerdings auch nicht, wenn die Beeintrchtigung mittelbar auf den Willen des Eigentmers oder Besitzers zurckzufhren ist139. Vielmehr bedarf es zustzlich einer wertenden Betrachtung140. Diese wertende Betrachtung luft auf die Aufstellung von Verhaltenspflichten hinaus. Die negatorische Haftung ist demgemß nur begrn131

Vgl. die Einschrnkung »grundstzlich« in BGHZ 114, 183, 185 f. So etwa BGHZ 90, 255, 266 f.; BGHZ 114, 183, 187 f.; BGHZ 122, 283, 284; BGHZ 157, 33, 42; BGH, NJW-RR 2001, 1208 f.; BGH, NJW 2004, 603, 604; BGH, NJW 2005, 1366, 1368 f.; BGH, NJW 2006, 992 f. 133 So aber Fritzsche, S. 141. 134 Vgl. etwa BGHZ 142, 66, 69 f.; BGH, NJW-RR 2001, 232; BGH, NJW 2004, 1035, 1036; BGH, NJW 2005, 1366, 1368 f.; BGH, NJW 2006, 992 f.; Baur/Strner, § 12 Rn. 16; Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 122 ff.; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 19 ff.; MnchKommBGB/Medicus, § 1004 Rn. 46 ff.; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 102 ff. 135 hnl. in Bezug auf den Willen des Stçrers BGHZ 142, 66, 69 f.; BGHZ 155, 99, 105; BGH, NJW 1995, 2633, 2634. 136 So fr den Zustandsstçrer aber Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 105 ff.; differenzierend Picker, Beseitigungsanspruch, S. 103 ff. 137 So fr den Zustandsstçrer bzw. Unttigkeitsstçrer aber etwa Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 125; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 61. 138 So fr den Zustandsstçrer bzw. Unttigkeitsstçrer aber etwa Baur/Strner, § 12 Rn. 16; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 47. 139 So aber im Ausgangspunkt BGHZ 90, 255, 266; hnl. RGZ 134, 234; RGZ 149, 205, 210; BGHZ 19, 126, 129 f. 132

II. Pflichtverletzung als Grund der negatorischen Haftung

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det, wenn die Beeintrchtigung durch eigene Handlungen oder pflichtwidriges Unterlassen herbeigefhrt wird141. Eine Gefahrenquelle kann demgemß die Verantwortlichkeit begrnden142, muss es aber nicht143. Maßgeblich ist die drohende Verletzung einer Verhaltenspflicht144; auf der Basis der Willensterminologie des BGH begrndet damit nur der Wille, der gegen eine Verhaltenspflicht verstçßt, die negatorische Haftung. Es bedarf also eines drohenden, dem Stçrer zurechenbaren Verhaltens und dessen Pflichtwidrigkeit. Ein Unterlassungsanspruch aus negatorischer Haftung ist also etwa zu verneinen, wenn wie im ersten Ausgangsfall die drohende Beeintrchtigung durch die Anschwemmung von Schlamm auf landwirtschaftlicher Bodenbearbeitung durch den Stçrer beruht und die dafr geltenden Regeln eingehalten werden145. Hier liegt zwar mit der Anschwemmung eine Beeintrchtigung des Eigentums im Sinne des § 903 BGB vor, die eine konkrete Gefahrenquelle darstellt und von der Bodenbearbeitung des Stçrers, also seinem Verhalten abhngt, diesem also zurechenbar ist. Es fehlt jedoch an der Pflichtwidrigkeit, weil der Stçrer keine Verhaltenspflicht verletzt, so dass kein Unterlassungsanspruch aus negatorischer Haftung gegeben ist.

3. Haftung aus drohendem Verhaltensunrecht Die negatorische Haftung beruht demgemß wie die deliktische Haftung auf Verhaltensunrecht. Denn sie ist nur gegeben, soweit eine Verhaltenspflicht des Verantwortlichen zur Vermeidung zuknftiger oder zumindest andauernder Beeintrchtigungen besteht. Das bloße Drohen einer Beeintrchtigung gengt noch nicht, um eine negatorische Haftung zu begrnden. Die negatorische Haftung ist damit nicht nur auf einen drohenden Zustand bezogen, sondern auf die drohende Verletzung einer Verhaltenspflicht. Die negatorische Haftung ist dabei nicht Haftung aus eingetretenem Verhaltensunrecht, sondern aus drohendem Verhaltensunrecht. Dass die negatorische Haftung keine Haftung fr in der Vergangenheit liegendes 140 hnl. in Bezug auf den Willen des Stçrers BGHZ 142, 66, 69; BGHZ 155, 99, 105; BGH, NJW 1995, 2633, 2634. 141 BGHZ 90, 255, 266; BGHZ 114, 183, 187 f.; BGHZ 122, 283, 284; BGHZ 157, 33, 42; BGH, NJW-RR 2001, 1208 f.; BGH, NJW 2004, 603, 604; BGH, NJW 2004, 1035, 1036; BGH, NJW 2005, 1366, 1368 f.; BGH, NJW 2006, 992 f.; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 19. 142 So etwa in BGHZ 160, 232, 236 ff.; BGH, NJW-RR 1996, 659; BGH, NJW-RR 2001, 232; vgl. auch BGH, NJW 2005, 1366, 1368 f. 143 Vgl. BGHZ 122, 283, 284 f.; BGH, NJW-RR 2001, 1208 f. 144 hnl. bei Grundstcksnachbarn BGHZ 157, 33, 42; BGH, NJW 2004, 603, 604; BGH, NJW 2004, 1035, 1036; J. Wenzel, NJW 2005, 241, 242; fr Unterlassen auch BGHZ 90, 255, 266; fr natrliche Vorgnge auch Armbrster, NJW 2003, 3087, 3088 f. 145 Vgl. BGHZ 90, 255, 266 f.; hnl. BGHZ 114, 183, 187 f.

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§ 3 Pflichtwidriges Verhalten als Haftungsgrund

Verhalten zum Gegenstand hat146, schließt demgemß noch nicht aus, dass sie auf Verhaltensunrecht beruht. Denn sie hat nicht ein in der Vergangenheit liegendes Verhaltensunrecht zum Gegenstand, sondern ein in der Zukunft liegendes, weil zuknftiges oder zumindest andauerndes Verhaltensunrecht. Entsprechend ihren unterschiedlichen zeitlichen Schutzrichtungen147 hat vielmehr nur die vergangenheitsbezogene deliktische Haftung ein in der Vergangenheit liegendes und fr die eingetretene Beeintrchtigung kausales Verhaltensunrecht zum Gegenstand, whrend sich die zukunftsbezogene negatorische Haftung auf ein zuknftiges und fr eine drohende Beeintrchtigung kausales Verhaltensunrecht bezieht. Die negatorische und die deliktische Haftung laufen also nicht insofern parallel, als ein Verhaltensunrecht gleichzeitig die negatorische und die deliktische Haftung begrnden kann, sondern entsprechen sich nur insoweit, als ein Verhaltensunrecht zunchst als drohendes die negatorische Haftung begrnden kann und dasselbe Verhaltensunrecht als eingetretenes Grund fr die deliktische Haftung sein kann.

III. Rechtswidrige Pflichtverletzung als gemeinsamer Haftungsgrund Nicht nur die deliktische, sondern auch die negatorische Haftung ist somit eine Haftung aufgrund Pflichtverletzung. Der drohende oder eingetretene Erfolg der Beeintrchtigung des Schutzbereichs und das Fehlen von Duldungspflichten allein begrnden weder Unterlassungs- und Beseitigungsnoch Schadensersatzansprche. Vielmehr muss neben die Beeintrchtigung des Schutzbereiches ein Haftungsgrund treten, der die Haftung des Verantwortlichen fr die Beeintrchtigung begrndet, ein allgemeines Beeintrchtigungsverbot existiert nicht. Dieser Haftungsgrund liegt sowohl bei der deliktischen als auch bei der negatorischen Haftung in der rechtswidrigen Verletzung einer Verhaltenspflicht. Nicht nur Schadensersatz- und Unterlassungsansprche, sondern auch Beseitigungsansprche beziehen sich demgemß auf ein Verhalten. Entsprechend ihrer unterschiedlichen Schutzrichtung geht es dabei nur im Rahmen der deliktischen Haftung um das in der Vergangenheit liegende Verhalten und die dafr geltenden Pflichten, whrend es im Rahmen der negatorischen Haftung um die zur Vermeidung zuknftiger Beeintrchtigungen notwendigen Verhaltenspflichten geht. Die negatorische und deliktische Haftung beruhen nicht nur beide konstruktiv auf einer Pflichtverletzung, sondern beziehen sich auch auf dieselbe Pflichtverletzung, indem sie dieselben Verhaltenspflichten voraussetzen. 146 147

Vgl. oben S. 71. Vgl. oben S. 102.

III. Rechtswidrige Pflichtverletzung als gemeinsamer Haftungsgrund

131

Besonders deutlich wird dies bei der negatorischen Haftung aufgrund einer drohenden Verletzung eines Schutzgesetzes gemß § 823 II BGB oder einer sittenwidrigen vorstzlichen Schdigung, bei der die drohende Verletzung der deliktischen Verhaltenspflicht notwendige Voraussetzung des Anspruchs aus § 1004 I BGB ist. Es gilt aber auch fr die drohende Verletzung der durch § 823 I BGB geschtzten Rechtsgter und Rechte und ergibt sich aus dem funktionellen Ergnzungsverhltnis zwischen negatorischer und deliktischer Haftung148. Dieses bedingt, dass die negatorische und deliktische Haftung nicht nur den gleichen Schutzbereich haben, sondern sich auch auf die gleichen Beeintrchtigungen beziehen. Die negatorische und deliktische Haftung unterscheiden sich danach nur insoweit, als die negatorische Haftung darauf gerichtet ist, den Verantwortlichen ex ante dazu zu zwingen, die Verhaltenspflichten einzuhalten, whrend der deliktische Anspruch darauf gerichtet ist, den Verantwortlichen ex post dazu zu zwingen, die Folgen der Nichteinhaltung der Verhaltenspflichten auszugleichen. Beide setzen damit die gleichen Verhaltenspflichten voraus; die Unterschiede folgen vor allem aus der unterschiedlichen zeitlichen Schutzrichtung. Dass die negatorische und die deliktische Haftung auf gemeinsamen Voraussetzungen beruhen, zeigt sich etwa auch in der Rechtsprechung, wenn der BGH sich zur Bestimmung der Stçrereigenschaft im Rahmen der negatorischen Haftung auf ein Urteil zur Verantwortlichkeit im Rahmen der deliktischen Haftung verweist149, das seinerseits wiederum auf Rechtsprechung zur Stçrereigenschaft im Rahmen der negatorischen Haftung zurckgreift150. Die Lehre vom Verhaltensunrecht als Grundlage sowohl der negatorischen als auch der deliktischen Haftung erlaubt damit aber nicht nur eine einheitliche Konstruktion von negatorischer und deliktischer Haftung, die der Funktion und dem Ergnzungsverhltnis der verschiedenen Haftungstatbestnde gerecht wird und so eine konsistente Anwendung ermçglicht. Sie ist vielmehr auch inhaltlich berzeugend, weil sie ber das Verhalten und an das jeweilige Rechtssubjekt anknpft. Vor allem aber hat sie praktische Bedeutung, indem sie die Verantwortlichkeit des Stçrers fr Beeintrchtigungen von einer Wertung abhngig macht und dementsprechend einschrnkt. Dies zeigt sich auch an der Praxis der Rechtsprechung zur negatorischen Haftung, die zwar im Ausgangspunkt postuliert, dass fr das Bestehen der negatorischen Haftung nur der dem Inhalt gemß § 903 BGB widersprechende Zustand maßgeblich sei, aber tatschlich die negatorische Haftung im Zusammenhang mit der Bestimmung des Stçrers und seiner Verantwortlichkeit von der Verletzung von Verhaltenspflichten abhngig macht und dabei die Notwendigkeit einer wertenden Betrachtung hervor148 149 150

Siehe oben S. 103. BGH, NJW 2005, 1366, 1368 f. BGH, NJW 1985, 1773, 1774 mit Verweis auf BGHZ 90, 255, 266.

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§ 3 Pflichtwidriges Verhalten als Haftungsgrund

hebt151. Die Haftung wird also nicht durch den dem Inhalt des Eigentums widersprechenden Erfolg begrndet, sondern erst durch die Pflichtwidrigkeit des Verhaltens, auf dem der Erfolg beruht.

IV. Erfolgsbezogenheit der Verhaltenspflicht Auch wenn sowohl die negatorische als auch die deliktische Haftung auf der Verletzung einer Verhaltenspflicht beruhen, sind sie insofern erfolgsbezogen, als die Verhaltenspflicht auf die Vermeidung eines Erfolgs gerichtet ist. Die Verknpfung des Erfolgs mit einer Verhaltenspflicht strkt die allgemeine Handlungsfreiheit des Verantwortlichen auf Kosten der Freiheitssphre des Betroffenen. Da die Verhaltenspflichten auf das Risiko des Erfolgseintritts bezogen sind, stellen sie sich als Risikovermeidepflichten dar.

A. Verhaltenspflicht auf Vermeidung eines Erfolgs gerichtet Dass die Verhaltenspflicht im Rahmen der deliktischen Haftung auf die Vermeidung eines Erfolgs gerichtet ist, zeigt sich zunchst im Rahmen des § 823 I BGB, da dieser einen Schadensersatzanspruch nur dort gewhrt, wo ein geschtztes Rechtsgut oder Recht verletzt ist, also ein Erfolg in Gestalt der Verletzung eines solchen Rechtsguts oder Rechts eingetreten ist. Dementsprechend ist auch die Verhaltenspflicht auf die Vermeidung der Verletzung eines geschtzten Rechtsguts oder Rechts gerichtet152, dient also der Vermeidung eines Erfolgs. hnlich beruht die deliktische Haftung aus § 823 II BGB auf einer Verhaltenspflicht zur Vermeidung eines Erfolgs, indem ein Schutzgesetz, dessen Verletzung die Haftung auslçst, nur bei Rechtsnormen gegeben ist, die wenigstens auch auf die Vermeidung eines Erfolgs gerichtet sind. Denn ein Schutzgesetz wird nur angenommen, wenn die Rechtsnorm wenigstens auch auf den Schutz der Interessen des Einzelnen gerichtet sei, indem der Schaden und die Art seiner Entstehung im persçnlichen und sachlichen Schutzbereich der Rechtsnorm lgen153. Es ist damit auf die Vermeidung eines Erfolgs gerichtet, der im Eintritt eines Schadens liegt.

151 BGHZ 90, 255, 266 f.; BGHZ 114, 183, 188; BGHZ 157, 33, 42 f.; BGH, NJW-RR 2001, 1208 f.; BGH, NJW 2004, 603, 604; hnl. unter besonderer Bercksichtigung der Umstnde des Einzelfalls auch BGH, NJW 2004, 1035, 1036. 152 Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 1; hnl. Soergel/Spickhoff, § 823 Rn. 17; auf der Grundlage des neminem laedere auch Jaun, S. 414 f. 153 Vgl. nur BGHZ 66, 388, 390; BGHZ 84, 312, 314; BGHZ 100, 13, 14 f.; BGHZ 122, 1, 3 f.; BGHZ 160, 134, 139; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 157; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 344; Soergel/Spickhoff, § 823 Rn. 195.

IV. Erfolgsbezogenheit der Verhaltenspflicht

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Schließlich beruht auch die deliktische Haftung aus sittenwidriger vorstzlicher Schdigung gemß § 826 BGB auf einer Verhaltenspflicht zur Vermeidung eines Erfolgs. Denn die bloße Sittenwidrigkeit des schadensstiftenden Verhaltens lçst noch keine Haftung aus, vielmehr muss ein zumindest bedingter Schdigungsvorsatz hinzutreten, also das Bewusstsein eines mçglichen Schadens und die billigende Inkaufnahme seines Eintritts154. Die auf die Einhaltung der guten Sitten gerichtete Verhaltenspflicht besteht hier also nur in Bezug auf die Vermeidung des Eintritts eines Schadens und damit eines Erfolgs. Die negatorische Haftung ist wie die deliktische Haftung auf einen Erfolg bezogen. Denn sie ist auf die Vermeidung von Beeintrchtigungen gerichtet, also auf die Vermeidung eines negativen Erfolgs, und hat denselben Schutzbereich zum Gegenstand wie die deliktische Haftung155, wobei das Vermçgen als solches nur in dem Umfang geschtzt ist, wie die Verletzung eines Schutzgesetzes oder eine vorstzliche sittenwidrige Schdigung gegeben ist. Damit tritt bei den Voraussetzungen sowohl der negatorischen als auch der deliktischen Haftung der Erfolg nicht neben die Verletzung einer Verhaltenspflicht, sondern die der Haftung zugrundeliegenden Verhaltensstandards sind auf den Erfolg bezogen, indem sie der Vermeidung der Beeintrchtigung der Freiheitssphre des Betroffenen dienen und so auf die Vermeidung eines bestimmten Erfolgs gerichtet sind. Die Konzeption des Haftungsrechts beinhaltet damit kein allgemeines Beeintrchtigungsverbot im Sinne eines alterum non laedere156, sondern bleibt hinter einer solchen Erfolgshaftung zurck, indem nicht jede Schdigung gengt, sondern nur eine solche, die gegen eine auf die Vermeidung der Schdigung gerichtete Verhaltenspflicht verstçßt, ansonsten gilt casum sentit dominus.

B. Strkung der allgemeinen Handlungsfreiheit Indem sie nicht nur den Eintritt eines Nachteils fr den Betroffenen, sondern auch die Verletzung einer auf die Vermeidung dieses Nachteils gerichteten Verhaltenspflicht durch den Verantwortlichen voraussetzt, wird die negatorische und deliktische Haftung eingeschrnkt157. Darin liegt einerseits eine Einschrnkung des Anwendungsbereichs der Haftung und damit des Schutzes der Freiheitssphre des Betroffenen, andererseits aber auch eine Strkung der allgemeinen Handlungsfreiheit des potentiell Verant154 Erman/Schiemann, § 826 Rn. 14; Soergel/Hçnn, § 826 Rn. 51, 61; hnl. etwa BGH, NJW 1987, 3205, 3206; BGH, NJW 2000, 2896, 2897; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 826 Rn. 19. 155 Vgl. oben S. 44. 156 Dazu Schiemann, JuS 1989, 345. 157 Vgl. auch Markesinis/Unberath, S. 86.

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§ 3 Pflichtwidriges Verhalten als Haftungsgrund

wortlichen, weil sein Verhalten nicht schon dann seine Haftung auslçst, wenn es sich in einem Nachteil des Betroffenen niederschlgt, sondern erst dann, wenn es auch gegen eine Verhaltenspflicht verstçßt. Dabei ist zwar kontrovers, ob die Entwicklung der in den Verkehrspflichten liegenden Verhaltensstandards durch die Rechtsprechung den ursprnglichen Anwendungsbereich des § 823 I BGB erweitert hat158, der sich auf eine Haftung nur fr unmittelbare Eingriffe durch positives Tun beschrnkt habe159, oder ob die Haftung fr mittelbare Verletzungen und Unterlassungen bereits im gemeinen Recht anerkannt war160 und die Gesetzesmaterialien keinen Anhaltspunkt enthalten, dass § 823 I BGB davon abweichen wollte161, so dass die mit der Entwicklung der Verkehrspflichten verbundene Haftung fr mittelbare Verletzungen und Unterlassungen gegenber der gesetzlichen Konzeption des § 823 I BGB keine Erweiterung darstellt162. Aber auch wenn in der Entwicklung der Verkehrspflichten ursprnglich eine Erweiterung gelegen haben sollte, indem die Haftung nicht mehr nur an unmittelbare Beeintrchtigungen geknpft werden konnte, sondern auch an Unterlassungen und mittelbare Beeintrchtigungen, betrfe diese Erweiterung nur das zum Schadensersatz verpflichtende Verhalten, wre also dogmatisch eine Verschrfung der Verhaltensstandards. Etwas anderes wrde nur gelten, wenn man die Verkehrspflichten als Erweiterung des deliktsrechtlichen Schutzes auffassen und damit verbunden als richterrechtliche Schutzgesetze im Sinne des § 823 II BGB einordnen wrde163. Gegenber dieser als judiziell bezeichneten Konzeption der Verkehrspflichten ist jedoch an der legislativen Konzeption des Deliktsrechts festzuhalten164. Zwar hneln die Verkehrspflichten den Schutzgesetzen des 158 So etwa Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 106; Mertens, AcP 178 (1978), 227, 237, 251 ff.; Mertens, VersR 1980, 397, 398; MnchKomm-BGB/Mertens, 3. Aufl., § 823 Rn. 466, 472 ff.; von Bar, Verkehrspflichten, S. 25, 158 ff. 159 So Fraenkel, S. 20 ff., 36 ff., 53, 71 ff.; hnl. Karollus, S. 21; Mertens, VersR 1980, 397, 398. 160 Nher Kleindiek, S. 48 ff., 56 ff.; zustimmend etwa Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 7. 161 Nher Kleindiek, S. 96 ff.; hnl. etwa Gsell, S. 143 ff.; Jansen, Struktur, S. 395 ff.; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 7. 162 So etwa Esser/Weyers, § 55 II 3 e (S. 173); Gsell, S. 154; Kleindiek, S. 20–115, insb. 96 ff., 112 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 2 a (S. 404 f.); bezogen auf mittelbare Verletzungen auch Jansen, Struktur, S. 395 ff.; Fezer, S. 524; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 7. Gegen eine eindeutig haftungserweiternde oder eindeutig haftungsbeschrnkende Wirkung Erman/Schiemann, § 823 Rn. 5; Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 17. 163 So etwa Assmann, Prospekthaftung, S. 260 ff.; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 25; Brggemeier, Deliktsrecht, Rn. 177 ff.; Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 106; Mertens, VersR 1980, 397, 399; Mertens, AcP 178 (1978), 227, 251 f.; MnchKomm-BGB/ Mertens, 3. Aufl., § 823 Rn. 2 ff., 124, 466, 472 ff.; von Bar, Verkehrspflichten, S. 157 ff.; fr gegenber §§ 823 I, II und 826 eigenstndiges »(sonder-)deliktisches Prinzip« Brggemeier, AG 1982, 268, 276. 164 So etwa auch Antwaltkommentar/Katzenmeier, Vor §§ 823 ff. Rn. 14; Canaris, FS Larenz, 1983, S. 78 f., 81 ff.; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 75 f.; Larenz/Canaris, Schuld-

IV. Erfolgsbezogenheit der Verhaltenspflicht

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§ 823 II BGB insoweit, als sie ebenfalls Verhaltenspflichten zum Inhalt haben165. Jedoch wrde die Grundentscheidung des Gesetzes unterlaufen, nur bestimmte Rechtsgter und Rechte, die ber eine Zuweisungs- und Ausschlussfunktion sowie sozialtypische Offenkundigkeit verfgen, allgemein ber § 823 I BGB zu schtzen und sonstige Rechtspositionen, insbesondere das Vermçgen, nur dann zu schtzen, wenn spezielle Verhaltenspflichten in Form eines Schutzgesetzes gemß § 823 II BGB oder der guten Sitten gemß § 826 BGB bestehen, die gegenber den allgemeinen Verhaltenspflichten des § 823 I BGB ber eine strkere Legitimation und eine deutlich grçßere sozialtypische Offenkundigkeit verfgen. Die Verkehrspflichten begrnden daher keine eigene Haftung, sondern konkretisieren die Haftung insbesondere aus § 823 I BGB166. Im Rahmen der Haftung aus § 823 II BGB kçnnen sie allerdings auch das jeweilige Schutzgesetz konkretisieren167. Sie erweitern also den oben festgestellten Schutzbereich nicht. Ihre Anerkennung legitimiert keine freie Rechtsfortbildung im Deliktsrecht; ihre Herausbildung durch Rechtsprechung und Literatur hat vielmehr im Rahmen des Systems und der Grundwertungen der gesetzlichen Regelung zu geschehen, was auch fr umweltbezogene Verkehrspflichten gilt. Dogmatisch liegt also in dem Erfordernis der Verletzung einer Verhaltenspflicht eine Einschrnkung der Haftung gegenber einer echten Erfolgshaftung, die nur auf den Eintritt eines Erfolgs in der Form eines Nachteils fr den Betroffenen abstellt, also geringere Haftungsvoraussetzungen verlangt. Dem Befund, dass die Notwendigkeit einer Verhaltenspflicht und ihrer Verletzung gegenber der Erfolgshaftung und dem Grundsatz alterum non laedere eine Einschrnkung des Schutzes der Freiheitssphre des Betroffenen und eine Erweiterung der Freiheitssphre des potentiell Verantwortlichen darstellt, entspricht es, wenn die Regelungstechnik des § 823 BGB auf das Streben nach weitgehender allgemeiner Handlungsfreiheit entsprechend dem zur Zeit der Entstehung des BGB herrschenden Liberalismus recht II/2, § 76 III 2 b (S. 405); Prtting/Wegen/Weinreich/Schaub, § 823 Rn. 3; RGRKBGB/Steffen, § 823 Rn. 140; Soergel/Zeuner, 12. Aufl., § 823 Rn. 4; vgl. auch BGHZ 27, 137, 140; BGH, NJW 1987, 2671, 2672. 165 Vgl. Erman/Schiemann, § 823 Rn. 6; RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 140; Soergel/ Zeuner, 12. Aufl., § 823 Rn. 4. 166 Vgl. BGH, NJW 1987, 2671, 2672; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 225; Canaris, FS Larenz, 1983, 77, 78 f., 81 ff.; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 6, 76; Fikentscher/Heinemann, Rn. 1591 m. Fn. 11; Katzenmeier, AcP 203 (2003), 79, 117 f.; Kleindiek, S. 31 f., 115; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 2 (S. 403 ff.); Medicus, JZ 1986, 778, 780; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 221; Picker, AcP 183 (1983), 369, 496 ff.; RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 140; Rohe, AcP 201 (2001), 117, 129; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 14; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 9; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 76. 167 Erman/Schiemann, § 823 Rn. 76.

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§ 3 Pflichtwidriges Verhalten als Haftungsgrund

zurckgefhrt wird168. Denn wenn neben den in der Beeintrchtigung eines geschtzten Rechtsguts oder Rechts liegenden Erfolg die Verletzung eines Verhaltensstandards als Voraussetzung der Haftung tritt, sind auch Handlungen erlaubt, die zwar zu einer Beeintrchtigung fhren, aber keinen Verhaltensstandard verletzen. Angesichts der Interdependenz menschlichen Verhaltens in der modernen Gesellschaft, die gegenber der Verhltnissen zur Zeit der Entstehung des BGB noch zugenommen hat, so dass sich die Gefahr der Beeintrchtigung fremder Rechtsgter und Rechte vergrçßert und damit der Spielraum der allgemeinen Handlungsfreiheit verringert hat169, erscheint die wachsende Bedeutung der Verhaltensstandards auch konsequent, da diese es ermçglichen, diesen Spielraum zu erweitern. Wie weit die Handlungsfreiheit allerdings konkret geht, hngt jedoch davon ab, wie streng die Verhaltensstandards tatschlich ausgestaltet sind. Durch die damit verbundene tatbestandliche Konkretisierung strkt die Rechtsgutsorientierung die allgemeine Handlungsfreiheit auch insofern, als sie dem Offenkundigkeitsprinzip gengt, indem nicht nur den geschtzten Rechtsgtern und Rechten sozialtypische Offenkundigkeit zukommt, sondern auch das Risiko ihrer Beeintrchtigung grundstzlich erkennbar ist. Die soziale Evidenz der Verletzung einer Verkehrspflicht ist demgegenber zwar geringer, aber die fr die Handlungsfreiheit potentieller Schdiger notwendige Warnfunktion, die dem Offenkundigkeitsprinzip zugrunde liegt170, bleibt dadurch erhalten, dass mit dem Risiko der Beeintrchtigung auch die Gefahr der Verletzung von Verkehrspflichten erkennbar ist, so dass sich das trotzdem erfolgende Handeln gewissermaßen als »Mut zum Risiko« darstellt. Zudem bleibt durch die Rechtsgutsorientierung auch die Zuweisungs- und Ausschlussfunktion gewahrt, die dem Schutz durch das Deliktsrecht zukommt171.

C. Erfolgsbezogenheit als Risikobezogenheit Die Erfolgsbezogenheit der Pflichtverletzung ußert sich vor allem darin, dass sich die Verhaltensstandards, deren Verletzung den Haftungsgrund bildet, auf das Risiko des Erfolgseintritts beziehen, indem sie auf die Vermeidung eines Nachteils in der Freiheitssphre des Betroffenen gerichtet sind, insbesondere auf die Vermeidung der Beeintrchtigung seiner durch § 823 I BGB geschtzten Rechtsgter und Rechte. Dies gilt nicht nur fr die negatorischen Unterlassungs- und Beseitigungsansprche, die ex ante greifen, um die Verwirklichung eines Risikos einer Beeintrchtigung der geschtz168 169 170 171

Canaris, FS Larenz, 1983, S. 27, 35 ff.; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 1. Vgl. oben S. 17. Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 I 1 b (S. 375). Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 I 1 b (S. 375).

IV. Erfolgsbezogenheit der Verhaltenspflicht

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ten Rechtsgter und Rechte zu verhindern, sondern auch fr die deliktischen Schadensersatzansprche, die selbst zwar erst ex post, nach Eintritt des Schadens greifen, aber auf Verhaltensstandards beruhen, die notwendig bereits ex ante bestehen, also bevor sich das Risiko der Beeintrchtigung und damit eines Schadens verwirklicht hat, da die Risikoverwirklichung sonst nicht mehr vermieden werden kann. Indem die Beeintrchtigung somit zum Zeitpunkt der Verletzung der Verhaltensstandards logisch noch nicht eingetreten ist, kçnnen diese Standards nur auf das Risiko bzw. die Gefahr einer Beeintrchtigung abstellen. Dies gilt auch, wenn die Verletzung eines Verhaltensstandards mit Sicherheit sofort zu einer Beeintrchtigung fhrt. Zwischen der Verletzung und der Beeintrchtigung liegt gewissermaßen eine logische Sekunde; dass die Beeintrchtigung unmittelbar bevorsteht und sicher ist, stellt sozusagen den Extremfall des Risikos dar. Die Verhaltensstandards dienen damit der Verteilung und Steuerung von Risiken. Dementsprechend werden sie als Verkehrspflichten unter dem Gesichtspunkt der prventiven Wirkung der Schadensersatzpflichten auch als Pflichten zur Vermeidung und Abwendung von Gefahren oder genauer als Gefahrsteuerungsgebote aufgefasst172. Allerdings sind die Verhaltensstandards keine bloße Funktion des Bestehens eines Risikos, da fr die Haftung dann letztendlich allein der drohende Erfolg maßgeblich wre und die Verhaltensstandards bloße Folge dieses drohenden Erfolgs. Das Risiko des Eintritts eines Nachteils fr den Betroffenen lçst allein noch keine Haftung aus, sondern erst, wenn es sich aus dem pflichtwidrigen Verhalten des Verantwortlichen ergibt. Demgemß ist zur Bestimmung der Verhaltensstandards nicht allein auf die Grçße des mit dem Verhalten verbundenen Risikos fr die Rechtsgter und Rechte anderer abzustellen, sondern, wie gezeigt werden wird173, eine Abwgung der Interessen des potentiell Verantwortlichen und des Betroffenen vorzunehmen, in die neben dem Risiko der Beeintrchtigung insbesondere auch die Schutzwrdigkeit des Rechtsguts oder Rechts auf Seiten des Betroffenen und die allgemeine Handlungsfreiheit auf Seiten des potentiell Verantwortlichen sowie Allgemeininteressen einfließen. Es geht also nicht um die Verantwortung fr den Eintritt eines bestimmten Erfolgs, insbesondere nicht um eine Garantiehaftung174, sondern um eine auf die Vermeidung eines Erfolgs bezogene Verhaltenspflicht, die nicht einseitig in Bezug auf das Verhalten des potentiell Verantwortlichen oder des Betroffenen bestimmt wird, sondern auf einer Interessenabwgung beruht.

172 So Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 1 d (S. 402); Staudinger/J. Hager, § 823 E 3; sowie von Bar, Verkehrspflichten, Untertitel und S. 82. 173 Dazu nher unten S. 230. 174 So aber offenbar Jansen, Struktur, S. 780.

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§ 3 Pflichtwidriges Verhalten als Haftungsgrund

V. Beweislastverteilung Die Pflichtwidrigkeit als Voraussetzung der deliktischen und negatorischen Haftung ist auch bei der Beweislastverteilung zu bercksichtigen. Deshalb sei hier kurz auf die Konsequenzen fr die Beweislast eingegangen. Bei der deliktischen Haftung trgt gemß den allgemeinen Grundstzen der Anspruchsteller, also der Betroffene, die Darlegungs- und Beweislast175. Der potentiell Verantwortliche trgt demgegenber grundstzlich nur die Beweislast fr das Eingreifen von Rechtfertigungsgrnden176 und das Vorliegen seiner mangelnden Verschuldensfhigkeit und eines Entschuldigungsgrundes177. Der Betroffene trgt damit grundstzlich auch die Beweislast fr den Verstoß gegen eine Verkehrspflicht als Sorgfaltspflichtverletzung178, was nicht nur fr mittelbare, sondern auch fr unmittelbare Verletzungen gilt, da der Verstoß gegen eine Verhaltenspflicht, wie gezeigt179, notwendige Voraussetzung der deliktischen Haftung ist. Insofern trgt der Betroffene also gegenber der berkommenen Ansicht, die bei unmittelbaren Verletzungen keinen Verstoß gegen eine Verhaltenspflicht voraussetzt, eine grçßere Beweislast. Allerdings sind bei der Feststellung der Sorgfaltspflichtverletzung Beweiserleichterungen mçglich, soweit jeweils die Voraussetzungen fr einen Anscheinsbeweis oder eine Beweislastumkehr vorliegen180. Dabei kann vom ußeren Hergang der Schadensentstehung auf einen Sorgfaltspflichtverstoß geschlossen werden, wenn insoweit von einem typischen Geschehensablauf ausgegangen wird181, wobei im Rahmen des Umwelthaftungsgesetzes darber hinaus die Ursachenvermutung des § 6 UmweltHG gilt182. hnlich kann aus einem festgestellten Sorgfaltspflichtverstoß mit Hilfe des Anscheinsbeweises auf dessen Kausalitt fr den eingetretenen Schaden geschlossen werden183. Dies wird etwa bei der berschreitung çffentlich-rechtlich festgelegter Grenzwerte fr Emissionen oder Immissionen angenommen184. Eine derartige Beweislastumkehr ist etwa denkbar, soweit eine unmittelbare Verletzung nachgewie175 BGHZ 39, 103, 106; BGH, NJW-RR 1990, 1422, 1423; Baumgrtel/Wittmann, FS K. Schfer, S. 13 f.; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 87; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 313; Palandt/Sprau, § 1004 Rn. 80; Soergel/Spickhoff, § 823 Rn. 157. 176 BGHZ 24, 21, 27; BGHZ 71, 339, 345; BGH, NJW-RR 2005, 172; Bamberger/ Roth/Spindler, § 823 Rn. 26; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 314; RGRKBGB/Steffen, § 823 Rn. 497 f.; Soergel/Spickhoff, § 823 Rn. 157, 178. 177 BGHZ 39, 103, 108; BGHZ 98, 135, 138; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 314. 178 BGH, VersR 1985, 641, 642; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 280; hnl. MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 313. 179 Siehe oben S. 112. 180 Baumgrtel/Wittmann, FS K. Schfer, S. 13, 15 ff. 181 MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 315. 182 Vgl. etwa Deutsch, JZ 1991, 1097, 1101. 183 MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 316; Palandt/Sprau, § 823 Rn. 80.

V. Beweislastverteilung

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sen ist, da solche Verletzungen typischerweise verboten sind185, weil bei ihnen die Eintrittswahrscheinlichkeit so groß und konkret ist, dass diese regelmßig nicht mehr hinnehmbar ist186. Bei der negatorischen Haftung trgt der Anspruchsteller, also der Betroffene, die Beweislast fr die eingetretene oder drohende Beeintrchtigung seines Rechtsguts oder Rechts und die Verantwortlichkeit des Verantwortlichen187. Der Verantwortliche hat demgegenber gemß § 1004 II BGB das Bestehen einer Duldungspflicht oder eines anderen Rechtfertigungsgrundes zu beweisen188. Der Betroffene trgt demgemß die Beweislast fr die Pflichtverletzung und deren Urschlichkeit fr die Beeintrchtigung189. Dieser Beweislastverteilung entspricht es, wenn die Verletzung einer Verhaltenspflicht vor allem unter dem Gesichtspunkt der Zurechnung der Beeintrchtigung zum Stçrer gesehen wird. Denn die Verantwortlichkeit des Anspruchsgegners hat zweifellos der Anspruchsteller zu beweisen190. Fr den Beweis der Verhaltenspflicht und ihrer Verletzung gelten demgemß die fr die deliktische Haftung dargelegten allgemeinen Regeln einschließlich des Anscheinsbeweises und der Beweislastumkehr. Sowohl bei der negatorischen als auch bei der deliktischen Haftung ist allerdings hinsichtlich der Beweislastverteilung fr die Pflichtverletzung zu differenzieren. Diese liegt zwar grundstzlich beim Betroffenen, so dass keine Haftung besteht, wenn keine Pflichtwidrigkeit festgestellt werden kann. Aber die Pflichtverletzung beruht wiederum auf einer Interessenabwgung191, in die Gesichtspunkte zu Gunsten und zu Lasten des Betroffenen einfließen. Demgemß hat der Betroffene nur die Beweislast fr diejenigen Gesichtspunkte, aus denen sich die Pflichtwidrigkeit ergibt, whrend die dagegen sprechenden Gesichtspunkte vom potentiell Verantwortlichen zu beweisen sind, da nach den allgemeinen Grundstzen der Beweislastverteilung jeder nur die ihn begnstigenden Umstnde zu beweisen hat192. Eine Sonderregelung enthlt allerdings § 906 I BGB, indem dort die Unwe184 BGHZ 92, 143, 146 f., 150 ff.; BGH, NJW 1997, 2748 2749; BGH, NJW 2003, 3699, 3670; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 87; Palandt/Sprau, § 823 Rn. 80; Soergel/Spickhoff, § 823 Rn. 160; fr Indiz Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 578. 185 Vgl. oben S. 111. 186 Vgl. zur Bedeutung der Eintrittswahrscheinlichkeit bei der Bestimmung der Verkehrspflichten unten S. 247. 187 Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 120 f.; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 103; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 52; Soergel/Mnch, 12. Aufl., § 1004 Rn. 466 ff. 188 MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 103; Soergel/Mnch, 12. Aufl., § 1004 Rn. 469; fr die Duldungspflicht auch BGHZ 106, 142, 145; Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 122; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 52. 189 So etwa BGHZ 90, 255, 267; BGHZ 160, 232, 239; BGH, NJW 2005, 1366, 1368 f.; vgl. auch BGH, NJW 2006, 992. 190 So etwa BGH, NJW 2005, 1366, 1368 f.; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 103; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 241 f.; hnl. Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 52. 191 Dazu nher unten S. 230. 192 Thomas/Putzo/Reichold, Vorbem § 284 Rn. 23; Zçller/Greger, Vor § 284 Rn. 17a.

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§ 3 Pflichtwidriges Verhalten als Haftungsgrund

sentlichkeit der Nutzungsbeeintrchtigung vom potentiell Verantwortlichen zu beweisen ist193. Da die Vorschrift eine allgemeine Regelung enthlt194, gilt allgemein, dass zwar die Beeintrchtigung der Nutzung vom Betroffenen, ihre Unwesentlichkeit aber vom potentiell Verantwortlichen zu beweisen ist. Demgegenber enthlt die mit einer Duldungspflicht verbundene Ausgleichspflicht des § 906 II BGB eine Privilegierung des potentiell Verantwortlichen, deren Voraussetzungen dann auch von diesem zu beweisen sind195, whrend sie als Gesichtspunkte der Interessenabwgung den allgemeinen Grundstzen der Beweislastverteilung unterliegen.

193 Vgl. BGHZ 90, 255, 268; BGHZ 92, 143, 148; BGHZ 95, 307, 312; BGHZ 120, 239, 261; BGHZ 121, 248, 256; Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 95; MnchKommBGB/Scker, § 906 Rn. 143. 194 Siehe oben S. 93. 195 Vgl. Bamberger/Roth/Fritzsche, § 906 Rn. 96 f.; MnchKomm-BGB/Scker, § 906 Rn. 144.

§ 4 Verkehrspflichten als Voraussetzung der deliktischen und der negatorischen Haftung Die gemeinsamen Verhaltenspflichten der negatorischen und der deliktischen Haftung finden sich im hier vor allem behandelten Verhltnis zwischen § 823 I und § 1004 BGB in den deliktischen Verkehrspflichten.

I. Verkehrspflichten als gemeinsame Verhaltenspflichten Die Verkehrspflichten bilden nicht nur deliktische, sondern auch negatorische Verhaltenspflichten. Sie sind gemeinsame Voraussetzung der negatorischen und deliktischen Haftung.

A. Verkehrspflichten als deliktische Verhaltenspflichten Die Verkehrspflichten sind zunchst deliktische Verhaltenspflichten, indem ihre Verletzung notwendige Voraussetzung der Haftung aus § 823 I BGB ist. Dies ist weitgehend anerkannt, soweit der Nachteil an den geschtzten Rechtsgtern und Rechten des Geschdigten auf einem Unterlassen oder einer mittelbaren Verletzung durch den Schdiger beruht1, gilt jedoch auch fr unmittelbare Verletzungen durch positives Tun. Dass die Verkehrspflichten allgemeine deliktische Verhaltensstandards sind, folgt zunchst aus der Funktion der deliktischen Haftung, die Freiheits- und Risikosphren der Beteiligten voneinander abzugrenzen2. Diese Abgrenzungsfunktion spiegelt sich vor allem in den deliktischen Verhaltenspflichten. Zwar weist etwa auch die Beschrnkung der Schadensersatzansprche des § 823 I BGB auf die dort genannten geschtzten Rechtsgter und Rechte die Verletzungen, die an anderen Rechtsgtern und Rechten eintreten, dem Geschdigten zu, jedenfalls soweit kein anderer Haftungstatbestand des Deliktsrechts einschlgig ist. Aber da eine reine Kausalhaftung, bei der der Schaden jeweils von demjenigen zu tragen ist, der die Verletzung verursacht hat, nicht mçglich ist, weil der Kreis der Verursacher 1 So etwa Erman/Schiemann, § 823 Rn. 77 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 1 (S. 400 ff.); siehe auch oben S. 104 ff. 2 Siehe oben S. 65 ff.

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§ 4 Verkehrspflichten als Voraussetzung der Haftung

prinzipiell unbegrenzt ist3 und notwendig auch den Geschdigten umfasst, bedarf es der Verteilung der Verantwortung fr eingetretene Verletzungen und damit der daraus resultierenden Schadenslasten. Diese Verteilung findet durch die Verkehrspflichten als deliktische Verhaltenspflichten statt4. Die Freiheitssphren des Schdiger und des Geschdigten werden damit vor allem durch die Verkehrspflichten abgegrenzt. Diese enthalten daher die entscheidenden Wertungen zur Abgrenzung der Freiheits- und Risikosphren, indem sie die Haftung fr einen eingetretenen Erfolg entweder dem Schdiger oder dem Geschdigten zuweisen und so entweder die Integritt der geschtzten Rechtsgter und Rechte des Betroffenen oder die Handlungsfreiheit des Verursachers schtzen. Aus der Abgrenzungsfunktion der deliktischen Haftung ergibt sich auch, dass die Verletzung der Verkehrspflichten als deliktische Verhaltensstandards nicht nur von der Haftung fr Unterlassen und mittelbare Verletzungen vorausgesetzt wird, sondern auch von der Haftung fr unmittelbare Verletzungen. Denn die Abgrenzung der Freiheits- und Risikosphren der Beteiligten ist nicht nur bei der Nachteilszufgung durch ein Unterlassen oder eine mittelbare Verletzung notwendig, sondern auch bei unmittelbaren Verletzungen. Dies wird durch die Lehre vom Verhaltensunrecht besttigt, die hier der deliktischen Haftung zugrunde gelegt wurde5. Denn indem die Haftung auf dem Verhaltensunrecht und damit auf einem Verstoß gegen einen Verhaltensstandard beruht, setzt sie auch die Feststellung eines derartigen Standards und damit einer Verkehrspflicht voraus. Darber hinaus wurde bereits im Zusammenhang mit der Lehre vom Verhaltensunrecht als Grundlage der deliktischen Haftung gezeigt, dass in dem Verzicht auf das Erfordernis einer Verkehrpflichtverletzung allenfalls eine pragmatische Verkrzung der Voraussetzungen der deliktischen Haftung liegt6 und auch die deliktische Haftung fr unmittelbare Verletzungen den Verstoß gegen einen Verhaltensstandard voraussetzt7. Dass die Verkehrspflichten bereits in der gesetzlichen Konzeption des § 823 I BGB angelegt sind, wird zudem durch die Ansicht besttigt, dass Begehungs- und Unterlassungsdelikte hufig nicht klar voneinander abzugrenzen seien, etwa wenn durch positives Tun eine Gefahr geschaffen werde und einer daraus folgenden Pflicht zum Schutz Dritter nicht nachgekommen werde8. 3

Vgl. oben S. 53. hnl. RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 124, 139; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 12; Steffen, ZVersWiss 82 (1993), 13, 17 ff.; Brggemeier, JZ 1986, 969, 972, 974; Stoll, Fortbildung, S. 16 f. 5 Siehe oben S. 112. 6 Siehe oben S. 113. 7 Siehe oben S. 114. 8 Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 8; Zeuner, 25 Jahre KF, S. 196, 198. 4

I. Verkehrspflichten als gemeinsame Verhaltenspflichten

143

Indem der Schdiger fr einen auf seinem Verhalten beruhenden Nachteil an den geschtzten Rechtsgtern und Rechten des Geschdigten nur haftet, wenn er damit auch gegen eine Verkehrspflicht verstoßen hat, dienen die Verkehrspflichten dazu, den Nachteil dem Schdiger zuzurechnen, whrend er sonst vom Geschdigten selbst zu tragen wre9. Dabei gengt die bloße Verursachung des Nachteils noch nicht, um die deliktische Haftung zu begrnden10. Nur soweit der Nachteil auf einem gegen eine deliktische Verhaltenspflicht verstoßenden Verhalten des potentiell Verantwortlichen beruht, ist dieser fr den daraus resultierenden Schaden verantwortlich. Der Verstoß gegen die Verkehrspflichten wirkt demgemß haftungsbegrndend, stellt aber nur eine notwendige, keine hinreichende Bedingung der Haftung dar, da die Verkehrspflichten, wie gezeigt11, nicht im Rahmen einer sogenannten judiziellen Konzeption mit den Schutzgesetzen im Sinne des § 823 II BGB gleichgestellt und als eine umfassende und gegenber dem berkommenen Deliktsrecht eigenstndige Generalklausel fr Schadensersatzansprche aufgefasst werden kçnnen, sondern nur im Rahmen des gesetzlichen Systems der drei Grundtatbestnde der §§ 823 I, II und 826 BGB und der darin liegenden Beschrnkung der deliktischen Haftung Anwendung finden, so dass im Rahmen des § 823 I BGB zu dem Verkehrspflichtverstoß die Verletzung eines geschtzten Rechtsguts oder Rechts treten muss. Indem die deliktischen Verhaltenspflichten die Haftung begrnden und die Verletzung bestimmten Verursachern zurechnen, sind sie als Tatbestandsmerkmal einzuordnen12. Als Tatbestandsmerkmal indizieren die Verkehrspflichten wie die Verhaltenspflichten allgemein auch die Rechtswidrigkeit, die dann nur durch die Rechtfertigungsgrnde ausgeschlossen wird13.

B. Negatorische Verhaltenspflichten als Verkehrspflichten Die Verkehrspflichten sind nicht nur deliktische, sondern auch negatorische Verhaltenstandards, da die negatorische Haftung auf Verhaltensstandards beruht, die denjenigen der deliktischen Haftung entsprechen, wie sich aus dem Ergnzungsverhltnis zwischen negatorischer und deliktischer Haftung ergibt. Die Verhaltensstandards der negatorischen Haftung grenzen wie die deliktischen Verhaltensstandards die Freiheitssphren des Stçrers 9 BGH, NJW 1987, 2671, 2672; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 14 f.; fr mittelbare Verletzungen auch Medicus, BR, Rn. 646 f.; Medicus, Schuldrecht II, Rn. 749 f. 10 Vgl. fr die negatorische Haftung Armbrster, NJW 2003, 3087, 3088; Canaris, Vertrauenshaftung, S. 473 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 V 1 a (S. 694). 11 Siehe oben S. 135. 12 Vgl. oben S. 116. 13 So etwa Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 15; vgl. auch Fikentscher/Heinemann, Rn. 1595; vgl. oben S. 116.

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§ 4 Verkehrspflichten als Voraussetzung der Haftung

und des Gestçrten voneinander ab. Wie diese dienen sie weiter der Zurechnung der drohenden oder andauernden Beeintrchtigung zum Verantwortlichen, begrnden damit die negatorische Haftung und sind daher als Tatbestandsmerkmal einzuordnen. Wie die deliktische ist die negatorische Haftung notwendig mit der Abgrenzung zwischen den Freiheitssphren der Beteiligten verbunden, indem eine drohende oder andauernde Beeintrchtigung entweder vom Stçrer auf Kosten seiner Handlungsfreiheit zu vermeiden oder vom Gestçrten auf Kosten der Integritt seiner Freiheitssphre hinzunehmen ist, so dass er sich allenfalls selbst schtzen kann, ohne die Handlungsfreiheit des Stçrers zu beschrnken. Diese Abgrenzung wird auch bei der negatorischen Haftung durch die Verhaltensstandards geleistet, indem diese auf den dafr notwendigen Wertungen beruhen. Da es fr die negatorische Haftung nicht bereits ausreicht, dass das Verhalten des Stçrers kausal fr die drohende oder andauernde Beeintrchtigung ist14, bedarf es wie bei der deliktischen Haftung der Verletzung eines Verhaltensstandards, um dem Stçrer das Risiko der drohenden Beeintrchtigung zuzurechnen und eine Verhaltenspflicht zur ihrer Vermeidung aufzuerlegen. Im Rahmen des § 1004 I BGB ist etwa bei Stçrungen durch Naturereignisse fr die Stçrereigenschaft ein Verstoß gegen Sicherungspflichten vorausgesetzt worden15, so etwa im ersten Ausgangsfall. Diese Sicherungspflichten sind mit den Verkehrs(sicherungs)pflichten gleichgesetzt worden16. Sie seien auf die Verhinderung mçglicher Beeintrchtigungen gerichtet und ergben sich aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhltnis17. Diese Aussagen beziehen sich zwar zunchst vor allem auf Stçrungen zwischen nachbarschaftlichen Grundstcken, die auf Naturereignissen beruhen, sind aber zu verallgemeinern18, so dass der Verstoß gegen eine Verkehrspflicht notwendige Voraussetzung der negatorischen Haftung ist. Denn, wie bereits gezeigt19, setzt nicht nur die deliktische, sondern auch die negatorische Haftung eine Pflichtverletzung als Haftungsgrund voraus, so dass der in der Beeintrchtigung liegende Erfolg und seine Verursachung sowie die Abwesenheit von Duldungspflichten noch keine negatorische Haftung begrnden. Die Feststellung, dass Verkehrspflichten ber14 Armbrster, NJW 2003, 3087, 3088; Canaris, Vertrauenshaftung, S. 473 ff.; Larenz/ Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 V 1 a (S. 694). 15 BGHZ 90, 255, 266 f.; BGHZ 157, 33, 41 f.; BGH, NJW 1995, 2633, 2634; BGH, NJW-RR 2001, 1208; BGH, NJW 2004, 603, 604; BGH, NJW 2004, 1035, 1036; J. Wenzel, NJW 2005, 241, 242. 16 Vgl. BGH, NJW-RR 2001, 1208 f.; Armbrster, NJW 2003, 3087, 3088 f.; J. Wenzel, NJW 2005, 241, 242; hnl. fr die Geltung der Dogmatik der Garantenstellung und der Verkehrspflichten fr die Beseitigungspflicht Esser/Weyers, § 62 II 1 (S. 259 f.). 17 J. Wenzel, NJW 2005, 241, 242. 18 Anders Armbrster, NJW 2003, 3087, 3088 f. 19 Siehe oben S. 130.

II. Die Verkehrspflichten als Verhaltensstandards und Verhaltenspflichten

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all dort von Bedeutung sind, wo es um Gefahrvermeidung oder -abwendung geht, ist zwar im Zusammenhang mit der deliktischen Haftung getroffen worden20, gilt aber auch fr die negatorische Haftung, da es bei dieser auch um Gefahrvermeidung und -abwendung geht. Demgemß finden die Verkehrspflichten nicht nur hinsichtlich ihrer Begrndungen eine Parallele in der Begrndung der negatorischen Haftung21, sondern sind selbst Voraussetzung der negatorischen Haftung, so dass ihre Begrndungen auch zu den Begrndungen der negatorischen Haftung gehçren. Die Verkehrspflichten und ihre Verletzung begrnden damit auch die negatorische Haftung. Als Voraussetzung der Zurechnung der drohenden Beeintrchtigung zum Stçrer und als Haftungsgrund sind sie als Tatbestandsmerkmal aufzufassen.

II. Die Verkehrspflichten als Verhaltensstandards und Verhaltenspflichten Die Verkehrspflichten stellen zunchst sowohl bei der negatorischen als auch bei der deliktischen Haftung einen Verhaltensstandard fr den Verantwortlichen zur Vermeidung eines Nachteils an den geschtzten Rechtsgtern und Rechten des Betroffenen dar, dessen Verletzung notwendige Voraussetzung fr die Haftung ist. Nur im Rahmen der negatorischen Haftung beinhalten sie eine durchsetzbare Verhaltenspflicht zur Vermeidung der Beeintrchtigung, indem dort ein Anspruch auf ein entsprechendes Verhalten gewhrt wird, whrend die deliktische Haftung nur eine durchsetzbare Verhaltenspflicht zur Rckgngigmachung der Beeintrchtigung zum Gegenstand hat, die zwar einen Verhaltensstandard zu Vermeidung der Beeintrchtigung voraussetzt, jedoch keinen Anspruch auf ein entsprechendes Verhalten gewhrt. Indem die Verletzung einer Verkehrspflicht notwendige Voraussetzung sowohl der negatorischen als auch der deliktischen Haftung ist, stellen diese keine reine Erfolgshaftung dar.

A. Das Verhltnis von Verhaltensstandard und Verhaltenspflicht Bezglich der deliktischen Verkehrspflichten ist umstritten, ob es sich um echte Verhaltenspflichten handelt, die eine ernsthafte Handlungsanleitung beinhalten und eine sichere Ordnung des Verkehrs gewhrleisten sollen22, 20

Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 2 c (S. 405 f.). So in Bezug auf die Unterscheidung zwischen Zustands- und Handlungshaftung Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 e (S. 412). 22 So Mertens, VersR 1980, 397, 405; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 12; hnl. U. Huber, FS E. R. Huber, S. 253, 279 f.; von vorwerfbarem Fehlverhalten spricht Canaris, VersR 2005, 577, 578. 21

146

§ 4 Verkehrspflichten als Voraussetzung der Haftung

oder ob sie an sich nur Verhaltensstandards darstellen, die vor allem auf die Zuweisung der Verantwortung fr die Beeintrchtigung ohne Rcksicht auf ein Fehlverhalten des Schdigers gerichtet sind23. Bei der Beantwortung dieser Frage ist zu differenzieren. Zunchst ist festzuhalten, dass die Verkehrspflichten nur im Rahmen der negatorischen Haftung eine Verhaltenspflicht beinhalten kçnnen, die als solche Inhalt eines Anspruchs im Sinne des § 194 I BGB sein kann, indem der Betroffene von dem Verantwortlichen ein Tun oder Unterlassen verlangen kann. Denn nur im Rahmen der negatorischen Haftung kann der Betroffene von dem Verantwortlichen die Einhaltung der Verkehrspflichten selbst verlangen. Die deliktische Haftung bezieht sich zwar auf die Einhaltung der Verkehrspflichten, setzt diese jedoch nicht selbst durch, sondern knpft an die Nichteinhaltung an. Der deliktische Anspruch hat nicht ein den Verkehrspflichten entsprechendes Tun oder Unterlassen zum Gegenstand, sondern nur den Ersatz des durch ein den Verkehrspflichten nicht entsprechendes Tun oder Unterlassen entstehenden Schadens. Die Verkehrspflichten stellen sich damit im Rahmen der deliktischen Haftung zunchst nur als Verhaltensstandards fr die Beurteilung des Verhaltens des potentiell Verantwortlichen dar. Allerdings sind die Verkehrspflichten unter der Prmisse, dass ein drohender Schadensersatzanspruch verhaltenssteuernd wirkt, auch im Rahmen der deliktischen Haftung in dem Sinne zumindest indirekte Verhaltenspflichten, als sie einen Anreiz setzen, sich entsprechend den darin enthaltenen Verhaltensstandards zu verhalten, indem von diesen Standards abweichendes Verhalten Schadensersatzansprche auslçsen kann. Inwieweit der potentiell Verantwortliche sein Verhalten entsprechend ausrichtet, hngt vor allem davon ab, fr wie wahrscheinlich er das Entstehen von Schadensersatzpflichten hlt, wie hoch er den dann zu leistenden Schadensersatz einschtzt und welche Kosten mit der Einhaltung der Verkehrspflichten verbunden wren. Demgemß wird er die Verkehrspflichten etwa dann nicht als ernsthafte Handlungsanleitung auffassen, wenn bei ihrer Nichteinhaltung der Eintritt eines Schadens sehr unwahrscheinlich und der Aufwand zu ihrer Einhaltung demgegenber relativ hoch ist. Dies gilt etwa fr die Verkehrspflicht, dass laufende Waschmaschinen in kurzen Abstnden zu kontrollieren seien, die einer deliktischen Haftung fr Schden zugrunde gelegt worden ist, die durch aus einem geplatzten Waschmaschinenschlauch auslaufendes Wasser verursacht wurden24. Hier besteht fr den Verantwortlichen zwar ein Anreiz, die deliktischen Verkehrspflichten einzuhalten; dieser ist jedoch in aller Regeln nicht groß genug, um den mit der laufenden 23 So Jansen, AcP 202 (2002), 517, 533 ff.; ausfhrlich Jansen, Struktur, S. 3 ff., 42 ff., 402 ff., 479 ff., 567 ff., 614 ff. 24 Vgl. OLG Dsseldorf, VersR 1975, 159 f.; Ausgangsfall der Untersuchung von Jansen, Struktur, S. 8; vgl. auch Steffen, VersR 1980, 409, 410; Voss, S. 112 ff.

II. Die Verkehrspflichten als Verhaltensstandards und Verhaltenspflichten

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Kontrolle einer laufenden Waschmaschine verbundenen Aufwand zu rechtfertigen, so dass der Verantwortliche das Risiko einer Schadensersatzpflicht in Kauf nimmt. Umgekehrt wird der Verantwortliche die Verkehrspflichten sptestens dann als ernsthafte Handlungsanweisung auffassen, wenn bei ihrer Nichteinhaltung der Eintritt des Schadens sehr wahrscheinlich, der Schaden hoch und der Aufwand der Einhaltung gering ist. Dabei sind die Verkehrspflichten streng genommen sowohl im Rahmen der deliktischen Haftung als auch im Rahmen der negatorischen Haftung zunchst Verhaltensstandards und nur potentiell Verhaltenspflichten. Denn wie ihre erfolgte Verletzung nur dann einen Schadensersatzanspruch nach sich zieht, wenn sie in einem Schaden resultiert, fhrt die drohende Verletzung nur dann zu einem Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch, wenn dies mit einem qualifizierten Risiko im Sinne der drohenden Gefahr der Beeintrchtigung verbunden ist25. Die Verkehrspflichten und ihre erfolgte oder drohende Verletzung sind insofern nur Voraussetzung fr die negatorische und deliktische Haftung. Als solche kçnnen die Verkehrspflichten eine ernsthafte Handlungsanweisung fr den Verantwortlichen beinhalten, also Verhaltenspflichten sein, mssen es aber nicht, sondern kçnnen sich auch in der Zuweisung einer potentiellen Verantwortung erschçpfen, also bloße Verhaltensstandards sein. Allerdings sind sie auch als bloße Verhaltensstandards nicht unabhngig von einem Fehlverhalten des Verantwortlichen, da ihre Verletzung auf der Basis des hier zugrunde gelegten Verhaltensunrechts26 nur durch ein Verhalten erfolgen kann, dass sich dann, wenn es deliktische Schadensersatz- oder negatorische Unterlassungs- und Beseitigungsansprche auslçst, als Fehlverhalten im Sinne der jeweiligen Anspruchsgrundlagen darstellt. Demgemß stehen die Verkehrspflichten zwar zwischen Verhaltenspflichten und Verhaltensstandards, stellen aber eine Pflicht im Sinne der Pflichtverletzung als Voraussetzung der sekundren Schadensersatzpflicht der § 280 ff. BGB dar, die ebenfalls erst gegeben ist, wenn weitere Voraussetzungen vorliegen. Dies rechtfertigt es, von den Verkehrspflichten als Verhaltenspflichten zu sprechen.

B. Keine bloße Erfolgsverantwortlichkeit Demgemß kann auch im Rahmen der deliktischen Haftung dem Konzept der Erfolgsverantwortlichkeit27 nicht zugestimmt werden. Dieses mçchte die Verkehrspflichten als bloße Verhaltensstandards auffassen und daraus ableiten, dass die deliktische Haftung nicht an ein Verhalten, sondern an einen Erfolg anknpfe, die Rechtswidrigkeit sich also nur auf den eingetretenen Erfolg als Ergebnis eines Verhaltens beschrnke28, und dass die Ein25 26 27

Dazu nher unten S. 292 ff. Siehe oben S. 112 ff. Jansen, Struktur, S. 119 ff., 567 ff.

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§ 4 Verkehrspflichten als Voraussetzung der Haftung

haltung der Verkehrspflichten nicht im Rahmen der Rechtswidrigkeit des zu der Beeintrchtigung fhrenden Verhaltens zu bercksichtigen sei, sondern als Einhaltung der »haftungsrechtlichen Sorgfaltsobliegenheiten« nur die Einstandspflicht fr den an sich zuzurechnenden Erfolg ausschließe29. Dabei ist zunchst festzuhalten, dass eine bloße Erfolgsverantwortlichkeit zunchst sehr abstrakt und inhaltsarm ist30 und daher der inhaltlichen Konkretisierung bedarf. Fr diese Konkretisierung gengt es noch nicht, dass die Erfolgsverantwortlichkeit die Kausalitt des Verhaltens fr den Erfolg voraussetzt. Eine derartige generelle Erfolgsverantwortlichkeit kçnnte nicht angeben, wer von den Verursachern des Erfolgs, zu denen zudem auch der Geschdigte gehçrt, haftet und wer nicht. Die bloße Kausalitt ist zwar notwendige Bedingung fr die Haftung, taugt aber nicht als Grund einer Haftung, die die Trennung der Freiheits- und Risikosphren gewhrleisten soll31. Die Konkretisierung liegt vielmehr darin, dass die Verantwortlichkeit nur fr einen Erfolg besteht, der auf einem Verstoß gegen deliktische Verhaltensstandards beruht. Nur diese Standards kçnnen die Wertungen enthalten, auf denen die Trennung der Freiheits- und Risikosphren beruht. Der Erfolg ist demgemß zwar notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung fr die rechtswidrige Verletzung als Voraussetzung der deliktischen Haftung. Auch das Verhalten und der darin liegende Verstoß gegen deliktische Verhaltensstandards ist lediglich eine notwendige Bedingung. Nur wenn sowohl der Erfolg in Form der Beeintrchtigung eines geschtzten Rechtsguts als auch ein gegen deliktische Verhaltensstandards verstoßendes Verhalten vorliegen und der Erfolg diesem pflichtwidrigen Verhalten zurechenbar ist, liegt eine rechtswidrige Verletzung im Sinne des § 823 I BGB vor, die einen Schadensersatzanspruch zur Folge hat. Hinreichende Bedingung ist demgemß die Zurechenbarkeit des Erfolgs zu einem pflichtwidrigen Verhalten. An diesem Befund ndert auch das Konzept der Erfolgsverantwortlichkeit zunchst nichts. Auch dieses knpft die deliktische Haftung nicht nur an die zurechenbare Verursachung eines Erfolgs, sondern setzt auch den Verstoß gegen deliktische Verhaltensstandards voraus. Es mçchte die Verhaltenspflichten allerdings gewissermaßen aufspalten, indem es ihre Existenz im Rahmen der Zurechnung des Erfolgs zu dem dafr kausalen Verhalten bercksichtigt, whrend es ihre Einhaltung als sogenannte Sorgfalts28 So aber Jansen, Struktur, S. 579 f.; hnl. in Bezug auf die Rechtswidrigkeit Jansen, AcP 202 (2002), 517, 528 ff. 29 So aber Jansen, AcP 202 (2002), 517, 545 ff.; Jansen, Struktur, S. 614 ff. 30 hnl. Canaris, VersR 2005, 577, 580 m. Fn. 25. 31 Siehe oben S. 53. hnl. fr die negatorische Haftung Armbrster, NJW 2003, 3087, 3088; Canaris, Vertrauenshaftung, S. 473 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 V 1 a (S. 694).

II. Die Verkehrspflichten als Verhaltensstandards und Verhaltenspflichten

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obliegenheit begreift, durch die eine an sich begrndete Haftung ausgeschlossen werden soll32. Dabei ist allerdings schon der Begriff der Sorgfaltsobliegenheit problematisch, da es sich nicht um eine echte Obliegenheit handelt. Zwar hat die sogenannte Sorgfaltsobliegenheit mit der echten Obliegenheit gemein, dass sie nicht einklagbar ist. Aber die echte Obliegenheit beschrnkt sich nicht darauf, dass sie zwar eine Verpflichtung enthlt, aber nicht einklagbar ist und ihre Nichteinhaltung Nachteile fr den Verpflichteten bringt33. Sie stellt vielmehr lediglich eine Pflicht gegen sich selbst dar, begrndet also kein eigenes oder fremdes Recht, sondern hat nur einen Rechtsnachteil bis zum Verlust des eigenen Rechts zur Folge34. Die Nichteinhaltung der sogenannten Sorgfaltsobliegenheit fhrt zwar zu einem Nachteil fr den Schdiger, dieser liegt jedoch nicht in einem bloßen Verlust eines eigenen Rechts, sondern in der Begrndung von Pflichten des Schdigers, entweder negatorischen Verhaltenspflichten oder deliktischen Schadensersatzpflichten, denen entsprechende Rechte des Geschdigten gegenber stehen. Die sogenannte Sorgfaltsobliegenheit wirkt also anspruchsbegrndend. Die Verlagerung der Verletzung der Verhaltensstandards aus dem Unrecht in die sogenannten Sorgfaltsobliegenheiten erscheint demgemß systemfremd. Die deliktische Haftung setzt gemß § 823 I BGB die Rechtswidrigkeit der Verletzung voraus, so dass auf der Basis des gesetzlichen Systems nicht auf die Rechtswidrigkeit verzichtet werden kann35. Die Rechtswidrigkeit wird dabei als Unvereinbarkeit des Verhaltens mit der Rechtsordnung verstanden, die ein tatbestandsmßiges Verhalten und die Abwesenheit von Rechtfertigungsgrnden voraussetzt36. Sie ist damit notwendig auf ein Verhalten bezogen37 und lsst sich daher nicht auf den eingetretenen Erfolg als Resultat einer Handlung beschrnken38. Die Verlagerung der Verletzung der Verhaltensstandards aus dem Unrecht in die sogenannten Sorgfaltsobliegenheiten widerspricht damit nicht nur dem Befund, dass die Verletzung der Verhaltensstandards Haftungsvoraussetzung ist, sondern auch dem gesetzlichen System, das die Vereinbarkeit eines Verhaltens mit der Rechtsordnung der Rechtswidrigkeit zuweist. Das Konzept der sogenannten Sorgfaltsobliegenheiten ist auch insofern problematisch, als es unausgesprochen und damit ohne Begrndung die Beweislast umkehrt, indem die Einhaltung der deliktischen Verhaltensstan32

Jansen, Struktur, S. 480. So aber wohl Medicus, AT, Rn. 59. 34 So etwa Erman/H. P. Westermann, Einl. § 241 Rn. 24; MnchKomm-BGB/Kramer, Einl. vor § 241 Rn. 50; Palandt/Heinrichs, Einl v § 241 Rn. 13. 35 Anders aber offenbar Jansen, Struktur, S. 579 f. 36 Vgl. oben S. 130; vgl. auch Palandt/Sprau, § 823 Rn. 24 ff. 37 Vgl. Erman/H. P. Westermann, § 276 Rn. 4 f.; Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 45, § 823 Rn. 111; vgl. auch Picker, Beseitigungsanspruch, S. 171 ff. 38 So aber Jansen, AcP 202 (2002), 517, 545 ff. 33

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dards als Ausschlusstatbestand formuliert wird39, so dass nicht mehr der Geschdigte die Nichteinhaltung der deliktischen Verhaltensstandards beweisen muss, sondern der Schdiger die Einhaltung. Der Schdiger wrde damit die Darlegungs- und Beweislast dafr tragen, dass er sich entsprechend den allgemein geltenden Verhaltensstandards verhalten hat, so dass gerade der Normalfall beweispflichtig wird, der in der Regel besonders schwer zu beweisen ist. Dies stellt eine Abweichung von den allgemeinen Regeln der Beweislastverteilung dar, nach denen grundstzlich der Anspruchsteller die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs darzulegen und zu beweisen hat, also auch den Verstoß gegen Verhaltensstandards und die Kausalitt dieses Verstoßes fr die Verletzung der geschtzten Rechtsgter40, diese Darlegungs- und Beweislast aber in den Fllen, in denen dies angemessen erscheint, erleichtert wird. So spricht zumindest der Anschein fr die Kausalitt zwischen einem Verstoß gegen eine Verhaltenspflicht und einer Verletzung geschtzter Rechtsgter oder Rechte, wenn sich mit der Verletzung genau die Gefahr verwirklicht, deren Verhinderung die Verhaltenspflicht dient41, oder die Verletzung typische Folge des Verstoßes ist42. Die allgemeinen Regeln erlauben demgemß eine angemessene Verteilung der Darlegungs- und Beweislast, whrend das Konzept der sogenannten Sorgfaltsobliegenheiten einseitig den Schdiger belastet und so dessen Handlungsfreiheit bermßig einschrnkt. Dem Konzept der Erfolgsverantwortlichkeit ist auch im Rahmen der negatorischen Haftung nicht zuzustimmen. Denn so wie die deliktische Haftung nicht nur an die eingetretene Verletzung und ihre Verursachung anknpft, sondern daneben eine dafr urschliche Verletzung einer Verkehrspflicht voraussetzt, knpft die negatorische Haftung nicht nur an eine drohende Beeintrchtigung an, sondern setzt voraus, dass die drohende Beeintrchtigung auf eine Verletzung einer Verkehrspflicht zurckgeht, da die Haftung jeweils auf einer Pflichtwidrigkeit beruht43. Bei der negatorischen Haftung zeigt sich auch besonders deutlich, wie problematisch es ist, die Einhaltung der Verkehrspflichten als haftungsrechtliche Sorgfaltsobliegenheiten einzuordnen, da die negatorische Haftung ja gerade auf die Einhaltung der Verkehrspflichten geht, diese also nicht zum Inhalt einer Obliegenheit, sondern eines Anspruchs im Sinne des § 194 I BGB macht. Schließlich spricht das Verhltnis zwischen negatorischer und deliktischer Haftung und die dabei bestehende Parallele zum allgemeinen Leistungsstçrungsrecht und der diesem zugrundeliegenden Unterscheidung 39

Vgl. Jansen, Struktur, S. 480, 581 ff. Erman/Schiemann, § 823 Rn. 87; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 74. 41 BGH, NJW 1994, 945, 946; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 75. 42 BGH, NJW 1994, 945, 946; BGH, NJW 1996, 2035, 2037; BGH, NJW 2001, 2019, 2020; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 87. 43 Siehe oben S. 130 ff. 40

III. Verkehrspflichten als Risikoschutzpflichten

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zwischen Primr- und Sekundrpflichten44 gegen das Konzept der Erfolgsverantwortlichkeit. Denn im Rahmen der negatorischen Haftung stellen die Verkehrspflichten eine klagbare Primrpflicht dar und im Rahmen der deliktischen Haftung kçnnen sie ebenfalls als primre Verhaltenspflicht aufgefasst werden, deren Verletzung sekundre Schadensersatzpflichten auslçsen kann.

III. Verkehrspflichten als Risikoschutzpflichten Die Verkehrspflichten sind allerdings insoweit auf den Erfolg bezogen, als sie sich auf das Risiko des Erfolgseintritts beziehen45. Sie knpfen an das Bestehen eines Risikos fr ein geschtztes Rechtsgut oder Recht des Betroffenen an und weisen dieses Risiko dem Verantwortlichen zu, indem sie ihm ein Verhalten auferlegen, das auf die Vermeidung oder zumindest Verminderung des Risikos gerichtet ist, also eine Pflicht, das Rechtsgut oder Recht vor dem Risiko zu schtzen. Kommt der Verantwortliche dieser Schutzpflicht nicht nach, kann der Betroffene ihn durch negatorische Unterlassungs- oder Beseitigungsansprche zu ihrer Einhaltung zwingen, wenn sich das Risiko noch nicht verwirklicht hat; wenn sich das Risiko verwirklich hat, kann er ihn durch deliktische Schadensersatzansprche dazu zwingen, die Folgen ihrer Nichteinhaltung zu tragen. Demgemß ist die in den Verkehrspflichten liegende Risikozuweisung zunchst auf ein Verhalten zum Schutz vor dem Risiko gerichtet und gibt dem Betroffenen nur dann einen Anspruch gegen den Verantwortlichen, wenn dieser diesen Schutzpflichten nicht nachkommt.

A. Risikoverteilung als Inhalt der Verkehrspflichten Indem die Verkehrspflichten auf die Vermeidung eines Erfolgs in der Form eines Nachteils fr geschtzte Rechtsgter und Rechte bezogen sind, ohne dass bereits der Eintritt des Erfolgs einen auf seine Vermeidung gerichteten Verhaltensstandard begrndet, bestehen die Verkehrspflichten bereits, wenn der Eintritt des Erfolgs noch nicht sicher ist, sondern nur das Risiko seines Eintritts besteht. Gegenstand der Verkehrspflichten ist demgemß das Risiko eines Erfolges und die Verteilung dieses Risikos zwischen dem Handelnden und dem Betroffenen, also die Frage, wer gegebenenfalls ex ante im Rahmen der negatorischen Haftung fr die Vermeidung des Eintritts des Risikos oder ex post im Rahmen der deliktischen Haftung fr die Folgen des Eintritts verantwortlich ist. Insoweit haben die Verkehrspflich44 45

Vgl. oben S. 103. Siehe oben S. 136.

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ten also auch als Verhaltenspflicht eine Risikoverteilung zwischen dem potentiell Verantwortlichen und dem Betroffenen zum Gegenstand. Demgemß wird der Inhalt der Verkehrspflichten darin gesehen, dass derjenige, der fr die Schaffung oder Aufrechterhaltung des Risikos verantwortlich ist, die erforderlichen und zumutbaren Vorkehrungen treffen muss, um daraus resultierende Nachteile Dritter zu verhindern46; die Verkehrspflichten werden als Gefahrvermeidungs- und -abwendungspflichten, also als Gefahrsteuerungsgebote aufgefasst47. Als solche dienen sie der Risikozuweisung48, indem sie dort, wo keine Verkehrspflichten bestehen, ein Risiko zulassen49. Denn es gibt nicht nur keine allgemeine Rechtspflicht, andere vor Schden zu bewahren50, sondern auch keine allgemeine Rechtspflicht, keine Gefahren zu schaffen oder andauern zu lassen. Vielmehr muss ein normatives Element hinzukommen, nmlich die Verletzung von Verhaltensstandards, insbesondere von Verkehrspflichten. Allerdings kçnnen die Verkehrspflichten als Gefahrvermeidungs- und -abwendungspflichten nicht auf mittelbare Eingriffe beschrnkt und Erfolgsvermeidungs- und -abwendungspflichten gegenbergestellt werden, die fr unmittelbare Eingriffe gelten sollen51, da es auch bei letzteren letztendlich um Gefahren geht und der Erfolg nur die verwirklichte oder unmittelbar vor der Verwirklichung stehende Gefahr bedeutet. Dass ein Erfolg bzw. das dafr kausale Verhalten allein noch keine Haftung begrndet, kann nicht nur fr mittelbare Eingriffe gelten, sondern muss auch fr unmittelbare Eingriffe gelten. Die Verkehrspflichten setzen also die Existenz eines Risikos voraus und ordnen dieses der Risikosphre des Verantwortlichen oder derjenigen des Betroffenen zu. Dies geschieht dadurch, dass bestimmte Risiken von dem Grundsatz ausgenommen werden, dass Risiken nach der Regel casum sentit dominus von dem Betroffenen zu tragen sind, bei dem sie sich verwirklichen, und stattdessen der Verantwortung desjenigen zugewiesen werden, 46 Vgl. fr die deliktische Haftung RGZ 52, 373, 377 ff.; RGZ 53, 53 f.; RGZ 54, 53, 56 ff.; BGHZ 103, 298, 303; BGHZ 123, 102, 105 f.; BGHZ 136, 69, 77; BGH, NJW-RR 2003, 1459; BGH, NJW 2004, 1449, 1450; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 1. 47 Vgl. Fikentscher/Heinemann, Rn. 1591; G. Gnther, S. 168; Katzenmeier, AcP 203 (2003), 79, 116; Kleindiek, S. 26 ff. 32 ff., 114, 199 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 1 d (S. 402); Mçllers, Rechtsgterschutz, S. 86 ff.; Staudinger/J. Hager, § 823 E 3; von Bar, Verkehrspflichten, Untertitel und S. 82; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 52; hnl. Gerlach, S. 271 f.; von Caemmerer, FS 100 Jahre DJT, S. 49, 71 ff.; im Ausgangspunkt auch Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 11. 48 So ausdrcklich auch Kleindiek, S. 199; hnl. RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 124, 139; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 10; Teschner, SchlHA 2004, 197, 198. 49 hnl. Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 3. 50 Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 25; fr die Unterlassenshaftung auch RGZ 97, 11, 12; RGZ 102, 38, 42; BGHZ 9, 301, 307; BGH, NJW 1987, 2510; Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 102; Lange, in: Lange/Schiemann, § 3 XI (S. 154); Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. H 5. 51 So aber Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 1 d (S. 402).

III. Verkehrspflichten als Risikoschutzpflichten

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der sie geschaffen hat oder aufrechterhlt, also nicht zum allgemeinen Lebensrisiko gezhlt werden. Die Verantwortung beinhaltet die Pflicht, die Risiken entweder zu vermeiden oder fr ihre Folgen einzustehen. Auch der Vorsatz lsst sich als bewusste Inkaufnahme von Risiken deuten. Letztendlich lsst sich der Erfolg sogar als verwirklichtes Risiko begreifen. Demgemß haben die negatorische und die deliktische Haftung notwendig ein Risiko zum Gegenstand, dass der Risikosphre des Verantwortlichen zugewiesen ist.

B. Das Bestehen eines Risikos als Voraussetzung der Verkehrspflichten Da die Verkehrspflichten der Zuweisung von Risiken dienen und die Vermeidung oder Verringerung von Risiken zum Gegenstand haben, setzen sie das Bestehen eines Risikos voraus. Demgemß wird regelmßig das Bestehen eines Risikos als Ausgangspunkt fr die Bestimmung von Verkehrspflichten genannt52. Damit stellt sich die Frage, ob bereits jedes noch so geringe Risiko gengt oder ob es sich um ein hinsichtlich seiner Konkretisierung und Wesentlichkeit qualifiziertes Risiko handeln muss.

1. Konkretes oder abstraktes Risiko? Im Rahmen der Voraussetzung des Bestehens eines Risikos ist zunchst zu klren, ob sich die Verkehrspflichten nur auf konkrete Risiken beziehen kçnnen oder ob sie auch abstrakte Risiken zum Gegenstand haben. Dabei wrde das Erfordernis eines qualifizierten Risikos die Handlungsfreiheit des potentiell Verantwortlichen erweitern, weil es weniger Verhaltensweisen erfasst, und die Rechtssicherheit erhçhen, weil es den Spielraum der Interessenabwgung eingrenzt. Demgegenber wrde der Verzicht auf das Erfordernis eines qualifizierten Risikos nicht nur die Effektivitt des Rechtsschutzes erhçhen, sondern es auch erlauben, den Grad des Risikos im Rahmen der Interessenabwgung von dem Ausmaß des drohenden Nachteils abhngig zu machen, so dass ein angemessener Interessenausgleich mçglich wird. Dabei fhrt es nicht weiter, zwischen konkretem und abstraktem Risiko in der Form zu unterscheiden, dass ein Risiko dann konkret ist, wenn seine Vermeidung ein Gebot der verkehrserforderlichen Sorgfalt ist und daher ein vernnftiger und redlicher Rechtsgenosse von sich aus vorbeugen wrde, whrend es abstrakt ist, wenn es noch im Vorfeld der konkreten Risiken 52 So in der Gefahrenterminologie etwa BGHZ 103, 338, 340; BGHZ 123, 102, 105 f.; BGHZ 136, 69, 77; BGH, NJW 2004, 1449, 1450; BGH, NJW 2006, 2326; BGH, NJW 2006, 610, 611; BGH, NJW-RR 2006, 674, 676; BGH, NJW 2007, 1683, 1684; hnl. Palandt/Sprau, § 823 Rn. 46; RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 151 ff.; vgl. auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 1 d (S. 402 f.).

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§ 4 Verkehrspflichten als Voraussetzung der Haftung

liegt53. Denn diese Unterscheidung entspricht dem erst festzustellenden Anwendungsbereich der Verkehrspflichten, das abstrakte Risiko wrde also per definitionem nicht von den Verkehrspflichten erfasst. Die Rechtsprechung stellt demgegenber zwar vielfach auf das Bestehen eines konkreten Risikos ab54, bezieht sich daneben aber auch darauf, ob der Eintritt des Risikos normalerweise zu erwarten war55, und nimmt darber hinaus Verkehrspflichten auch bezglich solcher Risiken an, die nicht schon konkret greifbar sind56. Einerseits genge nicht jedes abstrakte Risiko, um Verkehrspflichten zu begrnden, also die bloß theoretische Mçglichkeit der Gefhrdung57, andererseits reiche aber das nahe liegende Risiko der Verletzung der Rechtsgter und Rechte anderer aus58. Insbesondere kçnnen Untersuchungspflichten auch dann entstehen, wenn noch nicht mit einem konkreten Risiko zu rechnen ist59. Die Verkehrspflichten sind demgemß nicht auf konkrete Risiken beschrnkt, sondern kçnnen auch abstrakte Risiken erfassen. Auf der Basis der Unterscheidung zwischen konkreten Risiken, bei denen im jeweiligen Einzelfall bereits ein Rechtsgut oder Recht tatschlich bedroht ist, und abstrakten Risiken, bei denen nur eine allgemeine Schadensneigung vorliegt60, wird darber hinaus vielfach angenommen, dass sich die Verkehrspflichten nicht nur auf die Abwehr konkreter Risiken beziehen61, sondern auch auf die Abwehr abstrakter Risiken62. Bereits ein abstraktes Risiko kann demgemß fr die Begrndung einer Verkehrspflicht ausreichen, wenn es Verhaltensstandards gibt, die schon im Hinblick auf eine latente Schadensneigung einzuhalten sind63. Das ist dann der Fall, wenn die Verkehrspflichten bereits die Entstehung eines konkreten Risikos vermeiden sollen64. So ist etwa der Streupflicht bei Schnee und Eis unab-

53 So aber fr die Unterscheidung von konkreten und abstrakten Gefahren Larenz/ Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 1 e (S. 402 f.) im Anschluss an BGH, NJW 1990, 1236, 1237. 54 So in der Gefahrenterminologie etwa BGH, NJW-RR 1989, 219, 220; BGH, NJW 1990, 1236, 1237; BGH, NJW 1995, 2633, 2634. 55 Vgl. fr die negatorische Haftung BGHZ 122, 283, 285; BGH, NJW 1995, 2633, 2634. 56 So in der Gefahrenterminologie BGHZ 80, 186, 191 f. 57 BGH, NJW 1990, 1236 f.; hnl. BGH, NJW 1990, 906. 58 BGH, NJW 1990, 1236, 1237; BGH, NJW-RR 1990, 789, 790; BGH, NJW 2006, 610, 611; BGH, NJW 2006, 2326; BGH, NJW-RR 2006, 674, 676; so auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 4 b (S. 414). 59 Vgl. BGH, NJW 2001, 1786, 1787. 60 So etwa von Bar, Verkehrspflichten, S. 116; hnl. Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 13. 61 So aber Stoll, Fortbildung, S. 13. 62 Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 215; von Bar, Verkehrspflichten, S. 115 f. 63 hnl. von Bar, Verkehrspflichten, S. 115 ff. 64 So im Ausgangspunkt auch Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 13.

III. Verkehrspflichten als Risikoschutzpflichten

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hngig davon nachzukommen, ob tatschlich ein Passant oder Besucher den Weg benutzt. Soweit ein abstraktes Risiko allerdings lediglich insofern besteht, als ein Rechtsgut oder Recht zwar theoretisch bedroht werden kann, im konkreten Fall aber nicht nur nicht bedroht ist, sondern auch nicht bedroht werden kann, geht es nicht mehr um Verhaltensstandards, an deren Verletzung die negatorische oder deliktische Haftung angeknpft werden kann65. Eine an ein so bestimmtes abstraktes Risiko anknpfende Haftung verlsst letztendlich den Schutzzweckzusammenhang, da das im konkreten Fall drohende oder verwirklichte Risiko dann nicht von dem Schutzbereich der Verkehrspflicht erfasst wird. Demgemß lsst sich die Einbeziehung auch abstrakter Gefahren nicht ohne weiteres damit begrnden, dass die Verkehrspflichten erst dann relevant werden, wenn aus einer abstrakten Gefahr eine konkrete Gefahr wird, indem die deliktische Haftung erst eingreift, wenn die Gefahr so konkret geworden ist, dass sie sich verwirklicht hat, und die negatorische Haftung erst eingreift, wenn die Gefahr konkret droht. Insoweit trifft es zwar zu, dass jedes verwirklichte abstrakte Risiko das Stadium der konkreten Gefahr durchluft, bevor es sich in der von der deliktischen Haftung vorausgesetzten Verletzung verwirklicht66, was nicht nur fr die deliktische, sondern auch fr die negatorische Haftung gilt67, da die dort vorausgesetzte drohende Gefahr notwendig eine konkrete Gefahr ist. Aber dies setzt voraus, dass sich im jeweiligen Fall auch gerade das abstrakte Risiko konkretisiert hat, auf das sich die Verkehrspflicht bezieht. Damit ist bei abstrakten Risiken danach zu unterscheiden, ob im konkreten Fall ein Rechtsgut oder Recht gefhrdet werden kann68 und der Eintritt eines Nachteils naheliegt69. Die Verkehrspflichten beziehen sich also neben den konkreten Risiken nur auf solche abstrakte Risiken, bei denen die allgemeine Schadensneigung auch im konkreten Fall vorliegt oder vorliegen kann und der Eintritt des Risikos nahe liegt. Sie beziehen sich demgemß nicht auf abstrakte Risiken, bei denen die allgemeine Schadensneigung im konkreten Fall ausgeschlossen ist oder der Eintritt des Risikos nicht nahe liegt. Das abstrakte Risiko darf demgemß erst dann gesetzt oder aufrechterhalten werden, wenn die konkrete Schadensneigung bzw. ihr Fehlen aufgeklrt worden ist70. 65 hnl. Canaris, FS Larenz, 1983, S. 27, 53 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 1 e (S. 403); Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 13. 66 Vgl. von Bar, Verkehrspflichten, S. 115; zustimmend Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 10. 67 Anders ohne Begrndung aber Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 10. 68 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 1 e (S. 403). 69 BGH, NJW 1990, 1236, 1237; BGH, NJW-RR 1990, 789, 790; BGH, NJW 2006, 610, 611; BGH, NJW 2006, 2326; BGH, NJW-RR 2006, 674, 676; so auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 4 b (S. 414). 70 Vgl. BGH, NJW 2001, 1786, 1787.

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§ 4 Verkehrspflichten als Voraussetzung der Haftung

2. Wesentlichkeit des Risikos Auch wenn die Verkehrspflichten nicht auf konkrete Risiken beschrnkt sind, sondern auch abstrakte Risiken im konkreten Fall erfassen, bleibt die Frage, ob Gegenstand der Verkehrspflichten nur wesentliche Risiken sind, also latente oder manifeste Risiken, bei denen eine qualifizierte Eintrittswahrscheinlichkeit gegeben ist. Dafr scheint die Formulierung der Rechtsprechung zu sprechen, Voraussetzung der Verkehrspflichten sei, dass sich fr ein sachkundiges Urteil vorausschauend die nahe liegende Gefahr bzw. Mçglichkeit ergebe, dass Rechtsgter anderer verletzt werden kçnnten71. Allerdings bleibt dabei offen, wie die nahe liegende Mçglichkeit bestimmt wird, insbesondere, ob die Wesentlichkeit des Risikos relativ, also bezogen auf den jeweiligen Fall oder absolut, also losgelçst von der jeweiligen Situation bestimmt wird. Fr eine relative Bestimmung der Wesentlichkeit des Risikos spricht dabei, dass die Rechtsprechung diese Voraussetzung aus der Prmisse ableitet, dass der Verkehrspflichtige die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen habe, um eine Schdigung anderer mçglichst zu verhindern, und daher diejenigen Maßnahmen ergreifen msse, die am Maßstab eines verstndigen, umsichtigen, vorsichtigen und gewissenhaften Angehçrigen der betroffenen Verkehrskreise ausreichend und ihm den Umstnden nach zumutbar seien, um andere vor Schden zu bewahren72. Denn die in diesem Sinne ausreichenden und zumutbaren Maßnahmen kçnnen immer nur aus der konkreten Situation bestimmt werden. Auch dass die Rechtsprechung in diesem Zusammenhang fr die Frage nach der Notwendigkeit von Sicherungsmaßnahmen auch auf die Verkehrserwartung abstellen mçchte73, spricht fr eine relative Bestimmung. Zudem wrde die absolute Bestimmung der Wesentlichkeit die Mçglichkeit einschrnken, die Existenz einer Verkehrspflicht außer vom Ausmaß des drohenden Nachteils auch von der Wahrscheinlichkeit des Risikoeintritts abhngig zu machen. Dies wrde aber nicht nur der Rechtsprechung zuwiderlaufen, die die Verkehrspflichten auch von der Grçße des Risikos abhngig macht74, sondern wrde auch der Differenzierung des Risikoschutzes entsprechend der unterschiedlichen 71 So mit leichten Variationen etwa BGH, NJW 1990, 1236, 1237; BGH, NJW-RR 2002, 525, 526; BGH, NJW-RR 2003, 1459, 1460; BGH, NJW 2004, 1449, 1450; BGH, NJW 2006, 610, 611; BGH, NJW 2006, 2326; BGH, NJW-RR 2006, 674, 676; Palandt/ Sprau, BGB, 65. Aufl., § 823 Rn. 46; RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 143. 72 So mit Variationen etwa BGH, NJW 1990, 1236 f.; BGH, NJW-RR 2002, 525, 526; BGH, NJW 2006, 610, 611; BGH, NJW 2006, 2326; BGH, NJW-RR 2006, 674, 676; BGH, NJW 2007, 1683, 1684; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 234; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 35. 73 So BGH, NJW 1990, 906; hnl. Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 234; vgl. auch Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 27. 74 So in der Gefahrenterminologie etwa BGHZ 80, 186, 191 f.; BGHZ 104, 323, 326 ff.; BGH, NJW 1990, 906, 907 f.; BGH, NJW-RR 1990, 789, 790; BGH, NJW 2006, 610, 612;

IV. Inhalt der Verkehrspflichten

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Schutzwrdigkeit der verschiedenen Rechtsgter und Rechte und damit auch der angemessenen Abgrenzung der Freiheits- und Risikosphren des Verantwortlichen und des Betroffenen entgegen stehen. Eine absolute Grenze der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Risikos, ab der es unabhngig vom jeweiligen Einzelfall nicht mehr Gegenstand einer Verkehrspflicht sein kann, kann damit erst dort angenommen werden, wo nur noch die theoretische Mçglichkeit eines Nachteils fr fremde Rechtsgter und Rechte besteht. Demgemß stellt die Rechtsprechung der nahe liegenden Verletzung fremder Rechtsgter die nur theoretische Mçglichkeit einer solchen Verletzung gegenber75. Eine nur theoretische Mçglichkeit kann dabei gegeben sein, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit sehr gering ist76, jedenfalls aber, wenn sie außerhalb des blichen Erfahrungsbereichs liegt77. Darin spiegelt sich wieder, dass ein vollstndiger Ausschluss von Risiken im praktischen Leben nicht mçglich ist, weshalb nicht Vorsorge fr alle denkbaren Mçglichkeiten des Schadenseintritts getroffen werden kann und muss78. Soweit sich das Risiko trotzdem verwirklicht, handelt es sich um ein Unglck, nicht um ein vorwerfbares Unrecht79. Insoweit verwirklicht sich nur das allgemeine Lebensrisiko.

IV. Inhalt der Verkehrspflichten Ob Verkehrspflichten bestehen und welchen Inhalt sie haben, hngt davon ab, welche Maßnahmen das jeweils bestehende Risiko konkret vermeiden oder verringern kçnnen und wie diese Maßnahmen im Rahmen einer Abwgung der Interessen des potentiell Verantwortlichen und des Betroffenen sowie der Allgemeinheit zu bewerten sind. Welche Maßnahmen in Betracht kommen, welchen konkreten Inhalt die Verkehrspflichten also haben, kann dabei nur fr den jeweiligen Einzelfall festgestellt werden80. Allerdings kçnnen verschiedene Arten des Risikoschutzes unterschieden werden, die nicht nur hinsichtlich ihrer Wirksamkeit in Bezug auf die Vermeidung oder Verringerung des Risikos differieren, sondern auch hinsichtlich der auch Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 234; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 4 b (S. 414). 75 So ausdrcklich BGH, NJW 2006, 610, 612; gegen die Einbeziehung der nur theoretischen Mçglichkeit auch BGH, NJW 1990, 906, 907 f.; hnl. BGH, NJW-RR 1990, 789, 790. 76 So BGH, NJW 2006, 610, 612. 77 BGHZ 104, 323, 328. 78 hnl. BGH, NJW-RR 1990, 789, 790; BGH, NJW 2006, 610, 611; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 35. 79 BGH, VersR 1975, 812; BGH, NJW-RR 2003, 1459; BGH, NJW 2006, 610, 611. 80 hnl. Erman/Schiemann, § 823 Rn. 80; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 46; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 29; fr § 839 BGB auch BGHZ 112, 74, 75, 79.

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§ 4 Verkehrspflichten als Voraussetzung der Haftung

mit ihnen verbundenen Belastungen fr den potentiell Verantwortlichen und den Betroffenen. Diese Unterschiede sind nicht nur von theoretischem Interesse, sondern werden im Rahmen der Interessenabwgung zur Bestimmung der Verkehrspflichten relevant, da dort neben anderen Gesichtspunkten auch die Wirksamkeit der in Frage stehenden Schutzmaßnahmen und die mit ihr verbundenen Belastungen zu bercksichtigen sind81.

A. Arten des Risikoschutzes Im Folgenden seien die Unterscheidungen des Risikoschutzes dargestellt, auf die im Verlauf der weiteren Untersuchung Bezug genommen werden wird.

1. Direkter und indirekter Schutz Die Unterscheidung zwischen direktem und indirektem Schutz berhrt sich mit der Differenzierung zwischen Einwirkungs- und Informationspflichten. Diese geht davon aus, dass Gefahren bzw. Risken vermieden oder zumindest verringert werden kçnnen, indem entweder der Betroffene oder der Verantwortliche auf die Gefahr bzw. das Risiko einwirkt oder, gleichsam vermittelnd, der Verantwortliche zwar nicht selbst auf die Gefahr einwirkt, aber den Betroffenen ber die Gefahr bzw. das Risiko informiert, so dass dieser auf sie einwirken kann82. Verkehrspflichten im Sinne von Verhaltensstandards fr den Verantwortlichen bestehen nur in den letzten beiden Fllen, in denen der Verantwortliche direkt selbst oder indirekt ber den Betroffenen auf die Vermeidung oder Verringerung der Gefahr hinwirkt. Dementsprechend wird bei den Verkehrspflichten zwischen Einwirkungs- und Informationspflichten unterschieden83. Einwirkungspflichten sind dabei auf die Beseitigung der Gefahr als solcher zugunsten des von ihr Bedrohten gerichtet; zu ihnen werden sachbezogene Gefahrenkontroll- und Beseitigungspflichten, personenbezogene Auswahl- und Aufsichtspflichten, Organisationspflichten, Erkundigungs- und Benachrichtigungspflichten sowie Frsorgepflichten gezhlt84. Informationspflichten sollen dem Bedrohten einen eigenverantwortlichen Umgang mit der Gefahr ermçglichen, wobei Warn-, Instruktions- und Verbotspflichten unterschie81

Zu der Interessenabwgung nher unten S. 247 ff. und 278 ff. Vgl. Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 26; von Bar, Verkehrspflichten, S. 84 f. 83 So die Terminologie bei Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 46; hnl. Bamberger/ Roth/Spindler, § 823 Rn. 233; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 26; in der Sache auch von Bar, Verkehrspflichten, S. 83 f. 84 Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 46; hnl. Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 233; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 26; von Bar, Verkehrspflichten, S. 92 ff.; vgl. auch MnchKomm-BGB/Mertens, 3. Aufl., § 823 Rn. 203. 82

IV. Inhalt der Verkehrspflichten

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den werden85. Allerdings stellt streng genommen auch die Information des Bedrohten ber eine Gefahr eine Einwirkung auf die Gefahr dar, so dass besser von direktem und umgekehrt indirektem Schutz gesprochen wird.

2. Aktiver und passiver Schutz Die Differenzierung zwischen aktivem und passivem Schutz berhrt sich mit der Differenzierung von Sicherungs- und Frsorgepflichten, die zwar auf die Bestimmung des potentiell Verantwortlichen und ihre Begrndung gerichtet ist, dabei aber fragt, aus welcher Perspektive die Pflichten gedacht werden86, und die insofern auf den Inhalt der Verkehrpflichten bezogen werden kann, als damit zunchst auch die Maßnahmen zur Vermeidung oder Verringerung des Risikos im Rahmen der Sicherungspflichten bei der Gefahrenquelle und im Rahmen der Frsorgepflichten bei den geschtzten Rechtsgtern und Rechten ansetzen. Allerdings mssen die Verantwortlichkeit und der Pflichtinhalt nicht in dieser Form parallel laufen. Vielmehr kann sich auch aus der Verantwortlichkeit fr eine Gefahrenquelle die Pflicht ergeben, die dadurch bedrohten Rechtsgter und Rechte durch Maßnahmen zu schtzen, die nicht dort ansetzen, wo die Gefahr entsteht, sondern dort, wo sie sich niederschlgt. So etwa, wenn derjenige, der einen Verkehr in einem Werk erçffnet, bei dem die Augen durch Funkenflug oder die Ohren durch Lrm geschdigt werden kçnnen, dieser Gefahr nicht durch Abstellen des Funkenflugs oder des Lrms entgegenwirkt, sondern durch Ausgabe von Schutzbrillen und Ohrenschtzern. Umgekehrt kann sich aus der Verantwortlichkeit fr ein bedrohtes Rechtsgut oder Recht auch die Pflicht ergeben, die Gefahrenquelle auszuschalten. Demgemß ist fr den Inhalt der Verkehrspflichten zwischen aktiven Schutzpflichten, die bei der Gefahrenquelle ansetzen, und passiven Schutzpflichten, die bei den bedrohten Rechtsgtern und Rechten ansetzen, zu unterscheiden. Dabei wirkt sowohl bei den aktiven als auch bei den passiven Schutzpflichten der Verantwortliche selbst auf die Gefahr ein und nicht der Bedrohte, so dass es sich jeweils um direkte Schutzpflichten handelt. Innerhalb der aktiven Schutzpflichten kann weiter zwischen totalen und relativen Pflichten unterschieden werden. Die totalen Schutzpflichten verbieten das gefhrliche Verhalten vollstndig und fhren damit zu einer Vermeidung der Gefahr bzw. des Risikos, indem sie die Gefahrenquelle vollstndig ausschalten. Die relativen Schutzpflichten modifizieren das gefhrliche Verhalten hingegen nur und verringern damit die Gefahr bzw. das Risiko nur, ohne die Gefahrenquelle vollstndig auszuschalten. So wird etwa aus dem Grundsatz des geringsterforderlichen Eingriffs abgeleitet, dass auf 85 Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 46; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 26; von Bar, Verkehrspflichten, S. 85 ff.; vgl. auch MnchKomm-BGB/Mertens, 3. Aufl., § 823 Rn. 203. 86 MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 223 ff.; vgl. auch unten S. 175 f.

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§ 4 Verkehrspflichten als Voraussetzung der Haftung

der Basis des Umwelthaftungsrechts statt eines negatorischen Unterlassungsanspruchs auch ein Anspruch auf Vornahme geeigneter Schutzmaßnahmen in Betracht kommt, soweit diese technisch mçglich und wirtschaftlich zumutbar sind87.

3. Allgemeine Grundpflichten und besondere Schutzpflichten Die Differenzierung zwischen besonderen Schutzpflichten und allgemeinen Grundpflichten88 beruht darauf, dass dem direkten wie dem indirekten Schutz durch besondere Schutzpflichten weitere Verkehrspflichten vorgelagert sind, die als allgemeine Grundpflichten den direkten und indirekten Schutz erst ermçglichen sollen, indem sie als Beobachtungs-, Untersuchungs- und Dokumentationspflichten auf die Identifikation der bestehenden oder entstehenden Risiken oder Gefahren gerichtet sind. So dienen die Gefahrenkontrollpflichten und die Aufsichtspflichten sowie die Erkundigungspflichten, obwohl sie gemeinhin zu den Einwirkungspflichten gezhlt werden89, zunchst dem Erkennen von Gefahren und Risiken, und sind, jedenfalls soweit die Verkehrspflichtverletzung nicht bereits in einer bloßen Unachtsamkeit besteht, die sich unmittelbar in dem Nachteil niederschlgt90, den Pflichten vorgelagert, die auf die Vermeidung oder Verringerung der erkannten Risiken gerichtet sind. Sie kçnnen als Mittel zum Zweck der Reaktion auf die Risiken bezeichnet werden91. Die Dokumentationspflichten dienen demgegenber zwar nicht der Identifikation von bestehenden oder entstehenden Risiken. Sie stellen aber insofern Grundpflichten dar, als sie einerseits Informationen fr den Fall sichern, dass diese fr die Vermeidung oder Verminderung eines Risikos notwendig sind, und andererseits die Feststellung ermçglichen, ob Gefahren bzw. Risiken und damit daran anknpfende Verkehrspflichten bestanden92. Die Grundpflichten kçnnen dabei weiter unterschieden werden in selbststndige und unselbststndige Pflichten. Die unselbststndigen Pflichten sind notwendig mit den Schutzpflichten verbunden, indem die Vermeidung oder Verringerung einer Gefahr bzw. eines Risikos das Erkennen die87

So Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 34. Fr Differenzierung zwischen Beobachtungs- und Reaktionspflichten im Rahmen der deliktischen Produkthaftung auch MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 597. 89 MnchKomm-BGB/Mertens, 3. Aufl., § 823 Rn. 203; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 46; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 26; von Bar, Verkehrspflichten, S. 92 ff. 90 Vgl. MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 19. 91 So fr die deliktische Produkthaftung auch MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 601. 92 So fr das Arzthaftungsrecht etwa BGHZ 99, 391, 397; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 740; Soergel/Spickhoff, § 823 Anh I Rn. 247; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. I 72. 88

IV. Inhalt der Verkehrspflichten

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ses Risikos voraussetzt. Sie umfassen die Beobachtungs- und Untersuchungspflichten, die mit den Schutzpflichten entstehen. Die selbststndigen Grundpflichten hingegen sind nicht notwendig mit den Schutzpflichten verbunden, sondern entstehen bereits vor diesen. Sie umfassen nicht nur die Beobachtungs- und Untersuchungspflichten, sondern auch die Dokumentationspflichten. Der Unterschied zeigt sich insbesondere bei den Beobachtungs- und Untersuchungspflichten; whrend sie als selbststndige Pflichten auf das aktive Erkennen von Risiken bzw. Gefahren gerichtet sind, sind sie als unselbstndige Grundpflichten auf das passive Erkennen gerichtet, etwa im Sinne des Verbots, vor offensichtlichen Gefahren bzw. Risken die Augen zu verschließen. So muss sich der potentiell Verantwortliche grundstzlich nur bei Zweifeln ber ein Risiko um Aufklrung bemhen93, hat aber dann, wenn allgemein mit Risiken zu rechnen ist, fr angemessene Kontrollmaßnahmen und fr eine entsprechende Organisation zu sorgen, um bei einem Risikoeintritt schnellstmçglich das Risiko erkennen und darauf reagieren zu kçnnen94.

4. Organisationspflichten Die Organisationspflichten werden zu den aktiven Einwirkungspflichten gezhlt95 und beziehen sich auf Situationen, in denen der potentiell Verantwortliche mittels einer mehr oder weniger komplexen Organisation handelt, also systematisch auf das Verhalten anderer Personen einwirkt.

a) Akzessorische und originre Pflichten Die Organisationspflichten kçnnen dabei sowohl akzessorisch sein als auch originr. Akzessorische Organisationspflichten dienen dazu, die Erfllung der den Geschftsherrn aus anderen Grnden treffenden Verkehrspflichten durch seine Organisation sicherzustellen96. Sie kçnnen demgemß sowohl dem direkten Schutz als auch dem indirekten Schutz dienen. Originre Organisationspflichten dienen der Vermeidung oder Verringerung der Gefahren bzw. Risiken, die sich gerade aus der Existenz einer Organisation und der daraus folgenden Komplexitt ergeben97. 93 Vgl. BGH, NJW 1982, 1049, 1050; BGH, NJW-RR 1986, 438, 439; Bamberger/ Roth/Spindler, § 823 Rn. 239. 94 Vgl. BGH, NVwZ-RR 1993, 337, 338; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 239. 95 Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 46; hnl. Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 233; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 26; von Bar, Verkehrspflichten, S. 96, vgl. auch MnchKomm-BGB/Mertens, 3. Aufl., § 823 Rn. 203. 96 Brggemeier, Deliktsrecht, Rn. 128; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 62; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 781 ff. 97 Erman/Schiemann, § 823 Rn. 83; Matusche-Beckmann, S. 192 ff.; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 62.

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§ 4 Verkehrspflichten als Voraussetzung der Haftung

b) Konkrete und abstrakte Pflichten Die konkreten Organisationspflichten richten sich gegen identifizierbare Organisationsmngel und stellen insoweit konkrete Anforderungen an die Organisation zur Vermeidung von Missmanagement. Sie umfassen nicht nur die sorgfltige Auswahl der Mitarbeiter, sondern auch ihre angemessene Instruktion98 und berwachung99. Organisationsmngel liegen etwa in der fehlenden Bestellung eines gesetzlichen Vertreters, in der fehlenden oder unzulnglichen Zuordnung von Mitarbeitern100 oder in ungenauen Kompetenzzuweisungen. Der Nachteil muss auf einem Verstoß gegen eine konkrete Organisationspflicht beruhen. Die Verkehrspflichten richten sich dabei auf den Ablauf, die Beteiligten und das Ergebnis nicht nur in seinen Elementen, sondern auch als System101. So ist im Kupolofenurteil eine Verkehrssicherungspflicht des Betreibers der emittierenden Anlage angenommen worden, die zur Einhaltung unschdlicher Emissionswerte erforderliche Kontrolle zu schaffen102. Die konkreten Organisationspflichten kçnnen sich etwa aus den Vorschriften fr eine Zertifizierung nach DIN-ISO 9000 ff. bzw. 14000 ff. oder die Einfhrung von Systemen zur Organisation und Dokumentation entsprechend der EU-Umwelt-Audit-Verordnung bzw. des Umweltauditgesetzes ergeben103, die insoweit als antizipiertes Sachverstndigengutachten wirken. Sie kçnnen demgemß etwa die Einrichtung von Betriebsbeauftragten zur berwachung bestimmter Risiken oder die Durchfhrung von Audits in Bezug auf bestimmte Risiken umfassen. Die umweltrechtlichen Regelungen ber die Einrichtung von Umweltbeauftragten oder besser Immissionsschutz-, Wasserschutz und Abfallbeauftragten104 sowie die Durchfhrung sogenannter ko-Audits stellen insoweit eine gesetzliche Konkretisierung von Organisationspflichten dar, die in die Interessenabwgung zur Bestimmung der Verkehrpflichten als Voraussetzung der negatorischen und deliktischen Haftung einfließen. Abstrakt sind demgegenber die Organisationspflichten, die bereits an die Schaffung einer komplexen Organisation anknpfen, die als solche gefahren- bzw. risikotrchtig ist105, und dabei so weit gehen, dass schon die 98 BGHZ 17, 214, 220; BGHZ 24, 200, 213 f.; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 370; vgl. auch BGH, NJW 1988, 48, 49. 99 BGHZ 4, 1, 2 f.; BGH, VersR 1978, 538, 540; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 370. 100 Vgl. fr faktische Organe etwa BGHZ 24, 200, 213; BGHZ 77, 74, 77 f.; BGH, NJW-RR 1996, 867, 868; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 83. 101 So fr die deliktische Umwelthaftung Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 52; von Bar, KF 1987, S. 4, 13; fr die deliktische Produzentenhaftung etwa auch Erman/Schiemann, § 823 Rn. 115 ff. 102 BGHZ 92, 143, 151. 103 hnl. Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 55; zur haftungsrechtlichen Bedeutung der EU-Umwelt-Audit-Verordnung Falk, S. 178 ff. 104 Zu deren Haftung vgl. etwa Salje, BB 1993, 2297 ff.; Salje, TranspR 1998, 1 ff.

IV. Inhalt der Verkehrspflichten

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abstrakte Gefahr oder das abstrakte Risiko, das in der Schaffung der Organisation liegt, die Haftung fr einen aus dieser Organisation erwachsenden Nachteil begrndet. Nicht vorausgesetzt wird damit eine konkrete Pflichtverletzung innerhalb der Organisation, sei es durch einen Mitarbeiter106, sei es in Form eines identifizierbaren Organisationsmangels. Demgemß tritt etwa an die Stelle einer Haftung fr die Rechtsverletzung durch einen Mitarbeiter, die unter § 831 BGB fallen wrde, die Haftung fr die Gefahren der Organisation selbst, was damit begrndet wird, dass es fr das Vertrauen des Publikums auf die Sicherheit vor vermeidbaren Gefahren unerheblich sei, ob das Gefahrenpotential auf der mangelhaften Beherrschung von Sachen, Organisationen, technischen Ablufen oder anderen Menschen oder auf mangelnder beruflicher Professionalitt basiere; insofern werde fr das Ergebnis der Organisation gehaftet107. Allerdings beruht dies nicht auf einer ungeschriebenen Unternehmens-Gefhrdungshaftung108, sondern entsprechend umfassenden Verkehrspflichten109. Die Organisationspflichten werden dementsprechend nicht schon dadurch verletzt, dass berhaupt eine komplexe Organisation geschaffen wird, sondern nur dadurch, dass entweder identifizierbare Organisationsmngel bestehen und damit gegen konkrete Organisationspflichten verstoßen wird oder dass die Organisation als solche mit derartigen Risiken bzw. Gefahren verbunden ist, dass mit ihrer Schaffung oder Aufrechterhaltung gegen abstrakte Organisationspflichten verstoßen wird. Ob einer komplexen Organisation aufgrund der damit verbundenen Risiken bzw. Gefahren eine abstrakte Organisationspflicht entgegensteht, hngt wie bei konkreten Organisationspflichten maßgeblich von einer Interessenabwgung ab. Eine allgemeine Verkehrspflicht, eine komplexe Organisation in personeller, materieller, finanzieller und funktioneller Hinsicht so einzurichten, dass vermeidbare Drittschdigungen unterbleiben110, kann daher nicht angenommen werden. Die Organisationspflichten beinhalten lediglich, die Organisation so zu gestalten, dass Schdigungen anderer in dem jeweils gebotenen Umfang vermieden werden111. Fr den jeweils gebotenen Umfang ist die Interessenabwgung maßgeblich. Er ist dabei grundstzlich umso weiter, je grçßer die Gefahren sind, die aus der Organisation erwachsen112. 105 Erman/Schiemann, § 823 Rn. 83; Matusche-Beckmann, S. 92 ff.; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 63. 106 So etwa Erman/Schiemann, § 823 Rn. 83. 107 So unter Verweis auf die deliktische Produzentenhaftung Erman/Schiemann, § 823 Rn. 84. 108 So aber wohl Brggemeier, Prinzipien, S. 148 ff. 109 Erman/Schiemann, § 823 Rn. 84. 110 So Brggemeier, Haftungsrecht, S. 134. 111 MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 370; von Bar, Verkehrspflichten, S. 96. 112 hnl. MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 370, 377; BGH, VersR 1978, 538, 540.

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§ 4 Verkehrspflichten als Voraussetzung der Haftung

Demgemß setzt die Widerlegung der vermuteten Pflichtverletzung des § 831 BGB ohne gleichzeitige Begrndung eines Verstoßes gegen Organisationspflichten aus § 823 I BGB nicht nur die Identifikation des fr die konkrete Pflichtverletzung verantwortlichen Mitarbeiters, dessen sorgfltige Auswahl, berwachung und Anleitung sowie die Eignung der Organisation zur Vermeidung von Pflichtverletzungen durch Mitarbeiter voraus113, sondern auch, dass die Organisation als solche nicht mit bermßigen Risiken bzw. Gefahren verbunden ist. Insoweit ist zwischen dem individuellen Verhalten des Mitarbeiters und den Anforderungen an die Organisation zu unterscheiden114. Die Pflichtwidrigkeit eines Mitarbeiters muss somit nicht zu der Haftung des Geschftsherrn entweder aus § 831 BGB oder aus § 823 I BGB fhren, auch wenn dies in der Praxis sehr hufig der Fall ist115.

B. Interessenabwgung Der Inhalt der Verkehrspflichten beruht auf einer Interessenabwgung, bei der auch die eben getroffenen Unterscheidungen hinsichtlich der Arten des Risikoschutzes relevant sind, da ihnen hinsichtlich der Interessenabwgung eine systematisierende Wirkung zukommt.

1. Interessenabwgung im Rahmen der Verkehrspflichten Die Abgrenzung der Freiheitssphren der Beteiligten als Funktion der negatorischen und deliktischen Haftung setzt, wie gezeigt116, notwendig eine Abwgung ihrer Interessen voraus. Diese findet nicht nur im Rahmen der gesetzlich festgelegten Haftungsvoraussetzungen statt, sondern auch im Rahmen der Bestimmung der Verkehrspflichten als Konkretisierung eines unbestimmten Rechtsbegriffs. Die Beantwortung der Frage, ob bestimmte Verkehrspflichten bestehen, setzt damit eine Interessenabwgung voraus, und zwar sowohl bei der deliktischen Haftung117 als auch bei der negatorischen Haftung, da diese, wie gezeigt118, ebenfalls auf einer Verkehrspflichtverletzung beruht. Die Interessenabwgung ist bei beiden Haftungsarten zunchst identisch, da die Verkehrspflichtverletzung eine gemeinsame Haftungsvoraus113

So MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 378; Kleindiek, S. 353 f., 359. BGH, NJW 1999, 573, 574; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 66. 115 Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 66; vgl. auch BGH, NJW 1991, 98, 99; BGH, NJW-RR 1996, 867, 868; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 378. 116 Siehe oben S. 20. 117 BGH, NJW 2006, 610, 611; Geigel/Wellner, Kap. 14 Rn. 6; W. Schneider, VersR 2007, 743, 744; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 27; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 26; fr den sog. Mittelbereich zwischen § 823 I und II BGB auch Erman/Schiemann, § 823 Rn. 11. 118 Siehe oben S. 143. 114

IV. Inhalt der Verkehrspflichten

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setzung darstellt119. Unterschiede ergeben sich erst bei der Frage, ob nicht nur Schadensersatzansprche bestehen, sondern auch Unterlassungs- und Beseitigungsansprche, die ebenfalls mittels einer Interessenabwgung zu beantworten ist. Demgemß wird etwa im Rahmen des Lrmschutzrechts konstatiert, dass die deliktischen und dinglichen Abwehr- und Ausgleichsansprche strukturell gleichfçrmigen und wiederkehrenden Erwgungen folgen, die die Rechts- oder Rechtsgutsbeeintrchtigung und die Lrmbewertung als Abwgung zwischen Art und Ausmaß der Lrmbeeintrchtigung und den dahinter stehenden privaten und çffentlichen Interessen betreffen120. hnliches gilt, wenn die Sicherungspflichten als Voraussetzungen der negatorischen Haftung mit den Verkehrs(sicherungs)pflichten gleichgesetzt worden sind121.

2. Relevanz der Arten des Risikoschutzes fr die Interessenabwgung Die getroffenen Unterscheidungen sind nicht nur von systematischem Interesse, sondern auch fr die Bestimmung der Verkehrspflichten relevant. Das Bestehen und der Inhalt der Verkehrspflichten ist zwar im Wege einer Interessenabwgung festzustellen, die immer nur aufgrund der Umstnde des jeweiligen Einzelfalls erfolgen kann122. Aber die oben getroffenen Unterscheidungen lassen grundstzliche Aussagen nicht nur hinsichtlich der Wirksamkeit der Verkehrspflichten in Bezug auf die Vermeidung oder Verringerung von Risiken zu, sondern auch hinsichtlich des mit ihnen verbundenen Aufwands und der daraus resultierenden Belastung fr den potentiell Verantwortlichen und den Betroffenen. Die Unterscheidungen kçnnen daher im Rahmen der fr die Bestimmung der Verkehrspflichten maßgeblichen Interessenabwgung fr eine gewisse Systematisierung im Sinne komparativer Stze nach Art eines beweglichen Systems123 nutzbar gemacht werden, da bei der Abwgung insbesondere auch die Wirksamkeit der in Frage stehenden Schutzmaßnahmen und die mit ihr verbundenen Belastungen zu bercksichtigen sind124. Denn die Interessenabwgung erfolgt jeweils in Bezug auf den mçglichen Inhalt der Verkehrspflichten. Es geht also bei der Abwgung immer um eine konkrete Verkehrspflicht, so dass aufgrund derselben Situation eine Verkehrspflicht mit einem bestimmten Inhalt bestehen kann, obwohl andere Verkehrspflichten mit einem weitergehenden Inhalt nicht mehr geboten sind. 119

Siehe oben S. 141. So unter Einbeziehung auch vertraglicher Ansprche Rçthel, Jura 2000, 617, 621. 121 Vgl. BGH, NJW-RR 2001, 1208 f.; Armbrster, NJW 2003, 3087, 3088 f.; J. Wenzel, NJW 2005, 241, 242. 122 Siehe oben S. 157. 123 Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 4 b (S. 424). 124 Zu der Interessenabwgung nher unten S. 247 ff. und 278 ff. 120

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§ 4 Verkehrspflichten als Voraussetzung der Haftung

V. Bestimmung der Verkehrspflichten Fr die gemeinsame Bestimmung der Verkehrspflichten der negatorischen und deliktischen Haftung ist zwar eine Systematisierung notwendig, beschrnkt sich aber auf ein offenes und bewegliches System, in dem auch die bisherigen Systematisierungsversuche ihren Platz finden, ohne alleinige Geltung beanspruchen zu kçnnen. ber dieses System ist nur eine Abschichtung der Fragestellungen mçglich, indem zwischen der Zurechenbarkeit, also der Frage, wer potentiell Verantwortlicher sein kann, und einer Abwgung der Interessen des potentiell Verantwortlichen und des Betroffenen sowie der Allgemeinheit, also der Frage, ob der potentiell Verantwortliche auch tatschlich verantwortlich ist, unterschieden wird.

A. Gemeinsame Bestimmung Daraus, dass die Verkehrspflichten gemeinsame Voraussetzung der negatorischen und der deliktischen Haftung sind125, ergibt sich, dass sie einheitlich fr die negatorische und die deliktische Haftung zu bestimmen sind. Differenziert man zwischen der Ebene der potentiellen Verantwortlichkeit, auf der es darum geht, wen eine Verkehrspflicht treffen kann, der Pflichtenebene, auf der es darum geht, ob eine Verkehrspflicht mit einem bestimmten Inhalt besteht, und der Anspruchsebene, auf der es darum geht, ob deliktische Schadensersatzansprche oder negatorische Unterlassungs- und Beseitigungsansprche gegeben sind, unterscheiden sich die Voraussetzungen der negatorischen und deliktischen Haftung nur auf der Anspruchsebene, whrend sie auf der Ebene der potentiellen Verantwortlichkeit und der Pflichtenebene bereinstimmen. Die Verwirklichung des Risikos als Voraussetzung der deliktischen Haftung und die qualifiziert drohende Verwirklichung des Risikos als Voraussetzung der negatorischen Haftung, die vor allem Gegenstand der Anspruchsebene sind, gehçren demgemß nicht mehr zu den Verkehrspflichten, sondern treten als weitere Haftungsvoraussetzung neben sie, die jeweils nur fr die negatorische und die deliktische Haftung gelten.

B. Notwendigkeit und Grenzen der Systembildung Die Bildung eines Systems der Voraussetzungen fr die Bestimmung des Inhalts der Verkehrspflichten und der damit verbundenen Abgrenzung der Freiheits- und Risikosphren des Handelnden und des Betroffenen ist notwendig, um Wertungswidersprche zu vermeiden. Allerdings ist durch die125

Vgl. oben S. 141 ff.

V. Bestimmung der Verkehrspflichten

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ses System keine vollstndige Determinierung der Verkehrspflichten mçglich. Es stellt vielmehr ein offenes und bewegliches System dar.

1. Notwendigkeit eines Systems Aus der Funktion der Verkehrspflichten, den allgemeinen Verletzungsbzw. Beeintrchtigungstatbestand auszufllen126, folgt die Notwendigkeit, Kriterien fr die Bestimmung der Verkehrspflichten bzw. der ihnen zugrunde liegenden Verhaltensstandards anzugeben. Zwar wird die Ansicht vertreten, dass bisher noch keine allgemeingltigen Gesichtspunkte zur Begrndung der Verkehrspflichten herausgearbeitet worden seien127 und eine abschließende Umschreibung der Voraussetzungen fr die Annahme von Verkehrspflichten nicht mçglich sei128. Aber um Wertungswidersprche zu vermeiden, bedarf es zumindest einer gewissen Systematik der fr die Bestimmung der Verhaltenspflichten maßgeblichen Grundstze129. Auch wenn die konkrete Bestimmung der Verkehrspflichten als Interessenabwgung notwendig eine nur auf der Basis der Umstnde des Einzelfalls mçgliche Wertung erfordert, die ber die mit der Anwendung von Recht verbundenen Wertungsspielrume hinausgeht, ist die Rechtsprechung bei der Ausfllung dieser Wertungsspielrume nicht frei. Vielmehr besteht nicht nur eine prinzipielle Begrndungspflicht, sondern der Wertungsspielraum kann auch bis zu einem gewissen Maß eingegrenzt werden. Diese Eingrenzung erfolgt zunchst dadurch, dass bestimmte Wertungen aus der allgemeinen Interessenabwgung ausgeklammert werden, indem zwischen der Verantwortung fr das Risiko im Sinne einer potentiellen Verpflichtung aus den Verkehrspflichten und dem Inhalt dieser Pflichten unterschieden wird. Sie erfolgt sodann dadurch, dass die im Rahmen der Interessenabwgung relevanten Wertungen und ihr Verhltnis zueinander nher bestimmt werden, insbesondere das ihnen zugrunde liegende System herausgearbeitet wird, was notwendig ist, um Wertungswidersprche bei der Bestimmung der Verkehrspflichten zu vermeiden. Die Notwendigkeit der Bestimmung zeigt sich insbesondere in Bezug auf die negatorische und deliktische Haftung fr Umweltschden. Hier kann nicht einfach von umweltspezifischen Verkehrspflichten ausgegangen 126 Vgl. fr das Deliktsrecht Erman/Schiemann, § 823 Rn. 79; Esser/Weyers, § 55 II 3 e (S. 173); hnl. Brggemeier, JZ 1986, 696, 971 f.; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 10; Steffen, ZVersWiss 82 (1993), 13, 17 ff. 127 So fr Verhaltenspflichten im Mittelbereich zwischen § 823 I und § 823 II BGB Erman/Schiemann, § 823 Rn. 10. 128 Erman/Schiemann, § 823 Rn. 79; hnl. Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 10. 129 hnl. Esser/Weyers, § 55 II 3 e (S. 174); von Prinzipien mittlerer Reichweite spricht in diesem Zusammenhang Mertens, VersR 1980, 397, vgl. auch 401 ff.; Assmann, Prospekthaftung, S. 265; hnl. Brggemeier, Prinzipien, S. 24 f.; Brggemeier, JZ 1986, 969, 972; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 10.

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§ 4 Verkehrspflichten als Voraussetzung der Haftung

werden, wie dies fr das Deliktsrecht vielfach vertreten wird130. Die umweltspezifischen Verkehrspflichten bedrfen nicht nur der Begrndung, sondern das Interesse am Schutz der Umwelt muss auch in Einklang mit den brigen Interessen insbesondere des Handelnden und des in seinen Rechtsgtern und Rechten Betroffenen gebracht werden. Der Umweltschutz kann nicht absolut gesetzt werden.

2. Offenes und bewegliches System Eine vollstndige Systematik aller Verkehrspflichten und der ihnen zugrundeliegenden Wertungen ist bisher nicht gelungen131. Die bisherigen Systematisierungen sind vor allem pragmatischer Natur und sagen noch nichts ber das Bestehen einer Haftung aus132; sie dienen vornehmlich der Darstellung. Erkennbare dogmatische Unterschiede sind mit ihnen nicht verbunden133. Auch wenn daher eine vollstndige Systematik zum Teil fr unmçglich gehalten wird134, was seinen Grund in ihrer Funktion der Ausfllung eines allgemeinen Verletzungstatbestands finde135, werden die Verkehrspflichten und die ihnen zugrundeliegenden Wertungen immerhin als ein bewegliches System im Sinne Wilburgs aufgefasst, dessen Elemente in kombinatorischer Weise zusammenwirken136. Damit erscheint es sinnvoll, die Wertungen zu ermitteln, die die Elemente dieses Systems bilden, und ihr kombinatorisches Zusammen- oder auch Gegeneinanderspiel137 bei der Begrndung der Verkehrspflichten zu untersuchen.

C. Systematisierungsversuche Die bisherigen Systematisierungsversuche betreffen entweder die negatorische oder die deliktische Haftung. Zudem beziehen sie sich nur auf die Anknpfung der Verantwortlichkeit oder den Inhalt der Verkehrspflichten, whrend sie die Abwgung der Interessen des Verantwortlichen und des 130 Vgl. etwa Enders, S. 272 ff.; Kçndgen, UPR 1983, 345, 351; Lytras, S. 135 ff.; MnchKomm-BGB/Mertens, 3. Aufl., Vor § 823 Rn. 67; Salje, Deutsche Rechtsprechung, Beilage zu Heft 1/1999, S. 3 ff. Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 51 f.; von Bar, KF 1987, S. 4, 12 f.; hnl. Gerlach, S. 271 f.; in Bezug auf Informationspflichten auch Mçllers, Rechtsgterschutz, S. 105 ff. 131 Weitergehend fr weitgehend ungeklrt hlt die Voraussetzungen der Verletzung einer Verkehrspflicht Herrmann, Stçrer, S. 238 ff.; Herrmann, FS Hattenhauer, S. 203, 205, 213. 132 Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 19. 133 hnl. Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 12. 134 So etwa Erman/Schiemann, § 823 Rn. 88. 135 Erman/Schiemann, § 823 Rn. 78. 136 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 e (S. 412); von Bar, in: Bydlinski u. a., S. 63, 69 f.; zustimmend auch Erman/Schiemann, § 823 Rn. 88. 137 Vgl. Bydlinski, Methodenlehre, S. 529.

V. Bestimmung der Verkehrspflichten

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Betroffenen unbercksichtigt lassen. Trotzdem sind sie fr die Bestimmung der gemeinsamen Verkehrspflichten der negatorischen und deliktischen Haftung relevant.

1. Negatorische Haftung Die im Zusammenhang mit der Bestimmung des Stçrers im Rahmen der negatorischen Haftung getroffenen Unterscheidungen zwischen Handlungs- und Zustandsstçrer sowie Ttigkeits- und Unttigkeitsstçrer138 beziehen sich mit der Person des Stçrers vor allem auf die Anknpfung der Verantwortlichkeit.

a) Handlungs- und Zustandsstçrer Die berkommene Unterscheidung im Rahmen der negatorischen Haftung ist diejenige zwischen Handlungsstçrer und Zustandsstçrer139. Als Handlungsstçrer wird dabei aufgefasst, wer die Beeintrchtigung durch seine Handlung oder sein pflichtwidriges Unterlassen verursacht140. Innerhalb der Handlungsstçrer wird weiter unterschieden zwischen dem unmittelbaren Stçrer, der die Beeintrchtigung durch seine Handlung selbst bewirkt, und dem mittelbaren Stçrer, der die Beeintrchtigung nicht unmittelbar verursacht, sondern erst durch die Handlung eines Dritten141 oder durch Natureinwirkungen142. Als Zustandsstçrer wird aufgefasst, wer fr die Sache verantwortlich ist, von der die Beeintrchtigung ausgeht, jedenfalls wenn die Beeintrchtigung wenigstens mittelbar auf seinen Willen zurckzufhren ist143.

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Eingehende Darstellung der Anstze bei Fritzsche, S. 427 ff. So etwa BGH, NJW 1998, 3273; BGH, NJW 2005, 1366, 1368 f.; Baur/Strner, § 12 Rn. 13 f.; Benecke, VersR 2006, 1037, 1038; Hk-BGB/Eckert, § 1004 Rn. 5; Jauernig/Jauernig, § 1004 Rn. 15; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 III (S. 683 ff.); Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 16 ff.; Soergel/Mhl, 12. Aufl., § 1004 Rn. 86; Manfred Wolf, Rn. 326 ff.; wohl auch Soergel/Mnch, § 1004 Rn. 114 ff.; auf der Basis der Usurpationstheorie auch Picker, Beseitigungsanspruch, S. 129 ff.; Picker, FS Gernhuber, S. 315, 343. 140 BGH, NJW-RR 2001, 232; Jauernig/Jauernig, § 1004 Rn. 16; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 16; hnl. unter der Bezeichnung Verhaltenshaftung Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456, 504. 141 BGHZ 49, 340, 347 f.; BGHZ 144, 200, 203 ff.; BGH, NJW 1982, 440; Bamberger/ Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 16 f.; Hk-BGB/Eckert, § 1004 Rn. 5; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 17. 142 Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 18. 143 So etwa BGH, NJW-RR 1996, 659; BGH, NJW 2005, 1366, 1368 f.; Hk-BGB/ Eckert, § 1004 Rn. 5; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 19; hnl. Baur/Strner, § 12 Rn. 14; Soergel/Mhl, 12. Aufl., § 1004 Rn. 86; gegen die Voraussetzung der Rckfhrbarkeit auf den Willen des Stçrers Herrmann, NJW 1997, 153 f.; Kbler, AcP 159 (1960/1961), 236, 276; Stickelbrock, AcP 197 (1997), S. 456, 489 ff. 139

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§ 4 Verkehrspflichten als Voraussetzung der Haftung

Allerdings bleibt dabei unklar, wie der Zustandsstçrer vom Handlungsstçrer abzugrenzen ist144, was gerade auch fr die Rechtsprechung gilt. So wird zum Teil ohne Differenzierung zwischen Handlungs- und Zustandsstçrer darauf abgestellt, ob ein Eigentmer den Nachteil oder das Risiko durch eigene Handlungen oder sein pflichtwidriges Unterlassen herbeigefhrt hat oder unterhlt145, wobei damit jedoch auch lediglich die Voraussetzungen der Zustands- und Handlungshaftung zusammengefasst werden kçnnen146. Aber auch dort, wo zwischen Handlungs- und Zustandsstçrer unterschieden wird, ist die Abgrenzung unklar, weil nur zum Teil auf die Verursachung des Nachteils bzw. Risikos durch eine Handlung als Unterscheidungskriterium abgestellt wird. So wird einerseits der Zustandsstçrer als Gegensatz zum Handlungsstçrer verstanden und dabei fr maßgeblich gehalten, dass beim Zustandsstçrer der Nachteil bzw. das Risiko nicht auf eine Handlung des Stçrers zurckzufhren ist147 oder dass umgekehrt beim Handlungsstçrer der Nachteil bzw. das Risiko gerade auf dessen Handlung beruht148. Andererseits wird als Zustandsstçrer auch derjenige begriffen, der den Nachteil bzw. das Risiko selbst herbeigefhrt hat149, so dass der Nachteil bzw. das Risiko doch auf eine Handlung des Stçrers zurckzufhren wre. Sowohl der Begriff des Handlungsstçrers als auch derjenige des Zustandsstçrers bezieht sich damit darauf, wer aufgrund welchen Sachverhalts potentieller Verantwortlicher sein kann, wobei sie sich insoweit unterscheiden, als der Handlungsstçrer an eine Handlung und der Zustandsstçrer an einen Zustand anknpft150. Das daneben genannte Unterscheidungskriterium, ob der Nachteil bzw. das Risiko auf einer Handlung des Stçrers beruht oder nicht, wird nicht durchgehalten, indem der Zustandsstçrer den Zustand, der zu dem Nachteil oder Risiko fhrt, selbst herbeigefhrt haben kann, so dass er zugleich zumindest mittelbarer Handlungsstçrer sein kann. Handlungs- und Zustandsstçrer kçnnen also nicht vollstndig unterschieden werden, sondern berschneiden sich. Die Unterscheidung zwischen Handlungs- und Zustandsstçrer bezieht sich somit nicht auf die Notwen144 So im Ausgangspunkt auch Herrmann, JuS 1994, 273, 275 mit Fn. 37; Herrmann, NJW 1997, 64 ff., 153, 155; Herrmann, Stçrer, S. 58 ff., 63; von fließenden bergngen spricht Jauernig/Jauernig, § 1004 Rn. 15; hnl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 e (S. 412); kritisch zu der Unterscheidung etwa auch Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 109; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 38; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 96 ff. 145 So etwa BGHZ 90, 255, 266; BGH, NJW 1995, 2633, 2634; hnl. J. Wenzel, NJW 2005, 241, 242 f.; von einer Arbeitsformel spricht Soergel/Mhl, 12. Aufl., § 1004 Rn. 86. 146 So etwa BGH, NJW-RR 2001, 232. 147 So BGH, NJW 1989, 2541, 2542; BGH, NJW-RR 2001, 232; im Ausgangspunkt auch BGH, NJW 1985, 1773, 1774. 148 So BGH, NJW 1996, 845, 846. 149 So BGH, NJW 1985, 1773, 1774; BGH, NJW 2005, 1366, 1368 f.; Hk-BGB/Eckert, § 1004 Rn. 5; bei mittelbarer Verursachung auch Jauernig/Jauernig, § 1004 Rn. 17. 150 Vgl. Jauernig/Jauernig, § 1004 Rn. 16 f.

V. Bestimmung der Verkehrspflichten

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digkeit weiterer Zurechnungsgrnde, sondern lsst offen, welche Konsequenzen sie in Bezug auf die Bestimmung des Inhalts der Verkehrspflichten hat, insbesondere auf die dazu notwendige Abwgung der Interessen des potentiell Verantwortlichen und des Betroffenen.

b) Ttigkeits- und Unttigkeitsstçrer Der Vorschlag, die Differenzierung zwischen Handlungs- und Zustandstçrer durch die Unterscheidung zwischen Ttigkeits- und Unttigkeitsstçrer zu ersetzen, um eine klarere Abgrenzung zu erreichen, ohne zu anderen Ergebnissen zu kommen, knpft gerade an die Notwendigkeit weiterer Zurechnungsgrnde an, die ber die tatschliche oder potentielle Kausalitt des Verhaltens fr die Beeintrchtigung hinausgehen; Ttigkeitsstçrer ist dabei, wer durch sein aktuell andauerndes positives Tun die Beeintrchtigung unmittelbar verursacht; Unttigkeitsstçrer, wer kein Ttigkeitsstçrer ist, die Mçglichkeit der Beseitigung der Beeintrchtigung hat und durch die Nichtbeseitigung eine Pflichtwidrigkeit begeht151. Auch soweit die Unterscheidung zwischen Ttigkeits- und Unttigkeitsstçrer dabei auf die Zurechnung bezogen wird152, bleibt sie fr die hier interessierende Bestimmung der Verkehrspflichten relevant, da die Zurechnung zugleich mit dem Bestehen von Pflichten gleichgesetzt wird153. Diese Unterscheidung ist jedoch insofern problematisch, als die Pflichtwidrigkeit in Form der Verkehrspflichtverletzung nicht nur beim Unttigkeits-, sondern auch beim Ttigkeitsstçrer vorliegen muss, um die Haftung zu begrnden154, so dass sich die Notwendigkeit weiterer Zurechnungsgrnde nicht als Unterscheidungskriterium eignet. Eine Unterscheidung zwischen einer Stçrerhaftung mit einem ber die Verursachung oder mçgliche Verhinderung der Beeintrchtigung hinausgehenden Zurechnungsgrund und einer Stçrerhaftung ohne einen solchen Zurechnungsgrund und damit zwischen einer Stçrerhaftung mit und ohne Wertungsspielraum im Rahmen der Verkehrspflichten ist somit nicht mçglich.

c) Handlungshaftung oder Zustandshaftung? Auf den Befund, dass sich die Notwendigkeit weiterer Zurechnungsgrnde nicht als Unterscheidungskriterium eignet, sttzt sich auch die Auffassung, dass die negatorische Haftung nicht als Handlungshaftung, sondern nur als 151 MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 39 ff.; zustimmend Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 109 ff.; Schapp/Schur, Sachenrecht, Rn. 158 f.; H. P. Westermann, Sachenrecht, Rn. 70; auch Fritzsche, S. 434. 152 Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 122; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 45. 153 Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 109 f.; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 46 ff. 154 Siehe oben S. 130; fr die deliktische Haftung auch Erman/Schiemann, § 823 Rn. 78.

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§ 4 Verkehrspflichten als Voraussetzung der Haftung

Zustandshaftung verstanden werden kann155. Diese Auffassung ist jedoch zunchst insofern problematisch, als sie diese Zurechnungsgrnde nicht in der Pflichtwidrigkeit des Verhaltens durch einen Verstoß gegen Verkehrspflichten sieht, sondern in der Usurpation fremden Eigentums156, was, wie dargelegt157, mit dem gesetzlichen System und seinen Wertungen nicht vereinbar ist. Sie ist zudem auch insofern problematisch, als sie davon ausgeht, dass weitere Zurechnungsgrnde nur im Rahmen der Zustandshaftung bercksichtigt werden kçnnen, weil die Handlungshaftung notwendig als reine Kausalhaftung aufzufassen sei und daher keine Zurechnungsgrnde bercksichtigen kçnne, die ber die tatschliche oder potentielle Kausalitt des Verhaltens fr die Beeintrchtigung hinausgingen. Insoweit verkennt sie, dass die Unterscheidung zwischen Handlungs- und Zustandshaftung die Kausalhaftung nicht notwendig als reine Kausalhaftung begreift, weil diese Unterscheidung die Frage nach weiteren Zurechnungsgrnden berhaupt nicht bercksichtigt. Genau in diesem Punkt setzt ja auch die Kritik an, die stattdessen zwischen Ttigkeits- und Unttigkeitsstçrer unterscheiden mçchte158. Da auch der Zustandsstçrer die Beeintrchtigung wenigstens mittelbar durch seine Handlung oder sein pflichtwidriges Unterlassen verursacht haben muss159, schiebt sich zwischen den Zustand und die Beeintrchtigung notwendig ein Verhalten. Demgemß wird auch vertreten, dass der Zustandsstçrer eigentlich Handlungsstçrer sei, da nicht die bloße Herrschaft ber die Stçrungsquelle, also die bloße Mçglichkeit der Verhinderung einer Beeintrchtigung eine Abwehrpflicht begrnde, sondern erst die Pflichtwidrigkeit des Unterlassens der Verhinderung160. hnlich wird vorgeschlagen, die Zustandshaftung als eine Haftung wegen kausalen Unterlassens aufzufassen und entsprechend zu konkretisieren161. Die negatorische Haftung wre damit nicht allgemein als Zustandshaftung, sondern umgekehrt allgemein als Verhaltenshaftung zu verstehen, was dem Haftungsgrund entsprche. Denn dieser liegt, wie oben erçrtert162, fr die negatorische, aber auch fr deliktische Haftung in einem pflichtwidrigen Verhalten.

155 So auf der Grundlage der Eigentumsusurpation als Zurechnungsgrund Staudinger/ Gursky, § 1004 Rn. 97 f.; hnlich Picker, Beseitigungsanspruch, 25 ff.; Picker, FS Bydlinski, S. 269, 279 f., 290 ff., 304 ff. 156 So Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 99. 157 Siehe oben S. 48 ff. 158 Vgl. Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 109; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 40. 159 BGH, NJW-RR 2001, 1208; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 19; in diese Richtung auch Fritzsche, S. 435 ff.; im Ausgangspunkt auch H. Roth, JuS 2001, 1161. 160 So Erman/Ebbing, §1004 Rn. 109; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 94 f. 161 So unter Verweis auf eine sich aus § 908 BGB ergebende Sicherungspflicht Herrmann, NJW 1997, 153, 155 f.; hnl. Herrmann, Stçrer, S. 131 ff., 140. 162 Vgl. oben S. 130.

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d) Handlungs- und Nichthandlungshaftung Trotzdem kann die Differenzierung zwischen Handlungs- und Zustandsstçrer nicht als nur wenig aussagekrftig abgetan werden163. Denn anders als die Unterscheidung zwischen Ttigkeits- und Unttigkeitsstçrer, aber auch anders als die Vorschlge einer allgemeinen Zustandshaftung und umgekehrt einer allgemeinen Verhaltenshaftung, setzt sie nicht auf der Pflichtenebene an und fragt nicht danach, wie sich der Verantwortliche verhalten hat oder verhalten sollte, sondern stellt darauf ab, wer berhaupt als Verantwortlicher in Frage kommt, setzt also bei der Person und ihrer potentiellen Verantwortlichkeit an. Whrend die Unterscheidung zwischen Ttigkeits- und Unttigkeitsstçrer, wie gerade gezeigt, insoweit ins Leere luft, als die Notwendigkeit weiterer Zurechnungsgrnde kein taugliches Unterscheidungskriterium ist, weil die Haftung sowohl bei positivem Tun als auch bei Unterlassen eine Verkehrspflichtverletzung voraussetzt, erscheint die Differenzierung zwischen Handlungs- und Zustandsstçrer insoweit sinnvoll, als sie deutlich macht, dass die potentielle Verantwortlichkeit nicht nur fr ein positives Tun bestehen kann, das ein Risiko gesetzt hat und daher eine Verkehrspflicht auslçsen kann, sondern auch fr einen bloßen Zustand, der ein Risiko beinhaltet und daher eine Verkehrspflicht zur Folge haben kann, die nicht auf ein positives Tun zurckgefhrt werden kann und daher einer eigenstndigen Begrndung bedarf. Der Handlungshaftung wird also eine Nichthandlungshaftung gegenbergestellt. Allerdings bleibt festzuhalten, dass einerseits nicht nur die Zustands-, sondern auch die Verhaltenshaftung einen Zurechnungsgrund voraussetzt, der ber die tatschliche oder potentielle Kausalitt des Verhaltens fr die Beeintrchtigung hinausgeht, indem er auf einer Pflichtwidrigkeit in Form einer Verkehrspflichtverletzung beruht, und andererseits auch die Zustandshaftung an ein Verhalten anknpft, das pflichtwidrig sein muss. Deshalb wird hier zwischen Handlungs- und Nichthandlungshaftung unterschieden. Beide haben zunchst nur eine potentielle Verantwortlichkeit und damit Haftung zum Gegenstand, die erst dann aktuell wird und die Haftung fr ein Risiko begrndet, wenn eine Verkehrspflicht verletzt wird, die neben dem Bestehen eines Risikos und der potentiellen Verantwortlichkeit ein berwiegen der Interessen des Betroffenen ber diejenigen des Verantwortlichen voraussetzt. Die Handlungshaftung beruht jedoch auf einem positiven Tun, aus dem sich die Zurechenbarkeit des daraus resultierenden Risikos ergibt, whrend es bei der Nichthandlungshaftung an einem positiven Tun fehlt, so dass die Zurechenbarkeit des aus einer Nichthandlung resultierenden Risikos einer weiteren Begrndung bedarf. 163 In diese Richtung aber Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 109; Jauernig/Jauernig, § 1004 Rn. 15; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 40; J. Wenzel, NJW 2005, 241.

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§ 4 Verkehrspflichten als Voraussetzung der Haftung

Gegen die Gegenberstellung von Handlungs- und Nichthandlungsstçrer kann dabei nicht eingewendet werden, dass darin ein »Alles-oderNichts-Standpunkt« liege, der es ausschließe, Flle geringerer und Flle gesteigerter Verantwortung sowie kausale Handlungsbeitrge von kleinerem und grçßerem Gewicht im Wege eines beweglichen Systems zu erfassen164. Denn die Gegenberstellung betrifft zunchst nur die Ebene der potentiellen Verantwortung, whrend die Unterschiede hinsichtlich des Gewichts der Verantwortung und der Handlungsbeitrge auf der Pflichtenebene im Rahmen der Abwgung der Interessen des potentiell Verantwortlichen und des Betroffenen bercksichtigt werden.

2. Deliktische Haftung Im Rahmen der deliktischen Haftung werden vor allem pragmatische Gliederungen vorgeschlagen. Systematisch wird nur zwischen Sicherungsund Frsorgepflichten unterschieden.

a) Pragmatische Gliederungen Die pragmatischen Gliederungen der Verkehrspflichten im Rahmen der deliktischen Haftung dienen der Bestimmung des potentiell Verantwortlichen. So geht es etwa bei der Unterscheidung, die zwischen Pflichten zur Vermeidung von Gefahren, die von bestimmten Sachen ausgehen; Pflichten durch die Teilnahme am Verkehr sowie durch Veranstaltung oder Aufrechterhaltung eines Verkehrs; Pflichten durch das Inverkehrbringen von Sachen; und Berufspflichten differenziert165, um die Anknpfung der Verantwortlichkeit. Dasselbe gilt fr die abstraktere und umfassendere Unterscheidung von Pflichten aus Haftung aus vorangegangenem gefhrlichem Tun, aus Bereichshaftung und aus bernahmehaftung166. Es werden jeweils vor allem die verschiedenen Sachverhalte unterschieden, aus denen sich eine Verantwortlichkeit ergeben kann. Gemeinsame Voraussetzung dieser Sachverhalte ist das Schaffen oder Aufrechterhalten eines Risikos. Dieses wird demgemß zu Recht regelmßig als Ausgangspunkt fr die Bestimmung von Verkehrspflichten genannt167. Soweit neben den im vorherigen Absatz genannten Pflichten 164

So aber Otte, AcP 195 (1995), 303, 306. So etwa Erman/Schiemann, § 823 Rn. 88; hnl. Antwaltkommentar/Katzenmeier, § 823 Rn. 128 ff.; Prtting/Wegen/Weinreich/Schaub, § 823 Rn. 105; MnchKomm-BGB/ Mertens, 3. Aufl., § 823 Rn. 210; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 13 ff. 166 So Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 (S. 406 ff.); hnl. RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 152 ff. 167 So in der Gefahrenterminologie etwa BGHZ 121, 367, 375; BGH, NJW 1975, 108; BGH, NJW-RR 1989, 219; BGH, NJW 1990, 1236 f.; hnl. Palandt/Sprau, § 823 Rn. 46; RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 151; vgl. auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 165

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auch Pflichten aus der Schaffung einer Gefahr angenommen werden168, kann es sich demgemß zwar um Pflichten aus vorangegangenem Tun handeln, aber das Schaffen oder Aufrechterhalten einer Gefahr bildet an sich keine eigenstndige Kategorie, die neben den anderen Kategorien steht, sondern gilt fr alle Kategorien, indem es deren gemeinsame Voraussetzung darstellt, was sich schon aus der Funktion der Verkehrspflichten ergibt, Risiken und Gefahren zuzuweisen.

b) Sicherungs- und Frsorgepflichten Die Differenzierung zwischen Sicherungs- und Frsorgepflichten unterscheidet die Zustndigkeit zur Sicherung einer Gefahrenquelle, bei der grundstzlich alle durch diese gefhrdeten Rechtsgter geschtzt werden sollen, von der Zustndigkeit zur Frsorge fr bestimmte Rechtsgter und Rechte anderer, bei der nur diese vor allen Gefahren geschtzt werden sollen169. Sie knpft dabei zunchst an die Unterscheidung zwischen Beschtzer- und berwachungsgaranten durch die Strafrechtsdogmatik an, der dort allerdings vor allem systematische Bedeutung und eine nur geringe Aussagekraft hinsichtlich Inhalt und Umfang der dem Garanten obliegenden Pflichten zugesprochen wird170. In der Sache mçchte sie die von ihr konstatierte hnlichkeit und berschneidung der Gesichtspunkte der pragmatischen Gliederungen vermeiden171. Sie bezieht sich dabei auf die Unterscheidung zwischen der Haftung aus vorangegangenem gefhrlichen Tun, der Bereichshaftung und der bernahmehaftung, spricht jedoch der Haftung aus vorangegangenem Tun die eigenstndige Bedeutung ab, da das Bestehen von Verkehrspflichten eine selbstverstndlich Folge der Kreation einer Gefahrenlage durch ein Verhalten sei, und mçchte sie als Fall der Bereichshaftung einordnen172. Die Differenzierung zwischen Sicherungs- und Frsorgepflichten erweist sich demgemß als der Versuch, einerseits die Haftung aus vorangegangenem Tun als eigenstndige Kategorie auszublenden und andererseits die Unterscheidung zwischen Bereichs- und bernahmehaftung dadurch genauer zu fassen, dass an die Stelle der BereichshafIII 1 d (S. 402 f.); im Hinblick auf Gefahrschaffung ohne Differenzierung zwischen Hervorrufen und Andauernlassen auch BGHZ 103, 338, 340; BGHZ 123, 102, 105 f.; BGHZ 136, 69, 77; BGH, NJW-RR 2002, 525, 526; BGH, NJW-RR 2003, 1459; BGH, NJW 2004, 1449, 1450; BGH, NJW 2006, 2326; BGH, NJW 2006, 610, 611; BGH, NJW-RR 2006, 674, 676; BGH, NJW 2007, 1683, 1684. 168 So MnchKomm-BGB/Mertens, 3. Aufl., § 823 Rn. 213; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 13 ff. 169 MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 223 ff.; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 19 ff. 170 Vgl. Schçnke/Schrçder/Stree, StGB, § 13 Rn. 9. 171 MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 223; fr in der Praxis unerheblich hlt diese berschneidungen Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 e (S. 412). 172 MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 229.

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tung die Haftung fr Sicherungspflichten tritt und demgemß an die Stelle der bernahmehaftung die Haftung fr Frsorgepflichten. Maßgeblich fr die Unterscheidung zwischen Sicherungs- und Frsorgepflichten ist dabei die Perspektive der Verkehrspflichten, indem die Sicherungspflichten von der Gefahrenquelle ausgehen und die Frsorgepflichten von den gefhrdeten Rechtsgtern oder Rechten. Anders als bei der Differenzierung zwischen der Haftung aus vorangegangenem gefhrlichen Tun, Bereichshaftung und bernahmehaftung wird damit nur auf die Modalitt, nicht aber auf den Grund der Haftung abgestellt. Dies zeigt sich insbesondere bei dem vorangegangenen gefhrlichen Tun als Grund der potentiellen Verantwortlichkeit, wo zwar davon ausgegangen wird, dass es als Kreation einer Gefahrenlage selbstverstndlich Verkehrspflichten zur Folge habe, dies aber nur insofern fr relevant gehalten wird, als sich diese Verkehrspflichten als Sicherungspflichten darstellen, weshalb das vorangegangene Tun der Bereichshaftung zuzuordnen sei, an deren Stelle wiederum die Haftung fr Sicherungspflichten trete173. Unbercksichtigt bleibt dabei, dass die Bereichshaftung und die Sicherungspflichten zwar auf vorangegangenem Tun beruhen kçnnen und hufig auch werden, aber nicht mssen, indem sich die Verantwortlichkeit sowohl aus einer Handlung als auch aus der rechtlichen Zuordnung einer Sache ergeben kann. Die Unterscheidung zwischen Sicherungs- und Frsorgepflichten setzt damit die potentielle Verantwortlichkeit als Voraussetzung der potentiellen Pflichten bereits voraus. Sie kann daher zwar fr die Frage nach dem Bestehen von Verkehrspflichten und die dafr notwendige Interessenabwgung fruchtbar sein, nicht aber fr die Frage nach der potentiellen Verantwortlichkeit.

3. Relevanz fr die negatorische und die deliktische Haftung Die genannten Systematisierungsversuche sind zwar zunchst entweder nur auf die deliktische oder nur auf die negatorische Haftung bezogen; die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen sind jedoch nicht darauf beschrnkt, sondern haben sowohl fr die deliktische als auch fr die negatorische Haftung Bedeutung. Demgemß werden etwa die pragmatischen Unterscheidungen der deliktischen Haftung auf die Differenzierung zwischen Handlungs- und Zustandsstçrer bezogen, indem die Bereichshaftung als Zustandshaftung und die Haftung aus vorangegangenem Tun und die bernahmehaftung als Handlungshaftung charakterisiert werden174. Wendet man die diskutierten Systematisierungsversuche sowohl auf die negatorische als auch auf die deliktische Haftung an, ist zwischen den Versuchen 173 174

Vgl. MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 229. So Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 e (S. 412).

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zu unterscheiden, die sich auch auf die Ebene der potentiellen Verantwortlichkeit fr ein Risiko beziehen, und denjenigen, die sich nur auf die Pflichtenebene beziehen, also darauf, ob tatschlich eine Verkehrspflicht mit einem bestimmten Inhalt besteht, insbesondere die dafr notwendige Interessenabwgung. So beziehen sich die pragmatischen Unterscheidungen des Deliktsrechts, insbesondere diejenige zwischen der Haftung aus vorangegangenem gefhrlichen Tun, der Bereichshaftung und der Zustandshaftung, ebenso wie die Differenzierung zwischen Handlungs- und Zustandsstçrer vor allem auf die Bestimmung des potentiell Verantwortlichen, whrend die Unterscheidung zwischen Ttigkeits- und Unttigkeitsstçrer ebenso wie die Differenzierung zwischen Sicherungs- und Frsorgepflichten nur im Rahmen der Abwgung der Interessen des potentiell Verantwortlichen und des Betroffenen Bedeutung hat.

D. Abschichtung der Fragestellungen Aus den dargestellten Systematisierungsversuchen ergibt sich die Mçglichkeit, im Rahmen der Bestimmung der Verkehrspflichten zwischen der Zurechenbarkeit im Sinne der potentiellen Verantwortlichkeit und der Abwgung der Interessen des potentiell Verantwortlichen und des Betroffenen sowie der Allgemeinheit abzuschichten. Dabei kommt den Unterscheidungen, die den Systematisierungsversuchen zugrunde liegen, im Rahmen der Zurechenbarkeit und der Interessenabwgung unterschiedliche Relevanz zu.

1. Mçglichkeit der Abschichtung Bei der Bestimmung der Verkehrspflichten kçnnen die relevanten Gesichtspunkte sowohl bei der negatorischen als auch bei der deliktischen Haftung zunchst nach Fragestellungen gegliedert und nach Vorfragen abgeschichtet werden. Bereits erçrtert wurde der Ausgangspunkt, dass berhaupt ein Risiko besteht, das der Zuordnung bedarf175. Gegenstand der Bestimmung ist jeweils das Bestehen einer auf dieses Risiko bezogenen Verkehrspflicht mit einem bestimmten Inhalt. Fr diese Verkehrspflichten ist sodann zu fragen, wer potentiell Verantwortlicher sein kann, welche Personen also einen derartigen Bezug zum Risiko aufweisen, dass sie neben dem Betroffenen fr die Zuordnung des Risikos in Betracht kommen176. Die Beantwortung dieser Fragen liefert einen Teil der Elemente, die in die Abwgung zwischen den Interessen des potentiell Verantwortlichen und des Betroffenen einzu175

Siehe oben S. 153 ff. hnl. fr eigenstndige Bestimmung des Pflichtentrgers von Bar, Verkehrspflichten, S. 122. 176

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§ 4 Verkehrspflichten als Voraussetzung der Haftung

stellen sind, wo schließlich die verbleibenden fr die Bestimmung der Verkehrspflichten wesentlichen Wertungen bercksichtigt werden und der tatschlich Verantwortliche bestimmt wird, fr den die Verkehrspflichten gelten und der bei ihrer Verletzung haftet. Bei der Bestimmung der Verkehrspflichten kann demgemß nicht nur nicht direkt auf die Gerechtigkeitskriterien zurckgegriffen werden177, sondern auch nicht direkt auf die im Rahmen der Abwgung der Interessen des potentiell Verantwortlichen und des Betroffenen zu bercksichtigenden Wertungen. Vielmehr muss aufgrund der unterschiedlichen Wertungsebenen zunchst abgeschichtet werden.

2. Zurechenbarkeit Auf der Ebene der potentiellen Verantwortlichkeit fr ein Risiko erweist sich dabei letztendlich die Unterscheidung zwischen Handeln und Nichthandeln als grundlegend. Denn ein fr den eingetretenen oder drohenden Nachteil kausales positives Tun begrndet immer eine potentielle Verantwortlichkeit des Handelnden, die allerdings nur dann aktuell wird und eine Haftung auslçst, wenn entweder in dem Tun selbst eine Verkehrspflichtverletzung liegt oder das Tun ein Risiko setzt, das eine Verkehrspflicht zwar nicht sofort, sondern erst spter auslçst, wenn weitere Umstnde hinzukommen, so dass dann das Unterlassen von Maßnahmen zur Abwendung oder Verringerung des Risikos gegen diese Verkehrspflicht verstçßt. Fehlt es an einem derartigen Handeln, kann es auch keine potentielle Verantwortlichkeit begrnden, so dass diese der Zuweisung durch die Rechtsordnung und damit einer besonderen Begrndung bedarf. Auch diese potentielle Verantwortlichkeit wird erst dann aktuell und lçst erst dann eine Haftung aus, wenn das Bestehen einer Verkehrspflicht und ein Verstoß dagegen hinzutreten. Allerdings ist dabei die Begrndung der potentiellen Verantwortlichkeit bei der Nichthandlungshaftung nicht mit dem Bestehen von Verkehrspflichten zur Abwendung oder Verringerung eines Risikos gleichzusetzen. Die Unterscheidung zwischen Handlungs- und Nichthandlungshaftung findet auf der Ebene der potentiellen Verantwortlichkeit statt, whrend die Verkehrspflichten die Ebene der Verhaltenspflicht betreffen, fr die die potentielle Verantwortlichkeit eine Voraussetzung ist, aber weitere Voraussetzungen hinzutreten mssen, insbesondere ein berwiegen der Interessen des Betroffenen ber diejenigen des Verantwortlichen. Die Differenzierung zwischen Handlungs- und Nichthandlungshaftung ist demgemß nicht mit der Unterscheidung zwischen Ttigkeits- und Unttigkeitsstçrer zu ver177 So aber unter Verweis auf den Vorrang der Zurechnungsgrnde des vorangegangenen Tuns, der bernahme einer Aufgabe und der Bereichshaftung Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 4 a (S. 412).

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wechseln, da diese nicht die Ebene der potentiellen Verantwortlichkeit betrifft, sondern die Pflichtenebene und dabei zudem auf das Kriterium des Bestehens oder Nichtbestehens einer Verkehrspflicht abstellen mçchte. Die Differenzierung zwischen Handlungs- und Nichthandlungshaftung ist auch nicht mit der Unterscheidung zwischen Handlungs- und Zustandsstçrer gleichzusetzen. Zwar bezieht sich diese Unterscheidung ebenfalls auf die Ebene der potentiellen Verantwortlichkeit, aber der Zustandsstçrer ist – wie gezeigt – nicht notwendig Nichthandlungsstçrer, sondern kann auch Handlungsstçrer sein. Die potentielle Verantwortlichkeit fr einen Zustand kann sowohl auf einem fr diesen Zustand kausalen Tun beruhen, also Handlungshaftung sein, als auch auf einer davon unabhngigen besonderen Begrndung, also Nichthandlungshaftung sein. Die Unterscheidung zwischen Handlungs- und Zustandsstçrer erweist sich insoweit als unscharf. Eine scharfe Unterscheidung stellt sie nur dann dar, wenn sie nicht an den Zustand, sondern an die Ursache des Zustands angeknpft, also der Differenzierung zwischen Handlungs- und Nichthandlungshaftung entspricht. Die ebenfalls die Ebene der potentiellen Verantwortlichkeit betreffende Unterscheidung zwischen der Haftung aus vorangegangenem gefhrlichen Tun, Bereichshaftung und bernahmehaftung wrde mit der Differenzierung zwischen Handlungs- und Nichthandlungshaftung insoweit bereinstimmen, als die Haftung aus vorangegangenem Tun der Handlungshaftung und die Bereichshaftung der Nichthandlungshaftung entsprche, wenn die Bereichshaftung so verstanden wrde, dass sie nicht auf einer fr den Zustand dieses Bereichs urschlichen Handlung beruht. Demgegenber wird die Bereichshaftung aber als Einstandspflicht fr die Sicherheit eines bestimmten Bereichs verstanden178 und darunter etwa auch die Erçffnung eines Verkehrs gezhlt179, die auf einer Handlung beruht, so dass die Abgrenzung zur Haftung aus vorangegangenem Tun fragwrdig wird. Die Differenzierung zwischen Handlungs- und Nichthandlungshaftung ordnet solche Flle dagegen der Handlungshaftung zu und vermeidet so die aus der berschneidung der Haftung aus vorangegangenem Tun mit der Bereichshaftung resultierenden Abgrenzungsprobleme. Die Annahme einer eigenstndigen bernahmehaftung wird damit begrndet, dass die potentielle Verantwortlichkeit hier erst aufgrund der bernahme der Aufgabe entsteht180. Die Haftung beruht dabei einerseits auf einem vorangegangenem Tun, der bernahme einer Aufgabe, steht aber andererseits insoweit zwischen der Handlungs- und der Zustandstçrereigenschaft, als sich die bernommene Aufgabe auf die aus einem Be178 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 a (S. 407 f.); RGRK/Steffen, § 823 Rn. 153; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 16. 179 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 a (S. 407 f.); RGRK/Steffen, § 823 Rn. 153; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 19. 180 Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 b (S. 408 f.).

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reich resultierenden Risiken bezieht, auch wenn dieser Bereich durch ein Tun geschaffen oder definiert wird. Die damit verbundenen berschneidungen und Abgrenzungsschwierigkeiten vermeidet die Differenzierung zwischen Handlungs- und Nichthandlungshaftung, indem sie entsprechend der Frage nach der potentiellen Verantwortlichkeit allein auf die Begrndung der Haftung abstellt und die Flle der bernahmehaftung daher der Handlungshaftung zuordnet. Die Unterscheidung zwischen der Haftung aus vorangegangenem gefhrlichen Tun, Bereichshaftung und bernahmehaftung deckt sich damit nicht mit der Differenzierung zwischen Handlungs- und Nichthandlungshaftung. Ersterer kommt nur insoweit Bedeutung zu, als im Rahmen der Handlungshaftung zwischen einer direkten Haftung aus vorangegangenem Tun und einer indirekten Haftung als auf vorangegangenes Tun zurckzufhrende Bereichshaftung oder als bernahmehaftung unterschieden werden kann, whrend die Nichthandlungshaftung immer Bereichshaftung ist. hnlich kann die Handlungshaftung gemß der Unterscheidung zwischen Handlungs- und Zustandsstçrer differenziert werden, whrend die Nichthandlungshaftung immer Zustandshaftung ist.

3. Interessenabwgung Whrend damit auf der Ebene der potentiellen Verantwortlichkeit nur die Differenzierung zwischen Handlungs- und Nichthandlungshaftung maßgeblich ist und die Unterscheidungen zwischen Handlungs- und Zustandsstçrer und zwischen Ttigkeits- und Unttigkeitsstçrer berlagert, kann im Rahmen der Interessenabwgung auf der Pflichtenebene auch der Unterscheidung zwischen Sicherungs- und Frsorgepflichten sowie zwischen Ttigkeits- und Unttigkeitsstçrer Bedeutung zukommen. Denn wenn man davon ausgeht, dass das Bestehen von Sicherungspflichten fr Risiken die Regel ist, whrend Frsorgepflichten fr die Rechtsgter und Rechte anderer eine Ausnahme darstellen181, knpft die Unterscheidung zwischen Sicherungs- und Frsorgepflichten daran an, dass die Interessen des Betroffenen diejenigen des Verantwortlichen bei der Annahme von Frsorgepflichten in der Regel strker berwiegen mssen als bei der Annahme von Sicherungspflichten. hnlich knpft die Unterscheidung zwischen Ttigkeitsund Unttigkeitshaftung, die darauf abstellen mçchte, dass nur bei der letzteren die Notwendigkeit weiterer Zurechnungsgrnde bestehe182, daran an, dass der Begrndungsaufwand fr eine Nichthandlungshaftung regel181 So etwa MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 227; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 19; Ulmer, JZ 1969, 163, 170. 182 Vgl. MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 45 ff.; zustimmend Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 109 ff.; Schapp/Schur, Rn. 158 f.; H. P. Westermann, Rn. 70; auch Fritzsche, S. 434.

V. Bestimmung der Verkehrspflichten

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mßig grçßer sei als fr eine Handlungshaftung. Allerdings kçnnen die Unterscheidungen, wie dargelegt, nicht verabsolutiert werden; ihren Anknpfungspunkten kommt im Rahmen der Interessenabwgung allenfalls Indizwirkung zu.

§ 5 Zurechenbarkeit als Voraussetzung der Verkehrspflichten Die Zurechenbarkeit entscheidet darber, wer fr ein Risiko in dem Sinne potentiell verantwortlich ist, dass seine Interessen mit denjenigen des Betroffenen abzuwgen sind und fr ihn Verkehrspflichten gelten, wenn diese Abwgung zu seinen Ungunsten ausgeht. Sie liegt vor, wenn die Mçglichkeit der Risikosteuerung besteht und ein Zurechnungsgrund vorliegt.

I. Mçglichkeit der Risikosteuerung Die Mçglichkeit der Risikosteuerung setzt zunchst sowohl fr die negatorische als auch die deliktische Haftung voraus, dass das Verhalten des potentiell Verantwortlichen Einfluss auf das Risiko hat und das Risiko erkennbar ist, nicht aber dass die Risikosteuerung zumutbar ist. Beim maßgeblichen Zeitpunkt fr die Bestimmung der Mçglichkeit der Risikosteuerung ist hingegen zwischen der negatorischen und deliktischen Haftung zu unterscheiden.

A. Einfluss auf das Risiko Die Risikosteuerung muss zunchst tatschlich und rechtlich mçglich sein, das Verhalten des potentiell Verantwortlichen muss also Einfluss auf die Vermeidung oder Verringerung des Risikos haben, was als notwendige Voraussetzung des Bestehens von Verkehrspflichten allgemein anerkannt ist1. Die Mçglichkeit der Einflussnahme kann sowohl in einem Tun als auch in einem Unterlassen liegen. Dabei ist die Mçglichkeit der Risikosteuerung jeweils auf den Inhalt einer konkreten Verkehrspflicht bezogen, so dass die Unmçglichkeit einer bestimmten Maßnahme nicht ausschließt, dass andere Maßnahmen mçglich sind und mithin eine potentielle Verantwortlichkeit besteht. So ist dort, wo ein passiver Schutz ausgeschlossen ist, in der Regel 1 So etwa BGHZ 9, 373, 383 f.; BGHZ 14, 83, 87; BGHZ 142, 66, 70; BGHZ 155, 99, 105 f.; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 90; Prtting/Wegen/Weinreich/Schaub, § 823, Rn. 112; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 224; RGKR/Steffen, § 823 Rn. 148 f., 157; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 32; von Bar, Verkehrspflichten, S. 122 ff.

I. Mçglichkeit der Risikosteuerung

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ein aktiver Schutz mçglich. Auch ist dort, wo Sicherungsmaßnahmen unmçglich sind, vielfach die vollstndige Beseitigung der Gefahrenquelle nicht ausgeschlossen.

B. Zumutbarkeit Daneben wird die Zumutbarkeit der Risikosteuerung vorausgesetzt2. Dabei wird die Zumutbarkeit allerdings zum Teil relativ bestimmt, indem im Rahmen der Interessenabwgung auf die Gesamtumstnde abgestellt wird3; zum Teil absolut, indem sie allein nach den Verhltnissen des Verantwortlichen ermittelt wird4. Gegen die absolut bestimmte Unzumutbarkeit spricht dabei zunchst die Parallele zu der wirtschaftlichen Zumutbarkeit des § 906 II 1 BGB5, da diese nur bei Ortsblichkeit zu bercksichtigen ist, die bereits eine zumindest typisierte Interessenabwgung enthlt6. Vor allem aber steht ihr die Wertung des § 275 III BGB entgegen. Dieser ist grundstzlich auch auf gesetzliche Pflichten anwendbar und erfasst damit nicht nur deliktische, sondern auch negatorische Ansprche, die zwar zu den dinglichen Ansprchen gehçren, deren Erfllung aber in Natur unmçglich sein kann7. Er gewhrt ein Leistungsverweigerungsrecht nicht nur allein bei persçnlich zu erbringenden Leistungen, sondern sieht auch eine Abwgung der Interessen des Schuldners und des Glubigers vor. Damit erscheint es ausgeschlossen, der Unmçglichkeit der Risikosteuerung auch ihre absolut bestimmte Unzumutbarkeit gleichzustellen. Die relativ bestimmte Unzumutbarkeit ist demgegenber Bestandteil der unten zu behandelnden Interessenabwgung.

C. Objektive Erkennbarkeit Die Risikosteuerung ist nur mçglich, soweit das Risiko erkennbar ist8. Eine Verkehrspflicht setzt also die Erkennbarkeit des Risikos voraus. Allerdings ist diese Erkennbarkeit weder schon auf der Ebene der potentiellen Verantwortlichkeit9, noch erst im Rahmen des Verschuldens zu bercksichtigen10, 2 BGHZ 31, 73, 75; BGHZ 40, 379, 383; BGHZ 44, 103, 106; BGHZ 80, 186, 189; BGHZ 90, 255, 261; BGHZ 108, 273, 274; BGH, NJW 1987, 1013, 1014; BGH, NJWRR 2002, 525, 526; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 90; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 248; RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 150; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 32. 3 So etwa BGH, NJW 1990, 1236, 1237; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 240; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. 31; wohl auch Erman/Schiemann, § 823 Rn. 80 f. 4 So Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 32. 5 Auf diese Parallele verweist auch Erman/Schiemann, § 823 Rn. 90. 6 Vgl. Erman/Lorenz, § 906 Rn. 27. 7 Vgl. Erman/H. P. Westermann, § 275 Rn. 2. 8 Zur Begrenzung der Prvention durch Erwartungsungewissheit Hapke/Japp, S. 32 ff., 76 ff., 116 ff., 163 f.; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 39.

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§ 5 Zurechenbarkeit als Voraussetzung der Verkehrspflichten

sondern auf der Pflichtenebene, indem sich die Verkehrspflichten nur auf ein erkennbares Risiko beziehen kçnnen. Die Verkehrspflichten sind demgemß zwar ausgeschlossen, solange das Risiko nicht erkennbar ist11, kçnnen aber an ein Verhalten anknpfen, das zunchst nicht mit einem erkennbaren Risiko verbunden war. Zwar spricht fr die Bercksichtigung der Erkennbarkeit des Risikos auf der Ebene der potentiellen Verantwortlichkeit, dass der Verantwortliche sein Verhalten mangels Erkennbarkeit des Risikos nicht auf eine mçgliche Haftung einstellen kann, so dass das Haftungsrecht hier seine verhaltenssteuernde Funktion verliert. Der Handelnde schafft subjektiv kein Risiko, sondern nur eine Gefahr, die als solche an sich noch kein Gegenstand des Haftungsrechts ist. Aber das Haftungsrecht dient, wie gezeigt12, vor allem der Abgrenzung der Freiheitssphren der Beteiligten durch die Zuweisung von Risiken. Fr die Zuweisung der Risiken zur Risikosphre desjenigen, der sie geschaffen, erhçht oder aufrechterhalten hat, auch dann, wenn sie nicht erkennbar waren, spricht vorderhand der allgemeine Wertungsgesichtspunkt der Vorteilsziehung, dass derjenige, der die Chance hat, die Vorteile aus seinem Verhalten zu ziehen, auch die Nachteile daraus tragen muss13, wobei allerdings das Verhalten im konkreten Fall keine Vorteile fr den Handelnden zeitigen muss, jedoch immerhin eine Ausbung der Handlungsfreiheit darstellt. Zudem kann das Haftungsrecht zwar nicht mehr das die potentielle Verantwortlichkeit begrndende Verhalten beeinflussen, so dass eine auf das ursprngliche Verhalten bezogene Verkehrspflicht, insbesondere eine Unterlassungspflicht, nicht mçglich wre, weil sie zu spt kme. Aber das Haftungsrecht kann das sptere Verhalten beeinflussen, indem es Verkehrspflichten aufstellt, welche auf die Ausschaltung oder Verringerung der durch das ursprngliche Verhalten geschaffenen Risiken gerichtet sind. Zu diesem Zeitpunkt wird vielfach der Handelnde besser als der Betroffene zur Risikosteuerung in der Lage sein14. Eine bermßige Beschrnkung der Handlungsfreiheit des Handelnden wird dabei auf der Pflichtenebene dadurch vermieden, dass sich die Verkehrspflicht nur auf ein erkennbares Risiko beziehen kann, so dass die Handlungsfreiheit, aber auch die Frage, inwieweit das Verhalten tatschlich fr den Handel-

9 So aber fr den englischen tort of nuisance Cambridge Water Co v Eastern Counties Leather Plc, House of Lords (1994) 1 All E.R. 53. 10 So aber fr § 824 BGB Erman/Schiemann, § 824 Rn. 1; differenzierend Staudinger/J. Hager, § 824 Rn. 11. 11 BGH, VersR 1985, 641, 642; BGHZ 104, 323, 328; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 30 ff. 12 Siehe oben S. 14. 13 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 a (S. 407 f.). 14 So in Bezug auf Produktbeobachtungspflichten bei der Produkthaftung MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 598.

I. Mçglichkeit der Risikosteuerung

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nden vorteilhaft war, in die Abwgung der Interessen des potentiell Verantwortlichen und des Betroffenen einbezogen werden kçnnen. Die Bercksichtigung der Erkennbarkeit des Risikos auf der Pflichtenebene erlaubt es nicht nur, die Interessen des Verantwortlichen und des Betroffenen zu bercksichtigen, wozu auch die Mçglichkeit der Risikosteuerung gehçrt15, sondern auch, Beobachtungspflichten anzunehmen, die der Feststellung nach dem ursprnglichen Verhalten erkennbarer oder entstehender Risiken dienen. Demgegenber wrde die Bercksichtigung der Erkennbarkeit bereits auf der Ebene der potentiellen Verantwortlichkeit die Annahme derartiger Pflichten ausschließen, so dass insbesondere die Produktbeobachtungspflichten im Rahmen der Produzentenhaftung, die sich nicht nur auf weiter produzierte Waren beschrnken, sondern auch bereits in den Verkehr gebrachte Produkte erfassen16, mangels potentieller Verantwortlichkeit nicht begrndbar wren. Da die Erkennbarkeit des Risikos nicht erst im Rahmen des Verschuldens relevant wird, wird sie nicht nur von der deliktischen, sondern von der negatorischen Haftung vorausgesetzt17. Sie wird aber auch nicht bereits von der potentiellen Verantwortlichkeit vorausgesetzt, sondern ist nur Voraussetzung der Entstehung der Verkehrspflicht auf der Pflichtenebene. Denn ein sorgfltiges Verhalten ist nur bei Erkennbarkeit der Risiken mçglich18. Damit kann eine Verkehrspflicht bei der Handlungshaftung auch entstehen, wenn ein Risiko zum Zeitpunkt des dafr kausalen Verhaltens zwar nicht zu erkennen war, aber inzwischen erkennbar geworden ist.

D. Zeitpunkt Die Mçglichkeit der Gefahrsteuerung muss fr die negatorische Haftung noch zum Zeitpunkt des Anspruchs bestehen. Demgegenber muss sie fr die deliktische Haftung nur zu einem in der Vergangenheit liegenden, aber fr den Eintritt des Risikos kausalen Zeitpunkt bestanden haben. Dies beruht auf dem Ergnzungsverhltnis zwischen negatorischer und deliktischer Haftung, da die negatorische Haftung ex ante greift, whrend die deliktische Haftung ex post greift19.

15

Darauf bezieht sich MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 598. Erman/Schiemann, § 823 Rn. 119; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 598; Soergel/Krause, § 823 Anh III Rn. 25; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. F 21. 17 Vgl. Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 116. 18 So MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 30 ff. 19 Vgl. oben S. 103. 16

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§ 5 Zurechenbarkeit als Voraussetzung der Verkehrspflichten

II. Zurechnungsgrund Mit dem Zurechnungsgrund tritt neben die faktische Mçglichkeit zur Risikosteuerung eine normativ begrndete Zustndigkeit fr das Risiko, um die potentielle Verantwortlichkeit und damit die Mçglichkeit der Geltung von Verkehrspflichten zu begrnden20. Dabei ist hinsichtlich der Grnde fr die potentielle Verantwortlichkeit zwischen der Handlungs- und der Nichthandlungshaftung zu unterscheiden21.

A. Handlungshaftung Bei der Handlungshaftung beruht die potentielle Verantwortlichkeit auf vorangegangenem Tun und umfasst auch die bernahmehaftung sowie einen großen Teil der Flle, die zur Bereichs- und Zustandhaftung gezhlt werden.

1. Vorangegangenes Tun Die potentielle Verantwortlichkeit aus vorangegangenem Tun umfasst zunchst Handlungen, die unmittelbar ein Risiko beinhalten, erstreckt sich aber auch auf solche Handlungen, die mittelbar die Zufgung eines Nachteils durch das Verhalten Dritter oder durch Sachen ermçglichen oder erleichtern22, insbesondere auch durch Mitarbeiter23, und die Herstellung und das In-Verkehr-Bringen von Sachen24. Dabei ist die Zuordnung davon unabhngig, ob das Verhalten als solches rechtswidrig oder rechtmßig ist25, also verboten werden kann. Die Begrndung der Verkehrspflichten aus vorangegangenem Tun beruht auf dem Gesichtspunkt der Gefahrschaffung und –beherrschung26. Dieser beruht wiederum auf dem Gedanken der Einstandspflicht fr die Setzung eines Risikos, der voraussetzt, dass der Verantwortliche grundstzlich zur Beherrschung der Gefahr in der Lage ist und zumindest in der Regel den Vorteil aus der Gefahrenquelle zu ziehen vermag27. Daneben sttzt sie sich auch auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, weil der 20

Vgl. MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 226. Vgl. oben S. 173. 22 Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 23. 23 Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 23. 24 MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 234; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 a (S. 407 f.); Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 22. 25 Erman/Schiemann, § 823 Rn. 77; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 c (S. 410); Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 23. 26 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 c (S. 410). 27 Zu diesem Gedanken im Rahmen der Bereichshaftung Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 a (S. 407 f.). 21

II. Zurechnungsgrund

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Rechtsverkehr darauf vertraut, dass ein Verkehrsteilnehmer die anderen Verkehrsteilnehmer nicht unnçtig schdigt, sondern im Rahmen der Verkehrspflichten handelt28. Bezogen auf die Ausgangsflle ist der Beklagte im ersten Fall potentiell Verantwortlicher aufgrund von vorangegangenem Tun, soweit es um den Zufluss des Unkrautvernichtungsmittels geht, da dieser auf dem Ausbringen dieses Mittels beruht. Die Beklagte im zweiten Fall ist ebenfalls aus vorangegangenem Tun potentiell verantwortlich, weil sie das sich auf dem Grundstck der Klgerin befindende Altreifenmaterial produziert und dessen Entsorgung veranlasst hatte.

2. Bereichshaftung Indem die Verantwortlichkeit aus vorangegangenem Tun auch Handlungen erfasst, die mittelbar die Zufgung eines Nachteils durch Sachen oder durch das Verhalten Dritter ermçglichen oder erleichtern, beruht auch ein großer Teil der Flle, die zur Bereichshaftung oder Zustandshaftung gezhlt werden, auf dem Zurechnungsgrund des vorangegangenen Tuns. In diesen Fllen wird der Nachteil oder das Risiko eines solchen Tuns durch den Bereich oder den Zustand vermittelt, der auf die Handlung des potentiell Verantwortlichen zurckgefhrt werden kann. So wird die gewissermaßen klassische Begrndung von Verkehrspflichten aus der Erçffnung und Duldung eines Verkehrs als ein Fall der Einstandspflicht fr die Sicherheit eines bestimmten Bereichs aufgefasst, also als Bereichshaftung desjenigen, der eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lsst29. Soweit hier ein Risiko geschaffen oder verstrkt wird, liegt ein vorangegangenes Tun vor. Denn bei der Erçffnung eines Verkehrs oder der Einwirkung auf einen schon bestehenden Verkehr werden die Verkehrspflichten aus der dadurch begrndeten Gefhrlichkeit des erçffneten oder beeinflussten Verkehrs abgeleitet30. Der Zurechnungsgrund liegt hier nicht bereits in dem mit dem Verkehr verbundenen Risiko allein31, sondern erst darin, dass es durch die Erçffnung eines Verkehrs oder die Einwirkung auf einen bestehenden Verkehr geschaffen oder verstrkt wurde und damit auf dem in der Erçffnung oder Einwirkung liegenden vorangegangenem Tun. Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass die Bereichshaftung auch durch Dritte geschaffene Risiken erfasse, weshalb nur an die Bestimmungsmçglichkeit im eigenen Herrschaftsbereich angeknpft werden kçnne32. Denn die Handlungshaftung bezieht sich auch auf Handlungen, 28

Vgl. oben S. 68. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 a (S. 407 f.); RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 153. 30 BGHZ 60, 54, 55; BGH, NJW 1984, 801; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 79. 31 So aber wohl Erman/Schiemann, § 823 Rn. 93. 29

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die mittelbar die Zufgung eines Nachteils durch das Verhalten Dritter ermçglichen oder erleichtern. Zudem umfasst die Handlungshaftung die Bereichshaftung nur insoweit, als diese auf Handlungen des potentiell Verantwortlichen beruht. Ist dies nicht der Fall, wird die Bereichshaftung von der Nichthandlungshaftung umfasst, soweit ein anderer Zurechnungsgrund gegeben ist. Dabei ist es nicht ausgeschlossen, dass die potentielle Verantwortlichkeit sowohl auf Handlungs- als auch auf Nichthandlungshaftung beruht, wenn neben dem positiven Tun auch ein anderer Zurechnungsgrund gegeben ist, der die Nichthandlungshaftung begrndet. Soweit kein anderer Zurechnungsgrund vorliegt, ist die potentielle Verantwortlichkeit beim Andauernlassen eines Verkehrs demgemß nur gegeben, wenn der Verkehr erçffnet oder auf ihn aktiv eingewirkt wurde. Dies ist allerdings nicht nur der Fall, wenn Sachen in den Verkehr gebracht werden oder der Verkehr zu den Sachen, sondern auch dann, wenn sie nicht in den Verkehr gebracht werden, aber die Gefahr geschaffen wird, dass sie mit dem Verkehr in Berhrung kommen33. Der Einwand, die Bereichshaftung lasse sich nicht als Haftung fr vorangegangenes Tun auffassen, weil sich die bloße Innehabung einer Risikoquelle im Rahmen normaler Risiken halte34, geht demgemß fehl, weil es eben auf die Ursache fr das in dem Bereich liegende Risiko ankommt. Zudem ist die Frage, ob es sich um ein tolerierbares Risiko handelt, nicht Gegenstand der potentiellen Verantwortlichkeit, sondern bei der Abwgung der Interessen des Betroffenen und des potentiell Verantwortlichen zu bercksichtigen. Die potentielle Verantwortlichkeit fr einen Bereich ist also Handlungshaftung, wenn das aus dem Bereich resultierende Risiko auf der Schaffung oder Erhçhung durch den Verantwortlichen beruht. Sie ist Nichthandlungshaftung, wenn sie nicht darauf beruht, bedarf dann aber eines anderen Zurechnungsgrundes. Wer ein Risiko bloß andauern lsst, handelt demgemß nicht. Potentielle Verantwortlichkeit liegt dann nur vor, wenn er das Risiko bereits geschaffen oder erhçht hat oder wenn ein anderer Zurechnungsgrund im Rahmen der Nichthandlungshaftung gegeben ist. Die Ausfhrungen fr die Bereichshaftung gelten auch fr die Zustandshaftung, die damit ebenfalls Handlungshaftung sein kann, aber nicht muss. Denn die Bereichshaftung lsst sich auch als Zustandshaftung charakterisieren35, da bei der Bereichshaftung fr den Zustand des Bereichs gehaftet wird. Auch bei der Zustandshaftung kommt es darauf an, ob das aus dem Zustand resultierende Risiko auf der Schaffung oder Erhçhung durch den potentiell Verantwortlichen beruht. Ist dies der Fall, ist sie Handlungshaf32 33 34 35

So aber RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 153. Vgl. Erman/Schiemann, § 823 Rn. 99. So Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 e (S. 410 f.). Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 e (S. 412).

II. Zurechnungsgrund

189

tung36. Soweit die Zustandshaftung keine Handlungshaftung darstellt, ist sie Nichthandlungshaftung, die eines anderen Zurechnungsgrundes bedarf. Diesem Ergebnis entspricht es, wenn das hinter der Bereichshaftung stehende Gerechtigkeitskriterium in der Zusammengehçrigkeit von Verantwortung und Bestimmungsgewalt gesehen wird37. Dieses Kriterium beruht auf dem Gedanken der Einstandspflicht fr die Setzung eines Risikos, der voraussetzt, dass der Verantwortliche grundstzlich zur Beherrschung der Gefahr in der Lage ist und zumindest in der Regel den Vorteil aus der Gefahrenquelle zu ziehen vermag38. Zudem sttzt sich auch die Bereichshaftung auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, weil der Rechtsverkehr bei einem Verkehrsteilnehmer, der einen Bereich gestaltet oder einen Zustand schafft oder auf ihn einwirkt, darauf vertraut, dass dieser die anderen Verkehrsteilnehmer nicht unnçtig schdigt, sondern im Rahmen der Verkehrspflichten handelt39. Die Bereichshaftung beruht damit auf denselben Gedanken, die auch der Handlungshaftung zugrunde liegen. Bezogen auf die Ausgangsflle war der Beklagte demgemß aufgrund einer Handlungshaftung in Form der Bereichs- bzw. Zustandshaftung potentiell verantwortlich. Denn das Risiko der Anschwemmung von Oberflchenwasser und Schlamm war auf den Maisanbau auf dem Grundstck zurckzufhren, der mit einer verstrkten Erosion einhergeht40. Es beruhte also auf dem Zustand des Grundstcks als Bereich des Beklagten. Dieser Zustand lag wiederum an einem Verhalten des Beklagten, dem Anbau von Mais.

3. bernahmehaftung Bei der potentiellen Verantwortlichkeit aufgrund bernahmehaftung handelt es sich ebenfalls um einen Fall der Handlungshaftung. Die bernahmehaftung entsteht erst aufgrund der bernahme der Aufgabe41. Sie beruht daher auf einem vorangegangenem Tun, auch wenn sie vielfach unmittelbar an die Risiken aus dem Bereich oder dem Zustand anknpft, fr den die Haftung bernommen wurde. Die bernahme einer Aufgabe kann auf einem Rechtsgeschft beruhen, aber auch auf einem rein tatschlichen Verhalten. Die Berufspflichten, die eine potentielle Verantwortlichkeit begrnden, wenn der Schutz von Kçrper, Gesundheit, Eigentum oder einem sonstigen Recht eines andern zum Gegenstand selbstndiger Erwerbsttigkeit 36 37

Vgl. Herrmann, Stçrer, S. 460 ff., 464; zustimmend Otte, AcP 195 (1995), 303, 305. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 a (S. 408); wohl auch BGH, NJW 1975,

108.

38 39 40 41

Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 a (S. 407 f.). Siehe oben S. 68. Vgl. BGHZ 122, 283, 287. Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 b (S. 408 f.).

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gemacht wird42, gehçren ebenfalls zur bernahmehaftung. Sie bilden keinen eigenstndigen Zurechnungsgrund zur Begrndung von Verkehrspflichten43, sondern nur eine wichtige Kategorie innerhalb der bernahmeund damit der Handlungshaftung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie die Verkehrspflichten verstrken44. Sie sind damit erst im Rahmen der Interessenabwgung zu bercksichtigen. Der Einwand, die Bereichshaftung lasse sich nicht als Haftung fr vorangegangenes Tun auffassen, weil sich die bloße bernahme einer Aufgabe im Rahmen normaler Risiken halte45, geht demgemß fehl, da die Frage, ob es sich um ein tolerierbares Risiko handelt, erst bei der Abwgung der Interessen des Betroffenen und des potentiell Verantwortlichen zu bercksichtigen ist. Die Unterscheidung zwischen Handlungs- und Nichthandlungshaftung bezieht sich demgegenber hier zunchst nur auf die potentielle Verantwortlichkeit. Fr die Einordnung der bernahmehaftung als Handlungshaftung spricht auch, dass auch sie auf das Gerechtigkeitskriterium der Gefahrschaffung und –beherrschung zurckgefhrt wird, da durch die bernahme einer Aufgabe die Gefahr bestehe, dass sich Dritte nicht mehr zustndig fhlten oder Betroffene sich nicht mehr selbst schtzten, und die bernahme der Aufgabe die Risikobeherrschung voraussetzte46. Dasselbe gilt fr ihre Begrndung aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, weil mit der bernahme einer Aufgabe Vertrauen in Anspruch genommen werde47.

B. Nichthandlungshaftung Die Nichthandlungshaftung unterscheidet sich von der Handlungshaftung vor allem dadurch, dass die potentielle Verantwortlichkeit eines besonderen Zurechungsgrundes bedarf. Fr diesen sind die Wertungen der §§ 836–838 BGB maßgeblich, so dass die potentielle Verantwortlichkeit an den Eigenbesitz anknpft.

42 Erman/Schiemann, § 823 Rn. 127; hnl. MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 244. 43 So aber etwa MnchKomm-BGB/Mertens, 3. Aufl., § 823 Rn. 188; von Bar, Verkehrspflichten, S. 233 ff. 44 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 b (S. 409); hnl. Picker, JZ 1987, 1041, 1046. 45 So Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 e (S. 411 f.). 46 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 b (S. 410). 47 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 b (S. 410); fr die Berufshaftung auch Schiemann, Arzthaftung, in: Weick, S. 55, 64.

II. Zurechnungsgrund

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1. Notwendigkeit eines Zurechnungsgrundes Whrend die Handlungshaftung mit dem positiven Tun ihren Zurechnungsgrund in sich trgt, bedarf es bei der Nichthandlungshaftung eines Zurechnungsgrundes, um die potentielle Verantwortlichkeit des Nichthandelnden zu begrnden. Die Kausalitt eines Verhaltens fr ein drohendes oder verwirklichtes Risiko ist demgemß nur ein notwendiger, nicht jedoch ein hinreichender Zurechnungsgrund. Auch wenn sowohl positives Tun als auch Unterlassen ein willensgetragenes menschliches Verhalten darstellen48, entspricht dem positiven Tun das Unterlassen nur, soweit es zurechenbar ist. Dies klingt an, soweit die Unterscheidung zwischen Ttigkeits- und Unttigkeitsstçrer fr die Eigenschaft als Unttigkeitsstçrer das Vorliegen eines Zurechnungsgrundes voraussetzt49. Allerdings luft es der Abschichtung zwischen der Ebene der potentiellen Verantwortlichkeit und der Pflichtenebene zuwider, das Vorliegen eines Zurechnungsgrundes darber hinaus mit der Existenz von Verkehrspflichten, also der Pflichtwidrigkeit des Unterlassens gleichzusetzen50 und unter Berufung auf § 241 I 2 BGB dem positiven Tun das pflichtwidrige Unterlassen gleichzustellen51. Weder entspricht der Zurechnungsgrund der Pflichtwidrigkeit noch ist das pflichtwidrige Unterlassen mit dem Handeln vergleichbar. Dem positiven Tun entspricht nicht das pflichtwidrige, sondern das zurechenbare Unterlassen. Die Pflichtwidrigkeit als solche kann weder das Unterlassen mit dem Handeln gleichstellen, noch der spezifische Zurechnungsgrund der Nichthandlungshaftung sein, da sie, wie dargelegt52, auch Voraussetzung der Handlungshaftung ist. Sie setzt vielmehr bei der Nichthandlungshaftung einen spezifischen Zurechnungsgrund voraus, so dass pflichtwidriges Unterlassen immer auch zurechenbares Unterlassen ist, aber nicht umgekehrt. § 241 I 2 BGB bezieht sich demgemß auch nur auf Handeln und Unterlassen als Gegenstand eines pflichtenbegrndenden Forderungsrechts53 und damit auf ein zurechenbares Unterlassen. Von der Pflichtwidrigkeit auf der Pflichtenebene, die maßgeblich durch die Abwgung der Interessen des Betroffenen und des Verantwortlichen bestimmt wird und sowohl bei der Handlungs- als auch bei der Nichthandlungshaftung vorliegen muss, ist der Zurechnungsgrund auf der Ebene der potentiellen Verantwortlichkeit zu unterscheiden, der bei der Handlungshaftung bereits in dem positiven 48

Vgl. etwa Erman/H. P. Westermann, § 241 Rn. 6. MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 45; daran anschließend Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 122. 50 So aber MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 46 ff.; besonders deutlich Erman/ Ebbing, § 1004 Rn. 109 f. 51 So aber Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 109. 52 Siehe oben S. 130. 53 Vgl. etwa Erman/H. P. Westermann, § 241 Rn. 4. 49

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§ 5 Zurechenbarkeit als Voraussetzung der Verkehrspflichten

Tun liegt, whrend er bei Nichthandlungshaftung zur Unterlassung hinzutreten muss.

2. Maßgeblichkeit der §§ 836–838 BGB Die fr die Bestimmung der Verkehrspflichten und insbesondere auch der potentiellen Verantwortlichkeit maßgeblichen Wertungen sind dabei den §§ 836–838 BGB zu entnehmen54. Diese stellen eine gesetzliche Regelung der Nichthandlungshaftung und der Verkehrspflichten nicht nur im Rahmen der deliktischen Haftung, sondern ber § 908 BGB auch im Rahmen der negatorischen Haftung dar. Die §§ 836–838 BGB haben eine Verkehrspflichtverletzung insofern zum Gegenstand, als die Haftung gemß § 836 I 2 BGB einen Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt voraussetzt. Dabei haftet jedoch nicht jeder, der diese Sorgfalt nicht einhlt, sondern gemß § 836 III BGB nur derjenige, der Eigenbesitzer ist. Auch wenn ein Verstoß auch durch eine Handlung begangen werden kann, knpft die Haftung also nicht an ein positives Tun an, sondern an einen speziellen Zurechnungsgrund, den Eigenbesitz. Dieser begrndet die potentielle Verantwortlichkeit, die sich durch die Verkehrspflichtverletzung konkretisiert, auch dann, wenn als Verstoß kein positives Tun, sondern nur ein Unterlassen in Betracht kommt. § 838 BGB hat dabei allerdings insoweit eine Handlungshaftung zum Gegenstand, als er nicht an die Unterhaltspflicht aus einem Nutzungsrecht anknpft, sondern an die bernahme der Unterhaltungspflicht, die ein positives Tun darstellt. Die Maßgeblichkeit der Wertungen der §§ 836–838 BGB fr die deliktische wie die negatorische Haftung beruht darauf, dass diese Vorschriften nicht nur eine spezielle Regelung der deliktischen Haftung darstellen und damit ein Anwendungsfall der allgemeinen deliktischen Verkehrspflicht sind55, sondern sie auch eine spezielle Regelung der negatorischen Haftung bilden, da der auf sie verweisende § 908 BGB einen speziellen Fall der negatorischen Haftung darstellt56. Insoweit ist der Ansicht zuzustimmen, dass auch die negatorische Nichthandlungshaftung die Verletzung einer Verhaltenspflicht voraussetze57, die den deliktischen Verkehrspflichten des § 823 I BGB entspreche58 und der Nichthandlungsstçrer im Rahmen des § 1004 BGB unter Rckgriff auf §§ 908 i. V. m. 836 ff. BGB zu bestimmen 54

Vgl. im Ausgangspunkt auch Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 50. BGHZ 55, 229, 235; BGHZ 58, 149, 156; BGH, VersR 1991, 72; Erman/Schiemann, § 836 Rn. 1; Palandt/Sprau, § 836 Rn. 1; Petershagen, S. 106; kritisch aber von Bar, Verkehrspflichten, S. 19. 56 Herrmann, FS Hattenhauer, S. 203, 204; MnchKomm-BGB/Scker, § 980 Rn. 1 i. V. m. § 907 Rn. 1. 57 Herrmann, Stçrer, S. 405 ff., 444 ff. 58 Herrmann, Stçrer, S. 281 ff.; Herrmann, NJW 1997, 153, 154 ff. 55

II. Zurechnungsgrund

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sei59. Allerdings erscheint es wenig berzeugend, wenn rein terminologisch zwischen Verkehrspflichten im Rahmen der deliktischen Haftung und Sicherungspflichten im Rahmen der negatorischen Haftung unterschieden wird60, da es sich in beiden Fllen um die in § 836 I 2 BGB angesprochenen Pflichten handelt und der Verkehr nicht im Sinne des allgemeinen Verkehrs verstanden werden muss, sondern so aufgefasst werden kann, dass er die jeweils konkret geschtzten Beziehungen umfasst. Auch dass die negatorische und die deliktische Haftung jedenfalls fr §§ 836 ff. und 908 BGB auf die gemeinsame Wurzel der cautio damni infecti zurckgefhrt werden61, spricht schließlich dafr, dass nicht nur die Verkehrspflichten sowohl von der deliktischen als auch der negatorischen Haftung vorausgesetzt werden, sondern auch die Wertungen der §§ 836 ff. BGB bei der Bestimmung des potentiell Verantwortlichen sowohl der negatorischen als auch der deliktischen Haftung zu bercksichtigen sind. Dass von der spezielleren Regelung der potentiellen Verantwortlichkeit in §§ 836–838 BGB auf die allgemeine potentielle Verantwortlichkeit geschlossen werden kann, findet seinen Grund zunchst darin, dass die allgemeinen Regelungen in § 823 I BGB und § 1004 I BGB die potentielle Verantwortlichkeit weder positiv bestimmen62, obwohl sie die potentielle Verantwortlichkeit voraussetzen, noch entgegenstehende Wertungen erkennen lassen. Fr die Maßgeblichkeit der Wertungen der §§ 836–838 BGB fr die allgemeine negatorische und deliktische Haftung spricht auch, dass sich die Verkehrspflichten historisch aus der Haftung des Sachhalters entwickelt haben, so dass diese Vorschriften weitgehend zu bloßen Anwendungsfllen des allgemeinen Verkehrspflichtgedankens geworden sind63. Die Wertungen spezieller gesetzlicher Anwendungsflle sind insofern mangels anderer Wertungen grundstzlich auch den daraus entwickelten allgemeinen Regelungen zugrunde zu legen. Gegen die Maßgeblichkeit der §§ 836 ff. BGB fr die Nichthandlungshaftung kann nicht eingewendet werden, dass fr die Bestimmung des Stçrers in § 1004 BGB neben § 908 BGB auch § 907 BGB zu bercksichtigen sei64. Zwar stellt diese Vorschrift ebenfalls einen speziellen Fall der negatorischen Haftung dar65. Aber sie ist zunchst fr die hier interessierende Nichthandlungshaftung irrelevant, soweit sie eine Handlungshaftung zum Gegenstand hat. Handlungsstçrer ist dabei nicht nur der Hersteller, sondern auch der Halter, wenn dafr bei Nichteigentmern darauf abgestellt 59 Herrmann, Stçrer, S. 376 ff., 388 ff., 400 f.; Herrmann, NJW 1997, 153, 155; hnl. Bensching, S. 99 f.; Marc Wolf, S. 226 ff. 60 So aber Herrmann, Stçrer, S. 372 f., 419, 444. 61 So Herrmann, FS Hattenhauer, S. 203, 204. 62 So fr die negatorische Haftung auch Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 106. 63 So Erman/Schiemann, § 823 Rn. 89; von Bar, Verkehrspflichten, S. 19 f. 64 So aber MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 47. 65 Erman/Lorenz, § 907 Rn. 1; MnchKomm-BGB/Scker, § 907 Rn. 1.

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§ 5 Zurechenbarkeit als Voraussetzung der Verkehrspflichten

wird, ob er die Anlage selbst hergestellt hat66 oder ob er die Anlage nutzt67. Soweit darber hinaus angenommen wird, dass § 907 BGB auch eine Nichthandlungshaftung zum Gegenstand hat, wird diese im Lichte des § 908 BGB und dessen Verweisung auf die §§ 836 ff. BGB bestimmt68, so dass abweichende Wertungen nicht zu erkennen und abweichende Ergebnisse nicht zu erwarten sind. Dagegen, dass die potentielle Verantwortlichkeit bei der negatorischen Haftung wie bei der deliktischen Haftung zu bestimmen ist, spricht auch nicht, dass die Verweisung des § 908 BGB die Haftung des frheren Besitzers gemß § 836 II BGB nicht erfasst. Denn diese Regelung findet ihren Grund darin, dass die deliktischen Schadensersatzansprche auf die Vergangenheit bezogen sind und hufig erst nach der Verletzung einer Verkehrspflicht und der Entstehung des Risikos entstehen, weil der Schaden erst verzçgert eintritt. Wird etwa ein Hausdach nicht repariert, liegt eine Verkehrspflichtverletzung grundstzlich bereits vor, wenn das Dach schadhaft wird und das Risiko von Schdigungen anderer begrndet, whrend ein Schaden und damit ein Schadensersatzanspruch erst entstehen kann, wenn sich das Risiko verwirklicht, etwa indem ein Sturm Dachziegel herunterweht, die Rechtsgter oder Rechte anderer beschdigen. § 836 II BGB ermçglicht es hier, auch denjenigen in Anspruch zu nehmen, der in der Vergangenheit die Verkehrspflicht verletzt hat, wobei diese Rckwirkung zeitlich beschrnkt ist. Demgegenber sind die negatorischen Unterlassungs- und Beseitigungsansprche zukunftsbezogen und entstehen bereits mit der Verletzung einer Verkehrspflicht, also schon wenn das Risiko entsteht, nicht erst, wenn es sich verwirklicht, bei dem Hausdach also schon, wenn das Dach schadhaft wird und ein Schadensrisiko anderer begrndet. Hier bedarf es somit keiner Rckwirkung, um denjenigen in Anspruch zu nehmen, der den Haftungsgrund der Pflichtverletzung verwirklicht hat. Dies gilt umso mehr, wenn man wie hier auch fr negatorische Ansprche davon ausgeht, dass ein einmal entstandener Anspruch nicht wieder untergeht, wenn eine der Anspruchsvoraussetzungen nachtrglich wegfllt, sondern dadurch allenfalls unmçglich werden kann69. Den §§ 836 f. BGB lassen sich dabei fr die Nichthandlungshaftung die Aussagen entnehmen, dass nur bestimmte Rechtsgter geschtzt sind; dass die Verantwortlichkeit nur ein menschliches Werk betrifft; dass nur der Eigenbesitzer haftet; dass eine Verkehrspflicht verletzt sein muss; und dass die Beweislast diesbezglich umgekehrt ist. Darber hinaus enthlt § 838 BGB die Aussage, dass auch der Gebudeunterhaltspflichtige haftet, wobei diese 66 67 68

So fr den Beseitigungsanspruch Staudinger/Beutler, 12. Aufl., § 907 Rn. 23. So MnchKomm-BGB/Scker, § 907 Rn. 18 f. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 III 3 a (S. 686 f.); Staudinger/Roth, § 907

Rn. 9. 69

Dazu unten S. 205 ff.

II. Zurechnungsgrund

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Haftung aber an sich eine Handlungshaftung in Form der bernahmehaftung darstellt und darauf beruht, dass durch die bernahme der Unterhaltspflicht das Risiko steigt, dass der Eigenbesitzer seiner Unterhaltspflicht nicht oder nur noch unvollstndig nachkommt. Vor dem Hintergrund der allgemeinen Geltung der Verkehrspflichten kommt dabei lediglich der Aussage, dass nur der Eigenbesitzer potentiell verantwortlich ist, allgemeine Bedeutung zu, weil den allgemeinen Regelungen in § 823 I BGB und § 1004 I BGB insoweit nichts entnommen werden kann, whrend den brigen Aussagen keine allgemeine Bedeutung zukommt, weil den allgemeinen Regelungen insoweit vorrangige Aussagen entnommen werden kçnnen. Damit kommt den §§ 836–838 BGB unter der allgemeinen Geltung der Verkehrspflichten neben der Konkretisierung der potentiellen Verantwortlichkeit die Funktion zu, in bestimmten Fllen die Beweislast bezglich der Verkehrspflichtverletzung umzukehren. Demgemß fllt die Haftung wegen fehlerhafter Errichtung eines Gebudes zwar bereits unter § 823 I BGB, aber deshalb ist ihre Regelung in § 836 I 1 BGB noch nicht berflssig70, da § 836 I 2 BGB eine Beweislastumkehr enthlt71.

3. Anknpfungspunkt Anknpfungspunkt fr die Zustandshaftung ist gemß den Wertungen der §§ 836–838 BGB weder die Risikobeherrschung noch die Bestimmungsgewalt oder Sachhalterschaft noch Besitz oder Eigentum, sondern der Eigenbesitz.

a) Risikobeherrschung? Der Zurechnungsgrund fr die potentielle Verantwortlichkeit kann nicht schon in der Risikobeherrschung gesehen werden. Zwar wird fr die deliktische Haftung insbesondere von der Rechtsprechung vielfach davon ausgegangen, dass Verkehrspflichten fr denjenigen bestehen, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle oder einen gefahrdrohenden Zustand schafft oder andauern lsst72, wobei allerdings weder zwischen der Verantwortlichkeits- und der Pflichtenebene noch zwischen Handlungs70

So aber Herrmann, Stçrer, S. 284 f., 294, 296. hnl. Otte, AcP 195 (1995), 303, 304; vgl. auch Petershagen, S. 106 f. 72 So etwa BGHZ 121, 367, 375; BGH, NJW 1996, 3208, 3210; in Bezug auf Risikoquelle etwa auch BGHZ 103, 298, 303; BGH, NJW 1985, 1773, 1774; BGH, NJW-RR 1990, 789, 790; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 230; Palandt/Sprau, § 823 Rn. 48; ohne Bezug auf den Verantwortungsbereich etwa auch BGH, NJW 1975, 108; BGH, NJW-RR 1989, 219; BGH, NJW 1990, 1236; RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 151; im Hinblick auf Gefahrschaffung ohne Differenzierung zwischen Hervorrufen und Andauernlassen etwa auch BGHZ 103, 338, 340; BGHZ 123, 102, 105 f.; BGHZ 136, 69, 77; BGH, NJW 2006, 610, 611; BGH, NJW 2006, 2326; BGH, NJW 2007, 1683, 1684; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 89; von Bar, Verkehrspflichten, S. 122. 71

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§ 5 Zurechenbarkeit als Voraussetzung der Verkehrspflichten

und Nichthandlungshaftung unterschieden wird. hnlich wird fr die negatorische Haftung insbesondere von der Rechtsprechung darauf abgestellt, ob der Eigentmer als Zustandsstçrer das in den Nachteil mndende Risiko htte beherrschen kçnnen73, wobei eine solche Beherrschbarkeit nicht nur vorausgesetzt wird, wenn der Eigentmer eine von Dritten geschaffene Gefahrenlage aufrechterhalten hat74, sondern auch, wenn der Eigentmer die Risikolage selbst geschaffen hat75, also eigentlich eine Handlungshaftung gegeben ist. Aber die Risikobeherrschung ist nicht notwendig mit dem Eigenbesitz verbunden, so dass sie allein die potentielle Verantwortlichkeit nicht begrnden kann. Den fr die Bestimmung der potentiellen Verantwortlichkeit maßgeblichen Wertungen der §§ 836–838 BGB kann insoweit zwar entnommen werden, dass die potentielle Verantwortlichkeit die Risikobeherrschung voraussetzt, der Besitz als tatschliche Sachherrschaft in der Regel auch die Herrschaft ber das Risiko impliziert, soweit es sich berhaupt beherrschen lsst, und ohne Besitz und damit Risikobeherrschung eine Verkehrspflichtverletzung ausgeschlossen wre. Aber der Besitz ist nur eine Komponente des Eigenbesitzes gemß § 872 BGB und stellt daher keinen hinreichenden Zurechnungsgrund dar. Hinzutreten muss vielmehr der Wille, sie wie ein Eigentmer zu beherrschen76, wozu die Risikobeherrschung auch dann nicht ausreicht, wenn sie mit der Sachherrschaft verbunden ist. Auf der Ebene der potentiellen Verantwortlichkeit zeigt sich die mangelnde Eignung der Risikobeherrschung als alleiniger Zurechnungsgrund zudem darin, dass sich in dem Schaffen oder Andauernlassen eines Risikos nur die Mçglichkeit der Risikosteuerung und damit die Kausalitt des Verhaltens fr das Risiko spiegelt. Diese ist zunchst nur eine notwendige Bedingung der potentiellen Verantwortlichkeit; eine hinreichende Bedingung liegt darin, wie erwhnt, nur, wenn sie zugleich eine Handlung darstellt. Als solche begrndet sie jedoch nur eine Handlungshaftung, whrend bei der Nichthandlungshaftung zu der Mçglichkeit der Risikosteuerung als notwendiger Bedingung noch ein spezifischer Zurechnungsgrund als hinreichende Bedingung hinzutreten muss. Demgemß stellt die Schaffung eines Risikos nur einen Zurechnungsgrund fr die Handlungshaftung dar, whrend das Andauernlassen eines Risikos als solches noch keinen Zurechnungsgrund fr die Nichthandlungshaftung darstellt und die potentielle Verantwortlichkeit noch nicht begrndet. 73 Vgl. BGHZ 142, 66, 70; BGHZ 155, 99, 105 f.; BGH, NJW 2005, 1366, 1368 f.; fr die deliktische Haftung auch Erman/Schiemann, § 823 Rn. 89 f. 74 Vgl. BGH, NJW 1985, 1773, 1774; BGH, NJW-RR 1996, 659; BGH, NJW-RR 2001, 232; BGH, NJW 2005, 1366, 1368 f. 75 Vgl. BGHZ 122, 283, 284 f.; BGHZ 160, 232, 235; Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 133. 76 BGHZ 132, 245, 257; Erman/Lorenz, § 872 Rn. 1; Palandt/Bassenge, § 872 Rn. 1; Staudinger/Bund, § 872 Rn. 2.

II. Zurechnungsgrund

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Die Notwendigkeit eines spezifischen Zurechnungsgrundes als hinreichender Bedingung der Nichthandlungshaftung tritt hingegen in den Blick, wenn nicht nur auf die Risikobeherrschung abgestellt wird, sondern auch auf den Bezug des Risikos zum Verantwortungsbereich des potentiell Verantwortlichen. Zwar hat der spezifische Zurechnungsgrund auf der Verantwortlichkeitsebene nur Bedeutung fr die Nichthandlungshaftung, da die potentielle Verantwortlichkeit der Handlungshaftung ja bereits durch das Vorliegen einer Handlung begrndet wird. Aber bei der Nichthandlungshaftung wrde der Verzicht auf den mit dem Bezug auf den Verantwortungsbereich angesprochenen spezifischen Zurechnungsgrund dazu fhren, dass zunchst jeder potentiell verantwortlich wre, der ein Risiko ausschalten oder verringern kann. Die Frage nach der potentiellen Verantwortlichkeit wrde damit erst im Rahmen der Interessenabwgung zur Bestimmung der konkret geltenden Verkehrspflichten relevant werden. Dies wird etwa deutlich, wenn im Rahmen der negatorischen Haftung fr die Verantwortlichkeit des Stçrers fr die Beeintrchtigung auf ein pflichtwidriges Verhalten des Stçrers abgestellt wird77. Im Interesse einer Abschichtung zwischen den Wertungen auf der Pflichtenebene und denjenigen auf der Ebene der potentiellen Verantwortlichkeit sind jedoch diejenigen Kriterien zu bestimmen, die vorliegen mssen, damit sich berhaupt die Frage stellt, ob jemand als Nichthandlungsstçrer verkehrspflichtig ist und seine Interessen von denjenigen des Betroffenen bertroffen werden kçnnen. Dass die Risikobeherrschung allein noch keinen hinreichenden Zurechnungsgrund darstellt, wird auch deutlich, wenn man die Wertungen betrachtet, mit denen die potentielle Verantwortlichkeit des Inhabers der Bestimmungsgewalt begrndet wird. Denn insoweit wird nicht nur auf die Mçglichkeit der Risikobeherrschung abgestellt, sondern auch auf die Mçglichkeit, Vorteile aus der Risikoquelle zu ziehen78. Die Mçglichkeit der Vorteilsziehung ergibt sich dabei nicht aus der Risikobeherrschung, sondern wird von der Rechtsordnung gemß § 903 BGB originr dem Eigentmer zugewiesen, der wiederum dingliche oder obligatorische Rechte einrumen kann. Stellt man also auf der Wertungsebene auf die so verstandene Zusammengehçrigkeit von Verantwortung und Bestimmungsgewalt ab, so erschçpft sich die Bestimmungsgewalt nicht in der Risikobeherrschung79, sondern umfasst auch die Zuweisung der Verfgungsgewalt, die grundstzlich die Vorteilsziehung erlaubt80. Der neben die Risikobeherrschung tre77 So etwa BGHZ 90, 255, 266 f.; BGHZ 114, 183, 187 f.; BGHZ 122, 283, 284; BGHZ 157, 33, 42; BGH, NJW 1995, 2633, 2634; BGH, NJW-RR 2001, 1208 f.; BGH, NJW 2004, 603, 604. 78 So fr die deliktische Bereichshaftung Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 a (S. 408); Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 16; hnl. fr den nicht nher definierten Inhaber oder Sachhalter Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 20; von Bar, Verkehrspflichten, S. 125 ff. 79 So aber offenbar Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 16; hnl. RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 153; entsprechende Terminologie auch bei Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 20.

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§ 5 Zurechenbarkeit als Voraussetzung der Verkehrspflichten

tende Zurechnungsgrund muss sich demgemß auf diese Mçglichkeit der Vorteilsziehung beziehen.

b) Inhaber der Bestimmungsgewalt und Sachhalter? Mit der Ansicht, dass die potentielle Verantwortlichkeit durch die Gefahrbeherrschung begrndet werde, berhrt sich zunchst die Auffassung, bei der Nichthandlungshaftung liege der Zurechnungsgrund in der Bestimmungsgewalt ber die Risikoquelle81, wenn unter der Bestimmungsgewalt nur die grundstzliche Mçglichkeit der Beherrschung des Risikos verstanden wird82. Insoweit stehen auch dieser Auffassung die oben dargelegten Einwnde entgegen. Auch sie begrndet zunchst die potentielle Verantwortlichkeit bei der Nichthandlungshaftung bereits durch die Mçglichkeit der Risikosteuerung und damit die Kausalitt des Verhaltens fr das Risiko, obwohl diese nur eine notwendige Bedingung fr die Verantwortlichkeit darstellt, und kann keinen auf die Mçglichkeit der Vorteilsziehung bezogenen Zurechnungsgrund angeben. Aber auch wenn man auf denjenigen abstellt, der nicht nur die Fhigkeit der Risikobeherrschung hat, sondern ber die Verfgungsgewalt auch die Mçglichkeit der Vorteilsziehung, und lediglich diesen als Inhaber der Bestimmungsgewalt versteht83 oder ihn stattdessen als Sachhalter bezeichnet84, gewinnt man zwar einen auf die Mçglichkeit der Vorteilsziehung bezogenen Zurechnungsgrund, wird jedoch den Wertungen der §§ 836–838 BGB nicht gerecht. Aus diesen Vorschriften lsst sich nicht schließen, da dort nicht die vermçgensrechtliche Zuordnung maßgeblich sei, msse es allein auf die tatschliche Verfgungsgewalt ankommen85. Denn der von § 836 III BGB vorausgesetzte Eigenbesitz erschçpft sich nicht darin, dass der Besitzer die tatschliche Gewalt ber die Sache hat, sondern verlangt gemß § 872 BGB darber hinaus einen demjenigen des Eigentmers entsprechenden Willen. Auch die Eigenschaft als Inhaber der auch auf die tatschliche Verfgungsgewalt bezogenen Bestimmungsgewalt oder als Sach80 So offenbar die Terminologie von Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 a (S. 408); in abweichender Terminologie von Sachhalter spricht in diesem Zusammenhang Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 20; allein von Verfgungsgewalt spricht Palandt/Sprau, § 823 Rn. 48. 81 So fr die deliktische Haftung Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 5 a (S. 418); hnl. RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 153; von Verfgungsgewalt spricht Palandt/Sprau, § 823 Rn. 48 f.; vgl. auch MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 283. 82 Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 16; hnl. RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 153; entsprechende Terminologie auch bei Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 20; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 a (S. 408). 83 So Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 a (S. 408). 84 So offenbar Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 20. 85 So aber BGHZ 41, 393, 395 ff.; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 50; fr die Bereichshaftung auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 5 a (S. 418).

II. Zurechnungsgrund

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halter vermag also als solche die potentielle Verantwortlichkeit noch nicht zu begrnden.

c) Besitzer? Nicht ausreichender Zurechnungsgrund ist demgemß auch die tatschliche Gewalt ber die Risikoquelle, also gemß § 844 BGB der Besitz86. Insbesondere stellt der Besitz ebenfalls keinen ausreichenden auf die Mçglichkeit der Vorteilsziehung bezogenen Zurechnungsgrund dar, da es dafr nicht allein auf die tatschliche Mçglichkeit ankommt, sondern insoweit auch auf die rechtliche Zuweisung dieser Vorteile, als der Eigenbesitzer des § 836 III BGB zwar kein Eigentmer sein muss, dem die Vorteile gemß § 903 BGB ausschließlich zustehen, aber sich wie ein solcher verhlt. Denn der Eigenbesitzer hat gemß § 872 BGB den Willen, die Sache wie ein Eigentmer selbststndig und andere ausschließend zu besitzen87. Auch der Versuch, die potentielle Verantwortlichkeit des Besitzers mit Hilfe einer historischen Auslegung der §§ 836 ff. BGB zu begrnden, aus der sich die Maßgeblichkeit des durch die tatschliche Sachherrschaft bestimmten Besitzes ergebe88, berzeugt nicht. Selbst wenn man den Ausgangspunkt dieser Ansicht teilt, dass § 836 I BGB ursprnglich nur auf den gemeinrechtlichen Besitz und damit auf den unmittelbaren Besitzer bezogen war89, sich aber auch auf den mittelbaren Besitzer beziehen kann, da das gemeine Recht den mittelbaren Besitz nicht kannte90, hat die Beschrnkung auf den Eigenbesitzer in § 836 III BGB Bestand. Denn wenn man dieser Ansicht auch darin folgt, dass sich der gemeinrechtliche und der BGBBesitzbegriff gerade hinsichtlich des unmittelbaren Eigenbesitzes berschneiden91 und § 836 III BGB der Maßgeblichkeit der Sachherrschaft fr die Haftung nach §§ 836 ff. BGB entgegensteht92, steht ihr Schluss, der gemeinsame Grundgedanke der §§ 836 ff. BGB liege in der tatschlichen Sach86 So aber fr §§ 836 ff. BGB im Rahmen der deliktischen Haftung und unter Verweis auf § 908 BGB auch fr die negatorische Haftung Herrmann, Stçrer, S. 209 ff., 278 ff., 403 ff., 441 ff.; Herrmann, NJW 1997, 153, 155; Herrmann, FS Hattenhauer, S. 203, 212 ff.; fr tatschliche Gewalt bei deliktischer Haftung auch Erman/Schiemann, § 823 Rn. 79; vgl. auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 a (S. 408). 87 Vgl. BGHZ 132, 245, 257; Erman/Lorenz, § 872 Rn. 1; Staudinger/Bund, § 872 Rn. 2. 88 Herrmann, Stçrer, S. 234 ff., 245 ff., 341 f., 369 f., 403 ff. 89 So Herrmann, Stçrer, S. 211 ff., 224 f., 234; Herrmann, NJW 1997, 153, 155; Herrmann, FS Hattenhauer, S. 203, 207 ff., 213; letztendlich zustimmend auch Otte, AcP 195 (1995), 303, 304. 90 So Herrmann, Stçrer, S. 235 ff., 245 ff., 268; Herrmann, FS Hattenhauer, S. 203, 207 ff., 213; letztendlich zustimmend auch Otte, AcP 195 (1995), 303, 304; zweifelnd aber Herrmann, NJW 1997, 153, 155. 91 So Herrmann, NJW 1997, 153, 155; hnl. Herrmann, Stçrer, S. 213 ff.; Herrmann, FS Hattenhauer, S. 203, 210. 92 So auch Herrmann, FS Hattenhauer, S. 203, 212; hnl. Herrmann, Stçrer, S. 214.

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§ 5 Zurechenbarkeit als Voraussetzung der Verkehrspflichten

nhe93, damit im Widerspruch. Der Versuch, einerseits an § 836 III BGB festzuhalten94, andererseits den Anwendungsbereich der §§ 836 ff. BGB im Wege einer auf die tatschlichen Sachherrschaft gesttzten Analogie zu § 838 BGB ber den Eigenbesitzer hinaus auch auf Fremdbesitzer zu erstrecken, die dem Eigenbesitzer nicht zur Gebudeunterhaltung verpflichtet sind95, erscheint daher nicht tragfhig. § 838 BGB stellt weder allein auf den unmittelbaren Fremdbesitz ab96 noch auf die tatschliche Sachherrschaft, sondern allein auf die bernahme der Unterhaltspflicht. Die potentielle Verantwortlichkeit ergibt also gemß den Wertungen der §§ 836–838 BGB nicht bereits aus der tatschlichen Sachherrschaft, sondern erst aus einem hinzutretenden Zurechnungsgrund. Dieser liegt bei § 838 BGB in der bernahme der Unterhaltspflicht, also einer Handlung, whrend er sich bei den fr die Nichthandlungshaftung maßgeblichen §§ 836 f. BGB in dem durch den Willen des Eigenbesitzers, die Sache wie ein Eigentmer zu besitzen, hergestellten Bezug auf das Eigentum findet.

d) Eigentmer? Allerdings stellt auch das Eigentum als solches noch keinen ausreichenden Zurechnungsgrund fr die potentielle Verantwortlichkeit dar. Der Auffassung, dass sich die Zurechnung bereits aus der mit dem Eigentum gemß § 14 II GG einhergehenden Verpflichtung und dem Grundsatz des Gleichlaufs von Chance und Risiko und von Sachherrschaft und Verantwortlichkeit ergibt97, ist nicht zuzustimmen98. Sie scheint sich zwar mit der Rechtsprechung zu berhren. Denn diese geht zunchst davon aus, dass der Eigentmer grundstzlich auch dann negatorisch und deliktisch haften kann, wenn er selbst nicht gehandelt hat, auch wenn sie ihn nicht fr alle Auswirkungen verantwortlich hlt, die rein tatschlich von seinem Eigentum ausgehen, sondern nur fr solche, die wenigstens mittelbar auf seinen Willen zurckgehen99. Aber diese Ein93

Herrmann, Stçrer, S. 225 ff., 278 ff.; Herrmann, NJW 1997, 153, 155. Herrmann, Stçrer, S. 278, 280. 95 So Herrmann, Stçrer, S. 336 ff., 370; im Ergebnis auch Herrmann, FS Hattenhauer, S. 203, 212; anders unter Verweis auf die Interessenlage Otte, AcP 195 (1995), 303, 304. 96 So aber Herrmann, Stçrer, S. 311 ff., 322 ff., 328; Herrmann, FS Hattenhauer, S. 203, 214. 97 So etwa Pleyer, AcP 156 (1957), 291, 300 ff.; Kbler, AcP 159, 236, 271, 277 ff.; hnl. auf der Basis der Usurpationstheorie ohne Rckgriff auf das Grundgesetz und nur solange das Eigentum besteht auch Picker, Beseitigungsanspruch, S. 131 ff.; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 102, 105; Gursky, JZ 1996, 683, 685. 98 So im Ergebnis fr die negatorische Haftung auch Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 20; Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 125; Herrmann, Stçrer, S. 45 ff.; Jauernig/Jauernig, § 1004 Rn. 17; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 46; fr die deliktische Haftung auch Erman/Schiemann, § 823 Rn. 90. 99 So fr die deliktische Haftung des Grundstckseigentmers mit Verweis auf den Stçrer nach § 1004 BGB BGH, NJW 1985, 1773, 1774; fr seine negatorische Haftung 94

II. Zurechnungsgrund

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schrnkung betrifft zwar vordergrndig nur die Verletzung einer Verkehrspflicht als Voraussetzung der Haftung des Eigentmers, da der Willensbezug nicht begrifflich, sondern nur in wertender Betrachtung von Fall zu Fall festzustellen sei100, so dass er, wie erwhnt101, mittels Verhaltenspflichten bestimmt wird. Dies findet seinen Grund jedoch darin, dass die Rechtsprechung nicht zwischen der Ebene der potentiellen Verantwortlichkeit und der Pflichtenebene mit der Abwgung der Interessen des potentiell Verantwortlichen und des Betroffenen unterscheidet und damit auch die unterschiedlichen Wertungen nicht abschichtet, so dass sie ihren Ausgangspunkt der grundstzlichen Verantwortlichkeit des Eigentmers nicht auf entsprechende Wertungen sttzt, sondern diese Wertungen erst im Rahmen der Interessenabwgung bei der Feststellung der Verletzung einer Verkehrspflicht bercksichtigt. Die Rechtsprechung trifft also ber die potentielle Verantwortlichkeit des Eigentmers keine eigenstndige Aussage. Gegen die Auffassung, dass bereits die mit dem Eigentum verbundene Verpflichtung die potentielle Verantwortlichkeit begrndet, lsst sich nicht einwenden, dass sich daraus formal nicht nur die Haftung des Eigentmers der Risikoquelle ableiten lsst, sondern ebenso gut auch eine Duldungspflicht des betroffenen Eigentmers102, weil es auf der Ebene der potentiellen Verantwortlichkeit nur darum geht, wer berhaupt haften kann, weil er einen Bezug zu dem Risiko hat, whrend es erst auf der Pflichtenebene darum geht, ob der potentiell Verantwortliche oder der betroffene Eigentmer haftet, indem ihre Interessen gegeneinander abgewogen werden. Dementsprechend ließe sich auch der betroffene Eigentmer als potentiell Verantwortlicher begreifen, wenn man darauf abstellt, wer den Nachteil zu tragen hat, so dass sich seine Verantwortlichkeit konkretisiert, wenn die Interessenabwgung ergibt, dass er den Nachteil selbst zu tragen hat. Der Einwand geht also auf der Ebene der potentiellen Verantwortlichkeit fehl. Er ist allerdings auch auf der Pflichtenebene problematisch, weil er dort dann nicht verfngt, wenn es nicht um Nachteile am Eigentum des Betroffenen, sondern an sonstigen, insbesondere persçnlichen Rechten geht. Schichtet man diese Wertungen hingegen ab, so ist bereits auf der Ebene der potentiellen Verantwortlichkeit festzustellen, dass die aus einer Sache resultierenden Risiken und Nachteile nicht ohne weiteres dem Eigentmer oder Besitzer zugerechnet werden kçnnen. Denn wenn man die der Zurechnung der potentiellen Verantwortlichkeit zugrunde liegende Wertung in der Zusammengehçrigkeit von Verantwortung einerseits sowie der BGHZ 142, 66, 69; BGH, NJW-RR 2001, 232; BGHZ 155, 99, 105; Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 125. 100 BGH, NJW 2003, 2377, 2379. 101 Siehe oben S. 128. 102 So fr die negatorische Haftung MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 46; hnlich Picker, Beseitigungsanspruch, S. 48.

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§ 5 Zurechenbarkeit als Voraussetzung der Verkehrspflichten

grundstzlichen Mçglichkeit der Risikobeherrschung und der Vorteilsziehung andererseits sieht103, dann ist das Eigentum zwar notwendig mit der rechtlichen Verfgungsgewalt als Zuweisung der aus der Sache zu ziehenden Vorteile verbunden, nicht jedoch mit der tatschlichen Bestimmungsgewalt als Voraussetzung der Risikobeherrschung. Diese kann beim Eigentmer liegen, muss es aber nicht. Besonders deutlich wird dies bei abhanden gekommenen oder gestohlenen Sachen, bei denen der Eigentmer zwar sein Eigentum nicht verliert, aber keine tatschliche Einwirkungsmçglichkeit auf die Sache und die mit ihr verbundenen Risiken mehr hat. Demgemß stellen die §§ 836 f. BGB nicht auf das Eigentum, sondern auf den Eigenbesitz ab, so dass das Eigentum weder hinreichender noch notwendiger Zurechnungsgrund ist. Der Eigentmer haftet, wenn er Besitzer ist, aber der Eigenbesitzer muss nicht Eigentmer sein, so dass auch ein Nichteigentmer haftet, wenn er Eigenbesitzer ist. Damit kann der Zurechnungsgrund bei der Nichthandlungshaftung auch nicht in einer Eigentumsvermutung liegen, indem § 908 i. V. m. §§ 836 f. BGB als eine Haftung fr vermutetes Eigentum und insoweit als Gegenstck zu § 1006 BGB verstanden wird, die der Eigenbesitzer als Scheineigentmer durch Aufdeckung des wahren Eigentums oder durch Aufgabe des Besitzes zerstçren kann104, da es fr das Entstehen der Haftung nicht auf das Eigentum ankommt, sondern allein darauf, dass der Besitzer sich wie ein Eigentmer verhalten will. Derjenige, der sich wie ein Eigentmer geriert, muss sich daran auch hinsichtlich seiner Verantwortung festhalten lassen. Dagegen lsst sich auch nicht einwenden, dies sei hinsichtlich redlicher Scheineigentmer ungerecht105. Denn die Haftung aus vermutetem Eigentum unterscheidet zunchst nicht zwischen redlichen und unredlichen Eigenbesitzern. Zudem ließen sich die Konsequenzen fr den redlichen Scheineigentmer mindern, wenn er auch in dieser Hinsicht wie ein Eigentmer gestellt wrde, sich also aus der Sache befriedigen kçnnte. Dies ließe sich etwa erreichen, wenn die durch die negatorische oder deliktische Haftung des Eigenbesitzers verursachten Aufwendungen des redlichen Eigenbesitzers entsprechend den Lasten der Sache als notwendige Verwendungen auf die Sache behandelt wrden, so dass der redliche Eigenbesitzer sie gemß §§ 994 I, 995 BGB vom wahren Eigentmer ersetzt verlangen kçnnte und insoweit durch §§ 1000 ff. BGB geschtzt wrde. Sieht man als Lasten im Sinne des § 995 BGB alle çffentlich- oder privatrechtlichen Leistungs103 So mit unterschiedlicher Terminologie Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 a (S. 408); Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 20; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 16; von Bar, Verkehrspflichten, S. 122 ff. 104 So fr die negatorische Haftung aber Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 III 3 c (S. 688 f.); im Ergebnis auch Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 114 u. 120; wenn dem Verantwortlichen damit die Beseitigung unmçglich wird auch Herrmann, Stçrer, S. 433 ff.; wie hier im Ergebnis auch BGHZ 41, 393, 397; Heinze, S. 124 f. 105 So aber Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 III 3 c (S. 688).

II. Zurechnungsgrund

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verpflichtungen an, die aufgrund der Berechtigung oder des Besitzes des Verpflichteten an der Sache entstehen106, dann lassen sich darunter auch die Verpflichtungen zhlen, die aufgrund des Eigenbesitzes entstehen. Weder das wahre noch ein vermutetes Eigentum begrnden somit die potentielle Verantwortlichkeit. Der Eigentmer ist nur verantwortlich, wenn er entweder selbst unmittelbarer Besitzer ist oder als mittelbarer Besitzer Einfluss auf den unmittelbaren Besitzer hat. Ist er nicht Besitzer, kann er allenfalls zur Duldung der erforderlichen Maßnahmen durch den Betroffenen verpflichtet sein107, nicht jedoch zu einem darber hinaus gehenden Verhalten.

e) Eigenbesitzer Der neben der Gefahrbeherrschung notwendige Zurechnungsgrund fr die potentielle Verantwortlichkeit bei der Nichthandlungshaftung liegt vielmehr im Eigenbesitz an der Sache, aus der das Risiko resultiert. Dies ergibt sich bereits aus den Wertungen des Gesetzes108. Maßgeblich sind insofern die §§ 836 ff. BGB, deren Wertungen auch fr die Bestimmung des potentiell Verantwortlichen bei der allgemeinen negatorischen und deliktischen Haftung zu bercksichtigen sind und die gemß § 836 III BGB auf den Eigenbesitz abstellen. Zudem kann der Eigenbesitz auf den Wertungsgesichtspunkt der Zusammengehçrigkeit von Verantwortung einerseits sowie der grundstzlichen Mçglichkeit der Risikobeherrschung und der Vorteilsziehung andererseits109 zurckgefhrt werden. Dabei entspricht dem Aspekt der Mçglichkeit der Risikobeherrschung die den Besitz begrndende tatschliche Gewalt. Der Aspekt der Mçglichkeit der Vorteilsziehung lsst sich darin finden, dass der Eigenbesitzer die Risikoquelle als ihm gehçrend besitzt. Damit sind ihm die Vorteile zwar nicht rechtlich zugewiesen, aber fr seine Haftung gengt es, dass er als Eigenbesitzer den Willen hat, die Risikoquelle wie ein Eigentmer zu beherrschen110, er also tatschlich die Position des Eigentmers einnimmt, so dass er nicht nur die tatschliche Bestimmungsgewalt besitzt, sondern auch die rechtliche Bestimmungsgewalt in Anspruch nimmt. Die Nichthandlungshaftung knpft insoweit an das Verhal106

Erman/Ebbing, § 995 Rn. 2; hnlich MnchKomm-BGB/Medicus, § 995 Rn. 2. Baur/Strner, § 12 Rn. 17; Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 129; MnchKomm-BGB/ Medicus, § 1004 Rn. 46; unter Berufung auf § 11 I BundesfernstraßenG auch BGH, NJW 1985, 1773, 1774; vgl. auch Picker, Beseitigungsanspruch, S. 48. 108 So pauschal auch MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 46; in Bezug auf § 907 f. BGB auch Bensching, S. 99 f. 109 So mit unterschiedlicher Terminologie Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 a (S. 408); Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 20; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 16; von Bar, Verkehrspflichten, S. 122 ff. 110 Vgl. BGHZ 132, 245, 257; Erman/Lorenz, § 872 Rn. 1; Staudinger/Bund, § 872 Rn. 2. 107

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§ 5 Zurechenbarkeit als Voraussetzung der Verkehrspflichten

ten des potentiell Verantwortlichen an. Wer sich wie ein Eigentmer geriert, haftet auch wie ein solcher. Demgemß haftet auch ein Grundstcksverkufer vor Eigentumsbergang, aber nach bergang der Nutzungsbefugnis nicht aus Nichthandlungshaftung fr Stçrungen durch Grundstcksbesitzer111, da er nicht mehr Eigenbesitzer ist. Der Eigenbesitzer kann damit nur haften, soweit sein unmittelbarer oder mittelbarer Besitz reicht. Der Fremdbesitzer haftet als solcher nicht, sondern nur, soweit ihn eine Handlungshaftung trifft, insbesondere wenn er gemß § 838 BGB die Unterhaltungspflicht bernommen hat. Damit besteht dort keine Nichthandlungshaftung, wo ein Fremdbesitzer nicht zugleich Besitzmittler fr einen Eigenbesitzer ist. Dies ist etwa der Fall bei einem Finder, wenn man mit der wohl berwiegenden Ansicht davon ausgeht, dass er kein Besitzmittler ist112. Diese Lcke im Rahmen der Nichthandlungshaftung fllt allerdings nicht nur relativ wenig ins Gewicht, weil der Fremdbesitzer in aller Regel auch Besitzmittler fr einen Eigenbesitzer ist, sondern folgt auch daraus, dass die Nichthandlungshaftung gegenber der Handlungshaftung einschneidender ist, indem sie anders als diese insofern prinzipiell weiter ist, als der Verantwortliche bei der Handlungshaftung nur fr Risiken haftet, die ihre Ursache in seinen eigenen Handlungen haben, whrend er bei der Nichthandlungshaftung unabhngig davon haftet, ob die Risiken ihre Ursache in seinen Handlungen haben oder nicht, so dass das Haftungsrisiko grundstzlich schwieriger zu beherrschen ist. Aufgrund der mit ihr verbundenen Haftungsrisiken bedarf die potentielle Verantwortlichkeit bei der Nichthandlungshaftung daher einer besonderen und entsprechend anspruchsvollen Anknpfung durch die Kombination aus der Mçglichkeit der tatschlichen Beherrschung der Risikoquelle und der Inanspruchnahme einer qualifizierten Nhe zu der Risikoquelle durch das Eigentum daran oder zumindest die tatschliche Inanspruchnahme eines solchen. Demgegenber kann ein Zwang zu einer lckenlosen Nichthandlungshaftung nicht begrndet werden. Auch eine lckenlose Handlungshaftung existiert nicht. Die Haftungslcken sind letztendlich Ausdruck der Tatsache, dass Nachteile auch auf Zufall beruhen und zum allgemeinen Lebensrisiko gehçren kçnnen und insofern vom Betroffenen zu tragen sind. Casum sentit dominus. Bezogen auf die Ausgangsflle konnte die Beklagte des zweiten Falls somit nach der Weitergabe des Altreifenmaterials an das Entsorgungsunternehmen nicht mehr Nichthandlungsstçrerin werden. Denn wenn man davon ausgeht, dass in der Weitergabe eine bereignung zur Entsorgung 111

BGH, NJW 1998, 3273 f. Vgl. RG, JR 1927, Nr. 1114; OLG Dsseldorf, NJW 1951, 444, 445; Bamberger/ Roth/Fritzsche, § 868 Rn. 22; RGRK/Kregel, § 868 Rn. 14; H. Westermann/Gursky, § 19 I 2 (S. 118); anders Erman/Lorenz, § 868 Rn. 20; MnchKomm-BGB/Joost, § 868 Rn. 49; Palandt/Bassenge, § 868 Rn. 18. 112

II. Zurechnungsgrund

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liegt113, hat die Beklagte mit der bergabe des Materials ihren Eigenbesitz daran verloren.

C. Zeitpunkt Der maßgebliche Zeitpunkt fr das Vorliegen der potentiellen Verantwortlichkeit ist das Entstehen des Anspruchs. Der Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs ist nur insoweit relevant, als dann zu fragen ist, ob der Anspruch berhaupt schon entstanden ist oder ob er seit seinem Entstehen wieder weggefallen ist.

1. Entstehung der Verantwortlichkeit Ein Anspruch entsteht, wenn alle Voraussetzungen eingetreten sind, von denen er abhngt114. Dabei kommt es auf das objektive Vorliegen der Voraussetzungen an115, nicht erst auf die Kenntnis des Betroffenen, wie sich aus der Unterscheidung in den beiden Ziffern des § 199 I BGB ergibt. Das Entstehen der deliktischen Schadensersatzhaftung setzt damit voraus, dass eine Verletzung vorliegt und zumindest ein Teil des Schadens eingetreten ist116. Die negatorische Beseitigungshaftung entsteht damit, wenn die Beeintrchtigung beginnt und ihr Fortdauern vorauszusehen ist117, wobei darin eine Verkehrspflichtverletzung liegen muss. Die negatorische Unterlassungshaftung entsteht demgemß, wenn ein hinreichendes Risiko einer Beeintrchtigung besteht und daraus eine Verkehrspflichtverletzung folgt. Dabei kann aus § 199 V BGB nicht geschlossen werden, dass vorbeugende Unterlassungsansprche erst mit Zuwiderhandlung entstehen. Die Vorschrift setzt zwar an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung. Aber dies bedeutet auch dann, wenn man daraus schließt, dass ein vorbeugender Unterlassungsanspruch nicht der Verjhrung unterliegt118, noch nicht, dass der Unterlassungsanspruch erst mit der Zuwiderhandlung entsteht, denn § 199 V BGB regelt ja nicht die Entstehung des Unterlassungsanspruchs, sondern nur den Beginn der Verjhrung und stellt dafr gerade nicht auf die Entstehung ab, setzt also voraus, dass Entstehung und Zuwiderhandlung auseinanderfallen kçnnen. 113

So Taupitz, FS Hagen, S. 469, 477. Erman/Schmidt-Rntsch, § 199 Rn. 4. 115 MnchKomm-BGB/Grothe, § 199 Rn. 5. 116 Erman/Schmidt-Rntsch, § 199 Rn. 8 f.; Palandt/Heinrichs, § 199 Rn. 16; MnchKomm-BGB/Grothe, § 199 Rn. 9. 117 Palandt/Heinrichs, § 199 Rn. 21; MnchKomm-BGB/Grothe, § 199 Rn. 13; vgl. auch BGHZ 60, 235, 240 f.; BGH, NJW 1969, 463. 118 So etwa BGHZ 59, 72, 74; Erman/Schmidt-Rntsch, § 199 Rn. 43; Fritzsche, S. 472; Palandt/Heinrichs, § 199 Rn. 22; MnchKomm-BGB/Grothe, § 199 Rn. 48 f.; anders etwa H. Kçhler, JZ 2005, 489, 490. 114

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2. Wegfall des Anspruchs Ist der Anspruch entstanden, entfllt er nicht schon notwendig dadurch, dass seine Voraussetzungen nachtrglich wegfallen, insbesondere der Eigenbesitz nicht mehr besteht. Dies gilt zunchst ohne weiteres fr den deliktischen Schadensersatzanspruch. Hat sich ein konkretes Risiko in der Verletzung eines geschtzten Rechtsguts oder Rechts verwirklicht und dadurch einen Schaden verursacht, bleibt der Eigenbesitzer der Quelle dieses Risikos zum Ersatz auch dann verpflichtet, wenn sein Eigenbesitz hinterher wegfllt. Es gilt aber auch fr den negatorischen Beseitigungsanspruch. Hat sich ein konkretes Risiko in der Beeintrchtigung eines geschtzten Rechtsguts oder Rechts verwirklicht und drohen durch diese Beeintrchtigung weitere Beeintrchtigungen, so bleibt der Eigenbesitzer der ursprnglichen Risikoquelle auch fr diese Beeintrchtigungen verantwortlich.

a) Besitzaufgabe und Dereliktion? Demgemß ndern weder eine Dereliktion noch eine Besitzaufgabe etwas daran, wenn ein Beseitigungsanspruch bereits in der Person des bisherigen Eigenbesitzers entstanden ist. Die Ansicht, mit der Dereliktion entfalle auch der Beseitigungsanspruch, weil mit der Aufgabe des eigenen Eigentums an einer stçrenden Sache auch nicht mehr fremdes Eigentum in Anspruch genommen werde119, beruht zunchst auf der Usurpationstheorie, der, wie gezeigt120, nicht zu folgen ist. Der Auffassung, die Dereliktion sei unerheblich, weil sie zu unertrglichen Schutzlcken fhre121, ist zwar im Ergebnis zuzustimmen; sie argumentiert jedoch zunchst vom Ergebnis her, ohne eine dogmatische Begrndung zu geben. Auch kann nicht daraus, dass die Wertungen der §§ 836 ff. BGB im Rahmen des § 1004 BGB Geltung beanspruchen, hergeleitet werden, dass im Falle der Dereliktion wenigstens eine einjhrige Nachhaftung entsprechend § 836 II BGB anzunehmen wre122. Denn § 836 II BGB ist von § 908 BGB, der von der negatorischen Haftung auf die §§ 836 ff. BGB verweist, gerade ausgenommen123. ber119 Alternativkommentar-BGB/Kohl, § 1004 Rn. 50 f.; Lobinger, JuS 1997, 981, 983; Picker, Beseitigungsanspruch, S. 113 ff.; Picker, FS Gernhuber, S. 315, 337 ff.; Staudinger/ Gursky, § 1004 Rn. 113; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 1385 f. 120 Siehe oben S. 48 ff. 121 BGH, NJW 2005, 1366, 1367; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 III 3 d (S. 689); hnl. MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 25; im Ergebnis auch BGHZ 40, 18, 19 ff.; BGHZ 41, 393, 397 f.; BGH, NJW 1996, 845, 846; Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 132; Jauernig/Jauernig, § 1004 Rn. 20; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 25; Mertens, NJW 1972, 1783, 1785; Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456, 472 f.; eingeschrnkt auf § 836 II BGB bezogen auch MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 52. 122 So aber MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 52. 123 hnl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 III 3 e (S. 690).

II. Zurechnungsgrund

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zeugender ist die Argumentation, die auf die dem § 1004 I 1 BGB zugrunde liegenden Wertung abstellt, dass der Stçrer alles zur Stçrungsbeseitigung Erforderliche auf eigene Kosten vorzunehmen hat, was nicht durch Dereliktion unterlaufen werden drfe124. Allerdings setzt auch diese Wertung zunchst das Vorliegen einer Stçrung voraus, so dass die Argumentation noch nicht zwingend ist. Die dogmatische Begrndung liegt demgegenber darin, dass sich durch das Verhalten des Pflichtigen an einer einmal eingetretenen Verantwortlichkeit nichts ndert125, ein einmal entstandener Anspruch nicht wieder wegfllt, wenn nicht eine Einwendung, etwa Erfllung oder Unmçglichkeit begrndet ist. Maßgeblicher Haftungsgrund der negatorischen Haftung ist wie bei der deliktischen Haftung die Verantwortung dafr, dass ein Risiko im Rahmen der Handlungshaftung geschaffen oder erhçht wird oder im Rahmen der Nichthandlungshaftung nicht verhindert oder vermindert wird. Ist dieses Risiko in der Welt, entfllt es nicht rckwirkend dadurch, dass der Zurechnungsgrund wieder wegfllt. Genauso wenig kann dadurch die Verantwortlichkeit entfallen. Verwirklicht sich das Risiko, kann also nicht eingewendet werden, wenn das Risiko erst spter entstanden wre, htte es an der Verantwortlichkeit gefehlt.

b) bergang des Eigenbesitzes? Demgemß fhrt der bergang des Eigenbesitzes an einer Risikoquelle zwar dazu, dass der neue Eigenbesitzer als Nichthandlungsstçrer auch fr solche Risiken verantwortlich ist, fr die vorher der alte Eigenbesitzer verantwortlich war. Dabei ist fr die Verantwortlichkeit des neuen Eigenbesitzers nicht der Eigentumsbergang entscheidend, es kommt also nicht auf die Rechtsnachfolge an126, umgekehrt kommt es aber auch nicht auf den bergang der Bestimmungsgewalt und die bernahme der Verkehrspflichten durch den neuen Inhaber an127, sondern auf die Erlangung des Eigenbesitzes, die zwar vielfach mit dem Eigentumserwerb einher gehen wird, dies aber nicht muss. Aber die Verantwortlichkeit des neuen Eigenbesitzers fhrt noch nicht dazu, dass der alte Eigenbesitzer fr diese Risiken nicht mehr verantwortlich ist, soweit der Beseitigungsanspruch bereits in seiner Person entstanden ist, woran es bei der Beklagten im zweiten Ausgangsfall fehlt. Denn der negatorische Beseitigungsanspruch entfllt nicht schon al124 So BGH, NJW 2005, 1366, 1367; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 III 3 d (S. 689), § 86 V 2 (S. 696); MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 25; vgl. auch Mugdan III, S. 425. 125 So im Rahmen der Handlungshaftung BGH, NJW 1996, 845, 846; vgl. auch H. Westermann/H. P. Westermann, § 36 I 3. 126 So aber BGH, NJW 1966, 1360, 1361; BGH, NJW 1968, 1327, 1328; BGH, NJW 1989, 2541, 2542; BGH, NJW-RR 1996, 659 f.; OLG Kçln, NJW-RR 1996, 1104; Staudinger/Gursky, 12. Aufl., § 1004 Rn. 74, 92. 127 So aber BGH, NJW 1997, 582, 584; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 51.

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lein dadurch, dass der Eigenbesitz als Voraussetzung der Verantwortlichkeit nach seinem Entstehen wegfllt. Ihm kçnnen lediglich Einwendungen oder Einreden entgegenstehen, die sich aus dem Wegfall des Eigenbesitzes ergeben. So ist etwa angenommen worden, dass mit dem bergang des Eigenbesitzes regelmßig Unmçglichkeit eintrete128. Daneben ist insbesondere an Verjhrung zu denken. Die Unmçglichkeit der Beseitigung durch den alten Eigenbesitzer wird jedoch in der Regel nicht Folge des bergangs des Eigenbesitzes sein. Selbst wenn man fr das geltende Recht von der Anwendbarkeit der allgemeinen Unmçglichkeitsregeln ausgeht, was fr dingliche Unterlassungsansprche bezweifelt wird129, wrde der bergang des Eigenbesitzes die Beseitigung noch nicht tatschlich unmçglich machen, sondern zunchst nur die Genehmigung des neuen Eigenbesitzers erfordern, so dass Unmçglichkeit gemß § 275 BGB nur vorliegt, wenn die Genehmigung ausgeschlossen oder nicht mehr rechtzeitig mit ihr zu rechnen ist130. Denn der neue Eigenbesitzer der Risikoquelle ist im Rahmen der Nichthandlungshaftung ebenfalls Verantwortlicher, solange von ihr noch ein Risiko ausgeht. Er hat demgemß selbst ein Interesse an der Beseitigung und ist zudem im Verhltnis zum Betroffenen gemeinsam mit dem alten Eigenbesitzer Gesamtschuldner gemß § 421 BGB. Als solcher ist er gegenber dem alten Eigenbesitzer aber regelmßig aus dem Rechtsverhltnis, das dem bergang des Eigenbesitzes zugrunde liegt, zumindest aber aus § 426 I 1 BGB zur Mitwirkung an der Beseitigung verpflichtet, darber hinaus kann sich aus dem Innenverhltnis, fr welches das Maß der Verursachung und des Verschuldens maßgeblich ist131, sogar eine Pflicht zur Befreiung von der Beseitigungspflicht und zum Ausgleich der aus dieser Pflicht resultierenden Aufwendungen ergeben132. Versteht man unter der Verfgungsgewalt die Mçglichkeit, tatschlich, wenn auch mçglicherweise rechtlich vermittelt, ber die Sache zu verfgen und auf sie einzuwirken133, bleibt der alte Eigenbesitzer demgemß Stçrer, solange er ber die Sache verfgen kann134, was bei der Nichthandlungshaftung nicht der Ausnahmefall ist135, sondern die Regel. Denn durch den bergang des Eigenbesitzes verliert der alte Eigenbesitzer zwar den Besitz, nicht aber die rechtlich vermittelte Verfgungsbefugnis in Be-

128 So fr die Rechtslage vor dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. 11. 2001 etwa BGHZ 41, 393, 397 f.; OLG Kçln, NJW-RR 1996, 1104. 129 So wohl Erman/H. P. Westermann, § 275 Rn. 2. 130 Erman/H. P. Westermann, § 275 Rn. 8. 131 Erman/Ehmann, § 426 Rn. 9; Palandt/Heinrichs, § 426 Rn. 10; fr das Deliktsrecht auch Erman/Schiemann, § 840 Rn. 10; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 840 Rn. 13. 132 Erman/Ehmann, § 426 Rn. 16 f.; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 840 Rn. 14. 133 Vgl. BGHZ 41, 393, 397 f. 134 So fr den alten Eigentmer auch Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 25. 135 So aber MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 50.

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zug auf die Beseitigung der Beeintrchtigung, wenn der neue Eigenbesitzer ebenfalls im Rahmen der Nichthandlungshaftung verantwortlich ist.

c) Verjhrung Der bergang des Eigenbesitzes kann jedoch Anknpfungspunkt fr die Verjhrung negatorischer Beseitigungsansprche sein. Denn diese tritt gemß §§ 195, 199 I BGB regelmßig drei Jahre nach dem Schluss des Jahres ein, in dem der Eigenbesitz nach Entstehen des Anspruchs bergegangen ist und der Betroffene ber die zur Geltendmachung des Anspruchs notwendigen Kenntnisse verfgt oder ohne grobe Fahrlssigkeit verfgen msste. Die Diskussion um die Reichweite des § 199 V BGB betrifft entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift nur Ansprche auf Unterlassung136. Dem Vorschlag, die Haftung des alten Eigenbesitzers durch eine Analogie zu § 836 II BGB auf ein Jahr nach bergang des Eigenbesitzes zu beschrnken137, steht entgegen, dass § 836 II BGB von § 908 BGB, der von der negatorischen Haftung auf die §§ 836 ff. BGB verweist, gerade ausgenommen ist138. Zudem begrndet § 836 II BGB ja gerade die deliktische Haftung des alten Eigenbesitzers, whrend es hier um die Beschrnkung der negatorischen Beseitigungshaftung geht. Fr den negatorischen Unterlassungsanspruch muss grundstzlich dasselbe gelten wie fr den negatorischen Beseitigungsanspruch, was sich schon daraus ergibt, dass der Beseitigungsanspruch ja nur ein Sonderfall des Unterlassungsanspruchs ist139. Er entfllt damit nicht schon dadurch, dass der Eigenbesitz aufgegeben oder bertragen wird, und wird dadurch regelmßig auch nicht unmçglich. Unmçglich wrde der Unterlassungsanspruch nur, wenn er auf das Unterlassen einer Handlung gerichtet wre, da er nur insoweit zukunftsgerichtet ist, so dass er fr die Vergangenheit dadurch erfllt ist, dass keine Zuwiderhandlung stattgefunden hat, und fr zuknftige Zuwiderhandlungen der Eigenbesitz als Voraussetzung der Entstehung des Unterlassungsanspruchs fehlt. Demgegenber ist der Unterlassungsanspruch bei der Nichthandlungshaftung nicht auf das Unterlassen einer Handlung, sondern auf ein positives Tun zur Erfllung einer Verkehrspflicht zur Verhinderung oder Verringerung eines Risikos gerichtet. Damit kommt es bei der Nichthandlungshaftung auf die Unmçglichkeit eines positiven Tuns an. Dieses wird aber wie bei Beseitigungshandlungen in der Regel nicht dadurch unmçglich, dass dafr die Genehmigung durch den neuen Eigenbesitzer notwendig ist, da dieser aufgrund der gleichgerichteten Interessen und des Vorliegens einer Gesamtschuld des alten und des neuen 136 137 138 139

Vgl. Erman/Schmidt-Rntsch, § 199 Rn. 43. So MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 52. hnl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 III 3 e (S. 690). Siehe oben S. 72 ff.

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Eigenbesitzers regelmßig nicht nur ein Interesse an der Erteilung einer Genehmigung hat, sondern auch dazu verpflichtet ist. Der negatorische Unterlassungsanspruch wird allein durch den Wegfall des Eigenbesitzes demgemß nur unmçglich, soweit sich aus ihm eine Pflicht zur Nichtvornahme von Handlungen ergibt, nicht jedoch, soweit sich aus ihm die Pflicht zu einem positiven Tun ergibt. Nur letzteres ist jedoch Gegenstand der Nichthandlungshaftung, so dass Unmçglichkeit regelmßig nicht schon durch den Wegfall des Eigenbesitzes eintritt. Bei der Verjhrung des negatorischen Unterlassungsanspruchs ist zu differenzieren. Sie tritt weder notwendig im Rahmen der regelmßigen Verjhrungsfrist von drei Jahren gemß §§ 195, 199 BGB ein140, noch ist sie wegen der Zukunftsgerichtetheit der Unterlassungsansprche notwendig ausgeschlossen141. Vielmehr ist zu unterscheiden, ob ein Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr oder Erstbegehungsgefahr beruht und ob er auf die Nichtvornahme oder die Vornahme von Handlungen gerichtet ist. Aus § 199 V BGB, der sich seinem Wortlaut nach auf die Verjhrung von Unterlassungsansprchen allgemein bezieht, kann nicht geschlossen werden, dass die Verjhrung der negatorischen Unterlassungsansprche notwendig die Zuwiderhandlung voraussetze142 und dass vorbeugende Unterlassungsansprche daher nicht der Verjhrung unterlgen, weil ihnen definitionsgemß keine Zuwiderhandlung vorausgehe, da bei ihnen keine Wiederholungsgefahr vorliegen msse, sondern bereits die Erstbegehungsgefahr genge143. Denn § 199 V BGB hat vorbeugende Unterlassungsansprche berhaupt nicht zum Gegenstand, da er sich nicht auf die Erstbegehungsgefahr bezieht, sondern nur auf die Wiederholungsgefahr, die eine vorhergehende Zuwiderhandlung voraussetzt, womit er dem § 1004 I 2 BGB entspricht, dessen Wortlaut sich auch nur auf die eine vorhergehende Beeintrchtigung voraussetzenden weiteren Beeintrchtigungen bezieht144. Erweitert man den § 199 V BGB entsprechend § 1004 I 2 BGB auch auf vorbeugende Unterlassungsansprche, dann tritt hier wie dort die Erstbegehungsgefahr an die Stelle der Wiederholungsgefahr, so dass die Voraussetzung der Zuwiderhandlung wegfllt. Der Unterlassungsanspruch entsteht also nicht nur, wenn eine Wiederholungsgefahr vorliegt, die eine vorhergehende Zuwiderhandlung voraussetzt, sondern auch, wenn eine Erstbegehungsgefahr vorliegt. Dementsprechend knpft die Verjhrung beim vor140

So aber Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 174. So aber MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 98. 142 So aber allgemein fr absolute Rechte Bamberger/Roth/Henrich/Spindler, § 199 Rn. 50. 143 So aber etwa BGHZ 59, 72, 74 f.; Erman/Schmidt-Rntsch, § 199 Rn. 43; Fritzsche, S. 472; Palandt/Heinrichs, § 199 Rn. 22; MnchKomm-BGB/Grothe, § 199 Rn. 50. 144 H. Kçhler, JZ 2005, 489, 490. 141

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beugenden Unterlassungsanspruch nicht an die mit der Zuwiderhandlung verbundene Wiederholungsgefahr, sondern an die Erstbegehungsgefahr an, so dass auch der vorbeugende Unterlassungsanspruch grundstzlich verjhren kann. Auch hinsichtlich der Ansicht, dass vorbeugende Unterlassungsansprche nicht der Verjhrung unterlgen, weil sie notwendig zukunftsgerichtet seien, indem sie zwar immer wieder neu entstnden, solange ihre Voraussetzungen vorlgen, aber fr die Vergangenheit immer schon erfllt seien, solange keine Zuwiderhandlung vorliege145, ist zu differenzieren. Denn eine derartige Zukunftsgerichtetheit besteht nur bei Unterlassungsansprchen, die auf die Nichtvornahme einer Handlung gerichtet sind. Hier kann die Frage, wie lange die Nichtvornahme einer Handlung fr die Vergangenheit verlangt werden kann, nicht sinnvoll gestellt werden. Bei Unterlassungsansprchen, die ber eine entsprechende Verkehrspflicht auf die Verhinderung oder Verringerung eines Risikos durch die Vornahme einer Handlung gerichtet sind, kann hingegen bereits ein Verstoß gegen § 1004 I 2 BGB vorliegen, obwohl es noch nicht zu einer Zuwiderhandlung im Sinne des Eintritts der Beeintrchtigung gekommen ist146. In diesen Fllen stellt sich daher die Frage, wie lange die Vornahme einer Handlung verlangt werden kann. Da der Unterlassungsanspruch stndig neu entsteht, solange seine Voraussetzungen vorliegen, etwa bei sich stndig erneuernden Stçrungen wie Immissionen147, wird diese Frage erst dort relevant, wo eine Voraussetzung wegfllt, insbesondere bei Verlust des Eigenbesitzes. Bei Unterlassungsansprchen aufgrund Wiederholungsgefahr, die auf die Nichtvornahme einer Handlung gerichtet sind, geht § 199 V BGB zunchst ins Leere, weil sich aufgrund der Zukunftsgerichtetheit dieser Ansprche die Frage der Verjhrung nicht stellt. Bei Unterlassungsansprchen aufgrund Wiederholungsgefahr, die auf die Vornahme von Handlungen gerichtet sind, greift § 199 V BGB hingegen ohne weiteres. Wenn man bercksichtigt, dass die Zuwiderhandlung Voraussetzung der Wiederholungsgefahr und damit des Anspruchs ist148, stellt sich allerdings die Frage, inwiefern die Regelung hier von § 199 I Nr. 1 BGB abweicht. Fr die Verjhrung kommt es hier letztendlich auf den Zeitpunkt an, in welchem die Beeintrchtigung entsteht149 und der Eigentmer sie feststellt150, da dann auch die Voraussetzungen des § 199 I Nr. 2 BGB vorliegen. Unterlassungsan145 So BGHZ 59, 72, 74 f.; BGH, NJW 1995, 2548, 2549; Erman/Schmidt-Rntsch, § 199 Rn. 43; Fritzsche, S. 472; Palandt/Heinrichs, § 199 Rn. 22; MnchKomm-BGB/Grothe, § 199 Rn. 49; vgl. auch Hohloch, S. 197; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 226; Wieling, Sachenrecht, § 23 IV 1 e (S. 375). 146 Anders offenbar MnchKomm-BGB/Grothe, § 199 Rn. 50. 147 BGH, NJW 1990, 2555, 2556; differenzierend Staudinger/Gursky Rn. 226. 148 Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 114. 149 BGH, NJW 2004, 1035, 1036. 150 Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 114.

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sprche aufgrund Erstbegehungsgefahr, die auf die Nichtvornahme von Handlungen gerichtet sind, unterliegen aufgrund ihrer Zukunftsgerichtetheit nicht der Verjhrung. Insoweit lsst sich sagen, dass vorbeugende Unterlassungsansprche nicht verjhren kçnnen151. Bei Unterlassungsansprchen aufgrund Erstbegehungsgefahr, die auf die Vornahme von Handlungen gerichtet sind, ist die Verjhrung demgegenber nicht ausgeschlossen, da die Vornahme der Handlungen auch noch mçglich ist, nachdem der Anspruch darauf entstanden ist. Maßgeblicher Zeitpunkt ist hier entsprechend § 199 I Nr. 1 BGB die Entstehung des Unterlassungsanspruchs. Da er stndig neu entsteht, solange seine Voraussetzungen vorliegen, verjhrt dieser Unterlassungsanspruch damit regelmßig drei Jahre nach dem Schluss des Jahres, in dem der Eigenbesitz nach Entstehen des Anspruchs bergegangen ist, und der Betroffene ber die zur Geltendmachung des Anspruchs notwendigen Kenntnisse verfgt oder ohne grobe Fahrlssigkeit verfgen msste. Indem die Nichthandlungshaftung voraussetzt, dass entgegen einer Verkehrspflicht nicht gehandelt wird, sind die daraus folgenden Unterlassungsansprche auf die Vornahme einer Handlung gerichtet, so dass sie gemß §§ 195, 199 BGB der regelmßigen Verjhrungsfrist von drei Jahren unterliegen. Demgegenber umfasst die Handlungshaftung sowohl Unterlassungsansprche, die auf die Vornahme einer Handlung gerichtet sind, als auch solche, die auf die Nichtvornahme einer Handlung gerichtet sind, so dass hinsichtlich ihrer Verjhrung entsprechend den oben gemachten Unterscheidungen zu differenzieren ist. Dieses Ergebnis gilt auch fr Unterlassungsansprche bezglich Beeintrchtigungen des Grundeigentums. Der Auffassung, insoweit greife die Unverjhrbarkeit eingetragener Rechte gemß § 902 I BGB, weil die Ansprche aus § 1004 BGB insoweit dem Herausgabeanspruch des § 985 BGB nahe stnden152, steht entgegen, dass der Bestand und der Umfang der Ansprche nicht aus dem Grundbuch ersichtlich ist153. Zudem beruht sie auf der hier abgelehnten Usurpationstheorie und bersieht, dass § 1004 BGB ber das Grundeigentum und das Nachbarrecht hinaus Geltung beansprucht. Auch im Nachbarrecht gilt nichts anderes. Die Unverjhrbarkeit nachbarrechtlicher Ansprche gemß § 924 BGB umfasst zwar auch die Ansprche aus § 907 ff. BGB, wird aber auf ihre fortwhrende Neuentstehung gesttzt154, so dass sie nicht mehr greift, wenn eine der Voraussetzungen wegfllt, insbesondere bei Verlust des Eigenbesitzes. 151 So etwa BGHZ 59, 72, 74 f.; Erman/Schmidt-Rntsch, § 199 Rn. 43; Fritzsche, S. 472; Palandt/Heinrichs, § 199 Rn. 22; MnchKomm-BGB/Grothe, § 199 Rn. 48 f. 152 So LG Tbingen, NJW-RR 1990, 338 f.; Hk-BGB/Eckert Rn. 13; MnchKommBGB/Wacke, § 902 Rn. 9; Picker, JuS 1974, 357, 358 f.; Staudinger/Gursky, § 902 Rn. 8. 153 BGHZ 60, 235, 238 f.; Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 112, 114; im Ergebis auch Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 45; Manfred Wolf, Rn. 296. 154 MnchKomm-BGB/Scker, § 924; zurckhaltend Erman/Lorenz, § 924 Rn. 1; Staudinger/Roth, § 924 Rn. 1.

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Bei der Nichthandlungshaftung entsteht ein Unterlassungsanspruch somit, wenn eine Verkehrspflicht zur Verhinderung und Verringerung eines Risikos besteht und fr einen normalen Verkehrsteilnehmer erkennbar ist. Ab diesem Zeitpunkt entsteht der Unterlassungsanspruch so lange neu, wie die Verkehrspflicht besteht und erkennbar ist. Verpflichteter ist derjenige, der zum Zeitpunkt der Entstehung oder Neuentstehung als Eigenbesitzer verantwortlich ist. Seine Verpflichtung endet nicht in dem Moment, in dem der Unterlassungsanspruch nicht mehr in seiner Person entsteht, etwa weil er den Eigenbesitz aufgegeben oder bertragen hat, sondern erst mit Ablauf der regelmßigen Verjhrungsfrist von drei Jahren gemß §§ 195, 199 BGB nach dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch zu entstehen aufgehçrt hat und der Betroffene ber die zur Geltendmachung des Anspruchs notwendigen Kenntnisse verfgt oder ohne grobe Fahrlssigkeit verfgen msste. Damit haftet der alte Eigenbesitzer nicht nur bis zum Ende der Verjhrungsfrist weiter fr bereits entstandene Unterlassungsansprche, so dass er sich der Haftung durch Aufgabe oder bertragung des Eigenbesitzes nur zeitverzçgert entziehen kann, wenn der Betroffene unttig bleibt, sondern im Falle der bertragung des Eigenbesitzes haftet er fr diesen Zeitraum auch neben dem neuen Eigenbesitzer, wenn die Verkehrspflicht zur Verhinderung oder Verringerung des Risikos auch nach dessen bernahme der potentiellen Verantwortlichkeit weiter besteht. Beim Handlungsstçrer ist hinsichtlich der Verjhrung zwischen einmaligem Verhalten und andauerndem Verhalten zu unterscheiden; bei einmaligen Handlungen beginnt die Verjhrung mit dem Abschluss des Verhaltens, bei andauerndem Verhalten wird der Anspruch laufend neu begrndet, so dass die Verjhrung erst beginnt, wenn das Verhalten nicht mehr andauert155.

D. Einschaltung Dritter Die hier erarbeiteten Grundstze zur Bestimmung der Verkehrspflichten finden auch Anwendung auf die Einschaltung Dritter zur Erfllung der aus der Handlungs- oder Nichthandlungshaftung des Verantwortlichen resultierenden Verkehrspflichten. Dabei bezieht sich die bisherige Diskussion zur Einschaltung Dritter zwar vor allem auf die deliktische Haftung, ihre Argumente und Ergebnisse beanspruchen jedoch auch im Rahmen der negatorischen Haftung Geltung. Dies ergibt sich nicht nur aus dem funktionellen Ergnzungsverhltnis zwischen der negatorischen und der deliktischen Haftung156. Es folgt vielmehr auch daraus, dass die negatorische wie 155 156

H. Kçhler, JZ 2005, 489, 490. Siehe oben S. 103.

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die deliktische Haftung eine Verletzung von Verkehrspflichten voraussetzt und daher auch eine entsprechende Verantwortlichkeit. Die bertragung der sich aus den Verkehrspflichten ergebenden Aufgaben ist demgemß nicht auf den Bereich der deliktischen Haftung beschrnkt, sondern muss auch im Bereich der negatorischen Haftung zu denselben Ergebnissen kommen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit lassen sich dabei nicht alle Einzelheiten der Einschaltung Dritter einschließlich Organmitgliedern und Arbeitnehmern behandeln, sondern nur die Grundzge darstellen.

1. bertragung der aus den Verkehrspflichten resultierenden Aufgaben Die Einschaltung Dritter wird dabei nicht im Sinne einer bertragung der Verkehrspflichten verstanden157, sondern als bertragung der sich daraus ergebenden Aufgaben158, da die Verkehrspflichten in der Person des bertragenden bestehen bleiben und dadurch erfllt werden, dass die Erfllung der daraus resultierenden Aufgaben bertragen und berwacht wird. Damit stellt sie sich aus Sicht des ursprnglich Verantwortlichen als Erfllung seiner Verkehrspflicht durch bertragung der aus seinen Pflichten erwachsenen Aufgaben auf einen Dritten dar. Fr den die Aufgabe bernehmenden entstehen dadurch Verkehrspflichten in seiner Person, die aber nicht mit denjenigen des bertragenden identisch sind, sondern nach den hier entwickelten Grundstzen zu bestimmen sind.

2. Verantwortlichkeit des bertragenden Der bertragende haftet fr einen Verstoß des bernehmenden gegen Verkehrspflichten nicht nach § 278 BGB159, da die Verhaltensstandards keine Verbindlichkeit darstellen und § 831 BGB sonst funktionslos wrde, der nur eine Haftung fr unselbstndige Verrichtungsgehilfen vorsieht und fr diese sogar noch die Mçglichkeit eines Entlastungsbeweises einrumt160. Er haftet aber auch nicht nur nach § 831 BGB. 157 So aber zumindest die Terminologie bei BGHZ 142, 227, 233; BGH, NJW 1987, 2669, 2670; BGH, NJW-RR 1989, 394, 395; BGH, NJW 1996, 2646; OLG Frankfurt, NJW-RR 1999, 532, 533; vgl. auch Jauernig/Teichmann, § 823 Rn. 38; Prtting/Wegen/ Weinreich/Schaub, § 823 Rn. 123; Taupitz, UTR 40, S. 237, 258 f.; Ulmer, JZ 1969, 163 ff.; von Bar, Verkehrspflichten, S. 270, 274; ausdrcklich zudem Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 262 f.; Brggemeier, Haftungsrecht, S. 162; wie hier auf die Erfllung der Verkehrspflicht abstellend aber BGH, NJW-RR 1988, 471. 158 BGH, NJW-RR 1988, 471; Kleindiek, S. 401; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 5 c (S. 420 f.); Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 52. 159 So aber Baums, FS Lukes, S. 623, 637 f.; Brggemeier, Deliktsrecht, Rn. 130; Mertens, VersR 1980, 397, 408; im Ergebnis auch von Bar, Verkehrspflichten, S. 269 ff. 160 Erman/Schiemann, § 823 Rn. 86; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 5 c (S. 419 f.); Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 56; im Ergebnis auch RGZ 113, 293, 296; BGHZ 4, 1, 3 f.

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Der bertragende haftet vielmehr auch, wenn er die ihn selbst treffenden Verkehrspflichten verletzt. Die bertragung der aus den Verkehrspflichten resultierenden Aufgaben dient aus Sicht des bertragenden der Erfllung dieser Verkehrspflichten. Die bertragung der Aufgaben kann dabei eine Mçglichkeit der Erfllung der Verkehrspflichten, aber auch Voraussetzung ihrer Erfllung sein, wenn der bertragende sie nicht selbst erfllen kann161. Demgemß werden die Verkehrspflichten selbst nicht bertragen, sondern kçnnen nur dadurch erfllt werden, dass die Erfllung der aus ihnen folgenden Aufgaben bertragen und berwacht wird. Dies setzt voraus, dass die Aufgabenbertragung durch eine einverstndliche und klare Absprache erfolgt, die eine Erfllung der Verkehrspflichten zuverlssig sicherstellt162, insbesondere dass der bernehmer sorgfltig ausgewhlt und instruiert wird163, und dass die tatschliche Ausfhrung der bertragenen Aufgaben hinreichend kontrolliert und berwacht wird164. Wie streng die dabei anzulegenden Standards sind, ist dabei wiederum aufgrund einer Abwgung der Umstnde des Einzelfalls zu bestimmen165. Solange nicht konkrete Anhaltspunkte dagegen sprechen, darf der bertragende jedoch im Allgemeinen darauf vertrauen, dass der bernehmer die bertragenen Aufgaben erfllt166. Daneben besteht bei Gesellschaften im weiteren Sinne die Organhaftung gemß § 31 BGB. Diese wird hufig zu einer allgemeinen Reprsentantenhaftung erweitert167 und erstreckt sich nicht nur auf Vereine einschließlich Aktiengesellschaft und GmbH, sondern auch auf die Personenhandelsgesellschaften und erfasst inzwischen auch die Gesellschaft brgerlichen Rechts168. 161

hnl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 5 c (S. 419). BGH, NJW 1996, 2646; BGH, NJW 2008, 1440, 1441; hnl. BGH, NJW 1985, 270, 271; BGH, NJW-RR 1988, 471 f.; BGH, NJW 1996, 2646; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 262; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 53. 163 Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 263 ff.; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 57; bezglich Auswahl auch BGH, NJW 1987, 2669, 2670. 164 So etwa BGHZ 110, 114, 121 f.; BGHZ 142, 227, 233; BGH, NJW 1985, 270, 271; BGH, NJW 1985, 484 f.; BGH, NJW 1987, 2669, 2670; BGH, NJW 1996, 2646; BGH, NJW 2008, 1440, 1441; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 263; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 85; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 57; Taupitz, FS Hagen, S. 469, 471. 165 BGH, NJW 1987, 2669, 2670; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 263; Soergel/ Krause, § 823 Anh II Rn. 57. 166 BGHZ 142, 227, 233 f.; BGH, NJW 1985, 270, 271; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 85; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 294; hnl. OLG Hamm, NJW-RR 1999, 1324, 1325; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 244, 525 ff.; anders fr das Strafrecht BGH, NJW 2002, 1887, 1888 f. 167 Vgl. etwa BGHZ 49, 19, 21 f.; BGH, NJW 1977, 2259, 2260; BGH, NJW 1998, 1854, 1856 f.; Bamberger/Roth/Schwarz/Schçpflin, § 31 Rn. 7; Erman/H. P. Westermann, § 31 Rn. 1; Palandt/Heinrichs, § 31 Rn. 6; Soergel/Hadding, § 31 Rn. 10; fr entsprechende analoge Anwendung auch MnchKomm-BGB/Reuter, § 31 Rn. 5. 168 So etwa Bamberger/Roth/Schwarz/Schçpflin, § 31 Rn. 3; Erman/H. P. Westermann, § 31 Rn. 1; MnchKomm-BGB/Reuter, § 31 Rn. 11 ff.; Palandt/Heinrichs, § 31 Rn. 3; Soer162

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§ 5 Zurechenbarkeit als Voraussetzung der Verkehrspflichten

Nur mehr eine geringe Rolle spielt dagegen die Haftung fr Verrichtungsgehilfen gemß § 831 BGB169. Denn die dort vorgesehene Mçglichkeit des Entlastungsbeweises scheitert zwar vielfach170, aber § 831 BGB wird regelmßig von §§ 31, 89 BGB verdrngt, der Anwendungsbereich des § 823 I BGB berlagert insbesondere bei einem Verstoß gegen Organisationspflichten denjenigen des § 831 BGB171. Bezogen auf den zweiten Ausgangsfall ist die Beklagte damit nur verantwortlich, wenn sie im Zusammenhang mit der Weitergabe des Altreifenmaterials an das Entsorgungsunternehmen eine Verkehrspflicht verletzt hat. Dabei kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass einen Erzeuger umweltgefhrdenden Abfalls die Verkehrspflicht zur Entsorgung oder Wiederaufbereitung des Abfalls trifft und diese Pflicht als solche bestehen bleibt und er damit weiter haftet, bis der Abfall tatschlich entsorgt oder wiederaufbereitet ist172. Eine derartige ewige Haftung wrde nicht nur zu einer Potenzierung der Verantwortlichen fhren173. Sie ist vielmehr auch mit den hier herausgearbeiteten Grundstzen nicht vereinbar, wonach sich die ursprngliche Verkehrspflicht mit der Einschaltung Dritter in eine Pflicht zur sorgfltigen Auswahl und Instruktion sowie berwachung des Dritten wandelt. Dies wird fr die deliktische Haftung allgemein angenommen174, gilt aber aufgrund der Ergnzungsfunktion zwischen negatorischer und deliktischer Haftung und dem Charakter der Verkehrspflichten als gemeinsamen Tatbestandsmerkmalen auch fr die negatorische Haftung.

3. Verantwortlichkeit des bernehmenden Durch die bertragung der sich aus den Verkehrspflichten ergebenden Aufgaben wird der die Aufgabe bernehmende nicht nur gegenber dem bertragenden verpflichtet, sondern in seiner Person entstehen auch Verkehrspflichten, fr deren Einhaltung er gegenber Dritten, also nach außen haftet. Diese Verkehrspflichten sind jedoch nicht mit denjenigen des bertragenden identisch. Vielmehr ist nach den hier entwickelten Grundstzen zu bestimmen, ob und welche Verkehrspflichten in seiner Person entstehen, gel/Hadding, § 31 Rn. 5 ff.; fr die GbR auch BGHZ 154, 88, 93 ff., BGHZ 155, 205, 210; anders noch BGHZ 45, 311, 312. 169 MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 831 Rn. 2; K. Schmidt, KF 1993, S. 4, 5 f. 170 So etwa Bamberger/Roth/Spindler, § 831 Rn. 1; Soergel/Zeuner, 12. Aufl., § 831 Rn. 6 f.; vgl. auch Erman/Schiemann, § 831 Rn. 3. 171 Vgl. Erman/Schiemann, § 831 Rn. 4; Palandt/Sprau, § 831 Rn. 2 f. 172 So fr die negatorische Haftung aber OLG Dresden, VersR 1995, 836 f. 173 So Taupitz, FS Hagen, S. 469, 478. 174 So mit Unterschieden, wie weit diese Pflichten gehen, etwa BGH, NJW 1976, 46, 47 f.; BGH, NJW 2006, 3628, 3629; OLG Dsseldorf, NJW-RR 1996, 1426, 1427; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 571; Enders, S. 284 ff.; Marburger, UTR 30, S. 129, 151; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 641; Paschke/Kçhlbrandt, NuR 1993, 256, 257 ff.; Taupitz, UTR 40, S. 237, 259 ff.

II. Zurechnungsgrund

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welche Voraussetzungen also in seiner Person verwirklicht sind175. Es gelten also die allgemeinen Regeln ber Verkehrspflichten176. Eine potentielle Verantwortlichkeit aufgrund Nichthandlungshaftung kommt dabei nicht in Frage, weil der bernehmende nicht Eigenbesitzer ist. Er kann allenfalls Unterhaltspflichtiger im Sinne des § 838 BGB sein, unterliegt dann aber einer Handlungshaftung in Form der bernahmehaftung. Die potentielle Verantwortlichkeit kann jedoch aufgrund Handlungshaftung in Form der bernahmehaftung bestehen. Sie setzt dann die einverstndliche bertragung der Aufgabe, die Verkehrspflichten des bertragenden zu erfllen, auf den bernehmenden voraus, dessen Verkehrspflichten damit auch nur so weit gehen, wie die Aufgaben einverstndlich bertragen wurden. Die Verkehrspflichten rechtfertigen sich insoweit entsprechend den Kriterien der bernahmehaftung dadurch, dass der bernehmende ein Risiko schafft oder vergrçßert. Denn der bertragende vertraut durch die bertragung auf die Erfllung der Verkehrspflichten durch den bernehmer und sieht daher von eigenen Erfllungshandlungen ab177. Dieses Vertrauen beruht auf der einverstndlichen Absprache zwischen bertragendem und bernehmendem, die zwar kein Vertrag sein muss, aber nach den allgemeinen Regel fr Vertrge ausgelegt wird, soweit eine Absprache vorliegt178. Nur insoweit schafft der bernehmende ein ihm zurechenbares Risiko. Demgegenber verkennt die Argumentation, dass die potentielle Verantwortlichkeit des bernehmenden auch dadurch gerechtfertigt werde, dass der Betroffene in die Erfllung der Aufgaben gerade durch den bernehmenden vertraue und daraufhin von eigenen Schutzmaßnahmen absehe179, dass sich die bernahmehaftung hier aus dem Verhltnis zwischen bertragendem und bernehmendem ergibt. Sie lsst sich auch nicht damit begrnden, dass es nur um die bernahme von deliktischen, also die Allgemeinheit schtzenden Verkehrspflichten gehe180. Denn der Betroffene 175 So in Bezug auf die von ihm aufgestellten Kriterien auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 5 d (S. 421). 176 So im Ausgangspunkt auch Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 54; von Bar, Verkehrspflichten, S. 121 f. 177 BGH, NJW 1959, 34, 35; BGH, NJW-RR 1989, 394, 396; BGH, NJW 1990, 111, 112; Kleindiek, S. 410; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 b (S. 410); MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 289; RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 129; Soergel/ Krause, § 823 Anh II Rn. 54; vgl. auch BGHZ 31, 219, 221; fr das Strafrecht auch BGH, NJW 2002, 1887, 1889; ablehnend Sandmann, S. 220 ff. 178 So wohl auch Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 64. 179 So Erman/Schiemann, § 823 Rn. 85; Kleindiek, S. 409 ff.; wohl auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 b (S. 410); Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 54; Mertens, VersR 1980, 397, 408; zweifelnd Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 272. 180 So aber Kleindiek, S. 411.

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§ 5 Zurechenbarkeit als Voraussetzung der Verkehrspflichten

kann zunchst nur darauf vertrauen, dass die Verkehrspflichten berhaupt erfllt werden181, nicht aber, dass sie der bernehmende erfllt. Das Risiko, das im Rahmen der Nichthandlungshaftung in die potentielle Verantwortlichkeit des bertragenden fllt, wird durch die bernahme der Erfllung der daraus resultierenden Verkehrspflichten durch den bernehmenden nicht erhçht. Es handelt sich vielmehr um dasselbe Risiko, fr das sich nur die Verantwortlichkeit ndert. Der Betroffene darf seine Schutzmaßnahmen nur im Hinblick darauf unterlassen, dass die Verkehrspflichten berhaupt erfllt werden, nicht daraufhin, dass sie nicht durch den bertragenden, sondern durch den bernehmenden erfllt werden. Die Haftung des bernehmenden lsst sich zudem auch nicht durch die mit der bernahme verbundene Beherrschung des Risikos rechtfertigen, da die bloße Mçglichkeit der Risikobeherrschung ja noch nicht zur potentiellen Verantwortlichkeit fhrt182. Selbst die Erfllung der Verkehrspflichten durch Dritte in der Vergangenheit fhrt nur in Ausnahmefllen zur potentiellen Verantwortlichkeit, wenn sie so lange und regelmßig erfolgte, dass ein Vertrauen des eigentlich Verkehrspflichtigen entstehen konnte, sie wrde auch weiterhin erfolgen183. Ohne die bernahme wre somit keine Verantwortlichkeit und damit auch keine Haftung des bernehmenden begrndet. Maßgeblich fr die bernahme ist aber die Absprache zwischen bertragendem und bernehmendem. Diese betrifft aber mit der Frage, wer von ihnen die Verkehrspflichten erfllen muss, zunchst allein das Verhltnis zwischen bertragendem und bernehmendem. Dies zeigt sich auch daran, dass die Absprache wie ein Vertrag auszulegen ist184, es also auf das von den Beteiligten Gewollte ankommt185. Damit kann aber nur das Vertrauen des bertragenden und des bernehmenden darber entscheiden, inwieweit der bernehmende Erfllung der aus den Verkehrspflichten resultierenden Aufgaben bernommen hat und daher fr die Nichterfllung verantwortlich ist und haftet. Das Vertrauen der betroffenen Verkehrsteilnehmer ist demgegenber nur darauf gerichtet, dass sich durch die bertragung keine Schutzlcken hinsichtlich der Erfllung der Verkehrspflichten ergeben. Die potentielle Verantwortlichkeit und die daraus resultierenden Verkehrspflichten des bernehmenden kçnnen auch aufgrund Handlungshaftung in Form der Haftung aus vorangegangenem Tun bestehen, wenn der bernehmende im Rahmen der Erfllung der bernommenen Aufgaben 181

hnl. von Bar, Verkehrspflichten, S. 121. Siehe oben S. 195. 183 So fr den Fall einer langjhrigen bung und Rechtsunsicherheit ber den Verpflichteten BGHZ 31, 219, 221 ff.; ablehnend fr die bloße Erfllung der Aufgabe BGH, NJW 1990, 111, 112; vgl. auch BGH, NJW 1959, 34, 35. 184 Siehe oben S. 217. 185 Erman/Armbrster, § 157 Rn. 2. 182

II. Zurechnungsgrund

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Risiken schafft oder vergrçßert. Bei der Bestimmung der Verkehrspflichten ist allerdings das sich aus der Absprache ergebende Verhltnis zwischen bertragendem und bernehmendem zu bercksichtigen. Denn die Absprache entfaltet nicht nur insofern Wirkung, als sie die bertragung der Aufgabe, die Verkehrspflichten des bertragenden zu erfllen, zum Gegenstand hat und durch diese bertragung und die damit verbundene berwachung des bernehmenden die Verkehrspflichten des bertragenden erfllen kann. Sie entfaltet vielmehr auch umgekehrt insofern Wirkung, als sie auch die Erfllung der Verkehrspflichten zum Gegenstand hat, die nicht bertragen werden und dadurch dem bertragenden zugewiesen werden. Diese Verkehrspflichten umfassen nicht nur die ursprnglich bestehenden Verkehrspflichten des bertragenden, sondern auch diejenigen, die erst aus der Erfllung der bertragenen Aufgaben entstehen. Dementsprechend sind zwar sowohl der bertragende als auch der bernehmende aus vorangegangenem Tun potentiell verantwortlich, die Erfllung der sich aus dieser Verantwortlichkeit ergebenden Verkehrspflichten obliegt gemß der Absprache jedoch dem bertragenden. Nach den allgemeinen Regeln der Einschaltung Dritter erfllt damit der bernehmende seine Verkehrspflichten aus vorangegangenem Tun durch die Absprache und die Beachtung der sich aus der bertragung ergebenden Kontroll- und berwachungspflichten. Der bernehmende darf dann auch darauf vertrauen, dass die aus seiner Erfllung der bertragenen Aufgaben folgenden Verkehrspflichten durch den bertragenden erfllt werden, soweit die bertragung nicht auch die Erfllung dieser Verkehrspflichten umfasst oder Anhaltspunkte fr die Nichterfllung bestehen, die der bernehmende htte kennen mssen186. Bei den Standards fr die Kontroll- und berwachungspflichten ist zugunsten des bernehmenden zu bercksichtigen, dass der bertragende der Veranlasser der Risken ist. Daraus kann zwar nicht geschlossen werden, dass den bernehmenden gar keine potentielle Verantwortlichkeit trifft187, da er die Risiken tatschlich schafft oder vergrçßert. Aber der bernehmende ist nur sekundr verantwortlich, whrend die primre Verantwortlichkeit beim bertragenden liegt, dem daher auch die Steuerung der Risiken primr obliegt. Der bertragende ist dazu hufig aufgrund seiner Stellung auch besser in der Lage, insbesondere besitzt er regelmßig auch die dafr notwendigen Kenntnisse und Fhigkeiten sowie Befugnisse, was insbesondere bei arbeitsteiligen Prozessen der Fall ist. Demgemß treffen den bernehmenden regelmßig auch nur Hinweis- und Informationspflichten gegenber dem bertragen186 Vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1999, 1324, 1325; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 244; anders fr das Strafrecht BGH, NJW 2002, 1887, 1888 f. 187 So aber Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 272; Kleindiek, S. 202 f.; Sandberger, S. 143 f., 154 ff.

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§ 5 Zurechenbarkeit als Voraussetzung der Verkehrspflichten

den, wenn dieser gegen die ihn treffenden Verkehrspflichten verstçßt. Insoweit hnelt die Situation des bernehmenden der Situation desjenigen, der sich bei seinem Tun darauf verlassen kann, dass auch die anderen Verkehrsteilnehmer ihre Verkehrspflichten erfllen. Denn dort entfllt die Verkehrspflicht des potentiell Verantwortlichen auch, wenn andere potentiell Verantwortliche hinreichende Gewhr fr die Erfllung der Verkehrspflichten bieten und deren berwachung und Kontrolle fr ihn unzumutbar ist188. Zur Illustration des Verhltnisses der Verkehrspflichten des bertragenden und des bernehmenden kann mithin auf das Bild der kommunizierenden Rçhren zurckgegriffen werden. Soweit beide potentiell verantwortlich sind, bewirkt die Absprache die Verteilung der Erfllung der aus den Verkehrspflichten resultierenden Aufgaben, wobei der bertragende seine Verkehrspflichten jeweils insoweit erfllen kann, wie der bernehmende die Erfllung der Aufgaben bernimmt, und umgekehrt. Die Summe der durch den bergebenden und den bernehmenden zu erfllenden Verkehrspflichten ndert sich dadurch jedoch nicht; auch die Kontroll- und berwachungspflichten sollen insofern nur sicherstellen, dass die Verkehrspflichten erfllt werden.

4. Verantwortlichkeit von Organen Die eben ausgefhrten Grundstze gelten grundstzlich auch fr die potentielle Verantwortlichkeit und die daraus folgenden Verkehrspflichten von Organen und Arbeitnehmern. Demgemß ist im Rahmen der potentiellen Verantwortlichkeit nicht die Selbststndigkeit und Weisungsunabhngigkeit des bernehmenden, woran es insbesondere bei Arbeitnehmern fehlen kann, vorauszusetzen189, sondern der Grad an Selbststndigkeit und Weisungsunabhngigkeit ist nur bei der Bestimmung der ihn treffenden Verkehrspflichten zu bercksichtigen, wo er Auswirkungen darauf hat, wem die Erfllung der Verkehrspflichten obliegt. Allerdings bleibt insoweit das Verhltnis zwischen einer Gesellschaft als bertragender und ihrem Organ als bernehmendem der aus den Verkehrspflichten der Gesellschaft resultierenden Aufgaben problematisch. Dies gilt insbesondere fr den Fall des alleinigen Gesellschaftergeschftsfhrers einer Einmann-GmbH. Die Problematik, die bisher noch nicht vollstndig gelçst ist und auch hier nicht abschließend geklrt werden kann, findet ihren Grund darin, dass es fr die Verteilung der Erfllung der Verkehrspflichten vielfach an einem Gegen188

RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 157; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 57. So aber zur deliktischen Haftung BGH, NJW 1987, 2510, 2511; vgl. zur negatorischen Haftung auch BGHZ 48, 98, 103; dagegen Erman/Schiemann, § 823 Rn. 85; Larenz/ Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 5 d (S. 421 f.). 189

II. Zurechnungsgrund

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ber des Organs fehlt, also an der zweiten Rçhre in dem eben angesprochenen System der kommunizierenden Rçhren. Dabei ist zunchst festzuhalten, dass die Verkehrspflichten nach den allgemeinen Grundstzen der bertragung der aus ihnen resultierenden Aufgaben zunchst nur fr die Gesellschaft gelten, nicht aber fr die Organe bzw. Organmitglieder190. Dem Organ bzw. Organmitglied kommt insoweit keine Garantenstellung zu191. § 31 BGB wirkt also nicht in umgekehrter Richtung. Die Verkehrspflichten der Gesellschaft sind demgemß nicht ohne weiteres diejenigen ihrer Organe bzw. Organmitglieder; insoweit besteht keine Identitt192. Sie entfalten aber auch nicht nur gegenber der Gesellschaft Wirkung193. Die Organe bzw. Organmitglieder haften vielmehr nach den eben entwickelten Grundstzen fr die Erfllung der ihnen mit der Bestellung bertragenen Aufgaben und die daraus folgenden Verkehrspflichten194. Die Verkehrspflichten der Organe bzw. Organmitglieder beruhen demgemß zunchst auf einer Handlungshaftung in Form der bernahmehaftung. Die Organe bzw. Organmitglieder mssen fr die Erfllung der Verkehrspflichten der Gesellschaft also nur so weit einstehen, wie ihnen entsprechende Aufgaben bertragen wurden. Demgemß muss in der Bestellung des Organs bzw. Organmitglieds auch eine bertragung der aus den Verkehrspflichten resultierenden Aufgaben liegen, was grundstzlich nur fr solche Organe bzw. Organmitglieder gilt, denen die Geschftsfhrung oder Vertretung der Gesellschaft obliegt. Nur diese Organe bzw. Organmitglieder verfgen regelmßig auch ber hinreichende tatschliche und rechtliche Mçglichkeiten der Gefahrsteuerung195. Maßgeblich sind auch hier nicht die tatschliche bernahme der Aufgabe196 und das Vertrauen 190 So im Ausgangspunkt etwa auch Baumbach/Hueck/Zçllner/Noack, § 43 Rn. 77; Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff/Kleindiek, § 43 Rn. 64; Michalski/Haas, § 43 Rn. 339; anders Altmeppen, ZIP 1995, 881, 887 ff.; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 43 Rn. 46; Scholz/U. H. Schneider, § 43 Rn. 232; fr deliktische Verkehrspflichten auch Ransiek, ZGR 1992, 203, 228; Grunewald, ZHR 157 (1993), 451, 455 f. 191 So aber BGHZ 109, 297, 303 f.; BGH, NJW 1996, 1535, 1537; BGH, NJW 2001, 964, 965; zustimmend Foerste, VersR 2002, 1, 2 ff.; im Ausgangspunkt auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 5 d (S. 422); Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 68; kritisch aber BGHZ 125, 366, 375 ff.; H. P. Westermann, DNotZ 1991, 313, 816 ff. 192 So aber Brggemeier, AcP 191 (1991), S. 33, 65 ff. 193 So aber Medicus, FS Lorenz, 1991, S. 155, 166 ff.; Medicus, GmbHR 2002, 809, 814 ff. 194 So im Ausgangspunkt etwa auch Brggemeier, AcP 191 (1991), 33, 65; Dreher, ZGR 1992, 22, 39 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 5 d (S. 421 ff.); Medicus, ZGR 1998, 570, 572; Mertens/Mertens, JZ 1990, 488, 489; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 399; Sandmann, S. 446 ff.; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 71; Staudinger/ J. Hager, § 823 Rn. E 68; von Bar, FS Kitagawa, S. 279, 293 f.; G. Wagner, VersR 2001, 1057, 1060 ff.; hnl. Altmeppen, ZIP 1995, 881, 887 ff.; Mçllers, Rechtsgterschutz, S. 231. 195 hnl. MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 400; hnl. K. Schmidt, KF 1993, S. 4, 14.

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§ 5 Zurechenbarkeit als Voraussetzung der Verkehrspflichten

der Verkehrsteilnehmer auf die Erfllung der Verkehrspflichten gerade durch die Organe bzw. Organmitglieder197, sondern die mit der Bestellung verbundene Absprache und das darauf beruhende Vertrauen der Gesellschaft bzw. der diese dabei vertretenden Organe in die Erfllung der aus den Verkehrspflichten resultierenden Aufgaben. Allerdings ist das Vertrauen der Verkehrsteilnehmer, dass die Organe bzw. Organmitglieder die Verkehrspflichten der Gesellschaft erfllen, insoweit zu bercksichtigen, als die Bestellung als Organ bzw. Organmitglied regelmßig die bertragung der daraus resultierenden Aufgaben umfassen wird, soweit nichts anderes vereinbart ist, was sich insbesondere aus der Zustndigkeitsverteilung ergeben kann. So ist fr die Erfllung der Verkehrspflichten zunchst nur das Organ oder Organmitglied verantwortlich, dem die entsprechende Zustndigkeit bertragen wurde, nicht aber diejenigen Organe oder Organmitglieder, denen andere Aufgaben bertragen wurden198; diesen kommen insoweit nur noch berwachungs- und Kontrollpflichten zu199. Dabei kommt es im Rahmen der bernahmehaftung nicht darauf an, wer gehandelt hat200, sondern wem die Zustndigkeit zugewiesen ist. Wer gehandelt hat, ist zwar ebenfalls potentiell verantwortlich201, jedoch nicht aufgrund einer bernahmehaftung, sondern aufgrund einer Haftung aus vorangegangenem Tun. Aber entsprechend den eben ausgefhrten Grundstzen zur Einschaltung Dritter kann er sich auf die Erfllung der dadurch begrndeten Verkehrspflichten durch die Gesellschaft verlassen, solange er nicht selbst das zustndige Organ oder Organmitglied ist oder er Anhaltspunkte fr die Nichterfllung htte kennen mssen. Die letztgenannten Einschrnkungen drften insbesondere dann in aller Regel vorliegen, wenn der Handelnde das einzige geschftsfhrungsbefugte und vertretungsberechtigte Organ ist oder darber hinaus sogar alleiniger Gesellschaftergeschftsfhrer einer Einpersonen-GmbH ist. In diesen Fllen wre das Organ oder Organmitglied also grundstzlich selbst fr die Erfllung der Verkehrspflichten verantwortlich. Dies wird zwar vielfach als eine berspannung der Anforderungen an die Unternehmensorganisation und die Organe oder Organmitglieder empfunden202. Aber das ist zunchst ein generelles Problem203, weil es die Fra196

So aber MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 400. Erman/Schiemann, § 823 Rn. 85; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 5 d (S. 422). 198 Vgl. etwa Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 5 d (S. 422); Hffer, § 93 Rn. 13a; Lutter/Hommelhoff, § 37 Rn. 29; H. P. Westermann, KF 1993, S. 15, 20 f. 199 Vgl. etwa BGHZ 133, 370, 378; BGH, NJW 1986, 54, 55; BGH, NJW-RR 1986, 1293; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 273; Hffer, § 93 Rn. 13b; Lutter/Hommelhoff, § 37 Rn. 32; Rehbinder, UTR 26, S. 29, 41; H. P. Westermann, KF 1993, S. 15, 20, 23. 200 So aber Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 5 d (S. 422). 201 Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 5 d (S. 422). 202 So Lutter, ZHR 157 (1993), 464, 470; Medicus, FS Lorenz, S. 155, 168. 203 So auch Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 68. 197

II. Zurechnungsgrund

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ge betrifft, welche Verkehrspflichten angemessen sind, die insbesondere im Rahmen der Abwgung der Interessen des Betroffenen und des Verantwortlichen auf der Basis der gesetzlichen und rechtlichen Wertungen zu beantworten ist. Vor allem aber wrde andernfalls den Gesellschaftern die Mçglichkeit erçffnet, durch eine entsprechende Gesellschafts- und Unternehmensorganisation Risiken zu externalisieren und die eigene Freiheitssphre auf Kosten der Freiheitssphre der Betroffenen zu erweitern, wodurch die durch das Haftungsrecht vorgenommene Abgrenzung der Freiheitssphren unterlaufen werden kçnnte. Umgekehrt ist allerdings zu bercksichtigen, dass die Anwendung der eben entwickelten allgemeinen Prinzipien auch auf Organe bzw. Organmitglieder nicht dazu fhren darf, dass eine etwa vorhandene Beschrnkung der Gesellschafterhaftung vollstndig durch eine unbeschrnkte Haftung der Geschftsfhrer ersetzt wird, die Haftungsbeschrnkung der Gesellschafter also auf Kosten der Organe bzw. Organmitglieder gewhrt wrde, da dies dem Sinn der Haftungsbeschrnkung zuwiderlaufen wrde, grundstzlich begrenzte Risiken eingehen zu kçnnen. Demgemß kçnnen die Versuche, die Haftung der Organe und Organmitglieder weiter einzuschrnken als die Haftung sonstiger eingeschalteter Dritter, nicht berzeugen. Diese Versuche betreffen zunchst nur die Haftung fr Nachteile, die mittelbar zugefgt werden, nicht aber solche, die unmittelbar zugefgt werden, obwohl die Abgrenzung zwischen mittelbaren oder unmittelbaren Nachteilszufgungen nicht weiterfhrt, nicht nur, weil sie fr unmçglich gehalten wird204, sondern auch, weil die Verletzung von Verkehrspflichten, auf der die Verantwortlichkeit der Organe beruht, nach der hier vertretenen Ansicht Haftungsvoraussetzung nicht nur bei mittelbaren, sondern auch bei unmittelbaren Nachteilszufgungen ist205. Vor allem aber ist nicht erkennbar, warum Organe und Organwalter gegenber sonstigen eingeschalteten Dritten privilegiert werden sollen. Die eben ausgefhrten Grundstze zur Einschaltung Dritter gelten fr Organe bzw. Organmitglieder genauso wie fr Arbeitnehmer206 oder externe Dienstleister und sonstige außerhalb des Unternehmens stehende Personen207. Auf das Innenverhltnis zwischen dem primr und dem sekundr Verantwortlichen kommt es insoweit nicht an208. Eine unterschiedliche Behandlung dieser Personenkreise wre mit einer konsistenten Anwendung der fr die Haftung aus Aufgabenbernahme geltenden Grundstze nicht vereinbar209. 204 So bezglich Organisationsentscheidungen des Organmitglieds Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 867. 205 Vgl. oben S. 130; im Ergebnis auch MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 398. 206 Fr Gleichstellung auch MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 402; Soergel/ Krause, § 823 Anh II Rn. 72 ff. 207 Fr Gleichstellung auch MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 399. 208 Vgl. Erman/Schiemann, § 823 Rn. 85.

224

§ 5 Zurechenbarkeit als Voraussetzung der Verkehrspflichten

Auch daraus, dass die gegenseitige Abhngigkeit der Haftung des bertragenden und des bernehmenden durch § 31 BGB im Verhltnis zwischen Gesellschaften und ihren Organen durchbrochen wird, weil danach die Gesellschaft immer auch fr die Erfllung der Verkehrspflichten durch ihre Organe einstehen muss, kann nicht hergeleitet werden, dass die Organe oder Organmitglieder nicht die Erfllung der aus den Verkehrspflichten resultierenden Aufgaben bernehmen und deshalb haften kçnnen210. Denn dies wrde nicht nur ebenfalls eine nicht zu begrndende Privilegierung der Organe und Organmitglieder gegenber sonstigen eingeschalteten Dritten darstellen, sondern auch einen wichtigen Anreiz zur Erfllung der Verkehrspflichten entfallen lassen und die Betroffenen im Falle der Nichterfllung und einem daraus resultierenden Nachteil allein auf die Gesellschaft verweisen, so dass womçglich nur das Gesellschaftsvermçgen haftet. Auch die Insolvenzverschleppungshaftung von Organen oder Organmitgliedern ndert daran nichts211, da sie nur die Insolvenzverschleppung betrifft, nicht aber sonstige Haftungstatbestnde. Auf die einzelnen Versuche, die mittelbare Haftung der Organe und Organmitglieder weiter einzuschrnken als die Haftung sonstiger eingeschalteter Dritter, kann im Rahmen dieser Arbeit nur kursorisch eingegangen werden. Aus den eben ausgefhrten Grundstzen zur Einschaltung Dritter und ihrer Geltung auch fr Organe und Organwalter ergibt sich aber etwa, dass die Ansicht, die Haftung beschrnke sich auf die Risiken, die im Einzelfall aus einem nicht mehr hinnehmbaren Missverhltnis zwischen der Gefahrenlage und der Organisationsstruktur der Gesellschaft resultieren212, mit diesen Grundstzen insoweit nicht vereinbar ist, als danach Organe oder Organmitglieder auch fr sonstige Risiken und die Erfllung der daraus folgenden Verkehrspflichten einstehen mssen, weil sie diese bernommen haben oder durch vorangegangenes Tun ausgelçst haben. Die mangelhafte Organisationsstruktur stellt insoweit nur einen Fall der Nichterfllung einer Verkehrspflicht dar. Der Auffassung, die Haftung beschrnke sich auf die Verletzung konkreter Sicherheitserwartungen Dritter gerade an das Verhalten des Organs bzw. Organmitglieds213, stehen die angesprochenen Grundstze insoweit entgegen, als das berechtigte Vertrauen des Verkehrs nur darauf gerichtet ist, dass die Verkehrspflichten der Gesell209 So auch MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 381; hnl. Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 71; zumindest im Ausgangspunkt auch Brggemeier, AcP 191 (1991), 33, 65; Grunewald, ZHR 157 (1993), 451, 456; Kleindiek, S. 447 ff. 210 So aber Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 272; Kleindiek, S. 435 ff.; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 866 f.; H. P. Westermann/Mutter, DZWIR 1995, 184, 188 f. 211 Anders aber Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 272. 212 So Michalski/Haas, § 43 Rn. 341 ff. 213 So Dreher, ZGR 1992, 22, 41 f.; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 867 ff.

II. Zurechnungsgrund

225

schaft erfllt werden und dass dies durch die Absprache zwischen bertragendem und bernehmendem und die daraus resultierende Einstandspflicht des bernehmenden fr die Erfllung der Pflichten sichergestellt wird. Die Ansicht, die Haftung beschrnke sich auf vorstzliches Verhalten des Organs bzw. Organmitglieds214, verkennt, dass entsprechend den genannten Grundstzen auch fr die Nichterfllung von Verkehrspflichten und damit fr fahrlssiges Verhalten gehaftet wird. Die Auffassung, die Haftung beschrnke sich auf durch das Organ bzw. Organmitglied selbst geschaffene oder erhçhte Gefahren215, berhrt sich zwar mit der Haftung aus vorangegangenem Tun, ihr steht aber entgegen, dass sie einerseits zu eng ist, weil ber die bernahmehaftung auch die Haftung fr bereits bestehende Risiken umfasst wird, andererseits zu weit ist, weil Organe oder Organmitglieder auch fr selbst geschaffene oder erhçhte Risiken dann nicht haften, wenn sie sich auf die Erfllung der dadurch begrndeten Verkehrspflichten durch die Gesellschaft verlassen kçnnen. Der Ansicht, die Haftung sei auf bestimmte Rechtsgter und Rechte begrenzt216, ist schließlich nicht zu folgen, weil das Deliktsrecht angesichts des Schutzkatalogs des § 823 I BGB nicht kategorial zwischen den geschtzten Rechtsgtern und Rechten unterscheidet; eine Differenzierung ist jedoch im Rahmen der Interessenabwgung mçglich, so dass Verkehrspflichten je nach bedrohtem Rechtsgut oder Recht unterschiedlich weit gehen kçnnen217.

E. Nebeneinander von Verkehrspflichtigen Aus den bisherigen Ausfhrungen zum Zurechnungsgrund ergibt sich, dass fr dasselbe Risiko mehrere Personen nebeneinander potentiell verantwortlich und verkehrspflichtig sein kçnnen218. Dies ist etwa der Fall, wenn in einer Person eine Handlungshaftung begrndet ist und in einer anderen eine Nichthandlungshaftung, aber auch, wenn eine Handlungs- oder Nichthandlungshaftung in mehreren Personen begrndet ist219, so im zweiten Ausgangsfall fr die beklagte Abfallerzeugerin sowie das Entsorgungs214

So Lutter, ZHR 157 (1993), 464, 480 f. So Kleindiek, S. 433 ff., 457 ff.; Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff/Kleindiek, § 43 Rn. 64; hnl. Mertens/Mertens, JZ 1990, 488, 489 ff.; Sandberger, S. 154 ff. 178 f. 216 So im Hinblick auf Leib und Leben Baumbach/Hueck/Zçllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 78. 217 hnl. Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 68. 218 Vgl. fr die negatorische Haftung etwa Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 25; Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 137; Herrmann, Stçrer S. 531 ff.; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 53; Soergel/Mhl, 12. Aufl., § 1004 Rn. 103; fr die deliktische Haftung etwa BGHZ 5, 378, 382; BGH, NJW 1985, 484; BGH, NJW 1985, 1076, 1077; BGH, NJW 1997, 582, 583 ff.; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 260; Kleindiek, S. 428 ff.; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 284; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 51; Staudinger/ J. Hager, § 823 Rn. E 56; fr die Bereichshaftung auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 5 a (S. 418). 215

226

§ 5 Zurechenbarkeit als Voraussetzung der Verkehrspflichten

unternehmen und seine Subunternehmer in der Entsorgungskette. Die potentielle Verantwortlichkeit trifft gemß § 830 BGB sowohl Tter als auch Beteiligte. Dies gilt auch fr die negatorische Haftung220. Der Anwendungsbereich des § 830 BGB ist insoweit ber die Anwendung des § 830 I 2 BGB auf nachbarrechtliche Ausgleichsansprche hinaus221 weit zu ziehen. Demgemß werden auch mittelbar Verantwortliche erfasst222. Die potentielle Verantwortlichkeit entfllt dabei weder dadurch, dass es noch weitere potentielle Verantwortliche gibt, noch dadurch, dass diese einen grçßeren Verursachungsbeitrag und Verschuldensanteil haben223. Allerdings wird der Inhalt der Verkehrspflicht auch durch das Verhltnis zwischen den Verkehrspflichtigen bestimmt, also das Vorhandensein weiterer Verantwortlicher. Dabei kommt es nicht nur auf den jeweiligen Verursachungsbeitrag an224, sondern auch auf Absprachen ber die Erfllung der Verkehrspflichten, was insbesondere dort gilt, wo die Erfllung der aus den Verkehrspflichten resultierenden Aufgaben auf Dritte bertragen wird. Dementsprechend kann eine Verkehrspflicht etwa auch durch einen Hinweis an einen anderen potentiell Verantwortlichen erfllt werden, wenn damit gerechnet werden kann, dass dieser dann seine Verkehrspflicht erfllt, etwa durch einen Warnhinweis an den Betroffenen225, oder fr einen potentiell Verantwortlichen entfallen, wenn andere potentiell Verantwortliche hinreichende Gewhr fr die Erfllung der Verkehrspflichten bieten und deren berwachung und Kontrolle fr ihn unzumutbar ist226. Das Verhltnis mehrer Verantwortlicher zueinander ist gesetzlich nur fr die deliktische Haftung in § 840 BGB geregelt, wonach sie grundstzlich als Gesamtschuldner haften. Die grundstzliche Haftung mehrerer Verantwortlicher als Gesamtschuldner gilt aber auch fr die negatorische Haftung227, allerdings nur soweit sie nicht auf das Unterlassen einer 219 So fr die deliktische Haftung in Bezug auf die Unterscheidung zwischen Handlungs- und Zustandsverantwortlichkeit auch Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 51; mit anderer Terminologie auch MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 284; fr die negatorische Haftung allgemeiner auch MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 53. 220 Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 137; Soergel/Mhl, 12. Aufl., § 1004 Rn. 103. 221 So MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 830 Rn. 31; Soergel/Krause, § 830 Rn. 17. 222 So fr mittelbare Stçrer bei der negatorischen Haftung Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 26; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 53; RGRK-BGB/Pikart, § 1004 Rn. 63. 223 So fr die negatorische Haftung Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 138; Soergel/Mhl, 12. Aufl., § 1004 Rn. 103; fr die deliktische Haftung Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 51; vgl. auch BGH, VersR 1985, 641; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 285. 224 So fr die negatorische Haftung Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 139; Soergel/Mhl, 12. Aufl., Rn. 103; fr die deliktische Haftung hnl. Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 51. 225 Vgl. fr die deliktische Haftung BGH, NJW 1985, 1076, 1077; BGH, NJW 1997, 582, 584; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 260; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 51. 226 RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 157; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 57. 227 So allgemein auch Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 139; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 75, 89.

II. Zurechnungsgrund

227

Handlung gerichtet ist, sondern auf ein positives Tun zur Erfllung einer Verkehrspflicht zur Verhinderung oder Verringerung eines Risikos, was Inhalt nicht nur der Beseitigungsansprche, sondern auch von Unterlassungsansprchen sein kann228. Die Erfllung der Verkehrspflicht ist insoweit anders als beim Unterlassen von Handlungen nicht notwendig nur einem Verantwortlichen mçglich, sondern kann auch durch verschiedene Verantwortliche erfolgen. Demgemß ist nicht zu erkennen, warum im Verhltnis zwischen diesen negatorisch Verantwortlichen etwas anderes gelten soll als zwischen deliktisch Verantwortlichen. Denn der Begriff der unerlaubten Handlung in § 840 I BGB wird im weitesten Sinne verstanden und umfasst nicht nur die Verschuldenshaftung229; die Struktur der negatorischen Haftung entspricht im brigen grundstzlich derjenigen der deliktischen Haftung, was insbesondere fr die zentrale Stellung der Verkehrspflichten gilt. Außerdem kommt der Gedanke der nicht unterscheidbaren Verantwortlichkeit mehrerer fr dasselbe Risiko, der die Gesamtschuld gemß § 840 I BGB trgt230, auch zwischen negatorisch Verantwortlichen zum Zuge. Demgemß wird selbst bei nachbarrechtlichen Ausgleichsansprchen, auf die § 840 I BGB an sich nicht angewendet wird231, dann gesamtschuldnerische Haftung angenommen, wenn der Nachteil erst durch das Zusammenwirken der nachbarlichen Einwirkungen verursacht worden ist232. Zudem wird ein Gesamtschuldverhltnis auch zwischen nachbarrechtlichen Ansprchen und Deliktsansprchen zugelassen233. Voraussetzung ist allerdings die nicht unterscheidbare Verantwortlichkeit234, wie sie insbesondere bei Mitttern, Anstiftern und Gehilfen gemß § 830 I 1 und II BGB, Beteiligten gemß § 830 I 2 BGB sowie fahrlssigen Nebenttern gegeben ist235. Maßgeblich ist dabei die Perspektive des Betroffenen.

228

Vgl. oben S. 124. Vgl. Erman/Schiemann, § 840 Rn. 2; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 840 Rn. 4; Soergel/Krause, § 840 Rn. 4. 230 So in Bezug auf die Verantwortlichkeit fr denselben Schaden Erman/Schiemann, § 840 Rn. 3; MnchKomm-BGB/Bydlinski, § 421 Rn. 53. 231 So BGHZ 72, 289, 297; Erman/Schiemann, § 840 Rn. 2; kritisch MnchKommBGB/G. Wagner, § 840 Rn. 11. 232 BGHZ 66, 70, 76; Erman/Schiemann, § 840 Rn. 2; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 840 Rn. 11; Soergel/Krause, § 840 Rn. 4. 233 BGHZ 85, 375, 386 f.; Erman/Schiemann, § 840 Rn. 2; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 840 Rn. 11. 234 So fr die deliktische Haftung OLG Dsseldorf, MDR 1984, 400, 401; Erman/ Schiemann, § 840 Rn. 4; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 840 Rn. 12; Soergel/Krause, § 840 Rn. 9; fr die negatorische Haftung Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 139; MnchKommBGB/Medicus, § 1004 Rn. 75. 235 Vgl. fr die deliktische Haftung Erman/Schiemann, § 840 Rn. 4; MnchKommBGB/G. Wagner, § 840 Rn. 12. 229

228

§ 5 Zurechenbarkeit als Voraussetzung der Verkehrspflichten

Soweit die mehreren Verantwortlichen als Gesamtschuldner haften, richtet sich der Ausgleich im Innenverhltnis grundstzlich nach § 426 BGB236. Der von den einzelnen Verantwortlichen zu tragende Anteil richtet sich entgegen dem Wortlaut des § 426 I BGB regelmßig nach dem Gewicht der Verursachungsbeitrge und fr die verschuldensabhngige deliktische Haftung auch des Verschuldens237, soweit nicht die speziellen Ausgleichsregelungen in § 840 II und III BGB gelten238. Ohne im Rahmen der vorliegenden Arbeit auf Einzelheiten eingehen zu kçnnen, sprechen diese Regelungen dafr, dass im Verhltnis der Gesamtschuldner zueinander die Handlungshaftung der Nichthandlungshaftung vorgehen soll, da gemß § 840 III BGB die Haftung aus den §§ 836 ff. BGB, die ein gesetzlich geregelter Fall der Nichthandlungshaftung ist und deren Wertungen allgemein auf die Nichthandlungshaftung ausstrahlen239, im Innenverhltnis gegenber der Haftung aus anderen Grnden subsidir ist, jedenfalls dann, wenn die andere Haftung keine Gefhrdungshaftung ist240. Dies wrde allerdings dann nicht gelten, wenn man davon ausgeht, dass § 840 III BGB bei der Haftung aus nachgewiesenem Verschulden nicht anwendbar ist241. Allerdings erscheint fraglich, ob § 840 III BGB nur die Haftung aus vermutetem Verschulden privilegieren wollte oder ob mit dem Verweis auf die Haftung nach §§ 833–838 BGB nicht auch die insoweit jeweils nur mittelbare Haftung privilegiert werden sollte. Bei der Einschaltung Dritter gelten im Verhltnis zwischen dem bertragenden und bernehmenden weiter die Grundstze der Haftungseinschrnkung des Arbeitnehmers bei betrieblicher Ttigkeit242. Im Verhltnis zwischen Organtrger und Organ hat nach dem Modell des § 840 II BGB zwar grundstzlich letzteres den Schaden zu tragen243. Aber dies gilt nur, solange sich die Haftung des Organtrgers aus § 31 BGB oder Nichthandlungshaftung ergibt. Beruht die Haftung demgegenber auf der Absprache oder den Weisungen des Organtrgers, berwiegt regelmßig der Verursachungsbeitrag des Organtrgers, so dass dieser den Schaden zu tragen hat. Dies ergibt sich nicht nur daraus, dass die Anwendung des § 840 II und III BGB dann fr unangemessen gehalten wird, wenn der Organtrger aus ei236 Erman/Schiemann, § 840 Rn. 10; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 840 Rn. 13; Soergel/Krause, § 840 Rn. 10 f. 237 Erman/Ehmann, § 426 Rn. 9; MnchKomm-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 21. 238 Erman/Schiemann, § 840 Rn. 10 ff.; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 840 Rn. 14. 239 Vgl. oben S. 192 ff. 240 Vgl. Erman/Schiemann, § 840 Rn. 13; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 840 Rn. 17; Soergel/Krause, § 840 Rn. 17. 241 So Erman/Schiemann, § 840 Rn. 13; Soergel/Krause, § 823 Rn. 17; Staudinger/Vieweg, § 840 Rn. 80, 83; hnl. mit Bezug auf Haftung aus Organisationsverschulden gemß § 823 I BGB MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 840 Rn. 19. 242 Erman/Schiemann, § 840 Rn. 12; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 840 Rn. 16; Soergel/Krause, § 840 Rn. 15. 243 Erman/Schiemann, § 840 Rn. 12.

II. Zurechnungsgrund

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gener Pflichtverletzung haftet244, sondern auch daraus, dass er dann nicht aufgrund Nichthandlungshaftung, sondern wie das Organ aus Handlungshaftung haftet.

244 Erman/Schiemann, § 840 Rn. 12 f.; in Bezug auf Verschulden auch Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 14, 17; fr § 840 II BGB auch MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 840 Rn. 19.

§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten Neben dem Bestehen eines Risikos fr den Betroffenen, der Mçglichkeit des Verantwortlichen, dieses Risiko durch sein Verhalten zu vermeiden oder zu vermindern, und der Zurechnung dieses Risikos zum Verantwortlichen setzen die Verkehrspflichten voraus, dass die Interessen des Betroffenen diejenigen des Verantwortlichen berwiegen. In diesem Sinne kçnnen die Zurechnungsgrnde auch als bloße Aufgreifkriterien charakterisiert werden, die der Konkretisierung und Przisierung mit Hilfe materieller Gerechtigkeitskriterien bedrften1, mit der Folge, dass die Gerechtigkeitskriterien in die Interessenabwgung einfließen. Bei dem Versuch, maßgebliche Wertungen und Gesichtspunkte fr das Vorliegen einer Verkehrspflicht zu bestimmen, sind zunchst die im Rahmen der Interessenabwgung zu bercksichtigenden Wertungen zu ermitteln, wobei sie sich nicht aus dem Recht bergeordneten Wertungen ergeben, sondern aus den gesetzlichen Wertungen. Auf der Basis dieser Wertungen sind sodann die zu bercksichtigenden Gesichtspunkte zu behandeln. Diese werden dabei zunchst entsprechend ihrer Rolle in der Interessenabwgung danach unterschieden, ob sie zugunsten des Betroffenen oder des potentiell Verantwortlichen zu bercksichtigen sind oder ob es sich um Gesichtspunkte im Interesse der Allgemeinheit oder neutrale Gesichtspunkte handelt2. Schließlich werden sie systematisch in Bezug zum Inhalt der Verkehrspflichten gesetzt. Da die Verkehrspflichten gemeinsame Voraussetzungen der negatorischen und deliktischen Haftung sind, kann dabei insbesondere auch auf die Rechtsprechung und Literatur zurckgegriffen werden, die sich gemß dem bisherigen Erkenntnisstand auf die Verkehrspflichten im Rahmen der deliktischen Haftung konzentriert.

1 So Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 4 a (S. 413); hnl. Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 12. 2 hnl. Prtting/Wegen/Weinreich/Schaub, § 823 Rn. 111; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 27.

I. Zu bercksichtigende Wertungen

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I. Zu bercksichtigende Wertungen Im Rahmen der im jeweiligen Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwgung sind bergreifende Wertungen nur eingeschrnkt zu bercksichtigen. Maßgeblich sind vielmehr die sich aus dem Gesetz ergebenden Wertungen.

A. Eingeschrnkte Bedeutung bergreifender Wertungen Die Interessenabwgung zur Bestimmung der Verkehrspflichten wird nicht durch bergreifende, dem Recht bergeordnete und diesem gewissermaßen vorgegebene Wertungen determiniert, aus denen sich ergibt, welche Kriterien jeweils wie zu bercksichtigen sind. Insoweit wird auch von Ideologiefreiheit gesprochen3. Die Existenz derartiger Wertungen erscheint zwar nicht ausgeschlossen und wre auch insofern wnschenswert, als sie zu subsumtionsfhigen Normen fhren und die Rechtssicherheit erhçhen wrde. Aber jedenfalls bisher ist es nicht gelungen, bergreifende Wertungen herauszuarbeiten, die die Abwgung hinreichend strukturieren kçnnen und nicht durch andere Wertungen relativiert werden kçnnen. Die in diesem Zusammenhang diskutierten Wertungen betonen dabei nur einzelne bei der Abwgung zu bercksichtigende Aspekte, ohne den Anspruch erheben zu kçnnen, allein maßgeblich fr die Abwgung und damit auch deren Ergebnis zu sein. Die Interessenabwgung wird demgemß weder durch den Gedanken der Maßgeblichkeit der Risikoveranlassung und der Risikobeherrschung determiniert, noch durch die Gesichtspunkte der Zusammengehçrigkeit von Risikotragung und Vorteilsziehung und des Vertrauensschutzes. Auch lsst sie sich nicht allein auf der Grundlage einer çkonomischen Betrachtung vornehmen. Ein die Interessenabwgung vollstndig determinierendes System bergreifender Wertungen kann auch im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht herausgearbeitet werden. Vielmehr ist hier davon auszugehen, dass nur eine pragmatisch offene Interessenabwgung mçglich ist4, fr die zwar bercksichtigungsfhige Kriterien und bestimmte Beziehungen zwischen ihnen angegeben werden kçnnen, jedoch keine Vollstndigkeit beansprucht werden kann.

1. Risikoveranlassung und -beherrschung sowie Korrespondenz von Vorteil und Risiko Die Verkehrspflichten werden vielfach auf die Wertung gesttzt, dass derjenige, der ein Risiko veranlasst oder beherrscht oder die Vorteile daraus 3 So in Bezug auf die Ausgleichsfunktion des Schadensrechts Lange, in: Lange/Schiemann, Einl. III 2 (S. 10). 4 So auch Erman/Schiemann, § 823 Rn. 80; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 27.

232

§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten

zieht oder zumindest ziehen kann, auch fr das Risiko einstehen muss5. Diese Wertung trgt jedoch nicht nur die potentielle Verantwortlichkeit nicht6, sondern kann auch nicht begrnden, warum der potentiell Verantwortliche und nicht der Betroffene den Nachteil zu tragen hat. Der Gedanke der Risikoveranlassung und Risikobeherrschung beruht nur auf der Kausalitt des Verhaltens des potentiell Verantwortlichen, die allein noch keine Haftung rechtfertigen kann7. Insbesondere drfte regelmßig auch das Verhalten des Betroffenen fr den Nachteil kausal sein, indem er eine, sei es auch nur geringfgige, Ursache gesetzt hat oder zumindest den Nachteil nicht verhindert hat. So wird das Risiko, dass Pflanzen durch giftige Stoffe eingehen, nicht nur durch denjenigen gesetzt und beherrscht, der die giftigen Stoffe freisetzt, sondern auch durch denjenigen, der die Pflanzen gepflanzt und die Stoffe nicht abgewaschen oder neutralisiert hat. Zudem lsst sich unter den Bedingungen des modernen Zusammenlebens regelmßig nicht vermeiden, dass das eigene Verhalten mit Nachteilen fr andere verbunden ist8. Die Risikoveranlassung und Risikobeherrschung begrnden zwar die berschneidung der Freiheits- und Risikosphren des Betroffenen und des potentiell Verantwortlichen, vermçgen aber die damit notwendige Abgrenzung gerade nicht zu rechtfertigen. Der Gedanke der Korrespondenz von Vorteilen und Nachteilen des Risikos erscheint zwar fruchtbarer9. Aber ein gesetztes Risiko ist nicht notwendig mit Vorteilen verbunden, muss es bei manchen Risiken nicht einmal typischerweise sein. Zudem kommt dem Gedanken nur eingeschrnkte Aussagekraft zu, wenn der Betroffene durch sein Verhalten ebenfalls fr das Risiko verantwortlich ist. So hat der Betroffene in dem eben genannten Beispiel auch Vorteile aus dem Risiko, indem er die Pflanzen oder ihre Frchte ernten kann und den Aufwand fr die Bekmpfung der Giftstoffe spart. Der Gedanke der Einheit von Vor- und Nachteilen vermag also die Existenz von Verkehrspflichten allein nicht zu rechtfertigen. Vor allem aber ist es unter dem Gesichtspunkt der Freiheitsgewhr auch denkbar, dass ein Verhalten trotz der damit verbundenen Nachteile fr andere keine Haftung auslçsen soll. Dies gilt, wie gerade angesprochen, insbesondere unter den Bedingungen des modernen Zusammenlebens. Soweit tatschlich die Vor5 Vgl. mit unterschiedlicher Terminologie von Bar, Verkehrspflichten, S. 117 ff., 122 ff.; von Bar, in: Bydlinski u. a., S. 63, 69 f.; Jaun, S. 331, 403, 414 f.; Raab, JuS 2002, 1041, 1044 f.; im Zusammenhang mit § 906 II 1 BGB, aber unter Rckgriff auf § 1004 I BGB auch BGHZ 155, 99, 106; differenzierend Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3e (S. 408 ff.). 6 Vgl. oben S. 195 ff. 7 Siehe oben S. 53 ff. 8 Siehe oben S. 17. 9 Vornehmlich auf diesen Gedanken bezieht sich MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 228; hnlich Kleindiek, S. 201; von Bar, Verkehrspflichten, S. 125 ff.; unter dem Gesichtspunkt der Bereichshaftung auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 III 3 a (S. 407 f.).

I. Zu bercksichtigende Wertungen

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teile auf der Seite des potentiell Verantwortlichen berwiegen, ist dies in der Interessenabwgung zwar zu seinen Lasten zu bercksichtigen, der Gedanke der Korrespondenz von Vor- und Nachteilen bleibt aber nur eines unter mehreren Abwgungskriterien.

2. Vertrauensschutz und Verkehrsauffassung Neben den bereits genannten Wertungen wird vor allem der Gedanke des Vertrauensschutzes als Grundlage der Verkehrspflichten aufgefasst10. Damit im Zusammenhang steht die Auffassung, dass die Verkehrspflichten unter Bercksichtigung der Verkehrsauffassung zu bestimmen sind11. Die Bedeutung des Vertrauensschutzes und der Verkehrsauffassung beruht darauf, dass die negatorische und deliktische Haftung ihre Funktion nur erfllt, wenn die Verkehrteilnehmer grundstzlich auf das Verhalten der jeweils anderen Verkehrsteilnehmer vertrauen und ihr Verhalten darauf einstellen kçnnen. Der darin zum Ausdruck kommende Zusammenhang zwischen den Verhaltenspflichten des potentiell Verantwortlichen und den Verhaltenspflichten des Betroffenen, die in Bezug auf seine eigene Sphre nur Obliegenheiten sind, wird vor allem im Hinblick auf die Prventionsfunktion des Haftungsrechts gesehen12 und insbesondere aus der çkonomischen Perspektive betont, da das Zusammenspiel des Verhaltens von potentiell Verantwortlichem und potentiell Betroffenem die Voraussetzung dafr sei, den Inhalt der Verkehrspflichten so zu bestimmen, dass sie sich gesamtwirtschaftlich vorteilhaft auswirken13. Aber der Vertrauensschutz hat nicht nur hinsichtlich der Prventionsfunktion Bedeutung, sondern auch hinsichtlich der bergeordneten Funktion der Abgrenzung von Freiheits- und Risikosphren, die auch die Kompensationsfunktion umfasst. Denn unabhngig davon, ob das Haftungsrecht vor allem der Verhinderung von Schden dient, kann es die Freiheits10 So etwa Erman/Schiemann, § 823 Rn. 10; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3e (S. 412); MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 251 ff.; Raab, JuS 2002, 1041, 1044 f.; von Bar, in: Bydlinski u. a., S. 63, 69 f.; von legitimen Verkehrserwartungen sprechen Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 28; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 27. 11 So etwa BGHZ 108, 273, 275; BGHZ 113, 297, 303; BGH, NJW 1985, 1076; BGH, NJW 1990, 906, 907; BGH, NJW 1994, 3348, 3349; BGH, NJW 2004, 1449, 1451; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 234; MnchKomm-BGB/Mertens, 3. Aufl., § 823 Rn. 216; von Bar, in: Produktverantwortung und Risikoakzeptanz, S. 29, 30 ff.; fr sogenannte objektive Sicherungspflichten im Rahmen der negatorischen Haftung auch J. Wenzel, NJW 2005, 241, 242. 12 So fr die deliktische Haftung MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 251; von Bar, Verkehrspflichten, S. 117 ff. 13 So etwa Kçtz/Schfer, JZ 1992, 355 f.; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 251 f.; Ott/Schfer, in: dies., Prventivwirkung, S. 131, 140 f.; Schfer/Ott, S. 217 ff., 235 ff.; hinsichtlich der Bedeutung der çkonomischen Analyse fr die konkrete Rechtsanwendung zurckhaltend Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 156 ff., insb. 162 ff.

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und Risikosphren der Verkehrsteilnehmer nur wirksam abgrenzen, wenn diese auf die Abgrenzung auch vertrauen drfen. Die Verkehrsteilnehmer kçnnen ihre Handlungsfreiheit umso sinnvoller wahrnehmen, je mehr sie auf das Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer vertrauen und ihr eigenes Verhalten darauf einstellen kçnnen. Das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben wrde erheblich beeintrchtigt, wenn die Verkehrsteilnehmer nicht darauf vertrauen kçnnten, dass sie hinreichend vor Risiken fr ihre Rechtsgter und Rechte geschtzt werden14, sie also jederzeit alle aus dem Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer resultierenden Risiken bei ihrem Verhalten bercksichtigen mssten. Das Zusammenspiel des Verhaltens von potentiell Verantwortlichem und potentiell Betroffenem wird demgemß auch von der dogmatisch arbeitenden Rechtsanwendung bercksichtigt15, wenn auch ohne nhere Begrndung. Aufgrund dieses Zusammenspiels wirkt der Vertrauensschutz auch nicht nur zugunsten des Betroffenen, sondern auch zugunsten des potentiell Verantwortlichen. Dieser darf grundstzlich darauf vertrauen, dass die brigen Verkehrsteilnehmer ihre Verkehrspflichten erfllen16. Dies wird insbesondere auch fr die Obliegenheit, sich selbst vor erkennbaren Gefahren zu schtzen, angenommen17. Diese Funktion des Vertrauensschutzes lsst jedoch zunchst offen, welches Vertrauen durch die Verkehrspflichten geschtzt wird, wann also ein Vertrauen schutzwrdig ist18. Dabei erfolgt die Bestimmung der Verkehrspflichten zwar unter Bercksichtigung der tatschlichen Verkehrsauffassungen19, wobei sich die Anschauungen ber die Bewertung der Risiken und ihres Nutzens im Laufe der Zeit auch wandeln kçnnen20, da insoweit nur die jeweils geltenden Verkehrsauffassungen zu bercksichtigen wren. Aber indem der Schutz nicht auf das Vertrauen als solches bezogen wird, sondern nur auf das berechtigte oder legitime Vertrauen21, wird nicht das faktisch bliche geschtzt, sondern das anhand eines normativen Maßstabs 14

Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 28. So etwa bei BGHZ 34, 206, 209; BGH, NJW 1985, 52 f.; BGH, NJW 1985, 1076 f.; BGH, NJW 1994, 3348, 3349; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 242; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 4 e (S. 416). 16 BGH, NJW 1994, 3348 f.; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 30; im Ausgangspunkt auch BGH, NJW 1990, 906, 907. 17 BGH, NJW 1985, 1076, 1077; BGH, NJW 1986, 52 f.; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 244; von Bar, Verkehrspflichten, S. 86; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 251; im konkreten strafrechtlichen Fall anders allerdings BGH, NJW 2002, 1887, 1888 f. 18 hnlich Assmann, Prospekthaftung, S. 267 f. 19 So etwa BGHZ 108, 273, 275; BGH, NJW 1985, 1076 f.; BGH, NJW 1986, 52; BGH, NJW 1990, 906, 907; BGH, NJW 1994, 3348, 3349; BGH, NJW 2004, 1449, 1451; von Caemmerer, FS 100 Jahre DJT, S. 49, 78 f. 20 von Caemmerer, FS 100 Jahre DJT, S. 49, 78 f. 21 Vgl. Raab, JuS 2002, 1041, 1044 f. 15

I. Zu bercksichtigende Wertungen

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zu bestimmende Vertrauen22. So soll weder darauf abgestellt werden, wie sich andere potentiell Verantwortliche tatschlich verhalten, noch allein, worauf potentiell Betroffene tatschlich vertrauen, sondern auch, worauf diese vertrauen drfen23. Der Maßstab fr das geschtzte Vertrauen bercksichtigt demgemß zwar die tatschlichen Verkehrsauffassungen, erschçpft sich darin jedoch nicht. Damit bleibt auch unter der Maßgeblichkeit des Gedankens des Vertrauensschutzes die entscheidende Frage offen, wie das geschtzte Vertrauen normativ zu bestimmen ist. Demgemß sind Verkehrspflichten zum Schutz der Umwelt grundstzlich auch dort mçglich, wo die beteiligten Verkehrskreise ihm keinen hohen Rang zubilligen und daher auch nicht tatschlich darauf vertrauen, wenn die Interessenabwgung zugunsten des Umweltschutzes ausfllt.

3. Gesamtwirtschaftliche Vorteilhaftigkeit Die çkonomische Analyse des Rechts mçchte die Verkehrspflichten mit Hilfe çkonomischer Gesichtspunkte und insbesondere dem Ziel der Maximierung der gesamtwirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit bestimmen. Ausgehend von dem allgemein anerkannten Grundsatz, dass die Verkehrspflichten von dem Ausmaß der drohenden Schden und dem Grad ihrer Realisierungsgefahr sowie dem Aufwand ihrer Vermeidung abhngen24, postuliert die çkonomische Betrachtung, dass die Kosten der Erfllung der Verkehrspflichten durch den potentiell Verantwortlichen entsprechend der Learned Hand-Formel das Produkt aus Schadenshçhe und Eintrittswahrscheinlichkeit nicht bersteigen drfen und dass sie nach der Figur des cheapest cost avoider nicht hçher sein drfen als die Kosten des Geschdigten zur Vermeidung des drohenden Risikos25. Dieses Postulat beruht auf der Prmisse, dass das Haftungsrecht die Verkehrsteilnehmer zu effizientem Verhalten anreizen soll, also dazu dient, den Saldo aus Nutzen und Kosten ihrer Aktivitten zu maximieren26. Das Haftungsrecht und die von ihm vorausgesetzten Verkehrspflichten wrden damit nur noch allenfalls eingeschrnkt 22 Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 234; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 252; vgl. auch Edenfeld, VersR 2002, 272, 274. 23 Vgl. BGH, NJW 1990, 906, 907. 24 So etwa Erman/Schiemann, § 823 Rn. 80 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 4 b (S. 414); MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 249; RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 150; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 29, 32, 33; in Bezug auf die Grçße oder Intensitt der Gefahr auch BGHZ 113, 297, 303; BGH, NJW 1994, 3348, 3349; BGH, NJW-RR 2005, 251, 252 f. 25 Kçtz/Wagner, Rn. 65 ff., 71; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 249, 252; siehe auch oben S. 23. 26 Assmann, Prospekthaftung, S. 268 ff.; Kçtz, FS Steindorff, S. 643, 646 ff.; Kçtz, KF 1990, S. 14, 16 ff.; MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 40; Schfer/Ott, S. 157 ff.; eingeschrnkt auch Edenfeld, VersR 2002, 272, 276 f.; einschrnkend Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 156 ff., insb. 162 ff.; vgl. auch Kçtz/Schfer, JZ 1992, 355 f.; Kçtz/

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§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten

der Abgrenzung der Freiheitssphren der konkret Beteiligten dienen, sondern wren vor allem ein Instrument der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt im Sinne der gesamtwirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit. Demgegenber wird hier, wie oben dargelegt27, davon ausgegangen, dass der çkonomischen Analyse des Rechts und ihrem zentralen Kriterium der Allokationseffizienz bei der Anwendung des Rechts nur eingeschrnkte Bedeutung zukommt. Demgemß kann die çkonomische Betrachtung auch fr die Bestimmung der Verkehrspflichten nicht allein maßgeblich oder auch nur vorrangig sein. Zwar erscheint eine Beurteilung der çkonomischen Folgen des Haftungsrechts und der daraus jeweils resultierenden Haftung grundstzlich notwendig und legitim. Aber ihre Bedeutung wird dadurch begrenzt, dass nicht nur die Voraussetzungen fr ihre Anwendung in der Praxis in der Regel nicht vorliegen, sondern auch ihren theoretischen Prmissen gewichtige Einwnde gegenberstehen28. Zudem ist sie vielfach mit zentralen Wertungen des Gesetzes nicht vereinbar, die Vorrang beanspruchen29. Insbesondere kçnnen die hochentwickelten Kalkle der Mathematik nicht fr die Bestimmung der Verkehrspflichten fruchtbar gemacht werden, so dass die Learned Hand-Formel lediglich in mathematischer Terminologie verfasst ist, aber keine mathematische Formel darstellt, mit der sich die Verkehrspflichten berechnen ließen, indem ihren Variablen Werte zugeordnet werden30. Dies wird besttigt, wenn schon aus rechtsdogmatischer Sicht darauf hingewiesen wird, dass sich zur Bestimmung der Verkehrspflichten keine absoluten, sondern nur komparative Rechtsstze bilden ließen, wonach ein Verhaltensstandard umso eher bestehe, je grçßer die Eintrittswahrscheinlichkeit und der drohende Schaden seien und je geringer der Vermeidungsaufwand sei31. Die çkonomischen Gesichtspunkte einerseits der Kosten der Erfllung der Verkehrspflichten durch den potentiell Verantwortlichen und andererseits der Vermeidekosten des Betroffenen sowie der Schadenshçhe und der Eintrittswahrscheinlichkeit im Rahmen der Interessenabwgung sind damit bei der Bestimmung der Verkehrspflichten zwar zu bercksichtigen32, stellen aber nur ein Abwgungsmoment unter mehreren dar.

Wagner, Rn. 184 i. V. m. 65 ff.; G. Wagner, VersR 1999, 1441, 1442 f.; hnl. Adams, Analyse, S. 165 ff.; siehe auch oben S. 23. 27 Siehe oben S. 23 ff. 28 Siehe oben S. 23 ff. 29 Siehe oben S. 26 ff. 30 Siehe oben S. 25. 31 So Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 4 b (S. 414); zustimmend Soergel/ Krause, § 823 Anh II Rn. 34. 32 hnl. etwa auch BGH, NJW 1984, 801, 802; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 81; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 250; RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 150; Staudinger/J. Hager, vor §§ 823 Rn. 14 ff.

I. Zu bercksichtigende Wertungen

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B. Maßgeblichkeit gesetzlicher Wertungen Die Verkehrspflichten werden im Rahmen einer Interessenabwgung im Einzelfall bestimmt33, die nicht durch bergreifende Wertungen, aus denen sich ergeben wrde, welche Kriterien jeweils wie zu bercksichtigen sind, determiniert wird. Darin ist einerseits eine mangelnde Wertorientierung gesehen worden34, andererseits aber auch ein Vorteil, weil das Haftungsrecht damit ideologiefrei bleibe35. Die mangelnde Wertorientierung kann dabei vor allem insofern als unbefriedigend empfunden werden, als das Fehlen eines Systems bergreifender Wertungen eine nur eingeschrnkte Rechtssicherheit zu Folge hat. Dies liegt allerdings darin begrndet, dass die Verkehrspflichten einen unbenannten und unbestimmten Rechtsbegriff bilden, was jedoch noch nicht gegen die negatorische und deliktische Haftung spricht, weil sich die Abgrenzung zwischen den sich berschneidenden Freiheits- und Risikosphren der Verkehrsteilnehmer nicht vermeiden lsst, also ihre Funktion unverzichtbar ist. Zudem ist die Interessenabwgung nicht vçllig frei. Vielmehr kçnnen die in ihrem Rahmen zu bercksichtigenden Gesichtspunkte unter Rckgriff auf die Wertungen und Kriterien bestimmt werden, die den gesetzlichen Regelungen zugrunde liegen, die ebenfalls der Abgrenzung der Freiheitssphren der Verkehrsteilnehmer mittels einer Interessenabwgung dienen.

1. Zu bercksichtigende Wertungen Die zu bercksichtigenden Wertungen ergeben sich vor allem aus den in §§ 904 und 906 BGB enthaltenen Interessenabwgungen. Demgemß ist etwa auch neben der Verkehrsauffassung maßgeblich auf die Konfliktlçsungsregeln der §§ 903 ff. BGB abgestellt worden, um die Verhaltenspflicht als Voraussetzung der negatorischen Haftung zu bestimmen36. Neben der Regelung des aggressiven Notstands in § 904 BGB ist dabei allerdings auch die Regelung des passiven Notstands in § 228 BGB von Interesse, da auch sie eine Abwgung zwischen den beteiligten Interessen vornimmt, dabei aber eine abweichende Gewichtung der zu bercksichtigenden Gesichtspunkte beinhaltet37. Nicht nher eingegangen wird hier auf den allgemeinen rechtfertigenden Notstand des § 34 StGB, da er sich von den zivilrechtlichen Notstandsregelungen, insbesondere von § 904 BGB, vor allem durch die Einbeziehung der hçchstpersçnlichen Rechtsgter unterscheidet. 33

Vgl. oben S. 157. So Schiemann, Argumente, S. 185 ff. 35 Lange, in: Lange/Schiemann, Einl. III 2 (S. 10). 36 J. Wenzel, NJW 2005, 241, 242. 37 Erman/E. Wagner, § 228 Rn. 1; Erman/Lorenz, § 904 Rn. 1; MnchKomm-BGB/ Grothe, § 228 Rn. 1. 34

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§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten

Die grundstzliche bertragbarkeit der Notwendigkeit der Interessenabwgung und ihrer Gesichtspunkte aus § 228 BGB ergibt sich insbesondere daraus, dass diese Regelung ein privates Gewaltrecht zur Durchsetzung eines entsprechenden Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruchs gewhrt, also insoweit zur negatorischen Haftung parallel luft. Dabei ist allerdings zu bercksichtigen, dass die Gewhrung eines privaten Gewaltrechts das Gleichgewicht in der Interessenabwgung insoweit beeinflusst, als die Interessen des Berechtigten strker berwiegen mssen als bei einem bloßen Anspruch. Denn die Voraussetzungen eines Gewaltrechts mssen nicht nur die Duldung der Maßnahmen zur Abwehr der in der Stçrung liegenden Beeintrchtigung rechtfertigen, sondern auch, dass das Gewaltmonopol des Staates berspielt wird und den Brgern selbst Gewaltrechte an die Hand gegeben werden. Die Voraussetzungen des Notstands sind damit gegenber denen der Beseitigungs- und Unterlassungsansprche insbesondere nach § 1004 BGB enger, so dass die eine Notwehr oder einen Notstand begrndende Gefahr immer auch einen entsprechenden Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch begrndet. § 904 BGB entspricht zwar kein entsprechender Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch des Duldungspflichtigen, aber dafr enthlt er eine allgemeine Interessenabwgung. Denn anders als § 228 BGB setzt er nicht voraus, dass die Gefahr von der betroffenen Sache ausgeht38, und anders als dort und wie bei den Verkehrspflichten als Voraussetzung der negatorischen und deliktischen Haftung geht es nicht nur um die Folgen eines rechtswidrigen Verhaltens, sondern gerade darum, wann ein Verhalten berhaupt rechtswidrig ist. Whrend bei § 228 BGB bereits eine Verletzung der Freiheits- und Risikosphren vorausgesetzt wird, bestimmt § 904 BGB, wann berhaupt eine solche Verletzung vorliegt. Er dient damit in besonderem Maße der Abgrenzung der Freiheits- und Risikosphren, weil es bei ihm um Duldungspflichten aus einem berwiegenden Interesse geht. Dabei enthlt allerdings auch § 904 BGB ein privates Gewaltrecht, dessen Gewhrung einer besonderen Rechtfertigung durch erhçhte Anforderungen an die Interessenabwgung bedarf. Demgemß ist etwa daraufhingewiesen worden, dass der § 1004 BGB geringere Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit stellt als der § 904 BGB39. Eine hier relevante Interessenabwgung liegt auch dem § 906 BGB zugrunde40. Er wird demgemß auch als Anwendungsfall der Verkehrspflichten aufgefasst41. Zwar enthlt er weder einen Unterlassungs- und Beseiti38

Erman/Lorenz, § 904 Rn. 1. Staudinger/Seiler, § 904 Rn. 16; vgl. auch Herrmann, Stçrer, S. 159 mit Fn. 25. 40 Auf Maßgeblichkeit der Konfliktlçsungsregeln des çffentlichen und privaten Nachbarrechts sowie der Art der Nutzung der benachbarten Grundstcke und der vorbeugenden Beherrschbarkeit der Stçrung fr die Prfung im Einzelfall verweist BGHZ 157, 33, 42. 39

I. Zu bercksichtigende Wertungen

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gungsanspruch, noch ein privates Gewaltrecht, sondern setzt voraus, dass an sich eine negatorische Haftung besteht, die er nur modifiziert. Aber diese Modifizierung beruht wiederum auf einer Abwgung der Interessen der Beteiligten, so dass von der grundstzlichen Relevanz der dort zu bercksichtigenden Gesichtspunkte ausgegangen werden kann. Dies gilt zweifellos fr die in § 906 I BGB angesprochenen Gesichtspunkte, da dieser Absatz eine allgemeine Regelung enthlt42. Es gilt aber auch fr die Gesichtspunkte des § 906 II BGB, da dieser Absatz zwar als Ersatz der negatorischen Haftung fungiert43, aber eine Kodifizierung allgemeiner Wertungen und Abwgungsgesichtspunkte darstellt, die er nur absolut setzt, indem er an sie die Privilegierung des Verantwortlichen durch die Gewhrung der mit dem Ausgleichsanspruch verbundenen Duldungspflicht knpft, whrend sie sonst durch andere Abwgungsgesichtspunkte relativiert werden kçnnen44. Zudem kommt der Regelung des § 906 BGB im hier interessierenden Zusammenhang besondere Bedeutung zu, weil er gerade auch die Problematik wechselseitiger Beeintrchtigungen im Zeitalter der Technik und der rumlichen Enge zum Gegenstand hat45 und damit die Abgrenzung der Freiheits- und Risikosphren gerade auch fr den Fall ihrer berschneidung. Demgegenber dienen die §§ 832 ff., 907 f. BGB zwar auch der Abgrenzung. Aber §§ 832 ff. BGB und damit mittelbar auch § 908 BGB verweisen wiederum auf die Verkehrspflichtverletzung, und § 907 BGB verweist auf die Unzulssigkeit der Einwirkung, die sich insbesondere auch aus § 906 BGB ergibt46, so dass die Vorschriften im hier interessierenden Zusammenhang keine eigenstndigen Wertungen enthalten, da sie anders als § 906 BGB auch keine Modifizierung der Verkehrspflichten enthalten. Von nur eingeschrnktem Interesse fr die Interessenabwgung im Rahmen der Bestimmung der Verkehrspflichten der negatorischen und deliktischen Haftung ist auch die Bestimmung der Gefahr im çffentlichen Sicherheits- und Ordnungsrecht. Diese wird zwar auch fr die Bestimmung der deliktischen Verkehrspflichten fr fruchtbar gehalten47. Jedoch gilt dies vor allem fr die sich in ihrem Rahmen findenden Unterscheidungen, insbesondere auch im Rahmen des çffentlichen Umweltrechts. Die Abgrenzung der Freiheitssphren der Betroffenen ist demgegenber allenfalls eingeschrnkt 41

Vgl. Benecke, VersR 2006, 1037, 1041. Siehe oben S. 93. 43 Siehe oben S. 82 ff. 44 Vgl. oben S. 82 ff. 45 Erman/Lorenz, § 906 Rn. 1. 46 Erman/Lorenz, § 907 Rn. 4. 47 So Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 234; in Bezug auf die Begehungsgefahr bei § 1004 BGB auch Herrmann, Stçrer, S. 159 mit Fn. 25; kritisch in Bezug auf die Bedeutung des polizeilichen Notstands fr den Angriffsnotstand des § 904 I BGB aber Staudinger/Seiler, § 904 Rn. 17. 42

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§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten

Gegenstand des çffentlichen Sicherheits- und Ordnungsrechts, da der Schutzbereich der polizeirechtlichen Generalklausel zwar auch die durch die Privatrechtsordnung geschtzten privaten Rechtsgter und Rechte als Teil der çffentlichen Sicherheit umfasst48, dabei aber die Abgrenzung der Freiheitssphren im Rahmen des Privatrechts und dort vor allem der negatorischen Haftung voraussetzt und nur die behçrdlichen Eingriffsbefugnisse zum Schutz der so abgegrenzten Freiheitssphren regelt. Auf die Gefahr im çffentlichen Sicherheits- und Ordnungsrecht wird daher im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht nher eingegangen.

2. Verteidigungsnotstand Der Regelung des Verteidigungsnotstands in § 228 BGB und § 34 StGB lsst sich zunchst entnehmen, dass es auf die Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos ankommt, indem sie auf das Bestehen einer Gefahr abstellt. Dabei setzt § 228 BGB eine drohende Gefahr voraus, die angenommen wird, wenn eine auf tatschliche Umstnde gegrndete Wahrscheinlichkeit der Risikoverwirklichung vorliegt49; insoweit sei sie weniger als die gegenwrtige Gefahr im Sinn eines unmittelbar bevorstehenden Nachteilseintritts und mehr als bloße Mçglichkeit eines knftigen Nachteilseintritts50, ohne dass die Unterscheidung zwischen Wahrscheinlichkeit und Mçglichkeit nher bestimmt wird. Demgegenber setzt § 34 StGB eine gegenwrtige Gefahr voraus. Diese wird als nahe liegende Gefahr verstanden51, wobei die Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos einen ber die allgemeinen Lebensrisiken hinausgehenden Grad erreichen msse, von dem an man sich vernnftigerweise auf das Risiko einzustellen pflege52. Die gegenwrtige Gefahr ist auch Voraussetzung des § 904 S. 1 BGB und wird dort angenommen, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit hoch ist und der Eintrittszeitpunkt in naher Zukunft liegt53, so dass die Notwendigkeit sofortiger Abhilfe besteht54, whrend inzwischen nicht mehr verlangt wird, dass es sich um eine außergewçhnliche Gefahr handelt55. 48 Vgl. etwa Gçtz, Rn. 91; Knemeyer, Rn. 100; Pieroth/Schlink/Kniesel, § 8 Rn. 16; Schoch, Rn. 71 ff. 49 MnchKomm-BGB/Grothe, § 228 Rn. 7; Palandt/Heinrichs, § 228 Rn. 4; Soergel/ Fahse, § 228 Rn. 12; Staudinger/Repgen, § 228 Rn. 11; hnl. Erman/E. Wagner, § 228 Rn. 3; vgl. auch BGHSt 18, 271, 272 ff. 50 Erman/E. Wagner, § 228 Rn. 3; MnchKomm-BGB/Grothe, § 228 Rn. 5; Soergel/ Fahse, § 228 Rn. 12; Staudinger/Repgen, § 228 Rn. 11; gegen Hk-BGB/Dçrner, § 228 Rn. 2; Staudinger/Werner, 2001, § 228 Rn. 7. 51 So etwa BGHSt 18, 271; BGHSt 19, 371, 373; BGHSt 22, 341, 345; Lackner/Khl, § 34 Rn. 2; Schçnke/Schrçder/Perron, § 34 Rn. 15. 52 Schçnke/Schrçder/Perron, § 34 Rn. 15; vgl. dazu auch Kçln NStZ 85, 550, 551; Pawlik, S. 169 ff. 53 Staudinger/Seiler, § 904 Rn. 15.

I. Zu bercksichtigende Wertungen

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Unterscheidet man zwischen der Wahrscheinlichkeit, ob sich das Risiko berhaupt verwirklicht, und der Wahrscheinlichkeit, wann sich das Risiko verwirklicht56, ist die nahe liegende Gefahr zunchst auf die Frage bezogen, ob sich das Risiko verwirklicht, whrend die Frage, wann sich das Risiko verwirklicht, Gegenstand der Gegenwrtigkeit der Gefahr ist, die angenommen wird, wenn sich das nahe liegende Risiko alsbald oder in allernchster Zeit verwirklichen kann57. Dabei spricht der Wortlaut zwar dafr, dass die drohende Gefahr hinter der gegenwrtigen Gefahr zurckbleibt58, aber eine berzeugende Abgrenzung ist bisher nicht gelungen59. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Frage, ob sich das Risiko verwirklicht, sondern ebenso hinsichtlich der Frage, wann es sich verwirklichen muss, wenn auch fr die drohende Gefahr eine zeitnahe Gefahrverwirklichung verlangt wird60 insbesondere wenn darauf abgestellt wird, ob Abhilfe erforderlich ist61. Da ein Zurckbleiben der drohenden hinter der gegenwrtigen Gefahr seine Rechtfertigung allenfalls darin finden kçnnte, dass § 34 StGB im Gegensatz zu § 228 BGB auch Eingriffe in hçchstpersçnliche Rechtsgter rechtfertigt62, die grundstzlich Vorrang vor den Vermçgensgtern haben63, und § 904 BGB anders als § 228 BGB auch die Einwirkung auf ungefhrliche Sachen erlaubt64, also bereits das Ergebnis einer Abwgung wre, ist im Rahmen der hier interessierenden Interessenabwgung unabhngig von den Abgrenzungsproblemen davon auszugehen, dass bereits die von der drohenden Eintrittsgefahr vorausgesetzte Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos Bercksichtigung findet, also eine auf tatschliche Umstnde gegrndete Wahrscheinlichkeit der Risikoverwirklichung, nicht jedoch die bloße Mçglichkeit der Verwirklichung. Dem entspricht, dass die Verkehrspflich54 Erman/Lorenz, § 904 Rn. 2; MnchKomm-BGB/Scker, § 904 Rn. 4; Palandt/Bassenge, § 904 Rn. 4; Soergel/Baur, § 904 Rn. 5; Staudinger/Seiler, § 904 Rn. 12, 14; vgl. fr § 34 StGB BGHSt 48, 255, 259; Lackner/Khl, § 34 Rn. 2. 55 Erman/Lorenz, § 904 Rn. 2; MnchKomm-BGB/Scker, § 904 Rn. 4; Staudinger/ Seiler, § 904 Rn. 19; anders noch RGRK-BGB/Augustin, § 904 Rn. 6; Heck, Sachenrecht, § 49 Nr. 11 (S. 214). 56 Staudinger/Seiler, § 904 Rn. 15. 57 BGHSt 48, 255, 259; Lackner/Khl, § 34 Rn. 2; Schçnke/Schrçder/Perron, § 34 Rn. 17. 58 So Erman/E. Wagner, § 228 Rn. 3; MnchKomm-BGB/Grothe, § 228 Rn. 7; Palandt/Heinrichs, § 228 Rn. 4. 59 So auch Staudinger/Seiler, § 904 Rn. 16. 60 So Erman/E. Wagner, § 228 Rn. 3; anders Soergel/Fahse, § 228 Rn. 12. 61 Soergel/Fahse, § 228 Rn. 12. 62 Palandt/Heinrichs, § 228 Rn. 2. 63 So zu § 228 BGB OLG Hamm, NJW-RR 2001, 237, 238; Erman/E. Wagner, § 228 Rn. 7; MnchKomm-BGB/Grothe, § 228 Rn. 10; zu § 904 BGB Erman/Lorenz, § 904 Rn. 6; MnchKomm-BGB/Scker, § 904 Rn. 10; zum Vorrang des Lebensschutzes in § 34 StGB Schçnke/Schrçder/Perron, § 34 Rn. 23 f.; vgl. auch oben S. 45. 64 Vgl. Erman/Lorenz, § 904 Rn. 1; MnchKomm-BGB/Scker, § 904 Rn. 1.

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§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten

ten abstrakte Risiken nur erfassen, soweit im konkreten Fall ein Rechtsgut oder Recht gefhrdet werden kann und der Eintritt eines Nachteils naheliegt65. Dabei ist die fr die Annahme einer Verkehrspflicht notwendige Eintrittswahrscheinlichkeit ceteris paribus geringer als bei § 228 BGB, weil sie dort nicht nur einen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch tragen muss, sondern auch das private Gewaltrecht. Aus der Regelung des Verteidigungsnotstands ergibt sich zudem, dass es auf die Wirksamkeit der in Frage stehenden Schutzmaßnahme und weiter, wenn auch nur sekundr dazu, auf die damit verbundene Belastung des Verantwortlichen ankommt, indem § 228 BGB die Erforderlichkeit der Schutzmaßnahme voraussetzt. Diese wird angenommen, wenn keine andere Maßnahme bei gleichen Erfolgsaussichten mit einem geringeren Nachteil verbunden ist66, also wenn gleiche Wirksamkeit bei geringerer Belastung gegeben ist. Schließlich ergibt sich aus § 228 BGB, dass einerseits die Grçße des drohenden Nachteils und der Rang des bedrohten Rechtsguts sowie die Eintrittswahrscheinlichkeit und andererseits die Belastung des Verantwortlichen zu bercksichtigen sind. Denn § 228 BGB setzt voraus, dass der Schaden gegenber der Gefahr nicht unverhltnismßig ist67, und die Bestimmung der Verhltnismßigkeit erfolgt nicht nur anhand des materiellen Werts, sondern auch und vorrangig anhand des Rangs der in Frage stehenden Rechtsgter68, wobei Leben und Gesundheit eines Menschen wiederum absoluter Vorrang vor materiellen Gtern eingerumt wird69.

3. Angriffsnotstand Die Regelung des Angriffsnotstands in § 904 BGB enthlt eine Interessenabwgung, die den drohenden Schaden dem bei seiner Abwehr entstehenden Schaden gegenberstellt70. Dabei werden im Rahmen der Grçße des Schadens nicht nur die materiellen Werte71, sondern insbesondere auch der Rang der Rechtsgter bercksichtigt. Denn soweit der drohende Schaden keine Sachen oder sonstigen Vermçgensgegenstnde betrifft, wird angenommen, dass eine Gterabwgung nach allgemeinen Grundstzen vorzunehmen ist, wobei zumindest das Leben und schwere Kçrper- und Gesundheitsverletzungen immer erheblich hçherwertiger sind als das Eigentum72. 65

Siehe oben S. 155. Vgl. Erman/E. Wagner, § 228 Rn. 6; MnchKomm-BGB/Grothe, § 228 Rn. 9. 67 MnchKomm-BGB/Grothe, § 228 Rn. 8; Soergel/Fahse, § 228 Rn. 18. 68 Vgl. Erman/E. Wagner, § 228 Rn. 7; MnchKomm-BGB/Grothe, § 228 Rn. 10. 69 OLG Hamm, NJW-RR 2001, 237, 238; Erman/E. Wagner, § 228 Rn. 7. 70 Erman/Lorenz, § 904 Rn. 1. 71 Missverstndlich daher die Formulierung, dass § 904 BGB der Werterhaltung diene, bei Erman/Lorenz, § 904 Rn. 1. 72 Nher Staudinger/Seiler, § 904 Rn. 27; vgl. auch Erman/Lorenz, § 904 Rn. 1, 6. 66

I. Zu bercksichtigende Wertungen

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Dem § 904 S. 1 BGB lsst sich damit zunchst entnehmen, dass es auf der einen Seite auf die Grçße des drohenden Schadens und den Rang des bedrohten Rechtsguts und auf der anderen Seite auf die mit dem Risikoschutz verbundenen Belastungen ankommt. Allerdings lsst sich aus dieser Gegenberstellung nicht schließen, dass bei der Interessenabwgung vor allem çkonomische Gesichtspunkte zu bercksichtigen sind. Denn nicht nur kommt es neben den betroffenen materiellen Werten eben auch auf den Rang der betroffenen Rechtsgter an, vielmehr gengt auch ein bloßes berwiegen der Interessen nicht, sondern dieses berwiegen muss sich als unverhltnismßig darstellen, was bei einer Gegenberstellung der materiellen Werte erst bei einem berwiegen von mindestens der Hlfte angenommen wird73 und aus einer rein çkonomischen Perspektive nicht gerechtfertigt wre. Indem § 904 S. 1 BGB auf die Notwendigkeit der Einwirkung abstellt, also darauf, ob das Mittel zur Gefahrenabwehr geeignet ist und es kein anderes eben so geeignetes Mittel gibt, das zu einem weniger gewichtigen Eingriff fhren wrde74, ergibt sich auch aus dieser Regelung zudem, dass es auch auf die Wirksamkeit der Schutzmaßnahme und weiter, wenn auch nur sekundr dazu, auf die damit verbundene Belastung ankommt. Indem sie die bereits beim Verteidigungsnotstand erçrterte Gegenwrtigkeit der Gefahr voraussetzt, lsst sich der Vorschrift weiter entnehmen, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos zu bercksichtigen ist. Der Wortlaut des § 904 S. 1 BGB erfasst dabei nur durch den Risikoschutz eintretende Nachteile am Eigentum und wird berwiegend nur auf alle anderen absoluten Vermçgensrechte entsprechend angewendet, nicht aber auf hçchstpersçnliche Rechtsgter75. Auf Eingriffe in Leib, Leben, Gesundheit und Freiheit ist § 904 BGB demnach weder direkt noch analog anwendbar76. Allerdings beansprucht der dem § 904 S. 1 BGB zugrunde liegende Gedanke, dass die Voraussetzungen der gegenwrtigen Gefahr, der Notwendigkeit der Einwirkung und der unverhltnismßigen Grçße des drohenden Schadens zum Schutz fremder unbeteiligter Rechtskreise unverzichtbar sind, allgemeine Geltung77. Die relative Strenge dieser Voraussetzungen wird jedoch in dem Maße relativiert, in dem die betroffenen Rechtskreise nicht mehr fremd und unbeteiligt nebeneinander stehen, sondern sich berschneidende Freiheits- und Risikosphren darstellen, so dass 73 Erman/Lorenz, § 904 Rn. 6; MnchKomm-BGB/Scker, § 904 Rn. 11; Staudinger/ Seiler, § 904 Rn. 27. 74 Erman/Lorenz, § 904 Rn. 5; MnchKomm-BGB/Scker, § 904 Rn. 9; Staudinger/ Seiler, § 904 Rn. 5. 75 Erman/Lorenz, § 904 Rn. 1; MnchKomm-BGB/Scker, § 904 Rn. 2; Soergel/Baur, § 904 Rn. 3; hnl. Staudinger/Seiler, § 904 Rn. 46; fr Beschrnkung auf Eigentum RGRK-BGB/Augustin, § 904 Rn. 3. 76 Staudinger/Seiler, § 904 Rn. 46. 77 Staudinger/Seiler, § 904 Rn. 46.

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es sich im hier interessierenden Zusammenhang nur um in die Interessenabwgung einzustellende Gesichtspunkte handelt. Dass § 904 S. 2 BGB Schadensersatz fr den durch den Risikoschutz entstandenen Nachteil gewhrt, beeintrchtigt die Relevanz der herausgearbeiteten Abwgungsgesichtspunkte nicht. Allerdings wird dadurch das Gewicht der Interessen noch strker zugunsten des von dem Risikoschutz Betroffenen verschoben, da eine Interessenabwgung damit auch unter der Prmisse notwendig ist, dass der aus der Einwirkung resultierende Schaden ersetzt wird. Damit zeigt sich zugleich, dass die Interessenabwgung nicht allein unter çkonomischen Gesichtspunkten stattfindet, weil der Eingriff durch den Schadensersatzanspruch grundstzlich çkonomisch kompensiert wird, aber trotzdem eine Interessenabwgung vorausgesetzt wird.

4. Nachbarrechtliche Duldungspflicht Den Voraussetzungen der Duldungspflicht bei der Zufgung unwgbarer Stoffe in § 906 I BGB lsst sich zunchst entnehmen, dass es mit der Voraussetzung einer wesentlichen Beeintrchtigung auf die Grçße des drohenden Nachteils und den Rang des Rechtsguts ankommt. Zudem ergibt sich aus der Vorschrift, dass eine umfassende Interessenabwgung vorzunehmen ist, in die auch Allgemeininteressen und insbesondere auch der Umweltschutz in die Abwgung einfließen. Denn eine wesentliche Beeintrchtigung wird nicht rein deskriptiv, sondern auch normativ bestimmt, indem nicht auf einen normalen, sondern einen verstndigen Durchschnittsmenschen abgestellt wird78, der smtliche privaten und çffentlichen Belange im Rahmen der konkreten Gegebenheiten abwgt79, wobei auch Allgemeininteressen bercksichtigen werden80, insbesondere auch der Umweltschutz81, was sogar fr verfassungsrechtlich geboten gehalten wird82. Darber hinaus lsst sich der Maßgeblichkeit der Ortsblichkeit in § 906 II 1 BGB entnehmen, dass es auf den Vertrauensschutz, das Allgemeininteresse und die Rechtswidrigkeit ankommt. Denn die Ortsblichkeit orientiert sich zunchst an der gewçhnlichen Nutzung entsprechend den çrtlichen Verhltnissen83, so dass auf diese vertraut werden darf. Die Ortsblichkeit wird jedoch nicht nur deskriptiv verstanden, sondern auch mit Wertungen angereichert84, wobei insbesondere die gesetzlichen Wertungen 78 BGHZ 111, 63, 65; BGHZ 120, 239, 255; BGHZ 121, 248, 255; Erman/Lorenz, § 906 Rn. 18; MnchKomm-BGB/Scker, § 906 Rn. 34; Vieweg/Rçthel, NJW 1999, 969 f. 79 BGHZ 111, 63, 68; BGHZ 120, 239, 255; MnchKomm-BGB/Scker, § 906 Rn. 34; Vieweg/Rçthel, NJW 1999, 969, 970. 80 BGHZ 111, 63, 74. 81 BGHZ 120, 239, 255; BGH, NJW 1993, 925, 929; Soergel/Baur, § 906 Rn. 45; kritisch Staudinger/Roth, § 906 Rn. 178. 82 Vieweg/Rçthel, NJW 1999, 969, 973. 83 BGHZ 59, 387; Erman/Lorenz, § 906 Rn. 23.

I. Zu bercksichtigende Wertungen

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des Umweltrechts85 und allgemein die wachsende Bedeutung des Umweltschutzes bercksichtigt werden86, es also auch auf das Allgemeininteresse am Umweltschutz ankommt. In diesem Zusammenhang wird es etwa fr bedenklich gehalten, dass die Ortsblichkeit auch durch einen einzigen Großbetrieb definiert werden kann87. Zudem wird die Ortsblichkeit rechtswidriger Benutzungen abgelehnt88, so dass auch die Rechtswidrigkeit Bercksichtigung findet. Schließlich ergibt sich aus dem Maßstab der wirtschaftlichen Zumutbarkeit in § 906 II 2 BGB, dass auch auf die Belastung des Verantwortlichen und zudem wieder auf die Allgemeininteressen abzustellen ist. Denn die wirtschaftliche Zumutbarkeit wird anhand eines gemischt subjektiv-objektivem Maßstabs unter Bercksichtigung von Vor- und Nachteilen sowie der Mçglichkeiten und der Leistungsfhigkeit des potentiell Verantwortlichen bestimmt89, also aufgrund dessen Belastung. Zudem wird auch der Naturschutz bercksichtigt90 und eine Harmonisierung mit der Verhltnismßigkeit gemß § 17 II BImSchG fr notwendig erachtet91, so dass auch hier wieder Allgemeininteressen, insbesondere der Umweltschutz, einfließen. Dass im Falle einer Duldungspflicht aus § 906 II 1 BGB an die Stelle des negatorischen Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruchs ein Ausgleichsanspruch gemß § 906 II 2 BGB tritt, zeigt dabei, dass die Interessenabwgung in § 906 II 1 BGB nicht allein unter çkonomischen Gesichtspunkten stattfindet. Denn die Interessenabwgung ist damit unabhngig davon, inwieweit ein Wertausgleich stattfindet.

C. Abwgung im Einzelfall Die Interessenabwgung erfolgt aufgrund der Umstnde des jeweiligen Einzelfalls92. Dies findet seinen Grund nicht nur darin, dass die Interessenabwgung der Abgrenzung der Freiheits- und Risikosphren der konkret Beteiligten dient, sondern wird auch durch die gesetzlichen Wertungen besttigt, da dort auch jeweils auf die Interessen in der konkreten Situation abgestellt wird.

84

So Erman/Lorenz, § 906 Rn. 27; in Anstzen auch BGHZ 38, 61, 62. BGHZ 64, 220, 226; Erman/Lorenz, § 906 Rn. 27. 86 Vgl. U. Diederichsen, FS R. Schmidt, S. 1, 8; Mittenzwei, MDR 1977, 99 ff. 87 BGHZ 30, 273, 277; BGHZ 59, 378, 381; BGHZ 69, 105, 111; H. Westermann/H. P. Westermann, S. 502; zustimmend etwa Fehn/Laschet, UPR 1998, 7, 8. 88 BGHZ 140, 1, 9 f. 89 Erman/Lorenz, § 906 Rn. 34. 90 OLG Schleswig, NJW-RR 1986, 884, 886; OLG Stuttgart, NJW-RR 1988, 204, 205; kritisch Allgaier, AgrarR 2002, 278, 279 ff. 91 G. Hager, NJW 1986, 1961, 1964; Kleindienst, S. 38; Staudinger/Roth, § 906 Rn. 238. 92 hnl. Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 46; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 29. 85

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§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten

Allerdings erfolgt die Interessenabwgung nicht vçllig frei. Sie hat sich vielmehr an den gesetzlichen Wertungen zu orientieren, die auch fr die Ausfllung von unbestimmten Rechtsbegriffen und Generalklauseln maßgeblich sind. Demgemß sind die maßgeblichen Gesichtpunkte fr die Interessenabwgung den eben erçrterten gesetzlichen Regelungen zu entnehmen. Diese Gesichtspunkte bilden im konkreten Fall das Abwgungsmaterial, so dass sie jeweils bei der Abwgung zu bercksichtigen sind, aber zugunsten anderer Gesichtspunkte relativiert werden kçnnen93. Dabei wird zwar das Ermessen bisher grundstzlich nur auf der Rechtsfolgenseite fr mçglich gehalten94, aber die Abwgungsproblematik stellt sich auch auf der Tatbestandsseite. Bei der Abwgung sind die Gesichtspunkte nicht jeweils einer der oben genannten bergreifenden Wertungen zuzuordnen, sondern sind als Ausfluss der gesetzlichen Wertungen als eigenstndig zu begreifen, zumal sie sich jeweils zu mehreren Gesichtspunkten in Bezug setzen lassen. Die bergreifenden Wertungen sind demgemß zwar bei der Abwgung zu bercksichtigen, treten aber allenfalls neben die aus den gesetzlichen Regelungen stammenden Gesichtspunkte und kçnnen daher ebenfalls durch diese wie auch durch andere Wertungen relativiert werden. Da die Interessenabwgung aufgrund des jeweiligen Einzelfalls erfolgt, kçnnen keine Abwgungskriterien angegeben werden, die sie vollstndig determinieren wrden. Vielmehr kçnnen nur die zu bercksichtigenden Gesichtspunkte und Wertungen und eingeschrnkt auch ihr Verhltnis zueinander benannt werden. Auch das Abwgungsziel der Abgrenzung der Freiheits- und Risikosphren des Betroffenen und des potentiell Verantwortlichen ist zu abstrakt, um die Abwgung vollstndig determinieren zu kçnnen. Die zu bercksichtigenden Gesichtspunkte und Wertungen lassen sich demgemß allenfalls als ein bewegliches System begreifen, in dem die genannten Kriterien in kombinatorischer Weise zusammenwirken95, das aber nicht durch ein bergreifendes Prinzip bestimmt wird. Die Abwgung ist demgemß nicht vollstndig determiniert, sondern erfolgt mit Hilfe komparativer Stze nach Art eines beweglichen Systems96. Insoweit stellen sich die Verkehrspflichten nicht nur als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, sondern auch als unbestimmter Rechtsbegriff dar, bei dessen Anwendung ein großer Wertungsspielraum besteht. Die Interessenabwgung im Einzelfall hat dabei nicht ex post, sondern ex ante zu erfolgen, was nicht nur fr die negatorische, sondern auch fr die deliktische Haftung gilt97. Dies ergibt sich daraus, dass es jeweils darum 93

Vgl. fr die Bercksichtigungspflichten bei der Bauleitplanung Krebs, Rn. 102. Vgl. Jestaedt, Rn. 10 ff.; Maurer, § 7 Rn. 7 ff. 95 So Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 e (S. 412); von Bar, in: Bydlinski u. a., S. 63, 69 f.; auch Erman/Schiemann, § 823 Rn. 88. 96 Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 4 b (S. 414). 94

II. Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen

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geht, wie sich der Verantwortliche in Bezug auf die Risiken verhalten soll oder sollte.

II. Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen sind vor allem die Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos sowie die Grçße des drohenden Schadens und der Rang des bedrohten Rechtsguts, aber auch die Wirksamkeit des Schutzes und die Rechtswidrigkeit.

A. Eintrittswahrscheinlichkeit Direkt mit der Funktion des Risikoschutzes verknpft ist die zum Teil auch als Grad der Gefahr bezeichnete Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos, die allgemein als zentrales Kriterium fr die Bestimmung der Verkehrspflichten angesehen und zugunsten des Betroffenen bercksichtigt wird98. Wie gezeigt, findet die Bercksichtigung der Eintrittswahrscheinlichkeit ihre Begrndung in den sowohl in §§ 228 und 904 BGB als auch in § 34 StGB zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Wertungen. Die Eintrittswahrscheinlichkeit stellt dabei keine absolute Grenze fr die Annahme von Verkehrspflichten dar, sondern nur eine relative, indem ihre notwendige Hçhe in Abhngigkeit von den anderen Abwgungskriterien zu bestimmen ist. Allerdings ist im Rahmen der Abwgung nicht jede Eintrittswahrscheinlichkeit zu bercksichtigen, sondern eine gewisser Grad der Wahrscheinlichkeit vorauszusetzen, wie sich darin zeigt, dass in § 228 BGB von einer drohenden und in § 904 BGB sowie § 34 StGB von einer gegenwrtigen Gefahr die Rede ist. Dabei ist im Rahmen der Bestimmung der Verkehrspflichten schon, wie oben gezeigt99, eine drohende Gefahr zu bercksichtigen, also eine auf tatschliche Umstnde gegrndete Wahrscheinlichkeit der Risikoverwirklichung, nicht jedoch die bloße Mçglichkeit der Verwirklichung. Sollte darber hinaus auch eine zeitnahe Gefahr97 BGH, NJW-RR 1986, 1029, 1030; BGH, NJW-RR 2002, 525, 526; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 33. 98 So etwa BGH, NJW 2006, 610, 611 f.; OLG Hamm, NJW-RR 2002, 1389, 1390; OLG Frankfurt/M., NJW 2004, 2833, 2834; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 80; Markesinis/ Unberath, S. 86; RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 142; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 29, 33; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 52; von Bar, Verkehrspflichten, S. 113 ff.; Zçllner, JZ 1997, 293, 294; hinsichtlich des Grades der Gefahr auch Erman/ Schiemann, § 823 Rn. 10; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 4 b (S. 414); Prtting/ Wegen/Weinreich/Schaub, § 823 Rn. 116; hnl. BGH, NJW 1994, 3348, 3349; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 249; vgl. auch BGHZ 113, 297, 303; BGH, NJW-RR 2005, 251, 253. 99 Siehe oben S. 241.

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verwirklichung drohen und sofortige Abhilfe erforderlich sein, ist dies weiter zugunsten des Bedrohten zu bercksichtigen. Dabei lsst sich die Wahrscheinlichkeit von der bloßen Mçglichkeit nur unter Rckgriff auf das im Zusammenhang mit der gegenwrtigen Gefahr genannte100, aber auch fr das drohende Risiko geltende Kriterium unterscheiden, ob die Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos einen ber die allgemeinen Lebensrisiken hinausgehenden Grad erreicht, von dem an man sich vernnftigerweise auf das Risiko einzustellen pflegt. Dies ist notwendig mit der Wertung verbunden, wann ein allgemeines Lebensrisiko vorliegt. Der Rechtsprechung ist damit insoweit zuzustimmen, als sie fr die Verkehrspflichten nicht nur darauf abstellt, ob »sich vorausschauend fr ein sachkundiges Urteil die naheliegende Mçglichkeit ergibt, dass Rechtsgter anderer verletzt werden kçnnen«101, sondern darber hinaus fr maßgeblich hlt, was »ein verstndiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehçriger der betroffenen Verkehrskreise« fr notwendig hlt102. Ob eine derartige, zunchst relativ geringe, aber ber das allgemeine Lebensrisiko hinausgehende Eintrittswahrscheinlichkeit ausreicht, entscheidet sich dabei erst im Rahmen der Interessenabwgung unter Bercksichtigung der brigen Abwgungsgesichtspunkte, insbesondere der Grçße des drohenden Schadens und darber hinaus auch des Rangs des bedrohten Rechtsguts103. Demgemß ist der Rechtsprechung auch insoweit zuzustimmen, als sie Verkehrspflichten auch bei seltenen, aber typischen Risiken annimmt, wenn diese mit schweren Nachteilen verbunden sind104 oder wenn eine Abwgung mit anderen, insbesondere verfassungsrechtlichen Wertungen dies gebietet105. Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist demgemß im Rahmen der Interessenabwgung immer zu bercksichtigen.

100

Siehe oben S. 240. So etwa BGH, NJW 2004, 1449, 1450; BGH, NJW 2006, 610, 611; BGH, NJW 2006, 2326; BGH, NJW-RR 2006, 674, 676; zustimmend etwa Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 4 b (S. 414); vgl. auch RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 143; Staudinger/ J. Hager, § 823 Rn. E 35; Palandt/Sprau, § 823 Rn. 46. 102 BGH, NJW 2006, 2326; hnl. BGH, NJW 1990, 1236, 1237; BGH, NJW-RR 2002, 525, 526; BGH, NJW 2006, 610, 611; BGH, NJW-RR 2006, 674, 676. 103 Vgl. auch Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 234; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 4 b (S. 414); Schçnke/Schrçder/Perron, § 34 Rn. 15; in Bezug auf Rang der Rechtsgter etwa auch BGHZ 58, 149, 156; Canaris, FS Larenz, 1983, S. 27, 32; Steffen, VersR 1980, 409, 411; in Bezug auf die Hçhe des drohenden Schadens etwa auch BGH, NJW 1990, 906, 907; BGH, NJW-RR 1990, 789, 790; BGH, NJW 2006, 610, 612. Dazu nher unten S. 247 ff. 104 So fr die Produkthaftung etwa BGHZ 104, 323, 327; BGH, NJW 1990, 906, 907 f.; BGH, NJW-RR 1990, 789, 790; hnl. auch BGHZ 80, 186, 191 f. 105 So in Bezug auf Art. 5 III und 2 II GG BGH, NJW 2006, 610, 612. 101

II. Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen

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B. Belastung des Betroffenen Neben der Eintrittswahrscheinlichkeit ist vor allem die Belastung des Betroffenen zu bercksichtigen. Dabei werden vor allem die Grçße des drohenden Schadens und der Rang des bedrohten Rechtsguts genannt. Daneben kann eine Belastung aber auch vorliegen, wenn kein geschtztes Rechtsgut oder Recht betroffen ist. So ist etwa davon ausgegangen worden, dass die Interessen desjenigen, der unter der Drohung eines Angriffs lebt, bereits beeintrchtigt sein kçnnen106, was womçglich seine allgemeine Handlungsfreiheit einschrnkt und zu einem Vermçgensschaden fhren kann, aber noch keine Beeintrchtigung eines der Rechtsgter und Rechte des § 823 I BGB oder Verletzung eines Schutzgesetzes im Sinne des § 823 II BGB sein muss, obwohl eine solche Beeintrchtigung oder Verletzung droht, so dass der Schutzbereich nur im Rahmen der negatorischen Haftung berhrt wird.

1. Grçße des drohenden Schadens Zusammen mit der Eintrittswahrscheinlichkeit wird gemeinhin die Grçße des drohenden Schadens als zugunsten des Betroffenen zu bercksichtigendes Abwgungskriterium genannt107. Die Schadenshçhe bezieht sich dabei zwar zunchst vor allem auf materielle Schden, denen ein wirtschaftlicher Wert entspricht, kann aber auch immaterielle oder ideelle Schden umfassen, etwa Affektionsinteressen108. Sie ist auch Bestandteil der sogenannten Learned Hand-Formel als zentralem Bestanteil der oben erçrterten çkonomischen Betrachtung, ohne dass ihre Bercksichtigung in der Maßgeblichkeit çkonomischer Gesichtspunkte begrndet liegt109. Die Notwendigkeit der Bercksichtigung der Grçße des Schadens findet ihren Grund vielmehr in den gesetzlichen Wertungen, die darin zum Ausdruck kommen, dass die Schadensgrçße sowohl bei §§ 228 und 904 BGB als auch bei § 34 StGB in die Interessenabwgung einfließt, die Voraussetzung fr die Annahme eines rechtfertigenden Notstands ist. Maßgeblich ist dabei der bei den Rechtsgtern und Rechten des Betroffenen eintretende Nachteil. Demgemß ist etwa bei summierten Immissionen, die je fr sich unwesentlich sind, aber 106

So Baumbach/Hefermehl/Bornkamm, § 8 Rn. 1.7. So etwa BGH, NJW 1990, 906, 907; BGH, NJW-RR 1990, 789, 790; BGH, NJW 2006, 610, 612; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 234; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/ 2, § 76 III 4 b (S. 414); MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 249; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 29, 33; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 71; auf die Schwere des Verletzungserfolgs abstellend BGH, NJW-RR 2005, 251, 253; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 10; Soergel/Zeuner, 12. Aufl., § 823 Rn. 6; vgl. auch Markesinis/Unberath, S. 86. 108 So etwa zum Notstand Erman/E. Wagner, § 228 Rn. 7; Erman/Lorenz, § 904 Rn. 6; MnchKomm-BGB/Grothe, § 228 Rn. 10; MnchKomm-BGB/Scker, § 904 Rn. 11 f.; vgl. fr die deliktische Haftung auch MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 249. 109 So aber MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 249. 107

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in ihrem Zusammentreffen wesentlich werden, die negatorische Haftung begrndet, so dass der Betroffene hier wahlweise gegen jeden Verantwortlichen vorgehen kann, bis die Stçrung unwesentlich oder auf das gemß § 906 II 1 BGB zu duldende Maß reduziert ist110.

2. Rang des bedrohten Rechtsguts Neben der Eintrittswahrscheinlichkeit und der Grçße des drohenden Schadens wird in der Regel auch der Rang des bedrohten Rechtsguts als Gesichtspunkt genannt, der in der Abwgung zugunsten des Betroffenen zu bercksichtigen ist111. Demgemß wird etwa auch im Polizeirecht angenommen, dass bei Lebens- und schwerwiegenden Gesundheitsgefahren bereits eine entfernte Wahrscheinlichkeit der Beeintrchtigung hinreichend fr die Annahme einer Gefahr ist112. Der drohende Nachteil ist also nicht nur hinsichtlich der Hçhe des damit verbundenen Schadens zu bercksichtigen113. Dies findet seinen Grund wiederum in den gesetzlichen Wertungen, die darin zum Ausdruck kommen, dass dem durch die Schutzmaßnahme entstehenden Schaden im Rahmen der Interessenabwgung in § 228 BGB nicht nur die Hçhe des drohenden Schadens, sondern auch der Rang der bedrohten Gter gegenber gestellt werden114 und auch die Abwgung in § 904 BGB im Rahmen des drohenden Schadens nicht nur die Schadenshçhe, sondern auch den Rang der bedrohten Gter umfasst115, indem auf die wirtschaftlichen Werte nur abgestellt wird, soweit sich Sachgter gegenberstehen. Dabei haben die hçchstpersçnlichen Rechtsgter grundstzlich Vorrang vor den Vermçgensgtern116.

110 Soergel/Baur, § 906 Rn. 162; Staudinger/Roth, § 906 Rn. 278; Staudinger/Kohler, UmwelthaftR, 2002, Einl. Rn. 213; hnl. Kleindienst, S. 60; anders H. Westermann, FS Larenz, 1973, 1003, 1012. 111 So etwa BGHZ 58, 149, 156 ff.; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 234; Canaris, FS Larenz, 1983, 27, 32; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 4 b (S. 414); Prtting/ Wegen/Weinreich/Schaub, § 823 Rn. 116; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 29, 33; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 71; Steffen, VersR 1980, 409, 411; vgl. fr die Polizeigefahr auch Leisner, DV 2002, 326, 332 f.; auf die Schwere des Verletzungserfolgs abstellend BGH, NJW-RR 2005, 251, 253; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 10; Soergel/Zeuner, 12. Aufl., § 823 Rn. 6. 112 OVG Mannheim, BB 1990, 237; Friauf, Rn. 51. 113 So aber offenbar MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 249. 114 Vgl. Erman/E. Wagner, § 228 Rn. 7; MnchKomm-BGB/Grothe, § 228 Rn. 10; zu § 34 StGB vgl. Schçnke/Schrçder/Perron, § 34 Rn. 22 f. 115 Erman/Lorenz, § 904 Rn. 6; MnchKomm-BGB/Scker, § 904 Rn. 10; Staudinger/ Seiler, § 904 Rn. 27 ff. 116 Siehe oben S. 45.

II. Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen

251

C. Wirksamkeit der Schutzmaßnahme Whrend die Bercksichtigung der Eintrittswahrscheinlichkeit und der Grçße des drohenden Schadens sowie eingeschrnkt auch des Rangs des bedrohten Rechtsguts im Rahmen der Bestimmung der Verkehrspflichten weitgehend anerkannt ist, wird die Wirksamkeit der Schutzmaßnahme gegen ein drohendes Risiko nur vereinzelt und ohne Ausfhrungen ber die Art der Bercksichtigung erwhnt117 und sonst allenfalls insoweit thematisiert, als zum Teil zwischen Sicherungs- und Frsorgepflichten unterschieden wird118. Diese Unterscheidung ist zwar an sich auf die potentielle Verantwortlichkeit bezogen, dort aber insofern nicht weiterfhrend, als sie diese letztendlich voraussetzt119. Die Differenzierung zwischen Sicherungspflichten, die von der Gefahrenquelle ausgehen, und Frsorgepflichten, die von den gefhrdeten Rechtsgtern oder Rechten ausgehen, kann jedoch im Rahmen der Interessenabwgung insoweit fruchtbar gemacht werden, als dieser unterschiedlichen Perspektive eine unterschiedliche Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen entspricht, auf der die Unterscheidung zwischen aktiven Schutzpflichten, bei denen der Schutz bereits an der Gefahrenquelle ansetzt, und passiven Schutzpflichten, bei denen der Schutz erst am geschtzten Rechtsgut oder Recht ansetzt, beruht120. Denn aktive Schutzpflichten, die bereits an dem das Risiko schaffenden oder dieses erhçhenden Verhalten ansetzen, insbesondere ein solches Verhalten verbieten, sind wirksamer als solche, die erst an das durch dieses Verhalten geschaffene oder erhçhte Risiko anknpfen und dieses nicht von vornherein ausschalten, sondern erst nachtrglich minimieren wollen. Damit geht das Interesse des Betroffenen regelmßig auf die Annahme einer bereits an die Entstehung oder Erhçhung des Risikos anknpfenden Verkehrspflicht, da ihm an einem mçglichst wirksamen Schutz gelegen ist. Dass dieses Interesse im Rahmen der der Bestimmung der Verkehrspflichten zugrundeliegenden Interessenabwgung auch zugunsten des Betroffenen zu bercksichtigen ist, ergibt sich dabei aus den Wertungen, die der Regelung des Notstands zugrunde liegen. Denn dort wird jeweils die Erforderlichkeit der Schutzmaßnahme vorausgesetzt, bei der es nur dann darauf ankommt, ob eine andere Schutzmaßnahme mit einem geringeren Nachteil verbunden ist, wenn diese dieselben Erfolgsaussichten bietet121, also nicht weniger wirksam ist. 117 Vgl. den Verweis auf die Maßgeblichkeit unter anderem der vorbeugende Beherrschbarkeit der Stçrung durch BGHZ 157, 33, 42. 118 So MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 223 ff.; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 19 ff. 119 Vgl. oben S. 175 ff. 120 Vgl. oben S. 159. 121 Vgl. oben S. 242 u. 243.

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§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten

D. Rechtswidrigkeit Schließlich erscheint es als mçglich, zugunsten des Betroffenen auch die Rechtswidrigkeit des Vorverhaltens zu bercksichtigen. Zwar ist diese keine Voraussetzung fr die potentielle Verantwortlichkeit122, und ihr Fehlen schließt die Existenz von Verkehrspflichten nicht aus. Aber sie kann im Rahmen der Interessenabwgung insoweit zu bercksichtigen sein, als sich die Rechtswidrigkeit des Vorverhaltens des Verantwortlichen zu seinen Lasten und damit zugunsten des Betroffenen auswirkt. Dies ergibt sich aus den Wertungen des § 906 II 1 BGB, wenn man der Ansicht der Rechtsprechung folgt, dass die Rechtswidrigkeit aufgrund einer fehlenden Genehmigung die Ortsblichkeit zwar nicht notwendig ausschließt, aber jedenfalls insoweit gegen diese spricht, als die Beeintrchtigung durch eine Genehmigung und die damit mçglicherweise verbundenen Auflagen und Einschrnkungen verringert werden kann123. Umgekehrt wirkt sich die Rechtswidrigkeit des fr die eingetretene oder drohende Beeintrchtigung ebenfalls kausalen Vorverhaltens des Betroffenen zu seinen Lasten aus. Die Rechtswidrigkeit des Inhalts der Verkehrspflicht ist demgegenber bereits Bestandteil der rechtlichen Mçglichkeit der Risikosteuerung124.

III. Gesichtspunkte zugunsten des potentiell Verantwortlichen Die Bestimmung der Verkehrspflichten kann nicht allein durch die Bercksichtigung der Interessen des Betroffenen erfolgen. Vielmehr mssen auch die Interessen des potentiell Verantwortlichen einbezogen werden. Nur wo die Interessen beider bercksichtigt werden, ist eine Interessenabwgung mçglich und die Durchsetzung der Interessen des einen auf Kosten des anderen eingeschrnkt. Bei den zugunsten des potentiell Verantwortlichen zu bercksichtigenden Gesichtspunkten handelt es sich vor allem um dessen Belastung. Daneben werden auch die Mçglichkeit des Selbstschutzes durch den Betroffenen und die Zumutbarkeit der Schutzmaßnahmen sowie die mangelnde Erkennbarkeit diskutiert. Weiter ist die Rechtmßigkeit des Verhaltens zu bercksichtigen.

A. Wirtschaftliche Belastung des Verantwortlichen Den zugunsten des Betroffenen zu bercksichtigenden Abwgungsgesichtspunkten, insbesondere der Eintrittswahrscheinlichkeit und der Grçße der 122 123 124

Vgl. oben S. 186. BGHZ 140, 1, 6 f. Siehe oben S. 182.

II. Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen

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Gefahr sowie eingeschrnkt dem Rang des bedrohten Rechtsguts, wird gemeinhin die wirtschaftliche Belastung des potentiell Verantwortlichen gegenbergestellt125.

1. Begrndung aus den gesetzlichen Wertungen Dies wird durch die Notstandregelungen besttigt. Denn die Belastung des Verantwortlichem ist im Rahmen der Erforderlichkeit in §§ 228, 904 BGB und § 34 StGB zwar nur insoweit zu bercksichtigen, als sie die Wirksamkeit des Risikoschutzes nicht beeintrchtigt. Aber darber hinaus wird nicht nur in § 34 S. 1 StGB ein wesentliches berwiegen des geschtzten ber das beeintrchtigte Interesse vorausgesetzt und in § 228 S. 1 BGB verlangt, dass der Schaden nicht außer Verhltnis zur Gefahr steht, sondern auch in § 904 S. 1 BGB gerade auf den Schaden abgestellt, indem der drohende Schaden gegenber dem durch die Schutzmaßnahme entstehenden Schaden unverhltnismßig groß sein muss. Die Bercksichtigung der Belastung des potentiell Verantwortlichen ergibt sich zudem auch aus der in der Ortsblichkeit des § 906 II 1 BGB enthaltenen Interessenabwgung.

2. Objektiver Maßstab Inwieweit eine Verkehrspflicht belastend fr den potentiell Verantwortlichen ist, bestimmt sich nach einem objektiven Maßstab126. Dieser umfasst nicht die wirtschaftliche Situation des potentiell Verantwortlichen. Seine finanzielle Leistungsfhigkeit ist demgemß bei der Bestimmung der Verkehrspflichten und der dieser zugrundeliegenden Interessenabwgung nicht zu bercksichtigen127. Dies ergibt sich nicht nur daraus, dass der Verkehr die Finanzsituation des potentiell Verantwortlichen regelmßig nicht kennt und sich daher auch nicht auf die dadurch bedingte Absenkung eines Sicherheitsstandards einstellen kann, so dass ein Vertrauen in die Einhaltung eines 125 So etwa BGHZ 58, 149, 156 ff.; BGH, NJW 1984, 801, 802; BGH, NJW 1985, 620; BGH, NJW-RR 1986, 1029, 1030; BGH, NJW-RR 2003, 1103, 1104; BGH, NJW-RR 2005, 251, 252; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 10; G. Hager, ZEuP 1997, 9, 29; Larenz/ Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 4 b (S. 414); MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 249 f.; Markesinis/Unberath, S. 86; Prtting/Wegen/Weinreich/Schaub, § 823 Rn. 113; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 33; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 52; Teschner, SchlHA 2004, 197, 199. 126 Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 31. 127 BGH, NJW 1991, 2824, 2835; BGH, NJW 1984, 801, 802; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 241; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 34; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 31; vgl. fr einen Krankenhaustrger und hygienische Standards auch BGH, VersR 1960, 416, 418; fr eingeschrnkte Bercksichtigung aber MnchKomm-BGB/Mertens, 3. Aufl., § 823 Rn. 216, Prtting/Wegen/Weinreich/Schaub, § 823 Rn. 113; anders auch BGH, VersR 1983, 39.

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§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten

Mindeststandards schutzwrdig erscheint128. Es lsst sich vielmehr auch auf gesetzliche Wertungen zurckfhren, da etwa die wirtschaftliche Zumutbarkeit im Rahmen des § 906 II 1 BGB gemeinhin objektiv typisierend bestimmt wird, indem man auf Benutzer dieser Art abstellt129. Der finanziellen Belastung des jeweils potentiell Verantwortlichen kann demgemß grundstzlich auch keine untergeordnete Rolle zukommen130. Die in Bezug auf die mit den Verkehrspflichten verbundene wirtschaftliche Belastung mangelnde finanzielle Leistungsfhigkeit des potentiell Verantwortlichen kann allenfalls Anhaltspunkt dafr sein, dass die Belastung allgemein zu hoch ist, und dann in die Bestimmung des objektiven Maßstabs einfließen.

3. Bercksichtigung nur bei Unverhltnismßigkeit Die Belastung des potentiell Verantwortlichen ist den zugunsten des Betroffenen zu bercksichtigenden Gesichtspunkten allerdings nicht in dem Sinne gegenberzustellen, dass ihnen bei der Interessenabwgung das gleiche Gewicht zukommt. Der Auffassung, dass die Abwgung im Sinne der Learned Hand-Formel in der Form erfolgt, dass die Belastung des potentiell Verantwortlichen durch die Kosten der Erfllung der Verkehrspflichten das Produkt aus Schadenshçhe und Eintrittswahrscheinlichkeit nicht bersteigen drfen und die Kosten der Erfllung der Verkehrspflichten durch den potentiell Verantwortlichen entsprechend der Figur des cheapest cost avoider nicht hçher sein drfen als die Kosten des Betroffenen zur Vermeidung des drohenden Risikos131, ist nicht zuzustimmen. Gegen sie spricht nicht nur, dass sie auf der Maßgeblichkeit çkonomischer Gesichtspunkte beruht, der bereits oben entgegengetreten wurde132, und dass insbesondere sowohl zugunsten des Betroffenen als auch zugunsten des potentiell Verantwortlichen der Rang der in Rede stehenden Rechtsgter zu bercksichtigen ist133. Vielmehr lsst sich den gesetzlichen Wertungen entnehmen, dass die Belastung des potentiell Verantwortlichen strukturell hinter den zugunsten des Betroffenen zu bercksichtigenden Gesichtspunkten zurcktritt. Dafr spricht zunchst, dass im Rahmen der von §§ 228, 904 BGB und § 34 StGB vorausgesetzten Erforderlichkeit die Wirksamkeit der Schutzmaßnahme grundstzlich Vorrang gegenber der Belastung des potentiell Verantwortlichen genießt. Weiter lassen sich dafr der Schadensersatzanspruch in § 904 S. 2 BGB und der Ausgleichsanspruch in § 906 II 2 BGB anfhren, da sie 128 129 130 131 132 133

So Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 241. Erman/Lorenz, § 906 Rn. 34; MnchKomm-BGB/Scker, § 906 Rn. 121. So aber Erman/Schiemann, § 823 Rn. 81; wohl auch BGH, NJW 1984, 801, 802. Vgl. oben S. 23 f. Vgl. oben S. 23 ff. Vgl. Erman/Schiemann, § 823 Rn. 115.

II. Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen

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deutlich machen, dass selbst dort, wo die Abwgung zugunsten der Belastung des Verantwortlichen ausgeht, die wirtschaftliche Belastung des Verantwortlichen jedenfalls nicht vollstndig ausgeschlossen wird, weil er mit einem entsprechenden Schadensersatz- oder Ausgleichsanspruch belastet wird. Vor allem aber lsst sich den gesetzlichen Wertungen entnehmen, dass die Belastung des potentiell Verantwortlichen erst dort zu bercksichtigen ist, wo sie unzumutbar ist134, und nicht bereits dort, wo sie die Belastung des Betroffenen berwiegt. Fr die Maßgeblichkeit erst der Unzumutbarkeit kann man nicht nur pragmatisch anfhren, dass sich die Verkehrserwartung darauf einstellt, dass Verkehrspflichten dort nicht geboten sind, wo der damit verbundene Aufwand vçllig außer Verhltnis zu den drohenden Risiken steht135, sondern auch auf gesetzliche Wertungen verweisen. Zwar drften das Außerverhltnisstehen in § 228 S. 1 BGB und das wesentliche berwiegen des § 34 S. 1 BGB vor allem der Defensivsituation geschuldet und die darin zum Ausdruck kommenden Wertungen darauf beschrnkt sein. Auch stellt § 906 II 1 BGB zwar darauf ab, dass die Belastung wirtschaftlich unzumutbar ist, bestimmt diese aber nicht im Verhltnis zum drohenden Risiko, so dass es nicht um die hier interessierende Abwgung geht. Aber § 904 S. 1 BGB setzt voraus, dass die Belastung des Verantwortlichen gegenber dem Nachteil des Betroffenen unverhltnismßig groß ist, so dass sich die darin zum Ausdruck kommende Wertung, dass ein bloßes berwiegen der Belastung des Verantwortlichen nicht ausreicht, verallgemeinern lsst. Damit schließt die Belastung des potentiell Verantwortlichen durch eine Verkehrspflicht diese nicht bereits aus, wenn sie die zugunsten des Betroffenen zu bercksichtigenden Abwgungsgesichtspunkte, insbesondere die Eintrittswahrscheinlichkeit sowie die Grçße der drohenden Gefahr und den Rang des bedrohten Rechtsguts nur berwiegt. Voraussetzung ist vielmehr, dass die Belastung des potentiell Verantwortlichen den drohenden Nachteil des Betroffenen so weit berwiegt, dass Unverhltnismßigkeit vorliegt. In diesem Sinne lsst sich sagen, dass die Interessenabwgung grundstzlich von einem Vorrang des Schutzes des Betroffenen ausgeht136. Bei der Ermittlung der Belastung und ihrer Unverhltnismßigkeit sind nicht nur die insbesondere wirtschaftlichen Nachteile zu bercksichtigen, die die Verkehrspflichten dem potentiell Verantwortlichen verursachen, sondern auch die Vorteile, die er aus der Schaffung oder Aufrechterhaltung 134 So im Ergebnis auch BGHZ 112, 74, 75 f.; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 225; Lytras, S. 146 ff.; von Bar, Verkehrspflichten, S. 127 f.; fr die Produkthaftung etwa auch BGHZ 51, 91, 108; BGHZ 104, 323; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 115; fr Angemessenheit MnchKomm-BGB/Mertens, 3. Aufl., § 823 Rn. 24; von Unverhltnismßigkeit spricht selbst MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 225. 135 So BGH, NJW 1984, 801, 802; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 33. 136 So Erman/Schiemann, § 823 Rn. 81.

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§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten

der Risikoquelle zieht oder ziehen kann137, da dies seine Belastung mindert. Insoweit gilt der Gedanke der Einheit von Vorteilsziehung und Nachteilsausgleich. Die Vorteile des potentiell Verantwortlichen wirken sich also im Rahmen der Interessenabwgung zugunsten des Betroffenen aus. Da es nur um unverhltnismßige Belastungen geht, schließt ein fehlender wirtschaftlicher Vorteil das Bestehen von Verkehrspflichten allerdings noch nicht aus138, sondern verschiebt die Gewichte im Rahmen der Interessenabwgung nur zugunsten des potentiell Verantwortlichen, ohne jedoch allein maßgeblich zu sein.

4. Keine vollstndige Erfassung der Risiken Indem sie dann ausgeschlossen werden, wenn sie mit unzumutbarem Aufwand des potentiell Verantwortlichen gegenber dem drohenden Nachteil des Betroffenen verbunden sind, umfassen die Verkehrspflichten hufig keine vollstndige Risikominimierung. Denn der Aufwand zur Risikominimierung wird regelmßig umso grçßer, je weiter das Risiko minimiert werden soll. Der Verkehrspflichtige braucht demgemß in der Regel keine vçllige Risikolosigkeit zu garantieren139; die fehlende Beherrschbarkeit eines Risikos fhrt nicht notwendig zu der Pflicht, das risikoreiche Verhalten berhaupt zu unterlassen140, weil das soziale Leben sonst weitgehend zum Erliegen kommen wrde141. Soweit Risiken von den Verkehrspflichten nicht erfasst werden, hat sie der Betroffene zu tragen, darf er also nicht auf einen Schutz durch den potentiell Verantwortlichen vertrauen142, sondern muss sich selbst an die Risiken anpassen143.

5. Bercksichtigung nur der unvermeidbaren Belastung Die zu bercksichtigende Belastung des potentiell Verantwortlichen ergibt sich nicht notwendig aus dem Aufwand fr die Einhaltung der Verkehrspflicht, sondern kann sich auch aus dem Aufwand ergeben, der aus dem Verstoß gegen die Verkehrspflicht folgt, also dem Schadensersatz, der dem Betroffenen zu leisten ist. Maßgeblich ist insoweit der geringere Aufwand, 137

Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 35; von Bar, Verkehrspflichten, S. 125 ff. Vgl. Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 31. 139 BGHZ 108, 273, 274; BGHZ 112, 74, 75 f.; BGH, NJW-RR 2003, 1459, 1460; BGH, NJW 2004, 1449, 1451; BGH, NJW-RR 2005, 251, 252; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 240 f.; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 80; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 248; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 30, 32. 140 Erman/Schiemann, § 823 Rn. 80. 141 Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 30. 142 Vgl. BGH, NJW 1985, 1076 f.; BGH, NJW 2002, 1265; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 80; hnl. Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 30. 143 BGHZ 112, 74, 76. 138

II. Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen

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da der potentiell Verantwortliche nur diesen Aufwand nicht vermeiden kann, sein Verhalten also nur mit der daraus folgenden Belastung notwendig verbunden ist. Denn im Rahmen der deliktischen Haftung kann der Betroffene nur Schadensersatz, nicht aber die Einhaltung der Verkehrspflicht verlangen, so dass der Verantwortliche dort auch nur mit dem Aufwand belastet wird, der mit dem Ersatz des eingetretenen Schadens verbunden ist. Soweit der mit dem Verstoß gegen die Verkehrspflicht verbundene Aufwand hçher ist als der mit ihrer Einhaltung verbundene, kann der potentiell Verantwortliche den hçheren Aufwand regelmßig durch die Einhaltung der Verkehrspflicht vermeiden. Im Rahmen der deliktischen Haftung ist die Verkehrspflicht also nur mit dem Aufwand fr den Ersatz des eingetretenen Schadens bei ihrer Verletzung bis zur Grenze des Aufwands fr ihre Einhaltung verbunden. Nur dieser Aufwand kann im brigen auch der çkonomischen Betrachtung des Deliktsrechts zugrunde liegen. Erst wenn der potentiell Verantwortliche nicht nur deliktisch, sondern auch negatorisch haftet, wird der Aufwand fr die Einhaltung der Verkehrspflicht maßgeblich, da er dann durch den potentiell Betroffenen nicht mehr vermieden werden kann.

B. Zumutbarkeit fr den Verantwortlichen Die Verkehrspflichten werden vielfach auch unter den Vorbehalt ihrer Zumutbarkeit fr den Verantwortlichen gestellt144. Dieser Vorbehalt hngt zwar eng mit dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Belastung des potentiell Verantwortlichen zusammen145, erschçpft sich jedoch nicht in einer wirtschaftlichen Betrachtung, sondern bezieht sich auf die allgemeine Belastung. Denn soweit sich nhere Ausfhrungen zur Zumutbarkeit finden, wird sie zum Teil zwar als wirtschaftliche Zumutbarkeit aufgefasst146 und durch eine Gegenberstellung des dem Betroffenen drohenden Nachteils und der Belastung des potentiell Verantwortlichen ermittelt147. Aber sie wird hufig auch anhand des Maßstabs eines umsichtigen und verstndigen, in vernnftigen Grenzen vorsichtigen Angehçrigen der betroffenen Verkehrskreise 144 Vgl. BGHZ 103, 298, 303; BGHZ 108, 273, 274; BGHZ 112, 74, 75, 79; BGHZ 121, 367, 375; BGHZ 136, 69, 77; BGH, NJW 1996, 3208, 3209; BGH, NJW-RR 2002, 525, 526; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 80; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 248; RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 148 ff.; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 32; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. 35. 145 Vgl. Teschner, SchlHA 2004, 197, 199. 146 BGH, NJW 1975, 108, 109; fr die Produkthaftung etwa auch BGHZ 104, 323, 329; BGH, NJW 1990, 906, 907; auf die Leistungsfhigkeit abstellend BGHZ 112, 74, 75 f. 147 BGHZ 58, 149, 156; BGHZ 112, 74, 74 f.; BGH, NJW 1990, 1236, 1237; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 240; fr die Produkthaftung vgl. auch BGHZ 104, 323, 326 f., 329.

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§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten

bestimmt148, also aufgrund der Verkehrsauffassung149. Dieser Maßstab wird zwar vereinzelt auch bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit angelegt150, spricht aber dafr, dass es nicht nur auf die wirtschaftliche Belastung des potentiell Verantwortlichen ankommt, sondern auch andere Belastungen bercksichtigt werden kçnnen. Demgemß hat die Rechtsprechung zum Teil auch allgemein darauf abgestellt, ob die in Frage stehende Verkehrspflicht den Umstnden nach zumutbar ist151. Die wirtschaftliche Belastung des potentiell Verantwortlichen stellt damit ein wichtiges Kriterium fr die Zumutbarkeit der Verkehrspflichten dar, jedoch kann sich die Unzumutbarkeit auch aus anderen Grnden ergeben. So sind etwa auch die Grundrechte zu bercksichtigen152. Dementsprechend ist es etwa denkbar, dass Unzumutbarkeit dort gegeben ist, wo eine Verkehrspflicht eine unzumutbare Beschrnkung der Handlungsfreiheit darstellt, ohne zugleich mit einer wirtschaftlichen Belastung verbunden zu sein. Die Unzumutbarkeit ergibt sich dabei aus einer Abwgung aller relevanter Gesichtspunkte im Einzelfall153. Fr sie gilt entsprechend den Ausfhrungen bei der Belastung des potentiell Verantwortlichen154 ein typisierter, aber objektiver Maßstab, auch wenn die Abwgung auf der Grundlage der konkreten Situation erfolgt. Es kommt damit nicht auf die Leistungsfhigkeit des im konkreten Fall potentiell Verantwortlichen an155, sondern auf die Leistungsfhigkeit eines typischerweise potentiell Verantwortlichen.

C. Mçglichkeit des Selbstschutzes Als weiterer Gesichtspunkt zugunsten des potentiell Verantwortlichen wird vielfach die Mçglichkeit des Selbstschutzes durch den Betroffenen genannt156. Diese Mçglichkeit stellt jedoch keinen selbststndigen Abwgungsgesichtspunkt dar, sondern fließt in die bereits genannten Gesichts148 Vgl. BGHZ 103, 298, 303 f.; BGHZ 108, 273, 275; BGH, NJW-RR 2002, 525, 526; BGH, NJW-RR 2003, 1459, 1460; BGH, NJW 2004, 1449, 1450; BGH, NJW 2006, 610, 611; BGH, NJW-RR 2006, 674, 675 f.; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 35. 149 Vgl. auch BGH, NJW-RR 2003, 1459, 1460; BGH, NJW 2006, 2326; fr die Produkthaftung hnl. BGHZ 104, 323, 326 f. 150 So BGH, NJW 2004, 1449, 1450 f. 151 So BGH, NJW 1971, 1881; BGH, NJW 2006, 610, 611. 152 Vgl. BGH, NJW 2006, 610, 612. 153 Vgl. auch Erman/Schiemann, § 823 Rn. 80. 154 Vgl. oben S. 253. 155 So aber wohl BGHZ 112, 74, 75 f. 156 So etwa Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 240, 242; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 10; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 4 c (S. 414), § 86 II 2 a (S. 676); MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 251 f.; Prtting/Wegen/Weinreich/Schaub, § 823 Rn. 117; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 30; Steffen, ZVersWiss. 82 (1993), 13, 22; unter dem Gesichtspunkt des § 254 BGB auch BGHZ 135, 235, 240 ff.; aus çkonomischer Sicht auch Calabresi, S. 135 ff.; Schfer/Ott, S. 221 ff., 231 ff., 235 ff.

II. Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen

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punkte ein, indem sie bei der Belastung des Verantwortlichen zu dessen Gunsten ins Gewicht fllt und im Rahmen der Verkehrserwartung zu bercksichtigen ist. Dabei ist die Mçglichkeit des Selbstschutzes nicht im Rahmen der Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos zu bercksichtigen. Zwar verringert die Mçglichkeit des Selbstschutzes die Eintrittswahrscheinlichkeit, insbesondere wenn sie mit der Erkennbarkeit des Risikos verbunden ist. Aber wenn man von der Abgrenzung der Freiheits- und Risikosphren als Funktion des Haftungsrechts ausgeht, dann wird die Sphre des Betroffenen schon dadurch beeintrchtigt, dass der potentiell Verantwortliche ein Risiko mit einer bestimmten Eintrittswahrscheinlichkeit gesetzt hat, unabhngig davon, ob sich der Betroffene selbst schtzen kann. Die Haftung betrifft demgegenber gerade die Frage, ob er sich vor dem Risiko schtzen muss oder ob ihn der potentiell Verantwortliche davor schtzen muss. Die Mçglichkeit des Selbstschutzes ist auch nicht im Rahmen einer çkonomischen Betrachtung in der Form zu bercksichtigen, dass Verkehrspflichten nur anzunehmen sind, wenn die Kosten der Erfllung der Verkehrspflichten durch den potentiell Verantwortlichen entsprechend der Figur des cheapest cost avoider nicht hçher sind als die Kosten des Betroffenen zur Vermeidung des drohenden Risikos157, also die Selbstschutzkosten. Denn nicht nur stellt die wirtschaftliche Betrachtung nur einen unter mehreren Abwgungsgesichtspunkten dar158, sondern sie ist auch gegenber den gesetzlichen Wertungen nachrangig, nach denen die Belastung des Verantwortlichen nur insoweit zu bercksichtigen ist, als sie gegenber dem Nachteil des Betroffenen unverhltnismßig groß ist, whrend ein bloßes berwiegen der Belastung des Verantwortlichen nicht ausreicht, um Verkehrspflichten auszuschließen. Demgemß kann die Mçglichkeit des Selbstschutzes im Rahmen der Belastung des potentiell Verantwortlichen bercksichtigt werden. Denn der Belastung steht unter anderem auch der dem Betroffenen drohende Schaden gegenber, bei dessen Bestimmung entsprechend § 254 II 1 BGB zugunsten des potentiell Verantwortlichen der Schaden zu bercksichtigen ist, der dadurch entsteht, dass der Betroffene die Schutzmaßnahmen unterlsst, die ein ordentlicher und verstndiger Mensch ergreifen wrde159, also die nicht wahrgenommene Mçglichkeit des Selbstschutzes. Allerdings gilt auch hier, dass ein bloßes berwiegen der Belastung des Verantwortlichen ber den dem Betroffenen drohenden Nachteil nicht gengt, um Verkehrspflichten auszuschließen, sondern die Belastung des Verantwortlichen gegenber dem Nachteil des Betroffenen unverhltnismßig groß sein muss. Die Mçglichkeit des Selbstschutzes durch den Betroffenen wirkt sich dem157 158 159

MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 252; vgl. auch oben S. 23. Vgl. oben S. 235 ff. So etwa Erman/Ebert, § 254 Rn. 53 ff.; Palandt/Heinrichs, § 254 Rn. 36.

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§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten

gemß nur eingeschrnkt aus160. Sie mindert die Anforderungen im Rahmen der Verkehrspflichten nur, soweit der Betroffene den ihm drohenden Nachteil ohne großen Aufwand vermeiden kann, whrend der potentiell Verantwortliche dies allenfalls mit großem Aufwand kann161. Insoweit kommt es allerdings nicht darauf an, ob der Betroffene den Nachteil vollstndig vermeiden kann, whrend der potentiell Verantwortliche dies nicht kann162, da es allein auf das unverhltnismßige berwiegen der Belastung des potentiell Verantwortlichen ber den drohenden Nachteil des Betroffenen ankommt. Im Rahmen der Mçglichkeit des Selbstschutzes durch den Betroffenen ist allerdings die Mçglichkeit des Betroffenen, Versicherungsschutz fr den drohenden Nachteil zu erlangen, nicht zu bercksichtigen163. Denn insoweit besteht nicht nur keine Obliegenheit164, sondern der Versicherungsschutz ist auch kein Selbstschutz gegen den drohenden Nachteil selbst, weil er nicht der Vermeidung des Eintretens von Nachteilen, sondern nur der Tragung des mit diesen verbundenen Schadens dient. ber die Bercksichtigung im Rahmen des Gesichtspunkts der Belastung des potentiell Verantwortlichen hinaus kann der Mçglichkeit des Selbstschutzes auch im Rahmen der Bestimmung der Verkehrserwartung bzw. des allgemeinen Lebensrisikos Bedeutung zukommen, da in die Verkehrserwartung auch die Erkennbarkeit von Risiken und die Mçglichkeit, sich davor selbst zu schtzen einfließt. So geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Sicherungserwartungen des Verkehrs bei Gefahren reduziert sind, die fr jeden offensichtlich sind und vor denen man sich ohne weiteres selbst schtzen kann, wenn man die allgemein zu verlangende Vorsicht aufbringt165. Die Mçglichkeit des Selbstschutzes wird weiter relevant, wenn Verkehrspflichten zugunsten von Unbefugten grundstzlich nicht angenommen werden166. Unbefugte werden demgemß regelmßig auch nicht durch allgemein bestehende Verkehrspflichten geschtzt167. Dass es nur vom Zufall abhngt, dass der Nachteil bei einem Unbefugten eingetreten ist168, ndert nichts daran, dass sich der Unbefugte selbst htte schtzen kçnnen, 160 Vgl. auch Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 242; Mçllers, VersR 1996, 153, 158, wohl auch Zeuner, FS Medicus, S. 693, 696 ff. 161 hnl. Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 242. 162 So aber Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 242. 163 So aber wohl Erman/Schiemann, § 823 Rn. 81; Geigel/Wellner, Kap. 14 Rn. 13. 164 So etwa Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 243; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/ 2, § 76 III g (S. 416 f.). 165 BGH, NJW 1985, 1076 f.; vgl. auch BGH, NJW 1994, 3348, 3349. 166 BGH, NJW 1987, 2671, 2672; RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 161; anders aber Erman/Schiemann, § 823 Rn. 80; J. Schrçder, AcP 179 (1979), 567, 586; nher Bamberger/ Roth/Spindler, § 823 Rn. 246. 167 BGH, NJW 1985, 1078 f.; BGH, NJW 1987, 2671, 2672; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 247.

II. Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen

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ohne dass er schutzwrdige Nachteile davon gehabt htte. Aus der Unterscheidung zwischen Befugten und Unbefugten ergibt sich auch, dass bei einem Verkehr, dessen befugte Teilnehmer sich ohne weiteres selbst schtzen kçnnen, weniger strenge Verkehrspflichten gelten169. Denn die unbefugten Teilnehmer konnten nicht nur damit rechnen, dass die Verkehrspflichten ohne Rcksicht auf sie gelten170, sondern konnten sich ohne weiteres selbst schtzen, indem sie ihre Befugnisse nicht berschreiten. Voraussetzung ist allerdings, dass die Beschrnkung des Verkehrs ohne weiteres erkennbar ist. Die Mçglichkeit des Selbstschutzes ist schließlich Voraussetzung fr Verkehrspflichten, die auf einen indirekten Schutz gerichtet sind, also den Selbstschutz der Betroffenen ermçglichen sollen. Bestehen grundstzlich nur derartige indirekte Schutzpflichten, indem etwa der Selbstschutz den Betroffenen kaum belastet und direkte Schutzpflichten demgegenber eine unverhltnismßige Belastung des Verantwortlichen darstellen wrden, kçnnen sie dort entfallen, wo das Risiko offensichtlich ist. So sind Verkehrspflichten verneint worden, weil das Risiko fr jedermann erkennbar oder sogar bekannt war und ihm ohne weiteres ausgewichen werden konnte171. Insbesondere sind in diesen Fllen Hinweispflichten fr berflssig gehalten worden172, da diese dort bedeutungslos sind, wo ein Risiko bereits bekannt ist. Die Offenkundigkeit des Risikos kann dabei nur Verkehrspflichten berflssig machen, die sich in einer indirekten Schutzpflicht erschçpfen, whrend Verkehrspflichten, die auch oder nur auf einen direkten Schutz gerichtet sind, durch die Offenkundigkeit des Risikos nicht berflssig werden, weil dieser Schutz zum Selbstschutz hinzutritt. In letzterem Fall spielt dann auch eine Rolle, ob die Verwirklichung des Risikos ein eigenes risikobegrndendes oder erhçhendes Tun des Betroffenen voraussetzt, wie etwa dies dort der Fall ist, wo die Rechtsprechung Verkehrspflichten deshalb verneint hat, weil dem offensichtlichen Risiko ohne weiteres ausgewichen werden konnte, indem eine Selbstgefhrdung des Betroffenen durch eigenes unvernnftiges Verhalten unterlassen wird173. 168 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 6 a (S. 424 f.); J. Schrçder, AcP 179 (1979), 567, 583 ff.; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 52; von Bar, Verkehrspflichten, S. 189. 169 BGH, NJW 2002, 1263, 1264; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 80. 170 OLG Frankfurt, NJW-RR 2001, 1674 f.; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 236; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 6 a (S. 424); Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 40; von Bar, Verkehrspflichten, S.190. 171 So etwa BGHZ 104, 323, 328; BGH, NJW-RR 1989, 219, 220; Bamberger/Roth/ Spindler, § 823 Rn. 242; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 32; von Bar, Verkehrspflichten, S. 86. 172 So etwa BGHZ 104, 323, 328; BGH, NJW 1985, 1076, 1077; BGH, NJW 1986, 52, 53; BGH, NJW 1999, 2815, 2816; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 242; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 32. 173 Vgl. BGHZ 104, 323, 328; BGH, NJW 1986, 1865 f.; BGH, NJW 1991, 418, 419; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 251; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 30.

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§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten

Die Mçglichkeit des Selbstschutzes wird insbesondere bei der Frage relevant, ob der Betroffene sich selbst schtzen muss, indem er dem Risiko ausweicht174. Dafr dass nicht notwendig eine Pflicht zum Selbstschutz durch Ausweichen des Risikos besteht, spricht die Parallele zur Notwehr gemß § 227 BGB, wo die Zumutbarkeit maßgeblich ist, indem der Betroffene nur ausweichen muss, wenn dies ohne Aufgabe berechtigter Interessen mçglich ist175. Dagegen spricht auch nicht, dass der Betroffene beim Notstand gemß § 228 BGB stets ausweichen muss176. Denn dies findet seinen Grund nur darin, dass der Betroffene gegenber der von einer Sache ausgehenden Gefahr nicht zugleich die Rechtsordnung verteidigt und nur gegenber Menschen als Adressaten der Rechtsnormen das Recht bewhrt werden muss177, whrend es bei den durch die Interessenabwgung zu bestimmenden Verkehrspflichten um das Verhalten von Menschen und die Frage geht, inwieweit die damit verbundene Beeintrchtigung der Sphre des Betroffenen im Einklang mit der Rechtsordnung steht. Diese Frage ist der Notwehr und dem Notstand vorgelagert, so dass die Ausweichpflicht hier von vornherein die Beeintrchtigung als rechtmßig qualifizieren wrde. Zudem bedeutet die Ausweichpflicht auch beim Notstand noch keinen Verzicht auf eine entsprechende Rechtsposition, da es auch um die Frage geht, wann dem Betroffenen nicht nur ein Anspruch auf Unterlassung, sondern Gewaltrechte zustehen, weshalb es ihm zugemutet werden kann, zunchst auszuweichen und dann seine Recht gerichtlich durchzusetzen. Schließlich erscheint ein Ausweichen gerade bei den fr Umweltschden typischen großrumigen Immissionen schwierig.

D. Mitverantwortung des Betroffenen Zugunsten des potentiell Verantwortlichen ist ferner eine Mitverantwortung des Betroffenen zu bercksichtigen, was sich insofern mit der Mçglichkeit des Selbstschutzes berhrt, als dieser auf den Schutz vor dem drohenden Risiko bezogen ist, whrend das Mitverschulden auf die Ursache fr das Risiko bezogen ist, also den Selbstschutz in der Vergangenheit betrifft. Eine derartige Mitverantwortung liegt vor, soweit die Beeintrchtigung dem Betroffenen als Handlungsstçrer zurechenbar und als Verletzung einer Sorgfaltspflicht gegen sich selbst zu werten ist178, so dass die reine Innehabung der Sache nicht zu bercksichtigen ist, solange damit kein spezifisches 174

Vgl. BGHZ 92, 143, 150. Erman/E. Wagner, § 227 Rn. 13; MnchKomm-BGB/Grothe, § 227 Rn. 14; Palandt/Heinrichs, § 227 Rn. 7a. 176 Erman/E. Wagner, § 228 Rn. 6; MnchKomm-BGB/Grothe, § 228 Rn. 9; Palandt/ Heinrichs, § 228 Rn. 7; Staudinger/Repgen, § 228 Rn. 20. 177 MnchKomm-BGB/Grothe, § 228 Rn. 9. 178 So bezglich Mitverschuldens aus § 254 BGB Armbrster, NJW 2003, 3087, 3089 f. 175

II. Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen

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Gefhrdungspotential verbunden ist179. Die Bercksichtigung der Mitverantwortung stellt sich insoweit als Konsequenz der Abwgung der Interessen sowohl des potentiell Verantwortlichen als auch des Betroffenen dar180. Sie findet ihren Grund wiederum in den bereits angesprochenen gesetzlichen Wertungen. Denn der Notstand setzt zwar an sich nicht voraus, dass die Gefahr nicht vom Einwirkenden verursacht und verschuldet wurde181, kennt also keinen Einwand der Mitverantwortung, aber dies findet seinen Grund lediglich in dem Schadensersatzanspruch, der zur Kompensation des Eingriffs vorgesehen ist182, und der in § 228 S. 2 BGB gerade fr den Fall eines Verschuldens des Einwirkenden angeordnet wird. Damit ist die eigene Verantwortung des Eingreifenden zwar fr die Zulssigkeit des Eingriffs an sich nicht relevant, ist aber bei der Frage, wer das gesetzte Risiko endgltig zu tragen hat, zu bercksichtigen, so dass sie ein abwgungsfhiges Interesse darstellt. Die Bercksichtigung der Mitverantwortung kann zudem auf § 254 BGB zurckgefhrt werden. Dieser ist jedenfalls auf die deliktische Haftung ohne Zweifel anwendbar183. Bei der negatorischen Haftung wird seine Anwendbarkeit zwar gemeinhin nur in Bezug auf die Verteilung etwaiger Kosten der Beseitigung angenommen184, zum Teil aber auch ganz abgelehnt185. Aber aufgrund der Ergnzungsfunktion von negatorischer und deliktischer Haftung ist davon auszugehen, dass das Mitverschulden entsprechend der Regelungen des Notstands auch auf die negatorische Haftung und dort sowohl auf die Beseitigungs- als auch auf die Unterlassungsansprche Anwendung findet186. § 254 BGB stellt insoweit nur eine spezielle Normierung eines allgemeinen, auch bei der Interessenabwgung zu bercksichtigenden Grundsatzes dar.

179

Armbrster, NJW 2003, 3087, 3090 gegen BGHZ 110, 313, 317. Armbrster, NJW 2003, 3087, 3089. 181 So fr § 228 BGB Erman/E. Wagner, § 228 Rn. 2; MnchKomm-BGB/Grothe, § 228 Rn. 11; Palandt/Bassenge, § 228 Rn. 9; Soergel/Fahse, § 228 Rn. 21; fr § 904 BGB MnchKomm-BGB/Scker, § 904 Rn. 4; Palandt/Bassenge, § 904 Rn. 2; Staudinger/Seiler, § 904 Rn. 13. 182 So fr § 228 BGB Erman/E. Wagner, § 228 Rn. 2; MnchKomm-BGB/Grothe, § 228 Rn. 11; Soergel/Fahse, § 228 Rn. 21. 183 So etwa Erman/Ebert, § 254 Rn. 8; Lange, in: Lange/Schiemann, § 10 IV 1 (S. 537); MnchKomm-BGB/Oetker, § 254 Rn. 7; Staudinger/Schiemann, § 254 Rn. 5. 184 So etwa BGHZ 110, 313, 317 f.; BGHZ 135, 235, 239 ff.; BGH, NJW 1995, 395; Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 70; Herrmann, JR 1998, 242, 244; MnchKomm-BGB/Oetker, § 254 Rn. 25; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 30, 44; Soergel/Mnch, § 1004 Rn. 313 ff.; J. Wenzel, NJW 2005, 241, 243; demgegenber grundstzlich fr Anwendung auch auf Unterlassungsansprche Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S. 269 ff., 273 f. 185 Medicus, FS Hagen, S. 157, 166, 171; Picker, Beseitigungsanspruch, S. 163 f.; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 157; Staudinger/Schiemann, § 254 Rn. 28; Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456, 465. 186 hnl. Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S. 273 f. 180

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§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten

E. Mangelnde Erkennbarkeit Zugunsten des potentiell Verantwortlichen ist sodann die mangelnde Erkennbarkeit zu bercksichtigen. Die Verkehrspflichten kçnnen sich, wie gezeigt187, nur auf ein erkennbares Risiko beziehen. Sie sind demgemß grundstzlich ausgeschlossen, solange das Risiko nicht erkennbar ist188. Maßstab fr die Erkennbarkeit ist dabei, ob das Risiko fr einen normalen Angehçrigen des relevanten Verkehrskreises erkennbar ist, wie sich aus der von der Rechtsprechung gemeinhin verwendeten Standardformulierung ergibt, es komme darauf an, dass »sich vorausschauend fr ein sachkundiges Urteil die naheliegende Mçglichkeit ergibt, dass Rechtsgter anderer verletzt werden kçnnen«189. Allerdings ist die Erkennbarkeit nicht erst anzunehmen, wenn gesicherte Erkenntnisse hinsichtlich des Bestehens eines Risikos vorliegen. Vielmehr gengt zunchst bereits ein ernst zu nehmender Verdacht190. Die Erkennbarkeit ist zwar zunchst auf das Risiko des Nachteilseintritts bezogen. Aber darber hinaus kann sie sich auch auf das Risiko eines Risikos beziehen, also auf das sekundre Risiko des primren Risikos, dass ein Nachteil eintritt. In diesem Fall bestehen Untersuchungs-, Kontroll- und Beobachtungspflichten, wie sich insbesondere an der Produktbeobachtungspflicht im Rahmen der Produzentenhaftung zeigt, aber auch darber hinaus gilt. Bestehen etwa Zweifel hinsichtlich des Bestehens eines Risikos, muss der Verantwortliche diesen nachgehen191. Ist allgemein mit dem Auftreten von Risiken zu rechnen, muss der Verantwortliche fr Kontrollmaßnahmen und eine Organisation sorgen, so dass sichergestellt ist, dass entstehende Risiken erkannt und die daraus resultierenden Verkehrspflichten erfllt werden192. Die mangelnde Erkennbarkeit des primren Risikos kann also den Inhalt der Verkehrspflichten beeinflussen, wenn ein sekundres Risiko eines Risikos erkennbar bleibt und das Interesse des Betroffen an Verkehrspflichten zur Aufklrung oder Kontrolle dieses Risikos berwiegt. Die mangelnde Erkennbarkeit schließt damit Verkehrspflichten fr die Vergangenheit aus. Verkehrspflichten kçnnen also erst bestehen, wenn das Risiko, vor dem geschtzt werden soll, erkennbar ist. Das gilt auch dann, wenn sie durch ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten begrndet 187

Siehe oben S. 184 ff. BGHZ 104, 323, 328; BGH, VersR 1985, 641, 642; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 30 ff. 189 So etwa BGH, NJW 2004, 1449, 1450; BGH, NJW 2006, 610, 611; BGH, NJW 2006, 2326; BGH, NJW-RR 2006, 674, 676; zustimmend etwa Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 4 b (S. 414); vgl. auch RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 143; Staudinger/ J. Hager, § 823 Rn. E 35; Palandt/Sprau, § 823 Rn. 46. 190 Vgl. BGHZ 80, 186, 192; BGH, NJW 1989, 1542, 1544. 191 Vgl. BGH, NJW 1982, 1049, 1050; BGH, NJW-RR 1986, 438, 439; Bamberger/ Roth/Spindler, § 823 Rn. 239. 192 Vgl. BGH, NVwZ-RR 1993, 337, 338; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 239. 188

II. Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen

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werden. Soweit noch keine Pflichten bestehen oder diese nicht erfllbar sind, weil das Risiko nur eine logische Sekunde existiert und erkennbar ist, bevor es sich realisiert, besteht also keine Haftung. Sobald Risiken erkennbar sind, kçnnen sie Verkehrspflichten begrnden. Dies gilt nicht nur fr primre Risiken, sondern auch fr sekundre Risiken eines Risikos, die bei mangelnder Erkennbarkeit des primren Risikos Untersuchungs-, Kontroll- und Beobachtungspflichten nach sich ziehen kçnnen. Die mangelnde Erkennbarkeit ist demgemß vor allem ein Einwand gegen die deliktische Haftung, whrend es bei der negatorischen Haftung dann letztendlich um die Frage geht, ob berhaupt ein Risiko besteht.

F. Hinzutreten weiterer Risikofaktoren Schließlich ist zugunsten des potentiell Verantwortlichen auch zu bercksichtigen, ob zwischen dem letzten fr die Zurechenbarkeit des Risikos maßgeblichen Zeitpunkt und dem fr die Bestimmung der jeweils in Frage stehenden Verkehrspflichten maßgeblichen Zeitpunkt weitere Faktoren das Risiko vergrçßert haben, inwieweit sich die Verkehrspflichten also noch auf das Risiko beziehen, das Gegenstand der Zurechenbarkeit war. Dies berhrt sich insofern mit der wirtschaftlichen Belastung des potentiell Verantwortlichen, als mit dem Hinzutreten weiterer Risikofaktoren regelmßig auch der Aufwand zur Minimierung steigt, was in besonderem Maße fr Risikofaktoren gilt, die der eigenen Einflusssphre entzogen sind. Vor allem findet die Bercksichtigung weiterer Risikofaktoren ihren Grund aber in den gesetzlichen Wertungen, die der Abgrenzung zwischen § 228 und § 904 BGB zugrunde liegen. Denn fr den offensiven Notstand des § 228 BGB gengt es nicht, wenn nur eine mittelbare Kausalitt aufgrund einer nur vermittelten, quasi weitergeleiteten Gefahr gegeben ist193. Vielmehr muss eine unmittelbare Kausalitt vorliegen, da nach dem gesetzgeberischen Ausgangspunkt gegen die durch die beeintrchtigte Sache drohende Gefahr vorgegangen wird, so dass sich die Gefahr unmittelbar aus der Sache selbst ergeben muss, die Sache als Person gedacht, also wie ein Angreifer zu behandeln wre194. Je mittelbarer das Risiko auf den potentiell Verantwortlichen zurckzufhren ist, je mehr Risikofaktoren also zu den Risikofaktoren treten, die auf den Umstnden beruhen, die die Zurechenbarkeit begrnden, desto geringer sind die sich aus dem Risiko fr den potentiell Verantwortlichen ergebenden Verkehrspflichten. In die Abwgung, 193 So aber etwa Bamberger/Roth/Dennhardt, § 228 Rn. 6; Jauernig/Jauernig, § 228 Rn. 2; Soergel/Fahse, § 228 Rn. 13. 194 RGZ 88, 211, 214; MnchKomm-BGB/Grothe, § 228 Rn. 6; hnl. Staudinger/Repgen, § 228 Rn. 14; hinsichtlich sachtypischer und sachuntypischehhr Gefahr differenzierend auch Erman/E. Wagner, § 228 Rn. 4; im Ergebnis etwa auch Palandt/Heinrichs, § 228 Rn. 6; Staudinger/Seiler, § 904 Rn. 13.

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§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten

ob und inwieweit jemandem ein Risiko zuzuordnen ist, wird damit also auch einbezogen, wie weit entfernt das Risiko ist. Dabei kommt es nicht notwendig auf den Zeitablauf an, auch ein erst in der Zukunft drohendes Risiko kann unmittelbar sein195. Maßgeblich ist allein, ob weitere Risikofaktoren zu den dem potentiell Verantwortlichen zurechenbaren Risikofaktoren hinzutreten, inwieweit sich also das ihm zurechenbare Risiko verwirklicht. Die aktuellen Verkehrspflichten, die auf das aktuell drohende Risiko bezogen sind, kçnnen demgemß durch ursprnglich bestehende Verkehrspflichten beeinflusst werden. Denn das aktuell drohende Risiko ist nur dann nicht dem potentiell Verantwortlichen zurechenbar, sondern allein dem Betroffenen oder Dritten zuzurechnen oder schlicht als Zufall zu betrachten, wenn zu dem Risiko, das in dem Zeitpunkt bestand, der fr die Zurechenbarkeit maßgeblich war, weitere Risikofaktoren getreten sind, die dem potentiell Verantwortliche nicht zuzurechnen sind, die also entweder nicht Gegenstand einer bereits zu jenem Zeitpunkt entstandenen oder spter entstehenden Verkehrspflicht waren, oder die zwar Gegenstand einer solchen Verkehrspflicht waren, die aber deshalb dem potentiell Verantwortlichen nicht zuzurechnen sind, weil er die Verkehrspflicht eingehalten hat. Ein derartiges Risiko wird vom Schutzzweck der aktuellen Verkehrspflichten nicht erfasst.

IV. Neutrale Gesichtspunkte Im Rahmen der Interessenabwgung kçnnen auch neutrale Gesichtspunkte Bercksichtigung finden, die sich nicht generell, sondern regelmßig nur im konkreten Einzelfall zugunsten des Betroffenen oder des potentiell Verantwortlichen auswirken.

A. Bercksichtigung von Gesichtspunkten im Allgemeininteresse Neben den bereits genannten Gesichtspunkten werden bei der Bestimmung der Verkehrspflichten vereinzelt auch Gesichtspunkte im Allgemeininteresse bercksichtigt. So wird bei der Interessenabwgung etwa auch die Bedeutung des risikoschaffenden Verhaltens fr die Allgemeinheit einbezogen196 oder auf den sozialen Wert, also die Erwnschtheit des Verhaltens abgestellt197. Begrnden lsst sich auch dies mit den gesetzlichen Wertun195

RGZ 143, 382, 387; MnchKomm-BGB/Grothe, § 228 Rn. 8. von Caemmerer, FS 100 Jahre DJT, S. 49, 78. 197 Erman/Schiemann, § 823 Rn. 10; Prtting/Wegen/Weinreich/Schaub, § 823 Rn. 119; Soergel/Zeuner, 12. Aufl., § 823 Rn. 6; aus rechtsvergleichender Sicht auch von Caemmerer, FS 100 Jahre DJT, S. 49, 79 f.; vgl.auch BGHZ 97, 231, 236. 196

II. Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen

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gen, die in § 906 I und II BGB zum Ausdruck kommen. Denn sowohl die Wesentlichkeit als auch die Ortsblichkeit werden nicht nur deskriptiv, sondern auch normativ bestimmt, wobei auch Allgemeininteressen Bercksichtigung finden, insbesondere das Interesse am Umweltschutz198. Soweit Allgemeininteressen verfassungsrechtlich geschtzt sind, folgt ihre Bercksichtigung auch aus der Bedeutung des Verfassungsrechts fr die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe und Generalklauseln199. Allerdings ist die Bercksichtigung der Allgemeininteressen nicht mit einer çkonomischen Betrachtung gleichzusetzen. Die Allgemeininteressen lassen sich nicht auf das Interesse an einer optimalen Ressourcenallokation im Sinne einer gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt reduzieren. Die çkonomischen Gesichtspunkte stellen demgemß nur einen Ausschnitt aus dem Allgemeininteresse dar200. So besteht zwar ein Interesse an einer mçglichst effizienten Abgrenzung der Handlungs- und Freiheitssphren der Verkehrsteilnehmer, um unnçtige Transaktionskosten zu vermeiden. Aber die Frage, wann diese Kosten unnçtig sind, kann nicht allein auf der Grundlage einer çkonomischen Betrachtung beantwortet werden. Vielmehr sind daneben auch andere Gesichtpunkte im Allgemeininteresse zu bercksichtigen, etwa die Handlungsfreiheit oder die Verteilungsgerechtigkeit und andere soziale Kriterien. Die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs ist demgemß zwar zu bercksichtigen, aber nicht allein maßgeblich.

B. Verkehrserwartung und Vertrauensschutz Zu den zu bercksichtigenden Allgemeininteressen gehçren insbesondere die Verkehrserwartung und der Vertrauensschutz. Demgemß werden die Verkehrspflichten vielfach unter Rckgriff auf die Verkehrserwartung und damit verbunden den Schutz berechtigten Vertrauens bestimmt201. Insbesondere stellt die Rechtsprechung darauf ab, was ein verstndiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehçriger der betroffenen Verkehrskreise fr notwendig erachtet202.

198

Vgl. oben S. 244 f. Vgl. oben S. 30 ff. 200 Vgl. oben S. 29. 201 So etwa BGH, NJW 1985, 1076 f.; BGH, NJW 1990, 906; BGH, NJW 1994, 3348, 3349; BGH, NJW-RR 2003, 1459, 1460; BGH, NJW 2006, 2326; Geigel/Wellner, Kap. 14 Rn. 6; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 251; Prtting/Wegen/Weinreich/Schaub, § 823 Rn. 120; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 28; Steffen, VersR 1980, 409, 412; Teschner, SchlHA 2004, 197, 198 f.; von Bar, Verkehrspflichten, S. 117 ff.; im Rahmen der bernahmehaftung auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 b (S. 410). 202 BGH, NJW 2006, 2326; hnl. BGH, NJW-RR 2002, 525, 526; BGH, NJW 2006, 610, 611; BGH, NJW-RR 2006, 674, 676; vgl. auch BGHZ 103, 298, 303 f.; BGHZ 108, 273, 275; zustimmend Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 35. 199

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§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten

Die Bercksichtigung der Verkehrserwartung und der damit verbundene Vertrauensschutz im Rahmen der Bestimmung der Verkehrspflichten wird damit begrndet, dass sich Verhaltensanforderungen an einen Verkehrsteilnehmer nur auf der Grundlage von Annahmen ber das Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer formulieren ließen203, weshalb es des Vertrauensschutzes im Sinne des Schutzes der Erwartung in die Gewhrleistung eines bestimmten Sicherheitsstandards bedrfe204. Der deliktischen Haftung kommt dabei der Schutz dieses Vertrauens insoweit zu, als sie den im Enttuschungsfall entstehenden Schaden ersetzt205. Der negatorischen Haftung kommt dementsprechend die Aufgabe zu, die Enttuschung des Vertrauens zu verhindern. Allerdings ist diese Begrndung insoweit nicht zwingend, als sie sich nur auf die Notwendigkeit bezieht, dass berhaupt Verhaltensstandards existieren, auf deren Einhaltung vertraut werden kann, whrend sie sich nicht auf die tatschlich bestehenden Verkehrserwartungen bezieht, also kein tatschlich bestehendes Vertrauen schtzen will. Sie hat also nur einen Teilaspekt des Vertrauensschutzes zum Gegenstand, indem sie zwar das Vertrauen in die Existenz von Verhaltenstandards schtzt, nicht aber das Vertrauen, dass diese Standards auch die tatschlichen Verkehrserwartungen bercksichtigen. Ein Allgemeininteresse besteht jedoch nicht nur daran, dass berhaupt Verhaltensstandards existieren, sondern auch daran, dass diese Standards auch die tatschlichen Erwartungen des Verkehrs bercksichtigen. Denn deren Bercksichtigung kann Reibungsverluste zwischen den rechtlichen Verhaltensstandards einerseits und den sozialen Verhaltensstandards vor allem faktischer, aber auch normativer Art verhindern oder zumindest reduzieren. Damit erhçht sich nicht nur die Wahrscheinlichkeit, dass Konflikte zwischen Verkehrsteilnehmern vermieden werden kçnnen, sondern die Akzeptanz des Haftungsrechts berhaupt. Die Bercksichtigung auch der Verkehrserwartungen dient damit der Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs. Demgemß ist es auch problematisch, die Verkehrserwartung mittels einer çkonomischen Betrachtung zu bestimmen und ein Vertrauen nur insoweit fr schutzwrdig zu halten, als es zu einer optimalen Verteilung von Nutzen und Kosten fhrt, indem der Risikoschutz, auf den vertraut wird, kostengnstiger ist als an seine Stelle tretende Schutzmaßnahmen206. Denn auch insoweit spielt eine tatschlich bestehende Verkehrserwartung keine Rolle, wird also kein tatschlich bestehendes Vertrauen geschtzt. Vielmehr wird die çkonomische Betrachtung fr allein maßgeblich gehalten, was, wie bereits dargelegt207, auf dem Boden des geltenden Rechts unhaltbar ist. 203 MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 251; Schfer/Ott, S. 231 ff.; vgl. auch Kçtz/Schfer, JZ 1992, 355 f.; Ott/Schfer, in: dies., Prventivwirkung, S. 131, 140 f. 204 MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 251. 205 MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 251. 206 So aber MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 252 in Verbindung mit Rn. 33.

II. Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen

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Demgegenber lsst sich aus den gesetzlichen Wertungen herleiten, dass die tatschlich bestehenden Verkehrserwartungen im Rahmen der Bestimmung der Verkehrspflichten zu bercksichtigen sind und dass die Verkehrspflichten daher auch dem Schutz eines tatschlich bestehenden Vertrauens dienen. Denn die Ortsblichkeit als Voraussetzung des § 906 II 1 BGB bercksichtigt die Verkehrserwartung und das Vertrauen darauf, dass Nutzungen, die in einer Gegend gewçhnlich sind, auch zulssig sind. Diese Ortsblichkeit wird jedoch nicht anhand einer çkonomischen Betrachtung bestimmt, die darauf abstellt, welche Nutzung eine optimale Ressourcenallokation zur Folge hat, sondern grundstzlich anhand der tatschlichen çrtlichen Verhltnisse. Dabei ist der Schutz der tatschlichen Verkehrserwartungen allerdings insoweit eingeschrnkt, als das schutzwrdige Vertrauen auch normativ bestimmt wird208, wie sich ebenfalls aus § 906 II 1 BGB herleiten lsst. Denn die dort vorausgesetzte Ortsblichkeit wird, wie gezeigt209, nicht nur deskriptiv, sondern auch normativ verstanden. Nur aufgrund einer normativen Konzeption der Verkehrserwartungen lsst sich auch die Auffassung begrnden, dass die Verkehrpflichten grundstzlich anhand der schutzwrdigsten Personengruppe zu bestimmen seien210, wobei insbesondere an Kinder zu denken sei211. Die normative Bestimmung des schutzwrdigen Vertrauens geht allerdings nicht so weit, dass fr die geschtzte Verkehrserwartung allein normative Gesichtspunkte maßgeblich sind212. Vielmehr fließen in die Bestimmung des schutzwrdigen Vertrauens nicht nur normative, sondern vor allem auch deskriptive Elemente ein, indem die tatschlichen Verkehrserwartungen durch normative Erwgungen nur modifiziert, nicht aber verdrngt werden. Eine weitere Einschrnkung des Schutzes des tatschlichen Vertrauens entsteht daraus, dass der Vertrauensschutz nicht allein maßgeblich fr die Bestimmung der Verkehrspflichten ist213, was sich ebenfalls aus den gesetzlichen Wertungen ergibt, da zur Bestimmung der Abwgungsgesichtspunkte nicht nur auf § 906 BGB zurckzugreifen ist, sondern auch auf §§ 228, 904 BGB und § 34 StGB und dort wie auch in § 906 II BGB neben dem Vertrauensschutz noch weitere Gesichtspunkte relevant sind. Demgemß be207

Vgl. oben S. 29. Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 234; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 252; vgl. auch Edenfeld, VersR 2002, 272, 274. 209 Vgl. oben S. 244. 210 So BGHZ 103, 338, 340; BGH, NJW 1985, 620; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 29; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 27. 211 So BGH, NJW 1997, 582, 583; BGH, NJW 1999, 2364; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 248. 212 So auf der Grundlage der çkonomischen Betrachtung aber offenbar MnchKommBGB/G. Wagner, § 823 Rn. 251 f. 213 So auch Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 235; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 29. 208

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§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten

rcksichtigt die Rechtsprechung neben der Verkehrserwartung etwa auch die Grçße oder Intensitt der drohenden Gefahr214 oder die Eintrittswahrscheinlichkeit und Zumutbarkeit215. Auch der Vertrauensschutz ist demgemß nicht allein maßgeblich fr die Bestimmung der Verkehrspflichten, sondern kann durch andere Gesichtspunkte relativiert werden. Die Verkehrserwartung und der Vertrauensschutz kçnnen dabei sowohl zugunsten des Betroffenen als auch zugunsten des potentiell Verantwortlichen bercksichtigt werden. In den geschilderten Grenzen kann der Betroffene darauf vertrauen, dass er grundstzlich in dem verkehrsblichen Maß geschtzt wird, der potentiell Verantwortliche darauf, dass er in seiner Handlungsfreiheit grundstzlich nicht ber das bliche Maß hinaus eingeschrnkt wird. Verkehrserwartung und Vertrauensschutz stellen also als solche neutrale Gesichtpunkte dar, werden sich aber im konkreten Einzelfall regelmßig zugunsten des Betroffenen oder des potentiell Verantwortlichen auswirken. Dabei ist der Auffassung, dass die legitimen Verkehrserwartungen, von denen Inhalt und Umfang der Verkehrspflichten abhngen, vor allem aus der Perspektive des potentiell Betroffenen zu bestimmen seien216, nur eingeschrnkt zuzustimmen. Zwar wrde das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben erheblich beeintrchtigt, wenn sich die Verkehrsteilnehmer nicht darauf verlassen kçnnten, dass bestimmte Risiken verhindert oder ihre Folgen zumindest ausgeglichen werden217. Aber umgekehrt sind auch die Verkehrserwartungen der Handelnden zu bercksichtigen, da die zur vollstndigen Vermeidung von Risiken erforderlichen Maßnahmen das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben ebenfalls erheblich beeintrchtigen, wenn nicht sogar zum Erliegen bringen wrden218. Dass die berufliche Stellung oder auch schon das Erwecken des Eindrucks entsprechender Kenntnisse die Verkehrspflichten verschrft219, beruht ebenfalls auf dem Schutz eines berechtigten Vertrauens. Denn die berufliche Stellung oder das Erwecken des Eindrucks entsprechender Kenntnisse begrnden noch nicht die Zurechnung des Risikos zum Schuldner und damit die Mçglichkeit von Verkehrspflichten berhaupt220, da diese Begrndung schon aus der Zurechnung aufgrund gefhrlichen Verhaltens 214

So BGHZ 113, 297, 303; BGH, NJW 1994, 3348, 3349. So BGH, NJW 1990, 1236 f.; BGH, NJW-RR 2002, 525, 526; BGH, NJW 2006, 610, 611; BGH, NJW 2006, 2326; BGH, NJW-RR 2006, 674, 676; zustimmend Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 35. 216 BGH, NJW 1985, 1076 f.; BGH, NJW 1987, 1013 f.; BGH, NJW 1990, 906, 907; BGH, NJW 1994, 3348, 3349; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 28. 217 Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 28. 218 Vgl. BGH, VersR 1976, 149; BGH, NJW 1985, 620; BGH, NJW 1990, 1236, 1237; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 30. 219 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 3 b (S. 409); Picker, JZ 1987, 1041, 1046 f., Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 26; in diese Richtung auch Canaris, FS Larenz, 1983, S. 27, 83; auf vertragsrechtlicher Grundlage auch Hirte, S. 424 ff. 215

II. Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen

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oder Inhaberschaft einer gefhrlichen Sache folgt. Die Situation hnelt der Verantwortung fr den Schutz von Rechtsgtern und Rechten, die auch auf einer tatschlichen bernahme beruhen kann221, so dass es entscheidend auf die Setzung eines Vertrauenstatbestandes ankommt. Die Gefahr liegt ja gerade darin, dass der Verkehr auf die professionelle Kompetenz vertraut.

C. Verfassungsrecht Einen neutralen Gesichtspunkt stellt auch das Verfassungsrecht dar. Das Grundgesetz und damit auch die Grundrechte und Staatsziele binden nicht nur den Privatrechtsgesetzgeber, sondern sind auch bei der Anwendung des Privatrechts zu bercksichtigen, insbesondere bei der Konkretisierung von Generalklausen222. Dabei ergeben sich aus dem Verfassungsrecht bestimmte Schutzpflichten, die sich vor allem dort auswirken, wo Verhaltenspflichten einer Privatperson gegenber einer anderen formuliert werden223, insbesondere wenn der einfachgesetzliche Schutz den verfassungsrechtlichen Minimalanforderungen nicht gengt und so das Untermaßverbot verletzt224. Zwar wird diesen Anforderungen insbesondere durch die §§ 823 ff. BGB gengt225. Aber da es sich bei den Verkehrspflichten um eine ungeschriebene Generalklausel handelt, ist das Verfassungsrecht auch bei der Bestimmung ihres Inhalts zu bercksichtigen. Dabei ist das Verfassungsrecht insofern neutral, als es nicht von vornherein den potentiell Verantwortlichen oder den Betroffenen schtzt, auch wenn es im konkreten Fall zugunsten des einen oder anderen ins Gewicht fllt. Vielmehr dienen das Verfassungsrecht und insbesondere die darin enthaltenen Grundrechte wie die Verkehrspflichten der Abgrenzung der Freiheits- und Risikosphren der Beteiligten. Da die verschiedenen Grundrechte und auch die Staatsziele in der Regel sowohl fr den Verantwortlichen als auch fr den Betroffenen streiten, erreicht das Verfassungsrecht diese Abgrenzung im Wege der praktischen Konkordanz und damit durch Abwgung der grundrechtlich geschtzten Interessen der Beteiligten. Demgemß sind die Grundrechte und Staatsziele zwar auch bei der Interessenabwgung zur Bestimmung der Verkehrspflichten zu bercksichtigen, drften aber hufig keine eindeutige Prferenz zugunsten des poten220 So aber etwa Brggemeier, Deliktsrecht, Rn. 77, 456 ff.; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 127; Schiemann, FS Gernhuber, S. 387, 391 ff. 221 Vgl. Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 25; in diese Richtung auch RGRK-BGB/ Steffen, § 823 Rn. 155; von Bar, Verkehrspflichten, S. 59 ff. 222 Siehe oben S. 30 ff.; vgl. auch MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 58 ff.; Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 21. 223 Vgl. Canaris, AcP 184 (1984), 201, 229; Stern III/1, S. 1560 f.; Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 21; kritisch Starck, S. 62 ff. 224 Canaris, AcP (1984), 201, 228; Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 21. 225 Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 21.

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§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten

tiell Verantwortlichen oder des Betroffenen erkennen lassen. Insbesondere drfte fr den Betroffenen in der Regel der grundrechtliche Schutz von Leben, Gesundheit und Eigentum streiten, whrend fr den Verantwortlichen die allgemeine Handlungsfreiheit und hufig auch die Freiheit der Berufsausbung und der Eigentumsschutz ins Feld gefhrt werde kçnnen226. Soweit bei der Abgrenzung auch der Umweltschutz betroffen ist, streitet fr diesen das Staatsziel Umweltschutz, wobei sich allerdings in der Regel auch Grundrechte finden lassen drften, die fr das umweltschdigende Verhalten sprechen, insbesondere die allgemeine Handlungsfreiheit227. Immerhin lsst sich jedoch aus der Einfhrung des Staatsziels schließen, dass der Umweltschutz im Verhltnis zu der Zeit vor der Einfhrung an Gewicht zugenommen hat.

D. Verwaltungsrecht In die Interessenabwgung zur Bestimmung der Verkehrspflichten kçnnen nicht nur die gesetzlichen Wertungen des Privatrechts und des Verfassungsrechts einfließen, sondern auch diejenigen des Verwaltungsrechts. Das gilt insbesondere fr die Wertungen des çffentlichen Sicherheitsrechts, aber auch fr technische Regelwerke und çffentlich-rechtliche Genehmigungen.

1. Verwaltungsrechtliche Verhaltensvorschriften Die gesetzlichen Wertungen der verwaltungsrechtlichen Verhaltensvorschriften, also der Gesetze und Verordnungen des Verwaltungsrechts, insbesondere des çffentlichen Sicherheitsrechts, determinieren die Verkehrspflichten nur insoweit, als sie auch das privatrechtliche Verhltnis zwischen den Betroffenen abschließend regeln wollen. Soweit dies nicht der Fall ist, sind sie fr die deliktische und negatorische Haftung des Privatrechts zwar nicht bindend, aber bei der Interessenabwgung zur Bestimmung der Verkehrspflichten zu bercksichtigen. Die Regelungen der Gesetze und Verordnungen des Verwaltungsrechts, die keine Schutzgesetze darstellen, sind nicht unmittelbar fr die deliktische und negatorische Haftung des Privatrechts verbindlich und damit auch nicht fr den Inhalt der Verkehrspflichten maßgeblich. Der Auffassung, dass verwaltungsrechtlich erlaubte Risken auch haftungsrechtlich erlaubt seien228, so dass sie auch nicht Gegenstand einer Verkehrspflicht sein drften, ist nicht zuzustimmen. Die Verhaltenspflichten des Verwaltungs226

Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 I 1 (S. 350). Vgl. auch oben S. 35. 228 So fr die deliktische Haftung Marburger, VersR 1983, 597, 602; Marburger, Regeln, S. 437. 227

II. Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen

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rechts sind fr die privatrechtliche Haftung weder verbindlich noch abschließend229. Die deliktische und die negatorische Haftung sind Teil des Privatrechts, das, wie dargelegt230, gegenber dem Verwaltungsrecht grundstzlich autonom ist. Das Verwaltungsrecht kann demgemß gegenber den Verkehrspflichten nur Vorrang beanspruchen, soweit es ausdrcklich die Abgrenzung privater Freiheits- und Risikosphren zum Gegenstand hat, die dafr relevanten Risiken vollstndig erfasst und keine generelle, sondern eine Einzelfallregelung anstrebt, was regelmßig nicht der Fall ist und hufig seine Konkretisierung durch einen Verwaltungsakt voraussetzt231. Ansonsten sind das Verwaltungsrecht und die sich daraus ergebenden Wertungen zwar im Rahmen der Interessenabwgung zu bercksichtigen, dort aber zugunsten anderer Gesichtspunkte und Wertungen relativierbar. Die Einhaltung verwaltungsrechtlicher Normen bedeutet demgemß zunchst nur, dass die Verhaltensstandards des Verwaltungsrechts beachtet werden, nicht jedoch, dass auch die Verkehrspflichten eingehalten werden, die der negatorischen und deliktischen Haftung des Privatrechts zugrunde liegen. Diese Pflichten kçnnen vielmehr aufgrund der dafr notwendigen Interessenabwgung im konkreten Einzelfall auch hçhere Verhaltensstandards beinhalten232. Allerdings lsst sich daraus nicht der Gegenschluss ziehen, dass die verwaltungsrechtlichen Verhaltensstandards einen Mindeststandard darstellen, dessen Verletzung notwendig oder zumindest grundstzlich auch zu einem Verstoß gegen die privatrechtlichen Verkehrspflichten fhrt. Die Auffassung, dass ein Verstoß gegen çffentlich-rechtliche Gesetze und Verwaltungsvorschriften regelmßig auch dann einen Verstoß gegen negatorische oder deliktische Verkehrspflichten darstellt, wenn es sich nicht um Schutzgesetze im Sinne des § 823 II BGB handelt233, ist vielmehr einzuschrnken. Denn ein Verstoß gegen das çffentliche Recht ist zwar im Rahmen der Interessenabwgung zu bercksichtigen und fllt dort zugunsten des Betroffenen ins Gewicht, da insbesondere eine Verkehrserwartung in die Einhaltung bestehender Rechtsnormen anzunehmen ist und das Verhalten des potentiell Verantwortlichen bei Rechtswidrigkeit weniger schutzwrdig ist als bei Rechtmßigkeit. Aber die Interessenabwgung kann auch zu einem abweichenden Ergebnis kommen. Dies gilt nicht nur, wenn es sich bei den 229 BGHZ 139, 43, 46 f.; BGHZ 139, 79, 83; BGH, VersR 1985, 641; BGH, NJW 1990, 1236, 1237; BGH, NJW 1999, 2815, 2816; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 169. 230 Siehe oben S. 36 ff. 231 Siehe oben S. 39. 232 BGHZ 139, 43, 46 f.; BGHZ 139, 79, 83; BGH, NJW 1987, 372, 373; BGH, NJW 1999, 2364; BGH, NJW 1999, 2815, 2816; Canaris, FS Larenz, 1983, S. 27, 54 ff.; Soergel/ Krause, § 823 Anh II Rn. 47; Steffen, VersR 1980, 409, 411; von Bar, JuS 1988, 169, 173. 233 Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 47; BGH, VersR 1976, 149, 150; BGH, NJW 1999, 2815, 2816.

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§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten

çffentlich-rechtlichen Normen um evident berzogene Verhaltensvorschriften handelt234. Vielmehr fhrt der Verstoß gegen çffentlich-rechtliche Normen, bei denen es sich nicht um Schutzgesetze handelt, etwa auch dann nicht zu einem Verstoß gegen privatrechtliche Verkehrspflichten, wenn es sich um die Nichteinhaltung bloßer Formvorschriften oder das Fehlen einer çffentlich-rechtlichen Genehmigung handelt, die bei einem entsprechenden Antrag zu gewhren gewesen wre. Die verwaltungsrechtlichen Normen determinieren die zivilrechtlichen Verkehrspflichten demgemß nicht abschließend, sondern sind allenfalls indiziell zu bercksichtigen235. Das Verwaltungsrecht, insbesondere das çffentliche Sicherheitsrecht, und die sich daraus ergebenden Wertungen sind zwar im Rahmen der Interessenabwgung zu bercksichtigen. Dort kçnnen sie sich zugunsten des Betroffenen vor allem beim Rang der bedrohten Rechtsgter und bei der Rechtswidrigkeit, zugunsten des potentiell Verantwortlichen insbesondere bei seiner Belastung und bei der Zumutbarkeit und im Rahmen der neutralen Gesichtspunkte bei den zu bercksichtigenden Allgemeininteressen und den Verkehrserwartungen auswirken. Sie sind dort aber stets zugunsten anderer Gesichtspunkte und Wertungen relativierbar. Damit sind auch die Verkehrspflichten in Bezug auf Umweltschden unabhngig von den Vorgaben des Umweltverwaltungsrechts236. Die Interessenabwgung kann ergeben, dass eine negatorische oder deliktische Haftung auch dort besteht, wo das Umweltverwaltungsrecht eingehalten wird, so dass das Zivilrecht schrfer als das Verwaltungsrecht ist. Sie kann aber auch ergeben, dass keine zivilrechtliche Haftung besteht, obwohl gegen das Umweltverwaltungsrecht verstoßen wurde, etwa dort wo es an einer Genehmigung fehlt, auf die aber ein Anspruch besteht.

2. Verwaltungsvorschriften Von den Vorschriften des Verwaltungsrechts sind auch in Bezug auf die Verkehrspflichten die sie konkretisierenden Verwaltungsvorschriften zu unterscheiden. Eine unterschiedslose Behandlung237 geht fehl. Zwar kann die Wirkung der Verwaltungsvorschriften nicht weiter gehen als die durch 234

Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 47; von Bar, Verkehrspflichten, S. 162. So fr die deliktische Haftung auch Hagen, UPR 1985, 192 ff.; G. Hager, NJW 1986, 1961, 1966; Kçndgen, UPR 1983, 345, 350 f.; Lytras, S. 139 ff., 318; Marburger, 56. DJT, S. C 121; Marburger, VersR 1983, 600, 604 f.; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 304. 236 So fr die deliktische Haftung auch BGHZ 69, 105, 115 ff.; BGHZ 70, 102, 111; BGHZ 92, 143, 151 f.; BGHZ 121, 248, 251; BGH, NJW 1997, 2748, 2749; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 270. 237 So BGHZ 139, 43, 46 f.; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 47; Steffen, VersR 1980, 409, 411; von Bar, JuS 1988, 169, 172 f. 235

II. Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen

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diese konkretisierten Vorschriften des Verwaltungsrechts, so dass die Verkehrspflichten in Bezug auf Umweltschden auch unabhngig von den Vorgaben der das Umweltverwaltungsrecht konkretisierenden Verwaltungsvorschriften wie der TA Luft und der TA Lrm sind238, wobei letztere auch als technische Regelungen aufgefasst werden und in die Bestimmung der Verkehrspflichten einfließen kçnnen. Aber die Verwaltungsvorschriften stellen darber hinaus keine Gesetze dar und beinhalten demgemß auch nicht notwendig gesetzliche Wertungen, die als solche in die Interessenabwgung einfließen. Sie sind demgemß nur eingeschrnkt zu bercksichtigen. Relevant werden sie etwa dort, wo sie eine entsprechende Verwaltungspraxis widerspiegeln, da dann eine Verkehrserwartung entstehen kann, dass diese Praxis durchgesetzt wird und sich die Verkehrsteilnehmer daran halten.

3. ffentlich-rechtliche Genehmigungen Aus der eingeschrnkten Relevanz der verwaltungsrechtlichen Normen fr die Interessenabwgung ergibt sich auch, dass die Einhaltung çffentlichrechtlicher Genehmigungen und Zulassungen einen Verstoß gegen negatorische oder deliktische Verhaltensstandards nicht notwendig ausschließt239. Der Verstoß gegen privatrechtliche Verhaltensstandards kann demgemß durch eine behçrdliche Genehmigung nur ausgeschlossen werden, wenn die Genehmigung explizit private Rechte zum Gegenstand hat und diese ausdrcklich prkludiert, wie dies etwa bei der Genehmigung nach § 14 BImSchG der Fall ist240, wobei dies auch fr die Rechtsgrundlage der Genehmigung gelten muss. Allerdings reicht auch dieser Ausschluss nur soweit, wie die Genehmigung reicht. So kçnnen fr Risiken, die die Genehmigung nicht zum Gegenstand hat, weiterhin Verkehrspflichten bestehen. Dies gilt vor allem fr besondere Risiken, die erst nach der Genehmigung entstehen241. Der negatorischen und deliktischen Haftung wird demgemß auch die Funktion zugesprochen, die Rechtsschutzlcke durch die Zeitdauer zwischen dem Erkennen eines Risikos und der Anpassung der Genehmigung zu schließen242. Soweit eine çffentlich-rechtliche Genehmigung 238 So fr die deliktische Haftung auch BGHZ 69, 105, 115 ff.; BGHZ 70, 102, 111; BGHZ 92, 143, 151 f.; BGHZ 121, 248, 251; BGH, NJW 1997, 2748, 2749; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 270. 239 BGH, NJW 1985, 620, 621; BGH, NJW 1987, 372, 373; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 48. 240 hnl. Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 48; allgemein auch Canaris, FS Larenz, 1983, S. 27, 56; G. Wagner, Genehmigung, S. 93 ff., 115. 241 U. Diederichsen, 56. DJT, S. L 48, 67 f.; Gerlach, JZ 1988, 161, 176; Marburger, 56. DJT, S. C 121; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 304; G. Wagner, Genehmigung, S. 14 ff. 242 Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 304, vgl. auch Schimikowski, Rn. 72.

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§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten

keine derartige abschließende Regelung privater Rechte enthlt, werden Verkehrspflichten durch sie weder vollstndig ausgeschlossen, noch die durch in ihr enthaltenden Verhaltensstandards abschließend determiniert243. Der potentiell Verantwortliche kann sich auf eine Genehmigung allenfalls eingeschrnkt verlassen244. Insoweit gelten dieselben Grundstze wie sonst auch bei der Einschaltung Dritter. Die Bedeutung der çffentlich-rechtlichen Genehmigungen fr die Bestimmung der Verkehrspflichten beruht vor allem darauf, dass sie die gesetzlichen Wertungen des Verwaltungsrechts konkretisieren und damit wiederum auf einer Interessenabwgung beruhen. Demgemß ergibt sich die Einschrnkung ihrer Bedeutung fr die Verkehrspflichten bereits aus der eingeschrnkten Bedeutung des Verwaltungsrechts, und damit zusammenhngend auch daraus, dass die Genehmigungsbehçrden nur ausnahmsweise und nur dann zur Abwgung und Abgrenzung privater Interessen autorisiert sind, wenn dies ausdrcklich gesetzlich angeordnet ist. Darber hinaus kçnnen die çffentlich-rechtlichen Genehmigungen eine Verwaltungspraxis widerspiegeln und damit eine entsprechende Verkehrserwartung begrnden. Diese stellt zwar einen wichtigen Abwgungsgesichtspunkt dar, wird aber nicht rein deskriptiv, sondern auch normativ bestimmt und kann durch andere Gesichtspunkte und Wertungen relativiert werden, so dass ihnen auch insoweit nur eingeschrnkte Bedeutung fr die Interessenabwgung zukommt. Umgekehrt kann auch aus dem Fehlen einer Genehmigung nicht ohne weiteres darauf geschlossen werden, dass das nicht genehmigte Verhalten oder der nicht genehmigte Zustand Verkehrspflichten auslçst. Denn eine Genehmigung kann etwa gar nicht beantragt oder aus anderen, insbesondere formalen Grnden abgelehnt worden sein. hnlich ist der Auffassung, dass des Fehlen eines Verwaltungsakts, der eine Verhaltenspflicht des Verwaltungsrechts konkretisieren muss, nicht nur eine entsprechende çffentlich-rechtliche Pflicht ausschließe, sondern auch entsprechende Verkehrspflichten, die eine zivilrechtliche Haftung auslçsen wrden245, nicht zu folgen246. Denn die verwaltungsrechtliche Verhaltenspflicht und die ihr zugrundeliegenden Wertungen sind auch ohne konkretisierenden Verwal243 BGH, NJW 1984, 801, 802; BGH, NJW 1985, 620, 621; BGH, NJW 1994, 2232, 2233; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 275. 244 hnl. etwa BGHZ 99, 167, 176; BGHZ 103, 298, 305; BGH, NJW 1985, 620, 621; BGH, NJW 1987, 372, 373; BGH, NJW 1994, 2232, 2233; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 275; RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 219, 221; Versen, S. 142 ff.; G. Wagner, Genehmigung, S. 85 ff. 245 So BGHZ 62, 265, 270. 246 So etwa auch Canaris, FS Larenz, S. 27, 54 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 4 f. (S. 416); MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 269; hnl. BGHZ 139, 43, 46 f.; BGHZ 139, 79, 83; BGH, NJW 1999, 2364; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 47; Steffen, VersR 1980, 409, 411; von Bar, JuS 1988, 169, 173.

II. Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen

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tungsakt im Rahmen der Interessenabwgung zur Bestimmung der Verkehrspflichten zu bercksichtigen, so dass sie zwar nicht notwendig zu einer entsprechenden Verkehrspflicht fhren, aber eine die Verhaltenspflicht konkretisierende Verkehrspflicht auch nicht ausgeschlossen ist.

E. Technische Regelwerke In die Bestimmung der negatorischen und deliktischen Verkehrspflichten fließen auch die fr das Verhalten relevanten technischen Normen ein247. Dies gilt insbesondere fr DIN-Normen, die zwar privatrechtlichen Ursprungs sind248, aber regelmßig die anerkannten Regeln der Technik fr die beteiligten Verkehrskreise widerspiegeln und sich dementsprechend besonders fr die Ermittlung der fr diese geltenden Verhaltensstandards eignen249. Die Auffassung, dass sie mit den negatorischen und deliktischen Verkehrspflichten identisch sind250, geht jedoch zu weit251. Zwar spricht eine gewisse Vermutung dafr, dass sie den Verkehrspflichten entsprechen oder zumindest einen Mindeststandard wiedergeben252. Aber sie kçnnen nicht nur veraltet sein, sondern auch der konkreten Risikolage nicht gerecht werden, die letztendlich fr die Verhaltensstandards maßgeblich ist253. Die Verhaltensstandards kçnnen demgemß strenger als die einschlgigen DIN-Vorschriften sein. Sie kçnnen aber auch durch alternative Sorgfaltsmaßnahmen ersetzt werden254. Geringfgige Abweichungen kçnnen zudem unschdlich sein255, wenn es an der Zurechnung fehlt, weil sich das darin liegende Risiko nicht verwirklicht hat. Aber auch sonst kçnnen Abweichungen unschdlich sein, wenn sie einen gleich geeigneten oder sogar besseren Risikoschutz bieten256. Die Grundstze fr DIN-Normen gelten grundstzlich auch fr andere technische Normen, die ebenfalls keine abschließenden Verhaltensanforderungen enthalten, die die Verkehrspflichten vollstndig determinieren257, etwa Unfallverhtungsvorschriften258. 247

Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 49. BGH, NJW 1987, 2222, 2223 f.; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 49. 249 BGHZ 103, 338, 341 f.; BGH, NJW 1997, 582, 583; BGH, NJW 2001, 2019, 2020; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 49; ablehnend Brggemeier, Deliktsrecht, Rn. 578 f. 250 So Marburger, VersR 1983, 597, 604 f.; Marburger, Regeln, S. 437 ff., 454 f. 251 So auch BGH, NJW 1984, 801, 802; BGH, NJW 1987, 372, 372; BGH, NJW 1997, 582, 583; BGH, NJW 2001, 2019, 2020; BGH, NJW 2004, 1449, 1450; MnchKommBGB/G. Wagner, § 823 Rn. 273; anders Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 49. 252 Vgl. BGHZ 92, 143, 151 f.; BGHZ 103, 338, 341 f.; BGHZ 114, 273, 275 f.; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 272. 253 Vgl. auch MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 273; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 49; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 794 ff. 254 Vgl. auch MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 273; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 49; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 794 ff. 255 Vgl. etwa OLG Hamm, VersR 2004, 1617, 1618. 256 Marburger, VersR 1983, 597, 603. 248

278

§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten

Die Bedeutung der technischen Regelwerke fr die Bestimmung der Verkehrspflichten beruht vor allem darauf, dass sie wie diese auf einer Interessenabwgung beruhen und zudem bezglich der damit verbundenen technischen Fragen ein antizipiertes Sachverstndigengutachten darstellen kçnnen. Die Einschrnkung ihrer Bedeutung fr die Verkehrspflichten ergibt sich demgemß daraus, dass die Interessenabwgung notwendig mit einer Wertung verbunden ist, zu der im Privatrecht nur die Gerichte autorisiert sind259. Darber hinaus haben die technischen Regelwerke fr die Interessenabwgung zur Bestimmung der Verkehrspflichten insoweit Bedeutung, als sie regelmßig eine entsprechende Verkehrserwartung auf ihre Einhaltung begrnden, die einen wichtigen Abwgungsgesichtspunkt darstellt, aber wiederum nicht nur rein deskriptiv, sondern auch normativ bestimmt wird und vor allem durch andere Gesichtspunkte und Wertungen relativiert werden kann, so dass ihre Bedeutung auch insoweit eingeschrnkt ist. Zudem wird davon ausgegangen, dass die Einhaltung der einschlgigen technischen Regeln das Verschulden ausschließen kann260. Diese Auffassung berzeugt jedoch nicht. Wenn ein ber diese Regeln hinausgehender Verhaltensstandard nicht erkennbar war, etwa weil sich in der Beeintrchtigung ein bisher nicht bekanntes Risiko verwirklicht, das sich in den aktuellen Regeln noch nicht niederschlagen konnte, fehlt es bereits an einer entsprechenden Verkehrspflicht im Rahmen des Unrechts. Wenn demgegenber ber die technischen Regeln hinausgehende Verkehrspflichten vorliegen, weil die konkrete Risikolage erkennbar von der den technischen Regeln zugrunde liegenden Konstellation abweicht, insbesondere die Regeln erkennbar veraltet sind, bleibt kein Raum fr den Ausschluss des Verschuldens.

V. Bezug der Interessenabwgung zum Inhalt der Verkehrspflichten Da die Interessen jeweils in Bezug auf einen konkreten Inhalt einer mçglichen Verkehrspflicht abgewogen werden mssen, lassen sich die diskutierten Abwgungsgesichtspunkte in Bezug zu den bei den Arten des Risikoschutzes getroffenen Unterscheidungen setzen, so dass, wie dargelegt wur-

257 So BGH, NJW-RR 2003, 1459, 1460; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 274. 258 BGH, NJW 1995, 2631; BGH, NJW 1996, 2035, 2037; BGH, NJW-RR 2003, 1459, 1460; BGH, NJW 2004, 1449, 1450; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 49. 259 Vgl. BGHZ 59, 303, 308 f.; BGH, NJW 1987, 2222, 2223; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 273. 260 Marburger, VersR 1983, 597, 603; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 49.

II. Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen

279

de261, eine gewisse Systematisierung im Sinne komparativer Stze nach Art eines beweglichen Systems erreicht werden kann. Allerdings sind nicht alle Unterscheidungen regelmßig fr die Interessenabwgung relevant. So sind Pflichten, die ein positives Tun beinhalten, nicht notwendig belastender als solche, die ein Unterlassen beinhalten. Hinweis- und Informationspflichten drften etwa regelmßig weniger belastend sein als die Pflicht, eine gefhrliche Ttigkeit zu unterlassen.

A. Aktiver und passiver Schutz Die Unterscheidung zwischen aktiven und passiven Schutzpflichten262 ist insoweit fr die Interessenabwgung relevant, als der aktive Schutz strukturell vor allem im Interesse des Betroffenen liegt, weil er wirksamer und fr ihn mit weniger Aufwand verbunden ist als der passive Schutz, da er bereits an der Gefahrenquelle ansetzt und nicht erst an dem geschtzten Rechtsgut oder Recht, das durch die Schutzmaßnahmen leicht beeintrchtigt werden kann. Der passive Schutz liegt strukturell im Interesse des Verantwortlichen, weil eine in den Schutzmaßnahmen liegende Beeintrchtigung nicht die Gefahrenquelle trifft, sondern gewissermaßen zu den geschtzten Rechtsgtern oder Rechten exportiert wird. Er ist daher fr den potentiell Verantwortlichen regelmßig weniger belastend als der aktive Schutz. So sind etwa Organisationspflichten in der Regel weniger belastend als die Pflicht, die eine Organisation erfordernde Ttigkeit berhaupt zu unterlassen. Entscheidend ist aus Sicht des Verantwortlichen dabei, ob der Nutzen den mit der Erfllung der Verkehrspflichten verbundenen Aufwand bersteigt.

B. Direkter und indirekter Schutz hnlich sind direkte Schutzpflichten, die ein Verhalten des Verantwortlichen, sei es Unterlassen, sei es positives Tun, zur Vermeidung oder Verringerung des Risikos beinhalten, regelmßig mit mehr Aufwand fr den Verantwortlichen verbunden als indirekte Schutzpflichten, die nur ein Verhalten des Betroffenen ermçglichen sollen, wie etwa Hinweis- und Informationspflichten263. Der Auffassung, dass die direkten Einwirkungspflichten grundstzlich den indirekten Informationspflichten vorzuziehen sind264,

261

Siehe oben S. 165. Siehe oben S. 159. 263 Zu der Unterscheidung siehe oben S. 158. 264 So BGH, NJW 1970, 1682; RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 147; Mçllers, VersR 1996, 153, 157; Taupitz, UTR 40, S. 237, 252; einschrnkend von einer Faustformel spricht Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 26. 262

280

§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten

stellt demgemß allein auf die Interessen des Betroffenen ab. Ihr ist daher nicht zu folgen265. Allerdings ist auch zu bercksichtigen, dass indirekte Schutzpflichten grundstzlich eine grçßere Belastung fr den Betroffenen darstellen. Sie sind nicht nur mit mehr Aufwand fr den Betroffenen verbunden, da dieser selbst ttig werden muss, sondern sind auch hinsichtlich der Vermeidung oder Verringerung des Risikos weniger wirksam, jedenfalls wenn man von Ausnahmefllen absieht, in denen etwa die Information des Betroffenen nur mit erheblichem Aufwand mçglich ist oder die bereits in Gang gesetzte Gefahr nur noch durch den Betroffenen abgewehrt werden kann. Demgemß entscheidet sich erst aufgrund der konkreten Interessenabwgung im Einzelfall, ob die Verkehrspflichten auf direkten oder indirekten Schutz gerichtet sind. Dabei kann sich auch ergeben, dass zwar die Einwirkungspflichten unzumutbar sind, nicht aber Informationspflichten266. So kann etwa eine Warnung ausreichen, wenn durch die vollstndige Ausschaltung eines Risikos ein nur geringfgig hçherer Schutz erreicht werden kann267. Allerdings liegt dies nicht schon darin begrndet, dass der Schutz nur geringfgig hçher ist. Vielmehr fhrt der mit dem hçheren Schutz verbundene Aufwand nur dann zum Ausschluss der darauf gerichteten Verkehrspflicht, wenn er zu einer unverhltnismßigen Belastung des potentiell Verantwortlichen fhrt.

C. Allgemeine Grundpflichten und besondere Schutzpflichten Bei den allgemeinen Grundpflichten haben die Beobachtungs- und Untersuchungspflichten als selbststndige Grundpflichten gegenber den besonderen Schutzpflichten und den mit diesen verbundenen unselbststndigen Grundpflichten zunchst grundstzlich einen grçßeren Aufwand fr den Verantwortlichen zur Folge. Sie sind demgemß insbesondere fr den Schutz der persçnlichen Rechtsgter des Menschen, denen eine besonders hoher Rang zukomme, fr notwendig erachtet worden268. Denn die selbststndigen Grundpflichten treten neben die besonderen Schutzpflichten, sind anders als diese nicht nur auf eine passive, sondern eine aktive Informationsgewinnung ausgerichtet und greifen daher frher als diese. Liegt die Alternative zu den Beobachtungs- und Untersuchungspflichten jedoch in einer totalen Schutzpflicht, die gegen das gefhrliche bzw. risikoreiche Ver265 So im Ergebnis auch Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 233; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 46. 266 BGH, NJW 1995, 2631, 2632; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 233; Soergel/ Krause, § 823 Anh II Rn. 46; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 26. 267 So BGH, NJW 1995, 2631, 2632; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 233; Soergel/ Krause, § 823 Anh II Rn. 33. 268 So Mçllers, Rechtsgterschutz, S. 164 ff.

II. Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen

281

halten als solches gerichtet ist, stellen gestufte Verkehrspflichten, die zunchst nur Beobachtungs- und Untersuchungspflichten beinhalten und erst bei einer Verschrfung der Gefahr bzw. des Risikos relative und schließlich totale Schutzpflichten zum Gegenstand haben, eine geringere Belastung fr den Verantwortlichen dar, gewhrleisten dem Betroffenen allerdings auch einen geringeren Schutz. Fr die Dokumentationspflichten gilt grundstzlich dasselbe wie fr die brigen selbststndigen Grundpflichten. Darber hinaus sind sie aber mit einer besonderen Belastung des Verantwortlichen verbunden, indem bei ihrer Verletzung Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr angenommen werden, indem bis zum Beweis des Gegenteils vermutet wird, dass die erforderlichen Maßnahmen unterblieben sind269 und dass eine Gefahr bzw. ein Risiko vorlag, wenn der Verantwortliche die Informationen darber pflichtwidrig nicht ermittelt oder dokumentiert hat270.

D. Organisationspflichten Bei den akzessorischen Verkehrspflichten ist die Organisation so einzurichten, dass die Verletzung der originren Verkehrspflichten und daraus folgende Rechtsguts- und Rechtsverletzungen Dritter mçglichst vermieden werden271. Denn die Einrichtung oder Aufrechterhaltung einer Organisation kann die Geltung der originren Verkehrspflichten insoweit nicht relativieren. Diese sind also maßgeblich fr den Umfang der akzessorischen Verkehrspflichten. Bei den originren Verkehrspflichten ist der Auffassung, dass eine komplexe Organisation so auszugestalten sei, dass vermeidbare Drittschdigungen unterbleiben272, nicht zu folgen. Auch hier bedarf es zunchst einer Interessenabwgung273. Dabei ist die Unterscheidung zwischen konkreten und abstrakten Organisationspflichten insoweit relevant, als die konkreten Pflichten eine geringere Belastung fr den Verantwortlichen darstellen als die abstrakten Pflichten, weil es bei den konkreten Pflichten nur darum geht, wie die Organisation ausgestaltet ist, whrend es bei den abstrakten Pflichten darum geht, ob die Organisation aufgrund der damit verbundenen Risiken bzw. Gefahren schon durch ihre Existenz eine Pflichtverletzung darstellt. So kann eine Zertifizierung nach DIN-ISO 9000 ff. bzw. 14000 ff. oder die Einfhrung von Systemen zur Organisation und Doku269 So fr das Arzthaftungsrecht etwa BGHZ 71, 132, 136 ff.; BGH, NJW 1999, 3408, 3410 f.; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 141. 270 So fr das Arzthaftungsrecht etwa MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 741; hnl. BGHZ 132, 47, 50 ff.; BGHZ 159, 48; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 141. 271 BGH, NJW-RR 1996, 867, 868; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 65. 272 So Brggemeier, Haftungsrecht, S. 134. 273 MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 370; Brandes, S. 116.

282

§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten

mentation entsprechend der EU-Umwelt-Audit-Verordnung bzw. des Umweltauditgesetzes zwar hochgradige Entlastungswirkung haben274, weil damit gewissermaßen einem antizipiertes Sachverstndigengutachten gefolgt wird, aber nur hinsichtlich der konkreten Organisationspflichten, nicht dagegen hinsichtlich der abstrakten Organisationspflichten, wenn dadurch nicht auch die von der Organisation als solche ausgehenden Risiken und Gefahren so substantiell gesenkt werden, dass die Verkehrspflicht nicht mehr an die Existenz der Organisation als solche anknpft. Die Annahme abstrakter Organisationspflichten setzt damit ein entsprechend deutliches berwiegen der brigen Interessen ber diejenigen des Verantwortlichen voraus. Das trifft noch am ehesten auf die deliktische Produzentenhaftung zu, aber auch dort ist die Aussage, dass den Produzenten eine Verkehrspflicht trifft, nur solche Produkte in den Verkehr zu bringen, auf deren Unschdlichkeit die Abnehmer und Benutzer vertrauen drfen275 und die Fabrikation und Kontrolle so zu organisieren, dass Fehler nach menschlichem Ermessen vermieden werden276, zu pauschal. Vielmehr gilt auch dort, dass eine Verkehrspflicht zur Vermeidung oder Verringerung von Gefahren nur in dem Umfang besteht, den der Verkehrskreis der Abnehmer und Benutzer bei objektiver Betrachtung fr erforderlich halten darf277, wobei auch zu bercksichtigen ist, was dem Produzenten zumutbar ist278. Der Inhalt der Verkehrspflichten beruht also auch bei der deliktischen Produzentenhaftung auf einer Interessenabwgung. In deren Rahmen wird dann allerdings hinsichtlich der Organisationspflichten in aller Regel ein deutliches berwiegen der brigen Interessen ber diejenigen des Verantwortlichen festzustellen sein.

VI. Umweltrelevanz Zu den bei der Bestimmung der Verkehrspflichten zu bercksichtigenden Allgemeininteressen gehçrt auch der Umweltschutz. Er wird hufig zugunsten des Betroffenen ins Gewicht fallen, kann aber auch fr den potentiell Verantwortlichen sprechen. Dass der Umweltschutz als Allgemeininteresse bei der Abwgung zu bercksichtigen ist, lsst sich zunchst mit dem Staatsziel Umweltschutz begrnden, das bei der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe und Generalklauseln zu bercksichtigen ist, da die Verkehrspflichten einen un274

hnl. Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 55. So etwa Erman/Schiemann, § 823 Rn. 112. 276 So etwa Erman/Schiemann, § 823 Rn. 117. 277 So auch BGH, NJW 1990, 906; BGH, NJW 2007, 1363, 1364; Bamberger/Roth/ Spindler, § 823 Rn. 234; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 115. 278 Erman/Schiemann, § 823 Rn. 115. 275

II. Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen

283

geschriebenen unbestimmten Rechtsbegriff darstellen. Es lsst sich aber auch aus den gesetzlichen Wertungen des § 906 BGB herleiten, da bei der Bestimmung sowohl der Wesentlichkeit einer Beeintrchtigung als auch ihrer Ortsblichkeit der Umweltschutz zu bercksichtigen ist279. So wurde schon erwhnt, dass in die Bestimmung der Wesentlichkeit im Sinne des § 906 I 1 BGB insbesondere auch der Umweltschutz einfließt280. und die Bestimmung der Ortsblichkeit des § 906 II 1 BGB auch unter Bercksichtigung des Naturschutzes und unter Orientierung am Verhltnismßigkeitsprinzip des § 17 II BImSchG erfolgt281. Auch im Rahmen der deliktischen Haftung wird angenommen, dass die Verletzung von Standards zur Erhaltung oder Verbesserung der Umwelt den Verstoß gegen eine individualschtzende Verkehrspflicht begrnden kann282. Fr die Bercksichtigung des Umweltschutzes kçnnen auch çkonomische Gesichtspunkte streiten, wenn sich die mit der Schdigung von Rechtsgtern oder Rechten des Betroffenen verbundenen Umweltschden çkonomisch auswirken oder wenn die mit Maßnahmen zum Schutz vor Risiken verbundenen Nachteile fr die Umwelt auch çkonomisch nachteilige Konsequenzen haben. Allerdings ist zu bercksichtigen, dass sich çkologische Schden nach den Erkenntnissen der Umweltçkonomie bisher nur eingeschrnkt çkonomisch erfassen lassen283. Eine strkere Bercksichtigung des Umweltschutzes kann grundstzlich auch aus dem Umweltbewusstsein der Bevçlkerung folgen284, da bei der Bestimmung der Verkehrspflichten auch die Verkehrsauffassung zu bercksichtigen ist285. Insbesondere fallen Umweltschutzgesichtpunkte gegenber frher grundstzlich strker ins Gewicht, weil das Umweltbewusstsein in der Zwischenzeit gewachsen ist286. Verstrkend tritt hinzu, dass sich das Risikoverstndnis unserer Zeit gewandelt hat, indem die mangelnde Steuerbarkeit von akuten Risiken aus der Nutzung technischer Mçglichkeiten dadurch kompensiert wird, dass bereits an die Einflussmçglichkeiten im Vorfeld der Entstehung des akuten Risikos angeknpft wird und entsprechende Verkehrspflichten fr die planende, organisierende und kontrollierende Vorbereitungsphase angenommen werden287. Der Umweltschutz steht dabei zwar in der Rangfolge der rechtlichen geschtzten Interessen hinter Leben und Gesundheit und wohl auch Eigentum, weil diese grundrechtlichen Schutz genießen, whrend er nur als 279 280 281 282 283 284 285 286 287

Vgl. oben S. 244. Siehe oben S. 244. Siehe oben S. 245. So Erman/Schiemann, Vor § 823 Rn. 16. Siehe oben S. 25. Offengelassen in BGHZ 157, 33, 43 f. Vgl. oben S. 267 ff. Vgl. BGHZ 157, 33, 43 f.; Schmidt-Salzer, NJW 1994, 1305, 1313 f. Steffen, NJW 1990, 1817, 1819. Vgl. auch oben S. 17.

284

§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten

Staatsziel geschtzt wird288. Er kann aber nicht nur im Einzelfall berwiegen, sondern wird in den hier interessierenden Fllen immer nur zusammen mit einem Individualrechtsgut betroffen sein, da die Umwelt im Privatrecht nur mittelbar geschtzt wird289, so dass sich Individualrechtsschutz und Umweltschutz gegenseitig verstrken kçnnen. Denn das Interesse am Umweltschutz luft parallel zu den Interessen des Betroffenen, wenn die Umwelt direkt oder indirekt ber den Schutz seiner Rechtsgter geschtzt wird, also die betroffenen Umweltgter dem Betroffenen gehçren oder der Schutz seiner Rechtsgter auch den betroffenen Umweltgtern zugute kommt. Das Allgemeininteresse am Umweltschutz verschiebt in diesen Fllen die Abwgung zugunsten des Betroffenen. So streitet das Interesse am Umweltschutz fr einen Schutz durch aktive und direkte Einwirkungspflichten. Der Umweltschutz spricht im Rahmen der Interessenabwgung fr einen direkten Schutz290, weil es einem mçglichst effektiven und weitreichenden Schutz der Umwelt entgegenstehen wrde, wenn die Vermeidung oder Verringerung der Gefahr fr die Umwelt von den Verkehrspflichten nur indirekt erfasst und insoweit in das Ermessen der Betroffenen gestellt wird. Fr einen aktiven Schutz spricht er, weil der an der Gefahrenquelle ansetzende Schutz nicht nur sicherer und effektiver ist, sondern auch den Teil der Umwelt erfasst, der keiner Person zugeordnet ist oder durch ihren Inhaber nicht geschtzt wird. Der Umweltschutz kann dabei nicht nur auf der Seite des Betroffenen streiten, sondern auch zugunsten des potentiell Verantwortlichen ins Gewicht fallen. Denn auch der Risikoschutz kann mit negativen Folgen fr die Umwelt verbunden sein, so dass ein ohne Bercksichtigung der Umwelt gebotener Verhaltensstandard aufgrund der mit seiner Einhaltung verbundenen Umweltgefhrdung abzulehnen sein kann. Dies zeigt sich etwa an der Verwendung von Streusalz gegen Schnee- und Eisgltte, das zwar einen besseren Schutz bietet als andere Streumittel, dessen Einsatz aber aufgrund der von ihm ausgehenden Umweltgefahren nur in Ausnahmefllen geboten ist291. Allerdings ist das Interesse am Umweltschutz nur ein Abwgungsgesichtspunkt unter mehreren, kann also durch andere Gesichtspunkte relativiert werden. Insbesondere kann es keine gesetzlichen Regelungen berspielen. Demgemß ist etwa das gewachsene Umweltbewusstsein weiter Bevçlkerungskreise jedenfalls insoweit fr unerheblich gehalten worden,

288

Vgl. oben S. 33. Siehe oben S. 44. 290 hnl. Lytras, S. 156; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 54. 291 Medicus, JZ 1986, 778, 780; von Bar, KF 1987, S. 4, 13; vgl. auch OLG Zweibrcken, NJW-RR 1986, 1203, 1204; zur eingeschrnkten Verkehrssicherungspflicht bei Bumen auch Edenfeld, VersR 2002, 272, 278. 289

II. Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen

285

als es zwar fr das Anpflanzen und Halten von Bumen in Wohngebieten streitet, aber das Gebot der ordnungsgemßen Bewirtschaftung von Grundstcken nicht berspielt, so dass die gesetzlich vorgegebenen Grenzabstnde auch unter Bercksichtigung des Umweltschutzes weiterhin Geltung beanspruchen292. Demgemß kann mit Hilfe der Verkehrspflichten zwar ein weitgehender Schutz der Umwelt ermçglicht werden, indem strenge umweltschtzende Verkehrspflichten angenommen werden. Die vielfach angenommene Existenz von umweltspezifischen Verkehrspflichten293 ist jedoch zu relativieren. Denn im Rahmen der Interessenabwgung zur Bestimmung der Verkehrspflichten sind neben dem Umweltschutz auch andere, neben ihn tretende und womçglich ihm zuwiderlaufende und gewichtigere Interessen zu bercksichtigen, die ihn berspielen kçnnen. Die Verkehrspflichten kçnnen den Umweltschutz demgemß zwar weitgehend bercksichtigen, sind jedoch nicht in dem Sinne umweltspezifisch, dass dem Umweltschutz bei der Bestimmung ihres Inhalt notwendig oder auch nur regelmßig Vorrang vor anderen Interessen einzurumen ist, diese also berspielt. Bezogen auf die Ausgangsflle kann die Interessenabwgung hier nur angedeutet werden. Im ersten Fall sind zugunsten der Klgerin vor allem die hohe Eintrittswahrscheinlichkeit, dass es bei Regenfllen wieder zu Erosion kommt, und der dadurch drohende Schaden an dem Grundstck und seiner Nutzung sowie der Schutz der Umwelt vor Erosion und Unkrautvernichtungsmitteln zu bercksichtigen. Zugunsten des Beklagten fallen insbesondere die wirtschaftliche Belastung durch die nur noch eingeschrnkte Nutzungsmçglichkeit des Grundstcks und die Verkehrserwartung, dass Grundstcke im Rahmen der normalen landwirtschaftlichen Bewirtschaftung im Rahmen der Fruchtfolge auch fr den Maisanbau genutzt werden kçnnen, ins Gewicht. Dies spiegelt sich in der vom BGH getroffenen Unterscheidung zwischen dem in Bezug auf die damit verbundene Erosion erlaubten Maisanbau und der nicht erlaubten Verwendung von Unkrautvernichtungsmitteln, die auf das Nachbargrundstck gesplt zu werden drohen. Diese Unterscheidung rechtfertigt sich dadurch, dass eine Verkehrspflicht, die nur noch eine eingeschrnkte Fruchtfolge zulsst, etwa nur noch die Nutzung als Grnland, eine zu starke Beschrnkung der Grundstcksnutzung und damit eine unzumutbare Belastung des Beklagten darstellt, whrend eine Verkehrspflicht, die nur die Verwendung von Unkrautvernichtungsmitteln beschrnkt, eine weniger starke Belastung des 292

BGH, NJW 2004, 1037, 1041. Vgl. etwa Enders, S. 272 ff.; Kçndgen, UPR 1983, S. 345, 351; Lytras, S. 135 ff.; MnchKomm-BGB/Mertens, Vor § 823 Rn. 67; Salje/Peter/Salje, Einleitung Rn. 8; Staudinger/Kohler, Einl. zum UmweltHR, Rn. 51 f.; von Bar, KF 1987, S. 4, 12 ff.; hnl. Gerlach, S. 271 f. 293

286

§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten

Beklagten darstellt und gleichzeitig eine strkere Belastung der Klgerin und der Umwelt zur Folge htte. Der zweite Ausgangsfall ist deutlich komplexer. Bei ihm fallen zugunsten der Klgerin vor allem die Eintrittswahrscheinlichkeit sowie der Betroffenen und der Umwelt drohende Schaden durch das Altreifenmaterial ins Gewicht. Zugunsten der Beklagten zu bercksichtigen sind zunchst die wirtschaftliche Belastung, die mit einer ewigen Altlastenhaftung verbunden ist, und die Verkehrserwartung, dass die Haftung durch die sorgfltige Auswahl, Instruktion und berwachung von eingeschalteten Dritten ausgeschlossen werden kann. Vor allem aber streitet fr die Beklagte, dass sich in der drohenden Beeintrchtigung weitere, der Beklagten nicht zurechenbare Risikofaktoren verwirklichen. Denn die sorgfltige Auswahl, Instruktion und berwachung von eingeschalteten Entsorgungsunternehmen ist jedenfalls dann grundstzlich ausreichend, um eine ordnungsgemße und unbeteiligte Dritte nicht beeintrchtigende Entsorgung zu gewhrleisten, wenn eine vollstndige Entsorgungskette existiert und keine Anhaltspunkte fr Unregelmßigkeiten bestehen, was im zweiten Ausgangsfall offenbar gegeben war. Wenn an sich sichergestellt ist, dass der Abfall ordnungsgemß entsorgt oder wiederverwertet werden kann, und ein vertrauenswrdiges Entsorgungsunternehmen beauftragt wird, sind die wesentlichen aus dem Abfall resultierenden Risikofaktoren erfasst. Die dann noch verbleibenden Risikofaktoren sind dem potentiell Verantwortlichen insofern nicht mehr zurechenbar, als sie auf individuellem, fr ihn nicht mehr vorhersehbaren und mçglicherweise kriminellem Fehlverhalten beruhen, etwa wenn es bei einem Glied der Entsorgungskette zu einem fahrlssigen Unfall kommt oder ein solches Glied die Abflle doch illegal entsorgt. Auch hier gilt, dass der potentiell Verantwortliche keine vçllige Risikofreiheit zu garantieren braucht. Demgemß erscheint es in solchen Fllen auch vertretbar, gegenber unbeteiligten Dritten keine weitergehenden Verkehrspflichten anzunehmen, die auf eine Garantiehaftung hinausliefen. Ob eine Haftung besteht, hngt vielmehr wie sonst auch vor allem von der Eintrittswahrscheinlichkeit des drohenden Risikos ab. Maßgeblich ist insoweit der letzte Zeitpunkt, der ber die Zurechenbarkeit des Risikos zum potentiell Verantwortlichen entscheidet, im Ausgangsfall derjenige der bergabe des Abfalls an das Entsorgungsunternehmen zur Entsorgung, da bis dahin Eigenbesitz besteht und dann das Unternehmen tatschlich mit der Entsorgung beauftragt wird. Zu diesem Zeitpunkt ist die Eintrittswahrscheinlichkeit des drohenden Risikos aber regelmßig sehr gering, wenn das Entsorgungsunternehmen sorgfltig ausgesucht und instruiert wurde, und wird weiter verringert, wenn das Unternehmen sorgfltig berwacht wird. Wie gering die Eintrittswahrscheinlichkeit konkret sein muss, wie sorgfltig also ausgesucht, instruiert und berwacht werden muss, hngt dabei wieder von der

II. Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen

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drohenden Belastung des Betroffenen, also der Grçße des drohenden Schadens und der Grçße des Rechtsguts ab294. Hinzu kommt, dass auch der Umweltschutz hier nicht entscheidend zugunsten der Klgerin ins Gewicht fllt. Denn Zahlungsschwierigkeiten eines Gliedes der Entsorgungskette htten sich auch durch die sorgfltige Auswahl, Instruktion und berwachung des Entsorgungsunternehmens und seiner Subunternehmen auch bei enormem Aufwand nur verringern, nicht jedoch ausschließen lassen. Der zu treibende Aufwand wird zwar dadurch erhçht, dass er dem Umweltschutz als Allgemeininteresse dient, aber da der Umweltschutz auch nur ein Abwgungsgesichtspunkt ist, der zugunsten anderer Gesichtspunkte relativiert werden kann295, rechtfertigt er nicht jeden Aufwand. Auch in Bezug auf den Umweltschutz gilt, dass keine vçllige Risikofreiheit zu garantieren ist. Demgemß wird grundstzlich angenommen, dass nur eine Erkundigungspflicht bestehe, ob das Entsorgungsunternehmen zu der gebotenen Abfallentsorgung tatschlich imstande und rechtlich dazu befugt sei296. Auch soweit von einer Pflicht ausgegangen wird, auf eine dem Haftungsrisiko angemessene Kapitalausstattung und Versicherung des Entsorgers zu achten297, schließt dies nicht aus, dass Ansprche gegen den Entsorger ins Leere gehen. Schließlich ist zugunsten der Beklagten zu bercksichtigen, dass die Klgerin die berwiegende Verantwortung trifft, indem sie mit der Vermietung ihres Grundstcks zum Zwecke des Betriebs einer Altreifenrecyclinganlage die damit verbundenen Risiken verursacht und wissentlich in Kauf genommen hat, insbesondere das Risiko von Verstçßen gegen den Mietvertrag. Diese Risiken werden vom Schutzzweck der ursprnglichen Verkehrspflichten der Beklagen nicht erfasst. Denn ihnen steht die Klgerin nher als die Beklage; die von der Klgerin gesetzten Risikofaktoren berwiegen. Daher ist schon allgemein davon auszugehen, dass die Beklagte keine Verkehrspflichten getroffen haben, die darber hinausgehen, das mit der Entsorgung beauftragte Unternehmen sorgfltig und den mit dem Abfall verbundenen Risiken angemessen auszuwhlen, zu instruieren und zu berwachen, wobei die berwachung auch etwaige Subunternehmen umfassen kann. Das akute, aus dem Altreifenmaterial drohende Risiko begrndet demgemß schon allgemein keine Verkehrspflichten der Beklagten; es ist 294 BGH, NJW 1976, 46, 47 f.; BGH, NJW 2006, 3628, 3629; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 571; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 640; Taupitz, UTR 40, S. 237, 259. 295 Siehe oben S. 246. 296 Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 571; aus strafrechtlicher Sicht auch BGHSt 40, 84, 86 ff.; Marburger, UTR 30, S. 129, 151; nur den Nachweis der notwendigen behçrdlichen Genehmigungen fr erforderlich hlt Dombert, PHI 1992, 42, 46 f. 297 So Leonhard, FS Leser, S. 370, 386; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 640; von Wilmowsky, NuR 1991, 253, 257; dagegen Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 571; Enders, S. 291 f.; Marburger, UTR 30, S. 129, 151.

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§ 6 Interessenabwgung als Voraussetzung der Verkehrspflichten

aus ihrer Sicht ein Restrisiko, fr das sie nicht mehr verantwortlich ist. Noch weniger besteht eine Verkehrspflicht der Beklagten, die Klgerin vor den aus dem Mietvertrag resultierenden Risiken der Entsorgung zu schtzen. Damit lassen sich die vom BGH im zweiten Ausgangsfall angefhrten Grnde fr das Nichtbestehen einer Schadensersatzpflicht aus § 823 I BGB und einer Beseitigungspflicht aus § 1004 I BGB auf eine fr die negatorische und deliktische Haftung einheitliche Interessenabwgung zurckfhren, bei der die Interessen der Beklagten berwiegen und der Umweltschutz nicht entscheidend zugunsten der Klgerin ins Gewicht fiel.

§ 7 Eingetretene oder drohende Verwirklichung des Risikos Zu der Verkehrspflichtverletzung muss bei der negatorischen Haftung die qualifiziert drohende und bei der deliktischen Haftung die eingetretene Verwirklichung des Risikos hinzutreten, das Gegenstand der Verkehrspflichten ist.

I. Unterschiedliche Anspruchsvoraussetzungen Die Verkehrspflichtverletzung ist zwar, wie gezeigt1, gemeinsame Voraussetzung der negatorischen und deliktischen Haftung, aber indem die negatorische Haftung zukunftsgerichtet ist und auf Unterlassungs- und Beseitigungsansprche geht, whrend die deliktische Haftung vergangenheitsbezogen ist2 und auf Schadensersatzansprche geht, kann die Verletzung von Verkehrspflichten unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich ziehen. Demgemß unterscheiden sich die negatorische und deliktische Haftung nicht nur hinsichtlich des deliktischen Verschuldenserfordernisses3, sondern auch bezglich der im Unrecht zu der Verkehrspflichtverletzung hinzutretenden Voraussetzungen der negatorischen und deliktischen Haftung. Fr die negatorische Haftung muss zu der Verkehrpflichtverletzung hinzutreten, dass dadurch die Verwirklichung des Risikos qualifiziert droht, das Gegenstand der verletzten Verkehrspflicht ist, whrend fr die deliktische Haftung hinzutreten muss, dass die Verwirklichung dieses Risikos eingetreten ist. Die Verletzung einer Verkehrspflicht kann demgemß nur die negatorische oder nur die deliktische, sowohl die eine als auch die andere oder auch keine Haftung zur Folge haben, was davon abhngt, ob und welche zu der Verkehrspflichtverletzung hinzutretenden Voraussetzungen gegeben sind oder nicht. Die negatorische und die deliktische Haftung sind trotz der gemeinsamen Voraussetzung der Verkehrspflichtverletzung insofern voneinander unabhngig, als sie sich zwar funktionell ergnzen und insoweit auch aufeinander bezogen sind, aber unabhngig voneinander bestehen kçnnen. Die 1 2 3

Siehe oben S. 141 ff. Siehe oben S. 56 ff. So aber Rçthel, Jura 2000, 617, 621.

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§ 7 Eingetretene oder drohende Verwirklichung des Risikos

negatorische und die deliktische Haftung berschneiden sich zwar bezglich der Voraussetzungen des Bestehens eines Risikos fr die geschtzten Rechtsgter und Rechte und der Verletzung einer auf dieses Risiko bezogenen Verkehrspflicht, fallen aber hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen, dass die Verwirklichung dieses Risiko entweder qualifiziert droht oder eingetreten ist, auseinander. Denn nicht nur hat die qualifiziert drohende Verwirklichung des Risikos nicht notwendig ihren Eintritt und damit die deliktische Haftung zur Folge, sondern auch die Verwirklichung des Risikos hat nicht zur Voraussetzung, dass es vorher in der Form qualifiziert drohte, dass eine negatorische Haftung begrndet war. Die qualifiziert drohende Verwirklichung des Risikos ist zwar logisches Durchgangsstadium zu seiner Verwirklichung, so dass zumindest fr eine logische Sekunde eine negatorische Haftung vor der deliktischen Haftung bestanden haben msste. Aber indem der Anspruch ber die drohende Verwirklichung hinaus auch verlangt, dass die Beseitigungs- oder Unterlassung mçglich war, lag eine negatorische Haftung dann nicht vor, wenn die Erfllung des Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruchs nicht mçglich oder zumutbar war, als die Verwirklichung des Risikos hinreichend qualifiziert drohte, whrend die Verwirklichung nicht hinreichend qualifiziert drohte, als die Erfllung mçglich und zumutbar war. Demgemß scheitern Unterlassungsansprche in der Praxis hufig daran, dass Stçrflle in der Regel unvorhersehbar auftreten und daher faktisch nicht durch die Geltendmachung von Unterlassungsansprchen zu verhindern sind, wenn nicht eine erkennbare Schadensgeneigtheit vorliegt4; Gegenstand der negatorischen Haftung kann hier nur das Risiko sein, dass es berhaupt zu Stçrfllen kommt. Dasselbe gilt fr viele Unflle. Zudem kann die negatorische Haftung gesetzlich ausgeschlossen sein, ohne dass dies auch auf die deliktische Haftung zutrifft. Demgemß schließt etwa § 14 S. 1 BImSchG die negatorische Haftung aus, whrend § 14 S. 2 BImSchG weiterhin Schadensersatzansprche gewhrt. hnlich schließt zwar § 904 S. 1 BGB den negatorischen Anspruch des Betroffenen aus § 1004 BGB aus, whrend § 904 S. 2 BGB trotzdem Schadensersatz gewhrt, und auch der Ausgleichsanspruch in § 906 II 2 BGB macht deutlich, dass der Ausschluss von Ansprchen aus § 1004 BGB durch § 906 II 1 BGB die Schadensersatzpflicht jedenfalls nicht vollstndig ausschließt. Whrend die negatorische und die deliktische Haftung damit bezglich der Verkehrspflichten und ihrer Verletzung parallel laufen, fallen sie bezglich der eingetretenen oder drohenden Verwirklichung auseinander. Die Verkehrspflichten und ihre Verletzung werden sowohl von der negatorischen als auch von der deliktischen Haftung vorausgesetzt, stellen also eine gemeinsame Haftungsvoraussetzung dar, whrend die eingetretene Ver4

Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 35.

II. Materiellrechtliche Anspruchsvoraussetzungen

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wirklichung des Risikos nur von der deliktischen Haftung und die drohende Verwirklichung des Risikos nur von der negatorischen Haftung vorausgesetzt werden. Dies findet seinen Grund darin, dass die negatorische und die deliktische Haftung beide der Abgrenzung der Freiheits- und Risikosphren der des Betroffenen und des potentiell Verantwortlichen dienen, ihnen dabei aber eine unterschiedliche Funktion zukommt, indem die negatorische Haftung die Verwirklichung von drohenden Risiken verhindern und die deliktische Haftung eingetretene Risiken ausgleichen soll5. Der gemeinsame Zweck schlgt sich darin nieder, dass die negatorische und die deliktische Haftung im Rahmen des Schutzbereichs dieselben Rechtsgter und Rechte schtzen und im Rahmen des Haftungsgrunds dieselben Risiken erfassen, indem sie auf Verkehrspflichten bezglich derselben Risiken fr dieselben Rechtsgter beruhen. Demgegenber wirkt sich die unterschiedliche Funktion dahin aus, dass die negatorische Haftung ex ante greift, also wenn sich die Risiken, die Gegenstand der Verkehrspflichten sind, zu verwirklichen drohen, whrend die deliktische Haftung ex post greift, also wenn sich diese Risiken verwirklicht haben.

II. Materiellrechtliche Anspruchsvoraussetzungen Dabei ist der negatorischen und der deliktischen Haftung gemeinsam, dass sowohl die eingetretene als auch die drohende Verwirklichung des Risikos eine materiellrechtliche Anspruchsvoraussetzung darstellt. Das wird fr die Verletzung eines geschtzten Rechtsguts als Voraussetzung der deliktischen Haftung nicht zu bezweifeln sein, gilt aber auch fr die andauernde und drohende Beeintrchtigung als Voraussetzung der negatorischen Haftung6. Dies ergibt sich nach der hier vertretenen Auffassung schon aus der Unterscheidung zwischen Verhaltensstandards und Verhaltenspflichten sowie dem Ergnzungsverhltnis zwischen negatorischer und deliktischer Haftung und der daraus folgenden konstruktiven quivalenz der eingetretenen und der drohenden Verwirklichung. Der gegen die Qualifizierung der Begehungsgefahr beim Unterlassungsanspruch als materiellrechtliche Anspruchsvoraussetzung vorgebrachte Einwand, ein gegen jedermann gerichteter Anspruch sei nicht mçglich, weshalb § 1004 I 2 BGB nur einen prozessualen Rechtsbehelf gewhre7, geht fehl. Zwar gilt ein negatorischer Verhaltensstandard zunchst fr jeden, so dass seine Einhaltung nicht Ge5

Siehe oben S. 56 ff. So etwa auch Fritzsche, S. 118 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 87 I 2 (S. 705); MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 97; Mnzberg, JZ 1967, 689, 692 f.; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 31; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 212; hnl. Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 78. 7 So Esser/Weyers, § 62 IV (S. 264 f.); von Caemmerer, FS 100 Jahre DJT, S. 49, 54. 6

292

§ 7 Eingetretene oder drohende Verwirklichung des Risikos

genstand eines Anspruchs im Sinne des § 194 I BGB sein kann, aber dasselbe gilt auch fr die Geltung eines deliktischen Verhaltensstandards, ohne dass § 823 I BGB lediglich als prozessualer Rechtsbehelf aufgefasst werden kann. Denn so wie der Verstoß gegen einen Verhaltensstandard erst zu einer deliktischen Haftung fhrt, wenn ein geschtztes Rechtgut oder Recht verletzt wird, und sich die deliktische Schadensersatzpflicht dann nur gegen den konkreten Verletzter richtet, fhrt der Verstoß gegen einen Verhaltensstandard erst zu einer negatorischen Haftung, wenn die Beeintrchtigung eines geschtzten Rechtsguts oder Rechts andauert oder hinreichend droht, und richtet sich die negatorische Verhaltenspflicht dann nur gegen diejenigen, von denen die Beeintrchtigung konkret droht8. Die qualifiziert drohende oder andauernde Verwirklichung des Risikos hat also bei der negatorischen Haftung dogmatisch dieselbe Funktion wie der Eintritt des Risikos bei der deliktischen Haftung, den Anspruch zu begrnden und hinsichtlich des Schuldners zu konkretisieren, so dass es sich in beiden Fllen um materiellrechtliche Anspruchsvoraussetzungen handelt.

III. Drohende Verwirklichung des Risikos Bei der negatorischen Haftung setzt nicht nur der Unterlassungsanspruch des § 1004 I 2 BGB, sondern auch der Beseitigungsanspruch des § 1004 I 1 BGB die drohende Verwirklichung des Risikos einer Beeintrchtigung voraus. Denn, wie dargelegt9, besteht ein Beseitigungsanspruch nur fr solche bereits eingetretene Beeintrchtigungen, die das Risiko ber den eingetretenen Nachteil hinausgehender Nachteile begrnden, so dass die Unterlassung der drohenden Beeintrchtigung die Beseitigung der bereits eingetretenen Beeintrchtigung bedingt. Die drohende Verwirklichung des Risikos setzt dabei das Bestehen einer Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr voraus. Diese bezieht sich auf die zeitliche Nhe und die Wahrscheinlichkeit des Risikoeintritts und wird anhand einer Interessenabwgung bestimmt.

A. Erstbegehungs- und Wiederholungsgefahr Da sich ein Risiko per definitionem zu verwirklichen droht, geht es bei der negatorischen Haftung um die Frage, wann das von der Verkehrspflicht erfasste Risiko eine derartige Gefahr der Beeintrchtigungen der geschtzten Rechtsgter und Rechte darstellt, dass der Betroffene einen Unterlassungsund Beseitigungsanspruch hat, mit dem er die Einhaltung der Verkehrs8 9

hnl. Fritzsche, S. 119. Siehe oben S. 73 ff.

III. Drohende Verwirklichung des Risikos

293

pflicht durchsetzen kann. Bei Unterlassungsansprchen kann eine derartige Gefahr der Beeintrchtigung entgegen dem Wortlaut des § 1004 I 2 BGB nicht nur im Falle einer Wiederholung vorliegen, sondern auch im Falle einer erstmaligen Beeintrchtigung10, da der Rechtsschutz andernfalls unvollstndig wre und hinsichtlich des Schutzbedrfnisses kein Unterschied zwischen einer Wiederholung und einer Erstbegehung besteht11. Die Wiederholungsgefahr unterscheidet sich von der Erstbegehungsgefahr vor allem dadurch, dass die bereits erfolgte Beeintrchtigung die tatschliche Vermutung der Gefahr weiterer Beeintrchtigungen begrndet12, whrend die Erstbegehungsgefahr tatschlich festgestellt werden muss, wofr der Klger darlegungs- und beweispflichtig ist13. Im brigen gelten jedoch fr die Erstbegehungs- und die Wiederholungsgefahr dieselben Voraussetzungen14, da es in beiden Fllen um die Vermeidung drohender Beeintrchtigungen geht, also den Schutz vor drohenden Risiken. Die genauen Voraussetzungen der Erstbegehungs- und Wiederholungsgefahr im Rahmen des § 1004 I 2 BGB sind dabei allerdings noch weitgehend offen. Zwar werden sie einerseits dahingehend verstanden, dass die bloße Mçglichkeit einer Beeintrchtigung nicht genge15, die Gefahr vielmehr ernsthaft drohen msse16 und sich so konkret abzuzeichnen habe, dass sich fr alle relevanten Tatbestandsmerkmale beurteilen lasse, ob sie verwirklicht sein werden17. Aber das bedeute andererseits nicht, dass die Beeintrchtigung mit Gewissheit einzutreten brauche, entsprechend dem ordnungsrechtlichen Gefahrbegriff genge vielmehr eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, die die ernsthafte Mçglichkeit des Eintritts der Gefahr

10 BGHZ 2, 394, 395 f.; BayObLG, NJW-RR 1987, 1040, 1041; Baur/Strner, § 12 Rn. 25; Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 76; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 95; Mnzberg JZ 1967, 689 f.; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 32; Soergel/Mnch, 12. Aufl., § 1004 Rn. 389. 11 Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 207; hnl. MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 95. 12 BGHZ 140, 1, 10; Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 76; MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 96. 13 BGH, NJW 1986, 2503, 2505; OLG Hamm, NJW-RR 1995, 1399, 1400; Erman/ Ebbing, § 1004 Rn. 77; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 52; fr das Wettbewerbsrecht etwa auch Baumbach/Hefermehl/Bornkamm, § 8 Rn. 1.17. 14 Vgl. BGH, NJW 1986, 2503, 2505; fr das Wettbewerbsrecht auch BGH, GRUR 1992, 318, 319; Teplitzky, Kap. 10 Rn. 2 m. w. N. 15 MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 96; RGRK-BGB/Pikart, § 1004 Rn. 103; in Bezug auf die nur abstrakte, theoretische Mçglichkeit von Beeintrchtigungen auch Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 80; Soergel/Mnch, 12. Aufl., § 1004 Rn. 200; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn 213. 16 Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 76; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 32. 17 So fr das Wettbewerbsrecht unter Verweis auf das anderweitig fehlende Rechtsschutzbedrfnis BGH, GRUR 1970, 305, 306 – Lçscaf; zustimmend Baumbach/Hefermehl/Bornkamm, § 8 Rn. 1.25.

294

§ 7 Eingetretene oder drohende Verwirklichung des Risikos

begrnde, wie gerade fr Immissionen angenommen wird18. Diese allgemeinen Feststellungen bedrfen der Konkretisierung.

B. Zeitliche Nhe des Eintritts Die bisherigen Konkretisierungsversuche haben dabei insbesondere auf die zeitliche Nhe der Verwirklichung des Risikos abgestellt, indem verlangt wird, dass die Beeintrchtigung unmittelbar bevorstehend drohe19 oder zumindest alsbald zu erwarten sein msse20. Als Kriterium dafr wird entweder genannt, dass weiteres Abwarten nicht zumutbar sein drfe, woran es fehle, wenn die Beeintrchtigung nicht unmittelbar bevorstehe, sondern noch weitere Zwischenschritte notwendig seien21, oder es wird darauf abgestellt, dass sich eine objektiv drohende Gefahr der Beeintrchtigung konkret abzeichne und ein Einschreiten erfordere22. Auch im Wettbewerbsrecht, in dem der Unterlassungsanspruch des § 8 I UWG bzw. § 1 UWG a. F. eine zentrale Rolle spielt23, wird vor allem auf die zeitliche Nhe der Verwirklichung eines Verstoßes gegen das Verbot des unlauteren Wettbewerbs abgestellt, whrend die Eintrittswahrscheinlichkeit nicht nher bestimmt wird. Auch dort gengt die Erstbegehungsgefahr, denn da zuknftige Beeintrchtigungen abgewehrt werden sollen, braucht der Eintritt der Beeintrchtigung nicht abgewartet zu werden24. Dabei kommt es allein darauf an, ob eine knftige Verletzung zu besorgen ist25. Dafr gengt jedoch nicht, dass die Beeintrchtigung nur denkbar oder mçglich ist26; es mssen vielmehr ernsthafte und greifbare tatschliche Anhaltspunkte fr den Eintritt der Beeintrchtigung vorhanden sein27. Vor allem aber wird auch hier auf die zeitliche Nhe des Eintritts abgestellt, indem verlangt wird, dass die Beeintrchtigung unmittelbar bevorsteht28 oder zumindest in naher Zukunft droht29. Die Ergebnisse des Wettbewerbsrechts sind zwar grundstzlich nur eingeschrnkt auf die negatorische 18

BGH, NJW 1997, 55. Fritzsche, S. 179. 20 Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 207. 21 OLG Frankfurt, OLGR 1996, 2. 22 BGHZ 155, 99, 106. 23 Im Rahmen des § 1004 BGB auf das Wettbewerbsrecht verweist etwa MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 96. 24 BGHZ 2, 394, 395 f.; BGH, GRUR 2001, 1174, 1175; Baumbach/Hefermehl/Bornkamm, § 8 Rn. 1.7. 25 BGH, GRUR 1992, 318; Baumbach/Hefermehl/Bornkamm, § 8 Rn. 1.11. 26 Fritzsche, S. 179; vgl. fr die Wiederholungsgefahr auch Baumbach/Hefermehl/ Bornkamm, § 8 Rn. 1.32. 27 BGH, GRUR 1992, 318, 319; BGH, GRUR 1999, 1097, 1099; BGH, GRUR 2001, 1174, 1175; hnl. Baumbach/Hefermehl/Bornkamm, § 8 Rn. 1.17. 28 Baumbach/Hefermehl/Bornkamm, § 8 Rn. 1.15; Fritzsche, S. 179. 29 Vgl. BGH, GRUR 1992, 318, 319; BGH, GRUR 1999, 1097, 1099; BGH, GRUR 2001, 1174, 1175. 19

III. Drohende Verwirklichung des Risikos

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Haftung gemß § 1004 I BGB bertragbar30, da mit den unlauteren Wettbewerbshandlungen des § 3 UWG in der Regel auf zuknftige Verletzungshandlungen abgestellt wird31, die vom Willen des Wettbewerbers abhngen, wie etwa die Berhmungsflle zeigen32, whrend der Anwendungsbereich des § 1004 BGB insbesondere im Umweltbereich vielfach dadurch geprgt ist, dass eine Situation vorliegt, aus der sich ohne weitere Handlungen eine Beeintrchtigung ergibt. Aber diese Einschrnkung ist hier nicht relevant, weil sich die zeitliche Nhe in diesen Konstellationen nicht anders darstellt. Fr die Unzumutbarkeit des weiteren Abwartens und die Erforderlichkeit eines Einschreitens stellen allerdings die dafr genannten Kriterien, dass sich die drohende Gefahr der Beeintrchtigung konkret abzeichnet und keine weiteren Zwischenschritte notwendig sind33, nur eine notwendige, nicht jedoch eine hinreichende Bedingung dar. Denn der Schutz vor einem Risiko ist grundstzlich umso wirksamer, je weniger lang abgewartet und je frher eingeschritten wird. Demgemß wird die notwendige zeitliche Nhe auch im Hinblick auf die Eintrittswahrscheinlichkeit bestimmt, wenn verlangt wird, dass die zeitlich Nhe umso grçßer sein msse, je weniger sicher der Eintritt der Gefahr ist34, so dass die Unzumutbarkeit des weiteren Abwartens und die Erforderlichkeit eines Einschreitens bei hoher Eintrittswahrscheinlichkeit frher vorliegen als bei geringer. Damit hngt die negatorische Haftung nicht nur von der zeitlichen Nhe, sondern auch von der Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Risikos der Beeintrchtigung ab.

C. Wahrscheinlichkeit des Eintritts Wann jedoch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit fr eine Eintrittsgefahr vorliegt, die Unterlassungs- und Beseitigungsansprche begrndet, und welche Kriterien fr deren Feststellung gelten, ist fr die negatorische Haftung weitgehend offen geblieben. Die bereits genannten Formulierungen, dass die bloße Mçglichkeit einer Beeintrchtigung nicht genge35 und dass die Gefahr ernsthaft drohen msse36, treffen noch keine Aussage, mit wel30

So ohne Begrndung auch MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 96. Vgl. etwa die Beispiele fr Verletzungshandlungen bei Baumbach/Hefermehl/Bornkamm, § 8 Rn. 1.23 ff. 32 Vgl. etwa BGH, GRUR 1957, 342, 345 – Underberg; BGH, GRUR 1963, 218, 220 – Mampe Halb und Halb II; BGH, GRUR 1987, 45, 46 – Sommerpreiswerbung; BGH, GRUR 1987, 125, 126 – Berhmung; BGH, GRUR 1988, 313 – Auto f. GmbH; BGH, GRUR 1990, 678, 679 – Herstellerkennzeichen auf Unfallwagen; BGH, GRUR 1992, 404, 405 – Systemunterschiede; Baumbach/Hefermehl/Bornkamm, § 8 Rn. 1.18 ff. m. w. N. 33 OLG Frankfurt, OLGR 1996, 2. 34 Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 207; hnl. Gerlach, S. 212 Rn. 564. 35 MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 96; RGRK-BGB/Pikart, § 1004 Rn. 103. 36 BGHZ 122, 283, 285; BGH, NJW 1997, 55; BGH, NJOZ 2005, 174, 177; Palandt/ Bassenge, § 1004 Rn. 32.; Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 76. 31

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§ 7 Eingetretene oder drohende Verwirklichung des Risikos

cher Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts eine Gefahr ernsthaft drohen muss. Auch die insbesondere Immissionen betreffende Formulierung, dass die Gefahr der Beeintrchtigung objektiv drohen sowie sich konkret abzeichnen und ein Einschreiten erfordern msse37, lsst den Grad der Eintrittswahrscheinlichkeit offen, ab dem sich ein Risiko konkret abzeichnet und ein Einschreiten erforderlich macht. hnlich bedarf die Formulierung, dass ein weiteres Abwarten nicht zumutbar sein drfe38, der Konkretisierung, welche Eintrittswahrscheinlichkeit ein Risiko unzumutbar macht. Die Bestimmung der fr das Eingreifen der negatorischen Haftung notwendigen Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos setzt demgemß eine Wertung voraus; der drohende Eintritt des Risikos ist insoweit ein unbestimmter Rechtsbegriff.

D. Interessenabwgung Die Wertung, die zur Bestimmung der drohenden Verwirklichung des Risikos als Voraussetzung der negatorischen Haftung notwendig ist, erfolgt im Rahmen einer Abwgung der Interessen der Beteiligten, die gegenber der Interessenabwgung zur Risikozuordnung eigenstndig ist, indem sie zwar aufgrund derselben Gesichtspunkte, aber in Bezug auf den Inhalt der negatorischen Haftung erfolgt.

1. Notwendigkeit der Interessenabwgung Die zur Bestimmung der von der negatorischen Haftung vorausgesetzten Eintrittswahrscheinlichkeit notwendige Wertung ist nur im Rahmen einer Interessenabwgung mçglich, da eine Pflicht zum Risikoschutz nur besteht, wenn die Interessen des Betroffenen diejenigen des Verantwortlichen berwiegen39. Demgemß ist die Eintrittswahrscheinlichkeit auch bereits in die Interessenabwgung zur Bestimmung der Verkehrspflichten eingeflossen, dort allerdings in Bezug auf die generelle Risikozuordnung nicht nur bei der negatorischen, sondern auch bei der deliktischen Haftung40. Eine Parallele findet sich im çffentlichen Sicherheitsrecht, in dem die Bestimmung der Polizeigefahr auch im Hinblick auf die Bedeutung der bedrohten Rechtsgter erfolgt41.

37

BGHZ 155, 99, 106. OLG Frankfurt, OLGR 1996, 2. 39 Vgl. oben S. 20. 40 Vgl. oben S. 247. 41 Vgl. fr das Polizeirecht Lisken/Denninger/Denninger, Rn. E 52; Friauf, Rn. 51; Schoch, Rn. 89; fr das Umweltrecht hnl. Breuer, Rn. 177; Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 16 (S. 176). 38

III. Drohende Verwirklichung des Risikos

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Die zur Bestimmung des drohenden Eintritts des Risikos notwendige Interessenabwgung geht ber die zur Bestimmung der Verkehrspflichten notwendige Interessenabwgung hinaus. Der Verstoß gegen eine Verkehrspflicht fhrt nur dazu, dass dem Verantwortlichen das Risiko zugewiesen wird, das Gegenstand der Verkehrspflicht ist, so dass beim Eintritt des Risikos sowie bei Rechtswidrigkeit und Verschulden des Verantwortlichen eine deliktische Haftung begrndet ist. Der Verstoß fhrt jedoch selbst dann, wenn der Eintritt des Risikos zeitnah droht, noch nicht notwendig zu einer negatorischen Haftung. Die Zuweisung des Risikos ist insoweit notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung fr Unterlassungs- und Beseitigungsansprche. Die Notwendigkeit einer Interessenabwgung, die ber die Abwgung der Interessen hinausgeht, die den Verkehrspflichten zugrunde liegt, ergibt sich schon daraus, dass bei der Bestimmung der Verkehrspflichten nur die Belastung zu bercksichtigen ist, die sich aus dem Aufwand fr den Ersatz des bei einem Verstoß gegen die Verkehrspflichten entstehenden Schadens ergibt und den Aufwand der Einhaltung der Verkehrspflichten nicht bersteigt42. Die Zuweisung des Risikos bercksichtigt die mit der negatorischen Haftung verbundene Belastung demgemß nur eingeschrnkt. Die Interessenabwgung im Rahmen der Bestimmung der Verkehrspflichten ist also in Bezug auf die negatorische Haftung unvollstndig. Sie ist zwar notwendig fr das Bestehen der negatorischen Haftung, weil diese die Verletzung einer Verkehrspflicht und damit verbunden die Zuweisung des Risikos zum Verantwortlichen voraussetzt. Aber darber hinaus ist es notwendig, auch diejenigen Gesichtspunkte in der Interessenabwgung zu bercksichtigen, die sich gerade auf die negatorische Haftung und die daraus folgenden Unterlassungs- und Beseitigungsansprche beziehen. Die negatorische Haftung setzt danach eine zweistufige Interessenabwgung voraus, zunchst im Rahmen der Verkehrspflichten zur Risikozuweisung als gemeinsame Voraussetzung der deliktischen und der negatorischen Haftung und sodann im Rahmen des qualifiziert drohenden Risikoeintritts als Voraussetzung nur der negatorischen Haftung. Denkbar wre zwar auch, nur eine einstufige Interessenabwgung vorauszusetzen, in die sowohl die Risikozuweisung als auch die spezifische Belastung der negatorischen Haftung einfließen, so dass die Interessenabwgung als Voraussetzung der negatorischen Haftung sich nur teilweise mit der Interessenabwgung als Voraussetzung der deliktischen Haftung berschneiden wrde. Demgemß kçnnte man auch terminologisch von unterschiedlichen Verkehrspflichten als Voraussetzung der negatorischen und der deliktischen Haftung ausgehen, die sich inhaltlich teilweise berschneiden. Aber dies erscheint insoweit ungenau, als damit die Risikozuweisung als gemeinsame 42

Siehe oben S. 256.

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§ 7 Eingetretene oder drohende Verwirklichung des Risikos

Voraussetzung der negatorischen und deliktischen Haftung verdeckt wrde und die Frage der Risikozuweisung mit der Frage der Durchsetzbarkeit vermengt wrde. Die zweistufige Interessenabwgung hat also den Vorteil dogmatischer Klarheit. Letztendlich sind die Unterschiede jedoch rein konstruktiver Art. Die zugrundeliegenden Wertungen und die Ergebnisse ndern sich dadurch nicht. Die weitergehende Interessenabwgung im Rahmen der negatorischen Haftung erscheint auch sinnvoll, weil sie es erlaubt, Risiken insofern unterschiedlich zu behandeln, als zwischen Risiken differenziert werden kann, die nur eine deliktische Haftung auf Schadensersatz nach sich ziehen, und solchen, die daneben auch eine negatorische Haftung auf Unterlassung oder Beseitigung auslçsen kçnnen, indem zwischen der Zuweisung eines Risikos und den daran anknpfenden Rechtsfolgen unterschieden wird. Ein Junktim, dass ein Risiko, das Schadensersatzansprche auslçsen kann, auch Unterlassungs- und Beseitigungsansprche zur Folge haben muss, erscheint nicht gerechtfertigt. Ebenso wenig muss aus der Rechtswidrigkeit des Verstoßes gegen eine Verkehrspflicht folgen, dass ein Anspruch auf Unterlassung oder Beseitigung besteht, da an ein rechtswidriges Verhalten durchaus unterschiedliche Rechtsfolgen geknpft werden kçnnen. Vielmehr schließt die Interessenabwgung die negatorische Haftung dort aus, wo die Durchsetzung der Verkehrspflichten mittels Beseitigungs- oder Unterlassungsansprchen aufgrund der Interessen der Beteiligten nicht gerechtfertigt erscheint. Weiter geht auch das Gesetz davon aus, dass die negatorische Haftung ausgeschlossen sein kann, ohne dass dies notwendig auch die deliktische Haftung trifft. So schließt etwa § 14 S. 1 BImSchG die negatorische Haftung aus, whrend § 14 S. 2 BImSchG weiterhin Schadensersatzansprche gewhrt. hnlich schließt zwar § 904 S. 1 BGB den negatorischen Anspruch des Betroffenen aus § 1004 BGB aus, whrend § 904 S. 2 BGB trotzdem Schadensersatz gewhrt, und auch der Ausgleichsanspruch in § 906 II 2 BGB macht deutlich, dass der Ausschluss von Ansprchen aus § 1004 BGB durch § 906 II 1 BGB die Schadensersatzpflicht jedenfalls nicht vollstndig ausschließt. Die in diesen Regelungen zum Ausdruck kommende Wertung, dass Unterlassungs- und Beseitigungsansprche in dem Sinne von Schadensersatzansprchen unabhngig sein kçnnen, dass Risiken, die bei ihrem Eintritt Schadensersatzansprche zur Folge haben, nicht notwendig auch Unterlassungs- oder Beseitigungsansprche begrnden, gilt auch fr das Verhltnis von negatorischer und deliktischer Haftung. Die negatorische Haftung muss demgemß jedenfalls nicht vollstndig auf den Wertungen der deliktischen Haftung beruhen. Die Mçglichkeit zwischen Risiken zu differenzieren, die nur eine deliktische Haftung auslçsen kçnnen, und solchen, die daneben auch eine negatorische Haftung auslçsen kçnnen, erscheint zudem insbesondere ange-

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sichts der bereits angesprochenen Bedingungen des Zusammenlebens in unserer modernen Welt, unter denen sich gegenseitige Beeintrchtigungen vielfach nicht vermeiden lassen43, sinnvoll. Denn sie erlaubt es nicht nur, im Sinne eines Alles-oder-Nichts-Grundsatzes ein Risiko entweder vollstndig dem Betroffenen zuzuweisen, so dass dieser keinerlei Ansprche geltend machen kann und sich selber schtzen muss, oder es vollstndig dem Verantwortlichen zuzuweisen, so dass dieser im Falle des Risikoeintritts Schadensersatz leisten muss und gezwungen werden kann, den Betroffenen vor dem Risiko zu schtzen. Sondern sie erlaubt es auch, das Risiko in dem Sinne zwischen dem Betroffenen und dem Verantwortlichen zu teilen, dass es zwar der Verantwortliche wirtschaftlich voll zu tragen hat, dass es aber insofern auch den Betroffenen trifft, als er das Risiko zunchst hinnehmen muss und den Verantwortlichen nicht zwingen kann, ihn vor dem Risiko zu schtzen. Soweit er den Eintritt des Risikos abwenden will, muss sich der Betroffene also selbst schtzen. Ansonsten kann er erst nach Eintritt des Risikos wirtschaftlichen Ersatz fr die eingetretenen Schden einschließlich der immateriellen Schden verlangen. Die Mçglichkeit des Auseinanderfallens von negatorischer und deliktischer Haftung hat dabei nicht notwendig zur Folge, dass der durch die negatorische und deliktische Haftung gewhrte Schutz vor Risiken abgesenkt wird. Denn die weitergehende Interessenabwgung der negatorischen Haftung ermçglicht es, auch dort wenigstens einen Schadensersatzanspruch zu gewhren, wo Unterlassungs- und Beseitigungsansprche nicht mehr gerechtfertigt wren, whrend eine einheitliche Interessenabwgung dazu zwingen wrde, auch dort keine deliktische Haftung zu gewhren, wo nur die negatorische Haftung nicht mehr gerechtfertigt wre.

2. Inhalt der Interessenabwgung Die Interessenabwgung zur Bestimmung der von der negatorischen Haftung vorausgesetzten Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos erfolgt aufgrund derselben Gesichtspunkte, die fr die Zuweisung des Risikos im Rahmen der Bestimmung der Verkehrspflichten zu bercksichtigen sind und oben dargelegt wurden44. Denn bei der Bestimmung der Eintrittswahrscheinlichkeit und der Verkehrspflichten stehen sich dieselben Interessen gegenber. In beiden Fllen geht es um die Abgrenzung der Freiheitssphren des potentiell Verantwortlichen und des Betroffenen. Allerdings unterscheidet sich die Interessenabwgung zur Bestimmung der Eintrittswahrscheinlichkeit insofern von derjenigen zur Bestimmung der Verkehrspflichten, als sie in Bezug auf den Inhalt der negatorischen 43 44

Vgl. oben S. 17. Siehe oben S. 247 ff.

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Haftung erfolgt, also das in Frage stehende Verhalten. Die Interessenabwgung zur Bestimmung der Verkehrspflichten bercksichtigt nur die Belastung, die sich aus dem Aufwand fr den Ersatz des bei einem Verstoß gegen die Verkehrspflichten entstehenden Schadens ergibt und den Aufwand der Einhaltung der Verkehrspflichten nicht bersteigt, bercksichtigt die mit der negatorischen Haftung verbundene Belastung demgemß nur eingeschrnkt und ist demgemß in Bezug auf die negatorische Haftung unvollstndig45. Demgegenber bercksichtigt die Interessenabwgung zur Bestimmung der Eintrittswahrscheinlichkeit auch den Inhalt des in Frage stehenden negatorischen Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs und die damit verbundene Belastung fr den Verantwortlichen. Die Interessenabwgung zur Bestimmung der Verkehrspflichten und die Interessenabwgung zur Feststellung der drohenden Risikoverwirklichung unterscheiden sich demgemß vor allem hinsichtlich der Belastung des Verantwortlichen und des Betroffenen. Die Belastung des Verantwortlichen ist insofern hçher, als ihm nicht mehr die Wahl bleibt, ob er die Verkehrspflichten einhlt oder die Gefahr des Risikoeintritts und damit verbundener Schadensersatzansprche in Kauf nimmt. Dies trifft ihn insbesondere dann, wenn entsprechend der Learned Hand-Formel die Kosten der Erfllung der Verkehrspflichten ber dem Produkt aus Schadenshçhe und Eintrittswahrscheinlichkeit liegen46. Die Belastung des Betroffenen kann insbesondere dadurch beeinflusst werden, dass er Nachteile erleidet, die sich durch einen deliktischen Schadensersatzanspruch nur unvollstndig kompensieren lassen. Dies gilt insbesondere, wenn seine Interessen bereits durch das drohende Risiko beeintrchtigt werden, ohne dass dadurch bereits ein Schadensersatzanspruch ausgelçst wird. Eine Verschiebung der Interessenabwgung zu Gunsten des Verantwortlichen wird demgemß vor allem dann vorkommen, wenn der drohende Schaden und der Rang des bedrohten Rechtsguts oder die Eintrittswahrscheinlichkeit relativ gering sind, whrend die Belastung des Verantwortlichen durch die notwendigen Schutzmaßnahmen unverhltnismßig hoch oder sogar unzumutbar ist. Denn dann steht der Annahme von Verkehrspflichten nicht die mit ihnen verbundene Belastung des Verantwortlichen entgegen, so dass deliktische Schadensersatzansprche nicht ausgeschlossen sind, whrend der Annahme negatorischer Unterlassungs- und Beseitigungsansprche die Belastung des Verantwortlichen durch die Schutzmaßnahmen entgegen steht, die Inhalt der negatorischen Haftung sind. Allerdings gilt im Rahmen der drohenden Risikoverwirklichung wie im Rahmen der Verkehrspflichten, dass die Belastung des Verantwortlichen erst dann ins Gewicht fllt, wenn sie unverhltnismßig ist, so dass die Belastung ent45 46

Siehe oben S. 256. Vgl. oben S. 23.

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sprechend der Learned Hand-Formel und die Verteilung der Kosten entsprechend der Figur des cheapest cost avoiders strukturell hinter den zugunsten des Betroffenen zu bercksichtigenden Gesichtspunkten zurcktreten47. Demgemß bedarf es jeweils grundstzlich einer Abwgung aller Interessen, die ein Auseinanderfallen von negatorischer und deliktischer Haftung zum Ergebnis haben kann, aber nicht muss. Die negatorische Haftung stellt aber auch unabhngig davon, wie die konkrete Belastung des Verantwortlichen durch die Pflicht zur Einhaltung aussieht, gegenber der deliktischen Haftung insoweit die einschneidendere Rechtsfolge fr den Verantwortlichen dar, als ihm damit die Wahl genommen wird, ob er die Verkehrspflichten einhlt oder die Gefahr des Risikoeintritts und damit verbundener Schadensersatzansprche in Kauf nimmt. Denn durch die negatorische Haftung werden die Verhaltensstandards der Verkehrspflichten zu direkten Verhaltenspflichten, whrend sie bei einer lediglich deliktischen Haftung nur indirekte Verhaltenspflichten darstellen, indem sie das Verhalten des Verantwortlichen zwar beeinflussen, aber nicht erzwingen48. Aufgrund dieser Einschrnkung der Handlungsfreiheit des Verantwortlichen verschiebt die negatorische Haftung die Interessenabwgung zu dessen Gunsten, da die darin liegende Belastung der Begrndung bedarf, und zwar unabhngig davon, ob sie mit einer wirtschaftlichen Belastung verbunden ist. Demgemß muss die Eintrittswahrscheinlichkeit, die fr ein qualifiziert drohendes Risiko als Voraussetzung der negatorischen Haftung notwendig ist, zumindest tendenziell hçher liegen als die Eintrittswahrscheinlichkeit, die das Bestehen einer Verkehrspflicht begrndet hat. Insoweit sind die Voraussetzungen der negatorischen Haftung also grundstzlich strenger als diejenigen der deliktischen Haftung.

3. Umweltrelevanz Das Ziel eines mçglichst effektiven Umweltschutzes spricht nicht gegen die Mçglichkeit des Auseinanderfallens von negatorischer und deliktischer Haftung. Im Sinne eines mçglichst effektiven Schutzes der Umwelt wre es zwar vielfach besser, wenn der deliktischen Haftung jeweils eine negatorische Haftung vorgelagert wre, da Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch unmittelbar auf die Verhinderung des Nachteils gerichtet sind, whrend Schadensersatzansprche nur eingetretene Nachteile ausgleichen kçnnen und dieser Ausgleich auch hufig nur wirtschaftlicher Art und unvollstndig ist sowie vom Willen des Inhabers abhngt49. Insoweit streitet der 47

Siehe oben S. 254 ff. Siehe oben S. 145 ff. 49 Zu den denkbaren Einschrnkungen der Dispositionsfreiheit etwa Godt, S. 263 ff.; Staudinger/Schiemann, § 249 Rn. 188; Wezel, S. 139 ff. 48

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Umweltschutz auch bei der weitergehenden Interessenabwgung im Rahmen der negatorischen Haftung fr eine Verschiebung der Gewichte zulasten des potentiell Verantwortlichen. Aber dies ist nicht notwendig der Fall. Vielmehr kçnnen Umweltschutzgesichtspunkte auch auf der Seite des potentiell Verantwortlichen zu bercksichtigen sein, wie sich etwa bei der Streupflicht oder auch bei Pflichten bezglich von Anpflanzungen zeigt50, so dass es auch im Interesse des Umweltschutzes liegen kann, die negatorische Haftung aufgrund der damit verbundenen Umweltbelastung auszuschließen und den Betroffenen auf die deliktische Schadensersatzhaftung zu verweisen. Bezogen auf die Ausgangsflle lag im ersten Fall eine hohe Wahrscheinlichkeit der erneuten Beeintrchtigung durch die Anschwemmung von Oberflchenwasser vor, die auch zeitlich in dem Sinne unmittelbar bevorstand, dass jederzeit, nmlich beim nchsten heftigen Regen, mit ihr zu rechnen war, so dass bereits unabhngig von Umweltschutzgesichtspunkten eine drohende Verwirklichung des Risikos gegeben war, die fr die negatorische Haftung gengt. Im zweiten Fall war ein drohendes Risiko insoweit gegeben, als das Altreifenmaterial nicht nur auf dem von ihm zu trennenden Grundstck lagerte, sondern darber hinaus auch eine weder mit dem Material noch mit dem Grundstck stoffgleiche Umweltgefahr von ihm ausging51. Auch die zeitliche Nhe und die hohe Eintrittswahrscheinlichkeit waren gegeben, da das Material offenbar bereits zu Umweltschden fhrte.

IV. Eingetretene Verwirklichung des Risikos Die deliktische Haftung des § 823 I BGB setzt grundstzlich die Kausalitt der Pflichtwidrigkeit fr die Verletzung und den Schaden voraus, die geltend gemacht werden. Allerdings ist aufgrund der Parallelen zwischen negatorischer und deliktischer Haftung eine erweiterte Zurechnung im Rahmen des § 830 I 2 BGB mçglich.

A. Kausalitt der Pflichtwidrigkeit Das Risiko, das Gegenstand der Verkehrspflichten ist, muss sich durch die Verletzung eines geschtzten Rechtsguts oder Rechts verwirklicht haben. Voraussetzung ist also zunchst eine Verkehrspflicht des Verantwortlichen, die den Betroffenen vor dem Risiko der Verletzung seiner geschtzten Rechtsgter und Rechte schtzen soll. Gegen diese Verkehrspflicht muss 50 51

Siehe oben S. 284. Siehe oben S. 77.

IV. Eingetretene Verwirklichung des Risikos

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der Verantwortliche verstoßen haben. Durch diesen Verstoß mssen Rechtsgter oder Rechte des Betroffenen verletzt werden. Dabei gengt nicht, dass das gegen die Verkehrspflicht verstoßende Verhalten kausal fr die Verletzung ist. Vielmehr muss die Verletzung gerade darauf beruhen, dass sich das Risiko verwirklicht, gegen das die Verkehrspflicht schtzen wollte und das gerade durch den Verstoß gegen die Verkehrspflicht bestand, also dadurch geschaffen, erhalten oder vergrçßert wurde. Die haftungsbegrndende Kausalitt52 besteht also nicht direkt zwischen dem Verhalten des Verantwortlichen und dem Eintritt des Nachteils an den geschtzten Rechtsgtern und Rechten, sondern nur indirekt, indem sie durch den Verstoß gegen eine Verkehrspflicht vermittelt wird. Wendet man die Adquanztheorie an53, muss demgemß der Nachteil an den geschtzten Rechtsgtern und Rechten nicht adquate Folge des Verhaltens an sich sein, sondern nur, soweit das Verhalten auch eine Verkehrspflichtverletzung darstellt54. Die Verkehrspflichtverletzung muss also im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen Umstnden, die unwahrscheinlich und nach dem gewçhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassen sind, geeignet sein, den eingetretenen Nachteil herbeizufhren55. Umgekehrt muss damit die Einhaltung der Verkehrspflicht im Allgemeinen und nicht nur unter den genannten Umstnden geeignet gewesen sein, den eingetretenen Nachteil zu vermeiden56. Entscheidend dafr, ob sich das Risiko, das Gegenstand der verletzten Verkehrspflicht ist, verwirklicht hat, ist jedoch der Schutzzweck. Aus der Adquanztheorie ergibt sich nur ein Anhaltspunkt dafr, ob ein Nachteil als Verwirklichung des Risikos aufzufassen ist, da sie unter dem Vorbehalt der Korrektur durch die Schutzzwecklehre steht, die damit letztendlich maßgeblich ist, ohne dass die Adquanztheorie gnzlich funktionslos wre57. Denn nur dann, wenn die verletzte Verkehrspflicht entsprechend der Schutzzwecklehre gerade den Betroffenen mit seinem betroffenen Rechtsgut oder Recht vor der konkreten Art der Beeintrchtigung schtzen will58, was auf der Grundlage der hier vertretenen Verhaltenshaftung auch den Erfolg umfasst59, stellt der eingetretene Nachteil auch die Verwirklichung des Risikos dar, das Gegenstand der verletzten Verkehrpflicht ist. 52 Zur Unterscheidung zwischen haftungsbegrndender und haftungsausfllender Kausalitt Lange, in: Lange/Schiemann, § 3 II (S. 77 f.). 53 Dazu etwa Lange, in: Lange/Schiemann, § 3 VI (S. 82 ff.); Staudinger/Schiemann, § 249 Rn. 19 ff.; kritisch etwa Esser/Schmidt, Schuldrecht I/2, § 33 II (S. 231 ff.); fehlende Relevanz in der Rechtsprechung konstatiert Schiemann, KF 1999, S. 7, 23. 54 Vgl. von Bar, AcP 203 (2003), 859, 861. 55 So etwa BGHZ 57, 137, 141; BGH, NJW 1995, 126, 127; BGH, NJW 2002, 2232, 2233; BGH, NJW 2005, 1420, 1421; Erman/Ebert, Vor §§ 249–253 Rn. 31; Palandt/Heinrichs, Vorb. v. § 249 Rn. 59. 56 Vgl. auch Staudinger/Schiemann, § 249 Rn. 19. 57 Vgl. MnchKomm-BGB/Oetker, § 249 Rn. 113 f.; Palandt/Heinrichs, Vorb. v. § 249 Rn. 61; Staudinger/Schiemann, § 249 Rn. 22.

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Dabei wird der Schutzbereich zwar durch die Verkehrspflicht definiert und kann sich direkt aus der Verkehrspflicht ergeben, weil die Verkehrspflichten ja gerade Risiken zum Gegenstand haben. Die Notwendigkeit der Ermittlung des Schutzbereichs der Verkehrspflicht entfllt dadurch jedoch nicht60, sondern wird nur erleichtert. Die deliktische Haftung setzt voraus, dass die Verkehrspflicht gerade dem Schutz vor dem Risiko dient, das sich verwirklicht hat61. Demgemß bedarf die Feststellung der deliktischen Haftung notwendig sowohl der Ermittlung des Schutzbereichs der Verkehrspflicht, also der von ihr erfassten Risiken, als auch der Feststellung, dass der eingetretene Nachteil zu diesen Risiken gehçrt.

B. Erweiterte Zurechnung aufgrund der Parallelen zur negatorischen Haftung Nach berkommener Ansicht setzt die haftungsbegrndende Kausalitt notwendig voraus, dass die quivalente Kausalitt des Verhaltens fr die eingetretene Verletzung im Sinne einer conditio sine qua non nachgewiesen werden kann62. Dieser Nachweis fllt schwer, wenn sich mehrere Risiken berlagern, indem sich bei einem eingetretenen Nachteil mehrere Risiken verwirklicht haben oder haben kçnnen. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit Umweltschden63. Demgegenber ergibt sich aus den zwischen der negatorischen und der deliktischen Haftung bestehenden Parallelen, dass das Erfordernis der Zurechnung nicht nur zu einer Einschrnkung der quivalenten Kausalitt fhrt64, sondern auch zu einer Erweiterung fhren kann, was im Rahmen der vorliegenden Arbeit allerdings nur skizziert werden kann. 58 Vgl. BGH, NJW 2003, 1929, 1930; Lange, in: Lange/Schiemann, § 3 IX 7 (S. 113 ff.); bezogen auf den Schaden auch Erman/Ebert, Vor §§ 249–253 Rn. 34; Palandt/Heinrichs, Vorb. v. § 249 Rn. 62. 59 Anders MnchKomm-BGB/Oetker, § 249 Rn. 121; Staudinger/Schiemann, § 249 Rn. 31 ff. 60 So aber Soergel/Spickhoff, § 823 Rn. 28. 61 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 6 c (S. 425); MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 282. 62 BGHZ 2, 138, 141; BGHZ 25, 86, 88; Bamberger/Roth/Schubert, § 249 Rn. 45; Ermann/Kuckuk, Vor §§ 249–253 Rn. 30; MnchKomm-BGB/Oetker, § 249 Rn. 98; Taupitz, in: Umweltrisiken, S. 41 f.; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 149 f.; Staudinger/Schiemann, § 249 Rn. 8. 63 Assmann, in: Nicklisch, S. 155, 157 f.; Brggemeier, KritV 1991, 297 ff.; Godt, S. 184; G. Hager, ZEuP 1997, 9, 22; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 139 ff.; H. Westermann, FS Larenz, 1973, S. 1011 f.; Wiese, ZRP 1998, 27; Wolfrum/Langenfeld, 263 ff.; von einem zentralen Problem der Umwelthaftung sprechen Medicus, Schuldrecht II, Rn. 902; Schwabe, VersR 1995, 371. 64 Vgl. Erman/Kuckuk, Vor §§ 249–253 Rn. 31, 34; MnchKomm-BGB/Oetker, § 239 Rn. 111; Palandt/Heinrichs, Vorb v § 249 Rn. 58; Staudinger/Schiemann, § 249 Rn. 12.

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1. Anteilshaftung oder Wahrscheinlichkeitshaftung Dabei geht es weder um die Einfhrung einer eigenstndigen Anteilshaftung, wie sie in den USA mit der Haftung mehrerer mçglicher Schdiger nach ihren Marktanteilen angenommen wurde65 und in den Niederlanden sogar mit einer gesamtschuldnerischen Haftung verbunden wurde66, noch um eine statistische Wahrscheinlichkeitshaftung, bei der ein mçglicher Schdiger, der das Risiko einer Schdigung schafft, fr den Schadensanteil entsprechend der ihm zurechenbaren Risikoerhçhung haftet67. Der Vorschlag, davon auch im deutschen Recht auszugehen68, wird de lege lata ganz berwiegend abgelehnt, weil nach § 823 I und § 830 I BGB die Feststellung einer konkreten Beziehung zwischen Schdiger und Schaden erforderlich sei69, whrend er de lege ferenda insbesondere im Hinblick auf die damit verbundene Prventionswirkung zum Teil begrßt wird70.

2. Erweiterte Anwendung des § 830 I 2 BGB Vielmehr geht es hier nur darum, dass eine deliktische Haftung auch dort mçglich ist, wo der Nachweis der Kausalitt im Sinne einer conditio sine qua non nicht mçglich ist. Anzuknpfen ist dabei an § 830 I 2 BGB, wobei es jedoch nicht um eine Erweiterung der Vorschrift de lege ferenda geht71, sondern bereits um ihre erweiterte Anwendung de lege lata.

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So Supreme Court, Sindell vs. Abbott Laboratories, 26 3d 588, 607 P.2d 924 (1980). So unter Anwendung von Art. 6:99 NBW Hooge Raad vom 9. 10. 1992, NJ 1994 Nr. 535; vgl. von Bar, 62. DJT, S. A 70 f.; H. P. Westermann/May, DZWIR 1993, 257, 258 f. 67 Vgl. G. Hager, ZEuP 1997, 9, 24 f. 68 So insbesondere fr Umweltschden Kçndgen UPR 1983, 345, 346 f.; de lege ferenda auch Wiese, ZRP 1998, 27; vgl. auch K. Otte, Marktanteilshaftung, S. 90 ff.; Salje/Peter/ Salje, UmweltHG, § 1, 3 Rn. 136 ff.; vgl. Meyer-Abich, ZRP 1999, 428, 430. 69 BGH, NJW 1994, 932, 934; Bamberger/Roth/Spindler, § 830 Rn. 37; von Bar, 62. DJT, S. A 69 ff.; Brggemeier, Haftungsrecht, S. 190 ff.; U. Diederichsen, 56. DJT, S. L 48, 88 f.; Eberl-Borges, AcP 196 (1996), 491, 537; G. Mller, VersR 1998, 1182, 1185 f.; Soergel/Krause, § 830 Rn. 29; zwischen haftungsbegrndender und haftungsausfllender Kausalitt unterscheidend Taupitz, FS Canaris I, S. 1231, 1233 ff., 1238 ff.; zur Wahrscheinlichkeitshaftung auch von Bar, KF 1987, S. 15 ff.; G. Hager, NJW 1986, 1961, 1967; vgl. auch Paschke, § 1 Rn. 87; Quentin, S. 246 ff.; Schwabe, VersR 1995, 371. 70 So Wiese, ZRP 1998, 27, 30 f.; vgl. auch Assmann, in: Fenyves/Weyers, S. 99, 149 f.; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 56; Wiese, Umweltwahrscheinlichkeitshaftung, S. 157 ff.; skeptisch jedoch Adams, ZZP 99 (1986), 129, 158 ff.; Schfer/Ott, S. 274 ff.; differenzierend Bodewig, AcP 185 (1985), 505, 542 ff. 71 So tendenziell aber Bodewig, AcP 185 (1985), 505, 542 ff.; in diese Richtung auch Braun, NJW 1998, 2318, 2320 f.; dagegen etwa Assmann, in: Nicklisch, S. 155, 169; kritisch auch Bamberger/Roth/Spindler, § 830 Rn. 37; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 830 Rn. 56. 66

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a) Begrndung des § 830 I 2 BGB Ausgangspunkt ist dabei, dass die alternative Kausalitt, die in § 830 I 2 BGB geregelt ist72, ebenfalls keine Kausalitt im Sinne der quivalenztheorie voraussetzt, sondern bereits die Eignung des Verhaltens des mçglicherweise Verantwortlichen zur Verursachung der Verletzung und des Schadens gengen lsst, also die mçgliche Kausalitt, wenn der Erfolg eintritt73. Allerdings reicht die mit dem Eintritt des Erfolgs verbundene mçgliche Kausalitt noch nicht aus, um die Haftung zu begrnden. Dabei wird berwiegend angenommen, dass die Haftung des mçglicherweise Verantwortlichen aus § 830 I 2 BGB auf dem durch sein Verhalten und dessen mçgliche Kausalitt gesetzten Risiko beruhe, dass dem Betroffenen der Nachweis der Voraussetzungen fr seinen Schadensersatzanspruch gegen einen anderen mçglicherweise Verantwortlichen nicht gelingt74, der Verantwortliche also insoweit fr die Schaffung von Unsicherheit oder Unaufklrbarkeit haftet75, weil er die Beweisnot des Betroffenen durch ein deliktsrechtlich voll zurechenbares Verhalten hervorgerufen hat76. Diese Ansicht htte zur Konsequenz, dass der andere mçglicherweise Verantwortliche dann nicht haftet, wenn sich die Verletzung und der Schaden auch aus bloßem Zufall oder dem Verhalten eines deliktsrechtlich nicht Verantwortlichen oder des Betroffenen selbst htte ergeben kçnnen77, so dass andere mçglicherweise Verantwortliche etwa bei Umweltschden dann nicht haften wrden, wenn ihr Verhalten zwar mçglicherweise oder sogar sehr wahrscheinlich urschlich fr die Schden war, aber nicht vçllig ausgeschlossen werden kann, dass die Schden auf einer natrlichen Ursache beruhen. Um zu vermeiden, dass durch die Mçglichkeit einer anderen, nicht zu einer deliktischen Haftung fhrenden Ursache die Haftung des potentiell Verantwortlichen entfallen kann, obwohl sich an der mçglichen Kausalitt und Schadenseignung von dessen Verhalten nichts gendert hat, wird vorgeschlagen, § 830 I 2 BGB als Haftung fr die konkrete Schadenseignung des Verhaltens der mçglicherweise Verantwortlichen aufzufassen, so dass die Haftung nicht schon aufgrund der Mçglichkeit der Haftung eines weiteren Beteiligten entfallen wrde, worin ein unverdienter Glcksfall lge78. 72

Erman/Schiemann, § 830 Rn. 5. Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 82 II 1 a (S. 571); hnl. Bamberger/Roth/ Spindler, § 830 Rn. 16. 74 So BGHZ 72, 355, 358; Erman/Schiemann, § 830 Rn. 2. 75 hnl. Bamberger/Roth/Spindler, § 830 Rn. 18; Eberl-Borges, AcP 196 (1996), 491, 502 ff., 510 f.; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 830 Rn. 29. 76 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 82 1 b (S. 571). 77 Vgl. Assmann, in: Fenyves/Weyers, S. 99, 130 ff.; Bamberger/Roth/Spindler, § 830 Rn. 18; Erman/Schiemann, § 830 Rn. 2; Esser/Weyers, § 60 I 1 c (S. 232); Schiemann, FS Canaris I, S. 1161, 1167; Soergel/Krause, § 830 Rn. 22 f.; Taupitz, 66. DJT, S. L 57, 77. 73

IV. Eingetretene Verwirklichung des Risikos

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Diese Auffassung hat zur Konsequenz, dass der Haftungsgrund nicht in der durch das Verhalten verursachten Unaufklrbarkeit liegt, sondern in der pflichtwidrigen Schaffung oder Aufrechterhaltung eines Risikos, das zur Herbeifhrung der Verletzung und des Schadens geeignet war. Gegen diese Auffassung kann nicht eingewendet werden, dass die potentielle Kausalitt allein zu nichts verpflichte, sondern nur zusammen mit dem Nachweis aller anderen Voraussetzungen eines Haftungstatbestandes haftungsbegrndend wirke79. Dieser Einwand ist nicht mit der oben herausgearbeiteten Parallele der deliktischen mit der negatorischen Haftung vereinbar, wonach beide Haftungen auf einer Pflichtverletzung beruhen. Demgemß kann fr die Begrndung der negatorischen Haftung bereits die potentielle Kausalitt gengen, da es an einer tatschlichen Kausalitt aufgrund der Zukunftsgerichtetheit der negatorischen Haftung notwendig fehlt. Haftungsbegrndend ist insoweit die Pflichtverletzung, also das Bestehen einer Verkehrspflicht, gegen die verstoßen wird, verbunden mit der drohenden Verwirklichung des Risikos. Eine Pflichtverletzung liegt jedoch auch bei § 830 I 2 BGB vor, da dort abgesehen von der nicht ermittelbaren Schadensverursachung alle Voraussetzungen einer unerlaubten Handlung vorliegen mssen80. Auch die drohende Verwirklichung des Risikos ist gegeben, wenn man die Geeignetheit des Verhaltens des mçglicherweise Verantwortlichen fr die eingetretene Verletzung und den daraus resultierenden Schaden, die bei § 830 I 2 BGB an die Stelle der ungeklrten Herbeifhrung der Verletzung und des Schadens tritt81, so interpretiert, dass sie nicht schon bei der mçglichen Kausalitt des Verhaltens fr das Risiko vorliegt, sondern erst, wenn durch das Verhalten das Risiko so groß wird, dass es zu einer konkreten Gefahr wird82, die Geeignetheit also im Hinblick auf die drohende Verwirklichung des Risikos bestimmt. Auch der Einwand, dass der dem Haftungsrecht zugrundeliegende Grundsatz casum sentit dominus berspielt werde83, greift zu kurz. Zwar trifft es zu, dass dort, wo nach § 830 I 2 BGB auch gehaftet wird, obwohl die Mçglichkeit einer anderen, nicht zu einer deliktischen Haftung fhrenden Ursache fr die Verletzung und den Schaden besteht, auch gehaftet werden kann, wenn der Schaden auf Zufall beruht. Aber letztendlich ist ei78 So Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 82 II 3 b (S. 578); hnl. Gottwald, KF 1986, S. 3, 21 f.; Rçckrath, S. 214 ff.; fr Massenschden auch J. Hager, FS Canaris I, S. 403, 418 f.; ohne Begrndung ablehnend Soergel/Krause, § 830 Rn. 15. 79 So aber MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 830 Rn. 29. 80 BGH, NJW 1994, 932, 934; BGH, NJW 1995, 1286, 1288; Erman/Schiemann, § 830 Rn. 6; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 36. 81 BGHZ 89, 383, 399; Erman/Schiemann, § 830 Rn. 6. 82 Assmann, in: Nicklisch, S. 155, 169; von einer konkreten Eignung aufgrund hoher Wahrscheinlichkeit zur Herbeifhrung des Schadens spricht hier Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 82 II 2 c (S. 574). 83 Erman/Schiemann, § 830 Rn. 2; hnl. im Hinblick auf die Beweislastverteilung Bamberger/Roth/Spindler, § 830 Rn. 18.

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§ 7 Eingetretene oder drohende Verwirklichung des Risikos

nes der Ziele des Deliktsrechts die Abgrenzung zwischen Verantwortung und Zufall; der Zufall ist dem Deliktsrecht also nicht vorgegeben, sondern wird durch dieses definiert, indem er sich als Abwesenheit der deliktischen Haftung darstellt. Sieht man den Haftungsgrund der deliktischen Haftung in Parallele zur negatorischen Haftung in der pflichtwidrigen Setzung oder Aufrechterhaltung eines Risikos84, geht demgemß die Verantwortlichkeit fr zufllige Beeintrchtigungen und daraus resultierende Schden mit dem Bestehen dieses Haftungsgrunds vom Betroffenen auf den fr das Risiko Verantwortlichen ber. Wie die berkommene Anwendung des § 830 I 2 BGB zeigt, fhrt die Setzung oder Aufrechterhaltung des Risikos dazu, dass der dafr Verantwortliche auch dann nicht schutzwrdig erscheint, wenn nicht nachgewiesen werden kann, dass sich dieses Risiko verwirklicht hat. Warum sich daran etwas ndern soll, wenn nicht nachgewiesen werden kann, dass die Beeintrchtigung nicht auf Zufall oder sonst einer Ursache beruht, die nicht zu einer deliktischen Haftung fhrt, lsst sich jedenfalls aus der Perspektive des Verantwortlichen nicht begrnden. Aus der Perspektive des Betroffenen ergibt sich auf der Grundlage des Risikos als Haftungsgrund ebenfalls kein zwingendes Argument gegen den bergang der Verantwortlichkeit. Denn er bekommt dann keinen Schadensersatz fr zufllige Schden, sondern fr solche Schden, fr die der Verantwortliche ein Risiko gesetzt hat, und bei denen nicht nachweisbar ist, ob sich dieses oder ein anderes Risiko einschließlich des Zufalls verwirklicht hat. Zwar besteht die Mçglichkeit, dass er auch dort Schadensersatz erhlt, wo der Schaden auf Zufall beruht. Aber dies ist darauf zurckzufhren, dass gerade nicht nachweisbar ist, ob der Schaden auf Zufall beruht, so dass es um die Verantwortlichkeit fr die mangelnde Nachweisbarkeit geht. Demgemß besteht auch die Mçglichkeit, dass er Ersatz fr einen Schaden erhlt, der tatschlich auf dem Risiko beruht, das der Ersatzpflichtige gesetzt hat. Die Problematik des Arguments, dass die Anwendung des § 830 I 2 BGB auch in den Fllen, in denen die Mçglichkeit einer anderen, nicht zu einer deliktischen Haftung fhrenden Ursache fr die Verletzung und den Schaden bestehe, zu einer Haftung fr Zufall fhren kçnne, die den Grundsatz casum sentit dominus berspiele85, zeigt sich dabei besonders deutlich, wenn man mit der berkommenen Ansicht davon ausgeht, dass § 830 I 2 BGB nur anwendbar ist, wenn fr die alternative Ursache ebenfalls deliktisch gehaftet werden wrde86, da dann der umgekehrte Fall vorliegt, dass die Haftung ausgeschlossen sein kann, obwohl der Schaden auf dem Verhalten eines an sich deliktsrechtlich Verantwortlichen beruht. Dies zeigt, dass sich im Zusammenhang mit § 830 I 2 BGB schlecht mit der 84

Vgl. oben S. 151 ff. Erman/Schiemann, § 830 Rn. 2; hnl. im Hinblick auf die Beweislastverteilung Bamberger/Roth/Spindler, § 830 Rn. 18. 86 So Soergel/Krause, § 830 Rn. 22; Staudinger/Belling/Eberl-Borges, § 830 Rn. 83 f. 85

IV. Eingetretene Verwirklichung des Risikos

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Mçglichkeit argumentieren lsst, dass seine Anwendung im konkreten Fall zu unerwnschten oder systemwidrigen Ergebnissen fhren kann, weil es fr seinen Anwendungsbereich gerade charakteristisch ist, dass nicht nachweisbar ist, ob er im konkreten Fall zu einem solchen Ergebnis fhrt.

b) § 830 I 2 BGB als Risikohaftung bei Unsicherheit Die deliktische Haftung aufgrund des § 830 I 2 BGB setzt also weder voraus, dass der Schaden auf Zufall beruht noch dass er durch den Verantwortlichen verursacht wurde, sondern dass weder das eine noch das andere nachweisbar ist. Es wird also insoweit nicht fr Zufall gehaftet, sondern fr mangelnde Nachweisbarkeit, die nicht auf Zufall beruht, sondern auf dem Verhalten des Verantwortlichen und dem dadurch gesetzten oder aufrechterhaltenen Risiko. Insoweit ließe sich von einer Haftung fr Unsicherheit sprechen87. Diese Unsicherheit besteht dabei auch dann, wenn die Alternative nicht auf die deliktische Haftung eines anderen Beteiligten beschrnkt ist. Demgemß geht es nicht um eine Haftung dafr, dass ohne das auf dem eigenen Verhalten des Verantwortlichen beruhende Risiko die deliktische Haftung eines anderen Beteiligten nachgewiesen werden kçnnte88. Denn dieser Nachweis gelingt nur dort, wo nur zwei Beteiligte alternativ haften, nicht jedoch, sobald weitere Beteiligte haften kçnnen. Vielmehr geht es um eine Haftung fr ein durch den Verantwortlichen gesetztes oder aufrechterhaltenes Risiko89, das zur Folge hat, dass sich die mangelnde Nachweisbarkeit, ob sich dieses Risiko oder eine andere Ursache verwirklicht hat, zu Lasten des fr das Risiko Verantwortlichen auswirkt. Aus diesem Risikobezug ergibt sich auch, dass bei der Frage, inwieweit der Verantwortliche haftet, auch das Risiko zu bercksichtigen ist, das durch den Betroffenen, Zufall oder nicht deliktisch haftende Dritte gesetzt oder aufrechterhalten wurde. Dabei ist mit der Regelung des § 830 I 2 BGB zunchst davon auszugehen, dass der Verantwortliche fr das durch ihn gesetzte oder aufrechterhaltene Risiko, also die darauf mçglicherweise beruhenden Beeintrchtigungen und Schden, haftet. Allerdings ist dieser Haftung das Risiko entgegenzustellen, das der Betroffene zu tragen hat, zu dem nicht nur das durch ihn gesetzte oder aufrechterhaltene Risiko gehçrt, sondern auch diejenigen Risiken, die auf Zufall oder nicht deliktisch haftende Dritte zurckgehen, so dass nur noch eine anteilige Haftung in Frage kommt90. 87

Vgl. aus rechtsçkonomischer Sicht Porat/Stein, S. 205 ff. und Titel. So aber BGHZ 72, 355, 358; Erman/Schiemann, § 830 Rn. 2; hnl. Bamberger/Roth/ Spindler, § 830 Rn. 18; Eberl-Borges, AcP 196 (1996), 491, 502 ff., 510 f.; MnchKommBGB/G. Wagner, § 830 Rn. 29. 89 hnl. Gottwald, KF 1986, S. 3, 19; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 82 II 3 b (S. 578). 90 So Gottwald, KF 1986, S. 3, 21 f.; fr Zufall auch Bydlinski, FS Beitzke, S. 3, 30 ff.; Bydlinski, FS Frotz, S. 3, 4 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 82 II 3 c (S. 579). 88

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§ 7 Eingetretene oder drohende Verwirklichung des Risikos

Dem steht auch § 7 UmweltHG nicht entgegen, da dieser nicht die Mçglichkeit der anteiligen Haftung regelt, diese also nicht generell ausgeschlossen wird91. Der Betroffene wird in dieser Konstellation neben dem oder den Beteiligten als Mitbeteiligter behandelt; § 830 I 2 BGB ist auf diese Konstellation zwar nicht zugeschnitten, steht ihr aber auch nicht entgegen92. Das Verhltnis zwischen dem Betroffenen und den anderen Beteiligten folgt dabei §§ 830 I 2, 840 BGB, ist jedoch entsprechend den zur gestçrten Gesamtschuld entwickelten Regeln dahin zu modifizieren, dass der Anspruch des Betroffenen entsprechend dem auf ihn entfallenden Anteil am Gesamtrisiko gekrzt wird93.

c) Reichweite der Haftung Die Bercksichtigung des auf den Betroffenen entfallenden Risikoanteils ndert nichts daran, dass der Verantwortliche nur insoweit haftet, wie sein Verhalten geeignet gewesen wre, den Schaden zu verursachen94. Der Verantwortliche haftet also nur fr das durch ihn gesetzte oder aufrechterhaltene Risiko. Soweit das Verhalten des Verantwortlichen nicht geeignet war, den gesamten Schaden zu verursachen, bedeutet dies jedoch nicht, dass seine Haftung vollstndig entfllt, sondern dass er nur noch fr den Schadensanteil haftet, in dem sich das Risiko verwirklicht haben kann, fr das er verantwortlich ist95. Der Schaden ist also in einzelne Teile zu zerlegen, wobei hinsichtlich der Verursachung zunchst zwischen geklrten und ungeklrten Teilen zu unterscheiden ist 96 und innerhalb der ungeklrten Teile gemß den mçglichen Verursachern und dem mçglichen Verhltnis zwischen ihnen zu differenzieren ist. §§ 830 I 2, 840 BGB sind demgemß immer nur auf Schadensteile anwendbar, bei denen alternative Kausalitt vorliegt, wobei es allerdings schon gengt, wenn sich die mçgliche Verursachung mehrerer Verantwortlicher berschneidet, da dann fr den Schadensteil, bei dem sich die mçgliche Verursachung berschneidet, die Voraussetzungen der §§ 830 I 2, 840 BGB vorliegen.

91 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 82 II 3 c (S. 579); zum Verhltnis von § 820 I 2 BGB und §§ 6 I 1, 7 I UmweltHG auch Staudinger/Kohler, § 7 UmweltHG Rn. 6 f. 92 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 82 II 3 b (S. 578). 93 hnl. Bydlinski, FS Beitzke, S. 3, 30 ff.; Gottwald, KF 1986, S. 3, 21; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 82 II 3 a (S. 588). 94 BGHZ 67, 14, 18 f.; BGH, NJW 1994, 932, 934; BGH, NJW 1996, 3205, 3207; Assmann, in: Nicklisch, S. 155, 169; Erman/Schiemann, § 830 Rn. 5 f.; RGRK-BGB/Steffen, § 830 Rn. 23; H. P. Westermann/May, DZWIR 1993, 257, 261. 95 OLG Celle, VersR 2002, 1300, 1302; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 830 Rn. 50. 96 hnl. zum Ausgleichsanspruch aus § 906 II 2 BGB Larenz/Canaris, Schuldrecht II/ 2, § 85 II 1 c (S. 659).

IV. Eingetretene Verwirklichung des Risikos

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d) Haftungskonstellationen Praktisch sind gerade im Zusammenhang mit Umweltschden verschiedene Konstellationen zu unterscheiden, die sich als unterschiedliche Kombinationen alternativer und kumulativer Kausalitt darstellen. Dabei kann auf berlegungen zur Haftung fr summierte und kumulierte Immissionen zurckgegriffen werden, die den Schaden in geklrte und ungeklrte Teile zerlegen; diese beziehen sich zwar auf den Ausgleichsanspruch aus § 906 II 2 BGB, auf den die §§ 830 I 1 und II, 840 BGB analog angewendet werden97, gelten aber aufgrund der Parallelitt zwischen negatorischer und deliktischer Haftung auch fr die deliktische Haftung, zumal ja deliktsrechtliche Vorschriften angewendet werden. Demgemß kann zunchst die Konstellation, dass ein bestimmter Teil des Gesamtschadens allein auf einen Verantwortlichen zurckzufhren ist, also additive Kausalitt vorliegt, von der Konstellation unterschieden werden, dass der Gesamtschaden nur durch das Zusammenwirken des Verhaltens mehrerer Verantwortlicher entstanden ist, also bei Wegfall des Verhaltens eines Verantwortlichen der gesamte Schaden entfiele, so dass kumulative Kausalitt vorliegt. Diese beiden Konstellationen fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 830 I 2 BGB. Bei der ersten Konstellation haften die Verantwortlichen jeweils fr den durch sie verursachten Teil des Schadens, nicht aber fr den Teil, fr den andere verantwortlich sind; bei der zweiten Konstellation haften alle Verantwortlichen fr den gesamten Schaden98, soweit eine Pflicht jedes Emittenten besteht, die Mçglichkeit der Kumulation mit anderen Emissionen zu bercksichtigen99. Diese Pflicht trifft dann aber nicht nur Neueinsteiger, deren Emissionen den Betroffenen nur zusammen mit bereits vorhandenen Altemissionen beeintrchtigen, mit der Folge, dass die Neueinsteiger auch fr die von den bisherigen Emittenten geschaffenen Risiken mithaften, whrend diese nicht haften100, sondern auch die Altemittenten aufgrund der durch sie geschaffenen Risiken, es sei denn in dem sehr unwahrscheinlichen Fall, dass sie nicht mit Neueinsteigern rechnen konnten. Die Konstellation, dass jeder von mehreren Verantwortlichen fr sich den gesamten Schaden verursacht haben kann und nur nicht nachzuweisen ist, wer von ihnen den Schaden verursacht hat, also alternative Kausalitt vorliegt, ist auch nach berkommener Auffassung Gegenstand des § 830 I 2 BGB101. Dabei werden sowohl die Flle erfasst, in denen nicht geklrt wer97 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 1 c (S. 657 ff.); vgl. auch Erman/Lorenz, § 906 Rn. 37; MnchKomm-BGB/Scker, § 906 Rn. 140. 98 BGHZ 66, 70, 76; BGHZ 72, 289, 297 f.; Kleindienst, S. 64 ff., 67 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 1 c (S. 658); kritisch Llling, FS Otte, S. 207, 218 ff. 99 Medicus, JZ 1986, 778, 782; hnl. Kçndgen, UPR 1983, 345, 354 f. 100 So aber Assmann, in: Nicklisch, S. 155, 167. 101 Vgl. Erman/Schiemann, § 830 Rn. 5; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 1 c (S. 658).

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§ 7 Eingetretene oder drohende Verwirklichung des Risikos

den kann, ob das Verhalten eines Verantwortlichen berhaupt zu der Beeintrchtigung und damit zu dem Schaden gefhrt hat, also Verursachungszweifel bestehen, als auch die Flle, in denen nicht geklrt werden kann, welches Verhalten zu welchem Anteil an dem Gesamtschaden gefhrt hat, also Anteilszweifel bestehen102. Schwieriger sind die Konstellationen, die sich als Kombination der bereits angesprochenen Sachlagen darstellen, etwa wenn ein Teil der Schden von einem Verantwortlichen, ein zweiter Teil von einem anderen Verantwortlichen und ein dritter Teil nur durch das Zusammenwirkung der beiden Verantwortlichen entstanden ist, ohne dass sich diese Teile ohne weiteres voneinander abgrenzen lassen, also additive, kumulative und alternative Kausalitt zusammen kommen103. Hier besteht, wie sonst auch, zunchst die Mçglichkeit, die verschiedenen Teile durch eine Schtzung gemß § 287 ZPO zu bestimmen104, wobei auch das jeweils zurechenbare Risiko geschtzt werden kann. Fr die jeweils geschtzten Teile der Schden gelten dann die fr die additive und kumulative Kausalitt skizzierten Grundstze, wobei fr einen etwa verbleibenden Teil, der sich auch bei einer Schtzung gemß § 287 ZPO nicht zuordnen lsst, alternative Kausalitt vorliegt, die Verursacher also gemß §§ 830 I 2, 840 BGB gesamtschuldnerisch haften105. Die letzte, bereits in den erwhnten berlegungen zu § 906 II 2 BGB angesprochene Konstellation ist dadurch gekennzeichnet, dass trotz additiver, kumulativer oder alternativer Kausalitt keine Haftung besteht bei sogenannter minimaler Kausalitt106, bei der die einzelne Ursache im Rahmen summierter Immissionen nicht ins Gewicht fllt, also in einer Vielzahl von Verursachungsbeitrgen hinweggedacht werden kçnnte, ohne dass der Schaden entfiele107, etwa bei der durch den Straßenverkehr verursachten Luftverschmutzung und dem einzelnen Autofahrer. Dies wird vor allem damit begrndet, dass § 830 I 2 BGB wenigstens bei abstrakt-typisierender Betrachtungsweise die Mçglichkeit des Binnenregresses voraussetze, woran es hier fehle, weil der Kreis der potentiellen Regressschuldner prinzipiell unberschaubar sei108. In Frage kme daher allenfalls ein Anspruch fr den 102

Erman/Schiemann, § 830 Rn. 5; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 830 Rn. 44. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 1 c (S. 658 f.); hnl. offenbar die Konstellation in BGHZ 66, 70, 74 ff. 104 BGHZ 66, 70, 76; Erman/Lorenz, § 906 Rn. 37; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 1 c (S. 659); MnchKomm-BGB/Scker, § 906 Rn. 140; Staudinger/Roth, § 906 Rn. 200. 105 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 1 c (S. 659 f.); im Ergebnis auch BGHZ 66, 70, 76; Erman/Lorenz, § 906 Rn. 37; kritisch Llling, FS Otte, S. 207, 218 ff.; ablehnend Staudinger/Roth, § 906 Rn. 280. 106 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 1 c (S. 660); Lytras, S. 408 f.; Staudinger/ Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 179 f.; Staudinger/Roth, § 906 Rn. 278 ff. 107 Vgl. Lytras, S. 408 f. 108 So zur deliktischen Haftung Enders/Reiter, VersR 1991, 1329, 1337; zu § 906 II 2 BGB auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 1 c (S. 660 f.); Medicus, JZ 1986, 778, 103

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jeweiligen Verursachungsbeitrag unter Schtzung nach § 287 ZPO109. Dies erscheint auch materiell gerechtfertigt, weil das dem einzelnen Verantwortlichen zurechenbare Risiko zu gering ist, um eine Haftung zu begrnden110. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des § 906 I BGB. Demgemß lassen sich die fr das Umweltrecht typischen multikausalen Schden aufgrund summierter Immissionen, etwa die Waldschden, regelmßig haftungsrechtlich nicht zuordnen111 und werden daher auch nicht durch §§ 830 I 2 BGB erfasst. Demgemß haften auch bei summierten Immissionen nur diejenigen Verantwortlichen, die ein nicht nur minimales Risiko gesetzt oder aufrechterhalten haben. Eine weitere, in den erwhnten berlegungen zu § 906 II 2 BGB nicht angesprochene Konstellation liegt vor, wenn zu den Teilen des Gesamtschadens, die durch die Verantwortlichen verursacht worden sein kçnnen, Teile treten, die auf den Betroffenen, Zufall oder nicht deliktisch haftende Dritte zurckzufhren sein kçnnen und daher gemß § 254 BGB zu bercksichtigen sind, wozu auch die Teile zhlen, die auf minimaler Kausalitt beruhen kçnnen. Auch hier sind zunchst die einzelnen Teile des Gesamtschadens voneinander abzugrenzen und fr sie das Risiko zu bestimmen, das den mçglichen Verantwortlichen zurechenbar ist, wobei auf eine Schtzung gemß § 287 ZPO zurckgegriffen werden kann. Fr die Teile, die auch auf den Betroffenen, Zufall oder nicht deliktisch haftende Dritte zurckzufhren sein kçnnen, ist sodann das auf den Betroffenen entfallende Risiko nach den Regeln ber den gestçrten Gesamtschuldnerausgleich zu bercksichtigen112, so dass sich der Schadensersatzanspruch entsprechend mindert113. Liegt also etwa zwischen zwei mçglichen Verursachern und dem Betroffenen alternative Kausalitt vor, kçnnte der Betroffene nach §§ 830 I 2, 840 I BGB von den beiden anderen Verantwortlichen als Gesamtschuldner zwei Drittel des Gesamtschadens verlangen, wenn auf jeden dasselbe Risiko der Verursachung entfllt. 782; hnl. Adams, ZZP 90 (1986), 129, 148 ff.; Gerlach, S. 265 ff.; Lytras, S. 408 f.; Marburger, 56. DJT, S. C 124 f.; Pfeiffer, S. 212 ff.; Schmidt-Salzer, Umwelthaftungsrecht, § 1 Rn. 242 ff., 254; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 180; zu § 906 II 2 BGB auch U. Diederichsen/Scholz, WiVerw 1984, 23, 38; fr Einschrnkung der gesamtschuldnerischen Haftung Nawrath, NJW 1982, 2361 f. 109 So zu § 906 II 2 BGB H. Westermann, FS Larenz, 1973, S. 1003, 1012; Staudinger/ Roth, § 906 Rn. 278. 110 Staudinger/Kohler, UmweltHR, Einl. Rn. 179. 111 Erman/Lorenz, § 906 Rn. 38; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 1 c (S. 660 f.); Soergel/Baur, § 906 Rn. 165; Staudinger/Roth, § 906 Rn. 281; fr die Produzentenhaftung auch Erman/Schiemann, § 823 Rn. 120; ablehnend zur Haftung der çffentlichen Hand fr Waldschden BGHZ 102, 350, 354 ff. 112 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 82 II 3 a (S. 577). 113 BGHZ 30, 203, 211 f.; Erman/Ehmann, § 426 Rn. 72; Schiemann, in: Lange/Schiemann, § 10 XIII 3 (S. 629 ff.); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 82 III 3 (S. 581 f.); MnchKomm-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 34.

§ 8 Verschulden als subjektive Pflichtwidrigkeit Das bisher gefundene Ergebnis, dass sowohl die negatorische als auch die deliktische Haftung bereits auf Tatbestandsebene eine Pflichtverletzung voraussetzen und diese in der Regel in einem Verstoß gegen Verkehrspflichten im Sinne der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt liegt, wirft fr die deliktische Haftung die Frage nach dem Verhltnis des Verschuldenserfordernisses zum Unrecht auf, da die Verschuldensform der Fahrlssigkeit gemß § 276 II BGB ebenfalls einen Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt und damit eine Pflichtwidrigkeit voraussetzt. Zudem stellt sich fr die negatorische Haftung die Frage, warum sie anders als die deliktische Haftung kein Verschulden voraussetzt.

I. Verschuldenserfordernis der deliktischen Haftung Dem Verschuldenserfordernis der deliktischen Haftung kommt gegenber dem Unrecht eine eigenstndige Bedeutung zu. Konsequenz dieser Eigenstndigkeit ist die Subjektivierung des Verschuldens, die auch den gesetzlichen Wertungen entspricht1. Trotz seiner grundstzlichen Subjektivierung sind beim Verschulden auch objektive Elemente zu bercksichtigen, ohne dass eine vollstndige Objektivierung vorliegt. Das Vorliegen des subjektivierten Verschuldens setzt dabei einen Verstoß gegen eine Verhaltenspflicht voraus.

A. Eigenstndigkeit des Verschuldens gegenber dem Unrecht Das Verschulden ist gegenber dem Unrecht eigenstndig, obwohl die Verkehrspflichtverletzung dem Wortlaut der Fahrlssigkeitsdefinition entspricht. Denn das Gesetz unterscheidet zwischen Unrecht und Verschulden, was nur dann sinnvoll ist, wenn dem Verschulden gegenber dem Unrecht auch eine eigenstndige Bedeutung zukommt.

1 In Bezug auf die lex lata auch Koziol, AcP 196 (1996), 593, passim; Widmer, in: Zimmermann, S. 147, 175 f.; vorsichtig zustimmend auch Canaris, VersR 2005, 577, 579.

I. Verschuldenserfordernis der deliktischen Haftung

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1. Verkehrspflichtverstoß als Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt Die deliktische Haftung setzt nach der hier vertretenen Ansicht notwendig eine Pflichtverletzung voraus. Diese liegt bei § 823 I BGB in einem Verstoß gegen eine Verkehrspflicht2 und ist Bestandteil nicht der Rechtswidrigkeit3 oder des Verschuldens4, sondern bereits des Unrechtstatbestands5. Ein derartiger Verstoß gegen eine Verkehrspflicht kann auch als Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt beschrieben werden, was dem Wortlaut der Definition der Fahrlssigkeit in § 276 II BGB entspricht6. Demgemß ist vorgeschlagen worden, die Verkehrspflichtverletzung mit der Fahrlssigkeit im Sinne des § 276 II BGB gleichzusetzen und diese im Unrecht anzusiedeln7, so dass die Prfung der fr die Begrndung der Haftung maßgeblichen Verhaltensstandards einheitlich im Rahmen des Unrechts erfolgen wrde8. Die Verschuldensprfung wrde also weitgehend in die Unrechtsprfung verlagert9, so dass sich das Verschulden auf die Deliktsfhigkeit10 und das Fehlen eines Verbotsirrtums beschrnken wrde11. Diese Verlagerung und die damit verbundene Beschrnkung des Verschuldens sind jedoch mit der gesetzlichen Konzeption und Dogmatik des Haftungsrechts nicht vereinbar.

2. Unterscheidung zwischen Unrecht und Verschulden Vielmehr ist zunchst festzuhalten, dass das BGB von einer eigenstndigen Funktion des Verschuldens gegenber dem Unrecht ausgeht12. Zwar ist es grundstzlich mçglich, dass die Haftung ohne Bercksichtigung der subjektiven Fhigkeiten allein an ein objektiv pflichtwidriges Verhalten geknpft wird13. Auch das geltende Recht knpft eine Haftung hufig ledig2

Siehe oben S. 141 ff. So aber Esser/Weyers, § 55 II 3 (S. 170); von Bar, Verkehrspflichten, S. 174 f. 4 So aber U. Huber, FS E. R. Huber, S. 253, 263 f., 275 ff.; RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 140. 5 Siehe oben S. 116; auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 II 3 c (S. 368); MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 62; Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 15. 6 Erman/Schiemann, § 823 Rn. 9; Medicus, BR, Rn. 659. 7 MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 64 f.; Wiethçlter, S. 33 ff.; hnl. Brggemeier, Prinzipien, S. 75; distanzierend hinsichtlich der Gleichsetzung von Verkehrswidrigkeit und Verkehrspflichtwidrigkeit Brggemeier, Haftungsrecht, S. 54. 8 So etwa Brggemeier, Prinzipien, S. 62 ff., 76; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 49. 9 Vgl. Staudinger/Lçwisch, § 276 Rn. 14. 10 Zur unterschiedlichen Terminologie vgl. Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 450. 11 MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 39 ff.; hnl. Wiethçlter, S. 52. 12 Kritisch aber Jansen, Struktur, S. 426. 13 So unter Verweis auf das franzçsische und niederlndische Recht Koziol, AcP 196 (1996), 593, 600; im franzçsischen Recht wird allerdings auch zumindest das subjektive 3

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§ 8 Verschulden als subjektive Pflichtwidrigkeit

lich an die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens, ohne gleichzeitig ein Verschulden im Sinne von Vorsatz oder Fahrlssigkeit zu fordern, so etwa in §§ 12, 827 S. 2, 831 I 1, 832 I 1, 858, 1004 BGB14. Andererseits setzt die Haftung etwa in §§ 280 I, 311a II, 536a I, 571 I, 619a, 651f I und 676e III 4 BGB ein Vertretenmssen, in §§ 42 II, 53, 160, 823 II 2, 827 S. 2 Hs. 2, 987 II, 989, 1039 I 2 und 1243 II ein Verschulden und in §§ 823 I, 826, 839 I und 839a I BGB Vorsatz oder Fahrlssigkeit voraus. Dabei bestimmt § 276 I BGB allgemein, dass Vorsatz und Fahrlssigkeit grundstzlich zu vertreten sind, wenn nicht die Verantwortlichkeit gemß §§ 827 f. BGB ausgeschlossen ist. Verschulden wird demgemß im Allgemeinen als das Vorliegen von Vorsatz oder Fahrlssigkeit und Verantwortlichkeit definiert15 und als zentraler Zurechnungsgrund nicht nur des Leistungsstçrungsrechts, sondern vor allem auch des Deliktsrechts verstanden, dessen zentrale Haftungsnormen eine schuldhafte Rechts- bzw. Pflichtverletzung voraussetzen16. § 276 I BGB regelt damit nicht nur die Rechtswidrigkeit17, sondern geht ber diese hinaus. Die Rechtswidrigkeit ist auch dort Haftungsvoraussetzung, wo Vertretenmssen bzw. Vorsatz oder Fahrlssigkeit nicht erforderlich sind, wie insbesondere in §§ 823 II 2, 831 I 1, 832 I 1 und 858 BGB deutlich wird. Umgekehrt mssen Vertretenmssen oder Verschulden im Leistungsstçrungsoder Deliktsrecht zu Tatbestandsmßigkeit und Rechtswidrigkeit hinzutreten, um eine Haftung zu begrnden. Die Verlagerung der Verschuldensprfung in die Unrechtsprfung beruht demgemß auf einem zweistufigen Deliktsaufbau aus Tatbestand und Rechtswidrigkeit18. Demgegenber geht das Gesetz infolge einer auf die Mitte des vorletzten Jahrhunderts zurckgehenden Entwicklung19 von einem dreistufigen Deliktsaufbau aus Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Verschulden aus, unterscheidet also das Verschulden vom Unrecht. Dabei beschrnkt sich das Verschulden nicht auf den Mangel der Verantwortlichkeit, wie etwa aus dem Zusammenspiel zwischen §§ 276 I 1 und 2 oder 823 I und Element der Zurechenbarkeit bercksichtigt, so Wurmnest, S. 149 ff.; fr das englische Recht vgl. ders., S. 148. 14 So mit weitern Beispielnormen auch MnchKomm-BGB/Hanau, 3. Aufl., § 276 Rn. 23. 15 Vgl. etwa Erman/H. P. Westermann, § 276 Rn. 3; MnchKomm-BGB/Grundmann, § 276 Rn. 5; Palandt/Heinrichs, § 276 Rn. 5; zum Verhltnis von Vertretenmssen und Verschulden MnchKomm-BGB/Grundmann, § 276 Rn. 4; abweichend fr Zuordnung des § 276 BGB zur Rechtswidrigkeit Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil II, S. 1323; Koziol, AcP 196 (1996), 593, 595; Nipperdey, NJW 1957, 1777, 1779 ff. 16 BGHZ 24, 21, 28; BGHZ 51, 91, 98; MnchKomm-BGB/Grundmann, § 276 Rn. 43; vgl. auch Palandt/Heinrichs, § 276 Rn. 5. 17 So aber Koziol, AcP 196 (1996), 593, 595; hnl. Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil II, S. 1322 f.; Nipperdey, NJW 1957, 1777, 1779 ff. 18 So Brggemeier, Prinzipien, S. 62 ff., 76; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 49; vgl. auch Jaun, S. 259; zumindest de lege ferenda auch Jansen, Struktur, S. 424 ff. 19 Vgl. dazu etwa Brggemeier, Prinzipien, S. 73 f.; kritisch Jaun, S. 156 ff.

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827 ff. BGB deutlich wird, wo der Mangel der Verantwortlichkeit neben das Vorliegen von Vorsatz und Fahrlssigkeit tritt. Demgemß differenziert das gesetzliche System auch zwischen einer Haftung mit und einer Haftung ohne Verschulden20. Das Unrecht im Sinne der Widerrechtlichkeit des Verhaltens allein begrndet nur die Haftung ohne Verschulden, whrend sonst das Verschulden hinzutreten muss.

3. Eigenstndigkeit des Verschuldens Der Unterscheidung zwischen Unrecht und Verschulden entspricht die Eigenstndigkeit des Verschuldens gegenber dem Unrecht. Das Verschulden lsst sich damit nicht ohne weiteres in das Unrecht integrieren21. Indem das BGB die Haftung nicht durchgngig an das Vorliegen von Vertretenmssen oder Verschulden anknpft, wird vielmehr deutlich, dass die Unterscheidung zwischen Unrecht und Verschulden nach der gesetzlichen Konzeption nicht nur konstruktiver Art ist, sondern auf unterschiedlichen Voraussetzungen der Haftung beruht, so dass dem Verschulden gegenber dem Unrecht eine eigenstndige Funktion zukommen muss, die einen eigenstndigen Inhalt zur Konsequenz hat. Demgemß erschçpft sich die Fahrlssigkeitsschuld nicht in der Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt gemß der Fahrlssigkeitsdefinition des § 276 II BGB, sondern ist von dieser zu unterscheiden22; die so definierte Fahrlssigkeit ist vielmehr Gegenstand des Schuldurteils, wie auch der Vorsatz letztendlich Objekt des Schuldurteils ist23. In diesem Sinne setzt das Verschulden zwar das Vorliegen von Vorsatz oder Fahrlssigkeit und das Fehlen von Schuldausschließungsgrnden voraus, beschrnkt sich aber nicht darauf.

B. Subjektivierung des Verschuldens als Konsequenz seiner Eigenstndigkeit Die eigenstndige Bedeutung des Verschuldens gegenber dem Unrecht hat zur Konsequenz, dass es anders als die Verhaltensstandards des Unrechts nicht auf objektiven, sondern auf subjektiven Verhaltensstandards beruht.

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hnl. MnchKomm-BGB/Grundmann, § 276 Rn. 10 f. So aber Brggemeier, Prinzipien, S. 76; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 49. 22 Vgl. auch Erman/Schiemann, § 823 Rn. 9; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 7 a (S. 426); Soergel/Zeuner, 12. Aufl., § 823 Rn. 7; gegen Esser/Schmidt, Schuldrecht I/ 2, § 25 IV 1c (S. 68 f.). 23 Vgl. insoweit Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil II, S. 1320. 21

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1. Unvereinbarkeit der Objektivierung des Verschuldens mit seiner Eigenstndigkeit Die Unterscheidung zwischen einer Haftung mit und einer Haftung ohne Verschulden schließt zwar die Objektivierung des Verschuldens noch nicht notwendig aus. Denn wenn die Haftung allein an ein objektiv pflichtwidriges Verhalten geknpft werden kann, ist natrlich grundstzlich auch die Anknpfung an ein objektiv bestimmtes Verschulden denkbar24. Aber soweit das Verschulden auf der Grundlage objektiver Verhaltensstandards bestimmt wird, verliert es seine eigenstndige Funktion gegenber dem Unrecht25 und verlsst damit den Boden der gesetzlichen Konzeption.

a) Unterscheidung hinsichtlich der Rechtsfolgen So lsst sich eine eigenstndige Funktion des Verschuldens gegenber dem Unrecht nicht damit begrnden, dass an sie unterschiedliche Rechtsfolgen geknpft wrden, indem die Rechtswidrigkeit die Vereinbarkeit des Verhaltens mit dem Recht im Hinblick auf Unterlassungs- und Beseitigungsansprche sowie Selbstverteidigungs- und Selbsthilferechte betreffe, whrend das Verschulden nur die Schadensersatzhaftung betreffe, die gegenber dem Unrecht an weitere Voraussetzungen anknpfe26. Fr diesen Ansatz spricht zwar, dass das Verschulden bei der deliktischen Haftung zum Unrecht hinzutritt und damit gegenber dem Unrecht weitere Voraussetzungen der Haftung aufstellt, und dass die Schadensersatzansprche der deliktischen Haftung im Gegensatz zu den Beseitigungs- und Unterlassungsansprchen der negatorischen Haftung ein Verschulden voraussetzen. Aber die negatorische und die deliktische Haftung laufen im Rahmen des Unrechts zwar weitgehend, aber nicht vollstndig parallel, indem die deliktische Haftung den Eintritt des Risikos und die negatorische Haftung das Drohen des Risikos voraussetzen, wobei letzteres auf einer ber die Bestimmung der Verkehrspflichten hinausgehenden Interessenabwgung beruht, die zur Konsequenz hat, dass die negatorische Haftung aufgrund der grundstzlich schrferen Rechtsfolge in der Regel strengere Voraussetzungen an das Risiko stellt27. Demgemß kann nicht nur die negatorische Haftung auch gegeben sein, wenn keine deliktische Haftung vorliegt, sondern umgekehrt auch die deliktische Haftung gegeben sein, obwohl keine negatorische Haftung besteht28. Dieses Auseinanderfallen kann im gesetzlichen System nicht allein auf die Unterscheidung zwischen Unrecht und Verschulden zurckge24

Koziol, AcP 196 (1996), 593, 600. In diese Richtung auch Koziol, AcP 196 (1996), 593, 600 Fn. 37; Meder, S. 344. 26 So aber Erman/Schiemann, § 823 Rn. 9; Stathopoulos, FS Larenz, 1983, S. 631, 645; anders Esser/Schmidt, Schuldrecht I/2, § 25 IV 1c (S. 68 f.). 27 Siehe oben S. 296 ff. 28 Siehe oben S. 289 f. 25

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fhrt werden; denn dort, wo zwar die deliktische, nicht aber die negatorische Haftung gegeben ist, kann nicht das Verschuldenserfordernis entscheidend sein, weil die negatorische Haftung kein Verschulden voraussetzt. Die Unterscheidung zwischen Unrecht und Verschulden kann ihre Rechtfertigung damit nicht allein in den an unterschiedliche Voraussetzungen geknpften unterschiedlichen Rechtsfolgen der negatorischen Unterlassungsund Beseitigungsansprche und der deliktischen Schadensersatzansprche finden. Vielmehr bleibt offen, warum die unterschiedlichen Voraussetzungen zum Teil dem Unrecht und zum Teil dem Verschulden zugeordnet werden.

b) Unterscheidung hinsichtlich der zeitlichen Perspektive Auch lsst sich eine eigenstndige Funktion des Verschuldens gegenber dem Unrecht nicht damit begrnden, dass die Verhaltensstandards zwar sowohl im Unrecht als auch im Verschulden objektiv gefasst, aber im Rahmen des Unrechts ex ante und im Rahmen des Verschuldens ex post zu bestimmen seien29. Denn die negatorische und die deliktische Haftung unterscheiden sich zwar hinsichtlich ihrer zeitlichen Perspektive, indem jene ex ante und diese ex post greift. Aber daraus lsst sich nicht schließen, dass das Verschulden als Voraussetzung der deliktischen Haftung ex post zu bestimmen ist. Vielmehr geht es bei der deliktischen Haftung wie bei der negatorischen Haftung um die Beurteilung eines vor der Beeintrchtigung liegenden Verhaltens anhand von Verhaltensstandards, die ex ante zu bestimmen sind.

c) Unterscheidung hinsichtlich der Intensitt Weiter kann die Auffassung, dass im Rahmen der Verkehrspflichten im Unrecht ein Hçchstmaß an Sorgfalt gefordert sei, whrend die Fahrlssigkeit nur die im Verkehr erforderliche Sorgfalt voraussetze, also Pflichten geringerer Intensitt zum Gegenstand habe30, nicht berzeugen. Dabei wird fr diese Auffassung angefhrt, dass sie im Rahmen der Verkehrspflichten eine generelle Abgrenzung der Freiheitssphren ermçgliche31. Aber eine derartige allgemeine Abgrenzung wird nicht nur fr nicht notwendig gehalten32, sondern ist auch gar nicht Inhalt der Verkehrspflichten im Unrecht. Diese sind vielmehr auf konkrete Verhaltensstandards bezogen33, indem die Verkehrspflichten als Voraussetzungen sowohl der deliktischen als auch der 29

So aber Soergel/Wolf, 12. Aufl., § 276 Rn. 40. Baums, FS Lukes, S. 623, 633 f.; Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 107; Kleindiek, S. 33 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 II 3 d (S. 369); Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. A 6; hnl. von Bar, Verkehrspflichten, S. 175. 31 So Kleindiek, S. 33; hnl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 II 3 d (S. 369). 32 So Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 17. 33 So auch Jansen, Struktur, S. 426 f. 30

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negatorischen Haftung auf einer Interessenabwgung im konkreten Fall beruhen und nur die dort im Verkehr erforderliche Sorgfalt zum Gegenstand haben34. Die generelle Abgrenzung der Freiheitssphren ist demgemß vor allem von theoretischem Interesse, ist aber weder Inhalt der Verkehrspflichten im Unrecht, noch Anknpfungspunkt fr die negatorische und deliktische Haftung.

d) Unterscheidung zwischen konkreten und abstrakten Verhaltensstandards Die Eigenstndigkeit des Verschuldens gegenber dem Unrecht kann ihre Begrndung auch nicht in der Unterscheidung zwischen konkreten und abstrakten Verhaltensstandards finden. Umstritten ist schon, ob die Verhaltensstandards im Rahmen des Unrechts oder im Rahmen des Verschuldens konkret oder abstrakt sind. Einerseits wird davon ausgegangen, dass die Verhaltensstandards im Rahmen des Unrechts abstrakt zu bestimmen seien und nur im Rahmen des Verschuldens auf den konkreten Schdiger in seiner konkreten Situation Rcksicht zu nehmen sei35. Andererseits wird angenommen, dass die deliktische Verhaltenspflicht im Rahmen des Unrechts konkret bestimmt werde, whrend im Rahmen des Verschuldens ein abstrakter Maßstab anzuwenden sei36. Schließlich wird die Auffassung vertreten, dass die Pflichtwidrigkeit nicht nur im Rahmen des Verschuldens, sondern auch im Rahmen des Unrechts nur unter Bercksichtigung der konkreten Situation und damit der daran Beteiligten in ihrer jeweiligen Rolle festgestellt werden kann37. Dieser Auffassung ist insoweit zuzustimmen, als sowohl im Rahmen des Unrechts als auch im Rahmen des Verschuldens sowohl konkrete als auch abstrakte Elemente zu finden sind. So wird im Unrecht einerseits vom konkreten Verantwortlichen abstrahiert, indem auf einen normativ bestimmten normalen Verkehrsteilnehmer abgestellt wird, andererseits erfolgt die Bestimmung der Verkehrspflichten konkret, indem auf die Situation und die Rolle des Verantwortlichen abgestellt wird und die Interessenabwgung immer nur fr den konkreten Fall erfolgt38. hnlich ist beim objektivierten Verschulden zwar auf die konkrete Situation und den jeweils Verantwortlichen abzustellen, aber Maßstab ist das Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Verkehrsteilnehmers in der konkreten Situation39, so dass auch hier von dem konkret Verantwortlichen abstrahiert wird. 34

Siehe oben S. 245. Vgl. etwa Kleindiek, S. 33; Soergel/Wolf, 12. Aufl., § 276 Rn. 40; Soergel/Spickhoff, § 823 Rn. 10; hnl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 III 3 d (S. 369). 36 Vgl. etwa Erman/Schiemann, § 823 Rn. 9. 37 Vgl. MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 35, 38; vgl. auch Posner, § 6.2 (S. 183 f.); Shavell, S. 73 ff. 38 Vgl. oben S. 245. 35

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Die Fragwrdigkeit der Unterscheidung zwischen konkreten und abstrakten Verhaltensstandards wird deutlich, wenn eine Rolle in der konkreten Situation bisher nur von dem konkreten Schdiger ausgefllt wird, da dann zwar insoweit von dem konkreten Schdiger abstrahiert wird, als ihm ein gedachter Verkehrsteilnehmer gegenber gestellt wird, der sich anders verhalten htte, aber dieser gedachte Verkehrsteilnehmer doch letztendlich nur im Hinblick auf den konkreten Verkehrsteilnehmer und ihm unterstellte konkrete Defizite konstruiert wird. Die Unterscheidung zwischen konkreten und abstrakten Verhaltensstandards verluft damit nicht parallel zu der Unterscheidung zwischen Unrecht und Verschulden, so dass sie auch keine eigenstndige Funktion des Verschuldens gegenber dem Unrecht begrnden kann.

e) Unterscheidung zwischen ußerer und innerer Sorgfalt Auch die Unterscheidung zwischen ußerer und innerer Sorgfalt40 kann die eigenstndige Funktion des Verschuldens gegenber dem Unrecht noch nicht ohne weiteres begrnden. Zunchst entspricht diese Unterscheidung noch nicht notwendig der Unterscheidung zwischen Unrecht und Verschulden; vertreten wird vielmehr auch, dass die ußere und die innere Sorgfalt auf derselben Stufe im Deliktsaufbau zu prfen seien, wobei aber wiederum Uneinigkeit besteht, ob beim Unrecht41 oder beim Verschulden42. Aber auch dort, wo der Verstoß gegen die ußere Sorgfalt zum Unrecht und derjenige gegen die innere Sorgfalt zum Verschulden gezhlt werden43 oder nur die ußere Sorgfalt dem Unrecht zugeordnet wird, whrend die Fahrlssigkeit im Verschulden neben dem Verstoß gegen die ußere auch denjenigen gegen die innere Sorgfalt umfasse44, begrndet dies die eigenstndige Funktion des Verschuldens noch nicht ohne weiteres. 39 BGHZ 80, 186, 193; BGH, NJW 2000, 2812, 2813; Bamberger/Roth/Unberath, § 276 Rn. 21; Erman/H. P. Westermann, § 276 Rn. 10. 40 Vgl. etwa BGHZ 80, 186, 193 ff.; BGH, NJW 1984, 1958, 1959; BGH, NJW 1986, 2757, 2758, BGH, NJW 1994, 2232, 2233; Deutsch, Fahrlssigkeit und erforderliche Sorgfalt, S. 94 ff., 468 ff.; Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 385 ff.; Deutsch, AcP 202 (2002), 889, 903 f.; Raab, JuS 2002, 1041, 1047; Kçtz/Wagner, Rn. 119 f.; Stathopoulos, FS Larenz, 1983, S. 634 ff.; Staudinger/Lçwisch, § 276 Rn. 50; kritisch etwa Palandt/Heinrichs, § 276 Rn. 15; vgl. auch Fabarius, S. 141 ff. 41 MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 32. 42 Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 390; Deutsch/Ahrens, Rn. 121; Prtting/Wegen/ Weinreich/Schaub, § 823 Rn. 129; so offenbar auch die Rechtsprechung, vgl. etwa BGHZ 80, 186, 193 ff.; BGH, NJW 1984, 1958, 1959; BGH, NJW 1986, 2757, 2758, BGH, NJW 1994, 2232, 2233; OLG Celle, NJW-RR 1997, 533; anders ohne weitere Nachweise MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 27. 43 Vgl. Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 278; U. Huber, FS E. R. Huber, S. 253, 269 ff., 277; Kçtz/Wagner, Rn. 119; Raab, JuS 2002, 1041, 1048; wohl auch von Bar, Verkehrspflichten, S. 172 ff.; von Bar, JuS 1988, 169, 173. 44 Spickhoff, S. 211 f.

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Dabei wird unter der ußeren Sorgfalt gemeinhin die bereinstimmung des ußeren Verhaltens mit einem objektiv bestimmten Sorgfaltsmaßstab verstanden, whrend fr die innere Sorgfalt gefragt wird, ob auch der dem Verhalten zugrunde liegende Entschluss sorgfaltswidrig ist45, also der auf die Erkenntnis der Norm und ihrer Tatbestandsmerkmale und auf die Erbringung der ußeren Sorgfalt gerichtete intellektuell-emotionale Vorgang46. An der inneren Sorgfalt fehle es etwa, wenn ein Sorgfaltsverbot nicht erkennbar ist oder ein sonst unvermeidbarer Rechtsirrtum ber die Fahrlssigkeit vorliegt47. An ihr fehlt es auch dann, wenn das zur Einhaltung der Sorgfaltsstandards notwendige Verhalten aus unvorhersehbaren Grnden nicht mçglich war48, soweit dann nicht bereits ein Verhalten verneint wird49. Der so definierte Verstoß gegen die ußere Sorgfalt entspricht dabei zunchst dem objektiven Verstoß gegen deliktische Verhaltensstandards, also im Rahmen des § 823 I BGB gegen Verkehrspflichten50. Die Zuordnung der Verletzung der ußeren Sorgfalt zum Verschulden wrde damit zu einer Redundanz zwischen Unrecht und Verschulden fhren, da die Verhaltensstandards des Unrechts und des Verschuldens austauschbar und nicht voneinander abgrenzbar wren51. Sie berzeugt daher nicht, so dass der Verstoß gegen die ußere Sorgfalt dem Unrecht zuzuordnen ist. Allerdings folgt daraus noch nicht notwendig, dass der Verstoß gegen die innere Sorgfalt dann nicht dem Unrecht, sondern dem Verschulden zuzuordnen ist52. Im Gegenteil, wenn man die Unterscheidung zwischen ußerer und innerer Sorgfalt als anthropologisch vorgegeben ansieht, indem man von einem willensgesteuerten Verhalten ausgeht53, dann erscheint die Einhaltung der ußeren Sorgfalt als Konsequenz der Einhaltung der inneren Sorgfalt54, soweit die Einhaltung der ußeren Sorgfalt nicht bloß auf Zufall beruht. Zumindest aber erscheint die innere Sorgfalt als wesentlicher Bestandteil des Verhaltens, so dass die ußere und innere Sorgfalt notwendig miteinander verbunden sind55. Diese notwendige Verbundenheit lsst es zweifelhaft er45 So etwa Deutsch, AcP 202 (2002), 889, 903 f.; Stathopoulos, FS Larenz, 1983, S. 631, 634 ff.; Staudinger/Lçwisch, § 276 Rn. 50; von Bar, Verkehrspflichten, S. 175; vgl. auch BGH, VersR 1976, 149, 151; BGH, NJW 1985, 620, 621; BGH, NJW-RR 1991, 24, 25; BGH, NJW 1994, 2232, 2233; BGH, NJW 1995, 2631, 2632; weitergehend Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 388; Raab, JuS 2002, 1041, 1047. 46 So Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 388; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 25. 47 Deutsch, JZ 1988, 993, 995; Staudinger/Lçwisch, § 276 Rn. 50. 48 Deutsch, JZ 1988, 993, 995; Soergel/Wolf, § 276 Rn. 115. 49 Staudinger/Lçwisch, § 276 Rn. 50. 50 J. Schrçder, AcP 179 (1979), 567, 589 f. 51 So explizit Prtting/Wegen/Weinreich/Schmidt-Kessel, § 280 Rn. 19. 52 So aber BGH, NJW 1994, 2232, 2233. 53 So Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 387; hnl. Deutsch, JZ 1988, 993, 995. 54 So MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 32.

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scheinen, den Verstoß gegen die ußere Sorgfalt dem Unrecht und den Verstoß gegen die innere Sorgfalt dem Verschulden zuzuordnen56, da dieser Zuordnung allenfalls konstruktive, nicht aber materielle Bedeutung zukme. hnlich unterscheidet die moderne Strafrechtsdogmatik mit dem objektiven und dem subjektivem Tatbestand zwischen ußeren und inneren Tatbestandsmerkmalen, weist die inneren Tatbestandsmerkmale also nicht mehr dem Verschulden zu57. Dabei wird der Vorsatz als Verhaltensform dem subjektiven Tatbestand und als Schuldform dem Verschulden zugeordnet, so dass ihm eine Doppelfunktion zukommt58. hnlich wird die Fahrlssigkeit als Außerachtlassung der objektiv erforderlichen Sorgfalt dem Unrechtstatbestand und als Fhigkeit zur Erfllung der objektiven Sorgfaltsanforderungen nach dem Maß des individuellen Kçnnens dem Verschulden zugeordnet59. Auch in der modernen Strafrechtsdogmatik rechtfertigt die Unterscheidung zwischen ußeren und inneren Tatbestandsmerkmalen also noch nicht notwendig die Eigenstndigkeit des Verschuldens. Die Unterscheidung zwischen der Verletzung der ußeren und der inneren Sorgfalt erscheint als Begrndung der Eigenstndigkeit des Verschuldens gegenber dem Unrecht auch insoweit wenig berzeugend, als das die innere Sorgfalt manifestierende Verhalten unter einem objektivierten Verschuldensbegriff denselben Maßstben unterliegt, wie das die ußere Sorgfalt manifestierende. In beiden Fllen wird das Verhalten des Verantwortlichen am Maßstab des normativ bestimmten Verhaltens eines ordentlichen und gewissenhaften Verkehrsteilnehmers in der jeweiligen Situation gemessen60. Sowohl bei der ußeren wie bei der inneren Sorgfaltspflicht handelt es sich unter einem objektivierten Verschuldensbegriff um eine einheitlich bestimmte Verhaltenspflicht61. Warum diese zum Teil dem Unrecht und zum Teil dem Verschulden zugeordnet werden sollen, ist nicht einzu55 Fabarius, S. 89 ff.; Larenz, Schuldrecht I, 14. Aufl., S. 291; von Bar, Gemeineuropisches Deliktsrecht II, Rn. 229. 56 Vgl. MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 32. 57 So fr das vorstzliche Delikt Jescheck/Weigend, § 24 III 4 c (S. 242); Lackner/Khl, Vor § 13 Rn. 20; Schçnke/Schrçder/Lenckner/Eisele, vor § 13 Rn. 52 ff., 120 f.; anders etwa Baumann/Weber/Mitsch, § 12 Rn. 5 ff. 58 Jescheck/Weigend, § 24 III 5 (S. 243), § 39 IV 4 (S. 430); Lackner/Khl, § 15 Rn. 34; Schçnke/Schrçder/Lenckner/Eisele, vor § 13 Rn. 52 ff., 120; Wessels/Beulke, Rn. 142 ff. 59 Jescheck/Weigend, § 55 I (S. 577 ff.), § 57 II (S. 594 ff.); Lackner/Khl, § 15 Rn. 36 ff., 49 ff.; Schçnke/Schrçder/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 121 ff., 190; Wessels/Beulke, Rn. 667 ff., 692. 60 Vgl. BGHZ 80, 186, 193; BGH, NJW 2000, 2812, 2813; Bamberger/Roth/Unberath, § 276 Rn. 21; Erman/H. P. Westermann, § 276 Rn. 10. 61 Vgl. Esser/Schmidt, Schuldrecht I/2, § 25 IV 1 c (S. 68 f.); MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 65; Stathopoulos, FS Larenz, S. 631, 633 f.; hnl. BGH, VersR 1975, 812; BGH, NJW 1985, 620; RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rn. 397, 403.

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sehen62 Ein qualitativer Unterschied zwischen dem Unrecht und dem Verschulden lsst sich damit nur schwer begrnden.

2. Vereinbarkeit der Subjektivierung des Verschuldens mit seiner Eigenstndigkeit Da die genannten Differenzierungen die Unterscheidung zwischen Unrecht und Verschulden allenfalls konstruktiv, nicht aber auch funktional und inhaltlich rechtfertigen kçnnen, kme dem Verschuldenserfordernis unter einem objektivierten Verschuldensbegriff keine eigenstndige Bedeutung zu63. Demgemß ist die Bercksichtigung eines Verstoßes gegen objektive Verhaltensstandards bereits im Rahmen des Unrechts als Verlagerung zumindest eines Teils der Verschuldensprfung in die Unrechtsprfung aufgefasst worden64, so dass sich unter einem objektiven Verschuldensbegriff die eigenstndige Funktion des Verschuldens auf die mangelnde Deliktsfhigkeit gemß §§ 827 f. BGB beschrnken wrde65. Anders ist es unter einem subjektiven Verschuldensbegriff, da sich die Eigenstndigkeit des Verschuldens dann damit begrnden lsst, dass zwischen den objektiven Verhaltensstandards des Unrechts und den subjektiven Verhaltensstandards des Verschuldens ein qualitativer Unterschied besteht. Die Subjektivierung des Verschuldens lsst sich dabei sowohl mit der Definition der Fahrlssigkeit in § 276 II BGB als auch mit der Regelung der Deliktsfhigkeit in § 827 f. BGB vereinbaren. Auf die Konsequenzen der Subjektivierung des Verschuldens fr das Verhltnis von Primr- und Sekundrpflichten fr das vor allem im Hinblick auf Vertrge formulierte allgemeine Leistungsstçrungsrecht und das dort in §§ 280 I 2, 286 IV BGB aufgestellte Verschuldenserfordernis kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit, die sich mit der spezielleren Regelung insbesondere der deliktischen Haftung beschftigt, nicht eingegangen werden.

a) Unterscheidung zwischen objektiven und subjektiven Verhaltensstandards Die objektiven Verhaltensstandards des Unrechts bercksichtigen die subjektiven Eigenschaften des Verantwortlichen allenfalls typisiert, indem sie dessen Verhalten am Maßstab des normativ bestimmten Verhaltens eines ordentlichen und gewissenhaften Verkehrsteilnehmers in der konkreten Situation messen66, also seine individuellen Schwchen nicht bercksichtigen 62

So in Bezug auf die ußere Sorgfalt auch Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 17. Vgl. Koziol, AcP 196 (1996), 593, 600 Fn. 37; Meder, S. 343. 64 Vgl. Brggemeier, Prinzipien, S. 62 ff., 76; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 49; Staudinger/Lçwisch, § 276 Rn. 14. 65 hnl. Erman/Schiemann, § 823 Rn. 82. 63

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kçnnen. Demgegenber stellen die subjektiven Verhaltensstandards auch auf die individuellen Schwchen des Verantwortlichen ab. Diese kçnnen entlastend bercksichtigt werden und das Verschulden ausschließen. Die Unterscheidung zwischen objektiven und subjektiven Verhaltensstandards berhrt sich mit der Unterscheidung zwischen ußerer und innerer Sorgfalt, indem die Verletzung der objektiven Verhaltensstandards der Verkehrspflichten des Unrechts als Verstoß gegen die ußere Sorgfalt aufgefasst wird, whrend es bei der Verletzung der subjektiven Verhaltensstandards des Verschuldens um einen Verstoß gegen innere Sorgfaltspflichten geht67. Die objektiven Verhaltensstandards des Unrechts beziehen sich auf die ußere Sorgfalt als das von außen beobachtbare Verhalten68. Fr alle Verkehrsteilnehmer besteht die Pflicht, sich so wie ein ordentlicher und gewissenhafter Verkehrsteilnehmers zu verhalten. Demgegenber beziehen sich die subjektiven Verhaltensstandards des Unrechts auf die innere Sorgfalt, die auf die Frage gerichtet ist, ob auch der dem ußeren Verhalten zugrunde liegende Entschluss sorgfaltswidrig ist69, also auf die Erkenntnis der Norm und ihrer Voraussetzungen, vor allem aber auf die Anstrengung zur Erbringung der ußeren Sorgfalt70. Dabei wird die innere Sorgfalt hier nicht nur als Voraussetzung der ußeren Sorgfalt aufgefasst; insofern ist sie lediglich Teil der ußeren Sorgfalt. Vielmehr wird der Maßstab der inneren Sorgfalt eigenstndig bestimmt, indem nicht auf die jeweils zur Einhaltung der im Verkehr erforderlichen ußeren Sorgfalt notwendige innere Sorgfalt abgestellt wird, sondern nur auf die innere Sorgfalt, die allgemein, nicht konkret zur Einhaltung der im Verkehr erforderlichen ußeren Sorgfalt notwendig ist. Maßstab fr die innere Sorgfalt sind also die allgemein im Verkehr erforderlichen intellektuellen und voluntativen Anstrengungen. Die auf die Einhaltung der im Verkehr erforderlichen inneren Sorgfalt gerichtete Verhaltenspflicht im Rahmen des Verschuldens kann dabei von der auf die Einhaltung der im Verkehr erforderlichen ußeren Sorgfalt gerichteten Verhaltenspflicht im Rahmen des Unrechts abweichen. Diese Abweichung beruht darauf, dass die Verhaltenspflicht des Verschuldens im Gegensatz zu derjenigen des Unrechts auch subjektive Elemente bercksichtigt. 66 BGHZ 80, 186, 193; BGH, NJW 2000, 2812, 2813; Bamberger/Roth/Unberath, § 276 Rn. 21; Erman/H. P. Westermann, § 276 Rn. 10. 67 hnl. Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 278; jedenfalls im Grundsatz auch U. Huber, FS E. R. Huber, S. 253, 269 f., 277; anders allerdings S. 167 f. 68 Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 385; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 25. 69 Siehe die Nachweise in Fn. 45. 70 Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 388; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 25.

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§ 8 Verschulden als subjektive Pflichtwidrigkeit

Allerdings ist im Rahmen des Verschuldens nur der Verhaltensstandard subjektiv, whrend der Maßstab zur Bestimmung dieses Verhaltensstandards objektiv ist, indem zwar nicht von jedem Verkehrsteilnehmer dasselbe Verhalten gefordert wird, wohl aber dasselbe Maß an intellektueller und voluntativer Anstrengung. Denn die auf die Einhaltung der ußeren Sorgfalt gerichteten Anstrengungen im Rahmen der inneren Sorgfalt sind fr alle Verkehrsteilnehmer gleich, indem sie sich an der allgemein im Verkehr erforderlichen inneren Sorgfalt orientieren. Sie sind also objektiv. Indem die Verkehrsteilnehmer aber nicht gleich sind, sondern ber individuelle Strken und vor allem Schwchen verfgen, resultieren die gleichen Anstrengungen bei den verschiedenen Verkehrsteilnehmern in einem unterschiedlichen Verhalten. Nur dieses Verhalten ist Gegenstand des Verhaltensstandards des auf die innere Sorgfalt gerichteten Verschuldens. Der Verhaltensstandard des Verschuldens ist also subjektiv, wird aber an dem fr die innere Sorgfalt geltenden Maßstab gemessen, der objektiv ist. Fr verschiedene Verkehrsteilnehmer kçnnen also aufgrund ihrer individuellen Schwchen im Rahmen des Verschuldens unterschiedliche Verhaltensstandards gelten. Die Verhaltensstandards des Verschuldens sind also im Gegensatz zu denjenigen des Unrechts subjektiv. Mit dieser Mçglichkeit des Auseinanderfallens der Verhaltensstandards des objektiven Unrechts und des aufgrund der Bercksichtigung der individuellen Schwchen des Verantwortlichen subjektivierten Verschuldens lsst sich auch die vom Gesetz vorausgesetzte Eigenstndigkeit des Verschuldens gegenber dem Unrecht begrnden. Diese liegt darin, dass die verschuldensabhngige Haftung nur greift, wenn auch gegen subjektive Verhaltensstandards verstoßen wird. Die verschuldensunabhngige Haftung greift demgegenber schon, wenn nur gegen objektive Verhaltensstandards verstoßen wird71, ist aber im Bereich der Schadensersatzansprche nur bei ausdrcklicher gesetzlicher Anordnung gegeben, die zudem auch wiederum an die Setzung und Beherrschung eines Risikos anknpft. Zu der Verletzung der objektiven Verhaltensstandards im Rahmen des Unrechts, die fr die verschuldensunabhngige Haftung gengt, tritt damit bei der verschuldensabhngigen Haftung eine eigenstndige Voraussetzung, die Verletzung subjektiver Verhaltensstandards im Rahmen des Verschuldens. Die negatorische Haftung stellt demgemß nur auf die Verletzung objektiver Verhaltensstandards ab, sie ist unabhngig von der Verletzung subjektiver Verhaltensstandards, whrend die deliktische Verschuldenshaftung auch auf die Verletzung subjektiver Verhaltensstandards abstellt, sie entfllt, wenn die subjektiven Verhaltensstandards eingehalten werden.

71

hnl. fr § 823 II BGB Soergel/Krause, § 823 Anh II Rn. 17.

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b) Verhltnis zur Fahrlssigkeitsdefinition Der Subjektivierung des Verschuldens steht auch die Fahrlssigkeitsdefinition des § 276 II BGB nicht notwendig entgegen. Diese wird zwar gemeinhin fr die Objektivierung des Verschuldens angefhrt72, schließt jedoch angesichts der Unterscheidung zwischen ußerer und innerer Sorgfalt die Bercksichtigung subjektiver Elemente nicht aus. Denn im Rahmen der ußeren Sorgfalt fhrt der objektive Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt dazu, dass fr alle Verkehrsteilnehmer unabhngig von ihren individuellen Eigenschaften grundstzlich derselbe Verhaltensstandard gilt. Demgegenber gilt im Rahmen der inneren Sorgfalt zwar auch der objektive Maßstab des Verkehrserfordernisses. Da sich dieser jedoch nicht auf das Verhalten als ußere Sorgfalt, sondern nur auf die diesem zugrundeliegende intellektuelle und voluntative Anstrengung als innere Sorgfalt richtet, also nur die allgemein im Verkehr erforderliche Anstrengung zum Gegenstand hat, die je nach den individuellen Schwchen des jeweiligen Verkehrsteilnehmers ein unterschiedliches Verhalten zum Gegenstand haben kçnnen, schließt dieser objektive Maßstab die Bercksichtigung subjektiver Eigenschaften des Verantwortlichen nicht aus. Bei der inneren Sorgfalt bezieht sich die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nur auf den Maßstab zur Bestimmung des Verhaltensstandards, der objektiv ist, nicht jedoch auf den Verhaltensstandard selbst, der subjektiv sein kann. Demgemß ist es mit dem Wortlaut des § 276 II BGB vereinbar, im Rahmen der inneren Sorgfalt die intellektuellen und voluntativen Anstrengungen zur Einhaltung der ußeren Sorgfalt objektiv zu bestimmen, indem alle Verkehrsteilnehmer die gleichen Anstrengungen zur Einhaltung der im Verkehr erforderlichen ußeren Sorgfalt zu unternehmen haben, so dass unterschiedliche subjektive Eigenschaften der Verkehrsteilnehmer dazu fhren kçnnen, dass fr sie im Verschulden unterschiedliche Verhaltensstandards bestehen. Der Wortlaut des § 276 II BGB steht also der Bercksichtigung subjektiver Eigenschaften bei der Bestimmung der Verhaltensstandards des Verschuldens nicht entgegen.

c) Verhltnis zur Deliktsfhigkeit Der Subjektivierung des Verschuldens steht auch die Regelung der Deliktsfhigkeit in §§ 827 f. BGB nicht notwendig entgegen. Aus dem Ausschluss und der Minderung der Verantwortlichkeit bei Bewusstlosen, Geisteskranken und Minderjhrigen kann noch nicht geschlossen werden, dass subjektive Schwchen des Verantwortlichen sonst nicht zu bercksichtigen sind73. 72 Erman/H. P. Westermann, § 276 Rn. 10; MnchKomm-BGB/Grundmann, § 276 Rn. 55; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 34. 73 So aber ohne weitere Begrndung MnchKomm-BGB/Grundmann, § 276 Rn. 55 m. Fn. 122; hnl. fr engen Anwendungsbereich der §§ 827 f. BGB Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 451.

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Zwar haben sowohl § 827 als auch § 828 BGB nur bestimmte Personengruppen und hat § 828 III BGB auch nur bestimmte subjektive Elemente zum Gegenstand; aber ein solcher Schluss wre nur zulssig, wenn die den §§ 827 f. BGB zugrunde liegenden Wertungen nicht allgemein auf das Verschulden bertragbar wren und demgemß die Nichtbercksichtigung subjektiver Verhaltensmaßstbe im Rahmen des Verschuldens nicht willkrlich erschiene. Demgegenber lsst sich den §§ 827 f. BGB vielmehr entnehmen, dass die Verantwortlichkeit entfllt oder gemindert wird, wenn dem Schdiger die Einhaltung der objektiven Sorgfaltsstandards aus in seiner Person liegenden Grnden mangels Einsichts- oder Steuerungsfhigkeit unmçglich ist. Maßgeblich ist insoweit eine Gesamtbetrachtung der Regelung der Deliktsfhigkeit, die die dort geregelten Konstellationen konsistent auf gemeinsame Wertungen zurckfhrt. Nach den Gesetzesmaterialien setzt die deliktische Haftung ein Mindestmaß an vernunftorientiertem und willensgesteuertem Verhalten voraus74. Um dieses Mindestmaß zu bestimmen, knpfte der Wortlaut dabei zunchst an das Strafrecht an. Allerdings wurde im Zuge der weiteren Entwicklung des Strafrechts genauer zwischen Einsichts- und Steuerungsfhigkeit unterschieden und die strafrechtliche Parallelvorschrift des heutigen § 20 StGB dementsprechend dahin verfeinert, dass die Schuld entfllt, wenn dem Tter wegen seelischer Stçrungen die Fhigkeit fehlt, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, sowie in dem heutigen § 21 StGB vorgesehen, dass bei einer erheblichen Verminderung dieser Fhigkeit die Strafe gemildert werden kann75. Damit kann zwar nicht mehr ohne weiteres an die strafrechtliche Diskussion angeknpft werden76. Aber das bedeutet noch nicht, dass nicht vergleichbare Ergebnisse auch aufgrund einer privatrechtlichen Argumentation erreicht werden kçnnen77. Der Befund, dass der Gesetzgeber nur die strafrechtliche, nicht aber die privatrechtliche Parallelnorm gendert hat, lsst noch nicht den Umkehrschluss zu, dass die vergleichbare Problematik im Privatrecht anders gelçst werden muss als im Strafrecht. Die beiden Rechtsgebiete liegen zu weit auseinander, als dass dem Gesetzgeber unterstellt werden kann, wenn er strafrechtliche Normen ndere, sei damit auch eine Aussage ber das Privatrecht verbunden. Zudem war auch die nderung des § 828 II BGB a. F. durch das zweite Schadensrechtsnderungsgesetz weder positiv noch negativ auf die Einsichts- und Steuerungsfhigkeit als solche bezogen78. Vielmehr sind die Fragen, ob §§ 827 f. BGB sowohl 74

Jakobs/Schubert, Schuldrecht III, S. 912 ff.; Staudinger/Oechsler, § 827 Rn. 1. Vgl. Staudinger/Schfer, 12. Aufl., § 827 Rn. 2. 76 So etwa Soergel/Spickhoff, Vor § 827 Rn. 3; hnl. Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 449. 77 Vgl. auch AnwaltskommBGB/Ch. Huber, § 828 Rn. 12. 78 Vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 27. 75

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die Einsichts- als auch die Steuerungsfhigkeit umfasst und wie stark diese vermindert sein mssen, aus dem Privatrecht zu beantworten, insbesondere unter Rckgriff auf die diesem zugrunde liegenden Wertungen. Allerdings lsst sich aus der strafrechtlichen Entwicklung immerhin schließen, dass zumindest § 827 S. 1 BGB sowohl die Einsichts- als auch die Steuerungsfhigkeit umfasst, da die strafrechtliche Parallelvorschrift insoweit nur entsprechend der damaligen Entwicklung der Erkenntnis genauer gefasst wurde79. Der Wortlaut des § 827 S. 1 BGB unterscheidet allein aufgrund des Kenntnisstands zum Zeitpunkt der Entstehung der Norm nicht zwischen Einsichts- und Steuerungsfhigkeit. Er bietet daher keinen Anhaltspunkt, dass mit dem Ausschluss der freien Willensbestimmung nicht entsprechend der weiteren Entwicklung der Erkenntnis die Einsichtsund Steuerungsfhigkeit gemeint ist. Demgegenber stellt der Wortlaut des § 828 III BGB zwar nur auf die »zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht« ab, weshalb dort gemeinhin nur die mangelnde Einsichtsfhigkeit zu bercksichtigen sein soll, nicht aber die mangelnde Steuerungsfhigkeit, nach der nur im Rahmen der Vorsatz- und Fahrlssigkeitsschuld und damit anhand eines zwar gruppenspezifischen, aber objektiven Verhaltensstandards zu fragen sei80. Aber angesichts der mangelnden Differenzierung zwischen Einsichtsund Steuerungsfhigkeit zum Zeitpunkt der Entstehung des BGB steht dies der Bercksichtigung nicht nur der Einsichts- sondern auch der Steuerungsfhigkeit im Rahmen des § 828 III BGB nicht entgegen81, so dass wie bei § 3 S. 1 JGG danach zu fragen ist, ob der Minderjhrige nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, seine Verantwortlichkeit einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Da damit nicht nur § 827 S. 1, sondern auch § 828 III BGB sowohl die mangelnde Einsichtsfhigkeit als auch die mangelnde Steuerungsfhigkeit zum Gegenstand haben, kann die Funktion des § 828 III BGB gegenber dem § 827 S. 1 BGB jedenfalls ursprnglich nur darin gelegen haben, eine andere Personengruppe anhand eines anderen Maßstabs zu erfassen. Jugendliche sind nicht notwendig bewusstlos oder geisteskrank, wenn ihnen die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht fehlt, so dass ihre mangelnde Einsichts- und wohl auch Steuerungsfhigkeit ohne § 828 III BGB in der Regel unbercksichtigt bliebe, wenn § 827 S. 1 BGB 79 Vgl. auch MnchKomm-BGB/Mertens, 3. Aufl., § 827 Rn. 2 ff.; Staudinger/Schfer, 12. Aufl., § 827 Rn. 2 und 4. 80 So BGHZ 39, 281, 283; BGH, NJW-RR 1997, 1110, 1111; BGHZ 161, 180, 188; Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 459 ff.; Erman/Schiemann, § 828 Rn. 2, 5; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 828 Rn. 7; Soergel/Spickhoff, § 828 Rn. 14; Staudinger/Oechsler, § 828 Rn. 8. 81 hnl. etwa AnwaltskommBGB/Ch. Huber, § 828 Rn. 12 f.; Kuhlen, JZ 1990, 273, 276 f.; Rolfs, JZ 1999, 233, 238; unter Verweis auf das schweizerische Recht auch Scheffen, FS Steffen, S. 387, 391 f.

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mit dem strengen Wortlaut tatschlich nur bei Bewusstlosigkeit oder echter krankhafter Stçrung der Geistesttigkeit Anwendung fnde. Insoweit wrde fr Minderjhrige immer ein subjektiver Maßstab gelten, whrend er fr Volljhrige nur gelten wrde, soweit die mangelnde Einsichts- und Steuerungsfhigkeit ihre Ursache in der Bewusstlosigkeit oder der Geisteskrankheit des Schdigers findet. Diese Unterscheidung erscheint jedoch angesichts des modernen Verstndnisses des § 827 S. 1 BGB inkonsequent. berzeugender ist die Maßgeblichkeit allein der mangelnden Einsichts- und Steuerungsfhigkeit fr den Ausschluss oder die Minderung der Verantwortlichkeit. Denn die mangelnde Einsichts- und Steuerungsfhigkeit wird inzwischen allgemein auch dann im Rahmen des § 827 S. 1 BGB bercksichtigt, wenn sie nicht auf einer echten Bewusstlosigkeit oder Krankheit beruht82, etwa bei einem Unfallschock83, schwerer bermdung84 oder ußerster Erregung85, aber auch bei bloßer Geistesschwche86 oder wenn der Tter allgemein schlichtweg unvernnftig reagiert87. Der Mangel der Einsichts- oder Steuerungsfhigkeit gengt hier als solcher, wenn er eine bestimmte Qualitt erreicht; die Ursache fr den Mangel ist unerheblich88. Dies lsst sich damit begrnden, dass die Beschrnkung des § 827 S. 1 BGB auf echte Bewusstlosigkeit und Geisteskrankheit im Lichte des § 828 III BGB ebenso willkrlich ist wie im Lichte des § 827 S. 1 BGB die Beschrnkung des § 828 III BGB auf Minderjhrige. Der Ausschluss oder die Minderung der Verantwortlichkeit durch §§ 827 f. BGB beruht letztendlich auf einem Mangel der Einsichts- und Steuerungsfhigkeit, so dass die Anknpfung dieses Mangels an eine echte Bewusstlosigkeit und Geisteskrankheit oder die Minderjhrigkeit beliebig erscheint, soweit der Schdiger daran nichts ndern kann. Wie auch § 827 S. 2 BGB zeigt, kann allein maßgeblich sein, ob der Schdiger den Mangel zu vertreten hat. Die §§ 827 f. BGB erscheinen damit als paradigmatische Regelung des subjektivierten Verschuldens, die darin geregelten Konstellationen erscheinen als paradigmatische Flle des fehlenden Verschuldens. Dies hat zur

82 Vgl. etwa Erman/Schiemann, § 827 Rn. 2; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 827 Rn. 6; RGRK-BGB/Steffen, § 827 Rn. 5; Soergel/Spickhoff, § 827 Rn. 1; Staudinger/Oechsler, § 827 Rn. 9. 83 BGH, VersR 1977, 430; Erman/Schiemann, § 827 Rn. 2; differenzierend MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 827 Rn. 6. 84 RG, HRR 1939, Nr. 1063; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 827 Rn. 6; RGRKBGB/Steffen, § 827 Rn. 5; Soergel/Spickhoff, § 827 Rn. 1; Staudinger/Oechsler, § 827 Rn. 9. 85 Erman/Schiemann, § 827 Rn. 2; fr Verschulden im Strafrecht auch BGH, NJW 1958, 266; BGH, NJW 1988, 2747. 86 RGZ 162, 223, 228; RGRK-BGB/Steffen, § 827 Rn. 6; Soergel/Spickhoff, § 827 Rn. 2. 87 RGZ 130, 69, 71; BGH, NJW 1970, 1680, 1681; Soergel/Spickhoff, § 827 Rn. 2. 88 hnl. RGRK-BGB/Steffen, § 827 Rn. 5.

I. Verschuldenserfordernis der deliktischen Haftung

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Konsequenz, dass die ihnen zugrundeliegenden Wertungen auch ber den Wortlaut der Vorschriften hinaus Anwendung fr die Bestimmung des Verschuldensmaßstabs finden. Dabei entscheidet das Verschuldenserfordernis ber einen Interessenkonflikt zwischen dem potentiell Verantwortlichen und dem Betroffenen, konkret ber die Frage, wann individuelle Schwchen des Verantwortlichen diesem zuzurechen sind und wann sie von dem Betroffenen als Zufall zu tragen sind. Vor diesem Hintergrund kann den §§ 827 f. BGB zunchst entnommen werden, dass ein Verantwortlicher die Konsequenzen seiner subjektiven Schwchen nach dem Gesetz jedenfalls nicht immer zu tragen hat89, sondern dann nicht haftet, wenn ihm im Rahmen der inneren Sorgfalt die notwendige Einsichts- und Steuerungsfhigkeit zur Einhaltung der objektiven Sorgfalt fehlt, auch wenn dies auf Kosten des Geschdigten geht. In diesem Sinne kann davon gesprochen werden, dass das geltende Recht die menschlichen Defekte, auf denen die subjektiven Schwchen beruhen, nicht zur Grundlage einer dann material verschuldensunabhngigen Haftung macht90. Aus den §§ 827 f. BGB lassen sich aber auch gewissen Einschrnkungen der Subjektivierung des Verschuldens entnehmen. So wird deutlich, dass bei einem Verstoß gegen die ußere Sorgfalt das fehlende Verschulden nach der gesetzlichen Regelung eine vom Verantwortlichen zu beweisende Ausnahme ist, das Verschulden also durch das Unrecht indiziert wird. Weiter ergibt sich aus der Regelung der Deliktsfhigkeit, dass im Rahmen der inneren Sorgfalt nicht bereits die Notwendigkeit von erhçhten intellektuellen und voluntativen Anstrengungen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt berschreitet, sondern das Verschulden erst dann entfllt, wenn es dem potentiell Verantwortlichen an der fr die Einhaltung der objektiven Sorgfalt notwendigen Einsichts- und Steuerungsfhigkeit fehlt. Schließlich lsst sich der Regelung des § 827 S. 2 BGB entnehmen, dass die subjektiven Schwchen des Schdigers seine Verantwortlichkeit nur dann ausschließen, wenn er nicht fr diese Schwchen verantwortlich ist. Indem die Frage nach der Verantwortlichkeit nicht nur unmittelbar in Bezug auf den verursachten Schaden gestellt wird, sondern auch mittelbar in Bezug auf die subjektiven Schwchen, die die Verantwortlichkeit zunchst unmittelbar ausschließen, wird die Verantwortlichkeit somit vorverlagert91. Sie geht damit ber das bernahmeverschulden und die sogenannte actio libera in causa hinaus92 und schließt diese dadurch ein93. 89

Koziol, AcP 196 (1996), 593, 597. Vgl. Koziol, AcP 196 (1996), 593, 604; Canaris, JBl. 1995, 2, 10 ff. 91 Vgl. Soergel/Spickhoff, § 827 Rn. 5; hnl. Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 474. 92 Erman/Schiemann, § 828 Rn. 3; Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 475; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 827 Rn. 9 f.; Soergel/Spickhoff, § 827 Rn. 5 f. 93 Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 475; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 827 Rn. 9 f.; Soergel/Spickhoff, § 827 Rn. 5 f. 90

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§ 8 Verschulden als subjektive Pflichtwidrigkeit

C. Die der Subjektivierung des Verschuldens zugrundeliegenden Wertungen Die Subjektivierung des Verschuldens wird nicht nur durch die Eigenstndigkeit des Verschuldens im Haftungsrecht und die Regelung der Deliktsfhigkeit in §§ 827 f. BGB und den ihnen zugrunde liegenden Wertungen nahe gelegt, sondern auch durch die Wertungen besttigt, auf denen die deliktische Haftung beruht. Diese machen deutlich, dass das gesetzliche System der Verschuldenshaftung als solches zwar als komplexes Mischsystem aus objektiven und subjektiven Elementen charakterisiert werden kann94, aber wie die §§ 827 f. BGB im Kern auf einem subjektiven Verschuldensbegriff beruht und letztendlich nur aus einem solchen hinreichend erklrbar ist. Dem Verschulden ist dabei ein subjektiver Verhaltensstandard zugrunde zu legen, der die subjektiven Schwchen des Schdigers und die daraus folgende Unmçglichkeit oder Unzumutbarkeit der Einhaltung der objektiven Verhaltensstandards bercksichtigt, weil die Nichtbercksichtigung die allgemeine Handlungsfreiheit derjenigen, denen die Einhaltung der objektiven Verhaltensstandards nicht mçglich oder zumutbar ist, zu sehr einschrnken wrde.

1. Zugrundeliegender Interessenkonflikt Ausgangspunkt fr die Betrachtung der Wertungsebene ist der Interessenkonflikt, der der gesetzlichen Regelung der Verschuldensfhigkeit zugrunde liegt. Bei den Verhaltensstandards des Verschuldens geht es wie bei §§ 827 f. BGB um die Abgrenzung der Interessen einerseits des potentiell Verantwortlichen und andererseits des Betroffenen bezglich der Frage, wer die individuellen und damit subjektiven Schwchen des Schdigers zu tragen hat, also seine mangelhafte Einsichts- und Steuerungsfhigkeit und die daraus folgenden Risiken95. Dabei fhrt die Subjektivierung des Verschuldensbegriffs zwar dazu, dass die Bercksichtigung der mangelhaften Einsichts- und Steuerungsfhigkeit des potentiell Verantwortlichen eine Haftung ausschließen kann, die unter einem rein objektiven Verschuldensbegriff gegeben wre. Sie begnstigt also den potentiell Verantwortlichen mit subjektiven Schwchen. Aber aus dieser Begnstigung folgt noch nicht, dass sie in jedem Fall abzulehnen ist. Ob sie abzulehnen ist oder nicht, stellt vielmehr auf der Wertungsebene den Kern der Kontroverse um den objektiven und subjektiven Verschuldensbegriff dar.

94 95

So zunchst MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 34, 38. Vgl. Koziol, AcP 196 (1996), 593, 600.

I. Verschuldenserfordernis der deliktischen Haftung

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2. Subjektivierung keine Selbstverstndlichkeit Dabei ist die Subjektivierung des Verschuldens keine Selbstverstndlichkeit, die ohne weiteres aus dem Erfordernis der Vorwerfbarkeit des Verhaltens oder allgemeinen rechtsethischen Grundstzen abgeleitet werden kann. Sie bedarf vielmehr der Begrndung aus den dem Haftungsrecht zugrundeliegenden Wertungen. Das Verschulden lsst sich nicht ohne weiteres mit der Vorwerfbarkeit des Verhaltens gleichsetzen96. Denn auch das nur auf der Verletzung objektiver Verhaltenstandards beruhende Unrecht kann sowohl eine Vorwerfbarkeit, nmlich diejenige des Verstoßes gegen das Recht, als auch eine Haftung begrnden, wie die Gefhrdungshaftung als verschuldensunabhngige Haftung zeigt. Zwar lsst sich sagen, dass die Haftung eines Verantwortlichen ohne hinreichende Einsichts- und Steuerungsfhigkeit unter einem objektivierten Verschuldensbegriff nicht mehr an den persçnlichen Vorwurf eines Willensmangels anknpft, sondern auf einem Verstandesmangel beruht97. Aber der Kontroverse zwischen objektivem und subjektivem Verschuldensbegriff liegt nicht die Frage zugrunde, ob das Verhalten des Schdigers vorwerfbar ist, sondern welche Anforderungen an die Vorwerfbarkeit zu stellen sind, die die deliktische Haftung begrndet, ob also ein Verstoß gegen die pauschal fr alle Verkehrsteilnehmer geltenden objektiven Verhaltensstandards gengt oder ob auch ein Verstoß gegen die individuell fr den konkreten Schdiger geltenden subjektiven Verhaltensstandards vorliegen muss. Die Vorwerfbarkeit ist dem Gesetz demgemß nicht vorgegeben, sondern ergibt sich erst aus seinen Regelungen. Die Notwendigkeit subjektiver Verhaltenstandards kann auch nicht damit begrndet werden, dass die Verschuldenshaftung nur dann eine evidente rechtsethische Selbstverstndlichkeit sei, ihr also eine besondere Dignitt zukomme, wenn sie an einen individuellen Vorwurf anknpfe98, so dass die Verschuldenshaftung bei einer Objektivierung der Fahrlssigkeit einer anderen Rechtfertigung bedrfe99. Denn auch der persçnliche Vorwurf eines Willensmangels kann allein noch keine Haftung rechtfertigen. Selbst die Absicht, einen anderen zu beeintrchtigen und zu schdigen, gengt noch nicht, um eine Haftung zu begrnden. Vielmehr muss auch bei einer solchen Absicht ein Verhalten hinzukommen, an dessen Pflichtwidrigkeit die Haftung anknpft, wie die drei »kleinen Generalklauseln« der §§ 823 I, 823 II und 826 BGB zeigen, indem sie eine pflichtwidrige Verletzung eines 96 Zumindest missverstndlich daher MnchKomm-BGB/Hanau, 3. Aufl., § 276 Rn. 28; vgl. auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 I 2 b (S. 351). 97 So Koziol, AcP 196 (1996), 593, 594. 98 Vgl. Koziol, AcP 196 (1996), 593, 596; hnl. Canaris, JBl. 1995, 2, 16 f.; Canaris, VersR 2005, 577, 578; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, 13. Aufl. 1994, § 84 I 2 e (S. 608 f.); Meder, S. 99 ff., 151 ff.; Zçllner, FS Krejci, S. 1355, 1360 Fn. 22. 99 So aber Koziol, AcP 196 (1996), 593, 600 f.; Meder, S. 344.

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§ 8 Verschulden als subjektive Pflichtwidrigkeit

geschtzten Rechtsguts oder Rechts, eine Verletzung eines Schutzgesetzes oder einen Verstoß gegen die guten Sitten voraussetzen. Dem Verschulden kommt demgemß auch kein weitergehender rechtsethischer Gehalt zu. Aus dem Vorliegen des Verschuldens kann nicht geschlossen werden, dass ethisch verwerflich gehandelt wurde. Die Vorwerfbarkeit ist nur eine rechtliche, keine ethische, ohne diese allerdings notwendig auszuschließen. Wie auch schon die Diskussion um den objektiven bzw. subjektiven Verschuldensbegriff nahe legt, ist demgemß weder das Bestehen einer Haftung bei vorliegendem Verschulden noch der Entfall der Haftung bei fehlendem Verschulden selbstverstndlich. Vielmehr ist weiterhin zu klren, welche Wertungen fr die Bercksichtigung subjektiver Verhaltensstandards relevant sind und ob diese Wertungen der gesetzlichen Regelung der Verschuldenshaftung zugrunde liegen.

3. Kompensationsfunktion? Die Geltung subjektiver Verhaltensstandards im Rahmen des Verschuldens lsst sich auch nicht aus der Kompensationsfunktion der deliktischen Haftung herleiten. Denn diese lsst offen, wann der Ausgleich konkret angezeigt ist. Die Kompensation bedarf vielmehr ihrerseits wieder der Rechtfertigung100, die sie vor allem in der Gewhrleistung und Abgrenzung von Handlungsspielrumen und Freiheitssphren findet101. hnliches gilt, soweit neben der Kompensationsfunktion eine Sanktionsfunktion des Haftungsrechts angenommen102 und daraus auf die Subjektivierung des Verschuldens geschlossen wird, weil insofern eine Parallele zum Strafrecht gezogen werden kçnne, wo die Sanktion einen ethischen Vorwurf voraussetze103. Denn die Sanktionsfunktion stçßt auf dasselbe Problem wie die Kompensationsfunktion, indem auch sie nicht angeben kann, wann eine Schadenszufgung mit einer Sanktion zu belegen ist. Zudem drfte die Sanktionsfunktion, soweit sie berhaupt anzuerkennen ist104, in ihrer Bedeutung deutlich hinter der Kompensations- und auch der Prventionsfunktion zurckstehen, da sie von der deliktischen Haftung, die das zu sanktionierende Verhalten nur erfasst, wenn es auch zu einem Schaden gefhrt hat, allenfalls teilweise erfllt wird105. Vor allem aber kann sich eine Sanktion auch im Wesentlichen auf die Feststellung der Widerrecht-

100

Koziol, AcP 196 (1996), 593, 601; siehe oben S. 14. Siehe oben S. 65 ff. 102 Dazu etwa Erman/Schiemann, Vor § 823 Rn. 15; unter dem Gesichtspunkt der Prvention fr Sanktionsfunktion des Schadensrechts G. Wagner, 66. DJT, S. A 15. 103 So Koziol, AcP 196 (1996), 593, 602. 104 Ablehnend Esser/Schmidt, Schuldrecht I/2, § 30 II 1 (S. 169 f.). 105 Koziol, AcP 196 (1996), 593, 602; Mertens, Vermçgensschaden, S. 93 ff. 101

I. Verschuldenserfordernis der deliktischen Haftung

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lichkeit eines Verhaltens beschrnken106, was deutlich macht, dass eine Sanktion nicht einmal ein Verschulden notwendig voraussetzt, wie etwa die negatorische Haftung zeigt107; umso problematischer ist dann der Schluss von der Sanktionsfunktion auf den Inhalt des von ihr gar nicht notwendig vorausgesetzten Verschuldens.

4. Prventionsfunktion und Vertrauensschutz? Fr die Objektivierung des Verschuldens werden vor allem die Prventionsfunktion der deliktischen Haftung und der dadurch gewhrleistete Vertrauensschutz angefhrt. Danach diene das Deliktsrecht vor allem der Schadensvermeidung durch eine entsprechende Steuerung des Verhaltens der Verkehrsteilnehmer; ein objektiver Verhaltensstandard gewhrleiste dabei, dass fr alle Verkehrsteilnehmer ein einheitlicher Standard gelte, so dass der einzelne Verkehrsteilnehmer darauf vertrauen und sein Verhalten darauf einstellen kçnne, dass die brigen Verkehrsteilnehmer sich diesem Standard entsprechend verhalten oder fr ihr abweichendes Verhalten haften108. Fr subjektive Verhaltensstandards sei nur Raum, soweit sie fr die anderen Verkehrsteilnehmer erkennbar sind109. Objektive Verhaltensstandards scheinen damit gesamtwirtschaftlich vorteilhaft zu sein, da sie das Vertrauen der Verkehrsteilnehmer in ihre Einhaltung schtzen, dadurch der Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs dienen und so die allgemeinen Transaktionskosten senken110.

a) Prventionsfunktion Gegen die Begrndung des objektiven Verhaltensmaßstabs aus der Prventionsfunktion des Haftungsrechts spricht zunchst die lediglich eingeschrnkte Bedeutung der Prventionsfunktion fr die Begrndung der deliktischen Haftung, die primr der Kompensation und nur sekundr der Prvention dient111. Vor allem aber luft die Prventionsfunktion gerade dort leer, wo die Abweichung zwischen objektivem und subjektivem Verhaltensmaßstab relevant wird, weil der Einhaltung der objektiven Verhaltensstandards des Unrechts die mangelnde Einsichts- und Steuerungsfhigkeit des Verantwortlichen entgegensteht. 106 Vgl. die Konstellation, dass mit dem Schadensersatzanspruch ein Zeichen gesetzt werden soll, bei Erman/Schiemann, Vor § 823 Rn. 15. 107 Zum Verhltnis von negatorischer Haftung und Verschulden nher unten S. 351 ff. 108 G. Wagner, in: Zimmermann, S. 189, 266; vgl. auch Honsell, ZSR 116 (1997), 297, 307; Medicus, Schuldrecht I, Rn. 309. 109 Vgl. G. Wagner, in: Zimmermann, S. 189, 266 f. 110 Vgl. Medicus, Schuldrecht I, Rn. 309; G. Wagner, in: Zimmermann, S. 189, 266. 111 Siehe oben S. 64.

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§ 8 Verschulden als subjektive Pflichtwidrigkeit

Die Prventionsfunktion setzt voraus, dass die Verletzung der objektiven Verhaltensmaßstbe und die daraus folgenden Beeintrchtigung fremder Rechtsgter und Rechte vermeidbar sind112. Besteht die Mçglichkeit der Vermeidung zwar objektiv, nicht aber subjektiv, also aufgrund der individuellen Schwchen des jeweiligen Verantwortlichen in der konkreten Situation, entfaltet die deliktische Haftung keine prventive Wirkung. Sie kann die Verletzung nicht verhindern, sondern allenfalls noch im Wege des Schadensersatzes ausgleichen. Die Unmçglichkeit der Vermeidung der Verletzung kann dabei auch nicht ohne weiteres durch die Vorverlagerung des maßgeblichen Zeitpunkts fr die Mçglichkeit der Vermeidung ausgeschlossen werden, es sei denn, potentielle Schdiger, bei denen die Unmçglichkeit dauerhaft in der Person begrndet liegen, nehmen berhaupt nicht mehr am Verkehr teil113. Damit kann die Prventionsfunktion insoweit nicht gegen die Bercksichtigung subjektiver Verhaltensstandards im Rahmen des Verschuldens angefhrt werden, als es um subjektive Schwchen des Schdigers geht, die der Einhaltung der objektiven Verhaltensstandards im Rahmen des Unrechts entgegenstehen. Denn dann entfaltet das Haftungsrecht keine prventive Wirkung, sondern kann nur noch die eingetretenen Schden kompensieren.

b) Vertrauensschutz Problematisch ist es auch, wenn der objektive Verschuldensbegriff im Zusammenhang mit der Prventionsfunktion durch die Erwartungen und damit den Schutz des Vertrauens der Verkehrsteilnehmer als maßgeblichem Wertungsgesichtpunkt gerechtfertigt wird114. Denn das Vertrauen der Verkehrsteilnehmer ist nur insoweit berechtigt und schutzwrdig, als es sich auf die gesetzlichen Wertungen bezieht115. Inwieweit das Vertrauen der Verkehrsteilnehmer, dass die deliktische Haftung Beeintrchtigungen ihrer Freiheitssphre durch Dritte sanktioniert, also ihren Interessen Vorrang gegenber denjenigen des Verantwortlichen einrumt, berechtigt ist, ergibt sich demnach aus der gesetzlichen Regelung und den ihr zugrundeliegenden Wertungen. Aus der Eigenstndigkeit des Verschuldens im Haftungsrecht und der Regelung der Deliktsfhigkeit in §§ 827 f. BGB ergibt sich dabei, dass der Verstoß gegen die objektiven Verhaltensstandards des Unrechts jedenfalls nicht immer zu einer Haftung fhrt. Ein Verantwortlicher hat seine subjektiven Schwchen insbesondere dann nicht zu tragen, wenn ihm gemß 112

So im Ausgangspunkt auch G. Wagner, in: Zimmermann, S. 189, 268. Vgl. Koziol, AcP 196 (1996), 593, 601 f. 114 So aber G. Wagner, in: Zimmermann, S. 189, 269; unter dem Aspekt der Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs auch Medicus, Schuldrecht I, Rn. 309. 115 Vgl. auch Canaris, Vertrauenshaftung, S. 516 f. 113

I. Verschuldenserfordernis der deliktischen Haftung

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§§ 827 f. BGB im Rahmen der inneren Sorgfalt die notwendige Einsichtsund Steuerungsfhigkeit zur Einhaltung der objektiven Sorgfalt fehlt, auch wenn dies auf Kosten des Geschdigten geht116. Zwar kann aus der Enttuschung des Vertrauens, dass Bewusstlose, Geisteskranke und Minderjhrige wie alle anderen Verkehrsteilnehmer die allgemeinen Sorgfaltsstandards einhalten und im Falle der Nichteinhaltung deliktisch haften, noch nicht geschlossen werden, dass der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes im Deliktsrecht berhaupt nicht zu bercksichtigen ist117. Aber den gesetzlichen Wertungen lsst sich immerhin entnehmen, dass der Schutz des Vertrauens in die Einhaltung der objektiven Verhaltensstandards nicht notwendig Vorrang gegenber dem Schutz derjenigen genießt, deren subjektiven Verhaltensstandards gegenber den objektiven Verhaltensstandards zurckbleiben. Dabei wird das Spannungsverhltnis zwischen dem auf objektiven Verhaltensstandards beruhenden Vertrauensschutz und der auf subjektiven Verhaltensstandards beruhenden individuellen Gewhrleistung von Handlungs- und Freiheitsrumen nicht allgemein zugunsten der Maßgeblichkeit eines subjektiven Verschuldensbegriffs aufgelçst, sondern nur dann, wenn der Einhaltung der objektiven Verhaltensstandards die mangelnde Einsichts- und Steuerungsfhigkeit des Verantwortlichen entgegensteht. Die Bercksichtigung eines berechtigten Vertrauens der Verkehrsteilnehmer im brigen wird dadurch nicht ausgeschlossen.

c) Erkennbarkeit Diese Relativierung des Vertrauensschutzes lsst sich auch nicht dadurch rechtfertigen und damit wieder auf den Vertrauensschutz zurckfhren, dass maßgeblich auf die Erkennbarkeit der im Rahmen des Verschuldens zu bercksichtigenden Umstnde abgestellt wird, so dass die Erkennbarkeit subjektiver Umstnde die Schutzwrdigkeit des Vertrauens darauf, dass solche Umstnde nicht vorliegen, zerstçre. Danach seien subjektive Umstnde auch unter einem objektiven Verschuldensbegriff insoweit zu bercksichtigen, als sie in der konkreten Handlungssituation fr einen objektiven Beobachter erkennbar seien118. Die Privilegierung von Kindern und alten Menschen trotz der grundstzlichen Geltung eines objektiven Fahrlssigkeitsbegriffs rechtfertige sich daher daraus, dass dort die Unfhigkeit zur Einhaltung der allgemeinen Sorgfaltsstandards fr einen Dritten erkennbar sei119. Eine derartige Maßgeblichkeit der Erkennbarkeit vermag jedoch zunchst noch nicht zu erklren, warum die subjektive Unmçglichkeit oder 116 117 118 119

Siehe oben S. 331. So aber Koziol, AcP 196 (1996), 593, 605. G. Wagner, in: Zimmermann, S. 189, 266 f. G. Wagner, in: Zimmermann, S. 189, 267.

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§ 8 Verschulden als subjektive Pflichtwidrigkeit

Unzumutbarkeit der Einhaltung objektiver Sorgfaltsstandards berhaupt zu bercksichtigen ist. Zudem ist sie mit den gesetzlichen Wertungen nicht vereinbar. Denn im Gesetz findet sich zwar die Privilegierung der Minderjhrigen in § 828 BGB, nicht aber eine Privilegierung alter Menschen. Dieser Befund mag noch darauf zurckzufhren sein, dass die subjektive Unmçglichkeit oder Unzumutbarkeit der Einhaltung objektiver Sorgfaltsstandards bei alten Menschen deutlich schlechter zu erkennen sein drfte als bei Minderjhrigen, da sie noch weniger an das auch schwerer zu erkennende Alter gekoppelt ist. Schwerer wiegt demgegenber, dass etwa Betrunkene gemß § 827 S. 2 BGB allenfalls eingeschrnkt privilegiert werden, obwohl bei ihnen die subjektive Unmçglichkeit in der Regel erkennbar sein drfte, whrend Geisteskranke gemß § 827 BGB privilegiert werden, obwohl sie weder notwendig noch regelmßig als solche erkennbar sind. Dabei knpft das Gesetz nicht nur in § 827 BGB an innere Eigenschaften des Schdigers an, sondern auch in § 828 III BGB, wenn es mit der Jugendlichkeit zwar zunchst eine ußere Eigenschaft voraussetzt, aber fr die Feststellung der Zurechnungsfhigkeit auf die individuelle Einsichtsfhigkeit abstellt120. Whrend die Erkennbarkeit nur auf die Perspektive des Geschdigten abstellt, knpft das Gesetz auch an nicht ohne weiteres erkennbare innere Eigenschaften des Schdigers an. Nach der gesetzlichen Regelung des BGB kçnnen sich die Verkehrsteilnehmer mithin nicht vollstndig darauf verlassen, dass alle anderen Verkehrsteilnehmer immer die objektiven Sorgfaltsstandards einhalten oder fr ihre Nichteinhaltung haften. Angesichts der gesetzlichen Regelung ist nicht nur die vollstndige Verhinderung, sondern auch der vollstndige Ausgleich durch die Nichteinhaltung erlittener Schden ein unrealistisches Ideal. Die Schden, die andere Verkehrsteilnehmer durch ihren Verstoß gegen objektive Sorgfaltsstandards zwar verursacht haben, fr die sie aber aufgrund eines subjektiven Verschuldensbegriffes nicht haften, stellen sich fr den betroffenen Verkehrsteilnehmer als unvorhersehbarer Zufall dar, fr den er in der Regel auch sonst keinen Ersatz findet, was jedenfalls solange unproblematisch ist, als ein solcher Zufall einen Ausnahmefall darstellt121. Die Rechtfertigung eines objektiven Fahrlssigkeitsmaßstabs mit nur selektiver Bercksichtigung der individuellen Eigenschaften des Schdigers allein aus einer zum normativen Prinzip erhobenen funktionalen Betrachtung des außervertraglichen Haftungssystems, die sich auf die Erwartungen der anderen Verkehrsteilnehmer als maßgeblichem Gesichtspunkt sttzt122, geht somit fehl. 120 Erman/Schiemann, § 828 Rn. 5; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 828 Rn. 10; Soergel/Spickhoff, § 828 Rn. 12. 121 Auf die Seltenheit rekurriert auch G. Wagner, in: Zimmermann, S. 189, 268 f. 122 So G. Wagner, in: Zimmermann, S. 189, 269.

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5. Abgrenzungs- und Freiheitsfunktion Im Rahmen der Funktion des Deliktsrechts, Handlungs- und Freiheitsrume zu gewhrleisten und voneinander abzugrenzen, lassen sich fr die Subjektivierung des Verschuldens die Menschenwrde und die Handlungsfreiheit und damit die freie Entfaltung der Persçnlichkeit des Schdigers anfhren. Denn die Objektivierung des Verschuldens schrnkt die Freiheitssphre des potentiell Verantwortlichen zu sehr ein und ermçglicht daher keine taugliche Abgrenzung der Freiheitssphren der Beteiligten.

a) Haftung als Funktion der persçnlichen Freiheit So wird aus der dem BGB zugrunde liegenden Anerkennung der Person und ihrer Wrde gefolgert, dass die Person fr ihre selbstbestimmten Entscheidungen einstehen muss und dafr die Verantwortung trgt, so dass ihr sowohl die Vorteile als auch die Nachteile aus Handlungen zugerechnet werden, die sie herbeigefhrt hat und die sie htte vermeiden kçnnen123. Die Haftung stellt sich also als Funktion der persçnlichen Freiheit dar. Auch hier wird aber auf die Verantwortung fr individuelles Verhalten abgestellt124. Eine vollstndige Objektivierung des Verschuldensbegriffs wrde dieser individuellen Verantwortung zuwiderlaufen125, weil die Verhaltensfolgen dann auch demjenigen zuzurechnen wren, dem ein anderes Verhalten nicht mçglich oder nicht zumutbar war.

b) Abgrenzung der Freiheitssphren Stellt man auf die Aufgabe des Haftungsrechts ab, die Freiheitssphren der Brger untereinander abzugrenzen126, so steht dem Aktivittsinteresse des potentiellen Schdigers das Integrittsinteresse der anderen Verkehrsteilnehmer gegenber. Mit dem Schutz des Aktivittsinteresses durch die allgemeine Handlungsfreiheit lsst sich daher fr die deliktische Haftung argumentieren, dass das Aktivittsinteresse einer Person grundstzlich nur dort seine Grenze in dem Integrittsinteresse eines anderen findet, wo die Person gegen die Pflicht zur Rcksichtnahme und Fairness verstçßt und eine echte Handlungsalternative bestand127. Eine vollstndige Objektivierung des Verschuldens ist damit nicht vereinbar.

123 124 125 126 127

Larenz/Wolf, § 2 Rn. 23; vgl. auch Mayer-Maly, Privatautonomie, S. 268, 277. Larenz/Wolf, § 2 Rn. 23; vgl. auch Jaun, S. 321 ff., 492. Anders aber Larenz/Wolf, § 2 Rn. 23; Jaun, S. 241 ff. Siehe oben S. 14. So Widmer, in: Zimmermann, S. 147, 175 f.

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§ 8 Verschulden als subjektive Pflichtwidrigkeit

c) Erhalt der Handlungsfreiheit und der freien Entfaltung der Persçnlichkeit Gegen die Objektivierung des Verschuldens wird weiter angefhrt, dass sie zu einer Risikohaftung fr den Mangel der eigenen Leistungsfhigkeit fhren wrde128. Dies sei nicht mit der Menschenwrde derjenigen vereinbar, die die objektiven Sorgfaltsstandards nicht einhalten kçnnten, da dann schon ihre bloße Existenz und die daraus notwendig folgende Teilnahme am allgemeinen Verkehr die Haftung begrnde und ihnen ein haftungsfreies Leben weitgehend abgeschnitten sei129. In diesem Sinne lsst sich der Objektivierung des Verschuldens die Pflicht entnehmen, dass jeder Verkehrsteilnehmer Situationen vermeiden muss, in denen ihm die Einhaltung der objektiven Verhaltensstandards aufgrund seiner subjektiven Schwchen unmçglich oder unzumutbar ist130. Aber diese Pflicht erscheint nur unproblematisch, wenn die unvermeidbaren persçnlichen Schwchen eines Verkehrsteilnehmers lediglich dazu fhren, dass er die Teilnahme an einem besonderen Verkehr vermeiden muss, und ihm die Nichtteilnahme zumutbar ist131. Sie wird hingegen problematisch, wenn diese Schwchen dazu fhren, dass er schon am allgemeinen Verkehr nicht teilnehmen darf, wenn er die Haftung vermeiden will. Denn die Teilnahme am allgemeinen Verkehr wre ihm dann nicht oder nur um den Preis seines Vermçgens und in letzter Konsequenz seiner Insolvenz mçglich. Die Unmçglichkeit der Einhaltung der objektiven Sorgfaltsstandards wrde damit die Teilnahme am allgemeinen Verkehr unmçglich machen und damit die allgemeine Handlungsfreiheit in einem Kernbereich vollstndig ausschließen. Die Objektivierung des Verschuldens wrde demgemß die Handlungsfreiheit und die freie Entfaltung der Persçnlichkeit derjenigen bermßig einschrnken, die aufgrund der Maßgeblichkeit objektiver Verhaltensstandards fr ihre subjektiven Schwchen haften.

d) Existenzbedrohende Haftung fr subjektive Schwchen Diese Problematik berhrt sich mit der im Zusammenhang mit § 828 III BGB gefhrten Diskussion um existenzbedrohende Schadensersatzpflichten Minderjhriger. Dabei wird verfassungsrechtlich fr problematisch gehalten, dass minderjhrigen Schdigern durch die aus ihrer Verantwortlich128 Koziol, AcP 196 (1996), 593, 602; Larenz, Schuldrecht I, § 20 III (S. 286 f.); Larenz/ Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 I 2 g (S. 353). 129 Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil II, S. 1324; Koziol, AcP 196 (1996), 593, 603. 130 Vgl. MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 36; Shavell, S. 77 ff. 131 In diesem Sinne Deutsch, JZ 1968, 104, 105; mit etwas anderer Terminologie auch MnchKomm-BGB/Grundmann, § 276 Rn. 66 f.; vgl. auch von Caemmerer, RabelsZ 42 (1978), 5, 20 f.

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keit folgende deliktische Haftung die Mçglichkeit zur Gestaltung ihres spteren Lebens genommen werden kçnne, indem sie existenzbedrohenden Schadensersatzpflichten ausgesetzt wrden; vor allem wenn ihnen einerseits nur leichtes Verschulden vorzuwerfen sei, andererseits aber die finanzielle Entschdigung des Opfers von dritter Seite gewhrleistet sei, lge ein Verstoß gegen Art. 1, 2, 6 II 2 GG vor, zumindest sei aber eine einfachrechtliche Korrektur im Sinne einer Reduktionsklausel angezeigt132. Obwohl diese Diskussion vor allem an die Geltung des Alles-oderNichts-Prinzips anknpft133, dreht sie sich auf der Wertungsebene darum, wie sich vermeiden lsst, dass durch die deliktische Haftung die allgemeine Handlungsfreiheit des Schdigers ber das verfassungsrechtlich zulssige Maß hinaus eingeschrnkt wird. Die Problematik existenzbedrohender Schadensersatzpflichten ist dabei nicht auf Minderjhrige beschrnkt, sondern allgemeiner Natur, indem sie auch bei Volljhrigen bestehen kann134. Sie stellt sich bei Minderjhrigen nur in besonderer Schrfe135. Der verfassungsrechtlich gebotene und inzwischen auch durch § 1629a BGB gewhrte Schutz bezieht sich zwar nur auf Schulden, die der Minderjhrige nicht selbst zu verantworten hat, sondern seine gesetzlichen Vertreter, die nicht fhig oder bereit sind, den Anforderungen des Elternrechts zu entsprechen136, so dass es zunchst nicht um den Schutz des Minderjhrigen vor sich selbst, sondern vor seinen Eltern geht137. Aber insoweit besteht durchaus eine Parallele zwischen dem Einstehen fr Mngel von Eltern, die Schicksal sind, und fr eigene Mngel, die ebenfalls Schicksal sind. Demgemß ist die Einschrnkung der allgemeinen Handlungsfreiheit und des allgemeinen Persçnlichkeitsrechts durch die deliktische Schadensersatzhaftung zumindest dann verfassungsrechtlich problematisch, wenn dem Schdiger die Vermeidung des die Haftung begrndenden Mangels nicht mçglich war, was dann nicht nur fr Minderjhrige, sondern auch fr Volljhrige gilt. Eine auch verfassungsrechtlich relevante Bedrohung der Existenz ist dabei nicht auf die Haftung fr bereits eingetretene Schden beschrnkt, son132 Vgl. mit Unterschieden im Einzelnen OLG Celle, NJW-RR 1989, 791 ff.; LG Bremen NJW-RR 1991, 1432, 1434; LG Dessau, NJW-RR 1997, 214, 215 f.; unter Berufung den vorkonstitutionellen Charakter der Norm offen gelassen durch BVerfG, NJW 1998, 3557; vgl. zur Problematik auch Erman/Schiemann, § 828 Rn. 7; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 828 Rn. 12; Schiemann, KF 1999, S. 5, 7 ff.; Soergel/Spickhoff, § 828 Rn. 4; Staudinger/Oechsler, § 828 Rn. 41 ff.; Looschelders, VersR 1999, 141, 146 ff.; Rolfs, JZ 1999, 233, 236 ff.; grundlegend Canaris, JZ 1987, 993, 1001; vgl. auch BVerfGE 72, 155, 170 ff., 173. 133 Vgl. Erman/Schiemann, § 828 Rn. 7; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 828 Rn. 12; Soergel/Spickhoff, § 828 Rn. 4. 134 Vgl. Canaris, JZ 1990, 679 ff.; Soergel/Spickhoff, § 828 Rn. 5. 135 Vgl. LG Dessau, NJW-RR 1997, 214, 216. 136 Vgl. BVerfGE 72, 155, 173; hnl. LG Bremen, NJW-RR 1991, 1432, 1434. 137 Vgl. Schiemann, KF 1999, S. 5, 7.

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§ 8 Verschulden als subjektive Pflichtwidrigkeit

dern kann auch in einer stndig drohenden und unvermeidbaren Haftung fr zuknftige Schden liegen. Die Einschrnkung durch existenzbedrohende Schadensersatzpflichten, die bereits bestehen, drfte zwar grçßer sein als durch solche, die drohen. Eine Existenzbedrohung und damit eine Einschrnkung der allgemeinen Handlungsfreiheit und des allgemeinen Persçnlichkeitsrechts besteht jedoch auch bei drohenden Schadensersatzpflichten, deren Vermeidung unmçglich oder unzumutbar ist. Diese Schadensersatzpflichten schweben wie ein Damoklesschwert ber dem Leben des potentiellen Schdigers, ihre Vermeidung ist allenfalls um den Preis der Teilnahme am allgemeinen Verkehr und damit am sozialen Leben berhaupt mçglich. Auch wenn die Einschrnkung geringer ist, sttzt sie doch die hier angenommene Subjektivierung des Verschuldensbegriffs auf der Grundlage der gesetzlichen Wertungen vor allem der §§ 827 f. BGB, die sich damit auch als mit den verfassungsrechtlichen Wertungen konsistent erweist. Insbesondere muss die Einschrnkung der allgemeinen Handlungsfreiheit und des allgemeinen Persçnlichkeitsrechts durch existenzbedrohende Schadensersatzpflichten nicht notwendig so weit gehen, dass sie auch eine unmittelbare Anwendung des Verfassungsrechts im Sinne einer gesetzesbersteigenden Rechtsfortbildung trgt138, da es hier nur um die Absicherung einer gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung durch verfassungsrechtliche Wertungen geht139. Gegen die Problematik der existenzbedrohenden Schadensersatzpflichten wird demgemß auch nicht eingewendet, dass Minderjhrige insoweit grundstzlich keinen verfassungsrechtlichen Schutz genießen, sondern dass sich die verfassungsrechtlichen Bedenken ausrumen ließen, indem die existenzbedrohende Wirkung auf der Ebene des einfachen Rechts korrigiert werde140. Auf die einzelnen Einwnde, etwa den Vorschlag der Beschrnkung des Regresses der Sozialversicherungstrger141 oder den Hinweis auf die Mçglichkeit der Haftpflichtversicherung142 oder des Verbraucherinsolvenzverfahrens und der Restschuldbefreiung143, kann hier nicht eingegangen werden. Festzuhalten bleibt aber, dass die verfassungsrechtliche Problematik der bermßigen Einschrnkung der allgemeinen Handlungsfrei138

Kritisch dazu Simon, AcP 204 (2004), 264, 271 ff. Zur Unterscheidung Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 187 ff. 140 Vgl. MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 828 Rn. 12; Soergel/Spickhoff, § 828 Rn. 4; Schiemann, KF 1999, S. 7, 10; Looschelders, VersR 1999, 145, 148 ff. 141 Dazu etwa Ahrens, VersR 1997, 1064; Erman/Schiemann, § 829 Rn. 7; Schiemann, KF 1999, S. 7, 10; Simon, AcP 204 (2004), 254, 281 ff.; Soergel/Spickhoff, § 828 Rn. 5; anders Steffen, VersR 1987, 529, 532 f. 142 Dazu Jansen, Struktur, S. 630 f.; vgl. auch die berlegungen des OLG Celle, NJWRR 1989, 791, 792; sowie Soergel/Spickhoff, § 828 Rn. 5; kritisch Canaris, JZ 1990, 679, 680. 143 So Bamberger/Roth/Spindler, § 838 Rn. 2; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 828 Rn. 15; Soergel/Spickhoff, § 828 Rn. 5; Staudinger/Oechsler, § 828 Rn. 43. 139

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heit Minderjhriger durch deliktische Schadensersatzansprche damit als solche nicht bestritten wird. Die Objektivierung des Verschuldens luft damit nicht nur der einfachgesetzlichen Systematik zuwider, sondern ist auch mit der Freiheitsfunktion des Deliktsrechts nicht vereinbar und daher auch verfassungsrechtlich zumindest problematisch, indem sie die Gefahr existenzbedrohender Schadensersatzpflichten bei Schdigern begrndet, denen aufgrund subjektiver Schwchen die Einhaltung der objektiven Verhaltensstandards nicht mçglich oder zumutbar ist. Die Freiheitsfunktion und die verfassungsrechtlichen Wertungen bleiben somit nur gewahrt, wenn die subjektiven Schwchen auf der Ebene des einfachen Rechts durch die Subjektivierung des Verschuldens auf der Grundlage der gesetzlichen Wertungen vor allem der §§ 827 f. BGB bercksichtigt werden. Nur so kann die nach den einfachgesetzlichen wie verfassungsrechtlichen Wertungen unangemessene Haftung fr die Verletzung der objektiven Sorgfaltsstandards des Unrechts vermieden werden, deren Einhaltung aufgrund subjektiver Schwchen unmçglich oder unzumutbar ist.

e) Interessen des Verantwortlichen und des Betroffenen Die Subjektivierung des Verschuldens erscheint auch insoweit mit der Freiheitsfunktion des Deliktsrechts vereinbar, als sie nicht nur die Interessen des Verantwortlichen bercksichtigt, sondern auch diejenigen des Betroffenen. Auch unter einem subjektivierten Verschulden werden die Interessen des Betroffenen denjenigen des Verantwortlichen nicht vollstndig untergeordnet. Dabei ist zunchst festzuhalten, dass das Verschulden durch das Unrecht indiziert wird und regelmßig vorliegen wird, da sein Fehlen die mangelnde Einsichts- und Steuerungsfhigkeit des Verantwortlichen voraussetzt, die regelmßig die Ausnahme darstellt. Das berwiegen der Interessen des Verantwortlichen ist also der Ausnahmefall. Darber hinaus bezieht sich die Subjektivierung des Verschuldens nicht auf ein absolutes Maß an mangelnder Einsichts- und Steuerungsfhigkeit, sondern fragt fr den jeweiligen Fall, ob dem konkret geschuldeten Maß an ußerer Sorgfalt im Rahmen der inneren Sorgfalt die mangelnde Einsichts- und Steuerungsfhigkeit entgegen steht. Vor allem aber ergibt sich aus dem Zusammenspiel der §§ 827 f. und § 829 BGB, dass das Interesse des Betroffenen auch dann bercksichtigt wird, wenn die Subjektivierung des Verschuldens greift, dass also auch dann die Interessen des Verantwortlichen im Ergebnis nicht schwerer als diejenigen des Betroffenen wiegen mssen. Denn trotz des fehlenden Verschuldens kann danach eine Haftung des Verantwortlichen bestehen. Dabei ist § 829 BGB nicht nur auf die Flle anzuwenden, in denen die Verant-

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wortlichkeit des Schdigers fr ein von ihm begangenes Delikt aufgrund der §§ 827 f. BGB ausgeschlossen ist, sondern auch die Flle, in denen die Verantwortlichkeit des Schdigers aufgrund der Subjektivierung des Verschuldens ausgeschlossen ist. Dies ergibt sich nicht nur daraus, dass der Subjektivierung die Wertungen der §§ 827 f. BGB zugrunde liegen, sondern auch aus der Funktion des § 829 BGB. Die Haftung des § 829 BGB ist keine Gefhrdungshaftung144. Sie ist zwar verschuldensunabhngig, aber die bloße Gefhrdung begrndet noch keine Haftung; wie bei der Verschuldenshaftung gengen das Verhaltensunrecht einschließlich des Vorliegens von Vorsatz oder Fahrlssigkeit und der dadurch verursachte Schaden allein noch nicht. Hinzutreten muss vielmehr die Billigkeit der Schadenstragung durch den Schdiger. Diese Billigkeit tritt somit an die Stelle der Verantwortlichkeit im Rahmen der Verschuldenshaftung; § 829 BGB begrndet also eine Billigkeitshaftung, welche die Subjektivierung des Verschuldens kompensiert145. Diese Kompensationsfunktion lsst sich nicht auf die fehlende Deliktsfhigkeit aufgrund der §§ 827 f. BGB beschrnken, sondern erfasst alle Flle der Subjektivierung des Verschuldens. Die Haftung aus § 829 BGB ist dabei auch mit dem Schutz der Handlungsfreiheit des Verantwortlichen vereinbar. Denn die Billigkeitsgrnde ergeben sich aus allen Umstnde des Falls, vor allem aber aus den Vermçgensverhltnissen und den Bedrfnissen der Beteiligten146, wobei insbesondere ein Vermçgensgeflle vorausgesetzt wird, so dass der Schdiger dann Schadensersatz leisten muss, wenn seine Vermçgensverhltnisse erheblich besser sind, als diejenigen des Geschdigten147. Der Verantwortliche haftet also nur insoweit, als die drohende Haftung seine Handlungsfreiheit nicht beeintrchtigt, weil er ber das dafr notwendige Vermçgen verfgt.

D. Objektive Elemente im subjektivierten Verschulden Die Subjektivierung des Verschuldens ist zwar theoretischer Ausgangspunkt des Verschuldensbegriffs, weil nur sie es erlaubt, sowohl die Bercksichtigung subjektiver Schwchen als auch ihre Grenzen zu erklren, wird aber durch objektive Elemente eingeschrnkt, so dass die subjektiven Verhaltenstandards des Verschuldens nur ausnahmsweise greifen.

144 Anders aber Esser/Weyers, § 55 III 2 (S. 177); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 VII 2 (S. 6539). 145 MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 828 Rn. 1 ff. 146 MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 829 Rn. 14 f.; vgl. auch BGHZ 127, 186, 192; BGH, NJW 1979, 2096; Erman/Schiemann, § 829 Rn. 3; Soergel/Spickhoff, § 829 Rn. 15. 147 BGH, NJW 1979, 2096; Erman/Schiemann, § 829 Rn. 3; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 829 Rn. 16; Soergel/Spickhoff, § 829 Rn. 16.

I. Verschuldenserfordernis der deliktischen Haftung

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1. Subjektiviertes Verschulden als Ausnahme Das subjektivierte Verschulden stellt gegenber den objektiven Verhaltensstandards des Unrechts die Ausnahme dar, weil es nur ausgeschlossen wird, wenn die mangelnde Einsichts- und Steuerungsfhigkeit des Verantwortlichen der Einhaltung der objektiven Verhaltensstandards entgegensteht. Damit entfllt das Verschulden nicht bereits bei jeder subjektiven Schwche des Verantwortlichen, die im Rahmen der inneren Sorgfalt eine erhçhte intellektuelle und voluntative Anstrengung zur Einhaltung der objektiven Sorgfalt zur Folge hat. Es entfllt vielmehr nur, wenn die subjektive Schwche eine besondere Qualitt erreicht, die nur in Ausnahmefllen vorliegt, sofern die Anforderungen im Rahmen der objektiven Verhaltensstandards nicht vçllig berzogen sind. Soweit die subjektiven Schwchen das Verschulden nicht ausschließen, gelten die objektiven Verhaltensstandards des Unrechts. Diese Funktion des subjektivierten Verschuldens als ausnahmsweise Schranke der objektiven Verhaltensstandards des Unrechts wird durch die Abgrenzungs- und Freiheitsfunktion der deliktischen Haftung besttigt, die der Subjektivierung zugrunde liegt. Denn diese Funktion gebietet eine Subjektivierung des Verschuldens nur in den Fllen, in denen der Einhaltung der objektiven Sorgfaltsstandards des Unrechts die mangelnde Einsichts- und Steuerungsfhigkeit des Verantwortlichen entgegensteht, da nur dann seine Handlungsfreiheit und die freie Entfaltung seiner Persçnlichkeit so stark eingeschrnkt werden, dass sie die entgegenstehenden Interessen des Betroffenen berwiegen.

2. Objektiver Maßstab fr subjektive Verhaltensstandards Der Subjektivierung des Verschuldens liegen infolge der Bercksichtigung subjektiver Schwchen zwar subjektive Verhaltensstandards zugrunde, aber der Maßstab zur Bestimmung dieser Verhaltensstandards ist objektiv148. Demgemß kann gegen die Subjektivierung des Verschuldensbegriffs auch nicht angefhrt werden, dass die darin liegende Begnstigung der Schdiger mit subjektiven Schwchen notwendig uferlos sei149. Der Maßstab fr die dem Verschulden zugrundeliegenden Verhaltensstandards ist dabei insofern objektiv, als diese nur bestehen, soweit der Verantwortliche ber das zu ihrer Einhaltung notwendige Maß an Einsichts- und Steuerungsfhigkeit verfgt, das unabhngig von den individuellen Fhigkeiten des jeweiligen Verantwortlichen bestimmt werden kann. Subjektiv sind nur die dem Verschulden zugrundeliegenden Verhaltensstandards, da diese sich zwar zu148

Siehe oben S. 325. So aber offenbar G. Wagner, in: Zimmermann, S. 189, 268; auch schon Heck, Schuldrecht, § 26 Nr. 6 (S. 78). 149

346

§ 8 Verschulden als subjektive Pflichtwidrigkeit

nchst aus den objektiven Verhaltensstandards des Unrechts ergeben, aber nur bis zu der Grenze bestehen, an der ihrer Befolgung die mangelnde Einsichts- und Steuerungsfhigkeit des Verantwortlichen entgegensteht. Indem sich die subjektiven Verhaltensstandards des Verschuldens aus den objektiven Verhaltensstandards des Unrechts ergeben, aber durch die Einsichts- und Steuerungsfhigkeiten des Verantwortlichen begrenzt werden, muss der Verantwortliche auch unter dem subjektivierten Verschulden im Rahmen der inneren Sorgfalt bis zur Grenze seiner Einsichts- und Steuerungsfhigkeit alle intellektuellen und voluntativen Anstrengungen zur Erfllung der ußeren Sorgfalt unternehmen, um seine Haftung zu vermeiden. Anders als unter einem objektivierten Verschuldensbegriff haftet er aber nicht mehr, wenn er diese Anstrengungen unternommen und trotzdem die ußere Sorgfalt nicht erfllt hat.

3. Objektive Pflichtwidrigkeit als Indiz der subjektiven Pflichtwidrigkeit Eine zumindest faktische berlagerung der Subjektivierung des Verschuldens durch objektive Verhaltensstandards liegt weiter darin, dass der Verstoß gegen die objektiven Verhaltensstandards im Rahmen des Unrechts den Verstoß gegen die subjektiven Verhaltensstandards im Rahmen des Verschuldens indiziert. Die Verantwortlichkeit des rechtswidrig handelnden Schdigers wird damit vermutet150, da mit der Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Schdigers in der Regel auch sein Verschulden gegeben ist, wenn der Schdiger seine mangelnde Verantwortlichkeit nicht darlegen und beweisen kann. Dabei ergibt sich die Indizierung nicht aus einem Anscheinsbeweis151, sondern daraus, dass das mangelnde Verschulden wegen der auf subjektiven Schwchen des Schdigers beruhenden Unmçglichkeit oder Unzumutbarkeit, die objektiven Verhaltensstandards einzuhalten, als Einwendung ausgestaltet ist152, wie aus der Parallele zu §§ 827 f. BGB folgt, die ebenfalls als Einwendung ausgestaltet sind.

4. Umkehr der Darlegungs- und Beweislast Aus der Ausgestaltung des mangelnden Verschuldens als Einwendung ergibt sich auch, dass der Schdiger die Darlegungs- und Beweislast fr ein Fehlen oder eine Minderung des Verschuldens trgt. Es wird zunchst davon ausgegangen, dass der Schdiger die fr die Feststellung des Unrechts maßgeblichen objektiven Verhaltensstandards einhalten kann, und dass er 150 151

Vgl. Koziol, AcP 196 (1996), 593, 595. So aber BGH, VersR 1986, 766, 767; im Grundsatz auch BGH, NJW 1994, 2232,

2233 f. 152

Vgl. Soergel/Spickhoff, § 827 Rn. 7 a. E.

I. Verschuldenserfordernis der deliktischen Haftung

347

andernfalls seine Eigenschaften darzulegen und zu beweisen hat, die der Einhaltung entgegenstehen153. Die darin liegende Umkehr der Darlegungs- und Beweislast rechtfertigt sich allerdings noch nicht aus dem Bestreben, die administrativen Kosten der deliktischen Haftung zu minimieren154. Zwar erscheint es als ein berechtigtes Anliegen, keine unnçtigen Kosten zu produzieren. Aber die Vermeidung der administrativen Kosten bedeutet einen Nachteil fr den grundstzlich geschtzten Schdiger, so dass die Kosten nur unnçtig sind, wenn den Wertungen, die den gesetzlichen Regelungen zugrunde liegen, entnommen werden kann, dass der Schdiger diesen Nachteil zu tragen hat. Die Effizienz des Rechts ist kein Ziel an sich155. Die Darlegungs- und Beweislastumkehr rechtfertigt sich demgemß zunchst aus einer Parallele zum Anscheinsbeweis, wonach aus einem festgestellten Sachverhalt auf das Verschulden geschlossen werden kann, wenn es aufgrund dieses Sachverhalts nach der Lebenserfahrung typischerweise gegeben ist156. Da sich die objektiven Verhaltensstandards an den durchschnittlichen Fhigkeiten und Kenntnissen orientieren, sind sie demgemß nach der Lebenserfahrung typischerweise gegeben. Die Darlegungs- und Beweislastumkehr rechtfertigt sich weiter aus dem insbesondere fr die Produzentenhaftung maßgeblichen Gesichtspunkt, dass der Schdiger fr diejenigen Tatsachen die Darlegungs- und Beweislast trgt, die aus seinem Organisations- und Gefahrenbereich stammen, in den der Geschdigte keinen Einblick hat157. Noch weniger kann der Geschdigte einen Einblick in innere Tatsachen wie Fhigkeiten und Kenntnisse haben. Die diese inneren Tatsachen bestimmenden Umstnde kann der Schdiger besser als der Geschdigte darlegen und beweisen158. Vor allem aber findet die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast ihre Rechtfertigung darin, dass sie der allgemein anerkannten Verteilung der Darlegungs- und Beweislast fr den Ausschluss und die Minderung der Deliktsfhigkeit gemß §§ 827 f. BGB entspricht159, deren Wertungen auch dem subjektivierten Verschulden zugrunde liegen. 153 Vgl. auf der Grundlage eines objektiven Verschuldensbegriffs auch BGHZ 98, 135, 137 ff.; G. Wagner, in: Zimmermann, S. 189, 265 f.; kritisch Baumgrtel, JZ 1987, 42; Esser/ Weyers, § 55 II 2 b (S. 169 f.). 154 So aber G. Wagner, in: Zimmermann, S. 189, 268 f.; kritisch Baumgrtel, JZ 1987, 42; Esser/Weyers, § 55 II 2 b (S. 169 f.). 155 Vgl. oben S. 29. 156 Dazu etwa Thomas/Putzo/Reichold, § 286 Rn. 12 ff.; Zçller/Greger, Vor § 284 Rn. 29. 157 Dazu etwa MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 608; Soergel/Krause, § 823 Anh III Rn. 44. 158 Vgl. MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 827 Rn. 12; Soergel/Spickhoff, § 827 Rn. 8; Staudinger/Oechsler, § 827 Rn. 19. 159 Vgl. nur BGHZ 39, 103, 108; BGHZ 98, 135, 136 ff.; BGHZ 102, 227, 230; BGHZ 161, 180, 187; Erman/Schiemann, § 827 Rn. 4, § 828 Rn. 6; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 827 Rn. 12, § 828 Rn. 11; Soergel/Spickhoff, § 827 Rn. 8, § 838 Rn. 18.

348

§ 8 Verschulden als subjektive Pflichtwidrigkeit

Aufgrund dieser Umkehr der Darlegungs- und Beweislast verliert auch der Einwand gegen die Subjektivierung des Verschuldens, dass subjektive Verhaltensstandards schwieriger zu bestimmen seien als objektive160, an berzeugungskraft. Diese Schwierigkeiten kçnnen sich nicht auf den bei der Bestimmung der subjektiven Verhaltensstandards anzuwendenden Maßstab beziehen, da dieser objektiv ist161, sondern nur auf die subjektiven Eigenschaften des Schdigers, da diese nur individuell festzustellen sind. Diesen Schwierigkeiten wird jedoch dadurch wirksam begegnet, dass der Schdiger die Darlegungs- und Beweislast fr seine mangelnde Einsichtsund Steuerungsfhigkeit trgt, so dass von den objektiven Verhaltensstandards abweichende subjektive Verhaltensstandards nur dort Bercksichtigung finden, wo sie sich auch bestimmen lassen. Die Subjektivierung des Verschuldens fhrt demgemß auch nicht zu einem Trittbrettfahrerproblem und damit zur Zerstçrung der Voraussetzungen fr die Erhaltung des çffentlichen Gutes der Verkehrssicherheit162. Auch unter einem subjektivierten Verschulden hat jeder Verkehrsteilnehmer einen Verhaltensstandard einzuhalten, der trotz seiner Subjektivitt mittels eines objektiven Maßstabs bestimmt wird und dessen Einhaltung durch die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast auch wirksam festgestellt werden kann.

5. Vereinbarkeit der objektiven Elemente mit der Freiheitsfunktion Den objektiven Elementen im subjektivierten Verschulden steht die Begrndung der Subjektivierung des Verschuldens nicht entgegen. Dies findet seinen Grund darin, dass die ausreichende Einsichts- und Steuerungsfhigkeit des jeweiligen Verantwortlichen als subjektive Voraussetzung des Verschuldens trotz der objektiven Elemente bestehen bleibt. Das Verschulden behlt damit trotz partieller, aber unvermeidlicher berschneidungen nicht nur seine Eigenstndigkeit, sondern es schtzt auch weiter die Handlungsfreiheit des jeweiligen Verantwortlichen. Denn diese wird zwar durch die objektiven Elemente eingeschrnkt, aber indem die deliktische Haftung der Abgrenzung der Freiheitssphren der Beteiligten dient, kann sie den Beteiligten keinen vollstndigen Schutz ihrer Sphre bieten. Dem Interesse des Verantwortlichen am Schutz seiner Handlungsfreiheit steht demgemß das Interesse des Betroffenen am Schutz seiner Freiheitssphre gegenber. Die Abgrenzungsfunktion der deliktischen Haftung beinhaltet dabei, dass sich kein Interesse eines Beteiligten auf Kosten des anderen Interesses vollstndig durchsetzt. Demgemß muss der Schutz der Handlungsfreiheit des 160 161 162

Vgl. aber MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 37. Siehe oben S. 345. So aber MnchKomm-BGB/Grundmann, § 276 Rn. 55.

I. Verschuldenserfordernis der deliktischen Haftung

349

Verantwortlichen nicht durch die alleinige Maßgeblichkeit subjektiver Verhaltensstandards im Verschulden gewhrleistet werden, sondern diese kçnnen im Interesse der anderen Verkehrsteilnehmer von objektiven Verhaltensstandards berlagert werden, soweit dies nicht dazu fhrt, dass ein Schdiger aufgrund seiner subjektiven Schwchen auch dann haftet, wenn dadurch seine Handlungsfreiheit und die freie Entfaltung seiner Persçnlichkeit bermßig eingeschrnkt werden. Dass die Einhaltung der inneren Sorgfalt durch die objektiven Elemente im Verschulden fr einen Verantwortlichen aufgrund seiner subjektiven Schwchen mit einem erhçhten und berdurchschnittlichen Aufwand verbunden sein kann, rechtfertigt eine vollstndige Subjektivierung des Verschuldens noch nicht.

E. Subjektiviertes Verschulden als Pflichtwidrigkeit Das subjektivierte Verschulden stellt sich als Verstoß gegen eine Verhaltenspflicht dar. Zunchst knpft es an die Verletzung der objektiven Verhaltenspflichten des Unrechts an, indem die innere Sorgfalt auf die Einhaltung der ußeren Sorgfalt bezogen ist und das Verschulden durch das Unrecht indiziert wird. Aber auch dort, wo es aufgrund seines im Kern subjektiven Verhaltensstandards eigenstndig gegenber den objektiven Verhaltensstandards des Unrechts ist, hat das Verschulden einen Verstoß gegen eine Verhaltenspflicht zum Gegenstand. Denn es beinhaltet die Pflicht des Verantwortlichen, sich bis zur Grenze seiner Einsichts- und Steuerungsfhigkeit entsprechend den objektiven Verhaltenspflichten zu verhalten. Demgemß muss das Verschulden nur zu dem Zeitpunkt vorliegen, in dem gegen eine objektive Verhaltenspflicht verstoßen wird. Maßgeblich ist damit der Zeitpunkt, in dem ein pflichtwidriges Risiko gesetzt oder unterhalten wird163. Dadurch wird der Zeitpunkt der Anknpfung vorverlagert und werden die Anknpfungsmçglichkeiten fr den Verschuldensvorwurf erweitert. Zudem umfasst das Verschulden, wie sich § 827 S. 2 BGB entnehmen lsst, die Pflicht, Beeintrchtigungen der Einsichts- und Steuerungsfhigkeit zu vermeiden, da die subjektiven Schwchen des Verantwortlichen sein Verschulden nur dann ausschließen, wenn er fr diese Schwchen nicht verantwortlich ist. Indem die Frage nach dem Verschulden nicht nur unmittelbar in Bezug auf die Pflichtwidrigkeit gestellt wird, die dem Nachteil des Betroffenen zugrunde liegt, sondern auch mittelbar in Bezug auf die subjektiven Schwchen, die zunchst das Verschulden ausschließen, wird das Verschulden vorverlagert164. Es geht damit ber das bernahmeverschul-

163

Vgl. BGHZ 80, 186, 193; Geigel/Rixecker, Rn. 79; hnl. auch Wieling, LMK 2005,

26, 27. 164

Vgl. Soergel/Spickhoff, § 827 Rn. 5; hnl. Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 474.

350

§ 8 Verschulden als subjektive Pflichtwidrigkeit

den und die sogenannte actio libera in causa hinaus165 und schließt diese dadurch ein166. Demgemß lsst sich auch das bernahmeverschulden als Verletzung der Pflicht aus § 827 S. 2 BGB begrnden. Es wird dabei zunchst angenommen, wenn der Verantwortliche ein Risiko gesetzt oder unterhalten hat, obwohl er damit rechnen musste, die damit verbundenen objektiven Verhaltensstandards nicht erfllen zu kçnnen167. Dem bernahmeverschulden gleichgestellt werden aber auch das Vorsorgeverschulden, bei dem der Schdiger eine ihm mçgliche und zumutbare Vorsorge gegen ein Risiko nicht getroffen hat, und das Abwendungsverschulden, bei dem der Schdiger eine Mçglichkeit nicht genutzt hat, ein Risiko auf eine Weise abzuwenden, die ihn nicht in Konflikt mit der Wahrnehmung hçherwertiger Pflichten und Interessen gebracht htte168. Das bernahmeverschulden knpft dadurch anders als die Unmçglichkeit oder Unzumutbarkeit der Einhaltung der objektiven Verhaltensstandards des Unrechts nicht nur an den letztmçglichen Erfllungszeitpunkt an, sondern auch an den davor liegenden Zeitraum169. Wie dargelegt, erfasst das Verschulden damit nicht nur das unmittelbar gegen die objektiven Verhaltensstandards verstoßende Verhalten, sondern auch das dieses Verhalten determinierende Verhalten, das mittelbar zu dem Verstoß fhrt. Mit dem bernahmeverschulden und der damit verbundenen Vorverlagerung des Verschuldens lassen sich auch die Flle auf die Subjektivierung des Verschuldens zurckfhren, die gemeinhin fr die Objektivierung des Verschuldens angefhrt werden. Denn in den Fllen, in denen die Bercksichtigung subjektiver Schwchen unter Berufung auf die Objektivierung des Verschuldens abgelehnt wurde, lagen im Allgemeinen die Voraussetzungen fr ein bernahmeverschulden vor170, indem etwa psychische oder intellektuelle Schwchen oder mangelnde Kenntnisse und fehlendes Kçnnen vorher erkennbar und ihre Folgen zum Zeitpunkt ihrer Erkennbarkeit noch vermeidbar waren171. Demgemß ist etwa auch der objektive Fahrlssigkeitsmaßstab als Abbreviatur der Wertung bezeichnet worden, dass jeder 165 Erman/Schiemann, § 828 Rn. 3; Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 475; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 827 Rn. 9 f.; Soergel/Spickhoff, § 827 Rn. 5 f. 166 Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 475; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 827 Rn. 9 f.; Soergel/Spickhoff, § 827 Rn. 5 f. 167 Vgl. etwa Deutsch, JZ 1988, 993, 995; Erman/H. P. Westermann, § 276 Rn. 10; unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit der Vertragshaftung auch Staudinger/Lçwisch, § 276 Rn. 17. 168 Vgl. unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit der Vertragshaftung Staudinger/Lçwisch, § 276 Rn. 17. 169 Vgl. Soergel/Spickhoff, § 827 Rn. 5; hnl. Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 474; unter der dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit bei der Vertragshaftung auch Staudinger/Lçwisch, § 276 Rn. 16. 170 hnl. Erman/H. P. Westermann, § 276 Rn. 10. 171 So etwa in BGHZ 17, 69, 71 f.; BGHZ 88, 248, 259 f.; BGH, NJW 1988, 909.

II. Verschulden und negatorische Haftung

351

Handelnde die Grenzen der eigenen Gefahrsteuerungskompetenzen kennen msse und sich gar nicht erst in Situationen begeben drfe, denen er nicht gewachsen sei172, was der Definition des bernahmeverschuldens entspricht. Umgekehrt ist das Verschulden in Situationen verneint worden, in denen diese Umstnde nicht vorhersehbar oder vermeidbar waren173, insbesondere in Notsituationen174. Diese Verneinung des Verschuldens erklrt sich unter einem subjektivierten Verschuldensbegriff daraus, dass dann kein bernahmeverschulden vorliegt, whrend sie mit einem objektivierten Verschuldensbegriff nicht vereinbar ist, da schon die Frage nach der Bercksichtigung subjektiver Schwchen nicht auf der Grundlage objektiver Verhaltensstandards gestellt werden kann. An der Vermeidbarkeit subjektiver Schwchen, die der Einhaltung der objektiven Verhaltenspflichten entgegenstehen und dadurch einen Nachteil des Betroffenen herbeifhren, fehlt es auch dann, wenn diese Schwchen zwar erkennbar sind, das Verhalten des Verantwortlichen sich aber in der Teilnahme am allgemeinen Verkehr erschçpft, also an dem Verkehr, bei dem nicht auf eine Teilnahme verzichtet werden kann, ohne dass die Handlungsfreiheit des Verantwortlichen bermßig geschrnkt wird175. Die Verneinung des Verschuldens einschließlich des bernahmeverschuldens wird hier durch den Schutz der Handlungsfreiheit des Verantwortlichen geboten.

II. Verschulden und negatorische Haftung Whrend die deliktische Haftung grundstzlich Verschulden voraussetzt, ist die negatorische Haftung nach der gesetzlichen Konzeption verschuldensunabhngig176 und verlangt auch keine Deliktsfhigkeit177. Anders als die deliktische Haftung beruht die negatorische Haftung damit allein auf der Verletzung von objektiven Verhaltenspflichten.

172 MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 36; Shavell, S. 75 ff.; Deutsch, JZ 1968, 104, 105. 173 So etwa in BGH, VersR 1981, 839, 839 f.; BGH, VersR 1985, 393, 394. 174 Erman/H. P. Westermann, § 276 Rn. 10; MnchKomm-BGB/Grundmann, § 276 Rn. 56. 175 Im Ausgangspunkt hnl. MnchKomm-BGB/Grundmann, § 276 Rn. 66 f. 176 BVerfG, NJW 1996, 2567; BGH, NJW 2003, 3702; BGH, NJW-RR 2006, 270, 271; Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 6; H. Kçhler, NJW 1992, 137, 139; Medicus, Schuldrecht II, Rn. 944; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 35; vgl. auch die Motive bei Mugdan III, S. 237. 177 So Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 6; Fritzsche, S. 147 f.; MnchKommBGB/Medicus, § 1004 Rn. 58; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 131; anders OLG Dsseldorf, MDR 1996, 477; RGRK-BGB/Pikart, § 1004 Rn. 59.

352

§ 8 Verschulden als subjektive Pflichtwidrigkeit

A. Begrndung der Verschuldensunabhngigkeit Diese Abweichung in den Voraussetzungen findet ihre materiale Begrndung in den unterschiedlichen Funktionen der deliktischen und negatorischen Haftung. Ihr kann daher nicht entgegengehalten werden, dass sie insbesondere hinsichtlich der negatorischen Beseitigungsansprche problematisch sei, da diese wie die Schadensersatzansprche auf die Herstellung eines bestimmten Zustands gerichtet seien, so dass es zu nicht begrndbaren berschneidungen komme, weil sich der Beseitigungsanspruch als ein um das Verschulden verkrzter Schadensersatzanspruch darstelle178. Whrend die deliktische Haftung vor allem der Kompensation dient und auf den Ausgleich bereits eingetretener Nachteile gerichtet ist, dient die negatorische Haftung vor allem der Prvention und ist auf die Verhinderung drohender und damit zuknftiger Nachteile gerichtet, was nicht nur fr die Unterlassungs-, sondern auch fr die Beseitigungsansprche gilt179. Die strkere Einschrnkung der Handlungsfreiheit des Verantwortlichen durch den Verzicht der negatorischen Haftung auf das Verschuldenserfordernis rechtfertigt sich demgemß dadurch, dass es beim ex ante greifenden Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch noch um die Vermeidung des Eintritts von Nachteilen geht, whrend bei der deliktischen Haftung nur noch die Folgen der eingetretenen Nachteile verteilt werden kçnnen. Angesichts des Allgemeininteresses an der Vermeidung des Eintritts von Nachteilen hat das Gesetz hier die Abwgung zwischen den Interessen des Verantwortlichen und des Betroffenen zugunsten des letzteren vorgenommen.

B. Praktische Bedeutung Das fehlende Verschuldenserfordernis bei der negatorischen Haftung hat zur Folge, dass ein Verhalten Unterlassungs- und Beseitigungsansprche zur Vermeidung des Nachteilseintritts zur Folge haben kann, obwohl der eingetretene Nachteil mangels Verschuldens keine Schadensersatzansprche nach sich ziehen wrde. Allerdings kann aufgrund der Unterschiede hinsichtlich der Verhaltenspflichten im Unrecht180, auch der umgekehrte Fall eintreten, dass zwar keine Unterlassungs- und Beseitigungsansprche gegeben sind, der eingetretene Nachteil aber trotzdem Schadensersatzansprche auslçst. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass dem Verschuldenserfordernis in der gesetzlichen Konzeption zwar eine herausragende, in der Praxis aber nur 178 So aber Picker, Beseitigungsanspruch, S. 30 ff., 49 ff., 85 ff.; Picker, FS Gernhuber, S. 315, 331 f., 333 ff.; Picker, FS Bydlinski, S. 269, 279 f.; zustimmend Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 139; im Ausgangspunkt auch Medicus, Schuldrecht II, Rn. 946. 179 Siehe oben S. 56 ff. 180 Siehe oben S. 292 ff.

II. Verschulden und negatorische Haftung

353

eine eingeschrnkte Bedeutung zukommt. Denn durch die objektiven Elemente im subjektivierten Unrecht stellt das Fehlen des Verschuldens nicht nur systematisch, sondern auch praktisch den Ausnahmefall dar181. In der Regel fallen die subjektiven Verhaltensstandards des Verschuldens und die objektiven Verhaltensstandards des Unrechts daher nicht auseinander182. Der genuine Anwendungsbereich des eigenstndigen Verschuldenserfordernisses ist daher klein – aber vorhanden.

181 182

Siehe oben S. 344 ff. Vgl. auch MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 47 ff.

§ 9 Haftung aus verbotenem, geduldetem und erlaubtem Risiko Aus dem dargelegten System der negatorischen und deliktischen Haftung und seinem Verhltnis zur Gefhrdungshaftung ergibt sich die Unterscheidung zwischen verbotenem, geduldetem und erlaubtem Risiko. Die Eigenschaft des Risikos als verboten, geduldet oder erlaubt bezieht sich dabei auf den Verstoß gegen Verhaltensstandards, die sich insbesondere in den Verkehrspflichten, aber auch in den Schutzgesetzen oder dem Verbot der sittenwidrigen vorstzlichen Schdigung finden.

I. Haftung aus verbotenem Risiko Die Haftung aus verbotenem Risiko zeichnet sich dadurch aus, dass die Verletzung der Verkehrspflichten nicht nur zu Schadensersatzansprchen fhrt, sondern auch zu Unterlassungs- und Beseitigungsansprchen. Das ist der Fall, wenn das haftungsbegrndende Verhalten sowohl eine deliktische als auch eine negatorische Haftung auslçst. Ein Verhalten des Verantwortlichen, das mit einem verbotenen Risiko fr den Betroffenen verbunden ist, ist nicht nur nicht erlaubt, sondern es ist in dem Sinne verboten, dass es der Betroffene verbieten kann. Demgemß kann ein Grundgedanke der auf Verhaltensstandards gesttzten deliktischen Haftung nicht darin gesehen werden, dass sie wie die Gefhrdungshaftung dazu fhrt, dass Gefahrenquellen trotz des damit verbundenen Risikos geduldet werden und zum Ausgleich ein Schadensersatzanspruch fr die Schden gewhrt wird, die aus dem Risiko resultieren1. Denn eine derartige Duldung ist nur gegeben, soweit die negatorische Haftung nicht eingreift. Ob die negatorische Haftung greift, hngt jedoch nicht von der deliktischen Haftung ab, sondern allein von den Voraussetzungen der negatorischen Haftung, die sich von denjenigen der deliktischen Haftung nur insoweit unterscheiden, als sie nicht den Eintritt des Risikos, sondern die Feststellung seiner drohenden Verwirklichung erfordern. Die dazu notwendige Interessenabwgung ist zwar grundstzlich strenger als diejeni1 Einen gemeinsamen Grundgedanken der Gefhrdungshaftung und der deliktischen Verkehrspflichten sieht darin aber Erman/Schiemann, § 823 Rn. 82.

II. Haftung aus geduldetem Risiko

355

ge zur Feststellung der Verkehrspflichten als gemeinsamer Voraussetzung von negatorischer und deliktischer Haftung2 und kann daher ein Auseinanderfallen von negatorischer und deliktischer Haftung zur Folge haben, muss dies aber nicht3. Eine Haftung aus verbotenem Risiko, die eine deliktische Haftung aus nicht geduldetem Risiko umfasst, wird daher vielfach der Fall sein.

II. Haftung aus geduldetem Risiko Die Haftung aus geduldetem Risiko ist demgegenber dadurch gekennzeichnet, dass die Verletzung der Verkehrspflichten zwar zu Schadensersatzansprchen, nicht aber zu Unterlassungs- und Beseitigungsansprchen fhrt. Ein Verhalten, das fr den Betroffenen mit einem geduldeten Risiko verbunden ist, ist zwar nicht erlaubt, so dass der Betroffene bei Verschulden des Verantwortlichen Schadensersatz fr die aus der Verwirklichung des Risikos resultierenden Nachteile verlangen kann; es ist aber nicht in dem Sinne verboten, dass es der Betroffene verbieten kann. Der Verstoß gegen die Verkehrspflichten ist also zunchst von dem potentiell Betroffenen zu dulden, obwohl es nicht erlaubt ist. Erst wenn er sich in einem Nachteil manifestiert, manifestiert sich auch die fehlende Erlaubnis und begrndet bei Verschulden Schadensersatzansprche. Die Haftung aus geduldetem Risiko ist dabei vor allem dann gegeben, wenn die Voraussetzungen der negatorischen und der deliktischen Haftung auseinander fallen, kann aber auch darauf beruhen, dass Duldungspflichten zwar die negatorische, nicht aber die deliktische Haftung betreffen oder durch Schadensersatz- oder Ausgleichsansprche kompensiert werden. Whrend in diesen Fllen zwar jeweils eine deliktische Haftung, nicht aber eine negatorische Haftung gegeben ist, kçnnen die negatorische und deliktische Haftung auch in der Form auseinander fallen, dass im Rahmen des Unrechts zwar sowohl eine negatorische als auch eine deliktische Haftung begrndet wre, es aber einem Verschulden fehlt, so dass nur eine negatorische Haftung besteht. Bezogen auf die Verkehrspflichtverletzung handelt es sich aber auch hier um eine Haftung aus verbotenem Risiko.

A. Auseinanderfallen der Voraussetzungen der negatorischen und deliktischen Haftung Die Haftung aus geduldetem Risiko ist zunchst gegeben, wenn zwar die Voraussetzungen der deliktischen Haftung gegeben sind, nicht aber diejeni2 3

Siehe oben S. 301. Siehe oben S. 301.

356

§ 9 Haftung aus verbotenem, geduldetem und erlaubtem Risiko

gen der negatorischen Haftung. Da die Verletzung einer Verkehrspflicht nach der hier verwendeten Terminologie ebenso wie das Bestehen eines nicht unwesentlichen Risikos und die potentielle Verantwortlichkeit gemeinsame Voraussetzung der negatorischen und der deliktischen Haftung ist, kann dieses Auseinanderfallen der Voraussetzungen nur im Rahmen der eigenstndigen Voraussetzungen der drohenden Verwirklichung des Risikos fr die negatorische Haftung und der eingetretenen Verwirklichung des Risikos fr die deliktische Haftung stattfinden4. Das Auseinanderfallen ergibt sich dabei vor allem daraus, dass die zur Bestimmung des drohenden Eintritts des Risikos notwendige Interessenabwgung grundstzlich strenger ist als diejenige zur Feststellung der Verkehrspflichten als gemeinsame Voraussetzung von negatorischer und deliktischer Haftung5, so dass die negatorische Haftung regelmßig eine hçhere Eintrittswahrscheinlichkeit voraussetzt als die deliktische Haftung. Indem die Haftung hier die Verletzung einer Verkehrspflicht voraussetzt, handelt es sich nicht um eine Haftung aus erlaubtem, sondern aus geduldetem Risiko.

B. Haftung als Ausgleich fr Duldungspflichten Zur Haftung aus geduldetem Risiko gehçren auch die Haftungsnormen, die den Ausschluss von Unterlassungs- und Beseitigungsansprchen kompensieren, also vor allem der Schadensersatzanspruch aus § 14 S. 2 BImSchG und der Ausgleichsanspruch aus § 906 II 2 BGB6.

1. Duldungspflichten aus § 14 BImSchG Die verschuldensunabhngige Haftung gemß § 14 S. 2 BImSchG kompensiert dabei die Einschrnkung der Unterlassungs- und Beseitigungsansprche des § 1004 I BGB durch § 14 S. 1 BImSchG. Sie stellt sich insoweit als Preis fr die Einschrnkung der negatorischen Haftung dar. Die Regelung des § 14 BImSchG geht also davon aus, dass an sich privatrechtliche Unterlassungs- und Beseitigungsansprche gegeben sind und schrnkt diese insoweit ein, als bei einer Anlage, deren Genehmigung unanfechtbar geworden ist, nicht mehr die Einstellung des Betriebes verlangt werden kann, sondern nur nach dem Stand der Technik durchfhrbare und wirtschaftlich vertretbare Vorkehrungen, die die benachteiligenden Wirkungen ausschließen.

4

Siehe oben S. 289 ff. Siehe oben S. 301. 6 So unter dem Gesichtspunkt der Aufopferungshaftung auch Erman/Schiemann, Vor § 823 Rn. 7; hnl. unter Einschluss des hier nicht nher behandelten § 904 S. 2 BGB MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 25. 5

II. Haftung aus geduldetem Risiko

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Stattdessen gewhrt sie einen Schadensersatzanspruch, der als privatrechtlicher Anspruch qualifiziert wird7. Der Anspruch aus § 14 S. 2 BImSchG bezieht sich dabei zwar zunchst auf den Anspruch auf Schutzvorkehrungen aus § 14 S. 1 BImSchG8. Dieser Bezug ist aber allenfalls formal. Materiell knpft der Anspruch bereits an die ursprnglichen Unterlassungs- und Beseitigungsansprche und ihre Einschrnkung durch § 14 S. 1 BImSchG an. Denn der Anspruch aus § 14 S. 2 BImSchG deckt nicht nur die Konstellation ab, dass die ursprnglichen Ansprche durch die nach dem Stand der Technik durchfhrbaren und wirtschaftlich vertretbaren Schutzvorkehrungen nicht vollstndig kompensiert werden kçnnen, die Schutzvorkehrungen also Nachteile nicht vermeiden kçnnen, die durch die ursprnglichen Ansprche verhindert worden wren, sondern auch die Konstellation, dass eine derartige Kompensation zwar mçglich war, aber nicht erfolgt ist9. Er setzt damit im Ergebnis nur voraus, dass die ursprnglich gegebene negatorische Haftung durch § 14 S. 1 BImSchG eingeschrnkt wurde und dadurch ein Schaden entstanden ist. Bezogen auf die Verkehrspflichtverletzung setzt der Schadensersatzanspruch aus § 14 S. 2 BImSchG also ein ursprnglich verbotenes Risiko voraus und kompensiert dessen Duldung. Dieser Schadensersatzanspruch ist verschuldensunabhngig10 und geht insoweit ber die deliktische Haftung hinaus. Die Rechtfertigung dafr liegt darin, dass § 14 S. 1 BImSchG die negatorische Haftung gerade dort ausschließt, wo sie an sich gegeben wre, also eine Haftung aus verbotenem Risiko bestnde. Anders als bei der Haftung aus geduldetem Risiko wre also an sich nicht nur die deliktische, sondern auch die negatorische Haftung begrndet. Die Einschrnkung der negatorischen Haftung fhrt also zu einem verminderten Schutz des Betroffenen zugunsten des Verantwortlichen. Die verschrfte Schadensersatzhaftung aus § 14 S. 2 BImSchG ist der Preis, den der Verantwortliche fr die darin liegende Einschrnkung seiner negatorischen Haftung zu zahlen hat. Dabei nhert sich diese Schadensersatzhaftung zwar insofern der Haftung aus erlaubtem Risiko an, als § 14 S. 2 BImSchG an § 14 S. 1 BImSchG anknpft und dieser eine Risikoerlaubnis zu enthalten scheint. Bei nherer Betrachtung bleibt sie aber eine Haftung aus geduldetem Risiko, weil sie eine Verkehrspflichtverletzung voraussetzt und nur deren Duldung im Rahmen der negatorischen Haftung kompensiert.

7

So BGHZ 102, 350, 352; Jarass, BImSchG, § 14 Rn. 21. Jarass, BImSchG, § 14 Rn. 12 f., 21; Staudinger/Kohler, § 14 S. 2 BImSchG Rn. 7. 9 G. Hager, NJW 1986, 1961, 1965; Jarass, BImSchG, § 14 Rn. 25; Roßnagel, in: GKBImSchG, § 14 Rn. 81; anders Feldhaus/Spindler, BImSchG, § 14 Rn. 115. 10 Jarass, BImSchG, § 14 Rn. 26; Staudinger/Roth, § 906 Rn. 76. 8

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§ 9 Haftung aus verbotenem, geduldetem und erlaubtem Risiko

Demgemß ist der Auffassung, dass § 14 S. 1 BImSchG auch die deliktische Haftung ausschließt11, nicht zu folgen12. Indem § 14 BImSchG gerade keine Erlaubnis, sondern nur eine Duldung enthlt, begrndet er nur eine Haftung aus geduldetem Risiko, die die deliktische Haftung gerade nicht ausschließt. Das Argument, § 14 S. 1 Hs. 1 BImSchG schließe die Rechtswidrigkeit der aus dem Betrieb der Anlage folgenden Nachteile aus, weshalb mangels Rechtswidrigkeit auch die deliktische Haftung ausgeschlossen sei13, geht von einem zu engen Rechtswidrigkeitsbegriff aus. Demgegenber wurde dargelegt, dass fr jede Anspruchsgrundlage gesondert festzustellen ist, ob ein Verhalten oder ein Zustand hinsichtlich ihrer Rechtsfolge verboten oder erlaubt ist, und dass dabei die Rechtswidrigkeit im Rahmen anderer Normen nicht nur Indizwirkung hat, sondern maßgeblich ist, wenn ausdrcklich auf diese Normen verwiesen wird oder sich andernfalls unauflçsbare Widersprche ergeben sollten14. Demgemß ist jeweils durch Auslegung zu bestimmen, inwieweit sich eine Duldungspflicht nur auf Unterlassungs- und Beseitigungsansprche oder auch auf Schadensersatzansprche bezieht. § 14 S. 1 Hs. 1 BImSchG bezieht sich dementsprechend zunchst nur auf die Einstellung des Betriebs einer genehmigten Anlage und dient nur dem Zweck, diese Rechtsfolge auszuschließen. Wie die weiteren Regelungen in § 14 S. 1 Hs. 2 und S. 2 BImSchG zeigen, verbietet er aber nicht, an das im Betrieb der Anlage liegende Risiko anzuknpfen und den Verantwortlichen dafr anderweitig haften zu lassen. Dem § 14 S. 1 BImSchG lsst sich nicht entnehmen, dass er das im Betrieb der Anlage liegende Risiko nicht nur hinsichtlich negatorischer Ansprche auf Einstellung des Betriebs erlauben, sondern allgemein fr rechtmßig erklren wolle.

2. Duldungspflichten aus § 906 BGB Bei den Duldungspflichten des § 906 BGB ist zwischen den beiden Abstzen zu unterscheiden. Nur der zweite Absatz begrndet eine Haftung aus geduldetem Risiko, indem der Ausgleichsanspruch des § 906 II 2 BGB den Ausschluss der negatorischen Haftung des § 1004 I BGB durch die Duldungspflicht des § 906 II 1 BGB kompensiert. § 906 I BGB erlaubt unwesentliche Beeintrchtigungen des Eigentums und damit auch das Risiko einer solchen Beeintrchtigung, ohne dafr einen Ausgleich oder gar einen Schadensersatz zu gewhren. Wie oben dar11 So Jarass, BImSchG, § 14 Rn. 21; Peine, NJW 1990, 2442, 2446 ff.; G. Wagner, Genehmigung, S. 20, 105, 111. 12 So auch Gerlach, S. 94 ff.; G. Hager, NJW 1986, 1961, 1965 f.; Feldhaus/Spindler, BImSchG, § 14 Rn. 117; wohl auch BGHZ 92, 143, 145. 13 So MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 25. 14 Siehe oben S. 40.

III. Haftung aus erlaubtem Risiko

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gelegt15, schließt die Vorschrift damit die negatorische Haftung dort aus, wo auch keine deliktische Haftung besteht, enthlt also einen allgemeinen Grundsatz, der bereits im Rahmen der Bestimmung der Verkehrspflichten zu bercksichtigen ist, so dass strenggenommen mangels an sich bestehender negatorischer Haftung keine Duldungspflicht vorliegt, diese also auch nicht auf die deliktische Haftung Anwendung finden kann. Indem die Duldungspflicht des § 906 I BGB die negatorische Haftung mithin dort ausschließt, wo auch keine deliktische Haftung besteht, hat sie damit ein erlaubtes Risiko zum Gegenstand. § 906 II BGB enthlt demgegenber eine Haftung fr geduldetes Risiko. Denn die Duldungspflicht fr wesentliche, aber ortsbliche und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen zu verhindernde Beeintrchtigungen des § 906 II 1 BGB schließt zwar die negatorische, nicht aber auch die deliktische Haftung aus16. Zudem ist sie an den zukunftsbezogenen und verschuldensunabhngigen Ausgleichsanspruch gemß § 906 II 2 BGB gekoppelt, der sich insoweit als Preis fr den Ausschluss der negatorischen Haftung darstellt. Die Regelung des § 906 II BGB geht demgemß wie die Regelung des § 14 BImSchG davon aus, dass an sich Unterlassungs- und Beseitigungsansprche gegeben sind, und schließt diese fr den Fall aus, dass die Beeintrchtigung ortsblich und durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen nicht zu verhindern ist17. Indem damit zwar gemß § 906 II 1 BGB keine Unterlassungs- und Beseitigungsansprche aus negatorischer Haftung, wohl aber Ausgleichsansprche gemß § 906 II 2 BGB und Schadenersatzansprche aus deliktischer Haftung gegeben sind, regelt § 906 II BGB eine Haftung aus geduldetem Risiko.

III. Haftung aus erlaubtem Risiko Die Haftung aus erlaubtem Risiko zeichnet sich demgegenber dadurch aus, dass kein Verstoß gegen Verkehrspflichten vorliegt. In Bezug auf die Verkehrspflichten ist also weder ein verbotenes noch ein geduldetes, sondern ein erlaubtes Verhalten gegeben18. Ihren Grund findet die Haftung hier nicht in dem Verstoß gegen Verkehrspflichten oder andere Verhaltenstandards19, sondern in der ausdrcklichen gesetzlichen Anordnung im Rah15

Siehe oben S. 94. Siehe oben S. 96. 17 Siehe oben S. 82. 18 Von einer Anknpfung an erlaubtes Verhalten spricht Erman/Schiemann, Vor § 823 Rn. 5; von erlaubtem Risiko Blz, JZ 1992, 57, 60; Landsberg/Llling, DB 1990, 2205, 2207; Selmer, S. 26; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 309; hnl. MnchKomm-BGB/Grundmann, § 276 Rn. 79; Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 45. 19 So hinsichtlich der Pflichtwidrigkeit der Gefhrdungshaftung auch MnchKommBGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 21. 16

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§ 9 Haftung aus verbotenem, geduldetem und erlaubtem Risiko

men der Gefhrdungshaftung, die wiederum auf Billigkeitserwgungen beruht. Die Gefhrdungshaftung ist im Rahmen der vorliegenden Untersuchung vor allem hinsichtlich zweier Aspekte von Interesse. Zum einen geht es um die Frage nach ihrem Verhltnis zu der negatorischen und deliktischen Haftung. Zum anderen geht es darum, inwiefern eine Ausweitung der Gefhrdungshaftung durch Analogie mçglich oder wnschenswert ist, wie dies insbesondere im Hinblick auf den Umweltschutz propagiert wird. Beiden Aspekten vorgelagert ist die Frage nach der Begrndung der Gefhrdungshaftung.

A. Begrndung der Gefhrdungshaftung Die verschuldensunabhngige Haftung umfasst neben der Aufopferungshaftung vor allem die Gefhrdungshaftung, die mit Umweltbezug etwa in § 1 UmweltHaftG, § 2 HaftPflG, § 114 BBergG, § 25 AtomG und § 32 GenTG, aber auch in § 22 WHG20 geregelt ist und darber hinaus insbesondere auch im Produkthaftungsrecht gemß § 1 ProdHaftG und im Verkehrshaftpflichtrecht gemß §§ 7, 18 StVG sowie § 33 LuftVG, § 1 HaftPflG, § 485 HGB, § 3 BinSchPrG besteht, die ebenfalls Umweltschden erfassen kçnnen. Da die Gefhrdungshaftung weder eine Verkehrspflichtverletzung, noch ein Verschulden voraussetzt, bedarf sie gegenber der deliktischen Haftung der Begrndung21. Diese findet sich aber weder in dem Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit, noch unter den Aspekten der Erfolgsverantwortlichkeit, der Kompensation fr die Erlaubtheit von Risiken oder der Prvention und der mit ihr verbundenen çkonomischen Vorteilhaftigkeit. Soweit die Gefhrdungshaftung von der deliktischen Haftung abweicht, indem sie sich nicht nur als Kodifizierung von Verkehrspflichten und Verschuldensmaßstben darstellt, findet sie ihre Begrndung vielmehr in der Billigkeit, stellt sich also als Billigkeitshaftung dar.

1. Keine Begrndung durch Verteilungsgerechtigkeit Der gemeinsame Grund der einzelnen Regelungen der Gefhrdungshaftung wird vor allem in dem Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit gese20 Kritisch zu der Einordnung der besonders scharfen Haftung nach § 22 WHG als Gefhrdungshaftung aber Larenz, SchuldR II, 12. Aufl., § 77 IX (S. 731 f.); vorsichtig zustimmend als reine Risikohaftung bezeichnet von Erman/Schiemann, Vor § 823 Rn. 5; als Gefhrdungshaftung eingeordnet jetzt aber von Larenz/Canaris, SchuldR II/2, § 84 I 1 a (S. 601), § 84 V 1 (S. 631 ff.); so auch Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 54; Staudinger/J. Hager, Vorbem zu §§ 823 ff. Rn. 28. 21 Dazu ausfhrlich etwa Blaschczok, S. 7 ff.; Kçtz/Wagner, Rn. 498 ff.; MnchKommBGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 17 f.

III. Haftung aus erlaubtem Risiko

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hen22. Die Gefhrdungshaftung habe die Funktion, nicht nur die Vor-, sondern auch die Nachteile der Risiken beim Verantwortlichen anzusiedeln; dieser solle auch die unvermeidbaren Risiken tragen, die aus der von ihm unterhaltenen oder beherrschten Risikoquelle erwachsen23. Sie kompensiere damit den Vorteil aus der erlaubten Setzung einer Risikoquelle fr den Fall des Eintritts des Risikos. Insoweit gelte das Verursacherprinzip24. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Gefhrdungshaftung insbesondere bei Umweltschden nur den Verantwortlichen als unmittelbaren Verursacher treffe, nicht aber die Abnehmer der Produkte und Dienstleistungen des Verantwortlichen und damit letztendlich die Verbraucher, obwohl diese mittelbare Verursacher und Nutznießer des Risikos sind, so dass es unangemessen sei, den Nutzen des Risikos allein den mittelbar Verantwortlichen zuzuordnen und die Verantwortung fr das Risiko allein dem unmittelbar Verantwortlichen25. Diese Auffassung bersieht zunchst, dass der Nutzen nicht allein dem mittelbaren Verantwortlichen zugeordnet ist, sondern auch der unmittelbar Verantwortliche einen Nutzen aus der Setzung und Unterhaltung zieht, indem die Gegenleistung fr seine Produkte und Dienstleistungen regelmßig ber seinen Aufwand hinausgeht, und dass auch das Risiko insofern nicht allein dem unmittelbar Verantwortlichen zugeordnet ist, als zumindest die kalkulatorischen Kosten des Risikos in die Gegenleistung einfließen, die dort, wo Haftungshçchstbetrge bestehen, auch die tatschlichen Kosten vor allem in Gestalt der Versicherungsprmien erfasst. Damit werden die Versicherungskosten und die Schadensersatzaufwendungen auf die mittelbar verantwortlichen Abnehmer und damit letztendlich auf die Verbraucher abgewlzt26; dies gilt jedenfalls fr den Regelfall, dass ein Wirtschaftsunternehmen unmittelbar Verantwortlicher ist. 22 So etwa Adams, Analyse, S. 90 ff., 105 ff.; Blaschczok, S. 7, 319 ff.; Canaris, JBl. 1995, 2, 15 f.; Esser, Grundlagen, S. 69 ff.; MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 17; G. Wagner, JZ 1991, 175, 176; von verteilungspolitischen Zwecken spricht Kçtz, FS Steindorff, S. 643, 660 f.; in Bezug auf die austeilende Gerechtigkeit zurckhaltend aber Larenz/Canaris, Schuldrecht II 2, § 84 I 2 c (S. 607); fr ausgleichende Gerechtigkeit G. Hager, ZEuP 1997, 9, 16; Honsell, FS Mayer-Maly, S. 287, 301. 23 BGHZ 67, 129, 130; Erman/Schiemann, Vor § 823 Rn. 5; MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 17; hnl. Adams, Analyse, S. 105 ff.; Blz, JZ 1992, 57, 60 63; Deutsch, NJW 1992, 73, 74 f.; Esser, Grundlagen, S. 97 ff.; Koziol, FS Wilburg, S. 173, 178; Medicus, UTR 11, S. 5, 14; Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 45; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 94; von Bar, FS Lange, S. 373, 385 f.; von Caemmerer, Reform, S. 15 f.; G. Wagner, JZ 1991, 175, 176; auf der Basis der als iustitia correctiva bezeichneten iustitia commutativa auch Honsell, FS Mayer-Maly, S. 287, 301. 24 Medicus, UTR 11, S. 5, 14. 25 So aber Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 40. 26 So auch in Bezug auf Umweltschden auch Engelhardt, S. 13 ff.; I. Ossenbhl, S. 23; Salje, ZRP 1988, 153, 154; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 41; kritisch Rehbinder, Probleme, S. 32; Simitis, VersR 1972, 1087, 1089.

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§ 9 Haftung aus verbotenem, geduldetem und erlaubtem Risiko

Die Gefhrdungshaftung wird demgemß auch als ein von den Abnehmern als mittelbaren Verursachern des Risikos und damit letztendlich den Verbrauchern unterhaltener Versicherungsfonds aufgefasst27. Damit wrde sie insbesondere insoweit dem Gedanken der Verteilungsgerechtigkeit entsprechen, als sie die ungleiche Verteilung der Vor- und Nachteile technischer Risiken dadurch kompensierte, dass der vom Risiko Betroffene auf Kosten des Verantwortlichen versichert wird, whrend er sonst die ihn treffenden Nachteile allein zu tragen htte, ohne dass diese durch entsprechende Vorteile kompensiert wrden28. Allerdings ist die der Gefhrdungshaftung im Rahmen der Verteilungshaftung zugeschriebene Funktion, nicht nur die Vor-, sondern auch die Nachteile der Risiken beim Verantwortlichen anzusiedeln und nicht den Betroffenen die Nachteile tragen zu lassen, whrend die Vorteile dem Verantwortlichen zukommen, kein Spezifikum der Gefhrdungshaftung gegenber der deliktischen Haftung. Denn auch die deliktische Haftung fhrt dazu, dass der Verantwortliche nicht nur die Vorteile nutzen kann, sondern auch die Nachteile tragen muss. Insoweit dient auch die deliktische Haftung der Verteilungsgerechtigkeit. Die Gefhrdungs- und die deliktische Haftung lassen sich nicht in dem Sinne einander gegenberstellen, dass die deliktische Haftung der ausgleichenden Gerechtigkeit diene, weil sie den bergriff der Verantwortlichen in die Sphre des Betroffenen ausgleicht, indem sie diesem etwas zurckgibt, was jener ihm weggenommen hat29, whrend die Gefhrdungshaftung der austeilenden Gerechtigkeit diene, weil sie einer gerechten Verteilung von Risiken zwischen dem Betroffenen und dem potentiell Verantwortlichen diene30. Denn die deliktische Haftung setzt zwar anders als die Gefhrdungshaftung einen Verkehrspflichtverstoß und ein Verschulden voraus, aber beide haben die Zuweisung von Risiken zum Gegenstand, so dass auch die deliktische Haftung der gerechten Verteilung von Risiken zwischen den Beteiligten dient. In beiden Fllen verteilt der Gesetzgeber zunchst Risiken zwischen dem Betroffenen und dem potentiell Verantwortlichen und ordnet an, dass sie im Falle ihres Eintritts auszugleichen sind. Die Unterscheidung zwischen iustitia commutativa und iustitia distributiva ist demgemß nur insofern relevant, als sowohl bei der Gefhrdungs- als auch bei der deliktischen Haftung im Rahmen der austeilenden Gerechtigkeit die Risiken der Sphre des Betroffenen oder des Verantwortlichen zugeordnet werden, whrend im Rahmen der ausgleichenden Ge27 So fr Umweltschden auch Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 41; hnl. Schmidt-Salzer, in: von Bar, Rn. 22. 28 Adams, Analyse, S. 90 ff.; MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 17; 105 ff.; G. Wagner, JZ 1991, 175, 176. 29 So aber Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 2 c (S. 607 f.); vgl. auch Hart, S. 227. 30 So aber Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 2 c (S. 608).

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rechtigkeit die Nachteile durch den Eintritt dieser Risiken kompensiert werden. Die Gefhrdungshaftung stellt sich demgemß nur dann als spezielle Ausprgung der Verteilungsgerechtigkeit dar, wenn man von der Verteilung der Risiken durch die deliktische Haftung ausgeht. Nur dann stellt sich die Zuordnung von Risiken durch die Gefhrdungshaftung als ein erneuter Akt der iustitia distributiva dar, weil die Risiken anders als in der ursprnglichen Verteilung zugewiesen werden, also eine Umverteilung vorliegt31, whrend sich die deliktische Haftung nur als iustitia commutativa darstellt, weil sie nur noch dem Ausgleich von Abweichungen von der ursprnglichen Risikoverteilung dient. Auch die Unterscheidung zwischen Unrecht und Zufall oder Unglck32 erscheint nur dann sinnvoll, wenn man auf die Verkehrspflichtverletzung und das Verschulden als Differenzierungskriterium abstellt und unbercksichtig lsst, dass auch die Verkehrspflichten und das Verschulden zunchst Risiken zuweisen. Stellt man auf die Risikozuweisung ab, liegt der maßgebliche Unterschied zwischen Gefhrdungs- und deliktischer Haftung demgemß vielmehr darin, welche Risiken jeweils zu einer Haftung fhren. Whrend die Gefhrdungshaftung auch dann eingreift, wenn ein Risiko oder seine Verwirklichung auch durch Anwendung pflichtgemßer Sorgfalt nicht vermeidbar war33, es sich also um ein erlaubtes Risiko handelte, das nicht Gegenstand von Verkehrspflichten ist, setzt die deliktische Haftung voraus, dass das Risiko Gegenstand einer Verkehrspflicht ist, die verletzt wurde. Auf die entscheidende Frage, in welchen Fllen die Vor- und Nachteile eines Risikos ber die deliktische Haftung hinaus beim Verantwortlichen liegen sollen, wann also die Risiken anders als durch die Verkehrspflichten verteilt werden sollen, gibt das Abstellen auf die Verteilungsgerechtigkeit damit keine Antwort. Sie stellt insoweit eine rein formale Kategorie dar, mit deren Hilfe sich zwar das Abweichen der Risikoverteilung durch die Gefhrdungshaftung von derjenigen durch die deliktische Haftung beschreiben lsst, aber nicht angegeben werden kann, warum und in welchen Fllen dieses Abweichen angezeigt ist.

2. Keine Begrndung durch Erfolgsverantwortlichkeit fr Risiken Auch wenn damit sowohl die Gefhrdungs- als auch die deliktische Haftung die Verteilung von Risiken zum Gegenstand haben, ist der Auffassung, dass die deliktische und die Gefhrdungshaftung zu verschmelzen 31

So Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 2 c (S. 608). So Esser, Grundlagen, S. 70, 75 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 2 c (S. 608); Meder, S. 209 ff. 33 BGHZ 67, 129, 130; Adams, Analyse, S. 105 ff.; Kçtz/Wagner, Rn. 506; MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 17; von Bar, FS Lange, S. 373, 385 f.; G. Wagner, JZ 1991, 175, 176. 32

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sind34 und dass es sowohl bei der Gefhrdungs- als auch bei der deliktischen Haftung um die Schaffung und Aufrechterhaltung von Risiken gehe und daher § 823 I BGB als allgemeiner Grundtatbestand des Haftungsrechts einschließlich der Gefhrdungshaftung zu begreifen sei35, der eine Erfolgsverantwortlichkeit begrnde36, nicht zuzustimmen. Der Annahme eines einheitlichen Grundtatbestands steht entgegen, dass sich die Gefhrdungsund die deliktische Haftung zwar weitgehend berschneiden, aber gerade dort, wo sie sich nicht berschneiden, nicht auf dieselben Wertungen zurckgefhrt werden kçnnen. Gefhrdungs- und deliktischer Haftung ist gemeinsam, dass sie jeweils die Schaffung oder Unterhaltung einer Risikoquelle voraussetzen und damit an das Verhalten des Schdigers anknpfen37. Dabei ist anerkannt, dass die bergnge zwischen Gefhrdungs- und deliktischer Haftung fließend sind38. Zudem beruhen sie auch insoweit auf demselben Grundgedanken, als jeweils ein erkennbares Risiko zunchst keine Ansprche auslçst und nur fr den Fall seiner Verwirklichung ein Schadensersatzanspruch als Ausgleich gewhrt wird39, wobei sowohl neben der Gefhrdungshaftung als auch neben der deliktischen Haftung ein negatorischer Unterlassungsoder Beseitigungsanspruch gegeben sein kann. Ein Unterschied besteht hier nur, soweit die Gefhrdungs- und die deliktische Haftung nicht dieselben Risiken erfassen. Diese Gemeinsamkeiten haben zwar einerseits zur Konsequenz, dass sie nicht zur Abgrenzung der Gefhrdungshaftung von der deliktischen Haftung herangezogen werden kçnnen. Insbesondere kann damit in dem Risikobezug keine spezifische Begrndung der Gefhrdungshaftung gesehen werden, die fr die deliktische Haftung nicht gilt. Aber umgekehrt kann aus diesen Gemeinsamkeiten auch nicht geschlossen werden, dass die Unterscheidung zwischen Gefhrdungs- und deliktischer Haftung nicht sinnvoll ist. Nicht nur kann § 823 I BGB als zentrale Norm des Deliktsrechts nicht als allgemeiner Grundtatbestand des Haftungsrechts aufgefasst werden, auf den auch die Gefhrdungshaftung zurckgefhrt werden kann40, da die deliktische Haftung anders als die Gefhrdungshaftung durch das in § 823 I BGB enthaltene Rechtswidrigkeits- und Verschuldenserfordernis 34 So in Bezug auf die Fahrlssigkeit von Bar, Verkehrspflichten, S. 131 ff., 143 f.; hnl. hinsichtlich der Unterscheidung der Haftung fr und ohne eigens Fehlverhalten von Bar, Gemeineuropisches Deliktsrecht II, Rn. 306. 35 Jansen, Struktur, S. 618. 36 Jansen, Struktur, S. 119 ff., 567 ff. 37 Canaris, VersR 2005, 577, 580; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 2 d (S. 608). 38 So bereits Esser, Grundlagen, S. 23 ff.; von Caemmerer, Reform, S. 13; vgl. auch von Bar, Verkehrspflichten, S. 131 ff.; aus jngerer Zeit etwa Jansen, Struktur, S. 552 ff.; Koziol, JBl. 2001, 29, 35 ff.; MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 823 Rn. 21; Steffen, ZVersWiss. 82 (1993), 13, 18, 20 ff., 25, 27 f.; dazu auch unten S. 378. 39 hnl. Erman/Schiemann, § 823 Rn. 82. 40 So aber Jansen, Struktur, S. 618.

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begrenzt wird41. Vielmehr beruhen die Gefhrdungs- und die deliktische Haftung auch nicht auf derselben Begrndung. Soweit sie beide unter dem Gesichtspunkt der Erfolgsverantwortlichkeit gesehen werden42, ist diese zu abstrakt und inhaltsarm und daher zu vage, um einen gemeinsamen Oberbegriff zu bilden43. Die Erfolgsverantwortlichkeit ist zunchst nur eine rein formale Gemeinsamkeit, da letztendlich jeder Haftung eine Verantwortlichkeit fr den Erfolg zugrunde liegt, fr den gehaftet wird. Entscheidend ist demgegenber aber die Frage, fr welche Erfolge gehaftet wird und fr welche nicht. Der Erfolg ist diesbezglich zwar notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung fr die Haftung. Auch der Risikobezug kann insoweit nicht als gemeinsame Begrndung herangezogen werden44, da die Gefhrdungs- und die deliktische Haftung nicht notwendig dieselben Risiken erfassen, so dass es gerade darum geht, welche Risiken erfasst werden. Dies zeigt sich insbesondere am Verschuldenserfordernis, das letztendlich auch eine Risikoverteilung beinhaltet, indem es das Risiko, aufgrund subjektiver Schwchen die objektiven Verhaltensstandards nicht einhalten zu kçnnen, nicht dem potentiell Verantwortlichen, sondern dem Betroffenen zuweist. Der Ansicht, dass es sich beim Verschuldenserfordernis nur um ein abwgungsfhiges Prinzip handelt45, kann nicht zugestimmt werden46, da das Verschulden als Vorsatz und Fahrlssigkeit in § 823 I BGB dem Unrecht als Tatbestandmßigkeit und Rechtswidrigkeit gegenbergestellt wird und diese Unterscheidung andernfalls aufgehoben wrde. Auch das Rechtswidrigkeitserfordernis kann als Risikoverteilung aufgefasst werden, weil es um die die Zuordnung der Risiken geht, die durch ein rechtmßiges Verhalten entstehen oder weiter bestehen. Ob sich die Gefhrdungshaftung von der deliktischen Haftung hinsichtlich des Rechtswidrigkeitserfordernisses unterscheidet, also ob sie eine Rechtswidrigkeit voraussetzt47 oder nicht48, hngt dabei davon ab, worauf man die Rechtswidrigkeit bezieht49. Soweit man sie auf das Verhalten bezieht, das zum Entstehen oder Weiterbestehen des Risikos gefhrt hat, das sich in dem zu ersetzenden Nachteil verwirklicht hat, ist die Rechtswidrigkeit 41

Canaris, VersR 2005, 577, 579. So Jansen, Struktur, S. 119 ff., 567 ff. 43 Canaris, VersR 2005, 577, 580 m. Fn. 25. 44 So aber Jansen, ZEuP 2003, 490, 497 f. 45 So Jansen, Struktur, S. 616. 46 So auch Canaris, VersR 2005, 577, 580 m. Fn. 17. 47 So BGHZ 57, 170, 176; Bolliger, FS Siehr, S. 1, 7; Seiler, FS Zeuner, S. 279, 292; von Bar, Verkehrspflichten, S. 131 ff.; hnl. Blz, JZ 1992, 57, 62 f.; fr § 833 BGB auch BGHZ 117, 110, 111 f.; Staudinger/Belling/Eberl-Borges, § 833 Rn. 25. 48 So RGZ 141, 406, 407; BGHZ 24, 21, 26; BGHZ 105, 65, 68; Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 644; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 3 a (S. 610); Medicus, BR, Rn. 631; Staudinger/J. Hager, Vor § 823 Rn. 30. 49 MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 18 f. 42

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§ 9 Haftung aus verbotenem, geduldetem und erlaubtem Risiko

keine Voraussetzung der Gefhrdungshaftung50. Die aus einem rechtmßigen Verhalten resultierenden Risiken sind also bei der Gefhrdungshaftung dem Verantwortlichen zugewiesen. Soweit man die Rechtswidrigkeit auf den Nachteil bezieht, der ausnahmsweise zu dulden sein kann, dann aber Entschdigungsansprche begrndet, wird sie auch von der Gefhrdungshaftung vorausgesetzt51. Da demgemß auch die deliktische Haftung auf Risiken bezogen ist, stellt der der Risikobezug noch keine spezifische Begrndung der Gefhrdungshaftung dar. Die Erfolgsverantwortlichkeit fr Risiken vermag demgemß weder fr die Gefhrdungs- noch fr die Deliktshaftung eine hinreichende Begrndung fr die Haftung zu geben. Der Begriff der Erfolgsverantwortlichkeit ist allenfalls insofern weiterfhrend, als er deutlich macht, dass es um die Verantwortung fr einen bestimmten Erfolg geht und der Begriff der Pflichtverletzung im Bereich des geduldeten Risikos irrefhrend ist, da die Verkehrspflichten dort als Verhaltensstandards aufgefasst werden kçnnen52.

3. Keine Begrndung durch besonders gefhrliche Aktivitten Eine Begrndung der Gefhrdungshaftung wird auch in dem besonderen Risiko der Aktivitten gesehen, an die die Haftung anknpft53. Demgemß sei die Gefhrdungshaftung nur fr besonders gefhrliche Ttigkeiten geboten, bei denen trotz Einhaltung der gebotenen Sorgfaltsmaßnahmen noch Schden in erheblichem Umfang entstehen kçnnen54. Dabei liege eine besondere Gefahr nicht nur dann vor, wenn das Ausmaß des drohenden Nachteils besonders groß ist, sondern etwa auch dann, wenn die Wahrscheinlichkeit des Nachteilseintritts besonders hoch ist55. Dieser Begrndung steht jedoch entgegen, dass dann, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit oder der drohende Nachteil besonders groß ist, in der Regel auch eine Verkehrspflichtverletzung vorliegt56 und auch Verschulden gegeben ist, es sei denn es liegt der Ausnahmefall vor, dass aufgrund ur50 Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 3 a (S. 610); MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 19. 51 Vgl. MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 18, § 823 Rn. 8 ff.; Seiler, FS Zeuner, S. 279, 292. 52 Vgl. oben S. 146. 53 Vgl. S. 184 ff.; G. Hager, in: Dolde, S. 783, 792; Koziol, FS fr Wilburg, S. 173, 178; Kçtz, AcP 170 (1970), 1, 20 ff., 28 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 2 b (S. 607); Neuner, JuS 2005, 385, 386; G. Wagner, in: Zimmermann, S. 189, 288; Will, S. 280 ff.; kritisch aber Blaschczok, S. 53 ff., 70 ff., 350 ff.; Ladeur, BB 1993, 1303, 1308. 54 Vgl. Cooter/Ulen, S. 316; G. Hager, JZ 1990, 397, 400 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 2 b (S. 607); MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 21; G. Wagner, in: Zimmermann, S. 189, 290; hnlich Brggemeier, AG 1982, 268, 275 f.; Shavell, S. 31 f. 55 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 2 b (S. 607). 56 Vgl. oben S. 247 ff.

III. Haftung aus erlaubtem Risiko

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sprnglich vorhandener subjektiver Schwchen des an sich Verantwortlichen auch kein bernahmeverschulden in Frage kommt57, so dass in der Regel auch die deliktische Haftung begrndet ist. Demgemß kann etwa der Betrieb einer Eisenbahn als geduldetes Risiko verstanden werden58; problematisch wird dies erst, wenn daraus auch auf die negatorische Haftung geschlossen werden soll59, also das geduldete mit dem verbotenen Risiko gleichgesetzt wird, oder wenn das mit der Existenz eines geduldeten Risikos regelmßig verbundene Verschulden nicht nur rechtlich als gewissermaßen technische Haftungsvoraussetzung begriffen wird60, sondern auch als ethische Verwerflichkeit. Der genuine Anwendungsbereich der Gefhrdungshaftung liegt demgegenber in den Fllen, in denen es mangels hinreichend großen Risikos an einer Verkehrspflicht und einem Verschulden fehlt. In diesen Fllen liegt jedoch regelmßig gerade keine besonders gefhrliche Aktivitt vor.

4. Keine Begrndung durch Kompensation fr die Erlaubtheit des Risikos Weiter wird die Auffassung vertreten, dass die Gefhrdungshaftung ihren Grund in der Erlaubtheit der Risiken findet, fr die gehaftet wird61. Die Gefhrdungshaftung wird danach gewissermaßen als Preis fr die Erlaubtheit dieser Risiken aufgefasst62. Zwar kann gegen diese Auffassung nicht eingewendet werden, dass viele dieser Risiken vçllig selbstverstndlich seien, so dass nicht davon ausgegangen werden kçnne, dass sie ohne die Gefhrdungshaftung an sich verboten seien63. Denn dieser Einwand geht nicht nur offenbar davon aus, dass das die Risiken begrndende Verhalten dann an sich verwerflich sei64, whrend aus dem Vorliegen einer Verschuldenshaftung nach der hier vertretenen Auffassung noch nicht notwendig geschlossen werden kann, dass ethisch

57

Vgl. oben S. 350. So bereits OAG Mnchen, Seuff Arch 14 Nr. 208, S. 354 ff. 59 So offenbar Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 2 a (S. 606); hnl. Meder, S. 240 f. 60 Vgl. oben S. 334. 61 So Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 0.5; Deutsch, Allg. Haftungsrecht, S. 659; Esser, Grundlagen, S. 90 f.; G. Hager, NJW 1991, 134, 136; Meder, S. 242 ff.; Rohe, AcP 201 (2001), 117, 138 ff.; von Caemmerer, Reform, S. 15; Will, S. 283 f.; hnl. Kçck, Risikoregulierung, S. 11, 13 f.; in Anlehnung an einen bereicherungsrechtlichen Ausgleichsanspruch auch Blz, JZ 1992, 57, 62 ff.; differenzierend Dietz, S. 239 ff.; kritisch Kçtz/Wagner, Rn. 498 ff. 62 So BGHZ 105, 65, 66; BGHZ 107, 359, 367. 63 So aber Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 2 a (S. 606). 64 Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 2 a (S. 606) m. Fn. 18 zu OAG Mnchen, SeuffArch. 14 (1861), Nr. 208, S. 354 ff. 58

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§ 9 Haftung aus verbotenem, geduldetem und erlaubtem Risiko

verwerflich gehandelt wurde65. Vor allem aber sttzt sich der Einwand auf die Dichotomie zwischen verbotenen und erlaubten Risiken und bersieht die Kategorie des geduldeten Risikos, wonach ein Risiko, das nicht verboten ist, weil es nicht sowohl die deliktische als auch die negatorische Haftung nach sich zieht, nicht notwendig erlaubt ist, sondern auch geduldet sein kann, indem es nur die deliktische, nicht aber die negatorische Haftung begrndet. Das Bestehen einer Schadensersatzhaftung bedingt demgemß noch nicht, dass das die Haftung begrndende Risiko ein verbotenes ist. Gegen die Auffassung, dass die Gefhrdungshaftung die Kompensation fr die Erlaubtheit des Risikos darstellt, spricht vielmehr, dass die Gefhrdungshaftung nicht mit einer Erlaubnis des Risikos verbunden ist, also weder die deliktische, noch die negatorische Haftung ausschließt. Zwar ist sie in ihrem genuinen Anwendungsbereich erlaubtes Risiko, da dort weder die negatorische noch die deliktische Haftung besteht. Aber dies beruht nicht darauf, dass die Gefhrdungshaftung gegeben ist, sondern darauf, dass die Voraussetzungen der negatorischen und deliktischen Haftung nicht gegeben sind. Demgemß gibt es auch erlaubte Risiken, fr die keine Gefhrdungshaftung besteht. Die Gefhrdungshaftung ist also nicht mit der Erlaubtheit des Risikos verknpft, wie sich auch darin zeigt, dass sie auch außerhalb ihres genuinen Anwendungsbereichs greift und dann zumindest mit der deliktischen, mçglicherweise aber auch mit der negatorischen Haftung konkurriert. Die Erlaubtheit des Risikos ist demgemß kein Kriterium, das die Gefhrdungshaftung begrnden kann.

5. Keine Begrndung durch Prvention und gesamtwirtschaftlichen Vorteil Jenseits der Verteilungsgerechtigkeit und des Risikobezugs wird die Gefhrdungshaftung vor allem inhaltlich mit der damit verbundenen Prvention begrndet. Dabei wird nicht nur darauf abgestellt, dass der Gefhrdungshaftung gegenber der deliktischen Haftung eine erhçhte Prventionswirkung zukommt, sondern auch darauf, dass sie aus Sicht der çkonomischen Analyse des Rechts Anreize fr ein optimales Aktivittsniveau setzt.

a) Erhçhte Prventionswirkung Der Gefhrdungshaftung wird gegenber der deliktischen Haftung zunchst insoweit eine erhçhte Prvention zugeschrieben, als sich durch die Gefhrdungshaftung das Risiko einer Schadensersatzpflicht des potentiell Verantwortlichen erhçht und er dadurch zu einem vorsichtigeren und da65

Siehe oben S. 334.

III. Haftung aus erlaubtem Risiko

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mit schadensvermeidenden Verhalten veranlasst wird66. Damit zusammen hngt das Kostenargument, dass Aktivitten, durch die Risiken entstehen oder weiter bestehen, durch das damit verbundene erhçhte Haftungsrisiko verteuert und dadurch zurckgedrngt werden67. Demgemß tendiert auch die Haftung fr Umweltschden zu einer Erweiterung der Gefhrdungshaftung, weil mit ihr ein vorsichtigeres Verhalten in Bezug auf Umweltschden und eine Verteuerung und Zurckdrngung umweltschdlicher Produktionsprozesse angestrebt wird68. Gegen dieses Prventionsargument kann nicht eingewendet werden, dass nur die deliktische Haftung wirklich zur Sorgfalt veranlasse, indem sie deren Beachtung durch Haftungsfreiheit belohne69. Denn auch unter der Gefhrdungshaftung besteht ein Anreiz zur Vermeidung von Schden, weil dadurch auch die Haftung fr diese vermieden wird. Durch die Sorgfalt werden hier die mit der Gefahr der Haftung verbundenen Kosten vermieden70. Zudem beschrnkt sich der Anreiz der deliktischen Haftung auf die Einhaltung der Verkehrspflichten, nicht aber auf eine darber hinausgehende Sorgfalt. Demgegenber setzt die Gefhrdungshaftung auch dann einen Anreiz zu sorgfltigem Verhalten, wenn die Verkehrspflichten eingehalten werden, da die Sorgfalt auch dann die mit der weiter bestehenden Gefahr der Haftung verbundenen Kosten vermeidet oder zumindest verringert71. Demgemß lsst sich gegen die Gefhrdungshaftung auch nicht anfhren, dass sie auch das Entwicklungsrisiko umfasse und daher eine auf Schadensvermeidung angelegte Forschung und ihre Umsetzung entmutigen kçnne72. Denn auch hier gilt, dass die Vermeidung von Schden auch die Pflicht zum Ersatz dieser Schden vermeidet. Weiter lsst sich gegen die Gefhrdungshaftung damit nicht einwenden, dass sie auf die Verteilung von Zufallsschden als Folgen schicksalhafter, vom einzelnen nicht steuerbarer Ereignisse beschrnkt sei73. Denn der dargelegte, ber die Einhaltung der Verkehrspflichten hinausgehende Anreiz 66 Vgl. Medicus, UTR 11, S. 5, 12; hinsichtlich des Aktivittsniveaus, nicht aber hinsichtlich des Sorgfltigkeitsniveaus auch MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 17, 36. 67 Vgl. Bullinger, FS von Caemmerer, S. 299, 303 ff.; Medicus, UTR 11, S. 5, 12; hnl. Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 41. 68 Vgl. Medicus, UTR 11, S. 5, 12. 69 So in Bezug auf die Verschuldenshaftung aber Medicus, UTR 11, S. 5, 13. 70 So im Ausgangspunkt auch Medicus, UTR 11, S. 5, 12. 71 G. Hager, JZ 1990, 397, 401; G. Hager, ZEuP 1997, 9, 15; MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 46; Schfer/Ott, S. 208 ff.; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 4; hnl. Dçring, S. 44 ff.; Falk, S. 212 ff.; Herbst, S. 50 f.; Wiese, Umweltwahrscheinlichkeitshaftung, S. 38; Wolfrum/Langenfeld, S. 195; einschrnkend aber Feess, S. 16 ff. 72 So aber Medicus, UTR 11, S. 5, 13; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 39; H. P. Westermann, ZHR 155 (1991), 223, 229. 73 So aber Esser, Grundlagen, S. 75 ff.

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§ 9 Haftung aus verbotenem, geduldetem und erlaubtem Risiko

der Gefhrdungshaftung zu sorgfltigem Verhalten besteht auch fr nicht zufllige Schden74 und kann damit auch Nachteile aus dem Normalbetrieb erfassen. Darin wird gerade einer der Vorzge der Gefhrdungshaftung vor allem im Hinblick auf Umweltschden gesehen75. Auch wird das Prventionsargument durch die mit der Gefhrdungshaftung in der Regel verbundene Pflicht zur Deckungsvorsorge durch Abschluss einer Versicherung zwar relativiert, setzt sich aber in einer entsprechenden Ausgestaltung der Versicherungsbedingungen fort, die etwa ein Bonus-Malus-System enthalten kçnnen76. Dagegen spricht noch nicht, dass ein derartiges System nicht gesetzlich vorgeschrieben ist77, da die Versicherung in der Regel ein Eigeninteresse an einer Ausgestaltung der Versicherungsbedingungen hat, die das Risiko ihrer Inanspruchnahme minimiert und die letztendlich von den Versicherten zu tragende Deckung dieses Risikos maximiert. Demgemß wird der potentiell Verantwortliche selbst dort, wo er versichert ist und kein Bonus-Malus-System existiert, das Risiko seiner Inanspruchnahme in Form der Versicherungsprmie tragen mssen. Gegen das Prventionsargument lsst sich jedoch einwenden, dass sich ein vorsichtigeres Verhalten auch im Rahmen der deliktischen Haftung erreicht werden kçnne, indem die Verkehrspflichten entsprechend ausgestaltet und vergleichbare Verschuldensvermutungen angenommen wrden78, wobei ergnzt werden kçnnte, dass auch eine Anpassung der Beweislastverteilung in Betracht kme. Zudem htte eine solche Verschrfung der deliktischen Haftung auch eine entsprechende Verteuerung und Zurckdrngung gefhrlicher Aktivitten zur Folge. Noch weiter geht die Auffassung, dass sich die deliktische und die Gefhrdungshaftung im Hinblick auf die Schadensprvention nicht unterscheiden, wenn im Rahmen der deliktischen Haftung ein der Gefhrdungshaftung entsprechender Maßstab an die Verkehrspflichten und das Verschulden angelegt werden79. Allerdings wrden durch eine so weitgehende Verschrfung der deliktischen Haftung die de lege lata vorausgesetzten Unterschiede zwischen der deliktischen und der Gefhrdungshaftung weitgehend nivelliert.

74

MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 17. Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 94. 76 Medicus, UTR 11, S. 5, 13; Prtting/Wegen/Weinreich/Schaub, Vor §§ 823 ff. Rn. 4; Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 34. 77 So aber Medicus, UTR 11, S. 5, 13. 78 So in Bezug auf das Verschuldensprinzip Medicus, UTR 11, S. 5, 13. 79 Vgl. in Bezug auf die Verschuldenshaftung Medicus, Schuldrecht II, Rn. 869; hinsichtlich der Effizienz der Verschuldenshaftung auch G. Hager, ZEuP 1997, 9, 15; Schfer/Ott, S. 207 f. 75

III. Haftung aus erlaubtem Risiko

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b) konomische Betrachtung Fr die Prventionswirkung als Begrndung der Gefhrdungshaftung spricht auch die çkonomische Analyse des Rechts. Die Gefhrdungshaftung wird insofern fr çkonomisch vorzugswrdig gehalten, als der Verantwortliche alle Kosten trage, so dass die fr ihn kostengnstigste Lçsung zugleich die gesamtwirtschaftlich gnstigste Lçsung darstelle, also eine optimale Anreizstruktur bestehe80. Die Gefhrdungshaftung internalisiere demgemß die externen Kosten, indem sie den Verantwortlichen auch diejenigen Kosten seines Verhaltens tragen lasse, die nicht bei ihm, sondern bei den Betroffenen anfielen, so dass sichergestellt werde, dass keine Kosten entstnden, die das Produkt aus Schadenshçhe und Eintrittswahrscheinlichkeit und die Vermeidekosten des Betroffenen berstiegen81. Zudem vermeide die Gefhrdungshaftung den mit der Feststellung des Verstoßes gegen die Verkehrspflichten und des Verschuldens verbundenen Aufwand, sei also grundstzlich mit geringeren Transaktionskosten verbunden82. Gegen die Gefhrdungshaftung wird insbesondere in Bezug auf Umweltschden zwar eingewendet, dass die çkonomische Rationalitt ergeben kçnne, dass es auch bei vollstndiger Internalisierung aller Kosten vorteilhafter sei, Sorgfaltsmaßnahmen zu unterlassen und das Haftungsrisiko zu tragen, weil die Risikokosten geringer seien als die Prventionskosten oder weil der potentiell Verantwortliche dies zumindest annehme83. Diese Problematik stellt sich bei Umweltschden in besonderem Maße, weil die dort entstehenden Kosten hufig besonderes schwer festzustellen sind und nicht vollstndig monetarisiert werden kçnnen. hnlich sei problematisch, dass der potentiell Verantwortliche die ihm nicht zurechenbare Inanspruchnahme von Umweltgtern ohne Haftungssanktion in sein Optimierungskalkl einstellen kann, was namentlich bei koschden, aber auch bei faktischer Schadensbernahme insbesondere durch Sozialversicherungssysteme der Fall sein kçnne84. Aber da sich dieses Kalkl nur auf das Maß des zu tragenden Schadens bezieht, beansprucht es auch fr die Verschuldenshaftung Geltung. Auch dort kann es fr den potentiell Verantwortlichen çkonomisch vorteilhaft sein, das Risiko der Schadensersatzpflicht in Kauf zu neh80 MnchKomm-BGB/Grundmann, § 276 Rn. 32, 42; MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 17, 46; Schfer/Ott, S. 208; Adams, Analyse, S. 269 et passim; insbesondere in Bezug auf Ttigkeiten deren Gefahrenpotential noch nicht abschtzbar ist auch Gimpel-Hinteregger, S. 67 ff. 81 Schfer/Ott, S. 208 ff. 82 Vgl. Schfer/Ott, S. 209 f. 83 Brggemeier, KritV 1991, 297, 308; G. Hager, UTR 11, S. 133, 143; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 39; hnlich Assmann, in: G. R. Wagner, S. 201, 204; Hapke/ Japp, S. 41 f., 74 f.; G. Wagner, Umwelthaftungsrecht, S. 44, 46 f. 84 Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 39; G. Wagner, Umwelthaftungsrecht, S. 43 f.; G. Wagner, JZ 1991, 175, 179 ff.; Wolfrum/Langenfeld, S. 184 f.

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§ 9 Haftung aus verbotenem, geduldetem und erlaubtem Risiko

men und auf eine Verringerung oder Ausschaltung des Risikos zu verzichten. Allerdings beansprucht gegenber der Begrndung der Gefhrdungshaftung durch die çkonomische Analyse des Rechts ein Teil der Argumente Geltung, die bereits gegen die alleinige Bercksichtigung çkonomischer Gesichtspunkte im Rahmen der Interessenabwgung zur Bestimmung des Inhalts der Verkehrspflichten angefhrt wurden. Dies gilt zwar nur eingeschrnkt fr das Argument, dass die fr das çkonomische Kalkl zur Bestimmung der Verkehrspflichten notwendigen Informationen in der Regel nicht zur Verfgung stehen85, da bei der Gefhrdungshaftung anders als bei der deliktischen Haftung nicht die Gerichte die Verkehrspflichten entsprechend dem çkonomischen Kalkl bestimmen mssen, sondern die Maßnahmen zur Risikovermeidung durch die Unternehmen selbst festgelegt werden, die sachnher und damit geeigneter sind86. Aber im brigen setzt die çkonomische Betrachtung beim Handelnden ein çkonomisches Kalkl voraus, das praktisch nur in Ausnahmefllen adquat vorgenommen werden drfte87. Zudem fließt die Handlungsfreiheit nicht in das çkonomische Kalkl ein und stellt sich allenfalls als Funktion der finanziellen Potenz des potentiell Verantwortlichen dar88. Insgesamt erscheinen danach die der çkonomischen Betrachtung zugrundeliegenden Prmissen und Wertungen nicht mit den Wertungen des gesetzlichen Haftungssystems vereinbar89. Das Haftungsrecht kann nicht vorrangig an der çkonomischen Betrachtung ausgerichtet werden, ihr kommt kein Absolutheitsanspruch gegenber demokratisch oder judiziell legitimierten Entscheidungen zu90. Damit kann die Gefhrdungshaftung de lege lata auch nicht die deliktische Haftung verdrngen, was aber der Fall wre, wenn die Gefhrdungshaftung nicht auf besondere durch den Verantwortlichen geschaffene oder aufrechterhaltene und durch den Gesetzgeber sanktionierte Risiken beschrnkt und gegenber der deliktischen Haftung der Ausnahmefall bliebe, sondern auf alle Risiken erstreckt wrde. Denn dann wrde sie auch diejenigen Risiken erfassen, die im Rahmen der Bestimmung der Verkehrspflichten zwar in die Interessenabwgung eingestellt werden, aber nicht notwendig zu einer deliktischen Haftung fhren, worin gegenber der Deliktshaftung eine Beschrnkung der Handlungsfreiheit des potentiell Verantwortlichen liegen wrde.

85 86 87 88 89 90

Siehe oben S. 23 ff. G. Hager, ZEuP 1997, 9, 15; Ladeur, BB 1993, 1303, 1308. Siehe oben S. 24. Siehe oben S. 27. Siehe oben S. 26. Vgl. oben S. 29.

III. Haftung aus erlaubtem Risiko

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c) Partielle Gefhrdungshaftung Anders als in der Regel von der çkonomischen Betrachtung zugrunde gelegt, kann es demgemß nicht um eine totale Gefhrdungshaftung gehen, die alle Risiken abdeckt, fr die eine potentielle Verantwortlichkeit besteht, sondern nur um eine partielle Gefhrdungshaftung, die nur bestimmte Risiken umfasst. Welche Risiken dies sind, ergibt sich aus dem Gesetz. Indem diese partielle Gefhrdungshaftung nicht alle Risiken erfasst, die auch Gegenstand einer Verkehrspflicht sein kçnnen, behlt damit die deliktische Haftung einen eigenstndigen Anwendungsbereich. Dies hat zwar zur Folge, dass bei den Risiken, die nicht Gegenstand der Gefhrdungshaftung sind, die Einhaltung der Verkehrspflichten zu einer vollstndigen Haftungsfreistellung fhrt91. Insoweit besteht kein Anreiz mehr, einen ber den Inhalt der Verkehrspflichten hinausgehenden Sorgfaltsstandard einzuhalten. Durch die Einschrnkung der Gefhrdungshaftung wird demgemß auch die mit dieser verbundene Prvention eingeschrnkt. Aber diese Einschrnkung beruht auf der Aufgabe des Haftungsrechts, die Freiheits- und Risikosphren der Verkehrsteilnehmer voneinander abzugrenzen. Die Einschrnkung der Gefhrdungshaftung zugunsten der deliktischen Haftung dient damit der Handlungsfreiheit des potentiell Verantwortlichen. Diese wird durch die deliktische Haftung schon dadurch erweitert, dass sich mit Hilfe der Verkehrspflichten die Verhaltensfolgen besser berechnen lassen92. Denn die Gefhrdungshaftung steht der Verhaltensorientierung und damit einer zentralen Funktion des Rechts insoweit entgegen, als die Unvermeidbarkeit einer Haftung auch bei Einhaltung aller gebotenen Sorgfaltsstandards eine Erwartungsunsicherheit zur Folge hat93. Darber hinaus dient die deliktische Haftung der Handlungsfreiheit des Betroffenen schlicht dadurch, dass sie das Verhalten, das lediglich Risiken zur Folge hat, die nicht Gegenstand von Verkehrspflichten sind, von der Haftung freistellt. Die erhçhte Prventionswirkung ist damit zwar im Hinblick auf den Schutz des Betroffenen und seiner Rechtsgter und Rechte und wohl auch auf die gesamtwirtschaftliche Allokationseffizienz vorteilhaft, nicht jedoch im Hinblick auf andere Wertungen, insbesondere die Handlungsfreiheit des potentiell Verantwortlichen. Soweit man nicht eine totale Gefhrdungshaftung fr alle zurechenbaren Risiken annehmen mçchte, fr die bereits gezeigt wurde, dass sie mit den gesetzlichen Wertungen nicht vereinbar wre, stellt sich zudem die Frage, wann ein besonderes Risiko vorliegt, fr das es der Gefhrdungshaftung bedarf, weil die deliktische Haftung trotz der In91 92 93

G. Hager, UTR 11, S. 133, 143 f.; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 39. So mit Bezug auf die Verschuldenshaftung Medicus, UTR 11, S. 5, 14. Hapke/Japp, S. 4, 23 ff.; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 39.

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§ 9 Haftung aus verbotenem, geduldetem und erlaubtem Risiko

teressenabwgung im Rahmen der Bestimmung der Verkehrspflichten nicht ausreicht. Die erhçhte Prventionswirkung allein vermag weder diese Frage zu beantworten noch die Gefhrdungshaftung hinreichend zu begrnden.

6. Kodifizierung von Verkehrspflichten und Verschuldensmaßstben Soweit sie sich mit der deliktischen Haftung berschneidet, kann die Gefhrdungshaftung auch als Kodifizierung der Verkehrspflichten verstanden werden. Als solche ist sie auf diejenigen Flle bezogen, in denen typischerweise eine Verkehrspflichtverletzung und ein Verschulden vorliegen. Die Verkehrspflicht wird insoweit bereits durch den Gesetzgeber festgestellt. Da sie auch Fallgestaltungen umfasst, in denen keine deliktische Haftung besteht, erschçpft sich die Gefhrdungshaftung darin jedoch nicht. Diese mit einer Typisierung verbundene Kodifizierung der Verkehrspflichten ist angesprochen, wenn gewissermaßen unter umgekehrten Vorzeichen davon die Rede ist, dass die Verschrfung der Verkehrspflichten zu einer versteckten Gefhrdungshaftung im Rahmen der deliktischen Verschuldenshaftung fhre94. Damit hngt zusammen, dass die bergnge zwischen der deliktischen und der Gefhrdungshaftung fließend sind, weil einerseits die Verkehrspflichten im Rahmen der Verschuldenshaftung wie die Gefhrdungshaftung auch von der Grçße des Risikos abhngen und andererseits auch im Rahmen der Gefhrdungshaftung der Schadensersatz vielfach ausgeschlossen oder gemindert werden kann, wenn er auf einer fr den potentiell Verantwortlichen externen Ursache beruht, insbesondere auf hçherer Gewalt95. Die typisierende Kodifizierung von Verkehrspflichten durch die Gefhrdungshaftung wird dabei vor allem als Annherung der deliktischen Haftung an die Gefhrdungshaftung wahrgenommen96. Gerade in Bezug auf die Umwelthaftung ist konstatiert worden, dass die Entwicklung von Verkehrspflichten nicht nur zu einer Annherung der deliktischen Verschuldenshaftung an eine objektive Haftung fr rechtswidriges Verhalten fhren kann97, sondern auch zu einer Haftungsausweitung hnlich der Gefhrdungshaftung98. 94 So etwa Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 III 7 b (S. 427); MnchKomm-BGB/ G. Wagner, Vor § 823 Rn. 24; vgl. auch Schiemann, in: Weick, S. 39, 46 f. 95 Koziol, in: Bydlinski u. a., S. 51 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 3 b (S. 610); MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 21; von Bar, Verkehrspflichten, S. 144; von Bar, in: Bydlinski u. a., S. 63, 72 ff.; vgl. auch çOGH, JBl. 1996, 446, 448. 96 So ausdrcklich Erman/Schiemann, Vor § 823 Rn. 6; § 823 Rn. 82; vgl. auch Schiemann, in: Weick, S. 39, 46 f. 97 Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 51; hnlich Koziol, in: Nicklisch, S. 143, 147 f.; von Bar, Verkehrspflichten, S. 131 ff.; hnl. U. Diederichsen, BB 1973, 485, 489. 98 Enders, S. 271; Mçllers, Rechtsgterschutz, S. 114 f.; Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, Rn. 51; Steffen, UTR 11, S. 71, 78 f.; vgl. auch Jansen, Struktur, S. 615; von Bar, AcP 203 (2003), 859, 861 f.

III. Haftung aus erlaubtem Risiko

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Mag sich die deliktische Verschuldenshaftung hier auch insbesondere aus einer historischen Perspektive in Richtung Gefhrdungshaftung bewegt haben, bleibt doch der Befund, dass die deliktische Haftung insoweit hnliche Ergebnisse erreichen kann wie die Gefhrdungshaftung. Bezieht man dies nun auf die Fallkonstellationen, die de lege lata Gegenstand der Gefhrdungshaftung sind und die auch von der deliktischen Haftung erfasst werden, stellt sich die Gefhrdungshaftung als gesetzliche Konkretisierung der Verkehrspflichten und Verschuldensmaßstbe der deliktischen Haftung dar, die in diesen Fallkonstellationen verletzt werden. Demgemß wird auch die Auffassung vertreten, dass die Entstehungsgrnde der Verkehrspflichten grundstzlich den klassischen Prinzipien der Gefhrdungshaftung entsprechen99, so dass sich die Gefhrdungshaftung und die deliktische Verschuldenshaftung auch hinsichtlich ihrer Begrndung entsprechen. Der Einwand, dass die Gefhrdungshaftung im Gegensatz zur deliktischen Haftung keine Pflichtwidrigkeit voraussetze, so dass insoweit dogmatisch ein fundamentaler Unterschied bestehe100, steht zwar der Auffassung entgegen, dass die deliktische Haftung und die Gefhrdungshaftung zu einem dogmatischen Rechtsinstitut zu verschmelzen seien101, weil es dogmatisch einen erheblichen Unterschied darstellt, ob nur ein Verstoß gegen eine Verhaltenspflicht festgestellt werden muss oder ob auch die Verhaltenspflicht bestimmt werden muss. Dieser Unterschied besteht aber zunchst nur de lege lata. Er wird zumindest relativiert, wenn durch Rechtsfortbildung oder de lege ferenda eine allgemeine Gefhrdungshaftung begrndet wrde, nach der fr die Setzung oder Aufrechterhaltung besonders großer Risiken gehaftet wird. Denn dann bestnde die Pflichtwidrigkeit bei der Gefhrdungshaftung in der Setzung oder Aufrechterhaltung eines derartigen Risikos. Vor allem aber steht dieser Einwand, dass die Gefhrdungshaftung im Gegensatz zur deliktischen Haftung keine Pflichtwidrigkeit voraussetze, noch nicht der Annahme entgegen, dass sich die deliktische und die Gefhrdungshaftung auf der Wertungsebene insoweit entsprechen, als die Gefhrdungshaftung eine notwendig typisierende Kodifizierung derjenigen Wertungen darstellt, die dort die deliktischen Verkehrspflichten begrnden, wo sich der Anwendungsbereich der deliktischen und der Gefhrdungshaftung berschneiden. Denn in diesen Fllen hat der Gesetzgeber fr die Gefhrdungshaftung bereits diejenigen Wertungen vorgenommen, die er im Rahmen der deliktischen Haftung der Recht-

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So von Bar, Verkehrspflichten, S. 112 ff. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 3 b (S. 610); hnl. MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 21. 101 So aber von Bar, Verkehrspflichten, S. 143 f., hnl. hinsichtlich der Unterscheidung zwischen der Haftung fr und ohne eigenes Fehlverhalten von Bar, Gemeineuropisches Deliktsrecht II, Rn. 306. 100

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sprechung berlsst, die dort eben nicht nur den Verstoß gegen eine Verkehrspflicht, sondern auch die Verkehrspflicht selbst festzustellen hat. Auch das Verschuldenserfordernis der deliktischen Haftung lsst sich auf der Wertungsebene regelmßig dort nicht dem Verstndnis der Gefhrdungshaftung als einer kodifizierten Haftung fr Verkehrspflichtverletzungen entgegenhalten, wo sich der Anwendungsbereich der deliktischen und der Gefhrdungshaftung berschneiden. Denn das Verschulden knpft hier bereits an die Errichtung oder bernahme einer Anlage an. Diese ist dem Verantwortlichen jedenfalls unter dem objektiven Verschuldensbegriff vorwerfbar, unter dem Gesichtspunkt des damit erkennbar verbundenen Risikos regelmßig aber auch unter einem subjektiven Verschuldensbegriff, jedenfalls wenn man einen strengen Verschuldensmaßstab anlegt. Insoweit lsst sich die Gefhrdungshaftung fr den Regelfall auch als typisierte Verknpfung des Verschuldens mit der Verkehrspflichtverletzung begreifen, die im Einzelfall eine berschießende Typisierung enthalten kçnnte. Eine Abweichung kçnnte sich hier vor allem hinsichtlich der Schuldausschließungsgrnde ergeben, wenn man nicht davon ausgeht, dass ihr Vorliegen bei der Schaffung oder bernahme der Verantwortung fr ein Risiko nicht vielfach auch die Gefhrdungshaftung ausschließt102. Denn fr die Schuldausschließungsgrnde lsst sich nicht sagen, dass sie sich im Regelfall aus der Verkehrspflichtverletzung ergeben. Allerdings weicht die Gefhrdungshaftung auch auf der Wertungsebene von der deliktischen Haftung ab, soweit sich der Anwendungsbereich nicht berschneidet. Dies ist zunchst dort der Fall, wo Risiken zwar von der Gefhrdungshaftung, nicht aber von den Verkehrspflichten der deliktischen Haftung erfasst werden, also bei den sogenannten Residualschden, die trotz Einhaltung der gebotenen Sorgfaltsmaßnahmen entstehen und bei der Gefhrdungshaftung vom Verantwortlichen, bei der Verschuldenshaftung aber vom Betroffenen zu tragen sind103. Darber hinaus ist dies auch dort der Fall, wo zwar auch eine Verkehrspflichtverletzung vorliegt, es aber ausnahmsweise am Verschulden fehlt. In diesen Fllen lsst sich die Gefhrdungshaftung also nicht als typisierte Kodifizierung der Verkehrspflichten begreifen, so dass sich insofern auch die Begrndung der Verkehrspflichten nicht mit derjenigen der Gefhrdungshaftung deckt.

102 So etwa Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 2 g (S. 609); hnl. Esser/Weyers, § 63 II 3 (S. 272); weitergehend fr Schuldfhigkeit auch zur Zeit des schdigenden Ereignisses Soergel/Spickhoff, Vor § 827 Rn. 7; differenzierend Erman/Schiemann, § 828 Rn. 1; ablehnend aber MnchKomm-BGB/G. Wagner, § 827 Rn. 4. 103 MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 21; vgl. auch Schfer/Ott, S. 206 ff.; Shavell, S. 21 ff.

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7. Haftung aus erlaubtem Risiko als Billigkeitshaftung Soweit die Gefhrdungshaftung von der deliktischen Haftung abweicht, indem sie geringere Risiken erfasst und kein Verschulden voraussetzt, lsst sich dies somit weder durch einen besonderen Risikobezug noch durch eine grçßere Verteilungsgerechtigkeit oder eine bessere Prventionswirkung begrnden. Vielmehr stellt sich die Gefhrdungshaftung dann als eine Billigkeitshaftung dar. Dies gilt zunchst fr den Verzicht auf das Verschuldenserfordernis104, aber auch fr die nicht von der deliktischen Haftung erfassten Risiken. Die Anordnung der Gefhrdungshaftung beruht insoweit zwar vor allem auf der Entscheidungskompetenz des Gesetzgebers105, lsst sich aber darauf zurckfhren, dass er es auch bei der nicht von den Verkehrspflichten erfassten Schaffung oder Unterhaltung einer Risikoquelle angesichts des daraus gezogenen Nutzens in bestimmten Fllen fr recht und billig angesehen hat, fr die daraus resultierenden Risiken einstehen zu mssen. Dies erklrt auch die regelmßige Haftungsbeschrnkung der Gefhrdungshaftung, da der daraus gezogene Nutzen keine unbeschrnkte Haftung rechtfertigen wrde. Der Nutzenbezug ergibt sich insoweit vor allem daraus, dass die Risikoquellen, an die die Gefhrdungshaftung anknpft, typischerweise aus dem gewerblichen oder zumindest beruflichen Bereich stammen106. Dies gilt zwar nicht notwendig fr die Haftung des Kraftfahrzeughalters, aber das Halten und Benutzen eines Autos kann als geduldetes Risiko aufgefasst werden, so dass es sich um eine kodifizierte Verkehrspflichtverletzung handelt. Insoweit besteht eine Parallele zum englischen Recht, das im Rahmen der Haftung aus fault zu hnlichen Ergebnissen kommt107. Der Nutzenbezug stellt sich dabei insbesondere deshalb als Billigkeitshaftung dar, weil er wie die Ersatzpflicht aus Billigkeitsgrnden des § 829 BGB vor allem auf die Vermçgensverhltnisse der Beteiligten abstellt108, wenn auch abstrakt, indem er an die Mçglichkeit des Verantwortlichen anknpft, den Nutzen aus dem Risiko zu ziehen. Insoweit kann also eine Parallele zur Billigkeitshaftung gezogen werden, ohne dass der Auffassung, dass die Haftung des § 829 BGB Gefhrdungshaftung sei109, zuzustimmen ist110. Eine Sonderrolle nimmt allerdings die Haftung nach § 22 WHG ein, da § 22 I WHG eine reine Handlungshaftung ohne Anknpfung an eine gegen104

So auch Koziol, AcP 196 (1996), 593, 610. Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 2 b (S. 607). 106 Von professioneller Ttigkeit spricht Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 2 a (S. 605 f.). 107 So etwa Jansen, ZEuP 2003, 494, 495; vgl. auch Roberts v Ramsbottom, Queen s Bench Division (1980) 1 All E.R. 7. 108 Vgl. oben S. 344. 109 Anders aber Esser/Weyers, § 55 III 2 (S. 177); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 VII 2 (S. 653). 110 Siehe oben S. 344. 105

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stndliche Risikoquelle enthlt und auch § 22 II WHG sich zwar auf Anlagen bezieht, diese aber anders als bei den anderen Gefhrdungshaftungstatbestnden nicht eingegrenzt sind. Diese Sonderrolle wird, soweit sie nicht sowieso als eine systemfremde berreaktion des Gesetzgebers aufgefasst wird111, einerseits auf die Besonderheit des Schutzgutes Wasser zurckgefhrt, das nicht nur hufig nicht Gegenstand von Eigentumsrechten sei, sondern dem auch fundamentale Bedeutung fr jegliches Leben und Wirtschaften zukomme und dessen Beeintrchtigung spezifische und besonders große Risiken haben kçnne112. Andererseits wird sie aber auch relativiert, indem die Haftung aus § 22 I WHG voraussetze, dass das Verhalten objektiv und subjektiv final auf das Wasser gerichtet sei113 und eine typische Gefhrlichkeit gerade in Bezug auf das Wasser aufweise114. Diese Voraussetzungen berhren sich mit wesentlichen Elementen der Verkehrspflichtverletzung und des Verschuldens, so dass auch die wasserrechtliche Gefhrdungshaftung an die deliktische Haftung des § 823 I BGB angenhert wird.

B. Verhltnis zur deliktischen Haftung Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass sich die Anwendungsbereiche der deliktischen und der Gefhrdungshaftung zwar weitgehend, aber nicht vollstndig berschneiden. Die Gefhrdungshaftung ist zwar dogmatisch auf erlaubte Risiken bezogen, erfasst jedoch auch geduldete Risiken, bei denen auch die deliktische Haftung gegeben ist. Eine eigenstndige Bedeutung kommt der Gefhrdungshaftung demgemß nur dort zu, wo sie sich nicht mit der deliktischen Haftung berschneidet. Die deliktische Haftung wird durch die Gefhrdungshaftung nicht verdrngt. Aus der Anordnung der Gefhrdungshaftung folgt nicht, dass die deliktische Haftung nur gegeben sein kann, wenn auch die Gefhrdungshaftung greift115. Denn die Verkehrspflichten werden nicht dadurch ausgeschlossen, dass die von ihnen erfassten Fallkonstellationen auch Gegenstand der Gefhrdungshaftung oder eines Schutzgesetzes sind116. Die Gefhrdungshaftung beinhaltet keinen Rechtfertigungsgrund. Die Ansicht, dass die Gefhrdungshaftung den Preis fr die Erlaubnis eines eigentlich

111

So Medicus, Schuldrecht II, Rn. 896. So Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 V 1 a (S. 631). 113 BGHZ 124, 394, 396 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 V 1 c (S. 633 ff.); Medicus, Schuldrecht II, Rn. 896. 114 BGH, VersR 1983, 248; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 V 1 c (S. 633 ff.); Medicus, Schuldrecht II, Rn. 896. 115 So aber hinsichtlich §§ 7, 18 StVG MnchKomm-BGB/Grundmann, § 276 Rn. 23. 116 Erman/Schiemann, § 823 Rn. 82; Palandt/Sprau, § 823 Rn. 45; RGRK-Steffen, Vor § 823 Rn. 17; Staudinger/J. Hager, Vorbem zu §§ 823 ff Rn. 32; hnlich BGHZ 55, 180, 182 f.; BGHZ 62, 351, 355. 112

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nicht erlaubten Risikos darstelle117, geht demgemß fehl118. Dogmatisch stellt die Gefhrdungshaftung eine Haftung aus erlaubtem Risiko dar, weil sie keine Verkehrspflichtverletzung voraussetzt; tatschlich ist sie nur dort eine Haftung aus erlaubtem Risiko, wo keine deliktische Haftung gegeben ist, insbesondere weil keine Verkehrspflicht verletzt wird. Zwar stellt es einen erheblichen Unterschied dar, ob die Haftung voraussetzt, dass neben der Verursachung eine Pflichtwidrigkeit positiv festgestellt wird, indem zunchst die Verkehrspflicht bestimmt und dann der Verstoß des Verantwortlichen gegen diese festgestellt wird, wie dies bei der deliktischen Haftung der Fall ist, oder ob die Haftung zunchst nur erfordert, dass die Verursachung festgestellt wird, und die Haftung nur gemildert oder ausgeschlossen wird, wenn der Nachteil auf einer fr den Verantwortlichen externen Ursache beruht119. Dieser Unterschied wird insbesondere bei der Beweislastverteilung relevant, da bei der deliktischen Haftung neben der auf einem Verhalten des Verantwortlichen beruhenden Verletzung und der Zurechenbarkeit auch die Pflichtverletzung bewiesen werden muss, wobei allerdings Beweiserleichterungen nach den allgemeinen Grundstzen in Betracht kommen120. Aber hinsichtlich der Wertungen, die zu einer Haftung fhren, ist die Gefhrdungshaftung gegenber der deliktischen Haftung und insbesondere den Verkehrspflichten als deren zentraler Voraussetzung nur eigenstndig, soweit sie Risiken zum Gegenstand hat, die von den Verkehrspflichten nicht erfasst werden. Die Gefhrdungshaftung gewinnt ihre spezifische Bedeutung demgemß nicht durch die besondere Gefhrlichkeit der von ihr erfassten Risiken in dem Sinne, dass bei diesen Risiken die Eintrittswahrscheinlichkeit besonders hoch ist121 und der drohende Nachteil besonders groß122, geschweige denn, dass sie eine Gefahr darstellen. Denn derartige Risiken werden auch von den Verkehrspflichten erfasst. Die besondere Gefhrlichkeit liegt vielmehr darin, dass die von ihr erfassten Risiken gegenber den von den Verkehrspflichten erfassten Risiken in dem Sinne eigentmlich sind, dass sie die angesprochene Billigkeitshaftung rechtfertigen. Auch dort, wo die Verkehrspflichten dieselben Risiken erfassen wie die Gefhrdungshaftung, kann der Anwendungsbereich der Gefhrdungshaftung ber denjenigen der deliktischen Haftung hinausgehen, wenn es an einem Verschulden fehlt. Allerdings drfte das Fehlen des Verschuldens die 117 So etwa BGHZ 105, 65, 66; BGHZ 107, 359, 367; Esser, Grundlagen, S. 90 f.; von Caemmerer, Reform, S. 15; Deutsch, Allg. Haftungsrecht, S. 659; Will, S. 283 f. 118 So auch Blaschczok, S. 48 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 2 a (S. 606). 119 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 3 b (S. 610); MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 21; anders von Bar, Verkehrspflichten, S. 143 f.; von Bar, Gemeineuropisches Deliktsrecht II, Rn. 306. 120 Siehe oben S. 138. 121 So aber Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 2 b (S. 607). 122 Vgl. Nachweise in Fn. 54.

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§ 9 Haftung aus verbotenem, geduldetem und erlaubtem Risiko

Ausnahme sein, soweit Risiken sowohl von der Gefhrdungshaftung als auch von den Verkehrspflichten erfasst werden. Denn wie diese Risiken knpft dann auch das Verschulden bereits an die Errichtung oder bernahme einer Risikoquelle an, die dem Verantwortlichen regelmßig sowohl unter einem objektiven als auch einem subjektiven Verschuldensbegriff vorwerfbar ist; die Gefhrdungshaftung stellt sich dann als typisierte Verknpfung des Verschuldens mit der Verkehrspflichtverletzung dar123. Vor allem aber handelt es sich auch dann nicht um eine Haftung fr erhçhte Gefhrlichkeit, weil das Verschulden nicht umso eher entfllt, je geringer das drohende Risiko ist. Demgemß kann es auch nicht als bedenklich angesehen werden, dass besonders typische Risiken meist Gegenstand einer gesetzlichen Gefhrdungshaftung und damit regelmßig einer begrenzten Haftung sind, whrend weniger typische Risiken Gegenstand der deliktischen Haftung sind, die zu einer unbeschrnkten Haftung fhrt124. Denn das bedeutet nicht, dass regelmßig fr typische Risiken begrenzt und fr untypische Risiken unbeschrnkt gehaftet wird, die Haftung also umgekehrt proportional zu dem Risiko ist, das gesetzt oder aufrechterhalten wird. Vielmehr besteht auch fr typische Risiken eine unbegrenzte Haftung, wenn sie Gegenstand der deliktischen Haftung sind. Fr besonderes typische Risiken wird damit im Ergebnis nur dort beschrnkt gehaftet, wo fr weniger typische Risiken berhaupt nicht gehaftet wird, weil die Risiken nicht Gegenstand einer Verkehrspflicht sind. Der genuine Anwendungsbereich der Gefhrdungshaftung ist demgemß relativ klein, weil sich die Anwendungsbereiche der deliktischen Haftung und der Gefhrdungshaftung weitgehend berschneiden. Dabei kommt in der Rechtspraxis allerdings im Zweifel die Gefhrdungshaftung zum Zuge, da ihre Voraussetzungen leichter nachzuweisen sind. Die deliktische Haftung ist aus praktischer Sicht nur dort vorteilhaft, wo sie ber die Haftungsgrenzen der Gefhrdungshaftung hinaus Schadensersatz gewhrt. Die Gefhrdungshaftung ist damit zwar dogmatisch eine Haftung aus erlaubtem Risiko, weil sie keinen Verstoß gegen eine Verkehrspflicht voraussetzt, sie erfasst jedoch auch und in der Praxis weitgehend Risiken, die nicht erlaubt, sondern geduldet sind, weil sie Gegenstand der Verkehrspflichten sind und bei ihnen auch Verschulden vorliegt, so dass auch die deliktische Haftung gegeben wre.

C. Verhltnis zur negatorischen Haftung Das Verhltnis der Gefhrdungshaftung zur negatorischen Haftung ist ebenfalls dadurch gekennzeichnet, dass sich die Anwendungsbereiche ber123 124

Vgl. oben S. 374. So aber Erman/Schiemann, § 823 Rn. 82.

III. Haftung aus erlaubtem Risiko

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schneiden, indem die Gefhrdungshaftung zwar dogmatisch auf erlaubte Risiken bezogen ist, aber auch verbotene Risiken erfassen kann, bei denen eine negatorische Haftung gegeben ist. Allerdings ist diese berschneidung nicht so weitgehend wie bei der deliktischen Haftung, da der Anwendungsbereich der negatorischen Haftung tendenziell geringer ist125. Zudem unterscheidet sich die negatorische Haftung hinsichtlich der Rechtsfolgen deutlicher von der Gefhrdungshaftung als die deliktische Haftung, da sie nicht ebenfalls Schadensersatz gewhrt, sondern Unterlassungs- und Beseitigungsansprche. Dementsprechend kommt der Gefhrdungshaftung gegenber der negatorischen Haftung auch dort eine eigenstndige Bedeutung zu, wo sich ihre Anwendungsbereiche berschneiden. Bezieht man den genuinen Anwendungsbereich der Gefhrdungshaftung jedoch auf die Verkehrspflichten, umfasst er nur erlaubte, nicht aber verbotene Risiken, so dass sich negatorische und Gefhrdungshaftung nicht berschneiden. Indem sie ebenfalls eine Verletzung einer Verkehrspflicht voraussetzt, steht die negatorische Haftung der deliktischen Haftung dabei nher als der Gefhrdungshaftung, mit der sie sich dogmatisch nur insoweit berhrt, als sie ebenfalls an die Schaffung oder Unterhaltung eines Risikos anknpft und zudem kein Verschulden erfordert. Dies wird auch in der Terminologie dadurch deutlich, dass das geduldete Risiko als Gegenstand der deliktischen Haftung eben kein erlaubtes Risiko ist, das Gegenstand der Gefhrdungshaftung ist, sondern ein an sich verbotenes Risiko, dass aber keine Unterlassungs- und Beseitigungsansprche im Rahmen der negatorischen Haftung auslçst und in diesem Sinne geduldet wird, bis es zu einem Schaden fhrt, der dann Ersatzansprche im Rahmen der deliktischen Haftung auslçst. Der Anwendungsbereich der Gefhrdungshaftung berschneidet sich zwar mit demjenigen der negatorischen Haftung, weil beide Haftungen auf Risiken bezogen sind und die Gefhrdungshaftung auch Risiken erfasst, die Gegenstand einer Verkehrspflicht sind. Aber in ihrem auf erlaubte Risiken bezogenen genuinen Anwendungsbereich berschneidet sich die Gefhrdungshaftung nicht mit der auf verbotene Risiken bezogenen negatorischen Haftung. Denn whrend die negatorische Haftung gegenber der deliktischen Haftung tatschlich ein erhçhtes Risiko erfordert, weil das Risiko, das die Verkehrspflichtverletzung begrndet, noch nicht notwendig die drohende Verwirklichung eines Risikos als Voraussetzung der negatorischen Haftung begrndet126, erfordert die Gefhrdungshaftung nur ein besonderes Risiko, das in ihrem genuinen Anwendungsbereich kein erhçhtes Risiko gegenber dem Risiko darstellt, das Gegenstand der Verkehrspflichten ist. Indem die Gefhrdungshaftung regelmßig keine Verkehrspflichtverletzung voraussetzt, whrend die negatorische Haftung eine solche erfordert, ber125 126

Siehe oben S. 14. Vgl. oben S. 301.

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§ 9 Haftung aus verbotenem, geduldetem und erlaubtem Risiko

schneidet sich die Gefhrdungshaftung damit in ihrem genuinen Anwendungsbereich als Haftung fr erlaubte Risiken nicht mit der negatorischen Haftung fr verbotene Risiken. Demgemß wird die negatorische Haftung zumindest analog auch auf die durch § 823 I BGB geschtzten Rechtsgter und Rechte sowie grundstzlich auch auf die durch ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 II BGB oder das Verbot der sittenwidrigen vorstzlichen Schdigung in § 826 BGB gegrndeten Rechtsstellungen angewandt127, nicht aber auf durch die Gefhrdungshaftung geschtzten Rechtspositionen.

D. Grundstzlich keine Analogiefhigkeit Als Billigkeitshaftung ist die Gefhrdungshaftung nur sehr eingeschrnkt analogiefhig. Zwar wird gerade auch im Rahmen der Umwelthaftung die Gefhrdungshaftung fr vorteilhaft gehalten, weil sie die Erfassung insbesondere von Schden aus rechtmßigem Normalbetrieb und von Entwicklungsrisiken erlaube128. Zudem wird ein Vorteil der Gefhrdungshaftung darin gesehen, dass ihr eine erhçhte Prventionswirkung zukommt129, insbesondere dass sie auch dort, wo die Verkehrspflichten nicht greifen, Anreize zu Vermeidung von Nachteilen fr die Betroffenen enthlt130. Trotzdem ist der Auffassung, dass eine allgemeine Gefhrdungshaftung im Wege der Gesamtanalogie zu den gesetzlichen Gefhrdungshaftungstatbestnden mçglich sei131, nicht zu folgen. Mçglich erscheint allenfalls eine Einzelanalogie in Ausnahmefllen132. 127 Vgl. etwa Erman/Ebbing, § 1004 Rn. 10; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 86 I 1 a (S. 673 f.); MnchKomm-BGB/Medicus, § 1004 Rn. 6; aus deliktsrechtliche Sicht auch Erman/Schiemann, Vor § 823 Rn. 20; MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 74; Staudinger/J. Hager, Vorbem zu §§ 823 ff. Rn. 63; kritisch Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 13, 16; in Bezug auf fortwirkende Ehrverletzungen auch Picker, Beseitigungsanspruch, S. 33, 89 f. 128 G. Hager, NJW 1991, 134, 136; Steffen, UTR 11, S. 71, 81 f.; Steffen, NJW 1990, 1817, 1819 f.; fr Entwicklungsrisiken auch Schieber, VersR 1999, 816, 817; auf die Erfassung von Fehlern ordnungsgemß ausgesuchter und berwachter Verrichtungsgehilfen bezogen auch Staudinger/Kohler, Einl zum UmweltHR, 2002, Rn. 94; hnlich SchmidtSalzer, Umwelthaftungsrecht, § 1 Rn. 11, 25 f.; auf die Erfassung von Allmhlichkeitsschden bezogen auch Bolliger, FS Siehr, S. 1, 9; Marburger, AcP 192 (1992), 1, 18, 20 f. 129 Medicus, UTR 11, S. 5, 12; vgl. auch oben S. 368 ff. 130 Cooter/Ulen, S. 316; MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 21; Shavell, S. 32; G. Wagner, in: Zimmermann, S. 273, 289 f. 131 So Koziol, in: Nicklisch, S. 143, 148 f.; Kreuzer, FS Lorenz, S. 123, 140 f.; de lege ferenda etwa auch Kçtz, AcP 170 (1970), 1 ff.; Kçtz/Wagner, Rn. 514 f.; wohl auch Markesinis/Unberath, S. 722. 132 Canaris, JBl. 1995, 2, 11 f.; Deutsch, Allg. Haftungsrecht, Rn. 652 f.; Will, S. 69 ff.; Soergel/Spickhoff, Vor § 823 Rn. 67; Staudinger/J. Hager, Vorbem zu §§ 823 ff Rn. 29; grundstzlich wohl auch BGHZ 55, 229, 234; Dietz, S. 179 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 1 b (S. 602); vgl. auch Koziol, FS Wilburg, S. 173, 183; strikt ablehnend aber BGHZ 63, 234, 237; BGH, NJW 1993, 2173, 2174; MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 23; RGRK-BGB/Steffen, Vor § 823 Rn. 16; gegen generelle Gefhrdungshaftung de lege ferenda auch Zçllner, FS Krejci, S. 1355, 1360 f.

III. Haftung aus erlaubtem Risiko

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Gegen die Annahme einer allgemeinen Gefhrdungshaftung de lege lata wrde zunchst die Auffassung sprechen, dass die Deliktshaftung durch die Anknpfung an vorwerfbares Fehlverhalten die hçhere rechtsethische berzeugungskraft aufweise133, der allerdings entgegensteht, dass dem Verschulden kein besonderer rechtsethischer Gehalt zukommt134. berzeugender ist jedoch der Einwand, dass die Gefhrdungshaftung nicht einheitlich geregelt ist135, so dass sich nicht angeben lsst, an welche Regelung eine Verallgemeinerung anknpfen soll136. Damit bleibt offen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die allgemeine Gefhrdungshaftung greifen soll. Soweit man nicht eine totale Gefhrdungshaftung befrwortet, was bisher offenbar nicht der Fall ist, erscheint damit auch die Auffassung, dass die Gefhrdungshaftung insofern praktikabler als die deliktische Haftung sei, als sie Streitigkeiten ber die Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt ausblende137, allenfalls als eingeschrnkt berzeugend, da bei der partiellen Gefhrdungshaftung zwar keine Verkehrspflichten bestimmt werden mssen, dafr aber ihre Voraussetzungen und ihr Inhalt festgestellt werden muss. Dabei sollen etwa die Anreize der Haftung zur Schadensvorsorge, die Kosten der Schadensbeseitigung und die finanzielle Belastung der betroffenen Unternehmen sowie deren Versicherungsmçglichkeiten zu bercksichtigen sein138, also die Gesichtspunkte, die auch bei der Bestimmung der Verkehrspflichten im Rahmen der deliktischen Haftung zu bercksichtigen sind. Die Unterschiede zwischen deliktischer und Gefhrdungshaftung sind hier nur graduell. Etwas anderes gilt nur fr die Notwendigkeit, im Rahmen der deliktischen Haftung nicht nur die Verkehrspflicht, sondern auch ihre Verletzung festzustellen. Aber auch hier nhern sich die deliktische und die Gefhrdungshaftung insofern an, als einerseits die deliktische Haftung auch bereits bei dem Schaffen oder dem Andauernlassen einer Risikoquelle ansetzt und andererseits die Feststellung der Voraussetzungen der allgemeinen Gefhrdungshaftung auch auf Annahmen ber den Zusammenhang zwischen dem Schaffen oder Andauernlassen der erfassten Risiken und den erfassten Nachteilen beruht. So ist etwa gegen die Gefhrdungshaftung eingewendet worden, sie lçse das Problem nicht, dass die Kausalitt bei Umweltschden nicht oder nur schwer nachzuweisen sei, so dass sie nicht notwendig an die 133 So Canaris, VersR 2005, 577, 578; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 2 d (S. 608 f.); Zçllner, FS Krejci, S. 1360 Fn. 22. 134 Siehe oben S. 333. 135 Deutsch, VersR 1971, 1, 2 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 1 (S. 600 ff.); Medicus, Schuldrecht II, Rn. 869; MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 22; von Caemmerer, Reform, S. 19 ff. 136 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 1 b (S. 601 f.); Medicus, Schuldrecht II, Rn. 869; MnchKomm-BGB/G. Wagner, Vor § 823 Rn. 23. 137 So G. Hager, ZEuP 1997, 9, 16. 138 G. Hager, ZEuP 1997, 9, 16.

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§ 9 Haftung aus verbotenem, geduldetem und erlaubtem Risiko

richtigen Risiken anknpfe139. Die Gefhrdungshaftung rumt dann zwar ein Rechtsanwendungsproblem aus, fhrt aber nicht notwendig zu einer angemessenen Lçsung dieses Problems. Die Verkehrspflichten gewhrleisten insoweit einen ausgewogenen Kompromiss zwischen Freiheit und Verantwortung, der eine gerechtere, weil den gesetzlichen Wertungen der deliktischen Haftung entsprechende Nachteilszurechnung ermçglicht als die schematisierende Schadensverteilung der Gefhrdungshaftung140. Die Gefhrdungshaftung stellt sich demgemß weitgehend nur als Verschiebung, nicht aber als Vermeidung der im Rahmen der Bestimmung der Verkehrspflichten notwendigen Interessenabwgung dar. Soweit sie die mit dieser Interessenabwgung zusammenhngenden Probleme doch vermeidet, tut sie dies um den Preis einer fehlenden Richtigkeitsgewhr. Zudem stellt sich auch die Frage, inwieweit die Beschrnkung auf die deliktische Haftung gegenber der Gefhrdungshaftung eine echte Rechtsschutzlcke darstellen wrde. Denn zunchst berzeugten die fr die Gefhrdungshaftung angefhrten Begrndungen, bis auf die Qualifikation als Billigkeitshaftung, gerade deshalb nicht, weil sie gegenber der deliktischen Haftung keine sinnvolle Abgrenzung ermçglichen141. Vor allem aber wurde im Verhltnis zur deliktischen Haftung auch deutlich, dass die Gefhrdungshaftung ihre spezifische Bedeutung nicht bei besonders gefhrlichen Risiken in dem Sinne besitzt, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit besonders hoch und der drohende Nachteil besonders groß ist, da solche Risiken auch von den Verkehrspflichten erfasst werden und hier auch das Verschulden wenig problematisch ist, weil ja bereits sein Vorliegen zum Zeitpunkt des Schaffens oder Aufrechterhaltens des Risikos gengt; vielmehr hat sie vor allem dort ihren genuinen Anwendungsbereich, wo Risiken nicht von der deliktischen Haftung erfasst werden, weil sie im genannten Sinne besonders gering sind142. Gemessen an den Wertungen der deliktischen Verschuldenshaftung besteht demnach keine Rechtsschutzlcke143. Der Schutz der Umwelt setzt die Gefhrdungshaftung jedenfalls nicht voraus. Fr ihn gengt, dass die Haftung aus verbotenem und auch geduldetem Risiko bereits an die Schaffung des Risikos anknpfen kann. Die bezogen auf ihren genuinen Anwendungsbereich berzeugendste Begrndung der Gefhrdungshaftung als Billigkeitshaftung vermag ihre analoge Anwendung im Sinne einer allgemeinen Gefhrdungshaftung damit nicht zu tragen. Denn die Billigkeitshaftung stellt sich notwendig als Ausnahme zur allgemeinen Haftung dar. Ihre Anordnung bleibt daher dem Gesetzgeber vorbehalten. 139 140 141 142 143

Medicus, UTR 11, S. 5, 14; anders Gerlach, S. 334 ff. hnl. Marburger, AcP 192 (1992), 1, 29. Vgl. oben S. 360 ff. Vgl. oben S. 367. Vgl. auch Jansen, Struktur, S. 614 ff.

Wesentliche Ergebnisse 1. Zentraler Ausgangspunkt der Arbeit ist, dass das Recht und insbesondere das private Haftungsrecht vor allem der Gewhrleistung der Freiheit und damit der Abgrenzung von Freiheitssphren dient. Diese Abgrenzung ist auch auf Risiken bezogen, wobei sich Freiheit und Risiko gegenseitig bedingen. Weitere Ausgangspunkte sind, dass die Freiheitsgewhr als Funktion des Rechts nicht maßgeblich auf der Grundlage der konomischen Analyse des Rechts erfolgen kann und dass der privatrechtliche Schutz der Freiheit den çffentlich-rechtlichen Schutz ergnzt. Damit hngt zusammen, dass die Rechtswidrigkeit insofern relativ ist, als sie nicht einheitlich, sondern nur in Bezug auf die jeweilige Norm zu bestimmen ist. (§ 1) 2. Das Verhltnis zwischen der negatorischen und der deliktischen Haftung ist dadurch geprgt, dass sich zwar ihre Anwendungsbereiche zu einem gewissen Grad berschneiden kçnnen, ihnen aber eine unterschiedliche Funktion zukommt. Sowohl die negatorische als auch die deliktische Haftung dienen der Abgrenzung der Freiheits- und Risikosphren der Rechtssubjekte und ergnzen sich hierbei funktionell, indem die negatorische Haftung zukunftsbezogen eingreift, bevor es zu einem Nachteil in einer Sphre kommt, whrend die deliktische Haftung vergangenheitsbezogen nach Eintritt eines solchen Nachteils greift. (§ 2) a) Die prventive Funktion der negatorischen Haftung, drohende Beeintrchtigungen zu verhindern, schließt allerdings nicht aus, zu diesem Zweck bereits eingetretene Beeintrchtigungen zu beseitigen, soweit diese die Ursache fr drohende weitere Beeintrchtigungen sind. Die Beseitigung der bereits eingetretenen Beeintrchtigung ist dabei aber weder primre noch sekundre Funktion der negatorischen Haftung, sondern nur ein unvermeidlicher Nebeneffekt. Der Beseitigungsanspruch bleibt demgemß hinter der Naturalrestitution insofern zurck, als nicht die Herstellung des Zustands ohne die Beeintrchtigung und damit die Beseitigung aller Schadensfolgen geschuldet wird, sondern nur Verhinderung oder Vermeidung der drohenden Beeintrchtigung fr die Zukunft, also die Unschdlichmachung der Risikoquelle. (§ 2 III A 2) b) Die deliktische Haftung dient aufgrund ihrer Vergangenheitsbezogenheit vor allem der Kompensation und nur indirekt der Prvention. Die negatorische Haftung dient aufgrund ihrer Zukunftsbezogenheit nur der Prvention, nicht aber der Kompensation. Sowohl die Kompensations- als

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Wesentliche Ergebnisse

auch die Prventionsfunktion setzen voraus, dass die Grenze zwischen den Freiheitssphren der Beteiligten bereits bestimmt ist. Sie dienen lediglich der Verteidigung dieser Grenze, indem die Ausgleichsfunktion die Grenze bei deren Verletzung wiederherstellt und die Prventionsfunktion von der Verletzung der Grenze abschreckt, weil dann die Ausgleichsfunktion greifen wrde. Die Grenzziehung beruht dabei vor allem auf einer Interessenabwgung auf der Grundlage der gesetzlichen Wertungen. (§ 2 III und IV) c) Die Duldungspflichten und der Ausgleichsanspruch des § 906 BGB modifizieren die negatorische, nicht jedoch die deliktische Haftung. (§ 2 V) 3. Die negatorische und die deliktische Haftung ergnzen sich nicht nur funktionell, sondern weisen auch insofern die gleiche Struktur auf, als beide auf der Tatbestandsebene nicht nur eine Beeintrchtigung des Schutzbereichs im Sinne eines Erfolges voraussetzen, sondern neben Kausalitt und Zurechnung auch ein pflichtwidriges Verhalten, wobei die zugrundeliegende Verhaltenspflicht allerdings auf einen Erfolg bezogen sein kann. Die drohende oder eingetretene Beeintrchtigung des Schutzbereichs allein lçst weder Unterlassungs- und Beseitigungs- noch Schadensersatzansprche aus. Nicht nur die deliktische, sondern auch die negatorische Haftung beruht demgemß auf einer Pflichtverletzung. (§ 3) 4. Die gemeinsamen Verhaltensstandards der negatorischen und der deliktischen Haftung finden sich in den Verkehrspflichten. Diese bilden damit nicht nur die Grundlage der deliktischen Haftung, sondern liegen auch der negatorischen Haftung zugrunde. Die negatorische und die deliktische Haftung beruhen insoweit auf gemeinsamen Voraussetzungen. (§ 4) 5. Die Verkehrspflichten setzen zunchst voraus, dass das Risiko, das Gegenstand der Haftung ist, grundstzlich in den Verantwortungsbereich des Stçrers fllt, diesem also zurechenbar ist. Neben die faktische Mçglichkeit zur Risikosteuerung muss dabei mit dem Zurechnungsgrund eine normativ begrndete Zustndigkeit fr die konkrete Risikoquelle bzw. das zu schtzende Rechtsgut treten, um die potentielle Verantwortlichkeit und damit die Mçglichkeit der Geltung von Verkehrspflichten zu begrnden. Diese Zustndigkeit ergibt sich beim Handlungsstçrer aus dessen vorangegangenem Tun, whrend sie beim Nichthandlungsstçrer aus dem Eigenbesitz folgt. Maßgeblicher Zeitpunkt fr das Vorliegen der potentiellen Verantwortlichkeit ist das Entstehen des Anspruchs, whrend der Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs nur relevant wird, wenn der Anspruch noch nicht entstanden oder wieder weggefallen ist. (§ 5) 6. Die Verkehrspflichten setzen eine Abwgung zwischen den Interessen des Betroffenen und denjenigen des potentiell Verantwortlichen voraus. (§ 6) a) Die dabei zu bercksichtigenden Wertungen und Abwgungsgesichtspunkte ergeben sich nicht aus Wertungen, die dem Recht bergeordnet und ihm gewissermaßen vorgegeben sind. Sie sind vielmehr unter Rckgriff auf

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die Wertungen und Kriterien zu bestimmen, die den gesetzlichen Regelungen zugrunde liegen, die ebenfalls der Abgrenzung der Freiheitssphren der Verkehrsteilnehmer mittels einer Interessenabwgung dienen. Dabei entscheidet jeweils eine Abwgung im Einzelfall darber, welche Interessen sich aufgrund welcher Wertungen durchsetzen. (§ 6 I) b) Zugunsten des Betroffenen sind vor allem die Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos, die Grçße des drohenden Schadens und der Rang des bedrohten Rechtsguts, aber auch die Wirksamkeit des Schutzes und die Rechtswidrigkeit des Vorverhaltens zu bercksichtigen. Zugunsten des potentiell Verantwortlichen ist vor allem auf dessen Belastung abzustellen. Daneben sind auch Gesichtspunkte des Allgemeininteresses zu bercksichtigen, insbesondere die Verkehrserwartung und der Vertrauensschutz, aber auch die Wertungen des Privatrechts und des Verfassungsrechts sowie des Verwaltungsrechts. Zu den zu bercksichtigenden Allgemeininteressen gehçrt auch der Umweltschutz, der hufig zugunsten des Betroffenen ins Gewicht fallen wird, aber auch fr den potentiell Verantwortlichen sprechen kann. (§ 6 II–VI) 7. a) Bei der negatorischen Haftung muss zu der Verkehrspflichtverletzung die drohende Verwirklichung des durch die Verkehrspflichten erfassten Risikos hinzutreten, um Beseitigungs- oder Unterlassungsansprche zu begrnden. Die drohende Verwirklichung setzt das Bestehen einer Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr voraus, die sich auf die zeitliche Nhe und die Wahrscheinlichkeit des Risikoeintritts bezieht und anhand einer Interessenabwgung bestimmt wird. Diese ist gegenber der Interessenabwgung zur Bestimmung der Verkehrspflichten eigenstndig, indem sie zwar aufgrund derselben Gesichtspunkte, aber in Bezug auf den Inhalt gerade der negatorischen Haftung erfolgt. (§ 7 III) b) Bei der deliktischen Haftung muss zu der Verkehrspflichtverletzung die Verwirklichung des durch die Verkehrspflichten zugewiesenen Risikos hinzutreten, um Schadensersatzansprche zu begrnden. Die haftungsbegrndende Kausalitt wird dabei durch den Verstoß gegen eine Verkehrspflicht vermittelt. (§ 7 IV) c) Aus den zwischen der negatorischen und der deliktischen Haftung bestehenden Parallelen ergibt sich, dass das Erfordernis der Zurechnung nicht nur zu einer Einschrnkung der quivalenten Kausalitt fhren kann, sondern auch zu einer Erweiterung. § 830 I 2 BGB ist demgemß als Haftung fr die pflichtwidrige Schaffung oder Aufrechterhaltung eines Risikos, das zur Herbeifhrung der eingetretenen Verletzung und des daraus folgenden Schadens geeignet war, und der daraus resultierenden Unsicherheit aufzufassen, so dass sich die mangelnde Nachweisbarkeit, ob sich dieses Risiko oder eine andere Ursache verwirklicht hat, zu Lasten des fr das Risiko Verantwortlichen auswirkt. (§ 7 IV B)

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8. a) Dem Verschuldenserfordernis der deliktischen Haftung kommt gegenber dem Unrecht eine eigenstndige Bedeutung zu. Konsequenz dieser Eigenstndigkeit ist die Subjektivierung des Verschuldens, die auch den gesetzlichen Wertungen entspricht. Trotz seiner grundstzlichen Subjektivierung sind beim Verschulden auch objektive Elemente zu bercksichtigen, ohne dass eine vollstndige Objektivierung vorliegt. Das Vorliegen des subjektivierten Verschuldens setzt dabei einen Verstoß gegen eine Verhaltenspflicht voraus. (§ 8 I) b) Dass die negatorische Haftung die Handlungsfreiheit des Verantwortlichen strker einschrnkt als die deliktische Haftung, indem sie auf das Verschuldenserfordernis verzichtet, rechtfertigt sich dadurch, dass es beim ex ante greifenden Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch noch um die Vermeidung des Eintritts von Nachteilen geht, whrend bei der deliktischen Haftung nur noch die Folgen der eingetretenen Nachteile verteilt werden kçnnen. (§ 8 II) 9. Aus dem System der negatorischen und deliktischen Haftung und seinem Verhltnis zur Gefhrdungshaftung ergibt sich die Unterscheidung zwischen verbotenem, geduldetem und erlaubtem Risiko. (§ 9) a) Die Haftung aus verbotenem Risiko zeichnet sich dadurch aus, dass die Verletzung der Verkehrspflichten nicht nur zu Schadensersatzansprchen fhrt, sondern auch zu Unterlassungs- und Beseitigungsansprchen. Ein Verhalten des Verantwortlichen, das mit einem verbotenen Risiko fr den Betroffenen verbunden ist, ist nicht nur nicht erlaubt, sondern es ist in dem Sinne verboten, dass es der Betroffene verbieten kann. (§ 9 I) b) Die Haftung aus geduldetem Risiko ist dadurch gekennzeichnet, dass die Verletzung der Verkehrspflichten zwar zu Schadensersatzansprchen, nicht aber zu Unterlassungs- und Beseitigungsansprchen fhrt. Der Verstoß gegen die Verkehrpflichten ist also zunchst von dem potentiell Betroffenen zu dulden, obwohl er nicht erlaubt ist. Erst wenn er sich in einem Nachteil manifestiert, wird auch das Verbot manifest und begrndet bei Verschulden Schadensersatzansprche. (§ 9 II) c) Die Haftung aus erlaubtem Risiko wird demgegenber dadurch charakterisiert, dass kein Verstoß gegen Verkehrspflichten vorliegt. In Bezug auf die Verkehrspflichten ist also weder ein verbotenes noch ein geduldetes, sondern ein erlaubtes Verhalten gegeben, das nur aufgrund ausdrcklicher gesetzlicher Anordnung im Rahmen der Gefhrdungshaftung Schadensersatzansprche nach sich zieht. (§ 9 III) d) Ihren genuinen Anwendungsbereich hat die Haftung aus erlaubtem Risiko nicht bei besonders gefhrlichen Risiken, da diese auch von den Verkehrspflichten und damit von der Haftung aus verbotenem oder zumindest geduldetem Risiko erfasst werden, sondern vor allem bei Risiken, die zu gering sind, um eine Verkehrspflichtverletzung und ein Verschulden zu begrnden. Sie beruht daher auf Billigkeitserwgungen. (§ 9 III A)

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e) Die gesetzlichen Gefhrdungshaftungstatbestnde kçnnen nicht im Wege der Analogie zu einer allgemeinen Gefhrdungshaftung erweitert werden. Zunchst sind sie als Billigkeitshaftung nicht analogiefhig. Zudem erscheint die analoge Anwendung der Gefhrdungshaftung auch nur eingeschrnkt praktikabler als die deliktische Haftung, da die im Rahmen der Bestimmung der Verkehrspflichten notwendige Interessenabwgung weitgehend in die Voraussetzungen der Analogie verschoben werden; außerdem enthlt die deliktische Haftung gemessen an den ihr zugrundeliegenden Wertungen keine Rechtsschutzlcke gegenber der Gefhrdungshaftung, weil deren genuiner Anwendungsbereich nur besonders geringe Risiken umfasst. (§ 9 III D) 10. Die Untersuchung hat gezeigt, dass die negatorische und die deliktische Haftung auch unter Bercksichtigung der Gefhrdungshaftung ein kohrentes System bilden, in dem den Haftungsarten verschiedene Funktionen zukommen. Die im Rahmen dieses Systems herausgearbeiteten Voraussetzungen der negatorischen und der deliktischen Haftung erlauben es, sowohl die bereits in den gesetzlichen Regelungen enthaltenen Wertungen als auch die vom Rechtsanwender vorzunehmenden Wertungen offenzulegen. Eine zentrale Rolle kommt dabei dem Risiko zu, das nicht nur Gegenstand, sondern auch essentielle Voraussetzung der Haftung und wesentlicher Parameter der Dogmatik des Haftungsrechts ist. Es ist nicht nur als drohendes Risiko ein Erfordernis der negatorischen Haftung und Zurechnungsgrund der deliktischen Haftung, sondern auch zentraler Gesichtspunkt der Verkehrspflichten, die einen unbenannten wie unbestimmten Rechtsbegriff darstellen. Das Risiko fließt dabei zusammen mit den Wertungen sowohl bei der Bestimmung der Verkehrspflichten als auch bei der Feststellung der eingetretenen oder drohenden Verwirklichung des Risikos in eine Interessenabwgung auf der Grundlage des jeweiligen Einzelfalls ein. Das Haftungsrecht erweist sich damit als hinreichend flexibel, um auch neue gesellschaftliche Entwicklungen, etwa bezglich des Rangs des Umweltschutzes, im Rahmen des hier skizzierten Systems differenziert aufzunehmen und zu verarbeiten. Dabei erlaubt es das Zusammenspiel der Voraussetzungen des Systems, das Haftungsrecht als Schutz der individuellen Freiheit durch subjektive Rechte aufzufassen und trotzdem Allgemeininteressen, etwa am Umweltschutz, hinreichend zu bercksichtigen.

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Entscheidungsregister

Bundesgerichtshof (Zivilsachen) BGH v. 11.05.1951 BGH v. 19.06.1951 BGH v. 25.10.1951 BGH v. 28.04.1952 BGH v. 18.10.1952 BGH v. 15.01.1953 BGH v. 28.04.1953 BGH v. 30.04.1953 BGH v. 15.06.1954 BGH v. 28.02.1955 BGH v. 21.03.1955 BGH v. 13.05.1955 BGH v. 18.05.1955 BGH v. 25.11.1955 BGH v. 10.04.1956 BGH v. 03.07.1956 BGH v. 30.10.1956 BGH v. 04.03.1957 BGH v. 10.05.1957 BGH v. 02.07.1957 BGH v. 22.04.1958 BGH v. 18.06.1958 BGH v. 09.07.1958 BGH v. 06.10.1958 BGH v. 16.06.1959 BGH v. 23.09.1959 BGH v. 01.10.1959 BGH v. 12.11.1959 BGH v. 22.01.1960 BGH v. 30.01.1961 BGH v. 28.09.1962 BGH v. 16.10.1962 BGH v. 08.01.1963 BGH v. 12.02.1963 BGH v. 21.05.1963 BGH v. 19.06.1963 BGH v. 21.11.1963 BGH v. 29.05.1964 BGH v. 28.06.1965 BGH v. 13.07.1965 BGH v. 22.03.1966 BGH v. 30.06.1966 BGH v. 28.04.1967 BGH v. 15.06.1967 BGH v. 30.10.1967 BGH v. 24.11.1967 BGH v. 22.12.1967

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I ZR 106/50 (BGHZ 2, 138): 304 I ZR 77/50 (BGHZ 2, 394): 58–59, 293–294 III ZR 95/50 (BGHZ 4, 1): 162, 214 III ZR 118/51 (BGHZ 5, 378): 225 II ZR 72/52 (BGHZ 7, 311): 115 IV ZR 76/52 (BGHZ 8, 318): 51 I ZR 47/52 (BGHZ 9, 301): 152 III ZR 377/51 (BGHZ 9, 373): 182 III ZR 125/53 (BGHZ 14, 83): 182 III ZR 136/54 (BGHZ 16, 366): 82 III ZR 115/53 (BGHZ 17, 69): 350 I ZR 137/53 (BGHZ 17, 214): 162 I ZR 8/54 (BGHZ 17, 266): 53 V ZR 37/54 (BGHZ 19, 126): 128 I ZR 165/54 (LM, Nr. 27 zu §1004 BGB): 44–45 I ZR 137/54 (NJW 1956, 1595): 115 I ZR 199/55 (GRUR 1957, 342): 295 GSZ 1/56 (BGHZ 24, 21): 104, 107, 113, 138, 316, 365 I ZR 234/55 (BGHZ 24, 200): 162 VI ZR 205/56 (BGHZ 25, 86): 304 VI ZR 65/57 (BGHZ 27, 137): 135 V ZR 49/57 (NJW 1958, 1393): 87 V ZR 202/57 (BGHZ 28, 110): 57, 74 III ZR 175/57 (NJW 1959, 34): 217–218 VI ZR 95/58 (BGHZ 30, 203): 313 V ZR 89/58 (BGHZ 30, 382): 38 III ZR 96/58 (BGHZ 31, 73): 183 III ZR 127/58 (BGHZ 31, 219): 217–218 VI ZR 121/58 (VersR 1960, 416): 253 III ZR 225/59 (BGHZ 34, 206): 234 V ZR 233/60 (BGHZ 38, 61): 245 I ZR 162/60 (GRUR 1963, 218): 295 VI ZR 87/62 (NJW 1963, 579): 115 VI ZR 70/62 (BGHZ 39, 103): 138, 347 VI ZR 254/62 (BGHZ 39, 281): 329 V ZR 226/62 (BGHZ 40, 18): 206 III ZR 148/62 (BGHZ 40, 379): 183 V ZR 58/62 (BGHZ 41, 393): 198, 202, 206, 208 III ZR 35/64 (BGHZ 44, 103): 183 V ZR 169/64 (BGHZ 44, 130): 94 V ZR 126/63 (NJW 1966, 1360): 78, 207 VII ZR 23/65 (BGHZ 45, 311): 216 V ZR 216/64 (BGHZ 30, 273): 245 III ZR 23/65 (BGHZ 48, 98): 98, 220 VII ZR 82/65 (BGHZ 49, 19): 215 V ZR 196/65 (BGHZ 49, 340): 53, 169 V ZR 11/67 (BGHZ 49, 148): 17, 92

Entscheidungsregister

BGH v. 03.05.1968 BGH v. 26.11.1968 BGH v. 03.12.1968 BGH v. 09.12.1969 BGH v. 30.01.1970 BGH v. 19.06.1970 BGH v. 02.07.1970 BGH v. 11.01.1971 BGH v. 25.01.1971 BGH v. 08.07.1971 BGH v. 14.10.1971 BGH v. 28.10.1971 BGH v. 08.02.1972 BGH v. 16.06.1972 BGH v. 04.10.1972 BGH v. 10.11.1972 BGH v. 16.11.1972 BGH v. 18.12.1972 BGH v. 23.02.1973 BGH v. 22.04.1974 BGH v. 30.05.1974 BGH v. 21.06.1974 BGH v. 22.10.1974 BGH v. 05.11.1974 BGH v. 07.11.1974 BGH v. 20.03.1975 BGH v. 15.04.1975 BGH v. 16.09.1975 BGH v. 07.10.1975 BGH v. 19.12.1975 BGH v. 13.02.1976 BGH v. 08.06.1976 BGH v. 22.06.1976 BGH v. 06.07.1976 BGH v. 24.11.1976 BGH v. 25.01.1977 BGH v. 29.04.1977 BGH v. 15.06.1977 BGH v. 12.07.1977 BGH v. 13.12.1977 BGH v. 16.12.1977 BGH v. 15.02.1978 BGH v. 09.03.1978 BGH v. 26.10.1978 BGH v. 07.11.1978 BGH v. 24.04.1979 BGH v. 18.10.1979 BGH v. 22.04.1980

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V ZR 229/64 (NJW 1968, 1327): 207 VI ZR 212/66 (BGHZ 51, 91): 255, 316 VI ZR 140/67 (NJW 1969, 463): 205 VI ZR 50/68 (NJW 1970, 657): 118 I ZR 48/68 (GRUR 1970, 305): 293 IV ZR 83/69 (NJW 1970, 1680): 330 III ZR 45/67 (NJW 1970, 1682): 279 III ZR 217/68 (BGHZ 55, 180): 378 III ZR 208/68 (BGHZ 55, 229): 192, 382 III ZR 67/68 (NJW 1971, 1881): 258 VII ZR 313/69 (BGHZ 57, 137): 303 III ZR 227/68 (BGHZ 57, 170): 365 VI ZR 155/70 (BGHZ 58, 149): 97, 192, 248, 250, 253, 257 I ZR 154/70 (BGHZ 59, 72): 205, 210–212 VIII ZR 117/71 (BGHZ 59, 303): 278 V ZR 54/71 (BGHZ 59, 378): 53, 245 VII ZR 53/72 (BGHZ 59, 387): 244 III ZR 121/70 (BGHZ 60, 54): 187 V ZR 109/71 (BGHZ 60, 235): 205, 212 III ZR 21/72 (BGHZ 62, 265): 38, 276 III ZR 190/71 (BGHZ 62, 351): 378 V ZR 164/72 (BGHZ 62, 388): 78 VI ZR 149/73 (NJW 1975, 108): 174, 189, 195, 257 VI ZR 100/73 (BGHZ 63, 140): 114 III ZR 107/72 (BGHZ 63, 234): 382 III ZR 215/71 (BGHZ 64, 220): 245 VI ZR 19/74 (VersR 1975, 812): 157, 323 VI ZR 156/74 (VersR 1976, 149): 37, 270, 273, 322 VI ZR 43/74 (NJW 1976, 46): 216, 287 V ZR 38/74 (BGHZ 66, 37): 52, 119, 121, 127 V ZR 55/74 (BGHZ 66, 70): 227, 311–312 VI ZR 50/75 (BGHZ 66, 388): 132 VI ZR 100/75 (BGHZ 67, 14): 310 VI ZR 177/75 (BGHZ 67, 129): 361, 363 VIII ZR 137/75 (BGHZ 67, 359): 45, 74 VI ZR 166/74 (VersR 1977, 430): 330 V ZR 71/75 (BGHZ 68, 350): 81 V ZR 44/75 (BGHZ 69, 105): 245, 274–275 VI ZR 159/75 (NJW 1977, 2259): 215 VI ZR 206/75 (BGHZ 71, 339): 138 V ZR 91/75 (BGHZ 70, 102): 95, 274–275 VIII ZR 257/76 (VersR 1978, 538): 162–163 III ZR 78/76 (BGHZ 71, 132): 281 III ZR 26/77 (BGHZ 72, 289): 100, 227, 311 VI ZR 128/76 (BGHZ 72, 355): 306, 309 VI ZR 8/78 (NJW 1979, 2096): 344 III ZR 177/77 (WM 1980, 680): 87 VI ZR 121/78 (BGHZ 77, 74): 162

418

Entscheidungsregister

BGH v. 17.03.1981 – VI ZR 191/79 (BGHZ 80, 186): 154, 156, 183, 248, 264, 321, 323, 325, 349 BGH v. 05.06.1981 – I ZB 5/81 (VersR 1981, 839): 351 BGH v. 27.10.1981 – VI ZR 66/80 (NJW 1982, 1049): 161, 264 BGH v. 30.10.1981 – V ZR 191/80 (NJW 1982, 440): 169 BGH v. 29.06.1982 – VI ZR 33/81 (BGHZ 84, 312): 132 BGH v. 14.10.1982 – III ZR 174/81 (VersR 1983, 39): 253 BGH v. 26.11.1982 – V ZR 314/81 (BGHZ 85, 375): 98, 227 BGH v. 02.12.1982 – VII ZB 20/81 (VersR 1983, 248): 378 BGH v. 18.01.1983 – VI ZR 310/79 (BGHZ 86, 256): 45, 74–75 BGH v. 27.09.1983 – VI ZR 230/81 (BGHZ 88, 248): 350 BGH v. 11.11.1983 – V ZR 231/82 (NJW 1984, 1242): 87 BGH v. 29.11.1983 – VI ZR 137/82 (NJW 1984, 801): 38, 187, 236, 253–255, 276– 277 BGH v. 24.01.1984 – VI ZR 37/82 (BGHZ 89, 383): 307 BGH v. 28.02.1984 – VI ZR 132/82 (NJW 1984, 1958): 321 BGH v. 02.03.1984 – V ZR 54/83 (BGHZ 90, 255): 2–3, 72, 88, 94–95, 98, 128–129, 131–132, 139–140, 144, 170, 183, 197 BGH v. 14.03.1984 – IVa ZR 87/82 (NJW 1985, 52): 234 BGH v. 18.09.1984 – VI ZR 223/82 (BGHZ 92, 143): 39–40, 86, 89, 91, 94, 100, 139–140, 162, 262, 274–275, 277, 358 BGH v. 02.10.1984 – VI ZR 125/83 (NJW 1985, 270): 215 BGH v. 23.10.1984 – VI ZR 85/83 (NJW 1985, 620): 38, 253, 269–270, 275–276, 322–323 BGH v. 27.11.1984 – VI ZR 49/83 (NJW 1985, 484): 215, 225 BGH v. 11.12.1984 – VI ZR 218/83 (NJW 1985, 1076): 225–226, 233–234, 256, 260– 261, 267, 270 BGH v. 11.12.1984 – VI ZR 292/82 (NJW 1985, 1078): 260 BGH v. 23.01.1985 – IVb ZB 55/84 (VersR 1985, 393): 351 BGH v. 12.02.1985 – VI ZR 193/83 (NJW 1985, 1773): 131, 170, 195–196, 201, 203 BGH v. 14.03.1985 – III ZR 206/83 (VersR 1985, 641): 138, 184, 226, 264, 273 BGH v. 08.07.1985 – II ZR 198/84 (NJW 1986, 54): 222 BGH v. 09.07.1985 – VI ZR 71/84 (NJW 1986, 52): 234, 261 BGH v. 12.07.1985 – V ZR 172/84 (BGHZ 95, 307): 140 BGH v. 03.12.1985 – VI ZR 185/84 (NJW-RR 1986, 438): 161, 264 BGH v. 21.01.1986 – VI ZR 208/84 (NJW 1986, 1865): 261 BGH v. 07.03.1986 – V ZR 92/85 (BGHZ 97, 231): 78, 266 BGH v. 11.03.1986 – VI ZR 22/85 (NJW 1986, 2757): 321 BGH v. 12.03.1986 – IVa ZR 183/84 (VersR 1986, 766): 346 BGH v. 20.03.1986 – II ZR 114/85 (NJW-RR 1986, 1293): 222 BGH v. 24.04.1986 – I ZR 56/84 (GRUR 1987, 45): 295 BGH v. 29.04.1986 – VI ZR 227/85 (NJW-RR 1986, 1029): 247, 253 BGH v. 27.05.1986 – VI ZR 169/85 (NJW 1986, 2503): 293 BGH v. 01.07.1986 – VI ZR 294/85 (BGHZ 98, 135): 138, 347 BGH v. 18.09.1986 – III ZR 227/84 (BGHZ 98, 235): 77 BGH v. 07.10.1986 – VI ZR 187/85 (NJW 1987, 372): 273, 275–277 BGH v. 09.10.1986 – I ZR 158/84 (GRUR 1987, 125): 295 BGH v. 28.10.1986 – VI ZR 254/85 (NJW 1987, 1013): 183, 270 BGH v. 09.12.1986 – VI ZR 65/86 (BGHZ 99, 167): 276

Entscheidungsregister

419

BGH v. 27.01.1987 – VI ZR 114/86 (NJW 1987, 2671): 116, 135, 143, 260 BGH v. 03.02.1987 – VI ZR 32/86 (BGHZ 100, 13): 132 BGH v. 03.02.1987 – VI ZR 56/86 (BGHZ 99, 391): 160 BGH v. 17.02.1987 – VI ZR 81/86 (NJW 1987, 2669): 214–215 BGH v. 10.03.1987 – VI ZR 144/86 (NJW 1987, 2222): 277–278 BGH v. 28.04.1987 – VI ZR 127/86 (NJW 1988, 48): 162 BGH v. 16.06.1987 – IX ZR 74/86 (BGH, NJW 1987, 2510): 152, 220 BGH v. 23.06.1987 – VI ZR 213/86 (NJW 1987, 3205): 133 BGH v. 20.10.1987 – VI ZR 280/86 (NJW 1988, 909): 350 BGH v. 05.11.1987 – I ZR 212/85 (GRUR 1988, 313): 295 BGH v. 25.11.1987 – IVa ZR 160/86 (BGHZ 102, 227): 347 BGH v. 08.12.1987 – VI ZR 79/87 (NJW-RR 1988, 471): 214–215 BGH v. 10.12.1987 – III ZR 220/86 (BGHZ 102, 350): 313, 357 BGH v. 25.02.1988 – VII ZR 348/86 (BGHZ 103, 298): 152, 195, 257–258, 267, 276 BGH v. 01.03.1988 – VI ZR 190/87 (BGHZ 103, 338): 153, 175, 195, 269, 277 BGH v. 07.06.1988 – VI ZR 91/87 (BGHZ 104, 323): 156, 157, 184, 248, 255, 257– 258, 261, 264 BGH v. 05.07.1988 – VI ZR 346/87 (BGHZ 105, 65): 365, 367, 379 BGH v. 18.10.1988 – VI ZR 94/88 (NJW-RR 1989, 219): 154, 174, 195, 261 BGH v. 02.12.1988 – V ZR 26/88 (BGHZ 106, 142): 139 BGH v. 17.01.1989 – VI ZR 186/88 (NJW-RR 1989, 394): 214, 217 BGH v. 21.04.1989 – V ZR 248/87 (NJW 1989, 2541): 170, 207 BGH v. 06.06.1989 – VI ZR 241/88 (BGHZ 107, 359): 367, 379 BGH v. 13.07.1989 – III ZR 122/88 (BGHZ 108, 273): 183, 233–234, 256–258, 267 BGH v. 03.10.1989 – VI ZR 310/88 (NJW 1990, 111): 217–218 BGH v. 17.10.1989 – VI ZR 258/88 (NJW 1990, 906): 154, 156–157, 233–235, 248– 249, 257, 267, 270, 282 BGH v. 05.12.1989 – VI ZR 335/88 (BGHZ 109, 297): 221 BGH v. 19.12.1989 – VI ZR 182/89 (NJW 1990, 1236): 38, 154–156, 174, 183, 195, 248, 257, 270, 273 BGH v. 23.01.1990 – VI ZR 209/89 (BGHZ 110, 114): 215 BGH v. 06.03.1990 – VI ZR 246/89 (NJW-RR 1990, 789): 154–157, 195, 248–249 BGH v. 08.03.1990 – III ZR 81/88 (BGHZ 110, 313): 53, 77, 263 BGH v. 23.03.1990 – V ZR 58/89 (BGHZ 111, 63): 36, 39, 244 BGH v. 05.04.1990 – III ZR 4/89 (VersR 1991, 72): 192 BGH v. 20.04.1990 – V ZR 282/88 (BGHZ 111, 158): 97–98 BGH v. 26.04.1990 – I ZR 198/88 (GRUR 1990, 678): 295 BGH v. 12.06.1990 – VI ZR 297/89 (NJW-RR 1991, 24): 322 BGH v. 20.06.1990 – VIII ZR 182/89 (NJW-RR 1990, 1422): 138 BGH v. 22.06.1990 – V ZR 3/89 (NJW 1990, 2555): 211 BGH v. 05.07.1990 – III ZR 217/89 (BGHZ 112, 74): 157, 255–258 BGH v. 25.09.1990 – VI ZR 285/89 (NJW 1991, 98): 164 BGH v. 16.10.1990 – VI ZR 65/90 (NJW 1991, 418): 261 BGH v. 29.01.1991 – VI ZR 206/90 (BGHZ 113, 297): 70, 233, 235, 247, 270 BGH v. 22.02.1991 – V ZR 308/89 (BGHZ 113, 384): 94, 98 BGH v. 18.04.1991 – III ZR 1/90 (BGHZ 114, 183): 2, 128–129, 132, 197 BGH v. 19.04.1991 – V ZR 349/89 (BGHZ 114, 273): 277 BGH v. 16.05.1991 – III ZR 125/90 (NJW 1991, 2824): 253 BGH v. 19.12.1991 – V ZB 27/90 (BGHZ 116, 392): 88

420 BGH v. 16.01.1992 BGH v. 16.01.1992 BGH v. 24.01.1992 BGH v. 12.02.1992 BGH v. 19.03.1992 BGH v. 12.05.1992 BGH v. 22.05.1992 BGH v. 20.11.1992 BGH v. 17.12.1992 BGH v. 05.02.1993 BGH v. 25.02.1993 BGH v. 26.02.1993 BGH v. 23.04.1993 295 BGH v. 27.05.1993 BGH v. 01.07.1993 BGH v. 14.12.1993 BGH v. 11.01.1994 BGH v. 20.01.1994 BGH v. 13.04.1994 BGH v. 31.05.1994 BGH v. 04.07.1994 BGH v. 20.09.1994 BGH v. 11.10.1994 BGH v. 14.10.1994 BGH v. 21.10.1994 BGH v. 31.01.1995 BGH v. 14.03.1995 BGH v. 26.04.1995 BGH v. 07.07.1995 BGH v. 19.01.1996 BGH v. 30.01.1996 BGH v. 13.02.1996 BGH v. 12.03.1996 BGH v. 28.03.1996 BGH v. 29.03.1996 BGH v. 04.06.1996 BGH v. 13.06.1996 BGH v. 12.07.1996 BGH v. 27.09.1996 BGH v. 15.10.1996 BGH v. 12.11.1996 BGH v. 18.04.1997 BGH v. 29.04.1997 BGH v. 17.06.1997 BGH v. 17.06.1997 BGH v. 09.10.1997 BGH v. 05.03.1998 BGH v. 13.03.1998

Entscheidungsregister

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I ZR 20/90 (GRUR 1992, 404): 295 I ZR 84/90 (GRUR 1992, 318): 293–294 V ZR 274/90 (BGHZ 117, 110): 94, 365 VIII ZR 276/90 (BGHZ 117, 183): 74–75 III ZR 16/90 (BGHZ 117, 363): 115 VI ZR 257/91 (BGHZ 118, 201): 104 V ZR 93/91 (NJW 1992, 2569): 39 V ZR 82/91 (BGHZ 120, 239): 36, 72, 93–94, 100, 140, 244 III ZR 99/90 (NVwZ-RR 1993, 337): 161, 264 V ZR 62/91 (BGHZ 121, 248): 39, 93, 140, 244, 274–275 III ZR 9/92 (BGHZ 121, 367): 174, 195, 257 V ZR 74/92 (BGHZ 122, 1): 95, 132 V ZR 250/92 (BGHZ 122, 283): 128–129, 154, 189, 196–197,

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III ZR 59/92 (NJW 1993, 2173): 382 III ZR 167/92 (BGHZ 123, 102): 152–153, 175, 195 VI ZR 271/92 (NJW 1994, 945): 150 VI ZR 41/93 (NJW 1994, 932): 305, 307, 310 III ZR 166/92 (BGHZ 124, 394): 378 II ZR 16/93 (BGHZ 125, 366): 221 VI ZR 233/93 (NJW 1994, 2232): 38, 276, 321–322, 346 II ZR 126/93 (NJW 1995, 126): 303 VI ZR 162/93 (NJW 1994, 3348): 233–235, 247, 260, 267, 270 VI ZR 303/93 (BGHZ 127, 186): 344 V ZR 76/93 (NJW 1995, 132): 88, 95 V ZR 12/94 (NJW 1995, 395): 78, 263 VI ZR 27/94 (NJW 1995, 1286): 307 VI ZR 34/94 (NJW 1995, 2631): 278, 280, 322 XII ZR 105/93 (NJW 1995, 2548): 211 V ZR 213/94 (NJW 1995, 2633): 128–129, 144, 154, 170, 197 V ZR 298/94 (NJW-RR 1996, 659): 129, 169, 196, 207 VI ZR 408/94 (NJW-RR 1996, 867): 162, 164, 281 VI ZR 402/94 (BGHZ 132, 47): 281 VI ZR 90/95 (NJW 1996, 1535): 221 IX ZR 77/95 (NJW 1996, 2035): 150, 278 V ZR 326/94 (BGHZ 132, 245): 196, 199, 203 VI ZR 75/95 (NJW 1996, 2646): 214–215 III ZR 40/95 (NJW 1996, 3208): 195, 257 V ZR 280/94 (NJW 1996, 3205): 310 V ZR 335/95 (NJW 1997, 55): 294–295 VI ZR 319/95 (BGHZ 133, 376): 222 VI ZR 270/95 (NJW 1997, 582): 207, 225–226, 269, 277 V ZR 28/96 (BGHZ 135, 235): 78, 258, 263 VI ZR 110/96 (NJW-RR 1997, 1110): 329 VI ZR 156/96 (BGHZ 136, 69): 152–153, 175, 195, 257 VI ZR 372/95 (NJW 1997, 2748): 39–40, 139, 274–275 III ZR 4/97 (BGHZ 137, 11): 107 III ZR 183/96 (NJW 1998, 1854): 215 V ZR 190/97 (NJW 1998, 2058): 45

Entscheidungsregister

421

BGH v. 26.05.1998 – VI ZR 183/97 (BGHZ 139, 43): 38, 40, 273–274, 276 BGH v. 09.06.1998 – VI ZR 238/97 (BGHZ 139, 79): 38, 40, 273, 276 BGH v. 10.07.1998 – V ZR 60/97 (NJW 1998, 3273): 169, 204 BGH v. 30.10.1998 – V ZR 64/98 (BGHZ 140, 1): 93, 245, 252, 293 BGH v. 20.11.1998 – V ZR 411/97 (NJW 1999, 1029): 95 BGH v. 24.11.1998 – VI ZR 217/97 (NJW 1999, 573): 164 BGH v. 15.04.1999 -I ZR 83/97 (GRUR 1999, 1097): 294 BGH v. 04.05.1999 – VI ZR 379/98 (NJW 1999, 2364): 40, 269, 273, 276 BGH v. 18.05.1999 – VI ZR 192/98 (NJW 1999, 2815): 38, 40, 261, 273 BGH v. 11.06.1999 – V ZR 377/98 (BGHZ 142, 66): 98, 128–129, 182, 196, 201 BGH v. 06.07.1999 – VI ZR 290/98 (NJW 1999, 3408): 281 BGH v. 22.07.1999 – III ZR 198/98 (BGHZ 142, 227): 77, 100, 119, 214–215 BGH v. 15.10.1999 – V ZR 77/99 (BGHZ 143, 1): 78 BGH v. 12.11.1999 – V ZR 229/98 (NJW-RR 2000, 537): 94 BGH v. 01.12.1999 – I ZR 49/97 (BGHZ 143, 214): 51 BGH v. 07.04.2000 – V ZR 39/99 (BGHZ 144, 200): 81, 98, 169 BGH v. 11.04.2000 – X ZR 19/98 (NJW 2000, 2812): 321, 323, 325 BGH v. 14.06.2000 – VIII ZR 218/99 (NJW 2000, 2896): 133 BGH v. 22.09.2000 – V ZR 443/99 (NJW-RR 2001, 232): 127–129, 169–170, 196, 201 BGH v. 12.12.2000 – VI ZR 242/99 (BGHZ 146, 144): 45, 74 BGH v. 12.12.2000 – VI ZR 345/99 (NJW 2001, 964): 221 BGH v. 13.02.2001 – VI ZR 34/00 (NJW 2001, 1786): 154–155 BGH v. 16.02.2001 – V ZR 422/99 (NJW-RR 2001, 1208): 3, 128–129, 132, 144, 165, 172, 197 BGH v. 23.02.2001 – V ZR 389/99 (BGHZ 147, 45): 81, 88, 98 BGH v. 13.03.2001 – VI ZR 142/00 (NJW 2001, 2019): 150, 277 BGH v. 31.05.2001 – I ZR 106/99 (GRUR 2001, 1174): 294 BGH v. 26.06.2001 – IX ZR 209/98 (BGHZ 148, 175): 115 BGH v. 10.07.2001 – VI ZR 160/00 (NJW 2001, 3702): 118 BGH v. 04.12.2001 – VI ZR 447/00 (NJW-RR 2002, 525): 156, 175, 183, 247–248, 257–258, 267, 270 BGH v. 08.01.2002 – VI ZR 364/00 (NJW 2002, 1263): 261 BGH v. 24.01.2002 – III ZR 103/01 (NJW 2002, 1265): 256 BGH v. 16.04.2002 – VI ZR 227/01 (NJW 2002, 2232): 107, 303 BGH v. 12.07.2002 – V ZR 441/00 (NJW-RR 2002, 1576): 88, 91 BGH v. 24.01.2003 – V ZR 175/02 (NJW-RR 2003, 953): 119–120 BGH v. 24.02.2003 – II ZR 385/99 (BGHZ 154, 88): 216 BGH v. 21.03.2003 – V ZR 319/02 (NJW 2003, 1732): 100 BGH v. 25.03.2003 – VI ZR 161/02 (NJW 2003, 1929): 304 BGH v. 29.04.2003 – VI ZR 260/02 (NJW-RR 2003, 1103): 253 BGH v. 30.05.2003 – V ZR 37/02 (BGHZ 155, 99): 97–98, 101, 128–129, 182, 196, 201, 232, 294, 296 BGH v. 24.06.2003 – VI ZR 434/01 (BGHZ 155, 205): 216 BGH v. 15.07.2003 – VI ZR 155/02 (NJW-RR 2003, 1459): 152, 156–157, 175, 256, 258, 267, 278 BGH v. 15.09.2003 – II ZR 367/02 (NJW 2003, 3702): 44–45, 351 BGH v. 19.09.2003 – V ZR 319/01 (BGHZ 156, 172): 52 BGH v. 26.09.2003 – V ZR 41/03 (NJW 2003, 3699): 139

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Entscheidungsregister

BGH v. 14.11.2003 – V ZR 102/03 (BGHZ 157, 33): 3, 95, 128–129, 132, 144, 197, 238, 251, 283 BGH v. 28.11.2003 – V ZR 99/03 (NJW 2004, 603): 3, 78, 128–129, 132, 144, 197 BGH v. 12.12.2003 – V ZR 98/03 (NJW 2004, 1035): 3, 57, 72, 77, 128–129, 132, 144, 211 BGH v. 12.12.2003 – V ZR 180/03 (BGHZ 157, 188): 88 BGH v. 03.02.2004 – VI ZR 95/03 (NJW 2004, 1449): 152–153, 156, 175, 233–234, 248, 256, 258, 264, 277–278 BGH v. 11.03.2004 – III ZR 274/03 (BGHZ 158, 263): 84 BGH v. 27.04.2004 – VI ZR 34/03 (BGHZ 159, 48): 281 BGH v. 19.07.2004 – II ZR 218/03 (BGHZ 160, 134): 132 BGH v. 17.09.2004 – V ZR 230/03 (BGHZ 160, 232): 58, 97–100, 129, 139, 196 BGH v. 05.10.2004 – VI ZR 294/03 (NJW-RR 2005, 251): 235, 247, 249–250, 253, 256 BGH v. 08.10.2004 – V ZR 84/04 (NJOZ 2005, 174): 295 BGH v. 19.10.2004 – X ZR 142/03 (NJW-RR 2005, 172): 138 BGH v. 30.11.2004 – VI ZR 335/03 (BGHZ 161, 180): 329, 347 BGH v. 11.01.2005 – X ZR 163/02 (NJW 2005, 1420): 303 BGH v. 27.01.2005 – VII ZR 158/03 (BGHZ 162, 86): 74–75 BGH v. 04.02.2005 – V ZR 142/04 (NJW 2005, 1366): 48–50, 52, 76–78, 128–129, 131, 139, 169–170, 196, 206–207 BGH v. 24.02.2005 – III ZR 263/04 (NJW 2005, 1423): 45, 74 BGH v. 10.10.2005 – II ZR 323/03 (NJW-RR 2006, 270): 44–45, 351 BGH v. 24.10.2005 – II ZR 56/04 (NJW-RR 2006, 566): 44–45 BGH v. 08.11.2005 – VI ZR 332/04 (NJW 2006, 610): 153–157, 164, 175, 195, 247– 249, 258, 264, 267, 270 BGH v. 20.12.2005 – VI ZR 33/05 (NJW-RR 2006, 674): 153–156, 175, 248, 258, 264, 267, 270 BGH v. 27.01.2006 – V ZR 26/05 (NJW 2006, 992): 128–129, 139 BGH v. 16.05.2006 – VI ZR 189/05 (NJW 2006, 2326): 153–156, 175, 195, 248, 258, 264, 267, 270 BGH v. 26.09.2006 – VI ZR 166/05 (NJW 2006, 3628): 3–4, 216, 287 BGH v. 11.01.2007 – III ZR 193/05 (NJW 2007, 1363): 282 BGH v. 06.02.2007 – VI ZR 274/05 (NJW 2007, 1683): 153, 156, 175, 195 BGH v. 28.09.2007 – V ZR 276/06 (NJW 2007, 3636): 88 BGH v. 22.01.2008 – VI ZR 126/07 (NJW 2008, 1440): 215 BGH v. 01.02.2008 – V ZR 47/07 (NJW 2008, 992): 88

Reichsgericht (Zivilsachen) RG v. 30.10.1902 RG v. 20.11.1902 RG v. 23.02.1903 RG v. 11.03.1912 RG v. 29.04.1916 RG v. 24.10.1919 RG v. 23.03.1921 RG v. 23.03.1925 RG v. 04.02.1927

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VI 208/02 (RGZ 52, 373): 152 VI 268/02 (RGZ 53, 53): 152 VI 349/02 (RGZ 54, 53): 152 VI 442/11 (RGZ 79, 55): 115 I 24/16 (RGZ 88, 211): 265 III 151/19 (RGZ 97, 11): 152 VI 543/20 (RGZ 102, 38): 152 379/24 V (JW 1926, 364): 105 104/26 III (JR 1927, Nr. 1114): 204

Entscheidungsregister

RG v. 19.12.1929 – VI 95/29 (RGZ 127, 29): 74 RG v. 06.10.1930 – IV 583/29 (RGZ 130, 69): 330 RG v. 04.11.1931 – V 204/31 (RGZ 134, 234): 128 RG v. 20.09.1933 – V 153/33 (RGZ 141, 406) 365 RG v. 14.02.1934 – I 191/33 (RGZ 143, 382): 266 RG v. 13.11.1935 – V 99/35 (RGZ 149, 205): 128 RG v. 15.12.1939 – IV 361/39 (RGZ 162, 223): 330 RG v. 05.01.1943 – V (VI) 99/42 (RGZ 170, 317): 57 RG, HRR 1939, Nr. 1063: 330

Oberlandesgerichte (Zivilsachen) BayObLG v. 23.04.1987 – BReg 2 Z 134/86 (NJW-RR 1987, 1040): 293 BayObLG v. 28.09.1995 – 2Z BR 11/95 (NJWE-MietR 1996, 60): 119, 121 OAG Mnchen, SeuffArch. 14 (1861), Nr. 208, S. 354: 367 OLG Brandenburg v. 14.02.2003 – 6 U 63/02 (OLG-NL 2004, 3): 45 OLG Celle v. 26.05.1989 – 4 U 53/88 (NJW-RR 1989, 791): 341–342 OLG Celle v. 11.09.1996 – 9 U 43/96 (NJW-RR 1997, 533): 321 OLG Celle v. 02.11.2000 – 14 U 277/99 (VersR 2002, 1300): 310 OLG Dresden v. 24.04.1995 – 2 U 169/95 (VersR 1995, 836): 216 OLG Dsseldorf v. 10.01.1951 – 9 U 166/50 (NJW 1951, 444): 204 OLG Dsseldorf v. 23.07.1974 – 4 U 20/74 (VersR 1975, 159): 146 OLG Dsseldorf v. 07.12.1983 – 3 U 15/83 (MDR 1984, 400): 227 OLG Dsseldorf v. 17.02.1993 – 9 U 205/92 (OLGZ 1993, 451): 93 OLG Dsseldorf v. 29.06.1994 – 9 U 53/94 (VersR 1995, 1446): 86 OLG Dsseldorf v. 13.07.1995 – 10 U 5/95 (NJW-RR 1996, 1426): 216 OLG Dsseldorf v. 28.07.1995 – 11 U 24/94 (NJW-RR 1995, 1482): 95 OLG Dsseldorf v. 11.10.1995 – 9 U 51/95 (MDR 1996, 477): 351 OLG Frankfurt v. 20.09.1995 – 17 U 121/93 (OLGR 1996, 2): 294–296 OLG Frankfurt v. 30.04.1998 – 24 U 61/96 (NJW-RR 1999, 532): 214 OLG Frankfurt v. 19.09.2001 – 23 U 3/00 (NJW-RR 2001, 1674): 261 OLG Frankfurt v. 29.07.2004 – 1 U 254/03 (NJW 2004, 2833): 247 OLG Hamm v. 15.05.1995 – 13 U 16/95 (NJW-RR 1995, 1399): 293 OLG Hamm v. 09.01.1997 – 27 U 155/96 (MDR 1997, 553): 114 OLG Hamm v. 25.06.1998 – 6 U 146/96 (NJW-RR 1999, 1324): 215, 219 OLG Hamm v. 29.08.2000 – 9 U 20/00 (NJW-RR 2001, 237): 45, 241–242 OLG Hamm v. 04.02.2002 – 6 U 130/01 (NJW-RR 2002, 1389): 247 OLG Hamm v. 22.03.2004 – 13 U 198/03 (VersR 2004, 1617): 277 OLG Kçln v. 19.06.1996 – 5 U 210/95 (NJW-RR 1996, 1104): 207–208 OLG Schleswig v. 12.05.1986 – 5 U 202/84 (NJW-RR 1986, 884): 245 OLG Stuttgart v. 28.10.1987 – 9 U 161/87 (NJW-RR 1988, 204): 245 OLG Zweibrcken v. 31.01.1986 – 1 U 37/83 (NJW-RR 1986, 1203): 284

Landgerichte (Zivilsachen) LG Bremen v. 15.02.1991 – 6 O 2866/89 u. 1218/90 (NJW-RR 1991, 1432): 341 LG Dessau v. 25.09.1996 – (6) 8 O 853/96 (NJW-RR 1997, 214): 341 LG Tbingen v. 29.01.1990 – 1 S 208/89 (NJW-RR 1990, 338): 212

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Entscheidungsregister

Amtsgerichte (Zivilsachen) AG Wennigsen v. 14.09.2001 – 9 C 156/01 (WuM 2001, 487): 116

Arbeitsgerichtsbarkeit BAG v. 14.02.1978 – 1 AZR 280/77 (NJW 1979, 1847): 45 BAG v. 25.05.2000 – 8 AZR 518/99 (NJW 2000, 3369): 89

Strafgerichtsbarkeit RG v. 11.03.1927 – BGH v. 10.10.1957 BGH v. 15.02.1963 BGH v. 29.07.1964 BGH v. 05.03.1969 BGH v. 15.12.1987 BGH v. 02.03.1994 BGH v. 01.12.1995 BGH v. 31.01.2002 BGH v. 25.03.2003

I 105/26 (RGSt 61, 242): 40 – 4 StR 21/57 (NJW 1958, 266): 330 – 4 StR 404/62 (BGHSt 18, 271): 240 – 4 StR 236/64 (BGHSt 19, 371): 240 – 4 StR 375/68 (BGHSt 22, 341): 240 – 1 StR 498/87 (NJW 1988, 2747): 330 – 2 StR 620/93 (BGHSt 40, 84): 287 – V ZR 9/94 (NJW 1996, 845): 42, 76–78, 170, 206–207 – 4 StR 289/01 (NJW 2002, 1887): 215, 217, 219, 234 – 1 StR 483/02 (BGHSt 48, 255): 241

Verwaltungsgerichtsbarkeit BVerwG v. 29.07.1977 – IV C 51.75 (BVerwGE 54, 211): 92 BVerwG v. 13.04.1995 – 4 B 70/95 (NJW 1995, 2648): 34 OVG Mannheim v. 14.12.1989 – 1 S 2719/89 (BB 1990, 237): 250

Auslndische Entscheidungen England Cambridge Water Co v Eastern Counties Leather Plc, House of Lords (1994) 1 All E.R. 53: 184 Roberts v Ramsbottom, Queen s Bench Division (1980) 1 All E.R. 7: 377

Niederlande Hooge Raad vom 9.10.1992, (NJ 1994 Nr. 535): 305

sterreich çOGH v. 11.10.1995 – 3 Ob 508/93 (JBl. 1996, 446): 374

USA Sindell vs. Abbott Laboratories, California Supreme Court, 26 Cal. 3d 588, 607 P.2d 924 (Cal. 1980) 305 United States v. Caroll Towing Co., United States Circuit Court of Appeals, 159f. 2 d 169 (2nd Cir. 1947) 23

Sachregister Abgrenzung negatorische und deliktische Haftung – actus-contrarius-Theorie 55 f., 123 – funktionelles Ergnzungsverhltnis 56 ff., 102 f., 385 – Kausalittstheorie 53, 55, 123, 127 – Risikotheorie 54, 123 – Sicherungstheorie 56 – berschneidung, systemimmanente 60 f. – Usurpationstheorie 46 ff., 55 – Wiederbenutzbarkeitstheorie 78 Abgrenzungsfunktion des Privatrechts 13 f. actio libera in causa 331, 349 Allgemeininteresse 21 f., 28 f., 244 f., 266 ff., 282 ff. Angriffsnotstand 26 f., 242 ff. Anteilshaftung 305 Arbeitnehmerhaftung 228 f. Aufopferungshaftung 1, 360 Ausgangsflle 2 ff., 129, 144, 187, 189, 204 f., 207 f., 216, 226 f., 285 ff., 302 Ausgleichsanspruch, nachbarrechtlicher Siehe Zufhrung unwgbarer Stoffe: Ausgleichsanspruch Beeintrchtigung – durch Unterlassen 109 ff. – mittelbare 106 ff., 109 ff. – unmittelbare 106 ff., 109 ff., 112 ff. – vorstzliche 115 f. – weiterfressende 74 ff. Bereicherung, ungerechtfertigte 47, 50, 78 Bereichshaftung 174 ff, 179 f., 187 ff. Beseitigungsanspruch Siehe negatorische Haftung Beweislast Siehe Darlegungs- und Beweislast

Billigkeitshaftung 376 ff., 388 casum sentit dominus 133, 152, 204, 307, 308 cautio damni infecti 193 Darlegungs- und Beweislast 138 ff., 149 f., 195, 281, 346 ff. deliktische Haftung – Abgrenzung von negatorischer Haftung Siehe Abgrenzung negatorische und deliktische Haftung – Funktion 62 ff. – – Abgrenzungsfunktion 65 ff., 141 ff., 385 f. – – Kompensationsfunktion 56 f., 62 f., 65 ff., 102, 334 f., 385 f. – – Prventionsfunktion 56 f., 64 f., 102, 335 f., 385 f. – und Gefhrdungshaftung 378 ff. – Haftungsgrund – – Erfolgsunrecht 105 ff. – – Erfolgsverantwortung 108 f., 110 f., 147 ff., 363 ff. – – Kombinationslehre 109 ff. – – Pflichtverletzung 104 ff., 130 ff., 141 ff. – – Verhaltensunrecht 112 ff., 142 – – vorangegangenes gefhrliches Verhalten 174 ff. – Schadensersatzanspruch 2, 4 – Vergangenheitsbezogenheit 56 ff., 62, 385 – Voraussetzungen – – eingetretene Verwirklichung des Risikos 166, 302 ff. – – Schutzbereich 43 ff. – – Verkehrspflichtverletzung 104 ff., 141 ff., 386 – – Verschulden Siehe Verschulden

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Sachregister

– – Zurechenbarkeit Siehe Zurechenbarkeit – Zukunftsgerichtetheit 62 Deliktsfhigkeit 327 ff. – Dereliktion 206 f. Differenzhyptothese 71 Duldungspflicht – nachbarrechtliche Siehe Zufhrung unwgbarer Stoffe: Duldungspflicht – immissionsschutzrechtliche 356 ff., 386 Duldungszwang, faktischer Siehe Zufhrung unwgbarer Stoffe Eintrittswahrscheinlichkeit 247 f., 285 f., 295 f. Erfolg 136 f. Erfolgsunrecht 105 Erfolgsverantwortung Siehe Haftungsgrund Erstbegehungsgefahr 292 ff., 387 Fahrlssigkeit 105, 315 ff., 317, 321 ff., 327 Freiheit 12 ff., 20, 339 f. – Handlungsfreiheit Siehe Handlungsfreiheit – und Risiko Siehe Risiko Freiheitssphre 13 ff., 15 ff., 18 f., 65 ff., 339 – Abgrenzung von Freiheitssphren 2, 12 ff., 19, 21, 26 ff., 32 f., 65 ff., 80 f., 116, 141 f., 143 f., 184, 233 f., 339 ff., 348 f., 385 Garantiehaftung 137 Gefhrdungshaftung 1, 359 ff. – Analogiefhigkeit, mangelnde 382 ff., 389 – als Billigkeitshaftung 376 ff., 388 – und deliktische Haftung 362 ff., 378 ff. – als Kodifizierung von Verkehrspflichten und Verschuldensmaßstben 373 ff. – und negatorische Haftung 380 f. – partielle 372 f. – und Prvention 368 ff., 382 ff.

Gefahr 2, 16, siehe auch Risiko Gesamtschuld 226 ff. Geschftsfhrung ohne Auftrag 78 Grundrechte 34 f., 66, 271 f. – Drittwirkung im Privatrecht 30 ff. Haftung Siehe deliktische Haftung, negatorische Haftung – existenzbedrohende 340 ff. Haftungsgrund Siehe deliktische Haftung, negatorische Haftung Handlungsfreiheit 14, 19, 53, 66, 67 ff., 123 f., 127, 133 ff., 150, 233 f., 249, 258, 267, 272, 301, 332, 339 ff., 344, 348 f., 351, 352 – Abgrenzung Siehe Abgrenzungsfunktion des Privatrechts, Freiheitssphre: Abgrenzung – und çkonomische Analyse des Rechts 27 – und Risiko Siehe Risiko Handlungshaftung 171 f., 173 f., 178 ff., 180 f., 186 ff., 190 ff., 212 f., 386 Handlungsunrecht Siehe Verhaltensunrecht Immissionen, summierte 249 f., 311 Individualinteressen 5, 21 f. Integrittsschutz 70 f., 80 f. Interessenabwgung 20 f., 164 f., 180 f., 296 ff., siehe auch Verkehrspflichten: Interessenabwgung Interessensphre Siehe Freiheitssphre Kausalitt 53, 110, 123 f., 148 ff., 172, 183, 302 ff., 387 – quivalente 304 ff., 387 – adquate 107, 303 f. – additive 311 ff. – alternative 306 ff., 311 ff. – kumulative 311 ff. – Schutzzweckzusammenhang 107 f., 303 – Zurechnung Siehe Zurechnung Mitverantwortung, Mitverschulden 4, 69, 262 f.

Sachregister

nachbarrechtliche Duldungspflicht Siehe Zufhrung unwgbarer Stoffe: Duldungspflicht nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch Siehe Zufhrung unwgbarer Stoffe: Ausgleichsanspruch Naturalrestitution 27, 52, 70 f., 77 f., 79, 385 negatorische Haftung – Abgrenzung von deliktischer Haftung Siehe Abgrenzung negatorische und deliktische Haftung – Abgrenzungsfunktion 80 f. – Beseitigungsanspruch 4, 46 ff., 57 ff., 60 f., 72 ff., 385 – Funktion 71 ff. – und Gefhrdungshaftung 380 f. – Haftungsgrund – – Erfolgsverantwortung 150 – – Kausalhaftung 123 f., 172 – – Pflichtverletzung 118 ff., 124 ff., 130 ff., 143 ff. – – Verhalten, vergangenes 119 ff. – – Verhaltensunrecht, drohendes 129 f. – – Zustandshaftung 121 ff. – Inhalt 77 ff. – Kompensationsfunktion 79 f., 102 – Prventionsfunktion 79, 80, 102, 385 – Schutzbereich 45 f. – Unterlassungsanspruch 2 f., 57 ff., 60 f., 71 f., 209 ff. – Verschuldensunabhngigkeit 60 f., 351 ff., 388 – Voraussetzungen – – drohende Verwirklichung des Risikos Siehe Risiko: drohende Verwirklichung – – Verkehrspflichtverletzung 118 ff., 141 ff., 386, siehe auch Verkehrspflichtverletzung – – Zurechenbarkeit Siehe Zurechenbarkeit – Zukunftsbezogenheit 57, 71 ff., 385 Nichthandlungshaftung 173 f., 177 ff., 180 f., 188, 190 ff., 212 f., 386 Notstand, Notwehr 26, 105 f., 237 ff., 240 ff., 262, 263, 265

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çkonomische Analyse des Rechts 22 ff., 65, 235 f., 243, 244, 267, 370 ff., 385 Pflichtverletzung Siehe Verkehrspflichten Privatrecht Siehe Abgrenzungsfunktion des Privatrechts, Grundrechte, Staatsziele, Verwaltungsrecht Produzentenhaftung 282 Recht – çffentliches 30 ff., 385 – subjektives 20 ff. Rechtsgut, Rang 250 Rechtswidrigkeit 94 ff., 99, 104 ff., 112 ff., 143, 147 ff., 252, 316, 318, 346, 365 – Relativitt der 40 f., 94, 385 Risiko 2, 16 ff., 18, 67 ff., 110 f., 136 f., 182 f., 289 ff., 292 ff., 389 – abstraktes 153 ff. – besonders gefhrliche Risiken 366 f., 384, 388 – Eintrittswahrscheinlichkeit 295, 387 – Erkennbarkeit 183 ff., 264 f. – erlaubtes 359 ff., 388 – Erstbegehungsgefahr Siehe Erstbegehungsgefahr – und Freiheit 12 ff., 15 ff., 18 f., 385 – und Handlungsfreiheit 18 f., 67 ff. – geduldetes 355 ff., 388 – Interessenabwgung 296 ff., 387 – konkretes 153 ff. – Veranlassung und Beherrschung 195 ff., 231 ff. – verbotenes 354 f., 388 – Verwirklichung, drohende 166, 292 ff., 387 – Verwirklichung, eingetretene 166, 387 – Voraussetzung der Verkehrspflicht 151 ff. – und Vorteil 232 f. – Wesentlichkeit 156 f. – Wiederholungsgefahr Siehe Wiederholungsgefahr – zeitliche Nhe des Eintritts 294 f., 387 Risikoquelle 54, 57, 73 f., 77 f., 385

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Sachregister

Risikoschutz (Unterpunkte als Verweis auf Verkehrspflichten) 34 f., 158 ff., – aktiver und passiver 159 f., 279 – allgemeine Grundpflichten und besondere Schutzpflichten 280 f. – direkter und indirekter 158 f., 279 f. – Organisationspflichten 161 ff., 281 f. Risikoverteilung 137, 151 ff. Schaden Siehe Beeintrchtigung – Grçße 249 f. Schadensersatz, Schadensersatzanspruch 2, 4, 27, 57, 60 f., 62 f., 70, 79 f., 355 – § 14 S. 2 BImSchG 356 ff. Schutzgesetz 95, 117 f., 131, 132 ff. Selbstschutz 258 ff. Sorgfalt, ußere und innere 321 ff., 324 ff. Sorgfaltsobliegenheit 149 f. Staatsziel – Drittwirkung im Privatrecht 33 – Umweltschutz 18, 28, 33, 34 f., 272, 282 Stçrer – Handlungshaftung Siehe Handlungshaftung – Handlungsstçrer 169 ff., 171 f., 173 f., 176 f., 179, 193 f., 213, 262 f., siehe auch Nichthandlungshaftung – Nichthandlungshaftung Siehe Nichthandlungshaftung – Nichthandlungsstçrer Siehe Nichthandlungshaftung – Ttigkeitsstçrer 171, 180 f. – Unttigkeitsstçrer 171, 180 f. – Verhaltensstçrer Siehe Handlungsstçrer – Zustandsstçrer 125 f., 169 ff., 171 f., 173 f., 176 f., 179, 180, 196 System, bewegliches 165, 168, 174, 246 technische Regelwerke 277 f. bernahmehaftung 174 ff.,179, 189 f. Umwelt, Umweltschden, Umweltschutz 5, 50, 77, 82 f., 92, 93, 116, 167 f., 244, 262, 267, 272, 282 ff.,

282 ff., 295, 301 f., 304, 306, 311 ff., 360, 361, 368 f., 371, 382 ff., 387, 389 – als Schutzgegenstand 43 f. Unterlassungsanspruch Siehe negatorische Haftung Verantwortlicher, potentiell 1, 182 ff. Verfassungsrecht 30 ff., 271 f., 340 ff. Verhaltenspflicht 104 ff., 116 f., 118 ff., 124 ff., 129 f. – Erfolgsbezogenheit 132 ff. Verhaltensunrecht 112 ff., 124 ff., 129 f., 130 ff., 142 Verjhrung 209 ff. Verkehrsauffassung 233 ff. Verkehrserwartung 267 ff. Verkehrspflichten – Bestimmung 166 ff. – – Abschichtung 177 ff. – – Interessenabwgung Siehe Verkehrspflichten, Interessenabwgung – gemeinsame Voraussetzung der negatorischen und deliktischen Haftung 3, 141 ff., 166, 386 – Inhalt 157 ff., 278 ff. – – aktiver und passiver Schutz 159 f., 279 – – allgemeine Grundpflichten 160 f., 280 f. – – besondere Schutzpflichten 160 f., 280 f. – – direkter und indirekter Schutz 158 f., 279 f. – – Frsorgepflichten 159, 175 f., 180 f., 251 – – Organisationspflichten 161 ff., 281 f. – – Risikoschutz 157 ff. – – Risikoschutzpflichten 151 ff. – – Sicherungspflichten 159, 175 f., 251 – Interessenabwgung 164 f., 230 ff., 282 ff., 386 f. – – gesamtwirtschaftliche Vorteilhaftigkeit 235 f., 267 – – Gesichtspunkte, neutrale 266 ff. – – – Allgemeininteresse 244 f., 266 ff., 387 – – – technische Regelwerke 277 f. – – – Umweltschutz 282 ff., 387

Sachregister

– – – –

– – – –

– Verkehrserwartung 267 ff. – Verfassungsrecht 271 f. – Verwaltungsrecht 272 ff. Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen 247 ff., 387 – – – Eintrittswahrscheinlichkeit 247 f. – – – Grçße des drohenden Schadens 249 f. – – – Rang des bedrohten Rechtsguts 250 – – – Rechtswidrigkeit 252 – – – Wirksamkeit der Schutzmaßnahme 251 – – Gesichtspunkte zugunsten des potentiell Verantwortlichen 252 ff., 387 – – – mangelnde Erkennbarkeit 264 f. – – – Mitverantwortung des Betroffenen 262 f. – – – Mçglichkeit des Selbstschutzes 258 ff. – – – wirtschaftliche Belastung 252 ff. – – – Zumutbarkeit 257 f. – – Inhalt der Verkehrspflichten 278 ff. – – Korrespondenz von Vorteil und Risiko 232 f. – – Risikoveranlassung und -beherrschung 231 f. – – Umweltschutz 282 ff. – – Vertrauensschutz 233 ff., 244, 253 f., 267 ff. – – Wertungen, gesetzliche 237 ff. – – Wertungen, bergreifende 231 ff. – Schutzzweck 4, 155, 266, 287, 303 – Systematisierung 166 ff. – – deliktische Haftung 174 ff. – – negatorische Haftung 168 ff. – umweltspezifische 135, 167 f., 235, 274, 282 ff. – Verhaltensstandards und Verhaltenspflichten 145 ff. – Voraussetzung der deliktischen Haftung 141 ff. – Voraussetzung der negatorischen Haftung 143 ff. – Zurechenbarkeit Siehe Zurechenbarkeit Verschulden – und deliktische Haftung 314 ff., 388

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– Eigenstndigkeit gegenber dem Unrecht 314 ff., 317 ff., 388 – Fahrlssigkeit Siehe Fahrlssigkeit – und negatorische Haftung 351 ff., 388 – Objektivierung 318 ff. – – als Pflichtwidrigkeit 349 ff. – Sorgfalt, ußere und innere 321 ff., 324 ff. – Subjektivierung 324 ff., 332 ff., 388 – – objektive Elemente 344 ff. – – Wertungen 332 ff. Vorsatz Siehe Vorsatz Versicherung 63 f., 260, 361 f., 369 f., 371, 383 Verteilungsgerechtigkeit 267, 360 ff. Vertrauensschutz 68 ff., 186 f., 189, 190, 215, 217, 221 f., 233 ff., 244, 253 f., 267 ff., 336 ff., 266 Verwaltungsrecht 272 ff. – und Privatrecht 36 ff. Vorsatz 115 f., 315 ff. vorstzliche sittenwidrige Schdigung 118, 133 Wahrscheinlichkeitshaftung 305 Wettbewerbsrecht 294 f. Wiederholungsgefahr 210 f., 292 ff., 387 Zufhrung unwgbarer Stoffe – analoge Anwendung 97 ff. – Anwendungsbereich – – persçnlich 85 ff. – – rumlich 84 f. – – sachlich 91 f. – Ausgleichsanspruch 27, 81 ff. – und deliktische Haftung 2, 94 ff., 386 – Duldungspflicht 2 f., 27, 81 ff., 94 f., 244 f., 358 f., 386 – Duldungszwang, faktischer 98 ff. – Funktion des § 906 BGB 81 ff., 93 ff., 101 f. – und negatorische Haftung 82 ff., 386 – Zukunftsbezogenheit 82 f. Zumutbarkeit 252 ff., 257 f. Zurechenbarkeit 182 ff., 386 – Mçglichkeit der Risikosteuerung 182 ff., 386 – Zurechnungsgrund Siehe Zurechnungsgrund

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Sachregister

Zurechnung 302 ff., siehe auch Kausalitt – Erweiterung bei alternativer Kausalitt 304 ff., 387 – Kausalitt der Pflichtwidrigkeit 302 ff. – Risikohaftung bei Unsicherheit 309 f., 387 Zurechnungsgrund 186 ff., 386 – Besitz, Besitzaufgabe 199 f., 206 f. – Bestimmungsgewalt 198 f. – Dereliktion 206 f. – Eigenbesitz 203 ff., 207 ff. – Eigentum 200 ff. – Einschaltung Dritter 213 ff. – – Verantwortlichkeit von Organen 220 ff. – – Verantwortlichkeit des bernehmenden 216 ff.

– – Verantwortlichkeit des bertragenden 214 ff. – Entstehung der Verantwortlichkeit 205 – Handlungshaftung, Handlungsstçrer 186 ff., 386, siehe auch Handlungshaftung – Nebeneinander von Verkehrspflichtigen 225 ff. – Nichthandlungshaftung, Nichthandlungsstçrer 190 ff., 386, siehe auch Nichthandlungshaftung – Risikobeherrschung 195 ff. – Stçrer Siehe Stçrer – Verhalten, vorangegangenes gefhrliches 174 ff., 179, 186 f. – Zeitpunkt, maßgeblicher 205 ff., 386