Interessenkonflikte bei der Wahrnehmung fremder Interessen, z.B. durch Banken, Rechtsanwälte, Testamentsvollstrecker, Vo
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German Pages 745 [747] Year 2014
Table of contents :
Cover
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
I. Problemstellung
II. Gegenstand der Untersuchung
III. Methoden der Untersuchung
IV. Gang der Untersuchung
Teil 1: Interessenkonflikte – Grundlagen
§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
I. Einleitung
II. Begriff des Interessenkonflikts und dogmatische Verortung
1.) Fehlen eines einheitlichen rechtlichen Begriffs des Interessenkonflikts
2.) Interesse
a.) Der Begriff des Interesses im allgemeinen und rechtlichen Sprachgebrauch
b.) Interesse und Recht: Interessenjurisprudenz
c.) Subjektives und objektives Interesse
d.) Interessenträger und Unternehmensinteresse
3.) Interessenkonflikt
a.) Der Begriff des Interessenkonflikts im Sinne der Interessenjurisprudenz
b.) Abgrenzung anhand der Einteilung der Rechtsverhältnisse nach ihrer Interessenstruktur .
c.) Die dogmatische Einteilung von Rechtsverhältnissen nach ihrer Interessenstruktur
(i) Verträge des Interessengegensatzes
(ii) Verträge der Interessengemeinschaft
(iii) Verträge der Fremdinteressenwahrung
d.) Die asymmetrische Interessengewichtung bei Verträgen mit Fremdinteressenwahrungscharakter
e.) Nicht erfasste Interessenkonflikte
f.) Der Interessenkonflikt im engeren Sinne
g.) Interessenkonflikt und Befangenheit
4.) Interessenwiderstreit im Berufsrecht
a.) Subjektive Bestimmung der Interessen
b.) Berücksichtigung auch „bloß“ wirtschaftlicher Interessen
c.) Berücksichtigung eigener Interessen des Berufsträgers
d.) „Widerstreit“ der Interessen
III. Systematisierung der Interessenkonflikte
1.) Unterscheidung nach den Interessen
a.) Eigen- vs. Fremdinteresse: Interessenkollision i.e.S.
b.) Fremd- vs. Fremdinteresse: Pflichtenkollision
c.) Fremdinteressen auf derselben und auf verschiedenen Marktseiten
d.) Durch die Rechtsordnung inhärent angelegte Interessenkonflikte
e.) Interessen früherer Geschäftsherren
2.) Unterscheidung nach der Konfliktdauer: dauerhafte und punktuelle Konflikte
3.) Abstrakte und konkrete Konflikte
4.) Unterscheidung nach Konfliktursachen
5.) Irrelevante Merkmale
IV. Rechtliche Anknüpfung von Interessenkonflikten
1.) Interessenwahrungsverhältnis und Treuhand
a.) Die Treuhand
b.) Treuhand und Geschäftsbesorgungsverhältnisse mit „treuhänderischem Charakter“
c.) Interessenwahrungsverhältnis als übergreifende Kategorie
2.) Rechtliche Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten
V. Beschränkung auf (materielle) Geschäftsbesorger
1.) Abgrenzung zu Richtern und Notaren
a.) Richter
b.) Eingeschränkte Übertragbarkeit auf Geschäftsbesorger
c.) Schiedsrichter und Sachverständige
d.) Notar
2.) Abgrenzung zu Eltern
VI. Zusammenfassung
§ 2 Ökonomische Erwägungen zu Notwendigkeit und Grenzen der Regelung von Interessenkonflikten
I. Wirtschaftliche Auswirkungen von Interessenkonflikten
II. Agency-Theorie
1.) Grundlegende Annahmen der Agency-Theorie
2.) Principal-Agent-Modell
a.) Entscheidungsspielraum des agent
b.) Informationsasymmetrie
(i) Adverse Selektion (adverse selection)
(ii) Moralisches Risiko (moral hazard)
3.) Die Verringerung von Agencykosten
4.) Folgerungen für die Regelung von Interessenkonflikten
III. Strategien zur Überwindung von Informationsasymmetrien
1.) Signalisieren (signaling)
2.) Screening und Selbstselektion
3.) Garantien (bonding)
4.) Folgerungen für die Regelung von Interessenkonflikten
IV. Unvollständige Verträge
V. Verhaltensökonomik (behavioral economics)
1.) Verhaltensanomalien bei der Informationsaufnahme
a.) Rahmungseffekt (framing)
b.) Selektive Wahrnehmung
c.) Verfügbarkeitsheuristik (availability bias)
2.) Verhaltensanomalien bei der Informationsverarbeitung
a.) Ankereffekt (anchoring)
b.) Besitzeffekt (endowment effect)
c.) Verlustaversion (loss aversion)
d.) Präferenz für den Status Quo (status quo bias)
3.) Verhaltensanomalien bei der Entscheidung
a.) Aversion gegen Extreme (extremeness aversion)
b.) Ähnlichkeitsheuristik (representativeness heuristic)
c.) Übermäßiges Selbstbewusstsein (overconfidence bias, overoptimism)
d.) Bedürfnis nach Dissonanzfreiheit (conservatism bias und confirmatory bias)
e.) Dynamische Inkonsistenz (dynamic inconsistency)
4.) Prospect theory
5.) Folgerungen aus der Verhaltensökonomik für die Regelung von Interessenkonflikten
a.) Verhaltensanomalien auf Seiten des Interessenwahrers
(i) Interessenkonflikte und übermäßiges Selbstvertrauen sowie Überoptimismus
(ii) Interessenkonflikte und das Bedürfnis nach Dissonanzfreiheit sowie die Verfügbarkeitsheuristik
(iii) Interessenkonflikte und Verlustaversion sowie Besitzeffekt
b.) Verhaltensanomalien auf Seiten des Geschäftsherrn
(i) Interessenkonflikte und die Präferenz für den Status Quo
(ii) Interessenkonflikte und Rahmungseffekt sowie selektive Wahrnehmung
(iii) Interessenkonflikte und Verlustaversion sowie dynamische Inkonsistenz
VI. Zusammenfassung
Teil 2: Allgemeine Regeln zu Interessenkonflikten
§ 3 Interessenwahrungspflicht
I. Einleitung
II. Ökonomische Rechtfertigung von Interessenwahrungspflichten
III. Rechtlich Begründung der Interessenwahrungspflicht
1.) Bisherige Ansätze
a.) Vertrauen
b.) Einwirkungsmacht
c.) Fehlende Gegenleistung
d.) Weitere Erklärungsansätze
2.) Die Öffnung der Interessensphäre durch den Geschäftsherrn
a.) Anknüpfung an die Interessen des Geschäftsherrn
b.) Die Verletzbarkeit der Interessen des Geschäftsherrn
c.) Die Öffnung der Interessensphäre als objektives Kriterium
d.) Unterschiedliche Intensität von Interessenwahrungs-pflichten und -regelungen
IV. Rechtsgrundlage der Interessenwahrungspflichten
1.) Ablehnung von § 242 BGB als Rechtsgrundlage
2.) Vertragliche Interessenwahrungspflicht
a.) Allgemeine vertragliche Interessenwahrungsverhältnisse
(i) Auftrag
(ii) Geschäftsbesorgungsvertrag
b.) Vertypte vertragliche Interessenwahrungsverhältnisse
(i) Dogmatische Einordnung der vertypten Interessenwahrungsverhältnisse
(ii) Beispiele für auf lediglich ein Geschäft bezogene Interessenwahrungsverhältnisse
(1) Makler
(2) Kommissionär
(3) Anlageberater
(iii) Beispiele für auf Dauer eingegangene Interessenwahrungsverhältnisse
(1) Handelsvertreter
(2) Vertragshändler
(3) Treuhänder
3.) Organschaftliche Interessenwahrungspflicht/ Treuepflicht
a.) Abgrenzung zur mitgliedschaftlichen Treuepflicht
b.) Die organschaftliche Treuepflicht
c.) Umfang der organschaftlichen Treuepflicht
4.) Berufs- und aufsichtsrechtliche Interessenwahrungspflicht
a.) Die Einwirkung berufsrechtlicher Pflichten auf Vertragspflichten am Beispiel des Rechtsanwalts
b.) Die Einwirkung aufsichtsrechtlicher Pflichten auf Vertragspflichten am Beispiel der §§ 31 ff. WpHG .
5.) Interessenwahrungspflicht gesetzlicher Interessenwahrer
V. Inhalt und Konkretisierung der Interessenwahrungspflicht .
1.) Inhalt und Umfang im Allgemeinen
2.) Die Konkretisierung der Interessenwahrungspflicht
a.) Notwendigkeit einer Konkretisierung aus ökonomischer Perspektive
b.) Systematisierung der konkretisierenden Regelungen und Pflichten
(i) Konfliktoffenlegung, Konfliktvermeidung, Konfliktlösung
(ii) Dauerhafte und punktuelle Interessenkonflikte
(iii) Abstrakte und konkrete Konflikte
3.) Nachwirkung der Interessenwahrungspflicht
VI. Abdingbarkeit und Intensivierung der Interessenwahrungspflicht
1.) Intensivierung der Interessenwahrungspflicht
2.) Keine gänzliche Abdingbarkeit der Interessenwahrungspflicht
a.) Rechtsökonomische Erwägungen
b.) Rechtliche Erwägungen hinsichtlich der vertraglichen Interessenwahrungspflicht
c.) Rechtliche Erwägungen hinsichtlich der organschaftlichen Interessenwahrungspflicht
3.) Abdingbarkeit einzelner Ausprägungen der Interessenwahrungspflicht
VII. Zusammenfassung
§ 4 Unabhängigkeit
I. Einleitung
II. Begriff, Zweck und rechtliche Verankerung
1.) Begriff der Unabhängigkeit
2.) Rechtsgrund von Unabhängigkeitserfordernissen
3.) Zweck von Unabhängigkeitserfordernissen
4.) Notwendigkeit einer gesetzlichen Verankerung von Unabhängigkeitserfordernissen
a.) Grundsätzliche Möglichkeit privatvertraglicher Vereinbarung von Unabhängigkeitsregelungen
b.) Grenzen privater Vereinbarungen von Unabhängigkeitsregelungen unter Berücksichtigung rechtsökonomischer Erwägungen
5.) Gesetzliche Verankerungen
III. Grundzüge eines allgemeinen Tatbestands von Unabhängigkeitserfordernissen für Geschäftsbesorger
1.) Anknüpfung an die äußere Unabhängigkeit
2.) Verobjektivierte Indikatoren für fehlende Unabhängigkeit bzw. Befangenheit
3.) Vermutungsregeln
4.) Anknüpfung an die abstrakte Gefährdung von Dritt-interessen – das Verhältnis zu Interessenkonflikten
5.) Vorteile einer Anknüpfung an die abstrakte Interessengefährdung
6.) Unterschiedliche Intensität von Unabhängigkeitserfordernissen
IV. Grenzen von Unabhängigkeitserfordernissen
1.) Nichterfassung rein „mentaler“ Abhängigkeiten
2.) Unabhängigkeit und Sachkunde
3.) Unabhängigkeit und Kosten
V. Das Unabhängigkeitserfordernis konkretisierende Regelungen
VI. Zusammenfassung
§ 5 Unabhängigkeit in den einzelnen Privatrechtsgebieten
I. Einleitung
II. Rechtsanwalt
1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses
2.) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses
3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses
a.) Begriff der „Bindung“ in § 43a Abs. 1 BRAO
(i) Nicht lediglich als „rechtliche Bindung“ zu verstehen
(ii) Erfassung auch von wirtschaftlichen und anderen Abhängigkeiten
b.) „Gefahr“ im Sinne von § 43a Abs. 1 BRAO
c.) Verständnis des anwaltlichen Unabhängigkeitserfordernisses vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerfG
4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit
a.) Verhältnis zum Mandanten
(i) Keine Gefährdung allein durch Aufnahme und Beendigung des Mandates
(ii) Weisungen
(iii) Honorarvereinbarung
(iv) Wirtschaftliche Beziehungen außerhalb des Mandantenvertrages
(1) Beteiligung an einem Mandanten-unternehmen
(2) Tätigkeit in einem Leitungs- oder Aufsichtsorgan eines Mandantenunternehmens, Zweitberufe
(3) Übernahme von Mandantenrisiken
b.) Verhältnis zum Arbeitgeber bei Syndikusanwälten, angestellten Anwälten und freien Mitarbeitern
c.) Verhältnis zu Kanzleiangestellten
III. Steuerberater
1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeits-erfordernisses
2.) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses
3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses
4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit
IV. Wirtschaftsprüfer
1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses
2.) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses
3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses
a.) Besondere unabhängigkeitsbezogene Regelungen der WiPrO
b.) Die Unabhängigkeitsregelungen der Berufssatzung
4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit
V. Ratingagenturen
1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses
2.) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses
3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses
4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit
VI. Insolvenzverwalter
1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses
2.) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses
3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses
a.) Keine Konkretisierung mit Hilfe der anwaltlichen Unabhängigkeitsvorschriften
b.) Unabhängigkeit und Interessenausgleich
4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit
a.) Gläubiger und Schuldner
b.) Insbesondere: Geschäftliche Beziehungen von erheblicher Bedeutung
c.) Nahestehende Personen im Sinne von § 138 InsO
d.) Eigene Vermögensinteressen
e.) Ausgenommene Fälle gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 InsO
5.) Das Unabhängigkeitsgebot im Eröffnungsverfahren
VII. Nachlass- und Zwangsverwalter, Testamentsvollstrecker
VIII. Compliance-Stelle bzw. Compliance-Beauftragter
1.) Rechtliche Verankerung und Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses
2.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses
a.) Unabhängigkeit von der Geschäftsführung
b.) Unabhängigkeit von anderen Abteilungen
c.) Finanzielle Unabhängigkeit
d.) Weitere mögliche Konkretisierungen
IX. Aufsichtsrat
1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses
2.) Einordnung des Unabhängigkeitserfordernisses für Aufsichtsräte
a.) Das besondere Spannungsverhältnis zwischen Unabhängigkeit und Sachkunde im Fall des Aufsichtsrats
b.) Einfluss des angloamerikanischen Rechts: Der „independent director“
3.) Schutzzweck der Unabhängigkeitserfordernisse
4.) Konkretisierung der Unabhängigkeitserfordernisse
a.) Vorschriften des Aktiengesetzes
b.) Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK)
c.) Kommissionsempfehlung
5.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit
a.) (Ehemalige) Vorstandsmitglieder
b.) Arbeitnehmer im Aufsichtsrat
c.) Vertreter des Mehrheitsaktionärs im Aufsichtsrat
d.) Familienmitglieder
e.) Besonderheiten bei externen Kapitalverwaltungsgesellschaften
6.) Exkurs: Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen § 100 Abs. 5 AktG
X. Mitglieder des Gläubigerausschusses
1.) Der Gläubigerausschuss
2.) Das Unabhängigkeitserfordernis
3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses
4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit
Teil 3: Besondere Regeln zu Interessenkonflikten
§ 6 Systematisierung der besonderen Regelungen
I. Einleitung
II. Konfliktoffenlegung - Anzeige- und Offenlegungspflichten
III. Konfliktvermeidung
1.) Organisationspflichten
2.) Begrenzung des Handlungsspielraums
3.) Vorübergehende Ersetzung des Interessenwahrers
4.) Wettbewerbsverbote
5.) Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen
6.) Inhabilitätsvorschriften und Eignungsprüfungen
7.) Außerdem: Selbstablehnungsrecht wegen Interessenkonflikts
8.) Grenzen von Konfliktvermeidungspflichten
IV. Konfliktlösung
1.) Formale Konfliktlösungsprinzipien und Rangbestimmungen
2.) Geschäftschancenlehre
3.) Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen
4.) Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses
V. Sanktionen und Gewinnabschöpfung
VI. Zusammenfassung
Abschnitt 1: Konfliktoffenlegung
§ 7 Anzeige- und Offenlegungspflichten
I. Einleitung
II. Grundsatz und Zweck von Anzeige- und Offenlegungspflichten
III. Rechtsgrundlage der Offenlegungspflicht
1.) Offenlegungspflicht vertraglicher Interessenwahrer
a.) § 666 Fall 1 BGB als allgemeine Rechtsgrundlage
b.) Im vorvertraglichen Verhältnis, §§ 311, 241 Abs. 2 BGB
c.) Besondere Regelungen
(i) Offenlegung bei punktuellen Interessenwahrungsverhältnissen am Beispiel des Kommissionärs
(ii) Offenlegung bei dauerhaften Interessenwahrungsverhältnissen am Beispiel des Handelsvertreters
(iii) Herleitung der Offenlegungspflicht bei fehlender ausdrücklicher gesetzlicher Regelung am Beispiel des Maklers
(iv) Herleitung der Offenlegungspflicht bei fehlenden besonderen gesetzlichen Regelungen am Beispiel des Anlageberaters
(v) Exkurs: Zur Rechtsprechung des BGH über die Offenlegung von Rückvergütungen
(vi) Offenlegung bei Unabhängigkeitserfordernissen am Beispiel des Abschlussprüfers
2.) Offenlegungspflichten organschaftlicher Interessenwahrer
3.) Offenlegungspflichten gesetzlicher Interessenwahrer
a.) Insolvenzverwalter
b.) Testamentsvollstrecker
c.) Allgemeine Folgerungen für gesetzliche Interessenwahrer
4.) Offenlegungspflichten aufgrund von Aufsichts- oder Berufsrecht
a.) Allgemeine Offenlegungspflicht nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG
b.) Aufklärungspflicht im Fall von Zuwendungen Dritter
c.) Offenlegung von Zuwendungen an Kapitalverwaltungsgesellschaften
d.) Offenlegungspflicht für Finanzanalysten
e.) Offenlegungspflicht für Ratingagenturen
f.) Schutzmaßnahmen nach § 22 Abs. 1 Berufssatzung WP/vBP
g.) Anzeigepflicht nach § 7 und § 4 Abs. 3 der VID-Berufsgrundsätze
IV. Inhalt und Grenzen der Offenlegungspflicht
1.) Offenlegung ex ante
a.) Besonderheiten bei Gremienmitgliedern am Beispiel des Aufsichtsrats
b.) Besonderheiten bei gesetzlichen Interessenwahrern am Beispiel des Insolvenzverwalters
2.) Nachträgliche Offenlegung
3.) Inhalt und Umfang der Offenlegungspflicht
a.) Allgemeines
b.) Art und Herkunft des Konflikts
c.) Offenzulegende Beziehungen und Umstände
d.) Eindeutigkeit der Darlegung
e.) Offensichtlichkeit oder Erkennbarkeit des Interessenkonflikts
f.) Verallgemeinerung der vorangegangenen Befunde
4.) Grenzen von Offenlegungspflichten
a.) Offenlegungspflicht und Verschwiegenheitspflicht
b.) Offenlegungspflicht und gesetzliche Verbote
c.) Beschränkung der Offenlegungspflicht bei angemessener Organisation
5.) Abdingbarkeit der Offenlegungspflicht
V. Auskunfts- und Rechenschaftsanspruch
1.) Auskunftsanspruch
2.) Rechenschaftsanspruch
VI. Zusammenfassung
Abschnitt 2: Konfliktvermeidung
§ 8 Organisationspflichten
I. Einleitung
II. Grundsatz und rechtliche Verankerung
III. Vertraulichkeitsbereiche (Informationsbarrieren)
1.) Funktion von Informationsbarrieren
2.) Aufbau und Elemente von Vertraulichkeitsbereichen
3.) Keine Informationsbarrieren auf der Ebene der Geschäftsleitung
4.) Wall crossing
a.) Informationsaustausch
b.) Personalwechsel
5.) Zivilrechtliche Bedeutung von Informationsbarrieren
a.) Wissenszurechnung
(i) Organmitglieder
(ii) Mitarbeiter
(iii) Gesellschafter von Personengesellschaften
b.) Folgerungen für die Wirksamkeit von Informationsbarrieren
(i) Äußere Grenzen für die Wissenszurechnung – Umsetzung von Weitergabeverboten
(ii) Anerkennung von Informationsbarrieren in Bezug auf Interessenkonflikte im Rahmen des kapitalmarktrechtlichen Aufsichtsrechts
(iii) Übertragung auf andere Fälle des Berufs- und Aufsichtsrecht
(iv) Absicherung mit Hilfe des Schweizer Ansatzes: Das bei Dritten geweckte Vertrauen
(v) Verallgemeinerung über das Aufsichts- und Berufsrecht hinaus: Informationsbarrieren und Wissensorganisationspflicht
6.) Auswirkung auf Offenlegungs- und Aufklärungspflichten
IV. Beobachtungsliste, Verbots- oder Sperrliste und Konfliktliste
1.) Beobachtungsliste (watch list)
2.) Verbots- bzw. Sperrliste (restricted list)
3.) Konfliktliste
V. Compliance
VI. Ausschüsse als Organisationsmaßnahme gegen Interessenkonflikte im Gesellschaftsrecht
VII. Zusammenfassung
§ 9 Beschränkung des Handlungsspielraums
I. Einleitung
II. Verbot des Insichgeschäfts nach § 181 BGB
1.) Grundsatz und Zweck
2.) § 181 BGB als vertretungsbezogene Interessenkonfliktregelung
a.) Keine allgemeine Interessenkonfliktregelung
b.) § 181 BGB als vertretungsspezifische Ausprägung allgemeiner Rechtsgedanken zur Interessenwahrung
3.) Anwendungsbereich von § 181 BGB
4.) Ausnahmen von § 181 BGB
a.) Gestattung
b.) Erfüllung einer Verbindlichkeit
5.) Teleologische Korrektur von § 181 BGB
a.) Normrestriktion, Ausweitung der Ausnahmen
b.) Ausweitung von § 181 BGB
6.) Rechtsfolge
III. Mit § 181 BGB vergleichbare Beschränkungen
1.) Selbsteintritt des Kommissionärs
2.) Beschränkungen der Tätigkeit des Testamentsvollstreckers
IV. Zeitpunktbezogene Verbote bestimmter Geschäfte
1.) Verbotenes Vorlaufen (front running)
2.) Abgrenzung zum erlaubten Eigenhandel und Eigengeschäft
V. Exkurs: Vorgaben für die Art und Weise der Ausführung eines Geschäfts
VI. Zusammenfassung
§ 10 Vorübergehende Ersetzung des Interessenwahrers
I. Einleitung
II. Gesetzliche Interessenwahrer
1.) Ergänzungspfleger
2.) Sonderinsolvenzverwalter
III. Organschaftliche Interessenwahrer
1.) Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern
2.) Zuständigkeitsverlagerung auch bei Geschäften mit Aufsichtsratsmitgliedern de lege ferenda
3.) Wahl und Bestellung des Abschlussprüfers
a.) Grundsatz
b.) Grenzen abweichender Satzungsbestimmungen bei der GmbH
IV. Zusammenfassung
§ 11 Wettbewerbsverbote
I. Einleitung
II. Grundsatz, Schutzzwecke und dogmatische Verankerung
1.) Grundsatz und rechtliche Verankerung
2.) Schutzzwecke des Wettbewerbsverbots
3.) Der präventive Charakter von Wettbewerbsverboten
4.) Das Wettbewerbsverbot als „verdichtete“ Interessenwahrungspflicht
III. Gesetzlich normierte Wettbewerbsverbote
1.) Das Wettbewerbsverbot für Vorstände im Aktienrecht
2.) Das Wettbewerbsverbot für den Handlungsgehilfen
IV. Analoge Anwendung der Wettbewerbsverbote
1.) Keine Analogie im Fall des Kommissionärs
2.) GmbH-Geschäftsführer
3.) Handelsvertreter
V. Beschränkungen und Abdingbarkeit von Wettbewerbs-verboten
1.) Enge Auslegung und zeitliche Grenzen
2.) Befreiung von Wettbewerbsverboten
a.) Einwilligung des Aufsichtsrats bzw. des Prinzipals
b.) Verschärfung oder Abbedingen von Wettbewerbsverboten
VI. Wettbewerbsverbote und Konzern
1.) Kein unmittelbares Wettbewerbsverbot gegenüber den beherrschten Unternehmen
2.) Ausweitung des Wettbewerbsverbots gegenüber der herrschenden Gesellschaft
VII. Zusammenfassung
§ 12 Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen im Berufsrecht
I. Einleitung
II. Vertretungsverbot für den Rechtsanwalt nach § 43a Abs. 4 BRAO
1.) Zweck der Regelung in § 43a Abs. 4 BRAO
2.) „Vertreten“
a.) Weites Begriffsverständnis
b.) Keine Erstreckung auf die Anbahnung von Mandatsbeziehungen
c.) Durch den Rechtsanwalt
d.) Unabdingbarkeit des Vertretungsverbots
3.) „Dieselbe Rechtssache“
4.) Nichtanwaltliche Vorbefassung
III. Steuerberater
1.) Beschränkung auf „dieselbe Steuerrechtssache“
2.) Unabdingbarkeit des Vertretungsverbots
3.) Bedeutung für Tätigkeiten außerhalb des Vorbehaltsbereichs
4.) Interessenkonfliktregelung in § 6 BOStB
IV. Wirtschaftsprüfer
1.) Unabdingbarkeit des Vertretungsverbots vor dem Hintergrund des Wortlauts von § 53 WiPrO
2.) Vertretung mehrerer Mandanten, deren Interessen nicht widerstreiten
V. Erstreckung auf Mitglieder einer Berufsausübungsgemeinschaft
1.) Rechtsanwälte
a.) Teleologische Extension von § 43a Abs. 4 BRAO
b.) Ausnahme bei Beauftragung eines bestimmten Sozietätsmitglieds durch den Mandanten
c.) Übertragung auf andere Rechtsformen der beruflichen Zusammenarbeit
d.) Wechsel der Berufsausübungsgemeinschaft – „Sozietätswechsel“
(i) Wechsel des vorbefassten Anwalts
(ii) Wechsel des nicht vorbefassten Anwalts
e.) Regelung in § 3 Abs. 2 und Abs. 3 BORA
2.) Steuerberater
3.) Wirtschaftsprüfer
VI. Zusammenfassung
§ 13 Inhabilitätsvorschriften und Eignungsprüfungen
I. Inhabilitätsvorschriften
1.) Abschlussprüfer
a.) Rechtliche Verankerung und Schutzzweck
(i) Die Regelbeispiele in § 319 Abs. 3 HGB
(ii) Die Regelbeispiele in § 319a Abs. 1 HGB
b.) Der Interessenkonflikt des „Richtens in eigener Sache“ – Abgrenzung von „Mitwirkung“ und „Beratung“
c.) Das Spannungsverhältnis zwischen Interessenkonflikt und Sachkunde
(i) Verhaltensökonomische Befunde
(ii) Parallele Beratung
(1) Gefahren der Beratung für die Abschlussprüfung
(2) Ablehnung eines Beratungsverbots
(3) Offenlegungspflicht und Beschränkung der möglichen Einnahmen
(4) Keine Übertragung der Zuständigkeit auf den Aufsichtsrat
(iii) Prüferrotation
d.) Wiederkehrende Bestellung, Honorar und sog. low balling
2.) Aufsichtsrat
a.) Der Interessenkonflikt wegen Richtens in eigener Sache
(i) Keine Selbstüberwachung
(ii) Keine Überwachung des übergeordneten eigenen Überwachers
(iii) Keine Überkreuzüberwachung
b.) Interessenkonflikt versus Sachkunde: Der Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat
c.) Inhabilität bei der KGaA
d.) Keine ungeschriebene Inhabilität am Beispiel der Aufsichtsratsmandate in Konkurrenzunternehmen
3.) Mitglieder des WEG-Verwaltungsbeirats
4.) Allgemeine Folgerungen für Inhabilitätsvorschriften
II. Gerichtliche Eignungsprüfungen
1.) Vormund
2.) Betreuer
3.) Pfleger
4.) Insolvenzverwalter
III. Aufsichtsbehördliche Eignungsprüfungen
IV. Zusammenfassung
Abschnitt 3: Konfliktlösung
§ 14 Formale Konfliktlösungsprinzipien und Rangbestimmungen
I. Einleitung
II. Regelung von Verteilungskonflikten
1.) Konflikte zwischen Interessen verschiedener Geschäftsherren auf derselben „Marktseite“
2.) Überblick über die Lösungsmöglichkeiten
III. Prioritätsprinzip
1.) Ökonomische Bedeutung
2.) Rechtliche Verankerung
a.) Rechtliche Verankerung im Fall der Kommission
b.) Übertragung auf andere vertragliche Interessenwahrungsverhältnisse
c.) Der Prioritätsgrundsatz im WpHG
3.) Geltungsgrund im Fall gesetzlicher Interessenwahrungsverhältnisse
4.) Bestimmung des für das Prioritätsprinzip relevanten Zeitpunkts
5.) Pflicht zur „ranggerechten“ Erfüllung und ihre Grenzen
6.) Das Prioritätsprinzip und Eigeninteressen des Interessenwahrers
7.) Erlaubte Abweichungen vom Prioritätsprinzip
IV. Gleichbehandlungsgrundsatz und Pro rata Verteilung
1.) Beschränkte Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes
2.) Gleichbehandlungspflicht des Interessenwahrers
a.) Keine Rechtfertigung mittels Vergleichs mit beschränkten Gattungsschulden
b.) Im selben Zeitpunkt entstandene gleichgerichtete Pflichten
c.) Vertraglich übernommene Verpflichtung zur Gleichbehandlung
d.) Auswirkung von organisatorischen Trennungen auf den Gleichbehandlungsgrundsatz
e.) Quotenmäßige Verteilung, Losentscheid
V. Zusammenfassung
§ 15 Geschäftschancenlehre
I. Einleitung
II. Grundsatz und rechtliche Verankerung
III. Schutzzweck im Vergleich zu Wettbewerbsverboten
1.) Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Geschäftschancenlehre und Wettbewerbsverbot
2.) Geschäftschancenlehre und Wettbewerbsverbote als unterschiedliche Verbote von geschäftsbezogenen Interessenkonflikten
IV. Zuordnung der Geschäftschance zur Gesellschaft
1.) Zuordnung im US-amerikanischen Recht
2.) Zuordnung im deutschen Recht
a.) Abgrenzung anhand konkreter Geschäftsaussichten
b.) Keine Abgrenzung anhand des Tätigkeitsbereichs
c.) Keine Abgrenzung anhand der „Wesentlichkeit“ für die Gesellschaft
d.) Geschäftschancen und Konzern
e.) Abgrenzung zu anderen Interessenwahrungspflichtverletzungen
3.) Differenzierte Anwendung der Geschäftschancenlehre
a.) Nicht nach Gesellschaftsformen
b.) Nach der Stellung des Interessenwahrers
c.) Nach der Öffnung der Interessensphäre
d.) Geschäftschancenlehre und Kollision mehrerer Interessenwahrungsverhältnisse am Beispiel kollidierender Aufsichtsratsmandate
V. Zuordnung von Geschäftschancen zum Interessenwahrer
1.) Unvermögen der Chancennutzung, insbesondere nicht ausreichende Finanzmittel
2.) Private Kenntniserlangung
3.) Wahrnehmung nach Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses
4.) Freigabe durch den Geschäftsherrn bzw. die Gesellschaft
5.) Abdingbarkeit des Verbots, Geschäftschancen wahrzunehmen
VI. Zusammenfassung
§ 16 Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen
I. Einleitung
II. Allgemeines zu Stimmverboten
1.) Willensbildung bei Gremien – Beschluss und Stimmrecht
2.) Zweck von Stimmverboten
3.) Stimmverbot als Maßnahme bei punktuellen Interessenkonflikten
III. Rechtsgrundlage für Stimmverbote
1.) Stimmverbot für den Vereinsvorstand
2.) Stimmverbote für Aufsichtsratsmitglieder und ihre Rechtsgrundlage
a.) Stimmverbote nach § 142 Abs. 1 AktG und § 285 Abs. 1 AktG
b.) Grundsatz von Treu und Glauben sowie § 181 BGB
c.) Gesetzesanalogie zu § 34 BGB
d.) Rechtsanalogie
e.) Vergleich Gesetzes- und Rechtsanalogie
3.) Kein allgemeines Stimmverbot bei Interessenkonflikten für Aufsichtsräte
4.) Stimmverbote für Vorstandsmitglieder der AG
5.) Stimmverbote für Mitglieder des Gläubigerausschusses
a.) Besonderheiten bei Interessenkonflikten von Gläubigern
b.) Bedürfnis und Rechtsgrundlage für Stimmverbote
IV. Zum Anwendungsbereich von Stimmverboten
1.) Anknüpfung an abstrakte Interessenkonflikte
a.) Insichgeschäfte bzw. Rechtsgeschäfte mit der Gesellschaft
b.) Richten in eigener Sache und Rechtsstreit mit der Gesellschaft
2.) Stimmverbote erfordernde Näheverhältnisse bei Aufsichtsratsmitgliedern
a.) Erfordernis der Berücksichtigung von Näheverhältnissen für Stimmverbote
b.) Dritter als Vertreter des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds
c.) Vertrag zugunsten Dritter und Bürgschaft
d.) Aufsichtsratsmitglied als gleichzeitiger Vertreter einer Drittgesellschaft oder eines sonstigen Dritten mit kollidierenden Interessen
e.) Beherrschung der Drittgesellschaft
f.) Die in § 115 AktG genannten Personen
g.) Entsender
h.) Befreiung vom Wettbewerbsverbot nach § 88 AktG und Rückwirkungen auf daran interessierte Aufsichtsratsmitglieder
i.) Näheverhältnisse, die keine Stimmverbote begründen
3.) Stimmverbote erfordernde Näheverhältnisse bei Gläubigerausschussmitgliedern
V. Besonderheiten bei Organakten
1.) Grundsätzliche Herangehensweise bei Organakten
2.) Ausnahme im Fall der Abberufung aus wichtigem Grund
VI. Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds in den Vorstand
VII. Recht zur Stimmenthaltung
1.) Pflicht zur Abstimmung versus Möglichkeit der Stimmenthaltung
2.) Orientierung an den Interessen der Gesellschaft
VIII. Teilnahmeverbot
1.) Kein automatischer Teilnahmeausschluss im Aufsichtsrat
2.) Teilnahmeausschluss im Aufsichtsrat bei konkreter Gefahr für die zu schützenden Interessen
3.) Ermöglichung einer unbefangenen Diskussion
4.) Teilnahmeausschluß im Gläubigerausschuss
IX. Verfahrensfragen und Rechtsfolgen
1.) Zuständigkeit für die Feststellung von Stimmverboten
a.) Aufsichtsrat
b.) Gläubigerausschuss
2.) Drohende Beschlussunfähigkeit des Gremiums
3.) Auswirkungen auf den Beschluss bei Abstimmung trotz Stimmverbots
a.) Aufsichtsrat
b.) Gläubigerausschuss
4.) Entfallen der business judgment rule
X. Zusammenfassung
§ 17 Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses
I. Einleitung
II. Beendigung durch den Geschäftsherrn
1.) Vertragliche Interessenwahrungsverhältnisse
a.) Widerruf oder Kündigung
b.) Teilbeendigung
2.) Das Ersetzungsverfahren im Fall des Abschlussprüfers
3.) Organschaftliche bzw. gremienbezogene Interessenwahrungsverhältnisse
a.) Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern
b.) Entlassung eines Mitglieds des Gläubigerausschusses
4.) Gesetzliche Interessenwahrungsverhältnisse
a.) Insolvenzverwalter
b.) Vormund
c.) Betreuer
d.) Pfleger
e.) Testamentsvollstrecker
III. Beendigung durch den Interessenwahrer
1.) Beendigungsrecht des Interessenwahrers
a.) Kündigung bei vertraglichen Interessenwahrungsverhältnissen
b.) Amtsniederlegung bei organschaftlichen Interessenwahrungsverhältnissen
c.) Beendigung bei gesetzlichen Interessenwahrungsverhältnissen
d.) Der besondere Fall der Kündigung durch den Abschlussprüfer
e.) Der wichtige Grund bei der Beendigung durch den Interessenwahrer
2.) Beendigungspflicht des Interessenwahrers
a.) Rechtsanwalt
b.) Wirtschaftsprüfer
c.) Aufsichtsratsmitglied
d.) Einordnung der Beendigungspflicht
IV. Zusammenfassung
Abschnitt 4: Sanktionen und Gewinnabschöpfung
§ 18 Sanktionen
I. Einleitung
II. Schadensersatzhaftung
1.) Spezielle gesetzliche Schadensersatzregelungen
2.) Allgemeine Schadensersatzregelungen
a.) Nicht nachholbare Interessenwahrnehmung
b.) Nachholbare Interessenwahrnehmung
c.) Vertretenmüssen
III. Verwirkung der Vergütung
IV. Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses als Sanktion
V. Öffentlichrechtliche und strafrechtliche Sanktionen
VI. Zusammenfassung
§ 19 Gewinnabschöpfung
I. Einleitung
II. Grundsatz und gesetzliche Verankerung der Gewinnherausgabepflicht
1.) Grundnorm in § 667 Fall 2 BGB
2.) § 687 Abs. 2 BGB als ungeeignete Rechtsgrundlage für die Gewinnabschöpfung
III. Zweck der Gewinnherausgabepflicht
IV. Voraussetzungen, Umfang, analoge Anwendung
1.) Voraussetzungen
a.) Bestehen eines Interessenwahrungsverhältnisses
b.) „Aus der Geschäftsbesorgung erlangt“
(i) „Innerer Zusammenhang“ mit der Geschäftsbesorgung
(ii) Gefahr eines Interessenkonflikts als Voraussetzung
c.) Kein Verschulden erforderlich
2.) Umfang der Herausgabepflicht
3.) Analoge Anwendung
a.) Grundsätzliche Möglichkeit einer Rechtsanalogie
b.) Gewinnherausgabe beim Handelsvertreter
V. Einzelheiten am Beispiel der Herausgabe von durch Dritte geleisteten Provisionen
1.) Keine Verdrängung durch privatrechtliche Pflichten
a.) Keine Verdrängung durch Schadensersatzpflicht
b.) Keine Beschränkung durch Vertriebsvereinbarung
c.) Keine Verdrängung durch Aufklärungspflicht
(i) Aufklärungspflicht bei Zuwendungen
(ii) Auswirkungen der Aufklärung auf die Herausgabepflicht
(iii) Verhaltensökonomische Erwägungen
2.) Keine Einschränkung durch Aufsichts- und Europarecht
a.) Keine Beschränkung von § 384 HGB durch § 31d WpHG
b.) Keine Beschränkung durch europarechtliche Vorgaben
VI. Zusammenfassung
Teil 4: Ergebnisse der Untersuchung
§ 20 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
I. Grundlagen
II. Allgemeine Regelungen
1.) Interessenwahrungspflicht
2.) Unabhängigkeit
III. Systematisierung der besonderen Regelungen für Interessenkonflikte
IV. Konfliktoffenlegung: Anzeige- und Offenlegungspflichten
V. Konfliktvermeidung
1.) Organisationspflichten
2.) Beschränkungen des Handlungsspielraums
3.) Vorübergehende Ersetzung des Interessenwahrers
4.) Wettbewerbsverbote
5.) Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen im Berufsrecht
6.) Inhabilitätsregeln und Eignungsprüfungen
VI. Konfliktlösung
1.) Formale Konfliktlösungsprinzipien und Rangbestimmungen
2.) Geschäftschancenlehre
3.) Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen
4.) Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses
VII. Sanktionen und Gewinnabschöpfung
Literaturverzeichnis
Register
J US PR I VAT UM Beiträge zum Privatrecht Band 183
Christoph Kumpan
Der Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht Eine Untersuchung zur Fremdinteressenwahrung und Unabhängigkeit
Mohr Siebeck
Christoph Kumpan, geb. 1974; Studium der Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre in Berlin (Humboldt-Universität) und der Rechtswissenschaft in Heidelberg; 2000 Erste Juristische Staatsprüfung; 2002 LL.M. (University of Chicago); 2004 Zweite Juristische Staatsprüfung; Wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg; 2005 Promotion; 2005 Attorney at Law (New York); 2006 und 2008 Visiting Fellow an der University of Cambridge (Wolfson College); 2013 Habilitation; Sommersemester 2013 Vertretung einer Professur an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster; seit Oktober 2013 Gastprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin.
e-ISBN PDF 978-3-16-153055-5 ISBN 978-3-16-153052-4 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2014 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen aus der Sabon gesetzt, auf alterungs beständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Für Ana, Christina und Philipp
Vorwort Die vorliegende Arbeit analysiert die privatrechtlichen Regelungen für Interessenkonflikte sog. Fremdinteressenwahrer, deren Entwicklung gegenwärtig zunehmend auseinanderdriftet. Derartige Interessenkonflikte können immer dann auftreten, wenn es jemand unternimmt, für einen anderen Geschäfte zu besorgen oder dessen Interessen zu vertreten. Obwohl die Interessenkonflikte in den verschiedenen Rechtsgebieten vielfach vergleichbar sind, hat sich mit der Zeit ein disparates Regelungsregime im deutschen Privatrecht entwickelt. Während in einigen Rechtsgebieten, wie etwa dem Kapitalmarktrecht, aufgrund nationaler und internationaler Entwicklungen die Regelungen immer stärker ausziseliert werden, sind Regelungen in anderen Bereichen, wie etwa dem Maklerrecht, seit Jahren nahezu unverändert geblieben. Diese disparate Entwicklung ist höchst unbefriedigend und birgt die Gefahr in sich, dass mit vergleichbaren Interessenkonflikten unterschiedlich umgegangen wird. Hier gilt es Verbindungen herzustellen, die Regelungen zu systematisieren und auf der Basis des geltenden Rechts – angeregt durch Entwicklungen in anderen Rechtsgebieten – teleologische Anpassungen vorzunehmen. Dies unternimmt die vorliegende Arbeit, der meine Habilitationsschrift zugrundeliegt Die Habilitationsschrift wurde im März 2013 von der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg unter dem Titel „Der Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht – Eine Untersuchung des Bürgerlichen Rechts sowie des Handels-, Gesellschafts-, Kapitalmarkt-, Berufs-, und Insolvenzrechts“ angenommen. Rechtsprechung und Schrifttum sind bis zum Dezember 2013 berücksichtigt worden, an einigen Stellen auch noch die Rechtsentwicklung darüber hinaus. Mein besonderer Dank gilt meinem hochverehrten akademischen Lehrer, Herrn Professor Dr. Dr. Klaus J. Hopt, der mir die Bearbeitung dieses Themas ermöglicht hat. Er hat mich auf vielfältige Weise wissenschaftlich gefördert, war immer gesprächsbereit und hat mir gleichzeitig großen Freiraum für meine Forschungen gewährt. Zudem hat er mich als wissenschaftlichen Referenten am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg, beschäftigt. Mein weiterer Dank gilt Herrn Professor Dr. Heribert Hirte für die Erstellung des Zweitgutachtens. Danken möchte ich auch den Herren Professor Dr. Jürgen Basedow, Professor Dr. Holger Fleischer und Professor Dr. Reinhard
VIII
Vorwort
Zimmermann, Direktoren des Max-Planck-Instituts in Hamburg, die meine Anstellung am Max-Planck-Institut befürwortet haben. Ihnen und meinen Kollegen, Dr. Andreas Fleckner, Dr. Patrick Leyens und Dr. Felix Steffek, sowie Herrn Professor John Armour, University of Oxford, und Herrn Professor Dr. Georg Ringe, Copenhagen Business School, sowie den Teilnehmern der Law and Finance Senior Practitioner Lectures der University of Oxford danke ich für wertvolle Anregungen und Diskussionen. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft danke ich für die Finanzierung meiner Stelle am Max-Planck-Institut in Hamburg sowie den Herren Professor Dr. Matthias Casper und Professor Dr. Gerald Spindler für ihre Gutachten im Rahmen meiner Bewerbung bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Herrn Dr. Franz-Peter Gillig danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe Jus Privatum des Mohr Siebeck Verlages. Meiner Mutter, Gertraud Kumpan, meiner Frau, Ana Kumpan, sowie Frau Angela Huhn, Frau Julia Redler und den übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Lehrstuhls von Herrn Professor Dr. Dr. Grundmann an der Humboldt-Universität zu Berlin danke ich für das Korrekturlesen und den Herren Cüneyd Erbay und Sebastian Naturski für ihre Unterstützung bei der Erstellung des Registers. Berlin, im Januar 2014
Christoph Kumpan
Inhaltsübersicht Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXV Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Teil 1: Interessenkonflikte – Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 9 § 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung . . . . . . 11 § 2 Ökonomische Erwägungen zu Notwendigkeit und Grenzen der Regelung von Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . . . . 58 Teil 2: Allgemeine Regeln zu Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . 87 § 3 Interessenwahrungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 § 4 Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 § 5 Unabhängigkeit in den einzelnen Privatrechtsgebieten . . . . . . 158 Teil 3: Besondere Regeln zu Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . 227 § 6 Systematisierung der besonderen Regelungen . . . . . . . . . . 229 Abschnitt 1: Konfliktoffenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 § 7 Anzeige- und Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . 245 Abschnitt 2: Konfliktvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 § 8 Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 § 9 Beschränkung des Handlungsspielraums . . . . . . . . . . . . . 324 § 10 Vorübergehende Ersetzung des Interessenwahrers . . . . . . . . 346 § 11 Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 § 12 Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen im Berufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 § 13 Inhabilitätsvorschriften und Eignungsprüfungen . . . . . . . . 416 Abschnitt 3: Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 § 14 Formale Konfliktlösungsprinzipien und Rangbestimmungen . . 459 § 15 Geschäftschancenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 § 16 Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen . . . 508
X
Inhaltsübersicht
§ 17 Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses . . . . . . . . 558 Abschnitt 4: Sanktionen und Gewinnabschöpfung . . . . . . . . . . . 579 § 18 Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 § 19 Gewinnabschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588 Teil 4: Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 § 20 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . 613
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 691
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXV Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 II. Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . 4 III. Methoden der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . 4 IV. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Teil 1: Interessenkonflikte – Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 9 § 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung . . . . . . 11 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 II. Begriff des Interessenkonflikts und dogmatische Verortung 11 1.) Fehlen eines einheitlichen rechtlichen Begriffs des Interessenkonflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.) Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 a.) Der Begriff des Interesses im allgemeinen und rechtlichen Sprachgebrauch . . . . . . . . . . 15 b.) Interesse und Recht: Interessenjurisprudenz . . . . 15 c.) Subjektives und objektives Interesse . . . . . . . . 17 d.) Interessenträger und Unternehmensinteresse . . . . 17 3.) Interessenkonflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 a.) Der Begriff des Interessenkonflikts im Sinne der Interessenjurisprudenz . . . . . . . . . . . . . 22 b.) Abgrenzung anhand der Einteilung der Rechtsverhältnisse nach ihrer Interessenstruktur . 22 c.) Die dogmatische Einteilung von Rechtsverhältnissen nach ihrer Interessenstruktur . . . . . . . . . . . . 23 (i) Verträge des Interessengegensatzes . . . . . . 24 (ii) Verträge der Interessengemeinschaft . . . . . 25 (iii) Verträge der Fremdinteressenwahrung . . . . 25 d.) Die asymmetrische Interessengewichtung bei Verträgen mit Fremdinteressenwahrungscharakter 26 e.) Nicht erfasste Interessenkonflikte . . . . . . . . . 26
XII
Inhaltsverzeichnis
f.) Der Interessenkonflikt im engeren Sinne . . . . . . 27 g.) Interessenkonflikt und Befangenheit . . . . . . . . 28 4.) Interessenwiderstreit im Berufsrecht . . . . . . . . . . 29 a.) Subjektive Bestimmung der Interessen . . . . . . . 29 b.) Berücksichtigung auch „bloß“ wirtschaftlicher Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 c.) Berücksichtigung eigener Interessen des Berufsträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 d.) „Widerstreit“ der Interessen . . . . . . . . . . . . 35 III. Systematisierung der Interessenkonflikte . . . . . . . . . . 37 1.) Unterscheidung nach den Interessen . . . . . . . . . . 38 a.) Eigen- vs. Fremdinteresse: Interessenkollision i.e.S. 38 b.) Fremd- vs. Fremdinteresse: Pflichtenkollision . . . 38 c.) Fremdinteressen auf derselben und auf verschiedenen Marktseiten . . . . . . . . . . . . . 39 d.) Durch die Rechtsordnung inhärent angelegte Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 e.) Interessen früherer Geschäftsherren . . . . . . . . 40 2.) Unterscheidung nach der Konfliktdauer: dauerhafte und punktuelle Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3.) Abstrakte und konkrete Konflikte . . . . . . . . . . . 41 4.) Unterscheidung nach Konfliktursachen . . . . . . . . . 42 5.) Irrelevante Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 IV. Rechtliche Anknüpfung von Interessenkonflikten . . . . . 45 1.) Interessenwahrungsverhältnis und Treuhand . . . . . . 45 a.) Die Treuhand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 b.) Treuhand und Geschäftsbesorgungsverhältnisse mit „treuhänderischem Charakter“ . . . . . . . . 48 c.) Interessenwahrungsverhältnis als übergreifende Kategorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2.) Rechtliche Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 V. Beschränkung auf (materielle) Geschäftsbesorger . . . . . 51 1.) Abgrenzung zu Richtern und Notaren . . . . . . . . . 51 a.) Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 b.) Eingeschränkte Übertragbarkeit auf Geschäftsbesorger . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 c.) Schiedsrichter und Sachverständige . . . . . . . . 53 d.) Notar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2.) Abgrenzung zu Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
Inhaltsverzeichnis
XIII
§ 2 Ökonomische Erwägungen zu Notwendigkeit und Grenzen der Regelung von Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . . . . 58 I. Wirtschaftliche Auswirkungen von Interessenkonflikten . . 58 II. Agency-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1.) Grundlegende Annahmen der Agency-Theorie . . . . . 60 2.) Principal-Agent-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 a.) Entscheidungsspielraum des agent . . . . . . . . . 61 b.) Informationsasymmetrie . . . . . . . . . . . . . . 61 (i) Adverse Selektion (adverse selection) . . . . . 62 (ii) Moralisches Risiko (moral hazard) . . . . . . 62 3.) Die Verringerung von Agencykosten . . . . . . . . . . 63 4.) Folgerungen für die Regelung von Interessenkonflikten 64 III. Strategien zur Überwindung von Informationsasymmetrien 66 1.) Signalisieren (signaling) . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2.) Screening und Selbstselektion . . . . . . . . . . . . . . 67 3.) Garantien (bonding) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 4.) Folgerungen für die Regelung von Interessenkonflikten 68 IV. Unvollständige Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 V. Verhaltensökonomik (behavioral economics) . . . . . . . . 70 1.) Verhaltensanomalien bei der Informationsaufnahme . . 71 a.) Rahmungseffekt (framing) . . . . . . . . . . . . . 72 b.) Selektive Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . 73 c.) Verfügbarkeitsheuristik (availability bias) . . . . . 73 2.) Verhaltensanomalien bei der Informationsverarbeitung 74 a.) Ankereffekt (anchoring) . . . . . . . . . . . . . . 74 b.) Besitzeffekt (endowment effect) . . . . . . . . . . 74 c.) Verlustaversion (loss aversion) . . . . . . . . . . . 75 d.) Präferenz für den Status Quo (status quo bias) . . . 76 3.) Verhaltensanomalien bei der Entscheidung . . . . . . . 76 a.) Aversion gegen Extreme (extremeness aversion) . . 76 b.) Ähnlichkeitsheuristik (representativeness heuristic) 77 c.) Übermäßiges Selbstbewusstsein (overconfidence bias, overoptimism) . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 d.) Bedürfnis nach Dissonanzfreiheit (conservatism bias und confirmatory bias) . . . . . . . . . . . . 78 e.) Dynamische Inkonsistenz (dynamic inconsistency) 78 4.) Prospect theory . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 5.) Folgerungen aus der Verhaltensökonomik für die Regelung von Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . 80 a.) Verhaltensanomalien auf Seiten des Interessenwahrers . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
XIV
Inhaltsverzeichnis
(i) Interessenkonflikte und übermäßiges Selbstvertrauen sowie Überoptimismus . . . . 80 (ii) Interessenkonflikte und das Bedürfnis nach Dissonanzfreiheit sowie die Verfügbarkeitsheuristik . . . . . . . . . . . . 82 (iii) Interessenkonflikte und Verlustaversion sowie Besitzeffekt . . . . . . . . . . . . . . . 83 b.) Verhaltensanomalien auf Seiten des Geschäftsherrn 84 (i) Interessenkonflikte und die Präferenz für den Status Quo . . . . . . . . . . . . . . 84 (ii) Interessenkonflikte und Rahmungseffekt sowie selektive Wahrnehmung . . . . . . . . 85 (iii) Interessenkonflikte und Verlustaversion sowie dynamische Inkonsistenz . . . . . . . . 85 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Teil 2: Allgemeine Regeln zu Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . 87 § 3
Interessenwahrungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 II. Ökonomische Rechtfertigung von Interessenwahrungspflichten . . . . . . . . . . . . . . 90 III. Rechtlich Begründung der Interessenwahrungspflicht . . . 91 1.) Bisherige Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 a.) Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 b.) Einwirkungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 c.) Fehlende Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . 93 d.) Weitere Erklärungsansätze . . . . . . . . . . . . . 94 2.) Die Öffnung der Interessensphäre durch den Geschäftsherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 a.) Anknüpfung an die Interessen des Geschäftsherrn . 95 b.) Die Verletzbarkeit der Interessen des Geschäftsherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 c.) Die Öffnung der Interessensphäre als objektives Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 d.) Unterschiedliche Intensität von Interessenwahrungspflichten und -regelungen . . . . . . . . . . . . . . 97 IV. Rechtsgrundlage der Interessenwahrungspflichten . . . . . 98 1.) Ablehnung von § 242 BGB als Rechtsgrundlage . . . . 98 2.) Vertragliche Interessenwahrungspflicht . . . . . . . . . 100 a.) Allgemeine vertragliche Interessenwahrungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
Inhaltsverzeichnis
V.
XV
(i) Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (ii) Geschäftsbesorgungsvertrag . . . . . . . . . 103 b.) Vertypte vertragliche Interessenwahrungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (i) Dogmatische Einordnung der vertypten Interessenwahrungsverhältnisse . . . . . . . . 104 (ii) Beispiele für auf lediglich ein Geschäft bezogene Interessenwahrungsverhältnisse . . . 105 (1) Makler . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (2) Kommissionär . . . . . . . . . . . . . . . 106 (3) Anlageberater . . . . . . . . . . . . . . . 107 (iii) Beispiele für auf Dauer eingegangene Interessenwahrungsverhältnisse . . . . . . . . 108 (1) Handelsvertreter . . . . . . . . . . . . . 108 (2) Vertragshändler . . . . . . . . . . . . . . 110 (3) Treuhänder . . . . . . . . . . . . . . . . 112 3.) Organschaftliche Interessenwahrungspflicht/ Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a.) Abgrenzung zur mitgliedschaftlichen Treuepflicht . 113 b.) Die organschaftliche Treuepflicht . . . . . . . . . 114 c.) Umfang der organschaftlichen Treuepflicht . . . . 117 4.) Berufs- und aufsichtsrechtliche Interessenwahrungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 a.) Die Einwirkung berufsrechtlicher Pflichten auf Vertragspflichten am Beispiel des Rechtsanwalts 119 b.) Die Einwirkung aufsichtsrechtlicher Pflichten auf Vertragspflichten am Beispiel der §§ 31 ff. WpHG . 119 5.) Interessenwahrungspflicht gesetzlicher Interessenwahrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Inhalt und Konkretisierung der Interessenwahrungspflicht . 122 1.) Inhalt und Umfang im Allgemeinen . . . . . . . . . . 122 2.) Die Konkretisierung der Interessenwahrungspflicht . . 125 a.) Notwendigkeit einer Konkretisierung aus ökonomischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . 125 b.) Systematisierung der konkretisierenden Regelungen und Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (i) Konfliktoffenlegung, Konfliktvermeidung, Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (ii) Dauerhafte und punktuelle Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (iii) Abstrakte und konkrete Konflikte . . . . . . 128 3.) Nachwirkung der Interessenwahrungspflicht . . . . . . 129
XVI
Inhaltsverzeichnis
VI. Abdingbarkeit und Intensivierung der Interessenwahrungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 129 1.) Intensivierung der Interessenwahrungspflicht . . . . . 129 2.) Keine gänzliche Abdingbarkeit der Interessenwahrungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 a.) Rechtsökonomische Erwägungen . . . . . . . . . 131 b.) Rechtliche Erwägungen hinsichtlich der vertraglichen Interessenwahrungspflicht . . . . . . 132 c.) Rechtliche Erwägungen hinsichtlich der organschaftlichen Interessenwahrungspflicht . . . 133 3.) Abdingbarkeit einzelner Ausprägungen der Interessenwahrungspflicht . . . . . . . . . . . . . 135 VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 § 4
Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 II. Begriff, Zweck und rechtliche Verankerung . . . . . . . . 139 1.) Begriff der Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 139 2.) Rechtsgrund von Unabhängigkeitserfordernissen . . . 141 3.) Zweck von Unabhängigkeitserfordernissen . . . . . . . 144 4.) Notwendigkeit einer gesetzlichen Verankerung von Unabhängigkeitserfordernissen . . . . . . . . . . . 145 a.) Grundsätzliche Möglichkeit privatvertraglicher Vereinbarung von Unabhängigkeitsregelungen . . . 145 b.) Grenzen privater Vereinbarungen von Unabhängigkeitsregelungen unter Berücksichtigung rechtsökonomischer Erwägungen . . . . . . . . . 146 5.) Gesetzliche Verankerungen . . . . . . . . . . . . . . . 148 III. Grundzüge eines allgemeinen Tatbestands von Unabhängigkeitserfordernissen für Geschäftsbesorger . 148 1.) Anknüpfung an die äußere Unabhängigkeit . . . . . . 149 2.) Verobjektivierte Indikatoren für fehlende Unabhängigkeit bzw. Befangenheit . . . . . . . . . . . 149 3.) Vermutungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 4.) Anknüpfung an die abstrakte Gefährdung von Drittinteressen – das Verhältnis zu Interessenkonflikten . . . 151 5.) Vorteile einer Anknüpfung an die abstrakte Interessengefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 6.) Unterschiedliche Intensität von Unabhängigkeitserfordernissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 IV. Grenzen von Unabhängigkeitserfordernissen . . . . . . . . 153 1.) Nichterfassung rein „mentaler“ Abhängigkeiten . . . . 153
Inhaltsverzeichnis
2.) Unabhängigkeit und Sachkunde . . . . . . . 3.) Unabhängigkeit und Kosten . . . . . . . . . V. Das Unabhängigkeitserfordernis konkretisierende Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . .
XVII . . . . . 154 . . . . . 155 . . . . . 156 . . . . . 157
§ 5 Unabhängigkeit in den einzelnen Privatrechtsgebieten . . . . . . 158 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 II. Rechtsanwalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2.) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses . . . . 159 3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses . . 159 a.) Begriff der „Bindung“ in § 43a Abs. 1 BRAO . . . 159 (i) Nicht lediglich als „rechtliche Bindung“ zu verstehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 (ii) Erfassung auch von wirtschaftlichen und anderen Abhängigkeiten . . . . . . . . . 160 b.) „Gefahr“ im Sinne von § 43a Abs. 1 BRAO . . . . 161 c.) Verständnis des anwaltlichen Unabhängigkeitserfordernisses vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerfG . . . . . . . . . . . . 163 4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit . . . . . . . . . 165 a.) Verhältnis zum Mandanten . . . . . . . . . . . . 165 (i) Keine Gefährdung allein durch Aufnahme und Beendigung des Mandates . . . . . . . . 165 (ii) Weisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (iii) Honorarvereinbarung . . . . . . . . . . . . . 166 (iv) Wirtschaftliche Beziehungen außerhalb des Mandantenvertrages . . . . . . . . . . . 168 (1) Beteiligung an einem Mandantenunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . 168 (2) Tätigkeit in einem Leitungs- oder Aufsichtsorgan eines Mandantenunternehmens, Zweitberufe . . . . . . . . 169 (3) Übernahme von Mandantenrisiken . . . . 171 b.) Verhältnis zum Arbeitgeber bei Syndikusanwälten, angestellten Anwälten und freien Mitarbeitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 c.) Verhältnis zu Kanzleiangestellten . . . . . . . . . 174 III. Steuerberater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
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1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2.) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses . . . . 175 3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses . . 175 4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit . . . . . . . . . 176 IV. Wirtschaftsprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 2.) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses . . . . 177 3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses . . 178 a.) Besondere unabhängigkeitsbezogene Regelungen der WiPrO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 b.) Die Unabhängigkeitsregelungen der Berufssatzung 179 4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit . . . . . . . . . 180 V. Ratingagenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2.) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses . . . . 181 3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses . . 183 4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit . . . . . . . . . 185 VI. Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 2.) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses . . . . 186 3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses . . 187 a.) Keine Konkretisierung mit Hilfe der anwaltlichen Unabhängigkeitsvorschriften . . . . . . . . . . . . 187 b.) Unabhängigkeit und Interessenausgleich . . . . . . 188 4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit . . . . . . . . . 189 a.) Gläubiger und Schuldner . . . . . . . . . . . . . . 190 b.) Insbesondere: Geschäftliche Beziehungen von erheblicher Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . 191 c.) Nahestehende Personen im Sinne von § 138 InsO . 192 d.) Eigene Vermögensinteressen . . . . . . . . . . . . 193 e.) Ausgenommene Fälle gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 5.) Das Unabhängigkeitsgebot im Eröffnungsverfahren . . 194 VII. Nachlass- und Zwangsverwalter, Testamentsvollstrecker . . 194 VIII. Compliance-Stelle bzw. Compliance-Beauftragter . . . . . 196 1.) Rechtliche Verankerung und Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses . . . . . . . . . . . 196 2.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses . . 197
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a.) Unabhängigkeit von der Geschäftsführung . . . . 197 b.) Unabhängigkeit von anderen Abteilungen . . . . . 199 c.) Finanzielle Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . 199 d.) Weitere mögliche Konkretisierungen . . . . . . . . 200 IX. Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 2.) Einordnung des Unabhängigkeitserfordernisses für Aufsichtsräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 a.) Das besondere Spannungsverhältnis zwischen Unabhängigkeit und Sachkunde im Fall des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 b.) Einfluss des angloamerikanischen Rechts: Der „independent director“ . . . . . . . . . . . . 202 3.) Schutzzweck der Unabhängigkeitserfordernisse . . . . 204 4.) Konkretisierung der Unabhängigkeitserfordernisse . . . 205 a.) Vorschriften des Aktiengesetzes . . . . . . . . . . 205 b.) Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) . 207 c.) Kommissionsempfehlung . . . . . . . . . . . . . . 209 5.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit . . . . . . . . . 212 a.) (Ehemalige) Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . 213 b.) Arbeitnehmer im Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . 213 c.) Vertreter des Mehrheitsaktionärs im Aufsichtsrat . 216 d.) Familienmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 e.) Besonderheiten bei externen Kapitalverwaltungsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 6.) Exkurs: Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen § 100 Abs. 5 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . 220 X. Mitglieder des Gläubigerausschusses . . . . . . . . . . . . 223 1.) Der Gläubigerausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 2.) Das Unabhängigkeitserfordernis . . . . . . . . . . . . 224 3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses . . 224 4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit . . . . . . . . . 226 Teil 3: Besondere Regeln zu Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . 227 § 6 Systematisierung der besonderen Regelungen . . . . . . . . . . . 229 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 II. Konfliktoffenlegung - Anzeige- und Offenlegungspflichten . 230 III. Konfliktvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 1.) Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 2.) Begrenzung des Handlungsspielraums . . . . . . . . . 234
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3.) Vorübergehende Ersetzung des Interessenwahrers . . . 234 4.) Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 5.) Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen . 236 6.) Inhabilitätsvorschriften und Eignungsprüfungen . . . . 237 7.) Außerdem: Selbstablehnungsrecht wegen Interessenkonflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 8.) Grenzen von Konfliktvermeidungspflichten . . . . . . 239 IV. Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 1.) Formale Konfliktlösungsprinzipien und Rangbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 2.) Geschäftschancenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 3.) Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 4.) Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses . . . 242 V. Sanktionen und Gewinnabschöpfung . . . . . . . . . . . . 243 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Abschnitt 1: Konfliktoffenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 § 7 Anzeige- und Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . 245 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 II. Grundsatz und Zweck von Anzeigeund Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 III. Rechtsgrundlage der Offenlegungspflicht . . . . . . . . . . 247 1.) Offenlegungspflicht vertraglicher Interessenwahrer . . 247 a.) § 666 Fall 1 BGB als allgemeine Rechtsgrundlage . 247 b.) Im vorvertraglichen Verhältnis, §§ 311, 241 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 248 c.) Besondere Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . 249 (i) Offenlegung bei punktuellen Interessenwahrungsverhältnissen am Beispiel des Kommissionärs . . . . . . . . . . . . . . 249 (ii) Offenlegung bei dauerhaften Interessenwahrungsverhältnissen am Beispiel des Handelsvertreters . . . . . . . . . . . . . 250 (iii) Herleitung der Offenlegungspflicht bei fehlender ausdrücklicher gesetzlicher Regelung am Beispiel des Maklers . . . . . . 250 (iv) Herleitung der Offenlegungspflicht bei fehlenden besonderen gesetzlichen Regelungen am Beispiel des Anlageberaters . . . . . . . . 252
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(v) Exkurs: Zur Rechtsprechung des BGH über die Offenlegung von Rückvergütungen . 252 (vi) Offenlegung bei Unabhängigkeitserfordernissen am Beispiel des Abschlussprüfers . . . . . . . . . . . . . . . 256 2.) Offenlegungspflichten organschaftlicher Interessenwahrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 3.) Offenlegungspflichten gesetzlicher Interessenwahrer . . 259 a.) Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 b.) Testamentsvollstrecker . . . . . . . . . . . . . . . 262 c.) Allgemeine Folgerungen für gesetzliche Interessenwahrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 4.) Offenlegungspflichten aufgrund von Aufsichtsoder Berufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 a.) Allgemeine Offenlegungspflicht nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG . . . . . . . . . . . . . . 263 b.) Aufklärungspflicht im Fall von Zuwendungen Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 c.) Offenlegung von Zuwendungen an Kapitalverwaltungsgesellschaften . . . . . . . . . 265 d.) Offenlegungspflicht für Finanzanalysten . . . . . . 266 e.) Offenlegungspflicht für Ratingagenturen . . . . . 267 f.) Schutzmaßnahmen nach § 22 Abs. 1 Berufssatzung WP/vBP . . . . . . . . . . . . . . . 268 g.) Anzeigepflicht nach § 7 und § 4 Abs. 3 der VID-Berufsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . 268 IV. Inhalt und Grenzen der Offenlegungspflicht . . . . . . . . 269 1.) Offenlegung ex ante . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 a.) Besonderheiten bei Gremienmitgliedern am Beispiel des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . 270 b.) Besonderheiten bei gesetzlichen Interessenwahrern am Beispiel des Insolvenzverwalters . . . . . . . . 271 2.) Nachträgliche Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . 271 3.) Inhalt und Umfang der Offenlegungspflicht . . . . . . 272 a.) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 b.) Art und Herkunft des Konflikts . . . . . . . . . . 274 c.) Offenzulegende Beziehungen und Umstände . . . . 275 d.) Eindeutigkeit der Darlegung . . . . . . . . . . . . 277 e.) Offensichtlichkeit oder Erkennbarkeit des Interessenkonflikts . . . . . . . . . . . . . . . 278 f.) Verallgemeinerung der vorangegangenen Befunde . 280 4.) Grenzen von Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . 281
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a.) Offenlegungspflicht und Verschwiegenheitspflicht . 281 b.) Offenlegungspflicht und gesetzliche Verbote . . . . 283 c.) Beschränkung der Offenlegungspflicht bei angemessener Organisation . . . . . . . . . . . . 284 5.) Abdingbarkeit der Offenlegungspflicht . . . . . . . . . 285 V. Auskunfts- und Rechenschaftsanspruch . . . . . . . . . . 287 1.) Auskunftsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 2.) Rechenschaftsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 Abschnitt 2: Konfliktvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 § 8
Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 II. Grundsatz und rechtliche Verankerung . . . . . . . . . . . 293 III. Vertraulichkeitsbereiche (Informationsbarrieren) . . . . . . 295 1.) Funktion von Informationsbarrieren . . . . . . . . . . 295 2.) Aufbau und Elemente von Vertraulichkeitsbereichen . . 296 3.) Keine Informationsbarrieren auf der Ebene der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 4.) Wall crossing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 a.) Informationsaustausch . . . . . . . . . . . . . . . 302 b.) Personalwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 5.) Zivilrechtliche Bedeutung von Informationsbarrieren . 304 a.) Wissenszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 (i) Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . 305 (ii) Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 (iii) Gesellschafter von Personengesellschaften . . 307 b.) Folgerungen für die Wirksamkeit von Informationsbarrieren . . . . . . . . . . . . . . . 307 (i) Äußere Grenzen für die Wissenszurechnung – Umsetzung von Weitergabeverboten . . . . . 307 (ii) Anerkennung von Informationsbarrieren in Bezug auf Interessenkonflikte im Rahmen des kapitalmarktrechtlichen Aufsichtsrechts . 308 (iii) Übertragung auf andere Fälle des Berufsund Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 310 (iv) Absicherung mit Hilfe des Schweizer Ansatzes: Das bei Dritten geweckte Vertrauen 310 (v) Verallgemeinerung über das Aufsichts- und Berufsrecht hinaus: Informationsbarrieren und Wissensorganisationspflicht . . . . . . . 311
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6.) Auswirkung auf Offenlegungs- und Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 IV. Beobachtungsliste, Verbots- oder Sperrliste und Konfliktliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 1.) Beobachtungsliste (watch list) . . . . . . . . . . . . . 314 2.) Verbots- bzw. Sperrliste (restricted list) . . . . . . . . . 316 3.) Konfliktliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 V. Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 VI. Ausschüsse als Organisationsmaßnahme gegen Interessenkonflikte im Gesellschaftsrecht . . . . . . 320 VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 § 9 Beschränkung des Handlungsspielraums . . . . . . . . . . . . . 324 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 II. Verbot des Insichgeschäfts nach § 181 BGB . . . . . . . . . 324 1.) Grundsatz und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 2.) § 181 BGB als vertretungsbezogene Interessenkonfliktregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 a.) Keine allgemeine Interessenkonfliktregelung . . . . 326 b.) § 181 BGB als vertretungsspezifische Ausprägung allgemeiner Rechtsgedanken zur Interessenwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 3.) Anwendungsbereich von § 181 BGB . . . . . . . . . . 327 4.) Ausnahmen von § 181 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 330 a.) Gestattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 b.) Erfüllung einer Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . 334 5.) Teleologische Korrektur von § 181 BGB . . . . . . . . 335 a.) Normrestriktion, Ausweitung der Ausnahmen . . . 336 b.) Ausweitung von § 181 BGB . . . . . . . . . . . . . 337 6.) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 III. Mit § 181 BGB vergleichbare Beschränkungen . . . . . . . 339 1.) Selbsteintritt des Kommissionärs . . . . . . . . . . . . 339 2.) Beschränkungen der Tätigkeit des Testamentsvollstreckers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 IV. Zeitpunktbezogene Verbote bestimmter Geschäfte . . . . . 341 1.) Verbotenes Vorlaufen (front running) . . . . . . . . . 341 2.) Abgrenzung zum erlaubten Eigenhandel und Eigengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 V. Exkurs: Vorgaben für die Art und Weise der Ausführung eines Geschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344
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§ 10 Vorübergehende Ersetzung des Interessenwahrers . . . . . . . . 346 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 II. Gesetzliche Interessenwahrer . . . . . . . . . . . . . . . . 346 1.) Ergänzungspfleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 2.) Sonderinsolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . 347 III. Organschaftliche Interessenwahrer . . . . . . . . . . . . . 349 1.) Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 2.) Zuständigkeitsverlagerung auch bei Geschäften mit Aufsichtsratsmitgliedern de lege ferenda . . . . . . . . 352 3.) Wahl und Bestellung des Abschlussprüfers . . . . . . . 353 a.) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 b.) Grenzen abweichender Satzungsbestimmungen bei der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 § 11 Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 II. Grundsatz, Schutzzwecke und dogmatische Verankerung . 357 1.) Grundsatz und rechtliche Verankerung . . . . . . . . . 357 2.) Schutzzwecke des Wettbewerbsverbots . . . . . . . . . 358 3.) Der präventive Charakter von Wettbewerbsverboten . . 359 4.) Das Wettbewerbsverbot als „verdichtete“ Interessenwahrungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 III. Gesetzlich normierte Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . 361 1.) Das Wettbewerbsverbot für Vorstände im Aktienrecht . 361 2.) Das Wettbewerbsverbot für den Handlungsgehilfen . . 364 IV. Analoge Anwendung der Wettbewerbsverbote . . . . . . . 365 1.) Keine Analogie im Fall des Kommissionärs . . . . . . . 366 2.) GmbH-Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . 367 3.) Handelsvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 V. Beschränkungen und Abdingbarkeit von Wettbewerbsverboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 1.) Enge Auslegung und zeitliche Grenzen . . . . . . . . . 370 2.) Befreiung von Wettbewerbsverboten . . . . . . . . . . 372 a.) Einwilligung des Aufsichtsrats bzw. des Prinzipals . 372 b.) Verschärfung oder Abbedingen von Wettbewerbsverboten . . . . . . . . . . . . . . . 374 VI. Wettbewerbsverbote und Konzern . . . . . . . . . . . . . 376 1.) Kein unmittelbares Wettbewerbsverbot gegenüber den beherrschten Unternehmen . . . . . . . . . . . . . 376
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2.) Ausweitung des Wettbewerbsverbots gegenüber der herrschenden Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . 377 VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 § 12 Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen im Berufsrecht 379 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 II. Vertretungsverbot für den Rechtsanwalt nach § 43a Abs. 4 BRAO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 1.) Zweck der Regelung in § 43a Abs. 4 BRAO . . . . . . 380 2.) „Vertreten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 a.) Weites Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . 382 b.) Keine Erstreckung auf die Anbahnung von Mandatsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . 383 c.) Durch den Rechtsanwalt . . . . . . . . . . . . . . 384 d.) Unabdingbarkeit des Vertretungsverbots . . . . . . 384 3.) „Dieselbe Rechtssache“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 4.) Nichtanwaltliche Vorbefassung . . . . . . . . . . . . 388 III. Steuerberater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 1.) Beschränkung auf „dieselbe Steuerrechtssache“ . . . . 391 2.) Unabdingbarkeit des Vertretungsverbots . . . . . . . . 392 3.) Bedeutung für Tätigkeiten außerhalb des Vorbehaltsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 4.) Interessenkonfliktregelung in § 6 BOStB . . . . . . . . 393 IV. Wirtschaftsprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 1.) Unabdingbarkeit des Vertretungsverbots vor dem Hintergrund des Wortlauts von § 53 WiPrO . . . 395 2.) Vertretung mehrerer Mandanten, deren Interessen nicht widerstreiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 V. Erstreckung auf Mitglieder einer Berufsausübungsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . 399 1.) Rechtsanwälte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 a.) Teleologische Extension von § 43a Abs. 4 BRAO . 400 b.) Ausnahme bei Beauftragung eines bestimmten Sozietätsmitglieds durch den Mandanten . . . . . 402 c.) Übertragung auf andere Rechtsformen der beruflichen Zusammenarbeit . . . . . . . . . . 404 d.) Wechsel der Berufsausübungsgemeinschaft – „Sozietätswechsel“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 (i) Wechsel des vorbefassten Anwalts . . . . . . 406 (ii) Wechsel des nicht vorbefassten Anwalts . . . . 408 e.) Regelung in § 3 Abs. 2 und Abs. 3 BORA . . . . . 409 2.) Steuerberater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411
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3.) Wirtschaftsprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 § 13 Inhabilitätsvorschriften und Eignungsprüfungen . . . . . . . . . 416 I. Inhabilitätsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 1.) Abschlussprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 a.) Rechtliche Verankerung und Schutzzweck . . . . . 416 (i) Die Regelbeispiele in § 319 Abs. 3 HGB . . . . 417 (ii) Die Regelbeispiele in § 319a Abs. 1 HGB . . . 421 b.) Der Interessenkonflikt des „Richtens in eigener Sache“ – Abgrenzung von „Mitwirkung“ und „Beratung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 c.) Das Spannungsverhältnis zwischen Interessenkonflikt und Sachkunde . . . . . . . . . . . . . . 426 (i) Verhaltensökonomische Befunde . . . . . . . 427 (ii) Parallele Beratung . . . . . . . . . . . . . . . 428 (1) Gefahren der Beratung für die Abschlussprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 (2) Ablehnung eines Beratungsverbots . . . . 429 (3) Offenlegungspflicht und Beschränkung der möglichen Einnahmen . . . . . . . . 431 (4) Keine Übertragung der Zuständigkeit auf den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . 432 (iii) Prüferrotation . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 d.) Wiederkehrende Bestellung, Honorar und sog. low balling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 2.) Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 a.) Der Interessenkonflikt wegen Richtens in eigener Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 (i) Keine Selbstüberwachung . . . . . . . . . . . 438 (ii) Keine Überwachung des übergeordneten eigenen Überwachers . . . . . . . . . . . . . 440 (iii) Keine Überkreuzüberwachung . . . . . . . . 441 b.) Interessenkonflikt versus Sachkunde: Der Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat . . 442 c.) Inhabilität bei der KGaA . . . . . . . . . . . . . . 446 d.) Keine ungeschriebene Inhabilität am Beispiel der Aufsichtsratsmandate in Konkurrenzunternehmen 446 3.) Mitglieder des WEG-Verwaltungsbeirats . . . . . . . . 448 4.) Allgemeine Folgerungen für Inhabilitätsvorschriften . . 449 II. Gerichtliche Eignungsprüfungen . . . . . . . . . . . . . . 451 1.) Vormund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451
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2.) Betreuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 3.) Pfleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 4.) Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 III. Aufsichtsbehördliche Eignungsprüfungen . . . . . . . . . . 455 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 Abschnitt 3: Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 § 14 Formale Konfliktlösungsprinzipien und Rangbestimmungen . . . 459 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 II. Regelung von Verteilungskonflikten . . . . . . . . . . . . 459 1.) Konflikte zwischen Interessen verschiedener Geschäftsherren auf derselben „Marktseite“ . . . . . . 459 2.) Überblick über die Lösungsmöglichkeiten . . . . . . . 460 III. Prioritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 1.) Ökonomische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . 463 2.) Rechtliche Verankerung . . . . . . . . . . . . . . . . 463 a.) Rechtliche Verankerung im Fall der Kommission . 464 b.) Übertragung auf andere vertragliche Interessenwahrungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 465 c.) Der Prioritätsgrundsatz im WpHG . . . . . . . . 466 3.) Geltungsgrund im Fall gesetzlicher Interessenwahrungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 4.) Bestimmung des für das Prioritätsprinzip relevanten Zeitpunkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 5.) Pflicht zur „ranggerechten“ Erfüllung und ihre Grenzen 469 6.) Das Prioritätsprinzip und Eigeninteressen des Interessenwahrers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 7.) Erlaubte Abweichungen vom Prioritätsprinzip . . . . . 473 IV. Gleichbehandlungsgrundsatz und Pro rata Verteilung . . . 475 1.) Beschränkte Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 2.) Gleichbehandlungspflicht des Interessenwahrers . . . . 476 a.) Keine Rechtfertigung mittels Vergleichs mit beschränkten Gattungsschulden . . . . . . . . 476 b.) Im selben Zeitpunkt entstandene gleichgerichtete Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 c.) Vertraglich übernommene Verpflichtung zur Gleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . 478 d.) Auswirkung von organisatorischen Trennungen auf den Gleichbehandlungsgrundsatz . . . . . . . 479 e.) Quotenmäßige Verteilung, Losentscheid . . . . . . 479
XXVIII
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V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 § 15 Geschäftschancenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 II. Grundsatz und rechtliche Verankerung . . . . . . . . . . . 484 III. Schutzzweck im Vergleich zu Wettbewerbsverboten . . . . 484 1.) Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Geschäftschancenlehre und Wettbewerbsverbot . . . . 485 2.) Geschäftschancenlehre und Wettbewerbsverbote als unterschiedliche Verbote von geschäftsbezogenen Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 IV. Zuordnung der Geschäftschance zur Gesellschaft . . . . . 487 1.) Zuordnung im US-amerikanischen Recht . . . . . . . 487 2.) Zuordnung im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . 490 a.) Abgrenzung anhand konkreter Geschäftsaussichten 490 b.) Keine Abgrenzung anhand des Tätigkeitsbereichs . 492 c.) Keine Abgrenzung anhand der „Wesentlichkeit“ für die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 d.) Geschäftschancen und Konzern . . . . . . . . . . 494 e.) Abgrenzung zu anderen Interessenwahrungspflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 3.) Differenzierte Anwendung der Geschäftschancenlehre . 495 a.) Nicht nach Gesellschaftsformen . . . . . . . . . . 495 b.) Nach der Stellung des Interessenwahrers . . . . . . 496 c.) Nach der Öffnung der Interessensphäre . . . . . . 497 d.) Geschäftschancenlehre und Kollision mehrerer Interessenwahrungsverhältnisse am Beispiel kollidierender Aufsichtsratsmandate . . . . . . . . 497 V. Zuordnung von Geschäftschancen zum Interessenwahrer . 499 1.) Unvermögen der Chancennutzung, insbesondere nicht ausreichende Finanzmittel . . . . . . . . . . . . 499 2.) Private Kenntniserlangung . . . . . . . . . . . . . . . 500 3.) Wahrnehmung nach Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 4.) Freigabe durch den Geschäftsherrn bzw. die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 5.) Abdingbarkeit des Verbots, Geschäftschancen wahrzunehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506
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§ 16 Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen . . . 508 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 II. Allgemeines zu Stimmverboten . . . . . . . . . . . . . . . 508 1.) Willensbildung bei Gremien – Beschluss und Stimmrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 2.) Zweck von Stimmverboten . . . . . . . . . . . . . . . 509 3.) Stimmverbot als Maßnahme bei punktuellen Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 III. Rechtsgrundlage für Stimmverbote . . . . . . . . . . . . . 511 1.) Stimmverbot für den Vereinsvorstand . . . . . . . . . 511 2.) Stimmverbote für Aufsichtsratsmitglieder und ihre Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . 512 a.) Stimmverbote nach § 142 Abs. 1 AktG und § 285 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . 513 b.) Grundsatz von Treu und Glauben sowie § 181 BGB 514 c.) Gesetzesanalogie zu § 34 BGB . . . . . . . . . . . 515 d.) Rechtsanalogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 e.) Vergleich Gesetzes- und Rechtsanalogie . . . . . . 517 3.) Kein allgemeines Stimmverbot bei Interessenkonflikten für Aufsichtsräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 4.) Stimmverbote für Vorstandsmitglieder der AG . . . . . 520 5.) Stimmverbote für Mitglieder des Gläubigerausschusses 521 a.) Besonderheiten bei Interessenkonflikten von Gläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 b.) Bedürfnis und Rechtsgrundlage für Stimmverbote . 521 IV. Zum Anwendungsbereich von Stimmverboten . . . . . . . 523 1.) Anknüpfung an abstrakte Interessenkonflikte . . . . . 523 a.) Insichgeschäfte bzw. Rechtsgeschäfte mit der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 b.) Richten in eigener Sache und Rechtsstreit mit der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 524 2.) Stimmverbote erfordernde Näheverhältnisse bei Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . 526 a.) Erfordernis der Berücksichtigung von Näheverhältnissen für Stimmverbote . . . . . . . . . . 526 b.) Dritter als Vertreter des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 c.) Vertrag zugunsten Dritter und Bürgschaft . . . . . 527 d.) Aufsichtsratsmitglied als gleichzeitiger Vertreter einer Drittgesellschaft oder eines sonstigen Dritten mit kollidierenden Interessen . . . . . . . . . . . . 528 e.) Beherrschung der Drittgesellschaft . . . . . . . . . 530
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f.) Die in § 115 AktG genannten Personen . . . . . . 531 g.) Entsender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 h.) Befreiung vom Wettbewerbsverbot nach § 88 AktG und Rückwirkungen auf daran interessierte Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . 533 i.) Näheverhältnisse, die keine Stimmverbote begründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 3.) Stimmverbote erfordernde Näheverhältnisse bei Gläubigerausschussmitgliedern . . . . . . . . . . . 535 V. Besonderheiten bei Organakten . . . . . . . . . . . . . . . 537 1.) Grundsätzliche Herangehensweise bei Organakten . . 537 2.) Ausnahme im Fall der Abberufung aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 VI. Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds in den Vorstand . . . . . 540 VII. Recht zur Stimmenthaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 1.) Pflicht zur Abstimmung versus Möglichkeit der Stimmenthaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 2.) Orientierung an den Interessen der Gesellschaft . . . . 544 VIII. Teilnahmeverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546 1.) Kein automatischer Teilnahmeausschluss im Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 2.) Teilnahmeausschluss im Aufsichtsrat bei konkreter Gefahr für die zu schützenden Interessen . . . . . . . . 548 3.) Ermöglichung einer unbefangenen Diskussion . . . . . 549 4.) Teilnahmeausschluß im Gläubigerausschuss . . . . . . 550 IX. Verfahrensfragen und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . 550 1.) Zuständigkeit für die Feststellung von Stimmverboten . 550 a.) Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 b.) Gläubigerausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 2.) Drohende Beschlussunfähigkeit des Gremiums . . . . . 552 3.) Auswirkungen auf den Beschluss bei Abstimmung trotz Stimmverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 a.) Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 b.) Gläubigerausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 4.) Entfallen der business judgment rule . . . . . . . . . . 554 X. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555 § 17 Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses . . . . . . . . 558 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 558 II. Beendigung durch den Geschäftsherrn . . . . . . . . . . . 558 1.) Vertragliche Interessenwahrungsverhältnisse . . . . . . 558 a.) Widerruf oder Kündigung . . . . . . . . . . . . . 558
Inhaltsverzeichnis
XXXI
b.) Teilbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560 2.) Das Ersetzungsverfahren im Fall des Abschlussprüfers . 561 3.) Organschaftliche bzw. gremienbezogene Interessenwahrungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563 a.) Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . 563 b.) Entlassung eines Mitglieds des Gläubigerausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564 4.) Gesetzliche Interessenwahrungsverhältnisse . . . . . . 565 a.) Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 b.) Vormund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566 c.) Betreuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 d.) Pfleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568 e.) Testamentsvollstrecker . . . . . . . . . . . . . . . 568 III. Beendigung durch den Interessenwahrer . . . . . . . . . . 569 1.) Beendigungsrecht des Interessenwahrers . . . . . . . . 570 a.) Kündigung bei vertraglichen Interessenwahrungsverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 b.) Amtsniederlegung bei organschaftlichen Interessenwahrungsverhältnissen . . . . . . . . . . 570 c.) Beendigung bei gesetzlichen Interessenwahrungsverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 d.) Der besondere Fall der Kündigung durch den Abschlussprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . 572 e.) Der wichtige Grund bei der Beendigung durch den Interessenwahrer . . . . . . . . . . . . . . . . 573 2.) Beendigungspflicht des Interessenwahrers . . . . . . . 574 a.) Rechtsanwalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 b.) Wirtschaftsprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 c.) Aufsichtsratsmitglied . . . . . . . . . . . . . . . . 575 d.) Einordnung der Beendigungspflicht . . . . . . . . 576 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577 Abschnitt 4: Sanktionen und Gewinnabschöpfung . . . . . . . . . . . 579 § 18 Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 II. Schadensersatzhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 1.) Spezielle gesetzliche Schadensersatzregelungen . . . . . 579 2.) Allgemeine Schadensersatzregelungen . . . . . . . . . 580 a.) Nicht nachholbare Interessenwahrnehmung . . . . 580 b.) Nachholbare Interessenwahrnehmung . . . . . . . 581 c.) Vertretenmüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582
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III. Verwirkung der Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 IV. Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses als Sanktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584 V. Öffentlichrechtliche und strafrechtliche Sanktionen . . . . 585 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 § 19 Gewinnabschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588 II. Grundsatz und gesetzliche Verankerung der Gewinnherausgabepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . 588 1.) Grundnorm in § 667 Fall 2 BGB . . . . . . . . . . . . 588 2.) § 687 Abs. 2 BGB als ungeeignete Rechtsgrundlage für die Gewinnabschöpfung . . . . . . . . . . . . . . 590 III. Zweck der Gewinnherausgabepflicht . . . . . . . . . . . . 590 IV. Voraussetzungen, Umfang, analoge Anwendung . . . . . . 591 1.) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591 a.) Bestehen eines Interessenwahrungsverhältnisses . . 591 b.) „Aus der Geschäftsbesorgung erlangt“ . . . . . . . 592 (i) „Innerer Zusammenhang“ mit der Geschäftsbesorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 592 (ii) Gefahr eines Interessenkonflikts als Voraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 c.) Kein Verschulden erforderlich . . . . . . . . . . . 594 2.) Umfang der Herausgabepflicht . . . . . . . . . . . . . 596 3.) Analoge Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597 a.) Grundsätzliche Möglichkeit einer Rechtsanalogie . 597 b.) Gewinnherausgabe beim Handelsvertreter . . . . . 598 V. Einzelheiten am Beispiel der Herausgabe von durch Dritte geleisteten Provisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600 1.) Keine Verdrängung durch privatrechtliche Pflichten . . 601 a.) Keine Verdrängung durch Schadensersatzpflicht . . 601 b.) Keine Beschränkung durch Vertriebsvereinbarung . 602 c.) Keine Verdrängung durch Aufklärungspflicht . . . 603 (i) Aufklärungspflicht bei Zuwendungen . . . . . 604 (ii) Auswirkungen der Aufklärung auf die Herausgabepflicht . . . . . . . . . . . . . . . 605 (iii) Verhaltensökonomische Erwägungen . . . . . 606 2.) Keine Einschränkung durch Aufsichtsund Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607 a.) Keine Beschränkung von § 384 HGB durch § 31d WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607
Inhaltsverzeichnis
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b.) Keine Beschränkung durch europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 610 Teil 4: Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 § 20 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . 613 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613 II. Allgemeine Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614 1.) Interessenwahrungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 614 2.) Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614 III. Systematisierung der besonderen Regelungen für Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 IV. Konfliktoffenlegung: Anzeige- und Offenlegungspflichten . 616 V. Konfliktvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 617 1.) Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 617 2.) Beschränkungen des Handlungsspielraums . . . . . . . 618 3.) Vorübergehende Ersetzung des Interessenwahrers . . . 619 4.) Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . 620 5.) Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen im Berufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621 6.) Inhabilitätsregeln und Eignungsprüfungen . . . . . . . 622 VI. Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623 1.) Formale Konfliktlösungsprinzipien und Rangbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623 2.) Geschäftschancenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . 624 3.) Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 625 4.) Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses . . . 626 VII. Sanktionen und Gewinnabschöpfung . . . . . . . . . . . . 627
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 691
Abkürzungsverzeichnis . . .G . . .gesetz A. A. / a. A. anderer Ansicht a.a.O. am angegebenen Ort a. E. am Ende alte Fassung a. F. a. M. am Main ABl. Amtsblatt ABlEG Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ABlEU Amtsblatt der Europäischen Union Abs. Absatz / Absätze Abschn. Abschnitt(e) Acct. Accounting Acct. & Fin. Accounting & Finance Acct. Rev. The Accounting Review Archiv für die civilistische Praxis AcP AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AG Aktiengesellschaft / Die Aktiengesellschaft / Amtsgericht AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen ähnl. ähnlich AJP/PJA Aktuelle Juristische Praxis AktG Aktiengesetz Ala. Alabama/Alabama Reports ALR Allgemeines Landrecht A. L. R. (3rd,4th) The American Law Reports (Third, Forth Series) The American Economic Review Am. Econ. Rev. Am. Law & Econ. Rev. American Law and Economics Review Am. Psych. American Psychologist amtl. amtlich Anh. Anhang Anm. Anmerkung Ann. Rev. Psychol. Annual Review of Psychology AnwBl Anwaltsblatt AnwG Anwaltsgericht(shof) Apr. April AR Aufsichtsrat ArbAR Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder Art. Artikel Aufl. Auflage BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
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Abkürzungsverzeichnis
BankR Bankrecht Bankrechts-Hdb Bankrechts-Handbuch BAWe Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel Bayerisches Oberlandesgericht in Zivilsachen BayObLGZ BB Betriebs-Berater Bd. Band Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. BDI BDSG Bundesdatenschutzgesetz BeckBilKomm Beck’scher Bilanz-Kommentar Beck’sches Handbuch der AG BeckHdbAG Begr. Begründung / Begründer BegrRegE Begründung zum Regierungsentwurf Beil. Beilage Beitr. Beiträge BeurkG Beurkundungsgesetz BFHE Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs BFuP Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis BG Bundesgericht BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHSt Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofes in Strafsachen BGHZ Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts BilMoG BilReG Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und AchBiRiLiG ten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts BKR Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht BNotO Bundesnotarordnung BO StB Berufsordnung der Bundes-Steuerberaterkammer BORA Berufsordnung für Rechtsanwälte börsennot. börsennotiert/e BR-Drs. Bundesratsdrucksache BR-Drucks. Drucksachen des Bundesrats BRAK Bundesrechtsanwaltskammer BRAK-Mitt. BRAK-Mitteilungen (Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer) BRAO Bundesrechtsanwaltsordnung BReg Bundesregierung Brook. J. Int’l L. Brooklyn Journal of International Law Brook. L. Rev. Brooklyn Law Review BS WP Berufssatzung der Wirtschaftsprüferkammer
Abkürzungsverzeichnis
BS WP/vBP
XXXVII
Satzung der Wirtschaftsprüferkammer über die Rechte und Pflichten bei der Ausübung der Berufe des Wirtschaftsprüfers und des vereidigten Buchprüfers bspw. beispielsweise BT-Drs. Bundestagsdrucksache BuB Bankrecht und Bankpraxis The Business Lawyer Bus. Law. BVerfG Bundesverfassungsgericht BvR Aktenzeichen einer Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise C. F. R. Code of Federal Regulations Cal. L. Rev. California Law Review Cas. Cases CCA Circuit Court of Appeals CCH Fed. Sec. L. Rep. Federal Securities Law Reporter (Commerce Clearing House) Corporate Compliance Zeitschrift CCZ Committee of European Securities Regulators CESR ch. chapter(s) c.i.c. culpa in contrahendo Cir. Circuit Co. Company Colum. Bus. L. Rev. Columbia Business Law Review Colum. J. Eur. L. Columbia Journal of European Law Colum. L. Rev. Columbia Law Review Cornell International Law Journal Cornell Int. L. J. Cornell L. Rev. Cornell Law Review Corp. Corporation CPO Civilprozeßordnung Ct. Court Court of Appeals Ct.App. D. C. Cir. District of Columbia Circuit d. h. das heißt DAI Deutsches Aktieninstitut e.V. DAV Deutscher Anwaltsverein DB Der Betrieb DBW Die Betriebswirtschaft DCGK Deutscher Corporate Governance Kodex Dec. December Del. Delaware Delaware Chancery Court Del. Ch. Del. J. Corp. L. Delaware Journal of Corporate Law ders. derselbe DG Directorate General dies. dieselbe(n) diesbzgl. diesbezüglich
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Abkürzungsverzeichnis
DIHK Deutscher Industrie- und Handelskammertag Diss. Dissertation DJT Deutscher Juristentag Deutsche Notar-Zeitschrift DNotZ Doc. Document DrittelbG Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat DRiZ Deutsche Richterzeitung DStR Deutsches Steuerrecht Deutsch-Deutsche Rechts-Zeitschrift DtZ DZWIR Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht EBOR European Business Organization Law Review Ed. / Eds. Edition / Editor(s) EEC European Economic Community EG Europäische Gemeinschaft(en) EGH Ehrengerichtshof Einl. Einleitung endg. endgültig ERCL European Review of Contract Law Erwägung (Nummerierung in Urteilen des Schweizer BunErw. desgerichts) EStG Einkommenssteuergesetz ESUG Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen et alii et al. et seq. et sequens / et sequentia etc. et cetera Europäische Union EU EUV Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EuZW EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWiR Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht folgende f. / ff. FF Forum Familienrecht F. Supp. Federal Supplement F.2d Federal Reporter, Second Series F.3d Federal Reporter, Third Series FamFG Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit FamRZ Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Feb. Februar / February Fed. Reg. No. Federal Register Number Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen GerichtsFGG barkeit Fin. Finance/Financial FinAnV Verordnung über die Analyse von Finanzinstrumenten Fla. Florida Fla. L. Rev. Florida Law Review
Abkürzungsverzeichnis
XXXIX
Fn. Fußnote(n) FR Federal Register FRUG Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission FS Festschrift Georgia/Georgia Reports Ga. GbR Gesellschaft bürgerlichen Rechts GDV Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. GenG Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Geo. Georgia Geo. J. Legal Ethics Georgetown Journal of Legal Ethics GesR Gesellschaftsrecht GesRZ Der Gesellschafter – Zeitschrift für Gesellschafts- und Unternehmensrecht ggf. gegebenenfalls GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter HafGmbHG tung GmbHR GmbH-Rundschau grds. grundsätzlich Großkomm. Großkommentar GroßkommAktG Großkommentar Aktiengesetz (hrsg. v. Hopt/Wiedemann) GroßkommGmbHG Großkommentar GmbH-Gesetz (hrsg. v. Ulmer/Habersack/ Löbbe) GroßkommHGB Großkommentar Handelsgesetzbuch GS Gedächtnisschrift GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen GWR Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht GWU George Washington University HandelsR Handelsrecht Harv. L. Rev. Harvard Law Review Harv. Bus. Rev. Harvard Business Review Hdb Handbuch HdbAG Handbuch der Aktiengesellschaft HdR Handbuch der Rechnungslegung HGB Handelsgesetzbuch hins. hinsichtlich HK Heidelberger Kommentar HK-InsO Handkommentar Insolvenzordnung Hrsg. Herausgeber Hs. Halbsatz HWB Handwörterbuch der Betriebswirtschaft im Sinn des/der i. S. d. i. S. v. im Sinne von i. V. m. in Verbindung mit
XL
Abkürzungsverzeichnis
IA Insolvency Act Ia. Iowa ICCLJ International and Comparative Corporate Law Journal Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. IDW IDW PS IDW Prüfungsstandard IFAC International Federation of Accountants Illinois Business Journal Ill. B. J. insb. insbesondere InsO Insolvenzordnung InsR Insolvenzrecht InsVV Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung Int.’l Rev. L. & Econ. International Review of Law & Economics InvG Investmentgesetz IOSCO International Organization of Securities Commissions Iowa L. Rev. Iowa Law Review IR Insolvency Rules JZ JuristenZeitung J. Journal J. Acct. Lit. The International Journal of Accounting Journal of Accounting Research J. Acct. Res. J. Behav. Dec. Making Journal of Behavioral Decision Making J. Bus. Journal of Business J. Corp. L. Journal of Corporation Law J. of Consumer Research Journal of Consumer Research J. Econ. Behav. Organ. Journal of Economic Behavior & Organization J. Econ. Lit. Journal of Economic Literature J. Econ. Persp. Journal of Economic Perspectives Journal of Experimental Psychology J. Exper. Psychol. J. Fin. The Journal of Finance Journal of Financial Economics J. Fin. Econ. J. Fin. Lit. Journal of Finacial Literature J. L. & Econ. Journal of Law and Economics Journal of Law, Economics, and Organization J. L. Econ. & Org J. L. Med. & Ethics Journal of Law, Medicine & Ethics J. Leg. Stud. Journal of Legal Studies J. Personality & Journal of Personality & Social Psychology Social Psychology J. Pol. Econ. Journal of Political Economy J. Risk & Uncertainty Journal of Risk & Uncertainty JAE Journal of Accounting and Economics Jan. Januar / January Jb. f. Jahrbuch für Journal of Corporate Law Studies JCLS JfB Journal für Betriebswirtschaft Jg. Jahrgang JhJb Jherings Jahrbücher JuS Juristische Schulung JW Juristische Wochenschrift
Abkürzungsverzeichnis
XLI
JZ Juristenzeitung KAGB Kapitalanlagegesetzbuch Kap. Kapitel KapitalanlageR Kapitalanlagerecht KG Kammergericht, Kommanditgesellschaft KGaA Kommanditgesellschaft auf Aktien KMRK Kapitalmarktrechts-Kommentar KO Konkursordnung KölnKommAktG Kölner Kommentar zum Aktiengesetz Kölner Kommentar zum Wertpapierhandelsgesetz KölnKommWpHG KOM Europäische Kommission KostO Gesetz über die Kosten in Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (Kostenordnung) krit. kritisch(e) KTS Zeitschrift für Insolvenzrecht Konkurs Treuhand Sanierung KWG Kreditwesengesetz Law Commission LAW COM Law & Contemp. Probs. Law & Contemporary Problems Lieferung L fg lit. litera Losebl. Loseblatt LPartG Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft Ltd. / ltd. Limited / limited m. w. N. mit weiteren Nachweisen MaComp Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen Allgemeine Organisatorische Anforderungen für WertpaMaComp AT pierdienstleistungsunternehmen nach § 33 Abs. 1 WpHG MaKonV Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation Mass. Massachussetts MDR Monatsschrift für Deutsches Recht Mgmt. Management Mich. Michigan Michigan YBI Legal Stud. Michigan Yearbook of Legal Studies MiFID Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente Minn. Minnesota Mio. Million(en) Miss. Mississippi Mitbest. Mitbestimmung MitbestG Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer MitbestR Mitbestimmungsrecht Mot. Motive Mrd. Milliarde(n) Münch. Hdb. Münchener Handbuch
XLII
Abkürzungsverzeichnis
MünchHdb GesR Münchener Handbuch zum Gesellschaftsrecht MünchKommAktG Münchener Kommentar zum Aktiengesetz MünchKommBGB Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch MünchKommHGB MünchKommInsO Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung n. number North Eastern Reporter (second series) N. E.(2d) n. F. neue Fassung N. H. New Hampshire North Western Reporter (second series) N. W.(2d) N. Y. New York N. Y. S. (2d) New York Supplement (second series) N. Y. U. J. L.&Bus. NYU Journal of Law and Business N. Y. U. L. Rev. New York University Law Review NYSE New York Stock Exchange NASDAQ National Association of Securities Dealers Automated Quotation System Neb. Nebraska NJW Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report NJW-RR No. / No Number Nov. November Nr(n). Nummer(n) NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht Nw. U. L. Rev. Northwestern University Law Review NYSE New York Stock Exchange NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung NZI NZM Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht oder anderem o. a. o. ä. oder ähnliches/n o. V. ohne Verfasser Österreichisches Bankarchiv – Zeitschrift für das gesamte ÖBA Bank- und Börsenwesen OECD Organisation for Economic Co-operation and Development (dt.: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) OHG Offene Handelsgesellschaft Ohio St. L. J. Ohio State Law Journal OLG Oberlandesgericht OLGE Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiet des Zivilrechts Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen einOLGZ schließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit Org. Behav. Hum. Organizational Behavior and Human Decision Processes Decision Processes Oxford J. Leg. Studies Oxford Journal of Legal Studies p. page
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XLIII
P. L. Public Law Pa. Pennsylvania / Pennsylvania Reports Pacific-Basin Fin. J. Pacific-Basin Finance Journal Para(s) Paragraph(s) PartGG Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe PLI Practising Law Institute PLI/Corp. Practising Law Institute – Corporate Law and Practice Course Handbook Series Preuß. Preußisches Prot. Protokolle Psych. Rev. Psychological Review Psychol. Bull. Psychological Bulletin Psychol. Sci.Pub. Int. Psychological Science in the Public Interest Pub. Fin. Public Finance Pub. L. Public Law PublG Publizitätsgesetz The Quarterly Journal of Economics Q. J. Econ. Q. J. Exp. Psychol. Quarterly Journal of Experimental Psychology r. rule RabelsZ Rabels Zeitschrift Rdnr. Randnummer RdW Das Recht der Wirtschaft RechtsA Rechtsausschuss RegE Regierungsentwurf REMM Resourceful, Evaluating, Maximizing Man Rev. Review Review of Financial Studies Rev. Fin. Stud. RGRK Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes RGSt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RGZ RIW Recht der Internationalen Wirtschaft RPfleger Der Deutsche Rechtspfleger RVG Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte S. Seite(n) / Satz (Sätze) s. siehe / section S. Cal. L. Rev. Southern California Law Review S. D. N. Y. District Court for the Southern District of New York S. E.(2d) South Eastern Reporter (Second Series) siehe oben s. o. Sch. Schedule SEA Securites and Exchange Act Sec. Section SEC/S. E. C. Securities and Exchange Commision Sect. Section
XLIV
Abkürzungsverzeichnis
Sep. September SJZ Schweizerische Juristen-Zeitung S. M. U. L.Rev. Southern Methodist University Law Review Sloan Management Review Sloan Mgmt. Rev. So. Southern Reporter sog. so genannt(e/en/er/es) Sonderbeil. Sonderbeilage Sp. Spalte Stanford L. Rev. Stanford Law Review United States Statutes at large Stat. StB Der Steuerberater StBerG Steuerberatungsgesetz Stbg Steuerberatung StGB Strafgesetzbuch stv. stellvertretend Sup. Ct. Supreme Court / Supreme Court Reporter Sup. Jud. Ct. Supreme Judicial Court of Massachusetts Tz. Textziffer u. a. und andere / unter anderem und ähnliches u. ä. UCLA L. Rev. University of California Los Angeles Law Review U. Chi. L. Rev. University of Chicago Law Review U. Ill. L. Rev. University of Illinois Law Review U. K. United Kingdom U.Pa.L.Rev. University of Pennsylvania Law Review U. S. United States u. U. unter Umständen Uabs. Unterabsatz Urt. Urteil United States of America USA v. versus / vom / von Vand. L. Rev. Vanderbilt Law Review vor der Höhe v.d.H. VersR Versicherungsrecht – Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht VerwArch Verwaltungsarchiv – Zeitschrift für Verwaltungslehre, Verwaltungsrecht und Verwaltungspolitik vgl. vergleiche VID Verband Insolvenzverwalter Deutschland e.v. Vol. Volume Vorbem. Vorbemerkung(en) VorstandsR Vorstandsrecht(s) The Wake Forest Law Review Wake Forest L. Rev. Wash. & Lee L. Rev. Washington and Lee Law Review Wash. U. L. Q. Washington University Law Quarterly WEG Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht Williamette L. Rev. Williamette Law Review
Abkürzungsverzeichnis
WiPrO WM
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Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer Wertpapier-Mitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht WP Wirtschaftsprüfer WP-Hdb WP-Handbuch WP/vBP Wirtschaftsprüfer / vereidigte Buchprüfer Verordnung zur Konkretisierung der Verhaltensregeln WpDVerOV und Organisationsanforderungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen Die Wirtschaftsprüfung WPg. WpHG Wertpapierhandelsgesetz WPK Wirtschaftsprüferkammer WPK-Mitt. Mitteilungen der Wirtschaftsprüferkammer WPO Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer WuB Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht Yale L. J. Yale Law Journal z. zu(m) zum Beispiel z. B. z. T. zum Teil Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft ZBB ZCG Zeitschrift für Corporate Governance ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZEV Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zfbf Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziff. Ziffer ZInsO Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZIP zit. zitiert ZKA Zentraler Kreditausschuss Zeitschrift für die Notarpraxis ZNotP ZPO Zivilprozessordnung ZR Zivilrecht ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik zust. zustimmend ZVG Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung ZVglRWiss Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft ZZP Zeitschrift für Zivilprozess
Einleitung Interessenkonflikte, wie sie beim Insichgeschäft eines Vertreters, bei der gleichzeitigen Betreuung gegenläufig interessierter Kunden durch dieselbe Bank oder der Vertretung miteinander im Streit stehender Mandanten durch denselben Rechtsanwalt auftreten können, gehören zu den fundamentalen Problemstellungen der heutigen modernen Dienstleistungsgesellschaft. Angelegt sind sie in der wachsenden Komplexität der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vorgänge, die zu einer immer stärkeren Spezialisierung und Arbeitsteilung führt. Immer mehr Aufgaben werden auf Dritte übertragen, und es wird immer schwieriger, diese Personen zu kontrollieren. Oft fehlt es dem Einzelnen an Wissen, Zeit und/oder finanziellen Mitteln, um die für ihn tätigen Experten und spezialisierten Dienstleister angemessen zu überwachen. So ist er darauf angewiesen, sich auf diese Spezialisten zu verlassen. Diese nehmen regelmäßig von Berufs wegen fremde Interessen wahr und versprechen, ihre Dienstleistungen unter Zurückstellung eigener Interessen und unter Vermeidung einer unsachlichen Bevorzugung anderer fremder Interessen zu erbringen. Zu ihnen gehören z. B. Banken, Kommissionäre, Rechtsanwälte, Makler sowie Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder.1 Aber auch gesetzlich vorgesehene Interessenwahrer, wie der Vormund, Betreuer, Pfleger, Testamentsvollstrecker oder Insolvenzverwalter, können in Interessenkonflikte geraten. Dementsprechend gibt es in vielen Bereichen des Privatrechts2 Regelungen zu Interessenkonflikten, die mal mehr, mal weniger detailliert ausgeformt worden sind.
1 Vgl. dazu Hopt, ZGR 2004, 1, 2 (für eine etwas kürzere englische Version dieses Beitrags siehe ders., in: Ferrarini et al., Reforming Company and Takeover Law in Europe, S. 51). 2 Der Begriff des „deutschen Privatrechts“, wie er im Titel verwendet wird, dient nicht der Bezugnahme auf die Unterscheidung zwischen deutschem und römischem Privatrecht, die vor allem im rechtshistorischen Diskurs Bedeutung hat. Dazu statt aller Luig, Deutsches Privatrecht, in: Cordes et al., Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Sp. 993 ff. Vielmehr soll der Titel verdeutlichen, dass die vorliegende Untersuchung des international breit diskutierten Themas der Interessenkonflikte primär das deutsche Recht im Blick hat und nicht die gesamte internationale Diskussion umfassend aufarbeiten soll.
2
Einleitung
I. Problemstellung Zu den schon länger existierenden Vorschriften, wie etwa § 181 BGB, sind in Deutschland nicht zuletzt aufgrund der Umsetzung der von der EU erlassenen Richtlinien in zahlreichen Rechtsgebieten neue Interessenkonfliktregelungen hinzugekommen. So hat die Europäische Union etwa im Kapitalmarktrecht eine ganze Reihe von Vorschriften zur Regelung von Interessenkonflikten erlassen.3 Auch internationale Organisationen, wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 4 und die International Organization of Securities Commissions (IOSCO) 5, haben sich in verschiedenen Bereichen mit Interessenkonflikten und ihren Auswirkungen auseinandergesetzt und Vorschläge für deren Regelung unterbreitet. 6 Im Gesellschaftsrecht sind neben die aktiengesetzlichen Bestimmungen Empfehlungen im Corporate Governance Kodex und im Insolvenzrecht neben die Regelungen der Insolvenz ordnung Bestimmungen in den Berufsgrundsätzen für Insolvenzverwalter getreten, die sich recht detailliert mit Interessenkonflikten befassen. Die über die verschiedenen Gesetze und Rechtsgebiete verstreuten Regelungen zu Interessenkonflikten stehen dabei weitgehend für sich. Sie haben sich meist unabhängig voneinander entwickelt7 und beruhen auf keinem einheitlichen Regelungskonzept. Während in einigen Bereichen, wie dem Kapitalmarktrecht oder auch im Berufsrecht der Rechtsanwälte und Wirtschaftsprü3 Siehe z. B. Art. 13 und 18 der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.04.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABlEU Nr. L 145 vom 30.04.2004, S. 1 (im Folgenden MiFID) und die zugehörigen Implementierungsvorschriften in der Richtlinie 2006/73/EG der Kommission zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie bestimmte Begriffsdefinitionen für die Zwecke der genannten Richtlinie vom 10. Aug. 2006, ABlEU Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 26 (im Folgenden Durchführungsrichtlinie). Siehe dazu auch CESR, CESR’s Technical Advice on Possible Implementing Measures of the Directive 2004/39/EC on Markets in Financial Instruments 1st Set of Mandates, CESR/05–024c, Jan. 2005, S. 42. 4 Organisation for Economic Cooperation and Development. 5 International Organization of Securities Commissions. 6 Siehe z. B. Thompson, Conflicts of Interest and the Post-2000 Market Downturn, Fifth Roundtable of the OECD on Capital Market Reform in Asia, Tokio, 19–20 Nov. 2003, abrufbar unter http://www.oecd.org/finance/financialmarkets/19237291.pdf (Stand 28.07. 2014); OECD, Recommendation of the Council on Guidelines for Managing Conflicts of Interest in the Public Service, Juni 2003; IOSCO, Market Intermediary Management of Conflicts that Arise in Securities Offerings, Consultation Report, Feb. 2007; IOSCO, Statement of Principles for Addressing Sell-Side Securities Analyst Conflicts of Interest, Sep. 2003; IOSCO, Conflicts of Interests of CIS Operators, Report of the Technical Committee, Mai 2000. 7 Siehe dazu nur Hopt, ZGR 2004, 1, 2, Fn. 1.
I. Problemstellung
3
fer, sehr detaillierte Regelungen zu Interessenkonflikten zu finden sind, 8 sind die Regelungen in anderen Rechtsgebieten, etwa im Maklerrecht, nicht oder kaum verändert worden. Die zunehmende konzeptionelle Ausrichtung hin zu einer materiellen Anknüpfung der Regelungen zu Interessenkonflikten wird somit nur in einzelnen Rechtsgebieten vollzogen. Dies führt zu Uneinheitlichkeit und Brüchen bei den Regelungen und damit zu Rechtsunsicherheit in Kern bereichen der wirtschaftlichen Tätigkeit. Daraus ergibt sich ein erheblicher Bedarf an vertiefter Auseinandersetzung mit der rechtlichen Erfassung und den Möglichkeiten der Regulierung von Interessenkonflikten sowie an der Entwicklung eines funktional kohärenten Systems der Regelung von Interessenkonflikten. In der rechtswissenschaftlichen Forschung werden Interessenkonflikte von Fremdinteressenwahrern bisher noch kaum als einheitliches, rechtsgebietsübergreifendes Regelungsproblem wahrgenommen.9 Vielmehr werden sie jeweils für sich gesondert und ohne Rückbezug auf den Gesamtzusammenhang untersucht und gesetzlich geregelt. Das Fehlen eines einheitlichen Regelungsansatzes hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass Interessenkonflikte vielfältiger Art sind und sich in verschiedenen Rechtsgebieten in unterschiedlicher Ausprägung zeigen (etwa Eigen- versus Fremdinteressen, Fremd- versus Fremdinteressen, dauerhafte versus punktuelle Interessenkonflikte). Hinzu kommt, dass unterschiedliche Sachzusammenhänge und unterschiedliche (dogmatische) Strukturen der jeweiligen Rechtsgebiete unterschiedliche Regelungsansätze hervorgebracht haben. So sind etwa andere Lösungsansätze geeignet, wenn es um einen einzelnen Rechtsanwalt geht, der die Interessen seines Mandanten zu wahren hat, als wenn es um die Abstimmung von Aufsichtsratsmitgliedern bei der Beschlussfassung geht. Mit Ausnahme einiger spezifischer Besonderheiten in einzelnen Rechtsgebieten stellen sich aber grundsätzlich ähnliche übergreifende Fragen, die zum Teil zu ähnlichen, zum Teil aber auch zu unterschiedlichen Lösungen geführt haben. Hier lässt sich eine gewisse rechtsgebietsspezifische dogmatische Verfestigung von Rechtsstrukturen beobachten, die in einzelnen Rechtsgebieten zu gewissen „Pfadabhängigkeiten“ der Regelungsansätze geführt hat.
8 Vgl. nur §§ 31 ff. WpHG idF. des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (RiL 2004/39/EG), MiFID) und der Durchführungsrichtlinie (RiL 2006/73/EG) der Kommission (Finanzmarktrichtlinieumsetzungsgesetz) vom 16.07.2007, BGBl. 2007 I, S. 1330 v. 19.07.2007. 9 Siehe aber Hopt, ZGR 2004, 1; ders., FS Doralt, 2004, S. 213; außerdem Löhnig, Treuhand, passim.; auch Carrara, Interessenkonflikte, passim.
4
Einleitung
II. Gegenstand der Untersuchung Vor diesem Hintergrund hat die vorliegende Untersuchung zum Ziel, die zahlreichen privatrechtlichen Regelungen zur Erkennung, Vermeidung und Lösung von Interessenkonflikten sog. Fremdinteressenwahrer (z. B. Banken, Finanzdienstleistungsinstitute, Organmitglieder von Gesellschaften, Rechtsanwälte, aber auch Vormünder, Testamentsvollstrecker, Insolvenzverwalter und ganz allgemein Vertreter) zu analysieren und systematisch und funktional kohärent aufzuarbeiten. Zu den wesentlichen Regelungen, die im Folgenden untersucht werden, gehören neben den allgemeinen Bestimmungen, wie insbesondere § 181 BGB, die Vorschriften über den Maklervertrag (§§ 652 ff. BGB), den Auftrag (§§ 662 ff. BGB) und den Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 675 ff. BGB), das Kommissionsgeschäft (§§ 383 ff. HGB), die Vorschriften über den Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft (§§ 76 ff. und 95 ff. AktG), über Geschäftsführer einer GmbH (§§ 35 ff. GmbHG) sowie über Insolvenzverwalter (§§ 56 ff. InsO), aber auch die berufsrechtlichen Bestimmungen für Rechtsanwälte (z. B. §§ 43a Abs. 4, 45, 46 BRAO), Wirtschaftsprüfer (§§ 43, 49, 55 WiPrO, außerdem §§ 319 f. HGB) und die aufsichtsrechtlichen Vorschriften für Finanzunternehmen (vor allem §§ 31 ff. WpHG).
III. Methoden der Untersuchung Der Untersuchung liegt ein funktional vergleichender Ansatz zugrunde: Die Regelungen in den verschiedenen Rechtsgebieten werden anhand ihrer jeweiligen Funktionen untersucht und miteinander verglichen. Dabei werden grundlegende allgemeine Regelungen für den Umgang mit Interessenkonflikten herausgearbeitet, die in den verschiedenen Rechtsgebieten durch besondere Regelungen konkretisiert werden. Diese Regelungen wurden im Hinblick auf die Struktur des Interessenkonflikts und in Bezug auf die ihnen zugrunde liegende Regelungsstrategie (Konfliktoffenlegung, Konfliktprävention, Konfliktlösung) untersucht. Hinsichtlich der Struktur der Interessenkonflikte wurden dabei deren Art (konkret, abstrakt), die jeweils in Konflikt tretenden Interessen (Eigengegen Fremdinteressen, Fremd- gegen Fremdinteressen), die Konfliktintensität und die Dauer des Konflikts (dauerhaft, punktuell) in den Blick genommen. Die funktionale Betrachtung und die daran orientierte Systematisierung der privatrechtlichen Regelungen für den Umgang mit Interessenkonflikten bildet die Grundlage, um mit Hilfe des juristischen Instrumentariums (etwa der Analogie oder der teleologischen Reduktion von Normen) Regelungen in einzelnen Rechtsbereichen für andere Rechtsgebiete fruchtbar zu machen. So kann etwa die sog. Geschäftschancenlehre, die Organmitgliedern von Gesellschaften ver-
III. Methoden der Untersuchung
5
bietet, Erwerbschancen der Gesellschaft dieser vorzuenthalten und für sich oder Dritte zu nutzen, auf andere Interessenwahrer übertragen werden, sofern sie ähnlich umfassend die Interessenwahrung für andere übernommen haben. Des Weiteren erlaubt es etwa die Gegenüberstellung von Regelungen für dauerhafte und punktuelle Interessenkonflikte, funktionale Parallelen zwischen verschiedenen Regelungen zu ziehen. So zeigt etwa der funktionale Vergleich von Wettbewerbsverboten (dauerhafte Interessenkonflikte) und der Geschäftschancenlehre (punktuelle Interessenkonflikte), dass die Geschäftschancenlehre als eine Art „punktuelles Wettbewerbsverbot“ eingeordnet werden kann. In der Untersuchung werden des Weiteren auch Regelungen zu Interessenkonflikten in anderen Ländern in den Blick genommen. Diese werden vor allem dort berücksichtigt, wo ausländisches Recht das deutsche Recht maßgeblich beeinflusst hat. Beispielhaft hierfür seien die Regelungen und Empfehlungen zur Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern genannt, die letztlich auf den Einfluss des angloamerikanischen Rechts zurückgehen. Die „independent directors“ haben etwa in den USA – nicht zuletzt wegen der dort vorherrschenden monistischen Struktur der Gesellschaften (board), im Gegensatz zur sog. dualistischen Struktur der Gesellschaften in Deutschland (Vorstand, Aufsichtsrat) – große Bedeutung erlangt. Sie sollen vor allem eine unabhängige Überwachung der Geschäftsleitung sicherstellen. Aufgrund des andersartigen rechtlichen Umfelds in Deutschland lassen sich Zweck und Inhalt der angloamerikanischen Unabhängigkeitsregelungen nur zum Teil auf das deutsche Recht übertragen, denn die Gewährleistung einer Überwachung durch nicht mit der Geschäftsführung betraute Personen wird in Deutschland bereits durch die Trennung der Organe in Vorstand und Aufsichtsrat gewährleistet. Um die Problematik der Interessenkonflikte adäquat einordnen und daran anknüpfende sachgerechte normative Erwägungen treffen zu können, werden außerdem ökonomische Erkenntnisse berücksichtigt. Aufgrund der spezifischen Natur von Interessenkonflikten, bei denen es sich um individual-psy chische Phänomene handelt, kommt dabei vor allem verhaltensökonomischen Befunden besonderes Gewicht zu. Grundlage der Verhaltensökonomik (Behavioral Economics) sind zahlreiche, von Psychologen und Wirtschaftswissenschaftlern durchgeführte Untersuchungen über menschliches Verhalten in wirtschaftlichen Entscheidungssituationen, die eine Reihe systematischer Abweichungen vom Idealbild eines rational handelnden Individuums (sog. Anomalien oder auch „bias“) zutage gefördert haben. Hierzu gehören z. B. die selektive Wahrnehmung von Informationen oder die Neigung, die eigenen Fähigkeiten zu überschätzen. Diese Vorgänge spielen bei Interessenkonflikten eine nicht zu unterschätzende Rolle, wie sich etwa im Rahmen der Finanzkrise gezeigt hat.
6
Einleitung
IV. Gang der Untersuchung Voraussetzung für die Untersuchung der Regelungen zu Interessenkonflikten ist zunächst die Entwicklung einer rechtlich handhabbaren Begriffsbestimmung und eine Typologisierung der verschiedenen Interessenkonflikte. Zudem ist die dogmatische Verankerung von Interessenkonflikten in den Blick zu nehmen (§ 1). Dem folgt eine rechts- und verhaltensökonomische Untersuchung von Interessenkonflikten sowie eine Übersicht über das rechts- und verhaltens ökonomische Instrumentarium (§ 2), das im Folgenden immer wieder zur Analyse der Regelungen zu Interessenkonflikten herangezogen wird. Nach diesen Grundlagen folgen im zweiten Teil die allgemeinen Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten, die sich in die generellen Regelungskonzepte „Pflicht“ und „Status“ einteilen lassen. Dies sind die Interessenwahrungs- oder Treuepflicht (§ 3) und die Unabhängigkeit (§ 4 und § 5). Untersucht werden diese wie auch die anschließenden besonderen Regelungen rechtsgebietsübergreifend. Die untersuchten Interessenwahrer – als allgemeiner Begriff für die zahlreichen Funktionsträger, die Interessen anderer wahrnehmen – lassen sich einteilen in vertragliche, organschaftliche und – in Anlehnung an die gesetzlichen Vertreter – gesetzliche Interessenwahrer. Im Hinblick auf vertragliche Interessenwahrungsverhältnisse werden unter anderem Auftrag, Abschlussprüfung, Geschäftsbesorgung, Handelsvertretung, Kommission, Makelei und das Vertragshändlerverhältnis in den Blick genommen. Bei den organschaftlichen Interessenwahrern stehen der Vorstand und der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft sowie der Geschäftsführer der GmbH im Mittelpunkt. Bei den gesetzlichen Interessenwahrern geht es vor allem um den Vormund, den Betreuer, den Pfleger, den Testamentsvollstrecker und den Insolvenz verwalter sowie die Mitglieder des Gläubigerausschusses im Insolvenzverfahren. An letzteren sowie den Aufsichtsratsmitgliedern lassen sich zudem die besonderen Regelungen für Interessenwahrer untersuchen, die in Gremien zusammenwirken. Im anschließenden dritten Teil werden in vier Abschnitten die besonderen privatrechtlichen Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten mit Blick auf ihre Funktionen näher untersucht und die Lösungsmechanismen systematisiert (zur Systematisierung insbesondere § 6). Diese unterteilen sich in die Konfliktoffenlegung, die Konfliktvermeidung und die Konfliktlösung. Im ersten Abschnitt zur Konfliktoffenlegung werden die Anzeige- und Offenlegungspflichten zahlreicher Interessenwahrer untersucht (§ 7). Daran anschließend folgen im zweiten Abschnitt die besonderen Regelungen zur Konfliktvermeidung, die unterschiedliche Konkretisierungen und Verdichtungen der Interessenwahrungspflicht – in ihrer Ausprägung als Pflicht zur Konfliktvermeidung – darstellen. Dazu gehören – geordnet nach der steigenden Intensität des Eingriffs – Organisationspflichten (§ 8), Beschränkungen des Handlungsspiel-
IV. Gang der Untersuchung
7
raums (§ 9), die vorübergehende Ersetzung des Interessenwahrers (§ 10), Wettbewerbsverbote (§ 11), das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 12) und Inhabilitätsvorschriften (§ 13). Im dritten Abschnitt folgen die Konfliktlösungsregelungen. Dazu gehören – weitgehend korrespondierend mit den besonderen Regelungen zur Konfliktvermeidung: formale Konfliktlösungsprinzipien und Rangbestimmungen (§ 14), die Geschäftschancenlehre (§ 15), Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen (§ 16) und die Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses (§ 17). Im anschließenden vierten Teil werden die Rechtsfolgen und Sanktionen untersucht, wobei neben den Sanktionen, wie Schadensersatzpflichten oder der Verwirkung von Lohnansprüchen (§ 18), ein besonderes Augenmerk auf die Gewinnabschöpfung gelegt wird (§ 19). Eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse (§ 20) beschließt die Untersuchung.
Teil 1: Interessenkonflikte – Grundlagen
§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung I. Einleitung Die wesentliche Bedeutung von Interessenkonflikten insbesondere für das Wirtschaftsleben spiegelt sich in den immer zahlreicher werdenden Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten wieder. Eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs „Interessenkonflikt“, der diesen Regelungen zugrunde liegt, fehlt jedoch noch. Um die Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten sachgerecht untersuchen zu können, ist dieser Begriff daher zunächst zu bestimmen (I.) eine Systematisierung der verschiedenen Arten von Konflikten vorzunehmen (II.). Im Anschluss werden die rechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten und die rechtliche Verankerung der Regelung zum Umgang mit Interessenkonflikten näher in den Blick genommen (III.).
II. Begriff des Interessenkonflikts und dogmatische Verortung 1.) Fehlen eines einheitlichen rechtlichen Begriffs des Interessenkonflikts Der Begriff „Interessenkonflikt“ (lat. confligere = zusammentreffen, kämpfen) wird regelmäßig als bekannt vorausgesetzt. Sowohl die Gesetzgebung als auch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen beschränken sich weitgehend darauf, an den Interessenkonflikt anknüpfende Regelungen zu schaffen bzw. zu untersuchen.1 Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich bisher noch kein einheitliches Verständnis des Begriffs „Interessenkonflikt“ entwickelt hat.2 Dies gilt insbesondere auch für die zahlreichen neueren europäischen Richtlinien und Verordnungen zum Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht. Diese enthalten zum Teil sehr umfangreiche Regelungen für den Umgang mit Interessenkonflikten, jedoch keine allgemeine Definition des Begriffs „Interessenkonflikt“.3 1 Ein Definitionsversuch unternimmt allerdings Lutter, FS Priester, 2007, S. 417, 423; außerdem Kumpan/Leyens, ECFR 2008, 72, 82 ff. 2 Vgl. dazu z. B. Hollander/Salzedo, Conflicts of Interest, Rdnr. 1–002. 3 Bspw. Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), ABlEG Nr. L 375 v. 31.12.1985, S. 3 ; ABlEU Nr. L 096
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
So enthält beispielsweise die Finanzmarktrichtlinie (MiFID) von 20044 mit ihrer Umsetzungsrichtlinie von 20065 eine sehr weitgehende Regelung von Interessenkonflikten. Über eine in der Umsetzungsrichtlinie vorgenommene Auflistung von fünf Situationen hinaus, in denen die Gefahr von Interessenkonflikten besteht, 6 lässt sich diesen beiden Richtlinien jedoch nur ein Kriterium entnehmen, das sich für eine generelle Begriffsbestimmung eignet: Es muss für den Kunden einer Wertpapierfirma, die von einem Interessenkonflikt betroffen ist, ein potenzieller Nachteil entstehen.7 Auch die besonders umfangreiche Regelung von Interessenkonflikten in der Verordnung über Ratingagenturen8 enthält keine Begriffsbestimmung. Im deutschen Recht findet sich der Begriff des Interessenkonflikts zwar an verschiedenen Stellen,9 ein einheitliches Begriffsverständnis hat sich aber auch hier bislang nicht herausgebildet,10 ebensowenig eine einheitliche Dogmatik.11 Denn Interessenkonflikte werden in der Regel ausschließlich in einem bestimmten Kontext untersucht und die Ergebnisse auf das jeweilige betrachtete Problem zugeschnitten.12 vom 12.04.2003, S. 16; Richtlinie 2003/125/EG der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die sachgerechte Darbietung von Anlageempfehlungen und die Offenlegung von Interessenkonflikten, ABlEU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 73. 4 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.04.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/ EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABlEU Nr. L 145 v. 30.04.2004, S. 1. 5 Richtlinie 2006/73/EG der Kommission vom 10. August 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, ABlEU Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 26. Siehe außerdem CESR, CESR’s Technical Advice on Possible Implementing Measures of the Directive 2004/39/EC on Markets in Financial Instruments 1st Set of Mandates, CESR/05–024c, Jan. 2005, S. 42. 6 Art. 21 der Richtlinie 2006/73/EG (Fn. 5). 7 Erwägungsgrund 24 der Richtlinie 2006/73/EG (Fn. 5). 8 Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen, ABlEU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S.1 (im Folgenden Rating-Verordnung). 9 Vgl. etwa § 1897 Abs. 5 BGB, §§ 27, 70, 85 KAGB, § 8a Abs. 4 Satz 2 VAG, § § 31 Abs. 1 Nr. 2, 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 34b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 34c Satz 4 WpHG. 10 Ebensowenig im angloamerikanischen Rechtsraum. Vgl. Justice Brennan in Cuyler v. Sullivan, 446 U.S. 335, 351, 100 S. Ct. 1708: “Conflict of interests’ is a term that is often used and seldom defined.” Bzgl. einer öffentlich rechtlich orientierten Definition des Interessenkonflikts siehe etwa OECD, Recommendation of the Council on Guidelines for Managing Conflict of Interest in the Public Service, Juni 2003, Absatz 10. 11 Vgl. bereits Reimer, Interessenkonflikte, unveröffentlichtes Manuskript, S. 32 f. [Einleitung]. 12 Walker, Conflicts of Interest, § 1:1.
II. Begriff des Interessenkonflikts und dogmatische Verortung
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Ein Blick in andere Forschungsgebiete, insbesondere die Wirtschaftswissenschaften,13 zeigt, dass sich auch dort noch kein einheitliches Verständnis des Interessenkonflikts gebildet hat. Zudem sind die dort erörterten Definitionsversuche für rechtliche Regelungen ungeeignet. Entweder sind sie zu eng auf bestimmte Situationen zugeschnitten oder aber zu breit gewählt. Beispiel für eine zu enge Begriffsbildung ist eine von Wirtschaftswissenschaftlern formulierte Definition folgenden Wortlauts: „conflicts of interest arise when a financial service provider, or an agent within such a service provider, has multiple interests which create incentives to act in such a way as to misuse or conceal information needed for the effective functioning of financial markets.”14 Diese Definition beschränkt sich zum einen auf den Kapitalmarkt und zum anderen auf solche Konflikte, die zu einem Missbrauch (misuse) oder einer Unterschlagung (concealing) von Informationen führen können, die für die Funktionsfähigkeit des Marktes bedeutsam sind. Damit stellt sie einseitig auf das effektive Funktionieren von Finanzmärkten ab und vernachlässigt den Schutz des einzelnen, der von einem Interessenkonflikt seines Intermediärs unmittelbar betroffen ist. Für eine allgemeine Definition ist sie daher zu eng. Andere Definitionsversuche sind zu breit, wie beispielsweise die Definition, dass ein “conflict of interest exists when a party to a transaction could potentially make a direct gain by taking actions that affect the other party adversely”.15 Eine solche Definition erfasst auch gewöhnliche Kaufverträge, denen der Interessengegensatz von Käufern und Verkäufern inhärent ist (so genannte Verträge des Interessengegensatzes16). Solche Interessengegensätze bedürfen aber anderer Lösungen als Interessenkonflikte so genannter (Fremd-)Interessenwahrer, bei denen sich der Interessenkonflikt „im Kopf“17 der einzelnen Person abspielt. Aus dem gleichen Grund ist auch der Definitionsversuch der IOSCO zu breit, die einen Interessenkonflikt definiert als „situation where the interests of a market intermediary may be inconsistent with, or diverge from, 13 Siehe bspw. Crockett/Harris/Mishkin/White, Conflicts of Interest in the Financial Services Industry: What should We Do About Them?, Geneva Reports on the World Economy, No. 5, 2004; Orts, in: Davis/Stark, Conflicts of Interest in the Professions, S. 129, 132; Boatright, in: Davis/Stark, Conflicts of Interest in the Professions, S. 217, 219; Mehran/Stulz, The Economics of Conflicts of Interest in Financial Institutions, Fisher College of Business Working Paper 2006–03–005, Nov. 2006, im Internet unter http://ssrn.com/abstract= 943447 (Stand: 28.07.2014). 14 Crockett/Harris/Mishkin/White, Conflicts of Interest in the Financial Services Industry: What should We Do About Them?, Geneva Reports on the World Economy, No. 5, 2004, S. 5. 15 Mehran/Stulz, The Economics of Conflicts of Interest in Financial Institutions, Fisher College of Business Working Paper 2006–03–005, Nov. 2006, im Internet unter http://ssrn. com/abstract=943447 (Stand: 28.07.2014). 16 Dazu unten § 1 II.3.)c.) (i). 17 Vgl. dazu Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 234 („Interessenkonflikt innerhalb eines Subjekts“).
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those of its clients, investors, or others, or where the interests of one group of clients conflict with those of another group“.18 Andere Forschungsdisziplinen bieten wenig Unterstützung bei der Entwicklung eines rechtlichen Begriffes des Interessenkonflikts. Versuche, Interessenkonflikte zu definieren, sind insbesondere in der sozialwissenschaftlichen Forschung unternommen worden. So findet sich dort z. B. der Gedanke, dass eine Person einem Interessenkonflikt unterliegt, „if, and only if, [the person] is in a relationship with another requiring that person to exercise judgment on the other’s behalf and [the person] has a (special) interest tending to interfere with the proper exercise of judgment in that relationship.“19 Interesse wird in diesem Zusammenhang definiert als „any influence, loyalty, concern, emotion, or other feature of a situation tending to make [the person’s] judgment less reliable than it would normally be, without rendering [the person] incompetent“.20 Dieser Ansatz ist für eine rechtliche Handhabung ebenfalls zu weit. Er erfasst auch Situationen, in denen es unangemessen erscheint, die spezifischen Regelungen für Interessenkonflikte anzuwenden. So können Emotionen, wie z. B. Wut oder Enttäuschung hinsichtlich einer ganz anderen Angelegenheit, einen Entscheidungsträger, der fremde Interessen zu wahren hat, erheblich beeinflussen. Hat er eine Ermessensentscheidung zu treffen, dürfte seine Entscheidung weniger zuverlässig sein, als wenn er zum Zeitpunkt der Entscheidung solchen Emotionen nicht unterliegt.21 Ein Interesse an der von ihm zu treffenden Entscheidung in dem Sinne, dass er mit dieser Entscheidung etwas für sich (oder für Dritte) bewirken möchte (dazu sogleich), muss er in dieser Situation nicht haben. Das liefe darauf hinaus, dass auch bloße Gemütsschwankungen erfasst werden würden. Solche lassen sich aber rechtlich kaum sachgerecht regeln.
2.) Interesse Da kein allgemein anerkannter Begriff des Interessenkonflikts existiert, ist dieser im Folgenden zu ermitteln. Ausgangspunkt für eine Definition des Interessenkonflikts muss dabei der Begriff des Interesses sein. IOSCO, Market Intermediary Management of Conflicts that Arise in Securities Offerings, Consultation Report, Feb. 2007, S. 6. 19 Davis, in: Davis/Stark, Conflict of Interest in the Professions, S. 3, 8. Siehe außerdem Coleman, When conflicts of interest are an unavoidable problem, Proceedings of the 12th Annual Conference of the Australian Association for Professional and Applied Ethics, Adelaide, Australia, 28–30 Sep., 2005 20 Jeglicher Einfluss, Besorgnis, Emotion oder auch Loyalitätsgedanke, der bzw. die im Fall, dass sie bei einer Entscheidung eine Rolle spielen, diese weniger verlässlich werden lassen, als sie in Abwesenheit dieser Entscheidung wäre, ohne dass der Entscheidende unfähig zu entscheiden würde. Siehe Davis, in: Davis/Stark, Conflict of Interest in the Professions, S. 3, 9; außerdem Coleman, When conflicts of interest are an unavoidable problem, S. 2 . 21 Coleman, When conflicts of interest are an unavoidable problem, S. 2 . 18
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a.) Der Begriff des Interesses im allgemeinen und rechtlichen Sprachgebrauch Im gewöhnlichen Sprachgebrauch wird der Begriff „Interesse“ vor allem im Sinne von Anteilnahme eines Menschen an etwas oder jemandem 22 verstanden (von lat.: interesse = dabei sein, dazwischen sein, teilnehmen, von Wichtigkeit sein 23 ) oder auch als „Begehrensdisposition“ bzw. Begehrensvorstellung in Bezug auf Güter24. Mit Interesse wird beschrieben, dass ein bestimmtes geistiges oder materielles Objekt für ein Subjekt von Bedeutung ist und von ihm oder einem Dritten als erstrebenswert für das Sein des Subjekts gehalten oder erkannt wird.25 Interesse ist somit ein individualpsychisches Phänomen.26 Im rechtlichen Sprachgebrauch hat sich darüber hinaus ein stärker objektives Verständnis des Begriffs Interesse herausgebildet. Beispiel dafür ist das „rechtliche Interesse“. In diesem Fall kann „Interesse“ unabhängig von einem subjektiven Bewusstsein verstanden werden (auch ein Bewusstloser hat „rechtliche Interessen“ im Sinne des Zivilrechts).27 Schließlich wird der Begriff des Interesses in einigen Fällen in der Rechtssprache auch verdinglicht verstanden. In diesen Fällen bezeichnet „Interesse“ den Wert dessen, was ein Subjekt begehrt.28 Beispiel dafür ist der Begriff des „positiven Interesses“ („Erfüllungsinteresse“) und des „negativen Interesses“. Zu beobachten ist sogar – wie z. B. bei „interest“ in der angelsächsischen Rechtssprache – eine noch stärkere Verengung der Bedeutung von „Interesse“ als „Zins“ bzw. „Zinsen“.29 b.) Interesse und Recht: Interessenjurisprudenz Die Bedeutung von Interessen für das Recht ist vor allem durch die Interessenjurisprudenz in das Bewusstsein der Rechtswissenschaft gerückt worden.30 Im Unterschied zum formallogischen, begriffsorientierten Vorgehen der „Begriffs22 W. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 173; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 29 Rdnr. 3 (S. 295); außerdem Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 136; Raiser, FS R. Schmidt, 1979, S. 101, 116. 23 Duden, Herkunftswörterbuch, S. 366. 24 Raiser, FS R. Schmidt, 1979, S. 101, 116; Westerann, Interessenkollisionen, S. 4 ; Zöllner, Schranken, S. 18 mit Fn 3. So etwa auch die Interessenjurisprudenz (dazu sogleich ausführlicher). Siehe Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 37; ders., Das Problem der Rechtsgewinnung, S. 27; ders., AcP 112 (1914), 1, 11; Stoll, Begriff und Konstruk tion in der Lehre der Interessenjurisprudenz, wiederabgedr. in: Ellscheid/Hassemer, Interessenjurisprudenz, 1974, S. 153, 160 Fn. 13 (=Beih. zu AcP 133 (1931), 60). 25 Wolff/Bachoff/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 29 Rdnr. 3 (S. 295). 26 W. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 173; ihm folgend Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 136. 27 Reimer, Interessenkonflikte, unveröffentlichtes Manuskript, S. 34. 28 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 29 I b (S. 482). 29 Reimer, Interessenkonflikte, unveröffentlichtes Manuskript, S. 36. 30 Siehe statt aller Heck, AcP 112 (1914), 1 ff., ders., Begriffsbildung und Interessenjuris prudenz, insb. S. 36 ff; ders., Das Problem der Rechtsgewinnung, S. 26 ff. Vgl. dazu auch
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jurisprudenz“ kam es nach der „Interessenjurisprudenz“ auf die wertende Beurteilung des Sachverhalts und die Abwägung der dabei in Betracht kommenden Interessen unter Bindung an die Konfliktentscheidung des Gesetzgebers an.31 Der Begriff des „Interesses“ wurde dabei von den Vertretern der Interessenjurisprudenz im weitesten Sinne verstanden – sowohl hinsichtlich der möglichen Subjekte (z. B. Interessen der Rechtsgemeinschaft) als auch hinsichtlich der möglichen Objekte.32 Bezeichnet wird damit nicht nur das Begehren von materiellen Gütern, sondern auch das Streben nach ideellen Gütern.33 Dabei spielt es keine Rolle, ob sich ein Interessenträger seiner Interessen bewusst ist und diese willentlich verfolgt oder ob es sich lediglich um latente, unterbewusst vorhandene Wünsche geht.34 Auch das unbewusste Interesse, die sog. Begehrensdisposition, wird erfasst, also „latente Wünsche oder Neigungen, die nicht fortdauernd in unserem Bewusstsein gegenwärtig sind, aber durch irgendwelche Reizvorgänge wachgerufen, ein aktuelles Begehren erzeugen“35. Andernfalls, wenn nur bewusst verfolgte Interessen berücksichtigt werden würden, würden zahlreiche berechtigte Interessen von der Würdigung und Abwägung gegenüber anderen Interessen ausgenommen, nur weil sie dem jeweiligen Interessenträger noch nicht bewusst sind. Das Begehren ist dabei „ein psychischer Vorgang, der jedem bekannt ist und dessen weitere Zurückführung auf noch genauer bekannte Vorstellungen weder möglich noch notwendig ist. Die Begehrensdispositionen können wir nicht unmittelbar beobachten. Wir erschließen sie nur aus den verursachten Handlungen oder daraus, dass soziale Grundlagen vorhanden sind, die nach der Erfahrung des Lebens solche Dispositionen zu erzeugen pflegen.“36 Nach Jhering erfasst der Interessenbegriff weiterhin auch die Werteigenschaft eines Gutes in besonderer Beziehung auf die Zwecke und Verhältnisse Edelmann, Die Entwicklung der Interessenjurisprudenz, 1967; Kallfass, Die Tübinger Schule der Interessenjurisprudenz, 1972; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 313 ff. 31 Vgl. Stoll, Begriff und Konstruktion in der Lehre der Interessenjurisprudenz, wiederabgedr. in: Ellscheid/Hassemer, Interessenjurisprudenz, 1974, S. 153, 160 Fn. 13(=Beih. zu AcP 133 (1931), 60). 32 Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 37; Stoll, Begriff und Konstruktion in der Lehre der Interessenjurisprudenz, wiederabgedr. in: Ellscheid/Hassemer, Interessenjurisprudenz, 1974, S. 153, 160 Fn. 13. Siehe auch die Darstellung bei Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 314 f. 33 Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 37; ders., Das Problem der Rechtsgewinnung, S. 27 un S. 29; ders., AcP 112 (1914), 1, 11; ders., Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 28, 37, 40; außerdem Stoll, Begriff und Konstruktion in der Lehre der Interessenjurisprudenz, wiederabgedr. in: Ellscheid/Hassemer, Interessenjurisprudenz, 1974, S. 153, 160 Fn. 13(=Beih. zu AcP 133 (1931), 60). 34 Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 37; ders., Das Problem der Rechtsgewinnung, S. 27; siehe auch ders., AcP 112 (1914), 1, 11. 35 Heck, Das Problem der Rechtsgewinnung, S.27; ders., Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 37. 36 Heck, Das Problem der Rechtsgewinnung, S. 27.
II. Begriff des Interessenkonflikts und dogmatische Verortung
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des Subjekts.37 Der Wertbegriff wiederum enthält den Maßstab, um die Tauglichkeit eines Gutes zu bestimmen.38 c.) Subjektives und objektives Interesse Um die rechtlich relevanten Interessen näher zu konkretisieren, wird zwischen subjektiven, faktischen und objektiv bestimmbaren, „wahren“ Interessen unterschieden.39 Dabei wird als das subjektive Interesse dasjenige verstanden, das im gewöhnlichen Sprachgebrauch mit dem Begriff „Interesse“ gemeint ist. Dieses ist an das jeweilige Subjekt des Interesses gebunden und kann von anderen nur empirisch erkannt werden.40 Es ist die „positive Bezogenheit, die ein bestimmtes Subjekt zu bestimmten Gegenständen tatsächlich hat“41. Maßgeblich ist also die Bindung an das Subjekt, also den Interessenträger, von dessen subjektiven Wertungen es allein abhängt. Demgegenüber ist das objektiv bestimmbare, wahre Interesse „in seinem Bestand und in seiner Werthöhe unabhängig […] von der Existenz und der Stärke des subjektiven, tatsächlichen Interesses“.42 Es wird ermittelt, indem ein Objekt anhand eines objektiven Maßstabs und bezogen auf bestimmte Bedürfnisse, Zwecke und Ziele (z. B. der „freien Entfaltung und Bildung der Persönlichkeit“) eingeschätzt wird.43 Zwar können die Bedürfnisse, Zwecke und Ziele, die der Beurteilung nach einem objektiven Maßstab unterliegen sollen, nicht ohne (subjektiv geprägte) Wertungen festgestellt und dem Subjekt zugeordnet werden.44 Aber dies liegt darin begründet, dass eine Zuordnung und Betrachtung, die durch Menschen erfolgt, letztlich immer von der subjektiven Perspektive des jeweiligen Betrachters geprägt wird. Wollte man auch diesen subjektiven Einfluss ausschließen, wäre eine „objektive“ Bewertung unmöglich,45 weil es keinen völlig objektiven Bewertenden gibt. d.) Interessenträger und Unternehmensinteresse Ein Interesse setzt immer ein Subjekt voraus, das ein Interesse hat, und ein Objekt, auf das das Interesse gerichtet ist,46 sodass ihm immer eine Subjekt-Objekt-Beziehung zugrunde liegt. Da es sich beim Interesse um ein individual-psychisches Phänomen handelt, muss das Subjekt einer solchen Beziehung grund Jhering, Geist des römischen Rechts, 3. Teil, 1. Abt., § 60 (S. 341). Jhering, a.a.O. 39 Wolff/Bachoff/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 29 Rdnr. 4 (S. 295); dazu auch W. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 174 f. 40 Jürgenmeyer, Das Unternehmensinteresse, S. 138. 41 Wolff/Bachoff/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 29 Rdnr. 4 (S. 295). 42 Wolff/Bachoff/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 29 Rdnr. 4 (S. 295). 43 Wolff/Bachoff/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 29 Rdnr. 4 (S. 295). 44 Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 138. 45 Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 138. 46 W. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 173. 37
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sätzlich ein Mensch sein. Gegenstände können keine Interessen haben. Vor diesem Hintergrund ist auch in Bezug auf juristische Personen vereinzelt bestritten worden, dass diese eine unmittelbar eigene interessefähige Persönlichkeit47 haben können.48 Doch wird man ihnen zumindest insofern eine Interessensubjektivität zubilligen müssen, als diese auf die Interessen ihrer menschlichen Mitglieder zurückgeführt werden kann.49 Vielfach geht die Literatur über diese zurückhaltende Anerkennung von Interessensubjektivität noch hinaus, wie die Diskussion um das sog. – auch von der Rechtsprechung anerkannte50 – Unternehmensinteresse zeigt.51 Zu unterscheiden ist das Unternehmensinteresse vom Verbands- oder Gesellschaftsinteresse.52 Bei letzterem handelt es sich um „denjenigen Ausschnitt aus den Mitgliederinteressen, zu deren gemeinschaftlicher Verfolgung sich die Mitglieder verbunden haben“.53 Wie das Unternehmensinteresse zu definieren ist, ist demgegenüber immer noch nicht abschließend geklärt. In der darüber geführten wissenschaftlichen Diskussion sind zahlreiche Ansätze vertreten worden, die sich vereinfachend in fünf größere Gruppen unterteilen lassen.54 (1.) Nach einer ersten Auffassung sollte das Unternehmensinteresse aus den verschiedenen Interessen der Unternehmensbeteiligten resultieren und im Rahmen einer normativen Bewertung und Abwägung dieser Interessen ermittelt werden.55 Dabei handelte es sich um eine materielle Konzeption des Unternehmensinteresses.56 47 Eine solche Zuerkennung von Persönlichkeit unternimmt die „Theorie der realen Verbandspersönlichkeit“. Siehe dazu v. Gierke, Das Wesen der menschlichen Verbände, insb. S. 13 f. 48 Denn sie sind nicht selbst Mensch und können daher nicht aus sich selbst heraus eigenen Gefühle oder Begehrensdispositionen haben. Siehe etwa Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 141. 49 Vgl. Wolff/Bachoff/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 29 Rdnr. 5 (S. 296). 50 Etwa BGHZ 62, 193, 197 und 199; 64, 325, 331; 83, 144, 149; außerdem BVerfGE 50, 290, 374. 51 Ausführlich Birke, Formalziel, insb. S. 155 ff.; Brinkmann, Unternehmensinteresse, passim; Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, passim; Koch, Unternehmensinteresse, passim; Großmann, Unternehmensziele, passim; Teubner, ZHR 149 (1985), 470 ff.; jüngst Kort, AG 2012, 605. Für einen Überblick über die Entwicklung der Diskussion Fleischer in Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 185, 189 f. Krit. gegenüber dem Konzept des Unternehmensinteresses z. B. MünchKommAktG/Spindler, § 76 Rdnr. 69 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 626 f.; ders., BB 1978, 5, 11; Großmann, Unternehmensziele, S. 105 ff.; Mülbert, ZGR 1997, 129, 156; Zöllner, AG 2003, 2, insb. 7; vorsichtiger Hopt, ZGR 2000, 779, 799. Rechtsvergleichend Gelter, 7 N.Y.U. J.L.&Bus. 641 (2011). 52 Zöllner, Schranken, S. 20 und S. 73. 53 Zöllner, Schranken, S. 73. 54 Siehe Mülbert, ZGR 1997, 129, 142 f.; siehe weiter auch die Darstellungen bspw. bei Großmann, Unternehmensziele, S. 98 ff.; Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 88 ff.; Schmidt-Leithoff, Die Verantwortung der Unternehmensleitung, 1989, S. 69 ff.; 55 So Immenga, ZGR 1977, 249, 276 f.; Raisch, FS Hefermehl, 1976, S. 347, 357. Vgl. auch BGHZ 106, 54, 65; 64, 325, 331. 56 Mülbert, ZGR 1997, 129, 142.
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(2) Ein zweiter Ansatz verstand das Unternehmensinteresse als ein selbständiges, von den Interessen der Unternehmensbeteiligten zu unterscheidendes Interesse.57 Dieses eigene Interesse des Unternehmens bestimme, in welchem Umfang die unter Umständen unterschiedlichen Interessen der verschiedenen Beteiligten jeweils Beachtung finden könnten.58 (3) Eine dritte Ansicht definierte Unternehmensinteresse als „Selbsterhaltung und fortdauernde funktionsgerechte Erfüllung der Aufgaben des Unternehmens gegenüber Anteilseignern, Arbeitnehmern, Lieferanten, Abnehmern, Konsumenten, Staat und Gesellschaft“59. Das umfasse insbesondere das Interesse am Erfolg des Unternehmens, der gegenüber anderen Zielen nicht unangemessen zurücktreten dürfe – unter Erfolg wird hierbei ein Gewinn verstanden, der zur „substantiellen Erhaltung der Kapital- und Ertragskraft“ ausreicht.60 Auch Nichtanteilseignerinteressen seien angemessen zu berücksichtigen, wenn auch nicht zwingend gleichberechtigt neben den Anteilseignerinteressen.61 In gewisser Abwandlung dazu wurde außerdem vertreten, dass das Unternehmens interesse als Interesse an der Rentabilität des Unternehmens und damit seiner dauerhaften Erhaltung definiert werden müsste, wobei Rentabilität als langfristige Daueraufgabe zu verstehen wäre.62 (4) Eine vierte Ansicht verstand das Unternehmensinteresse „als Verpflichtung zur gelingenden prozeduralen Integration“ der verschiedenen in einem Unternehmen vertretenen Interessen.63 Dabei handelt es sich im Unterschied zu den vorgenannten Ansichten um einen prozeduralen Ansatz. (5) Nach einer besonders verbreiteten – mit Unterschieden im Detail inhaltliche und prozedurale Gesichtspunkte kombinierenden – Ansicht soll das Unternehmensinteresse schließlich jeweils im Einzelfall durch das jeweilige Organ (z. B. Vorstand, Aufsichtsrat) im Rahmen seines (weiten) Ermessens ausgeformt werden, wobei neben den Interessen der Anteilseigner auch die Interessen der 57 Raiser, FS R. Schmidt, 1979, S. 101, 105 (wohl nicht als aus den Interessen der einzelnen Gruppierungen abgeleitetes Interesse zu verstehen); ders., FS Potthoff, 1989, S. 31, 44 (hier außerdem als „prozedurale Größe“ bezeichnet). 58 Flume, BGB AT I/2, § 2 VII 3 (S. 58); Raiser, FS R. Schmidt, 1979, S. 101, 116. 59 Raiser, FS Potthoff, 1989, S. 31, 44 (bezogen auf das Unternehmen als System); Kuhner, ZGR 2004, 244, 250; ähnl. Raisch, FS Hefermehl, 1976, S. 347, 363; ähnl. auch Zöllner, Schranken, S. 20 f., 67 ff., insb. S. 78 (bezogen auf die Interessen von Verband, Gläubiger, Arbeitnehmer, künftiger Anteilserwerber und allgemeinwirtschaftlicher Belange). 60 Kuhner, ZGR 2004, 244, 250. 61 Kuhner, ZGR 2004, 244, 251; ähnl. Raisch, FS Hefermehl, 1976, S. 347, 359 f.; Schön, ZGR 1996, 429, 438. Vgl. dazu auch KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 76 Rdnr. 18. 62 Junge, FS v. Caemmerer, 1978, S. 547, 554. Vgl. dazu auch KölnKommAktG/Mertens/ Cahn, 3. Aufl. 2010, § 76 Rdnr. 18 und 21. 63 Brinkmann, Unternehmensinteresse, S. 232 ff.; ders., AG 1982, 122, 128; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 33 III 4, lit. a (S. 528 f.); ähnl. Laske, ZGR 1979, 173, 198 f.; Reuter, AcP 179 (1979), 509, 519; mit Betonung auf die Organisationsstrukturen Teubner, ZHR 149 (1985), 470, 479 ff., insb. 484; ders., ZGR 1983, 34, 54.
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Arbeitnehmer und der Allgemeinheit zu berücksichtigen seien.64 Zum Teil wird dabei vertreten, dass das Ermessen insofern begrenzt sein soll, als die Verwaltung zur langfristigen Bestandserhaltung und/oder Rentabilität des Unternehmens verpflichtet sei, weil insoweit die Interessen aller Unternehmensbeteiligten übereinstimmten.65 Im Rahmen der Debatte um das Konzept des Shareholder value flammte die Diskussion um das Unternehmensinteresse später erneut auf.66 Dabei rückte insbesondere die Frage in den Vordergrund, ob den Aktionärsinteressen Vorrang vor den Interessen anderer am Unternehmen interessierter Gruppen gebühre. Vielfach wird ein solcher Vorrang abgelehnt. 67 Der Vorstand habe die Aufgabe, die verschiedenen Interessen abzuwägen und zu einem Ausgleich zu bringen und so in jedem Einzelfall immer wieder neu zu ermitteln. 68 Es gibt aber auch Befürworter für eine vorrangige Beachtung der Aktionärsinteressen.69 Von diesen wird vorgebracht, dass die Gesellschaft vor allem eine Veranstaltung der Gesellschafter bzw. der Aktionäre sei.70 Auch sei der Vorstand an den Gesellschaftszweck gebunden, was ihn zu einem renditeorientierten Verwaltungshandeln verpflichte, soweit sich aus der Satzung nichts anderes ergebe.71 Das soll jedoch nicht dazu führen, dass andere Belange völlig unberücksichtigt bleiben. Verwiesen wird darauf, dass eine ganze Reihe von Vor64 Ulmer/Habersack/Henssler/Ulmer/Habersack, MitbestG, § 25 Rdnr. 94; Wiesner, in: Hoffmann-Becking, MünchHdb GesR, Bd. 4, § 19 Rdnr. 20; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rdnr. 124; Kuhner, ZGR 2004, 244, 250; Raisch, FS Hefermehl, 1976, S. 347, 357, 363; Semler, Überwachungsaufgabe, S. 60 f. und 66 f.; Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 117, 119 ff.; Schilling, ZHR 144 (1980), 136, 144; wohl auch Hopt, ZGR 1993, 534, 538; Goette, FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 123, 127 sowie die Nachweise in der folgenden Fn. 65 Hüffer, AktG, § 76 Rdnr. 13, 15; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 28 II 1 a, S. 806; Wiesner, in: Hoffmann-Becking, MünchHdb GesR, Bd. 4, § 19 Rdnr. 21; Martens, ZGR 1979, 493, 515 f.; Raisch, FS Hefermehl, 1976, S. 347, 361; siehe auch Ulmer/ Habersack/Henssler/Ulmer/Habersack, MitbestG, § 25 Rdnr. 93a. Mit etwas anderer Betonung Kittner, ZHR 136 (1972), 208, 240 ff. 66 Siehe dazu z. B. Fleischer, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Gover nance, S. 185, 193 ff.; Mülbert, ZGR 1997, 129 ff. Krit. KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 76 Rdnr. 16 ff. 67 Hüffer, AktG§ 76 Rdnr. 12b; Goette, FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 123, 127; Hopt, ZGR 1993, 534, 536; Kort, AG 2012, 605 f.; siehe auch schon Kittner, ZHR 136 (1972), 208, 242. 68 Semler, Leitung und Überwachung, Rdnr. 51; vgl. auch Ulmer, AcP 202 (2002), S. 143, 159 („Offenheit […] für unterschiedliche, vom Vorstand […] verfolgte Zielsetzungen im breiten Spektrum zwischen Shareholder und Stakeholder Value“). 69 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 6 III 2 b aa, (S. 338 f.); Arnold, Steuerung des Vorstandshandelns, S. 47 ff. (allein die Aktionärsinteressen); Fleischer, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 185, 195 ff.; Klöhn, ZGR 2008, 110, insb. 154 f. (im Verhältnis zu Gläubigern); Mülbert, ZGR 1997, 129, 138 f., 156. 70 Fleischer, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 185, 195 f.; vgl. auch Wiedemann, Organverantwortung, S. 33. 71 GroßkommAktG/Röhricht, § 23 Rdnr. 92; Fleischer, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 185, 196.
II. Begriff des Interessenkonflikts und dogmatische Verortung
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schriften außerhalb des Aktienrechts dazu dient, dass die Interessen von Arbeitnehmern, Gläubigern, Verbrauchern und der Allgemeinheit gewahrt werden.72 Diese muss der Vorstand einhalten, wodurch sein Ermessen bei der Ausübung seines Amtes begrenzt wird. Auch wird er vielfach auf die Kooperation der Stakeholder angewiesen und dadurch gezwungen sein, deren Interessen zu berücksichtigen.73 In praktischer Hinsicht sind die Auswirkungen des Meinungsstreits um den Vorrang von Aktionärsinteressen allerdings gering.74 Diejenigen, die die Interessen aller am Unternehmen interessierten Gruppen (gleichrangig) berücksichtigt sehen möchten, betonen ein weites Handlungsermessen des Vorstands zum Ausgleich widerstreitender Belange.75 Diejenigen, die für einen Vorrang der Aktionärsinteressen eintreten, sehen ebenfalls die Notwendigkeit für ein Vorstandsermessen, das aufgrund rechtlicher Vorgaben und mit Blick auf die Umsetzung eigener Entscheidungen die Interessen auch anderer Stakeholdergruppen nicht unberücksichtigt lassen kann.76 Eine gewisse Verfestigung hat der Begriff des Unternehmensinteresses mittlerweile im Rahmen des Corporate Governance Kodex77 erfahren. Nach Ziff. 4.1.1 des Kodex leitet der Vorstand das Unternehmen „im Unternehmens interesse, also unter Berücksichtigung der Belange der Aktionäre, seiner Arbeitnehmer und der sonstigen dem Unternehmen verbundenen Gruppen (Stakeholder) mit dem Ziel nachhaltiger Wertschöpfung“. Außerdem enthält der Kodex in seiner Präambel eine Beschreibung des Unternehmensinteresses dahingehend, dass darunter die Sorge um den Bestand des Unternehmens und seine nachhaltige Wertschöpfung zu verstehen sei.78
3.) Interessenkonflikt Von dem Begriff des Interesses ausgehend, der nach dem oben Gesagten subjektiv anknüpfen muss, ist nun der Begriff des Interessenkonflikts näher in den Blick zu nehmen. 72 Fleischer, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 185, 196; Ulmer, AcP 202 (2002), S. 143, 158; siehe auch Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 3. 73 Fleischer, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 185, 196. 74 Hopt, ZGR 2000, 779, 799. 75 Z. B. G. Hueck, Gesellschaftsrecht, § 23 VII 1 (S. 212) („auch die Interessen der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit zu berücksichtigen hat“); Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 27 VI 1 Rdnr. 22 (S. 346) (zurückhaltender: „auch die Interessen der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit berücksichtigen darf“). 76 Siehe nur Fleischer, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 185, 196. 77 Regierungskommission, Deutscher Corporate Governance Kodex (in der Fassung vom 13.05.2013). 78 Weitere Erwähnung findet das Unternehmensinteresse in Ziff. 4.3.3 (Vorstand) und 5.5.1 (Aufsichtsrat).
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a.) Der Begriff des Interessenkonflikts im Sinne der Interessenjurisprudenz Auch hier ist zunächst ein kurzer Blick auf die Interessenjurisprudenz angezeigt. Die Vertreter der Interessenjurisprudenz verstehen unter einem Konflikt von Interessen, „die jedem aus Erfahrung bekannte Lebenslage, in der es nicht möglich ist, alle bestehenden Wünsche zugleich zu befriedigen, sodass die Notwendigkeit eintritt, auf gewisse Wünsche zugunsten anderer zu verzichten“.79 Nach Ansicht der Interessenjurisprudenz liegen derartige Interessenkonflikte jedem80 einzelnen Rechtssatz bzw. jedem Rechtsgebot zugrunde. Denn nur ihretwegen entstehe das Bedürfnis für Regelungen, die die Interessen bestimmen und im Voraus erkennbar gegeneinander abgrenzen.81 Entsprechend ist der Interessenjurisprudenz zufolge das Gesetz „die Resultante, gleichsam die Kraftdiagonale ringender Faktoren, deren Wirkung wir nur als Interessenkonflikt erfassen können“.82 Rechtssätze, wie Gesetzesnormen, sind also Entscheidungen von Interessenkonflikten, die Werturteile über die ihnen zugrunde liegenden Interessengegensätze enthalten.83 b.) Abgrenzung anhand der Einteilung der Rechtsverhältnisse nach ihrer Interessenstruktur Ein solches sehr weites Verständnis des Interessenkonflikts, wie es die Vertreter der Interessenjurisprudenz zugrunde legen, geht jedoch über die Situationen weit hinaus, die in diesem Zusammenhang als besonders regelungsbedürftig erscheinen. Um zu ermitteln, welche Fälle besonderer Regelungen bedürfen, sind zunächst die unterschiedlichen Interessenstrukturen der verschiedenen Rechtsverhältnisse in den Blick zu nehmen. Dafür sollen an dieser Stelle die vertragsrechtlichen Regelungen herangezogen werden. Denn dort finden sich zahlreiche grundlegende Regelungen für Interessenkonflikte, die von der Rechtsprechung immer wieder herangezogen werden, um auch bei gesetzlichen Interessenwahrungsverhältnissen Regelungslücken zu schließen.
79 Heck, AcP 142 (1936), 129, 180. Siehe auch die Darstellung bei Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 315. 80 Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 41 Fn. 2; ders., Interessenjurisprudenz, Recht und Staat, Heft 97, S. 13; ders., AcP 142 (1936), 129, 185 Fn. 131. 81 Heck, AcP 143 (1937), 129, 155 („Die Notwendigkeit der Rechtsnorm entsteht durch den konkreten Interessenkonflikt.“). 82 Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 46. 83 Vgl. Stoll, Begriff und Konstruktion in der Lehre der Interessenjurisprudenz, wiederabgedr. in: Ellscheid/Hassemer, Interessenjurisprudenz, 1974, S. 153, 160 (= Beih. zu AcP 133 (1931), 60).
II. Begriff des Interessenkonflikts und dogmatische Verortung
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c.) Die dogmatische Einteilung von Rechtsverhältnissen nach ihrer Interessenstruktur So hat etwa schon Jhering für das Vertragsrecht zwischen Austauschverträgen, wie etwa Kauf oder Miete, und solchen Rechtsverhältnissen unterschieden, die die Führung fremder Geschäfte zum Gegenstand haben, wie etwa Auftrag oder Vormundschaft – zudem unterschied er als dritte Form der Interessenbeziehungen die Societas.84 Bei Austauschverträgen liege „für beide Theile das Motiv ihrer Eingehung in dem eigenen Interesse, und hier ist jeder Theil berechtigt, sich lediglich durch sein Interesse leiten zu lassen“.85 Dagegen liege in den Geschäftsbesorgungsverhältnissen „das Motiv zur Eingehung des Verhältnisses in dem Interesse des Geschäftsherrn, und dies Interesse bildet für den Geschäftsführer den maßgebenden Gesichtspunkt, durch den er sich bei seiner ganzen Thätigkeit leiten lassen soll“.86 Durch die Eingehung des Geschäftsbesorgungsverhältnisses verzichte der Auftraggeber darauf, „in diesem Verhältnis, von dem ihm etwa zugesicherten Lohn (Honorar, Provision) abgesehen, sein eigenes Interesse zu verfolgen“87. Vielmehr übernehme er „die Verpflichtung, sich lediglich durch das fremde Interesse leiten zu lassen, bei seiner ganzen Geschäftsführung in derselben Weise zu verfahren, als beträfe dieselbe seine eigenen Angelegenheiten“.88 Ohne eine solche gesteigerte Pflichtenbindung würden „jene Verhältnisse ihren Zweck völlig verfehlen, sie würden dem Geschäftsführer die Möglichkeit eröffnen, das Vertrauen, welches ihm geschenkt ist, in gröbster Weise zu missbrauchen; das Mandat, die Vormundschaft würde ein Freibrief für die Unredlichkeit, eine Schlinge für den Geschäftsherrn sein“89. Dieses „Ausgeliefertsein“ des Geschäftsherrn gegenüber dem Interessenwahrer macht es notwendig, besondere Sicherungen vorzusehen, um Interessenkonflikten des Interessenwahrers vorzubeugen bzw. ihnen abzuhelfen. Eine Weiterentwicklung der Gliederung von Vertragstypen nach der Struktur der ihnen zugrunde liegenden Parteiinteressen unternahm später Rumpf.90 Für die von ihm als „Interessenvertretung“ bezeichneten Verhältnisse sah er als charakteristisch an, dass der Verpflichtete weder gemeinsame noch eigene, sondern vor allem die Interessen des Geschäftsherrn („Vertrauenden“) wahrzunehmen hat.91 Dabei spielt dessen Vertrauen eine wesentliche Rolle.92 Ein in sich geschlossenes, an der Interessenstruktur orientiertes System der rechtsge84 Siehe dazu Jhering, Der Zweck im Recht, 1. Band, S. 214; ders., Archiv für practische Rechtswissenschaft, IV N.F. (1867), 225, 248 f. 85 Jhering, Archiv für practische Rechtswissenschaft, IV N.F. (1867), 225, 248. 86 Jhering, Archiv für practische Rechtswissenschaft, IV N.F. (1867), 225, 249. 87 Jhering, Archiv für practische Rechtswissenschaft, IV N.F. (1867), 225, 249. 88 Jhering, Archiv für practische Rechtswissenschaft, IV N.F. (1867), 225, 249. 89 Jhering, Archiv für practische Rechtswissenschaft, IV N.F. (1867), 225, 249. 90 Rumpf, AcP 119 (1921), 1, 53 ff. 91 Rumpf, AcP 119 (1921), 1, 55. 92 Rumpf, AcP 119 (1921), 1, 55 f.
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schäftlichen Verbindungen entwickelten dann Beyerle und im Anschluss daran Würdinger: Zunächst unterschied Beyerle zwischen Synallagma, Gesamthand und Treuhand.93 Während in synallagmatischen Verhältnissen die Parteien allein ihren persönlichen Vorteil im Blick haben und in der Gesamthand ihre Kräfte und Güter für ein gemeinsames Ziel zusammenschließen, sei es der „Grundgedanke aller Treuhandfälle“, „fremde Belange an Personen, Sachen, an Vermögen, Rechtsbeziehungen wahrzunehmen“.94 Später unterteilte Würdinger dann die „Grundtatbestände des Rechtsverkehrs“ in Verträge des Interessengegensatzes, der Interessengemeinschaft und der (Fremd-)Interessenwahrung.95 (i) Verträge des Interessengegensatzes Zu den Verträgen des Interessengegensatzes gehören alle Leistungsaustauschgeschäfte (Kauf, Miete, Werkvertrag etc.), d. h. Verträge, bei denen sich Personen mit gegensätzlichen Interessen gegenüberstehen und jeweils ihre Interessen – im rechtlichen Rahmen – durchsetzen wollen. Jede Partei sucht dabei ihren Vorteil im Austausch für eine Leistung, in der wiederum die andere Partei einen Vorteil für sich sieht.96 Bei der Vereinbarung dieses Leistungstauschs werden die gegensätzlichen Interessen zum Ausgleich gebracht. Zu diesem Vertragstyp gehören gegenseitige Verträge, wie etwa Kaufverträge, bei denen der potentielle Verkäufer einen möglichst hohen Kaufpreis, der mögliche Käufer dagegen einen möglichst niedrigen Kaufpreis vereinbaren möchte. Bei diesen Verträgen verfolgt jede Partei ihre eigenen Interessen und trägt keine von ihnen eine besondere Verantwortung für die Interessen der jeweils anderen Partei, die über die allgemeinen für Verhandlungen geltenden Pflichten hinausgeht.97 Der Interessengegensatz bringt es vielmehr mit sich, dass jede Seite selbst einschätzen muss, welchen Nutzen der Vertragsgegenstand für sie hat.98 Es muss daher z. B. regelmäßig nicht darüber aufgeklärt werden, welche Eigenschaften oder welchen Wert der Vertragsgegenstand hat.99 Die Rechtsordnung übernimmt es lediglich, ein level playing field zwischen den Beteiligten herzustellen oder, wie im Fall des Widerrufsrechts, für einen nachgelagerten Ausgleich von als ungleich angesehenen Verhandlungspositionen zu sorgen. Die Interessen der Be Beyerle, Treuhand, S. 16 ff., 46 ff. Beyerle, Treuhand, S. 7. 95 Würdinger, Gesellschaften, Bd. I., S. 9 ff. Dazu Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. §§ 662 ff., Rdnr. 23 ff.; MünchKommBGB/Ulmer/Schäfer, Vor § 705 Rdnr. 104; Ulmer, Der Vertragshändler, S. 265 ff.; Lutter, AcP 180 (1980) 84, 93; Weller, ZBB 2011, 191, 196 f. 96 Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. §§ 662 ff., Rdnr. 24; Weller, ZBB 2011, 191, 197. 97 Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. §§ 662 ff., Rdnr. 24. 98 Weller, ZBB 2011, 191, 197. 99 Staudinger/Singer/von Finckenstein, BGB, § 123 Rdnr. 10, 13. Eine äußerste Grenze zieht § 123 BGB für das arglistige Verschweigen von für die Gegenseite erkennbar bedeutsame Tatsachen, BGH NJW 1983, 2493, 2494; Weller, ZBB 2011, 191, 197. 93
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teiligten sind bei diesen Verträgen regelmäßig bloße Motive für den Vertragsabschluss, sie werden nicht Gegenstand des Vertrages.100 (ii) Verträge der Interessengemeinschaft Bei den Verträgen der Interessengemeinschaft, insbesondere den Gesellschaftsverträgen, sind die auf den Vertrag zielenden Interessen der Beteiligten dagegen gleichgerichtet101 und gleichrangig102 . Diese Interessen werden gemeinsamer Vertragsinhalt und sind nicht mehr nur rechtlich unbeachtliche Motive.103 Aufgrund der Gleichrichtung der Interessen ist die Pflicht zur Wahrung der Interessen der anderen, die (gesellschaftsrechtliche) Treuepflicht, stärker ausgeprägt als bei Verträgen des Interessengegensatzes die Pflicht, nach Treu und Glauben zu handeln: Um den vereinbarten gemeinsamen Zweck zu verfolgen, müssen die Gesellschafter gewisse Opfer bringen und sich „in eine überpersönliche Aufgabe“ einordnen.104 (iii) Verträge der Fremdinteressenwahrung Eine noch stärkere Bindung an die Interessen des Geschäftsherrn als bei bei den Treuepflichten der Verträge des Interessengegensatzes oder der Interessengemeinschaft erfolgt durch die Interessenwahrungs- bzw. Treuepflicht bei Fremdinteressenwahrungsverträgen; diese ist daher noch stärker ausgeprägt als jene.105 Im Fall der Fremdinteressenwahrungsverträge, wie etwa dem Auftrag oder der Geschäftsbesorgung, übernimmt es einer der beiden Vertragspartner die Interessen des anderen wahrzunehmen.106 Diese Verträge sind somit einseitig an den Interessen einer Partei ausgerichtet. Das führt dazu, dass die Interessen des Letzteren, des Geschäftsherrn, Vertragsinhalt werden, nicht aber die des Ersteren, des Interessenwahrers.107 Der Interessenwahrer ordnet seine Interessen somit denen des Geschäftsherrn unter.108 Vergleichbares gilt für organ Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. §§ 662 ff. Rdnr. 28; Ulmer, Vertragshändler, S. 267. 101 Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. §§ 662 ff. Rdnr. 25. 102 Weller, ZBB 2011, 191, 197. 103 Ulmer, Vertragshändler, S. 267; Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. §§ 662 ff. Rdnr. 28; Weller, ZBB 2011, 191, 196 Fn. 83. Vgl. dazu auch MünchKommBGB/Ulmer/ Schäfer, § 705 Rdnr. 142 ff. 104 Weller, ZBB 2011, 191, 196 Fn. 83. Die Gesellschafter müssen ihre Interessen aber nicht unbedingt hinter die der Gesellschaft zurückstellen, siehe etwa BGHZ 14, 25, 38. 105 Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. §§ 662 ff. Rdnr. 26. Siehe auch Ulmer, Vertragshändler, S. 267. 106 Z. B. BGHZ 96, 352, 354; BGH NJW 1989, 1216, 1217; vgl. auch MünchKommBGB/ Seiler, § 662 Rdnr. 33. 107 Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. §§ 662 ff. Rdnr. 28; Ulmer, Vertragshändler, S. 267; Weller, ZBB 2011, 191, 197. 108 Daher auch die Bezeichnung Subordinationsvertrag. Dazu Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. zu § 662 ff. Rdnr. 27 f.; siehe auch Erman/Berger, BGB, § 662 Rdnr. 3. 100
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schaftliche und solche gesetzlichen Rechtsverhältnisse, die von ihrer Interessenstruktur her mit Fremdinteressenwahrungsverträgen vergleichbar sind. d.) Die asymmetrische Interessengewichtung bei Verträgen mit Fremdinteressenwahrungscharakter Bei den Verträgen mit Fremdinteressenwahrungscharakter besteht aufgrund der einseitigen Ausrichtung an den Interessen des Geschäftsherrn eine asymmetrische Interessengewichtung. Zwar bedeutet dies nicht unbedingt, dass zwischen den Beteiligten auch ein Informations- oder Machtungleichgewicht herrscht. Aber wenn ein solches besteht, führt dies dazu, dass der Ausgleich zwischen den Interessen der Parteien gefährdet ist und mithin die vertragsimmanente Richtigkeitsgewähr und die marktwirtschaftliche Ergebnisrichtigkeit eingeschränkt sind.109 Dies gilt sowohl für den Fall, dass das Marktungleichgewicht zugunsten des Geschäftsherrn, als auch, dass es zu seinen Lasten besteht. Im letzteren Fall liegt die Ursache meist darin, dass der Geschäftsherr vom Interessenwahrer abhängig ist, weil er auf dessen Sachkunde angewiesen ist, ihn kaum oder gar nicht kontrollieren und ihn nur schwer oder gar nicht gegen einen anderen austauschen kann.110 Wegen der fehlenden eigenen Sachkunde kann der Geschäftsherr die Leistung des Interessenwahrers nicht korrekt einschätzen und mit derjenigen anderer Interessenwahrer vergleichen, um notfalls auf diese auszuweichen. Dementsprechend befindet er sich in einer schlechteren Verhandlungsposition als der Interessenwahrer. Das hat Auswirkungen auf die vertraglichen Vereinbarungen. Daher kann bei den asymmetrisch strukturierten Interessenwahrungsverträgen, anders als bei synallagmatischen Austauschverhältnissen, bei denen die Gegensätzlichkeit der Interessen und die gegenläufige Belangwahrung typischerweise zu einem Interessenausgleich führen, nicht von einer vertragsimmanenten Richtigkeitsgewähr ausgegangen werden.111 Dementsprechend besteht bei Fremdinteressenwahrungsverträgen im Vergleich zu Austauschverträgen ein höherer rechtlicher Regelungsbedarf. e.) Nicht erfasste Interessenkonflikte Entsprechend besteht auch für Interessenkonflikte, die im Rahmen von Fremd interessenwahrungsverträgen auftreten, ein höherer Regelungsbedarf als bei solchen, die im Rahmen von Verträgen des Interessengegensatzes zu beobachten sind. Bei letzteren ist der Interessengegensatz der Transaktion notwendig inhärent. Die Interessen der beteiligten Parteien stehen sich offen gegenüber: Sie werden von ihren Interessenträgern unmittelbar repräsentiert und der Interessengegensatz ist offenkundig und den Beteiligten (von Anfang an) bekannt. Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. zu §§ 662 ff. Rdnr. 30. Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. zu §§ 662 ff. Rdnr. 31, auch zum Folgenden. 111 Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. zu §§ 662 ff. Rdnr. 30. 109 110
II. Begriff des Interessenkonflikts und dogmatische Verortung
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Die rechtlichen Regelungen sind darauf abgestimmt, den von den Parteien privatautonom zu vereinbarenden Ausgleich der gegensätzlichen Interessen sicherzustellen. Dieser erfolgt durch den einverständlichen Abschluss des jeweiligen (Austausch-)Vertrages.112 Entsprechend bedarf es keiner zusätzlichen gesteigerten Pflichtenbindung. Solche Interessenkonflikte im weiteren Sinne können daher ausgeklammert werden. Auch die Interessenkonflikte im Rahmen von Verträgen der Interessengemeinschaft, also insbesondere von Gesellschaftern, sollen im Folgenden nicht im Fokus stehen. Bei ihnen geht es nicht primär um die Wahrnehmung von Interessen Dritter, sondern um die Verfolgung gemeinsamer Interessen. Auch wenn dies dazu verpflichtet, auf die Interessen der anderen Beteiligten in besonderer Weise Rücksicht zu nehmen, so sind diese Interessen doch nicht allein ausschlaggebend. Vielmehr fließen an vielen Stellen auch eigene Interessen der Betroffenen ein und werden in einem größeren Maße berücksichtigt als bei Fremdinteressenwahrungsverträgen.113 Besonders regelungsbedürftig – und daher im Folgenden untersucht – sind nur solche Interessenkonflikte, die im Rahmen von Fremdinteressenwahrungsverträgen auftreten. Damit vergleichbar – und daher ebenfalls in den Blick genommen – sind Interessenkonflikte, die in Rechtsverhältnissen entstehen, die von ihrer Interessenstruktur her den Fremdinteressenwahrungsverträgen ähnlich sind. Hierzu gehören gesetzliche Rechtsverhältnisse, wie z. B. die Vormundschaft, die Betreuung oder auch die Insolvenzverwaltung, sowie organschaftliche Rechtsverhältnisse bei Vereinen und (Kapital-)Gesellschaften. f.) Der Interessenkonflikt im engeren Sinne Die im Rahmen von Rechtsverhältnissen mit Fremdinteressenwahrungscharakter entstehenden Interessenkonflikte zeichnen sich dadurch aus, dass in ein und derselben (natürlichen) Person divergierende Interessen im oben definierten Sinne aufeinander treffen, die ihren Ursprung in unterschiedlichen Positionen (Statusverhältnissen) dieser Person haben.114 Zum einen hat sie die Interessen eines anderen zu wahren, sei es, dass sie dies vertraglich übernommen hat, sei es, dass sie von Gesetzes wegen dazu verpflichtet oder gerichtlich dazu bestellt worden ist.115 Zum anderen ist sie zugleich Privatperson mit eigenen Inte Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. §§ 662 ff. Rdnr. 24. Vgl. dazu Zöllner, Schranken, S. 7. 114 Orts, in: Davis/Stark, Conflicts of Interest in the Professions, S. 129, 130; Reimer, Interessenkonflikte, unveröffentlichtes Manuskript, S. 37. Vgl. dazu auch Lutter, in: FS Coing, 1982, S. 565 ff. Zum Begriff des Interessenkonflikts siehe auch Assmann/Schneider/ Koller, WpHG, § 33 Rdnr. 38 f.; Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 WpHG Rdnr. 53 ff.; Göres, Interessenkonflikte, S. 33; Assmann, ÖBA 2007, 40, 43; Kumpan/Leyens, ECFR 2008, 72, 84; vgl. auch Kümpel/Wittig/Rothenhöfer, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 3.378. 115 Dazu Bahar/Thévenoz, in: Thévenoz/Bahar, Conflicts of Interest, S. 1, 2 f. 112 113
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ressen oder befindet sich in einem weiteren Fremdinteressenwahrungsverhältnis, aufgrund dessen sie kollidierende Fremdinteressen wahrzunehmen hat. Weiteres Merkmal eines solchen Interessenkonflikts ist, dass der Interessenwahrer in dieser besonderen Rechtsbeziehung (mit Fremdinteressenwahrungscharakter) Entscheidungen für den Geschäftsherrn zu treffen hat.116 Denn ohne eine „Entscheidung“ gäbe es nichts, was beeinflusst werden könnte. Die besondere Stellung des Interessenwahrers als sachkundiger Entscheider führt regelmäßig dazu, dass der Geschäftsherr die Einwirkungsmöglichkeiten des Interessenwahrers schwer kontrollieren kann und daher beim Interessenwahrer Konfliktsituationen mit besonderem Gefährdungspotential für die Interessen des Geschäftsherrn entstehen können. Zu einem Konflikt kommt es jedoch nur, wenn der Interessenwahrer ein besonderes Interesse in Bezug auf den Gegenstand der Entscheidung hat, das eine ordnungsgemäße, an den Interessen des Geschäftsherrn ausgerichtete Entscheidung beeinträchtigt. Dabei kann es sich um ein eigenes Interesse handeln oder um ein Fremdinteresse, das der Interessenwahrer ebenfalls wahrzunehmen verpflichtet ist. Schließlich darf der Konflikt in Bezug auf die Ausübung der Entscheidung nicht lediglich zufällig auftreten.117 Das bedeutet, dass zwischen der Ausübung der Entscheidung für einen anderen und dem „störenden“ Interesse eine unmittelbare Beziehung bestehen muss.118 Bloße Emotionen, die aus anderen Situationen lediglich nachwirken und die die Entscheidung beeinflussen können, führen nicht zu einem regelungsbedürftigen Interessenkonflikt.119 g.) Interessenkonflikt und Befangenheit Vielfach werden die Begriffe Interessenkonflikt und Befangenheit im gleichen Sinne verwendet. Sie sind jedoch voneinander zu unterscheiden.120 Befangenheit ist die eigennützige Voreingenommenheit, die dem Entscheidenden die Offenheit für das Recht oder die Distanz zum Entscheidungsgegenstand nimmt.121 Der Interessenkonflikt stellt dagegen lediglich eine Tendenz zur Befangenheit dar. Er muss eine Entscheidung nicht zwangsnotwendig beeinflussen. Auch wenn jemand einem Interessenkonflikt ausgesetzt ist, kann er in der Lage sein, Coleman, When conflicts of interest are an unavoidable problem, S. 2 . Coleman, When conflicts of interest are an unavoidable problem, S. 3. 118 Coleman, When conflicts of interest are an unavoidable problem, S. 2 . 119 Z. B. wenn sich ein Prüfer während seiner Autofahrt über andere Fahrer ärgert und sich nach seiner Ankunft an die Bewertung von Prüfungsaufgaben setzt, also Entscheidungen vornimmt. Wenn er sich in dieser Situation noch wegen der Autofahrt ärgert, dürfte dies seine Bewertungen beeinflussen. Dies allerdings als Interessenkonflikt anzusehen, würde diesen Begriff überdehnen. Siehe Coleman, When conflicts of interest are an unavoidable problem, S. 2 . 120 Barnes/Florencio, 30 J.L. Med.& Ethics 390, 392 (2002); Walker, Conflicts of Interest, § 1:1. 121 Reimer, Interessenkonflikte, unveröffentlichtes Manuskript, S. 279. 116 117
II. Begriff des Interessenkonflikts und dogmatische Verortung
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das Interesse des Geschäftsherrn zu wahren und angemessen zu entscheiden.122 Wer dagegen befangen ist, ist dazu nicht mehr in der Lage. Damit aber sind die Auswirkungen von Interessenkonflikten schwerer vorherzusagen und damit schwerer zu kompensieren als die der Befangenheit.123
4.) Interessenwiderstreit im Berufsrecht Eine andere Terminologie verwenden die berufsrechtlichen Regelungen, etwa in § 43a Abs. 4 BRAO oder § 53 1. Hs. WiPrO. Dort ist nicht von „Interessenkonflikt“ die Rede, sondern von „widerstreitenden Interessen“. Grundsätzlich ließe sich vertreten, dass die beiden Begriffe den gleichen Sachverhalt umschreiben. Der Sprachgebrauch und die anknüpfenden Rechtsfolgen sprechen jedoch dafür, den Begriff der „widerstreitenden Interessen“ enger zu verstehen als denjenigen des „Interessenkonflikts“. a.) Subjektive Bestimmung der Interessen Für eine nähere Bestimmung des Begriffs der „widerstreitenden Interessen“ ist zunächst zu untersuchen, wie der Begriff der „Interessen“ im Berufsrecht zu bestimmen ist. Diese können einerseits subjektiv aus der Sicht des Mandanten124 oder andererseits objektiv als dessen „wohlverstandene Interessen“125 begriffen werden.126 Für eine objektive Bestimmung lässt sich ins Feld führen, dass das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen nicht nur den jeweiligen Mandanten schützen soll, sondern auch allgemein der Wahrung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts und der im Interesse der Rechtspflege gebotenen Geradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung dient; das spricht dage-
Coleman, When conflicts of interest are an unavoidable problem, S. 1. Coleman, When conflicts of interest are an unavoidable problem, S. 1. 124 Etwa BVerfGE 108, 150, 162; BVerfG NJW 2006, 2469, 2470; zur parallelen Prob lematik bei § 356 StGB; BGHSt 5, 301, 307; 7, 17, 20 f.; 15, 332, 334; BGH NJW 1981, 1211, 1212; Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 64; Henssler/Prütting/ Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 172; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 109; ders., AnwBl 2005, 338 f.; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 164; Knöfel, Grundfragen, S. 765 f.; Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 88; dies., DStR 2003, 1316, 1318; Henssler, NJW 2001, 1521, 1522; Kempf, FS Busse, 2005, S. 191, 201; Kilian, WM 2000, 1366, 1368. 125 BGHSt 4, 80, 82; 5, 284, 287 ff. (zu § 356 StGB); BGH NJW 2012, 3039, 3040; von Lewinski, Grundriss, S. 72; Passarge, Aktiengesellschaft, S. 131; Westerwelle, Rechtsanwaltssozietäten, S. 94 f.; Sahan, AnwBl 2008, 698, 700. Eher zu einer objektiven Bestimmung neigend, aber letztlich auf den Einzelfall abstellend Kütemann, Interessenkollision des Anwalts, S. 19 ff., insb. S. 21. 126 Zum Ganzen (hinsichtlich der parallelen Problematik bei § 356 StGB) ausführlich etwa Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 99 ff.; siehe auch Henssler/Deckenbrock, NJW 2012, 3265, 3267 m.w.N. 122 123
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
gen, die Bestimmung der Interessen – und damit indirekt die Disposition über das Verbot – den Parteien zu überlassen.127 Vorzugswürdig ist jedoch auch im Berufsrecht eine subjektive Bestimmung der Interessen.128 Denn grundsätzlich kann jeder selbst bestimmen, was für ihn wichtig ist. Dementsprechend muss er auch festlegen können, in welchem Umfang ein Anwalt für ihn tätig werden soll.129 Außerdem hat ein Mandant das mit der Durchführung des Mandats verbundene Erfolgs- und Kostenrisiko zu tragen, sodass er auch dessen Ausführung im Wesentlichen steuern können muss.130 Da es sich beim Anwaltsvertrag um einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag handelt, ergibt sich dies nicht zuletzt aus §§ 675 Abs. 1, 665 BGB. Danach hat der Anwalt – als Geschäftsbesorger – grundsätzlich den Weisungen seines Mandanten zu folgen und darf nur unter besonderen Umständen von ihnen abweichen.131 Der Anwalt darf daher auch nicht das tun, was er für im besten Interesse des Mandanten hält, wenn dies gegen den ausdrücklichen Wunsch des Mandanten verstoßen würde.132 Vielmehr hat er als Interessenvertreter seines Mandanten dessen Interessen anzuerkennen und wahrzunehmen, solange er dadurch seine Rechtspflichten nicht verletzt.133 Dies wird dadurch unterstrichen, dass er sich gegenüber dem Mandanten schadensersatzpflichtig machen kann, wenn er seine Pflicht verletzt, Weisungen seines Mandanten zu beachten.134 Hat der Anwalt also den Weisungen des Mandanten, d. h. dessen geäußerten (subjektiven) Interessen, grundsätzlich Folge zu leisten, muss dies
127 Vgl. dazu Passarge, Aktiengesellschaft, S. 131 (Praktikabilitätsgründe); Westerwelle, Rechtsanwaltssozietäten, S. 94 f.; Sahan, AnwBl 2008, 698, 700 (klare Anhaltspunkte für den Rechtsanwalt); einschränkend von Lewinski, Grundriss, S. 72 (gewisse Disponibilität); Siehe außerdem die umfangreichen Nachweise bei Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 99 Fn. 368 zur entsprechenden Argumentation bei § 356 StGB, der die gleichen Schutzzwecke verfolgt wie § 43a BRAO (Deckenbrock, a.a.O. S. 147). 128 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 164 (sowie S. 100 zur entsprechenden Ansicht in Bezug auf § 356 StGB m.w.N. in Fn. 369); Knöfel, Grundfragen, S. 765 f.; Henssler, NJW 2001, 1521, 1522; Henssler/Deckenbrock, NJW 2012, 3265, 3267; Schramm, DStR 2003, 1316, 1318; Schütte, FS zum 25jährigen Bestehen der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im DAV, S. 1339, 1344. Vorsichtiger Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 637 (subjektive Bestimmung in den Bereichen, in denen der Streitstoff der Parteidisposition unterliegt); ders., WM 2000, 1366, 1368. 129 Henssler, NJW 2001, 1521, 1522; Kleine-Cosack, AnwBl 2005, 338 f.; Schramm, DStR 2003, 1316, 1318. 130 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 101; Henssler/Deckenbrock, NJW 2012, 3265, 3267. 131 BGH NJW 1985, 42, 43; 1997, 2168, 2169; BGH VersR 1985, 83, 84; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 100; Henssler/Deckenbrock, NJW 2012, 3265, 3267. 132 Schramm, DStR 2003, 1316, 1318. Siehe auch Knöfel, Grundfragen, S. 765. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings § 665 Satz 2 BGB. 133 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 172. 134 BGHZ 96, 352, 354.
II. Begriff des Interessenkonflikts und dogmatische Verortung
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auch bei der Bestimmung der „Interessen“ im Rahmen von § 43a Abs. 4 BRAO berücksichtigt werden.135 b.) Berücksichtigung auch „bloß“ wirtschaftlicher Interessen Weiterhin wird vertreten, dass ausschließlich rechtliche Interessen von § 43a Abs. 4 BRAO erfasst werden würden.136 Bloße wirtschaftliche Interessen einer (zuvor) vertretenen Partei reichten für das in § 43a Abs. 4 BRAO geregelte Verbot nicht aus, auch wenn sie sich auf denselben Lebenssachverhalt bezögen. Geschützt seien solche Interessen nur, wenn sie zu widerstreitenden Rechtspositionen führen würden.137 Ein Mandat, das erst und nur der Willensbildung über wirtschaftliche Motive diene, schließe eine spätere Vertretung einer anderen Partei mit entgegengesetzten Interessen nicht aus. So soll etwa die Durchführung einer Due Diligence für einen Mandanten die Vertretung eines anderen, am Erwerb desselben Unternehmens interessierten Mandanten beim später durchgeführten Unternehmenskauf nicht hindern.138 Wer nur in der Vorphase eines Unternehmenskaufs teilnimmt und sich dabei anwaltlich vertreten lässt, soll demnach keinen Anspruch auf die Loyalität seines Anwalts haben, wenn er nicht auch an der eigentlichen Verhandlungsphase teilnimmt. Eine solche Unterscheidung zwischen rechtlichen und „bloß“ wirtschaftlichen Interessen lässt sich dem Wortlaut von § 43a Abs. 4 BRAO jedoch nicht entnehmen. Dort wird allgemein von „Interessen“ gesprochen. Auch lässt sich zwischen rechtlichen und „bloß“ wirtschaftlichen Interessen oft kaum sinnvoll unterscheiden.139 Selbst wenn man in manchen Fällen zwischen wirtschaftlichen und rechtlichen Interessen unterscheiden können sollte, wird der Mandant nur in den wenigsten Fällen der Vertretung „bloß“ wirtschaftlicher Inter135 Henssler/Deckenbrock, NJW 2012, 3265, 3267. Herangezogen wird außerdem die begriffliche Korrespondenz zwischen der gesetzlichen Berufsfunktion des Rechtsanwalts als „Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten“, vgl. § 3 Abs. 1 BRAO, und der in § 43a Abs. 4 BRAO für die Berufshandlung verwendeten Begriff des „Vertretens“. Siehe Knöfel, Grundfragen, S. 765. 136 Für eine Beschränkung auf rechtliche Interessen etwa Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 163; Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 636; Henssler, NJW 2001, 1521, 1523. „Bloß“ wirtschaftliche Interessen sollen nach dieser Ansicht über die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht in § 43a Abs. 2 BRAO geschützt werden. Vorsichtiger aber Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 170; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 105. Dies mag von § 356 StGB (vgl. dazu RGSt 66, 316, 321) abgeleitet werden, doch steht dies einer weiteren Auslegung nicht entgegen. Denn nach der Regierungsbegründung zur Berufsrechtsnovelle von 1994 soll die Berufspflicht über § 356 StGB hinausgehen, vgl. BT-Drs. 12/4993, S. 27. 137 Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 636; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 163. 138 Henssler, NJW 2001, 1521, 1523; vgl. dazu auch ders., ZZP 115 (2002) 321, 329. 139 Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 105; Knöfel, Grundfragen, S. 766 f.; für ein weites Begriffsverständnis auch von Lewinski, Grundriss, S. 71 („Interessen i.S.d. § 43a IV BRAO können jeder Art sein“).
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
essen nachvollziehen können, warum „sein“ Anwalt plötzlich „die Seite wechselt“. Denn er geht davon aus, dass der Anwalt sein Interessenvertreter ist und dabei voll und ganz an seiner Seite steht. Sein Vertrauen in den Rechtsanwalt als „seinen Interessenvertreter“ würde in diesen Fällen und damit dann auch generell untergraben werden und somit der Schutzzweck von § 43a Abs. 4 BRAO, dieses Vertrauen zu schützen, verfehlt. Eine Beschränkung auf lediglich rechtliche Interessen im Rahmen von § 43a Abs. 4 BRAO würde – insbesondere für den Mandanten – auch deshalb schwer nachzuvollziehen sein, weil dies zu einem Auseinanderfallen von (anwalts-) vertraglicher und berufsrechtlicher Interessenwahrnehmungs- und Konfliktvermeidungspflicht führen würde. Denn vertraglich ist der Anwalt auch zur Wahrung wirtschaftlicher Interessen des Mandanten verpflichtet. Nach §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB hat er neben den „Rechten“ und „Rechtsgütern“ auch die „Interessen“ des Mandanten zu schützen. Unter „Interessen“ ist in diesem Kontext somit etwas anderes zu verstehen als „Rechte“ oder „Rechtsgüter“, was darauf hindeutet, dass sich die vertraglichen Schutzpflichten auch auf reine Vermögensbelange erstrecken.140 Zwar sind die (anwalts-) vertragliche und berufsrechtliche Interessenwahrungspflicht systematisch unabhängig voneinander. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Zwecks von § 43a Abs. 4 BRAO, das Vertrauen des Mandanten besonders zu schützen, muss jedoch ein Auseinanderlaufen vermieden werden. Indem § 43a Abs. 4 BRAO ebenfalls den Begriff der „Interessen“ verwendet, führt diese Norm dazu, dass der in § 241 Abs. 2 BGB und § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB zum Ausdruck kommende Gedanke der „Obhut kraft Vertragsschlusses“ auf berufsrechtlicher Ebene zusätzlich verankert wird.141 Damit bezieht sich das Vertretungsverbot gemäß § 43a Abs. 4 BRAO auf sämtliche Interessen, die die im Anwaltsvertrag zum Ausdruck kommende subjektive Sicht des Mandanten als solche definiert.142 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass eine Beschränkung im Rahmen von § 43a Abs. 4 BRAO auf ausschließlich rechtliche Interessen dazu führen würde, dass der Begriff der widerstreitenden Interessen in § 53 1. Hs. WiPrO und in § 43a Abs. 4 BRAO unterschiedlich definiert würde. Denn bei § 53 1. Hs. WiPrO kann es vor dem Hintergrund der Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers nicht, jedenfalls nicht primär, um rechtliche Interessenunterschiede gehen.143 Ein Auseinanderfallen des Verständnisses desselben Begriffs in diesen beiden Berufsrechten sollte vor dem Hintergrund der verfassungsgerichtlich ausge140 Dezidiert Knöfel, Grundfragen, S. 767 (Begriff der Interessen diene ausschließlich der Klarstellung, dass reine Vermögensbelange in die Reichweite der vertraglichen Schutzpflichten fielen). 141 Knöfel, Grundfragen, S. 767. 142 Knöfel, Grundfragen, S. 767. 143 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 194.
II. Begriff des Interessenkonflikts und dogmatische Verortung
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sprochenen Wesensgleichheit der wirtschaftsnahen Beratungsberufe vermieden werden. Auch dies spricht für einen weiten Interessensbegriff bei § 43a Abs. 4 BRAO. c.) Berücksichtigung eigener Interessen des Berufsträgers Des Weiteren wird von einigen hinsichtlich des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen im (anwaltlichen) Berufsrecht vertreten, dass ausschließlich Konflikte zwischen den Interessen verschiedener Mandanten, nicht hingegen der Konflikt zwischen Mandanteninteressen und den eigenen Interessen des jeweiligen Berufsträgers erfasst werde.144 § 43a Abs. 4 BRAO sei als Dreieckstatbestand einzuordnen, der voraussetze, dass es sich beim Rechtsanwalt und den Parteien um verschiedene Personen handele. Andernfalls wäre es dem Anwalt nicht möglich, sich in einem Schadensersatzprozess des Mandanten wegen Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages selbst zu vertreten.145 In dieser Allgemeinheit lässt sich diese Aussage nicht aufrechterhalten. Anders als etwa § 356 StGB legt § 43a Abs. 4 BRAO nicht fest, wessen Interessen nicht widerstreitend vertreten werden dürfen,146 und der Begriff der „widerstreitenden Interessen“ selbst sagt nichts über die Interessenträger aus.147 § 43a Abs. 4 BRAO ist seinem Wortlaut nach nicht personen- sondern interessenbezogen formuliert.148 Dann aber kann die Beteiligung mehrerer Mandanten keine zwingende Voraussetzung für das Vertretungsverbot in § 43a Abs. 4 BRAO sein.149 Hinzu kommt, dass Rechtsanwälte immer im ausschließlichen Interesse ihres Mandanten tätig sind, also immer parteilich handeln.150 Ein solches einseitig parteiliches Handeln ist einem Rechtsanwalt aber nicht nur dann unmöglich bzw. erschwert, wenn er entgegengesetzte Interessen verschiedener Mandanten vertreten muss, sondern auch, wenn er mit eigenen gegensätzlichen Interessen beteiligt ist. Denn auch im letzteren Fall kann er die Interessen des Mandanten nicht uneingeschränkt verfolgen.151 Demzufolge müssen auch die 144 Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 98 (mit Verweis auf BGH NJW 1999, 3568 zu § 356 StGB); Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 157 (mit Verweis auf § 356 StGB); Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 289; Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 92; a.A. Passarge, Aktiengesellschaft, S. 131. 145 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 157 i.V.m. S. 84 f.; a.A. Knöfel, Grundfragen, S. 738 f. 146 Knöfel, Grundfragen, S. 738. 147 Anders dagegen etwa die Formulierung in § 3 Abs. 1 BS WP/vBP („anderen Auftraggeber“). 148 Knöfel, Grundfragen, S. 738. Vgl dazu auch OLG Stuttgart, NVwZ-RR 2001, 29, 31. 149 Knöfel, Grundfragen, S. 738; vgl. dazu auch Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 57; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 185; a.A. Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 157. Ein echtes Dreiecksverhältnis muss nach deutschem Recht nur beim Parteiverrat, § 356 StGB („beiden Parteien“), bestehen. 150 Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 663. 151 Passarge, Aktiengesellschaft, S. 131.
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Fälle unter § 43a Abs. 4 BRAO subsumiert werden, bei denen der Anwalt einen Mandanten vertritt und zugleich mit eigenen gegensätzlichen Interessen beteiligt ist oder bei denen er abgetretene Rechte des Gegners in derselben Rechtssache gegen seinen Mandanten geltend macht.152 Dies ist vergleichbar mit der Rechtslage in der Schweiz. Auch dort haben Anwälte „jeden Konflikt zwischen den Interessen ihrer Mandanten, den eigenen und den Interessen von anderen Personen, mit denen sie geschäftlich oder privat in Beziehung stehen“ zu vermeiden, vgl. Art. 11 der Schweizerischen Standesregeln.153 Kein Verstoß gegen § 43a Abs. 4 BRAO liegt dagegen vor, wenn der Anwalt Honoraransprüche gegen seinen Mandanten geltend macht.154 In diesem Fall handelt es sich um einen anderen Lebenssachverhalt (nicht mehr der Sachverhalt, dessentwegen der Anwalt eingeschaltet wurde, sondern die daraufhin erfolgte Vertretung durch diesen) und damit um eine andere Rechtssache. Gegen dieses Verständnis spricht auch nicht § 3 Abs. 1 BORA. Diese Regelung beschränkt sich auf solche Fälle, in denen der Rechtsanwalt „eine andere Partei“ in derselben Rechtssache beraten oder vertreten hat. § 3 Abs. 1 BORA bezieht sich demnach nur auf Kollisionen von Fremdinteressen, nicht auch auf den Konflikt von eigenen Interessen des Rechtsanwalts mit denen seines Mandanten. Auf das Verständnis von § 43a Abs. 4 BRAO als der höherrangigen Norm hat dies jedoch keine Auswirkungen. Gleiches gilt für Wirtschaftsprüfer. Auch § 53 1. Hs. WiPrO enthält keine Beschränkung auf Konflikte von verschiedenen Fremdinteressen, sondern betrifft seinem Wortlaut nach auch Konflikte von Mandanten- mit Eigeninteressen. Demgegenüber begrenzt § 3 Abs. 1 BS WP/vBP seinen Anwendungsbereich auf Kollisionen von Fremdinteressen, indem dort ein Tätigwerden verboten wird, wenn Wirtschaftsprüfer bzw. vereidigte Buchprüfer einen „anderen Auftraggeber“ in derselben Sache im widerstreitenden Interesse beraten (haben) oder vertreten (haben). Aber auch hier gilt: Auf § 53 1. Hs. WiPrO als der in der Normenhierarchie höherstehenden Norm hat dies keine (beschränkende) Auswirkung.
152 Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 57; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 185; Passarge, Aktiengesellschaft,S. 131 153 Schweizerischer Anwaltsverband, Schweizerische Standesregeln, Luzern, 10. Juni 2005, abrufbar unter http://www.bgfa.ch/de/01_gesetze/03_standesregeln.htm?eintrag_ id=530 (Stand: 28.07.2014). 154 BGHSt 12, 96 (bzgl. des parallelen Problems bei § 356 StGB); Feuerich, in: Feuerich/ Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 57; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 185; Knöfel, Grundfragen, S. 738 f.; (missverständlich) Passarge, Aktiengesellschaft, 131 Fn. 438.
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d.) „Widerstreit“ der Interessen Die so bestimmten Interessen müssen „widerstreitend“ sein. Auch hinsichtlich der Bestimmung dieses Merkmals bestehen unterschiedliche Ansichten.155 So wird etwa angenommen, ein Widerstreit sei gegeben, „wenn die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des einen Interesses unmittelbar zu Lasten des anderen erfolgt“.156 Dem wird zu Recht entgegengehalten, dass eine bloße „Gefahr“ nicht genügen könne. Zum einen sei unklar, welchen Grad eine solche „Gefahr“ erreicht haben müsse, um beachtlich zu sein, zum anderen würde eine solche Bestimmung auf ein im Rahmen des Berufsrechts verfassungsrechtlich unzulässiges Anscheinsverbot hinauslaufen.157 Selbst die bestehende Möglichkeit eines eintretenden Widerstreits soll nicht ausreichen.158 Denn solange sich der Anwalt nicht zwischen zwei oder mehreren Interessen entscheiden und notwendig gegen mindestens ein Interesse handeln muss, ist es nicht von Bedeutung, ob diese Situation vielleicht irgendwann einmal eintreten könnte. Der Interessenwiderstreit muss somit immer konkret bestimmt werden, nicht lediglich abstrakt.159 Vom Sprachgebrauch her beschreibt „Widerstreit“ einen besonders qualifizierten Gegensatz von Interessen mindestens zweier Parteien. Er bringt zum Ausdruck, dass die inkongruenten Interessen in einer besonderen Intensität aufeinanderprallen: Die Parteien stehen in einer „kontradiktorisch angelegten Frontstellung“160 zueinander. Die von ihnen angestrebten Ziele müssen sich zwingend gegenseitig ausschließen. Das heißt, dem Interessenwahrer – bzw. in diesem Fall dem Berufsträger – muss es unmöglich sein, dem von einer Partei verfolgten Begehren zu entsprechen, ohne sich automatisch gegen dasjenige der anderen Partei zu richten. Er müsste gezwungen sein, denselben historischen 155 Zum verbreiteten Verzicht auf eine Begriffsfestlegung Knöfel, Grundfragen, S. 768. Zu verschiedenen Ansätzen zur Begriffsbestimmung Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 80 (mit Verweis auf S. 50). 156 Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S.89; dies., DStR 2003, 1316, 1318; siehe auch Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 171; Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 111; Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 635. 157 Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 111 m.w.N. auf S. 34 in Fn. 56; Henssler/Deckenbrock, NJW 2012, 3265, 3269; vgl. auch Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 108 (bloßer Anschein einer Interessenkollision reiche nicht aus); ebenso Henssler/Prütting/ Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 171 (Interessenkonflikt muss tatsächlich vorliegen, potentielle oder künftige Interessenkonflikte reichen nicht aus). Zur Unzulässigkeit des Abstellens auf den Anschein pflichtwidrigen Verhaltens BVerfGE 108, 150, 164. 158 BGH NJW 2012, 3039 (aus dem Leitsatz); OLG Karlsruhe, NJW 2002, 3561, 3563. 159 BGH NJW 2013, 1247; NJW 2012, 3039, 3041; Henssler/Deckenbrock, NJW 2012, 3265, 3269. 160 Knöfel, Grundfragen, S. 769. Ähnlich, aber weniger prononciert Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 635; Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 88. Lediglich inkongruente Interessen reichen demgegenüber nicht aus, siehe Kempf, FS Busse, 2005, S. 191, 194.
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
Vorgang einmal aus der einen und einmal – für den anderen Mandanten – aus der anderen, entgegengesetzten Perspektive zu würdigen.161 Eine solchermaßen zugespitzte Unvereinbarkeit besteht nicht bereits bei beliebigen gegensätzlichen, sondern nur bei miteinander schlechterdings unversöhnlichen Interessen.162 Im Vergleich zum Begriff des Interessen-„konflikts“ ist der Begriff des Interessenwiderstreits daher enger, denn der Interessenkonflikt umfasst auch ein Zusammentreffen unvereinbarer Interessen, die nicht kontradiktorisch in Bezug auf denselben Lebenssachverhalt gegeneinander stehen.163 Der besondere Gegensatz der aufeinander bezogenen und sich gegenseitig ausschließenden Interessen beim „Widerstreit“ kommt insbesondere in dem Präfix „wider“ zum Ausdruck.164 Mit der Verwendung des Wortteils „Streit“ lehnt sich § 43a Abs. 4 BRAO an die in anderen Regelungen verwendeten Begriffe „Rechtsstreit“ (z. B. Art. 100 Abs. 2 GG, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO), „Rechtsstreitigkeit“ (z. B. §§ 23 1. Hs., 71 Abs. 1 GVG, § 2 Abs. 1 Nr. 1–10, Abs. 2–5 ArbGG), „Streitigkeit“ (z. B. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 GG, § 40 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 VwGO) oder „Streitsache“ (z. B. § 261 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 ZPO) an, die sich alle von dem Begriff der als solcher nicht streitigen „Angelegenheit“ (z. B. § 1 FamFG, § 1 KostO) unterscheiden.165 Dies ist bei der Auslegung zu berücksichtigen. Die Träger der entgegengesetzten Interessen müssen sich daher im Falle eines Rechtsstreits zwingend auf unterschiedlichen Seiten befinden – sie dürfen demnach auch nicht als Streitgenossen oder Streithelfer auf Seiten einer Partei agieren.166 Die besondere Bedeutung des Merkmals „Streit“ zeigt sich auch im Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer. Dort wird unterschieden zwischen „widerstreitenden“ Interessen und solchen, die nicht miteinander im „Widerstreit“ stehen. Während letztere nacheinander (§ 53 2. Hs. WiPrO) oder parallel (§ 3 Satz 2 BS WP/vBP) im Einverständnis aller Beteiligter zusammen vertreten werden dürfen, ist das Vertretungsverbot für erstere unabdingbar (§ 53 1. Hs. WiPrO, § 3 Abs. 1 Satz 1 BS WP/vBP). Diese Unterscheidung zwischen dem erlaubten Wechsel des Auftraggebers und der verbotenen Vertretung „widerstreitender Interessen“ findet sich auch in § 57 Abs. 4 Nr. 1 lit. c WiPrO.167
Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 635. Knöfel, Grundfragen, S. 771. 163 Der Unterschied liegt dabei weniger in den unterschiedlichen Interessen, als vielmehr in der Art und Intensität ihres Aufeinanderstoßens und der möglichen Folgen für den bzw. die Geschäftsherren. 164 Knöfel, Grundfragen, S. 771. 165 Knöfel, Grundfragen, S. 770. 166 Knöfel, Grundfragen, S. 770. Zu Einzelfällen des Interessenwiderstreits in der anwaltlichen Praxis z. B. a.a.O., S. 772 f. 167 Bei § 57 Abs. 4 Nr. 1 lit. c WiPrO handelt es sich um die Ermächtigungsgrundlage für § 3 BS WP/vBP. 161
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III. Systematisierung der Interessenkonflikte
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In zeitlicher Hinsicht ist für die Bestimmung, ob Interessen widerstreitend sind, auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die (zweite) Interessenvertretung übernommen wird.168 Sie ist jedoch nicht auf die Zeit der Vertretung beschränkt, sodass auch nach dem Abschluss der Vertretung des (Erst-)Mandanten das Vertretungsverbot im Fall widerstreitender Interessen greift. Zugleich sind damit aber auch spätere Änderungen der Interessen durch die (früheren) Mandanten beachtlich und können zu einem Wegfall der Voraussetzungen des Vertretungsverbots führen.169 Neben der Wortwahl machen auch die daran anknüpfenden Rechtsfolgen deutlich, dass es sich beim „Widerstreit“ der Interessen um einen gegenüber dem Interessenkonflikt qualifizierten bzw. engeren Begriff handelt.170 Während ein Interessenwiderstreit immer und zwingend zu einem Verbot der Tätigkeit führt, ziehen (weiter zu verstehende) Interessenkonflikte ganz unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich. So sind etwa Wertpapierdienstleistungsunternehmen zwar verpflichtet, sich um die Vermeidung von Konflikten mit Interessen ihrer Kunden zu bemühen, § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG, und dem Entstehen von Interessenkonflikten mit organisatorischen Mitteln entgegenzuwirken, § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG. Ein Tätigkeitsverbot zieht ein solcher Interessenkonflikt aber nicht nach sich. Vielmehr darf das Wertpapierdienstleistungsunternehmen den erteilten Kundenauftrag auch im Falle eines – unvermeidbaren – Interessenkonflikts gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG weiterhin ausführen, wenn das Kundeninteresse in gebotener Weise gewahrt wird. Die Loyalitätsgefährdung und ihre Auswirkungen auf den Geschäftsherrn werden demnach im Fall des § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG als geringer eingestuft als bei einer Doppelvertretung durch einen Rechtsanwalt.
III. Systematisierung der Interessenkonflikte Neben der Differenzierung nach der Intensität des Konflikts, die insbesondere in der Unterscheidung zwischen Interessenkonflikt und Interessenwiderstreit zum Ausdruck kommt, können Interessenkonflikte auch nach den kollidierenden Interessen, der Konfliktdauer, den Konfliktursachen oder auch danach unterschieden werden, ob sie abstrakt oder konkret vorliegen. 168 RGSt 71, 231, 236 („zur Zeit der Tat“); Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S. 113; Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 93; Henssler/ Deckenbrock, NJW 2012, 3265, 3269. Vgl. auch OLG Karlsruhe NJW 2002, 3561, 3563. 169 Schramm, Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, S. 93. 170 Vgl. dazu Knöfel, Grundfragen, S. 769 f.; Kilian, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 628. Für eine recht weiten Ansatz, der zu einer Übereinstimmung der Begriffe „widerstreitende Interessen“ und „Interessenkonflikt“ führt Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 166; ders., NJW 2001, 1521, 1522 (latent vorhandene Interessenkonflikt bzw. theoretisches Zuwiderlaufen der Interessen soll genügen).
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
1.) Unterscheidung nach den Interessen a.) Eigen- vs. Fremdinteresse: Interessenkollision i.e.S. Im Hinblick auf die kollidierenden Interessen können Interessenkonflikte danach unterteilt werden, um wessen Interessen es sich handelt. Eine erste Gruppe bilden diejenigen Situationen, in denen eine Person, die verpflichtet ist, fremde Interessen wahrzunehmen (der Interessenwahrer), ein eigenes Interesse hat, das im Konflikt mit dem ihr anvertrauten Interesse steht.171 Da dem Interessenwahrer in der Regel die Pflicht obliegt, im Interesse seines Geschäftsherrn tätig zu werden, handelt es sich regelmäßig um einen Konflikt zwischen den Interessen und Pflichten des Interessenwahrers.172 b.) Fremd- vs. Fremdinteresse: Pflichtenkollision Eine zweite Gruppe bilden diejenigen Interessenkonflikte, bei denen der Interessenwahrer zur gleichen Zeit für zwei oder mehr Geschäftsherren agiert.173 Kollidieren die Interessen der Geschäftsherren, d. h. erfordern sie vom Interessenwahrer gegenläufige Handlungen, führt dies zu einer Situation, in der sich der Interessenwahrer gezwungen sieht, zumindest hinsichtlich eines Geschäftsherrn gleichzeitig für und gegen dessen Interessen handeln zu müssen.174 Anders als bei der ersten Gruppe von Interessenkonflikten handelt es sich in diesem Fall bei beiden Interessen um für den Interessenwahrer fremde Interessen. Vielfach wird daher auch von einer Pflichtenkollision gesprochen.175 Die Unterscheidung in der Benennung verdeutlicht, dass ein Konflikt nicht nur auf kollidierende Eigeninteressen zurückgeführt werden kann, sondern auch auf andere Fremdinteressen, die der vom Konflikt Betroffene neben den wahrzunehmenden Drittinteressen ebenfalls zu vertreten hat. Intuitiv leuchtet es eher ein, dass zu wahrende Fremdinteressen bei einer Kollision mit Eigeninteressen zu bevorzugen sind als bei einer Kollision mit anderen ebenfalls zu wahrenden Fremdinteressen, wenn die Rechtsordnung für 171 Hollander/Salzedo, Conflicts of Interest, Rdnr. 1–004; Griffiths-Baker, Serving Two Masters, S. 17; Hopt, ZGR 2004, 1, 9 ff. 172 Vgl. Hollander/Salzedo, Conflicts of Interest, Rdnr. 1–004; Coleman, When conflicts of interest are an unavoidable problem S. 1. 173 Dazu Hopt, ZGR 2004, 1, 14 ff; ders., in: Ferrarini et al., Reforming Company and Takeover Law in Europe, S. 51, 53. Auch als „impersonal conflicts of interest“ (Boatright, in: Davis/Stark, Conflicts of Interest in the Professions, S. 217, 220) oder „existing client conflict“ (Hollander/Salzedo, Conflicts of Interest, Rdnr. 1–002) bezeichnet. 174 Hollander/Salzedo, Conflicts of Interest, Rdnr. 1–002; außerdem Griffiths-Baker, Serving Two Masters, S. 17. 175 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 133; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rdnr. 896; Marsch-Barner, in: v. Schenk, ArbAR, § 13 Rdnr. 99; Krebs, Interessenkonflikte, S 67; Steinbeck, Überwachungspflicht, S 67 f.; Deckert, DZWIR 1996, 406, 408; Dreher, JZ 1990, 896, 900; Singhof AG 1998, 318, 323; Werner, ZHR 145 (1981) 252, 257. Vgl. dazu auch Poelzig/Thole, ZGR 2010, 836, insb. 840 ff.
III. Systematisierung der Interessenkonflikte
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die beiden Fremdinteressen keine Rangfolge vorsieht. Aber auch in diesem zweiten Fall wird mindestens ein Interesse zwangsläufig nicht vollumfänglich befriedigt werden können. Darüber hinaus kann es auch schon vorab schwierig werden, zwischen einer Pflichtenkollision und einem Interessenkonflikt zu unterscheiden.176 Denn ob eine Pflichtenkollision vorliegt, hängt maßgeblich davon ab, wie die Pflichten bestimmt werden und diese wiederum gehen letztlich auf die Interessen der Parteien an dem jeweiligen Interessenwahrungsverhältnis zurück. Dementsprechend liegt einer Kollision von Pflichten gegenüber mehreren Geschäftsherren letztlich immer ein Interessenkonflikt zugrunde. Dies lässt sich an der Übernahme zweier kollidierender Aufträge zeigen. Vor dem Zeitpunkt der Übernahme der beiden Aufträge durch den Interessenwahrer stehen sich zunächst einmal (nur) zwei kollidierende Interessen zweier verschiedener möglicher Vertragspartner gegenüber. Mit Eingehung der beiden Verträge entstehen die jeweiligen Pflichten, d. h. die unterschiedlichen Interessen der verschiedenen Geschäftsherren gestalten sich in unterschiedliche Pflichten aus, sodass aus den zunächst kollidierenden Interessen nunmehr kollidierende Pflichten werden. Der Interessenkonflikt ist somit das Übergreifende, Generellere, die Pflichtenkollision das Speziellere. Für eine ganze Reihe von Regelungen spielt diese Unterscheidung keine Rolle, weil es bei ihnen nicht darauf ankommt, ob es sich bei den kollidierenden Interessen um Kollisionen eigener mit fremden oder fremder mit fremden Interessen handelt, d. h., ob eine Pflichtenkollision oder eine Interessenkollision im engeren Sinne vorliegt. Die verschiedenen Konflikttypen (Eigen- gegen Fremdinteressen, Fremd- gegen Fremdinteressen) können daher in den meisten Fällen gleich behandelt werden. Nur wenn es im Einzelfall zu Wertungsabweichungen kommen sollte, ist eine Unterscheidung angebracht. Im Folgenden wird daher der Begriff Interessenkonflikt als übergeordneter Begriff verwendet, der beide Konflikttypen umfasst. c.) Fremdinteressen auf derselben und auf verschiedenen Marktseiten Interessenkonflikte können weiter danach unterteilt werden, ob sich die Interessen auf der gleichen „Marktseite“ befinden oder auf unterschiedlichen Marktseiten.177 Beispiel für Letzteres ist ein Makler, der sowohl für den Käufer als auch für den Verkäufer handelt, die beide offenkundig unterschiedliche Interessen haben. Im Fall der „gleichen Marktseiten“ sind die Interessen der beiden zu vertretenden Parteien in gleicher Weise auf das gleiche Objekt bzw. die gleichen Objekte gerichtet, von denen jedoch keine ausreichende Menge vor176 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 133. Kritisch auch Hanau/Wackerbarth Unternehmensmitbestimmung, S. 20 f. 177 Hopt, FS Heinsius, 1991, S. 289, 317; ders., ZGR 2004, 1, 14 f.; ders., in: Ferrarini et al., Reforming Company and Takeover Law in Europe, S. 51, 53.
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
handen ist, sodass die auf sie gerichteten Interessen nicht adäquat befriedigt werden können. Typischerweise handelt es sich bei diesen Fällen um Verteilungsprobleme, die der Interessenwahrer zu lösen hat. Beispiel hierfür ist etwa der Insolvenzverwalter, der eine regelmäßig nicht ausreichende Masse an die Gläubiger verteilen muss. Weitere Beispiele sind überzeichnete Emissionen von Börsengängen oder andere beschränkte Anlagemöglichkeiten auf den Finanzmärkten.178 Verteilungskonflikte können auch auf der „Verkäuferseite“ auftreten, z. B. wenn etwa mehrere Fondsgesellschaften vergleichbare und daher miteinander konkurrierende Investmentfonds von denselben Anlagevermittlern vertreiben lassen möchten.179 d.) Durch die Rechtsordnung inhärent angelegte Interessenkonflikte Einen besonderen Unterfall des Konflikts mehrerer wahrzunehmender Fremdinteressen stellt der Fall dar, dass der Interessenkonflikt durch die Rechtsordnung bereits inhärent angelegt ist und nicht, wie z. B. im Fall zweier kollidierender Aufträge unterschiedlicher und nicht miteinander in Beziehung stehender Dritter, von außen an das jeweils andere Interessenwahrungsverhältnis herantritt. Beispiele hierfür sind insbesondere das (einzelne) Insolvenzverfahren, die (einzelne) Testamentsvollstreckung und die Entscheidungen von Organmitgliedern im Gesellschaftsrecht. Auch wenn keine weiteren Eigen- oder aus anderen Lebenssachverhalten stammenden und zu wahrenden Fremdinteressen eine Rolle spielen, kommt es in diesen Fällen regelmäßig unvermeidbar zu Interessenkonflikten.180 Diese sind bereits strukturell angelegt und der Interessenwahrer hat hier gerade die Aufgabe, die Interessen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. e.) Interessen früherer Geschäftsherren Ein weiterer Unterfall kollidierender Fremdinteressen liegt vor, wenn es sich bei einem der betroffenen Geschäftsherren um einen ehemaligen Geschäftsherrn handelt, mit dem gegenwärtig keine Geschäftsbeziehung mehr besteht. Hier geht es in der Regel darum, die Vertraulichkeit von Informationen des ehemaligen Kunden zu gewährleisten, die im Rahmen des früheren Kundenverhältnisses erlangt wurden.181
Hopt, ZGR 2004, 1, 14. Hopt, ZGR 2004, 1, 14. 180 Z. B. im Fall der Insolvenzanfechtung gegenüber einem Gläubiger. 181 HRH Prince Jefri Bolkiah v. KPMG, [1999] 1 All E.R. 517, 527b; Hollander/Salzedo, Conflicts of Interest, Rdnr. 1–003. 178
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III. Systematisierung der Interessenkonflikte
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2.) Unterscheidung nach der Konfliktdauer: dauerhafte und punktuelle Konflikte Interessenkonflikte können weiter nach ihrer Dauer unterteilt werden in dauerhafte, generelle und in punktuelle Konflikte. Während erstere ab ihrem Auftreten, d. h. in der Regel ab Beginn des jeweiligen gemeinsamen Verhältnisses der Parteien, kontinuierlich vorhanden sind und bei (nahezu) jeder Entscheidung des Interessenwahrers eine Rolle spielen, treten letztere lediglich in Einzelfällen oder zeitlich begrenzt auf. Ein andauernder Konflikt mit den Interessen anderer Beteiligter kann z. B. entstehen, wenn der Insolvenzverwalter selbst Gläubiger in dem von ihm betreuten Insolvenzverfahren ist. Punktuelle Interessenkonflikte entstehen dagegen z. B. dann, wenn der Insolvenzverwalter einen einzelnen Gegenstand aus der Masse für sich erwerben will.182
3.) Abstrakte und konkrete Konflikte Weiterhin lassen sich Interessenkonflikte in abstrakte und konkrete Konflikte unterscheiden. Bei abstrakten Konflikten kommt es nicht darauf an, ob der jeweilige Interessenwahrer tatsächlich einem Konflikt ausgesetzt ist. In diesen Fällen reicht die abstrakte Möglichkeit eines Konfliktes – und damit einhergehend einer möglichen Verletzung der Interessen eines anderen – aus. Beispiel für eine abstrakte Konfliktlage ist die familiäre Bindung zu einem interessierten Dritten: Ob die familiäre Bindung tatsächlich zu einem konkreten Konflikt für den Betroffenen führt, ist hier ohne Bedeutung. Auch bei einander entfremdeten Familienmitgliedern liegt daher ein abstrakter Interessenkonflikt vor. Ab strakte Interessenkonflikte werden mit Hilfe formell-typisierter Anknüpfungspunkte bestimmt. Das heißt, die Zuordnung von Interessenpositionen erfolgt mit Hilfe starrer Regeln, ohne Rücksichtnahme auf den jeweiligen konkreten Einzelfall.183 Wird dieser Ansatz bei der Abfassng von Konfliktregeln gewählt, werden regelmäßig Argumente wie das Gebot der Rechtssicherheit und des Verkehrsschutzes ins Feld geführt.184 Bei konkreten Konflikten geht es demgegenüber um den individuellen Konflikt im Einzelfall. Hierbei handelt es sich um einen materiellen Ansatz, der regelmäßig eine Abwägung und die Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls erfordert.185 Es kommt darauf an, ob der Interessenwahrer tatsächlich einem Interessenkonflikt ausgesetzt ist, der konkret verhindert, dass er die von ihm zu wahrenden Interessen vertreten kann. 182 LG Halle ZIP 1994, 572, 576; vgl. auch MünchKommInsO/Graeber, § 56 Rdnr. 155; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 56 Rdnr. 50: Graf/Wunsch, DZWIR 2002, 177. 183 Gantenberg, Interessenkonflikte, S. 174. 184 Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rn. 4; außerdem Flume, AT BGB II, § 48 Nr. 1 (S. 812). Siehe auch die Angaben bei MünchKommBGB/Schramm, § 181 Rn. 5. 185 Gantenberg, Interessenkonflikte, S. 174.
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
4.) Unterscheidung nach Konfliktursachen Interessenkonflikte können schließlich auch auf ihre jeweilige Ursache zurückgeführt werden. Genannt werden vor allem: das Vorhandensein von Eigeninteressen, die Selbstprüfung, die Parteilichkeit, die „Vertrautheit“ sowie die Einschüchterung des Interessenwahrers.186 Eigeninteressen finanzieller Art bestehen etwa bei einer direkten oder indirekten finanziellen Beteiligung an dem Geschäftsherrn bzw. dessen Unternehmen oder bei Darlehensverträgen mit dem Geschäftsherrn.187 Auch die Honorarabhängigkeit – wenn der Interessenwahrer vom Geschäftsherrn bezahlt wird – begründet finanzielle Eigeninteressen, insbesondere bei wiederkehrenden Transaktionen, die immer wieder neue Vertragsabschlüsse erfordern. Hierbei hat der Geschäftsherr die Möglichkeit, Druck auf den Interessenwahrer auszuüben, sei es im Zuge der Ausschreibung neuer Aufträge, sei es durch Nachverhandlungen des Honorars. In solchen Fällen kann der Interessenwahrer aus Sorge, den Auftrag oder das Mandat zu verlieren, geneigt sein, den von ihm gesetzlich geforderten Pflichten nicht mehr vollumfänglich nachzukommen.188 Diese Gefahr besteht insbesondere dann, wenn Anbieter in einem Markt für die erstmalige Leistung ihrer Dienste besondere „Kampfpreise“ verlangen, die ihre Kosten nicht decken, um bei anschließenden Leistungen Wettbewerbsvorteile gegenüber ihren Konkurrenten zu erlangen. Wettbewerbsvorteile können sich insbesondere daraus ergeben, dass bei erneuter Leistung in der Folgezeit die Kosten für den Anbieter geringer sind, z. B. weil er sich nicht mehr einarbeiten muss, oder auch der Wechsel für den Geschäftsherrn mit hohen Transaktionskosten189 verbunden und daher für diesen unattraktiv ist. Hat der Interessenwahrer bei der erstmalig ausgeführten Leistung nicht kostendeckend gearbeitet, hat er ein besonderes Interesse an Folgeaufträgen, in deren Rahmen er Überschüsse erzielen und so seine Kosten wieder hereinholen und Gewinne erzielen kann.190 Dieses sog. low balling und seine Auswirkungen sind etwa für den Markt der Abschlussprüfer untersucht worden.191 Auch wenn der Interessenwahrer Anteile an einer als Geschäftsherr auftretenden Ge186 Z. B. Art. 22 Abs. 2 Satz 2 der Abschlussprüferrichtlinie; Empfehlung der Kommission vom 16. Mai 2002, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien, ABlEG Nr. L 191 v. 19.7.2002, S. 22, Anhang A, 3, 2. Absatz. 187 Empfehlung der Kommission vom 16. Mai 2002, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien, ABlEG Nr. L 191 v. 19.7.2002, S. 22, Anhang A, 3, 2. Absatz, 1. Spiegelstrich. 188 Müller, Unabhängigkeit, S. 117. 189 Etwa Suchkosten oder Kosten für die Umstellung auf einen anderen Anbieter. 190 Müller, Unabhängigkeit, S. 25 f. 191 Siehe insbesondere DeAngelo, 3(2) JAE 113 (1981); DeAngelo, 3(3) JAE 183 (1981); später Magee/Tseng, 65(2) Acct. Rev. 315 (1990); Gigler/Penno, 70 Acct. Rev. 317 (1995); Lee/Gu, 73 Acct. Rev. 533 (1998). Dazu Stefani, Abschlussprüfung, S. 110 ff. Für Erwägungen zum low balling siehe unter § 13 I.1.)d.).
III. Systematisierung der Interessenkonflikte
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sellschaft oder andere finanzielle Verbindungen zur ihr hat, kann es zu einem solchen Verhalten kommen. Denn in diesem Fall hat der Interessenwahrer ein Interesse an einer möglichst günstigen finanziellen Entwicklung des Geschäftsherrn bzw. von dessen Unternehmen. Die Gefahr einer „Selbstprüfung“ besteht dann, wenn der Interessenwahrer zur Prüfung eines Sachverhaltes verpflichtet ist, auf den er vor der Prüfung in anderer Weise Einfluss genommen hat.192 In einem solchen Fall ist der Betroffene regelmäßig nicht in der Lage, den Sachverhalt neutral und damit aus einer objektiven, d. h. unbeteiligten, Perspektive zu beurteilen. Denn entdeckt er eigene Fehler, so würde dies bedeuten, dass seine vorangegangene Beratung oder sonstige Einflussnahme nicht einwandfrei gewesen ist. Dann aber setzt er sich der Gefahr von Schadensersatzansprüchen aus, auf die er in einem solchen Fall auch noch hinweisen müsste.193 Die Gefahr einer „Selbstprüfung“ besteht etwa bei Abschlussprüfern oder bei Gesellschaftsorganen, insbesondere Aufsichtsräten – vor allem wenn letztere früher selbst im Vorstand der jeweiligen Gesellschaft waren. Eine besondere Gefahr stellt auch die Voreingenommenheit wegen Parteilichkeit dar. Diese spielt vor allem im Hinblick auf Unabhängigkeitserfordernisse eine Rolle und besteht dann, wenn der Betroffene für oder gegen den Geschäftsherrn Stellung beziehen muss,194 nachdem er zuvor als Interessenvertreter für ihn aufgetreten ist.195 Während es bei Interessenwahrern in bilateral ausgestalteten Interessenwahrungsverhältnissen für gewöhnlich positiv ist, wenn sie sich die Position ihres Geschäftsherrn zu eigen machen und sich mit dessen Interessen identifizieren, gilt dies im Fall von Prüfungsverhältnissen gerade nicht. Ebenfalls mit Blick auf Unabhängigkeitserfordernisse ist eine zu große persönliche Verbundenheit bzw. „Vertrautheit“ als Gefahr einzustufen.196 So können etwa verwandtschaftliche oder freundschaftliche Beziehungen zwischen Prüfer und Geprüftem zu einer zu laxen Prüfung führen. Auch eine frühere gemeinsame Tätigkeit oder eine langandauernde geschäftliche Beziehung kann diese Gefahr begründen, weil die Vertrautheit mit der Zeit wächst und so die Urteilsfreiheit des Geschäftsbesorgers einschränken kann.197 192 Dazu etwa Empfehlung der Kommission vom 16. Mai 2002, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien, ABlEG Nr. L 191 v. 19.7.2002, S. 22, Anhang A, 3, 2. Absatz, 2. Spiegelstrich. 193 Siehe Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2118. 194 Müller, Unabhängigkeit, S. 94. 195 Z. B. Empfehlung der Kommission vom 16. Mai 2002, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien, ABl. Nr. L 191 v. 19.7.2002, S. 22, Anhang A, 3, 2. Absatz, 3. Spiegelstrich. 196 Z. B. Empfehlung der Kommission vom 16. Mai 2002, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien, ABl. Nr. L 191 v. 19.7.2002, S. 22, Anhang A, 3, 2. Absatz, 4. Spiegelstrich. 197 Vgl. dazu Marx, Unabhängige Abschlussprüfung, S.86; Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2122 (Identifikation mit Mandanteninteressen).
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
Schließlich wird auch die Einschüchterung als Ursache für einen Interessenkonflikt angeführt.198 Wird etwa ein Prüfer von dem zu Prüfenden oder einem Dritten bedroht, damit er zu einem bestimmten Prüfungsurteil kommt, wird dies die Unvoreingenommenheit und Urteilsfähigkeit des Prüfers regelmäßig beeinträchtigen. Da es hierbei regelmäßig zu einer erzwungenen Fremdbestimmung der Willensbetätigung des Betroffenen kommt, lässt sich diese Ursache mit den anderen erwähnten Ursachen für Interessenkonflikte jedoch nicht vergleichen. Aufgrund des ausgeübten Zwanges ist der Betroffene nicht wirklich in der Lage, zwischen zwei Optionen zu wählen, wie dies bei den anderen Ursachen der Fall ist. Somit müssen hierfür andere rechtliche Maßnahmen getroffen werden als bei Interessenkonflikten ohne Zwangausübung. Solche erzwungenen „Interessenkonflikte“ werden daher in der folgenden Untersuchung ausgeklammert. Dieser Unterscheidung nach Konfliktursachen vergleichbar ist die etwas allgemeinere Differenzierung nach finanziellen und positionalen Interessenkonflikten. Ein finanzieller Interessenkonflikt liegt etwa vor, wenn eine Gesellschaft ein Grundstück kaufen möchte, das einem ihrer Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer gehört. Bei positionalen Interessenkonflikten konfligieren hingegen Interessen miteinander, die der Betroffene aufgrund unterschiedlicher von ihm eingenommener Positionen und damit einhergehender Interessenwahrungspflichten wahrzunehmen hat. Beispiel hierfür ist die gleichzeitige Tätigkeit als Vorstand eines Unternehmens, etwa einer Bank, und als Aufsichtsrat eines anderen (Kredit suchenden) Unternehmens.
5.) Irrelevante Merkmale Für die Einteilung der Interessenkonflikte nicht von Bedeutung ist, ob es sich bei dem Interessenwahrer um eine natürliche Person oder um eine Gesellschaft handelt. Auch bei Gesellschaften können Interessenkonflikte auftreten, wenn z. B. ein Gesellschafter im Interesse eines Kunden tätig werden möchte, während sein Partner gleichzeitig für einen anderen Kunden mit entgegengesetzten Interessen tätig wird.199 Allerdings kann es im Rahmen von Gesellschaften bzw. Organisationen aufgrund von deren Struktur zu besonderen Problemsituationen kommen, die so nicht bei natürlichen Personen zu beobachten sind.
198 Z. B. Empfehlung der Kommission vom 16. Mai 2002, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien, ABlEG Nr. L 191 v. 19.7.2002, S. 22, Anhang A, 3, 2. Absatz, 5. Spiegelstrich. 199 HRH Prince Jefri Bolkiah v. KPMG, [1999] 1 All E.R. 517, 526g; Hollander/Salzedo, Conflicts of Interest, Rdnr. 1–002.
IV. Rechtliche Anknüpfung von Interessenkonflikten
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IV. Rechtliche Anknüpfung von Interessenkonflikten Als Anknüpfungspunkt für Verhaltenspflichten und andere rechtliche Regelungen dienen (materielle) Interessenkonflikte im deutschen Recht in größerem Umfang erst seit jüngerer Zeit, was vor allem auf europarechtliche Einflüsse zurückzuführen ist. Ältere Gesetze, wie z. B. das BGB oder das HGB, regeln Interessenkonflikte entweder mittels formaler Regelungen – sie knüpfen also nicht an den materiellen Interessenkonflikt an – oder stellen auf die Interessenwahrungspflicht ab. Letzteres erlaubt es, eine genauere Ausformung der Pflichten zum Umgang mit Interessenkonflikten den Gerichten zu überlassen. Demgegenüber erleichtert die zunehmende Vorgabe spezifischer Verhaltenspflichten ex ante die meist aufsichtsrechtliche Kontrolle. Entsprechend nimmt die Konkretisierung der Interessenwahrungspflicht mittels besonderer Verhaltens- und Organisationsvorgaben nicht zuletzt aufgrund europarechtlicher Einflüsse stetig zu. Andererseits knüpfen diese Regelungen zunehmend an den materiellen Interessenkonflikt an. Dieser rückt somit immer mehr in den Fokus rechtlicher Regelungen.
1.) Interessenwahrungsverhältnis und Treuhand Regelungsbedürftige Interessenkonflikte (im engeren Sinne) entstehen – wie hergeleitet200 – vor allem im Rahmen von Fremdinteressenwahrungsverhältnissen. Die vertraglichen Fremdinteressenwahrungsverhältnisse, die für die Regelbildung in Bezug auf Interessenkonflikte besondere Bedeutung haben, lassen sich in Treuhandverträge (Interessenwahrungshältnisse im engeren Sinne) und Interessenwahrungsverhältnisse im weiteren Sinne unterteilen. Anders als im angloamerikanischen Recht mit seinen fiduciary relationships und dem trust als deren Leitbild 201 hat sich im deutschen Recht allerdings kein einheitliches Interessenwahrungsrecht unter Rückgriff auf das Treuhandrecht entwickelt. Ähnlich wie bei den fiduciary relationships, die sowohl den trust als auch die weitere Gruppe der trust-ähnlichen Rechtsverhältnisse von „trust and confidence“ umfassen 202 und die über die ihnen gemeinsamen fiduciary obligations miteinander verbunden sind, hätte sich im deutschen Recht eine Verbindung über die Interessenwahrungs- bzw. Treuepflicht, also den schuldrechtlichen Teil der Treuhand, bilden können. Die dogmatische Entwicklung der Treuhand war jedoch lange Zeit vor allem auf das Sachenrecht fokussiert und so fanden die schuldrechtlichen Pflichten des Treuhänders lange Zeit wenig Siehe § 1 II.3.)d.). Dazu ausführlich Rusch, Gewinnhaftung, S. 15 ff.; siehe auch Knapp, Treuepflicht, S. 27 ff. (mit Blick auf die Entwicklung im angloamerikanischen Gesellschaftsrecht). 202 Rusch, Gewinnhaftung, S. 193. 200 201
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
Beachtung.203 Daher wurde auch kein allgemeiner Ansatz bzw. eine alle (Interessenwahrungs-)Verhältnisse einigende schuldrechtliche Pflicht aus der Treuhand entwickelt.204 Die Treuhand wurde nicht einmal im BGB kodifiziert. Erst in jüngerer Zeit gibt es ernstere Bestrebungen, die schuldrechtliche Seite der Treuhand als einigende Grundlage für die verschiedenen Interessenwahrungsverhältnisse in den Blick zu nehmen.205 a.) Die Treuhand Die Treuhand geht zurück auf verschiedene Phänomene und Institute, die aus heutiger Sicht als Frühformen von Treuhandverhältnissen angesehen werden können. Hierzu gehören etwa die mittelalterliche Lehnsträgerschaft, die Letztwillenstreuhand, die Testamentsvollstreckung, die Institution des römischen fideicommissum und die Legate piae causae (Zuwendungen für wohltätige Zwecke und Stiftungen).206 Im 19. Jahrhundert entwickelten sich schließlich in der Auseinandersetzung zwischen der Pandektistik 207 und der Germanistik 208 verschiedene Treuhandmodelle,209 die Grundlage für den Treuhandbegriff des modernen Rechts wurden. Mit der Unterscheidung zwischen der Ermächtigungstreuhand und der Vollrechtstreuhand bildete sich dann eine gewisse Typisierung heraus. Bei der Vollrechtstreuhand wird das Treugut – d. h. das Eigentum an einer Sache oder die Inhaberschaft an einer Forderung – auf einen Treuhänder übertragen, der darüber gegenüber Dritten frei verfügen kann und nur im Innenverhältnis zum Treugeber schuldrechtlichen Bindungen unterliegt.210 Der Treuhänder erhält also eine Position, bei der ihm hinsichtlich des Außenverhältnisses mehr Rechte eingeräumt werden, als er im Innenverhältnis ausüben darf.211 Weiter wird bei der Vollrechtstreuhand unterschieden zwischen der Treuhand „im eigentli-
Vgl. dazu Mestmäcker, Verwaltung, S. 209. Rusch, Gewinnhaftung, S. 194. 205 Grundmann, Treuhandvertrag; Löhnig, Treuhand. Für eine gesellschaftsrechtliche Qualifizierung des Treuhandvertrags siehe Geibel, Treuhandrecht. 206 Zu Einzelheiten siehe Coing, Treuhand, S. 13 f. (fideicommissum); Johnston, in: Helmholz/Zimmermann, Itinera Fiduciae, S. 45 ff. (fideicommissum); Rusch, Gewinnhaftung, S. 137 ff.; Scherner, in: Helmholz/Zimmermann, Itinera Fiduciae, S. 237, 239 ff. (Lehnsrecht), 250 (Letztwillenstreuhand); Siems, in: Helmholz/Zimmermann, Itinera Fiduciae, S. 57 ff. (piae causa). 207 Insb. Regelsberger, AcP 63 (1880), 157. 208 Insb. Schultze, Die langobardische Treuhand; ders., JhJb 43 (1901), 1. 209 Dazu ausführlich Hofer, in: Helmholz/Zimmermann, Itinera Fiduciae, S. 389, 390 ff.; siehe auch Coing, Treuhand, S. 28 ff.; Helmholz/Zimmermann, in: Helmholz/Zimmermann, Itinera Fiduciae, S. 27, 35. 210 Rusch, Gewinnhaftung, S. 154. 211 MünchKommBGB/Schramm, Vor§ 164 Rdnr. 28; Palandt/Bassenge, BGB, § 903 Rdnr. 33; Henssler, AcP 196 (1996), 37, 41 f. 203
204
IV. Rechtliche Anknüpfung von Interessenkonflikten
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chen Sinne“212 oder auch „echten“ Treuhand 213 und der Treuhand „im weiteren Sinne“.214 Bei der Treuhand „im eigentlichen Sinne“ hat der Treugeber dem Treuhänder die Eigentümerstellung oder die sonstige Rechtsinhaberschaft unmittelbar eingeräumt (Unmittelbarkeitserfordernis) 215 oder ist die treuhänderische Bindung des Treuhänders offengelegt worden.216 In diesem Fall ist das Treugut bei Vollstreckungshandlungen gegen den Treuhänder oder dessen Insolvenz geschützt, d. h. der Treugeber kann Drittwiderspruchsklage gegen die 771 ZPO) oder Aussonderung verlangen Zwangsvollstreckung erheben (§ (§ 47 InsO). Fehlt es bei einer fiduziarischen Vollrechtsübertragung an der Unmittelbarkeit bzw. der Offenlegung, so liegt eine Treuhand „im weiteren Sinne“ vor, bei der es keine Abwehrrechte gegen Vollstreckungshandlungen in das Treugut oder im Fall der Insolvenz des Treuhänders gibt; ansonsten werden „echte“ Treuhand und Treuhand „im weiteren Sinne“ gleich behandelt.217 Bei der Ermächtigungstreuhand, wie etwa der Einziehungsermächtigung,218 wird ein Treuhandverhältnis durch Einräumung der Verfügungsbefugnis nach § 185 BGB begründet.219 Demgegenüber soll die bloße Bevollmächtigung zum Vertreterhandeln nach verbreiteter Ansicht keine Treuhand begründen.220 Zur Abgrenzung wird darauf abgestellt, dass der Treuhänder bei der Treuhand Rechtsinhaber hinsichtlich des Treugutes wird 221 – diese soll auch im Fall der Ermächtigungstreuhand noch vorliegen –, der Bevollmächtigte bei der Vollmachtserteilung dagegen nicht.
212 Siehe RGZ 121, 204, 296; 160, 52, 59; BGH WM 1964, 179 („im engeren Sinne“); Coing, Treuhand, S. 46 f.; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 79 f. 213 BGH NJW 1959, 1223, 1224. 214 RGZ 121, 294, 296 („uneigentliches Treuhandverhältnis“); 160, 52, 59; BGH WM 1964, 318 („unechte Treuhand“). 215 RGZ 84, 214, 217 f.; 91, 12, 14; BGH NJW 1959, 1223, 1224. Ausführlicher Grundmann, Treuhandvertrag, S. 80, S. 312 ff. Henssler, AcP 196 (1996), 37, 54 f. 216 Etwa bei Anderkonten von Rechtsanwälten und Notaren. Siehe BGH NJW 1959, 1223, 1225; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 81, 314 ff.; siehe aber Henssler, AcP 196 (1996), S. 37, 55 ff. 217 Coing, Treuhand, S. 47; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 82. 218 BGHZ 19, 69, 71; Soergel/Leptien, BGB, Vor§164 Rdnr. 72. Staudinger/Schilken, BGB, Vor§§164 ff. Rdnr. 66. 219 BGH NJW 1954, 190, 191; Coing, Treuhand, S. 96; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 83 f.; grundlegend Siebert, Treuhandverhältnis, S. 294 ff. 220 Soergel/Leptien, BGB, Vor§164 Rdnr. 73; Siebert, Treuhandverhältnis, S. 25, 209 ff.; vorsichtiger Coing, Treuhand, S. 90, 97 f. (jedenfalls treuhandähnliche Rechtsgestaltung); siehe andererseits aber einzelne Urteile in der Rechtsprechung, wie etwa BGH WM 1964, 318. 221 Siebert, Treuhandverhältnis, S. 25.
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
b.) Treuhand und Geschäftsbesorgungsverhältnisse mit „treuhänderischem Charakter“ Aufbauend auf dieser Abgrenzung lässt sich zwischen der Treuhand und einer weiter gefassten Kategorie von Geschäftsbesorgungsverhältnissen mit „treuhänderischem Charakter“ unterscheiden, bei der der Geschäftsbesorger zur Wahrung fremder Interessen verpflichtet ist.222 Zu solchen Geschäftsbesorgern mit „treuhänderischem Charakter“ zählen etwa der Kommissionär, der Rechtsanwalt oder die vermögensverwaltende Bank.223 Gegenüber diesen Geschäftsbesorgungsverhältnissen mit „treuhänderischem Charakter“ zeichnet sich die Treuhand dadurch aus, dass bei ihr der Fokus auf den vom Treuhänder für andere gehaltenen und verwalteten Vermögensrechten liegt, sodass bei ihm ein Sondervermögen entsteht.224 Diese Unterscheidung ähnelt derjenigen zwischen trust und sonstigen fiduciary relationships im angloamerikanischen Recht.225 Einen weiten Begriff der Treuhand legt demgegenüber Beyerle zugrunde, nach dessen Ansicht es bei der Treuhand um die „vertretungsweise uneigennützige Belangwahrung“ geht.226 „Grundgedanke aller Treuhandfälle“ sei es, „fremde Belange an Personen, Sachen, an Vermögen, Rechtsbeziehungen wahrzunehmen“.227 Mittels einer solchen am Innenverhältnis ausgerichteten Betrachtung fasst er sowohl die herkömmlich als Treuhand eingeordneten Rechtsbeziehungen als auch treuhandähnliche Geschäftsbeziehungen bis zu reinen Vertretungsfällen zusammen.228 Einen weiteren Ansatz verfolgt auch Grundmann, der gegen eine in seinen Augen untaugliche Abgrenzung anhand des Außenverhältnisses ausdrücklich Stellung bezieht und sich für eine Orientierung am Innenverhältnis ausspricht.229 Seiner Ansicht nach sind auch solche Fälle als Treuhand einzuordnen, bei denen der Fiduziar kein Eigentumsrecht und keine Verfügungsbefugnis eingeräumt bekommen hat, sondern lediglich eine Informations-, Entscheidungs- oder Kontrollposition.230 Ebenfalls für eine Ausweitung des Konzepts der Treuhand spricht sich Löhnig aus, dessen Ansatz sich von dem Grundmanns allerdings darin unterscheidet, dass er auf die Machtmittel abstellt, die der Treuhänder erhält und die ihm die Einwirkung auf Interessenpositionen des Treugebers ermöglichen.231 Wenn auch im Detail Coing, Treuhand, S. 2 , 85 f.; Siebert, Treuhandverhältnis, S. 25 (Treuverhältnis versus Treuhandverhältnis). 223 Coing, Treuhand, S. 2 ; Siebert, Treuhandverhältnis, S. 25. 224 Coing, Treuhand, S. 2 . 225 Coing, Treuhand, S. 3. 226 Beyerle, Treuhand, S. 19; gegen eine solche Ausweitung des Treuhandkonzepts etwa schon Siebert, Treuhandverhältnis, S. 209 f. 227 Beyerle, Treuhand, S. 7. 228 Beyerle, Treuhand, S. 20, 22. 229 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 87 ff., insb. S. 90. 230 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 102. 231 Löhnig, Treuhand, S. 159 ff. 222
IV. Rechtliche Anknüpfung von Interessenkonflikten
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Unterschiede bestehen, fassen doch alle drei Autoren die herkömmlich anerkannten Fälle der Treuhand mit den sonstigen Rechtsbeziehungen „mit treuhänderischem Charakter“ zusammen und schaffen so eine einheitliche Kategorie, die derjenigen der fiduciary relationships im angloamerikanischen Recht vergleichbar ist.232 Auch wenn man einer Gleichsetzung von Treuhand und sonstigen Rechtsverhältnissen „mit treuhänderischem Charakter“ hinsichtlich des Außenverhältnisses wegen der Besonderheiten hinsichtlich des Umgangs mit dem Treugut skeptisch gegenüberstehen sollte, so ist doch anzuerkennen, dass die herausgearbeitete Gleichartigkeit der treuhänderischen Bindungen jedenfalls in Bezug auf das Innenverhältnis eine gleiche und gemeinsame Behandlung von Treuhand und sonstigen Rechtsverhältnissen „mit treuhänderischem Charakter“ erlaubt – und im Hinblick auf die Untersuchung von Interessenkonflikten des Interessenwahrers sogar erforderlich macht. Denn bei Interessenkonflikten und der Frage, wie die Parteien sich im Falle ihres Vorliegens verhalten sollten, geht es zunächst einmal um das Innenverhältnis zwischen Interessenwahrer und Geschäftsherrn. c.) Interessenwahrungsverhältnis als übergreifende Kategorie Da sich die Treuhand und die sonstigen Rechtsverhältnisse „mit treuhänderischem Charakter“ im Hinblick auf das hier interessierende Innenverhältnis nicht unterscheiden, werden sie im Folgenden unter dem weiteren Begriff des „Interessenwahrungsverhältnisses“ zusammengefasst. Dies soll allerdings ausdrücklich nur im Hinblick auf das Innenverhältnis geschehen. Im Hinblick auf das Außenverhältnis bleibt demgegenüber mit Blick auf die Besonderheiten hinsichtlich des Umgangs mit dem Treugut eine Unterscheidung zwischen Interessenwahrungsverhältnissen im weiteren Sinne und der Treuhand sinnvoll. Zu den Interessenwahrungsverhältnissen im hier verstandenen Sinne gehören somit diejenigen, die funktional den im angloamerikanischen Recht als fiduciary relationships qualifizierten Rechtsverhältnissen entsprechen. Ähnlich der englischen „duty of loyalty“233 wird auch bei diesen im deutschen Recht vielfach von „Treuepflichten“ gesprochen. Um jedoch Missverständnisse – etwa eine zu starke Assoziierung mit dem Gesellschaftsrecht – zu vermeiden, soll im Folgenden der Begriff der „Interessenwahrungspflicht“ verwendet werden. Der Treunehmer, Auftragnehmer, Geschäftsbesorger etc. wird als Interessenwahrer, der Treugeber, Auftraggeber, Geschäftsherr einheitlich als Geschäftsherr bezeichnet. 232 Siehe dazu auch die Einschätzung bei Coing, Treuhand, S. 3 und S. 86 sowie die Bezugnahme bei Grundmann, Treuhandvertrag, S. 87, 123 f. 233 Dazu monograpisch etwa Conaglen, Fiduciary Loyalty, passim; Kasolowsky, Fiduciary Duties, passim.
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
2.) Rechtliche Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten Die Regelungen für den Umgang mit Interessenkonflikten sind im Falle vertraglicher Interessenwahrer zunächst einmal in den jeweiligen Verträgen zu suchen. Denn grundsätzlich ist es Aufgabe der Vertragspartner, Regelungen hinsichtlich der Interessenwahrung und damit ihrer Begründung und Reichweite zu treffen.234 In vielen Fällen sind diese Regelungen als dispositive Bestimmungen bereits gesetzlich verankert. Dazu gehören insbesondere § 181 BGB (Insichgeschäft des Vertreters) oder § 315 BGB (wonach dem Ermessen bei der Bestimmung der Leistung durch eine Vertragspartei Grenzen gesetzt werden). Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten finden sich aber auch in den Vorschriften über den Maklervertrag (§§ 652 ff. BGB), den Auftrag (§§ 662 ff. BGB), den Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 675 ff. BGB), den Handelsvertretervertrag (§§ 84 ff. HGB) oder das Kommissionsgeschäft (§§ 383 ff. HGB). Für organschaftliche Interessenwahrer sind insbesonere die Vorschriften für Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft (§§ 76 ff. und 95 ff. AktG) und den Geschäftsführer einer GmbH (§§ 35 ff. GmbHG) relevant. Für gesetzlich bzw. gerichtlich bestellte Interessenwahrer enthalten die gesetzlichen Bestimmungen besondere Vorschriften, etwa für den Vormund in §§ 1793 ff. BGB, den Testamentsvollstrecker in §§ 2197 ff. BGB oder für den Insolvenzverwalter in §§ 56 ff. InsO. Vertraglich nicht abdingbare Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten enthalten auch das Aufsichts- und das Berufsrecht, wie etwa die Vorgaben für Finanzdienstleistungsunternehmen (vor allem in §§ 31 ff. WpHG) oder die Standesrechte für Rechtsanwälte (BRAO) und für Wirtschaftsprüfer (WiPrO). Darüber hinaus kommt im Zusammenhang mit Interessenkonfliktregelungen europäischen Verordnungen immer mehr Bedeutung zu.235 So enthält etwa die europäische Verordnung über Ratingagenturen 236 detaillierte Interessenkonfliktregelungen. Ebenfalls ausführliche Regelungen für den Umgang mit Interessenkonflikten soll die von der Kommission vorgeschlagene Verordnung für Abschlussprüfer enthalten.237 Wichtige Bedeutung im Zusammenhang mit Regelungen für Interessenkonflikte haben in jüngerer Zeit schließlich Verhal Hopt, ZGR 2004, 1, 15 f. Bisher sind viele gesetzliche Regelungen zu Interessenkonflikten in Deutschland auf europäische Richtlinien zurückzuführen. Im Gegensatz zu Richtlinien sind europäische Verordnungen unmittelbar anwendbar und bedürfen keiner gesonderten Umsetzung, vgl. Art. 288 Satz 2 AEUV. 236 Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen, ABlEU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S. 1. 237 Europäische Kommission, Vorschlag für Verordnung des europäischen Parlaments und des Rates über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse, Titel II, 30.11.2011, KOM(2011) 779 endg. Zum Kompromiss zwischen dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten siehe Europäische Kommission, MEMO/13/1171 vom 17.12.2013. 234 235
V. Beschränkung auf (materielle) Geschäftsbesorger
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tenskodizes erlangt, wie etwa der Corporate Governance Kodex 238 oder die Berufsgrundsätze für Insolvenzverwalter239. Diese enthalten zum Teil sehr viel detailliertere Regelungen als die gesetzlichen Vorschriften.
V. Beschränkung auf (materielle) Geschäftsbesorger Die weitere Untersuchung beschränkt sich auf (materielle) Geschäftsbesorger und wird Richter, Notare, Schiedsrichter und Mediatoren, die ebenfalls von Interessenkonflikten betroffen sein können, ausklammern. Auch Eltern, die Interessenwahrer ihrer Kinder sind, werden aufgrund ihrer besonderen Beziehung zu ihren Kindern, die sich nicht zuletzt in Art. 6 GG widerspiegelt und die sich mit vertraglichen Geschäftsbesorgern nur schwer vergleichen lässt, außen vor gelassen.
1.) Abgrenzung zu Richtern und Notaren a.) Richter Der Richter kommt dem Idealbild desjenigen, der frei von Interessenkonflikten ist bzw. sein muss, am nächsten. Für seine Aufgabe und Funktion ist die Freiheit von Interessenkonflikten bzw. seine Unabhängigkeit von wesentlicher Bedeutung.240 Da sich der Richter allein an Recht und Gesetz zu orientieren hat und ohne Ansehung der Person dem Recht zur Durchsetzung verhelfen soll, dürfen sachfremde Erwägungen bei seinen Entscheidungen keine Rolle spielen. Um dies zu gewährleisten und Einflüsse, die die Entscheidung verzerren können, weitestmöglich zu verhindern, wird bei dem für Richter geltenden Unabhängigkeitsgebot ein sehr weitgehender Ansatz verfolgt: Für den Richter bedeutet Unabhängigkeit vor allem dessen persönliche Unabhängigkeit i.S.v. Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit (Art. 97 Abs. 2 GG) sowie dessen sachliche Unabhängigkeit i.S.v. Weisungsfreiheit (Art. 97 Abs. 1 GG).241 Diese Regelungen richten sich zuvörderst gegen Einflussnahmen durch die anderen Staatsge Siehe Regierungskommission, Deutscher Corporate Governance Kodex (in der Fassung vom 13.05.2013). 239 Abrufbar unter http://www.vid.de/de/qualitaet/berufsgrundsaetze.html (Stand 28.07. 2014). 240 Verfassungsrechtlich ist die Unabhängigkeit des Richters in Art. 97 GG verankert und insbesondere in §§ 25 ff. DRiG näher ausgestaltet. Zur Unabhängigkeit von Richtern etwa Simon, Die Unabhängigkeit des Richters, passim; Holzwarth/Lambrecht/Schalk/Späth/ Zech, Die Unabhängigkeit des Richters, passim; außerdem Maunz/Dürig/Hillgruber, Grundgesetz, Art. 97 Rdnr. 75 ff.; Papier, NJW 2001, 1089; ders., NJW 1990, 8. 241 Prütting, ZIP 2002, 1965, 1969; Lüke, ZIP 2003, 557, 558. Vgl. dazu BVerfGE 12, 67, 71; 14, 56, 69; 26, 186, 198; 27, 312, 322; 36, 174, 185; 38, 1, 21; Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht über Richter, S. 16 ff. m.w.N. 238
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
walten.242 Im Rahmen des einzelnen (Zivil-)Prozesses findet das Unabhängigkeitsgebot seine Konkretisierung vor allem in den Regelungen zum Ausschluss des Richters von der Ausübung des Richteramtes und zur Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit in §§ 41, 42 ZPO. b.) Eingeschränkte Übertragbarkeit auf Geschäftsbesorger Auf Geschäftsbesorger bzw. Interessenwahrer ist das Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit nur sehr eingeschränkt übertragbar.243 Das besondere staatliche Amt des Richters sowie seine Funktion im Rechtsstaat und für die Rechtspflege geben dem richterlichen Unabhängigkeitserfordernis ein besonderes Gepräge, das sich auf privatrechtlich agierende Geschäftsbesorger nur schwer anwenden lässt. Denn die Tätigkeit eines Geschäftsbesorgers wird, auch wenn er zur Unabhängigkeit verpflichtet ist, viel stärker als die Tätigkeit des Richters von den Interessen des Geschäftsherrn bestimmt, der ihn unter anderem auswählt und bezahlt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass tatsächliche Unabhängigkeit, sofern man überhaupt annimmt, dass Menschen wirklich unabhängig sein können, sich jedenfalls solange nicht bzw. nur näherungsweise erreichen lässt, wie jemand auf dem freien Markt seine Dienstleistungen anbietet.244 So kann etwa – anders als beim Richter – aus der Zahlung der Vergütung vom Geschäftsherrn an den Geschäftsbesorger noch keine Besorgnis der Befangenheit abgeleitet werden.245 Entsprechend werden in diesen Fällen immer Abhängigkeiten bestehen und wird sich nur eine Näherung an die Unabhängigkeit erreichen lassen. Deutlich wird der Unterschied im Vergleich zu dem für den Rechtsanwalt geltenden Unabhängigkeitsgebot (insbesondere § 43a Abs. 1 BRAO). Zwar lässt die Pflicht zur Wahrung der Unabhängigkeit, wie sie in § 39 DRiG zum Ausdruck kommt, gewisse Parallelen zu dem für den Anwalt geltenden Unabhängigkeitsgebot in § 43a Abs. 1 BRAO erkennen. Rechtsanwälte haben jedoch eine andere Funktion als Richter, was bei der Konkretisierung des Unabhängigkeitsgebotes zu unterschiedlichen Nuancierungen führen muss: 246 Der Richter muss als Teil der rechtsprechenden Gewalt im Staat in jeder Hinsicht unabhängig sein. Ihm und dem von ihm bekleideten staatlichen Amt wird das Vertrauen entgegengebracht, dass er sich nicht einseitig für eine der Parteien einsetzt, son242 BVerfGE 12, 67; Schmidt-Ränsch, DRiG, § 25 Rdnr. 3 ; Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 128; Lüke, ZIP 2003, 557, 558. 243 Siehe dazu etwa Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 318 Rdnr. 354; Dorn-Zachertz, Unabhängigkeit, S. 36 ff.; Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 129; Veltins, DB 2004, 445, 448. Gleiches gilt auch für die Übertragung etwa auf den Insolvenzverwalter, siehe Kumpan, KTS 2010, 169 f.; a.A. Graeber, NZI 2002, 345, 347 f.; Graf/ Wunsch, DZWIR 2002, 177, 179; Lüke, ZIP 2003, 557, 559 ff. 244 Vgl. Hagel, Wpg 2002, 1355, 1356; Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2121. 245 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 318 Rdnr. 354. 246 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 129.
V. Beschränkung auf (materielle) Geschäftsbesorger
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dern den jeweiligen Streit ohne Ansehen der Person nur nach Recht und Gesetz entscheidet. Der Rechtsanwalt ist hingegen als Interessenvertreter seines Mandanten immer auch dessen Interessen verpflichtet – unabhängig davon, dass er auch Organ der Rechtspflege ist.247 Damit ist auch die Interessenlage, der er ausgesetzt ist und die das jeweilige Konfliktpotential birgt, eine andere. Dies gilt erst recht für andere Geschäftsbesorger, die keine besondere Funktion im Rechtssystem (Organ der Rechtspflege) erhalten haben und bei denen daher erst recht andere Nuancierungen im Hinblick auf Unabhängigkeit und Interessenwahrung erfolgen müssen. Dass man bei der Heranziehung von Vorschriften, die für den Richter gelten, vorsichtig sein sollte, zeigt sich auch an § 42 ZPO. Diese Regelung knüpft an die besondere Stellung des Richters als neutrale Instanz an und stellt letztlich eine gewisse Durchbrechung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters dar.248 Während der Grundsatz des gesetzlichen Richters verhindern soll, dass sich eine Partei ihren Richter aussucht, lässt § 42 ZPO dies in begrenztem Umfang (in Form einer gewissen Negativauslese) zu.249 Diese Gesichtspunkte spielen für private Geschäftsbesorger keine Rolle. Im Fall vertraglich engagierter Geschäftsbesorger können deren Geschäftspartner regelmäßig frei wählen, ob sie diesen oder einen anderen engagieren. Aber auch in den Fällen, in denen das Gesetz besondere Regelungen für das Auswahlverfahren vorsieht, ist den „Geschäftsherren“ eine Einflussnahme möglich. So können im Insolvenzverfahren die Gläubiger in ihrem ersten Zusammentreffen eine andere Person zum Verwalter wählen, ohne dafür Gründe angeben zu müssen, insbesondere auch keine, die die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen würden.250 Der neue § 56a Abs. 3 InsO erlaubt unter bestimmten Voraussetzungen sogar dem vorläufigen Gläubigerausschuss, in dessen erster Sitzung einstimmig eine andere Person als die bestellte zum Insolvenzverwalter zu wählen. Dies stellt einen erheblichen Unterschied zum Richter dar, der grundsätzlich als neutrale Instanz vorgegeben ist, ohne dass er abgewählt werden könnte.251 c.) Schiedsrichter und Sachverständige Zwar ist dieser Gesichtspunkt – der grundsätzlichen Nichtwählbarkeit – bei Schiedsrichtern weniger ausgeprägt. Denn die Parteien können diese wählen. Von ihrer Funktion her und mit Bezug auf die Interessen der Parteien gleicht ihre Stellung jedoch derjenigen des Richters und weniger derjenigen von (materiellen) Geschäftsbesorgern.252 Braun, ZInsO 2002, 964. Siehe auch Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 129. Lüke, ZIP 2003, 557, 560. 249 Lüke, ZIP 2003, 557, 560. 250 Lüke, ZIP 2003, 557, 560. 251 Vgl. dazu etwa Riggert, NZI 2002, 352, 354. 252 Zur Unabhängigkeit des Schiedsrichters etwa Stein/Jonas/Schlosser, Zivilprozessord247
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
Eine eher dem Richter als dem Geschäftsbesorger vergleichbare Stellung haben – jedenfalls faktisch – auch Sachverständige.253 Mit ihrer Stellungnahme zeichnen sie die Entscheidung des Richters im Hinblick auf das von ihnen Erfragte häufig vor. Entsprechend rechtfertigt sich die Ausrichtung der für sie geltenden Regelungen hinsichtlich einer Besorgnis der Befangenheit, § 406 ZPO, an den für den Richter geltenden Regelungen. d.) Notar Auch das Unabhängigkeiterfordernis des Notars eignet sich nur eingeschränkt als Leitbild für Geschäftsbesorger.254 Nach § 1 BNotO ist der Notar ein „unabhängige[r] Träger eines öffentlichen Amtes […] für die Beurkundung von Rechtsvorgängen und andere[n] Aufgaben auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege“. Anders als der Richter gehört der Notar nicht der rechtsprechenden Gewalt an. Auch gehört zu seinen Aufgaben die Beratung, sodass insofern in funktionaler Hinsicht eine gewisse Ähnlichkeit zu vielen Geschäftsbesorgern besteht. Dennoch unterscheidet er sich wesentlich von Geschäftsbesorgern und ist von seiner Stellung her einem Richter ähnlicher als einem Geschäftsbesorger.255 Er übt – im Gegensatz zu Geschäftsbesorgern – einen staatlich gebundenen Beruf aus und darf seine Urkundstätigkeit nicht ohne ausreichenden Grund verweigern, vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 BNotO, er erfüllt also eine Art Pflichtaufgabe.256 Geschäftsbesorger sind hingegen regelmäßig in ihrer Entscheidung frei, ob sie einen Geschäftsherrn bzw. Mandanten ablehnen oder nicht. Wie der Richter ist der Notar kein Interessenvertreter, sondern „unabhängiger und unparteiischer Betreuer der Beteiligten“, vgl. § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO.257 Entsprechend hat er nach § 14 Abs. 3 Satz 2 BNotO insbesondere jedes Verhalten zu vermeiden, das den Anschein der Abhängigkeit oder Parteilichkeit erzeugt. Die Unabhängigkeit, die § 1 BNotO dem Notar garantiert, charakterisiert zunächst seine Stellung gegenüber dem amtsverleihenden Land, dessen Hoheitsgewalt er ausübt.258 Ähnlich wie der Richter ist der Notar persönlich unabhängig: Er wird auf Lebenszeit bestellt, 259 sein Amt erlischt nur in nung, § 1036 Rdnr. 5 ff.; Zöller/Geimer, Zivilprozessordnung, § 1036 Rdnr. 1 ff.; Karl, Die Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters; Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, Rdnr. 120 ff. 253 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann/Hartmann, ZPO, § 406 Rdnr. 2 . 254 A.A. Veltins, DB 2004, 445, 449. 255 Zur Ähnlichkeit der Unabhängigkeit von Richtern und Notaren Pfeiffer DNotZ 1981, 5 ff. 256 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 131. 257 Dazu etwa Schlosser, NJW 2002, 1376, 1377 f. 258 Vgl. dazu Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 57 Rdnr. 25 ff. (S. 679 f.) (elterliche Sorge ist „arteigenes Familienrecht“). 259 Vgl. § 3 Abs. 1 BNotO; für Anwaltsnotare siehe § 3 Abs. 2 BNotO.
V. Beschränkung auf (materielle) Geschäftsbesorger
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den gesetzlich ausdrücklich festgelegten Fällen 260 und sein Amtssitz kann grundsätzlich nur mit seiner Zustimmung verlegt werden 261. Die sachliche Unabhängigkeit gegenüber dem Staat wirkt sich vor allem darin aus, dass die Aufsicht als reine Rechtsaufsicht ausgestaltet und der Notar außerhalb dieses Rahmens keinerlei Weisungen unterworfen ist.262 Seine Unabhängigkeitsposition ist mithin derjenigen des Richters ähnlich und eignet sich daher wenig für eine Übertragung auf Geschäftsbesorger.263
2.) Abgrenzung zu Eltern Auch das Eltern-Kind-Verhältnis zeichnet sich durch eine Interessenlage aus, die sich mit der von Geschäftsbesorgungssverhältnissen nicht vergleichen lässt. Es unterscheidet sich von diesen insbesondere wegen seiner besonderen Ausgestaltung im Hinblick auf die Bedürfnisse innerhalb der Familie.264 In dem Beziehungs- und Interessengeflecht zwischen Eltern und Kindern, bei dem nicht nur wirtschaftliche, sondern vor allem auch persönliche Belange eine wesentliche Rolle spielen, lassen sich Interessenkonflikte nicht in gleicher Weise regeln wie bei anderen, z. B. bei rechtsgeschäftlich vereinbarten, Interessenwahrungsverhältnissen. Entsprechend wird im Fall der Eltern mit der Gefährdung des Kindeswohls, vgl. § 1666 Abs. 1 BGB, lediglich eine äußerste Grenze statuiert, ab der Interessenkonflikte zu rechtlichen Konsequenzen führen. Die besondere Ausgestaltung zeigt sich bereits bei der Bestimmung der zu wahrenden Interessen. Anders als die Interessenwahrer in den zuvor behandelten Rechtsverhältnissen spielen die Eltern bereits bei der Bestimmung und Ausformung der Kindesinteressen eine wesentliche Rolle. Ihnen obliegt nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG die Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Sie müssen also die Interessen ihrer Kinder nicht nur wahren und fördern, sondern können sie in gewissem Umfang auch bestimmen.265 Zugleich schützt Art. 6 Abs. 2 GG diese Aufgabe der Eltern aber auch als ihr Recht. Dies unterscheidet Eltern in erheblichem Maße von sonstigen Interessenwahrern und führt zu zusätzlichem Abwägungsbedarf im Fall von Interessenkonflikten.
Vgl. §§ 47 ff. BNotO. § 10 Abs. 1 Satz 3 BNotO. 262 Starke, in: Beck’sches Notar-Handbuch, L I Rdnr. 10. Vgl. auch BGH DNotZ 1972, 549; Schippel/Bracker/Bracker, § 1 BNotO Rdnr. 18. 263 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 131. 264 Siehe dazu Rusch, Gewinnhaftung, S. 192. 265 Löhnig, Treuhand, S. 463. Vgl. dazu auch Knöpfel, FamRZ 1985, 1211, 1213. Mit zunehmendem Alter verdrängt die altersgemäße kindliche Selbstbestimmung das „wohlverstandene Kindesinteresse“ jedoch mehr und mehr. Vgl. BayObLG FamRZ 1985, 737, 738; 1997, 954, 955. Entsprechend geht auch die Möglichkeit der Eltern, die Interessen auszuformen und zu bestimmen, zurück. 260 261
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§ 1 Begriff, Systematisierung und rechtliche Verankerung
Auch müssen Eltern ihre eigenen Interessen keineswegs vollkommen zurückstellen.266 Vielmehr schulden alle Familienmitglieder einander in besonderer Weise gegenseitige Rücksichtnahme, §§ 1618a, 1619 BGB. Aufgrund dieses Rücksichtnahmegebots können die Kindesinteressen auch einmal hinter die Interessen der Eltern zurücktreten, wenn dies notwendig sein sollte.267 § 1618a BGB trägt dem Umstand Rechnung, dass in einer Familie nicht immer alle Interessen gleichzeitig bestmöglich zur Geltung kommen können und daher jedes Familienmitglied auch einmal zurückstecken muss.268 Als Mitglied der Familie muss das Kind daher akzeptieren, dass seine Interessen gegenüber den übrigen Familienmitgliedern, insbesondere auch gegenüber seinen Eltern, gewissen Einschränkungen unterliegen und die Eltern nicht ausschließlich zur Wahrnehmung der Interessen ihrer Kinder verpflichtet sind. Dies zeigt sich auch an § 1649 Abs. 2 BGB, wonach Eltern die Einkünfte des Kindesvermögens für den allgemeinen Familienunterhalt verwenden dürfen, soweit es nicht zur ordnungsgemäßen Vermögensverwaltung und für den Unterhalt des Kindes benötigt wird. Diese Einschränkungen auf der einen Seite und die familiäre Nähebeziehung auf der anderen Seite beeinflussen die Interessenwahrungspflicht der Eltern und führen einerseits zu einer gewissen Lockerung (Eltern können auch eigene Interessen berücksichtigen), andererseits aber auch zu einer besonders umfassenden Interessenwahrungspflicht, die über das normale Maß hinausgeht.269
VI. Zusammenfassung Eine allgemein anerkannte rechtliche Definition des Begriffs Interessenkonflikt existiert bisher nicht. Für die Entwicklung einer Definition ist vom Begriff des Interesses auszugehen. In dem hier untersuchten Zusammenhang ist dieses zu verstehen als „positive Bezogenheit“, die ein bestimmtes Subjekt zu bestimmten Gegenständen oder Sachverhalten hat. Maßgeblich ist die Bindung an das Subjekt, also den Interessenträger, von dessen subjektiven Wertungen das Interesse allein abhängt. Als Interessenträger kommen sowohl natürliche als auch juristische Personen sowie Personengesellschaften in Betracht. Nicht alle Konflikte zwischen solchermaßen verstandenen Interessen bedürfen einer besonderen Regelung. So reichen etwa die vertragsrechtlichen Rege Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 57 Rdnr. 27 (S. 680); anders Soergel/ Strätz, BGB, § 1626 Rdnr. 3 (Elternrecht ist „ausschließlich fremd- d.h. ‚kindnütziges‘ Grundrecht“). 267 Dazu Erman/Michalski/Döll, BGB, § 1618a Rdnr. 14; MünchKommBGB/von Sachsen Gessaphe, § 1618a Rdnr. 9 ; Löhnig, Treuhand, S. 463 und 557. 268 Löhnig, Treuhand, S. 557. 269 Siehe dazu Staudinger/Coester, BGB, § 1618a Rdnr. 35 ff.; Löhnig, Treuhand, S. 557. 266
VI. Zusammenfassung
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lungen mit dem Grundsatz von Treu und Glauben im Fall sog. Verträge des Interessengegensatzes aus, um von einer vertragsimmanenten Richtigkeitsgewähr ausgehen zu können. Diese Regelungen sind darauf abgestimmt, den von den Beteiligten privatautonom zu vereinbarenden Ausgleich der gegensätzlichen Interessen zu gewährleisten. Für asymmetrisch ausgerichtete Rechtsverhältnisse, wie die sog. (Fremd-)Interessenwahrungsverhältnisse, bei denen es eine Partei (der Interessenwahrer) übernommen hat, die Interessen einer anderen Partei (des Geschäftsherrn) zu wahren, reichen die für Austauschverträge bzw. Verträge des Interessengegensatzes geltenden Regelungen dagegen nicht aus. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn zwischen den Beteiligten ein Informations- oder Machtungleichgewicht besteht, wie dies bei zahlreichen heutigen Dienstleistungsverhältnissen zu beobachten ist. In diesen Fällen besteht eine erhöhte Gefahr, dass der Interessenwahrer, wenn er in einen Interessenkonflikt gerät, die Interessen des anderen beeinträchtigt. Konflikte zwischen Interessen im oben genannten Sinne sind daher dann in besonderer Weise regelungsbedürftig, wenn sie in ein und derselben Person – dem Interessenwahrer – aufeinander treffen und von dieser miteinander nicht zu vereinbarende Handlungen fordern, von denen sich mindestens eine nachteilig auf einen Dritten auswirken kann, dessen Interessen die Person zu wahren übenommen hat. Auch dem „Interessenwiderstreit“ im Rahmen des Berufsrechts liegt dieses Begriffsverständnis zugrunde. Bei diesem handelt es sich um einen qualifizierten Interessenkonflikt, der sich durch eine „kontradiktorische Frontstellung“ der involvierten Interessen auszeichnet. Interessenkonflikte lassen sich einteilen in solche, bei denen Eigeninteressen des Interessenwahrers mit denjenigen des Geschäftsherrn kollidieren (Interessenkonflikte im engeren Sinne), und solche, bei denen verschiedene Fremdinteressen miteinander in Konflikt geraten, die der Interessenwahrer jedoch in gleicher Weise zu wahren hat (auch Pflichtenkollisionen genannt). Letztere lassen sich noch danach unterteilen, ob sich die Geschäftsherren auf der gleichen „Marktseite“ (z. B. die Insolvenzgläubiger) oder auf verschiedenen „Marktseiten“ (z. B. Emittent und Anleger bei einer Emission, die eine Bank begleitet) befinden. Konflikte können des Weiteren nach ihrer Konfliktdauer unterschieden werden, d. h., ob sie nur punktuell auftreten oder von Dauer sind. Schließlich können sie nach den Konfliktursachen unterteilt werden, wie z. B. finan zielle Interessen, Selbstprüfung oder persönliche Verbundenheit.
§ 2 Ökonomische Erwägungen zu Notwendigkeit und Grenzen der Regelung von Interessenkonflikten I. Wirtschaftliche Auswirkungen von Interessenkonflikten Die besondere Bedeutung von Interessenkonflikten ist nicht zuletzt auf ihre häufig erheblichen wohlfahrtsökonomischen Auswirkungen zurückzuführen. Sie können nicht nur auf den einzelnen Geschäftsherrn, sondern auch auf die gesamte Volkswirtschaft gravierende Auswirkungen haben, indem sie Markt ineffizienzen herbeiführen oder verfestigen. Schon die Existenz eines Interessenkonflikts kann Misstrauen bei denjenigen hervorrufen, deren Interessen gewahrt werden sollen. Dies kann dazu führen, dass wünschenswerte Transaktionen allein wegen dieses Misstrauens unterbleiben und es zu einem Marktversagen kommt. Manifestieren sich Interessenkonflikte gar in Pflichtverletzungen, d. h. wählen Interessenwahrer die für sie selbst günstigeren Handlungsalternativen zu Lasten ihrer Geschäftsherren, führt das auf offenen Märkten dazu, dass die Produktionsfaktoren nicht mehr in vollem Umfang der bestmöglichen Verwendung zugeführt werden.1 Paradigmatisch steht hierfür der Kapitalmarkt: Interessenkonflikte können dort dazu führen, dass die Anleger das Vertrauen in die Intermediäre und letztlich die Funktionsfähigkeit und Integrität des Kapitalmarktes als Ganzes verlieren. Dies aber führt dazu, dass der Kapitalfluss von den Anlegern zu den kapitalsuchenden Unternehmen erheblich erschwert und damit eine effiziente Kapitalallokation verhindert wird. Interessenkonflikte führen damit tendenziell zu Wohlstandseinbußen der Gesellschaft. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich in einem für Dritte negativ auswirkenden Verhalten manifestieren. Ein prominentes Beispiel für die gravierenden Auswirkungen von Interessenkonflikten auf das Wirtschaftsleben ist die Finanzkrise von 2008, die das marktwirtschaftliche System bis an den Rand des Kollapses geführt hat. Ein wesentlicher Auslöser dieser Krise waren die vielfältigen Interessenkonflikte nahezu aller Beteiligten an der Darlehensverbriefung (sog. securitization).2 1 Vgl. Reimer, Interessenkollisionen, unveröffentlichtes Manuskript, S. 83; außerdem Williamson, The Economic Institutions of Capitalism, S. 47 f. 2 Dazu ausführlich Kumpan, 9 JCLS 261 (2009); ders., in: Allmendinger/Steffek et al., Corporate Governance, S. 209 ff.
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Aufgrund ihrer Bedeutung für das Wirtschaftsleben sind Interessenkonflikte Gegenstand zahlreicher ökonomischer Untersuchungen. Zu ihrer Analyse und der Erforschung ihrer Auswirkungen und möglichen Bewältigungsstrategien lassen sich eine ganze Reihe von ökonomischen Ansätzen und Theorien heranziehen. Im Folgenden soll der Fokus auf vier Ansätze gerichtet werden, die für die rechtliche Untersuchung von Interessenkonflikten in besonderer Weise fruchtbar gemacht werden können: Die Agency-Theorie, die Strategien zur Überwindung von Informationsasymmetrien, die Theorie der unvollständigen Verträge und schließlich die verhaltensökonomischen Erkenntnisse.
II. Agency-Theorie Für die ökonomische Analyse von Interessenkonflikten eignet sich insbesondere die Agency-Theorie.3 Die Agency-Theorie im weiteren Sinne ist ein Zweig der Wirtschaftstheorie, die sich mit der Kooperation zwischen Wirtschaftssubjekten im Fall des Bestehens von Interessenkonflikten und Informationsasymmetrien beschäftigt.4 Die Agency-Theorie im engeren Sinne untersucht modellmäßig die Beziehungen zwischen Geschäftsherren (principals) und für sie tätigen Agenten (agents) und die Möglichkeit der Verhaltenssteuerung der agents.5 Principal-Agent-Beziehungen bestehen überall dort, wo zwei Personen vereinbaren, dass die eine (der agent) für die andere (den principal) bzw. in dessen Auftrag bestimmte Aufgaben übernimmt. 6 In einer arbeitsteiligen Welt sind solche Beziehungen weit verbreitet. Sie finden sich bei einer Fülle von Zweipersonenverhältnissen und charakterisieren vielfach die Innenbeziehungen von Organisationen.7 Sie bestehen beispielsweise zwischen Auftraggeber 3 Zur Agency-Theorie siehe etwa Arrow, in: Pratt/Zeckhauser, Principals and Agents, S. 37; Cooter/Freedman, 66 N.Y.U. L. Rev. 1045 ff. (1991); Grossman/Hart, 51 Econometrica 7 (1983); Fama/Jensen, 26 J. L. & Econ. 301 (1983); Ross, 63 Am. Econ. Rev. 134 (1973); Stiglitz, Principal and Agent, in: Eatwell/Milgate/Newman, The New Palgrave, Vol. 3, S. 966; außerdem Erlei/Schmidt-Mohr, in: Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Prinzipal-Agent-Theorie, S. 2546 f.; Ewert, Stichwort Agencytheorie, in: Köhler u. a., HWB, Sp. 1 ff.; Franke, Agency-Theorie, in: Wittmann u. a., HWB, Sp. 37 ff.; Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 419 ff; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 173 ff., 217 ff., 225 ff. Zur Agency-Theorie im Kapitalgesellschaftsrecht z. B. Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman et al., Anatomy, S. 35 ff.; Fama, 88 J. Pol. Econ. 288 (1980); außerdem Arnold, Steuerung des Vorstandshandelns, S. 13 ff. 4 Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Agency-Theorie, S. 53. 5 Stiglitz, in: Eatwell/Milgate/Newman, The New Palgrave, Vol. 3, S. 966; Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Agency-Theorie, S. 53. 6 Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Agency-Theorie, S. 53; siehe auch Franke, Agency-Theorie, in: Wittmann u. a., HWB, Sp. 37, 38; Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman et al., Anatomy, S. 35. 7 Dazu Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, S. 74 ff.; Franke, Agency-Theorie, in: Wittmann u. a., HWB, Sp. 37, 38.
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§ 2 Ökonomische Erwägungen zur Regelung von Interessenkonflikten
und Beauftragtem, Mandant und Rechtsanwalt, Organmitglied und Gesellschaft bzw. Gesellschaftern, Bank und Kunde etc.8
1.) Grundlegende Annahmen der Agency-Theorie Die Agency-Theorie geht von der Annahme aus, dass die Akteure rational handeln, also bei ihrem Handeln die Vor- und Nachteile des jeweiligen Verhaltens rational abwägen. Zugrunde liegt dem insbesondere das Verhaltensmodell des homo oeconomicus oder – von weitgehend gleicher Bedeutung 9 – dem Resourceful, Evaluating, Maximizing Man (REMM) 10 . Nach diesem Verhaltensmodell besteht menschliches Verhalten in der rationalen Entscheidung zwischen Alternativen, die anhand eigener Präferenzen danach erfolgt, welche dieser Alternativen den höchsten Nutzen für den Entscheider erwarten lässt (sog. Nutzenmaximierung).11 Dabei würde eine vollkommene Maximierung eine vollständige Information und eine unbegrenzte Informationsverarbeitungsmöglichkeit voraussetzen, was sich mit der Realität nicht vereinbaren lässt. Die Agency-Theorie entfernt sich daher auch von dieser strikten Sichtweise, indem sie davon ausgeht, dass der principal gerade nicht vollkommen informiert ist. Mit einem rationalen Handeln lässt sich dies vereinbaren, weil auch ein Entscheiden auf Basis unvollkommener Informationen rational sein kann, wenn die Kosten für eine weitere Informationssuche den Nutzen einer dadurch verbesserten Entscheidungsfindung übersteigen.12
2.) Principal-Agent-Modell Principal-Agent-Beziehungen zeichnen sich dadurch aus, dass eine Partei (agent) Entscheidungen zu treffen hat, die Rechtspositionen der anderen Partei (principal) betreffen, und sie bei diesen Entscheidungen regelmäßig einen gewissen Entscheidungsspielraum hat.13 Des Weiteren hat der agent einen Infor8 Vgl. Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, S. 75; außerdem Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Agency-Theorie, S. 53. 9 Fleischer/Schmolke/Zimmer, in: Fleischer/Zimmer, Beitrag der Verhaltensökonomie, S. 9, 12; Kirchgässner, Homo Oeconomicus, S. 12, Fn. 1. Zur Kritik an diesen Annahmen etwa Fleischer/Schmolke/Zimmer, in: Fleischer/Zimmer, Beitrag der Verhaltensökonomie, S. 9, 14 ff.; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 53 ff.; Lüdemann, in: Engel u. a., Recht und Verhalten, S. 7, 9 ff. 10 Siehe dazu z. B. Brunner/Meckling, J. Money, Credit and Banking, 1977, 70, 71 f.; außerdem Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, S. 95 ff. 11 Kirchgässner, Homo Oeconomicus, S. 14; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, S. 96. 12 Zu rationalen Erklärungen für Verhaltensanomalien Posner, Economic analysis of law, S. 23. 13 Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 308 (1976); Ross, 63 Am. Econ. Rev. 134 (1973).
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mationsvorsprung gegenüber dem principal, sodass eine asymmetrische Informationslage zwischen dem principal und dem agent besteht.14 Diese asymmetrische Informationslage kann der principal in der Regel nicht eigenständig überwinden, weil dies für ihn mit prohibitiven Kosten verbunden ist. Denn vor Vertragsschluss müsste er den agent und dessen Informationen exakt einschätzen können und nach Vertragsschluss ihn fortlaufend überwachen und sich genaue Kenntnis über alle dem agent bekannten bzw. bekannt werdenden Informationen verschaffen.15 a.) Entscheidungsspielraum des agent Da mit der Etablierung einer Principal-Agent-Beziehung regelmäßig eine Arbeitsteilung angestrebt wird, delegiert der principal Entscheidungskompetenzen auf den agent: 16 Der principal (z. B. ein Kunde oder Mandant) beauftragt den agent (z. B. einen Finanzintermediär oder Rechtsanwalt) mit der Wahrung seiner Interessen und überlässt ihm dabei einen gewissen Entscheidungsspielraum.17 Meist will der principal dadurch eine bessere Sachkunde und/oder Informationsvorsprünge des agent für sich nutzen.18 Dabei ist nicht nur dem principal sondern auch dem agent daran gelegen, die jeweils eigene Wohlfahrt zu erhöhen.19 Für den agent, der mit seinen Entscheidungen die Wohlfahrt des principal beeinflussen kann, besteht der Anreiz, seine Entscheidungen so zu treffen, dass sein eigener Nutzen gesteigert wird, auch wenn dies zu Lasten des von ihm vertretenen principal geht.20 Ist er für mehrere principals tätig, besteht für ihn der Anreiz, diejenigen zu bevorzugen, die ihm voraussichtlich besondere Vorteile bringen und damit seinen Nutzen erhöhen.21 b.) Informationsasymmetrie Mit Blick auf die asymmetrische Information wird zwischen zwei Arten unterschieden, je nachdem, ob die asymmetrische Informationslage vor oder nach dem Vertragsschluss besteht. Die asymmetrische Information vor dem Vertragsschluss wird als adverse Selektion (adverse selection), die asymmetrische
Arrow, in: Pratt/Zeckhauser, Principals and Agents, S. 37, 38 f. Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 138 f. Dazu auch Sitkoff, 89 Cornell L. Rev. 621, 636 (2004). 16 Franke, Agency-Theorie, in: Wittmann u. a, HWB, Sp. 37, 38. 17 Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 173 f. 18 Franke, Agency-Theorie, in: Wittmann u. a., HWB, Sp. 37, 38; vgl. auch Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Agency-Theorie, S. 53. 19 Denn beide handeln rational und nutzenmaximierend. Siehe dazu § 2 II.1.). 20 Vgl. dazu Williamson, The Economic Institutions of Capitalism, S. 47 ff.; Schweizer, Insiderverbote, S. 54. 21 Bliesener, Verhaltenspflichten, S. 166. 14
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Information nach dem Vertragsschluss als moralisches Risiko (moral hazard) bezeichnet. (i) Adverse Selektion (adverse selection) Eine adverse Selektion ergibt sich insbesondere dann, wenn die Gruppe der agents aus unterschiedlichen Akteuren besteht und es bessere und schlechtere unter ihnen gibt. In dieser Situation weiß der principal nicht, zu welcher Kategorie der agent, mit dem er kontrahieren möchte, gehört und wie viele gute und schlechte agents es überhaupt gibt (Problem des sog. market for lemons).22 Potentielle agents können ihren diesbezüglichen Informationsvorsprung ausnutzen, um günstigere Verträge abzuschließen. D. h. schlechtere agents werden versuchen, für ihre Leistungen eine vergleichsweise zu hohe Vergütung zu verlangen. Potentielle principals werden dies voraussehen und daher die insgesamt angebotenen Vergütungen für die Leistungen der agents verringern. Während diese Preise für agents, die schlechtere Leistungen bieten, noch interessant sein können, werden qualitativ bessere agents sie nicht mehr als angemessen ansehen. Sie werden sich daher vom Markt zurückziehen. Damit sinkt die durchschnittliche Qualität der angebotenen Dienstleistungen. Die nunmehr erneut zu hohe durchschnittliche Vergütung für die angebotenen (qualitativ schlechteren) Leistungen werden die principals wiederum nach unten anpassen. Setzt sich dies immer weiter fort, kann es schlussendlich zu einem Zusammenbruch des Marktes kommen (sog. Marktversagen). (ii) Moralisches Risiko (moral hazard) Mit „moralischem Risiko“ wird das Problem der Unsicherheit des principal über das Verhalten seines Vertragspartners nach dem Vertragsschluss umschrieben.23 Der principal kann den agent nicht vollkommen kontrollieren, weil er dessen Tätigkeit nicht unmittelbar beobachten bzw. überwachen kann (sog. verstecktes Handeln oder hidden action) oder weil der agent aufgrund von eigenen Beobachtungen über Informationen verfügt, die der principal nicht kennt (sog. versteckte Information oder hidden information).24 Das Problem des versteckten Handelns tritt dann auf, wenn das Ergebnis der Tätigkeit des agent auch von äußeren Faktoren abhängt, sodass der principal 22 Dazu und zum folgenden grundlegend Akerlof, 84 Q. J. Econ. 488 (1970). Siehe auch Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 175. 23 Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 420. Dazu grundlegend Williamson, The Economic Institutions of Capitalism, S. 47 ff.; siehe auch Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 174 f. und 218. 24 Arrow, in: Pratt/Zeckhauser, Principals and Agents, S. 37, 38 f.; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 174; Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, S. 112 ff.; Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 425; Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 138 f.; Stiglitz, Principal and Agent, in: Eatwell/Milgate/Newman, The New Palgrave, Vol. 3, S. 966, 967; dazu auch Sitkoff, 89 Cornell L. Rev. 621, 636 (2004).
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nicht vom Ergebnis auf den Arbeitseinsatz des agent schließen kann.25 Aus diesem Grund ist er nicht in der Lage zu bestimmen, ob ein unbefriedigendes Ergebnis auf ein Fehlverhalten des agent oder auf äußere Faktoren zurückzuführen ist.26 In diesem Fall kann der agent ein schlechtes Ergebnis den äußeren Umständen zuschreiben und die Schuld von sich weisen. Verstecktes Handeln kommt insbesondere dann vor, wenn ein agent wegen seiner besonderen Sachkunde engagiert wird. In diesem Fall beruht die Beziehung gerade auch auf dem größeren Wissen des agent und der principal kann regelmäßig nicht nachprüfen, ob eine Entscheidung des agent so umsichtig war, wie sie hätte sein können.27 Das Problem der versteckten Information tritt z. B. auf, wenn der agent über Eigenschaften des Transaktionsgegenstandes oder die beteiligten Personen besser informiert ist als der principal. So ist ein Verkäufer von Waren in der Regel besser über deren Qualität informiert als der Käufer; und ein Kreditnehmer, der einen Vermögensgegenstand beleihen lässt, weiß für gewöhnlich besser über dessen Marktwert Bescheid als der Kreditgeber.28
3.) Die Verringerung von Agencykosten Die Agency-Theorie unterstellt also, dass der agent typischerweise nicht bestmöglich im Interesse des principal handelt.29 Es gilt daher, Wege zu finden, den agent dazu zu bewegen, dies doch zu tun. In der Regel wird dies nicht kostenlos möglich sein. Vielmehr müssen besondere Anreizmechanismen etabliert werden, die sog. agency costs (Vertretungskosten) verursachen. Diese Kosten bestehen aus Überwachungskosten des principal, Bindungskosten des agent und einem Residualverlust.30 Diese Kosten in ihrer Gesamtheit zu minimieren, muss Ziel jeder sachgerechten Lösung von Principal-Agent-Problemen sein. Überwachungskosten entstehen, wenn der principal geeignete Anreize für den agent schafft und/oder ihn überwacht, um mögliche Abweichungen des agent von seinem Interesse zu verhindern.31 Bindungskosten entstehen für den 25 Arrow, in: Pratt/Zeckhauser, Principals and Agents, S. 37; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 174. 26 Cooter/Freedman, 66 N.Y.U. L. Rev. 1045, 1049 (1991); Sitkoff, 89 Cornell L. Rev. 621 636 (2004). 27 Arrow, in: Pratt/Zeckhauser, Principals and Agents, S. 37, 38 (am Beispiel der Arzt-Patienten-Beziehung). 28 Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 420. 29 Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 174. 30 Grundlegend zu Agencykosten Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 308 ff. (1976). Siehe außerdem Fama/Jensen, 26 J. L. & Econ. 301, 304 (1983); Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, S. 75; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 177; Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 139; Sitkoff, 89 Cornell L. Rev. 621, 637 (2004). 31 Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 308 (1976); außerdem Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, S. 75, 91 f.; Richter/Furubotn, Neue Institutionenöko-
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agent, wenn er bestimmte vom principal unerwünschte Verhaltensweisen glaubhaft ausschließen will.32 Beispielsweise kann er Ressourcen (eine Kaution) als Garantie dafür einsetzen, dass er bestimmte Verhaltensweisen unterlässt, die dem principal schaden würden.33 Oder er kann sicherstellen, dass der principal im Nachhinein eine Kompensation erhält, wenn der agent dessen Interessen beeinträchtigt.34 Der Residualverlust entsteht, weil es unmöglich ist, einen vollkommenen Vertrag durchzusetzen.35 Er entsteht dadurch, dass die Entscheidungen des agent in gewissem Umfang von den Entscheidungen abweichen, die für den principal die günstigsten wären, also seine Wohlfahrt maximieren würden.36
4.) Folgerungen für die Regelung von Interessenkonflikten Für die rechtswissenschaftliche Untersuchung von Interessenkonflikten kann die Agency-Theorie wertvolle Hinweise geben.37 Denn jedes Interessenwahrungsverhältnis kann als Principal-Agent-Beziehung qualifiziert werden. Der Interessenwahrer (als agent) verfügt regelmäßig über mehr Informationen und meist auch über eine bessere Sachkunde als der Geschäftsherr (principal). Letzteres gilt insbesondere für Interessenwahrer, die es berufsmäßig übernehmen, die Interessen anderer wahrzunehmen und die sich infolgedessen auf bestimmte Bereiche des Wirtschaftslebens spezialisiert haben. Diese verfügen über zum Teil sehr spezifisches Wissen, das ein Großteil der übrigen Teilnehmer am Wirtschaftsleben nicht hat. Die sich so ergebende Informationsasymmetrie zwischen dem Interessenwahrer und dem Geschäftsherrn gibt dem Interessenwahrer die Möglichkeit, den Interessen des Geschäftsherrn zuwiderzuhandeln und seinen Interessenvorsprung zum eigenen Vorteil auszunutzen und so seine Stellung zu missbrauchen.38 Dies kann er regelmäßig unbeobachtet tun, weil er einen Handlungsspielraum eingeräumt bekommen hat, um für den Geschäftsherrn tätig zu wernomik, S. 177. Siehe auch Law Commission, Company Directors, Consultation Paper, LAW COM No. 153, p. 35, n. 3.11. Die Kosten dafür können oft prohibitiv hoch sein. Cooter/ Freedman, 66 N.Y.U. L. Rev. 1045, 1047 (1991). 32 Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Agency-Kosten, S. 52 f. 33 Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 308 (1976). 34 Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, S. 75, 91 f.; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 177; Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 308 (1976). 35 Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Agency-Kosten, S. 52, 53. 36 Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 308 (1976); außerdem Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, S. 75; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 177. 37 Dazu Macey/Miller, 82 Iowa L. Rev. 965 (1997); außerdem Fleischer, Informations asymmetrie, S. 145 f. und 197 ff. 38 Vgl. Dazu Cooter/Freedman, 66 N.Y.U. L. Rev. 1045, 1048 (1991) („appropriation-incentive model“).
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den. In dieser Situation gerät der Interessenwahrer, der eigentlich die Interessen des Geschäftsherrn wahrnehmen soll, in einen Interessenkonflikt. Dieses ist umso wahrscheinlicher, je größer der Entscheidungsspielraum des Agenten ist. Bei vertraglichen und organschaftlichen Interessenwahrern können Principal-Agent-Probleme mit Hilfe anreizfördernder Entlohnungen und der Vereinbarung geeigneter Kontrollmechanismen angegangen werden.39 Ganz verhindert werden können diese dadurch allerdings nicht. An Grenzen stößt die Lösung über private Vereinbarungen vor allem beim opportunistischen Verhalten ex ante.40 Dies zeigt nicht zuletzt die Entwicklung der Finanzkrise von 2008, bei der zahlreiche Interessenkonflikte verschiedener Akteure mitursächlich für das offenbar eingetretene Marktversagen waren.41 Dementsprechend sind gesetzliche Regelungen erforderlich, die vertragliche Vereinbarungen ergänzen42 und die Vertretungskosten reduzieren.43 Diese müssen darauf hinwirken, die aus dem grundsätzlichen Interessenkonflikt resultierenden Wohlfahrtseinbußen weitestmöglich zu verringern.44 Dies wiederum erfordert, dass die Möglichkeit zu opportunistischem Verhalten des Interessenwahrers soweit wie möglich ausgeräumt wird, ohne allerdings – sofern es sich nicht um einen besonders gravierenden Fall handelt – Interessenwahrungsverhältnisse ganz zu verbieten oder den Entscheidungsspielraum des Interessenwahrers zu stark zu begrenzen. Beides liegt nicht im Interesse des Geschäftsherrn, weil dann die Vorteile der Arbeitsteilung und insbesondere die der besseren Qualifikation und Information des Interessenwahrers verloren gehen würden.45 Aus diesem Grund sind etwa Inhabilitätsvorschriften und ähnlich umfängliche Verbote, die eine Aufnahme eines Interessenwahrungsverhältnisses vollständig untersagen, nur dann vertretbar, wenn es sich um sehr schwerwiegende Interessenkonflikte handelt. Um der Neigung des Interessenwahrers (also des agent), Handlungsspielräume im Verborgenen zum eigenen Vorteil zu nutzen, entgegenzutreten, müssen die Regelungen darauf ausgelegt sein, dass der Interessenwahrer die Interessen des Geschäftsherrn bestmöglich wahrnimmt und alles unterlässt, was die Interessen des Geschäftsherrn beeinträchtigen könnte. Wichtigstes rechtliches Instrument ist in diesem Zusammenhang die Interessenwahrungspflicht, die für alle Interessenwahrer gilt und einen strengen Pflichtenstandard statuiert, der 39 Vgl. Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 198. Zu der Problematik einer angemessenen und anreizadäquaten Entlohnung siehe die Ausführungen in Kumpan, Strani pravni Zivot 1/2008, 85 ff. 40 Richter/Furbotn, Neue Institutionenökonomik, S. 203. 41 Dazu schon unter § 2 I. 42 Vgl. Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 198. 43 Law Commission, Company Directors, Consultation Paper, LAW COM No. 153, p. 35, n. 3.11; Sitkoff, 89 Cornell L. Rev. 621, 648 (2004). 44 Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 140. 45 Siehe dazu Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, S. 91.
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§ 2 Ökonomische Erwägungen zur Regelung von Interessenkonflikten
über die gewöhnlichen vertraglichen Rücksichtnahme- und Schutzpflichten hinausgeht.46 Justice Cardozo hat dies seinerzeit so umschrieben: „Many forms of conduct permissible in a workaday world for those acting at arm’s length, are forbidden to those bound by fiduciary ties. A trustee is held to something stricter than the morals of the market place. Not honesty alone, but the punctilio of an honour the most sensitive, is the standard of behaviour”.47 Diese gesteigerte Loyalitätspflicht wird in zahlreichen Regelungen konkre tisiert, die den Handlungsspielraum des Interessenwahres einengen. Dies kann etwa wie bei § 181 BGB dadurch erfolgen, dass bestimmte Geschäfte nicht bzw. nur mit Zustimmung des Geschäftsherrn durchgeführt werden können oder wie im Fall des Frontrunning am Kapitalmarkt ganz verboten sind. Wettbewerbsverbote grenzen ganze Handlungsbereiche aus und verschließen so dem Interessenwahrer in erheblichem Umfang Möglichkeiten zu opportunis tischem Verhalten. Ein bei allen vertraglichen, organschaftlichen und gesetz lichen Interessenwahrungsverhältnissen zur Anwendung kommendes In strument zur Verringerung von Agency-Problemen sind vor allem Offenlegungs- und Anzeigepflichten.48 Diese zielen unmittelbar auf das Problem der asymmetrischen Informationslage, also die besseren Informationen und Kenntnisse des Interessenwahrers – insbesondere auch in Bezug auf seine Interessenkonflikte. Ein anderes Beispiel ist das Verbot, Geschäftschancen des Geschäftsherrn wahrzunehmen. Diese Regelung weist alle Geschäftschancen, von denen der Interessenwahrer aufgrund seiner Stellung als Interessenwahrer erfährt, dem Vermögensbereich des Geschäftsherrn zu und verringert so den Spielraum für verborgene Handlungen des Interessenwahrers, die den Geschäftsherrn benachteiligen.49 Durch diese strengen Verhaltensanforderungen und Verbote soll insgesamt der Schutz des Geschäftsherrn vor einem opportunistischen Verhalten des Interessenwahrers erhöht und seine Kontrollkosten gesenkt werden.50
III. Strategien zur Überwindung von Informationsasymmetrien Ein weiterer Ansatz zum Umgang mit Interessenkonflikten stellt auf die Überwindung von Informationsasymmetrien durch den Einsatz von Strategien, wie dem sog. Signalisieren (signaling) oder dem Screening (screening), ab.
Siehe dazu § 3 IV.1.). Meinhard v. Salmon, 249 N.Y. 458, 464, 164 N.E. 545, 546 (1928). 48 Zu Offenlegungspflichten ausführlich in § 6. Vgl. in diesem Zusammenhang Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 145. 49 Fleischer, DStR 1999, 1249, 1251; ders., ZGR 2001, 1, 8. 50 Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 198. 46 47
III. Strategien zur Überwindung von Informationsasymmetrien
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1.) Signalisieren (signaling) Im Fall des Signalisierens gibt ein besser informierter Akteur „Signale“ hinsichtlich der von ihm angebotenen Waren oder Dienstleistungen oder auch sich selbst, aus denen andere zutreffende Informationen entnehmen können.51 Auf diese Weise versucht der Signalgeber, sich von anderen Anbietern abzusetzen. Entsprechend wird er Aktivitäten unternehmen, die für ihn weniger kostspielig sind als für Anbieter von Gütern oder Leistungen geringerer Qualität. Erkennt ein möglicher Vertragspartner darin ein (potentielles) „Signal“ für Qualität, wird er bereit sein, für höherwertige Signale höhere Vergütungen zu zahlen.52 Notwendige Bedingung dafür ist, dass das Aussenden eines falschen Signals für den Signalgeber immer ungünstiger ist, als wenn er ein richtiges Signal gibt.53 Die Kosten falscher Signale müssen daher im Vergleich zu den Kosten wahrheitsgemäßer Signale so hoch sein, dass sich falsche Signale nicht lohnen.54
2.) Screening und Selbstselektion Im Unterschied zum Signalisieren, bei dem der besser informierte Akteur die Initiative ergreift, geht beim Screening die Initiative vom schlechter informierten Akteur aus.55 Dieser beschafft sich Informationen über die Präferenzen der potentiellen Vertragspartner, etwa durch Tests, z. B. eine Kreditwürdigkeitsprüfung, oder indem er eine Auswahl von Verträgen anbietet, die so gestaltet sind, dass die besser informierten Vertragspartner durch ihre Entscheidung für einen bestimmten Vertrag wesentliche Informationen offenbaren (letzteres wird auch als Selbstselektion bezeichnet).56 Dazu grundlegend Spence, 87 Q. J. Econ. 355 (1973); ders., Market Signaling, 1974. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 295. Ein Beispiel für ein solches Signal ist das Vorweisen von Bildung als Signal für höhere Arbeitsproduktivität. 53 Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 424. Kostenlose Signale werden demgegenüber dadurch glaubwürdig, dass falsche Signale zu Marktreaktionen führen, die für den Signalgeber nachteilig sind. 54 Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 424. Beispiel dafür sind Ausbildungsnachweise von Bewerbern. 55 Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 425. 56 Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 424. Siehe auch Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 124 (zur Selbstselektion S. 125). Ein Versicherungsunternehmer kann zum Beispiel vor dem Problem stehen, dass seine Kunden sich hinsichtlich wesentlicher Risikomerkmale voneinander unterscheiden, wobei jeder Kunde seine eigenen Risikomerkmale kennt, diese aber für andere nicht erkennbar sind; man kann nicht ohne weiteres damit rechnen, dass die Kunden über ihre Risikomerkmale wahrheitsgemäß Auskunft geben. Ein Ausweg kann darin liegen, dass verschiedene Verträge angeboten werden, die insbesondere nach Prämie und Selbstbeteiligung so gestaffelt sind, dass jeder Kunde aus eigenem Interesse den Vertrag wählt, der seinen speziellen Risikomerkmalen entspricht und dadurch die relevante Information offenlegt. Dazu Rothschild/Stiglitz, 90 Q. J. Econ. 629 (1976); Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 425. 51
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3.) Garantien (bonding) Aufbauend auf dem Konzept des Signalisierens wurde der Einsatz von Garantien als weitere Möglichkeit der Informationsübermittlung entwickelt.57 Dieser Ansatz basiert darauf, dass Anbieter hochwertiger Waren oder Dienstleistungen Garantien zu geringeren Preisaufschlägen anbieten können als Anbieter weniger hochwertiger Güter, weil bei ihnen der Garantiefall seltener eintritt. Anbieter von Gütern minderer Qualität können mit ihnen nicht mithalten, weil dies für sie zu teuer wäre.58 Die Nachfrager, die dies wissen, werden daher das Fehlen einer Garantie als Indiz dafür ansehen, dass das jeweilige Gut von minderer Qualität ist. Sie werden daher weniger für die betreffende Ware oder Dienstleistung bieten oder sogar von einem Erwerb bzw. der Inanspruchnahme ganz absehen. Da auf diese Weise verschiedene Märkte für Güter von hoher und von minderer Qualität entstehen und somit Preisunterschiede möglich bleiben, wird ein Marktversagen verhindert.59
4.) Folgerungen für die Regelung von Interessenkonflikten Die genannten Informationsstrategien, insbesondere das Signalisieren, kommen auch für den Umgang mit Interessenkonflikten in Frage. Beispiel hierfür sind etwa die sehr strikten berufsrechtlichen Regelungen der Anwälte und Wirtschaftsprüfer im Hinblick auf Interessenkonflikte. Indem sie sich als Berufsträger diesen Regelungen unterwerfen, signalisieren sie, dass sie mit Interessenkonflikten in einer bestimmten – den berufsrechtlichen Vorgaben entsprechenden – Weise umgehen wollen. Tun sie dies nicht und verletzen sie ihre berufsrechtlichen Pflichten, können sie mit berufsrechtlichen Sanktionen belegt werden (siehe z. B. §§ 113 ff. BRAO). Dadurch wird dieses Signal für sie teuer und damit für Außenstehende besonders glaubhaft. Auch die Unabhängigkeit kann als ein Signal verstanden werden. Der Verpflichtete signalisiert durch die entsprechende Vereinbarung bzw. seine Unterwerfung unter die jeweilige Vorschrift, dass er sich in einer bestimmten (nämlich unabhängigen) Weise verhalten wird. Im Fall vertraglicher oder organschaftlicher Interessenwahrer können solche Regelungen grundsätzlich vertraglich vereinbart werden, die Signale also privat gegeben werden. Eine gesetzliche Regelung erhöht allerdings den Signalwert, weil der Staat dadurch sein besonderes Interesse an der Richtigkeit des jeweiligen Signals demonstriert. 57 Zur informationsvermittelnden Funktion von Garantien vor allem Grossman, 24 J. L. & Econ. 461 (1981). 58 Dazu Grossman, 24 J. L. & Econ. 461, 470 ff. (1981); außerdem bspw. Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 126. 59 Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 126 (dort auch zu den Grenzen eines solchen Ansatzes, die allerdings bei Interessenkonflikten keine wesentliche Bedeutung haben).
IV. Unvollständige Verträge
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IV. Unvollständige Verträge Eine Rechtfertigung für gesetzliche Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten bietet vor allem die Theorie der unvollständigen Verträge. 60 Diese basiert auf dem Gedanken, dass in Verträgen nicht jede mögliche Eventualität geregelt werden kann und diese daher immer unvollständig sind. Denn alle erdenklichen Vorkommnisse zu regeln, wäre mit prohibitiv hohen Kosten verbunden.61 Interessenwahrungsverträge sind von ihrer Natur her unvollständige Verträge, weil sie für die Zukunft offen gestaltet sind und dem Interessenwahrer einen Handlungs- und Entscheidungsspielraum gewähren.62 Ökonomisch gesehen ist eine offene Gestaltung in diesen Fällen sinnvoll, weil andernfalls die angestrebte Arbeitsteilung entweder nur zu erheblich höheren Kosten oder möglicherweise auch gar nicht möglich wäre.63 Wie der Interessenwahrer im konkreten Einzelfall handeln soll, lässt sich angesichts der Unmöglichkeit, zukünftige Entwicklungen und Situationen vorauszusagen, weder im Detail noch umfassend vereinbaren. Denn bei Aufnahme der Beziehung lässt sich nicht vorhersehen, wie sich diese im Laufe der Zeit entwickelt, welche Geschäftschancen sich ergeben werden, wie mit diesen jeweils verfahren werden soll etc. Denn das Wirtschaftsleben ist vielfältigen Veränderungen ausgesetzt und erfordert daher eine ständige Anpassung.64 Auch im Fall von Interessenwahrungsverträgen ist die Regelung jeder erdenklichen Situation im Vorhinein mit prohibitiv hohen Kosten verbunden; oder der principal müsste bei jeder Entscheidung hinzugezogen werden, was dem Zweck von Interessenwahrungsverhältnissen widersprechen würde.65 Dies gilt insbesondere für längerfristig angelegte Interessenwahrungsverhältnisse. Aber auch bei kurzfristigen Interessenwahrungsverhältnissen können nicht alle Aspekte geregelt werden. Denn der Interessenwahrer wird in der Regel gerade deshalb angestellt, damit er für den Geschäftsherrn Entscheidungen trifft, für die der Geschäftsherr nicht genügend 60 Zu unvollständigen Verträgen Jickeli, Der langfristige Vertrag, insb. S. 48 ff.; Easterbrook/Fischel, 36 J. L. & Econ. 425 (1993); Grossman/Hart, 94 J. Pol. Econ. 691 (1986); Hart, 4 J. L. Econ. & Org. 119 (1988). 61 Janke, Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, S. 153; siehe auch Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 182. Zur Schwierigkeit alle Eventualitäten vorauszusehen auch Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 35, 90; dies, 36 J. L. & Econ. 425, 426 (1993); Posner, Economic Analysis of Law, § 4.1 (S. 118); Fleischer, ZGR 2001, 1, 5. 62 Vgl. Boatright, in: Davis/Stark, Conflicts of Interest in the Professions, S. 217, 220. 63 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 146; Frankel, 71 Cal. L. Rev. 795, 809 (1983); siehe auch Zöllner, Schranken, S. 343. 64 Vgl. Zöllner, Anpassung, S. 11; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 102; Weipert, ZGR 1990, 142, 144. 65 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 146. Bzgl. Gesellschaftsverträgen z. B. Janke, Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, S. 153; Fleischer, ZGR 2001, 1, 4 f. Siehe außerdem Lutter, AcP 180 (1980), 84, 91.
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Sachkunde oder nicht ausreichend Informationen besitzt oder die er aus einem anderen Grunde nicht treffen kann. Als Antwort auf die Unvollständigkeit von Verträgen werden in der Regel sog. governance structures vereinbart, 66 zu denen insbesondere Entscheidungskompetenzen gehören. Diese können unterschiedlich gestaltet sein: So können die Parteien beim Auftreten von Lücken die Verträge nachverhandeln oder einer der Parteien oder einem Dritten die Entscheidung überlassen, wie eine Lücke zu füllen ist.67 Im zweiten Fall – zu diesem gehören auch die Interessenwahrungsverhältnisse – delegiert der principal dem agent Entscheidungsmacht und gewährt ihm dafür einen Ermessensspielraum anstatt alle möglichen Situationen mit Hilfe vertraglicher Vorgaben zu regeln.68 In dieser Situation sind besondere Mechanismen nötig, um das Vertrauen des principal in den agent sicherzustellen. Im Rahmen von Austauschverträgen wird der zur Entscheidung Berufene regelmäßig zumindest zu einem „billigen Ermessen“ angehalten, das gerichtlich nachprüfbar ist, vgl. §§ 315, 319 Abs. 1 BGB. Im Fall der Interessenwahrung öffnet die andere Partei, der Geschäftsherr, seine Interessensphäre gegenüber dem Interessenwahrer allerdings erheblich weiter als bei bloßen Austauschverträgen, die eine Leistungsbestimmung vorsehen. Aus diesem Grund müssen zusätzliche Schranken für den dem Interessenwahrer zugebilligten Ermessensspielraum vorgesehen werden.69 Dies geschieht mit Hilfe der strikten Interessenwahrungspflicht, die von ihrem Pflichtenstandard über das bloß billige Ermessen weit hinausgeht.
V. Verhaltensökonomik (behavioral economics) Da es sich beim Interessenkonflikt um ein besonderes psychologisches Phänomen handelt, können vor allem die empirisch gewonnenen verhaltensökonomischen Erkenntnisse Hilfestellungen bei der Überprüfung der Angemessenheit von Regelungen für Interessenkonflikte geben. Ziel des verhaltensökonomischen Forschungsansatzes, auch behavioral economics genannt, ist es, mittels möglichst realistischer Annahmen zu besseren Vorhersagen hinsichtlich des Verhaltens von Individuen zu gelangen.70 66 Zu governance structures Williamson, Economic Institutions of Capitalism, S. 305 f.; außerdem ders., 22 J. L. & Econ. 233, 247 ff. (1979). 67 Jickeli, Der langfristige Vertrag, S. 77 ff.; siehe auch Janke, Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, S. 155 f. 68 Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 770. 69 Vgl. für die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht Janke, Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, S. 158. 70 Für eine Zusammenstellung der wichtigsten Arbeiten Kahneman/Tversky, Choices, Values, and Frames (2000), sowie Shefrin (Hrsg.) Behavioral Finance Vol. I und III, jeweils Part. I. Für eine Überblick im Deutschen etwa Klöhn, Kapitalmarkt, S. 90 ff.; Kowalewski,
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Grundlage für die verhaltensökonomische Forschung sind zahlreiche, von Psychologen und Wirtschaftswissenschaftlern durchgeführte Untersuchungen über menschliches Verhalten in wirtschaftlichen Entscheidungssituationen.71 Bereits Mitte der 1950er Jahre hatte Herbert Simon das Konzept der bounded rationality für von ihm beobachtete Abweichungen vom Rationalmodell propagiert und versucht, Einsichten der kognitiven Psychologie mit dem ökonomischen Postulat der Rationalität in Einklang zu bringen.72 Mitte der 1970er Jahre begannen dann Kahneman und Tversky mit verhaltenspsychologischen Forschungen, die schließlich im Jahre 1979 in ihre sog. prospect theory (Entscheidungstheorie) mündeten.73 In der Folgezeit wurde diesem Forschungszweig zwischen Ökonomie und Verhaltenswissenschaft immer stärkere Aufmerksamkeit zuteil.74 Im Kern geht es bei diesen Untersuchungen um menschliches Verhalten unter Unsicherheit. Dabei hat sich gezeigt, dass Individuen zwar grundsätzlich versuchen, sich an einer rationalen Handlungsweise zu orientieren, aber es dabei in einer Vielzahl von Fällen zu systematischen Abweichungen vom Ideal eines rational handelnden Individuums kommt (sog. Anomalien oder bias).75 Hierzu gehören z. B. die selektive Wahrnehmung von Informationen oder die Neigung, die eigenen Fähigkeiten zu überschätzen.
1.) Verhaltensanomalien bei der Informationsaufnahme Im Vergleich zu dem rational handelnden, umfassend informierten und eigennützigen Individuum des traditionellen neoklassischen Ansatzes der Ökonomik, ist das im Rahmen der behavioral economics untersuchte Individuum von einer Vielzahl von Verhaltensanomalien geprägt. So kann es Informationen nicht umfassend wahrnehmen und verarbeiten und trifft Entscheidungen auf Basis von (Vereinfachungs-)Heuristiken. Diese werden regelmäßig vor allem Das Vorerwerbsrecht, S. 79 ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch, der ökonomischen Analyse, S. 103 ff.; Fleischer/Schmolke/Zimmer, in: Fleischer/Zimmer, Beitrag der Verhaltensökonomie, S. 9, 17 ff.; siehe außerdem Eidenmüller, JZ 2005, 216; Fleischer, FS Immenga, 2004, S. 575. Für eine Literaturübersicht Oehler, ZBB 1992, 97, 114 ff. 71 Ein Nachdruck der wichtigsten Arbeiten findet sich bei Kahneman/Tversky, Choices, Values, and Frames sowie bei Shefrin (Hrsg.), Behavioral Finance, Volume I und III, Series No. 10, 2001, jeweils Part I. 72 Simon, 69 Q. J. Econ. 99 (1955); danach ders., 63 Psychol. Rev. 129 (1956). 73 Kahneman/Tversky, Econometrica 47 (1979), 263. Für diese wurde Kahneman im Jahre 2002 – Tversky war bereits 1996 verstorben – mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. 74 Siehe z. B. die Arbeiten von George Akerlof, Kenneth Arrow, Coplin Camerer, Matthew Rabin und Richard Thaler, wie bspw. Akerlof, 81 Am. Econ. Rev. 1 (1991); Arrow, 59 J. Bus. 385 (1986); Camerer, Behavioral Game Theory; Rabin, 83 Am. Econ. Rev. 1281 (1993); ders., 36 J. Econ. Lit. 11 (1998); Thaler, Quasi-Rational Economics, 1991. 75 Dazu aus dem deutschen Schrifttum Oehler, ZBB 1992, 97; ders., ÖBA 2000, 978.
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dann relevant, wenn Entscheidungen unter Unsicherheit getroffen werden müssen76 und daher eingeschätzt werden muss, wie wahrscheinlich der Eintritt eines bestimmten Ergebnisses ist. Im Folgenden sollen einige wesentliche Verhaltensanomalien kurz beleuchtet werden, die für den Umgang mit Interessenkonflikten eine Rolle spielen können. Sie können danach eingeteilt werden, in welchem Stadium der Entscheidungsfindung sie auftreten (bei der Informationsaufnahme, der Informationsverarbeitung oder bei der Entscheidung selbst).77 a.) Rahmungseffekt (framing) Bereits bei der Informationsaufnahme kommt es bei Menschen zu systematischen Verzerrungen. Denn Informationen werden regelmäßig nicht absolut, sondern in Abhängigkeit von ihrem jeweiligen Umfeld bzw. ihrer Beschreibung wahrgenommen. Je nach Art der Präsentation der Information kann diese vollkommen unterschiedlich aufgenommen und eingeordnet werden. Allein schon die Art und Weise, wie Fragen formuliert oder Wahlmöglichkeiten präsentiert werden, kann einen erheblichen Einfluss auf die Präferenzen des Entscheidenden – bis hin zur Präferenzumkehr – und damit auch auf dessen Entscheidung haben.78 Eine solche Beeinflussung der Wahrnehmung mittels einer unterschiedlichen Darstellung des Problems wird in der Verhaltensökonomik als „framing“ (“Rahmungseffekt“) bezeichnet.79 Beispiel dafür ist etwa das vielfach zu beobachtende Vorgehen von Restaurants nicht während umsatzstarker Zeiten, insbesondere abends, besondere Aufpreise zu verlangen, sondern während umsatzschwacher Zeiten (z. B. während der sog. happy hour) besondere Rabatte zu gewähren.80 Ökonomisch sind beide Situationen identisch zu beurteilen, aber erfahrungsgemäß werden sich insgesamt mehr Restaurantbesucher durch Preisnachlässe am Nachmittag anlocken lassen als durch Preisaufschläge am Abend.
76 Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60, 92 f.; siehe dazu auch Korobkin/ Ulen, 88 Cal. L. Rev. 1085 (2000). Zu Heuristiken ausführlich Kahneman/Slovic/Tversky, Judgement under Uncertainty; zu Heuristiken auch Sunstein, 70 U. Chi. L. Rev. 751 (2003). 77 Siehe Kowalewski, Vorerwerbsrecht, S. 80 ff. 78 Zu entsprechenden empirischen Studien z. B. Korobkin/Ulen, 88 Cal. L. Rev. 1051, 1104 ff. (2000). 79 Tversky/Kahneman, 211 Scence 453 (1981); dies., 59 J. Bus. S251 (1986); Kahneman/ Tversky, 39 Am. Psych. 341 (1984); Tversky/Thaler, 4 J. Econ. Persp. 201 (1990); weiterführend DellaVigna, 47 J. Econ. Lit. 315, 347 ff. (2009). Für Studien zum Framing aus dem juristischen Bereich z. B. Korobkin/Guthrie, 93 Mich. L. Rev. 107, 130 ff. (1994). Für einen Überblick Kowalewski, Das Vorerwerbsrecht, S. 80 f.; Koller, FS Huber, 2006, S. 821, 829 f. Für weitere Nachweise Oehler, ZBB 1992, 97, 101 Fn. 32. 80 Kowalewski, Vorerwerbsrecht, S. 81.
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b.) Selektive Wahrnehmung Des Weiteren sind Menschen nur begrenzt aufmerksam und nehmen Informationen regelmäßig selektiv wahr. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Informationen sehr komplex sind und sie relativ schnell aufgenommen werden müssen. Zudem werden Informationen unbewusst danach gefiltert, ob sie den eigenen Vorstellungen entsprechen oder nicht.81 Denn Widersprüche zu den eigenen Ansichten können zu kognitiven Dissonanzen führen. Diese vertragen sich nicht mit dem menschlichen Bedürfnis nach Dissonanzfreiheit und innerer Harmonie.82 Sie können aber vermieden werden, wenn widersprechende Informationen verdrängt werden.83 Dies zeigt sich etwa bei Anlageentscheidungen am Kapitalmarkt. Nachdem Anleger ihr Geld in bestimmte Finanzinstrumente investiert haben, ignorieren sie häufig spätere negative Informationen und halten daher in schlechter werdenden Börsenphasen zu lange an ihren Finanzin strumenten fest, anstatt sie zu verkaufen. c.) Verfügbarkeitsheuristik (availability bias) Informationen werden umso mehr wahrgenommen und bei Entscheidungen berücksichtigt, je besser sie subjektiv verfügbar sind (Verfügbarkeitsheuristik, availability bias).84 Dies ist darauf zurückzuführen, dass bekannte Informationen sich schneller einordnen und verarbeiten lassen als unbekannte. Dabei kann es sich um Informationen handeln, die für die jeweilige Person von besonderer Bedeutung sind oder Ereignisse betreffen, die erst vor kurzem geschehen sind; aufgrund der „Nähe“ der jeweiligen Information können sich die Betroffenen besser an sie erinnern und halten aus diesem Grund die jeweiligen Ereignisse für wahrscheinlicher als sie es tatsächlich sind.85 Beispielsweise wurden von englischsprachigen Testpersonen die Anzahl der auf „ing“ endenden Wörter erheblich höher geschätzt als die Anzahl der Wörter, deren vorletzter Buchstabe ein „n“ ist, obwohl die ersteren einen Unterfall der letzteren bilden und deshalb seltener vorkommen.86 Zurückgeführt wurde dies auf die Verfügbarkeitsheuristik – die auf „ing“ endenden Wörter seien den Sprechern viel präsenter gewesen, weil im Englischen das Gerundium und Par81 Für Beispiele siehe Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218; Goldberg/v. Nitzsch, Behavioral Finance, S. 59 ff.; hierzu außerdem Oehler, ZBB 1992, 97, 100 m.w.N. in Fn. 30. 82 Vgl. dazu Festinger, A Theory of Cognitive Dissonance; außerdem Goldberg/v. Nitzsch, Behavioral Finance, S. 118 ff. 83 Dazu Goldberg/v. Nitzsch, Behavioral Finance, S. 127. 84 Tversky/Kahneman, 185 Science 1124, 1127 (1974). Ausführlich Kahneman/Slovic/ Tversky, Judgement under Uncertainty, S. 163 ff.; Sunstein/Kuran, 51 Stanford L. Rev. 683 (1999); Sunstein, 122 Yale L. J. 1826, 1851 f. (2013). Für weitere Nachweise Oehler, ZBB 1992, 97, 101 Fn. 31. 85 Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60, 93. 86 Siehe dazu Kahneman/Tversky, 90 Psych. Rev. 295 (1983).
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tizip Präsens diese Endung haben, es dagegen keine vergleichbare Regel für Wörter mit dem vorletzten Buchstaben „n“ gibt.87 Die bessere Verfügbarkeit von Informationen führt also dazu, dass diesen Informationen bei Entscheidungen ein überproportionales Gewicht eingeräumt wird.88 Ein Unterfall dieses Phänomens ist die sog. hindsight bias: Danach halten Menschen die Wahrscheinlichkeit des Eintrittes eines Ereignisses im Nachhinein deshalb für höher, weil es tatsächlich eingetreten ist.89
2.) Verhaltensanomalien bei der Informationsverarbeitung a.) Ankereffekt (anchoring) Weiterhin zeigen empirische Studien, dass sich Menschen bei Entscheidungen unter Unsicherheit an einem Bezugspunkt orientieren und diesen als „Anker“ für ihre Entscheidung nutzen.90 Daher wird dieses Phänomen als „anchoring“ („Ankereffekt“) bezeichnet. Von dem Bezugspunkt ausgehend und in Abhängigkeit zu diesem werden dann die weiteren Informationen zu dem jeweiligen Sachverhalt verarbeitet und Anpassungen nach „oben“ oder „unten“ vorgenommen (sog. adjustment), um so zu einem Endergebnis zu gelangen. Ähnlich wie beim framing spielt also auch beim anchoring der Kontext einer Entscheidung eine wesentliche Rolle. Problematisch ist dies, wenn Individuen von dem Bezugspunkt zu stark beeinflusst werden und ihre Entscheidungen dadurch verzerrt werden. Beispiel für den Ankereffekt ist ein Versuch, bei dem den Teilnehmern eine zufällig ermittelte Zahl genannt wurde und diese dann schätzen sollten, wie hoch die Prozentzahl der in den Vereinten Nationen vertretenen afrikanischen Staaten war, wobei sie angeben sollten, ob ihre Schätzung höher oder niedriger als die ihnen genannte Zahl war. Wurde den Teilnehmer eine niedrige Zahl vorgegeben, waren die Schätzungen erheblich niedriger, als wenn eine höhere Zahl genannt wurde.91 b.) Besitzeffekt (endowment effect) Müssen Individuen Entscheidungen treffen, die zu Veränderungen ihrer Situation führen, orientieren sie sich regelmäßig an dem, was sie im Zeitpunkt der Entscheidung haben (ihre „Ausstattung“) und nehmen dies als Bezugspunkt. In diesem Zusammenhang kommt eine Reihe von empirischen Studien zu dem Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60, 93. Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60, 93. 89 Dazu Fischhoff, 1 J. Experimental Psychol.: Human Perception & Performance 288 (1975); weiterhin Hawkins/Hastie, 107 Psychol. Bull. 311 (1990). 90 Tversky/Kahneman, 185 Science 1124, 1128 (1974). 91 Tversky/Kahneman, 185 Sceince 1124, 1128 (1974). 87
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Ergebnis, dass Menschen Güter, die ihnen gehören, höher bewerten als fremde Güter. Dies wird als Besitzeffekt oder „endowment effect“ bezeichnet.92 Dadurch kommt es zu einer Asymmetrie zwischen Angebots- und Nachfragebereitschaft. So maßen bspw. in einem Experiment, die als „Verkäufer“ agierenden Testpersonen ihren Produkten im Mittel einen höheren Wert zu als die „Käufer“ bereit waren, dafür zu zahlen.93 Dieser Besitzeffekt wird umso stärker, je länger jemand eine Sache schon besitzt und je mehr Arbeit er in sie gesteckt hat.94 c.) Verlustaversion (loss aversion) Ein dem Besitzeffekt ähnliches Phänomen ist die sog. Verlustaversion („loss aversion“). Menschen empfinden Verluste regelmäßig schmerzlicher als Gewinne in gleicher Höhe. So kommt es, dass sie sich im Falle von möglichen Verlusten eher risikofreudig, im Falle von möglichen Gewinnen dagegen eher risikoavers verhalten.95 Bei der Bewertung von Entscheidungsmöglichkeiten kommt es demnach entscheidend auf den Bezugspunkt an und ob die Entscheidung (relativ zu diesem) zu einem Verlust oder einem Gewinn führt. Damit ließe sich auch erklären, warum bei Entscheidungen häufig sog. „gesunkene Kosten“ berücksichtigt werden, also in dem jeweiligen Zusammenhang früher getätigte finanzielle oder andere Investitionen.96 Experimentelle Untersuchungen haben gezeigt, dass solche Kosten weiterhin als Bezugspunkt 92 Zum endowment effect z. B. Thaler, 1 J. Econ. Behav. Organ. 39 (1980); Kahneman/ Knetsch/Thaler, 5(1) J. Econ. Persp. 193 (1991); Korobkin, 97 Nw. U. L. Rev. 1227 (2003). Krit. zum endowment effect Klaas/Zeiler, 61 UCLA L. Rev. 2 (2013); Plott/Zeiler, 95 Am. Econ. Rev. 530 (2005). 93 Zufällig ausgewählte Testpersonen erhielten Kaffeebecher und sollten als „Verkäufer“ agieren. Sie maßen ihren Bechern einen mittleren Wert von 5,15 US-$ bei, während die „Käufer“ im Mittel lediglich bereit waren, für die Becher 2,25 US-$ zu zahlen. Dazu Kahneman/Knetsch/Thaler, 98 J. Pol. Econ. 1325 (1990). Zu weiteren Beispielen Thaler, 1 J. Econ. Behav. Organ. 39 (1980); Kahneman/Knetsch/Thaler, 5(1) J. Econ. Persp. 193, (1991). 94 Strahilevitz/Loewenstein, 25 J. of Consumer Research 276 (1998); Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60, 85. Weitere Untersuchungen haben allerdings ergeben, dass der Besitzeffekt nicht auftritt, wenn jemand statt einer Sache lediglich das Versprechen „besitzt“ bzw. erhalten hat, die Sache zu bekommen. Dazu Arlen, 51 Vand. L. Rev. 1777 (1998). 95 In einer Untersuchung zogen beispielsweise Testpersonen eine 80%-Chance, 4000 US-$ zu verlieren, einem sicheren Verlust von 3000 US-$ mehrheitlich vor, zeigten sich jedoch überwiegend risikoavers, als es um Gewinne in vergleichbarer Höhe ging, d. h. sie zogen die sicheren 3000 US-$ einer 80%-Chance, 4000 US-$ zu gewinnen, vor. Dazu Kahneman/ Tversky, 47 Econometrica 263, 268 f. (1979); zur Verlustaversion auch Kahneman/Tversky, 39 Am. Psych. 341 (1984); Tversky/Kahneman, 106 Q. J. Econ. 1039 (1991); Benartzi/ Thaler, 110 Q. J. Econ. 75 (1991); Langevoort, 84 Cal. L. Rev. 627, 637 (1996); Sunstein, 1 Am. Law & Econ. Rev. 115, 124 f. (1999). Das Umschalten von Risikoaversion zu Risikosuche nannten Kahneman und Tversky „reflection effect“. Siehe Kahneman/Tversky, 47 Econometrica 263, 268 (1979). 96 Dazu Thaler, 1 J. Econ. Behav. Organ. 39 (1980); Kahneman/Tversky, 39 Am. Psych.
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betrachtet werden, sodass eine Entscheidung, die zu einer Verlustrealisierung relativ zu dieser früheren Investition führt, eine Verlustaversion auslöst. Nach der herkömmlichen ökonomischen Ansicht, die von einem rational entscheidenden Individuum ausgeht, dürften diese Kosten bei einer Investitionsentscheidung keine Rolle mehr spielen, sondern nur noch die (ab der Entscheidung anfallenden) zukünftigen Kosten und Gewinne. d.) Präferenz für den Status Quo (status quo bias) Besitzeffekt und Verlustaversion sind Teil des übergeordneten Phänomens einer umfassenden Präferenz für den Status Quo („status quo bias“).97 Als Beispiel dafür wird auf das im Rahmen einer Studie beobachtete Verhalten von Versicherungsnehmern in Pennsylvania und New Jersey verwiesen.98 In beiden Staaten wurden zwei nahezu identische Basisversicherungspakete angeboten, die sich nur dadurch unterschieden, dass die teurere Variante ein Klagerecht enthielt, die billigere dagegen nicht. Während in New Jersey die erste Variante der Standard war, war es in Pennsylvania die zweite. In beiden Staaten wählte die deutliche Mehrzahl der Versicherungsnehmer die jeweilige Standardvariante, ohne dass dafür sachliche Gründe erkennbar waren. Dementsprechend haben sog. default rules eine prägende Bedeutung für die tatsächliche Rechtslage in einem Land. Privatpersonen werden eher selten von den vorgegebenen Regelungen, dem Status Quo, abweichen – anders ist dies dagegen bei Unternehmen, die sich eine umfangreiche Rechtsberatung leisten können, wobei sie allerdings ohnehin dem rational entscheidenden Nutzenmaximierer sehr viel näher sind als Privatpersonen.
3.) Verhaltensanomalien bei der Entscheidung a.) Aversion gegen Extreme (extremeness aversion) Mit Blick auf die Entscheidungsfindung haben empirische Studien gezeigt, dass Individuen in der Regel Kompromisse dem Extrem vorziehen. Haben sie z. B. zwischen zwei Angeboten mit verschiedenen Preisen zu wählen und entscheiden sich für die preislich günstigere Alternative, wäre es rational, die gleiche Wahl auch in dem Fall zu treffen, dass die Angebotspalette um eine dritte noch viel teurere Variante erweitert wird. Untersuchungen zeigen jedoch, dass es in einem solchen Fall wahrscheinlicher wird, dass nunmehr nicht die günstigste, 341 (1984); außerdem Eidenmüller, JZ 2005, 216, 219; Jolls/Sunstein/Thaler, 50 Stan. L. Rev. 1471, 1482 f. (1998). 97 Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60, 86. Dazu Kahneman/Knetsch/ Thaler, 5(1) J. Econ. Persp. 193 (1991); Samuelson/Zeckhauser, 1 J. Risk & Uncertainty 7 (1988). 98 Dazu Sunstein, 1 Am. Law & Econ. Rev. 115, 124 (1999).
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sondern die mittlere Variante – sozusagen als Kompromiss – gewählt wird.99 Dieser Effekt wird als Aversion gegen Extreme („extremeness aversion“) bezeichnet.100 Auch hier beeinflusst der Kontext einer Entscheidung die Präferenzen des Individuums in diesem Zeitpunkt. b.) Ähnlichkeitsheuristik (representativeness heuristic) Mittels der sog. Ähnlichkeitsheuristik („representativeness heuristic“) ermitteln Menschen bedingte Wahrscheinlichkeiten danach, wie gut der betrachtete Umstand zu einer bestimmten Hypothese passt.101 Untersuchungen haben in diesem Zusammenhang gezeigt, dass sie dabei Ähnlichkeiten ein übermäßiges Gewicht beimessen und vernachlässigen, mit welcher Wahrscheinlichkeit der jeweilige Umstand überhaupt eintreten kann. In diesen Zusammenhang gehört die fälschlich vorgenommene Zuweisung statistischer Eigenschaften von großen Ereignismengen zu einer kleinen Ereignismenge. Dies geschieht etwa, wenn jemand der sog. „gambler’s fallacy“ erliegt, indem er im Anschluss an eine Serie von Münzwürfen mit dem Ergebnis „Kopf“ annimmt, die Wahrscheinlichkeit im nächsten Wurf das Ergebnis „Zahl“ zu erhalten, sei größer als 50%. Bei der umgekehrten Ausprägung dieses Fehlschlusses glaubt der Betroffene an eine „Strähne“ („hot hand fallacy“), d. h., dass eine Folge von gleichen Ergebnissen dazu führt, dass auch das nächste Ergebnis diesen entspricht.102 c.) Übermäßiges Selbstbewusstsein (overconfidence bias, overoptimism) Der Begriff overconfidence bias oder übermäßiges Selbstbewusstsein umschreibt die experimentell nachgewiesene Neigung von Menschen, bei Entscheidungen die eigenen Fähigkeiten und das eigene Wissen zu überschätzen und davon auszugehen, dass sie von negativen Ereignissen seltener betroffenen werden als andere.103 Sie vertrauen zu stark auf die Qualität ihres eigenen Wissens und die Richtigkeit der eigenen Entscheidungen. Damit einher geht die
Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60, 82. Dazu ausführlich Kelman/Rottenstreich/Tversky, 25 J. Legal Stud. 287 (1996). 101 Zur Ähnlichkeitsheuristik ausführlich Kahneman/Slovic/Tversky, Judgement Under Uncertainty: Heuristics and Biases, S. 23 ff.; Tversky/Kahneman, 185 Science 1124 (1974). 102 Dazu Camerer, 79 Am. Econ. Rev. 1257 (1989). 103 Grundlegend Fischhoff/Slovic/Lichtenstein, 3 J. Exper. Psychol. 552 (1977); siehe außerdem Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60, 95; Sunstein, 122 Yale L. J. 1826, 1851 f. (2013); für eine Übersicht Langevoort, 146 U.Pa.L.Rev. 101, 139 (1997); Kowalewski, Das Vorerwerbsrecht, S. 87; Koller, FS Huber, 2006, S. 821, 829. Zu Studien etwa Svenson, 47 Acta Psychologica 143 (1981) Camerer/Lovallo, 89 Am. Econ. Rev. 306 (1999); Malmendier/Tate, 60 J. Fin. 2661 (2005); Baker/Emery, 17 Law and Human Behavior 439 (1993); DellaVigna/Malmendier, 96 Am. Econ. Rev. 694, 716 (2006). 99
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Tendenz, übermäßig optimistisch zu sein (overoptimism).104 Fehlerrisiken werden daher systematisch unterschätzt. So glaubten bei einer Befragung ca. 70%-90% aller Autofahrer, dass sie ihr Fahrzeug besser beherrschten als der Durchschnitt und deshalb seltener in Unfälle verwickelt würden,105 obwohl dies statistisch nicht möglich ist. Auch hielten sich 94% der Universitätsprofessoren für kompetenter als ihre Kollegen106 – was ebenfalls statistisch unmöglich ist. Hinter diesem übermäßigen Selbstvertrauen steht wohl ganz wesentlich der Wunsch, aufgrund der eigenen Fähigkeiten, seine Umwelt und seine Entscheidungen beherrschen zu können, auch wenn der eigene Einfluss objektiv geringer ist als gedacht (sog. Kontrollillusion).107 d.) Bedürfnis nach Dissonanzfreiheit (conservatism bias und confirmatory bias) Das Bedürfnis nach Dissonanzfreiheit spiegelt sich in der sog. conservatism bias. Damit wird die bei Menschen zu beobachtende Zurückhaltung bezeichnet, von einmal geformten Erwartungen abzuweichen.108 Dies führt dazu, dass der Wert von Informationen, die sich mit den eigenen Erwartungen nicht decken, unterschätzt wird und die Erwartungen nur unzureichend angepasst werden. Im Gegensatz dazu werden Informationen, die die Erwartungen bestätigen, überbewertet und mehrdeutige Informationen so interpretiert, dass sie mit den eigenen Ansichten übereinstimmen.109 Dies wird als confirmatory bias bezeichnet. Diese Verhaltensanomalie wirkt sich auch auf die Informationssuche aus, was sich daran zeigt, dass Menschen dazu neigen, nach Informationen zu suchen, die ihre Meinung bestätigen, nicht aber nach solchen, die ihr widersprechen.110 e.) Dynamische Inkonsistenz (dynamic inconsistency) Sollen im Rahmen von Entscheidungen zukünftige Entwicklungen berücksichtigt werden, neigen Menschen zu einer „dynamischen Inkonsistenz“ (dynamic
104 Irwin, 21 J. Personality 329 (1953); Klöhn, Kapitalmarkt, S. 116; vgl. auch Thaler, 14(1) J. Econ. Persp. 133 (2000). 105 Svenson, 47 Acta Psychologica 143, 146 (1981). 106 Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60, 96. 107 Dunning/Heath/Suls, 5 Psychol. Sci. Pub. Int. 69, 80 (2004); Kowalewski, Das Vorerwerbsrecht, S. 88. 108 Dazu Klöhn, Kapitalmarkt, S. 107. 109 Dazu Rabin/Schrag, 114 Q. J. Econ. 37, 38 (1999); Hirshleifer, 56 J. Fin. 1533, 1549 (2001); Klöhn, Kapitalmarkt, S. 107. 110 Klöhn, Kapitalmarkt, S. 107.
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inconsistency): 111 Zukünftige Bedürfnisse werden nicht korrekt eingeschätzt112 und werden häufig, wenn sie mit gegenwärtigen Präferenzen für die Zukunft in Konflikt geraten, hintangestellt.113 So ist es möglich, dass eine Person, die eine erst nach zehn Jahren wirksam werdende Entscheidung getroffen hat, diese Entscheidung einige Jahre vor Eintritt ihrer Konsequenzen bereuen wird. Diese unterschiedliche Gewichtung von gegenwärtigen und zukünftigen Präferenzen kann Probleme bei der Selbstkontrolle und damit Zeitinkonsistenzen erklären. Danach wird einem Verhalten, das zukünftigen Nutzen abwirft, aber gegenwärtig Kosten verursacht (z. B. der Verzicht auf Zigaretten oder auf schnell erhältliche, aber ungesunde Speisen), ein geringerer Wert beigemessen, als ihm eigentlich beigemessen werden müsste. Dagegen wird einem Verhalten, das gegenwärtig Nutzen bringt, aber zukünftig Kosten verursacht (z. B. Rauchen, schnell erhältliches aber ungesundes Essen), ein höherer Wert zuerkannt als es eigentlich hat, weil dessen unmittelbarer gegenwärtiger Nutzen höher erscheint.114
4.) Prospect theory Diese Effekte und Anomalien wurden von Kahneman und Tversky zu einer umfassenden Entscheidungstheorie, der sog. prospect theory zusammengefügt.115 Ausgehend von den experimentellen Beobachtungen versucht diese zu modellieren, wie Menschen tatsächlich entscheiden. Ihr liegt daher ein verhaltenswissenschaftlich fundiertes, auf empirische Befunde gestütztes Konzept zugrunde. Anders als im Rational Choice Modell werden Präferenzen nicht mehr als exogene Konstanten angesehen, die durch das konkrete Entscheidungsproblem nicht beeinflusst werden.116 Vielmehr spielt der jeweilige Entscheidungskontext eine wesentliche Rolle. Zwar geht auch die prospect theory davon aus, dass Menschen danach streben, ihren Nutzen zu maximieren. Aber dabei begehen sie in systematischer und daher vorhersehbarer Weise Fehler.117 Für einen Überblick etwa Loewenstein/Prelec, 107 Q. J. Econ. 573 (1992); Frederick/ Loewenstein/O’Donoghue, 40 J. Econ. Lit. 351 (2002); außerdem Sunstein, 122 Yale L. J. 1826, 1842 ff. (2013). 112 Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60, 81. 113 Jolls/Sunstein/Thaler, 50 Stanford L. Rev. 1471, 1539 (1998). Dieses Phänomen wird auch mit dem Begriff „myopia“ umschrieben, siehe Sunstein, 1 Am. Law & Econ. Rev. 115, 122 (1999). 114 Dazu etwa DellaVigna, 47 J. Econ. Lit. 315, 318 (2009). 115 Grundlegend Kahneman/Tversky, 47 Econometrica 263 (1979); siehe auch dies., 39 Am. Psych. Rev. 341 (1984); dies., 246 Scientific American 160 (1982); dies., 5 J. Risk & Uncertainty 297 (1992); dies., 211 Science 453 (1981). Für einen Überblick Guthrie, 97 Nw. U. L. Rev. 1115 (2003); Sunstein, 1 Am. Law & Econ. Rev. 115 (1999); in Deutsch z. B. Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60. 116 Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60, 86. 117 Guthrie, 97 Nw. U. L. Rev. 1115, 1116 (2003); Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60, 86. 111
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Im Ergebnis gelangt die prospect theory zu folgenden Aussagen: 118 Entscheidungen werden regelmäßig in Bezug auf einen Referenzpunkt gefällt, der in der Regel der Status Quo ist. Allerdings kann dieser manipuliert werden. Stehen Menschen vor Entscheidungen, die bezogen auf den Referenzpunkt zu einem Verlust führen, verhalten sich die meisten von ihnen risikofreudig, geht es dagegen um Gewinne, agieren sie in der Mehrheit risikoavers.119 Ist der Eintritt der Gewinne bzw. Verluste jedoch nur wenig wahrscheinlich, kehren sich diese Risikopräferenzen dagegen um.120 Verluste werden in der Regel doppelt so schwer gewichtet wie gleichhohe Gewinne und Sicherheit wird systematisch überbewertet.121
5.) Folgerungen aus der Verhaltensökonomik für die Regelung von Interessenkonflikten Da die Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten regelmäßig ein bestimmtes Verhalten – vor allem des Interessenwahrers – fördern oder unterbinden sollen, müssen sie auf mögliche Verhaltensanomalien Rücksicht nehmen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sie ihren Zweck verfehlen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Verhaltensanomalien, die Interessenkonflikte begünstigen, sowie für Interessenkonflikte, deren sich der Betroffene nicht völlig bewusst ist oder die er herunterspielt bzw. verdrängt. Mit Blick darauf, dass der mit der Statuierung von Regelungen verbundene Eingriff in die Freiheit der Betroffenen nicht zuletzt aus verfassungsrechtlichen Gründen so gering wie möglich gehalten werden muss, können die verhaltensökonomischen Befunde unterstützend herangezogen werden, um die Notwendigkeit, Passgenauigkeit und möglichen Auswirkungen von Regelungen abzuwägen. a.) Verhaltensanomalien auf Seiten des Interessenwahrers (i) Interessenkonflikte und übermäßiges Selbstvertrauen sowie Überoptimismus Eine Reihe von Vorschriften überlässt es dem Interessenwahrer einzuschätzen, ob er einem Interessenkonflikt unterliegt oder ob er – u. U. nach entsprechender Aufklärung des Geschäftsherrn und dessen Einverständnis hinsichtlich der 118 Für diese Zusammenfassung siehe Englerth, in: Engel et al., Recht und Verhalten, S. 60, 87. 119 Rachlinski, 70 Southern Cal. L. Rev. 113, 121 (1996). 120 Rachlinski, 70 Southern Cal. L. Rev. 113, 121 (1996). 121 Guthrie, 97 Nw. U. L. Rev. 1115, 1119 (2003). Die prospect theory wurde von Kahneman und Tversky später zur sog. cumulative prospect theory ausgebaut, die die möglichen Konsequenzen einer Entscheidungsalternative zusätzlich noch nach ihrem (Präferenz-)Rang gewichtet, wobei die Gewichte für Gewinne und Verluste getrennt ermittelt werden. Siehe Tversky/Kahneman, 5 J. Risk & Uncertainty 297 (1992).
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weiteren Tätigkeit – trotz eines Interessenkonflikts die Interessen des Geschäftsherrn angemessen wahrnehmen kann. In solchen Fällen besteht die Gefahr, dass der Interessenwahrer seine Fähigkeiten überschätzt (übermäßiges Selbstvertrauen). Auch wenn er bei anderen beobachtet, dass diese unfähig sind, unbeeinflusst von ihren eigenen Interessen zu handeln, kann er dennoch glauben, dass dies bei ihm selbst anders ist.122 Er geht daher fälschlich, weil überoptimistisch, davon aus, dass er mit dem Interessenkonflikt angemessen umgehen kann. Da er einer Kontrollillusion erlegen ist, handelt er in einem solchen Fall nicht unbedingt bewusst zum Nachteil des Geschäftsherrn. Nicht ausgeschlossen ist allerdings, dass er sich in einem späteren Stadium der für den Geschäftsherrn negativen Auswirkungen seines Handelns bewusst wird und sich dann nicht mehr ohne Gesichtsverlust zurückziehen kann und es daher vorzieht weiterzumachen. Sind sich Interessenwahrer bewusst, dass sie einem Interessenkonflikt unterliegen und möglicherweise zum Nachteil des Geschäftsherrn handeln, sollten sie zugleich auch die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten bei ihrem Handeln einkalkulieren. Allerdings kann hier ein Überoptimismus, dass man selbst von negativen Geschehnissen weniger betroffen ist als andere Menschen,123 zu Verzerrungen bei den Entscheidungen führen. Darüber hinaus haben empirische Studien gezeigt, dass Individuen bei ihrer Entscheidungsfindung zwar grundsätzlich sichere Grundlagen gegenüber unsicheren bevorzugen (sog. ambiguity aversion).124 Aber in Fällen, in denen sie sich als besonders kompetent einschätzten, waren die jeweiligen Personen bereit, auch aufgrund nur vager Vorstellungen Entscheidungen zu treffen.125 Da insbesondere berufsmäßige Interessenwahrer, wie etwa Anwälte oder Banken, die Risiken der Interessenwahrnehmung in ihren Bereichen kennen, deuten die genannten empirischen Studien darauf hin, dass sie tendenziell eher bereit sind, diesbezüglich risikobehaftet zu handeln. Für rechtliche Regelungen bedeutet dies unter anderem, dass es den Betroffenen nicht überlassen werden kann, selbst einzuschätzen, ob sie in der Lage sind, mit einem Interessenkonflikt angemessen umzugehen. Dies lässt etwa die Regelung in § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG zu, wonach eine Offenlegung des Konflikts nur dann erforderlich ist, wenn organisatorische Vorkehrungen nicht ausreichen, um nach vernünftigem Ermessen die Kunden vor Beeinträchtigungen zu schützen. Hier besteht die Gefahr, dass die betroffenen Interessenwahrer aufgrund von Überoptimismus dazu tendieren, sich und die von ihnen er122 Dazu Ross/Shestowsky, 97 Nw. U. L. Rev. 1081, 1083 (2003); Gross, 19 Geo. J. Leg. Ethics 111, 115 (2006). 123 Jolls, in: Sunstein, Behavioral Law and Economics, 288, 290 ff. 124 Heath/Tversky, 4 J. Risk & Uncertainty 5 (1991); dazu Fox/Tversky, 110 Q. J. Econ. 585, 586 ff. (1995). 125 Fox/Tversky, 110 Q. J. Econ. 585, 587 (1995).
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richtete und kontrollierte Organisation für ausreichend in der Lage zu sehen, einen entsprechenden Schutz zu gewährleisten. Auch die Einschätzung, ob überhaupt ein Interessenkonflikt vorliegt, kann aus demselben Grund nicht den Interessenwahrern überlassen bleiben. Sachgerechter ist es, bei Vorliegen bestimmter (objektiver) Voraussetzungen eine grundsätzliche Pflicht zur Offenlegung vorzusehen. Des weiteren lässt sich aus dem oben Gesagten ableiten, dass es in Situationen, in denen Interessenkonflikte erhebliche Auswirkungen haben können, gerechtfertigt ist, das Eingehen eines Interessenwahrungsverhältnisses bei Vorliegen bestimmter (objektivier) Voraussetzungen ganz auszuschließen oder einen Dritten, etwa ein Gericht, damit zu beauftragen, über die Geeignetheit des Betroffenen und die Gefahr von Interessenkonflikten zu befinden. Ein Beispiel dafür ist das berufsrechtliche Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen. Dieses knüpft objektiviert an und verschließt den Parteien die Möglichkeit, aufgrund einer abweichenden persönlichen Einschätzung der Situation entgegen der allgemeinen Regelung dennoch eine Vertretung zu vereinbaren. Auch wenn sich daher beispielsweise ein Anwalt für fähig hält, zwei widerstreitende Parteien zu vertreten, darf er dies nicht tun. (ii) Interessenkonflikte und das Bedürfnis nach Dissonanzfreiheit sowie die Verfügbarkeitsheuristik Bei der Entscheidung über das Vorhandensein und den Umgang mit Interessenkonflikten spielt weiterhin eine Rolle, dass Individuen vielfach geneigt sind, Verhalten, das ihrem eigenen Interesse förderlich ist, als normgerecht bzw. moralisch vertretbar einzustufen.126 Gesichtspunkte, die dem widersprechen, werden sie, jedenfalls bis zu einem gewissen Grad, versuchen auszublenden (selektive Wahrnehmung und Bedürfnis nach Dissonanzfreiheit). Dies ist insbesondere in den Fällen zu beobachten, in denen die entsprechenden Normen nicht eindeutig sind. Dies erleichtert es den Betroffenen, die Norm als nicht auf ihr Verhalten anwendbar anzusehen. Diese Einstellung kann durch die Verfügbarkeitsheuristik noch gefördert werden. Wenn Interessenwahrer solche Informationen stärker gewichten, die ihnen besonders präsent sind und sie keine Fälle der Ahndung von zum Nachteil des Geschäftsherrn gelösten Interessenkonflikten kennen, werden sie eigenes interessenkonfliktbelastetes Verhalten eher als normgerecht interpretieren.127 Um dem entgegenzuwirken, sind zum Nachteil des Geschäftsherrn gelöste Interessenkonflikte möglichst öffentlichkeitswirksam zu ahnden. So hat etwa die Entscheidung des Illinois Supreme Court,128 dass Anwälten ihre Zu126 Dazu Daicoff, 48 Fla. L. Rev. 197, 238 (1996); Gross, 19 Geo. J. Legal Ethics 111, 113 (2006). 127 Siehe dazu Gross, 19 Geo. J. Leg. Ethics 111, 116 (2006). 128 In re Himmel, 533 N.E.2d 790 (Ill. 1988).
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lassung zeitweise entzogen werden kann, wenn sie unethisches Verhalten anderer Anwälte nicht melden, zu einer erheblichen Steigerung solcher Meldungen gegenüber der Illinois Attorney Registration and Disciplinary Commission geführt.129 In Deutschland ist in diesem Zusammenhang an die immer zahlreicheren gerichtlichen Verfahren zu Rückvergütungen zu denken, die die Verfügbarkeitsheuristik erheblich beeinflussen und zu einer größeren Sensibilität in diesem Bereich geführt haben. Da es sich dabei jedoch um einen abgegrenzten Bereich handelt, besteht die Gefahr, dass die Verfügbarkeitsheuristik nur für diesen Bereich positive Verhaltensänderungen bewirkt, sich der Disziplinierungseffekt also auf diesen Bereich konzentriert und die Betroffenen lediglich in Bezug auf Interessenkonflikte in diesem Bereich sensibilisiert werden. Besteht dagegen Unsicherheit über die Durchsetzung von Sanktionen wegen Interessenkonflikten, führt dies wegen des Überoptimismus eher zu einer schlechteren Normbefolgung.130 (iii) Interessenkonflikte und Verlustaversion sowie Besitzeffekt Eine Entscheidung über das Verhalten bei Interessenkonflikten kann weiterhin von der Angst vor Verlusten (loss aversion) beeinflusst werden. Dies ist insbesondere im Fall von gewinnversprechenden Geschäftsherren zu bedenken, die der Interessenwahrer bereits als „seine“ Kunden, Mandanten o. ä. einstuft. Entsprechend der auf empirischen Studien basierenden Aussage der prospect theory, dass Individuen bei möglichen Gewinnen tendenziell eher risikoavers, bei möglichen Verlusten eher risikofreudig agieren, besteht in solchen Situationen ein erhöhtes Risiko, dass Interessenwahrer die Gefahr von Interessenkonflikten ausblenden oder herunterspielen. Denn Interessenkonflikte könnten zum Verlust eines Geschäftsherrn führen, was bei dem betroffenen Interessenwahrer zu Verlustängsten führt und so zu einem risikoreicheren Verhalten, um diesen Verlust zu vermeiden. Dies ist insbesondere bei solchen Interessenwahrern problematisch, die zur Unabhängigkeit verpflichtet sind und daher bei ihrem Verhalten nicht ausschließlich die Interessen des Geschäftsherrn zu berücksichtigen haben.131 Beispiel hierfür ist etwa ein langjährig für dasselbe Unternehmen tätiger Abschlussprüfer. Um die Mandantin nicht zu verlieren, kann dieser geneigt sein, dem Anreiz nachzugeben, weniger streng zu prüfen. Ähnliches gilt etwa auch für Ratingagenturen. Vergleichbare Auswirkungen hat in dieser Situation der Besitzeffekt, aufgrund dessen Individuen dazu tendieren, etwas, das ihnen bereits gehört, als wertvoller einzustufen als etwas, das ihnen nicht gehört. Wird der bereits vor Rotunda 1988 U. Ill. L. Rev. 977, 992 (1989) m.w.N. Vgl. dazu auch die Untersuchung von Reinganum/Wilde, 103 Q. J. Econ. 793 (1988) hinsichtlich der Auswirkungen der Geheimhaltung der US-amerikanischen Steuerbehörde IRS über das Risiko von Überprüfungen der Steuerzahler. 131 Siehe dazu § 5. 129 130
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handene Geschäftsherr als „wertvoller“ eingestuft als neue, könnte der (zur Unabhängigkeit verpflichtete) Interessenwahrer dazu neigen, seine für die Gewinnung neuer Geschäftsherren wichtige Reputation geringer zu gewichten als die Wünsche eines bereits gewonnenen und ihm Gewinn bringenden Geschäftsherrn. Betrachtet der Interessenwahrer den Geschäftsherrn hingegen noch nicht als „seinen“ Vertragspartner sondern lediglich als möglichen Vertragspartner, spielen Verlustaversion und Besitzeffekt noch keine besondere Rolle. In diesem Fall kann jedoch der mit dem neuen Geschäftsherrn verbundene zukünftige Gewinn, wenn dieser für den Interessenwahrer besonders hoch ist, diesen zu einem risikoreicheren Verhalten veranlassen,132 also etwa auch zur Inkaufnahme von Interessenkonflikten. Die Verhaltensanomalien Verlustaversion und Besitzeffekt können mittels rechtlicher Bestimmungen zurückgedrängt werden, wenn z. B. ein Mandat von vornherein zeitlich begrenzt wird und/oder die Beteiligten das Mandat in dieser Zeit nicht oder nur unter erschwerten Umständen beenden können. Beispiel hierfür sind etwa die Regelungen zum Ersetzungsverfahren beim Abschlussprüfer, vgl. § 318 HGB. Eine bloße Kündigung durch die Gesellschaft ist in diesem Fall nicht möglich. Andererseits führt die erforderliche regelmäßige (erneute) Bestellung des Prüfers dazu, dass die Verhaltensanomalien dennoch auftreten können. Hier können eine längere Mandatslaufzeit und eine gleichzeitige Begrenzung der Wiederbestellungsmöglichkeit (etwa mittels externer Rotation) 133 dem Einfluss von Verlustaversion und Besitzeffekt entgegenwirken. b.) Verhaltensanomalien auf Seiten des Geschäftsherrn (i) Interessenkonflikte und die Präferenz für den Status Quo Aber nicht nur der Interessenwahrer unterliegt verhaltenspsychologischen Einschränkungen beim Umgang mit Interessenkonflikten, auch der Geschäftsherr ist vor solchen nicht gefeit. Hat der Interessenwahrer ihn bspw. über einen Interessenkonflikt informiert und ist der Interessenwahrer nicht verpflichtet, sich zurückzuziehen, liegt es nunmehr am Geschäftsherrn einzuschätzen, ob er dem Interessenwahrer weiterhin sein Vertrauen schenkt oder ob er sich zurückzieht. Denn nicht jeder Interessenkonflikt muss gleich Grund für einen Vertrauens entzug sein. Auch kann der Interessenwahrer jemand sein, den der Geschäftsherr kennt und dem er besonders vertraut, sodass ein Interessenkonflikt für ihn ein geringeres Gewicht hat. Die Präferenz für den Status quo spricht in diesem Fall dafür, dass der Geschäftsherr tendenziell eher weniger geneigt sein wird, eine Interessenwahrungsbeziehung zu beenden, als es angezeigt wäre. Vgl. dazu Kachelmeier/Shehata, 82 Am. Econ. Rev. 1120 (1992). Vgl. dazu § 13 I.1.)c.)(iii) und § 13 I.1.)d.).
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Außerdem muss der Geschäftsherr, um diese Entscheidung treffen zu können, nicht nur über den Interessenkonflikt Bescheid wissen, sondern diesen auch in seiner Tragweite einschätzen können. Hier kann er an seine Grenzen geraten, wenn ihm die dafür notwendige Sachkunde fehlt.134 (ii) Interessenkonflikte und Rahmungseffekt sowie selektive Wahrnehmung Erliegt der Interessenwahrer einer Kontrollillusion, wird er versucht sein, den Geschäftsherrn zu überzeugen, dass er dessen Interessen trotz eines Interessenkonfliktes angemessen wahrnehmen kann135 und die Situation so präsentieren, dass der Geschäftsherr überzeugt ist, dass der Interessenkonflikt kein Problem darstellt (Rahmungseffekt). Da der Geschäftsherr den Interessenwahrer in der Regel wegen dessen beruflicher Stellung als Anwalt, Bank o. ä. aufgesucht hat, um ihm seine Interessen (in einem bestimmten Bereich) anzuvertrauen, wird er dies in der Regel nicht in Frage stellen. Verstärkt wird dies durch die Neigung zur selektiven Wahrnehmung von Informationen, wenn der Geschäftsherr bereits entschieden hatte, den Interessenwahrer mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu betrauen.136 In diesem Fall wird er Informationen, die gegen eine Fortsetzung des Interessenwahrungsverhältnisses und damit gegen seine bereits getroffene Entscheidung sprechen, weitgehend ausblenden. Dies zeigt, dass die in zahlreichen Fällen vorgeschriebene Offenlegung von Interessenkonflikten, um dem Geschäftsherrn eine informierte, rationale Entscheidung über die Weiterführung des Interessenwahrungsverhältnisses zu ermöglichen, als alleiniger Lösungsmechanismus – jedenfalls bei schwereren Konflikten – nicht ausreicht. (iii) Interessenkonflikte und Verlustaversion sowie dynamische Inkonsistenz Des Weiteren ist auch der Geschäftsherr verlustavers und wird daher im Fall einer bereits bestehenden Interessenwahrungsbeziehung Interessenkonflikte geringer gewichten als es nötig wäre. Darüber hinaus tritt der Verlust des Interessenwahrers sofort ein, eine eventuelle Beeinträchtigung aufgrund des Interessenkonflikts demgegenüber erst später. Hinzu kommt, dass es in der Regel auf kurze Sicht kostengünstiger ist, den Interessenwahrer zu halten, als Zeit und Geld aufzuwenden, um einen neuen zu suchen.137 Da aktuelle und sichere Verluste höher bewertet werden als unsichere zukünftige Verluste, spricht auch dies zunächst einmal für die Aufrechterhaltung eines Interessenwahrungsverhältnisses, wenn der Interessenkonflikt nicht bereits Kosten verursacht hat oder diese abzusehen sind. Die Aufrechterhaltung der Interessenwahrungsbeziehung kann in diesem Fall zu einer dynamischen Inkonsistenz führen, wenn Vgl. dazu etwa Jarvis/Tellam, 33 Williamette L. Rev. 145, 159 f. (1997). Gross, 19 Geo. J. Legal Ethics 111, 113 f. (2006). 136 Gross, 19 Geo. J. Legal Ethics 111, 114 (2006). 137 Gross, 19 Geo. J. Legal Ethics 111, 123 (2006). 134 135
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der Geschäftsherr seine Entscheidung später bereut, etwa weil eine spätere Pflichtverletzung aufgrund des Interessenkonflikts zu höheren Kosten führt, als der Geschäftsherr bei seiner Entscheidung zunächst gespart hat. Aus diesen Gründen muss dem Geschäftsherrn in besonders gravierenden Fällen die Entscheidung über die Fortführung des Interessenwahrungsverhältnisses vom Gesetz abgenommen werden. Auch hier sind das berufsrechtliche Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen und die Inhabilitätsvorschriften zu nennen. Diese Regelungen betreffen besonders gravierende Interessenkonflikte und nehmen dem Geschäftsherrn die Möglichkeit, sich für eine Fortführung des Interessenwahrungsverhältnisses trotz eines Interessenkonflikts des Interessenwahrers zu entscheiden. Anders ist dies bei Wettbewerbsverboten, die geringer gewichtige Interessenkonflikte regeln. Bei diesen ist eine Einwilligung in die Aufhebung des Verbots möglich. Die Gefahr von Verhaltensanomalien wird in diesen Fällen dadurch reduziert, dass der Geschäftsherr entweder dem Interessenwahrer übergeordnet ist und daher eine tendenziell überlegene Position hat (z. B. Prinzipal, § 60 HGB) oder ein Gremium mehrerer Personen zuständig ist (z. B. Aufsichtsrat, § 88 AktG), sodass einzelne Verhaltensanomalien im Rahmen der Gruppe ausgeglichen werden können.138
VI. Zusammenfassung Für die rechtswissenschaftliche Untersuchung von Interessenkonflikten können ökonomische Theorien wertvolle Hinweise geben. Von besonderer Relevanz sind die Agency-Theorie, die Strategien zur Überwindung von Informationsasymmetrien, die Theorie der unvollständigen Verträge und verhaltensökonomische Untersuchungen. Denn jedes Interessenwahrungsverhältnis stellt eine Principal-Agent-Beziehung dar, ist durch eine asymmetrische Informationslage charakterisiert und aufgrund seiner für die Zukunft offenen Gestaltung notwendig unvollständig geregelt. Da es sich beim Interessenkonflikt um ein besonderes psychologisches Phänomen handelt, können schließlich auch die empirisch gewonnenen verhaltensökonomischen Erkenntnisse zu den bei Menschen zu beobachtenden Verhaltensanomalien wertvolle Erkenntnisse für die rechtliche Gestaltung der Regelungen zu Interessenkonflikten liefern.
138 Das muss allerdings nicht der Fall sein, sodass nicht ausgeschlossen ist, dass Verhaltensanomalien auch bei Gruppen (etwa aufgrund eines „Herdenverhaltens“) Auswirkungen auf die Entscheidungen haben können.
Teil 2: Allgemeine Regeln zu Interessenkonflikten
§ 3 Interessenwahrungspflicht I. Einleitung Zentrale Bedeutung für den rechtlichen Umgang mit Interessenkonflikten im Rahmen von Fremdinteressenwahrungsverhältnissen hat die Interessenwahrungs- bzw. Treuepflicht. Ganz allgemein verpflichtet diese den Interessenwahrer, die Interessen seines Geschäftsherrn umfänglich zu wahren, Konflikte mit dessen Interessen zu vermeiden und gegebenenfalls eigene Interessen zurückzustellen.1 Sie ist immanenter Bestandteil der rechtlichen Beziehung zwischen einem Interessenwahrer und dessen Geschäftsherrn 2 und bestimmt, wie der Interessenwahrer seine jeweilige Leistung zu erbringen hat.3 Sie verlangt die vollständige Ausrichtung auf die Interessen des Vertragspartners, indem sie den Interessenwahrer zu einer besonderen Loyalität gegenüber dem Geschäftsherrn verpflichtet. Damit geht sie über das nach Treu und Glauben Erforderliche, § 242 BGB, hinaus4 und lässt auch weniger Raum für eigene Interessen als die mitgliedschaftliche Treuepflicht.
1 Vgl. etwa BGH NJW 1980, 1629, 1639 (Aufsichtsratsmitglied); aus der Literatur stv. GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 145, 148; Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 431; ders., NZG 2003, 697, 698; Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 239. Vgl. dazu auch Ziff. 4.3.3 Satz 1 und 5.5.1 Satz 1 des Deutschen Corporate Governance Kodex. Zur Interessenwahrungspflicht ausführlich Hopt, in: Ferrarini et al., Reforming Company and Takeover Law in Europe, S. 51, 53 ff.; ders., ZGR 2004, 1, 5 ff. 2 Für das Verhältnis Organmitglied-Gesellschaft Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 431. 3 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 93. 4 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 145; Hüffer, AktG, § 93 Rdnr. 5 ; KölnKommA ktG/ Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 95; Mestmäcker, Verwaltung, S. 214; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 3 ; Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 428, 431; Timm, GmbHR 1981, 177, 179.
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§ 3 Interessenwahrungspflicht
II. Ökonomische Rechtfertigung von Interessenwahrungspflichten Aus ökonomischer Perspektive stellt die Interessenwahrungspflicht eine Antwort der Rechtsordnung auf Agency-Probleme dar.5 Denn Interessenwahrungsverhältnisse sind regelmäßig für die Zukunft offen gestaltet und lassen sich daher nicht vollständig regeln.6 Um sicherzustellen, dass der agent auch dann handlungsfähig ist, wenn er keine Vorgaben bekommen hat, überträgt ihm der principal Entscheidungsmacht und gewährt ihm einen Ermessensspielraum.7 Aufgrund der Unkenntnis über die zukünftige Entwicklung und dessen, was an Befugnissen in der jeweiligen konkreten Situation notwendig sein wird, überlässt der principal dem agent regelmäßig mehr Rechtsmacht, als in der dann eintretenden konkreten Situation notwendig gewesen wäre. Diese „überschießende Rechtsmacht“ auszugleichen ist Aufgabe der Interessenwahrungspflicht.8 Zudem dient sie dazu, das Schließen von Lücken zu erleichtern, die sich aus der offenen Gestaltung von Interessenwahrungsverhältnissen und der damit einhergehenden unvollständigen Regelung der Pflichten ergeben.9 Des Weiteren ermöglicht es die Interessenwahrungspflicht, Verhalten des agent zu sanktionieren, das noch nicht als unredlich einzustufen ist, das jedoch eine mangelnde Rücksichtnahme auf die (zu wahrenden) Interessen des principal erkennen lässt.10 Sie soll die ungenügende Überwachung des agent durch den principal, die zu Defiziten bei der Pflichtendurchsetzung führt, mit Hilfe schärferer Haftungsregeln ausgleichen. Somit verfolgt die Interessenwahrungspflicht rechtsökonomisch zwei Ziele: Zum einen soll sie ex ante den agent zu pflichtgemäßem Verhalten veranlassen und durch wirkungsvolle Anreize verhindern, dass er die ihm eingeräumten Befugnisse in nicht eindeutig geregelten Situationen zu Lasten des principal missbraucht; zum anderen soll sie die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Pflichtverstöße sanktioniert werden.11
5 Cooter/Freedman, 66 N.Y.U. L. Rev. 1045, 1074 (1991); Fleischer, WM 2003, 1045, 1049; ders., ZGR 2001, 1, 8. 6 Zu unvollständigen Verträgen siehe § 2 IV. 7 Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 770. 8 Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 770. 9 Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 92 f.; Posner, Economic Analysis of Law, § 14.8 (S. 557); Jickeli, Der langfristige Vertrag, S. 265; Fleischer, WM 2003, 1045, 1049; vgl. auch Anderson, 25 UCLA L. Rev. 738, 760 (1977–78). 10 Cahn, FS Wiese, 1998, S. 71, 81. 11 Fleischer, WM 2003, 1045, 1049; Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 770.
III. Rechtlich Begründung der Interessenwahrungspflicht
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III. Rechtlich Begründung der Interessenwahrungspflicht Die rechtliche Begründung für Interessenwahrungspflichten ergibt sich aus ihrer rechtsfunktionellen Anknüpfung, die auch für die Konkretisierung der Interessenwahrungspflicht eine wesentliche Rolle spielt.
1.) Bisherige Ansätze Für diese Begründung sind eine ganze Reihe verschiedener Ansätze erwogen worden. Diese werden teils separat voneinander, teils kumulativ herangezogen. Eine allgemein anerkannte Grundlage, die zudem als Basis für eine Systematisierung der einzelnen Ausprägungen der Interessenwahrungspflicht in den verschiedenen Rechtsgebieten dienen könnte, ist bisher noch nicht entwickelt worden. a.) Vertrauen Eine vor allem in den Anfängen der modernen Dogmatik von der Treuepflicht12 vertretene Grundlage für die Interessenwahrungspflicht wurde in dem Vertrauen gesehen, das „der Treugeber auf der Grundlage des Gemeinschaftsverhältnisses einseitig in den Treuhänder investiert“.13 Diesem Ansatz wurde entgegengehalten, dass er auf subjektive Umstände abstelle, was weitgehend auf eine Fiktion hinausliefe.14 Für die Bestimmung, wie stark die Rechtsausübung beschränkt werden müsse, sei dieser Ansatz daher nicht geeignet.15 Zudem würde er im Fall des Normaltyps der Aktiengesellschaft regelmäßig zu einer Negierung von Treuepflichten führen.16 b.) Einwirkungsmacht Ein objektiver Ansatz wird demgegenüber mit dem verbreitet anerkannten Kriterium der Einwirkungsmacht verfolgt.17 Die Interessenwahrungspflicht stelle Hueck, FS Hübner, 1935, S. 72; ders., Treuegedanke. Hueck, FS Hübner, 1935, S. 72, 80; ders., Treuegedanke, S. 12 ff. (enge persönliche Beziehung); siehe auch BGHZ 89, 162, 165; MünchKommBGB/Seiler, § 662 Rdnr. 37; Ulmer, Vertragshändler, S. 409. Vgl. auch Zöllner, Anpassung, S. 34 („Treuebindungen sind das Korrelat eingeräumten Vertrauens“); zur Bedeutung des Vertrauens auch BGHZ 4, 108, 113; 13, 188, 192 f.; 20, 239, 246. 14 Zöllner, Schranken, S. 341 f.; ihm folgend Grundmann, Treuhandvertrag, S. 139; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 16. 15 Zöllner, Schranken, S. 341. 16 Zöllner, Schranken, S. 340; im Hinblick auf die Publikums-KG Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 16. Zu weiteren Argumenten siehe Grundmann, Treuhandvertrag, S. 137 ff. 17 Grundlegend Mestmäcker, Verwaltung, S. 214 f.; Zöllner, Schranken, S. 341 ff., insb. 343; siehe auch schon in diese Richtung RGZ 132, 149, 163; Fechner, Treuebindungen, 12 13
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das Korrelat für die weitreichenden Einwirkungsmöglichkeiten und Befugnisse und den Ermessensspielraum dar, die einem Interessenwahrer eingeräumt werden.18 Diese Einräumung sei im Sinne eines Anvertrauenmüssens zu verstehen; dabei gehe es allerdings nicht um das Anvertrauen durch den Betroffenen, sondern um die Einräumung der Befugnisse durch die Rechtsordnung.19 Sie könne, müsse aber nicht ein Rechtsgeschäft zwischen dem Verpflichteten und dem Begünstigten zur Grundlage haben.20 Andererseits könne sie aber auch nicht völlig ohne Willensbetätigung desjenigen entstehen, der ihr dann unterworfen sei. Daher genüge eine Einwirkungsmöglichkeit nicht, die nur durch den sozialen Kontakt ermöglicht würde.21 Auch die Ausübung eines Rechts reiche nicht. Vielmehr müsse eine ähnliche Nähe zwischen den Betroffenen bestehen wie diejenige, die für die Annahme einer Haftung aus c.i.c. erforderlich sei.22 Eine Konkretisierung des Einwirkungskriteriums lässt sich zudem mit Hilfe der Berufsstellung bzw. der „professionellen Überlegenheit oder Angewiesenheit“ erwägen,23 wobei allerdings die Berufsstellung nicht als Tatbestandsmerkmal, das zu einer konkreten Rechtsfolge führt, sondern lediglich als „Topos“ verstanden wird.24 Allerdings reicht die Berufsstellung allein nicht aus, um eine Interessenwahrungspflicht zu begründen.25 Gegen das Kriterium der Einwirkungsmacht wird vorgebracht, dass auch Vermieter und Darlehensgeber auf Interessen, und zwar ziemlich existentielle Interessen, ihrer jeweiligen Vertragspartner einwirken könnten.26 Dennoch unterlägen beide keinen besonderen Loyalitätspflichten. Andererseits sind die Möglichkeiten der Parteien, auf die Interessen des jeweils anderen einzuwirS. 76 f. Diesem Ansatz folgend etwa BGHZ 65, 15, 18 f.; 103, 184, 195; 129, 136, 143 f.; Weisser, Corporate Opportunities, S. 133 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 432; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 16 ff.; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 235 ff.; Lutter, ZHR 162 (1998) 164, 166 f.; Timm, WM 1991, 481, 482; Wellenhofer-Klein, RabelsZ 64 (2000), 564, 569; eingeschränkt Cahn, FS Wiese, 1998, S. 71, 78 f. Krit. Grundmann, Treuhandvertrag, S. 140 ff. 18 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rdnr. 39; Zöllner, Schranken, S. 342 f.; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rdnr. 88; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rdnr. 26; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 4 ; ders., WM 2003, 1045, 1046; Hopt, ZGR 2004, 1, 18 f.; Wellenhofer-Klein, RabelsZ 64 (2000), 64, 569, 573. 19 Zöllner, Schranken, S. 342. 20 Dies als Erfordernis ablehnend Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 63 f., 70; Zöllner, Schranken, S. 342. 21 Zöllner, Schranken, S. 342. 22 Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 67 ff. 23 So Grundmann, Treuhandvertrag, S. 164 f. mit Hinweis auf Hopt, AcP 183 (1983), 608, insb. 656. 24 Hopt, AcP 183 (1983), 608, 634. 25 So darf etwa ein Berufsträger, dem im Rahmen seiner Berufsausübung Sicherheiten eingeräumt worden sind, diese verwerten. Siehe Grundmann, Treuhandvertrag, S. 165. 26 Zu diesem Argument Cahn, FS Wiese, 1998, S. 71, 78.
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ken, in diesen Fällen gesetzlich beschränkt und kanalisiert.27 Eine besondere Loyalitätspflicht ist erst dann erforderlich, wenn konkrete gesetzliche oder vertragliche Regelungen nicht mehr ausreichen, um die Interessen der Beteiligten angemessen zu schützen.28 c.) Fehlende Gegenleistung Ein weiterer Begründungsansatz stellt darauf ab, dass der Verpflichtete im Rahmen des treuhänderischen Rechtsverhältnisses eine geldwerte Position eingeräumt bekommen hat, dem keine Gegenleistung gegenübersteht.29 Dieses eigentliche treuhänderische Verhältnis sei zu unterscheiden von dem zwischen den Parteien zugleich bestehenden Dienstleistungsverhältnis, das vom Austausch der Dienst- bzw. Werkleistung gegen Entgelt geprägt sei. Die Leistungspflicht, d. h. die Dienst- oder Werkleistung, erhalte ihre Konturen erst durch die Verhaltenspflicht, also die Interessenwahrungspflicht. Das Verhältnis zwischen Leistungs- und Verhaltenspflicht kehre sich auf diese Weise im Vergleich zu anderen Vertragstypen um. Es sei nicht mehr entscheidend, dass der Interessenwahrer handle, sondern wie er dies tue.30 Dem wird entgegengehalten, dass dies bei jedem Dienst-, Werk- oder Geschäftsbesorgungsvertrag der Fall sei, ohne dass es einer zusätzlichen Vereinbarung einer Interessenwahrnehmungspflicht bedürfte. Außerdem deute der Wortlaut von § 84 Abs. 1 und § 384 Abs. 1 HGB („hierbei“), die für die Unterscheidung zwischen dem Leistungs- und dem Interessenwahrungsverhältnis herangezogen werden, nicht zwingend auf ein weiteres (Interessenwahrungs-) Schuldverhältnis neben dem jeweiligen „Auftrag“ (des Handelsvertreters bzw. Kommissionärs) hin.31 Schließlich wird kritisiert, dass dieser Ansatz die Lösung eines Interessenkonflikts zwischen dem Interessenwahrer und dem Geschäftsherrn voraussetze, zu dessen Lösung er eigentlich beitragen solle. Denn die Aufspaltung des Treuhandverhältnisses in zwei Verträge, einen Tätigkeitsvertrag und einen Interessenwahrungsvertrag, geschehe vor allem im Hinblick auf die (leichtere) Abgrenzung zwischen solchen Interessenwahrungspflichten, die eine Berücksichtigung von Eigeninteressen zuließen, und solchen, die dies nicht täten.32
Cahn, FS Wiese, 1998, S. 71, 78. Vgl. Cahn, FS Wiese, 1998, S. 71, 78 f. 29 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 93, 167, ausführlich S. 192 ff. 30 Für diese Argumentation siehe Grundmann, Treuhandvertrag, S. 93. 31 Für diese Argumente siehe Löhnig, Treuhand, S. 150. 32 Löhnig nennt diese Trennung „künstlich“, siehe Löhnig, Treuhand, S. 151. 27
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d.) Weitere Erklärungsansätze In der Regel nicht als eigenständige Begründung, sondern als zusätzlicher Gesichtspunkt wird auf den eingeräumten Ermessensspielraum verwiesen, der wegen der Offenheit des Rechtsverhältnisses für die Zukunft von Bedeutung ist und dessen Korrelat die Interessenwahrungspflicht darstelle.33 Interessenwahrungsverhältnisse bedürften regelmäßig einer offenen Gestaltung, weil sich nicht absehen lässt, was künftig erforderlich sei, um die Interessen des Geschäftsherrn angemessen zu wahren; aufgrund dieser offenen Gestaltung sei ein „gesteigertes Maß an Loyalität“ nötig.34 Für eine alleinige Begründung von Interessenwahrungspflichten wird dieser Ansatz allerdings als nicht ausreichend angesehen. Denn auch Dauerschuldverhältnisse, bei denen keine besondere Interessenwahrungspflicht angenommen wird, bedürfen einer offenen Gestaltung für die Zukunft.35 Ein spezifisch gesellschaftsrechtlich ausgerichteter Begründungsansatz ordnet die Treuepflicht als „allgemeine Förderpflicht“ ein, d. h. als Pflicht zur Förderung des gemeinsamen Zwecks.36 Diese Pflicht gehe über diejenige, nach Treu und Glauben zu handeln (§ 242 BGB), hinaus und sei als Hauptpflicht einzuordnen.37 Sie finde ihren Rechtsgrund in § 705 BGB, sei aber von der Beitragspflicht zu unterscheiden; im Gegensatz zur letzteren lasse sie sich kaum konkret formulieren und werde vor allem von der Rechtsform der Gesellschaft, deren faktischer Struktur sowie Art und Inhalt des gemeinsamen Zwecks beeinflusst.38 Sie gelte sowohl im Hinblick auf die Förderung des gemeinsamen Zwecks im Rahmen der Tätigkeit des Verbands als auch im Hinblick auf die Rücksichtnahme auf mitgliedschaftlichen Interessen der einzelnen Mitglieder.39 Die offene Formulierung der allgemeinen Förderpflicht sei nötig, um die Offenheit des Interessenwahrungsverhältnisses für die Zukunft zu sichern. Zudem sei die Treuepflicht von unterschiedlicher Intensität,40 je nachdem wie stark die Interessen des Geschäftsherrn betroffen seien.41 Diese unterschiedliche Intensität bedeute aber nicht, dass es sich um unterschiedli33 Dieser Erklärungsansatz wird zum Teil auch zusätzlich zu anderen Begründungen gewählt. Vgl. dazu Freese, Positive Treuepflicht, S. 119 ff., 202; Polley, Wettbewerbsverbot, S. 88; Zöllner, Schranken, S. 342 f.; Cahn, FS Wiese, 1998, S. 71, 78 f.; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 102 f. 34 Vgl. Lutter, AcP 180 (1980), 84, 91 f. 35 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 146. 36 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 103; siehe auch ders., ZHR 162 (1998) 164, 166 f.; außerdem Häuser, Unbestimmte „Maßstäbe“, S. 179 ff.; sowie schon Hueck, Treuegedanke, S. 15. 37 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 103 f. 38 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 104, 105, 105 f. 39 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 120. 40 Nicht aber unbedingt unterschiedlich zu begründen, wie Grundmann meint, vgl. Grundmann, Treuhandvertrag, S. 154. 41 Dazu Lutter, AcP 180 (1980), 84, 115 f.
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che Treuepflichten handele.42 Dieser Ansatz ist dennoch stark auf die Verträge der Interessengemeinschaft und deren Besonderheiten ausgerichtet. Für die besondere Struktur der Fremdinteressenwahrungsverhältnisse mit der ausschließlichen Fokussierung auf die Interessen des Geschäftsherrn liefert sie keine passende Begründung.
2.) Die Öffnung der Interessensphäre durch den Geschäftsherrn a.) Anknüpfung an die Interessen des Geschäftsherrn Nahezu alle vorgestellten Begründungsansätze für die Interessenwahrungspflicht knüpfen an die Perspektive bzw. Aktivität des Verpflichteten, d. h. des Interessenwahrers, im Hinblick auf das Interessenwahrungsverhältnis an: Zieht man die Offenheit des Interessenwahrungsverhältnisses für die Zukunft bzw. den diesbezüglich erforderlichen Ermessensspielraum heran, so geht es dabei um den Ermessensspielraum des Interessenwahrers. Das Einwirkungskriterium stellt darauf ab, dass der Interessenwahrer die Möglichkeit hat, auf fremde Interessen einzuwirken. Bei der unentgeltlichen Übertragung von Positionen geht es darum, dass der Interessenwahrer keine Gegenleistung erbracht hat und daher die Interessenwahrungspflicht sein Handeln begrenzen soll. Allein die Anknüpfung an das Vertrauen des Geschäftsherrn weicht davon ab. Wegen ihres subjektiven Ansatzes ist sie zwar als Grundlage für rechtliche Regelungen ungeeignet.43 Aber ihre grundsätzliche Ausrichtung auf die Perspektive des Geschäftsherrn bzw. seine Aktivität im Hinblick auf das Interessenwahrungsverhältnis ist in diesem Zusammenhang der sachgerechtere Ansatz. Denn sie nimmt die Angewiesenheit und Schutzbedürftigkeit desjenigen, der die primären Auswirkungen der Machtausübung im Rahmen der Interessenwahrungsbeziehung verspürt, zum Ausgangspunkt für die Bindung dieser Macht.44 Auch harmoniert sie besser mit der Ausrichtung des Interessenwahrungsverhältnisses an den Interessen des Geschäftsherrn: Seine Interessen werden Vertragsinhalt, seine Interessen hat der Interessenwahrer zu wahren, seine Interessen darf er nicht beeinträchtigen, sondern muss die eigenen Interessen regelmäßig hinter diese zurückstellen. Dementsprechend muss auch die Interessenwahrungspflicht aus der Perspektive des Geschäftsherrn begründet werden. Dafür ist an seine Interessen anzuknüpfen.
42 So aber meint Grundmann Lutter zu verstehen, vgl. Grundmann, Treuhandvertrag, S. 154 f. 43 Siehe dazu § 3 III.1.)a.). 44 Allgemein zu einem solchen Ansatz, der die Angewiesenheit und Schutzbedürftigkeit zum Ausgangspunkt für die Bindung von wirtschaftlicher Macht nimmt, Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 69 ff.
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b.) Die Verletzbarkeit der Interessen des Geschäftsherrn Abzustellen ist darauf, dass der Geschäftsherr dem Interessenwahrer seine Interessensphäre in einer Weise öffnet, die seine Interessen schutzlos und damit besonders „verletzbar“ werden lässt. Diese „Verletzbarkeit“ der Interessen verlangt einen sorgsamen Umgang mit ihnen. Um diesen sicherzustellen, reicht die Pflicht, nach Treu und Glauben zu handeln, – anders als bei Austauschverträgen bzw. Verträgen des Interessengegensatzes – nicht aus.45 Die Bedeutung der Interessenwahrungspflicht hängt auch damit zusammen, dass sich bei Interessenwahrungsverhältnissen regelmäßig nicht von Anfang an exakt bestimmen lässt, was der jeweilige Interessenwahrer alles tun muss, um die Interessen des Geschäftsherrn angemessen zu wahren und den vereinbarten Zweck zu erreichen. Auch lässt sich nicht voraussehen, welche Konflikte in der Interessenwahrungsbeziehung zwischen Geschäftsherr und Interessenwahrer auftreten können und welche Lösungen in der jeweiligen Situation angemessen sind. Daher lassen sich ex ante keine präzisen inhaltlichen Verhaltenspflichten festlegen.46 Öffnet daher der Geschäftsherr in einer solchen Situation seine Interessensphäre gegenüber dem Interessenwahrer und vertraut ihm seine Interessen an, muss er sich in besonderem Maße auf den Interessenwahrer verlassen können.47 Dieses „funktionsnotwendige Vertrauen“ wird er dem Interessenwahrer aber nur gewähren, wenn er dessen Loyalität nicht nur unverbindlich erwarten kann, sondern dieses durch rechtliche Regelungen abgesichert wird.48 Diese rechtliche Absicherung zu gewährleisten und ein Prinzip für interessengerechte Lösungen für noch unbekannte Probleme vorzusehen, ist Funktion der Interessenwahrungspflicht. c.) Die Öffnung der Interessensphäre als objektives Kriterium Anders als das individuelle Vertrauen stellt das Kriterium der „Öffnung der Interessensphäre“ einen objektiven Anknüpfungspunkt dar. Es spielt keine Rolle, ob jemand im Hinblick auf seine Interessen besonders sensibel ist.49 Vielmehr kommt es darauf an, ob bei einer objektiven Betrachtung aus der Perspektive eines Dritten der Geschäftsherr seine Interessensphäre dem Interessenwahrer zugänglich macht und in welchem Umfang er dies tut. Eine solche Öffnung der Interessensphäre kann auf ganz unterschiedliche Weise erfolgen: So kann der Geschäftsherr dem Interessenwahrer z. B. erlauben auf Informati Zur Unterscheidung siehe noch ausführlicher unter § 3 IV.1.). Cahn, FS Wiese, 1998, S. 71, 79. 47 Vgl. Cahn, FS Wiese, 1998, S. 71, 79. 48 Cahn, FS Wiese, 1998, S. 71, 79. 49 Denn eine subjektive Anknüpfung würde häufig eine bloße Fiktion darstellen. Siehe Zöllner, Schranken, S. 341 f.; ihm folgend Grundmann, Treuhandvertrag, S. 134 und S. 139; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 16. 45
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onen oder Ressourcen des Geschäftsherrn zuzugreifen50 oder für ihn Entscheidungen zu treffen, insbesondere Änderungen bei seinen (des Geschäftsherrn) Vermögenswerten vorzunehmen, oder er kann ihm die Befugnis erteilen, ihn gegenüber Dritten rechtswirksam zu binden.51 Die objektive Anknüpfung gewährleistet, dass der Interessenwahrer genau feststellen kann, wann ihn die besondere Pflicht zur Interessenwahrung trifft. Eine Öffnung der Interessensphäre ist z. B. in einer entsprechenden rechtsgeschäftlichen Vereinbarung, der Bestellung bei Gesellschaftsorganen, der gerichtlichen Bestellung oder auch in einer entsprechenden gesetzlichen oder aufsichtsbehördlichen Anordnung zu sehen, mit der ein Interessenwahrer Zugriff auf die Interessen des Geschäftsherrn erhält. In allen diesen Fällen handelt es sich um objektive Umstände, die für den Interessenwahrer aber auch für Dritte erkennbar sind. d.) Unterschiedliche Intensität von Interessenwahrungspflichten und -regelungen Stellt man auf die Öffnung der Interessensphäre und die damit einhergehende Einräumung der Möglichkeit zur „Verletzung“ von Interessen des Geschäftsherrn ab, lässt sich auch begründen, warum verschiedene Gesetze unterschiedliche Präventions- und Lösungsmöglichkeiten im Fall von Interessenkonflikten vorsehen. Dies korreliert mit dem Umfang der Öffnung der Interessensphäre. Je nach der Weite der „Öffnung“ wird eine dieser Weite entsprechende Interessenwahrungspflicht erzeugt, die ihren Niederschlag in den sie konkretisierenden Regelungen findet. Bei dieser Konkretisierung sind zudem eventuelle Interessen Dritter bzw. der Allgemeinheit und deren Verletzbarkeit zu berücksichtigen. Danach bestimmt sich, wie viel in einem bestimmten Regelungszusammen50 Das Beispiel des Informationszugriffs zeigt, dass die „Öffnung der Interessensphäre“ einen rechtsdogmatisch sauberen Ansatz im Hinblick auf die Begründung von Interessenwahrungspflichten ermöglicht als etwa das Einwirkungskriterium. Der bloße (zulässige) Zugriff auf Informationen lässt sich nur schwer als „Einwirkung“ charakterisieren. Ein „Einwirken“ stellt erst die zeitlich spätere Verwendung der Information dar. Mit dem Kriterium der „Öffnung der Interessensphäre“ wird dagegen bereits an einen zeitlich früheren Vorgang angeknüpft, sodass z. B. eine informationsbezogene Tätigkeit bereits im Hinblick auf den Informationsabruf als interessewahrende Tätigkeit eingestuft werden kann, nicht erst im Hinblick auf die spätere Verwendung der Informationen. Auch im Fall der Geschäftschancenlehre (dazu unten § 15) gerät das „Einwirkungskriterium“ an seine Grenzen. Mit ihr lässt sich die Nachwirkung des Verbots, Geschäftschancen des Geschäftsherrn an sich zu ziehen, nicht begründen. Denn die Auflösung des Interessenwahrungsverhältnisses führt dazu, dass die „Einwirkungsmacht“ des Interessenwahrers endet. Siehe Grundmann, Treuhandvertrag, S. 430; für das Einwirkungskriterium als Begründung für die Geschäftschancenlehre Polley, Wettbewerbsverbot, S. 87; Weisser, Corporate Opportunities, S. 179 f., außerdem 192 ff. 51 Vgl. dazu Grundmann, Treuhandvertrag, S. 422; Weisser, Corporate Opportunities, S. 133 f.
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hang von dem Interessenwahrer hinsichtlich einer Konfliktvermeidung bzw. Konfliktlösung verlangt werden kann. So wird etwa ein völliger Ausschluss jeglicher Interessenkonflikte oft nur möglich sein, wenn die ausgeübte interessenwahrende Tätigkeit gänzlich niedergelegt wird. Bei Banken und anderen Interessenwahrern, bei denen Interessen Dritter miteinander kollidieren können, würde eine Pflicht zur absoluten Vermeidung jeglicher Konflikte dazu führen, dass ein wirtschaftliches Erbringen der Tätigkeit nicht mehr möglich wäre. Dies würde zu einer Auflösung des gesamten Geschäftsmodells führen und hätte erhebliche volkswirtschaftliche Auswirkungen. In solchen Fällen ist die Interessenwahrungspflicht weniger intensiv ausgeprägt als etwa im Fall des für einen Mandanten prozessierenden Rechtsanwalts, der sich jeglicher widerstreitender Interessen zu enthalten hat. Ähnliches gilt auch für Sachverhalte, in denen ein Interessenwahrer mit der Überwachung eines anderen betraut ist, wie im Fall des Aufsichtsrats, der den Vorstand zu überwachen hat. Da bei gleichzeitigem Innehaben beider Positionen Interessenkonflikte nicht nur möglich sind, sondern zwangsläufig entstehen, sieht das Gesetz eine strikte Trennung beider Positionen vor. Die Verletzbarkeit der Interessen des Geschäftsherrn richtet sich aber auch danach, wie oft oder wie lange ein Interessenkonflikt auftreten kann. Entsprechend gelten bei längerfristigen Interessenwahrungsverhältnissen andere bzw. zusätzliche Regelungen im Vergleich zu kurzfristigen Interessenwahrungsverhältnissen.
IV. Rechtsgrundlage der Interessenwahrungspflichten Als Rechtsgrundlage der Interessenwahrungspflichten wird von einigen § 242 BGB herangezogen, von anderen auf die jeweils für den Vertragstyp spezifischen Normen abgestellt.
1.) Ablehnung von § 242 BGB als Rechtsgrundlage Die Vertreter der Ansicht, dass § 242 BGB allgemeine Rechtsgrundlage der Interessenwahrungspflicht sei,52 sehen in der Interessenwahrungspflicht lediglich eine besondere Ausprägung der allgemeinen Rücksichtnahmepflicht zwischen den Parteien eines Rechtsverhältnisses. Entsprechend betrachten sie den Begriff der Treue- bzw. Interessenwahrungspflicht lediglich als besondere Be52 Soergel/Teichmann, BGB, § 242 Rdnr. 40 f.; Freese, Positive Treuepflichten, S. 102 ff., 202; Kardaras, Wettbewerbsverbot, S. 15 f.; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 229 ff.; Schmiedel, ZHR 134 (1970), 173, 182; Wellenhofer-Klein, RabelsZ 64 (2000), 564, 570, 575; Weller, ZHR 175 (2011), 110, 117 ff.; differenzierend Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 12 ff., siehe aber S. 67 (Treuepflicht als gesellschaftsrechtsspezifische Ausprägung von § 242 BGB).
IV. Rechtsgrundlage der Interessenwahrungspflichten
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zeichnung für die allgemeine Pflicht, nach Treu und Glauben zu handeln.53 Wie die allgemeine Rücksichtnahmepflicht sei die Interessenwahrungspflicht eine „Rahmen- oder ‚Generalpflicht‘, aus der nicht per se und stets ‚gesteigerte‘ Pflichtenbindungen“ folgten; vielmehr müsste sie jeweils im Einzelfall konkretisiert werden.54 Eine solche Einordnung berücksichtigt jedoch nicht die andere Ausrichtung und das andere „Normprogramm“ der Interessenwahrungspflicht im Unter242 BGB.55 Bei der schied zur allgemeinen Rücksichtnahmepflicht nach § Pflicht nach § 242 BGB geht es um den Umgang mit gegenläufigen Interessen der Parteien, wie sie im Rahmen von Austauschverträgen typisch sind.56 Dementsprechend verbietet § 242 BGB nicht, eigene Interessen zu verfolgen. Ein solches Verbot wäre für Austauschverträge ungeeignet, weil bei diesen die Interessen der Beteiligten von Natur aus gegeneinander stehen.57 Die allgemeine Rücksichtnahmepflicht nach § 242 BGB geht dementsprechend bei der Interessenwahrnehmung von der Rangfolge „erst die eigenen, dann die fremden Interessen“ aus und verlangt lediglich eine Berücksichtigung der fremden Interessen. Damit setzt die Rücksichtnahmepflicht nach § 242 BGB lediglich Grenzen für die Verfolgung eigener Interessen. Demgegenüber gebietet die bei Fremdinteressenwahrungsverträgen geltende58 Interessenwahrungspflicht die Unterordnung der eigenen Interessen des Interessenwahrers unter diejenigen des Geschäftsherrn und soll so die Wahrnehmung der fremden Interessen gewährleisten.59 Damit kehrt sie die bei Austauschverträgen bestehende Rangfolge der Interessenwahrnehmung um: Der Interessenwahrer hat nicht seine eigenen Interessen sondern diejenigen seines Vertragspartners zu bevorzugen.60 Geschäftsherr und Interessenwahrer ver-
53 MünchKommBGB/Roth/Schubert, § 242 Rdnr. 93; Freese, Positive Treuepflichten, S. 202; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 228; Weller, ZHR 175 (2011), 110, 117 ff. 54 Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 228. 55 Für eine Abgrenzung etwa Grundmann, Treuhandvertrag, S. 148; Hueck, Treuegedanke, S. 9 ; Marsch-Barner, ZHR 157 (1993) 172, 173 (Aktionäre); Mayer-Maly, in: Thomandl, Treue- und Fürsorgepflicht, S. 71, 79 ff.; außerdem die Nachweise in Fn. 4. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die ausdrückliche Differenzierung z. B. in BGHZ 103, 184, 194 („Treupflicht im Sinne einer über . . . § 242 . . . BGB hinausgehenden Bindung“). 56 Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 428. 57 Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 428. Höhere Anforderungen sind allerdings in Bezug auf Dauerschuldverhältnisse möglich. 58 Die besondere Bedeutung der Interessenwahrungspflicht für Fremdinteressenwahrungsverträge kommt darin zum Ausdruck, dass sie vielfach als Hauptpflicht eingeordnet wird. Siehe etwa MünchKommBGB/Seiler, § 662 Rdnr. 36; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 192 ff.; Ulmer, Vertragshändler, S. 410; Lutter, AcP 180 (1980) 84, 117; etwas zurückhaltender Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 231 f. 59 Vgl. Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 428. 60 Vgl. dazu Mayer-Maly, in: Thomandl, Treue- und Fürsorgepflicht, S. 71, 84.
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§ 3 Interessenwahrungspflicht
folgen ein gleichlaufendes Interesse, nämlich dasjenige des Geschäftsherrn.61 Eine dermaßen strenge Ausrichtung an fremden Interessen ist in § 242 BGB nicht vorgesehen. Die Interessenwahrungspflicht beinhaltet somit einen höheren Pflichtenstandard als die allgemein geltende Pflicht, nach Treu und Glauben zu handeln.62 Unterscheiden sich die beiden Pflichten aber in ihrem Kern – der Interessenausrichtung und -gewichtung sowie dem daran anschließenden Pflichtenstandard – voneinander, müssen sie als zwei unterschiedliche Pflichten eingeordnet werden. Hinzukommt, dass die in § 242 BGB statuierte Pflicht von ihrem Anwendungsbereich her weit über denjenigen der Interessenwahrungspflicht hinaus geht und insbesondere für alle Schuldverhältnisse, nicht nur für Verträge der Fremdinteressenwahrung gilt.63 Sie umfasst zudem jedes vertragsrelevante Verhalten der Parteien.64 Dagegen gilt die Interessenwahrungspflicht nur im Rahmen von Fremdinteressenwahrungsverhältnissen. Daher muss sie auch jeweils aus dem einzelnen Rechtsverhältnis und dessen Struktur heraus begründet werden.65
2.) Vertragliche Interessenwahrungspflicht a.) Allgemeine vertragliche Interessenwahrungsverhältnisse Während im englischen Recht der trust Ausgangspunkt für die Entwicklung verschiedener Interessenwahrungsbeziehungen und der duty of loyalty war, hat 61 Vgl. Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 428. 62 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 72, 145; Hüffer, AktG, § 84 Rdnr. 9, § 93 Rdnr. 5 ; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 95; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rdnr. 115; Hueck, Treuegedanke, S. 12, 15 ff.; Immenga, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 266 f.; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 III 5 a (S. 208); Mestmäcker, Verwaltung, S. 214; Polley, Wettbewerbsverbot, S. 85 f.; Weisser, Corporate Opportunities, S. 131; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 3 ; Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 428, 431; im Hinblick auf Gesellschafter bzw. Aktionäre Lutter, AcP 180 (1980), 84, 103 ff.; Marsch-Barner, ZHR 157 (1993) 172, 173; Timm, WM 1991, 481, 482; ders., GmbHR 1981, 177, 179. Für eine vergleichbare Einordnung auf internationaler Ebene Bahar/Thévenoz, in: Thévenoz/Bahar, Conflicts of Interest, S. 1, 3. 63 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 148 f.; vgl. auch Hueck, Treuegedanke, S. 12. Auch gilt § 242 BGB – entgegen seinem Wortlaut – nicht nur für den Schuldner (dazu bspw. MünchKommBGB/Roth/Schubert, § 242 Rdnr. 176) und wird sogar auf nichtvertragliche Verhältnisse, wie etwa das Nachbarschaftsverhältnis, angewendet (siehe etwa RGZ 155, 154, 159; BGHZ 58, 149, 157; zur Anwendung im Sachenrecht RGZ 169, 180, 183; BGHZ 10, 69, 75; 47, 184, 189). 64 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 149. 65 Rusch, Gewinnhaftung, S. 198; Mayer-Maly, in: Thomandl, Treue- und Fürsorgepflicht, S. 71, 82. Zur Treuepflicht in den einzelnen Rechtsinstituten des Schweizer Rechts, Wohlmann, Treuepflicht, S. 12 ff.
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sich im deutschen Vertragsrecht das Auftrags- und Geschäftsbesorgungsrecht als wesentlicher Ausgangspunkt für Interessenwahrungspflichten entwickelt.66 Die Bestimmungen des Auftragsrechts werden direkt oder indirekt über den Geschäftsbesorgungsvertrag von einer ganzen Reihe von Regelungen anderer Rechtsverhältnisse in Bezug genommen und stellen damit grundlegende Regeln für viele andere Interessenwahrungsverhältnisse dar. Dies gilt insbesondere auch für die auftrags- bzw. geschäftsbesorgungsrechtliche Interessenwahrungspflicht des Beauftragten, die als „Grundmodell“ vor allem für die verschiedenen Geschäftsbesorgungsverhältnisse angesehen wird.67 Aber auch in anderen Rechtsbereichen ist sie herangezogen worden. So hat sich etwa die Treuepflicht des Vorstands im Aktienrecht am Modell des Auftrags ausgerichtet.68 Und im Rahmen des Insolvenzrechts hat der BGH Interessenwahrungsregelungen des Geschäftsbesorgungsrechts für die Herleitung und Konkretisierung von Pflichten des Insolvenzverwalters herangezogen.69 (i) Auftrag Ein Auftrag im Sinne von § 662 BGB liegt vor, wenn sich jemand vertraglich verpflichtet, ein ihm von einem anderen übertragenes Geschäft für diesen unentgeltlich zu besorgen.70 Eine Geschäftsbesorgung in diesem Sinne ist jede fremdnützige Tätigkeit im Interessenbereich eines anderen.71 Fremdnützig ist eine Tätigkeit, wenn sie eigentlich der Sorge eines anderen obliegt und dessen Interesse fördert.72 In der Regel wird dem Beauftragten ein Gestaltungs- bzw. Ermessensspielraum im Hinblick darauf eingeräumt, wie er seine Tätigkeit ausführt.73 Dem steht nicht entgegen, dass der Beauftragte Weisungen des Auftraggebers zu beachten hat. Denn grundsätzlich verbleibt ihm auch dann noch ein gewisser 66 Dazu Kumpan, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch, Bd. I, S. 884, 885. 67 Rusch, Gewinnhaftung, S. 194. Zum Auftrag als Grundform der auf fremdnützige Interessenwahrung ausgerichteten Verträge z. B. Erman/Berger, BGB, § 662 Rdnr. 3 ; Jauernig/Mansel, BGB, § 662 Rdnr. 3 ; siehe auch Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. z. §§ 662 ff. insb. Rdnr. 32 f. (im Hinblick auf den Geschäftsbesorgungsvertrag). 68 Hopt, FS Mestmäcker, 1996, S. 909, 921; siehe auch Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 428. 69 Siehe BGHZ 113, 262, 276. 70 Dazu etwa Jauernig/Mansel, § 662 Rdnr. 1; Palandt/Sprau, Einf. v. § 662 Rdnr. 1; Staudinger/Martinek, BGB, § 662 Rdnr. 1. 71 BGHZ 56, 204, 207; Palandt/Sprau, BGB, § 662 Rdnr. 6 f.; siehe auch RGZ 97, 61, 65 (zu § 677 BGB, dem derselbe Begriff zugrunde liegt). Zum weiten Geschäftsbesorgungsbegriff Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. zu §§ 662 ff. insb. Rdnr. 10. 72 RGZ 97, 61, 65 f. (zu § 677 BGB); BGHZ 56, 204, 207; BGH NJW 1971, 1404; Jauernig/Mansel, § 662 Rdnr. 10; Palandt/Sprau, BGB, § 662 Rdnr. 7. Vgl. auch BGH NJW 2012, 3366, 3367 („wenn erkennbar ist, dass für den Auftraggeber ... wesentliche Interessen auf dem Spiel stehen“). 73 Staudinger/Martinek, BGB, § 662 Rdnr. 29.
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Entscheidungsspielraum, weil andernfalls die Vorteile des arbeitsteiligen Handelns verloren gehen würden.74 Des Weiteren erhält der Beauftragte regelmäßig eine besondere Verfügungsgewalt über Vermögensinteressen des Auftraggebers. Diese kann vielfältige Formen haben: Sie reicht von der Befugnis, aus eigenem Recht über das Treugut zu verfügen,75 über die Bevollmächtigung zur Vertretung, §§ 164 ff. BGB, bis zur bloßen Beratungs- oder Vermittlungstätigkeit, bei der der Beauftragte jedoch über vertrauliche Informationen des Auftraggebers verfügt.76 Entsprechend der damit einhergehenden Öffnung der Interessensphäre des Auftraggebers obliegt dem Beauftragten eine besondere auftragsrechtliche „Treuepflicht“ bzw. „Loyalitätspflicht“.77 Der BGH charakterisiert sie als eine außerhalb des Gegenseitigkeitsverhältnisses stehende Nebenpflicht.78 Andere sehen in ihr eine Hauptpflicht.79 Sie verpflichtet den Auftragnehmer dazu, „die Interessen des Beauftragten, nicht etwa seine eigenen oder die eines zum Auftraggeber in keiner Beziehung stehenden Dritten wahrzunehmen […] und hierbei den größtmöglichen Nutzen für den Auftraggeber anzustreben“.80 Diese Interessen müssen keine vermögensrechtlichen Interessen sein.81 Von dieser „Treuepflicht“ wird der Beauftragte auch nicht durch Weisungen des Auftraggebers entbunden, wie sich an § 665 BGB zeigt. Danach ist es dem Beauftragten erlaubt, „von Weisungen des Auftraggebers abzuweichen, wenn er den Umständen nach annehmen darf, dass der Auftraggeber bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würde“.82
Rusch, Gewinnhaftung, S. 174. Diese besteht etwa im Fall der rechtsgeschäftlichen Treuhand, die regelmäßig als Auftrag oder – bei Entgeltlichkeit – als Geschäftsbesorgung begriffen wird. 76 Rusch, Gewinnhaftung, S. 172. 77 MünchKommBGB/Seiler, § 662 Rdnr. 33, 36 f.; RGRK/Steffen, BGB, § 662 Rdnr. 6; Soergel/Beuthin, BGB, § 662 Rdnr. 14; Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 Rdnr. 850; Staudinger/Martinek, BGB, § 662 Rdnr. 25 ff.; Rusch, Gewinnhaftung, S. 169; siehe auch Coing, Treuhand, S. 137. 78 BGH NJW-RR 2002, 1344, 1345; Heymann/Herrmann, HGB, § 384 Rdnr. 8. Siehe dazu auch Reichstagsvorlage, Denkschrift zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuches und eines Einführungsgesetzes, 1897, S. 258. Auch bei den vertypten Interessenwahrungsverhältnissen, wie etwa dem Handelsvertretervertrag wird die Interessenwahrungspflicht verbreitet als Nebenpflicht eingeordnet. Siehe nur Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, HGB, § 86 Rdnr. 11; Staub/Emde, HGB, § 86 Rdnr. 48. 79 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 192 ff.; auch Staudinger/Martinek, BGB, § 662 Rdnr. 25; Ulmer, Vertragshändler, S. 410 (für den Vertragshändler); Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 167 (mitgliedschaftliche Treuepflicht). 80 Staudinger/Martinek, BGB, § 662 Rdnr. 26; vgl. auch BGH ZIP 1983, 781, 783 (zur Einordnung als Hauptpflicht im Rahmen des – insofern gleich zu behandelnden – Geschäftsbesorgungsvertrages – zu diesem sogleich). 81 Staudinger/Martinek, BGB, § 662 Rdnr. 26. 82 Es wird also vom Gesetz ein „denkender Gehorsam“ verlangt, vgl. Heck, Grundriß des Schuldrechts, § 119 Anm. 5 (S. 355). 74
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(ii) Geschäftsbesorgungsvertrag Der Geschäftsbesorgungsvertrag unterscheidet sich vom Auftrag, auf dessen Regelungen er aufbaut, durch seine Entgeltlichkeit. Darüber hinaus wird der Begriff der „Geschäftsbesorgung“ in § 675 Abs. 1 BGB enger ausgelegt als im Auftragsrecht.83 Denn die Formulierung „Dienstvertrag oder […] Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat“ zeige, dass das Gesetz zwischen (einfachen) Dienst- oder Werkverträgen und solchen, die eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand haben, unterscheide; dementsprechend könne nicht jede Tätigkeit im fremden Interesse ausreichen.84 Erforderlich ist im Rahmen von § 675 Abs.1 BGB eine selbständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art, die in der Wahrnehmung von Vermögensinteressen eines anderen, des Geschäftsherrn, besteht.85 Selbständigkeit bedeutet, dass der Geschäftsbesorger einen Ermessens- und Gestaltungsspielraum für eine eigenverantwortliche Überlegung und Willensbildung gerade auch gegenüber dem Geschäftsherrn hat.86 Außerdem muss seine Tätigkeit der Art nach dem Bereich des Wirtschaftslebens im weiteren Sinne angehören und einen Bezug zum Vermögen des Geschäftsherrn aufweisen.87 In dem Bezug zum Vermögen des Geschäftsherrn und der Selbständigkeit des Geschäftsbesorgers bei seinen Entscheidungen kommt die Öffnung der Interessensphäre des Geschäftsherrn für den Geschäftsbesorger zum Ausdruck. Entsprechend ist der Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 Abs. 1 BGB, wie der Auftrag, als Interessenwahrungsverhältnis einzuordnen.88 Aufgrund des Verweises in § 675 Abs. 1 BGB, wonach die wichtigsten Regeln des Auftragsrechts auch für die Geschäftsbesorgung gelten, gilt die „auftragsrechtliche Treuepflicht“ auch im Rahmen entgeltlicher Geschäftsbesorgungen.89 Der Geschäftsbesorger hat daher „mit dem ihm anvertrauten Vermögen treu und gewissenhaft umzugehen“ und „im fremden Interesse fürsorglich tätig zu sein“.90
83 Zum engen Geschäftsbesorgungsbegriff Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem. zu §§ 662 ff. Rdnr. 15 ff. 84 Rusch, Gewinnhaftung, S. 175. 85 BGHZ 45, 223, 228 f.; BGH NJW-RR 1992, 560; 2004, 989; Palandt/Sprau, BGB, § 675 Rdnr. 3 ; RGRK/Steffen, BGB, § 675 Rdnr. 2 ff.; Staudinger/Martinek, BGB, § 675 Rdnr. A 9; a.A. MünchKommBGB/Seiler, § 662 Rdnr. 13 f. (Geschäftsbesorgung immer dann, wenn die für den Auftrag geltenden Rechtsfolgen nach dem Sinn und Zweck des jeweiligen Rechtsverhältnisses sachgerecht sind). 86 Staudinger/Martinek, BGB, § 675 Rdnr. A 11. 87 Palandt/Sprau, BGB, § 675 Rdnr. 3; Staudinger/Martinek, BGB, § 675 Rdnr. A 17 ff. Nicht erfasst werden daher etwa die Tätigkeiten von Ärzten oder Erziehern, weil sie keinen Vermögensbezug haben. 88 Rusch, Gewinnhaftung, S. 176. 89 Rusch, Gewinnhaftung, S. 170; vgl. auch BGH ZIP 1983, 781, 783. 90 Staudinger/Martinek, BGB, § 675 Rdnr. A 22.
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b.) Vertypte vertragliche Interessenwahrungsverhältnisse Die auftrags- und geschäftsbesorgungsrechtlichen Regelungen bilden das Grundmodell für zahlreiche, praktisch wichtige Interessenwahrungsverhältnisse. Hierzu gehören etwa die Handelsvertretung oder die Kommission, aber auch die Mandatierung von Rechtsanwälten, Steuerberatern und Vermögensverwaltern, sowie andere Beratungsdienstleistungen oder die Maklertätigkeit. Bei diesen unterschiedlichen Vertragsformen handelt es sich um verschiedene Ausprägungen bzw. Typen des allgemeinen Interessenwahrungsverhältnisses. (i) Dogmatische Einordnung der vertypten Interessenwahrungsverhältnisse Diese verschiedenen Typen von Interessenwahrungsverträgen zeichnen sich durch einen unterschiedlichen Grad an Öffnung der Interessensphäre des Geschäftsherrn aus. Aufgrund der unterschiedlichen Näheverhältnisse zwischen Interessenwahrer und Geschäftsherrn kann es zu unterschiedlichen Interessenkonfliktlagen kommen, die unterschiedliche Konfliktlösungen erfordern. Zunächst ist danach zu unterscheiden, ob die Öffnung der Interessensphäre lediglich punktuell, d. h. begrenzt auf in der Regel ein Geschäft, oder aber längerfristig, d. h. dauerhaft bzw. für eine Vielzahl von Geschäften, erfolgen soll. Eine längerfristige Öffnung der Interessensphäre für eine Vielzahl von Geschäften birgt ein höheres Risiko als eine Öffnung für ein Einzelgeschäft, weil in diesem Fall mehr Möglichkeiten für Interessenkonflikte des Interessenwahrers bestehen, die die Interessen des Geschäftsherrn gefährden können. Neben der Möglichkeit, dass immer wieder kurzfristige Interessenkonflikte entstehen, besteht bei längerfristigen Interessenwahrungsbeziehungen zusätzlich die Gefahr länger andauernder Interessenkonflikte. Zwar kann auch die Erfüllung eines auf ein Einzelgeschäft ausgerichteten Interessenwahrungsverhältnisses hin und wieder länger dauern – z. B. wenn ein Makler längere Zeit braucht, um einen Interessenten zu finden –, doch steht dies einer solchen Differenzierung mit Blick auf das Gefährdungspotential nicht entgegen. Denn da es sich in diesem Fall nur um ein punktuelles Geschäft handelt, kann ein Interessenkonflikt auch nur in Bezug auf dieses eine Geschäft die Interessen des Geschäftsherrn gefährden, nicht aber mehrmals auftreten. In einem zweiten Schritt ist danach zu unterscheiden, wie weit der Geschäftsherr seine Interessensphäre öffnet und damit eine Gefährdung seiner Interessen in Kauf nimmt, d. h. in welchem Umfang und mit welcher Intensität der Interessenwahrer in seine Interessensphäre eindringen darf. Wo der Interessenwahrer dem Geschäftsherrn lediglich Möglichkeiten aufzeigen darf, damit dieser dann selbst tätig werden kann, ist die Öffnung der Interessensphäre vergleichsweise gering. Beispiel hierfür ist der Makler. Darf der Interessenwahrer für den Geschäftsherrn Entscheidungen treffen, geht die Öffnung der Interessensphäre erheblich weiter. Aber auch hierbei gibt es Unterschiede: Geringer ist die Öff-
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nung, wenn die Entscheidungen des Interessenwahrers nur begrenzte Auswirkungen haben können, wie etwa im Fall des Kommissionärs, der mit einem Vertragspartner seiner Wahl für den Kommittenten abschließt, dessen Tätigkeit sich jedoch auf ein Geschäft beschränkt. Weitergehend ist die Öffnung demgegenüber bei Treuhandverhältnissen, bei denen der Interessenwahrer langfristig weitgreifende Befugnisse eingeräumt bekommt und über Vermögensgegenstände verfügen darf, die dem Geschäftsherrn – wirtschaftlich – zustehen. Ebenfalls recht weitgehend, wenn auch weniger als bei der Treuhand, kann die Öffnung der Interessensphäre im Fall der Beratung sein. In deren Rahmen nimmt der Interessenwahrer Einfluss auf die Willensbildung des Geschäftsherrn und kann damit mittelbar Vermögensdispositionen veranlassen. (ii) Beispiele für auf lediglich ein Geschäft bezogene Interessenwahrungsverhältnisse (1) Makler Der Maklervertrag begründet ein besonderes Interessenwahrungsverhältnis zwischen den Parteien mit verschiedenen Pflichten, die sich zu einer besonderen Interessenwahrungspflicht verdichten.91 Bei dem in §§ 652 ff. BGB geregelten Maklervertrag ist die Öffnung der Interessensphäre des Geschäftsherrn im Vergleich zu anderen Typen von Interessenwahrungsverträgen für gewöhnlich geringer. Aufgabe des Maklers ist es in der Regel lediglich, dem Auftraggeber interessierte potentielle Vertragspartner zuzuführen, d. h. Gelegenheiten zum Abschluss eines (Haupt-)Vertrages nachzuweisen oder den (Haupt-)Vertrag zu vermitteln, § 652 Abs. 1 Satz 1 BGB. Es geht also lediglich um die Unterstützung bei der Anbahnung eines Hauptvertrages. Weder hat der Makler – im Regelfall – die Befugnis, selbst mit dem interessierten potentiellen Vertragspartner den Hauptvertrag zu schließen, noch muss der Auftraggeber mit dem ihm zugeführten Interessenten den Vertrag auch tatsächlich schließen. Der Makler ist nicht einmal zum Tätigwerden verpflichtet.92 Wird er aber tätig und macht er sich auf die Suche nach möglichen Vertragspartnern für den Auftraggeber, muss sich dieser darauf verlassen können, dass der Makler in seinem, des Auftraggebers, Sinne agiert. Das heißt vor allem, dass er geeignete Interessenten sucht und den Vertragsabschluss nicht hintertreibt. Dementsprechend führt der Abschluss des Maklervertrages zu einem besonderen Interessenwahrungsverhältnis zwischen dem Auftraggeber und dem Makler, das den Makler verpflichtet, das Interesse des Auftraggebers im Rahmen des Zumutbaren zu wahren und alles zu unterlassen, was die Interessen des Auftraggebers gefähr91 BGH NJW 1981, 2685; 1983, 1847, 1848; Jauernig/Mansel, BGB, § 654 Rdnr. 3. Zur Treuepflicht des Maklers etwa BGH NJW 1968, 150, 151; Burghart, AcP 140 (1935), 81 ff.; außerdem Mayer-Maly, in: Thomandl, Treue- und Fürsorgepflicht, S. 71, 84. 92 Palandt/Sprau, BGB, Einf. v. § 652 Rdnr. 1.
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den könnte.93 Je größer die Öffnung der Interessensphäre – was sich an der Bedeutung des Geschäfts, der Erfahrenheit des Auftraggebers etc. bemisst –, und je enger damit das Vertrauensverhältnis zwischen Auftraggeber und Makler, desto strenger ist der Pflichtenstandard für den Makler. Besonders ausgeprägt ist daher die Interessenwahrungspflicht beim sog. Vertrauensmakler.94 (2) Kommissionär Die in §§ 383 ff. HGB geregelte Kommission 95 ist ein besonderes Geschäftsbesorgungsverhältnis,96 bei dem es regelmäßig um ein punktuelles Geschäft und dementsprechend um punktuelle Interessenkonflikte geht. Bei der Kommission übernimmt der Kommissionär die Verpflichtung, für Rechnung des Kommittenten Waren oder Wertpapiere im eigenen Namen zu kaufen oder zu verkaufen, er tritt also als mittelbarer Stellvertreter auf.97 Der Geschäftsherr überlässt dem Kommissionär die Suche eines Vertragspartners und den Geschäftsabschluss mit diesem. Dementsprechend geht in diesem Fall die Öffnung der Interessensphäre erheblich weiter als im Fall des Maklervertrages. Die Interessenwahrungspflicht ist entsprechend stärker ausgeprägt. Allgemein bestimmt § 384 Abs. 1 2. Hs. HGB, dass der Kommissionär bei Ausführung des übernommenen Geschäfts das Interesse des Kommittenten wahrzunehmen hat. Er hat die Interessen des Kommittenten bestmöglich und unter Zurückstellung seiner eigenen Interessen zu verfolgen.98 Das bedeutet, dass er den übernommenen Auftrag so auszuführen hat, wie ihn seiner Ansicht nach der Kommittent selbst ausführen würde, wenn er die Kenntnisse, Fähigkeiten und Geschäftsverbindungen des Kommissionärs hätte.99 Der Kommissionär muss daher alle ihm möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um den mit dem Vertrag erstrebten Ausführungserfolg zu erreichen und das Ausführungsgeschäft zu Bedingungen abzuschließen, die den Interessen des Kommittenten angemessen Rechnung tragen.100 Denn grundsätzlich soll sich BGH JZ 1968, 69; BGH NJW 1968, 150, 151; Palandt/Sprau, BGB, § 652 Rdnr. 13. Palandt/Sprau, BGB, § 652 Rdnr. 13. 95 Diese wird als Treueverhältnis – Staub/Koller, HGB, § 384 Rdnr. 2; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 41 f., 410 ff. – oder auch als Vertrauensgeschäft – Staub/Koller, HGB, § 384 Rdnr. 5 ; Weller, ZBB 2011, 191, 192 – bezeichnet. Siehe auch Lang/Bausch, WM 2010, 2101, 2105 („durch ein besonderes Vertrauen gekennzeichnet“). 96 Siehe nur Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 383 Rdnr. 6 ; K. Schmidt, Handelsrecht, § 31 III 3 (S. 871). 97 Dazu etwa K. Schmidt, Handelsrecht, § 31 III 2 a (S. 866). 98 RG JW 1901, 408; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 384 Rdnr. 1; Staub/Koller, HGB, § 384 Rdnr. 5 ; ders., BB 1978, 1733, 1736; MünchKommHGB/Häuser, § 384 Rdnr. 17 f.; vgl. auch Lang/Bausch, WM 2010, 2101, 2105. 99 Staub/Koller, HGB, § 384 Rdnr. 5. 100 BGH NJW-RR 2002, 1344, 1345; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, § 384 Rdn. 10; Heymann/Herrmann, HGB, § 384 Rdn. 8; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Krüger, HGB, § 384 Rdn. 12. 93
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der Kommittent, nicht zuletzt wegen der Unzulänglichkeiten der ex post-Kontrolle, darauf verlassen können, dass der von ihm beauftragte Kommissionär nur seine, des Kommittenten, Interessen im Auge hat.101 Neben diesen allgemeinen Vorgaben für den Kommissionär enthält das HGB aber auch spezifische Regelungen, die die besonderen punktuellen Interessenkonflikte in den Blick nehmen, die bei diesem Interessenwahrungsverhältnis entstehen können. So wird etwa sichergestellt, dass der Kommissionär Geschäftsabschlüsse, die günstiger ausfallen als vom Kommittenten vorgegeben, dem Kommittenten zugutekommen lassen muss, vgl. § 387 HGB. Denn er soll sich keine versteckten Vergütungen verschaffen können, weil dadurch die Wahrnehmung der Interessen des Kommittenten erheblich beeinträchtigt werden würde.102 Außerdem wird der Arbeitseinsatz des Kommissionärs bereits durch die Provision abgegolten. Besondere Regelungen für punktuelle Interessenkonflikte stellen darüber hinaus die Vorschriften zum Selbsteintrittsrecht dar.103 (3) Anlageberater Eine besondere Form der Öffnung der Interessensphäre erfolgt im Rahmen von Beratungsverhältnissen. Insbesondere die (Finanz-)Anlageberatung ist in den letzten Jahren Gegenstand intensiver rechtlicher Auseinandersetzung geworden.104 Der (Anlage-)Berater hat die Aufgabe, Kenntnis- und Informationsdefizite des Beratenen zu verringern und es ihm so zu ermöglichen, eigenverantwortlich eine für ihn sinnvolle Entscheidung zu treffen. 105 Dabei muss er eine eigene subjektive Bewertung der Situation vornehmen, hinsichtlich der er berät, und eine Empfehlung aussprechen, die die persönlichen Umstände des Beratenen berücksichtigt.106 Dies geht weiter als die Erteilung einer Auskunft, bei der Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 909. Vgl. dazu Grundmann, Treuhandvertrag, S. 411. 103 Dazu § 9 III.1.). 104 Der Anlageberatungsvertrag ist als Vertragstyp nicht gesetzlich geregelt. Bei ihm handelt es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag. Siehe MünchKommBGB/Heermann, § 675 Rdnr. 123; Staudinger/Martinek, § 675 A 3, B 7; Palandt/Sprau, BGB, § 675 Rdnr. 10; Schelling, Vergütungssysteme, S. 54 ff.; Sethe, FS Nobbe, 2009, S. 769, 776; Weller, ZBB 2011, 191, 197. Für Dienstvertrag Hannöver, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHdb, § 110 Rdnr. 20; Nikolaus/d’Oleire, WM 2007, 2129, 2130. Im Verhältnis Bank zu Kunde tritt der Beratungsvertrag selbständig neben die zwischen ihnen bestehenden allgemeinen Vertragbeziehungen. Siehe Spindler, WM 2009, 1821, 1822. Zur Dogmatik des Anlageberatungsvertrages Weller, ZBB 2011, 191; außerdem Buck-Heeb, WM 2012, 625. 105 Siehe Hannöver, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 110 Rdnr. 19, 45; Weller, ZBB 2011, 191, 193. 106 Hannöver, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 110 Rdnr. 25; Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten, S. 96 f.; Lang, Informationspflichten, S. 34 f. Siehe auch Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31 Rdnr. 131. Ausführlich zur Abgrenzung von Aufklärung und Beratung Lang, Informationspflichten, S. 27 ff.; siehe auch Bliesener, Verhaltenspflichten, S. 299 ff. 101
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es lediglich um eine Mitteilung von Tatsachen geht,107 oder eine Aufklärung, bei der zusätzlich zur Mitteilung diese noch erläutert wird.108 Die Anlageberatung bezieht sich regelmäßig auf eine einzelne Anlageentscheidung. Der Beratene beschränkt somit die Öffnung seiner Interessensphäre auf einen einzelnen Vorgang. Entsprechend beschränkt sich die Gefahr von Interessenkonflikten auf die einzelne Beratung. Dies führt zu einer zeitlichen Begrenzung der Pflichten des Beraters. So muss er etwa grundsätzlich nicht über nachträgliche Veränderungen informieren.109 Vom inhaltlichen Umfang her erfolgt die Öffnung der Interessensphäre anders als z. B. bei der Kommission. Zwar behält der Beratene bei einem Beratungsverhältnis grundsätzlich die Entscheidungsbefugnis, ob er der Empfehlung folgt oder nicht.110 Aber in der Regel – wenn die Beratung sachgerecht erfolgt ist – wird er sich nach dem erteilten Rat richten. Denn eine Beratung wird typischerweise in Situationen nachgefragt, in denen dem zu Beratenden Informationen oder die fachliche Kompetenz fehlen, um eine sachgerechte und informierte Entscheidung zu treffen. Der zu Beratende ist in dieser Situation auf den Berater angewiesen, sodass der Berater eine starke Einflussposition erhält. Daher muss sich der zu Beratende auf ihn verlassen (können). Entsprechend ist der Berater zur Wahrnehmung der (Vermögens-)Interessen des Beratenen verpflichtet und muss seine Empfehlungen allein am Interesse des Beratenen ausrichten.111 Das bedeutet unter anderem, dass persönliche Anlageempfehlungen des Beraters anleger- und objektgerecht sein müssen.112 (iii) Beispiele für auf Dauer eingegangene Interessenwahrungsverhältnisse (1) Handelsvertreter Ein für eine längere Dauer eingegangenes Interessenwahrungsverhältnis ist der in §§ 84 ff. HGB geregelte Handelsvertretervertrag – ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit dienstvertraglichem Charakter.113 Aufgabe des Handelsvertreters ist es nach § 84 Abs. 1 Satz 1 HGB, „als selbständig Gewerbetreibender ständig […] für einen anderen Unternehmer […] Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen“. Damit räumt der Unternehmer dem Handelsver Lang, Informationspflichten, S. 31; siehe auch Hannöver, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 110 Rdnr. 25. 108 Lang, Informationspflichten, S. 33; Weller, ZBB 2011, 191, 192. 109 Weller, ZBB 2011, 191, 192. 110 Vgl. Hannöver, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 110 Rdnr. 55. 111 BGH ZIP 2011, 756, 759; BGH WM 2001; 297; Staudinger/Martinek, BGB, § 675 Rdnr. B7; Hannöver, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 110 Rdnr. 25; vgl. auch Sethe, FS Nobbe, 2009, S. 769, 781. 112 BGHZ 123, 126; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 347 Rdnr. 23; Hannöver, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 110 Rdnr. 4 4 ff., insb. 52, 55 ff.; Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten, S. 91 ff.; Weller, ZBB 2011, 191, 192. 113 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 1; ders., Handelsvertreterrecht, § 86 Rdnr. 1. 107
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treter ein, für ihn tätig zu werden und – im zweiten Fall – sogar ihn vertraglich zu binden. Aufgrund der Längerfristigkeit („ständig“) der so erfolgten Öffnung der Interessensphäre besteht die Gefahr dauerhafter oder im Rahmen desselben Interessenwahrungsverhältnisses wiederkehrender Interessenkonflikte.114 Entsprechend statuiert § 86 Abs. 1 2. Hs. HGB eine Interessenwahrungspflicht – oder auch „Treuepflicht“115 – des Handelsvertreters.116 Danach hat der Handelsvertreter bei der Vermittlung und dem Abschluss von Geschäften das Interesse des Unternehmers wahrzunehmen,117 d. h. er hat alles Erforderliche zu tun, um die Interessen des Unternehmers zu wahren, und alles zu unterlassen, was den Interessen des Unternehmers schaden kann.118 Insbesondere muss er den Interessen des Unternehmers Vorrang vor seinen eigenen Interessen geben.119 Die Interessenwahrungspflicht bestimmt das gesamte Handelsvertreterverhältnis.120 Der Handelsvertreter ist daher – entgegen dem Wortlaut – nicht nur in Bezug auf die Vermittlung und den Abschluss von Geschäften, sondern auch hinsichtlich aller übrigen ihn treffenden Pflichten aus dem konkreten Handelsvertretervertrag zur Interessenwahrung verpflichtet.121 Auf der anderen Seite beschränkt sich seine Interessenwahrungspflicht aber auch hierauf. Er ist nicht Interessenwahrer in Bezug auf alle Interessen des Unternehmers.122 Ausprägungen der Interessenwahrungspflicht sind u. a. die Pflicht zur Befolgung von Weisungen des Unternehmers, vgl. §§ 675, 665 BGB,123 und zur Benachrichtigung über alle für den Geschäftsherrn bedeutsamen Umstände, vgl. § 86 Abs. 2 HGB und §§ 675, 666 BGB124. Um die Interessen des Unternehmers zu wahren hat der Handelsvertreter außerdem die Pflicht, die Bonität, Kredit114 Die unterschiedlich weite Öffnung der Interessensphäre im Hinblick auf die übernommenen Aufgaben – die Öffnung der Interessensphäre des Unternehmers geht weiter, wenn der Vertreter Verträge für den Unternehmer abschließen darf, als wenn er lediglich vermittelt – ändert daran grundsätzlich nichts. Sie erlaubt aber eine gewisse Abstufung der Intensität der Interessenwahrungspflicht. 115 So BGHZ 42, 59, 62; BGH BB 1968, 60. 116 Die Interessenwahrungspflicht ist für die Handelsvertretung wesensbestimmend und zwingend, BGHZ 97, 317, 326; 112, 218, 222; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 20; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 385. 117 Der Handelsvertreter ist also „Interessenwahrer“ des Unternehmers. Siehe BGH BB 1979, 242; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 15, 20. 118 BGHZ 42, 59, 61; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 21. 119 Schlegelberger/Schröder, HGB, § 86 Rdnr. 16 und 18. Enger Grundmann, Treuhandvertrag, S. 385 (nur hinsichtlich der „Ausübung von Entscheidungs- und Kontrollpositionen“). 120 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 20; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 385. 121 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 20; Löhnig, Treuhand, S. 417; a.A. Grundmann, Treuhandvertrag, S. 385 (enger Wortlaut sei zutreffend). 122 Löhnig, Treuhand, S. 417. 123 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 15. 124 Siehe etwa BGH BB 1969, 1196; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 21.
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und Vertrauenswürdigkeit eines Kunden zu prüfen.125 Nach Vertragsschluss hat er den Kunden weiter zu betreuen, um diesen für den Unternehmer zu erhalten.126 Er darf nicht dem Kunden raten, den Vertrag aufzulösen und vom Unternehmer Schadensersatz zu verlangen.127 Er ist zur Verschwiegenheit hinsichtlich aller Geschäftsgeheimnisse des Unternehmers verpflichtet und darf nichts dem Unternehmer Nachteiliges offenbaren.128 Insbesondere darf er Dritten nicht die vom Unternehmer erhaltenen oder für diesen angelegten Kundenlisten offen legen.129 Nicht verpflichtet ist der Handelsvertreter dagegen, für das Geschäft des Unternehmers ganz allgemein oder umfassend zu werben.130 Auch in Bezug auf persönliche Angelegenheiten des Unternehmers, hat der Handelsvertreter keine besondere Interessenwahrungspflicht.131 (2) Vertragshändler Ein weiteres auf Dauer angelegtes Interessenwahrungsverhältnis ist der Vertragshändlervertrag. Der Vertragshändler übernimmt es, ständig „im eigenen Namen und auf eigene Rechnung die Vertragswaren im Vertragsgebiet zu vertreiben und ihren Absatz zu fördern, die Funktionen und Risiken seiner Handelstätigkeit hieran auszurichten und im Geschäftsverkehr das Herstellerzeichen neben der eigenen Firma herauszustellen“.132 Da es Inhalt und Zweck des Vertragshändlervertrages ist, den Absatz der Herstellerwaren zu fördern, richtet sich das Vertragsverhältnis an den Interessen des Herstellers aus.133 Als Vertragstypus ist der Vertragshändlervertrag nicht gesetzlich geregelt.134 Je nach Struktur des Vertragshändlerverhältnisses kann die Öffnung der Interessensphäre des Herstellers gegenüber dem Vertragshändler im Vergleich zur Situation beim Handelsvertreter, der für den Unternehmer in dessen Namen Verträge schließt, weiter oder weniger weit gehen. Wie der Handelsvertreter ist auch der Vertragshändler auf Dauer angestellt und vertreibt die Waren eines anderen (des Herstellers).135 Dementsprechend kann es auch im Fall des Vertragshändlers zu längerfristigen oder wiederkehrenden Interessenkonflikten im Rahmen ein und desselben Interessenwahrungsverhältnisses kommen. Anders RGZ 18, 112; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 21. OLG Koblenz BB 1973, 866. 127 OLG Koblenz BB 1973, 866; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 21. 128 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 22; Hopt, Handelsvertreterrecht, § 90 Rdnr. 1 und 4; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, HGB, § 86 Rdnr. 20; Schlegelberger/ Schröder, HGB, § 90 Rdnr. 1. Vgl. dazu auch § 90 HGB. 129 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 28. 130 RGZ 109, 254, 258. 131 Vgl. Schlegelberger/Schröder, HGB, § 86 Rdnr. 16. 132 Ulmer, Vertragshändler, S. 264. 133 Ulmer, Vertragshändler, S. 152. 134 Zur Einordnung des Vertragshändlervertrages als Sonderfall des Geschäftsbesorgungsvertrages Ulmer, Vertragshändler, S. 268 ff. 135 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 84 Rdnr. 10, Einl. v. § 373 Rdnr. 35. 125 126
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als der Handelsvertreter handelt der Vertragshändler jedoch im eigenen Namen und auf eigene Rechnung.136 Er vertreibt die Vertragswaren also als selbständiger Unternehmer auf volles eigenes Risiko.137 Damit nimmt er dem Hersteller insbesondere das Kreditrisiko für den Weitervertrieb der Waren ab und verringert durch Mindestabnahme-, Vorausdispositions- und Lagerhaltungspflicht außerdem dessen Absatzrisiko.138 Damit werden die Risiken für den Hersteller begrenzt und seine Interessen insofern besser geschützt als im Fall des Vertragshändlervertrages. Andererseits beschränkt der Hersteller den Absatz seiner Produkte in der Regel auf die Händler seines Vertriebsnetzes.139 Zudem erhalten sie häufig in einem bestimmten Gebiet ein Alleinvertriebsrecht, das außerdem noch durch einen Gebietsschutz zu ihren Gunsten abgesichert werden kann.140 Aufgrund dieser Absatz- und Organisationsstruktur des Vertragshändlerverhältnisses kann der Ausfall oder der ungenügende Einsatz eines Vertragshändlers für den Absatzerfolg des Herstellers größere Auswirkungen haben als der Ausfall eines Händlers im offenen Vertrieb.141 Denn dies würde seine Interessen an der Stetigkeit und Förderung des Absatzes seiner Waren erheblich beeinträchtigen.142 Diese besondere Verletzbarkeit der Interessen des Herstellers erfordert es, diese besonders zu schützen. Dafür kann auf die Interessenwahrungspflicht des Handelsvertreters nach § 86 Abs. 1 2. Hs. HGB zurückgegriffen und diese auf das Verhältnis zwischen Vertragshändler und Hersteller übertragen werden.143 Denn trotz aller Unterschiede zwischen Vertragshändlervertrag und Handelsvertretervertrag sind diese doch strukturell verwandt. Bei beiden geht es um den Vertrieb von Waren eines Geschäftsherrn – des Herstellers bzw. Unternehmers – durch einen selbständigen Handelsgewerbetreibenden.144 Bei beiden richtet sich das Vertragsverhältnis an den Interessen einer Partei – des Herstellers bzw. Unternehmers – aus, die mit dem Vertragsschluss ihre Interessensphäre für die andere Partei öffnet. Daher ist auch der Vertragshändler zu Treue und Rücksichtnahme verpflichtet.145 Dies bedeutet, dass er seine Vertriebstätigkeit 136 BGHZ 29, 83, 87; 34, 282, 285; 54, 338, 340 f.; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 84 Rdnr. 10, Einl. v. § 373 Rdnr. 35. 137 Ulmer, Vertragshändler, S. 154. 138 Ulmer, Vertragshändler, S. 158. 139 Ulmer, Vertragshändler, S. 157. 140 Vgl. dazu § 87 Abs. 2 Satz 1 HGB. 141 Ulmer, Vertragshändler, S. 157. 142 Vgl. dazu Ulmer, Vertragshändler, S. 154. 143 BGH NJW 1958, 1138; NJW 1984, 2101, 2102; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 84 Rdnr. 11; Ulmer, Vertragshändler, S. 410; zu den Analogievoraussetzungen Ulmer, a.a.O., S. 394 ff. 144 Ulmer, Vertragshändler, S. 410. 145 BGHZ 93, 29, 39; BGH WM 1993, 1464, 1470; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, Einl. v. § 373 Rdnr. 38, 39. Zur korrespondierenden Treuepflicht des Herstellers/Lieferanten BGHZ 93, 29, 39; 124, 351, 354.
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an den Interessen des Herstellers auszurichten und im Falle eines Interessenkonflikts seine Interessen denen des Herstellers unterzuordnen hat.146 Auch die besonderen Ausprägungen der handelsvertreterrechtlichen Interessenwahrungspflicht, wie etwa das Wettbewerbsverbot,147 können auf das Vertragshändlerverhältnis übertragen werden. Das bedeutet, dass der Vertragshändler ohne Erlaubnis des Herstellers keine Konkurrenzprodukte vertreiben und auch sonst nicht als Vertragshändler für andere Hersteller tätig werden darf.148 Außerdem hat er den Hersteller über alle Umstände, die für den Vertrieb von dessen Produkte erheblich sind, zu informieren und dessen Geschäftsgeheimnisse zu wahren.149 Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten des Vertragshändlervertrags die Intensität der Interessenwahrungspflicht und der konkreten Einzelpflichten von der Ausgestaltung des jeweiligen Vertragshändlervertrags abhängt.150 (3) Treuhänder Besonders weit geht die Öffnung der Interessensphäre im Fall der fremdnützigen Treuhand.151 Denn bei der Treuhand werden dem Treuhänder Vermögensrechte übertragen, über die er gegenüber Dritten frei verfügen kann.152 Lediglich im Innenverhältnis zum Treugeber unterliegt er schuldrechtlichen Bindungen, weil er diese Rechte für den Treugeber – bzw. ggf. für Dritte – halten und verwalten soll.153 Der Treuhänder bekommt also eine Position eingeräumt, bei der er hinsichtlich des Außenverhältnisses mehr Rechte erhält, als er im Innenverhältnis ausüben darf.154 Aufgrund dieser „überschießenden Rechtsmacht“155 und vor allem wegen der dinglichen Berechtigung an den ihm übertragenen Vermögenswerten hat er die Möglichkeit, die Interessen des Treugebers bzw. ggf. der Dritten in besonderer Weise zu gefährden. Daher unterliegt er auch einer besonders strengen Loyalitätspflicht und darf die ihm übertragenen Rechte ausschließlich im Interesse desjenigen wahrnehmen, der im Treuhandvertrag Ulmer, Vertragshändler, S. 410; siehe schon RG JW 1901, 40 Nr. 30. Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 84 Rdnr. 11. 148 Vgl. Ulmer, Vertragshändler, S. 410. 149 Ulmer, Vertragshändler, S. 410. 150 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, Einl. v. § 373 Rdnr. 39. Von dem Idealmodell des Vertragshändlervertrages gibt es in der Realität zahlreiche Abweichungen, sodass die Unterschiede zwischen Handelsvertreter und Vertragshändler abnehmen. Im Grenzfall lassen sich die beiden Rechtsformen sogar austauschen. Siehe Ulmer, Vertragshändler, S. 393. Dies hat Rückwirkungen auf die Interessenwahrungspflicht im jeweiligen Vertragsverhältnis. 151 Bei dieser handelt es sich um einen Auftrag, sofern sie unentgeltlich erfolgt, bzw. um eine Geschäftsbesorgung, sofern sie entgeltlich vorgenommen wird. Siehe Coing, Treuhand, S. 92. 152 Rusch, Gewinnhaftung, S. 154. 153 Coing, Treuhand, S. 2 . 154 MünchKommBGB/Schramm, Vor § 164 Rdnr. 28; Palandt/Bassenge, BGB, § 903 Rdnr. 33; Henssler, AcP 196 (1996), 37, 41 f. 155 Henssler, AcP 196 (1996), 37, 41. 146 147
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bestimmt wird.156 Weniger stark ausgeprägt ist die Treuepflicht demgegenüber im Fall der eigennützigen Treuhand, die in erster Linie den Interessen des Treuhänders dient.157
3.) Organschaftliche Interessenwahrungspflicht/Treuepflicht Wesentliche Bedeutung haben die Interessenwahrungs- bzw. Treuepflichten auch und vor allem im Gesellschaftsrecht erlangt, wo sie „einen wesentlichen Teil der ‚ungeschriebenen Legalordnung‘ des Gesellschaftsrechts“ ausmachen.158 a.) Abgrenzung zur mitgliedschaftlichen Treuepflicht Interessenwahrungs- bzw. Treuepflichten haben sowohl die Gesellschaftsor gane als auch die Gesellschafter zu beachten.159 Mitgliedschaftliche Treuepflichten sind anerkannt für das Verhältnis der Mitgesellschafter von Personengesellschaften,160 zwischen den Gesellschaftern einer GmbH,161 für den Mehrheitsaktionär gegenüber den Minderheitsaktionären162 sowie für den Minderheitsaktionär gegenüber den übrigen Aktionären.163 Sie wurzeln in dem Coing, Treuhand, S. 138. Dazu etwa Coing, Treuhand, S. 89. 158 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 1 a (S. 588). Sie wird auch als „gesellschaftsrechtliche Generalklausel“ bezeichnet. Siehe Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 28 Rdnr. 35; Rusch, Gewinnhaftung, S. 185; siehe auch Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 228 („Generalpflicht“). 159 Dazu etwa Hüffer, AktG, § 84 Rdnr. 9 ; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 95 ff.; Weber, Vormitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 60 ff., 67 f.; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 8 ; ders., WM 2003,1045, 1047; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221; Henze, ZHR 162 (1998), 186; Hüffer, FS Steindorff, 1990, S. 59, insb. 66 ff.; Kort, ZIP 1990, 294; Lutter, ZHR 162 (1998) 164; Marsch-Barner, ZHR 157 (1993) 172; Timm, WM 1991, 481; Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 950 ff., insb. 953 ff.; ders., WM 2009, 1. Als dritte Gruppe der gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten werden für Kapitalgesellschaften zudem Treuepflichten bei Mehrheitsentscheidungen genannt, wenn Mehrheitsanteilseigner im Rahmen der Ausübung ihrer Stimmrechte Einfluss auf die Vermögensinteressen der Minderheitsanteilseigner nehmen können. Dazu BGHZ 65, 15, 18 f.; 103, 184, 194 f.; Janke, Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, S. 63 ff.; Weber, Vormitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 67 f.; Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 950, 960 ff.; ders., WM 2009, 1, 5 ff.; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 238 f. 160 Siehe nur BGHZ 89, 162, 165; Bartsch, Entwicklung, passim; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 9 ff.; Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 953 f.; außerdem Rusch, Gewinnhaftung, S. 185. 161 BGHZ 65, 15, 18 f.; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, passim; siehe auch Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 18 IV.2.d (S. 281). 162 BGHZ 103, 184, 194 f.; BGH NJW 1992, 3167, 3171; siehe auch Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 II.3.c (S. 195); Hennrichs, AcP 195 (1995), 221; Marsch-Barner, ZHR 157 (1993) 172, insb. 176 ff.; Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 960 ff.; krit. Martens, in: K. Schmidt, Rechtsdomatik, S. 251. 163 BGHZ 129, 136, 142 ff. 156
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Rechtsverhältnis zwischen den Mitgliedern und verpflichten diese sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch gegenüber den Mitgesellschaftern, die Gesellschaftsinteressen zu fördern und alles zu unterlassen, was mit dem Gesellschaftszweck nicht vereinbar ist.164 Sie entspringen also jeweils dem Gemeinschaftsverhältnis. Demgegenüber sind die Mitglieder von Gesellschaftsorganen aufgrund der Organschaft zur (Fremd-)Interessenwahrung verpflichtet.165 Auch von ihrer Intensität her unterscheiden sich diese beiden Treuepflichten voneinander: Die mitgliedschaftlichen Treuepflichten sind schwächer ausgeprägt als die organschaftlichen Treuepflichten.166 Denn die Organmitglieder müssen sich ausschließlich am Interesse der jeweiligen Gesellschaft orientieren, während die Gesellschafter auch Privatinteressen verfolgen dürfen, wenn sie eigennützige Mitgliedschaftsinteressen wahrnehmen.167 b.) Die organschaftliche Treuepflicht Die organschaftliche Treuepflicht, der alle Organmitglieder – Geschäftsführer, Vorstände und Aufsichtsräte – unterliegen,168 wird aus dem Verhältnis zwischen Organmitglied und Gesellschaft abgeleitet und geht mit der Stellung als Organ einher.169 Denn mit der Bestellung der Betroffenen als Organmitglieder 164 Hüffer, AktG, § 53a Rdnr. 15 ff. (folgt aus der Satzung); Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 8 ; ders., WM 2003, 1045, 1047. 165 Funktional entspricht deren Stellung derjenigen des Interessenwahrers bei Verträgen der Fremdinteressenwahrung. Auf das Anstellungsverhältnis als Fremdinteressenwahrungsvertrag lässt sich in diesem Fall allerdings nicht abstellen, weil dieses nicht die Grundlage der gesteigerten organschaftlichen Treuepflicht bildet. Vielmehr ist diese in dem Organschaftsverhältnis verankert, das mit der Bestellung zum Organmitglied entsteht. Siehe Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 429; außerdem die Nachweise in Fn. 169. 166 Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 8 ; ders., WM 2003, 1045, 1047; Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 954. 167 Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 8 ; ders., WM 2003, 1045, 1047. Siehe dazu auch BGH GmbHR 1991, 362; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, § 14 Rdnr. 24. 168 Allgemein Grundmann, Treuhandvertrag, S. 26 f., 269, 421 ff. Für den Vorstand: GroßkommAktG/Hopt, § 93, Rdnr. 144; Hüffer, AktG, § 84 Rdnr. 9; KölnKommAktG/ Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 95; MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rdnr. 92; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 344 ff.; Weisser, Corporate Opportunities, S. 136 ff.; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 1; ders., WM 2003, 1045; Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 427. Für die Aufsichtsratsmitglieder statt aller GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 116 Rdnr. 173; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb börsennot. AG, § 29 Rdnr. 26; Knapp, Treuepflicht, S. 167 ff. Für den Geschäftsführer der GmbH: statt aller Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 151 ff.; Gantenberg, Interessenkonflikte, S. 158 ff. Für die (geschäftsführenden) Gesellschafter der OHG Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 114 Rdnr. 12 f. (und damit zugleich für die Komplementäre der KG, siehe Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 161 Rdnr. 15). 169 BGHZ 15, 71, 78; MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rdnr. 92; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 5 ; ders., WM 2003, 1045, 1046; Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 951; in Bezug auf die GmbH Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG,
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öffnet die Gesellschaft ihre Interessensphäre ihnen gegenüber in besonderer Weise: Die Befugnis zur Geschäftsführung und die rechtliche Vertretung der Gesellschaft nach außen ermöglichen es den Organmitgliedern, die Interessen der Gesellschaft umfänglich zu beeinflussen.170 Dabei können sie regelmäßig eigenständig und weisungsfrei handeln. Die organschaftliche Treuepflicht verpflichtet die Organmitglieder dazu, die ihnen übertragenen Aufgaben loyal wahrzunehmen, sich ausschließlich von den Interessen der Gesellschaft leiten zu lassen und alles zu unterlassen, was sich auf das Unternehmen nachteilig auswirken könnte.171 Sie haben sich in allen Angelegenheiten, die das Interesse der Gesellschaft berühren, allein von deren Wohl und nicht vom eigenen Vorteil oder demjenigen Dritter leiten zu lassen.172 Die organschaftliche Treuepflicht geht somit weiter als die Pflicht nach § 242 BGB, sich nach Treu und Glauben zu verhalten.173 Organmitglieder werden daher verbreitet als „Treuhänder“ eingeordnet174 und ihre Tätigkeit als „treuhänderische Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen“ charakterisiert.175 Zum Teil wird auch nur von einer treuhandähnlichen Position gesprochen.176 Funktional vergleichbar ist das Verhältnis von Organmitglied und Gesellschaft mit demjenigen von Geschäftsbesorger und Geschäftsherrn nach § 675 BGB.177 Rechtsvergleichend entsprechen diese Treuepflichten funktional
§ 35 Rdnr. 38; Polley, Wettbewerbsverbot, S. 87. Siehe außerdem Hüffer, AktG, § 84 Rdnr. 9 (mit Bestellung rechtsgeschäftlich begründet). 170 Rusch, Gewinnhaftung, S. 186. 171 Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 431; ders., ZIP 2006, 1615; ders., NZG 2003, 697, 698; Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 2; Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 950. 172 BGH WM 1967, 679; WM 1977, 361, 362; WM 1983, 498, 499; 1984, 1335, 1339; NJW 1986, 585 f.; außerdem BGH NJW 1986, 584, 585 (Gesellschafter-Geschäftsführer einer OHG); aus der Literatur stv. GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 145; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 43 Rdnr. 19; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rdnr. 42; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 2 ; siehe auch Rusch, Gewinnhaftung, S. 185. 173 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 145; Hüffer, AktG, § 84 Rdnr. 9, § 93 Rdnr. 5; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 95; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 3 ; siehe auch Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 428. 174 BGHZ 129, 30, 34; GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 12; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 26 f., 421; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 III 5 a (S. 208) („treuhänderische Stellung“); Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rdnr. 91 (“treuhänderische Stellung“); Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 344. Siehe auch Orts, in: Davis/Stark, Conflicts of Interest in the Professions, S. 129. 175 BGHZ 129, 30, 34. 176 Wiesner, in: Hoffmann-Becking, MünchHdb GesR, Bd. 4, § 25 Rdnr. 2 („wie ein treuhänderischer Verwalter“). 177 Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 428; siehe auch Hopt, FS Mestmäcker, 1996, S. 909, 921.
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den fiduciary obligations von company directors im angloamerikanischen Recht.178 Die organschaftliche Treuepflicht kommt in einigen konkretisierenden gesetzlichen Regelungen zum Ausdruck, wie etwa dem für den Vorstand geltenden Wettbewerbsverbot, § 88 Abs. 1 AktG, oder der Verschwiegenheitspflicht, § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG. Für börsennotierte Gesellschaften enthält der Deutsche Corporate Governance Kodex darüber hinaus Empfehlungen für wichtige Anwendungsfälle der Treuepflicht für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder. So empfiehlt etwa Ziff. 4.3.3 DCGK für Vorstandsmitglieder und Ziff. 5.5.1 DCGK für Aufsichtsratsmitglieder, dass diese dem Unternehmensinteresse verpflichtet sein sollen und bei ihren Entscheidungen weder persönliche Interessen verfolgen noch Geschäftschancen, die dem Unternehmen zustehen, für sich nutzen dürfen.179 Die organschaftlichen Treuepflichten der Organmitglieder gelten nur gegenüber der Gesellschaft, nicht auch gegenüber den einzelnen Anteilseignern.180 Dies wird mit der innerverbandlichen Haftungsordnung des Kapitalgesellschaftsrechts begründet, die in § 93 AktG bzw. § 43 GmbHG auf die Gesellschaft hin ausgerichtet ist.181 Auch eine Erstreckung auf Anteilseigner mittels eines Analogieschlusses ist abzulehnen. Denn da eine unmittelbare Haftung der Geschäftsleiter gegenüber den Gesellschaftern lediglich in bestimmten Einzelfällen geregelt wird – etwa in § 31 Abs. 6 GmbHG oder § 117 Abs. 2 AktG – fehlt es an einer ausreichenden Grundlage, um mit Hilfe einer Gesamtanalogie eine mitgliederbezogene Treuepflicht zu begründen.182 Die Gesellschafter haben jedoch die Möglichkeit, sich auf die ihnen gegenüber geltende Treuepflicht der Gesellschaft zu berufen, die von den für die Gesellschaft handelnden Organen zu beachten ist.183 178 Hopt, in: Hopt/Teubner, Corporate Governance, S. 285, 295 ff., 300 ff.; Rusch, Gewinnhaftung, S. 186. Vgl. auch Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 950, der die organschaftliche Treuepflicht als “duty of loyalty” bezeichnet. 179 Dazu Ringleb/Kremer/Lutter/v.Werder/Ringleb, DCGK, Rdnr. 828 f. (Vorstand); Ringleb/Kremer/Lutter/v.Werder/Kremer, DCGK, Rdnr. 1087 ff. (Aufsichtsrat). 180 BGHZ 83, 122, 134; 110, 323, 334 (Verein); GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 469; MünchKommGmbHG/Fleischer, § 43 Rdnr. 157; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 431, 436; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 6 ; ders., WM 2003, 1045, 1046; Kuntz, Informationsweitergabe, S. 29 ff.; Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 774; vorsichtiger Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rdnr. 35 („nicht unmittelbar“); a.A. etwa Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 241; wohl auch ders., WM 2009, 1, 3. 181 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 469; Kuntz, Informationsweitergabe, S. 31 ff. Siehe dazu auch Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 6 ; ders., WM 2003, 1045, 1046. Auch wird darauf hingewiesen, dass andernfalls die Gefahr von Pflichtenkollisionen stiege und die Möglichkeit von Einzelklagen ausgeweitet würde, was das Binnenrecht der Kapitalgesellschaften aus der Balance bringen könnte. Vgl. dazu Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 6 ; ders., WM 2003,1045, 1046. 182 Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 6 ; ders., WM 2003,1045, 1046. 183 BGHZ 127, 107, 111; Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 774.
IV. Rechtsgrundlage der Interessenwahrungspflichten
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Abzugrenzen ist die Treuepflicht von der Sorgfaltspflicht.184 Diese ist eine eigene Pflicht, mit eigenen Voraussetzungen und Rechtsfolgen.185 Dies entspricht der Differenzierung in anderen Rechtsordnungen, die zwischen der Sorgfaltspflicht (duty of care) und der Treuepflicht (duty of loyalty) unterscheiden.186 c.) Umfang der organschaftlichen Treuepflicht Der Umfang der Treuepflicht von Organmitgliedern orientiert sich am Umfang der Öffnung der Interessensphäre der Gesellschaft und den damit einhergehenden Gefahren für diese. Je erheblicher die Gefahr und die Auswirkungen eines pflichtwidrig gelösten Interessenkonflikts sind, desto intensiver ist die Treuepflicht.187 Besonders weitgehend ist die Treuepflicht von Mitgliedern der Geschäftsleitungsorgane von Gesellschaften.188 In ihrem Fall führt ein pflichtwidrig gelöster Konflikt unmittelbar zur Selbstschädigung der Gesellschaft, weil diese durch ihre Organe handelt und die Organe die Interessen der Gesellschaft umfassend wahrnehmen.189 Diese vollständige Öffnung der Interessensphäre gegenüber den Geschäftsleitern, die ihnen einen umfangreichen Entscheidungsspielraum und Einfluss auf die (Vermögens-)Interessen und letztlich auch auf den Bestand der Gesellschaft gewährt, erfordert eine intensivere Interessenwahrungspflicht als bei anderen Interessenwahren, wie etwa Aufsichtsratsmitgliedern. Aufsichtsratsmitglieder haben keinen vergleichbaren Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft und ihr Amt stellt nur eine Nebentätigkeit dar.190 Dementsprechend sind die an sie gestellten Anforderungen weniger streng.191 So gilt für sie z. B. das Wettbewerbsverbot des § 88 Abs. 1 AktG nicht. Aus der Treuepflicht entspringt unter anderem das allgemeine Verbot, die Organstellung im eigenen Interesse auszunutzen.192 Organmitglieder dürfen 184 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 72; ders., FS Kübler, 1997, S. 435, 439; Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 430; siehe auch die Unterscheidung bei Hüffer, AktG, § 93 Rdnr. 4 ff., § 116 Rdnr. 3 f.; a.A. zunächst Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 950 (der auch die Sorgfaltspflicht als Treuepflicht einordnet), nun aber Wiedemann, WM 2009, 1, 2. 185 Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 430. 186 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 72. Zum angloamerikanischen Recht z. B. Clark, Corporate Law, § 3.4 (S. 123) und § 4.1 (S. 141); Hill/McDonnell in: Hill/McDonnell, Research Handbook, S. 133. 187 In ähnliche Richtung weist der Ansatz von Koller, der auf die Nähe des Interessenwahrers zum Geschäftsherrn abstellt. Vgl. Koller, BB 1978, 1733, 1736 f.; vgl. auch Kübler/ Waltermann, ZGR 1991, 162, 167 (abhängig von der Einfluß- und Beeinträchtigung). 188 Vgl. dazu nur Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162, 167. 189 Löhnig, Treuhand, S. 405. 190 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 147; ders., in: Hopt/Teubner, Corporate Governance, S. 285, 301 f.; Weisser, Corporate Opportunities, S. 182 f.; Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 432; Priester, ZIP 2011, 2081, 2082. 191 Siehe nur Fleck, FS Heinsius, 1991, S. 89, 90 f.; Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 432. 192 Z. B. Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 198 ff.
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daher keine Schmiergelder annehmen193 oder sich sonst Vermögenswerte verschaffen, die nicht im Anstellungs- oder Gesellschaftsvertrag als Vergütung vereinbart worden sind. Außerdem dürfen sie nicht der Gesellschaft zustehende Geschäftschancen für sich verwerten194 oder Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse an Dritte weitergeben195 – für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder besteht insoweit eine ausdrückliche Regelung in §§ 93 Abs. 1 Satz 3, 116 AktG.
4.) Berufs- und aufsichtsrechtliche Interessenwahrungspflicht Berufsrechtliche196 Ausformungen von Interessenwahrungspflichten finden sich vor allem in solchen Bereichen, die für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind. Vielfach sieht das Recht in solchen Fällen allerdings eine statusbezogene Regelung in Form der Unabhängigkeit vor, wie etwa für den Wirtschaftsprüfer.197 Aber auch das Berufsrecht enthält Verhaltensregeln zur Gewährleistung der Interessenwahrung. So findet etwa die berufsrechtliche Interessenwahrungspflicht des Rechtsanwalts besonderen Ausdruck in § 3 Abs. 1 BRAO, wonach der Rechtsanwalt der „berufene… Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten“ ist, und in § 43a Abs. 4 BRAO, wonach er keine widerstreitenden Interessen vertreten darf. Ausdrückliche Erwähnung findet die Interessenwahrungspflicht im kapitalmarktrechtlichen Aufsichtsrecht. So hat z. B. ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach § 31 Abs. 1 WpHG seine Dienstleistungen „im Interesse seiner Kunden“ zu erbringen (Nr. 1 a. E.) und sich „um die Vermeidung von Interessenkonflikten zu bemühen“ (Nr. 2 am Anfang). Zudem muss es die allgemeine Art und Herkunft der Interessenkonflikte eindeutig offenlegen, soweit die von ihm ergriffenen organisatorischen Maßnahmen nicht ausreichen, um „nach vernünftigem Ermessen das Risiko der Beeinträchtigung von Kundeninteressen zu vermeiden“ (Nr. 2). Für Kapitalverwaltungsgesellschaften wird die Interessenwahrungspflicht in § 26 Abs. 1 KAGB ausdrücklich statuiert, wonach diese ihre Aufgaben „ausschließlich im Interesse der Anleger“ wahrzunehmen haben.
BGH WM 1962, 578. Dazu § 15. 195 § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG. Dazu BGH NJW 1975, 1412. 196 Der Begriff wird hier enger als in Art. 12 GG, aber weiter als der der freien Berufe verstanden. Zur Dogmatik des Berufsrechts z. B. Hirte, Berufshaftung, passim; ders., in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch, S. 191 ff.; Hopt, AcP 183 (1983), 608; Lang, AcP 201 (2001), 451. 197 Zur Unabhängigkeit ausführlich § 4 und § 5. 193
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a.) Die Einwirkung berufsrechtlicher Pflichten auf Vertragspflichten am Beispiel des Rechtsanwalts Die berufsrechtlichen und aufsichtsrechtlichen Interessenwahrungspflichten wirken sich auch auf die vertraglich vereinbarte Interessenwahrungspflicht aus und prägen diese. So hat etwa der Mandant, der einen Rechtsanwalt aufsucht, bestimmte Erwartungen an dessen berufliches Verhalten, die sich insbesondere aus wesentlichen berufsrechtlichen Wertungen und Pflichten ergeben. So ist Voraussetzung für die Wahrnehmung anwaltlicher Aufgaben, dass der Rechtsanwalt unabhängig, verschwiegen und nur den Interessen des eigenen Mandanten verpflichtet ist.198 Der Rechtsverkehr muss sich darauf verlassen können, dass der Rechtsanwalt die in § 43a BRAO niedergelegten Pflichten erfüllt, „damit die angestrebte Chancen- und Waffengleichheit der Bürger untereinander und gegenüber dem Staat gewahrt wird und die Rechtspflege funktionsfähig bleibt“.199 Entsprechend muss auch der einzelne Ratsuchende – als Teil der Gesamtheit „Rechtsverkehr“ –, auf die Einhaltung der berufsrechtlichen Vorgaben für den Anwalt vertrauen können, wenn er einen Rechtsanwalt aufsucht und mit der Beratung und Vertretung beauftragt. Nimmt der Rechtsanwalt das ihm angetragene Mandat an, erklärt er aus verobjektivierter Sicht des Mandanten, vgl. §§ 133, 157 BGB, dass er diesen Anforderungen gerecht werden will.200 Entsprechend wird diese Erklärung und werden damit die berufsrechtlichen Pflichten Vertragsbestandteil. Die vertragliche Interessenwahrungspflicht wird somit von den Parteien an den berufsrechtlichen Interessenwahrungspflichten ausgerichtet. b.) Die Einwirkung aufsichtsrechtlicher Pflichten auf Vertragspflichten am Beispiel der §§ 31 ff. WpHG Im Fall der aufsichtsrechtlichen Vorschriften des WpHG wird vertreten, dass diese mit Blick auf das privatrechtliche Verhältnis zwischen dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen und dem Anleger keine unmittelbare (individualschützende) Wirkung zugunsten der Anleger entfalten.201 Insbesondere seien sie auch keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB.202 Anleger könnten daher gegenüber dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen aus diesen Vorschriften keine Rechte herleiten. Anderen zufolge haben die anlegerschüt BVerfG NJW 2003, 2520, 2521; BGHZ 174, 186, 189. BVerfGE 108, 150, 162; BGH NJW 2012, 3039, 3040. Vgl. zu diesen Zwecken auch BVerfGE 63, 266, 284; 93, 213, 236; BVerfG NJW 2003, 2520, 2521. 200 BGHZ 174, 186, 190. 201 Für einen ausschließlich öffentlich-rechtlichen Charakter der §§ 31 ff. WpHG z. B. Schwark/Zimmer/Schwark, KMRK, Vor §§ 31 ff. WpHG Rdnr. 15; Sethe, Vermögensverwaltung, S. 748 f. Siehe zu dieser Problematik auch Assmann/Schneider/Koller, WpHG, Vor § 31 Rdnr. 3 ff.; ders., FS Huber, 2006, S. 821, 839; Assmann, FS Schneider, 2011, S. 37 ff. 202 Schäfer, WM 2007, 1872 ff. 198
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zenden Vorschriften des WpHG eine Doppelnatur, d. h. sie sind sowohl als aufsichtsrechtliche als auch als zivilrechtliche Normen zu charakterisieren.203 Schließlich wird vertreten, dass die Vorschriften des WpHG insofern auf das Rechtsverhältnis zwischen Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Anleger ausstrahlen, als sie den Inhalt der Leistungs- und Rücksichtnahmepflichten nach § 241 Abs. 1 und 2 BGB oder auch die Interessenwahrungspflicht204 des zugrunde liegenden privatvertraglichen Verhältnisses konkretisieren.205 Voraussetzung ist danach, dass bereits ein Vertrag zwischen Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Anleger besteht. Mit den neuen Regelungen in § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 lit. h WpDVerOV ist dieser Streit zumindest im Hinblick auf die interessenkonfliktbezogenen Regelungen hinfällig geworden. Nach § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG hat das Wertpapierdienstleistungsunternehmen Maßnahmen zur Erkennung von Interessenkonflikten und zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der Kundeninteressen zu treffen.206 Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 lit. h WpDVerOV hat es seinen Kunden eine Beschreibung seiner Grundsätze für den Umgang mit Interessenkonflikten zur Verfügung zu stellen. Da dies „rechtzeitig“ (§ 31 Abs. 3 Satz 1 WpHG) geschehen muss, damit der Kunde seine Entscheidung treffen kann, wird das Unternehmen diese Beschreibung, ebenso wie seine AGB und weitere erforderliche Informationen, regelmäßig vor Vertragsschluss dem Kunden zukommen lassen müssen. Dabei wird das Unternehmen bzw. seine Mitarbeiter den Kunden regelmäßig nicht darauf hinweisen, dass es sich bei den Grundsätzen ausschließlich um eine aufsichtsrechtlich geforderte Maßnahme handele, für die das Unternehmen gegenüber dem Kunden aber nicht (vertraglich) einstehen wolle. Vielmehr wird ein durchschnittlicher privater Kunde, der diese Grundsätze vorgelegt bekommt und re203 KölnKommWpHG/Möllers, § 31 Rdnr. 10 ff., 15; Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 Rdnr. 11; Veil, WM 2007, 1821, 1825; Köndgen, FS Canaris, Bd. 2 , 2007, S. 183, 206; Lang/Bausch, WM 2010, 2101, 2104; vorsichtiger Mülbert, ZHR 172 (2008), 170, 183 f.; gegen die Charakterisierung als Doppelnorm Rothenhöfer, in: Baum u. a., Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 55, 67 ff. 204 So Rothenhöfer, in: Baum u. a., Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 55, 75 f. 205 Siehe nur Assmann/Schneider/Koller, Vor § 31 Rdnr. 3; Fuchs/Fuchs, WpHG, Vor §§ 31 bis 37a Rdnr. 58; KölnKommWpHG/Möllers, § 31 Rdnr. 13; Rothenhöfer, in: Baum u. a., Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 55, 70 ff., 73 ff. Krit. zur „Ausstrahlungswirkung“ etwa Assmann, FS Schneider, 2011, S. 37, 47; Köndgen, FS Canaris, Bd. 2, 2007, S. 183, 206 (der allerdings aus der entgegengesetzten Perspektive zu Assmann argumentiert und dem eine bloße und lediglich einseitige „Aussstrahlung“ zu wenig ist). 206 Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss „auf Dauer wirksame Vorkehrungen für angemessene Maßnahmen treffen, um Interessenkonflikte bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen zwischen ihm selbst einschließlich seiner Mitarbeiter und der mit ihm direkt oder indirekt durch Kontrolle im Sinne des § 1 Abs. 8 des Kreditwesengesetzes verbundenen Personen und Unternehmen und seinen Kunden oder zwischen seinen Kunden zu erkennen und eine Beeinträchtigung der Kundeninteressen zu vermeiden“ (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG).
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gelmäßig keine oder höchstens vage Vorstellungen hinsichtlich der Unterscheidung zwischen aufsichtsrechtlichen und vertraglichen Pflichten hat, davon ausgehen, dass sich das Wertpapierdienstleistungsunternehmen ihm gegenüber an diese Grundsätze gebunden fühlt und dafür auch einstehen will. Damit werden diese Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten Inhalt des privatrechtlichen Vertrags zwischen dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen und dem Kunden. Der Kunde kann somit aus diesen Grundsätzen, die sich an den aufsichtsrechtlichen Vorgaben insbesondere des WpHG orientieren müssen, aufgrund des Vertrages eigene Rechte gegen das Wertpapierdienstleistungsunternehmen ableiten. Auf die Frage, ob eine interessenkonfliktbezogene Regelung der §§ 31 ff. WpHG individualschützend ist, kommt es damit nicht (mehr) an. Dies gilt auch dann, wenn die Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten fehler- oder lückenhaft sind. In diesem Fall würde sonst das Wertpapierdienstleistungsunternehmen aus der Nichtbeachtung des Aufsichtsrechts eine günstigere vertragliche Rechtsposition ableiten können, was bei Verträgen des Interessengegensatzes einen Verstoß gegen Treu und Glauben, § 242 BGB, und bei Fremdin teressenwahrungsverträgen eine Verletzung der Interessenwahrungspflicht darstellen würde.
5.) Interessenwahrungspflicht gesetzlicher Interessenwahrer Interessenwahrungspflichten existieren schließlich auch im Rahmen gesetzlicher Interessenwahrungsverhältnisse, insbesondere im Familienrecht: So ist der Vormund gegenüber dem Mündel, §§ 1793 ff. BGB (insbesondere etwa § 1793 Abs. 1 Satz 1 BGB), der Pfleger gegenüber dem Pflegling, §§ 1915 Abs. 1 i.V.m. 1793 ff. BGB, und der Betreuer gegenüber dem Betreuten, §§ 1896 ff. BGB (insbesondere § 1901 BGB), zur Interessenwahrung verpflichtet. Auch der Insolvenzverwalter ist im Rahmen seiner Tätigkeit zur Wahrung der Interessen insbesondere der Gläubiger, in gewissem Umfang aber auch der des Schuldners, verpflichtet.207 Allerdings werden Interessenkonflikte gesetzlicher Interessenwahrer208 zum Teil anders behandelt als diejenigen von Interessenwahrern in anderen Rechtsgebieten. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass familienrechtliche Interessenwahrer nicht nur in wirtschaftlichen Angelegenheiten für ihre „Geschäftsherren“ tätig werden, sondern ihnen auch in persönlichen Belangen 207 Siehe dazu bereits Kumpan, KTS 2010, 169, insb. 175 ff.; für eine Beschränkung auf die Wahrung der Gläubigerinteressen Kessler, ZIP 2000, 1565, 1572. Zur Treuepflicht der Mitglieder des Gläubigerausschusses siehe nur Schulz, Treuepflichten, S. 134 ff. 208 Der Begriff des gesetzlichen Interessenwahrers lehnt sich an denjenigen des gesetzlichen Vertreters an und bezeichnet insbesondere diejenigen Interessenwahrer, die gerichtlich bestellt werden, um die Interessen eines anderen wahrzunehmen.
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zur Seite stehen. Damit kann die Öffnung der Interessensphäre in diesen Fällen besonders weit gehen. Hinzu kommt, dass der „Geschäftsherr“ häufig gar nicht selbst über die Öffnung seiner Interessensphäre bestimmen kann, sondern ein Dritter, in der Regel ein Gericht, die Entscheidung darüber trifft. Die Betroffenen selbst können ihre Interessen daher weniger – wenn überhaupt – schützen als Geschäftsherren bei vertraglichen Interessenwahrungsverhältnissen. Dies erhöht die Gefahr, die von Interessenkonflikten für die Interessen der Betroffenen ausgeht. Andererseits kann in diesen Fällen eine besondere persönliche Bindung zwischen dem Vertretenen und seinem gesetzlichen Vertreter bestehen, was die Gefahr von Interessenkonflikten und Benachteiligungen des Vertretenen grundsätzlich verringert. Dennoch unterliegt der gesetzliche Interessenwahrer einer strengen Interessenwahrungspflicht. So hat etwa der Vormund die Vermögensinteressen des Mündels, über die er die Verfügungsgewalt hat, unter völliger Außerachtlassung seiner eigenen Interessen zu verfolgen: Er muss die Vermögenssorge für das Mündel als ausschließlich fremdnützige Vermögensverwaltung betreiben.209 Die Verfolgung eigener Zwecke bei der Vermögensverwaltung ist ihm untersagt, § 1805 BGB. Zudem sehen die gesetz lichen Bestimmungen zahlreiche konkrete Vorgaben und Beschränkungen für die Tätigkeit der gesetzlich vorgesehenen Interessenwahrer vor.210 Die mit Fremdinteressenwahrungsverträgen vergleichbare Interessenausrichtung hat die Rechtsprechung dazu veranlasst, Parallelen zum Auftragsrecht, als dem grundlegenden vertraglichen Interessenwahrungsverhältnis, zu ziehen. So hat sie etwa den Gedanken des Auftragsrechts, dass die gesamten Vorteile der Geschäftsführung dem Auftraggeber zustehen, auch im Fall der Vormundschaft und der Pflegschaft für anwendbar erklärt.211
V. Inhalt und Konkretisierung der Interessenwahrungspflicht 1.) Inhalt und Umfang im Allgemeinen Die Interessenwahrungspflicht hat sowohl eine positive als auch eine negative Ausprägung: In ihrer positiven Ausprägung verpflichtet sie den Interessenwahrer dazu, die ihm anvertrauten fremden Interessen des Geschäftsherrn nach 209 MünchKommBGB/Wagenitz, § 1806 Rdnr. 1; Gernhuber/Coester-Waldjen, Familienrecht, § 72 Rdnr. 10 (S. 949 f.). 210 Eine vollständige Untersuchung aller dieser Vorgaben und Beschränkungen, wie etwa zu Schenkungen des Vormunds, § 1804 BGB, zur Anlage von Mündelgeld, § 1806 BGB, etc. würde den Umfang dieser Untersuchung sprengen. Da viele dieser Regelungen für die familienrechtlichen Interessenwahrungsverhältnisse spezifisch sind und sich auf vertragliche Interessenwahrungsverhältnisse nicht übertragen lassen, sollen sie im Folgenden außen vor bleiben. Aufgegriffen werden jedoch solche Regelungen, die sich an vertragsrechtliche Bestimmungen anlehnen, wie etwa § 1795 BGB. 211 RGZ 164, 98, 103.
V. Inhalt und Konkretisierung der Interessenwahrungspflicht
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besten Kräften zu wahren und zu fördern,212 d. h. sich loyal für die Interessen des Geschäftsherrn einzusetzen.213 So wird etwa von Vorständen unter anderem verlangt, dass sie ihre Arbeitskraft und ihre Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen ohne Vorbehalte der Gesellschaft zur Verfügung stellen.214 Das umfasst die Verpflichtung, in besonderen Situationen Überstunden zu leisten 215 oder einen Urlaub zu verschieben oder abzubrechen 216 . Auch müssen sie das Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit wahren und dürfen sich über sie nicht herabsetzend äußern.217 Auch dürfen sie sich nicht zur Unzeit aus dem Vertrag zurückziehen, sofern nicht besondere Umstände dies rechtfertigen.218 Ausdrücklich angesprochen wird die bestmögliche Förderung der Interessen des Geschäftsherrn z. B. in § 33a WpHG, wo es um die Pflicht zur „bestmöglichen Ausführung von Kundenaufträgen“ geht (sog. best execution). Dort lässt sich aber auch sehen, wie schwer es ist, die „bestmögliche“ Wahrnehmung der Interessen des Geschäftsherrn zu definieren. Denn nach § 33 Abs. 2 WpHG hängt die Erzielung des bestmöglichen Ergebnisses von einer ganzen Reihe von Faktoren ab: den Preisen der Finanzinstrumente, den mit der Auftragsausführung verbundenen Kosten, der Geschwindigkeit und der Wahrscheinlichkeit der Ausführung, der Abwicklung des Auftrags sowie dem Umfang und der Art des Auftrags, die mit Blick auf den jeweiligen Kunden, den Kundenauftrag, das Finanzinstrument und den Ausführungsplatz gewichtet werden müssen. In ihrer negativen Ausprägung fordert die Interessenwahrungspflicht vom Interessenwahrer, alles zu unterlassen, was die Interessen des Geschäftsherrn gefährden könnte.219 Insbesondere darf der Interessenwahrer seine Stellung we212 Staudinger/Martinek, BGB, § 662 Rdnr. 31; Hueck, Treuegedanke, S. 15; Polley, Wettbewerbsverbot, S. 88; Weisser, Corporate Opportunities, S. 132. Für eine ähnliche Unterscheidung zwischen aktiven und passiven Förderpflichten bei Mitgliedern Lutter, AcP 180 (1980), 84, 108 ff. 213 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 156; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 96; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 15; Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 431. Vgl. auch Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, S. 192. 214 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rdnr. 49; GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 156; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 96; Michalski/ Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rdnr. 92; MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rdnr. 92; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 218; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rdnr. 128; ders., in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 16; Weisser, Corporate Opportunities, S. 134. Vgl. dazu aus der Rechtsprechung BGH WM 1977, 361, 362; 1989, 1335, 1339. 215 Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rdnr. 92; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 16; ders., WM 2003, 1045, 1050. 216 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 156; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 96; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 16; ders., WM 2003, 1045, 1050. 217 GroßkommAktG/Hopt, § 93, Rdnr. 157; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 98. 218 Dazu Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rdnr. 93. 219 Hueck, Treuegedanke, S. 15; ders., Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, S. 192;
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der zum eigenen noch zum Vorteil anderer und zu Lasten des Geschäftsherrn ausnutzen.220 Im Fall eines Interessenkonfliktes mit eigenen kollidierenden Interessen hat er diese zurückzustellen, d. h. seine Interessen denen des Geschäftsherrn unterzuordnen.221 Im besonderen Fall der Eigengeschäfte mit dem Geschäftsherrn („self-dealing“) hat er, sofern ihm solche überhaupt erlaubt sind,222 die ihm obliegende Interessenwahrungspflicht ganz besonders zu achten.223 Hier gilt in besonderer Weise, dass er seine Stellung nicht ausnutzen darf, um sich zum Schaden seines Geschäftsherrn unberechtigte Vorteile zu verschaffen.224 Er darf aber solche Vorteile vereinnahmen, die auch ein Dritter, der mit der Gesellschaft „at arm’s length“ verhandelt, bei einem Geschäft erzielt hätte.225 Auch bei einem Konflikt zwischen den Interessen des Geschäftsherrn und denen eines Dritten, müssen die Interessen des Geschäftsherrn für den Interessenwahrer grundsätzlich immer Vorrang haben.226 Besonderheiten gelten in dem Fall, dass der Interessenwahrer die Interessen verschiedener Dritter wahrnimmt, die miteinander kollidieren und die der Interessenwahrer gleichberechtigt wahrzunehmen hat.227 Der genaue Inhalt und Umfang der Interessenwahrungspflicht richtet sich im Einzelfall nach dem Zweck und der Ausgestaltung des jeweiligen Rechtsverhältnisses.228 Denn daraus ergibt sich, wie weit der Geschäftsherr seine InteresWeisser, Corporate Opportunities, S. 132; Polley, Wettbewerbsverbot, S. 88; Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 431. Entsprechend zur mitgliedschaftlichen Treuepflicht Lutter, AcP 180 (1980), 84, 110 ff. 220 Ausführlich Grundmann, Treuhandvertrag, S. 192 ff. Zum Gesellschaftsrecht im Besonderen z. B. GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 156 ff.; GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 116, Rdnr. 173 ff.; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 100; Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, Grundmann, Treuhandvertrag, S. 269 ff.; Wiedemann, Organverantwortung, S. 7 f. 221 BGH NJW 1989, 2697; GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 148; Hopt, ZGR 2004, 1, 5 ff.; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rdnr. 87; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rdnr. 3 ; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 153; Mestmäcker, Verwaltung, S. 215; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 10; Möllers, in: Hommelhoff/ Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 431; siehe außerdem Hueck, FS Hübner, 1935, S. 72, 80; ders., Treuegedanke, S. 19; Coing, Treuhand, S. 137 ff.; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 93. 222 Dazu § 10 III.1.). 223 Für das Verhältnis Organmitglied-Gesellschaft GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 159. Vgl. dazu auch Wiedemann, Organverantwortung, S. 16 ff. Aus internationaler Perspektive zum self-dealing etwa Clark, Corporate Law, ch. 5 (S. 159 ff.); Enriques, ICCLJ 2 (2000), 297; Goshen, 91 Cal. L. Rev. 393 (2003). 224 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 159. Siehe auch Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 432. 225 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 159; ders., ZGR 2004, 1, 10. 226 Dazu etwa BGH NJW 1986, 584; GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 148; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 148 ff., insb. 150; 227 In diesem Fall bedarf es besonderer Konfliktlösungsprinzipien. Dazu § 14. 228 Vgl. dazu Lutter, AcP 180 (1980) 84, 105, 109; außerdem Staudinger/Martinek, BGB, § 662 Rdnr. 29; Weisser, Corporate Opportunities, S. 132 ff.
V. Inhalt und Konkretisierung der Interessenwahrungspflicht
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sensphäre dem Interessenwahrer gegenüber öffnet. Je weiter er seine Interessensphäre öffnet, indem er dem Interessenwahrer bestimmte Aufgaben und bestimmte Befugnisse überträgt, desto mehr Vertrauen bringt er damit zum Ausdruck und desto ausgeprägter ist die Vertrauensstellung des Interessenwahrers. Damit wird aber auch seine Pflicht, diesem Vertrauen gerecht zu werden, immer ausgeprägter.229 Diese besondere Stellung bringt es mit sich, dass der Interessenwahrer die ihm übertragene Interessenwahrung regelmäßig höchstpersönlich vornehmen muss, was in § 664 Abs. 1 Satz 1 BGB ausdrücklich statuiert wird. Im Fall rechtsgeschäftlich begründeter Interessenwahrungsverhältnisse können die Parteien Inhalt und Umfang grundsätzlich frei vereinbaren; im Fall nicht rechtsgeschäftlicher Verhältnisse ergeben sie sich regelmäßig aus dem Gesetz.230 Das Spektrum reicht von der Wahrnehmung aller Interessen, wie etwa im Fall von Gesellschaftsorganen, über die Wahrnehmung von Teilbereichen von Interessen, wie etwa beim Pfleger, bis hin zur Wahrnehmung von Einzelinteressen, wie etwa im Fall einer Kommission oder einem Maklervertrag. Weisungen des Geschäftsherrn hat der Interessenwahrer im Rahmen vertraglicher Interessenwahrungsverhältnisse zu beachten. Sie stellen eine Konkretisierung der Interessen des Geschäftsherrn dar. Widersprechen die Weisungen aus Sicht des Interessenwahrers den Interessen des Geschäftsherrn, muss er sie nicht widerspruchslos ausführen. Vielmehr verpflichtet ihn seine Interessenwahrungspflicht, die von ihm einen „denkenden Gehorsam“ verlangt, 231 auf die von ihm beobachtete Diskrepanz zwischen Interessen des Geschäftsherrn und dessen Weisungen hinzuweisen.232
2.) Die Konkretisierung der Interessenwahrungspflicht Die Interessenwahrungspflicht wird im Hinblick auf den Umgang mit Interessenkonflikten von zahlreichen Regelungen konkretisiert und flankiert. Denn bei ihr handelt es sich um eine generelle Pflicht, die ausfüllungsbedürftig ist, um sie im Einzelfall handhabbar zu machen und die mit ihr verbundene Rechtsunsicherheit auszuräumen.233 a.) Notwendigkeit einer Konkretisierung aus ökonomischer Perspektive Rechtsökonomisch ist die Konkretisierung von Interessenwahrungspflichten insbesondere im Hinblick auf die präventive Verhaltenssteuerung von Interessenwahrern von Bedeutung. Denn die generalklauselartige Interessenwah Staudinger/Martinek, BGB, § 662 Rdnr. 33. Löhnig, Treuhand, S. 120. 231 Heck, Grundriß des Schuldrechts, § 119 Anm. 5 (S. 355). 232 Löhnig, Treuhand, S. 210. 233 Statt aller Hueck, Treuegedanke, S. 19. 229 230
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§ 3 Interessenwahrungspflicht
rungspflicht eignet sich für eine solche Verhaltenssteuerung kaum.234 Generalklauseln erschweren es dem Rechtsunterworfenen ex ante vorherzusehen, welches Verhalten von ihm im Nachhinein verlangt werden wird.235 Zudem besteht auch bei der Interessenwahrungspflicht wie bei jeder Generalklausel die Gefahr, dass der jeweilige Rechtsanwender subjektive Wertungen einfließen lässt, um ein als „gerecht“ empfundenes Ergebnis zu erzielen. Dies kann zu für Dritte nicht immer nachvollziehbaren Billigkeitserwägungen führen und die Vorhersehbarkeit von Entscheidungen erheblich beeinträchtigen.236 In einigen Rechtsgebieten, wie etwa dem Kapitalmarktrecht, ist daher eine immer stärkere Tendenz zur gesetzlichen und untergesetzlichen Normierung von konkret ausgestalteten Vorgaben zu beobachten. Diese ergänzen oder überlagern sogar die vor allem von den Gerichten betriebene Ausgestaltung und Konkretisierung der Interessenwahrungspflicht. Solche konkreten gesetzlichen Regelungen ermöglichen eine bessere präventive Steuerung, weil sie die Regelungsunterworfenen in die Lage versetzen, die rechtlichen Folgen ihres Handelns besser vorherzusehen. Eine präventive Steuerung ist vor allem dann von Bedeutung, wenn zwischen den Parteien ein besonderes Ungleichgewicht besteht und Loyalitätsabweichungen des Interessenwahrers für den Geschäftsherrn nicht bzw. nicht schnell genug erkennbar sind. Wo ein solches Ungleichgewicht herrscht, wie etwa im Verhältnis von Bank und Privatkunde, ist die Pflichtendichte höher als dort, wo die Geschäftsherren ausreichend erfahren und sachkundig sind, um ihre Interessen selbst zu schützen, wie etwa im Verhältnis sog. institutioneller Investoren und Finanzunternehmen. b.) Systematisierung der konkretisierenden Regelungen und Pflichten Besondere Regelungen, die die (allgemeine) Interessenwahrungspflicht konkretisieren, finden sich in zahlreichen Gesetzen oder sind in Rechtsprechung entwickelt worden. Diese können für Analogieschlüsse bei vergleichbaren Konfliktlagen in anderen Interessenwahrungsverhältnissen herangezogen werden, bei denen die Öffnung der Interessensphäre des Geschäftsherrn vergleichbar weit geht. (i) Konfliktoffenlegung, Konfliktvermeidung, Konfliktlösung Stellt man auf den Umgang mit dem Interessenkonflikt ab, können diese ganz unterschiedlichen Regelungen in solche der Konfliktoffenlegung, der Konfliktvermeidung und der Konfliktlösung unterteilt werden.237 Janke, Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, S. 25. Vgl. dazu mit Blick auf die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht Häuser, Unbestimmte „Maßstäbe“, S. 178. 236 Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 4 ; siehe auch Timm, WM 1991, 481, 482. 237 Dazu ausführlich in § 6. An dieser Stelle erfolgt nur ein kurzer Überblick. 234 235
V. Inhalt und Konkretisierung der Interessenwahrungspflicht
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Wesentliche Bedeutung hat vor allem die Konfliktoffenlegung. Aufgrund von Anzeige- und Offenlegungspflichten hat der Interessenwahrer dem Geschäftsherrn ungefragt alle Interessenkonflikte ohne Einschränkung offenzulegen.238 Flankiert wird dies regelmäßig von einer Rechenschaftspflicht, die den Interessenwahrer dazu verpflichtet, Rechenschaft darüber abzulegen, dass er seine Interessenwahrungspflicht beachtet hat239. Die Konfliktoffenlegung stellt eine grundlegende Regelung dar, die zahlreichen anderen Konfliktregelungen notwendig vorgelagert ist. Denn der Geschäftsherr kann nur dann weitere Maßnahmen ergreifen, wenn er zuvor von dem Konflikt erfahren hat. Aufgrund der regelmäßig herrschenden Informationsasymmetrie zwischen Geschäftsherr und Geschäftsbesorger im Hinblick auf das Innenleben des Letzteren, ist der Geschäftsherr auf die Offenlegung des Konflikts durch den Interessenwahrer angewiesen. Des Weiteren führt die Konfliktoffenlegung zu einem im Vergleich zu anderen Maßnahmen geringen Eingriff in die Rechtsbeziehungen der Betroffenen und bietet dem Geschäftsherrn eine Art Basisschutz, indem sie ihm die Möglichkeit gibt, selbst Schutzmaßnahmen ergreifen zu können. Wo schwerwiegende Interessenkonflikte drohen und ein Selbstschutz des Geschäftsherrn nicht ausreichend möglich erscheint, existieren Regelungen zur Konfliktvermeidung. Diese sind je nach Art der Beziehung und des Konflikts unterschiedlich ausgestaltet. Die Regelungen reichen von Wettbewerbsverboten über die Verlagerung von Zuständigkeiten (z. B. § 112 AktG) und organisatorischen Anforderungen (z. B. Chinese walls) und bis zu besonderen Kontrollmechanismen. Nicht immer ist jedoch eine Konfliktvermeidung möglich und andererseits eine bloße Offenlegung nicht ausreichend. In diesen Fällen muss eine Konfliktlösung erfolgen. Dies gilt z. B. in solchen Fällen, in denen Interessenkonflikte erst nachträglich auftreten oder auch im Geschäftsmodell notwendig angelegt sind, wie etwa bei Kommissionären am Kapitalmarkt, die für zahlreiche Kunden Aufträge an den Markt leiten. Die Lösungsmechanismen für solche Konflikte reichen – abhängig von der Schwere des Konflikts – von prozeduralen Vorgaben, wie dem Prioritätsprinzip, bis zur Pflicht zur Niederlegung des Auftrages, Amtes oder Mandates.
GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 185; ders., ZGR 2004, 1, 25 ff.; für den Vorstand der AG Ziff. 4.3.4 DCGK; Wiedemann, Organverantwortung, S. 28; Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 12; ders., WM 2003, 1045, 1050; für den Geschäftsführer der GmbH etwa GroßkommGmbHG/Paefgen, § 43 Rdnr. 109; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rdnr. 90. 239 Hopt, ZGR 2004, 1, 31; für den Vorstand der AG Fleischer, in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 12; ders., WM 2003, 1045, 1050. 238
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(ii) Dauerhafte und punktuelle Interessenkonflikte Eine weitere wesentliche Unterscheidung erfolgt zwischen dauerhaften und lediglich punktuellen Interessenkonflikten. Beispiel hierfür ist etwa die Unterscheidung zwischen Wettbewerbsverboten, die längerfristig ausgerichtet sind und dauerhaft bestehende oder wiederkehrende Interessenkonflikte verhindern sollen, und der Geschäftschancenlehre, die einzelne Geschäfte in den Blick nimmt und daher auf punktuelle Interessenkonflikte ausgerichtet ist. Die zum Teil einschneidenden Maßnahmen in Bezug auf dauerhafte Interessenkonflikte erscheinen hinsichtlich punktueller, also zeitlich begrenzter, Interessenkonflikte sowie solcher von geringerer Erheblichkeit oftmals übermäßig und unangemessen. Denn punktuelle Konflikte können oft auch durch weniger intensive Maßnahmen angemessen gelöst werden. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass es im Interesse des Geschäftsherrn sein kann, das Interessenwahrungsverhältnis trotz eines Interessenkonflikts des Interessenwahrers weiterzuführen und nur für den begrenzten Bereich, der von dem Konflikt berührt wird, Vorkehrungen zu treffen. Im Rahmen vertraglich vereinbarter Interessenwahrungsverhältnisse können solche Vorkehrungen individuell vereinbart werden. Wo dies nicht geschieht, sowie für gesetzliche Interessenwahrungsverhältnisse haben die gesetzlichen Regelungen solches zu berücksichtigen. (iii) Abstrakte und konkrete Konflikte In der Regel gehen die besonderen Vorschriften zur Vermeidung von Interessenkonflikten vom abstrakten Interessenkonflikt aus. Beispiel hierfür sind etwa die Inhabilitätsvorschriften und das Wettbewerbsverbot. Aufgrund der abstrahierenden, formal-typisierenden Betrachtung erfolgt die Anwendung dieser Regelungen einheitlich und ohne Berücksichtigung des Einzelfalls. Dies gewährleistet Rechtssicherheit, nimmt jedoch in Kauf, dass die jeweiligen Regelungen im Einzelfall überschießen. Da Interessenkonfliktregelungen regelmäßig die Handlungsfreiheit des Interessenwahrers beschränken, ist eine solche überschießende Regelung nur gerechtfertigt, wo gewichtige Interessen geschützt werden müssen. Wo dies nicht der Fall ist, muss eine Betrachtung des Einzelfalls erfolgen und werden an den konkreten Konflikt anknüpfende Lösungen gewählt. Beispiel hierfür ist etwa die Pflicht zur Amtsniederlegung im Fall eines gravierenden Interessenkonfliktes. Da ein konkreter Konflikt für Dritte jedoch häufig nur schwer zu erkennen ist, bedarf es in diesen Fällen in der Regel eines besonderes Aktes, der die Lösung des Konfliktes nach außen manifestiert, wie beispielsweise eine Kündigung, eine Gerichtsentscheidung oder ein Aufsichtsratsbeschluss.
VI. Abdingbarkeit und Intensivierung der Interessenwahrungspflicht
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3.) Nachwirkung der Interessenwahrungspflicht Die Interessenwahrungspflicht endet in der Regel nicht vollständig mit dem Ende des Interessenwahrungsverhältnisses. So bleibt etwa die Interessenwahrungspflicht eines Organmitglieds auch noch nach Beendigung seiner Organstellung insofern nachwirkend bestehen, als es um Ereignisse während dessen Amtszeit geht.240 Der ausscheidende Geschäftsleiter darf daher z. B. keine Geschäftschancen der Gesellschaft „mitnehmen“, 241 Verträge an sich ziehen, die für die Gesellschaft angebahnt oder sogar abgeschlossen wurden,242 oder solche Geschäfte der Gesellschaft beeinträchtigen; auch darf er keine Informationen für eigene Geschäfte ausnutzen, bezüglich derer er weiterhin zur Verschwiegenheit verpflichtet ist.243 Gleiches gilt für vertragliche und gesetzliche Interessenwahrer. Denn da die Interessenwahrungspflicht die Kehrseite der Öffnung der Interessensphäre des Geschäftsherrn darstellt, gilt sie solange, wie die mit der Öffnung einhergehende besondere Verletzbarkeit der Interessensphäre des Geschäftsherrn noch besteht. Begründen lässt sich dies zudem mit dem Rechtsgedanken der nachvertraglichen Pflichten des allgemeinen Vertragsrechts,244 der im Hinblick auf fortwirkende Organpflichten weiterentwickelt worden ist.245
VI. Abdingbarkeit und Intensivierung der Interessenwahrungspflicht 1.) Intensivierung der Interessenwahrungspflicht Die Beteiligten können regelmäßig eine Intensivierung der Interessenwahrungspflicht vereinbaren. Eine solche kann etwa so aussehen, dass sich der Interessenwahrer verpflichtet, für keinen anderen Geschäftsherrn tätig zu werden, solange er die Interessen des ersten Geschäftsherrn wahrnimmt, auch wenn ihm das Gesetz dies grundsätzlich erlauben würde. Da die Interessenwahrungspflicht dem Schutz des Geschäftsherrn dient, ist es mit diesem Ziel vereinbar, wenn sich die Parteien auf einen stärkeren Schutz des Geschäftsherrn ver240 BGH WM 1977, 194; GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 183; KölnKommAktG/ Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 112; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 173; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rdnr. 158; ders., in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 46; ders., WM 2003, 1045, 1058. 241 BGH NJW 1986, 585, 586. 242 BGH WM 1977, 194. 243 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 184; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 112; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rdnr. 158; ders., in: Fleischer, Hdb VorstandsR, § 9 Rdnr. 46; ders., WM 2003, 1045, 1058. 244 BGH WM 1977, 194. 245 Siehe Palzer, Fortwirkende organschaftliche Pflichten, passim.
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ständigen. Regelmäßig wird dieses „Mehr“ an Schutz eine besondere Konkretisierung der bestehenden Interessenwahrungspflicht im Hinblick auf das gegenseitige Rechtsverhältnis bedeuten. D. h. die Parteien regeln besondere konkrete Pflichten des Interessenwahrers zum Schutz der Interessen des Geschäftsherrn, die auf den konkreten Einzelfall zugeschnitten sind.
2.) Keine gänzliche Abdingbarkeit der Interessenwahrungspflicht Weniger eindeutig ist hingegen, ob Interessenwahrungspflichten auch mittels vertraglicher Vereinbarungen abgeschwächt oder gar vollkommen abbedungen werden können.246 In der Praxis besteht ein diesbezügliches Bedürfnis etwa im Fall von alternativen Investments und der Innovationsfinanzierung.247 Oftmals betreuen die mit der Vermögensverwaltung betrauten Manager mehrere Fonds gleichzeitig, was zu Konflikten führen kann, wenn sie Geschäftschancen nur für eine Gesellschaft nutzen können.248 Ein Abbedingen der Interessenwahrungspflicht könnte in einem solchen Fall für den Geschäftsherrn erwägenswert sein, falls sich der Interessenwahrer nur gewinnen lässt, wenn er zugleich für andere konkurrierende Geschäftsherren tätig sein darf. Ein solches Abbedingen kann aber nur bei vertraglichen und organschaftlichen Interessenwahrungspflichten überhaupt in Frage kommen. Im Fall gesetzlicher Interessenwahrer sowie aufsichts- oder berufsrechtlich verankerten Interessenwahrungspflichten ist dies nicht möglich. Die gesetzlichen Regelungen sind in diesen Fällen regelmäßig zwingend – insbesondere wenn die „Geschäftsherren“, wie im Fall des Betreuten oder des Minderjährigen, nicht dazu fähig sind, wirksame vertragliche Vereinbarungen zu treffen. Denn in diesen Fällen wird ein Schutz der Interessen des (materiellen) Geschäftsherrn für besonders notwendig erachtet und/oder werden weitere Schutzzwecke (z. B. Institutionenschutz oder Schutz von Allgemeininteressen) verfolgt. Den Beteiligten ist daher ein Abbedingen verwehrt, weil sie den besonderen Schutzzweck der jeweiligen Vorschriften aushebeln würde.
246 Dazu etwa Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, insb. 772 ff. Gegen eine vollständige Abbedingung (im Hinblick auf das Wettbewerbsverbot) KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rdnr. 8 ; Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1270 (nicht im Anstellungsvertrag, nur in der Satzung); im Hinblick auf die weniger intensive mitgliedschaftliche Treuepflicht Hüffer, AktG, § 53a Rdnr. 18; Timm, WM 1991, 481, 483 (Aktionäre). Für einen Überblick über die Situation in den USA Haar, in: Baum u. a., Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 141, 149 ff.; Pistor, in: Baum u. a., Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 481, 490 ff. 247 Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 766. Dazu zählen Hedgefonds, Private Equity Fonds und Venture Capital Fonds. 248 Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 766.
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a.) Rechtsökonomische Erwägungen Aus rechtsökonomischer Perspektive spricht zunächst einmal nichts grundsätzlich gegen ein Abbedingen von vertraglichen Pflichten, insbesondere auch der Interessenwahrungspflicht. Denn sofern kein unlauteres Handeln im Spiel ist, wird sich der Geschäftsherr nur dann auf ein Abbedingen der für ihn günstigen Interessenwahrungspflicht einlassen, wenn er vom Interessenwahrer im Gegenzug einen Ausgleich erhält, den er ansonsten nicht erhalten würde.249 Um einen solchen Verzicht als sachgerecht einstufen zu können, ist eine informierte und sachgerechte Entscheidung des Geschäftsherrn erforderlich. Dies wiederum setzt unter ökonomischen Gesichtspunkten die Abwesenheit von Transaktionskosten, vollständige Information und Rationalität der Beteiligten voraus. Da diese Voraussetzungen in der Regel nicht erfüllt sind, wird ein Verzicht auf die Interessenwahrungspflicht aus rechtsökonomischer Sicht regelmäßig unzulässig sein. So wird es häufig an einer vollständigen Information mangeln, weil der Geschäftsherr nicht beurteilen kann, welchen Wert das zukünftige treuegemäße Verhalten des Interessenwahrers für ihn hat.250 Auch der Interessenwahrer wird diesen Wert in der Regel nicht kennen, weil er im Vorhinein nicht weiß, wann die Interessenwahrungspflicht von ihm ein bestimmtes Handeln oder Unterlassen fordern wird. Aber auch die Beschränkung auf einen Verzicht im Einzelfall bietet häufig keine Lösung, weil dann in vielen Fällen die Transaktionskosten zu hoch wären. So kommt es bei vielen Finanzgeschäften darauf an, dass sie möglichst schnell abgeschlossen werden.251 Eine zeitraubende Abstimmung zwischen den Parteien würde dazu führen, dass die jeweiligen Geschäfte nicht mehr vorgenommen werden könnten, weil sich die Bedingungen – etwa der Preis – bereits geändert haben. Aus verhaltensökonomischer Perspektive kommt hinzu, dass insbesondere Privatpersonen bei komplexen und langfristigen Entscheidungen häufig irrational handeln. Neben der Gefahr der dynamischen Inkonsistenz, also der übermäßigen Höherbewertung zeitlich näherer Auswirkungen ihres Handelns, besteht im Fall des Abbedingens der Interessenwahrungspflicht außerdem die Gefahr, dass die Geschäftsherren einer over-confidence bias erliegen: Der Geschäftsherr meint, dass er in der Lage sei, das Risiko eines zukünftigen Interessenkonflikts und die möglichen Nachteile, die ein Abbedingen der Interessen-
249 Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 771. Im Fall der alternativen Anlage Investments werden die Gesellschafter das Risiko einer Schädigung ihrer Interessen dann eingehen, wenn sie sich eine bessere Rendite ihrer Anlage versprechen, die sie ohne den Treuepflichtdispens nicht erhalten würden. 250 Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 771. 251 Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 771.
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wahrungspflicht mit sich bringt, korrekt einschätzen zu können, die tatsächliche Gefahr ist jedoch erheblich größer.252 b.) Rechtliche Erwägungen hinsichtlich der vertraglichen Interessenwahrungspflicht Aus rechtlicher Sicht ist die Zulässigkeit eines völligen Abbedingens der vertraglich vereinbarten Interessenwahrungspflicht abzulehnen. Das gilt un abhängig davon, ob man die Interessenwahrungspflicht als Haupt- oder als Nebenpflicht einordnet. Von den Befürwortern einer Abdingbarkeit der Interessenwahrungspflicht wird vorgetragen, dass bei einer Einordnung als Hauptpflicht § 311 Abs. 1 BGB gelten müsse und die Parteien die Interessenwahrungspflicht daher verändern oder auch ganz abbedingen können müssten.253 Ein gänzliches Abbedingen würde jedoch dazu führen, dass dem jeweiligen Vertrag dessen spezifischer Fremdinteressenwahrungscharakter genommen würde. Denn die Interessenwahrungspflicht ist nicht allein eine Hauptpflicht, sie charakterisiert den Vertrag auch unmittelbar selbst. Sie ist Teil der Gebundenheit der Parteien und formt diese selbst mit.254 Dies zeigt sich mit besonderer Deutlichkeit am Vertrag zwischen Rechtsanwalt und Mandant und am Anlageberatungsvertrag. Ein Abbedingen der Interessenwahrung wäre hier gar nicht möglich, weil der ganze Vertrag nur darauf abzielt. Hinzu kommt, dass eine wie auch immer geartete Kompensation nicht geeignet ist, die fehlende Richtigkeitsgewähr bei Interessenwahrungsverträgen auszugleichen, die mit Hilfe der Interessenwahrungspflicht aufgefangen werden soll. Zudem lässt sich eine höhere Rendite bei Kapitalanlagen, wie sie alternative Investments für gewöhnlich vornehmen, nicht garantieren. Die bloße Aussicht auf eine höhere Rendite aber ist in keinem Fall adäquater Ersatz für den Verlust des Interessenschutzes. Denn ob sie erzielt wird, lässt sich nicht vorhersagen. Damit führt ein (völliges) Abbedingen lediglich dazu, dass der Öffnung der Interessensphäre, die mit der Einräumung des Ermessens- und Handlungsspielraum erfolgt, keine korrespondierende Beschränkung dieses Freiraums mehr gegenübersteht. Außerdem wäre ein komplettes Abbedingen in vielen Fällen auch mehr, als nötig wäre. Im Hinblick auf die parallele Verwaltung verschiedener alternativer Investmentfonds würde es ausreichen, wenn dem Fondsmanager erlaubt werden würde, lediglich bei der Zuteilung der Geschäftschancen zwischen den Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 772. Aus diesem Grund gegen die Zulässigkeit eines vollständigen Abbedingens der duty of loyalty in den USA Eisenberg, 47 Stan. L. Rev. 211, 249 (1995). 253 Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 775. 254 So für die Treuepflicht im Fall von Gemeinschaftsverhältnissen Zöllner, Schranken, S. 338. Vgl. dazu auch Immenga, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 267 (keine Entlassung aus Treuepflichten im Vorhinein). 252
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Gesellschaften von der Interessenwahrungspflicht abzuweichen.255 Eine generelle Freistellung von der Beachtung der Interessenwahrungspflicht bedarf es hierzu nicht. Sofern man die Interessenwahrungspflicht als besondere Ausprägung von Treu und Glauben ansieht und als Nebenpflicht in § 242 BGB verortet, ist ein gänzliches Abbedingen ebenfalls abzulehnen. Wer § 242 BGB für generell unabdingbar hält,256 muss dies auch für die Interessenwahrungspflicht annehmen. Aber auch wer zwar den generellen Grundsatz der Redlichkeit für zwingend hält, aber den Parteien einräumt, bis zu den Grenzen von § 138 BGB die schuldrechtlichen Pflichten abbedingen und ändern zu können, 257 wird ein Abbedingen der Interessenwahrungspflicht nicht bejahen können. Zwar erscheint es in diesem Fall zunächst konsequent, alles, was über den Redlichkeitsgrundsatz hinausgeht, für abdingbar zu erklären.258 Dies übersieht aber, dass das Gesetz bei den Interessenwahrungsverhältnissen gerade ein „Mehr“ an Schutz für notwendig erachtet und daher eine stärkere Pflichtenbindung statuiert. Denn auch von den Vertretern der Ansicht, die die Interessenwahrungspflicht in § 242 BGB verortet, wird diese zumindest als „intensivere“ Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben eingestuft.259 Diese gesetzliche Wertung würde aber unterlaufen, wenn man ein Abbedingen der intensiveren Pflicht gleichwohl für möglich hielte und damit den gleichen Zustand erreichen könnte, wie bei den Fällen, in denen das Gesetz weniger Schutz für nötig erachtet. Es würde die Verhältnisse geradezu auf den Kopf stellen, wenn man eine vom Gesetz schwächer ausgestaltete Pflichtenbindung (den Redlichkeitsgrundsatz) nicht beseitigen könnte, eine intensiver ausgestaltete, strengere Pflichtenbindung (die Interessenwahrungspflicht) jedoch schon. c.) Rechtliche Erwägungen hinsichtlich der organschaftlichen Interessenwahrungspflicht Speziell in Bezug auf das Abbedingen der organschaftlichen Treuepflicht werden darüber hinaus besondere gesellschaftsrechtliche Argumente ins Feld geführt. So wird argumentiert, ein Abbedingen der Treuepflicht führe nicht dazu, dass die Gesellschaft ihrer strukturbildenden Elemente „entkernt“ werde, denn die Treuepflicht habe lediglich in einzelnen Regelungen ihren Niederschlag gefunden, die zudem auch noch dispositiv seien.260 Auch könne der Numerus Siehe dazu sogleich noch einmal unter § 3 VI.2.)c.). Jauernig/Mansel, BGB, § 242 Rdnr. 2 ; RGRK/Alff, BGB, § 242 Rdnr. 3 ; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 10 I (S. 128). 257 Soergel/Teichmann, BGB, § 242 Rdnr. 109; Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 775 f.; differenzierend Staudinger/Looschelders/Olzen, BGB § 242 Rdnr. 109. 258 Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 777. 259 Siehe die Verweise in Fn. 52. 260 Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 775. 255
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Clausus der Gesellschaftsformen nicht als Gegenargument herangezogen werden, weil es vielfältige atypische und Verbindungen verschiedener Gesellschaftsformen gebe und sich die Lehre vom Typenzwang somit nicht durchgesetzt habe.261 Mit dem Argument, dass die Treuepflicht lediglich in einigen dispositiven Regelungen einen gesetzlichen Ausdruck erfahren habe und daher nicht so wesentlich sein könne, dass sie unabdingbar sein müsse, sollte man – zumindest im Hinblick auf die Organe – vorsichtig sein. Zum einen kann die dispositive Gestaltung der ausdrücklichen Regelungen auch dafür ins Feld geführt werden, dass nur in diesen Fällen ein Abbedingen möglich ist. Zum anderen ist das Organ selbst nicht Vertragspartner im Rahmen des Gesellschaftsvertrages. Insofern eignet sich die an § 311 Abs. 1 BGB anknüpfende Argumentation jedenfalls nicht im Hinblick auf die Pflichten von Organen, die aus dem Organverhältnis folgen. Denn die Treuepflicht der Organmitglieder ist ihrer Organstellung inhärent. Fraglich ist dann nur, ob die Gesellschafter im Rahmen des Gesellschaftsvertrages bzw. in der Satzung diese Organstellung so umgestalten können, dass die Organmitglieder keinen Treuepflichten mehr unterliegen. Das in diesem Zusammenhang herangezogene Argument, dass die Koppelung von Gesellschaftsformen, wie etwa bei der GmbH & Co. KG, zulässig sei und es daher auch das Abbedingen der Treuepflicht sein müsse, erscheint fragwürdig. Zwar geht es bei der Kombination verschiedener Gesellschaftsformen vor allem darum, bestimmte, als (für die Gesellschafter) nicht so vorteilhaft angesehene Eigenschaften einer Gesellschaftsform durch die (vorteilhafteren) einer anderen Gesellschaftsform zu ersetzen. In Bezug auf die Regelungen zur Treuepflicht lässt sich daraus aber nichts ableiten. Denn da die Treuepflicht in allen Gesellschaftsformen zu finden ist, kann ein Ausschluss von Treuepflichten nicht allein durch eine Kombination von Gesellschaftsformen bewirkt werden. Die Möglichkeit, Gesellschaftsformen zu kombinieren, sagt somit nichts darüber aus, ob ein völliges Abbedingen der Treuepflicht zulässigerweise möglich ist. Für zumindest einen zwingenden Kern von Treuepflichten 262 spricht das besondere Regelungsgefüge des Gesellschaftsrechts, das ein Abweichen von den gesetzlichen Vorgaben nur in einem bestimmten Rahmen zulässt. So können die Gesellschafter nach der Wahl einer Gesellschaftsform in der Regel nicht darüber disponieren, welche Organe sie vorsehen möchten, 263 und müssen diesen zwingend bestimmte Aufgaben und Befugnisse übertragen. Zu diesen Befugnissen gehören insbesondere auch solche, deren Übertragung eine Öffnung Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 775. Vgl. dazu z. B. Scholz/Emmerich, GmbHG, § 13 Rdnr. 38c (schon für die mitgliedschaftliche Treuepflicht); Koppensteiner, GesRZ 2009, 197, 199 (im Fall von Gesellschaftern). 263 Eine Ausnahme bildet etwa der fakultative Aufsichtsrat bei der GmbH. 261
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der Interessensphäre der Geschäftsherren bedeutet und damit die Gefahr einer Verletzung der Interessen der Gesellschaft(er) mit sich bringt. Hierzu gehört etwa die Geschäftsführung im Fall des Vorstands bzw. des Geschäftsführers. Mit solchen Befugnissen und als Gegengewicht zu der damit erfolgten Öffnung der Interessensphäre geht aber die Treue und Verantwortung der Organmitglieder einher. Lässt nun das Gesetz für diese Überantwortung der Befugnisse keine Beschränkung durch die Gesellschafter zu, kann auch die damit korrespondierende allgemeine Treuepflicht, die die „Kehrseite“ dieser Befugnisse bildet, nicht ausgeschlossen werden. Im Fall der AG ist überdies zu beachten, dass bei einer Verortung der Treuepflicht in § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG die Vorschrift in § 23 Abs. 5 AktG ein generelles Abbedingen der Treuepflicht ausschließt.264
3.) Abdingbarkeit einzelner Ausprägungen der Interessenwahrungspflicht Dies hindert nicht daran, einzelne Ausprägungen der Interessenwahrungspflicht abzubedingen.265 Welche dieser konkreten Pflichten bzw. Regelungen abbedungen werden können, muss für jede von ihnen einzeln untersucht werden. An dieser Stelle erfolgt dazu nur ein kurzer Überblick anhand einiger Beispiele, für die Einzelheiten wird auf die Untersuchung der Einzelausprägungen der Interessenwahrungspflicht verwiesen.266 Zum Teil ergibt sich die Möglichkeit des Abbedingens ausdrücklich aus dem Gesetz, zum Teil aus einer Übertragung der gesetzlichen Regelungen auf nicht ausdrücklich geregelte Fälle. Eine ausdrückliche Regelung sieht etwa § 181 BGB im Hinblick auf Insichgeschäfte vor („soweit ihm nicht ein anderes gestattet ist“). Auch das für Vorstände bzw. Handlungsgehilfen geltende und der Interessenwahrungspflicht entspringende Wettbewerbsverbot kann aufgehoben werden, wie sich aus § 88 Abs. 1 AktG bzw. § 60 Abs. 1 HGB ausdrücklich ergibt. Dies gilt zunächst einmal für den Einzelfall, aber auch darüber hinaus kann etwa das Wettbewerbsverbot nach § 88 AktG durch die Satzung zumindest modifiziert werden 267 – ein allgemeines Abbedingen des Wettbewerbsverbots durch den Aufsichtsrat scheitert jedoch an § 88 Abs. 1 Satz 3 AktG. Diese Regelungen werden in entsprechender Anwendung auf andere Gesellschafts264 Vgl. dazu MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rdnr. 156. Krit. zu diesem formalen Argument Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 777 (mit Hinweis auf die Austauschbarkeit von GmbH und geschlossener AG). 265 Dazu Hellgardt, FS Hopt, 2010, S. 765, 778 ff. Zur grundsätzlichen Möglichkeit des Abbedingens einzelner Ausprägungen der Interessenwahrungspflicht GroßkommAktG/ Hopt, § 93 Rdnr. 167. 266 Siehe dazu Teil 3. 267 GroßkommAktG/Kort, § 88 Rdnr. 115 f. (auch im Rahmen des Anstellungsvertrags); MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rdnr. 26; a.A. KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 88 Rdnr. 8.
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formen und Konstellationen des Wettbewerbsverbotes übertragen.268 Auch für die Geschäftschancenlehre lässt sich dies heranziehen.269 Über das gesetzlich – ausdrücklich oder abgeleitet – erlaubte Abbedingen hinaus ergibt sich aus dem Rechtsgrund für die Interessenwahrungspflicht, dass auch alle diejenigen Ausprägungen bzw. Konkretisierungen der Interessenwahrungspflicht abbedungen werden können, die die Kehrseite von konkreten Einzelbefugnissen darstellen, die selbst abbedungen werden können. Denn wenn der Geschäftsherr seine Interessensphäre weniger weit öffnet, bedarf er auch – korrespondierend – weniger Schutzes und kann entsprechend darauf verzichten. Ein Abbedingen ist schließlich auch in solchen Fällen zulässig, in denen es für den Geschäftsherrn erkennbar bzw. es üblich ist, dass der Interessenwahrer konkurrierende Aufträge annimmt, und dies nicht missbräuchlich geschieht.270 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich – wie etwa bei Banken – um den Beruf und die wichtigste Einkommensquelle des Interessenwahrers handelt, denn dann wird der Interessenwahrer seine Arbeitskraft kaum für nur einen Geschäftsherrn reservieren können.271 In solchen Fällen bedarf es dann diesbezüglich nicht einmal eines ausdrücklichen Abbedingens bzw. einer Aufklärung; vielmehr kann ein konkludentes Abbedingen angenommen werden.272 Rechtlichen Niederschlag hat dieser Gedanke etwa in § 60 Abs. 2 HGB gefunden. Das Abbedingen führt jedoch nicht zu einer völligen Freistellung von der Interessenwahrungspflicht, sondern lediglich zu einer Anpassung insofern, als der Interessenwahrer dazu verpflichtet wird, zumutbare Anstrengungen zu unternehmen, um Interessenkonflikte möglichst zu vermeiden 273 und sich – soweit möglich – an bestimmte Konfliktlösungsprinzipien, wie etwa das Prioritätsprinzip, zu halten. Nicht abbedungen werden können demgegenüber beispielsweise Inhabilitätsvorschriften, die zwingend sind. Da diese insbesondere für Interessenkonflikte gelten, die aufgrund eines Richtens in eigener Sache entstehen können, lässt sich daraus ableiten, dass dieser Typ des Interessenkonflikts vom Gesetz als besonders schwerwiegend eingestuft wird. In Anlehnung an die Nichtabdingbarkeit von Inhabilitätsvorschriften ist daher auch bei allen (anderen) Regelungen, die primär auf den Konflikt des Richtens in eigener Sache abzielen, von deren Unabdingbarkeit auszugehen. Siehe etwa für die GmbH Röhricht, Wpg 1992, 766, 767 ff; Timm, GmbHR 1981,
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177. Dazu § 15 V.5.). Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 910, 917. 271 Nicht anwendbar ist diese Ausnahme daher auf Vorstände, die gerade ihre gesamte Arbeitskraft in den Dienst der Gesellschaft stellen sollen. 272 Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 910, 917. 273 Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 910, 917. 269 270
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VII. Zusammenfassung Von zentraler Bedeutung für den Umgang mit Interessenkonflikten ist die Interessenwahrungspflicht. Diese verpflichtet den Interessenwahrer, die ihm anvertrauten Interessen des Geschäftsherrn umfänglich und nach besten Kräften zu wahren und alles zu unterlassen, was sie gefährden könnte. Ihr Rechtsgrund liegt darin, dass der Geschäftsherr dem Interessenwahrer seine Interessensphäre in einer Weise öffnet, die seine Interessen ungeschützt und damit besonders „verletzbar“ werden lässt. Ihre Rechtsgrundlage findet sich je nach Rechtsverhältnis im Vertragsrecht, im Organschaftsverhältnis, im Berufs- oder Aufsichtsrecht oder in sonstigen gesetzlichen Bestimmungen. Sie ist eine eigenständige Pflicht und nicht lediglich eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB. Ihr genauer Inhalt und Umfang richtet sich nach dem Zweck und der Ausgestaltung des jeweiligen Rechtsverhältnisses. Die Interessenwahrungspflicht wird durch besondere Pflichten der Konflikt offenlegung, der Konfliktvermeidung und der Konfliktlösung konkretisiert, die sich mit Blick auf die unterschiedlichen Typen von Interessenkonflikten weiter untergliedern lassen. Die Interessenwahrungspflicht kann in bestimmten Fällen, nämlich im Hinblick auf Ereignisse während der Amts- bzw. Vertragslaufzeit des betroffenen Interessenwahrers, auch noch nach Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses fortbestehen. Sie kann von den Parteien nicht komplett abbedungen werden, wohl aber einzelne ihrer Ausprägungen. Voraussetzung für ein solches Abbedingen ist, dass dies (1) entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist, (2) in Analogie zu den gesetzlichen Regelungen entwickelt werden kann, (3) dass – im Fall von Organen – die zugrunde liegenden Befugnisse der Organe, deren Treuepflicht abbedungen werden soll, von den Gesellschaftern modifiziert oder gar ausgeschlossen werden können oder (4) dass bereits bei Vertragsschluss offensichtlich ist, dass der Interessenwahrer auch Interessen anderer Geschäftsherren wahrnimmt, die möglicherweise in Konflikt mit den Interessen des Geschäftsherrn kommen können.
§ 4 Unabhängigkeit I. Einleitung Das Unabhängigkeitserfordernis ist neben der Interessenwahrungspflicht der zweite allgemeine Regelungsansatz für den Umgang mit Interessenkonflikten. Im Gegensatz zur Interessenwahrungspflicht, der ein pflichtenbezogener Regelungsansatz zugrundeliegt, stellt das Erfordernis der Unabhängigkeit eines Entscheidungsträgers einen statusbezogenen Regelungsansatz dar, der an eine Eigenschaft – die Unabhängigkeit – des Entscheidungsträgers anknüpft.1 Da sich allerdings Unabhängigkeit nicht „herbeiregeln“ und nur schwer positiv bestimmen lässt, wird im Rahmen gesetzlicher Vorschriften regelmäßig eine Negativ abgrenzung vorgenommen: 2 Normiert wird dabei, unter welchen Umständen keine Unabhängigkeit vorliegt. Während das Unabhängigkeitserfordernis traditionell vor allem im Zusammenhang mit dem Richteramt eine herausgehobene Bedeutung hatte (und hat), findet es zunehmend auch Verbreitung bei der Regelung privatrechtlich tätiger Geschäftsbesorger und überlagert bzw. ergänzt dort privatvertragliche Regelungen. Allerdings ist zu beobachten, dass die Diskussion über Unabhängigkeitserfordernisse und die damit zusammenhängenden Voraussetzungen und Pflichten in den einzelnen Rechtsgebieten noch weitgehend getrennt voneinander verläuft. Eine systematische Beschäftigung mit den Unabhängigkeitserfordernissen über die unmittelbaren Grenzen des jeweiligen Rechtszusammenhangs hinaus findet nicht bzw. nur mit Blick auf einen begrenzten Umkreis statt. Um eventuelle Wertungswidersprüche zwischen den verschiedenen Unabhängigkeitsregelungen aufzudecken, eventuell vorhandene Lücken zu schließen und eine bessere Abstimmung der verschiedenen Unabhängigkeitserfordernisse zu ermöglichen, ist zu untersuchen, ob und wie Unabhängigkeitserfordernisse für Geschäftsbesorger systematisch erfasst werden können. Dabei geht es um die Frage, ob es einen gemeinsamen Kern der Unabhängigkeitserfordernisse für Geschäftsbesorger in den verschiedenen Rechtsgebieten gibt, d. h. einen allgemeinen Regelungsgedanken, der allen Unabhängigkeitserfordernissen gemein Siehe in diesem Zusammenhang Hopt, ECFR 2013, 167, 173 ff. Scholderer, NZG 2012, 168, 172.
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sam ist und an den angeknüpft werden kann, um etwa Analogien herzuleiten, und der Grundlage für daran anknüpfende (besondere) Regelungen und Pflichten sein kann.
II. Begriff, Zweck und rechtliche Verankerung 1.) Begriff der Unabhängigkeit Unabhängigkeit bedeutet zunächst einmal das Nichtvorhandensein von Abhängigkeit,3 d. h. die Abwesenheit von beschränkenden Bindungen. Positiv gewendet kann Unabhängigkeit daher auch mit Freiheit gleichgesetzt werden.4 Im Zusammenhang mit Entscheidungen soll Unabhängigkeit, d. h. die Freiheit von Bindungen, sicherstellen, dass der Entscheidende bei seiner Entscheidungsfindung unvoreingenommen ist5 und seine Entscheidungen frei von sachfremden Einflüssen treffen kann.6 Schutzobjekt der Unabhängigkeit ist dementsprechend die Willensbildung.7 Unabhängigkeit kann als innere oder als äußere Unabhängigkeit bzw. „independence in fact“ und „independence in appearance“ verstanden werden.8 Bei der inneren Unabhängigkeit oder „Unbefangenheit“9 bzw. „independence in fact“ handelt es sich um eine geistige Einstellung des Betroffenen. Diese bezieht sich darauf, dass der Betroffene ausschließlich die zur Erfüllung der Aufgabe relevanten Aspekte berücksichtigt und sich in seiner Entscheidung nicht von sachfremden (eigenen oder fremden) Interessen, Rücksichtnahmen oder Neigungen beeinflussen lässt; außerdem umfasst sie die Fähigkeit, dieser Ein-
Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 153. Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 1 Rdnr. 13; Henssler/Prütting/Koch, BRAO, § 1 Rdnr. 37 ff.; Koch, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 7; vgl. dazu auch Redeker, NJW 1987, 2610. 5 Schramm, DStR 2003, 1364, 1367. 6 Vgl. dazu z. B. Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, BT-Drs. 14/7515, S. 46 (persönliche Unabhängigkeit von den executive directors und vom Management und persönliches Nichtbetroffensein vom wirtschaftlichen Wohlergehen der Gesellschaft); Berufssatzung für Wirtschaftsprüfer/vereidigte Buchprüfer (BS WP/vBP) vom 12.2.2010, S. 29 (Unabhängigkeit als Freiheit von Bindungen, die die berufliche Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen oder beeinträchtigen könnten). Vgl. auch Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 79; Davies, ZGR 2001, 268, 275. 7 Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 153. 8 Vgl. z. B. für den Abschlussprüfer die Empfehlung der Kommission vom 16. Mai 2002, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien, ABlEG Nr. L 191 v. 19.7.2002, S. 22, Anhang A, 1, 4. Absatz; Müller, Unabhängigkeit, S. 23 f.; Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 86 f.; Röhricht, WPg-Sonderheft 2001, S 80. 9 Röhricht, WPg-Sonderheft 2001, S 80. Siehe auch Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 36. 3 4
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stellung gemäß zu handeln.10 Die damit korrespondierende gegenteilige innere Einstellung wird mit dem Begriff der Befangenheit beschrieben.11 Demgegenüber meint äußere Unabhängigkeit das Freisein von rechtlichen, persönlichen und wirtschaftlichen Einwirkungsmöglichkeiten durch den Auftraggeber oder durch Dritte.12 Sie ist notwendige Voraussetzung für die innere Unabhängigkeit.13 Denn unbefangen kann jemand nur sein, wenn ihm das Ergebnis seiner Tätigkeit vollkommen gleichgültig ist, weil es keine Auswirkungen auf seine gegenwärtigen oder zukünftigen wirtschaftlichen oder persönlichen Verhältnisse hat.14 Gibt es eine für Dritte wahrnehmbare Bindung an den Auftraggeber bzw. den zu Prüfenden/zu Bewertenden bzw. – im Fall des Insolvenzverwalters – den Schuldner oder die Gläubiger und führt dies zum Anschein fehlender Unabhängigkeit, ist damit die äußere Unabhängigkeit des Betroffenen in Frage gestellt.15 Noch deutlicher wird die Orientierung an der Wahrnehmung durch Dritte am Begriff der „independence in appearance“. Er verdeutlicht, dass es drauf ankommt, ob die betreffende Person von außenstehenden Dritten als unabhängig handelnd angesehen wird.16 Fehlt es an der äußeren Unabhängigkeit bzw. wird der Handelnde nicht als unabhängig angesehen, führt dies regelmäßig zu dem Schluss, dass der Betroffene auch innerlich nicht unabhängig ist.17 Die Begriffe „independence in appearance“ und „äußere Unabhängigkeit“ korrespondieren mit dem Begriff der „Besorgnis der Befangenheit“.18 Auch die 10 Röhricht, WPg-Sonderheft 2001, S 80. Vgl. dazu auch Fleischer, DStR 1996, 758, 760; Müller, Unabhängigkeit, S. 24; Schwandtner DStR 2002, 323, 324. Zur „independence in fact“ siehe auch die Empfehlung der Kommission vom 16. Mai 2002, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien, ABlEG Nr. L 191 v. 19.7.2002, S. 22, Anhang A, 1, 4. Absatz (S. 34); Müller, Unabhängigkeit, S. 24; Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 86; Röhricht, WPg-Sonderheft 2001, S 80. 11 Zur Definition des Befangenheitsbegriffs im Fall des Abschlussprüfers Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 20; zur Auslegung auch MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rdnr. 22 ff. Zur Unterscheidung von Befangenheit und Interessenkonflikt § 1 II.3.)g.). 12 Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 37; Kitschler, Abschlussprüfung, Interessenkonflikt und Reputation, S. 28. 13 Fleischer, DStR 1996, 758, 760; Schwandtner DStR 2002, 323, 325. 14 Röhricht, WPg-Sonderheft 2001, S 81. 15 Braun/Blümle, InsO, § 56 Rdnr. 14; vgl. auch HK-InsO/Eickmann, § 56 Rdnr. 9 ; Schumann, in: FS Geimer, 2002, S. 1043, 1066, 1069. 16 Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 86; Röhricht, WPg-Sonderheft 2001, S 80. 17 Sind äußere Bindungen nicht erkennbar, so ist der Betroffene zwar äußerlich unabhängig, er kann jedoch dennoch innerlich voreingenommen bzw. befangen sein. 18 Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 156 (für independence in appearance); Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 38 (für äußere Unabhängigkeit); Bormann, BB 2002, 190. Siehe auch RegE BilMoG, BT-Drs. 16/10067, S. 101, wo Besorgnis der Befangenheit und Unabhängigkeit korrespondierend verwendet werden, sowie die Empfehlung der Kommission vom 16.5.2002, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien, ABlEG Nr. L 191 v. 19.7.2002, S. 22, Anhang A, 1, 4. Absatz (S. 34).
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Besorgnis der Befangenheit folgt aus äußeren Umständen, die Dritte zu der Annahme veranlassen, der Betroffene sei befangen.19 Wer anderen als unabhängig erscheint, bei dem besteht keine Besorgnis, dass er befangen sein könnte, und wer für befangen gehalten wird, der erscheint nicht als unabhängig. Es muss der begründete Verdacht nahe liegen, dass der Entscheidende nicht in der Lage sein wird, seine Tätigkeit unbefangen, unparteiisch und unbeeinflusst von eigenen oder fremden Interessen zu erbringen.20 Dabei ist wegen der strengen Rechtsfolgen und der berechtigten Interessen des Betroffenen,21 für die Beurteilung der Unabhängigkeit stets ein objektiver Beurteilungsmaßstab heranzuziehen.22 Das bedeutet, sie hat aus der Perspektive eines unvoreingenommenen und informierten, verständigen Dritten zu erfolgen.23 Die eigene subjektive Ansicht des Betroffenen ist unerheblich, andererseits reichen bloße „Ahnungen“ anderer nicht aus.24 Eine „Besorgnis der Befangenheit“ besteht daher regelmäßig dann, wenn aus der Sicht eines unvoreingenommenen und informierten verständigen Dritten genügend objektive Gründe bestehen, um an der Unvoreingenommenheit des Betroffenen ernstlich zu zweifeln.25
2.) Rechtsgrund von Unabhängigkeitserfordernissen Rechtsökonomische Begründungsversuche mit Hilfe der Principal-Agent-Theorie stoßen bei der Rechtfertigung von Unabhängigkeitserfordernissen an ihre Grenzen. Stellt man auf die vertraglichen Beziehungen ab, so ist in diesem Zusammenhang der beauftragende Geschäftsherr als principal einzustufen. In diesem Fall kann es zu Situationen kommen, in denen die Interessen des principal und des agent, des Interessenwahrers, vollkommen im Einklang mitein Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 38. Bzgl. des Abschlussprüfers etwa Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 20. 21 Vgl. MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rdnr. 25 (bzgl. des Abschlussprüfers). 22 So für den Abschlussprüfer Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 7; MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rdnr. 25; Koller/Roth/Morck/Morck, HGB, § 319 Rdnr. 3 ; Laukemann, Unabhängigkeit, S. 84; Gelhausen/Heinz, WPg 2005, 693, 697. 23 Der BGH stellt im Fall des Abschlussprüfers auf den „vernünftig und objektiv denkenden Dritten“ ab, siehe BGHZ 153, 32, 43; außerdem Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 7; MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rdnr. 25; Marx, Unabhängige Abschlussprüfung, S. 72; Gelhausen/Heinz, Wpg 2005, 693, 697; ähnlich RegE BilReG, BT-Drs. 15/3419, S. 38 (vernünftiger und verständiger Dritter). Die Europäische Kommission ging in ihrer Empfehlung hingegen vom Maßstab des „sachverständigen und informierten“ Dritten aus, siehe A. Rahmenkonzept, vor Abschnitt 1 und Anhang, Teil A der Empfehlung der Kommission vom 16.5.2002, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien, ABlEG Nr. L 191 v. 19.7.2002, S. 22. Zu diesen Maßstäben Lanfermann/Lanfermann, DStR 2003, 900, 906. 24 MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rdnr. 25; siehe auch etwa RegE BilReG, BT-Drs. 15/3419, S. 38; Schwandtner DStR 2002, 323, 324; Veltins, DB 2004, 445, 448. 25 Dazu Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 7; MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rdnr. 23 (Erheblichkeit des Grundes erforderlich, „böser Schein“ reicht nicht aus). 19
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ander stehen und es dennoch angezeigt ist, dass der agent von dem Geschäft Abstand nimmt. Beispiel hierfür ist das Verhalten der Ratingagenturen im Zusammenhang mit den Emissionen von Asset Backed Securities vor der Finanzkrise. Die Ratingagenturen hatten sich bei ihrem Rating und der oftmals vorgeschalteten Beratung lange Zeit zu einseitig an den Interessen der Emittenten orientiert, von denen sie mit dem Rating der Asset Backed Securities beauftragt worden waren.26 Die möglichen Auswirkungen auf den Kapitalmarkt und dessen Funktionsfähigkeit wurden von ihnen hingegen vernachlässigt. Diese waren aber ganz erheblich, wie der Vertrauensverlust zeigt, der mit der Aufdeckung dieses Verhaltens einsetzte und dann für die ab 2008 einsetzende Finanzkrise eine wesentliche Rolle spielte. Dies hing nicht zuletzt damit zusammen, dass Ratingagenturen eine immer größere Bedeutung für den Kapitalmarkt erlangt hatten – vor allem dadurch, dass es Banken und anderen Marktteilnehmern aufsichtsrechtlich erlaubt wurde, sich die Ratings der Agenturen für die Risikoeinschätzung heranzuziehen.27 Diese und ähnliche Beispiele zeigen die Grenzen einer rein vertraglichen Sichtweise bei der Anwendung der Principal-Agent-Theorie und haben dazu geführt, dass ein marktliches Regelungsmodell für die Statuierung von Unabhängigkeitserfordernissen erwogen worden ist.28 Unabhängigkeitserfordernisse und die daran anknüpfenden Pflichten werden von dieser Ansicht als Korrelat der Marktteilnahme verstanden.29 Dieser Ansatz löst sich von der Anknüpfung an bestimmte Interessen, wie sie bei der Interessenwahrungspflicht üblich ist.30 Auch beschränkt er sich auf die für vertragliche Interessenwahrer geltenden Unabhängigkeitserfordernisse. Will man bei einer Anknüpfung an Interessen bleiben und Unabhängigkeitserfordernisse im Rahmen eines an Interessenkonflikten orientierten Regelungsansatzes berücksichtigen, muss ein anderer Ansatz gewählt werden. Dabei ist – wie von der eben erwähnten Ansicht zu Recht zu bedenken gegeben wird – zu beachten, dass die Interessen des unmittelbaren Geschäftsherrn, von 26 Dazu ausführlich Kumpan, in: Allmendinger/Steffek et al., Corporate Governance nach der Finanz- und Wirtschaftskrise, S. 209, 218 ff.; Kumpan, 9 J. Corp. L. Stud. 261, 272 ff. (2009). 27 Insbesondere Art. 80 ff. Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, ABlEU Nr. L 177 v. 30.6.2006, S. 1. Siehe nun aber Art. 5a („Übermäßiger Rückgriff auf Ratings durch Finanzinstitute“) der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009, eingefügt durch Verordnung (EU) Nr. 462/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen, ABlEU Nr. L 146 v. 31.05.2013, S. 1. 28 Leyens, in: Baum u. a., Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 423, 431; ders., 11 JCLS 33, 43 ff. (2011); im Anschluss an entsprechende Gedanken hinsichtlich der Unternehmenspublizität bei Merkt, Unternehmenspublizität, S. 332 ff. 29 Siehe die Angaben in Fn. 28. 30 Dazu Leyens, in: Baum u. a., Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 423, 434.
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dem oder für den (im Fall einer gerichtlichen Bestellung) der Interessenwahrer beauftragt worden ist, nicht oder jedenfalls nicht allein ausschlaggebend sein können. Auch die voneinander differierenden individuellen Interessen derjenigen, die außerdem noch von den Entscheidungen des Interessenwahrers betroffen sind, wie z. B. „die Marktteilnehmer“, eignen sich nicht für eine Anknüpfung.31 Das den Anknüpfungspunkt bietende Interesse lässt sich aber induktiv, mit Hilfe einer Betrachtung der verschiedenen Unabhängigkeitserfordernisse, ermitteln. Analysiert man die verschiedenen Unabhängigkeitserfordernisse, zeigt sich, dass sie im Hinblick auf Institutionen statuiert werden, die für das Gemeinwesen von wesentlicher Bedeutung sind.32 Damit nehmen sie zugleich das Vertrauen in den Blick, das diesen Institutionen vom Rechtsverkehr entgegengebracht wird. Statuiert werden Unabhängigkeitserfordernisse dementsprechend dann, wenn Interessenwahrer mit ihren Entscheidungen Vertrauenstatbestände schaffen, die sich nicht auf die jeweiligen (Vertrags-)Parteien beschränken, sondern sich darüber hinaus auf Dritte bzw. die Allgemeinheit auswirken, und diese Entscheidungen nicht zu vernachlässigende Auswirkungen auf wesentliche Institutionen oder Mechanismen des Gemeinwesens haben können. So ist etwa die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers von Bedeutung, weil der zu prüfende Jahresabschluss nicht nur für die Gesellschaft selbst, sondern auch für deren Gesellschafter und darüber hinaus für die Marktteilnehmer und damit für die Allokationsfunktion des Marktes relevant ist.33 Auch das Recht als solches und seine korrekte Anwendung sind als besondere Basis für das Vertrauen des einzelnen und der Allgemeinheit Anknüpfungspunkt für Unabhängigkeitserfordernisse. So muss eine Beratung nicht grundsätzlich und in jedem Fall „unabhängig“ erfolgen. Sie muss es jedoch dann sein, wenn ihr eine besondere Funktion im Rahmen der Rechtsordnung zukommt, wie dies beim Steuerberater oder beim Rechtsanwalt der Fall ist. In diesen Situationen kann die Beratung nicht – wie in anderen Fällen der Interessenwahrung – ausschließlich an den Interessen des Beratenen ausgerichtet werden, sondern muss berücksichtigen, dass Gegenstand der Beratung rechtliche Regelungen sind, die nicht dem Einzelinteresse untergeordnet werden dürfen. Unabhängigkeitserfordernissen liegt somit eine Institutionen- und Drittbezogenheit bei der Interessenwahrung zugrunde, die die entsprechenden Interessenwahrungsverhältnisse von anderen Interessenwahrungsverhältnissen unterscheidet. Das Interesse, auf das es in diesem Zusammenhang ankommt, ist das allen Teilnehmern am Rechtsverkehr gemeinsame Interesse an der Funktionsfähigkeit der Institutionen des Gemeinwesens und der damit notwendig verbundenen Voraussetzung, dass die einzelnen Funktionsträger ihre Aufgaben So zu Recht Leyens, in: Baum u. a., Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 423, 434. Siehe dazu die Ausführungen in § 5. 33 Vgl. dazu Röhricht, WPg-Sonderheft 2001, S 80. 31
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korrekt erfüllen. Nur wenn diese Funktionsfähigkeit sichergestellt ist und Abweichungen im Einzelfall unterbunden werden, kann das für den Rechtsverkehr notwendige Vertrauen entstehen. Im Ergebnis liegt der Rechtsgrund für Unabhängigkeitserfordernisse mithin in der Übernahme von Aufgaben einer für das Gemeinwesen wesentlichen Institution, in deren Rahmen der einzelne Funktionsträger mittels Entscheidungen Vertrauenstatbestände schafft, die über das einzelne Rechtsverhältnis hinaus Bedeutung entfalten.
3.) Zweck von Unabhängigkeitserfordernissen Unabhängigkeitserfordernisse verfolgen zum einen als übergeordneten Zweck den Schutz der Integrität von wesentlichen Institutionen des Gemeinwesens und des Vertrauens des Rechtsverkehrs in diese Institutionen. Zum anderen haben sie den auf die einzelnen Entscheidungen bezogenen Zweck, dass diese unvoreingenommen und frei von sachfremden Einflüssen zustande kommen. Damit verbunden ist der „prozedurale“ Zweck, die entscheidenden Funktionsträger dazu anzuhalten, unvoreingenommen und frei von sachwidrigen Einflüssen zu entscheiden, ohne den Inhalt und das Ergebnis der Entscheidungsfindung vorzugeben.34 Damit dienen Unabhängigkeitserfordernisse zugleich dazu, die Akzeptanz der jeweiligen Entscheidungen durch die Betroffenen zu gewährleisten. Denn deren Akzeptanz lässt sich nur erreichen, wenn der Prozess der Entscheidungsfindung von den Betroffenen als sachgerecht anerkannt wird.35 Schließlich verfolgt jedes einzelne, konkrete Unabhängigkeitserfordernis neben diesen gemeinsamen Zwecken immer auch noch einen oder mehrere spezifische Zwecke, die sich aus dem jeweiligen Regelungszusammenhang ergeben. Dieser spezifische Zweck kann sich daher von Rechtsgebiet zu Rechtsgebiet unterscheiden. Aus diesem ergibt sich insbesondere, von welchen Einflüssen etc. die Entscheidung bzw. der Entscheidungsträger frei sein soll und wofür die Unabhängigkeit dient.36 Davon ist abzuleiten, wie weit das jeweilige Unabhängigkeitserfordernis reicht, wo es seine Grenzen findet und welche Rechtsfolgen daran anknüpfen sollen. So soll etwa das Unabhängigkeitsgebot des Abschlussprüfers insbesondere einer Abhängigkeit des Prüfers vom Management der zu Laukemann, Unabhängigkeit, S. 58. Andernfalls kann es zu einer sog. „reaktiven Abwertung“ kommen. Dies beschreibt das Phänomen, dass eine Entscheidung schlechter bewertet wird, wenn sie von jemandem mit eigenen (gegenläufigen) Interessen getroffen wird statt von einem unabhängigen Dritten. Zur „reaktiven Abwertung“ z. B. Eidenmüller, in: Ott/Schäfter, Effiziente Verhaltenssteuerung, S. 145, 150 f. m.w.N. 36 Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 155. Vgl. in diesem Zusammenhang beispielsweise Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 48; Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 76; Ballwieser, in: Lutter, Der Wirtschaftsprüfer, S. 99, 100. 34 35
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prüfenden Gesellschaft entgegenwirken, nicht aber einer eventuellen Abhängigkeit von seiner Sekretärin, die ebenfalls problematisch sein kann.37
4.) Notwendigkeit einer gesetzlichen Verankerung von Unabhängigkeitserfordernissen a.) Grundsätzliche Möglichkeit privatvertraglicher Vereinbarung von Unabhängigkeitsregelungen Wie die Pflicht zur Interessenwahrung könnte grundsätzlich auch das Unabhängigkeitserfordernis vertraglich vereinbart werden. Dass es sich bei der Unabhängigkeit um einen Status handelt, steht dem nicht entgegen. Grundsätzlich wäre denkbar, dass ein solcher Status mit Hilfe besonderer vertraglicher Klauseln kontinuierlich sichergestellt wird. Diese Klauseln müssten etwa regeln, dass der Geschäftsbesorger seine Entscheidungen nicht durch sachfremde Einflüsse von außen beeinflussen lassen darf (Unabhängigkeit von Dritten). Weiterhin müsste vereinbart werden, dass der Geschäftsbesorger sich nicht nur an den Interessen des Geschäftsherrn orientiert, sondern diese unter bestimmten Umständen hinter andere Interessen oder Gesichtspunkte zurückstellen kann bzw. muss (Unabhängigkeit vom Geschäftsherrn). Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn ansonsten Dritte benachteiligt würden, derentwegen der Geschäftsherr den Geschäftsbesorger gerade beauftragt hat, um deren Vertrauen in den Geschäftsbesorger für sich zu nutzen – wie z. B. beim Rating von Finanz anlageprodukten. Zudem müssten die Parteien vereinbaren, dass der Geschäftsbesorger die Interessen des Geschäftsherrn dann zurückstellt, wenn für das Gemeinwesen wichtige Institutionen, Mechanismen oder Einrichtungen und damit verbunden das Vertrauen der Allgemeinheit negativ betroffen werden könnten. Solche Selbstverpflichtungen der betroffenen Berufsgruppen, in denen sie sich zur Unabhängigkeit verpflichten, stellen ökonomisch betrachtet „Signale“ dar.38 Mit ihnen wird eine besondere Vertrauenswürdigkeit signalisiert, um so das Vertrauen potentieller (Geschäfts-)Partner zu gewinnen. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn vorher noch keine (Vertrauens-)Beziehung zwischen ihnen bestand. Denn privatrechtliche Vereinbarungen funktionieren nur dann, wenn die Parteien darauf vertrauen können, dass sie auch eingehalten werden. Dies gilt für Interessenwahrungsverhältnisse in besonderer Weise, weil der Geschäftsherr dem Interessenwahrer seine Interessensphäre öffnet und ihm damit seine Interessen zunächst einmal weitgehend schutzlos ausliefert.
Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 156. Zum Signaling oben § 2 III.1.).
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Ein Beispiel für eine solche Selbstverpflichtung sind etwa die Richtlinien für unabhängige Vergütungsberater.39 Da sie häufig sowohl den Aufsichtsrat als auch den Vorstand beraten, sind bei ihnen Interessenkonflikte nicht auszuschließen. Eine Beratung beider Arten von Gremien ist daher schon an sich geeignet, Zweifel an ihrer Unabhängigkeit aufkommen zu lassen. Dementsprechend liegt es in ihrem Interesse mittels besonderer Maßnahmen diesem äußeren Anschein entgegenzuwirken.40 b.) Grenzen privater Vereinbarungen von Unabhängigkeitsregelungen unter Berücksichtigung rechtsökonomischer Erwägungen Signale, wie z. B. eine Selbstverpflichtung zur Unabhängigkeit, sind dann besonders überzeugend, wenn sie teuer sind oder von einer vertrauenswürdigen Person gegeben werden. Sofern Selbstverpflichtungen, wie oft zu beobachten, keine oder zumindest keine gravierenden Sanktionen beinhalten, ist ihre Signalwirkung eher gering. Dasselbe gilt, sofern der Signalgeber dem anderen nicht bekannt ist und auch kein Dritter mit seiner Reputation für ihn einsteht. Eine oft sehr viel stärkere Signalwirkung haben gesetzliche Regelungen, also Signale, die der Staat setzt und kontrolliert. Um die gleiche Wirkung zu erzielen, müssten Private oft erhebliche Kosten auf sich nehmen. Diese Kosten werden sie aber insbesondere dann scheuen, wenn sie die damit generierten Gewinne nicht vollkommen selbst vereinnahmen könnten, sondern diese zum Teil auch Dritten bzw. der Allgemeinheit überlassen müssten. Dies gilt insbesondere bei Tätigkeiten bzw. der Ausübung von Funktionen, die über das einzelne Rechtsverhältnis hinaus wesentliche Bedeutung für das Gemeinwesen haben. Denn bei diesen muss nicht nur das Vertrauen in den individuellen Interessen-
39 Vereinigung unabhängiger Vergütungsberater (VUVB), Kodex für unabhängige Vergütungsberatung, abrufbar unter http://www.vuvb.de/assets/Uploads/Kodex-fuer-unabhaengige-Verguetungsberatung.pdf (Stand: 28.07.2014). Zu Vergütungsberatern etwa Baums, AG 2010, 53; Fleischer, BB 2010, 67; Weber-Rey/Buckel, NZG 2010, 761. 40 Fleischer, BB 2010, 67, 73. Ein weiteres Beispiel sind die Standesregeln für Aktuare. „Aktuare sind wissenschaftlich ausgebildete und speziell geprüfte Experten, die mit mathematischen Methoden der Wahrscheinlichkeitstheorie, der mathematischen Statistik und der Finanzmathematik Fragestellungen insbesondere aus der Versicherungswirtschaft, aber auch aus den Bereichen Bausparwesen, Kapitalanlage und Altersversorgung analysieren und unter Berücksichtigung des rechtlichen und wirtschaftlichen Umfeldes Lösungen entwickeln.“ Aus: o.V., Berufsbild des Aktuars, abrufbar unter https://aktuar.de/regularien/Berufsbild_ Kurzfassung_September_2005.pdf (Stand 28.07.2014). Zu den Standesregeln der Aktuare siehe Standesregeln für Aktuare in der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) e.V., abrufbar unter https://aktuar.de/regularien/2008-04-30-Standesregeln.pdf (Stand 28.07.2014). § 6 Satz 1 dieser Standesregeln bestimmt, dass sie bei ihren Untersuchungen, Empfehlungen und Entscheidungen frei von Einflüssen, Bindungen und Rücksichtnahmen sein müssen, die ihre Unabhängigkeit beeinträchtigen könnten. Eine abhängige Beschäftigung ist dabei kein Hindernis für die Unabhängigkeit, siehe § 6 Satz 2 der Standesregeln für Aktuare.
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wahrer geschützt werden, sondern auch das Vertrauen in die Gesamtheit der jeweiligen Interessenwahrer, die diese Funktion ausüben. Vertrauensbildende Signale würden hier nicht nur dem einzelnen Interessenwahrer selbst sondern auch dem Gemeinwesen sowie den Konkurrenten zugutekommen – insbesondere für letztere entsteht so ein Anreiz zum sog. free-riding. Dies führt zu der Gefahr eines collective action Problems: 41 Da der einzelne Funktionsträger von den vertrauensbildenden Signalen anderer profitieren könnte, ohne dass er selbst solche – kostenerhöhenden – Signale aussendet, besteht für ihn kein Anreiz, ein solches Signal auszusenden. Da dies aber allen Funktionsträgern so ergeht, wird keiner von ihnen solche Signale aussenden und die dafür entstehenden Kosten tragen wollen. Damit wird eine Vertrauensbildung erheblich erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht, sodass der Markt in diesem Fall zusammenbricht. Dementsprechend muss es in diesen Situationen der Staat übernehmen, für entsprechende Signale zu sorgen.42 Das gesetzlich angeordnete Unabhängigkeitserfordernis mit seinen strengen Rechtsfolgen stellt ein solches Signal dar. Anders als etwa bei Gutachtern, die neutrale Einschätzungen abgeben sollen, reicht in diesen Fällen eine nachgelagerte Absicherung, z. B. in Form einer Haftung für schuldhafte Pflichtverletzungen, nicht aus. Selbst wenn man Dritte mit Hilfe von rechtlichen Konstruktionen, wie dem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte, schützen wollte, würde dies häufig nicht ausreichen oder wäre gar nicht möglich. Letzteres ist etwa dann der Fall, wenn der erlittene Schaden nicht oder zumindest nicht eindeutig auf das Fehlverhalten des Funktionsträgers bzw. Geschäftsbesorgers zurückgeführt werden kann. Dies gilt insbesondere bei mittelbaren Auswirkungen, also z. B. wenn fehlerhafte Ratings dazu führen, dass der Markt zusammenbricht, wovon auch Dritte betroffen sind, für die das einzelne Rating gar keine Rolle spielt (etwa weil sie gar nicht in das betreffende Finanzinstrument investieren wollen). Auch aus diesem Grund liegt es im Zum collective action Problem siehe stv. Olson, The Logic of Collective Action, pas-
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sim. 42 Anderes gilt in den Fällen, in denen keine weitergehenden (positiven) Auswirkungen auf die Allgemeinheit bzw. Institutionen des Gemeinwesens zu gewärtigen sind. Dies gilt etwa für Vergütungsberater, die den Aufsichtsrat (lediglich) in Bezug auf Vergütungsentscheidungen beraten, diese aber nicht selbst treffen, denn für die Entscheidungen verantwortlich bleibt der Aufsichtsrat, siehe § 87 AktG. Zudem dürfen sich Aufsichtsratsmitglieder zwar auf das Votum eines Vergütungsberaters verlassen, wenn sie vernünftigerweise von dessen Unabhängigkeit ausgehen dürfen; doch auch dann dürfen sie das Votum des Beraters nicht unbesehen übernehmen, sondern müssen es auf Plausibilität hin überprüfen. Siehe Fleischer, BB 2010, 67, 71; Weber-Rey/Buckel, NZG 2010, 761, 766. Die bisherige indirekte Regelung der Unabhängigkeit von Vergütungsberatern aufgrund der Rechtsprechung des BGH würde vor dem Hintergrund der folgenden Ausführungen nicht mehr ausreichen, wenn deren Votum rechtlich eine noch größere Bedeutung zugemessen werden würde, etwa dass sich Aufsichtsratsmitglieder durch Einholung eines solchen Votums von ihrer Haftung in Vergütungsfragen freizeichnen könnten. Denn in diesem Fall würde die Entscheidungskompetenz letztlich auf den Vergütungsberater übertragen werden.
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Interesse des Staates das Vertrauen der Allgemeinheit möglichst umfänglich zu schützen. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass die Instabilität der betroffenen Institutionen und Mechanismen Auswirkungen auf das Zusammenleben im Gemeinwesen und damit letztlich auf die Stabilität des Staates selbst hat. Dementsprechend liegt es auch an ihm, das mit dem Unabhängigkeitserfordernis gesetzte Signal mit Hilfe daran anknüpfender Pflichten und Sanktionen abzusichern.
5.) Gesetzliche Verankerungen Unabhängigkeitserfordernisse für Geschäftsbesorger bzw. Interessenwahrer sind vielfach gesetzlich oder in Verordnungen verankert. So finden sich für den Rechtsanwalt Regelungen insbesondere in §§ 1, 3 Abs. 1 und § 43a Abs. 1 BRAO, aber auch etwa in §§ 7 Abs. 8, 14 Abs. 2 Nr. 8, 59b Abs. 2 Nr. 1 lit. b BRAO und § 59f Abs. 4 Satz 1 BRAO. Für Steuerberater bestimmt § 57 Abs. 1 StBerG, dass sie ihren Beruf unabhängig auszuüben haben. Für Abschlussprüfer regeln § 323 Abs. 1 Satz 1 2. Fall HGB und §§ 43 Abs. 1 Satz 2, 56 Abs. 1 WiPrO das Unabhängigkeitserfordernis. Für Ratingagenturen enthält die Verordnung 1060/2009 vom 16.09.200943 in ihren Art. 1 Satz 2, Art. 6 und insbesondere in ihrem Anhang I Regelungen zur Unabhängigkeit und betont deren Bedeutung insbesondere in ihren Erwägungsgründen 2 a. E., 6, 27 und 58. Für die „Compliance-Funktion“ von Wertpapierdienstleistungsunternehmen regelt § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG, dass diese ihre Aufgaben unabhängig wahrnehmen können muss. Und für Aufsichtsratsmitglieder statuiert § 100 Abs. 5 AktG in bestimmten Fällen ein Unabhängigkeitserfordernis. Darüber hinaus finden sich umfangreiche Empfehlungen in Bezug auf Aufsichtsratsmitglieder in der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 25.02.2005 und im Deutschen Corporate Governance Kodex (siehe Ziff. 5.4.2 DCGK). Schließlich statuiert § 56 Abs. 1 InsO für den Insolvenzverwalter, dass dieser eine unabhängige Person sein muss.
III. Grundzüge eines allgemeinen Tatbestands von Unabhängigkeitserfordernissen für Geschäftsbesorger Auch wenn die Unabhängigkeitserfordernisse für die verschiedenen Interessenwahrer in ihrem jeweiligen Rechtszusammenhang unterschiedliche Ausrichtungen haben und unterschiedliche Institutionen schützen sollen, so haben sie doch einen gemeinsamen Kern. Neben dem gemeinsamen Zweck, Dritte sowie Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen, ABlEU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S.1. 43
III. Grundzüge eines allgemeinen Tatbestands
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wesentliche Institutionen des Gemeinwesens zu schützen, umfasst dieser gemeinsame Kern bestimmte Grundzüge der Tatbestände sowie eine Reihe von Rechtsfolgen. Es lässt sich somit ein allgemeiner Rechtsgedanke der Unabhängigkeitserfordernisse herausarbeiten, der sich insbesondere für die Ableitung von Rechtsanalogien eignet.44
1.) Anknüpfung an die äußere Unabhängigkeit Da es sich bei der (inneren) Unabhängigkeit – bzw. als deren Kehrseite die Befangenheit – um ein subjektives inneres, nicht objektiv messbares Phänomen handelt,45 das sich nicht verlässlich kontrollieren lässt, bleibt in der Regel lediglich die Möglichkeit, anhand von äußeren Umständen auf die innere Unabhängigkeit zu schließen.46 In den gesetzlichen Unabhängigkeitsbestimmungen wird daher auch regelmäßig auf die äußere Unabhängigkeit bzw. die Besorgnis der Befangenheit abgestellt.
2.) Verobjektivierte Indikatoren für fehlende Unabhängigkeit bzw. Befangenheit Die Anknüpfung an die äußere Unabhängigkeit bringt es mit sich, dass in diesem Zusammenhang auf Indizien abgestellt werden muss, die den Anschein fehlender innerer Unabhängigkeit begründen.47 Hierbei hat eine abstrahierende Betrachtung anhand objektivierter (typisierender) Kriterien zu erfolgen, bei deren Vorliegen davon ausgegangen werden kann, dass der Betroffene nicht unabhängig ist.48 Dem liegt die Wahrscheinlichkeitsbetrachtung zugrunde, dass in bestimmten Situationen die Wahrscheinlichkeit einer Befangenheit – und damit die Wahrscheinlichkeit einer daraus folgenden Pflichtverletzung – höher ist als in anderen.49 Soweit die gesetzlichen Unabhängigkeitsregelungen – insbesondere durch Regelbeispiele – näher konkretisiert werden, stellen sie daher für den Ausschluss der (äußeren) Unabhängigkeit regelmäßig auf Umstände ab, die äußerlich wahrnehmbar und nachweisbar sind und die typischerweise einen Interessenkonflikt begründen, sodass sie den Anschein fehlen Etwa für Vergütungsberater oder emissionsbegleitende Banken. Müller, Unabhängigkeit, S. 24; Ballwieser, in: Lutter, Der Wirtschaftsprüfer, S. 99, 101. Siehe auch Laukemann, Unabhängigkeit, S. 84. 46 Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 77; siehe auch Laukemann, Unabhängigkeit, S. 84. 47 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 85. 48 Zur Notwendigkeit einer Typisierung und verobjektivierenden Betrachtung K. Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 100 Rdnr. 46; Laukemann, Unabhängigkeit, S. 84; Schindler/Rosin, in: Lutter, Der Wirtschaftsprüfer, S. 117, 119; Staake, ZIP 2010, 1013, 1015. 49 Dies sagt nichts darüber aus, wie sich die Mehrheit der Betroffenen in diesen Situationen tatsächlich verhält. 44 45
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§ 4 Unabhängigkeit
der Unabhängigkeit hervorrufen.50 Dazu gehören insbesondere familiäre Beziehungen, d. h. Verwandtschaft, Ehe oder Lebenspartnerschaft.51 Des Weiteren zu nennen sind wirtschaftliche Beziehungen zu Beteiligten, etwa (finan zielle) Beteiligungen an der beauftragenden Gesellschaft bzw. an einer Gesellschaft des Geschäftsherrn52 oder aufgrund einer Tätigkeit für diese Gesellschaft, insbesondere als deren Organ,53 oder geschäftliche Beziehungen von erheblicher Bedeutung54. Auch die eigene Nähe zum Entscheidungsgegenstand, etwa in Form der Kontrolle eigener Vortätigkeit, also der Fall des „Richters in eigener Sache“,55 schließt die Unabhängigkeit aus.
3.) Vermutungsregeln In diesem Zusammenhang sind zwei Vermutungsregeln zu unterscheiden. Die erste geht dahin, dass in einigen – besonders schwerwiegenden, siehe etwa § 319 Abs. 3 HGB56 – Fällen, in denen bestimmte äußere Umstände bzw. Beziehungen vorliegen, unwiderleglich vermutet wird, dass das (äußerlich anknüpfende) Unabhängigkeitserfordernis verletzt ist; in anderen – weniger schweren – Fällen muss hingegen im Einzelfall genauer untersucht werden, ob der Anschein einer Befangenheit besteht und die äußere Unabhängigkeit verletzt ist.57 Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass dies aus der Perspektive eines Dritten zu geschehen hat und somit die konkrete Situation daraufhin überprüft werden muss, ob sie allgemein dazu geeignet ist, den Anschein fehlender Unabhängigkeit zu begründen oder nicht. Die zweite Vermutungsregel greift hingegen im Anschluss daran in allen Fällen, in denen festgestellt worden ist, dass es an der äußeren Unabhängigkeit fehlt: Ist das (äußerlich anknüpfende) Unabhängigkeitserfordernis verletzt, wird unwiderleglich vermutet, dass es auch an der inneren Unabhängigkeit fehlt.58 Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Betroffene tatsächlich (un-) 50 Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 8 f.; Laukemann, Unabhängigkeit, S. 86. 51 Z. B. § 319 Abs. 3 Satz 2 HGB für den Abschlussprüfer. 52 Z. B. § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB für den Abschlussprüfer. 53 Z. B. § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB für den Abschlussprüfer. 54 Z. B. §§ 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5, 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB für den Abschlussprüfer. 55 Z. B. §§ 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 HGB für den Abschlussprüfer. 56 Die Vorgaben für den Abschlussprüfer sind rechtlich am weitesten ausdifferenziert und haben daher Modellcharakter für die Unabhängigkeitserfordernisse für andere Geschäftsbesorger. Siehe Fleischer, BB 2010, 67, 71. 57 Siehe dazu etwa Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 7. 58 Dazu im Zusammenhang mit dem Unabhängigkeitserfordernis des Abschlussprüfers Röhricht, WPg-Sonderheft 2001, S 81; außerdem Ebke/Paal, ZGR 2005, 894, 897; Gelhausen/Heinz, Wpg 2005, 693, 697.
III. Grundzüge eines allgemeinen Tatbestands
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befangen ist oder sich so fühlt; vielmehr genügt es, dass in der Öffentlichkeit der entsprechende Eindruck entsteht.59 Zu beurteilen ist dies aus der verobjektivierten Perspektive eines unvoreingenommenen, verständigen und informierten Dritten.60
4.) Anknüpfung an die abstrakte Gefährdung von Drittinteressen – das Verhältnis zu Interessenkonflikten Aufgrund ihrer engen Verbindung werden Unabhängigkeit und Interessenkonflikt zum Teil als korrespondierende Begriffe bzw. zwei Seiten einer Medaille angesehen.61 Dies ist aber nur insoweit richtig, als es nicht um die innere Unabhängigkeit geht und außerdem nicht auf den konkreten Interessenkonflikt abgestellt wird. Denn fehlende (äußere) Unabhängigkeit und (konkreter) Interessenkonflikt stellen einen unterschiedlichen Grad der Gefährdung der Interessen des Geschäftsherrn dar. So würde es beispielsweise an der (äußeren) Unabhängigkeit fehlen, wenn einer der Beteiligten ein naher Verwandter des zur Unabhängigkeit Verpflichteten ist. Besteht zwischen beiden jedoch keine persönliche emotionale Bindung, kommt es beim Verpflichteten zu keinem konkreten Interessenkonflikt. Da außerdem nicht jeder Interessenkonflikt zwangsläufig zu einer Benachteiligung der Interessen des Geschäftsherrn und damit zu einer Pflichtverletzung des vom Konflikt Betroffenen führt, lässt sich zwischen diesen drei Fällen ein Stufenverhältnis bilden: 62 Auf der ersten Stufe steht eine abstrakte Gefährdung der Interessen des „Geschäftsherrn“. Eine solche ist anzunehmen, wenn bestimmte typisierte Kriterien erfüllt sind, insbesondere wenn ein abstrakter Interessenkonflikt63 besteht. Sie schließt bereits die Unabhängigkeit aus. Auf einer zweiten Stufe stehen konkrete Interessenkonflikte, die zu einer konkreten Gefährdung der Interessen des Geschäftsherrn führen. Auf einer dritten Stufe folgt die Pflichtverletzung, die aber nur dann eintritt, wenn der Interessenwahrer anderen Interessen als denjenigen des Geschäftsherrn auch tatsächlich den Vorzug gibt und damit die Interessen des Geschäftsherrn benachteiligt. Auch der berufsrechtliche Interessenwiderstreit kann in diese Dreistufigkeit eingeordnet werden. Als Interessenkonflikt von besonderer Qualität ist er der 59 K.Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 100 Rdnr. 46; Marx, Unabhängige Abschlussprüfung, S. 75 f.; Laukemann, Unabhängigkeit, S. 84; Schumann, FS Geimer, 2002, S. 1043, 1066 f. 1069; Staake, ZIP 2010, 1013, 1015. Vgl. auch Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 7. 60 Siehe dazu oben unter § 4 II.1.) 61 Zur Wechselbeziehung zwischen Interessenkonflikten und Unabhängigkeit Laukemann, Unabhängigkeit, S. 86 f. 62 Siehe zum Folgenden auch Scholderer, NZG 2012, 168, 171. 63 Dabei handelt es sich um potentielle Interessenkonflikte, d. h. solche, die noch nicht bestehen aber mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eintreten können.
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§ 4 Unabhängigkeit
zweiten Stufe – d. h. dem konkreten Konflikt – zuzurechnen. Aufgrund der besonderen Intensität dieses Konflikts (die gegenseitige „kontradiktorische Frontstellung“ der Interessen64 ) ist in diesem Fall die Gefährdung der Interessen des Geschäftsherrn besonders akut. Er kann somit als Zwischenstufe zwischen dem (bloßen) Konflikt und der Pflichtverletzung angesehen werden. Daher muss er auch mittels weitreichender Maßnahmen (striktes Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen) verhindert werden.
5.) Vorteile einer Anknüpfung an die abstrakte Interessengefährdung Die Anknüpfung an die abstrakte Interessengefährdung führt dazu, dass Unabhängigkeitserfordernisse und die daran anknüpfenden Regelungen eine präventive Wirkung haben. Zudem lassen sie sich aufgrund dieser Anknüpfung leichter umsetzen und kontrollieren als Pflichten, die an konkrete Interessenkonflikte anknüpfen. Denn da der einzelne von sich selbst grundsätzlich subjektiv voreingenommen ist – dies zeigen verhaltensökonomische Untersuchungen –, ist er nur begrenzt in der Lage, mit den ihn betreffenden psychischen Phänomenen angemessen umzugehen. Zum ersten muss er im Fall eines konkreten Interessenkonflikts erst einmal feststellen, dass bei ihm ein solcher vorliegt. Zum zweiten wird, wer von einem Interessenkonflikt betroffen bzw. in irgendeiner Weise abhängig ist, auch bei seinen Maßnahmen gegen diese Abhängigkeiten von seinem Konflikt bzw. seiner Abhängigkeit geprägt sein.65 Dadurch entsteht die Gefahr, dass die von dem Betroffenen ergriffenen Maßnahmen unzureichend sind bzw. er erst gar keine Maßnahmen ergreift. Solches zumeist nicht vorsätzliche sondern unterbewusst gesteuerte Verhalten ist verhaltensökonomisch darauf zurückzuführen, dass der Betroffene eigene Fähigkeiten und Möglichkeiten überschätzt und die mit dem jeweiligen Konflikt bzw. Abhängigkeit verbundenen Gefahren unterschätzt (over-confidence). Diese Gefahren existieren bei abstrakt anknüpfenden Unabhängigkeitserfordernissen nicht. Denn ob jemand an einem Mandantenunternehmen finanziell beteiligt ist oder mit einem anderen verwandt ist, ist eine äußere Tatsache, die der Betroffene – auch bei subjektiver Voreingenommenheit von sich selbst – nicht ableugnen kann.
6.) Unterschiedliche Intensität von Unabhängigkeitserfordernissen Aufgrund der unterschiedlichen Zwecke der einzelnen Unabhängigkeitserfordernisse und der unterschiedlichen Funktion der verschiedenen Entscheidungsträger unterscheiden sich Voraussetzungen und Anforderungen der verschiede Dazu § 1 II.4.)d.). Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 157.
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IV. Grenzen von Unabhängigkeitserfordernissen
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nen Unabhängigkeitserfordernisse in ihrer Intensität. Zum Teil gelten sogar, wie beim Abschlussprüfer, für ein und dieselbe Person in verschiedenen Situationen unterschiedlich hohe Anforderungen.66 Das Recht unterscheidet nicht einheitlich zwischen „unabhängig“ und „nicht unabhängig“. Vielmehr gibt es ein abgestuftes, situationsbezogenes Verständnis von Unabhängigkeit. Die Anforderungen orientieren sich dabei vor allem, das wird insbesondere im Fall des Abschlussprüfers deutlich, an den Interessen, die mittels des jeweiligen Unabhängigkeitserfordernisses geschützt werden sollen. So war der wesentliche Gesichtspunkt für die Einführung der höheren Anforderungen für die Prüfer kapitalmarktorientierter Unternehmen in § 319a HGB im Rahmen des BilReG, dass der Kreis der an dem Abschluss interessierten Personen größer ist.67 Da dementsprechend die Auswirkungen größer sein können, bedarf es eines stärkeren Unabhängigkeitserfordernisses, d. h. es müssen noch mehr Möglichkeiten für Interessenbindungen zwischen dem zur Unabhängigkeit Verpflichteten und den „Geschäftsherren“ ausgeschlossen werden.
IV. Grenzen von Unabhängigkeitserfordernissen Aufgrund der Vielschichtigkeit des sozialen Gemeinschaftslebens ist es nahezu unmöglich, mittels rechtlicher Regelungen vollkommene Unabhängigkeit herzustellen.68 Sie lässt sich (s.o.) insbesondere solange nicht erreichen, wie jemand auf dem freien Markt seine Dienstleistungen anbietet.69 Das Unabhängigkeitsgebot dient dann vor allem dazu, den Betroffenen ihre Abhängigkeiten bewusst zu machen und sie für eventuelle sachfremde Einflüsse zu sensibilisieren.70
1.) Nichterfassung rein „mentaler“ Abhängigkeiten An Grenzen stoßen Unabhängigkeitserfordernisse vor allem dort, wo es um „mentale“ Abhängigkeiten geht, die nicht eigentlich einen Interessenkonflikt darstellen.71 So ist etwa auch derjenige „abhängig“, also „nicht unabhängig“, 66 Siehe die gegenüber § 319 Abs. 2 und Abs. 3 HGB weitergehenden Anforderungen in § 319a. 67 Siehe RegE BilReG, BT-Drs. 15/3419, S. 41. 68 Siehe auch Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 159: „Unabhängigkeit als Gesamtheit der Bedingungen für eine rein an der Sache orientierte Beurteilung kann vom Recht nicht hergestellt werden.“ Weniger absolut Röhricht, WPg-Sonderheft 2001, S 80 (sofern man auf Radikallösungen verzichtet). 69 Vgl. Hagel, Wpg 2002, 1355, 1356; Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2121. 70 Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 76. 71 Hier soll es nur um solche Aspekte gehen, die im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit zu sehen sind. Nicht betrachtet werden ebenfalls wichtige sonstige Aspekte, wie etwa das
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§ 4 Unabhängigkeit
der bei Gremienentscheidungen als Gremiumsmitglied sein Votum grundsätzlich immer an dem Votum eines bestimmten anderen Mitglieds ausrichtet.72 Auch gruppendynamische Prozesse – im Fall von mehreren gemeinsam handelnden Interessenwahrern –, die zu Verzerrungen bei Gruppenentscheidungen führen können, stellen sachfremde Einflüsse dar.73 So kann es aufgrund persönlicher Identifikation mit einem Gruppenmitglied zu einem „group-thinking“74 (Corpsgeist, peer pressure, Solidarität) 75 kommen, d. h. Gruppenmitglieder identifizieren sich leichter mit der Gruppe bzw. ihren Kollegen und beurteilen daher deren Verhalten positiver. Sachfremde Einflüsse sind außerdem (auch unbewusst einfließende) Vorurteile.76 Solche (kognitiven) Abhängigkeiten können die Willensbildung beeinträchtigen und die Unabhängigkeit einer Beurteilung in Frage stellen.77 Sie sind äußerlich jedoch nur schwer festzumachen und können daher mit abstrakt anknüpfenden Unabhängigkeitserfordernissen nicht sachgerecht erfasst werden.
2.) Unabhängigkeit und Sachkunde An Grenzen stoßen Unabhängigkeitserfordernisse des Weiteren, wenn Entscheidungen besondere Sachkunde erfordern, die nur durch eine gewisse Nähe zum Entscheidungsgegenstand zu erlangen ist, oder wenn besondere Beziehungen zu anderen Personen gerade wünschenswert sind.78 Denn Abhängigkeit bedeutet immer auch ein gewisses Näheverhältnis und damit eine besondere Verbindung, die auch Vorteile mit sich bringen kann – nicht nur für den Geschäftsbesorger, sondern auch für den Geschäftsherrn – und daher für den Geschäftsherrn interessant sein kann.79 Solche Verbindungen können etwa einen besonders guten Einblick in das jeweilige Unternehmen oder den Markt geben, wodurch eine Funktion, z. B. als Prüfer oder Aufsichtsrat, besser, weil informierter, ausgeübt werden kann. Insbesondere innerhalb von Organisatio-
Fehlen der geistigen Voraussetzungen, sei es wegen fehlender Ausbildung oder fehlender Verstandeskraft. Dazu Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 154. 72 Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 155. Zu mentalen Abhängigkeiten etwa aufgrund von Identifikation oder Solidarität auch Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 80 f. 73 Fairfax, in: Hill/McDonnell, Research Handbook, S. 133, 175 f. (structural bias); Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 81. 74 Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 81. Zu den informellen Beziehungen im Aufsichtsrat Theisen, in: Potthoff/Trescher, Aufsichtsratsmitglied, Rdnr. 1010 ff. 75 G. H. Roth/Wörle, ZGR 2004, 565, 574. 76 Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 75; Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 154. 77 Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 81 ff. 78 Siehe hierzu etwa Hopt, ZHR 175 (2011) 444, 475; M. Roth, ZHR 175 (2011), 605, 625. 79 Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 160.
IV. Grenzen von Unabhängigkeitserfordernissen
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nen sind solche Verbindungen von wesentlicher Bedeutung.80 So wird eine Person als Aufsichtsrat besonders interessant, wenn sie viele Beziehungen und damit einen guten Einblick in verschiedene wirtschaftliche Vorgänge hat. Von diesem Wissen kann das Unternehmen profitieren.81 Größere Unabhängigkeit führt demgegenüber zu einer größeren Distanz zum Unternehmen und damit zu einem Defizit an unternehmensspezifischen Kenntnissen.82 Diese Ambivalenz des Unabhängigkeitsgebots zeigt sich auch beim Abschlussprüfer: Auf der einen Seite soll er unabhängig sein, um objektiv und neutral prüfen zu können. Auf der anderen Seite wird seine Leistung im Hinblick auf Ertrag und Aufwand jedoch umso besser, je besser er das Unternehmen kennt, d. h. je näher er dem Unternehmen steht.83 Eine vollkommene Unabhängigkeit ist also gar nicht immer erstrebenswert.84
3.) Unabhängigkeit und Kosten Schließlich darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass Unabhängigkeitserfordernisse in der Regel auch Kosten mit sich bringen.85 Dies zeigt sich etwa, wenn Abschlussprüfer alle paar Jahre rotieren sollen, um nicht zu lange ein und dasselbe Unternehmen zu prüfen und so Bindungen zu diesem aufzubauen. In diesem Fall müssen sich die Abschlussprüfer alle paar Jahre neu einarbeiten und wird für sie ihr bisher erworbenes unternehmenspezifisches Know How weitgehend wertlos. Auch ein Verbot, andere Dienstleistungen neben der die Unabhängigkeit erfordernden Tätigkeit zu erbringen, wie etwa eine Beratung neben einer Prüfung, kann dazu führen, dass die eine Unabhängigkeit erfordernden Tätigkeiten nur noch zu einem höheren Preis angeboten werden. Denn in diesem Fall ist es dem Betroffenen nicht mehr möglich, seine Tätigkeit mit Hilfe von Gewinnen aus den anderen Dienstleistungen zu „subventionieren“. Entsprechend ist für ein sachgerechtes Verständnis der einzelnen Unabhängigkeitserfordernisse immer auch zu berücksichtigen, ob der Nutzen die damit einhergehenden Nachteile überwiegt.
Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 76. Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 77; vgl. auch Berrar, NZG 2001, 1113, 1118; Weber–Rey, NZG 2013, 766, 767; Wirth, ZGR 2005, 327, 340. 82 Fairfax, in: Hill/McDonnell, Research Handbook, S. 133, 180 ff., 182; Florstedt, ZIP 2013, 337, 343; Lieder, NZG 2005, 569, 574. 83 Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 160. 84 Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 76, 77. 85 Zudem ist auch der positive Effekt der Unabhängigkeit nicht immer eindeutig belegt. Siehe M. Roth, ZHR 175 (2011), 605, 626 f. 80 81
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V. Das Unabhängigkeitserfordernis konkretisierende Regelungen Sowohl das Unabhängigkeitserfordernis als auch die Interessenwahrungspflicht – Letzteres jedenfalls in seiner negativen Ausprägung - stellen Regelungen in Bezug auf Interessenkonflikte dar. Beide dienen dem Schutz der Interessen des Geschäftsherrn bzw. eines Dritten, dessen Interessen wie die eines Geschäftsherrn schützenswert erscheinen, ohne das Gebot jedoch nicht berücksichtigt werden würden. Dementsprechend decken sich die an das Unabhängigkeitserfordernis anknüpfenden Regelungen weitgehend mit den die Interessenwahrungspflicht konkretisierenden Regelungen.86 So lässt sich aus dem Unabhängigkeitserfordernis die Pflicht zur Konfliktoffenlegung und insbesondere auch der Konfliktvermeidung ableiten. Aufgrund der Drittbezogenheit des Unabhängigkeitserfordernisses haben allerdings strenge (unabdingbare) Ausschlussregeln, wie Inhabilitätsvorschriften, größere Bedeutung als bilateral ausgerichtete Pflichten, wie etwa das Wettbewerbsverbot. Außerdem knüpfen die Unabhängigkeitserfordernisse grundsätzlich an den abstrakten Interessenkonflikt an. Denn es gilt regelmäßig, schon den Anschein der fehlenden Unabhängigkeit zu vermeiden. Wie die Interessenwahrungspflicht hat das Unabhängigkeitserfordernis zudem auch eine positive Ausprägung. Es verpflichtet die betroffenen Funktionsträger, für ihre Unabhängigkeit zu sorgen und diese sicherzustellen.87 Seinen Niederschlag hat dieses Gebot insbesondere in berufsrechtlichen Regelungen gefunden, wie etwa in § 43 Abs. 1 Satz 1 WiPrO (Wirtschaftsprüfer), § 43a Abs. 1 BRAO (Rechtsanwalt) oder in § 4 Abs. 1 Satz 2 VID-Berufsgrundsätze der Insolvenzverwalter. Dieses Gebot wird von Unterlassungspflichten flankiert. Diese verpflichten den Betroffenen während der Dauer des Verfahrens, in dessen Rahmen er zur Unabhängigkeit verpflichtet ist, alles zu unterlassen, was berechtigte Zweifel an seiner Unabhängigkeit hervorrufen und damit den jeweiligen Schutzzweck gefährden könnte.88 Fällt bei einem zur Unabhängigkeit verpflichteten Funktionsträger diese Eigenschaft weg, kann sich diese Unterlassungspflicht zu einer Pflicht zur Abstandnahme von dem Geschäft bzw. zu einer Pflicht zur Niederlegung seines Mandates verdichten.
Zur Systematisierung dieser Regelungen ausführlich in § 6. Das Unabhängigkeitsgebot kann sich aber auch an Dritte richten, die eine entsprechende Verantwortung dafür übernommen haben und von ihnen entsprechendes verlangen. Siehe Druey, FS Doralt, 2004, S. 151, 157. 88 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 81. 86 87
VI. Zusammenfassung
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VI. Zusammenfassung Bei Unabhängigkeitserfordernissen handelt es sich um statusbezogene Regelungen. Sie werden für diejenigen Interessenwahrer statuiert, die mit ihren Entscheidungen Vertrauenstatbestände schaffen, die sich nicht auf die jeweiligen (Vertrags-)Parteien beschränken, sondern sich darüber hinaus auf Dritte bzw. die Allgemeinheit auswirken können und bei denen ein Fehlverhalten nicht zu vernachlässigende Rückwirkungen auf wesentliche Institutionen oder Mechanismen des Gemeinwesens haben kann. Übergeordneter Zweck von Unabhängigkeitserfordernissen ist der Schutz der Integrität von wesentlichen Institutionen des Gemeinwesens sowie des Vertrauens des Rechtsverkehrs sowie dessen einzelnen Teilnehmern in diese Institutionen. Im Hinblick auf die einzelne Entscheidung von Funktionsträgern verfolgen sie den Zweck, dass diese unvoreingenommen und frei von sachfremden Einflüssen zustande kommt. Da sich innere Unabhängigkeit bzw. Unbefangenheit weder nachweisen noch „herbeiregulieren“ lässt, stellen die rechtlichen Bestimmungen zur Unabhängigkeit regelmäßig auf die äußere Unabhängigkeit ab: Insbesondere familiäre, rechtliche oder wirtschaftliche Beziehungen zu einem oder mehreren Beteiligten sowie die Gefahr der Eigenkontrolle („Richten in eigener Sache“) werden dabei als Umstände eingestuft, die die Unabhängigkeit ausschließen. Unabhängigkeitsregelungen knüpfen damit abstrakt an typisierte Fälle von Interessenkonflikten an. Dementsprechend ist es für den Ausschluss der Unabhängigkeit nicht erforderlich, dass der Betroffene tatsächlich einem konkreten Konflikt ausgesetzt ist. Zusammen mit der sich häufig anschließenden Folge der Inhabilität bei fehlender Unabhängigkeit führt dies dazu, dass Unabhängigkeitserfordernisse präventive Instrumente für den Umgang mit Interessenkonflikten darstellen. Neben Inhabilitätsvorschriften werden Unabhängigkeitserfordernisse unter anderem durch Offenlegungspflichten, Organisationspflichten und Unterlassungspflichten abgesichert.
§ 5 Unabhängigkeit in den einzelnen Privatrechtsgebieten I. Einleitung Die in § 4 ermittelten Ergebnisse sind nun im Folgenden anhand der wesentlichen Unabhängigkeitserfordernisse im Privatrecht zu überprüfen. Untersucht werden dafür die Unabhängigkeitserfordernisse für Rechtsanwälte (II.), Steuerberater (III.), Wirtschafts- bzw. Abschlussprüfer (IV.), Ratingagenturen (V.), Insolvenzverwalter (VI.), Nachlassverwalter, den Zwangsverwalter und den Testamentsvollstrecker (VII.) den Compliance-Beauftragten in Wertpapierdienstleistungsunternehmen (VIII.) sowie für Aufsichtsratsmitglieder (IX.) und Mitglieder des Gläubigerausschusses (X.).
II. Rechtsanwalt 1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses Beim Rechtsanwalt gehört die berufliche Unabhängigkeit zu den Kernpflichten seines Berufs.1 Dies zeigt sich nicht zuletzt an ihrer wiederholten Nennung in der BRAO, z. B. in §§ 1, 3 Abs. 1, 7 Abs. 8, 14 Abs. 2 Nr. 8, 43a Abs. 1, 59b Abs. 2 Nr. 1 lit. b und § 59f Abs. 4 Satz 1 BRAO. Die anwaltliche Unabhängigkeit spielt sowohl hinsichtlich der Stellung des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) als auch hinsichtlich seiner Tätigkeit als Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten (§ 3 Abs. 1 BRAO) eine wichtige Rolle. § 7 Abs. 8 BRAO bestimmt, dass dem Betroffenen bei einer möglichen Gefährdung des Vertrauens in seine Unabhängigkeit die Zulassung zur Anwaltschaft zu versagen bzw. nach § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO die ihm erteilte Zulassung zu widerrufen ist. Außerdem darf der Rechtsanwalt nach § 43a Abs. 1 BRAO keine Bindungen eingehen, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden.2
1 Z. B. Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 2 ; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 1 und 6. Ausführlich zur Unabhängigkeit des Anwalts etwa Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit; Habscheid, NJW 1962, 1985; siehe auch Koch, FS Busse, 2005, S. 227; außerdem Stürner/Bormann, NJW 2004, 1481, 1482. 2 Zum Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen § 12.
II. Rechtsanwalt
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2.) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses Zunächst bedeutete Unabhängigkeit im Fall des Rechtsanwalts vor allem Unabhängigkeit vom Staat und die Freiheit von staatlichen Weisungen.3 Da diese heute gesichert sind,4 tritt nun die wirtschaftliche und gesellschaftliche Unabhängigkeit und darauf aufbauend die Unabhängigkeit von Dritten und insbesondere vom eigenen Mandanten stärker in den Vordergrund.5 Das für den Rechtsanwalt geltende Unabhängigkeitserfordernis hat insofern zwei Stoßrichtungen: Zum einen soll es die Mandanten schützen – darauf deutet § 3 Abs. 1 BRAO hin –, damit diese das notwendige Vertrauensverhältnis zu ihrem Anwalt aufbauen können. 6 Dieses Vertrauensverhältnis würde nicht nur durch eine fehlende Unabhängigkeit vom Staat, sondern auch durch Abhängigkeiten etwa von anderen Mandanten oder sonstigen Dritten, beeinträchtigt werden.7 Zum anderen ist die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts aber auch eng verknüpft mit der Funktion des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege, vgl. § 1 BRAO. In diesem Sinne dient sie dem Schutz des öffentlichen Interesses an einer geordneten, das materielle Recht verwirklichenden Rechtspflege und dem Schutz des Vertrauens der Allgemeinheit in das Recht und die Rechtstaatlichkeit.
3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses a.) Begriff der „Bindung“ in § 43a Abs. 1 BRAO Nach § 43a Abs. 1 BRAO darf der Rechtsanwalt keine Bindungen eingehen, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden. Der Begriff „Bindungen“ ist unbestimmt, denn es gibt eine Vielzahl möglicher „Bindungen“ und eine rechtliche Konkretisierung, z. B. mittels Regelbeispielen, fehlt.8 Zu berücksichtigen ist auch, dass § 43a Abs. 1 BRAO nur bestimmte Bindungen untersagt, nämlich solche, die die Unabhängigkeit gefährden. Demnach muss es auch Bindungen geben, die sich mit der Unabhängigkeit vereinbaren lassen. 3 BGH NJW 1974, 1865, 1866; Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 1 Rdnr. 15 und § 43a Rdnr. 4 ; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 2 ; Henssler/Prütting/Koch, BRAO, § 1 Rdnr. 38 und 46 f.; Koch, in: Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rdnr. 7; Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 1 und S. 97; Habscheid, NJW 1962, 1985, 1988; Prütting, AnwBl 2013, 78, 82. 4 Vgl. Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 1 Rdnr. 16; Henssler/Prütting/Koch, BRAO, § 1 Rdnr. 46. 5 Dazu etwa BGHZ 34, 64, 72; 39, 142, 146; BGH NJW 1974, 1865, 1866; Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 1 Rdnr. 16 und § 43a Rdnr. 4; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 3 ; Henssler/Prütting/Koch, BRAO, § 1 Rdnr. 48 ff.; Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 109 f., ausführlich, S. 123 ff.; Habscheid, NJW 1962, 1985, 1988. 6 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 109. 7 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 109. 8 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 124.
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§ 5 Unabhängigkeit in den einzelnen Privatrechtsgebieten
(i) Nicht lediglich als „rechtliche Bindung“ zu verstehen Verbreitet wird vertreten, dass der Begriff der Bindungen lediglich im Sinne von „rechtliche Bindungen“ verstanden werden könne.9 Denn nur solche seien justiziabel10 und die faktischen Abhängigkeiten zwischen Anwalt und Mandant könnten vielfältiger Natur sein.11 Eine solche Beschränkung auf „rechtliche Bindungen“ ist jedoch zu eng. Sie lässt sich weder aus dem Wortlaut, noch aus anderen Vorschriften, wie etwa § 59f Abs. 4 Satz 2 BRAO,12 ableiten. Die Regelung in § 59f Abs. 4 Satz 2 BRAO für den Fall der Rechtsanwaltsgesellschaft, wonach „Einflussnahmen der Gesellschafter, namentlich durch Weisungen oder vertragliche Bindungen, […] unzulässig“ sind, stützt eher ein weites Verständnis. Denn die Verwendung von „namentlich“ zeigt, dass grundsätzlich auch andere Einflussnahmen denkbar sind und hier lediglich wichtige Fälle herausgehoben werden sollen. Und selbst wenn man hier – wegen der gewählten Beispiele – lediglich auf rechtliche Einflüsse abstellen wollte, wäre es unnötig, den Begriff „Bindungen“ noch einmal durch „Weisungen“ und „vertragliche“ zu konkretisieren, wenn der Begriff „Bindungen“ im Rahmen der BRAO ohnehin bereits auf „rechtliche Bindungen“ beschränkt wäre. Dass sich viele (faktische) Abhängigkeiten nicht vermeiden lassen,13 ist zwar richtig. Aber viele solcher Abhängigkeiten sind auch nicht geeignet, die berufliche Unabhängigkeit des Rechtsanwalts zu gefährden bzw. lassen sich nicht von außen wahrnehmen. Wo dies jedoch der Fall ist, d. h. wenn ein Abhängigkeitsverhältnis zum Mandanten oder anderen Personen manifest vorhanden und wahrnehmbar ist, bleibt kein Raum für Unterscheidungen, ob diese Abhängigkeit rechtlich oder faktisch zustande gekommen ist. (ii) Erfassung auch von wirtschaftlichen und anderen Abhängigkeiten So ist insbesondere auch eine wirtschaftliche Abhängigkeit mit dem Unabhängigkeitserfordernis nicht vereinbar. Betrachtet man zunächst die Extremsituation, dass ein Rechtsanwalt nur einen Mandanten vertritt, 14 zeigt sich dies besonders deutlich. Von der Interessenlage her („Angewiesensein auf einen Mandanten“) ist diese Situation vergleichbar mit derjenigen des angestellten Anwalts. Für letzteren bestimmt § 46 Abs. 1 BRAO, dass er seinen Arbeitgeber nicht als Anwalt vor Gericht vertreten darf. Die BRAO beschränkt den ange9 Für eine Beschränkung auf rechtliche Bindungen etwa Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 10 und 34; uneindeutig, aber wohl ebenfalls für eine Beschränkung Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 7 und 10 f. 10 Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 10 f.; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 34. 11 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 124. 12 Siehe Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 124. 13 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 124. 14 Dies wird im anwaltlichen Berufsrecht jedoch verbreitet für zulässig erachtet, siehe nur Grunewald, NZG 2001, 645.
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stellten (Syndikus-)Anwalt also gerade in Bezug auf einen wesentlichen Aspekt der Rechtspflege und damit im Hinblick auf seine (insofern nicht mögliche) Betätigung als Organ der Rechtspflege. Daraus lässt sich ableiten, dass der Gesetzgeber die wirtschaftliche Abhängigkeit von einem einzelnen Mandanten/ Auftraggeber durchaus kritisch gesehen hat. Auch der Vergleich mit anderen Funktionsträgern, die Unabhängigkeitserfordernissen unterliegen, zeigt, dass nicht ausschließlich rechtliche Bindungen die Unabhängigkeit beeinträchtigen können. So bestehen etwa für Abschlussprüfer und für Ratingagenturen Regelungen, die verhindern15 – oder dies zumindest nach außen signalisieren sollen16 –, dass ein Mandant eine zu große wirtschaftliche Bedeutung für den Funktionsträger erhält. Dieser Gedanke lässt sich auch der Rechtsprechung des BGH entnehmen. Dieser hat bereits in einem weniger gravierenden Fall – bei einer bloß „häufigen“ Vertretung eines Mandanten – eine gefährliche Interessenverflechtung gesehen. 17 Daher hat er eine entsprechende Aufklärung eines anderen Mandanten für erforderlich gehalten, der den ersten Mandanten zu einem späteren Zeitpunkt in einer anderen Rechtssache verklagen wollte. Wenn aber bereits bei einer bloß „häufigen“ Vertretung Zweifel an der Unabhängigkeit entstehen können, muss dies erst recht bei einer ausschließlichen Vertretung der Fall sein. Aber nicht nur die Vertretung ausschließlich eines Mandanten dürfte vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Abhängigkeit Zweifel an der Unabhängigkeit des jeweiligen Rechtsanwalts aufwerfen. Auch ein Mandat, das im Vergleich zu den übrigen von einem Anwalt übernommenen Mandaten eine so herausgehobene Stellung einnimmt, dass es für den Anwalt eine erhebliche Bedeutung erhält, ist unter dem Gesichtspunkt der Unabhängigkeit problematisch. Für die Frage, wann ein Mandat erheblich ist, kann auf die rechtlich festgelegten Schwellen etwa für Abschlussprüfer oder auch Ratingagenturen zurückgegriffen werden.18 b.) „Gefahr“ im Sinne von § 43a Abs. 1 BRAO Nach § 43a Abs. 1 BRAO kommt es auf eine „Gefährdung“ der beruflichen Unabhängigkeit an. Hierzu wird vertreten, dass es sich dabei um eine konkrete Gefährdung handeln müsse.19 Der Rechtsanwalt verstoße nur dann gegen seine Berufspflicht zur Unabhängigkeit, wenn er Bindungen eingehe, die ihn nicht 15 Für Abschlussprüfer: § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 HGB (30% der Gesamteinnahmen der letzten 5 Jahre) und § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB (15% der Gesamteinnahmen der letzten 5 Jahre). 16 Für Ratingagenturen: Anhang I Abschnitt B Abs. 2 der Rating-Verordnung (Offenlegung bei 5 % der Jahreseinnahmen). 17 BGHZ 174, 186. 18 Siehe Fn. 15 und 16. 19 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 125.
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mehr unabhängig agieren ließen, d. h. seine Unabhängigkeit im Einzelfall konkret beeinträchtigten.20 Begründet wird dies insbesondere mit § 113 Abs. 1 BRAO, wonach eine Pflichtverletzung nur im Fall eines schuldhaften Handelns berufsrechtlich geahndet werden kann. Daher müsse im Einzelfall konkret belegt werden, welche seine Unabhängigkeit gefährdende Bindung der Anwalt eingegangen sei.21 Andererseits wird aber auch gesehen, dass der Maßstab zur Beurteilung, ob eine Gefahr vorliegt, nur ein objektiver sein kann, weil das Unabhängigkeitserfordernis primär dem Schutz der Rechtspflege und des Mandanten dient.22 Diese Argumentation ist genauer zu beleuchten. Sofern unter „konkreter Beeinträchtigung“ der Unabhängigkeit verstanden wird, dass der Anwalt befangen sein muss, also nicht mehr innerlich unabhängig ist, würde dies zu einer Aushöhlung der Norm führen. Denn auch im Fall des Anwalts ist es grundsätzlich nicht möglich, die innere Unabhängigkeit völlig sicher zu stellen bzw. eine Abhängigkeit sicher nachzuweisen, sodass zwangsläufig an die äußere Unabhängigkeit angeknüpft werden muss. Eine solche Anknüpfung ist auch deshalb erforderlich, weil das Unabhängigkeitserfordernis beim Anwalt nicht nur im Hinblick auf das Verhältnis Mandant-Anwalt von Bedeutung ist, sondern auch allgemeine Interessen im Blick hat. Mit einer solchen Anknüpfung an die äußere Unabhängigkeit lässt sich dann auch die Aussage in Einklang bringen, dass der Maßstab zur Beurteilung, ob eine Gefahr vorliegt, ein objektiver sein müsse. Dass § 113 Abs. 1 BRAO ein schuldhaftes Handeln voraussetzt, steht einer Anknüpfung an die äußere Unabhängigkeit nicht entgegen. Diese Norm knüpft an den Pflichtenverstoß an, setzt also einen solchen voraus. Sie trifft aber keine Aussage darüber, wie der Pflichtenverstoß aussehen muss. Da der Rechtsanwalt verpflichtet ist, keine Bindungen einzugehen, die seine Unabhängigkeit gefährden, kann daher auch in dem Eingehen einer solchen Beziehung ein Pflichtenverstoß gesehen werden. Auch ein solcher kann schuldhaft erfolgen. Entsprechend hat auch der BGH – wie erwähnt – im Fall eines „häufigen Tätigwerdens“ für den Gegner eines Mandanten eine Pflicht angenommen, dies dem Mandanten gegenüber ungefragt offenzulegen.23 Begründet hat er dies damit, dass häufige Aufträge zu einer wirtschaftlichen Abhängigkeit oder einer besonderen Identifizierung mit den Angelegenheiten des Gegners führen könnten.24 Damit aber knüpft der BGH hier nicht an einen konkreten Konflikt 20 Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 5; Henssler/Prütting/Koch, BRAO, § 1 Rdnr. 43. Entsprechend wird dafür plädiert, dass § 43a Abs. 1 BRAO heißen sollte: „Der Rechtsanwalt darf keine Bindungen eingehen, die seine berufliche Unabhängigkeit beeinträchtigen.“ Vgl. a.a.O. § 1 Rdnr. 42. 21 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 125. 22 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 125. 23 BGHZ 174, 186 24 BGHZ 174, 186, 190.
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oder an eine unmittelbare Pflichtverletzung an, sondern an das Vorliegen bestimmter Umstände, bei deren Vorliegen in den Augen Dritter die Unabhängigkeit des Anwalts beeinträchtigt wird. In diesen Fällen ist die äußere Unabhängigkeit gefährdet, denn Dritte werden den Anwalt unter Umständen nicht mehr als unabhängig ansehen. Dies bedeutet aber nicht, dass auch die Unbefangenheit des Anwalts, d. h. seine innere Unabhängigkeit, betroffen sein muss. Denn diese wäre nur im Falle eines konkreten Interessenkonflikts gefährdet und ein solcher muss nicht unbedingt vorliegen.25 c.) Verständnis des anwaltlichen Unabhängigkeitserfordernisses vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerfG Diesem Verständnis stehen weder das Erfordernis einer konkreten Bestimmung des Interessenwiderstreits durch den BGH 26 noch die Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2003 zum Kanzleiwechsel von Anwälten 27 entgegen. In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ging es um den Kanzleiwechsel eines Anwalts, dessen alte Kanzlei ein Mandat betreut hatte, zu dem die neue Kanzlei des Anwalts das Gegenmandat übernommen hatte. Der Anwalt selbst hatte das Mandat in seiner alten Kanzlei nicht betreut. Dennoch sollte die aufnehmende Kanzlei laut der zuständigen Rechtsanwaltskammer und dem BGH ihr Mandat niederlegen. Dem stellte sich das BVerfG entgegen. Unter anderem führte es aus, dass auf den konkreten Einzelfall abgestellt werden müsse. Die Rechtsanwaltskammern dürften daher Maßnahmen, die sie ergriffen, nicht auf den Anschein pflichtwidrigen Verhaltens stützen.28 Die BRAO knüpfe an solche abstrakten Gefährdungen der Rechtspflege nur in Ausnahmefällen an.29 Diese Aussagen des BVerfG wurden zum Teil so verstanden, dass für die Berufspflichten des Anwalts generell nicht auf den Anschein abgestellt werden dürfe.30 Für das Unabhängigkeitsgebot nach § 43a Abs. 1 BRAO ist ein solches Verständnis, das für § 43a Abs. 4 BRAO als sachgerecht empfunden wird, abzulehnen. Das BVerfG setzt sich in seiner Entscheidung vor allem mit § 43a Abs. 4 BRAO (dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen) auseinander. Insofern könnten die Aussagen des BVerfG für das Unabhängigkeitserfordernis höchstens mittelbar herangezogen werden. Zum anderen ließe sich ein solches Verständnis nur schwer mit der – auch vom BVerfG mitgeprägten – Einbettung des Unabhängigskeitserfordernisses in den übrigen Rechtszusammenhang vereinbaren. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Gebot, keine die Unabhän Vgl. dazu die Ausführungen in § 4 II.1.). BGH NJW 2012, 3039; 2013, 1247. 27 BVerfG NJW 2003, 2520. 28 BVerfG NJW 2003, 2520, 2522. 29 BVerfG NJW 2003, 2520, 2522. 30 Siehe z. B. Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat, S 34 f. m.w.N. 25 26
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gigkeit gefährdenden Bindungen einzugehen, keinen Selbstzweck darstellt. Vielmehr liegen ihm über die individuelle Beziehung zum Mandanten hinausgehende Zwecke und Schutzgedanken zugrunde. Dies führt dazu, dass für die Beurteilung der Unabhängigkeit auf die Perspektive eines Dritten abgestellt werden muss. Eine solche Perspektive kann jedoch nur an die äußere Unabhängigkeit anknüpfen. Diese aber führt wiederum zu einer generalisierenden Betrachtung und stellt infolgedessen auf den Anschein fehlender Unbefangenheit ab. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit den Unabhängigkeitsregelungen für andere wirtschaftsnahe Berufe, wie denen für Wirtschaftsprüfer. Das BVerfG hat in diesem Zusammenhang an anderer Stelle die Aussage getroffen, dass die wirtschaftsnahen Beratungsberufe – Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschafts prüfer – wegen ihrer Wesensverwandtheit grundsätzlich gleich zu behandeln seien.31 Bei den Wirtschafts- bzw. Abschlussprüfern wird aber gerade an die äußere Unabhängigkeit bzw. die Besorgnis der Befangenheit angeknüpft. Wollte man im Fall des Rechtsanwalts dagegen nur auf die tatsächliche Befangenheit abstellen und Regelungen zur Besorgnis der Befangenheit für verfassungswidrig halten, müsste dies im Umkehrschluss auch für die Regelungen für Wirtschaftsprüfer gelten – d. h. die Regelungen der WiPrO und §§ 319, 319a HGB müssten als verfassungswidrig angesehen werden. Das aber wird man nicht ernstlich behaupten wollen. In dem vom BVerfG entschiedenen Fall wäre es sachgerecht gewesen, auch zu untersuchen, ob bei einem wechselnden Anwalt die äußere Unabhängigkeit überhaupt tangiert wird. Voraussetzung wäre eine äußerlich wahrnehmbare Beziehung, die auf eine (mögliche) Abhängigkeit hindeutet. Da der Anwalt das gegnerische Mandat (in der alten Kanzlei) nicht selbst betreut hat, fehlt eine unmittelbare Beziehung zu diesem gegnerischen Mandanten. Und da er sein Angestelltenverhältnis in der alten Kanzlei beendet hat, fehlt es nun außerdem an einer mittelbaren Beziehung aufgrund einer Abhängigkeit vom (alten) Arbeitgeber. Für den Mandant der neuen Kanzlei ergeben sich somit – zumindest typischerweise – keine Anhaltspunkte, um an der Unabhängigkeit des wechselnden Anwalts zu zweifeln. Die Interessen des gegnerischen Mandanten der Altkanzlei sind in diesem Fall über Verschwiegenheitspflichten ausreichend geschützt, zumal der wechselnde Anwalt dessen Mandat gar nicht selbst betreut hat. Eine typisierende Betrachtung zeigt also, dass eine Unabhängigkeitsgefährdung nicht besteht. Im Einzelfall kann dies anders sein, wenn ein konkreter Interessenkonflikt vorliegen sollte. Die vom BVerfG zugrunde gelegte „generalisierende Betrachtung“32 bezieht sich demgegenüber auf das konkrete Verhältnis und nicht auf generalisierende typisierende Kriterien, die auf alle vergleichbaren Beziehungen Anwendung fin31 Vgl. dazu die Ausführungen in BVerfGE 98, 49, 63 ff.; außerdem Henssler, ZIP 1998, 2121, 2124 f.; ders., JZ 1998, 1065, 1067; Deckenbrock, BB 2002, 2453, 2457. 32 BVerfG NJW 2003, 2520, 2521.
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den. Aufgrund dieser Anknüpfung an das konkrete Verhältnis zwischen Mandanten und Anwalt ist es auch richtig, in diesem Fall dem Mandanten – nach entsprechender Aufklärung – die Entscheidung zu überlassen, ob bzw. wie er seine Interessen wahren möchte. Die Regelungen in § 43a Abs. 1 BRAO und § 43a Abs. 4 BRAO sind vor diesem Hintergrund als unterschiedliche Verdichtungen von Unabhängigkeitserfordernis und Interessenwahrungspflicht einzuordnen. Danach können mit § 43a Abs. 1 BRAO unvereinbare Sachverhalte zu einer Aufklärung sowie gegebenenfalls zu einem Gebot einer (gewissen) Konfliktvermeidung Anlass geben. Ein einschneidendes Verbot dahingehend, dass der Anwalt ein Interessenwahrungsverhältnis bzw. Mandat nicht eingehen darf bzw. es niederzulegen hat, lässt sich damit angesichts der Existenz von § 43a Abs. 4 BRAO mit seinen 43a Abs. 4 BRAO besonderen Voraussetzungen jedoch nicht begründen. § stellt mit seinen Anforderungen eine besondere Verdichtung der Interessenwahrungspflicht dar, die entsprechend einschneidende Folgen nach sich zieht. Mit §§ 319, 319a HGB lässt sich dieses Ergebnis in Einklang bringen, weil dort die „Verdichtung“ mittels der im Vergleich zu § 43a Abs. 1 BRAO genaueren Spezifizierung der unabhängigkeitsausschließenden Sachverhalte erfolgt.
4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit Gefährdet werden kann die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts insbesondere durch Beziehungen zu seinen Mandanten, einem eventuellen Arbeitgeber oder auch zu seinen Kanzleiangestellten. a.) Verhältnis zum Mandanten Da § 43a Abs. 1 BRAO die Unabhängigkeit gefährdenden „Bindungen“ nicht weiter einschränkt, erfasst die Norm grundsätzlich auch die Beziehungen zu Mandanten,33 auch wenn der Anwalt deren Interessenwahrer ist. (i) Keine Gefährdung allein durch Aufnahme und Beendigung des Mandats Allein aus der bloßen Begründung des Mandatsverhältnisses lassen sich allerdings in der Regel noch keine unabhängigkeitsgefährdenden Bindungen zwischen Anwalt und Mandant ableiten.34 Auch die Möglichkeit des Mandanten, ein Mandat (vorzeitig) zu kündigen, kann die Unabhängigkeit des Anwalts grundsätzlich nicht gefährden.35 Sie hat keinen Einfluss auf den bereits ent33 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 26 ff.; Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 123 f.; a.A. Kleine-Cosack, BRAO, § 1 Rdnr. 11 ff. 34 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 137. Anderes gilt jedoch bei vorangegangen Zweittätigkeiten i.S.v. § 45 BRAO, siehe Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 43a Rdnr. 8. 35 Dazu Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 144.
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standenen Gebührenanspruch, sodass der Anwalt sicher sein kann, dass die von ihm für das Mandat geleistete Arbeit vergütet wird, wenn der Auftrag vorzeitig beendet wird, vgl. § 15 Abs. 4 RVG. Und nach § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB hat der Anwalt, etwa in dem Fall, dass ein Pauschalhonorar vereinbart wurde, einen Anspruch darauf, einen Teil des vereinbarten Honorars zu erhalten, der seinen bisherigen Leistungen entspricht.36 (ii) Weisungen Grundsätzlich unproblematisch ist auch der Umstand, dass der Mandant dem Anwalt gegenüber weisungsbefugt ist, vgl. §§ 675 Abs. 1, 665 Satz 1 BGB – jedenfalls sofern der Mandant vom Anwalt kein berufsrechtswidriges Verhalten verlangt.37 Denn das Unabhängigkeitsgebot verlangt nicht, dass sich der Anwalt immer gegen seinen Mandanten durchsetzen muss; vielmehr soll es nur sicherstellen, dass der Anwalt seinen berufsrechtlichen Pflichten nachkommen kann und sich nicht an rechtswidrigen, insbesondere berufsrechtswidrigen, Machenschaften beteiligt.38 Im Hinblick auf Weisungen des Mandanten bedeutet dies allerdings, dass der Anwalt die Ausführung einer Weisung verweigern können muss, wenn der Mandant von ihm ein berufsrechtswidriges Verhalten verlangt. Denn nur so kann er rechtmäßig handeln und seine Unabhängigkeit schützen; dies findet auch im Gesetz seinen Niederschlag in § 627 Abs. 1 BGB, der es dem Anwalt in einem solchen Fall ermöglicht, das Mandat niederzulegen.39 (iii) Honorarvereinbarung Zu einer gewissen Bindung des Anwalts an den Mandanten führt die Honorarvereinbarung für die anwaltlichen Dienstleistungen. Durch die vom RVG vorgegebene Gebührenhöhe wird der Anwalt allerdings davor geschützt, dass der Mandant ein niedrigeres Honorar als nach dem RVG vorgesehen aushandelt, vgl. § 49b Abs.1 Satz 1 BRAO.40 Dies gewährleistet seine wirtschaftliche Unabhängigkeit.41 Untersagt ist nach § 49b Abs. 2 BRAO außerdem die Vereinba36 Dazu BGH NJW 1987, 315, 316. Eine Einschränkung erfährt dieser Anspruch nach § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn die Kündigung des Mandanten auf ein vertragswidriges Verhalten des Anwaltes zurückzuführen ist. In diesem Fall fehlt es aber auch an einer Schutzwürdigkeit des Anwalts. 37 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 142; vgl. auch BGH NJW 1974, 1865, 1866. 38 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 142; vgl. dazu auch BGH NJW 1974, 1865, 1866. Für den Steuerberater ausdrücklich geregelt in § 25 Abs. 3 BO StB. 39 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 142. 40 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 162. Vgl. entsprechend § 21 BORA im Verhältnis zu Dritten, die anstelle des Mandanten oder mit diesem die Zahlung der Gebühren übernehmen oder die sich gegenüber dem Mandanten verpflichten, diesen von anfallenden Gebühren freizustellen. Zu zulässigen Unterschreitungen Henssler/Prütting/Kilian, BRAO, § 49b, Rdnr. 33 ff. 41 Dazu Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 1 Rdnr. 18.
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rung erfolgsabhängiger Honorare,42 soweit das RVG dies nicht gestattet43 . Würde die Vergütung der Tätigkeit des Anwalts von der Erzielung eines bestimmten gewünschten Ergebnisses abhängig gemacht werden können, bestünde die Gefahr, dass der Anwalt nicht mehr unabhängig agiert, sondern mit unzulässigen Mitteln und im Widerspruch zur wirklichen Sach- und Rechtslage einen möglichst großen Erfolg anstrebt.44 Nicht ausdrücklich geregelt ist hingegen der Fall, dass das Honorar von einem Mandanten aufgrund seines Anteils an den Gesamthonorareinnahmen für den Anwalt eine übermäßige Bedeutung erlangt. Denn je mehr der einzelne Mandant zum Einkommen des Anwalts beiträgt, desto größer ist das Interesse des Anwalts, diesen Mandanten nicht zu verlieren.45 Damit steigt seine Abhängigkeit von diesem Mandanten. Um zu verhindern, dass er dieses Mandat verliert, könnte der Anwalt auf den Gedanken kommen, die Wünsche des Mandanten über seine anwaltlichen Berufspflichten zu stellen und damit seine Unabhängigkeit – jedenfalls zum Teil – aufzugeben.46 Ein solches Verhalten kann durch den zunehmenden Wettbewerb zwischen den Anwälten und die dadurch wachsende Nachfragemacht der Mandanten noch verstärkt werden.47 Ganz deutlich wird dies dann, wenn der Anwalt nur ein einziges Großmandat betreut. Bisher gibt es im anwaltlichen Berufsrecht, anders als bei Wirtschaftsprüfern48 – ansatzweise auch bei Ratingagenturen49 –, keine Obergrenze für das durch ein und dasselbe Mandat oder auch von demselben Mandanten im Rahmen verschiedener Mandate maximal zu verdienende Honorar.50 Begründet wird das Fehlen einer entsprechenden Regelung damit, dass es bei Rechtsanwälten zu einem Kontrollproblem kommen würde, weil § 6 Abs. 2 Satz 1 BORA 42 Siehe auch BGHZ 34, 64; 39, 142. Dies umfasst auch sog. quota-litis-Vereinbarungen, bei der der Anwalt einen Teil des erstrittenen Betrags als Honorar erhält. Vgl. dazu Henssler/ Prütting/Kilian, BRAO, § 49b Rdnr. 63. 43 Dazu Henssler/Prütting/Kilian, BRAO, § 49b Rdnr. 101 ff.; Weyland, in: Feuerich/ Weyland, BRAO, § 49b Rdnr. 32 ff. § 4a RVG sieht für Erfolgshonorare allerdings enge Grenzen vor. 44 Vgl. BT-Drs. 12/4993, S. 31; BGHZ 34, 64, 72; 39, 142, 147. Siehe dazu auch z. B. Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 164 f. 45 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 34; Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 160. 46 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 160; siehe auch Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 34. 47 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 160. 48 Siehe die Regelung in § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 HGB (30% der Gesamteinnahmen der letzten 5 Jahre) und § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB (15% der Gesamteinnahmen der letzten 5 Jahre). 49 Siehe Anhang I Abschnitt B Abs. 2 der Rating-Verordnung (Offenlegung bei 5% der Jahreseinnahmen). 50 In Bezug auf Rechtsanwälte ablehnend Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 164; Grunewald, NZG 2001, 645.
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eine – für die Überprüfung notwendige – Offenlegung der Bilanzen eines Anwaltes verbiete.51 Grundsätzlich denkbar ist allerdings, dass die Offenlegung gegenüber der Rechtsanwaltskammer erfolgt. Solche beschränkten Offenlegungs- und Transparenzpflichten für den Fall, dass eine unbeschränkte Offenlegung die Interessen des Verpflichteten oder bestimmter Dritter gefährden würde, gibt es auch in anderen Rechtsgebieten.52 Nicht durchschlagend ist auch der Hinweis, dass sich beim Wirtschaftsprüfer die Beschränkung des Honorarvolumens nur auf die Prüfer-, nicht auch auf die Beratertätigkeit beziehe.53 Denn der Schutzzweck der jeweiligen konkreten Normen ist jeweils ein anderer. Während beim Prüfer die Prüfung des Jahresabschlusses und andere Kontrollaufgaben der Grund für das Unabhängigkeitserfordernis sind,54 ist dies beim Rechtsanwalt auch dessen beratende Tätigkeit im Hinblick auf das Recht, die er nicht nur als Interessenvertreter, sondern auch als Organ der Rechtspflege durchführt. Dementsprechend müssen die Unabhängigkeitsregelungen im Fall des Rechtsanwalts auch dessen Beratungstätigkeit in den Blick nehmen. (iv) Wirtschaftliche Beziehungen außerhalb des Mandantenvertrages Aber nicht nur das Honorar, sondern auch andere wirtschaftliche Beziehungen zwischen Anwälten und Mandanten neben einer gegenwärtigen Mandatsbeziehung, wie etwa Darlehensgewährungen oder finanzielle Beteiligungen, können zu Abhängigkeiten führen.55 Vertragliche Beziehungen zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandant außerhalb des Mandantenvertrages sind daher grundsätzlich kritisch zu bewerten.56 (1) Beteiligung an einem Mandantenunternehmen Eine Beteiligung des Anwaltes an einem Mandantenunternehmen kann mit Blick auf die anwaltliche Unabhängigkeit dann problematisch sein, wenn der Beteiligungserwerb die Vergütung des Anwalts darstellt.57 Dabei ist allerdings danach zu unterscheiden, ob der Honorarbetrag grundsätzlich feststeht und am Ende des (Einzel-)Mandats nur nicht in Geld, sondern in Gesellschaftsan Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 164. Siehe etwa die Meldepflichten nach §§ 21, 25, 25a WpHG, die gegenüber dem Emittenten und der BaFin, nicht aber gegenüber der Allgemeinheit zur Offenlegung verpflichten. 53 Zu diesem Argument Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 164. 54 Dazu unter § 5 IV 2.). 55 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 160, 173 ff.; differenzierend Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 26 (problematisch, wenn sich der Anwalt in finanzielle Abhängigkeit begibt). 56 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 26. 57 Ausführlich Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 179 ff.; gegenüber einem Beteiligungserwerb offener Grunewald, NZG 2001, 645. Zwar geht das anwaltliche Gebührenrecht von einer Vergütung in Geld aus, steht aber einer Bezahlung in anderer Form nicht entgegen. Vgl. etwa Grunewald, NZG 2001, 645, 646. 51
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teilen beglichen wird oder ob eine bestimmte Anzahl von Geschäftsanteilen versprochen wurde.58 Im ersteren Fall bleibt der Honorarbetrag unverändert, denn der Wert des einzelnen Anteils spielt keine Rolle. Die Anteile stellen also lediglich eine andere „Währung“ dar.59 Für den Anwalt besteht daher ebenso wenig Grund, sachfremde Erwägungen anzustellen, wie in dem Fall, dass er mit Geld bezahlt würde.60 Ist dem Anwalt hingegen nur eine bestimmte Anzahl an Gesellschaftsanteilen versprochen worden, ist sein Honorar unmittelbar und gegenwärtig mit dem wirtschaftlichen Erfolg der jeweiligen Gesellschaft verknüpft. Denn schwankt der Wert der Anteile, wirkt sich der wirtschaftliche Erfolg oder Misserfolg der Gesellschaft unmittelbar auf das Honorar des Anwalts aus und dieser hat – etwa im Fall eines Börsengangs – ein besonderes Interesse an einem möglichst hohen Anteilspreis.61 Damit vergleichbar ist die Betreuung eines Dauermandats der Gesellschaft durch denselben Anwalt, wenn dieser bereits Anteile an der Gesellschaft besitzt. Auch in diesen Fällen sind die wirtschaftlichen Interessen des Anwalts eng mit denen seiner Mandantin, der Gesellschaft, verbunden.62 Denn negative Entwicklungen bei der Gesellschaft wirken sich unmittelbar auf das private Vermögen des Anwalts aus. Ergänzend lässt sich die Wertung von § 49b Abs. 2 BRAO zur Unzulässigkeit von Erfolgshonoraren heranziehen: Auch wenn die Bezahlung in Anteilen kein eigentliches Erfolgshonorar darstellt, so ist – etwa im Fall einer Transaktion – die Vergütung doch z. T. vom Erfolg der Transaktion abhängig.63 Andererseits ist zu bedenken, dass eine solche Vergütung zu einer gleichen Interessenausrichtung führen und sich daher positiv auf die Mandatsbearbeitung auswirken kann. Es ist aber auch möglich, dass sie im Gegenteil zu einer gegenläufigen Interessenausrichtung führen kann, etwa im Fall einer Beratung bei einer für die Gesellschaft vorteilhaften Kapitalmaßnahme, die den Anteilswert sinken lässt.64 (2) Tätigkeit in einem Leitungs- oder Aufsichtsorgan eines Mandantenunternehmens, Zweitberufe Hinsichtlich der Tätigkeit des Anwalts in einem Leitungs- oder Aufsichtsorgan eines Mandantenunternehmens ist § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO zu beachten. Danach darf der Anwalt nicht tätig werden, „wenn er in derselben Angelegenheit außerhalb seiner Anwaltstätigkeit oder einer sonstigen Tätigkeit im Sinne des Vgl. auch Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 28. Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 180. 60 Dies gilt allerdings nur, sofern der Einsatz des Anwaltes keine absehbaren zukünftige Auswirkungen hat, die den Wert der ihm dann übertragenen Anteile beeinflusst. 61 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 179 f., 181. Diesbezüglich weniger besorgt Grunewald, NZG 2001, 645. 62 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 181. 63 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 183. 64 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 183 f. 58
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§ 59a Abs. 1 Satz 1 bereits beruflich tätig war“ und diese berufliche Tätigkeit noch nicht beendet ist. Eine Tätigkeit als Geschäftsführer oder Vorstand lässt sich als eine „berufliche Tätigkeit“ im Sinne dieser Vorschrift einordnen, weil sie grundsätzlich auf Dauer angelegt ist und regelmäßig der Schaffung oder Erhaltung einer Lebensgrundlage dient.65 Auch die Aufsichtsratstätigkeit wird von § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO erfasst.66 Ob sie allerdings eine „berufliche Tätigkeit“ im Sinne von § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO darstellt, ist eher zweifelhaft.67 Denn nach § 113 AktG hat ein Aufsichtsrat keinen Anspruch auf Vergütung.68 Außerdem kann sie nicht als „dauerhaft“ charakterisiert werden, da sie nur periodisch ausgeübt wird69 und die gelegentliche Tätigkeit nicht als Berufsausübung angesehen werden kann.70 Aber nach Sinn und Zweck von § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO ist eine Erfassung dennoch geboten. Auch wenn ein Aufsichtsrat eine kontrollierende Funktion hat, vgl. § 111 Abs. 1 AktG, trägt er dennoch Verantwortung für eventuelle Fehlentscheidungen des Unternehmens, vgl. § 116 Satz 1 i.V.m. § 93 AktG. Bei gleichzeitiger Tätigkeit als Aufsichtsrat und Rechtsanwalt des Unternehmens könnte der Anwalt versucht sein, das Unternehmen so zu beraten, wie es für seine Stellung als Aufsichtsrat günstig ist – z. B. im Fall einer drohenden Übernahme durch ein anderes Unternehmen zur Abwehr der Übernahme raten, wenn das Bieterunternehmen die Mitglieder des Aufsichtsrats austauschen will.71 Hinsichtlich einer möglichen Beeinträchtigung der Unabhängigkeit besteht daher kein Unterschied zwischen der Tätigkeit als Geschäftsführer bzw. Vorstand und der Tätigkeit als Aufsichtsrat. Henssler/Prütting/Kilian, BRAO, § 45 Rdnr. 28. Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 197 (unter Hinweis auf den Zweck der Norm); Müller, NZG 2002, 797, 799; a.A. wohl Henssler/Prütting/Kilian, BRAO, § 45 Rdnr. 35 (Norm solle nur verhindern, dass Weisungen von Auftraggebern im Zusammenhang mit dem Zweitberuf in die anwaltliche Tätigkeit hineinwirken; andererseits aber in Rdnr. 30, im Bereich des § 45 BRAO habe es keine Bedeutung, ob eine Weisungsabhängigkeit bestehe); Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 31 (mit dem Hinweis, dass der Anwalt jedoch im Rahmen eines Beratungsvertrages keine Leistungen erbringen dürfe, die er als Aufsichtsratsmitglied bereits aufgrund seiner Organstellung zu erbringen habe, weil der Beratungsvertrag andernfalls eine verdeckte Sonderzuwendung darstelle und dann nach § 113 AktG i.V.m. § 134 BGB nichtig sei). 67 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 196; a.A. Müller, NZG 2002, 797, 799 (sofern Vergütung gezahlt wird). 68 Sie „kann“ gewährt werden. 69 Vgl. in diesem Zusammenhang § 110 Abs. 2 AktG. Außerdem dürfen mehrere Aufsichtsratsmandate parallel übernommen werden, vgl. § 100 Abs. 2 AktG. 70 Henssler/Prütting/Kilian, BRAO, § 45 Rdnr. 30; a.A. Müller, NZG 2002, 797, 799 (mit dem Argument, auch nebenberufliche Tätigkeit ist berufliche Tätigkeit i.S. von § 45 BRAO). 71 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 197 f. Vgl. auch AG Potsdam, DStR 1996, 1063 f. (für einen Steuerberater). Siehe jetzt aber § 15 Satz 1 Nr. 6 BO StB, wonach die Tätigkeit eines Steuerberaters als Aufsichtsrat als zulässig eingestuft wird. 65
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II. Rechtsanwalt
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Neben der Tätigkeit als Vorstand/Geschäftsführer oder Aufsichtsratsmitglied erfasst § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO auch andere Zweitberufe. Die Vorschrift dient dazu, die von einem solchen Zweitberuf ausgehenden Gefährdungen für die Unabhängigkeit des Anwalts abzuwehren.72 (3) Übernahme von Mandantenrisiken Die Unabhängigkeit des Anwalts wird ebenfalls beeinträchtigt, wenn er Risiken des Mandanten übernimmt. Dies ist etwa der Fall, wenn er sich die Klageforderung eines Mandanten abtreten lässt und diese dann im eigenen Namen geltend macht.73 Eine Zeugenaussage des Mandanten in diesem Prozess des Anwalts hinsichtlich der Forderung kann der Anwalt dann nicht mehr unvoreingenommen würdigen, weil seine eigene Rechtsposition betroffen ist und er seine eigenen wirtschaftlichen Interessen mit denen seines Mandanten verbunden hat.74 b.) Verhältnis zum Arbeitgeber bei Syndikusanwälten, angestellten Anwälten und freien Mitarbeitern Die Unabhängigkeit gefährdende Bindungen können des Weiteren entstehen, wenn der Anwalt seine Tätigkeit als Arbeitnehmer ausübt.75 Dies gilt insbesondere für den Syndikusanwalt, der für einen Arbeitgeber (ausschließlich) tätig ist, der selbst kein Rechtsanwalt ist. Auch wenn die BRAO den Syndikus als zulässige Erscheinungsformen des Anwaltsberufs ansieht,76 beschränkt sie doch seine Berufsausübung. Denn § 46 Abs. 1 BRAO erlaubt dem Syndikusanwalt nicht, seinen Arbeitgeber als Anwalt vor Gericht zu vertreten. Damit wird er gerade in Bezug auf einen wesentlichen Aspekt der Rechtspflege, nämlich seine Betätigung als Organ der Rechtspflege, eingeschränkt. Der Gesetzgeber geht somit davon aus, dass der Syndikusanwalt nicht oder höchstens eingeschränkt unabhängig ist. Deutlich gegen eine Unabhängigkeit des Syndikusanwalts hat sich auch der EuGH ausgesprochen: Aufgrund seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit und seiner engen Bindungen an seinen Arbeitgeber könne der Syndikus nicht als unabhängig angesehen werden.77 So könne er eventuelle Spannungen zwischen den Wünschen seines Mandanten und seinen Berufs Henssler/Prütting/Kilian, BRAO, § 45 Rdnr. 29 ff. Dazu Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 29; Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 178. 74 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 178 m.w.N. 75 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 11. Ausführlich Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 252 ff. 76 Siehe dazu Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 12 ff.; Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 254 ff. (Angestelltenverhältnis), S. 263 ff. (Syndikus). 77 Siehe EuGH Rs. C-550/07 P, Slg. 2010, I-8301 (insb. Rdnr. 49). Dazu Kremer/Voet van Vormizeele, AG 2011, 245. A.A. als der EuGH z. B. Prütting, AnwBl 2013, 78, 83. 72 73
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pflichten nicht so leicht ausräumen wie ein externer Anwalt.78 Außerdem müsse er aufgrund seines Anstellungsverhältnisses immer auch die von seinem Arbeitgeber verfolgten Geschäftsziele im Auge haben.79 Auch nach dieser Entscheidung des EuGH wird allerdings im Hinblick auf die Vermeidung der Haftung von Geschäftsleitern durch Einholung von unabhängigem Rechtsrat vertreten, dass auch ein Syndikusanwalt einen solchen unabhängigen Rechtsrat erteilen könne.80 Im Zusammenhang mit der Haftung der Gesellschaft ist dieser Ansicht zu folgen – die Situation ist nicht mit dem vom EuGH entschiedenen Sachverhalt vergleichbar, wo es letztlich um eine effektive Kartellverfolgung ging.81 Bei der Frage der Haftung von Geschäftsleitern geht es darum, ob diese, wenn sie für ihre Entscheidungsfindung Rechtsrat einholen, von der Zuverlässigkeit der beratenden Experten ausgehen dürfen, d.h. davon, dass sie ihren Rechtsrat unbeeinflusst von sachwidrigen Interessen, sei es eigener oder fremder, erteilen.82 In dieser Hinsicht ist die Situation des Syndikusanwalts nicht anders zu beurteilen als diejenige eines externen Rechtsanwalts: 83 Denn zum einen sind Syndikusanwälte aufgrund ihres Anstellungsvertrages verpflichtet, die Gesellschaft vor zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen zu bewahren.84 Außerdem dürfen auch sie nicht bewusst falsche Rechtsauskünfte erteilen, sonst besteht die Gefahr, dass sie sich wegen Anstiftung oder Beihilfe zu einer etwaigen Straftat der Organmitglieder strafbar machen.85 Zum anderen geht es im Hinblick auf die Haftungsbefreiung der Geschäftsleiter um die Überzeugung der Geschäftsleiter von der Zuverlässigkeit der Experten. Nutzen die Geschäftsleiter ihre Möglichkeiten zur Einflussnah-
78 EuGH Rs. C-550/07 P, Slg. 2010, I-8301, Rdnr. 45; a.A. z. B. Prütting, AnwBl 2013, 78, 82 (in jeder Hinsicht vergleichbare Gefährdungen). 79 EuGH Rs. C-550/07 P, Slg. 2010, I-8301, Rdnr. 47. 80 Im Anschluss an das ISION-Urteil des BGH, s. BGH AG 2011, 876, etwa Junker/ Biederbick, AG 2012, 898, 900; Kiefner/Krämer, AG 2012, 498, 501; Merkt/Mylich, NZG 2012, 525, 528; Strohn, ZHR 176 (2012), 137, 140; Wagner, BB 2012, 651, 655 f. S. außerdem schon Fleischer, NZG 2010, 121, 123; Fleischer, FS Hüffer 2010, S. 187, 192 f.; vorsichtiger Spindler, FS Canaris, 2007, S. 403, 421; für eine Übersicht über das Meinungsspektrum Selter, AG 2012, 11, 14 f. 81 Junker/Biederbick, AG 2012, 898, 901. 82 Wagner, BB 2012, 651, 656. 83 Stellt man nicht auf die Weisungsabhängigkeit ab, sondern auf die Frage der Zuverlässigkeit des Anwalts, ist eine Syndikus wie auch der externe Rechtsanwalt dann nicht mehr als unabhängig anzusehen, wenn er eigene Vertragsentwürfe oder den von ihm angefertigten Prüfungsgegenstand begutachten soll, s. Strohn, ZHR 176 (2012), 137, 140. Besondere Schwierigkeiten im Hinblick auf den Syndikus ergeben sich aber dann, wenn dieser ein Vorgehen der Geschäftsführung nur noch „absegnen“ soll, a.a.O., 141. 84 Fleischer, NZG 2010, 121, 123; vgl. auch Wagner, BB 2012, 651, 655. 85 Fleischer, NZG 2010, 121, 123. Außerdem kann die „Hauskanzlei“ ähnlich abhängig sein wie der Syndikusanwalt, insbesondere wenn sie auf den Mandanten angeweisen ist, Merkt/Mylich, NZG 2012, 525, 528; siehe auch Junker/Biederbick, AG 2012, 898, 902.
II. Rechtsanwalt
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me, so wäre ihnen diese bekannt, sodass sie sich dann schon wegen dieser Einflussnahme nicht mehr auf den Rechtsrat des Experten berufen könnten.86 Eindeutiger im Hinblick auf die Unabhängigkeit ist die Stellung des bei einem Rechtsanwalt angestellten Rechtsanwalts.87 Zwar ist auch der bei einem Rechtsanwalt angestellte Rechtsanwalt von seinem Arbeitgeber arbeitsrechtlich abhängig. Die Gefahren für die Unabhängigkeit im Rahmen eines solchen Anstellungsverhältnisses sind allerdings geringer als bei einem Arbeitgeber, der selbst nicht Anwalt, also berufsfremd, ist.88 Denn anders als der Syndikus betreut der bei einem Rechtsanwalt angestellte Rechtsanwalt nicht seinen Arbeitgeber, sondern andere Mandanten. Damit gleicht die Beziehung zu den Mandaten derjenigen, die ein selbständiger Rechtsanwalt zu seinen Mandanten hat, nicht aber derjenigen des Syndikusanwalts zu seinem Arbeitgeber. Anders als bei einem selbständigen Anwalt besteht allerdings eine besondere Beziehung zu einem außerhalb der Mandatsbeziehung stehenden Dritten, dem Arbeitgeber. Damit von dort ausgehende Einflussnahmen auf die Tätigkeit des angestellten Anwalts nicht dessen berufliche Unabhängigkeit gefährden, muss sichergestellt sein, dass er zu angemessenen Bedingungen angestellt ist, insbesondere dass er entsprechend vergütet wird, 89 und dass er bei der Beurteilung rechtlicher Fragestellungen gegenüber dem Mandanten seine eigene Ansicht vertreten und auch durchsetzen kann, ohne dass er diesbezüglich an Weisungen seines Arbeitgebers gebunden ist.90 Der angestellte Anwalt kann dann solange als unabhängig angesehen werden, wie er nicht dazu verpflichtet wird, gegen seine berufsrechtlichen Pflichten zu verstoßen. Erst dann lassen sich die Weisungen mit dem Unabhängigkeitsgebot nicht mehr vereinbaren.91 Folgt man dem, so sind freie Mitarbeiter erst recht als unabhängig einzuordnen, weil der Arbeitgeber ihnen gegenüber kein Direktionsrecht ausüben kann.92
86 Junker/Biederbick, AG 2012, 898, 902; Schneider, DB 2011, 99, 103; Wagner, BB 2012, 651, 656. 87 Zwar enthält die BRAO keine Regelung für diesen, aber angesichts der Kenntnis des Gesetzgebers von der Tatsache, dass Anwälte von anderen Anwälten angestellt werden, ist anzunehmen, dass er auch den angestellten Anwalt als zulässige Erscheinungsform des Anwaltsberufs ansieht. Siehe dazu Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 252 f. 88 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 16. 89 Siehe in diesem Zusammenhang insbesondere § 26 BORA. Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass Rechtsanwälte nur zu angemessenen Bedingungen angestellt werden. Damit werden die Gefahren für die Unabhängigkeit in diesem Zusammenhang begrenzt. Siehe Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 1 Rdnr. 24. 90 Henssler/Prütting/Koch, BRAO, § 1 Rdnr. 53 f.; siehe auch Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 17 ff. Zum Unabhängigkeitsgebot im Hinblick auf Anwaltskooperationen Koch, a.a.O. § 1 Rdnr. 56 ff. 91 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 256. 92 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 22; Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 262 f. Zu freien Mitarbeitern siehe auch Feuerich, in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 1 Rdnr. 22.
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c.) Verhältnis zu Kanzleiangestellten Abhängigkeiten können auch im Verhältnis zu den eigenen Angestellten entstehen.93 Als problematisch angesehen werden etwa Fälle, in denen der Anwalt durch Entgegennahme eines Darlehens oder anderer finanzieller Zuwendungen von seinen Angestellten wirtschaftlich abhängig wird.94 Andererseits ist eine finanzielle Beteiligung eines (nicht juristischen) Angestellten nicht unbedingt unzulässig. Einen differenzierten Ansatz verfolgt in diesem Zusammenhang § 27 BORA: Hinsichtlich der Beteiligung am Gewinn der anwaltlichen Tätigkeit gilt nach § 27 Satz 1 BORA, dass Dritte, die mit dem Rechtsanwalt nicht zur gemeinschaftlichen Berufsausübung verbunden sind, nicht beteiligt werden dürfen.95 Nicht davon umfasst werden jedoch Mitarbeitervergütungen und Versorgungsbezüge, vgl. § 27 Satz 2 BORA.96 Darunter dürften auch Leistungsprämien fallen: Werden sie in einem angemessenen Umfang gezahlt, können sie die Unabhängigkeit des Anwalts grundsätzlich nicht gefährden.97 Denn sie erfolgen regelmäßig auf freiwilliger Basis und begründen keine die Unabhängigkeit gefährdende Verpflichtung des Anwalts.98 Außerdem ist zu berücksichtigen, dass solche Prämien motivationsfördernd wirken können und der Kanzlei und damit dem arbeitgebenden Anwalt ein auf diese Weise bewirkter besonderer Arbeitseinsatz der Angestellten zugutekommt.99 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass auch ein angestellter Anwalt von seinem Arbeitgeber in gewissem Umfang abhängig ist, sodass auch im Verhältnis zu Kanzleiangestellten grundsätzlich ein eher großzügiger Maßstab angelegt werden kann.100 Allerdings ist es in jedem Fall unzulässig – weil die Unabhängigkeit gefährdend –, Prämien für die Zuführung von Mandanten zu zahlen, vgl. § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO.101 93 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 23 f.; ausführlich Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 232 ff. 94 Siehe dazu Nachweise in Fn. 93. 95 Dritte dürfen kein „unternehmerisches Mitinteresse“ an der Kanzlei eingeräumt bekommen, andernfalls besteht die Gefahr, dass sie Maßnahmen zur Gewinnsteigerung ergreifen, die sich mit der für den Anwalt geltenden Pflicht zur Unabhängigkeit nicht vereinbaren lassen, vgl. Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 234. 96 Sowie für Vergütungen für die Übernahme der Kanzlei und Leistungen, die im Zuge einer Auseinandersetzung oder Abwicklung der beruflichen Zusammenarbeit erbracht werden. 97 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 24; Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 233. 98 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 233. 99 Vgl. Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 233; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 24. 100 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 23. 101 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rdnr. 23. Es reicht insoweit jeder wirtschaftliche Vorteil aus, vgl. BGH NJW 1980, 2407 f. (kostenlose Mandatsbetreuung für den Zuführenden als Gegenleistung) Für das Verhältnis zwischen Anwälten siehe § 49b Abs. 3 BRAO.
III. Steuerberater
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III. Steuerberater 1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses Der Steuerberater leistet gemäß §§ 3 Nr. 1, § 32 Abs. 1, 33 StBerG geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen und übt gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 2. Hs. StBerG einen freien Beruf aus. Als wirtschaftsnaher beratender Beruf steht er damit dem Rechtsanwalt und dem Wirtschaftsprüfer nahe.102 Auch die Pflichten der Anwälte und Steuerberater sind vergleichbar.103 Wegen dieser Wesensverwandtheit sind die wirtschaftsnahen Beratungsberufe – Rechtsanwälte und Steuerberater, aber auch die Wirtschaftsprüfer – grundsätzlich gleich zu behandeln.104 Für Steuerberater bestimmt § 57 Abs. 1 StBerG, dass sie ihren Beruf unabhängig auszuüben haben. Unabhängigkeit im Sinne von § 57 Abs. 1 StBerG bedeutet, dass der Steuerberater seinen Beruf frei von sachfremden Einflüssen ausüben muss und sich insbesondere keinem Interessenkonflikt aussetzen darf.105
2.) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses Zweck des Unabhängigkeitsgebotes des Steuerberaters ist zum einen der Schutz der Mandanteninteressen, zum anderen besteht aber auch ein öffentliches Interesse an seiner Unabhängigkeit, weil er ein Organ der Steuerrechtspflege ist.106 Viele Bürger sind aufgrund des komplexen Steuerrechtssystems auf einen Steuerberater angewiesen, sodass ein öffentliches Interesse daran besteht, dass die Bürger dem Steuerberater als unabhängigen Fachmann in steuerlichen Fragen und Vertreter der Mandanteninteressen vertrauen können.107
3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses Konkretisiert wird das in § 57 StBerG normierte Unabhängigkeitserfordernis durch § 2 BOStB.108 § 2 Abs. 2 BOStB bestimmt, dass Steuerberater keine Bin102 Diese sind, wie die vereidigten Buchprüfer, nach § 3 Nr. 1 StBG ebenfalls zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt. 103 BVerfGE 80, 269, 280 f.; Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 133. 104 Vgl. dazu die Ausführungen in BVerfGE 98, 49, 63 ff.; außerdem Henssler, ZIP 1998, 2121, 2124 f.; ders., JZ 1998, 1065, 1067; Deckenbrock, BB 2002, 2453, 2457. 105 BGH NJW-RR 1997, 761, 762. Zur Unabhängigkeit des Steuerberaters Gehre/Koslowski/Koslowski, StBerG, § 57 Rdnr. 8 ff. 106 Schramm, DStR 2003, 1364, 1365. 107 Schramm, DStR 2003, 1364, 1365. 108 Nach § 86 Abs. 2 Nr. 2 StBerG ist die Bundessteuerkammer dazu ermächtigt, eine Berufssatzung zu erlassen, die nach § 86 Abs. 4 Nr. 1 StBerG zur Ausführung der gesetzlichen Vorschriften nähere Regelungen hinsichtlich der unabhängigen […] Berufsausübungen enthalten kann.
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§ 5 Unabhängigkeit in den einzelnen Privatrechtsgebieten
dungen eingehen dürfen, die ihre berufliche Entscheidungsfreiheit gefährden könnten.109 Die Unabhängigkeit muss sich also in den beruflichen Entscheidungen für den Mandanten manifestieren.110 Nach § 2 Abs. 3 BOStB ist die Unabhängigkeit etwa dann gefährdet, wenn sie Vorteile von Dritten annehmen oder Mandantenrisiken übernehmen.
4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit Von wem der Steuerberater unabhängig sein muss, ist ähnlich zu beantworten wie beim Rechtsanwalt. So muss er insbesondere von seinen Mandanten ausreichend unabhängig sein, damit er sie sachgerecht beraten kann und ihre Interessen nicht über die steuerrechtlichen Vorschriften stellt. Wirtschaftliche Verbindungen zum Mandanten können auch im Fall des Steuerberaters zu einer Beeinträchtigung der Unabhängigkeit führen.
IV. Wirtschaftsprüfer 1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses Das Unabhängigkeitserfordernis für Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer111 ist berufsrechtlich in §§ 43 Abs. 1 Satz 2, 56 Abs. 1 WiPrO und § 2 Abs. 1 der Berufssatzung für Wirtschaftsprüfer/vereidigte Buchprüfer (BS WP/ vBP) vom 12. 02. 2010 verankert und wird durch § 49 Fall 2 WiPrO und §§ 2 Abs. 2 , 20, 21 BS WP/vBP sowie weitere berufsrechtliche Regelungen konkretisiert und abgesichert. Darüber hinaus existieren für die Tätigkeit als Abschlussprüfer besondere handelsrechtliche Regelungen in § 323 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. HGB, § 319 Abs. 2 und Abs. 3 HGB und §§ 319a, 319b HGB (dazu § 13I.1.).112 Die berufsrechtlichen und handelsrechtlichen Unabhängigkeitsregelungen greifen ineinander und überschneiden sich zum Teil. Andererseits erstrecken sich die berufsrechtlichen Regelungen auch auf Umstände, die von den handelsrechtlichen Regelungen nicht erfasst werden, um auf diese Weise Gefährdungen der Unabhängigkeit möglichst weitgehend auszuschließen.113 109 Damit wird – gesetzliche normiert – das Unabhängigkeitsgebot in einen begrifflichen Zusammenhang mit der Entscheidungsfreiheit gestellt. Siehe Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 133. 110 Schautes, Anwaltliche Unabhängigkeit, S. 133. 111 Wird im Folgenden von „Wirtschaftsprüfer“ gesprochen, so sind vereidigte Buchprüfer regelmäßig mitgemeint. 112 Im Folgenden liegt der Fokus auf den berufsrechtlichen Regelungen zur Unabhängigkeit. Die handelsrechtlichen Inhabilitätsregelungen in §§ 319 Abs. 2 , Abs. 3, 319a, 319b HGB werden in § 13 I.1.) ausführlicher untersucht. 113 Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 117.
IV. Wirtschaftsprüfer
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2.) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses Zweck des für den Wirtschaftsprüfer geltenden Unabhängigkeitserfordernisses ist es, das Vertrauen in die Abschlussprüfung zu gewährleisten; diese wiederum soll die Verlässlichkeit der Rechnungslegung der Unternehmen bestätigen und damit deren Glaubhaftigkeit erhöhen.114 Dies ist erforderlich, damit die Abschlussprüfung ihren Zweck, die Informationsasymmetrien zwischen dem Bilanzierenden und den unternehmensinternen wie -externen Adressaten des Jahresabschlusses zu verringern, auch erreichen kann: Zum einen soll die Abschlussprüfung dem Aufsichtsrat eines geprüften Unternehmens die Wahrnehmung seiner Kontrollfunktion erleichtern, indem sie ihn mit zuverlässigen Informationen versorgt.115 Zum anderen soll sie die Gläubiger, die (künftigen) Geschäftspartner, die Mitarbeiter sowie den Kapitalmarkt und andere unternehmensexterne Adressaten (insbesondere „die Öffentlichkeit“) mit verlässlichen Informationen versorgen und allgemein das Vertrauen in die ordnungsgemäße öffentliche Rechnungslegung schützen.116 Denn Geschäftspartner und Anleger werden nur dann zu Investitionen bereit sein, wenn sie den Informationen der Unternehmen, und damit vor allem auch deren Rechnungslegung, vertrauen können. Dies lässt sich aber nur erreichen, wenn der Prüfer von den Adressaten als hinreichend vertrauenswürdig angesehen wird.117 Das Vertrauen insbesondere der Öffentlichkeit erreicht der Prüfer jedoch nur, wenn er qualifiziert und vor allem glaubwürdig ist. Dafür aber muss er urteilsfähig und urteilsfrei, also unabhängig sein und dies auch gegenüber Dritten so vermitteln können.118 Denn die Glaubhaftigkeit der geprüften Informationen bemisst sich auch nach der Überzeugung der Adressaten von der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers.119 114 Dazu EU Kommission, Empfehlung der Kommission vom 16.5.2002, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien, ABlEG Nr. L 191 v. 19.7.2002, S. 22, Erwägungsgrund 1 Satz 1; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 319 Rdnr. 11; Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 46; Müller, Unabhängigkeit, S. 20; Marx, ZGR 2002, 292, 293; Pfitzer/Orth/Hettich, DStR 2004, 328; Hagel, Wpg 2002, 1355, 1356; Weiland, BB 1996, 1211, 1213; Frings, Wpg 2006, 821, 822 f. Siehe auch BayObLG WM 1987, 1361, 1365. 115 Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 48; Marx, Unabhängige Abschlussprüfung, S. 66 f.; Bormann, BB 2002, 190; Frings, Wpg 2006, 821, 822; Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2123; Marx, ZGR 2002, 292, 293; siehe auch BT-Drs. 10/317, S. 64; Ebke/Paal, ZGR 2005, 894, 899. 116 BayObLG WM 1987, 1361, 1365; OLG Brandenburg GmbHR 2001, 865, 866; Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 48; Gelter, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 97; Marx, Unabhängige Abschlussprüfung, S. 67; Bormann, BB 2002, 190; Ebke/Paal, ZGR 2005, 894, 899; Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2123; Kicherer, AG 1972, 37; Simitis, FS Reinhardt, 1972, S. 329, 331. 117 Marx, Unabhängige Abschlussprüfung, S. 68. 118 Schwandtner DStR 2002, 323, 324; Fleischer, DStR 1996, 758, 760; Siehe dazu auch United States v. Arthur Young Co., 465 U.S. 805, 817–818 (1984). 119 Demme, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 48; Weiland, BB 1996, 1211,
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3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses § 43 Abs. 1 Satz 1 WiPrO statuiert die allgemeine Berufspflicht für Wirtschaftsprüfer, ihren Beruf unabhängig auszuüben.120 In Konkretisierung dazu enthält § 2 Abs. 2 BS WP/vBP einen nicht abschließenden Beispielkatalog berufswidriger Bindungen. Dazu gehören: Erfolgshonorare (Nr. 1 und 2), Vereinbarung zusätzlicher Bedingungen für die Vergütungszahlung, etwa die Erbringung zusätzlicher Leistungen (Nr. 3), Abgabe oder Entgegennahme von Vergütungen für die Mandantenvermittlung (Nr. 4), Übernahme von Mandantenrisiken (Nr. 5) oder die Annahme von Versorgungszusagen von Auftraggebern (Nr. 6). a.) Besondere unabhängigkeitsbezogene Regelungen der WiPrO Das Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer enthält zahlreiche Regelungen, die das Unabhängigkeitsgebot ausformen und flankieren. So verpflichtet § 43 Abs. 1 Satz 2 WiPrO i.V.m. § 20 Abs. 1 BS WP/vBP den Wirtschaftsprüfer dazu, sich bei der Erstattung von Prüfungsberichten und Gutachten unparteiisch zu verhalten – dasselbe gilt für den Abschlussprüfer nach § 323 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. HGB. Denn soll die Prüfung aussagekräftig sein und die Grundlage für das Vertrauen Dritter bilden, muss der Prüfer als neutrale Instanz handeln. Besteht die Besorgnis der Befangenheit, hat er seine Tätigkeit zu versagen, vgl. § 49 WiPrO. Bei anderen Tätigkeiten, insbesondere der Beratung, ähneln seine Stellung und seine Pflichten demgegenüber derjenigen von Anwälten und Steuerberatern. Wegen dieser Wesensverwandtheit hat das BVerfG vertreten, dass die drei wirtschaftsnahen Beratungsberufe – Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer – grundsätzlich gleich zu behandeln sind.121 Ähnlich wie die Vorschriften für den Rechtsanwalt regeln die berufsrecht lichen Vorschriften für den Wirtschaftsprüfer, wie im Hinblick auf Interes senkonflikte bzw. Unabhängigkeitsbeeinträchtigungen zu verfahren ist, die aufgrund einer abhängigen Beschäftigung, aufgrund von Weisungen oder aufgrund einer erfolgsabhängigen Vergütung entstehen. So dürfen Wirtschaftsprüfer nach § 43a Abs. 3 Nr. 2 WiPrO ihre Tätigkeit nur in bestimmten Ausnahmefällen im Rahmen eines Anstellungsvertrages ausüben (Nr. 2). Diese Ausnahmefälle beschränken sich auf solche, bei denen die Gefahr einer Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Prüfers in der Regel ausgeschlossen ist, 1213. Er darf daher nur nach sachlichen Gesichtspunkten beurteilen und muss frei von entgegenstehenden eigenen Interessen oder Interessen Dritter sein. Siehe Müller, Unabhängigkeit, S. 23. 120 Gemäß § 56 Abs. 1 WiPrO finden die Unabhängigkeitsvorschriften in §§ 43, 49 WiPrO auf Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sowie deren Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer, Partner und persönlich haftende Gesellschafter Anwendung. Gleiches gilt nach § 130 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WiPrO für vereidigte Buchprüfer und Buchprüfungsgesellschaften. Zum Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen nach § 53 WiPrO siehe § 12 IV. 121 Siehe dazu bereits Fn. 104.
IV. Wirtschaftsprüfer
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wie beispielsweise die Tätigkeit als Hochschullehrer (§ 43a Abs. 4 Nr. 2 43a Abs. 4 Nr. 3 WiPrO), Angestellter der Wirtschaftsprüferkammer (§ WiPrO) oder im Rahmen einer Wirtschaftsprüferkanzlei (§ 43a Abs. 1 WiPrO). Wie beim Rechtsanwalt dürfen Weisungen den Prüfer nicht zu einem mit seiner Funktion unvereinbaren Verhalten veranlassen. Daher sind Weisungen unzulässig, mit denen der Prüfer dazu verpflichtet werden soll, Prüfungsberichte und Gutachten zu unterzeichnen, deren Inhalt sich nicht mit seinen Überzeugungen deckt, § 44 Abs. 1 Satz 2 WiPrO. Des Weiteren verbietet es § 44 Abs. 1 Satz 3 WiPrO gesetzlichen Vertretern und Gesellschaftern von Wirtschaftsprüfergesellschaften, die nicht selbst Prüfer sind, die Durchführung der Abschlussprüfung in der Weise zu beeinflussen, dass die Unabhängigkeit des verantwortlichen Prüfers beeinträchtigt wird. Die Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Vergütung, deren Höhe vom Ergebnis der Arbeit des Abschlussprüfers abhängt, ist grundsätzlich unzulässig, vgl. § 55 Abs. 1 Satz 1 WiPrO und § 2 Abs. 2 Nr. 1 BS WP/vBP. Für Hilfeleistungen in Steuersachen besteht nach § 55a Abs. 2 WiPrO eine Ausnahme, wenn der Auftraggeber andernfalls aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung von der Rechtsverfolgung abgehalten werden würde. b.) Die Unabhängigkeitsregelungen der Berufssatzung Im Rahmen der Berufssatzung WP/vBP sind besondere Unabhängigkeitsregelungen in den §§ 20–24 BS WP/vBP festgelegt worden. Nach § 21 Abs. 2 Satz 1 BS WP/vBP gilt als innerlich unabhängig bzw. unbefangen, „wer sich sein Urteil unbeeinflusst von unsachgemäßen Erwägungen bildet“. Satz 2 schließt an, dass die Unbefangenheit vor allem durch Eigeninteressen, Selbstprüfung, Inter essenvertretung und persönliche Vertrautheit beeinträchtigt werden könne. Da allerdings die innere Einstellung des Wirtschaftsprüfers in der Regel nicht festgestellt werden kann, müssen äußere Umstände herangezogen werden, die den Schluss auf eine Gefährdung der inneren Unabhängigkeit erlauben.122 Dementsprechend greift die BS WP/vBP auch das Konzept der Besorgnis der Befangenheit auf. Die Besorgnis der Befangenheit wird gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 BS WP/ vBP angenommen, wenn einer oder mehrere der genannten Konfliktlagen (Eigeninteressen, Selbstprüfung, Interessenvertretung und persönliche Vertrautheit) vorliegen, die „aus Sicht eines verständigen Dritten geeignet sind, die Urteilsbildung unsachgemäß zu beeinflussen“. Aber auch wenn der Wirtschaftsprüfer selbst von keinem dieser Umstände betroffen ist, kann es Auswirkungen haben, wenn sie bei Dritten eintreten. Dazu zählt § 21 Abs. 4 Satz 1 BS WP/vBP Personen, (1) mit denen der WP/vBP seinen Beruf gemeinsam ausübt, (2) mit denen der WP/vBP in einem Netzwerk verbunden ist, (3) die bei der Auftragsdurchführung beschäftigt sind, (4) Ehegatten, Lebenspartner oder Verwandte Begründung zu § 21 Abs. 3 BS WP/vBP, S. 54.
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§ 5 Unabhängigkeit in den einzelnen Privatrechtsgebieten
in gerader Linie des WP/vBP oder für eine dieser Personen handelnde Vertreter und (5) Unternehmen, auf die der WP/vBP maßgeblichen Einfluss hat. Besteht die Besorgnis der Befangenheit, so darf der Wirtschaftsprüfer nicht tätig werden – auch nicht mit Zustimmung des Auftraggebers –, um das öffentliche Vertrauen in die Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers zu schützen.123 Zudem wird die Besorgnis der Befangenheit auch berufsrechtlich vermutet, wenn einer der in §§ 319 Abs. 3, 319a, 319b HGB aufgeführten Tatbestände verwirklicht wird.124
4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit Wem gegenüber der Prüfer unabhängig sein muss, ergibt sich aus den verschiedenen Konfliktlagen, denen der Prüfer ausgesetzt sein kann und die seine Unabhängigkeit gefährden können. Ganz allgemein kann die Unabhängigkeit des Prüfers gefährdet sein, wenn er (1) an der zu prüfenden Gesellschaft oder am Ergebnis der Prüfung eigene Interessen hat, (2) von der zu prüfenden Gesellschaft wirtschaftlich oder sonst abhängig ist, (3) für oder gegen sie als Interessenvertreter tätig war, (4) in einem zu engen und die gebotene kritische Objektivität beeinträchtigenden Vertrauensverhältnisses zur Gesellschaft und/oder deren Organen steht, oder (5) eigene Arbeiten überprüfen müsste (Gefahr der Selbstprüfung).125 Entsprechend muss der Wirtschaftsprüfer vor allem gegenüber dem Unternehmen und insbesondere der Unternehmensleitung, die das Prüfungsobjekt erstellt hat, eine kritische Distanz wahren, zumal er durch seine Prüfung den Aufsichtsrat bei dessen Überwachung unterstützen soll.126 Aber auch gegenüber dem Aufsichtsrat muss er unabhängig sein.127 Denn dieser bzw. seine Mitglieder könnten ebenfalls ein wirtschaftliches Interesse an einer vorteilhaften Darstellung der Unternehmenslage im Jahresabschluss haben, weil diese auf die Beurteilung seiner eigenen Tätigkeit zurückfällt.128 Aufgrund der besonderen Bedeutung des Testats des Abschlussprüfers muss seine Unabhängigkeit aber noch umfassender verstanden werden. Auch Dritte, wie etwa Berater oder Aktionäre der Gesellschaft, dürfen den Abschlussprüfer nicht beeinflussen können. Begründung zu § 21 Abs. 1 BS WP/vBP, S. 53. § 22a Abs. 2 Satz 1 BS WP/vBP. Zu den Regelungen der §§ 319 ff. BGB siehe ausführlich § 13 I.1.). 125 Art. 22 Abs. 2 Satz 2 der Abschlussprüferrichtlinie; Reg BilReG, BT-Drs. 15/3419, S. 38; Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 21; Naumann, in: IDW, WP-Handbuch, Kapitel A Rdnr. 279 ff. 126 Vgl. dazu Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2006/43/EG idF. nach der Änderung durch die Richtlinie 2014/56/EG vom 16.04.2014; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 319 HGB, Rdnr. 11; Müller, Unabhängigkeit, S. 20; Marx, ZGR 2002, 293. 127 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 319 Rdnr. 11. 128 Gelter, Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, S. 231. 123 124
V. Ratingagenturen
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V. Ratingagenturen Ratingagenturen sind privatrechtlich organisierte, gewinnorientierte Unternehmen.129 Ihre Tätigkeit besteht (primär) darin, die Fähigkeit und Bereitschaft von Emittenten zu bewerten, die ihnen durch die Ausgabe von Finanzinstrumenten entstandenen Zahlungsverpflichtungen rechtzeitig und in vollem Umfang zu erfüllen.130 Bewertet werden die Emittenten selbst aber auch einzelne Emissionen von Finanzinstrumenten.131 Damit nehmen Ratingagenturen – ähnlich wie Wirtschaftsprüfer – eine kontrollierende Funktion wahr und schaffen mit ihren Bewertungen Vertrauenstatbestände für die Marktteilnehmer.
1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses Die für die Ratingagenturen geltende Verordnung 1060/2009 vom 16.09.2009132 (Rating-Verordnung) erwähnt den Begriff der Unabhängigkeit an zahlreichen Stellen (siehe etwa Art. 1 Satz 2, Art. 6 und insbesondere Anhang I sowie u. a. die Erwägungsgründe 2 a. E., 6, 27 und 58) und enthält dazu in Verbindung mit dem Umgang mit Interessenkonflikten umfangreiche Vorgaben. Diese finden sich insbesondere im Anhang I der Verordnung 1060/2009 unter der Überschrift „Unabhängigkeit und Vermeidung von Interessenkonflikten“.133
2.) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses Zweck des Unabhängigkeitserfordernisses für Ratingagenturen ist der Schutz des Vertrauens der Marktteilnehmer in die Unvoreingenommenheit der von den Ratingagenturen veröffentlichten Ratings. Ratings spielen eine wichtige Rolle für die Finanzierung von Staaten und Unternehmen am Kapitalmarkt, weil sie in vielen Fällen einen effektiven Zugang zu den internationalen Finanzmärkten erst ermöglichen.134 Zumindest müssen Emittenten, die über kein oder ein schlechtes Rating verfügen, damit rechnen, dass sie bei der Kapitalbe Peters, Rating-Agenturen, S. 39; Schwarcz, 2002 U. Ill. L. Rev. 1, 3. Peters, Rating-Agenturen, S. 28. Zu ähnlichen Definitionen des Ratings siehe Blaurock, ZGR 2007, 603 f.; Deipenbrock, WM 2005, 261; Hennrichs, FS Hadding, 2004, S. 875; Schwarcz, 2002 U. Ill. L. Rev. 1, 6; Vetter, WM 2004, 1701 f.; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346. Siehe auch v. Schweinitz WM 2008, 953; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 194 f. 131 Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346. 132 Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen, ABlEU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S. 1. 133 Die besondere Statusbezogenheit der Unabhängigkeit wird in diesem Zusammenhang daran deutlich, dass sie – mit einer Ausnahme bei den operationellen Vorschriften in Anhang I Abschnitt B der Rating-Verordnung, die allerdings wiederum der Sicherung des Status dienen – nur bei den organisationsbezogenen Regelungen (Abschnitt A) erwähnt wird. 134 Peters, Rating-Agenturen, S. 27; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 186; Wildmoser/ 129 130
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§ 5 Unabhängigkeit in den einzelnen Privatrechtsgebieten
schaffung einen Risikoaufschlag gegenüber bewerteten bzw. besser bewerteten Emittenten zahlen müssen.135 Denn insbesondere wenn gar keine Bewertung vorgenommen worden ist, ist das Informationsdefizit der Anleger und Gläubiger erheblich größer als wenn ein Unternehmen bewertet wurde. Da Emittenten und (potentielle) Anleger oder Gläubiger oft keinen direkten Kontakt zueinander haben, sind die Anleger oder Gläubiger vielfach kaum in der Lage festzustellen, ob die von den Emittenten verbreiteten Informationen korrekt sind. Dies wiederum erschwert es den Emittenten, die Anleger oder Gläubiger von ihrer Lauterkeit und ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit zu überzeugen. Die Ratingagenturen haben daher die Funktion, diese Informationsasymmetrie überwinden zu helfen.136 Damit Ratingagenturen diese Funktion erfüllen können, müssen Anleger und Emittenten auf ihre Integrität und Zuverlässigkeit vertrauen.137 Um dieses Vertrauen zu gewährleisten, ist die Unabhängigkeit der Ratingagenturen und ihrer Ratingtätigkeit unabdingbar. Die Bedeutung von Ratings zeigt sich auch darin, dass viele institutionelle Anleger gemäß ihren Anlagerichtlinien und Statuten nur in Finanzinstrumente investieren dürfen, die von den Ratingagenturen ein „investment grade“ erhalten haben.138 Auch enthalten viele Darlehensverträge sog. rating triggers, d. h. Vertragsklauseln, die für den Fall einer Herabsetzung des Ratings besondere zivilrechtliche Folgen vorsehen – z. B. die Veränderung des Zinssatzes, einen Anspruch auf zusätzliche Sicherheiten oder sogar die Beendigung des Vertrages.139 Auch im Rahmen der Regulierung werden Ratings herangezogen.140 So bestimmt z. B. Rule 2a-7(a)(12)(i) 141 zum Investment Company Act, dass im Fall „gerateter“ Finanzinstrumente nur solche Instrumente als für Geldmarktfonds geeignet anzusehen sind, die eines der beiden höchsten Ratings einer anerkannten Ratingagentur erhalten haben. Und Rule 3a-7(a)(2) 142 zum US-amerikansichen Investment Company Act schreibt als Voraussetzung für Schiffer/Langoth RIW 2009, 657, 658; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1347; Deipenbrock, WM 2005, 261. 135 Peters, Rating-Agenturen, S. 30; Blaurock, ZGR 2007, 603, 609; Wildmoser/Schiffer/Langoth, RIW 2009, 657, 658; Zentraler Kreditausschuss (ZKA), Stellungnahme des Zentralen Kreditausschusses zur Tätigkeit von Rating-Agenturen und ihrer möglichen Regulierung, 14.8.2003, S. 4. 136 Dazu Horsch, Rating und Regulierung, insb. S. 193 ff.; v. Schweinitz, WM 2008, 953; Blaurock ZGR 2007, 603, 608; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 186; Vetter, WM 2004, 1701. 137 Peters, Rating-Agenturen, S. 39. 138 Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1347. Siehe auch ZKA (Fn. 135), S. 3. 139 Blaurock, ZGR 2007, 603, 611; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 188 f.; Witte/ Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1348; ZKA, Stellungnahme des Zentralen Kreditausschusses zur Tätigkeit von Rating-Agenturen und ihrer möglichen Regulierung, 14.8.2003, S. 4. 140 Zur rating-basierten Regulierung Horsch, Rating und Regulierung, S. 287 ff. Zu europäischen Regelungen in diesem Zusammenhang siehe bereits § 4 Fn. 27. 141 17 C.F.R. § 270.2a-7(a)(12)(i). 142 17 C.F.R. § 270.3a-7(a)(2).
V. Ratingagenturen
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die Ausnahme bestimmter Emittenten (von sog. Asset Backed Securities143 ) von der Registrierung nach dem Investment Company Act unter anderem vor, dass von diesen emittierte festverzinsliche Wertpapiere über ein Rating in einer der vier obersten Kategorien verfügen müssen. Die Unabhängigkeit, Objektivität und bestmögliche Qualität von Ratings sowie von Ratingagenturen dient daher dem Schutz der Marktteilnehmer – Emittenten, Investoren und anderen –, vor allem aber auch dem Schutz der globalen Wertpapier- und Bankenmärkte als solchen. Denn die Marktteilnehmer betrachten Ratings als Quelle unparteiischer Datenanalysen,144 auch wenn ihr Ansehen aufgrund der letzten Finanzkrise sehr gelitten hat. Sind die Ratings durch die Emittenten oder sonstige Dritte beeinflusst und weichen sie daher von dem eigentlich zu vergebenen Rating ab, so laufen die Märkte Gefahr zusammenzubrechen. Dies hat sich in der Finanzkrise gezeigt, bei der fehlbewertete Asset Backed Securities zu einem erheblichen Vertrauensverlust und sodann beinahe zum Zusammenbruch des Finanzmarktes geführt haben, der nur durch staatliche Maßnahmen verhindert werden konnte. Entsprechend ist die Unabhängigkeit von Ratingagenturen und ihrer Ratings von grundlegender Bedeutung145 für marktwirtschaftlich ausgerichtete Volkswirtschaften.
3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses Die Unabhängigkeit einer Ratingagentur wird unter anderem als gefährdet angesehen, wenn eine Beteiligung an oder ein Kontrollverhältnis zu einem von ihr bewerteten Unternehmen besteht.146 Verboten ist auch die Erbringung von Beratungsdienstleistungen gegenüber den bewerteten Unternehmen147 und die Abgabe von Empfehlungen hinsichtlich der Strukturierung von Finanzinstrumenten148 . Nebentätigkeiten, wie z. B. Trendeinschätzungen oder Preisbewertungen, sind jedoch grundsätzlich erlaubt,149 wobei aber sichergestellt werden muss, dass sie nicht zu Interessenkonflikten führen.150 Weder die Ratingagentur noch ihre Mitarbeiter dürfen Mitglied im Verwaltungs- oder Aufsichtsor gan des bewerteten Unternehmens oder eines mit diesem verbundenen Dritten 143 Zu Asset Backed Securities siehe etwa Kumpan, in: Allmendinger/Steffek, Corporate Governance, S. 209, 212 f. m.w.N.; ders., 9 JCLS 261, 264 ff. (2009). 144 Mitteilung der EU Kommission über Ratingagenturen, 2.2, ABlEU Nr. C 59 v. 11.3.2006, S. 2 , 3. 145 Mitteilung der EU Kommission über Ratingagenturen, Einleitung, ABlEU Nr. C 59 v. 11.3.2006, S. 2 . 146 Anhang I, Abschnitt B, Abs. 3 lit. a und b Rating-Verordnung. 147 Anhang I, Abschnitt B, Abs. 4 UAbs. 1 Rating-Verordnung (hinsichtlich der Unternehmens- und Rechtsstruktur, Vermögenswerte, Verbindlichkeiten oder Tätigkeiten des bewerteten Unternehmens oder verbundener Dritter). 148 Anhang I, Abschnitt B, Abs. 5 Rating-Verordnung. 149 Anhang I, Abschnitt B, Abs. 4 UAbs. 2 Rating-Verordnung. 150 Anhang I, Abschnitt B, Abs. 4 UAbs. 3 Rating-Verordnung.
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sein.151 Auch geschäftliche Beziehungen, die für die Ratingagentur eine erhebliche Bedeutung haben, können die Unabhängigkeit bei der Erstellung der Ratings beeinträchtigen. Die Schwelle für die erhebliche Bedeutung ist dann überschritten, wenn die Agentur 5% ihrer Jahreseinnahmen von dem Unternehmen oder mit diesem verbundenen Dritten erhält.152 Darüber hinaus enthält Anhang I, Abschnitt B, Abs. 3 lit. d Rating-Verordnung eine Art Generalklausel, die zusätzlich zu den typisierenden Regelungen generell jedes Verhältnis einbeziehen will, das einen Interessenkonflikt verursachen kann. Dieser sehr weite Tatbestand soll zwar einen weitestmöglichen Schutz vor kompromittierten Ratings bieten. Aufgrund seiner Unbestimmtheit – denn anders als die anderen Fallgruppen baut er nicht auf typisierenden Merkmalen auf –, führt er aber zu einem nicht unerheblichen Maß an Rechtsunsicherheit. Da es sich bei Ratingagenturen um Unternehmen handelt, sieht die Rating-Verordnung auch Regelungen vor, die die Unabhängigkeit der Geschäftsleiter und Mitarbeiter sicherstellen sollen.153 So dürfen diese z. B. keine Finanz instrumente des bewerteten Unternehmens oder – in bestimmten Fällen – von mit diesem verbundenen Unternehmen besitzen.154 Weiterhin disqualifiziert eine frühere („vor kurzem“) Beschäftigung bei dem bewerteten Unternehmen.155 Auch eine langjährige Bewertungstätigkeit für ein Unternehmen wird als kritisch angesehen und daher eine interne Rotation angeordnet.156 Insgesamt zeigen die Vorgaben das Bemühen der EU, Interessenkonflikte und die Gefahren für die Unabhängigkeit von Ratingagenturen möglichst umfänglich zu regeln.157 So lassen sich mit diesen Regeln etwa auch die Entwicklungen im Zusammenhang mit der Bewertung strukturierter Finanzinstrumente angehen, die zur Finanzkrise geführt haben, z. B. mittels des Verbotes der gleichzeitigen Erbringung von Beratung und Rating für ein und dasselbe Unternehmen. Fälle einer „Eigenkontrolle“ der Beratungsleistung werden damit verhindert.158 Andererseits wird aber der grundsätzliche Interessenkonflikt, der durch die Bezahlung der Ratingagenturen durch die Emittenten hervorgerufen wird, von der Rating-Verordnung noch nicht angemessen gelöst.159 Insbesondere verhindert oder löst die Veröffentlichung der Namen der Auftraggeber, die Anhang I, Abschnitt B, Abs. 3 lit. c Rating-Verordnung. Anhang I Abschnitt B Abs. 2 Rating-Verordnung. 153 Insbesondere Art. 6 Abs. 1 und Anhang I Abschnitt C Rating-Verordnung. 154 Anhang I Abschnitt C Abs. 2 lit. a und b Rating-Verordnung. 155 Anhang I Abschnitt C Abs. 2 lit. c Rating-Verordnung. 156 Anhang I Abschnitt C Abs. 8 Rating-Verordnung. 157 Siehe zum Folgenden auch bereits Kumpan, in: FS Hopt, 2010, S. 2157, 2166 ff. 158 Möllers, JZ 2009, 861, 865 (der außerdem eine weitere Präzisierung des Beratungsbegriffs fordert). 159 Siehe dazu auch Möllers, JZ 2009, 861, 865. Für eine mögliche Lösung siehe Kumpan, in: FS Hopt 2010, S. 2157, 2169 ff. 151
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für mehr als 5% des Umsatzes verantwortlich sind, diesen Interessenkonflikt nicht.160 Sie können die Marktteilnehmer lediglich für die Konfliktlage sensibilisieren. Des Weiteren ist nicht auszuschließen, dass eine solche Veröffentlichung zu einer gewissen Legitimierung des Konflikts oder einer falschen Sicherheit und dann zum gegenteiligen Effekt führt, was sich für die Anleger negativ auswirken würde.161 Hier wären über die vorgesehenen organisatorischen, operationellen und mitarbeiterbezogenen Vorgaben hinaus an die Offenlegung anknüpfende zusätzliche Maßnahmen wünschenswert gewesen. Beispielsweise hätte eine Gewinnabschöpfung für den Fall vorgesehen werden können, dass sich ein Interessenkonflikt manifestiert hat.162
4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit Primär sollen Ratingagenturen vom Bewerteten bzw. dem Emittenten der bewerteten Finanzinstrumente unabhängig sein. Daher dürfen sie etwa keine finanziellen oder, bei den Mitarbeitern, auch persönlichen Beziehungen zu dem zu bewertenden Emittenten haben. Denn dieser hat regelmäßig ein großes Interesse daran, dass seine Situation in ein besonders positives Licht gerückt wird und könnte daher versucht sein, auf das Rating bzw. die Ratingagentur einzuwirken. Das Unabhängigkeitsgebot erstreckt sich auch auf mit dem bewerteten Unternehmen verbundene Unternehmen.163 Denn es ist nicht auszuschließen, dass die erteilten Ratings zumindest indirekt auch auf sie Auswirkungen haben. Darüber hinaus soll die Unabhängigkeit geradezu umfassend sein und jegliche politische und wirtschaftliche Einflussnahme ausschließen.164
VI. Insolvenzverwalter 1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters hat für das Insolvenzverfahren ganz wesentliche Bedeutung. Gesetzlich verankert ist das Unabhängigkeitserfordernis in § 56 Abs. 1 InsO.165 Anders als die Unabhängigkeitsregelungen in Kumpan, in: Baum u. a., Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 33, 48 f. Darauf deuten Erkenntnisse der Verhaltensökonomie hin. Für einen Überblick über die verhaltensökonomische Forschung siehe § 2 V. 162 Für eine solche im Fall von Ratingagenturen Haar, ZBB 2009, 177, 185 ff. Für den Fall der Kommission und Geschäftsbesorgung ähnlich Kumpan, in: Baum u. a., Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 33 ff. 163 Auch von diesen darf etwa der Analyst keine Finanzinstrumente halten (Anhang I Abschnitt C Nr. 2 lit. a Rating-Verordnung). 164 Siehe Anhang I, Abschnitt A, Nr. 1 lit a Rating-Verordnung. 165 Siehe außerdem § 4 der VID-Berufsgrundsätze, abrufbar unter http://www.vid.de/ images/stories/pdf_fuer_einzelseiten/vid-berufsgrundsaetze.pdf (Stand 28.07.2014). 160 161
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anderen Rechtsgebieten ist diese Vorschrift äußerst knapp und bedarf daher in besonderem Maße der Konkretisierung. Sie enthält weder Angaben zu den Voraussetzungen noch zu den Anforderungen. Auch die Ergänzung von § 56 Abs. 1 InsO durch das ESUG166 hat daran wenig geändert.
2.) Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses Der Schutzzweck des für den Insolvenzverwalter geltenden Unabhängigkeitserfordernisses orientiert sich an den besonderen Zielen des Insolvenzverfahrens, insbesondere dem Ziel der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger (§ 1 Satz 1 InsO).167 Dementsprechend dient es zunächst einmal vor allem dem Schutz der Gläubiger, die aus der Insolvenzmasse befriedigt werden sollen.168 Aber auch der Schuldner darf nicht rechtlos gestellt werden. Dieser hat ein korrespondierendes, ebenfalls von der Insolvenzordnung geschütztes Interesse daran, dass seine Schulden möglichst umfänglich getilgt werden; daher darf der Verwalter das Verfahren nicht einseitig zu seinen Lasten führen.169 Die Gläubiger und der Schuldner haben also ein (gemeinsames) Interesse daran, dass die Insolvenzmasse bestmöglich verwertet wird.170 Um diese Ziele zu erreichen, muss eine (willkürliche) Gläubigerungleichbehandlung verhindert und das Vertrauen aller in die Amtsführung des Insolvenzverwalters garantiert werden sowie eine sachgemäße Rechtsverfolgung sichergestellt sein.171 Dieses Interesse reicht über die unmittelbar am jeweiligen Verfahren Beteiligten hinaus. Es besteht ein erhebliches öffentliches Interesse an einem ordnungsgemäßen und von den Beteiligten als gerecht empfundenen Verfahren. Denn da die zur Verfügung stehende Masse zwar für die Befriedigung einzelner, in der Regel aber nicht für die Befriedigung aller ausreicht, prallen in diesen Situationen regelmäßig besonders starke, manchmal sogar existenzielle Interessen der Gläubiger, aber auch des Schuldners aufeinander. Auch und gerade in dieser Grenzsituation des Rechtslebens muss der Staat daher für Rechtsstaatlichkeit und das Vertrauen in das Recht und die Integrität der staatlichen Rechtspflege sorgen.172 Ein solches Vertrauen wird sich aber nur erreichen lassen, wenn sichergestellt wird, dass 166 Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 07.12.2011, BGBl. 2011 I, S. 2582 v. 13.12.2011. 167 Prütting, ZIP 2002, 1965, 1970; Lüke, ZIP 2003, 557, 559. Zum Folgenden Kumpan, KTS 2010, 169, 173, für einen Rechtsvergleich mit dem englischem Recht Kumpan, a.a.O., 181 ff. 168 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 60. 169 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 60 und S. 64; Schumann, in: FS Geimer, 2002, S. 1043, 1052. 170 Vgl. Laukemann, Unabhängigkeit, S. 60; Kessler, ZIP 2000, 1565, 1572. 171 Schumann, in: FS Geimer, 2002, S. 1043, 1047; Prütting, ZIP 2002, 1965, 1966 und 1970. Zum Zusammenhang zwischen Vertrauen und Unabhängigkeit sowie Unparteilichkeit BGHZ 96, 157, 174; 106, 212, 218 f. 172 Vgl. dazu Laukemann, Unabhängigkeit, S. 66 f.
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der Verwalter, der die zentrale Rolle im Insolvenzverfahren spielt, seine Entscheidungen allein an den rechtlichen Vorgaben und dem Zweck des Insolvenz verfahrens orientiert. So verstanden dient das Unabhängigkeitserfordernis dazu, Interessenkonflikte des Verwalters auszuschließen und darauf hinzuwirken, dass die insolvenzrechtlichen Regelungen in einer den Zielsetzungen des Insolvenzverfahrens gerecht werdenden Weise angewendet werden.
3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses a.) Keine Konkretisierung mit Hilfe der anwaltlichen Unabhängigkeitsvorschriften Die Konkretisierung des insolvenzrechtlichen Unabhängigkeitserfordernisses muss anhand der insolvenzrechtlichen Bestimmungen erfolgen.173 Das anwaltliche Berufsrecht eignet sich nur sehr eingeschränkt als Konkretisierungshilfe.174 Zwar sind die Schutzzwecke der Unabhängigkeitserfordernisse von Insolvenzverwaltern und Rechtsanwälten auf abstrakter Ebene gleich ausgerichtet. Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung des Unabhängigkeitserfordernisses müssen jedoch die unterschiedlichen Funktionen beider Funktionsträger berücksichtigt werden. Das anwaltliche Berufsbild geht von dem einseitigen Sachwalter fremder Interessen aus: Der Rechtsanwalt ist einseitig dem Mandanteninteresse verpflichtet und Interessenvertreter einer Partei – unabhängig davon, dass er auch Organ der Rechtspflege ist.175 Demgegenüber wird der Insolvenzverwalter für eine Vielzahl von Personen mit unterschiedlichen Rechten und Interessen tätig, die er alle ihrer Stellung entsprechend angemessen berücksichtigen und gegeneinander abwägen muss.176 Während somit die Interessenwahrung beim Rechtsanwalt in einem „bilateralen“ Verhältnis erfolgt, geschieht dies beim Insolvenzverwalter in einem „multilateralen“ Verhältnis. Hinzu kommt, dass die anwaltliche Unabhängigkeit, die sich insbesondere auch gegen den Staat richtet, nur schwer damit in Einklang zu bringen ist, dass der Insolvenzverwalter nach §§ 58 f. InsO der Aufsicht durch das Insolvenzgericht unterworfen ist.177 Auf der anderen Seite ist der Rechtsanwalt grundsätzlich an Aufträge und Weisungen seines Mandanten gebunden, denn dieser trägt das Kosten- und Prozessrisiko. Die Verpflichtung des Anwalts, die Interessen des Mandanten zu wahren, spiegelt sich auch im Tatbestand der Prävarikation (§ 43a Abs. 4 BRAO) wider. Dieses Verbot lässt sich aber mit der Grund Kumpan, KTS 2010, 169, 173. Siehe dagegen z. B. OLG Celle ZIP 2001, 1597, 1599; Schmidt/Hölzle, ZIP 2012, 2238, 2239. 175 Braun, ZInsO 2002, 964. Siehe auch BVerfG NJW 1988, 191, 193 („der berufene Berater und Vertreter der Rechtsuchenden“). 176 Riggert, NZI 2002, 352, 354; vgl. auch Graf/Wunsch, DZWIR 2002, 177, 179. 177 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 41. 173 174
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funktion der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters nicht vereinbaren, die auf den „allseitigen“ Ausgleich der Interessen der verschiedenen Beteiligten im Insolvenzverfahren abzielt.178 Zudem wird der Rechtsanwalt von seinem Mandanten für die Arbeit vergütet, sodass auch eine gewisse finanzielle Abhängigkeit zu diesem besteht. Die für das Insolvenzverfahren so wichtige Partei- und Beteiligtenunabhängigkeit des Verwalters lässt sich mit einer solchen – im Fall des Rechtsanwalts wegen dessen Stellung zum Mandanten zu vernachlässigenden – finanziellen Abhängigkeit nicht vereinbaren. Dass viele Insolvenzverwalter zugleich Rechtsanwälte sind, kann nicht als Argument herangezogen werden, um eine Konkretisierung des insolvenzrechtlichen Unabhängigkeitsgebots mit Hilfe der Vorschriften der BRAO zu rechtfertigen.179 Denn der Beruf des Rechtsanwalts ist keine Voraussetzung, um Insolvenzverwalter zu werden. Vielmehr kann jede geeignete Person zum In solvenzverwalter ernannt werden.180 Hinzu kommt, dass berufsrechtliche Regelungen das Unabhängigkeitsgebot des § 56 Abs. 1 InsO nur für diejenigen Insolvenzverwalter konkretisieren könnten, die zugleich entsprechende Berufsträger, etwa Rechtsanwälte oder auch Wirtschaftsprüfer, sind. Dies aber würde zu einer uneinheitlichen, vom jeweiligen Berufsträger abhängigen Auslegung des insolvenzrechtlichen Unabhängigkeitsgebots und damit letztlich auch zu Wettbewerbsverzerrungen führen.181 Das bedeutet allerdings nicht, dass die im Rahmen des Berufsrechts geregelten Fälle nicht auch im Insolvenzverfahren problematisch sein könnten. Nur ist ihre Regelung aus der Insolvenz ordnung zu entwickeln, nicht aus einer Übertragung berufsrechtlicher Regelungen. b.) Unabhängigkeit und Interessenausgleich Das Unabhängigkeitserfordernis des Insolvenzverwalters ist daher in seiner konkreten Ausformung anhand der insolvenzrechtlichen Vorschriften näher zu bestimmen. Hierbei spielt die besondere Stellung des Insolvenzverwalters eine wesentliche Rolle. Diese ist gekennzeichnet durch eine „mehrseitige Fremdbestimmtheit“182 . Der Insolvenzverwalter hat regelmäßig einander widersprechende Interessen der verschiedenen Verfahrensbeteiligten wahrzunehmen, zwischen ihnen abzuwägen und sie zum Ausgleich zu bringen. Für diesen allseitigen Interessenausgleich ist die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters von Laukemann, Unabhängigkeit, S. 43. Schumann, in: FS Geimer, 2002, S. 1043, 1058. 180 Wird allerdings ein Rechtsanwalt zum Insolvenzverwalter bestellt, wird er deshalb nicht von seinem Berufsrecht befreit. Vgl. Schumann, in: FS Geimer, 2002, S. 1043, 1058. A.A. Riggert, NZI 2002, 352, 353. 181 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 107. 182 Siehe Laukemann, Unabhängigkeit, S. 61; Preuß, Zivilrechtspflege, S. 53; Prütting, ZIP 2005, 1097. 178
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wesentlicher Bedeutung. Des Weiteren dient das Unabhängigkeitserfordernis dem öffentlichen Interesse an einer geordneten und neutralen staatlichen Rechtsfürsorge.183 Im Hinblick auf den Ausgleich der verschiedenen Gläubigerinteressen dient das Unabhängigkeitsgebot dazu, die Durchsetzung des insolvenzrechtlichen Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung zu gewährleisten.184 Dieser fordert eine möglichst gleichmäßige und gerechte Berücksichtigung aller rechtlich gleichwertigen Gläubigerinteressen.185 Dementsprechend hat der Insolvenzverwalter etwa mittels Anfechtung nach §§ 129 ff. InsO Bevorzugungen rückgängig zu machen, die der Schuldner einzelnen Gläubigern zulasten der Gläubigergemeinschaft gewährt hat.186 Das Unabhängigkeitsgebot soll hierbei gewährleisten, dass der Insolvenzverwalter diese Aufgabe ordnungsgemäß erfüllt und auch auf diese Weise auf eine Gleichbehandlung der Gläubiger hinwirkt. Im Hinblick auf den Ausgleich zwischen den Interessen der Gläubiger und des Schuldners soll die Unabhängigkeit des Verwalters sicherstellen, dass dieser das gemeinsame Interesse aller Beteiligten an der bestmöglichen Verwertung der Insolvenzmasse wahrt und durchsetzt und dabei sonstige Interessen der Beteiligten und Dritter ausblendet. Im Insolvenzplanverfahren ermöglicht die Unabhängigkeit des Verwalters, dass dieser die Rolle eines „allparteilichen Maklers“ einnehmen kann, sich die Zustimmungsbereitschaft der Gläubiger erhöht und er vor zu weitreichenden inhaltlichen Vorgaben der Gläubiger geschützt wird, die über die Zielbindung i.S.v. § 157 Satz 2 InsO hinausgehen.187
4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit Die Rolle eines allparteilichen Maklers bzw. Interessenwahrers für Gläubiger und Schuldner kann ein Insolvenzverwalter nur übernehmen, wenn er – abgesehen von seiner Tätigkeit als Verwalter – nicht selbst von dem Verfahren betroffen ist.188 § 56 Abs. 1 InsO erfasst daher alle Beziehungen des Verwalters, die seine unabhängige Entscheidungsfindung sowie seine Bindung an den Verfahrenszweck und die rechtlich geschützten Interessen im Rahmen des jeweiligen Insolvenzverfahrens gefährden.189 Ein solches weites Verständnis ist vom Bork, ZIP 2013, 145, 148 f. Laukemann, Unabhängigkeit, S. 62. 185 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 62; zur Gleichbehandlung der Gläubiger ausführlich Häsemeyer, KTS 1982, 507 ff.; siehe dazu außerdem Bauer, DZWIR 2007, 188 ff. 186 Zur Anfechtung als Mittel zum Schutz der Gläubigergleichbehandlung Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdnr. 21.01 f. 187 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 65. Zum Phänomen der „reaktiven Abwertung“ siehe Fn. 35. 188 Dazu Prütting, ZIP 2002, 1965, 1970. 189 Vgl. Laukemann, Unabhängigkeit, S. 147. 183
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Normzweck her angezeigt. Denn solche Beziehungen oder Eigeninteressen können die unvoreingenommene Entscheidungsfindung des Verwalters erheblich gefährden, wenn sie dazu führen, dass ein konkretes verfahrensbezogenes Interesse eines Dritten oder des Verwalters selbst mit dem Interesse der Gläubigergemeinschaft an ihrer möglichst umfänglichen Befriedigung in Konflikt gerät.190 a.) Gläubiger und Schuldner Von dem Verfahren unmittelbar selbst betroffen wäre ein Verwalter insbesondere dann, wenn er selbst Gläubiger oder Schuldner ist. Daher muss dies ausgeschlossen sein und er darf auch weder den Gläubigern noch dem Schuldner besonders nahestehen oder gar von ihnen abhängig sein.191 Er muss mithin – so § 56 Abs. 1 InsO – „von den Gläubigern und dem Schuldner“ unabhängig sein.192 Unvereinbar mit dem Unabhängigkeitsgebot sind demzufolge enge persönliche Vertrauensverhältnisse zu Schuldnern oder Gläubigern, finanzielle Beteiligungen am Unternehmen des Schuldners, Interessenvertretungen mit unmittelbarem Bezug zur Insolvenzabwicklung, aber auch eigene Vortätigkeiten für eine der beiden Seiten, die der Insolvenzverwalter überprüfen müsste.193 Im Hinblick auf vorbereitende Mitwirkungen des Verwalterkandidaten – z. B. bei der Erstellung eines Insolvenzplans – ist allerdings überlegt worden, ob nicht die Gläubiger durch einstimmigen Beschluss auf dessen (fachliche) Unabhängigkeit verzichten können sollen.194 Bei der Unabhängigkeit, bei der es sich um ein von der Eignung zu trennendes subjektives Element des Tatbestandes von § 56 Abs. 1 InsO handele, gehe es im Wesentlichen um Vertrauen.195 Wenn die Gläubiger einem Verwalter ihr Vertrauen aussprächen, müssten sie nicht
Laukemann, Unabhängigkeit, S. 147. Vgl. dazu BGHZ 113, 262, 277. HK-InsO/Eickmann, § 56 Rdnr. 9; Leonhardt/Smid/Zeuner/Rechel, InsO, § 56 Rdnr. 35; Braun/Blümle, InsO, § 56 Rdnr. 14; Uhlenbruck, KTS 1989, 229, 230; Bork, ZIP 2006, 58, 59; Lüke, ZIP 2003, 557, 561; Frind, ZInsO 2002, 745, 746; siehe auch Graeber, NZI 2002, 345; Prütting, ZIP 2002, 1965, 1969. 192 Siehe auch § 4 Abs. 1 Satz 1 der VID-Berufsgrundsätze. Braun/Blümle, InsO, § 56 Rdnr. 14. 193 Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 56 Rdnr. 51 f.; Laukemann, Unabhängigkeit, S. 148 ff. Hinsichtlich einer Vortätigkeit für den Schuldner z. B. Bork, ZIP 2006, 58, 59; Lüke, ZIP 2003, 557, 561 f. 194 Schmidt/Hölzle, ZIP 2012, 2238, 2242; später dahingehen eingeschränkt, dass der Beschluss nur verbindlich sei, wenn der Schuldner ihmnicht widerspricht, Hölzle, ZIP 2013, 447, 450. 195 Schmidt/Hölzle, ZIP 2012, 2238, 2240. 190 191
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vor sich selbst geschützt werden196 . Dem ist zu recht widersprochen worden.197 Die Unabhängigkeit nicht als Bestandteil der Eignung zu vestehen, lässt sich nur schwer mit dem Wortlaut von § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO vereinbaren. Denn der nach dem Wort „geeignete“ folgende, in Kommata gesetzte Satzteil umfasst sowohl die Merkmale „geschäftskundige“ als auch „unabhängige“.198 Auch der Normzweck spricht gegen eine Disponibilität der Unabhängigkeit. Denn wie ausgeführt dient die Unabhängigkeit des Verwalters auch dem Schutz des Schuldners, des öffentlichen Interesses an einer geordneten und neutralen staatlichen Rechtsfürsorge, aber auch dem (Minderheiten-)Schutz von weniger einflussreichen Gläubigern.199 Alle diese Interessen würden von einem Gläubiger(ausschuss)beschluss nicht oder nur unzureichend berücksichtigt werden. Schließlich wird auch von den Befürwortern einer Disponibilität der fachlichen Unabhängigkeit nicht bezweifelt, dass die persönliche Unabhängigkeit nicht disponibel ist und vom Gericht voll überprüft werden kann.200 Auch wird eingeräumt, dass eine fachliche Verbindung zu einer persönlichen Bindung führen könne, die dann die Unabhängigkeit vollständig ausschließt.201 Persönliche Bindung ist in diesem Zusammenhang also als innere Abhängigkeit zu verstehen. Wann aber eine innere Abhängigkeit vorliegt und wann nicht, lässt sich regelmäßig nicht oder nur schwer feststellen. Dies gilt auch hinsichtlich der inneren Auswirkungen einer fachlichen Verbindung. Daher muss auch in diesem Fall an einen äußeren Tatbestand, also die vorbereitende Mitwirkung, angeknüpft werden. b.) Insbesondere: Geschäftliche Beziehungen von erheblicher Bedeutung Eine Gefährdung der Unabhängigkeit des Verwalters ist insbesondere in solchen Fällen möglich, in denen besonders enge wirtschaftliche Verflechtungen mit einzelnen Gläubigern 202 oder dem Schuldner203 bestehen. Dies ist etwa der Fall bei geschäftlichen Beziehungen, wie sie zur Hausbank oder zu Großliefe196 Schmidt/Hölzle, ZIP 2012, 2238, 2242. Sinnvoll sei die Wahl eines vorbefassten Verwalters, weil er bereits eingearbeitet sei und damit im späteren Verfahren erhebliche Zeit und Kosten gespart werden könnten; außerdem erhielten die Gläubiger dadurch Planungs- und Rechtssicherheit, weil sie ihn bereits kennenlernen konnten, siehe Schmidt/Hölzle, ZIP 2012, 2238, 2243. 197 Bork, ZIP 2013, 145; Vallender/Zipperer, ZIP 2013, 149. 198 Bork, ZIP 2013, 145, 146. 199 Bork, ZIP 2013, 145, 148 f. 200 Hölzle, ZIP 2013, 447, 448. 201 Hölzle, ZIP 2013, 447, 449. 202 Prütting, ZIP 2002, 1965, 1971; Schumann, in: FS Geimer, 2002, S. 1043, 1060; siehe auch Frind, ZInsO 2002,745, 747. Zur Abhängigkeit durch Poolverwaltungen etwa Frind, ZInsO 2002, 745, 750 f.; Graeber, NZI 2002, 345, 348 f.; Lüke, ZIP 2003, 557, 558 f.; Prütting, ZIP 2002, 1965, 1970 f.; Riggert, NZI 2002, 352, 355 f. (mit gegenüber den Vorgenannten abweichender Ansicht). 203 OLG Hamm ZIP 1987, 1333; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 56 Rdnr. 46.
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ranten, Wirtschaftsberatern, Rechtsanwälten oder Steuerberatern des Schuldners bestehen.204 Wann in diesen Fällen die Erheblichkeitsschwelle überschritten wird, d. h. eine geschäftliche Beziehung eine solche Bedeutung erhält, dass sie die Unabhängigkeit des Verwalters gefährden kann und diesen daher disqualifiziert, lässt sich der Insolvenzordnung nicht entnehmen. Hier ist eine Übertragung der Wertungen in Zusammenhang mit dem Abschlussprüfer in § 319 HGB zu erwägen.205 Ähnliche Wertungen enthält die Ratingverordnung für geschäftliche Beziehungen von Ratingagenturen.206 Beziehen Abschlussprüfer oder Ratingagenturen einen wesentlichen Teil ihrer Einkünfte aus einer Geschäftsbeziehung, so wird ein Interessenkonflikt angenommen, der bei Abschlussprüfern zu einem Ausschluss (bei 30% bzw. 15% der Gesamteinnahmen 207) und bei Ratingagenturen zu einer Pflicht zur Veröffentlichung des Namens des Geschäftspartners (bei 5% der Jahreseinnahmen) führt. Denn in diesen Fällen kann davon ausgegangen werden, dass die Furcht vor finanziellen Einbußen aufgrund einer Beendigung der Geschäftsbeziehung verhindert, dass der Prüfer die erforderliche kritische Distanz zu dem geprüften Unternehmen wahrt.208 Zwar ist der Verwalter aufgrund seines gesetzlichen Vergütungsanspruchs (vgl. §§ 63 f. InsO) in dieser Hinsicht stärker vor Einflussnahmen geschützt als der Wirtschaftsprüfer.209 Aber verdankt der Verwalter seine Bestellung in verschiedenen Verfahren immer wieder der Intervention desselben Gläubigers oder bestehen zusätzliche besondere geschäftliche Beziehungen außerhalb der konkreten Insolvenzverwaltung, so ist diese Situation derjenigen eines Wirtschaftsprüfers mit einem für ihn sehr bedeutenden Mandat sehr ähnlich. c.) Nahestehende Personen im Sinne von § 138 InsO Da § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO von „insbesondere … von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige … Person“ spricht, lässt sich das Unabhängigkeitsgebot auch auf Beziehungen zu anderen nahestehenden Personen erstrecken, z. B. Drittschuldnern oder nahen Angehörigen von Schuldnern oder Gläubigern.210 204 Solche Beziehungen könnten unter § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO subsumiert werden, sollen aber ausweislich der Regierungsbegründung und nach der Rechtsprechung von § 138 InsO ausgenommen sein. Siehe RegE InsO, BT-Drs. 12/2443, S. 163 (Personen, die kraft Gesetzes in Angelegenheiten der juristischen Person zur Verschwiegenheit verpflichtet sind); außerdem BGH ZIP 1997, 513, 516 (Wirtschaftsberater); BGH WM 1998, 304 (Rechtsanwalt und Steuerberater), 305 (Hausbank, Großlieferant); siehe auch MünchKommInsO/Gehrlein, § 138 Rdnr. 34. 205 Lüke, ZIP 2003, 557, 564 (der aber die Schwelle schon bei 10% ansetzen will); krit. Laukemann, Unabhängigkeit, S. 164. 206 Anhang I Abschnitt B Nr. 2 Rating-Verordnung. 207 § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 bzw. § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB. 208 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 163 f. 209 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 164. 210 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 147.
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Welche Näheverhältnisse die Insolvenzordnung vor allem für regelungsbedürftig hält, zeigt die Auflistung der dem Schuldner nahestehenden Personen in § 138 InsO.211 Dazu gehören z. B. Verwandte, der Ehegatte oder Lebenspartner oder auch Gesellschaften, an denen der Verwalter beteiligt ist oder deren Organen er angehört.212 Bei diesen Personen nimmt die Insolvenzordnung an, dass zwischen den Beteiligten eine so enge Beziehung besteht, dass dadurch Handlungen veranlasst werden können, die Dritte benachteiligen.213 Denn in der Regel ist nicht anzunehmen, dass sie sich gegenüber dem Schuldner unvoreingenommen verhalten.214 Diese Wertung der Insolvenzordnung muss auch im Rahmen des Unabhängigkeitsgebots Berücksichtigung finden.215 Steht ein Verfahrensbeteiligter in einem solchen Näheverhältnis zum Insolvenzverwalter, das einem der Fälle in § 138 InsO entspricht, besteht die Gefahr von Benachteiligungen anderer Beteiligter und ist der Verwalter daher nicht als unabhängig anzusehen. d.) Eigene Vermögensinteressen Neben persönlichen oder wirtschaftlichen Bindungen zu anderen Verfahrensbeteiligten können auch eigene Vermögensinteressen des Insolvenzverwalters dessen Unabhängigkeit in Frage stellen. Unabhängigkeit bedeutet demzufolge auch wirtschaftliche Unabhängigkeit von der Insolvenzmasse.216 Auch die parallele Verwaltung verschiedener Insolvenzmassen kann zu Konflikten führen, etwa wenn im Fall der Konzerninsolvenz der personenidentische Verwalter gezwungen wäre, gegenseitig bestehende Forderungen geltend zu machen und damit gegen sich selbst zu erheben.217 e.) Ausgenommene Fälle gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 InsO Mit der Einführung von § 56 Abs. 1 Satz 3 InsO durch das ESUG hat der Gesetzgeber klargestellt, dass allein der Vorschlag eines Insolvenzverwalters durch den Schuldner oder durch Gläubiger nicht ausreicht, um an dessen Unabhängigkeit zu zweifeln (Nr. 1). Diese Klarstellung hat der Gesetzgeber für erforderlich gehalten, weil zuvor Insolvenzgerichte zum Teil nur wegen eines solchen Vorschlags einen Verwalter abgelehnt hatten.218 Auch eine allgemeine Beratung des Schuldners über den Ablauf eines Insolvenzverfahrens und dessen Zu den folgenden Ausführungen siehe Kumpan, KTS 2010, 169, 173 f. Siehe dazu Lüke, ZIP 2003, 557, 561, außerdem die Fallgruppen in § 4 Abs. 2 der VID-Berufsgrundsätze. 213 Vgl. z. B. Kübler/Prütting/Bork/Ehricke, InsO, § 138 Rdnr. 3. 214 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 151; Preuß, Zivilrechtspflege, S. 367. 215 Siehe auch § 4 Abs. 2 lit. a-c VID-Berufsgrundsätze. 216 Braun/Blümle, InsO, § 56 Rdnr. 18. 217 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 150. 218 BT-Drs. 14/5712 v. 4.5.2011, S. 26. 211
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Folgen vor dem Eröffnungsantrag führt noch nicht zu einem Ausschluss der Unabhängigkeit (Nr. 2).219 Diese Klarstellungen schließen jedoch nicht aus, dass konkrete andere Umstände – wie insbesondere die zuvor erwähnten –, die in der Person des Verwalters liegen, dessen Unabhängigkeit beeinträchtigen können.220
5.) Das Unabhängigkeitsgebot im Eröffnungsverfahren Nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InsO gilt das Unabhängigkeitserfordernis ebenfalls für den vorläufigen Verwalter.221 Auch wenn die Gläubiger im Eröffnungsverfahren noch nicht als Beteiligte angesehen werden, so ist diese Regelung dennoch erforderlich. Denn auch die lediglich auf die Vermögenssicherung ausgerichtete Funktion des vorläufigen Verwalters (§ 22 Abs. 1 Nr. 1 InsO) bedarf einer Absicherung vor fremder Einflussnahme. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht (§ 22 Abs. 1 InsO) und er damit die (künftige) Insolvenzmasse übertragen bekommt, die er zugunsten der späteren Insolvenzgläubiger sichern soll.222
VII. Nachlass- und Zwangsverwalter, Testamentsvollstrecker Auch der Nachlassverwalter (§ 1985 BGB) 223 und der Zwangsverwalter 224 (§§ 150 ff. ZVG) sind verpflichtet, unabhängig zu handeln. Beide Tätigkeiten sind mit der des Insolvenzverwalters funktional vergleichbar, wie die vergleichbare Regelungsstruktur von Insolvenz-, Nachlass- und Zwangsverwaltung zeigt.225 Die Nachlassverwaltung dient dazu, die Nachlassgläubiger durch Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten zu befriedigen (§ 1975 BGB). Um diesen Zweck zu erreichen, sieht § 1984 Abs. 1 BGB – parallel zu § 80 InsO – den Übergang der Verfügungsmacht über das Nachlassvermögen vom Erben auf Zur Vorbefassung des Insolvenzverwalters etwa Bork, ZIP 2006, 58 f. BT-Drs. 14/5712 v. 4.5.2011, S. 26. 221 Vgl. dazu AG Flensburg ZIP 2003, 920, 921; AG Potsdam NZI 2002, 391, 392. 222 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 124. 223 Zu dessen Unabhängigkeit BGH NJW-RR 2005, 1237, 1239; Palandt/Weidlich, BGB, § 1985 Rdnr. 2 . 224 Zu dessen Unabhängigkeit BGH NZI 2009, 259; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, § 150a ZVG Rdnr. 6. 225 Zur Vergleichbarkeit der Rechtsstellung von Nachlass- und Insolvenzverwalter (bzw. damals Konkursverwalter) z. B. RGZ 61, 221, 222; 65, 287, 289; 135, 305, 307; BGHZ 38, 281, 284; BGH NJW 1987, 1019, 1020; Staudinger/Marotzke, BGB, § 1985 Rdnr. 1 f.; Laukemann, Unabhängigkeit, S. 70; Preuß, Zivilrechtspflege, S. 66 m.w.N. Zur Vergleichbarkeit der Rechtsstellung von Insolvenzverwalter und Zwangsverwalter etwa BGH NZI 2009, 259 Rdnr. 10 f.; Preuß, Zivilrechtspflege, S. 18. 219
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den Verwalter vor.226 Die Nachlassverwaltung wird vom Nachlassgericht angeordnet,227 das auch den Nachlassverwalter bestellt228 und beaufsichtigt.229 Ähnliches gilt für den Zwangsverwalter, dessen Amt in zentralen Punkten dem des Insolvenzverwalters angenähert ist.230 Aufgabe des Zwangsverwalters ist die Verwaltung eines Grundstücks des (Vollstreckungs-)Schuldners zur bestmöglichen Befriedigung der (Vollstreckungs-)Gläubiger.231 Durch die Beschlagnahme wird dem Schuldner die Verwaltung und die Benutzung des Grundstücks entzogen (§ 148 Abs. 2 ZVG). Der Zwangsverwalter wird gerichtlich bestellt (§ 150 Abs. 1 ZVG) und unterliegt der gerichtlichen Aufsicht (§ 153 ZVG). Hinsichtlich des Unabhängigkeitsgebots kann es in besonderen Ausnahmefällen (§§ 150a, 150b ZVG) zu gewissen Abweichungen kommen, wenn die Verfahrensbeteiligten in begrenztem Umfang auf das Verwalteramt einwirken können. Sofern dabei der Schuldner als Verwalter eingesetzt wird, ist er von einer unabhängigen Aufsichtsperson zu überwachen (§ 150c ZVG), sodass die unabhängige Amtsführung im Interesse der Gläubigergesamtheit gewahrt bleibt.232 Die vergleichbare Ausgestaltung der Regelungen für die verschiedenen privatrechtlichen Verwalter untereinander und im Vergleich zur Insolvenzordnung zeigt, dass deren Verpflichtung zum fremdnützigen Handeln eng verbunden ist mit dem Unabhängigkeitsgebot. Denn nur wenn der jeweilige Verwalter seine Aufgaben als Unabhängiger wahrnimmt, ist sichergestellt, dass die jeweiligen Verfahrensziele angestrebt werden, die vor allem die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger im Blick haben.233 Auch der Testamentsvollstrecker ist zu einer unabhängigen Amtsführung verpflichtet.234 Dies ergibt sich insbesondere aus seiner Aufgabe, die letztwilligen Verfügungen des Erblassers zur Ausführung zu bringen, § 2203 BGB. Zudem leitet sich seine Stellung allein vom Erblasser her, dessen über den Tod fortwirkender „verlängerter Arm“ er ist.235 Seine Unabhängigkeit gilt sowohl gegenüber den Erben als auch gegenüber den Nachlassgläubigern. In Bezug auf 226 Nach RGZ 135, 305, 307 hat der Nachlassverwalter die Stellung „eines amtlich bestellten Organs zur Verwaltung einer fremden Vermögensmasse mit eigener Parteistellung im Rechtsstreit“. 227 § 1981 BGB. 228 §§ 1975, 1962, 1915 Abs. 1, 1789 BGB. 229 §§ 1975, 1962, 1915 Abs. 1, 1837 Abs. 2 BGB, dazu Staudinger/Marotzke, BGB, § 1985 Rdnr. 36. 230 BGH NZI 2009, 259 Rdnr. 10 f.; Preuß, Zivilrechtspflege, S. 18. 231 BGH NZI 2009, 259 Rdnr. 10; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, § 150a ZVG Rdnr. 18. 232 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 71. 233 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 71. 234 BGHZ 25, 275, 281 f.; 30, 67, 73; siehe auch Bengel/Reimann, Hdb Testamentsvollstreckung, 1. Kapitel Rdnr. 13. 235 Bartsch, Testamentsvollstrecker, S. 35.
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den Erben ergibt sich dies aus § 2205 Satz 2 BGB i.V.m. §§ 2211 Abs. 1, 2212 2205 BGB, dass Rechtsträgerschaft und BGB.236 Zum einen bestimmt § Rechtsausübung auseinanderfallen. Zum anderen schließen §§ 2201 Abs. 1, 2212 BGB die Befugnis des Erben aus, über die Nachlassgegenstände zu verfügen oder Rechte gerichtlich geltend zu machen, die der Testamentsvollstreckung unterliegen. Daher kann der Erbe weder auf die Nachlassgegenstände zugreifen noch dem Testamentsvollstrecker hinsichtlich der Verfügungen Weisungen erteilen.237 Auch von den Nachlassgläubigern muss der Testamentsvollstrecker unabhängig sein. Ihre Möglichkeiten zur Einflussnahme auf den Testamentsvollstrecker begrenzt das Gesetz daher in § 2213 BGB auf die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen. Schließlich untersteht der Testamentsvollstrecker auch keiner staatlichen Aufsicht.238
VIII. Compliance-Stelle bzw. Compliance-Beauftragter 1.) Rechtliche Verankerung und Schutzzweck des Unabhängigkeitserfordernisses Für die Compliance-Stelle von Wertpapierdienstleistungsunternehmen schreibt § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG vor, dass diese unabhängig zu sein hat.239 Aufgabe der Compliance-Stelle ist es, unternehmensintern dafür zu sorgen, dass das Unternehmen, dessen Leitung und Mitarbeiter die gesetzlichen Vorgaben des WpHG – und, weiter verstanden, alle das Unternehmen betreffende Regelungen 240 – einhalten und ihre daraus resultierenden Pflichten erfüllen.241 Sie hat dabei eine Überwachungs- und eine Beratungsfunktion.242 Als institutioneller Funktionsträger des Wertpapierdienstleistungsunternehmens243 unterscheidet sie sich von den vorangegangenen Entscheidungsträgern allerdings darin, Adams, Interessenkonflikte, S. 10 ff. Zur Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers (Mandat, Vertretung, Amt) siehe etwa Bengel/Reimann, Hdb Testamentsvollstreckung, 1. Kapitel Rdnr. 11 ff.; Bartsch, Testamentsvollstrecker, S. 40 ff. 237 RGZ 133, 128, 134; BGHZ 25, 275, 280; vgl. auch BGHZ 30, 67, 73. 238 Adams, Interessenkonflikte, S. 12 f. 239 Zum Thema Compliance siehe etwa Hauschka, Corporate Compliance; Lösler, Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern; Bicker, AG 2012, 542; Fleischer, CCZ 2008, 1; Hauschka, NJW 2004, 257; Lösler, WM 2010, 1917; Lösler, WM 2008, 1098; Lösler, NZG 2005, 104; Niermann, ZBB 2010, 400; Röh, BB 2008, 398; Spindler, WM 2008, 905; Veil, WM 2008, 1093; Zingel, BKR 2010, 500. 240 Zu den verschiedenen Begriffsverständnissen Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rdnr. 1 ff.; siehe auch Lösler, WM 2008, 1098, 1099 f. 241 Buff, Compliance, S. 10 ff.; Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rdnr. 1; Lösler, Compliance, S. 194; Fleischer, CCZ 2008, 1; Veil, WM 2008, 1093, 1096. Vgl. auch Hauschka, NJW 2004, 257. 242 Vgl. § 12 Abs. 3 Satz 1 WpDVerOV. 243 Lösler, Compliance, S. 191. 236
VIII. Compliance-Stelle bzw. Compliance-Beauftragter
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dass sie innerhalb eines Unternehmens angesiedelt ist. Ihre Verantwortung für die ihr übertragenen Aufgaben leitet sie von der Geschäftsleitung ab, 244 denn diese ist für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation (und damit auch für die Compliance) gesamtverantwortlich.245 Wie die Geschäftsleitung hat daher auch die Compliance-Stelle die Unternehmensinteressen zu wahren.246 Andererseits hat sie bei ihrer Aufgabenerfüllung auch die Anlegerinteressen und die Integrität des Kapitalmarkts zu berücksichtigen.247 Diese über das einzelne Unternehmen hinausgehende Schutzrichtung der Tätigkeit der Compliance-Stelle rechtfertigt es, dass sie nach § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG ihre Aufgaben unabhängig wahrzunehmen hat.248
2.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses a.) Unabhängigkeit von der Geschäftsführung Was Unabhängigkeit im Fall der Compliance-Stelle bedeutet, ist umstritten. Insbesondere hinsichtlich der Frage, ob die Compliance-Stelle der Geschäftsleitung weisungsunterworfen ist, bestehen Meinungsverschiedenheiten: Eine am Gesellschaftsrecht orientierte Ansicht verneint eine Unabhängigkeit von der Geschäftsleitung, 249 eine stärker kapitalmarktrechtlich ausgerichtete Ansicht bejaht diese hingegen, soweit es um die Überwachungs- und Beratungstätigkeit der Compliance-Stelle geht.250 Die gesellschaftsrechtliche Ansicht stellt darauf ab, dass Compliance zur Leitungspflicht der Geschäftsleitung gehört, die für das gesamte Geschehen im Unternehmen – und insbesondere für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation 251 – gesamtverantwortlich ist.252 Bei Compliance handele es sich um eine „in besonderem Maße institutionalisierte und gesetzlich angeordnete Delegation von Leitungspflichten auf nachgeordnete Stellen“.253 Entsprechend bleibe die Letztentscheidungsbefugnis bei Fragen der
Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rdnr. 65. Siehe dazu § 25a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 KWG. 246 Lösler, WM 2008, 1098, 1102. 247 Veil, WM 2008, 1093, 1097; a.A. Lösler, WM 2008, 1098, 1102. 248 Siehe dazu auch § 12 Abs. 4 Satz 3 WpDVerOV. 249 Z. B. Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 99; Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rdnr. 65; Lösler, WM 2010, 1917, 1919; ders., WM 2008, 1098, 1103 f.; ders., NZG 2005, 104, 107; Röh, BB 2008, 398, 403; Spindler, WM 2008, 905, 911. Siehe auch BaFin, MaComp, BT 1.1.1 Nr. 1. 250 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 82; Veil, WM 2008, 1093, 1097 f. 251 Siehe dazu für Kreditinstitute § 25a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 KWG. 252 Zu Compliance als Aufgabe der Geschäftsleitung etwa Fleischer, CCZ 2008, 1, 3; Spindler, WM 2008, 905, 909. 253 Lösler, WM 2008, 1098, 1104. 244 245
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Compliance beim Geschäftsleitungsorgan, das die Wahrnehmung der Compliance-Verantwortung jederzeit an sich ziehen könne.254 Demgegenüber stützt sich die kapitalmarktrechtlich orientierte Ansicht auf das öffentliche Interesse an einer wirksamen Compliance und den effet utile (Art. 4 Abs. 3 EUV).255 Dem Argument der gesellschaftsrechtlich orientierten Ansicht, dass die Geschäftsleitung die Gesamtverantwortung trage, wird damit begegnet, dass der Leitung ausreichend Kontrollmöglichkeiten verblieben, um die Compliance-Stelle effektiv zu überwachen. So habe sie jederzeit das Recht, von dem Compliance-Beauftragten Auskunft über die Compliance-Funktion und über mögliche Mängel im Unternehmen zu verlangen.256 Zudem müssten die Compliance-Mitarbeiter der Geschäftsleitung und dem Aufsichtsorgan regelmäßig über die Angemessenheit und Wirksamkeit der Grundsätze, Mittel und Verfahren nach § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG berichten.257 Schließlich könne die Geschäftsleitung die Benennung des Compliance-Beauftragten jederzeit widerrufen.258 Für die kapitalmarktrechtliche Ansicht spricht zudem, dass die Compliance-Stelle gerade nicht – etwa als Spezialregelung für bestimmte Aktiengesellschaften – im Aktiengesetz geregelt ist, sondern im bank- und kaptialmarktrechtlichen Aufsichtsrecht. Letzteres dient aber zuvörderst öffentlichen Interessen, nicht primär den Interessen der einzelnen Gesellschaften. Zudem verwendet das WpHG den Begriff der Unabhängigkeit ohne ihn weiter einzuschränken (z. B. „unabhängig von anderen Geschäftsbereichen“ o.ä.). Da „Unabhängigkeit“ immer auch die Abwesenheit eines Über-Unterordnungsverhältnisses impliziert, deutet dies darauf hin, dass der Compliance-Stelle keine Vorgaben gemacht werden dürfen, wie sie ihre Aufgaben zu erfüllen hat. Auch kann der Vorstand die Compliance-Aufgaben nicht grundsätzlich (wieder) an sich ziehen, weil nach § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 eine „dauerhafte … Compliance-Funktion einzurichten ist“. Das WpHG beschneidet damit den diesbezüglichen Gestaltungsspielraum der Geschäftsleitung. Nicht als Gegenargument herangezogen werden kann, dass etwa für den Datenschutzbeauftragten in § 4f Abs. 3 Satz 2 BDSG ausdrücklich statuiert wird, dass dieser „in Ausübung seiner Fachkunde auf dem Gebiet des Datenschutzes weisungsfrei“ sei, eine solche Regelung für die Compliance-Stelle dagegen fehle.259 Denn im Gegenzug fehlt in § 4f Abs. 3 BDSG eine Regelung zur „Unabhängigkeit“ des Datenschutzbeauftragten. Unabhängigkeit ist jedoch umfassender als Weisungsfrei Lösler, Compliance, S. 194 f.; Lösler, WM 2008, 1098, 1104. Siehe auch Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 99. 255 Veil, WM 2008, 1093, 1097. 256 Veil, WM 2008, 1093, 1097. 257 Siehe § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 WpHG. 258 Veil, WM 2008, 1093, 1097. 259 Siehe dazu Spindler, WM 2008, 905, 911. 254
VIII. Compliance-Stelle bzw. Compliance-Beauftragter
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heit. Denn Weisungsfreiheit ist nur eine begrenzte Form der Unabhängigkeit im Hinblick auf die Erteilung von Weisungen. Unabhängigkeit bedeutet darüber hinaus auch die Abwesenheit anderer Einflussfaktoren. Ist die Freiheit von Weisungen aber nur eine begrenzte Form der Unabhängigkeit, ist die erwähnte Schlussfolgerung, dass Weisungsfreiheit mehr sei als Unabhängigkeit logisch nicht möglich. Zu berücksichtigen ist zudem, dass – wie ausgeführt – eine Überwachung durch die Geschäftsleitung trotzdem grundsätzlich möglich bleibt. b.) Unabhängigkeit von anderen Abteilungen Einigkeit dürfte hingegen darüber bestehen, dass Unabhängigkeit der Compliance-Stelle zumindest bedeutet, dass sie von den Geschäfts-, Handels- und Abwicklungsabteilungen getrennt ist und von diesen nicht beeinflusst werden darf.260 Dieses Verständnis ergibt sich aus § 12 Abs. 4 Satz 4 Fall 1 WpDVerOV. Danach dürfen diejenigen, die mit Complianceaufgaben betraut sind, nicht „an den Wertpapierdienstleistungen beteiligt sein, die sie überwachen“.261 Das bedeutet allerdings nicht, dass es der Compliance-Stelle verboten wäre, mit anderen Geschäftsbereichen der Bank zusammenzuarbeiten.262 Vielmehr hilft eine Zusammenarbeit der Compliance-Stelle ihre Aufgabe effektiv wahrzunehmen und Compliance-Risiken frühzeitig zu erkennen.263 c.) Finanzielle Unabhängigkeit In § 12 Abs. 4 Satz 4 Fall 2 WpDVerOV kommt darüber hinaus das Erfordernis der finanziellen Unabhängigkeit zum Ausdruck. Danach darf „die Art und Weise ihrer Vergütung eine Beeinträchtigung ihrer Unvoreingenommenheit [nicht] bewirken oder wahrscheinlich erscheinen lassen“.264 Zum Teil wird daraus abgeleitet, dass die Vergütung der mit Complianceaufgaben betrauten Personen nicht vom geschäftlichen Erfolg der Gesellschaft abhängen dürfe.265 Da die Vorschrift jedoch auf die Möglichkeit zur Beeinträchtigung der Unvoreingenommenheit abstellt, kommt es darauf an, ob die erfolgsbezogenen Bestandteile der Vergütung geeignet sind, Interessenkonflikte auszulösen, die die Über260 Lösler, WM 2008, 1098, 1103 und ders., NZG 2005, 104, 107 jeweils mit Bezugnahme auf Basel Committee on Banking Supervision, Compliance and the compliance function of banks, April 2005, principle 5. Vgl. dazu auch BaFin, MaComp, BT 1.1.1 Tz. 2. 261 Siehe dazu auch Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance, Nr. 28; Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rdnr. 64. Zu den Schwierigkeiten, die sich ergeben können, wenn der Compliance-Beauftragte auch noch anderweitig eingebunden ist Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 82. 262 Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rdnr. 66. 263 Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rdnr. 66. 264 § 12 Abs. 4 Satz 4 2. Hs. WpDVerOV. 265 Lösler, WM 2008, 1098, 1103.
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wachungstätigkeit der Compliance-Mitarbeiter beeinträchtigen.266 Sofern dies nicht der Fall ist, ist eine erfolgsbezogene Vergütung von Compliance-Mitarbeitern nicht verboten. Es ist daher lediglich darauf zu achten, dass die Vergütung nicht zu stark von der Ergebnisentwicklung des Unternehmens bzw. einzelner Geschäftsbereiche abhängt und insbesondere nicht von der Tätigkeit derjenigen Mitarbeiter, die sie überwachen.267 d.) Weitere mögliche Konkretisierungen Außerdem gehört zur Unabhängigkeit des Compliance-Beauftragten und seiner Mitarbeiter, dass sie mit den erforderlichen personellen und sachlichen Mitteln ausgestattet werden, um ihre Aufgaben effektiv wahrnehmen zu können.268 Darüber hinaus enthalten die MaComp der BaFin in diesem Zusammenhang die Empfehlung, dass der Compliance-Beauftragte zur Wahrung seiner Unabhängigkeit für einen Zeitraum von 24 Monaten benannt und zusätzlich eine 12–monatige Kündigungsfrist vereinbart werden sollte.269 Eine solche Absicherung der unvoreingenommenen Aufgabenerfüllung durch eine arbeitsrechtliche Sonderstellung mittels eines besonderen Kündigungsschutzes wird allerdings verbreitet abgelehnt. 270 Da eine entsprechende ausdrückliche Regelung fehlt, müsste diese aus § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG und/oder § 12 Abs. 4 Satz 3 WpDVerOV abgeleitet werden. Da dort nicht zwischen dem Compliance-Beauftragten und anderen Compliance-Mitarbeitern unterschieden wird, müsste sich der besondere Kündigungsschutz auf alle Mitarbeiter der Compliance-Funktion erstrecken.271 Dass aber alle Mitarbeiter der Compliance-Funktion eine besondere arbeitsrechtliche Stellung erhalten sollten, lässt sich weder dem Gesetz noch den Begründungen des Gesetz- und Verordnungsgebers entnehmen.272 266 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 83; Lösler, WM 2010, 1917, 1920; differenzierend auch Röh, BB 2008, 398, 403; Spindler, WM 2008, 905, 910; anders ausgerichtet Schlicht, BKR 2006, 469, 470 (dürfen nicht zu Entscheidungen verleiten, die gesetzlichen Vorgaben zuwiderlaufen). 267 BaFin, MaComp, BT 1.1.1 Tz. 8; Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rdnr. 64; Lösler, WM 2010, 1917, 1920; Röh, BB 2008, 398, 403; Spindler, WM 2008, 905, 910; strenger noch Lösler, NZG 2005, 104, 107 (vom geschäftlichen Erfolg unabhängige Vergütung). 268 § 12 Abs. 4 Satz 3 WpDVerOV. Siehe dazu auch Basel Committee on Banking Supervision, Compliance and the compliance function of banks, April 2005, Abs. 20; Gebauer/ Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rdnr. 64; Lösler, WM 2008, 1098, 1103; ders., NZG 2005, 104, 107. 269 BaFin, MaComp, BT 1.1.1 Tz. 6. 270 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 83; Lösler, WM 2008, 1098, 1103; Röh, BB 2008, 398, 403; Spindler, WM 2008, 905, 910. 271 Lösler, WM 2010,1917, 1920; ders., WM 2008, 1098, 1103. 272 Lösler, WM 2010,1917, 1920; ders., WM 2008, 1098, 1103; Spindler, WM 2008, 905, 910 mit Hinweis u. a. auf § 4f BDSG (Datenschutzbeauftragter); siehe auch Röh, BB 2008, 398, 403.
IX. Aufsichtsrat
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IX. Aufsichtsrat 1.) Rechtliche Verankerung des Unabhängigkeitserfordernisses Mit Blick auf den Aufsichtsrat findet sich eine ausdrückliche gesetzliche Regelung der Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern lediglich in § 100 Abs. 5 AktG für den unabhängigen Finanzexperten im Aufsichtsrat.273 Darüber hinaus enthält Ziff. 5.4.2 des Deutschen Corporate Governance Kodex Empfehlungen zur Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern. Bedeutung für das Verständnis dieser verschiedenen Unabhängigkeitserfordernisse hat vor allem die Empfehlung der Kommission zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren bzw. Aufsichtsratsmitgliedern von 2005274.
2.) Einordnung des Unabhängigkeitserfordernisses für Aufsichtsräte a.) Das besondere Spannungsverhältnis zwischen Unabhängigkeit und Sachkunde im Fall des Aufsichtsrats Die Unabhängigkeitserfordernisse für den Aufsichtsrat lassen sich im Vergleich zu den vorangehenden Fällen schwerer einordnen und konkretisieren. Die Stellung von Aufsichtsräten als Organmitglieder und damit als Teil einer Gesellschaft ist funktional eine andere als etwa die eines unternehmensexternen Wirtschaftsprüfers oder Insolvenzverwalters. Um die Aufgaben eines Aufsichtsratsmitglieds sachgerecht erfüllen zu können, ist regelmäßig ein guter Einblick in das Unternehmen von Vorteil und häufig sogar erforderlich. Hier kommt es zu einem Spannungsverhältnis zwischen Unabhängigkeit und (unternehmensspezifischer) Sachkunde.275 Zudem sind für Gesellschaften häufig gerade solche Aufsichtsratsmitglieder interessant, die möglichst viele Kontakte zu Dritten und innerhalb des Unternehmens haben, die der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft nützlich sein können. Unabhängigkeit ist im Fall von Aufsichtsräten also nicht immer unbedingt erstrebenswert.
273 Monographisch dazu z. B. Nowak, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglied; Bahreini, Der unabhängige Finanzexperte i.S.v. § 100 Abs. 5 AktG. Zur Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern auch Beyer, Unabhängigkeit, passim. 274 Empfehlung der Kommission v. 15.2.2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats, ABlEU Nr. L 52 v. 25.2.2005, S. 51. 275 Siehe etwa Fairfax, in: Hill/McDonnell, Research Handbook, S. 133, 180 ff., 182; Florstedt, ZIP 2013, 337, 343, Lieder, NZG 2005, 569, 574.
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b.) Einfluss des angloamerikanischen Rechts: Der „independent director“ Zurückzuführen ist diese Entwicklung hin zu Unabhängigkeitserfordernissen für Aufsichtsratsmitglieder auf angloamerikanische Einflüsse.276 Die Gesellschaftsstruktur in den USA aber auch in England zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass es keine strukturelle Trennung in ein Geschäftsführungsund ein Überwachungsorgan gibt, wie dies in Deutschland mit dem Vorstand und dem Aufsichtsrat der Fall ist. Vielmehr sind dort beide Funktionen im board (Verwaltungsrat) vereinigt. Um auch bei einer solchen monistischen Organisationsstruktur eine in gewissem Umfang unabhängige Überwachung sicherzustellen, wurden in zunehmendem Maße „independent directors“ gefordert. Denn unabhängige directors seien besser in der Lage die Veröffentlichungen (financial disclosure) und die internen Kontrollen eines Unternehmens zu überwachen als nicht unabhängige directors.277 Entsprechend wird in der nunmehr ganz überwiegend unabhängigen Besetzung des board ein Schwenk vom beratenden zum überwachenden board gesehen.278 Diese Entwicklung wird zurückgeführt auf die vielen neuen kapitalmarktrechtlichen Gesetze in jüngerer Zeit, das Anliegen, der Korruption entgegenzuwirken, und auf die Möglichkeit, sich durch unabhängige directors vor einer Haftung abzuschirmen, sowie auf die take over-Rechtsprechung in Delaware, die Anreize für die unabhängige Besetzung von boards setzt.279 Weitere wichtige Gründe sind der geringe Einfluss der shareholder auf die Leitung der Gesellschaft in den USA und auf das Gesellschaftsrecht der US-Bundesstaaten sowie die stetig wachsende Bedeutung institutioneller Investoren.280 Ein Unabhängigkeitserfordernis auf bundesrechtlicher Ebene statuiert etwa § 10(a) Investment Company Act von 1940 für Investmentgesellschaften; danach müssen 40% der directors unabhängig sein.281 Einen weitergehenden Anwendungsbereich haben die im Zuge der Umsetzung des Sarbanes Oxley Act in den Securities Exchange Act 1934 (SEA) aufgenommenen Unabhängig276 Ausführlich zur Bedeutung von “independent directors” und den historischen, rechtstatsächlichen und internationalen Bezügen M. Roth, ZHR 175 (2011), 605, 609 ff.; ausführlich zum Konzept des „independent director“ Clarke, Setting the Record Straight: Three Concepts of the Independent Director, GWU Legal Studies Research Paper No. 199, March 17, 2006, S. 9 ff., abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=892037 (Stand: 28.07.2014); außerdem Ringe, EBOR 14 (2013), 401. Zur Fokussierung „guter Corporate Governance“ auf unabhängige Direktoren. Zur internationalen Debatte siehe außerdem z. B. Gilson/Kraakman, 43 Stan. L. Rev. 863 (1991); Gordon, 59 Stan. L. Rev. 1465, 1468 (2007). Überblick bei Enriques/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman et al., Anatomy S. 64. Für Deutschland etwa G.H. Roth/Wörle, ZGR 2004, 565. 277 SEC Release 33–8220, 68 FR 18788, 18790. 278 M. Roth, ZHR 175 (2011), 605, 624; Gordon, 59 Stan. L. Rev. 1465, 1514 ff. (2007). 279 M. Roth, ZHR 175 (2011), 605, 610 m.w.N. 280 M. Roth, ZHR 175 (2011), 605, 624. 281 Dazu M. Roth, ZHR 175 (2011), 605, 612; Schmolke, WM 2007, 1909, 1911.
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keitsregelungen. Nach § 10A(m)(1) iVm (3)(A) SEA 282 dürfen nur Gesellschaften börsennotiert werden, die ein audit committee haben, das ausschließlich mit unabhängigen directors besetzt ist. Unabhängig soll nur sein, wer keine über die Direktorenbezüge hinausgehenden Vergütungen, etwa für Beratungen,283 vom Unternehmen erhält und auch nicht in irgendeiner Weise mit der Gesellschaft oder einem Tochterunternehmen verbunden („affiliated“) ist.284 Darüber hinaus enthalten die von der Securities and Exchange Commission gebilligten listing rules der US-amerikanischen Börsen detaillierte Regelungen zur Unabhängigkeit. Diese verlangen mittlerweile sogar, dass die Mehrheit des gesamten board aus unabhängigen directors bestehen muss (z. B. Nasdaq Rule IM 5605–1).285 Um als unabhängig zu gelten, schreiben die listing rules insbesondere vor,286 dass ein director287 – während der letzten drei Jahre nicht Arbeitnehmer der Gesellschaft gewesen sein darf, – während der letzten drei Jahre keine direkte Vergütung in Höhe von mehr als US-$ 120.000 über einen Zeitraum von 12 Monaten erhalten haben darf – wobei Vergütungen für die Tätigkeit als director oder Rentenansprüche nicht berücksichtigt werden, – kein Partner oder Angestellter des Abschlussprüfers der Gesellschaft gewesen sein darf, – während der letzten drei Jahre kein „executive officer“ einer anderen Gesellschaft gewesen sein darf, bei dem einer der „executive officers“ der Gesellschaft im Vergütungsausschuss sitzt, und – er nicht Angestellter288 bzw. Partner, Executive Officer oder Mehrheitsaktionär289 einer Gesellschaft sein darf, die in den letzten drei Geschäftsjahren Zahlungen in Höhe von mehr als US-$ 1 Mio. oder mehr als 2% 290 bzw. US-$ 200.000 oder 5% 291 ihrer Bruttoeinnahmen von der Gesellschaft erhalten oder an diese gezahlt hat. 15 U.S.C.78j-1(m)(1) iVm (3)(A). 15 U.S.C.78j-1 (m)(3)(B)(i) Securities and Exchange Act. Siehe dazu auch die Ausführungen in SEC Release 33–8220, 68 FR 18788, 18791 ff. vom 16.4.2003. 284 15 U.S.C.78j-1(m)(3)(B)(ii) Securities and Exchange Act. Siehe dazu auch die Ausführungen in SEC Release 33–8220, 68 FR 18788, 18793 ff. vom 16.4.2003. Zur Ausnahmeregelung für Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat oder Prüfungsausschuss ausländischer Gesellschaften in 17 C.F.R. 240.10A-3 (b)(1)(iv)(C) siehe etwa Windbichler, FS Schwark, 2009, S. 805, 815. 285 Dazu z. B. Siehe dazu Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 581. 286 NYSE Listed Company Manual, Rule 303A.02 (b); NASDAQ Equity Rules, Rule 5606(a)(2). 287 Größtenteils müssen auch die Familienmitglieder der directors diese Anforderungen erfüllen. 288 NYSE Rule 303A.02 (b)(v). 289 NASDAQ Rule 5606(a)(2)(D). 290 NYSE Rule 303A.02 (b)(v). 291 NASDAQ Rule 5606(a)(2)(D), wobei hier noch Ausnahmen vorgesehen sind. 282 283
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Auch in England ist eine immer stärkere Hinwendung zu unabhängigen directors zu beobachten. Der Cadbury-Report292 von 1992 sah vor, dass das board einer Gesellschaft aus einer ausreichenden Anzahl nicht geschäftsführender directors bestehen sollte, wovon die Mehrheit unabhängig sein sollte.293 Im Combined Code von 2003 war dann vorgesehen, dass das board mindestens zur Hälfte aus unabhängigen directors bestehen sollte.294 Diese Regelung hielt dann auch Einzug in den nun aktuellen UK Corporate Governance Code, der aus dem Combined Code hervorgegangen ist.295 Eine ausschließliche bzw. überwiegende Besetzung mit unabhängigen directors ist in England für die verschiedenen Ausschüsse (audit, nomination, remuneration) vorgesehen.296 Für das deutsche Recht eignet sich das angloamerikanische Konzept des „independent director“ nur begrenzt. Denn das Kernproblem monistischer Boardsysteme, dass Geschäftsführung und Kontrolle im Verwaltungsrat zusammenfallen, wird im deutschen Aktienrecht, das einem dualistischen Ansatz folgt, durch § 105 Abs. 1 AktG gelöst, der die Inkompatibilität von Aufsichtsratsund Vorstandsmitgliedschaft anordnet.297 Darüber hinaus kommt es zu Schwierigkeiten bei einer unmittelbaren Übertragung ins deutsche Recht, weil etwa Arbeitnehmer nicht als „unabhängig“ im Sinne des US-amerikanischen Konzeptes eingeordnet werden können.298
3.) Schutzzweck der Unabhängigkeitserfordernisse Zweck der Unabhängigkeitserfordernisse für die Aufsichtsratsmitglieder ist es, diese in ihrer Funktion als Überwacher des Vorstands, vgl. § 111 Abs. 1 AktG, zu stärken und zu gewährleisten, dass diese Funktion nicht beeinträchtigt wird. Die Unabhängigkeit eines Mitglieds des Aufsichtsrats soll sicherstellen, dass dieses Mitglied sein Aufsichtsratsmandat im Interesse der Gesellschaft und frei Dieser war Grundlage für den ersten Code of Conduct in England. Siehe dazu M. Roth, ZHR 175 (2011), 605, 617. 293 Cadbury Report, 1992, Best Practices, 1.3 und 2.2. 294 Combined Code 2003, Code Provision A.3.2 (eine Ausnahme galt für kleinere Unternehmen, bei denen wenigstens zwei directors unabhängig sein sollten). 295 UK Corporate Governance Code, Version September 2012, Code Provision B.1.2. 296 UK Corporate Governance Code, Version September 2012, Code Provision B.2.1 (nomination committee – Mehrheit), C.3.1 (audit committee – alle, Ausnahme für kleine Gesellschaften), D.2.1 (remuneration committee – alle, Ausnahme für kleine Gesellschaften). 297 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 105 Rdnr. 6; K. Jaspers, AG 2009, 607, 608. Siehe auch Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 229 (mit Blick auf die Empfehlung der Europäischen Kommission vom 15.02.2005 zur Unabhängigkeit von Aufsichtsräten – dazu nachstehend). Zum Vergleich von monistischen und dualistischen Systemen. 298 Dies hat dazu geführt, dass die US-amerikanische SEC bei ihren unabhängigkeitsbezogenen Regelungen besondere Ausnahmen für deutsche Unternehmen eingeführt hat, um der deutschen Mitbestimmung Rechnung zu tragen. 292
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von konfligierenden eigenen oder Drittinteressen ausübt.299 So sieht denn etwa auch die obergerichtliche Rechtsprechung die Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder als „zentrales Gebot einer effizienten Überwachung“ an.300 Neben allgemeinen Befangenheitsgründen spielen im Fall des Aufsichtsrats daher vor allem solche Gründe eine Rolle, die darauf hindeuten, dass ein Aufsichtsratsmitglied die Überwachung der Rechnungslegung und des Risikomanagements nur unzureichend durchführen wird.301 Ein über das unmittelbare Interesse der Gesellschaft hinausgehender Zweck des Unabhängigkeitserfordernisses, d. h. eine Anknüpfung an das Vertrauen Dritter bzw. der Allgemeinheit ließe sich jedenfalls für das unabhängige Mitglied im Prüfungsausschuss vertreten. Dieser Ausschuss hat insbesondere die Aufgabe, den Rechnungslegungsprozess zu überwachen und sich mit der Abschlussprüfung zu befassen (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG). Gerade bei der Rechnungslegung gibt es für den Vorstand besondere Anreize zu buchhalterischer „Kreativität“, um Ergebnisse zu beschönigen. Abhängigkeiten von Prüfungsausschussmitgliedern insbesondere gegenüber dem Vorstand oder diesem nahestehenden Personen können der Aufdeckung solcher Missstände entgegenwirken und die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats einschränken. Entsprechend lässt sich hier das Bedürfnis nach einer unabhängigen Stimme in besonderem Maße rechtfertigen.
4.) Konkretisierung der Unabhängigkeitserfordernisse Das Verständnis von Unabhängigkeit hat sich im deutschen Recht an den Regelungen insbesondere des Aktienrechts und europarechtlichen Vorgaben zu orientieren. Im Fall der Unabhängigkeit im Sinne des DCGK kommen dessen Regelungen hinzu. Zudem kann man sich bei Auslegungsfragen an den Unabhängigkeitsregelungen für Abschlussprüfer orientieren. Abschlussprüfer haben wie Aufsichtsratsmitglieder eine Überwachungsfunktion und müssen über besondere Sachkompetenz verfügen, die mit derjenigen vergleichbar ist, die § 100 Abs. 5 AktG fordert.302 a.) Vorschriften des Aktiengesetzes Im AktG findet sich eine Regelung zur Unabhängigkeit von (bestimmten) Aufsichtsratsmitgliedern in § 100 Abs. 5 AktG (unabhängiger Finanzexperte). Diese Norm schreibt vor, dass bei Gesellschaften i.S.v. § 264d HGB, also solchen Diekmann/Bidmon, NZG 2009, 1087, 1090; Kremer/v. Werder, AG 2013, 340, 341. Siehe etwa OLG München, AG 2009, 294, 295. Zur Überwachungspflicht des Aufsichtsrats siehe nur Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rdnr. 3.194 ff. 301 K. Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 100 Rdnr. 49. 302 K. Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 100 Rdnr. 49. 299
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die kapitalmarktorientiert sind,303 „mindestens ein unabhängiges Mitglied des Aufsichtsrats über Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügen“ muss. Dementsprechend muss mindestens ein Mitglied des Aufsichtsrates einer kapitalorientierten Gesellschaft unabhängig sein, damit dieser ordnungsgemäß besetzt ist. Eine Definition der Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern enthält das Aktiengesetz jedoch nicht. Es gibt nur vereinzelte gesetzliche Regelungen, die eine Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern ganz allgemein sicherstellen sollen: 304 So regelt § 105 Abs. 1 AktG, dass Aufsichtsratsmitglieder „nicht zugleich Vorstandsmitglied, dauernde Stellvertreter von Vorstandsmitgliedern, Prokurist oder zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigter Handlungsbevollmächtigter der Gesellschaft sein“ können. Nach § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AktG kann nicht Aufsichtsratsmitglied sein, wer „gesetzlicher Vertreter eines von der Gesellschaft abhängigen Unternehmens ist“. Außerdem werden nach § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AktG Überkreuzverflechtungen verboten, indem angeordnet wird, dass nicht Mitglied des Aufsichtsrats sein darf, wer „gesetzlicher Vertreter einer anderen Kapitalgesellschaft ist, deren Aufsichtsrat ein Vorstandsmitglied der Gesellschaft angehört“. Dadurch soll vermieden werden, dass derjenige, der überwachen und kontrollieren soll, selbst bei einer anderen Gesellschaft der Überwachung und Kontrolle durch den Kontrollierten unterliegt.305 Schließlich verbietet § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AktG im Fall von börsennotierten Gesellschaften, dass Mitglied im Aufsichtsrat wird, wer „in den letzten zwei Jahren Vorstandsmitglied derselben börsennotierten Gesellschaft war, es sei denn, seine Wahl erfolgt auf Vorschlag von Aktionären, die mehr als 25 Prozent der Stimmrechte an der Gesellschaft halten“. In der Zusammenschau dieser Vorschriften lässt sich § 100 Abs. 5 AktG entnehmen, dass Unabhängigkeit im Sinne des AktG mehr sein muss als die bloße Nichtbeteiligung an der Geschäftsleitung i.S.v. § 105 Abs. 1 AktG.306 Denn in § 100 Abs. 5 AktG wird „Unabhängigkeit“ als zusätzliches Kriterium vorgeschrieben, sodass sie nicht lediglich als Inkompatibilitätsregelung i.S.v. § 105 Abs. 1 AktG verstanden werden kann.307 Dies lässt sich auch dem Regierungsentwurf zum BilMoG, mit dem § 100 Abs. 5 AktG eingeführt wurde, entneh303 Kapitalmarktorientiert ist eine Gesellschaft, die „einen organisierten Markt im Sinn des § 2 Abs. 5 des Wertpapierhandelsgesetzes durch von ihr ausgegebene Wertpapiere im Sinn des § 2 Abs. 1 Satz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes in Anspruch nimmt oder die Zulassung solcher Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt beantragt hat“, vgl. § 264d HGB. 304 Zu den folgenden Regelungen siehe auch § 13 I.2.). 305 Hüffer, AktG, § 100 Rdnr. 6; Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder/Kremer, DCGK, Rdnr. 1007; Diekmann/Bidmon, NZG 2009, 1087, 1088. 306 RegE BilMoG, BT-Drs. 16/10067, S. 101; Jaspers, AG 2009, 607, 609; Staake, ZIP 2010, 1013, 1015. 307 Jaspers, AG 2009, 607, 609.
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men.308 Denn ebenso können unmittelbare oder mittelbare geschäftliche, finanzielle oder persönliche Beziehungen zur Geschäftsführung zu einer Besorgnis der Befangenheit führen, die der Wahrnehmung der Aufsichtsfunktion entgegensteht.309 Weitergehend konkretisiert werden kann der Unabhängigkeitsbegriff mit Hilfe der Kommissionsempfehlung zu nicht geschäftsführenden Direktoren oder Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften von 2005310 , auf die in der Begründung des Regierungsentwurfs zum BilMoG ausdrücklich verwiesen wird.311 Diese ist daher bei der Auslegung von § 100 Abs. 5 AktG zu berücksichtigen.312 b.) Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) Neben dem Unabhängigkeitserfordernis nach § 100 Abs. 5 AktG, das nur für den unabhängigen Finanzexperten gilt, gibt es für börsennotierte Gesellschaften außerdem die Empfehlungen zur Unabhängigkeit des DCGK, die weiter ausgreifen. Ziff. 5.4.2 Satz 1 DCGK zufolge soll dem Aufsichtsrat eine nach seiner Einschätzung angemessene313 Anzahl unabhängiger Aufsichtsratsmitglieder angehören.314 Nach Satz 2 dieser Empfehlung ist „ein Aufsichtsratsmitglied […] nicht als unabhängig anzusehen, wenn es in einer persönlichen oder einer geschäftlichen Beziehung zu der Gesellschaft, deren Organen, einem kontrollierenden Aktionär oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen steht, die einen wesentlichen und nicht nur vorübergehenden Interessenkonflikt begründen kann“.315 Diese Definition lehnt sich an die Begriffsbestimmung der EU-Empfehlung an. Danach schließt nicht jeder Interessenkonflikt die Unabhängigkeit aus, sondern nur solche Interessenkonflikte, die „wesentlich“ sind, also eine gewisse Signifikanz aufweisen. Wird Unabhängigkeit aber als Abwesenheit von signifikanten (wesentlichen) Interessenkonflikten verstanden, so RegE BilMoG, BT-Drs. 16/10067, S. 101. RegE BilMoG, BT-Drs. 16/10067, S. 101. 310 Zu dieser sogleich unter § 5 IX.4.)c.). 311 Siehe RegE BilMoG, BT-Drs. 16/10067, S. 102. 312 Habersack, FS Goette, 2011, S. 121, 126. 313 Zuvor wurde eine „ausreichende“ Anzahl gefordert. Dazu Hüffer, ZIP 2006, 637, 640 f. 314 Hinsichtlich des Verfahrens, wie diese Einschätzung erfolgen soll, lässt sich dem Kodex nichts entnehmen. Zwar geht es hierbei um eine Meinungsbildung. Da es dafür aber kein spezifisches Verfahren gibt, sollte sie mittels eines Beschlusses erfolgen. Siehe Hüffer, ZIP 2006, 637, 639. Unter Hinweis auf die ratio des § 124 Abs. 3 Satz 4 AktG wird vertreten, dass nur Aktionärsvertreter in die Einschätzung einzubeziehen seien und auch nur sie an dieser Beschlussfassung teilnehmen können, weil nur sie für das Unabhängigkeitskriterium in Fragen kämen, siehe Vetter, BB 2005, 1689, 1690 f. 315 Da nach Ziff. 5.4.2 Satz 2 DCGK eine Beziehung zur Gesellschaft, deren Vorstand oder Dritten einen Interessenkonflikt begründen „kann“, muss in einem solchen Fall nicht notwendigerweise immer auch ein (wesentlicher) Interessenkonflikt vorliegen. Dies erlaubt auch im Fall des DCGK einen abstrakt-typisierenden Ansatz, bei dem typischerweise auftretende, gravierende Interessenkonflikte die Unabhängigkeit ausschließen. 308 309
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wird damit nur eine „Teilmenge aus der Gesamtmenge der Interessenkonflikte“ erfasst.316 Ob ein Interessenkonflikt „wesentlich“ ist, ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Beziehung, insbesondere ihrer Bedeutung für den Betroffenen und ihren Risiken, zu ermitteln.317 Außerdem muss es sich um einen dauerhaften Konflikt handeln, weil nur ein solcher zu einer längerfristigen Beeinträchtigung des Einzelnen und seiner Tätigkeit führt.318 Der Begriff der „persönlichen Beziehungen“ im Sinne von Ziff. 5.4.2 Satz 2 DCGK kann anhand von § 15a Abs. 3 Satz 1 WpHG oder – da es bei § 15a Abs. 3 Satz 1 WpHG nicht um eine wirtschaftliche Zurechnung geht, vorzugswürdiger – noch weitergehend anhand von § 15 Abgabenordnung konkretisiert werden.319 Erfasst werden somit Ehepartner, eingetragene Lebenspartner, unterhaltsberechtigte Kinder und andere Verwandte, die seit mindestens einem Jahr im gleichen Haushalt leben, im zweiten Fall darüber hinaus noch Geschwister, deren Kinder und sonstige Verwandte sowie Verschwägerte, Pflege eltern und -kinder. „Geschäftliche Beziehungen“ sind alle wirtschaftlichen Beziehungen, insbesondere Kunden-, Liefer- und Finanzbeziehungen.320 Solche Beziehungen sind jedoch nur relevant, wenn sie zu den in Ziff. 5.4.2 Satz 2 DCGK Genannten bestehen. Dagegen wird die Unabhängigkeit grundsätzlich nicht – wie zwischenzeitlich erwogen – durch Beziehungen zu sonstigen „Dritten“ beeinträchtigt, zu denen (sonstige) Kreditgeber, Lieferanten, Kunden sowie Wettbewerber gehören.321 Entstehen aufgrund von Beziehungen zu solchen Kreditgebern, Lieferanten oder Kunden Interessenkonflikte, soll dies nach Ziff. 5.5.2 DCGK lediglich dem Aufsichtsrat gegenüber offen gelegt werden.322 Vorsichtiger ist der Kodex hinsichtlich Konkurrenten. Nach Ziff. 5.4.2 Satz 4 DCGK sollen Aufsichtsratsmitglieder „keine Organfunktion oder Beratungsaufgaben bei wesentlichen Wettbewerbern des Unternehmens ausüben“.323 Des Weiteren kann aus Ziff. 5.4.2 Satz 3 DCGK, wonach dem Aufsichtsrat nicht 316 Bericht der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex an die Bundesregierung, Nov. 2010, S. 28. Daraus ergebe sich, dass munmehr eine abstrakt-latente Gefahr genüge, so Rubner/Fischer, NJW–Spezial 2012, 399. 317 Ringleb/Kremer/Lutter/v.Werder/Kremer, DCGK, Rdnr. 1020; Kremer/v. Werder, AG 2013, 340, 345. 318 Vgl. Ringleb/Kremer/Lutter/v.Werder/Kremer, DCGK, Rdnr. 1022; Kremer/v. Werder, AG 2013, 340, 345. 319 Ringleb/Kremer/Lutter/v.Werder/Kremer, DCGK, Rdnr. 1015; Kremer/v. Werder, AG 2013, 340, 343. 320 Kremer/v. Werder, AG 2013, 340, 344. 321 Demgegenüber schließt die Eigenschaft als oder eine Beziehung zum Mehrheitsaktionär die Unabhängigkeit aus. Dazu § 5 IX.5.)c.). Gegen eine Aufsichtsratsmitgliedschaft von wichtigen Zulieferern, Kunden oder Führungskräften von Konkurrenzunternehmen etwa Säcker, AG 2004, 180, 183. Siehe dazu auch die Ausführungen von Kremer/v. Werder, AG 2013, 340, 342. 322 Siehe dazu etwa Wilsing/von der Linden, DStR 2012, 1391, 1393. 323 Zu Wettbewerbssituationen und Unabhängigkeit Langenbucher, ZGR 2007, 571 ff., insb. 583 ff., mit Blick auf die Regelung im DCGK siehe S. 587 f.
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mehr als zwei ehemalige Mitglieder des Vorstands angehören sollen, geschlossen werden, dass eine vorherige Mitgliedschaft im Vorstand die Unabhängigkeit ausschließt.324 Anknüpfend an dieses Unabhängigkeitsverständnis empfiehlt der DCGK in Ziff. 5.3.2 Satz 3 DCGK, dass der Vorsitzende des Prüfungsausschusses unabhängig und kein ehemaliges Vorstandsmitglied der Gesellschaft sein soll, dessen Bestellung vor weniger als zwei Jahren geendet hat. c.) Kommissionsempfehlung Sowohl § 100 Abs. 5 AktG als auch das Unabhängigkeitsverständnis des DCGK sind von der Empfehlung der Kommission vom 15. Februar 2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren oder Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs- und Aufsichtsrats325 beeinflusst. So wird im Rahmen der Regierungsbegründung zum BilMoG mit Blick auf den Unabhängigkeitsbegriff des § 100 Abs. 5 AktG auf die Empfehlung der Kommission von 2005 verwiesen,326 sodass ihre diesbezüglichen Vorgaben auch deshalb für das deutsche Recht Bedeutung haben.327 Zudem ist eine Empfehlung der Europäischen Kommission zwar als solche nach Art. 288 Satz 5 AEUV nicht rechtsverbindlich. Aber dennoch haben die nationalen Gerichte nach der Rechtsprechung des EuGH die Empfehlungen der Kommission heranzuziehen, wenn es um die Auslegung des zur Durchführung von Gemeinschaftsrecht ergangenen nationalen Rechts geht oder verbindliche gemeinschaftsrechtliche Vorschriften zu ergänzen sind.328 Nach Ziff. 4 der Kommissionsempfehlung soll dem Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrat eine ausreichende Anzahl unabhängiger nicht geschäftsführender Mitglieder angehören, um zu gewährleisten, dass mit Interessenkonflikten von Mitgliedern der Unternehmensleitung ordnungsgemäß umgegangen wird. Die Noch weiter geht in diesem Zusammenhang Ziff. 5.4.4 Satz 1 DCGK in Anlehnung an § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AktG, wonach „Vorstandsmitglieder […] vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Ende ihrer Bestellung nicht Mitglied des Aufsichtsrats der Gesellschaft werden [dürfen], es sei denn ihre Wahl erfolgt auf Vorschlag von Aktionären, die mehr als 25% der Stimmrechte an der Gesellschaft halten“. 325 Empfehlung der Kommission vom 15. Februar 2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats vom 25.02.2005, ABlEU Nr. L 52 v. 25.2.2005, S. 51. Siehe dazu etwa Habersack, ZHR 168 (2004), 373; Spindler, ZIP 2005, 2033. 326 Siehe RegE BilMoG, BT-Drs. 16/10067, S. 102. 327 Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 223; Scholderer, NZG 2012, 168, 169. Für eine Auslegung des Unabhängigkeitsbegriffs im Einklang mit der Empfehlung der Kommission Kropff, FS Schmidt, 2009, S. 1023, 1027; zurückhaltend Gruber, NZG 2008, 12, 13; Habersack, AG 2008, 98, 105 f.; Scholderer, NZG 2012, 168, 171; krit. Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 228. 328 EuGH v. 13.12.1989 – Rs. C-322/88, Slg. 1989, I-4407, Rdnr. 18. 324
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se sollen die Interessen der Aktionäre und anderen betroffenen Stakeholder vertreten und in besonderer Weise schützen sowie Entscheidungen der Geschäftsführung entgegentreten, die mit diesen Interessen nicht vereinbar sind.329 Denn in Gesellschaften mit breiter Kapitalstreuung befinden sich die Aktionäre in einer eher schwächeren Position gegenüber der Geschäftsleitung; in Gesellschaften mit Mehrheitsaktionären geht es hingegen um den Schutz der Kleinaktionäre.330 Den Begriff der Unabhängigkeit definiert die Kommissionsempfehlung zunächst einmal als „Abwesenheit jeglicher signifikanter Interessenkonflikte“.331 Konkretisiert wird dies in Ziff. 13.1 der Kommissionsempfehlung, wonach ein „Mitglied der Unternehmensleitung […] als unabhängig [gilt], wenn es in keiner geschäftlichen, familiären oder sonstigen Beziehung zu der Gesellschaft, ihrem Mehrheitsaktionär oder deren Geschäftsführung steht, die einen Interessenkonflikt begründet, der sein Urteilsvermögen beeinflussen könnte“.332 Die Regelung von Einzelheiten bleibt nach Ziff. 13.2 Satz 1 der Kommissionsempfehlung den Mitgliedstaaten überlassen, wobei diese sich an den in Anhang II der Empfehlung niedergelegten Kriterien für die Beurteilung der Unabhängigkeit orientieren sollen. Im Einzelnen listet Anhang II Nr. 1 Satz 4 der Kommissionsempfehlung die folgenden Fälle auf: „a) Die betreffende Person darf kein geschäftsführendes Verwaltungsrats- bzw. Vorstandsmitglied der Gesellschaft oder einer verbundenen Gesellschaft sein, und sie darf in den vergangenen fünf Jahren kein solches Amt ausgeübt haben. b) Der nicht geschäftsführende Direktor bzw. das Aufsichtsratsmitglied darf in der Gesellschaft oder einer verbundenen Gesellschaft nicht als Arbeitnehmer beschäftigt sein und auch in den vergangenen drei Jahren nicht als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen sein, es sei denn, er gehört nicht zu den Führungskräften der Gesellschaft und ist im Rahmen eines gesetzlich anerkannten Systems der Arbeitnehmervertretung, das einen angemessenen Schutz vor missbräuchlicher Entlassung und sonstiger ungerechter Behandlung bietet, in den Verwaltungs-/Aufsichtsrat gewählt worden. c) Die betreffende Person darf von der Gesellschaft oder einer verbundenen Gesellschaft keine zusätzliche Vergütung in bedeutendem Umfang erhalten oder erhalten haben mit Ausnahme einer Vergütung für die Tätigkeit als nicht geschäftsführender Direktor bzw. als Aufsichtsratsmitglied. Als zusätzliche Vergütung gelten insbesondere Aktienoptionen und sonstige erfolgsbezogene Vergütungen. Im Rahmen eines Pensions329 Erwägungsgrund 7 der Empfehlung der EU-Kommission v. 15.02.2005. Vgl. auch Scholderer, NZG 2012, 168, 169. 330 Erwägungsgrund 7 der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 15.02.2005; siehe auch Langenbucher, ZGR 2007, 571, 589; Scholderer, NZG 2012, 168, 169. Dem letzteren Fall liegt der Gedanke zugrunde, dass der Mehrheitsaktionär bzw. mit ihm eng verbundene Personen nicht die notwendige innere Unabhängigkeit haben, um die Geschäftsleitung völlig neutral zu überwachen. Siehe Langenbucher, ZGR 2007, 571, 590. 331 Erwägungsgrund 7 Satz 6 der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 15.02.2005. 332 Vgl. dazu auch Erwägungsgrund 18 der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 15.02.2005.
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plans gezahlte Festbeträge (einschließlich nachträgliche Vergütungen) für frühere Dienstleistungen für die Gesellschaft, sind hiervon ausgenommen (sofern diese Vergütung nicht in irgendeiner Weise an die weitere Erbringung von Leistungen für die Gesellschaft gebunden ist). d) Die betreffende Person darf keinesfalls ein Anteilseigner mit einer Kontrollbeteiligung sein oder einen solchen vertreten (die Kontrolle bestimmt sich nach Maßgabe von Artikel 1 Absatz 1 der Siebenten Richtlinie 83/349/EWG des Rates). e) Die betreffende Person darf zu der Gesellschaft oder einer verbundenen Gesellschaft kein Geschäftsverhältnis in bedeutendem Umfang unterhalten oder im letzten Jahr unterhalten haben, und zwar weder direkt noch als Partner, Anteilseigner, Direktor oder als leitender Angestellter eines Unternehmens oder einer Organisation, das/die ein solches Geschäftsverhältnis zu der Gesellschaft unterhält. Dies schließt die Stellung als bedeutender Anbieter von Waren und Dienstleistungen (einschließlich finanzieller, rechtlicher oder beratender Art) ein sowie die als bedeutender Abnehmer oder als Organisation, die von der Gesellschaft oder ihrer Gruppe Leistungen in bedeutendem Umfang erhält. f) Die betreffende Person darf kein Partner oder Angestellter des derzeitigen oder früheren externen Abschlussprüfers der Gesellschaft oder einer verbundenen Gesellschaft sein und darf diese Position auch in den letzten drei Jahren nicht innegehabt haben. g) Die betreffende Person darf kein geschäftsführender Direktor bzw. Vorstandsmitglied in einer anderen Gesellschaft sein, in der ein geschäftsführender Direktor bzw. Vorstandsmitglied der Gesellschaft ein nicht geschäftsführender Direktor bzw. Aufsichtsratsmitglied ist; sie darf keine anderen bedeutsamen Verbindungen zu geschäftsführenden Direktoren der Gesellschaft durch die Beteiligung in anderen Gesellschaften oder Organisationen unterhalten. h) Die betreffende Person darf nicht länger als drei Amtszeiten als nicht geschäftsführender Direktor bzw. Aufsichtsratsmitglied tätig gewesen sein (bzw. nicht länger als 12 Jahre, wenn das einzelstaatliche Recht Amtszeiten von sehr kurzer Dauer vorsieht). i) Die betreffende Person darf kein enger Familienangehöriger eines geschäftsführenden Direktors bzw. Vorstandsmitglieds oder von Personen sein, die sich in einer der unter Buchstaben a) bis h) beschriebenen Positionen befinden.“333
Diese Empfehlungen gehen in einigen Fällen über die Regelungen in Deutschland hinaus. Beispielsweise fordert § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AktG eine sog. cooling off-Periode für ehemalige Vorstandsmitglieder von nur zwei Jahren, Nr. 1 lit. a des Anhangs II der Kommissionsempfehlung sieht hingegen 5 Jahre vor.334 Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Kommissionsempfehlung vor allem mit Blick auf den in anderen europäischen Ländern335 verbreiteten monistischen und nicht paritätisch mitbestimmten Verwaltungsrat zugeschnitten ist.336 Denn die Unterteilung in geschäftsführende und überwachende Mitglie333 Anhang II Nr. 1 Satz 4 der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 15.02.2005. 334 Zu weiteren Punkten siehe unten. 335 Siehe dazu die Übersicht bei Heidrick & Struggles, European Corporate Governance Report 2011: Challenging Board Performance, S. 11. 336 Wind/Klie, NZG 2010, 1413, 1415. Zum monistischen System siehe z. B. Merkt/Göt-
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der und Funktionen ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn die Verwaltung der Gesellschaft in der Hand nur eines Verwaltungsrats liegt.337 Andernfalls würde das Management ohne wirksame Überwachung agieren können und der Principal-Agent-Konflikt verschärft werden.338 Daher ein Mehrheitsaktionär Unabhängigkeit im Fall der nicht geschäftsführenden Mitglieder des Verwaltungsrats vor allem, dass sie – außer aufgrund ihrer Verwaltungsratsmitgliedschaft – keine Beziehungen zu Mitgliedern des Managements haben sollen.339 Befindet sich die Gesellschaft in der Hand eines Mehrheitsaktionärs, sollen unabhängige Direktoren dessen beherrschendem Einfluss entgegenwirken und den Konflikt mit den Minderheitsaktionären lösen.340 Denn ein Mehrheitsak tionär wird danach streben, den Verwaltungsrat vollständig mit von ihm gewählten Personen zu besetzen.341 Unabhängigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang auch Unabhängigkeit von einem kontrollierenden Aktionär. Aufgrund dieser primären Orientierung der Kommissionsempfehlung am monistischen System ist es im deutschen Aktienrecht, das sich für das dualistische System entschieden hat, gerechtfertigt, von der Kommissionsempfehlung dann abzuweichen, wenn ein vergleichbarer Unabhängigkeitsstandard bereits auf andere Weise gewährleistet ist.342
5.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit Da das Unabhängigkeitserfordernis nicht im deutschen Aktienrecht gewachsen, sondern ihm von außen (durch EU-Recht) aufgedrückt worden ist, gibt es zahlreiche Reibungspunkte mit den übrigen gesellschaftsrechtlichen Regelungen. Fraglich ist vor allem, wer als unabhängig angesehen werden kann. Näher untersucht werden sollen im Folgenden (ehemalige) Vorstandsmitglieder, Arbeitnehmer, Mehrheitsaktionäre und deren Vertreter sowie Familienmitglieder.343
hel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 566 ff.; Hopt/Leyens, ECFR 2004, 135, 149 ff. 337 Langenbucher, ZGR 2007, 571, 590. 338 Abgesehen von der Bestellung oder Abberufung aus wichtigem Grund. Langenbucher, ZGR 2007, 571, 590 f. 339 Vgl. Erwägungsgrund 8 der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 15.02.2005; Langenbucher, ZGR 2007, 571, 591; siehe auch Lutter, EuZW 2009, 799, 804. 340 Langenbucher, ZGR 2007, 571, 591. 341 Langenbucher, ZGR 2007, 571, 591. 342 Lieder, NZG 2005, 569, 570. Vgl. auch Gruber, NZG 2008, 12, 13; Lanfermann/ Röhricht, BB 2009, 887, 888. 343 Die hier untersuchten Fälle sind nicht erschöpfend. So gibt es etwa auch bei Anwälten im Aufsichtsrat besondere Konstellationen für Interessenkonflikte und fehlende Unabhängigkeit. Dazu v. Falkenhausen, ZIP 2013, 862.
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a.) (Ehemalige) Vorstandsmitglieder Aufgrund des Schutzzwecks des Unabhängigkeitserfordernisses nimmt dieses zuvörderst die Beziehung zwischen Aufsichtsrat und Vorstand in den Blick. Für gegenwärtige Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat sieht § 105 AktG eine ausdrückliche Inkompatibilität vor. Für frühere Vorstandsmitglieder von börsennotierten Gesellschaften bestimmt § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AktG, dass diese innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende ihrer Stellung als Vorstandsmitglied nicht Mitglied im Aufsichtsrat derselben Gesellschaft werden dürfen, sofern sie nicht auf Vorschlag von Aktionären, die mehr als 25 Prozent der Stimmrechte an der Gesellschaft halten, gewählt werden. Diese Regelungen werden in § 13 I.2.) ausführlicher untersucht. b.) Arbeitnehmer im Aufsichtsrat Hinsichtlich der Frage, ob Arbeitnehmer als unabhängig einzustufen sind oder nicht, stehen sich zwei diametrale Ansichten gegenüber. Die einen vertreten, dass die bei einem Unternehmen angestellten Arbeitnehmer nach allgemeinen Kriterien nicht als unabhängig eingestuft werden könnten, weil sie einen Arbeitsvertrag mit der Gesellschaft hätten und der von der Gesellschaft gezahlte Lohn eine wesentliche zusätzliche Vergütung darstelle.344 Auch der UK Corporate Governance Code345 und der niederländische Corporate Governance Code346 stufen dementsprechend Arbeitnehmer der Gesellschaft nicht als unabhängig ein. Die anderen sind demgegenüber der Ansicht, dass die Arbeitnehmer zumindest deutscher Gesellschaften sehr wohl als „unabhängig“ im Sinne von § 100 Abs. 5 AktG bzw. Ziff. 5.4.2 Satz 1 DCGK angesehen werden könnten.347 Dafür wird vor allem auf die Kommissionsempfehlung abgestellt. Diese bestimmt zwar in Nr. 1 lit. b des Anhangs II zunächst, dass Arbeitnehmer der Gesellschaft grundsätzlich nicht als unabhängig anzusehen sind, sieht dann aber eine Ausnahme für den Fall vor, dass der Betroffene keine Führungskraft der Gesellschaft ist und im Rahmen eines gesetzlich anerkannten Systems der Arbeitnehmervertretung gewählt wurde, das einen angemessenen Schutz vor missbräuchlicher Entlassung und sonstiger ungerechter Behandlung bietet. Die GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 90; MünchKommAktG/Habersack, § 100 Rdnr. 55; Scholderer, NZG 2012, 168, 173; vorsichtiger M. Roth, ZHR 175 (2011) 605, 630 f.; grds. zunächst auch Lieder, NZG 2005, 569, 571, der jedoch mit Blick auf die Mitbestimmung in diesem Fall einen „unerträglichen Normenwiderspruch“ sieht und daher Arbeitnehmer dennoch als unabhängig einstuft. Siehe in diesem Zusammenhang auch Habersack, ZHR 168 (2004) , 373, 376 f. 345 UK Corporate Governance Code, B.1.1. 346 Dutch Corporate Governance Code, III.2.2. lit. a). 347 Hinsichtlich § 100 Abs. 5 AktG K. Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 100 Rdnr. 51; Lieder, NZG 2005, 569, 571; hinsichtlich des DCGK Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361, 1364; vorsichig Ringleb/Kremer/Lutter/v.Werder/Kremer, DCGK, Rdnr. 1017 (hinsichtlich des DCGK und der Empfehlung der EU-Kommission). 344
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se Ausnahme sollte die deutsche Unternehmensmitbestimmung abdecken.348 Die bestehenden Benachteiligungsverbote (vgl. § 26 MitbestG, § 9 DrittelbG) und der sich daraus ergebende relative Kündigungsschutz349 werden als ausreichend angesehen, um eine Unabhängigkeit der Arbeitnehmervertreter bejahen zu können.350 Der Gefahr einer Ausübung von Druck durch den Vorstand auf die Arbeitnehmervertreter werde durch die arbeitsrechtlichen Benachteiligungsverbote hinreichend vorgebeugt.351 Versteht man Unabhängigkeit in diesem Zusammenhang vor dem Hintergrund der funktionalen Trennung von Geschäftsführung und Überwachung als Abwesenheit von „Verflechtung“, so wäre eine solche im Fall von Arbeitnehmervertretern zu bejahen.352 Bei der Beantwortung der Frage nach der Unabhängigkeit von Arbeitnehmern ist zunächst zu bedenken, dass § 100 Abs. 5 AktG nicht vorschreibt, dass alle Aufsichtsratsmitglieder unabhängig sein müssen. Das deutsche Gesetz trifft also keine ausdrückliche Entscheidung darüber, ob Arbeitnehmer unabhängig sind oder nicht. Kein geeignetes Argument ist es, auf die besonderen Interessenkonflikte von Arbeitnehmervertretern zu verweisen, die im Rahmen ihrer Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied entstehen können, etwa wenn über einen Abbau von Arbeitsplätzen entschieden werden muss. Solche Konflikte gehen immanent mit der gesetzlich ausgestalteten Mitbestimmung einher.353 Da der Gesetzgeber mit der Einführung der Mitbestimmung diese Konflikte rechtlich in Kauf genommen, wenn nicht sogar geradezu intendiert hat,354 sieht er in ihnen demnach keine Gefahr für das Unternehmen. Dann aber kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Rechtsverkehr diese immanenten Konflikte als eine Gefahr wahrnimmt, sodass sie auch nicht als Kriterium für feh Hüffer, ZIP 2006, 637, 639 (davon ausgenommen sind allerdings die Führungskräfte einer Gesellschaft); ebenso Lieder, NZG 2005, 569, 571. Siehe auch die auf Sect. 301 des Sarbanes-Oxley Act (Pub. L. 107–204, 116 Stat. 745) beruhende SEC Verordnung, General Rules and Regulations promulgated under the Securities and Exchange Act of 1934, Rule 10A-3 – Listing Standards Relating to Audit Committees, 68 Fed Reg. 18788, sec. (b) (1) (iv) (C). 349 KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl. 1996, Anh. § 117 B § 26 MitbestG Rdnr. 8. 350 Lieder, NZG 2005, 569, 571; Spindler, ZIP 2005, 2033, 2040; a.A. GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 92. 351 K. Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 100 Rdnr. 51. Siehe auch Windbichler, FS Schwark, 2009, S. 805, 816 f. 352 Siehe Windbichler, FS Schwark, 2009, S. 805, 817. Siehe auch das ähnliche Argument von Habersack, ZHR 168 (2004) 373, 376, die Arbeitnehmer bildeten namentlich in Vergütungsfragen typischerweise ein Gegengewicht zu den Vorstellungen der Vorstandsmitglieder. Ganz anders argumentieren Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361, 1364, nach denen es nicht um die Unabhängigkeit vom Vorstand, sondern um einen möglichen Konflikt mit dem Unternehmensinteresse gehe. 353 K. Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 100 Rdnr. 51; ähnlich Habersack, ZHR 168 (2004) 373, 376 („natürliches“ Interesse der Arbeitnehmer an der Sicherung der Arbeitsplätze und der Optimierung der Arbeitsbedingungen). 354 Dies offenbart sich insbesondere bei Tarifauseinandersetzungen und Arbeitskämpfen, dazu Möllers, NZG 2003, 697; Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 224. 348
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lende (äußere) Unabhängigkeit herangezogen werden können. Zudem ist zu bedenken, dass auch den Arbeitnehmern an einem erfolgreichen – und damit ihren Arbeitsplatz sichernden – Unternehmen gelegen ist; ein (konkreter) Interessenkonflikt tritt erst dann auf, wenn etwa Betriebsstätten geschlossen werden oder Personal abgebaut wird.355 Letztlich kann die Frage, ob Arbeitnehmer als unabhängig einzustufen sind oder nicht, nur unter Berücksichtigung des unmittelbaren Zwecks des aktienrechtlichen Unabhängigkeitsgebots beantwortet werden. Sieht man diesen darin, dass ein Gegengewicht zum Vorstand geschaffen werden soll, das sich bereits mit einem relativen Kündigungsschutz gewährleisten lässt, so wird man die Frage nach der Unabhängigkeit der Arbeitnehmer bejahen können. Sieht man hingegen einen relativen Kündigungsschutz nicht als ausreichend an, wird man die Frage verneinen. Verneinen wird man die Frage zudem, wenn man – was aufgrund der zusätzlichen gesetzlichen Verankerung neben der Mitbestimmung naheliegt – in dem unabhängigen Aufsichtsratsmitglied eine institutionalisierte Absicherung der ansonsten normalerweise nicht im Aufsichtsrat vertretenen Interessen sieht. Dies können etwa Minderheitsaktionäre sein, oder weitergehend allgemeine Interessen an einer sachgerechten und unvoreingenommenen Überwachung des Vorstands. Gewerkschaftsmitglieder können jedenfalls dann als unabhängig angesehen werden, wenn sie weder beim Unternehmen angestellt sind 356 noch ihre Gewerkschaft für das Unternehmen tarifzuständig ist.357 Demgegenüber können Gewerkschaftsvertreter, deren Organisation mit dem Unternehmen bzw. dessen Arbeitgeberorganisation über die Arbeitsverträge verhandelt, nicht als unabhängig eingestuft werden.358 Verbandsrechtlich macht es keinen Unterschied, aufgrund welcher Außenbeziehung jemand typischerweise Interessen wahrnimmt, die mit denen der Gesellschaft kollidieren können, sodass sie nicht anders behandelt werden können als Angehörige von Unternehmen, die in Geschäftsbeziehung mit der Gesellschaft stehen.359 Ein besonderes systematisches Argument wird im Hinblick auf das Unabhängigkeitserfordernis des DCGK in Ziff. 5.4.2 Satz 1 vorgebracht: Danach ergibt sich aus einer systematischen Sicht auf die umstehenden Regelungen, Scholderer, NZG 2012, 168, 173. In diesem Fall gilt für sie dasselbe wie für die anderen beim Unternehmen angestellten Arbeitnehmervertreter. Scholderer, NZG 2012, 168, 173. Vgl. dazu auch MünchKomm AktG/Gach, § 7 MitbestG Rdnr. 35 (die Gewerkschaft muss im Unternehmen vertreten sein – also nicht das jeweilige Gewerkschaftsmitglied). 357 Scholderer, NZG 2012, 168, 173; Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361, 1364; siehe auch GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 90; vorsichtiger M. Roth, ZHR 175 (2011) 605, 630 f. Hinsichtlich der Frage, ob die Gewerkschaft tarifzuständig sein muss (verneinend) MünchKommAktG/Gach, § 7 MitbestG Rdnr. 32. 358 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 91. 359 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 91. 355
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dass Arbeitnehmervertreter bei der „angemessenen Anzahl unabhängiger Mitglieder“ des Aufsichtsrats nicht berücksichtigt werden können, sondern allein auf die Aktionärsvertreter abzustellen ist.360 Denn die unmittelbar folgenden Ziffern 5.4.3 und 5.4.4 des DCGK können sich nur auf Aktionärsvertreter beziehen.361 c.) Vertreter des Mehrheitsaktionärs im Aufsichtsrat Große Aufmerksamkeit hat die Einstufung des Vertreters des Mehrheitsaktionärs im Hinblick auf das Unabhängigkeitserfordernis erfahren.362 Ausgangspunkt hierfür ist Anhang II Nr. 1 lit. d der Kommissionsempfehlung, wonach ein Mehrheitsaktionär („Anteilseigner mit einer Kontrollbeteiligung“ bzw. „kontrollierender Aktionär“363 ) bzw. dessen Vertreter nicht als unabhängig eingestuft werden kann.364 Diese Kommissionsempfehlung ist in Deutschland scharf kritisiert worden, wobei insbesondere das Konzernrecht als Argument herangezogen wird.365 Zum einen sei im Konzernrecht der Minderheitenschutz bereits verankert.366 Zum anderen führe die Übernahme und Anwendung von Anhang II Nr. 1 lit. d der Kommissionsempfehlung zu einem Konflikt mit der Hüffer, ZIP 2006, 637, 639; a.A. Lieder, NZG 2005, 569, 571. Hüffer, ZIP 2006, 637, 639. 362 Siehe etwa MünchKommAktG/Habersack, § 100 Rdnr. 54; Bürgers/Schilha, AG 2010, 221; Diekmann/Bidmon, NZG 2009, 1087; Florstedt, ZIP 2013, 337; Habersack, ZHR 168 (2004), 373, 377 f.; ders., FS Goette, 2011, S. 121, 127 ff.; Hommelhoff, ZIP 2013, 953; ders., ZIP 2013, 1645; Hüffer, ZIP 2006, 637, 642; Kropff, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1023, 1026 f.; Lieder, NZG 2005, 569, 571; Spindler, ZIP 2005, 2033, 2041; Wind/Klie, NZG 2010, 1413. Anders als die Empfehlung der Europäischen Kommission führt den US-amerikanischen Regelungen zufolge eine Kontrollbeteiligung nicht zum Verlust der Unabhängigkeit. Siehe etwa NASDAQ IM-5605 – Rule 5605(a)(2); dazu M. Roth, ZHR 175 (2011), 605, 620 und 629. Siehe außerdem die weiteren Nachweise in Fn. 365. 363 So Ziff. 5.4.2 Satz 2 DCGK. Zur Bestimmung des Kontrollbegriffs kann im Fall des DCGK etwa auf § 29 Abs. 2 WpÜG, § 290b HGB oder § 17 AktG abgestellt (für letzteres etwa Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361, 1362 f.) oder auch zweckorientiert (wer faktische Hauptversammlungsmehrheit hat bzw. die Aufsichtsratsmitglieder bestimmt) angeknüpft werden (so Florstedt, ZIP 2013, 337, 341). 364 Die Aktionärsstellung als solche begründet jedoch keinen Ausschluss der Unabhängigkeit; dies gilt auch für kraft statutarischer Befugnis (§ 101 Abs. 2 AktG) entsandte Aufsichtsratsmitglieder. Siehe MünchKommAktG/Habersack, § 100 Rdnr. 57; K. Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 100 Rdnr. 50; Kropff, FS K. Schmidt, 2009, S. 1023, 1026 f.; Staake, ZIP 2010, 1013, 1016. 365 Siehe etwa MünchKommAktG/Habersack, § 100 Rdnr. 54; K. Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 100 Rdnr. 50; Arbeitsgruppe BDI/Bankenverband/DAI/DIHK/GDV, NZG 2004, 1052; Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 224; Habersack, ZHR, 168 (2004), 373, 377 f.; Habersack, NZG 2004, 1, 5; Hoffmann-Becking, ZGR 2004, 355, 359 f.; Hüffer, ZIP 2006, 637, 642; Langenbucher, ZGR 2007, 571, 594 ff.; Lieder, NZG 2005, 569, 571; Spindler, ZIP 2005, 2033, 2041. 366 Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 227; Hüffer, ZIP 2006, 637, 642 (mit Verweis auf § 100 Abs. 2 Satz 2, § 311 AktG); Lieder, NZG 2005, 569, 571; siehe auch Kropff, FS K. Schmidt, 2009, S. 1023, 1027. 360 361
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grundgesetzlich verbürgten Eigentumsgarantie, weil der Mehrheitseigentümer das Unternehmen nicht mehr vollkommen steuern könne.367 Es würde letztlich ein Recht der Minderheitsaktionäre statuiert, einen Anteilseigner in den Aufsichtsrat entsenden zu dürfen.368 Damit verlören die Vertreter der Muttergesellschaft (in ihrer Gesamtheit) – zumindest in paritätisch mitbestimmten Aufsichtsräten – die Beschlussmehrheit im Aufsichtsrat.369 Dagegen würde die Kontrollfunktion, die der Aufsichtsrat habe, nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass das Aufsichtsratsmitglied selbst Mehrheitsaktionär oder dessen Vertreter sei.370 Damit wird die Verfassungsmäßigkeit des Unabhängigkeitserfordernisses in Zweifel gezogen. Eine gemäßigtere Ansicht erwägt lediglich eine teleologische Reduktion von § 100 Abs. 5 AktG bei Konzernsachverhalten.371 Da das deutsche Recht für beherrschte Unternehmen besondere konzernrechtliche Regelungen vorsehe, um Minderheitsaktionäre zu schützen, bestehe ein ähnlicher Schutz wie es das Unabhängigkeitserfordernis bezwecke. Damit ergebe die von der Kommissionsempfehlung geforderte Prüfung des Rechts des Mitgliedsstaats Deutschland, dass das Unabhängigkeitserfordernis nur bei freien börsennotierten Gesellschaften anzuwenden sei, hingegen bei beherrschten Unternehmen von der Kommissionsempfehlung abgewichen werden könne.372 Dennoch gibt es gute Gründe, auch bei Konzernunternehmen am Unabhängigkeitserfordernis festzuhalten. Denn die unabhängigen Verwaltungs- bzw. Aufsichtsratsmitglieder haben auch die Funktion, die Interessen der Außenseiter, d. h. der Minderheitsaktionäre und Gläubiger, gegenüber mächtigen Mehrheitsaktionären zu schützen.373 Auch wenn deren Interessen vielfach mit den Interessen der Minderheitsaktionäre übereinstimmen, muss dies doch nicht immer so sein.374 Insbesondere kann ein Großaktionär leicht in einen Interessenkonflikt geraten, wenn er Leitungsmacht ausübt oder mit der abhängigen 367 Hüffer, ZIP 2006, 637, 642; siehe auch Hommelhoff, ZIP 2013, 953, 955 (bzgl. Familienunternehmen); a.A. Scholderer, NZG 2012, 168, 172. 368 Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 224. 369 Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 224; siehe auch Hommelhoff, ZIP 2013, 1645, 1647 (der jedoch das Unabhängigkeitspostulat akzeptierend nach Lösungen für dieses Problem sucht); außerdem ders., ZIP 2013, 953, 956 (für Familienunternehmen). 370 Kropff, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1023, 1026 f. 371 Spindler, ZIP 2005, 2033, 2041. 372 So Spindler, ZIP 2005, 2033, 2041. Vgl. auch Jaspers, AG 2009, 607, 614 („Existenz eines geschriebenen und ausdifferenzierten Konzernrechts lässt die Indizwirkung der Verflechtung mit dem Mehrheitsaktionär für eine Benachteiligung von Minderheitsaktionären prima facie entfallen“). 373 Habersack, FS Goette, 2011, S. 121, 128; Hommelhoff, ZIP 2013, 1645, 1647; Hüffer, ZIP 2006, 637, 642; siehe auch Bayer, NZG 2013, 1, 11. 374 Siehe dazu den Bericht der Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über moderne gesellschaftliche Rahmenbedingungen in Europa, S. 63 f., abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/company/docs/modern/report_de.pdf (Stand: 28.07.2014).
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Gesellschaft Geschäfte tätigt.375 Da ein Großaktionär sowohl rechtlich als auch faktisch bedeutende Möglichkeiten zum Einfluss auf die Besetzung des Aufsichtsrats hat, kann er dessen (Kontroll-)Tätigkeit beeinflussen.376 Damit hat er bzw. haben seine Vertreter aber auch die Möglichkeit, seine speziellen Interessen wahrzunehmen, die im Einzelfall mit den Interessen der Minderheitsaktionäre und auch mit denjenigen der (Tochter-)Gesellschaft in Konflikt geraten können.377 Als Mitglied im Aufsichtsrat des Tochterunternehmens ist er aber auch diesem gegenüber zur Interessenwahrung bzw. Treue verpflichtet. Zwar sind diese konzernimmanenten Konflikte vom Gesetzgeber mit der Schaffung des Konzernrechts in einem gewissen Umfang hingenommen worden, was sich außerdem aus einem Umkehrschluss aus den begrenzten Inkompatibilitätstatbeständen in § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2–4 AktG ergibt.378 Auch gibt es das Konzernprivileg in § 100 Abs. 2 Satz 2 AktG,379 wonach Aufsichtsratsmandate, die ein gesetzlicher Vertreter des herrschenden Unternehmens eines Konzerns in zum Konzern gehörenden Handelsgesellschaften innehat, nicht auf die zulässige Höchstzahl von zehn Mandaten (§ 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AktG) anzurechnen sind. Diese Regelung setzt dementsprechend voraus, dass der gesetzliche Vertreter der Muttergesellschaft ein Aufsichtsratsmandat in der Tochtergesellschaft wahrnehmen darf und ggf. sogar wahrnehmen muss.380 Aber dies spricht nicht dagegen, den in der Vorschrift verankertern Gedanken des Außenseiterschutzes ernst zu nehmen und den Großaktionär bzw. den Vertreter der Muttergesellschaft als nicht unabhängig einzustufen. Denn zum einen müssen nicht alle Aufsichtsratsmitglieder unabhängig sein, sondern nur mindestens einer, siehe § 100 Abs. 5 AktG – bzw. nach Ziff. 5.4.2 Satz 1 DCGK eine angemessene Anzahl. Somit kann der Großaktionär weiterhin im Aufsichtsrat vertreten sein und dort – ausgenommen bei paritätischer Mitbestimmung – die Mehrheit der Sitze haben. Dass sein Einfluss auf die Tochtergesellschaft verringert wird, ist im Hinblick auf Art. 14 GG unproblematisch, wenn das Unabhängigkeitserfordernis richtig so verstanden wird, dass dem Aufsichtsrat einer abhängigen Gesellschaft eine angemessene Anzahl von nicht dem Lager des herrschenden Unternehmens zuzurechnenden Anteilseignervertretern angehören soll.381 Denn damit würde lediglich die Verteilung der Be Habersack, FS Goette, 2011, S. 121, 128. Oberhofer, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, S. 85. 377 Siehe dazu LG Hannover, ZIP 2009, 761, 763. 378 Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 224. 379 Dieses bringt die konzernoffene Tendenz des deutschen Aktienrechts zum Ausdruck. Siehe MünchKommAktG/Habersack, § 100 Rdnr. 54; Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 225; Lieder, NZG 2005, 569, 571. 380 Bürgers/Schilha, AG 2010, 221, 225. 381 Habersack, Gutachten E, 69. DJT 2012, E 79; ebenso Hommelhoff, ZIP 2013, 953, 958 f. (bzgl. Familienunternehmen und mit Überlegungen zum Verfahren bei Wahl und Abberufung: Erfordernis eines Sonderbeschlusses der kontrollfernen Aktionäre hinsichtlich der unabhängigen Aufsichtsratsmitglieder). 375
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fugnisse unter den Anteilseignern in ihrer Gesamtheit geregelt, nicht aber würden externe Interessen in den Aufsichtsrat eingeführt werden.382 Zudem haben auch die unabhängigen Aufsichtsratsmitglieder die Konzernbindung der Tochter sicherzustellen.383 Auch rechtsvergleichend zeigt sich, dass der Konflikt zwischen Mehrheitsund Minderheitsaktionären für die Bestimmung der Unabhängigkeit als bedeutsam angesehen wird. So stuft etwa der UK Corporate Governance Code Vertreter eines wesentlichen Anteilseigners (significant shareholder) nicht als unabhängig ein.384 Dasselbe gilt nach dem niederländischen Corporate Governance Code für Personen, die mit mehr als zehn Prozent an der Gesellschaft beteiligt sind bzw. einen solchen Aktionär vertreten.385 Schließlich entspricht die Einordnung des Vertreters des Mehrheitsaktionärs als nicht unabhängig auch den Anforderungen, wie sie in § 18 Abs. 3 Satz 1 KAGB386 für externe Kapitalverwaltungsgesellschaften vorgesehen sind,387 sowie dem Schutzzweck von Art. 41 Abs. 1 Satz 3 der Abschlussprüferrichtlinie.388 d.) Familienmitglieder Familiäre Beziehungen zwischen einem Aufsichtsrats- und einem Vorstandsmitglied schließen die Unabhängigkeit des ersteren aus. Denn solche Beziehungen können die Urteilsfähigkeit nachhaltig beeinflussen.389 Dementsprechend sieht auch Ziff. 13.1 der Kommissionsempfehlung familiäre Beziehungen als Ausschlussgrund für die Unabhängigkeit an. Im Gegensatz zu dem unbestimmteren Begriff der persönlichen Beziehungen werden damit Anwendungsprobleme vermieden, die entstünden, wenn man auch andere persönliche emotionale Nähebeziehungen, wie etwa Freundschaften, erfassen wollte.390 Auch wenn Freundschaften zu engen emotionalen Bindungen führen können, sind sie als Anknüpfungspunkt für rechtliche Bestimmungen ungeeignet. Da es sich hierbei um einen inneren Tatbestand handelt, der nur von jedem selbst bestimmt werden kann, können Dritte, ohne eine entsprechende Aussage des Betroffenen, nicht sicher auf dessen Vorliegen oder Nichtvorliegen schließen. Demgegenüber lässt sich an familiäre Beziehungen im rechtlichen Sinne (§§ 1589, Habersack, Gutachten E, 69. DJT 2012, E 79. Hommelhoff, ZIP 2013, 1645, 1649. 384 UK Corporate Governance Code, B.1.1 (gültige Fassung im September 2012). 385 Dutch Corporate Governance Code, III.2.2., e, f (gültige Fassung im September 2012). 386 Siehe früher § 6 Abs. 2a Satz 1 InvG a.F. Dazu etwa Bahreini, der unabhängige Finanzexperte, S. 99 ff.; Nowak, Unabhängigkeit, S. 100 ff. 387 Dort ist sogar noch weitergehend von einer Unabhängigkeit „von den Aktionären“ die Rede. 388 Habersack, Gutachten E, 69. DJT 2012, E 74. 389 Lieder, NZG 2005, 569, 572. Vgl. auch Kremer/v. Werder, AG 2013, 340, 341. 390 So z. B. Lieder, NZG 2005, 569, 572. 382 383
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1590 BGB, § 11 LPartG) rechtlich sicher anknüpfen. Nicht als unabhängig anzusehen sind dementsprechend in jedem Falle Aufsichtsratsmitglieder, die mit einem Vorstandsmitglied in gerader Linie verwandt (Eltern, Kinder, Großeltern, Enkel) oder verheiratet sind oder in einer Lebenspartnerschaft zusammenleben.391 e.) Besonderheiten bei externen Kapitalverwaltungsgesellschaften Für externe Kapitalverwaltungsgesellschaften in der Rechtsform der AG oder GmbH, die nicht ausschließlich Spezial-Sondervermögen oder Spezial-Investmentaktiengesellschaften verwalten, bestimmt § 18 Abs. 3 Satz 1 KAGB, dass „die Hauptversammlung mindestens ein Mitglied des Aufsichtsrats zu wählen hat, das von den Aktionären, den mit ihnen verbundenen Unternehmen und den Geschäftspartnern der externen Kapitalverwaltungsgesellschaft unabhängig ist“.392 Die Unabhängigkeit soll in diesem Zusammenhang vor allem als wirtschaftliche Unabhängigkeit verstanden werden und der Wahrung der Interessen der Anleger dienen.393 Als unabhängig wird ein Aufsichtsratsmitglied in diesem Zusammenhang angesehen, solange nicht mehr als 30 Prozent seiner Gesamteinnahmen in den letzten vier Jahren vor seiner Bestellung von einem Aktionär, ein mit ihm verbundenem Unternehmen (vgl. § 15 AktG) oder einem Geschäftspartner der Kapitalverwaltungsgesellschaft stammen.394
6.) Exkurs: Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen § 100 Abs. 5 AktG Fraglich ist, welche Folgen ein Verstoß gegen § 100 Abs. 5 AktG nach sich zieht. Denn das Unabhängigkeitserfordernis in § 100 Abs. 5 AktG wird von einigen als persönliche Voraussetzung eingeordnet, von anderen dagegen lediglich als objektive Besetzungsregel für das Kollektivorgan Aufsichtsrat. Diese Fragestellung stellt sich bei Einzelinteressenwahrern nicht.395 Grundsätzlich handelt es sich bei einem Verstoß gegen § 100 Abs. 5 AktG oder § 107 Abs. 4 AktG um einen Gesetzesverstoß, sodass eine Anfechtbarkeit bzw. Nichtigkeit des Beschlusses über die Wahl des Aufsichtsratsmitglieds in Betracht kommt.396 Denn die fehlerhafte Besetzung des Aufsichtsrats wirkt 391 Lieder, NZG 2005, 569, 572; Spindler, ZIP 2005, 2033, 2042. Lieder will sogar Verwandte in der Seitenlinie bis zum dritten Grad (in der Regel aber nicht weiter) ausschließen (Lieder, NZG 2005, 569, 572); zurückhaltend dazu Spindler, ZIP 2005, 2033, 2042. 392 Dazu Bahreini, Der unabhängige Finanzexperte, S. 99 ff.; Nowak, Unabhängigkeit, S. 100 ff. 393 Siehe zur gleichlautenden Vorgängernorm § 6 Abs. 2a InvG a.F. RegE BT-Drs. 16/5576, S. 60. 394 RegE BT-Drs. 16/5576, S. 60. 395 Aus diesem Grund wird diese für § 100 Abs. 5 AktG spezifische Frage bereits hier untersucht. 396 Diekmann/Bidmon, NZG 2009, 1087, 1091; dagegen Gruber, NZG 2008, 12, 14.
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sich auf jeden seiner Beschlüsse aus.397 Zum Teil wird aber auch vertreten, dass im Fall einer fehlerhaften Besetzung des Aufsichtsrats (oder auch des Prüfungsausschusses) nur eine Offenlegung erfolgen müsse.398 Mit dem zwingenden Charakter von § 100 Abs. 5 AktG und § 107 Abs. 4 AktG wäre es jedoch nicht vereinbar, wenn ihre Nichtbeachtung ohne Sanktion bliebe.399 Gegen die Nichtigkeit des Wahlbeschlusses spricht, dass es sich bei den in § 250 AktG aufgelisteten Fällen, in denen ein Aufsichtsratsbeschluss nichtig ist, um eine grundsätzlich abschließende Regelung handelt.400 Zwar ist zu berücksichtigen, dass eine Wahl auch dann nichtig ist, wenn ein Vorstandsmitglied unter Verstoß gegen § 105 Abs. 1 AktG zum Aufsichtsratsmitglied gewählt wird, und dass dieser Fall nicht in § 250 AktG geregelt ist. Aber diese Ausnahme gilt lediglich im Hinblick auf die persönlichen Voraussetzungen, die ein Mitglied des Aufsichtsrats erfüllen muss. Die Regelung in § 100 Abs. 5 AktG schließt aber nicht aus, dass die übrigen Aufsichtsratsmitglieder das Unabhängigkeitserfordernis erfüllen. Daher handelt es sich hierbei nicht um eine persönliche Voraussetzung für jedes Aufsichtsratsmitglied, sondern lediglich um eine solche für ein Aufsichtsratsmitglied.401 Die Nichtigkeitsfolge nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 AktG wäre daher nur dann auf den Fall des § 100 Abs. 5 AktG übertragbar, wenn schon in der Einladung zur Hauptversammlung auf die Wahl eines konkreten unabhängigen Finanzexperten hingewiesen wurde und dieser diese Voraussetzung nicht erfüllt.402 Auch § 250 Abs. 1 Nr. 1 AktG, der die Zusammensetzung des Aufsichtsrats als Organ betrifft, lässt sich im Fall des § 100 Abs. 5 AktG nicht analog anwenden, weil er Verfahrensfehler sanktioniert403 und nicht Verstöße gegen materielle Voraussetzungen für ein Mitglied des Aufsichtsrats.404 Dementsprechend führt ein Verstoß gegen § 100 Abs. 5, § 107 Abs. 4 AktG nicht zur Nichtigkeit des Wahlbeschlusses. Ein Wahlbeschluss, aufgrund dessen der Aufsichtsrat den Anforderungen nach § 100 Abs. 5 AktG nicht genügt, ist aber nach § 251 Abs. 1 Satz 1 AktG als anfechtbar zu behandeln.405 Denn wenn schon das Fehlen von persönlichen Eigenschaften zu einer Anfechtbarkeit führt, wenn diese in der Satzung gefor Schilmar, Der Aufsichtsrat 2009, 101, 102. Gruber, NZG 2008, 12, 14 f. 399 Jaspers, AG 2009, 607, 612. 400 Staake, ZIP 2010, 1013, 1019; dazu und zum Folgenden Diekmann/Bidmon, NZG 2009, 1087, 1091. Gegen eine Nichtigkeit auch Kropff, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1023, 1032. 401 Diekmann/Bidmon, NZG 2009, 1087, 1091. 402 Diekmann/Bidmon, NZG 2009, 1087, 1091. Vgl. dazu auch Staake, ZIP 2010, 1013, 1019. 403 Hüffer, AktG, § 250 Rdnr. 4. 404 Diekmann/Bidmon, NZG 2009, 1087, 1091. 405 Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 100 Rdnr. 44; Habersack, AG 2008, 98, 102; Jaspers, AG 2009, 607, 612; Kropff, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1023, 1032 ff.; siehe auch Bröcker/Mosel, GWR 2009, 132, 134; beschränkt auf bestimmte Konstellationen auch 397 398
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dert werden, muss dies erst recht gelten, wenn sie vom Gesetz gefordert werden.406 Fällt bei einem Mitglied die Eigenschaft der Unabhängigkeit später weg, beeinträchtigt das die Wirksamkeit der Aufsichtsratswahl hingegen nicht.407 Gibt es noch andere unabhängige Mitglieder, besteht auch kein Grund für eine Abberufung nach § 103 Abs. 3 Satz 1 AktG.408 Denn solange noch ein unabhängiges Mitglied existiert, ist das Erfordernis nach § 100 Abs. 5 AktG erfüllt.409 Sofern der Wegfall jedoch dazu führt, dass es kein Mitglied mehr gibt, das als unabhängig eingeordnet werden kann, stellt dies einen wichtigen Grund dar, der eine Abberufung dieses (letzten) ehemals unabhängigen Mitglieds nach § 103 Abs. 3 Satz 1 AktG erforderlich macht.410 Denn ein wichtiger Grund kann auch dann vorliegen, wenn sich das Aufsichtsratsmitglied nicht fehlverhalten hat.411 Auch wenn niemand unabhängig sein muss, um Aufsichtsratsmitglied sein zu können, so erfolgt die Wahl des als unabhängig eingestuften Mitglieds doch vor allem auch mit Blick auf diese seine Eigenschaft, unabhängig zu sein. Selbst wenn man § 100 Abs. 5 AktG lediglich als objektive Besetzungsregel einstuft,412 muss man doch berücksichtigen, dass der Aufsichtsrat die dort festgelegten Anforderungen bei seinem Vorschlag gemäß § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG und damit bei der jeweiligen Vorauswahl der Aufsichtsratsmitglieder zu beachten hat.413 Daher wird jemand, der nicht als unabhängig eingestuft werden kann, nicht zum Zuge kommen können, wenn es noch kein unabhängiges Aufsichtsratsmitglied gibt. Damit wird das Unabhängigkeitserfordernis in der konkreten Situation durchaus zu einem persönlichen Kriterium, das die konkrete Auswahl beeinflusst. Hat es aber Auswirkungen auf die Bestellung, muss es entsprechend auch Bedeutung für die Frage einer Abberufung haben.414
Staake, ZIP 2010, 1013, 1020 (wenn „zum Zeitpunkt der Beschlussfassung ersichtlich ist, dass der Aufsichtsrat die zwingende Besetzungsregel nicht erfüllen wird“). 406 Kropff, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1023, 1032 f. Vgl. auch Jaspers, AG 2009, 607, 612; außerdem BGH AG 2009, 285. 407 Bröcker/Mosel, GWR 2009, 132, 134; Jaspers, AG 2009, 607, 613. 408 Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 100 Rdnr. 45; Gruber, NZG 2008, 12, 14. 409 Jaspers, AG 2009, 607, 614. 410 Jaspers, AG 2009, 607, 614; Kropff, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1023, 1034; a.A. Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 100 Rdnr. 45; Gruber, NZG 2008, 12, 14; Staake, ZIP 2010, 1013, 1018 f. 411 Kropff, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1023, 1034. 412 So Staake, ZIP 2010, 1013, 1018. 413 Hüffer, AktG, § 100 Rdnr. 13; siehe aber Staake, ZIP 2010, 1013, 1019. 414 Mit dem Erfordernis der Abberufung wird aber zumindest vermieden, dass das Mandat des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds ex lege erlischt. Siehe Jaspers, AG 2009, 607, 614. Insofern findet der Unterschied zu den Vorgaben in § 100 Abs. 2 AktG Berücksichtigung. Denn bei diesen erlischt das Amt des Aufsichtsratsmitglieds ohne weiteres. Siehe GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 119.
X. Mitglieder des Gläubigerausschusses
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Auf die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats hat das Fehlen eines unabhängigen Mitglieds allerdings keine Auswirkungen.415 Dies ergibt sich aus einem Erst-recht-Schluss aus § 108 Abs. 2 Satz 4 AktG: Wenn die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrates nicht beeinträchtigt wird, wenn dem Aufsichtsrat weniger Mitglieder angehören als vorgeschrieben, wird sie erst recht dann nicht beeinträchtigt, wenn der Aufsichtsrat zwar zahlenmäßig vollständig besetzt ist, aber über kein unabhängiges Mitglied verfügt.
X. Mitglieder des Gläubigerausschusses 1.) Der Gläubigerausschuss Die gleiche Situation wie bei Aufsichtsratsratsmitgliedern besteht bei Mitgliedern des Gläubigerausschusses. Der Gläubigerausschuss ist ein selbständiges, unabhängiges Organ der Insolvenzverwaltung, dem bestimmte Aufgaben und Befugnisse gesetzlich zugewiesen sind.416 Er hat in der Insolvenz eine dem Aufsichtsrat in der Aktiengesellschaft vergleichbare Funktion: 417 Nach § 69 Satz 1 InsO haben die Gläubigerausschussmitglieder den Insolvenzverwalter bei dessen Geschäftsführung zu unterstützen und zu überwachen.418 Ähnlich wie bei der gesellschaftsrechtlichen Diskussion, ob sich das Handeln der Organe nur an den Interessen der Aktionäre oder auch an den Interessen anderer „Stakeholder“ (z. B. Arbeitnehmer, Gläubiger, Lieferanten) ausrichten sollte, wird auch beim Gläubigerausschuss diskutiert, ob dieser lediglich die Interessen der Insolvenzgläubiger wahrzunehmen hat419 oder aber im Gesamtinteresse aller Verfahrensbeteiligten tätig wird.420 Im Fall des Gläubigerausschusses sprechen rechtssystematische Erwägungen eher für eine (aus-
Siehe dazu auch Kropff, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1023, 1035. Kübler/Prütting/Bork/Kübler, InsO, § 69 Rdnr. 4 ; Uhlenbruck/Uhlenbruck InsO, § 69 Rdnr. 1, 2. Zur Rechtslage unter der KO RGZ 31, 119, 122. Zur Übertragbarkeit auf den Gläubigerausschuss nach der InsO Frege, NZG 1999, 478, 479. 417 BGH ZIP 1994, 46, 47 (zur Rechtslage nach der KO); Vallender, WM 2002, 2040, 2044; a.A. Grell, NZI 2006, 77, 78. 418 Dazu Kübler/Prütting/Bork/Kübler, InsO, § 69 Rdnr. 18 ff. 419 BGH ZIP 1994, 46, 47; 2007, 781, 783; ZIP 1994, 46, 47; AG Hildesheim KTS 1985, 130, 131; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rdnr. 1250; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 211; Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 86 ff.; Frege, NZG 1999, 478, 479; Pape, WM 2006, 19, 20; Vallender, WM 2002, 2040, 2044; Uhlenbruck, ZIP 2002, 1373, 1377 (mit Blick auf die ansonsten ausufernde Haftung nur Insolvenzgläubiger und Aussonderungsberechtigte). Dies galt schon unter der KO, siehe etwa BGH ZIP 1994, 46, 47. 420 Kübler/Prütting/Bork/Kübler, InsO, § 69 Rdnr. 4, 5; Uhlenbruch/Uhlenbruck, InsO, § 67 Rdnr. 16 (anders aber ders., ZIP 2002, 1373, 1377); Vallender, WM 2002, 2040, 2044. Uneinheitlich AG Hildesheim KTS 1985, 130, 131 („Gesamtinteresse aller am Konkurs Beteiligten“, „Gesamtheit der Gläubiger“). 415 416
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§ 5 Unabhängigkeit in den einzelnen Privatrechtsgebieten
schließliche) Ausrichtung an dem Gesamtinteresse der Gläubiger.421 Zum einen lautet die Abschnittsüberschrift in der Insolvenzordnung, in der Gläubigerausschuss und -versammlung geregelt werden, „Organe der Gläubiger“.422 Zum anderen bestimmt § 71 InsO, dass die Mitglieder des Gläubigerausschusses bei schuldhafter Verletzung ihrer Pflichten nur den Gläubigern zum Schadensersatz verpflichtet sind, nicht aber auch anderen Verfahrensbeteiligten.423 Auch der wesentliche Zweck des Insolvenzverfahrens, die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger,424 spricht für diese Einschätzung. Dementsprechend haben die Mitglieder ihre Entscheidungen am Gesamtinteresse der Insolvenzgläubiger auszurichten und gegenläufige persönliche Interessen zurückzustellen.425
2.) Das Unabhängigkeitserfordernis Da die Ausschussmitglieder nicht die Interessenvertreter derjenigen sind, die sie in den Gläubigerausschuss gewählt haben, haben sie auch nicht allein deren Interessen zu wahren.426 Sowohl die Überwachungsfunktion des Ausschusses als auch die Ausrichtung am Gesamtinteresse der Gläubiger erfordert vielmehr, dass die Mitglieder des Ausschusses unabhängig entscheiden können.427 Zwar wird in §§ 67 ff. InsO, wo der Gläubigerausschuss geregelt ist, ein Unabhängigkeitserfordernis für die Mitglieder nicht ausdrücklich erwähnt. Es ergibt sich aber aus der Stellung des Gläubigerausschusses im Rahmen des Insolvenzverfahrens und seiner Überwachungsfunktion. Denn die Mitglieder des Gläubiger ausschusses erhalten mit ihrer Bestellung ein besonderes Amt, das besondere Aufgaben und Funktionen im Interesse der Gläubiger mit sich bringt. Ihre Funktion verpflichtet sie dazu, das Interesse der Gesamtgläubiger zu wahren.428
3.) Konkretisierung des Unabhängigkeitserfordernisses Aufgrund ihrer Stellung als Gläubiger bzw. Vertreter eines Gläubigers, können die Ausschussmitglieder allerdings niemals völlig interessenunabhängig sein.429 Dies wirkt sich auch auf das Unabhängigkeitsverständnis aus: So kann ihre Dazu § 5 X.2.) Löhnig, Treuhand, S. 572. 423 Löhnig, Treuhand, S. 572. 424 Uhlenbruck, ZIP 2002, 1373, 1377. 425 BGH ZIP 2007, 781, 784; Frege/Keller/Riedel, InsR, Rdnr. 1250; Uhlenbruck, ZIP 2002, 1373, 1376 und 1377; Pape, WM 2006, 19, 20; Vallender, WM 2002, 2040, 2045. 426 BGH ZIP 1994, 46, 48. 427 Vgl. Vallender, WM 2002, 2040, 2044. 428 BGH ZIP 1994, 46, 47; MünchKommInsO/Schmid-Burgk, § 69 Rdnr. 2 (auch des Schuldners); Frege, NZG 1999, 478, 484. 429 Uhlenbruck, ZIP 2002, 1373, 1376; Vallender, WM 2002, 2040, 2045; vorsichtiger Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rdnr. 1250. Siehe dazu auch Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 118. 421
422
X. Mitglieder des Gläubigerausschusses
225
Unabhängigkeit nicht schon dadurch beeinträchtigt werden, dass eine Abstimmung ihre eigenen wirtschaftlichen Belange in irgendeiner Weise berührt.430 Es muss vielmehr ein wahrnehmbarer direkter Zusammenhang bestehen, wie dies etwa bei einem Rechtsgeschäft des Ausschussmitglieds mit der Insolvenzmasse der Fall ist.431 Aus der dem Ausschuss übertragenen Überwachungsaufgabe ergibt sich, dass insbesondere Sachverhalte, die zu einem Richten in eigener Sache führen, oder Geschäfte, bei denen das Mitglied auf beiden Seiten steht, die Unabhängigkeit von Ausschussmitgliedern gefährden.432 Im Fall eines Gläubigerausschussmitglieds ist dies etwa der Fall, wenn es um die Anerkennung von Forderungen oder Vorrechten des Ausschussmitglieds geht oder um die Geltendmachung von Forderungen gegen das Ausschussmitglied.433 Ein weiterer Fall, der die Unabhängigkeit gefährdet, ist die „Überkreuzbesetzung“, d. h. wenn jemand in einem Verfahren zum Verwalter bestellt worden ist und in einem zweiten Verfahren als Ausschussmitglied gewählt wird, dessen Verwalter Ausschussmitglied in seinem (dem ersten) Verfahren ist.434 In diesem Fall kontrollieren sich die Verwalter gegenseitig in verschiedenen Verfahren, was zu übermäßiger gegenseitiger Rücksichtnahme und in der Folge zu einer Beeinträchtigung der Überwachung führen kann. Eine unabhängige Überwachung ist dann nicht mehr möglich.435 Von einigen wird vertreten, dass es bei Gläubigerausschussmitgliedern nicht auf die Besorgnis der Befangenheit ankomme, sondern auf „das objektive Vorliegen eines Interessenkonflikts“436 , womit – aufgrund der Unterscheidung zur Besorgnis der Befangenheit – nur das Vorliegen eines konkreten Interessenkonflikts gemeint sein kann. Als Beispiel wird der Fall genannt, bei dem es um eine bedeutsame Rechtshandlung geht, die das Mitglied oder einen diesem nahestehenden Gläubiger betrifft.437 Bei diesem Fall wird aber gerade an die äußerlich wahrnehmbare Sachlage angeknüpft – was für die Bestimmung der (äußeren) Unabhängigkeit auch korrekt ist. Denn wird angenommen, dass immer, wenn es um eine solche Rechtshandlung geht, von einer Befangenheit auszugehen ist, so wird gerade nicht an das tatsächliche Vorliegen eines Konflikts, sondern an dessen abstraktes Bestehen und damit an die Besorgnis der Befangenheit angeknüpft.438 Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 118; Vallender, WM 2002, 2040, 2045. Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 119. 432 Vgl. auch BGH WM 1985, 422, 424; Ulenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 72 Rdnr. 13; ders., ZIP 2002, 1373, 1376; siehe auch Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rdnr. 1251; Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 120. 433 Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 120. 434 Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 115 ff.; Uhlenbruck, ZIP 2002, 1373, 1381. 435 Uhlenbruck, ZIP 2002, 1373, 1381. 436 Uhlenbruck/Uhlenbruck InsO, § 72 Rdnr. 12. 437 A.a.O. 438 Daher richtig Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 118 ff. 430 431
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§ 5 Unabhängigkeit in den einzelnen Privatrechtsgebieten
4.) Bezugspunkte für die Unabhängigkeit Der Gläubigerausschuss und seine Mitglieder sind in ihrer rechtlichen Stellung und Funktion vom Insolvenzgericht, vom Insolvenzverwalter und von der Gläubigerversammlung unabhängig.439 Der Ausschuss ist ein selbständiges Organ der Insolvenzverwaltung und unterliegt nicht der Aufsicht durch das Insolvenzgericht.440 Daher hat das Gericht auch kein Recht, dem Ausschuss oder einzelnen Mitgliedern Weisungen zu erteilen, gegen Mitglieder des Ausschusses eine Ordnungsstrafe zu verhängen oder entsprechend § 78 InsO Beschlüsse des Gläubigerausschusses aufzuheben.441 Auch der Insolvenzverwalter hat kein Weisungsrecht gegenüber den Ausschussmitgliedern.442 Er ist zudem nicht berechtigt, einzelne Ausschussmitglieder oder den Gläubigerausschuss insgesamt von einer Mitwirkung (zeitweilig) auszuschließen oder Entscheidungen des Ausschusses zu beeinflussen.443 Schließlich sind die Mitglieder des Gläubigerausschusses auch von den Gläubigern und der Gläubigerversammlung unabhängig und diesen nicht weisungsunterworfen.444 Zwar wird der Ausschuss mit dem Willen der Gläubiger bestellt und seine Mitglieder werden von den Gläubigern gewählt, es besteht aber kein Auftrags- bzw. Mandatsverhältnis zu den Gläubigern.445 Um die Unabhängigkeit der Mitglieder des Gläubigerausschusses zu stärken, wurde zudem eingeführt, dass sie nur bei Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ abberufen werden können sollen.446 Dadurch sollte sichergestellt werden, dass die Mitglieder des Gläubigerausschusses nicht jederzeit eine Abberufung aus ihrem Amt fürchten müssen und daher auch in schwierigen Situationen nur nach sachlichen Gesichtspunkten entscheiden können.447 Schließlich hat auch (nur) der Ausschuss zu entscheiden, ob bei einem Mitglied die Besorgnis besteht, es könne befangen sein.448
439 BGH ZIP 2007, 781, 783; siehe auch RGZ 31, 119, 122; BGH WM 1965, 1158, 1159; MünchKommInsO/Schmid- Burgk, § 69 Rdnr. 10–12, § 70 Rdnr. 5 ; HK/Eickmann, InsO, § 69 Rdnr. 6 (von Gläubigerversammlung); Vallender, WM 2002, 2040, 2045 ff. 440 BGH WM 1965, 1158, 1159; Kübler/Prütting/Bork/Kübler, InsO, § 69 Rdnr. 9 ; Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 90. 441 Kübler/Prütting/Bork/Kübler, InsO, § 69 Rdnr. 9 ; Vallender, WM 2002, 2040, 2047. 442 Vallender, WM 2002, 2040, 2046. 443 Uhlenbruck, ZIP 2002, 1373, 1378. 444 Vallender, WM 2002, 2040, 2045. 445 Vallender, WM 2002, 2040, 2045. Zum Ausschuss nach der KO RGZ 31, 119, 122; BGH ZIP 1994, 46, 48; AG Hildesheim KTS 1985, 130, 131; zur Übertragung auf den Ausschuss nach der InsO Frege, NZG 1999, 478, 479 (unter Hinweis auf den Vergütungsanspruch gegen das Vermögen des Schuldners nach § 17 ff. InsVV, 54 Ziff. 2 InsO). 446 RegE, BT-Drs. 12/2443, S. 132; BGH ZIP 2007, 781, 783. 447 BGH ZIP 2007, 781, 783. 448 Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 72 Rdnr. 14; Uhlenbruck, ZIP 2002, 1373, 1377.
Teil 3: Besondere Regeln zu Interessenkonflikten
§ 6 Systematisierung der besonderen Regelungen I. Einleitung Die allgemeinen Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten, die Interessenwahrungspflicht als pflichtenbasierter Regelungsansatz und das Unabhängigkeitsprinzip als statusbezogener Ansatz zum Umgang mit Interessenkonflikten, werden durch besondere Regelungen ausgeformt und konkretisiert. Diese besonderen Regelungen lassen sich in solche der Konfliktoffenlegung, der Konfliktvermeidung und der Konfliktlösung unterteilen. Dabei umfassen die beiden letztgenannten Kategorien ganz unterschiedliche Regelungen. Im Hinblick auf den jeweils geregelten Konflikt unterscheiden sich diese nach der Art der involvierten Interessen (Eigen-, Fremdinteressen), der Art des Konflikts (z. B. Richten in eigener Sache, finanzielle Interessenkonflikte), der Dauer des Konflikts (dauerhaft, vorübergehend) und der Intensität des Konflikts bzw. der Notwendigkeit seiner Inkaufnahme, weil sonst andere schützenswerte Interessen beeinträchtigt werden. Vom Regelungsansatz her verfolgen diese besonderen Regelungen wie die allgemeinen Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten eine dualistische Herangehensweise in Form von status- und pflichtenbezogenen Regelungen. So stellen etwa die Inhabilitäts- bzw. Inkompatibilitätsvorschriften statusbezogene Regelungen in Bezug auf dauerhafte Interessenkonflikte dar, während es sich beim Wettbewerbsverbot um eine pflichtenbezogene Regelung in Bezug auf dauerhafte Interessenkonflikte handelt. Allerdings decken sich die besonderen status- und pflichtenbezogenen Regelungen von ihrem Anwendungsbereich her nicht exakt mit den allgemeinen Regelungen (Interessenwahrungspflicht und Unabhängigkeitserfordernis). So können beispielsweise, wie sich an den Inhabilitäts- bzw. Inkompatibilitätsvorschriften für Aufsichtsratsmitglieder zeigt, die nicht § 100 Abs. 5 AktG unterliegen, Regelungen der Inkompatibilität auch für Interessenwahrer gelten, die nicht unabhängig sein müssen.
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§ 6 Systematisierung der besonderen Regelungen
II. Konfliktoffenlegung - Anzeige- und Offenlegungspflichten Die Konfliktoffenlegung stellt einen allgemeinen Grundsatz für den Umgang mit Interessenkonflikten dar. Anzeige- und Offenlegungspflichten1 verpflichten den Interessenwahrer im Fall eines Interessenkonfliktes den Geschäftsherrn (oder einen zuständigen Dritten, etwa ein Gericht) über den Interessenkonflikt zu informieren, sodass dieser die Möglichkeit erhält, das ihn treffende Risiko abzuschätzen und entsprechend zu handeln. Offenlegungspflichten dienen somit der Überwindung von Informationsasymmetrien zwischen dem Interessenwahrer und dem Geschäftsherrn im Hinblick auf Interessenkonflikte des ersteren. So sind etwa Abschlussprüfer gegenüber dem Aufsichtsrat dazu verpflichtet, vor ihrer Wahl alle Quellen für mögliche Interessenkonflikte und Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit offenzulegen. Ähnliches gilt für Rechtsanwälte gegenüber ihren Mandanten. Darüber hinaus sind die betroffenen Funktionsträger auch nach Beginn des Rechtsverhältnisses verpflichtet, während der Mandatslaufzeit bzw. ihrer Mitgliedschaft in einem Organ auftretende Interessenkonflikte unverzüglich mitzuteilen.2 Die Aufklärung ist vor allem – aber nicht nur dann – von Bedeutung, wenn der Interessenwahrer nicht verpflichtet ist, sich aufgrund des Interessenkonfliktes zurückzuziehen – etwa einen Auftrag abzulehnen oder das Mandat niederzulegen. Denn dann kann er trotz eines Interessenkonflikts für den Geschäftsherrn handeln, sofern der Geschäftsherr damit einverstanden ist.3 Um jedoch rechtswirksam einwilligen zu können, muss der Geschäftsherr dazu in der Lage sein. Das setzt voraus, dass er über den Interessenkonflikt aufgeklärt4 und ihm so ermöglicht wird, den Interessenkonflikt zu verstehen und die sich daraus ergebenden Gefahren für seine Interessen einzuschätzen. Eine Ausnahme gilt allerdings in dem Fall, dass das konfligierende Eigeninteresse des Interessenwahrers offensichtlich ist. Dann besteht grundsätzlich keine Aufklärungspflicht. Auch wenn durch eine Offenlegung von (möglichen) Konflikten und Abhängigkeiten diese nicht ausgeräumt werden, erhöht sie doch zumindest deren Wahrnehmbarkeit. Zum einen hat dies Bedeutung, wenn es um die Durchsetzung von Sanktionen für einen fehlerhaft aufgelösten Konflikt geht. Die Offenlegung hilft dem Geschäftsherrn den Konflikt zu erkennen und infolgedessen Ansprüche gegen den Interessenwahrer geltend zu machen. Zum anderen spielt die Offenlegung dann eine wichtige Rolle, wenn Verbote ein zu scharfes Instru ment wären, um die involvierten Interessen zu schützen. In diesen Fällen er Dazu § 7. Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission, Rdnr. 303; Röhricht, WPg-Sonderheft 2001, S 89. 3 Weller, ZBB 2011, 191, 195. Vgl. dazu auch BGH ZIP 2011, 756, 759. 4 Vgl. dazu nur BGH ZIP 2011, 756, 759. 1 2
III. Konfliktvermeidung
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möglicht die Offenlegung dem Geschäftsherrn, Erklärungen und Handlungen des Interessenwahrers im Hinblick auf seine eigenen Interessen besser einzuschätzen und im Folgenden seine Interessen selbst zu schützen. Es kommt in diesen Fällen somit zu einer teilweisen Rückverlagerung der Interessenwahrung auf den Geschäftsherrn.
III. Konfliktvermeidung Eine zweite wesentliche Ausprägung der Interessenwahrungspflicht und des Unabhängigkeitserfordernisses ist die Pflicht, Interessenkonflikte zu vermeiden. So hat beispielsweise ein Beauftragter Aufträge abzulehnen, wenn diese mit einem von ihm bereits übernommenen Auftrag konkurrieren.5 Ein Handelsvertreter darf nicht mehrere Firmen gleichzeitig vertreten (Verbot der Mehrfirmenvertretung).6 Ein Rechtsanwalt macht sich wegen Parteiverrats strafbar, wenn er Parteien mit widerstreitenden Interessen vertritt.7 Und ein Vorstandsmitglied muss anderweitige Tätigkeiten unterlassen, die zu einem Konflikt mit Interessen der Gesellschaft führen können.8 Da es um die Vermeidung von Konflikten geht, d.h. darum, dass ein Konflikt gar nicht erst eintritt, knüpft die Konfliktvermeidungspflicht regelmäßig an den abstrakten Interessenkonflikt an. Es reicht daher schon aus, dass die Interessen des Geschäftsherrn gefährdet sein könnten. Ob es zu einer tatsächlichen Gefahr oder gar zu einer tatsächlichen Verletzung seiner Interessen kommt, ist unerheblich.9 Je nach Dauer und Gefährdungspotential des Konflikts, insbesondere dessen Auswirkungen auf die Interessen des Geschäftsherrn, konkretisiert und verdichtet sich die Pflicht zur Konfliktvermeidung in unterschiedlichen Regelungen. Dazu gehören – geordnet nach der steigenden Intensität des Eingriffs – Organisationspflichten, Beschränkungen des Handlungsspielraums, die zeitweilige Ersetzung des Interessenwahrers, Wettbewerbsverbote, das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen und Inhabilitätsvorschriften sowie Eignungsprüfungen. Diese Regelungen zur Konfliktvermeidung führen regelmäßig zu einer nicht unerheblichen Einschränkung des Betroffenen und stellen damit einen Eingriff in dessen Handlungsfreiheit dar. Allerdings variiert die Intensität des Eingriffs je nach Regelung. So ist etwa die Beschränkung durch Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 916. BGH NJW 1964, 1621, 1622; 1984, 2101, 2102; Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 916. 7 § 356 StGB. 8 Wie z. B. die Vermögensverwaltung für einen Großaktionär der Gesellschaft. GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 156; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 93 Rdnr. 97. 9 Besonderheiten bestehen hier bei dem berufsrechtlichen Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen im Berufsrecht. Dazu § 1 II.4.)d.) 5 6
232
§ 6 Systematisierung der besonderen Regelungen
Inhabilitätsregelungen, die in den jeweiligen Fällen eine Betätigung vollkommen ausschließen, erheblich schwerer als diejenigen durch Organisationspflichten, die eine Betätigung immerhin im Grundsatz zulassen.
1.) Organisationspflichten Organisationspflichten nehmen von der Intensität her den geringsten präventiven Eingriff in die Handlungsfreiheit des Interessenwahrers vor.10 Ein Beispiel für Organisationsvorgaben ist die Pflicht, in bestimmten Fällen Informationsbarrieren, sog. Chinese walls, zwischen einzelnen Abteilungen von Unternehmen zu errichten. Eine extreme Form der „Organisation“ ist die Verselbständigung und letztliche Trennung ganzer Unternehmensbereiche voneinander, wie sie etwa mit dem im Jahr 1999 aufgehobenen Glass-Steagall Act verfolgt wurde, der eine institutionelle Trennung von Commercial und Investment Banking vorsah. Eine solche vollkommene Separierung der Konfliktlagen einzelner Bereiche wird allerdings aufgrund der Schwere des Eingriffs nur selten in Betracht gezogen.11 Veranlasst durch die Finanzkrise wird nun allerdings für Banken geregelt, dass diese als riskant eingestuften Dienstleistungen ganz aufgeben müssen12 oder diese zumindest in eine rechtlich abgetrennte Unternehmens einheit (ggf. unter dem Dach einer Holding) überführen sollen.13 Organisationsvorgaben spielen vor allem bei Unternehmen eine wichtige Rolle, die als Interessenwahrer für zahlreiche Geschäftsherren die Interessenwahrung übernehmen und dabei zwangsläufig in Interessenkonflikte geraten. Zu Organisationspflichten ausführlich § 8. Vgl. zur Diskussion über Trenn- und Universalbankensystem z. B. schon Hopt, FS Heinsius, 1991, S. 289, 319; außerdem Baums, Universal Banks, passim. Eine ähnliche, wenn auch nicht ganz so strikte organisatorische Trennung zwischen verschiedenen Unternehmensbereichen hat die New York Stock Exchange 2006 vollzogen. Im Zuge ihrer damaligen Umstrukturierung und folgendem Börsengang wurden zwei voneinander getrennte Tochtergesellschaften geschaffen: NYSE Market, zuständig für den Börsenbetrieb, und NYSE Regulation, zuständig für die Aufsicht der sich selbstverwaltenden Börse. Dadurch sollten Interessenkonflikte aufgrund der Aufsicht über den eigenen Handelsbetrieb vermieden werden. Zu Einzelheiten mit Blick auf mögliche Interessenkonflikte der Börse(ngruppe) siehe Fleckner, in: Hammen, Interessenkonflikte, S. 37. Mit dem Gesetz zur Abschirmung von Risiken und zur Planung von Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen vom 07.08.2013, BGBl. 2013 I, 3090 v. 12.08.2013, ist nun auch in Deutschland das Trennungssystem für Banken im gewissem Umfang eingeführt worden. 12 Section 619 des Dodd Frank Act (Pub. L. 111–203, 124 Stat. 1376–2223), sog. Volcker Rule. 13 Siehe § 3 Abs.2, § 25f KWG; zuvor schon High-level Expert Group on reforming the structure of the EU banking sector (Chaired by Erkki Liikanen), Final Report, Brussels, 2 October 2012, S. 100, abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/bank/docs/ high-level_expert_group/report_en.pdf (Stand 28.07.2014); siehe außerdem Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung über strukturelle Maßnahmen zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit von Kreditinstituten der Union, 29.01.2014, COM (2014) 43 final. 10 11
III. Konfliktvermeidung
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– Aber auch im Fall von konfligiernden Eigeninteressen werden Organisationsvorgaben zur Konfliktvermeidung herangezogen.14 – Ein Verbot, die Dienstleistungen gleichzeitig gegenüber mehreren Geschäftsherren zu erbringen, ist häufig nicht sachgerecht. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Geschäftsherren auf die Dienstleistungen der Interessenwahrer angewiesen sind und die Anzahl der Interessenwahrer geringer ist als die der Geschäftsherren, sodass letztere nicht auf andere, nicht konfliktbelastete Interessenwahrer ausweichen können, weil alle Interessenwahrer von solchen Konfliktsituationen betroffen sind. Bei diesen Interessenkonflikten handelt es sich in der Regel nur um punktuelle – allerdings wiederkehrende – Konflikte, d. h. sie betreffen immer wieder einzelne Geschäfte nicht aber die gesamte Beziehung zwischen Interessenwahrer und Geschäftsherr. In diesen Fällen kommen Organisationsvorgaben in Betracht, weil sie das mildeste Mittel zur Vermeidung von Konflikten darstellen. Denn auch wenn Organisationspflichten die Unternehmen dazu zwingen, sich in bestimmter Weise zu strukturieren und damit deren Freiheit begrenzen, lassen sie ihnen doch grundsätzlich die Möglichkeit, das konfliktträchtige Geschäft einzugehen und verbieten dies nicht. Es liegt dementsprechend in der Hand des Interessenwahrers, ob er das Geschäft vornehmen möchte und sich daher entsprechenden Organisationsvorgaben beugt oder ob er von der Übernahme der Interessenwahrung Abstand nimmt und dann auch nicht die Organisationsvorgaben umsetzen muss. Organisationsvorgaben lassen sich sowohl als Ausprägung der Interessenwahrungspflicht als auch des Unabhängigkeitserfordernisses einordnen. Beispiel für Ersteres sind die Organisationsvorgaben zur Vermeidung von Interessenkonflikten für Finanzdienstleistungsunternehmen, die im Interesse ihrer Kunden tätig werden. Beispiel für Letzteres sind die organisatorischen Vorgaben der Ratingverordnung15 oder die Empfehlungen der Kommission für Abschlussprüfer16 . Da hier die Unternehmen nicht unmittelbar selbst handeln sondern deren Mitarbeiter, müssen sie sicherstellen, dass bei deren Tätigkeit das für Ratingagenturen geltende Unabhängigkeitserfordernis gewahrt wird. Wie etwa § 25f KWG. Anhang I der Rating-Verordnung sieht umfangreiche organisatorische und mitarbeiterbezogene Regelungen vor. 16 Für Abschlussprüfer finden sich z. B. Vorgaben für interne Sicherungssysteme von Abschlussprüfergesellschaften in Ziff. 4.3.2 der Empfehlung der Europäischen Kommission zur Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU vom 16.05.2002, ABlEG L 191 v. 19.7.2002, S. 22. Vorgaben zur internen Organisation enthält nun auch Art.24a der Richt linie 2006/43/EG idF. nach der Änderung durch die Richtlinie 2014/56/EG vom 16.04.2014. Und § 319 Abs. 4 HGB lässt sich entnehmen, dass Wirtschaftsprüfungs- und für Buchprüfungsgesellschaften von der Abschlussprüfung auch ausgeschlossen sind, wenn z. B. ein Mitarbeiter, der das Ergebnis der Prüfung beeinflussen könnte, nicht als unabhängig eingestuft werden kann. 14
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§ 6 Systematisierung der besonderen Regelungen
2.) Begrenzung des Handlungsspielraums Ein stärkerer Eingriff als durch Organisationspflichten erfolgt durch Regelungen, mit deren Hilfe der Handlungsspielraum des Interessenwahrers beschränkt wird.17 Sie verbieten regelmäßig einzelne Geschäfte, nicht aber die gesamte Tätigkeit für den Geschäftsherrn. Sie beziehen sich somit auf punktuelle Konflikte. Je nach Geschäft bzw. Art der Tätigkeit sind diese Beschränkungen unterschiedlich ausgestaltet, weil diese Regelungen an die Art und Weise der Tätigkeit des Interessenwahrers anknüpfen. Wichtige Regelungen in diesem Zusammenhang sind etwa § 181 BGB im Fall der Vertretung, die beschränkenden Regelungen zum Selbsteintritt im Fall der Kommission oder die Zuständigkeitsregelungen bei Geschäften der Organmitglieder mit der Gesellschaft. Auch Regelungen, wie das Verbot der Annahme von Zuwendungen Dritter in Form von Schmiergeldern oder das Verbot der Aneignung von Gesellschaftsressourcen, gehören hierzu. Beschränkungen des Interessenwahrers können aber nicht nur formal an die Beteiligung an einem Geschäft anknüpfen, sondern auch zeitbezogen, wie etwa im Fall des Verbotes des „Vorlaufens“ (Front running). In diesem Fall wird der Betroffene nicht generell, sondern nur zu diesem Zeitpunkt von dem jeweiligen Geschäft abgehalten, weil die Rechtsordnung das konfliktbeladene Geschäft zu diesem Zeitpunkt missbilligt.
3.) Vorübergehende Ersetzung des Interessenwahrers Eine besondere Form der Beschränkung des Handlungsspielraums des Interessenwahrers ist die – zeitweilige – Übertragung von Kompetenzen auf andere Interessenwahrer bzw. die Ersetzung des Interessenwahrers durch einen anderen.18 Diese kommt zur Anwendung, wenn die Rechtsordnung das jeweilige (Einzel-)Geschäft grundsätzlich, insbesondere auch in diesem Zeitpunkt, für zulässig erachtet, es nur nicht von dem jeweiligen Interessenwahrer für den Geschäftsherrn durchgeführt werden soll, wenn er zu diesem Zeitpunkt konfliktbelastet ist. In der Regel knüpfen die zuständigkeitsverlagernden Regelungen an den abstrakten Interessenkonflikt an, wie etwa im Fall des Vormunds oder bei der Vertretung der Gesellschaft bei Geschäften mit Vorstandsmitgliedern. Aber auch eine Anknüpfung an den konkreten Konflikt ist nicht ausgeschlossen, wie die Bestellung des Sonderinsolvenzverwalters zeigt. Daher lässt sich diese Art der Regelung sowohl als präventives als auch als konfliktlösendes Instrument einordnen. In jedem Fall kommt eine vorübergehende Ersetzung des Interessen-
Dazu § 9. Dazu § 10.
17
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III. Konfliktvermeidung
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wahrers nur bei punktuellen Konflikten in Betracht, weil es sich um eine zeitlich befristete Maßnahme handelt.
4.) Wettbewerbsverbote Ein besonderer Fall der Beschränkung des Handlungsspielraums sind Wettbewerbsverbote.19 Auch sie verbieten nicht das gesamte Interessenwahrungsverhältnis, sondern nur, dass der Interessenwahrer eigene geschäftliche Interessen in der Interessensphäre des Geschäftsherrn wahrnimmt und so zu diesem in Konkurrenz tritt. Anders als bei den vorstehend genannten Regelungen zur Begrenzung des Handlungsspielraums des Interessenwahrers stellen sie jedoch nicht auf die Beschaffenheit eines Geschäfts ab, das der Interessenwahrer für den Geschäftsherrn schließt, sondern es geht bei ihnen um die Zuordnung von Geschäften, die der Interessenwahrer gerade nicht für den Geschäftsherrn schließen will. Bei ihnen handelt es sich somit um besondere Konkretisierungen der Treuepflicht20 in Bezug auf dauerhafte oder wiederkehrende Konflikte wegen geschäftlicher Interessen. Denn eine Konkurrenztätigkeit des Interessenwahrers kann dazu führen, dass Interessenwahrer und Geschäftsherr im Laufe der Zeit um die Zuordnung zahlreicher Geschäfte streiten werden. Wettbewerbsverbote sollen bereits die Entstehung solcher (konkreten) Interessenkonflikte verhindern, indem sie im Vorfeld Situationen abwenden, in denen die Interessen des Geschäftsherrn beeinträchtigt werden könnten.21 Daher knüpfen Wettbewerbsverbote abstrakt an, und es kommt nicht darauf an, ob der Interessenwahrer tatsächlich einem konkreten Interessenkonflikt ausgesetzt ist. Dies aber führt zu einer besonderen Beschränkung des Interessenwahrers, die sich nur rechtfertigen lässt, wenn eine Konkurrenztätigkeit durch ihn mit seiner Vertrauensstellung nicht zu vereinbaren ist und den mit seiner Bestellung verbundenen Zweck nachhaltig gefährden würde.22 Das aber ist nur dann der Fall, wenn das Interessenwahrungsverhältnis, wie etwa beim Vorstand einer Aktiengesellschaft, auf eine ausschließliche Bindung des Interessenwahrers an Dazu § 11. Siehe nur OLG Frankfurt a. M. AG 2000, 518, 519; GroßkommAktG/Hopt, 4. Aufl., 2008, § 93 Rdnr. 164; ders., ZGR 2004, 1, 11; GroßkommAktG/Kort, 4. Aufl., 2008, § 88 Rdnr. 3 ; Hüffer, AktG, 10. Aufl., 2012, § 88 Rdnr. 1; MünchKommAktG/Spindler, 3. Aufl., 2008, § 88 Rdnr. 1; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 2. Aufl., 2010, § 88 Rdnr. 2; ders., in Fleischer, Hdb. VorstandsR, § 9 Rdnr. 8 ; Rusch, Gewinnhaftung, 2003, S. 220; Grigoleit, ZGR 2010, 662, 665; Schiessl, GmbHR 1988, 53; Röhricht, WpG 1992, 766, 768; vgl. auch Kübler, FS Werner, 1984, S. 437, 438. Zur Drittwirkung von Wettbewerbsverboten z. B. Altmeppen, ZIP 2008, 437; Grigoleit, ZGR 2010, 662; Hellgardt, ZIP 2007, 2248; Hoffmann-Becking, ZHR 175 (2011), 597; Weller, ZHR 175 (2011), 110. 21 Vgl. Weller, ZHR 175 (2011), 110, 120. 22 Vgl. dazu Mertens/Cahn, FS Heinsius, 1991, S. 545, 555; außerdem BGHZ 70, 331, 335 („Das Wettbewerbsverbot ist Ausfluss und notwendiger Bestandteil der Verpflichtung“ des Geschäftsführers). 19
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§ 6 Systematisierung der besonderen Regelungen
den Geschäftsherrn – bei entsprechender Vergütung des Interessenwahrers – gerichtet ist und der Interessenwahrer für den Geschäftsherrn geschäftliche Entscheidungen mit Außenwirkung treffen kann. Die Eingriffsintensität von Wettbewerbsverboten ist geringer als die von Inhabilitätsvorschriften, weil erstere im Gegensatz zu letzteren nur für Teilbereiche die Abstandnahme anordnen und zudem regelmäßig abdingbar sind. Daran zeigt sich, dass die gesetzlichen Regelungen den Interessenkonflikt aufgrund geschäftlicher Konkurrenz als weniger gravierend einstufen als den Konflikt des Richters in eigener Sache, der im Fall des Aufsichtsrats oder des Abschlussprüfers zu einer Inhabilität führt.
5.) Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen Das berufsrechtliche Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen 23 knüpft an den „Interessenwiderstreit“, einen qualifizierten Interessenkonflikt, an. Bei diesem sind die Interessen der zu Vertretenden kontradiktorisch aufeinander bezogen, also unmittelbar darauf gerichtet, das jeweils andere Interesse auszuschließen.24 Im Fall eines solchen – qualifizierten – Interessenkonflikts hat der jeweilige Berufsträger das Mandat niederzulegen bzw. es gar nicht erst zu übernehmen. Damit ist dieses Verbot im Hinblick auf seine Wirkungen für den Interessenwahrer mit Inhabilitätsvorschriften vergleichbar. Denn es verhindert präventiv die Übernahme der Interessenwahrung insgesamt und beschränkt nicht lediglich den Handlungsspielraum des Interessenwahrers im Rahmen eines übernommenen Mandats. Dabei spielt neben der besonderen Intensität dieses Konflikts auch der Schutz des Vertrauens des Geschäftsherrn in den Interessenwahrer und der Öffentlichkeit in die Zuverlässigkeit der Gesamtheit der jeweiligen Berufsträger eine wesentliche Rolle. Denn in den jeweiligen Fällen, insbesondere der rechtlichen Vertretung, ist der Geschäftsherr ganz besonders auf den Interessenwahrer angewiesen. Denn die rechtliche Auseinandersetzung stellt die stärkste Form der Konfrontation bei Konflikten dar, die in einem Rechtsstaat zulässig ist, sodass einem Interessenwahrer in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige Rolle zukommt. Da es sich bei diesem Verbot um eine berufsrechtliche Regelung handelt, setzt dessen Anwendung außerdem voraus, dass der verbotene Loyalitätskonflikt durch berufliches Handeln herbeigeführt wird.
Dazu § 12. Dazu § 1 II.4.)d).
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III. Konfliktvermeidung
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6.) Inhabilitätsvorschriften und Eignungsprüfungen Den stärksten Eingriff in die Freiheit des Interessenwahrers nehmen Inhabilitäts- und Inkompatibiltätsvorschriften vor.25 Bei ihnen handelt es sich um präventive Regelungen, denn die mit der Regelung ins Auge gefassten Interessenkonflikte werden von vornherein komplett ausgeschlossen. Inhabilitätsvorschriften bestimmen, dass ein möglicher Interessenwahrer in bestimmten Situationen ein Interessenwahrungsverhältnis nicht eingehen kann. Da sie zwei (oder mehr) Positionen für miteinander unvereinbar erklären, handelt es sich bei ihnen um Statusregelungen. Mit der Anknüpfung an den Status bzw. Positionen, die als miteinander unvereinbar erklärt werden, stellen Inhabilitätsregelungen auf abstrakte Interessenkonflikte ab.26 Darauf, ob im konkreten Fall ein Interessenkonflikt vorliegt, kommt es daher nicht an. Aufgrund ihrer extrem beschränkenden Wirkung kommen sie nur in besonderen Situationen und bei dauerhaften Interessenkonflikten in Betracht, die besonders gravierend sind. Solche besonderen Situationen sind insbesondere27 Konstellationen, in denen der Interessenwahrer eine Überwachung- oder Prüfungsaufgabe übernehmen soll und in diesem Zusammenhang in einen Interessenkonflikt geraten könnte. Es geht dabei vor allem um Interessenkonflikte wegen Richtens in eigener Sache. Wer etwa Aufsichtsratsmitglied in einer Gesellschaft ist, darf nach § 105 Abs. 1 AktG nicht zugleich als Vorstand dieser Gesellschaft tätig sein, und der Abschlussprüfer wird für inhabil erklärt, wenn die Besorgnis besteht, er könne befangen sein, vgl. §§ 319 Abs. 2 und Abs. 3, 319a HGB. Im Fall gerichtlich zu bestellender Interessenwahrer wird die Frage einer möglichen Inhabilität regelmäßig im Rahmen von Eignungsprüfungen untersucht.28 Denn bei der dem Gericht obliegenden Prüfung, ob der Betroffene ausreichend geeignet ist, muss dieses auch untersuchen, ob möglicherweise Interessenkonflikte des Betroffenen gegen dessen Bestellung sprechen. Vergleichbares gilt im Fall des Aufsichtsrechts, wenn eine Aufsichtsbehörde die Zuverlässigkeit einer Person überprüfen muss, wie etwa die BaFin nach dem KWG die Zuverlässigkeit von Geschäftsleitern.29
Dazu § 13 I. Siehe dazu auch die Ausführungen zur Unabhängigkeit in § 4 III. 4.). 27 Aber nicht nur, wie sich am Alleinerben zeigt, der nicht Testamentsvollstrecker sein können soll. Dazu RGZ 77, 177; Staudinger/Reimann, BGB, 2012, § 2197 Rdnr. 53; Löhnig, Treuhand, 2006, S. 4 41. Anders aber BGH ZEV 2005, 204, wonach der Alleinerbe dann Testamentsvollstrecker sein kann, wenn sich die Testamentsvollstreckung auf die sofortige Erfüllung eines Vermächtnisses beschränkt und das Nachlassgericht bei groben Pflichtverletzungen einen anderen Testamentsvollstrecker bestimmen kann. 28 Dazu § 13 II. 29 Dazu § 13 III. 25 26
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§ 6 Systematisierung der besonderen Regelungen
7.) Außerdem: Selbstablehnungsrecht wegen Interessenkonflikts Sofern das Interessenwahrungsverhältnis nicht vom Geschäftsherrn und Interessenwahrer gemeinsam (vertraglich) begründet wird, sondern letzterer von einem Dritten, insbesondere einem Gericht, als Interessenwahrer bestellt wird, kann die Möglichkeit einer Selbstablehnung bestehen.30 Dieses ergibt sich insbesondere aus einer entsprechenden Anwendung von § 663 Satz 1 BGB. Auf diese Weise wird ein gewisser Gleichlauf mit vertraglichen Vereinbarungen von Interessenwahrungsverhältnissen erreicht. Denn bei diesen hätte der potentielle Interessenwahrer die Möglichkeit gehabt, das Interessenwahrungsverhältnis gar nicht erst einzugehen. Entsprechend zeigt sich die besondere Schutzfunktion des Selbstablehnungsrechts vor allem bei Konflikten geringerer Intensität.31 Hierzu gehören etwa emotionale Konflikte, die entstehen, weil der Betroffene, der bestimmte Interessen zu wahren hat, gleichzeitig Rücksicht auf gegensätzliche Interessen eines Dritten nehmen möchte. Solche Konflikte werden von anderen Regelungen regelmäßig nicht erfasst, weil sie entweder aus einer objektiv-normativen Perspektive keinen verlässlichen Anschein eines regelungsbedürftigen Konflikts begründen32 oder aber es nicht möglich ist, einen ausreichend abstrakten und zugleich abgrenzbaren und genauen gesetzlichen Tatbestand zu formulieren, um diese Konflikte zu erfassen. Ein Selbstablehnungsrecht hat etwa der Rechtsanwalt,33 ebenso – in begrenztem Umfang – der Insolvenzverwalter. Anders als das englische Insolvenzrecht34 sieht das deutsche Insolvenzrecht zwar kein ausdrückliches Selbstablehnungsrecht des Insolvenzverwalters vor. Aber der vom Gericht zum Verwalter Ernannte kann das Amt bis zum Zeitpunkt der Annahme ablehnen, ohne dafür bestimmte Gründe angeben zu müssen.35 Nach einer ausdrücklich oder konkludent erklärten Annahme ist dem Verwalter eine selbstbestimmte Amtsniederlegung dann allerdings nicht mehr möglich. Dies wird durch § 59 InsO verhindert, aus dem abgeleitet werden kann, dass – mit Ausnahme von §§ 56a Abs. 3, 57 InsO – eine Amtsentlassung ohne Einschaltung des Insolvenzgerichts unzulässig ist.36 30 Für den Vormund besteht dies nur eingeschränkt, §§ 1785 f. BGB. § 1785 gilt wegen § 1981 Abs. 3 BGB aber nicht für den Nachlassverwalter. 31 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 228. 32 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 228. 33 BVerfG NJW 2003, 2520, 2521. 34 So sieht etwa Insolvency Act 1986, Sch. B1, para 87 i.V.m. Insolvency Rules 1986, r. 2.119(1)(b) für den Fall eines Interessenkonflikts ein Rücktrittsrecht für den administrator vor. 35 Vgl. dazu RegE InsO, BT-Drs. 12/2443, S. 127 (keine Pflicht zur Annahme); Jaeger/ Gerhardt, InsO, § 56 Rdnr. 31. Das Verwalteramt beginnt erst mit der Annahme des Amtes durch ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung gegenüber dem Insolvenzgericht, nicht bereits mit der Ernennung. Vgl. dazu Jaeger/Gerhardt, InsO, § 56 Rdnr. 30; Laukemann, Unabhängigkeit, S. 229. 36 RegE, InsO, BT-Drs. 12/2443, S. 128; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO § 59 Rdnr. 15;
III. Konfliktvermeidung
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8.) Grenzen von Konfliktvermeidungspflichten Interessenkonflikte lassen sich dann vollständig vermeiden, wenn der Interessenwahrer von dem konfliktbelasteten Geschäft Abstand nimmt. Damit ist die Abstandnahme von einem solchen Geschäft die am besten geeignete Maßnahme, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Aus praktischer, ökonomischer und (grund-)rechtlicher Perspektive kommt sie jedoch nicht in jedem Fall in Frage.37 Denn sie bedeutet eine große, oftmals übermäßige, Beschränkung des betroffenen Interessenwahrers und ist nicht immer im Interesse des Geschäftsherrn. So wäre etwa im Fall eines Intermediärs, der auf den Ausgleich verschiedener (Kunden-)Fremdinteressen hinwirken soll, eine Pflicht zur Abstandnahme bei Kollision verschiedener (Kunden-)Fremdinteressen – insbesondere wenn sie sich auf unterschiedlichen Marktseiten befinden – mit dessen Funktion als Intermediär nicht vereinbar. Denn es ist gerade seine Funktion, zwischen den Parteien zu stehen und sich um einen angemessen Interessenausgleich zu bemühen. Beispiel hierfür ist die Emission von Finanzinstrumenten, bei denen die emittierenden Unternehmen gerne einen hohen Verkaufs-, die Anleger jedoch einen niedrigen Kaufpreis erzielen möchten. Eine Aufspaltung der Intermediärsstellung in zwei verschiedene Interessenwahrer würde dieses Problem zwar lösen, aber sie verringert in der Regel die Effizienz der Zuteilung und führt damit zu anderen Nachteilen. Denn für den einen Geschäftsherrn (hier das Unternehmen, das den Anlegern oft unbekannt ist) spielt die Reputation des Interessenwahrers (hier der Bank) bei den anderen Geschäftsherren (hier den Anlegern) eine wichtige Rolle, die er für seine Zwecke (etwa eine Emission von Finanzinstrumenten) nutzen möchte. Von der Reputation hängt unter anderem ab, wie gut und schnell der Interessenwahrer diesen Zweck erreichen kann, also etwa wie schnell die Bank die Finanzinstrumente an die Anleger vermitteln kann. Eigene Kunden der Bank, die aufgrund der Aufnahme ihrer Kontobeziehung ihrem Vertrauen in die Bank Ausdruck verliehen haben, spielen dabei eine wichtige Rolle. Denn bei diesen kann die Bank emittierte Finanzinstrumente besonders schnell und kostengünstig platzieren, zum einen wegen deren Vertrauen und zum anderen wegen der in diesem Fall vergleichsweise niedrigen Transaktionskosten.
dazu auch Jaeger/Gerhardt, InsO, § 56 Rdnr. 75; Laukemann, Unabhängigkeit, S. 229 f. Der Verwalter kann aber nach seiner Ernennung jederzeit einen Antrag auf Entlassung stellen, vgl. § 59 Abs. 1 Satz 2 InsO. 37 Vgl. Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 60.
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§ 6 Systematisierung der besonderen Regelungen
IV. Konfliktlösung Regelungen zur Konfliktlösung sind dann von Bedeutung, wenn ein Konflikt bereits entstanden ist. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn es für die jeweilige Situation keine präventiven Regelungen gibt (oder in Ausnahmefällen, weil diese nicht beachtet wurden). In der Regel geht es somit um punktuelle Interessenkonflikte in Einzelfällen oder solche, die notwendig im Geschäftsmodell des Interessenwahrers angelegt sind38 und sich nicht vermeiden lassen – nicht zuletzt weil die Geschäftsherren auf die Dienstleistung des Interessenwahrers angewiesen sind. In diesen Fällen bedarf es besonderer Regelungen, wie mit dem jeweiligen Konflikt umzugehen ist. Da es sich regelmäßig um (u. U. wechselnde) Einzelsituationen handelt, kommt es auf das Vorliegen eines konkreten (materiellen) Konflikts an. Die wichtigsten Konfliktlösungsregelungen sind – geordnet nach der zunehmenden Intensität ihres Eingriffs in die Handlungsfreiheit des Interessenwahrers: formale Konfliktlösungsprinzipien und Rangbestimmungen, die Geschäftschancenlehre, Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen und die Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses.
1.) Formale Konfliktlösungsprinzipien und Rangbestimmungen Formale Konfliktlösungsprinzipien oder Rangbestimmungen, wie z. B. das Prioritätsprinzip, legen im Fall mehrerer zu wahrender Fremdinteressen, deren Kollision sich aufgrund des zulässigerweise gewählten Geschäftsmodells nicht vermeiden lässt, fest, in welcher Reihenfolge diese zu wahren bzw. zu befriedigen sind.39 Geht es ausschließlich um Fremdinteressen, reicht dies häufig aus, um eine angemessene Balance der Interessenwahrungspflichten gegenüber den verschiedenen Geschäftsherren sicherzustellen. Sofern sich die verschiedenen Fremdinteressen allerdings nicht in eine Rangfolge bringen lassen, etwa weil sich der Interessenwahrer vertraglich zu einer Gleichbehandlung verpflichtet hat oder Interessenwahrungspflichten im gleichen Zeitpunkt entstehen, müssen die Interessen gleich behandelt werden. Anderes gilt in beiden Fällen, sobald Eigeninteressen des Interessenwahrers hinzukommen, sei es, dass sich dieser von einem der Kunden eine profitablere Kundenbeziehung verspricht, sei es, dass er mit einem der Kunden verwandt oder in anderer Weise verbunden ist.40 In diesen Fällen müssen zusätzliche Kontrollen vorgesehen werden. Sind die Eigeninteressen des Interessenwahrers hingegen unmittelbar involviert, z. B. 38 Dies ist etwa bei als Kommissionär tätigen Banken am Kapitalmarkt der Fall, die aufgrund ihres Geschäftsmodells Wertpapieraufträge für zahlreiche Kunden ausführen müssen. 39 Dazu § 14. 40 Koller, FS Piper, 1996, S. 899, 917.
IV. Konfliktlösung
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bei Eigengeschäften des Interessenwahrers, müssen diese jedoch immer hinter den Interessen des Geschäftsherrn zurückstehen.
2.) Geschäftschancenlehre Das Pendant zum Wettbewerbsverbot bei konkreten, lediglich punktuellen Interessenkonflikten ist das Verbot, Geschäftschancen des Geschäftsherrn an sich zu ziehen.41 Die Geschäftschancenlehre hat sich vor allem im Gesellschaftsrecht entwickelt, lässt sich aber verallgemeinern. Bei ihr handelt es sich um eine Regelung zur Auflösung von Interessenkonflikten, die entstehen, wenn ein Interessenwahrer mit seinem Geschäftsherrn um Gelegenheiten zum Geschäftsabschluss konkurriert. Anders als bei Wettbewerbsverboten geht es dabei regelmäßig um ein bestimmtes einzelnes Geschäft.
3.) Stimm- und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen Übernimmt nicht nur ein einzelner die Interessenwahrung für einen anderen, sondern sind mehrere Interessenwahrer gleichzeitig mit dieser Aufgabe betraut und handeln sie dabei gemeinsam im Rahmen eines Gremiums, können Interessenkonflikte einzelner Gremiumsmitglieder Auswirkungen auf die Entscheidungen des gesamten Gremiums haben. Beispiele für solche Gremien von Interessenwahrern sind der Aufsichtsrat bei Gesellschaften oder der Gläubigerausschuss im Fall von Insolvenzen. In diesen Fällen müssen besondere Regelungen gelten, die die Entscheidungsfähigkeit des Gesamtgremiums erhalten, gleichzeitig aber die Auswirkungen der Interessenkonflikte der Einzelnen begrenzen. In der Regel wird dies dadurch erzielt, dass der von einem Interessenkonflikt Betroffene an der Entscheidung bzw. der Abstimmung nicht teilnehmen darf.42 Die aus der Interessenwahrungspflicht fließende Pflicht zur Abstandnahme konkretisiert sich hier zu einem Stimmverbot für den Betroffenen.43 In besonderen Fällen kann der betroffene Interessenwahrer sogar dazu verpflichtet sein, einer Sitzung insgesamt fernzubleiben.44 Stimmverbote eignen sich allerdings nur als Maßnahme für punktuelle Konflikte, die eine bestimmte zur Abstimmung stehende Entscheidung betreffen. Für dauerhafte Konflikte eignen sie sich dagegen nicht. Denn fortgesetzte Stimmverbote würden dazu führen, dass das jeweilige Gremiumsmitglied seine 41 Vgl. Kort, ZIP 2008, 717, 719 („Zwillingsschwester“). Monographisch zur Geschäftschancenlehre insb. Polley, Wettbewerbsverbot, passim; Reinhardt, Interessenkonflikte, passim; Schuhknecht, Schranken, passim; Weisser, Corporate Opportunities, passim. Zum Verbot, Geschäftschancen an sich zu ziehen, § 15. 42 Dazu § 16. 43 Siehe z. B. § 34 BGB. 44 KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl., 1996, § 109 Rdnr. 8 ; Hopt, ZGR 2002, 333, 371 f. (für Übernahmefälle). Dazu § 16 VIII.
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§ 6 Systematisierung der besonderen Regelungen
Aufgabe im Gremium nicht mehr wahrnehmen könnte, gleichzeitig aber sein Platz auch nicht mit einem nichtbelasteten neuen Mitglied neu besetzt werden kann. Gegenüber der vollständigen Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses haben Stimmverbote den Vorteil, dass sie nicht zu einer dauerhaften Trennung von dem betroffenen Aufsichtsratsmitglied führen, was im Fall eines lediglich punktuellen Konflikts regelmäßig keine angemessene Reaktion gegenüber dem Betroffenen, aber auch nicht im Interesse des Geschäftsherrn wäre. Anders als andere Konfliktlösungsmaßnahmen knüpfen Stimmverbote jedoch nicht konkret, sondern abstrakt an. Dies ist mit der besonderen Situation in Gremien zu erklären, bei denen Stimmverbote Rückwirkungen auf die Wirksamkeit der gefassten Beschlüsse haben können. Müsste ein Interessenkonflikt immer konkret nachgewiesen werden, würde die Tätigkeit des Gremiums erheblich behindert und ihre Funktionsfähigkeit stark eingeschränkt werden.
4.) Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses Gerät der Interessenwahrer im Rahmen eines bestehenden Interessenwahrungsverhältnisses in einen gravierenden, konkreten Interessenkonflikt und kann insbesondere dem Geschäftsherrn dessen Fortsetzung nicht mehr zugemutet werden, ist das Interessenwahrungsverhältnis zu beenden.45 Dies kann etwa bei sog. Pflichtenkollisionen eintreten, wenn der Interessenwahrer wegen der oft weitgehenden Unbestimmtheit der Pflichten plötzlich in eine Situation gerät, in der er Pflichten gegenüber verschiedenen Geschäftsherren zu erfüllen hat, die sich gegenseitig ausschließen. Kann dem Geschäftsherrn nicht zugemutet werden, dass der Interessenwahrer eigenmächtig darüber entscheidet, ob und welche der kollidierenden Pflichten er erfüllt und welche er verletzt, muss der Interessenwahrer in der Regel seine Tätigkeit beenden und das Interessenwahrungsverhältnis auflösen. Diese Pflicht stellt im Vergleich zu den übrigen Konfliktlösungsregelungen den stärksten Eingriff in die Handlungsfreiheit des Interessenwahrers dar. Denn sie betrifft das gesamte Interessenwahrungsverhältnis und nicht lediglich Teile davon und nimmt dem Interessenwahrer auch jeglichen Entscheidungsfreiraum. Sie korrespondiert insofern mit den konfliktvermeidenden Regelungen zur Inhabilität und dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen. Daher sind die zugrunde liegenden Voraussetzungen im Hinblick auf die Art und Intensität des Konflikts sowie seine Auswirkungen vergleichbar. Im Unterschied zu den präventiven Regelungen, die abstrakt anknüpfen, geht es bei der Pflicht zur Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses jedoch um konkrete Konflikte. Die Konfliktsituation tritt hier erst später ein und war vorher noch nicht (potentiell) angelegt, sodass die präventiven Regelungen noch nicht Dazu § 17.
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V. Sanktionen und Gewinnabschöpfung
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greifen konnten. Zudem kann eine Konfliktsituation, die eine weitere vertrauensvolle Interessenwahrung unmöglich werden lässt, auch dort entstehen, wo das Gesetz keine präventiven Inhabilitätsregelungen vorsieht. Insofern geht der Anwendungsbereich der Regelungen zur Beendigung von Interessenwahrungsverhältnissen über denjenigen von Inhabilitätsvorschriften hinaus.
V. Sanktionen und Gewinnabschöpfung Um die genannten Pflichten durchzusetzen und ihre Nichtbeachtung zu ahnden, sehen die gesetzlichen Regelungen unterschiedliche Sanktionen vor: 46 An erster Stelle steht regelmäßig der Schadensersatz: So ist etwa ein Vertreter, der ein nach § 181 BGB unzulässiges Insichgeschäft vornimmt und damit seine Vertretungsmacht überschreitet,47 dem anderen Teil nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadensersatz verpflichtet, §§ 181, 177, 179 BGB, wenn der Vertretene das Geschäft nicht genehmigt.48 Des Weiteren sieht das Gesetz in vielen Fällen besondere Sanktionen vor: So verwirkt etwa der eine treuwidrige Doppeltätigkeit ausübende Makler nach § 654 BGB seinen Lohnanspruch. Ein Verstoß gegen ein Stimmrechtsverbot im Aufsichtsrat führt zur Nichtigkeit der Stimme des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds.49 Dies kann sogar auf den Beschluss durchschlagen, wenn ohne diese Stimme das Beschlussergebnis nicht zustande gekommen wäre.50 Für berufsmäßige Interessenwahrer gibt es schließlich noch eine Reihe öffentlichrechtlicher und strafrechtlicher Sanktionen, wie die Untreue nach § 266 StGB oder Tätigkeits- und Berufsverbote. 51 Ein besonderes Mittel zur Durchsetzung von Interessenkonfliktregelungen ist die Gewinnabschöpfung: 52 Interessenwahrer müssen Zahlungen, die sie unter Verletzung ihrer Pflichten zum Umgang mit Interessenkonflikten erhalten haben, dem Geschäftsherrn herausgeben.53 In ihrer ex-post Wirkung führt Zu Sanktionen § 18. Siehe dazu nur Palandt/Ellenberger, BGB, § 181 Rdnr. 15. 48 Beispiele für Schadensersatznormen, die der Durchsetzung von Interessenkonfliktsregelungen dienen, sind z. B. §§ 88 Abs. 2 Satz 1, 93 Abs. 2 Satz 1, 93 Abs. 3 Nr. 8 AktG. 49 Siehe hier nur Möllers, in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb Corporate Governance, S. 423, 440. 50 Zu den Auswirkungen von Stimmverboten auf Beschlüsse § 16 IX.3.). Stv. RGZ 106, 258. 263; Hüffer, AktG, § 108 Rdnr. 17; KölnKommAktG/Mertens, 2. Aufl., 1996, § 108 Rdnr. 74. 51 Siehe z. B. auch § 404 Abs. 2 AktG, §§ 14, 38 WpHG. Zu Tätigkeitsverboten z. B. § 36 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 35 Abs. 2 Nr. 6 KWG, zu Berufsverboten § 70 StGB sowie § 132a StPO. 52 Dazu § 19. 53 Hopt, ZGR 2004, 1, 48 m.w.N. Für Anreizzahlungen Dritter an Finanzintermediäre auf dem Kapitalmarkt siehe Art. 26 der Richtlinie 2006/73/EG der Kommission vom 10. August 2006, ABlEU 2006 Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 26, in Konkretisierung von Art. 19 Abs. 1 MiFID. 46 47
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§ 6 Systematisierung der besonderen Regelungen
die Gewinnabschöpfung dazu, dass dem Interessenwahrer, der seine Pflicht verletzt hat, der unrechtmäßige Gewinn entzogen und der Geschäftsherr damit für die Schädigung seiner Interessen kompensiert wird. In ihrer ex-ante Wirkung kann sie dafür sorgen, dass ein Interessenkonflikt gar nicht erst entsteht. Denn wird der zu erlangende Vorteil gleich wieder entzogen, kann er auf den Interessenwahrer keinen Anreiz mehr ausüben.
VI. Zusammenfassung Die allgemeinen Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten, die Interessenwahrungspflicht und das Unabhängigkeitserfordernis konkretisieren sich in besondere Regelungen. Diese Regelungen können übergeordnet in die Kategorien Konfliktoffenlegung, Konfliktvermeidung und Konfliktlösung eingeordnet werden. Die Konfliktoffenlegung stellt einen allgemeinen Rechtsgrundsatz dar, wonach jeder mögliche oder auch eingetretene Konflikt vom Interessenwahrer dem Geschäftsherrn gegenüber offenbart werden muss. Dies ermöglicht dem Geschäftsherrn zum einen, seine Interessen selbst zu schützen, zum anderen, eventuelle Ansprüche aufgrund eines pflichtwidrig gelösten Konflikts gegen den Interessenwahrer geltend zu machen und durchzusetzen. Die konfliktvermeidenden Regelungen dienen dem präventiven Schutz vor Konflikten und knüpfen daher an den abstrakten Interessenkonflikt an. Demgegenüber dienen konfliktlösende Regelungen dazu, einen bereits eingetretenen Konflikt zu lösen, sie knüpfen daher an den konkreten Interessenkonflikt an. Beide Arten von Regelungen konkretisieren sich je nach Art, Dauer, Intensität und Auswirkungen des jeweils geregelten Konflikts in unterschiedliche besondere Regelungen. Bei den konfliktvermeidenden Regelungen sind dies insbesondere – geordnet nach der steigenden Intensität des Eingriffs: Organisationspflichten, Beschränkungen des Handlungsspielraums, die vorübergehende Ersetzung des Interessenwahrers, Wettbewerbsverbote, das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen und Inhabilitätsvorschriften. Bei den konfliktlösenden Regelungen sind dies – weitgehend korrespondierend mit den besonderen Regelungen zur Konfliktvermeidung: formale Konfliktlösungsprinzipien und Rangbestimmungen, die Geschäftschancenlehre, Stimm– und Teilnahmeverbote bei Gremienentscheidungen und die Beendigung des Interessenwahrungsverhältnisses. Zur Durchsetzung dieser Regelungen in Bezug auf Interessenkonflikte gibt es verschiedene gesetzliche Sanktionen sowie das Mittel der Gewinnabschöpfung.
Abschnitt 1: Konfliktoffenlegung
§ 7 Anzeige- und Offenlegungspflichten I. Einleitung Offenlegungspflichten gehören zum Kern der Interessenwahrungspflicht. Sie stellen ein flexibles Instrument für den Umgang mit Interessenkonflikten dar und wirken weniger einschneidend als strikte Verbote, die sie entwicklungsgeschichtlich abgelöst haben.1 Zugleich bilden sie die Grundlage für weitere Pflichten, wie etwa im Gesellschaftsrecht, wo sie den Genehmigungserfordernissen durch den Aufsichtsrat oder die Hauptversammlung vorgelagert sind.2 Auch Herausgabepflichten – wie etwa im Hinblick auf im Zuge der Geschäftsbesorgung Erlangtes – lassen sich nur durchsetzen, wenn der Geschäftsherr entsprechende Kenntnis hat.3
II. Grundsatz und Zweck von Anzeige- und Offenlegungspflichten Die Pflicht zur Offenlegung verlangt von einem Interessenwahrer, dass er In teressenkonflikte, denen er unterliegt oder die sich abzeichnen, gegenüber seinem (auch zukünftigen) Geschäftsherrn4 unverzüglich, vollumfänglich und wahrheitsgemäß offenlegt. 5 Dies gilt insbesondere dann, wenn der Konflikt nach objektiven Gesichtspunkten die Gefahr eines pflichtwidrigen Verhaltens begründet.6 Es gilt aber auch für konkrete Interessenkonflikte, die Dritte von außen nicht wahrnehmen können. Hopt, ZGR 2004, 1, 25. Hopt, ZGR 2004, 1, 25. 3 Dazu unten § 19. 4 Zu Abweichungen kommt es etwa beim Aufsichtsrat oder bei gerichtlich bestellten Interessenwahrern. In diesen Fällen kann entweder der eigentliche „Geschäftsherr“ nicht über die Aufnahme bzw. Fortsetzung des Interessenwahrungsverhältnisses entscheiden oder es müsste ein unzumutbar hoher Aufwand betrieben werden. 5 BGHZ 78, 263, 268; 114, 87; 146, 235; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rdnr. 39; GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 164 (Aufsichtsrat); allgemein zu Interessenverwahrern Hopt, ZGR 2004, 1, 25. Außerdem bereits Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 446 f.; hinsichtlich des Insolvenzverwalters z. B. BGHZ 113, 262, 276; Laukemann, Unabhängigkeit, S. 211; Preuß, Zivilrechtspflege, S. 361. 6 Vgl. BGHZ 78, 263, 268; 114, 87; 146, 235; BGH NJW 1983, 1847, 1848; 2001, 1065, 1067; allgemein zu Interessenwahrern Hopt, ZGR 2004, 1, 25 ff. 1 2
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§ 7 Anzeige- und Offenlegungspflichten
Dieser Offenlegungspflicht liegt der Gedanke zugrunde, dass sich jemand, der über einen Interessenkonflikt seines Vertragspartners aufgeklärt worden ist, selbst ausreichend schützen kann.7 Die Offenlegung ermöglicht es ihm zu entscheiden, ob er in der jeweiligen Situation seine Interessen der Gefahr dieses Interessenkonflikts aussetzen möchte oder nicht. So kann etwa der Ratsuchende im Fall einer Beratung besser beurteilen, ob ein Rat, eine Anlageempfehlung oder eine Handlung des Beraters allein in seinem Interesse erfolgt oder eher im Interesse des Beraters.8 Damit wird die Interessenwahrung – zumindest teilweise – auf den Beratenen bzw. den Geschäftsherrn zurückverlagert. Ohne die Offenlegung ist ein solcher Selbstschutz regelmäßig nicht möglich. Denn eine entsprechende Entscheidung kann der Geschäftsherr nur treffen, wenn ihm ausreichend Informationen über die Interessen des Interessenwahrers und den Konflikt vorliegen. Ohne Offenlegung durch den Interessenwahrer ist dies aber regelmäßig nicht der Fall, weil dem Geschäftsherrn der entsprechende Einblick fehlt und er den Interessenwahrer auch nicht umfänglich überwachen kann. Diese asymmetrische Informationslage9 zwischen dem Geschäftsherrn und dem Interessenwahrer führt zu der Gefahr, dass der Interessenwahrer einen Interessenkonflikt zu Lasten des Geschäftsherrn auflöst und eine (unentdeckt bleibende) Pflichtverletzung begeht. Die Offenlegungspflicht dient daher der Überwindung dieser Informationsasymmetrie. Hat der Geschäftsherr Kenntnis von einem Interessenkonflikt des Interessenwahrers, sind die vormals unterschiedlichen Informationsniveaus in dieser Hinsicht (weitgehend) angeglichen und der Geschäftsherr kann informiert entscheiden, ob und wie er seine Interessen schützen möchte. Eine teilweise Rückverlagerung der Interessenwahrung auf den Geschäftsherrn bedeutet jedoch nicht, dass die Offenlegungspflicht – im Fall der Aufnahme bzw. Fortsetzung des Interessenwahrungsverhältnisses – andere weitergehende, die Interessenwahrungspflicht konkretisierende Pflichten verdrängt.10 Denn Offenlegungspflichten dienen weder dazu, einen Interessenkonflikt ganz zu vermeiden, noch dazu, ihn abzuschwächen.11 Ersteres ließe sich nur zuwege bringen, wenn der Betroffene von dem Geschäft vollständig Abstand nimmt, eine Offenlegung alleine reicht dafür nicht aus. Letzteres, d. h. eine Abschwächung des Konflikts, lässt sich mittels einer Offenlegung nicht erreichen, weil 7 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31d Rdnr. 36; Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 66. 8 Bzgl. Rückvergütungen BGHZ 170, 226 (aus dem Leitsatz). Zu Rückvergütungen siehe insb. noch § 7 III.1.)c.)(v), § 7 III.4.)b.) und § 19 V. Krit. zu den gegenwärtig bestehenden Informationspflichten allgemein Koller, FS Huber, 2006, S. 821, 823 ff. Zum Zweck bankrechtlicher Aufklärungs- und Beratungspflichten Lang, Informationspflichten, § 2 Rdnr. 3 ff 9 Zur Informationsasymmetrie Fleischer, Informationsasymmetrie, passim. 10 So hinsichtlich einer Abstandnahme im Fall von § 31 WpHG KölnKommWpHG/Möllers, § 31 Rdnr. 157. 11 Für letzteres aber etwa Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 51.
III. Rechtsgrundlage der Offenlegungspflicht
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die Kenntnis eines anderen (des Geschäftsherrn) von einem Interessenkonflikt die Intensität des Konflikts nicht oder höchstens geringfügig beeinflusst.
III. Rechtsgrundlage der Offenlegungspflicht 1.) Offenlegungspflicht vertraglicher Interessenwahrer a.) § 666 Fall 1 BGB als allgemeine Rechtsgrundlage Im Rahmen des Vertragsrechts hat die Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten ihre allgemeine Rechtsgrundlage in § 666 Fall 1 BGB. Aufgrund der gesetzlichen Verweisung in § 675 Abs. 1 BGB lassen sich die Offenlegungspflichten aller geschäftsbesorgerisch tätigen vertraglichen Interessenwahrer auf diese Vorschrift zurückführen.12 Nach § 666 Fall 1 BGB ist der Interessenwahrer verpflichtet, dem Geschäftsherrn „die erforderlichen Nachrichten zu geben“, d. h. er hat unaufgefordert alle Informationen mitzuteilen, die der Geschäftsherr nicht kennt und die er benötigt, um „seine Rechte wahrnehmen, Pflichten erfüllen und sachgerechte Entscheidungen treffen“ zu können.13 Da der Interessenwahrer im Interesse des Geschäftsherrn tätig wird, bleibt dieser „Herr des Geschäfts“14 und muss „jederzeit die Kontrolle über den Auftragsvollzug behalten, um etwa korrigierend eingreifen und weitere Dispositionen treffen zu können“.15 Diese Pflicht entspringt der Interessenwahrungspflicht des Beauftragten bzw. Geschäftsbesorgers gegenüber dem Auftraggeber bzw. Geschäftsherrn.16 Die Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten ist eine besondere Form dieser Benachrichtigungspflicht, da sie den Kern des Interessenwahrungsverhältnisses betrifft, nämlich die Geeignetheit des Interessenwahrers zur Durchführung der Interessenwahrung. Interessenkonflikte beeinflussen regelmäßig die interessenwahrende Tätigkeit des Interessenwahrers unmittelbar und gefährden – abstrakt oder konkret – die Interessen des Geschäftsherrn. Dementsprechend sind diesbezügliche Informationen für alle Entscheidungen 12 Zudem finden sich Verweise auf § 666 BGB etwa in § 27 Abs. 3, § 713, § 2218 Abs. 1 BGB. 13 MünchKommBGB/Seiler, § 666 Rdnr. 5 : ähnl. Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 9 ; vgl. auch BGB NJW 2005, 1113, 1114; 1998, 680, 681; Soergel/Beuthin, BGB, § 666 Rdnr. 6 ; Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 5. Vgl. außerdem Huber, in: Lorenz, Karlsruher Forum 2000, S. 5 (zu Aufklärungspflichten vor Vertragsschluss); zum Schweizer Recht Abegglen, Aufklärungspflichten, S. 119. Für § 384 HGB Ehrenberg/Schmidt-Rimpler, Hdb des HandelsR, Bd. 5.1.1, S. 724. 14 BGH NJW 2007, 1528; Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 1. 15 Staudinger/Martinek BGB, § 666 Rdnr. 6; siehe auch Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 1. 16 Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 9 ; Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 6 ; Löhnig, Treuhand, S. 214. Vgl. dazu auch Mot. II, 537 = Mugdan II, S. 300.
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des Geschäftsherrn im Hinblick auf das Interessenwahrungsverhältnis von erheblicher Bedeutung. Daher ist auch eine Offenlegung von Interessenkonflikten gegenüber dem Geschäftsherrn immer „erforderlich“ im Sinne von § 666 Fall 1 BGB. Der Interessenwahrer hat somit den Geschäftsherrn über alle – auch nur möglichen – Interessenkonflikte zu unterrichten, die die Interessen des Geschäftsherrn berühren und deren Beeinträchtigung befürchten lassen.17 Von einer Offenlegung darf er nur absehen, wenn der jeweilige Konflikt bereits früher – etwa beim Vertragsschluss – offengelegt worden ist oder sich aus der Tätigkeit des Interessenwahrers üblicherweise18 ergibt,19 z. B. weil der Interessenwahrer auch für andere tätig ist und der Geschäftsherr dies weiß.20 Die Offenlegung hat ungefragt, ausreichend ausführlich, verständlich und unverzüglich zu erfolgen.21 b.) Im vorvertraglichen Verhältnis, §§ 311, 241 Abs. 2 BGB Wie bei anderen Verträgen auch führt die Aufnahme von Vertragsverhandlungen zwischen dem Interessenwahrer und dem Geschäftsherrn zu vorvertraglichen Rücksichtnahme- und Fürsorgepflichten, vgl. §§ 311 Abs. 2 , 241 Abs. 2 BGB.22 Diese Pflichten werden durch den Interessenwahrungscharakter des zu schließenden Interessenwahrungsvertrages bestimmt.23 Die solchermaßen geprägten Rücksichtnahme- und Fürsorgepflichten konkretisieren sich insbesondere in eine vorvertragliche Pflicht zur Aufklärung über Interessenkonflikte, sofern der Interessenwahrer den Vertragsschluss nicht ablehnt.24 Denn schon bei den Vertragsverhandlungen hat ein Geschäftsbesorger den Geschäftsherrn darüber zu informieren, wenn er das Geschäft nicht ausführen kann.25 Dabei ist grundsätzlich über alle bestehenden oder abzusehenden Interessenkonflikte aufzuklären, unabhängig davon, ob sie aus Sicht des Interes17 Vgl. BGHZ 78, 263, 268; 114, 87; 146, 235; BGH NJW 1983, 1847, 1848; NJW 2001, 1065,1067; Löhnig, Treuhand, S. 215. 18 Dies darf allerdings nicht missbräuchlich sein. 19 Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Krüger, HGB, § 384 Rdnr. 11; dazu auch Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 4 46; Löhnig, Treuhand, S. 216. 20 Beispielsweise im Wertpapierhandel der Banken. 21 Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 9; MünchKommBGB/Seiler, § 666 Rdnr. 5; Soergel/Beuthien, BGB, § 666 Rdnr. 6; GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 164 (Aufsichtsrat); Hopt, ZGR 2004, 1, 25. Siehe auch RGRK/Steffen, BGB, § 666 Rdnr. 4 ; § 666 Rdnr. 2 ; Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 6. 22 Etwa für die Kommission: BGHZ 8, 222, 235; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 384 Rdnr. 2 ; MünchKommHGB/Häuser, § 384 Rdnr. 19. 23 Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Krüger, HGB, § 384 Rdnr. 10; Löhnig, Treuhand, S. 221. 24 MünchKommHGB/Häuser, § 384 Rdnr. 19; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, § 384 Rdnr. 12. Z.B. für den Rechtsanwalt BGHZ 174, 186. 25 BGHZ 79, 337, 345; MünchKommHGB/Häuser, § 384 Rdnr. 19; vgl. auch Koller/ Roth/Morck/Roth, HGB, § 384 Rdnr. 7. Vgl. dazu auch BGH WM 1982, 862, 865 (Prospekt).
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senwahrers die Durchführung des Geschäfts gefährden oder nicht.26 Denn nur so kann der Geschäftsherr eine informierte Entscheidung darüber treffen, ob er seine Interessen für gut vertreten hält. Dem Interessenwahrer kann nicht die Entscheidung überlassen werden, ob er einen Konflikt für „aufklärungswürdig“ oder für so unerheblich hält, dass eine Aufklärung nicht nötig ist. Dies stützt sich auch auf verhaltensökonomische Befunde, wonach Selbsteinschätzungen – insbesondere wenn es um Interessenkonflikte geht – regelmäßig zu optimistisch ausfallen.27 Von einer Aufklärung absehen darf der Geschäftsbesorger28 nur bei solchen Interessenkonflikten, die sich üblicherweise aus seiner Tätigkeit ergeben 29 oder die der Geschäftsherr bereits kennt. c.) Besondere Regelungen (i) Offenlegung bei punktuellen Interessenwahrungsverhältnissen am Beispiel des Kommissionärs Für den Kommissionär enthält § 384 Abs. 2 1. Hs. HGB eine parallele Vorschrift zu § 666 Fall 1 BGB. Danach ist der Kommissionär dazu verpflichtet, „dem Kommittenten die erforderlichen Nachrichten zu geben“. Dies umfasst alle Informationen, die für den Kommittenten bezüglich des auszuführenden Geschäfts wichtig sind.30 Wichtig sind insbesondere auch Informationen über eine mögliche Beeinträchtigung des Kommissionärs durch Interessenkonflikte. Denn nur wenn der Kommittent Kenntnis von ihnen hat, kann er sein Weisungsrecht sachgerecht ausüben. Zum Teil wird die Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten allerdings auch der Interessenwahrungspflicht nach § 384 Abs. 1 2. Hs. HGB zugeordnet.31 Diese auf den ersten Blick andere dogmatische Verortung der Offenlegungspflicht, lässt sich mit einer Verortung in § 384 Abs. 2 1. Hs. HGB in Einklang bringen, wenn man berücksichtigt, dass es sich bei der Kommission um ein Interessenwahrungsverhältnis handelt. Bei Interessenwahrungsverhältnissen wird die Rechtsstellung des Interessenwahrers und damit auch alle ihn treffenden Pflichten von der Interessenwahrungspflicht geprägt. § 384 Abs. 1 2. Hs. HGB bringt diese Pflicht, die das Wesen des Interessenwahrungsverhältnis A.A. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Krüger, HGB, § 384 Rdnr. 11; wohl auch Schlegelberger/Hefermehl, HGB, § 384 Rdnr. 12. Kommt es hingegen zu keinem Konflikt, muss auch nicht aufgeklärt werden. So auch MünchKommHGB/Häuser, § 384 Rdnr. 19. 27 Dazu § 2 V.3.)c.) 28 Wie oben unter § 7 III.1.)a.). 29 Vgl. dazu Schlegelberger/Hefermehl, HGB, § 384 Rdnr. 12. Siehe außerdem die Nachweise in Fn. 19 in diesem Kapitel. 30 BGH WM 2002, 1687, 1689; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 384 Rdnr. 7; MünchKommHGB/Häuser, § 384 Rdnr. 23; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Krüger, HGB, § 384 Rdnr. 16; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, § 384 Rdnr. 23. 31 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 384 Rdnr. 1; MünchKommHGB/Häuser, § 384 Rdnr. 23; vgl. dazu auch Schlegelberger/Hefermehl, HGB, § 384 Rdnr. 12. 26
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ses „Kommission“ bestimmt, besonders zum Ausdruck. Sie prägt jedoch auch die anderen Pflichten und nimmt in diesen in unterschiedlicher Form Gestalt an. Sieht man daher § 384 Abs. 2 1. Hs. HGB als eine spezielle interessenwahrende Regelung an, so ist es dogmatisch genauer, die Offenlegungspflicht in dieser Norm zu verorten und nicht eine Stufe „höher“ bei der allgemeinen Vorschrift zur Interessenwahrung. (ii) Offenlegung bei dauerhaften Interessenwahrungsverhältnissen am Beispiel des Handelsvertreters Für den Handelsvertreter enthält § 86 Abs. 2 HGB eine zu § 666 Fall 1 BGB parallele Vorschrift zur Benachrichtigungspflicht. Diese konkretisiert die für die Tätigkeit des Handelsvertreters wesensbestimmende32 Interessenwahrungspflicht nach § 86 Abs. 1 2. Hs. HGB.33 Neben den danach mitzuteilenden Geschäftsabschlüssen und -vermittlungen hat der Handelsvertreter den Unternehmer über alles zu informieren, was für dessen Tätigkeit und dessen diesbezüglichen Entscheidungen unter objektiven Gesichtspunkten wichtig ist.34 Dazu gehören insbesondere auch Informationen über Interessenkonflikte des Handelsvertreters, weil diese die interessenwahrende Tätigkeit des Handelsvertreters und seine Ausführung von Weisungen des Unternehmers beeinträchtigen können. (iii) Herleitung der Offenlegungspflicht bei fehlender ausdrücklicher gesetzlicher Regelung am Beispiel des Maklers Eine Offenlegungspflicht im Hinblick auf Interessenkonflikte gilt auch für den (Handels-)Makler gegenüber seinen Kunden.35 Anders als in den vorangehend betrachteten Fällen ist diese jedoch nicht ausdrücklich gesetzlich statuiert. Da der Makler die Interessen seines Auftraggebers zu wahren hat36 bzw. im Fall der Doppeltätigkeit zu strenger Unparteilichkeit verpflichtet ist 37, muss er alle Umstände, insbesondere also Interessenkonflikte, offenlegen, die ihn hindern oder hindern könnten, seine Vertragspflicht zu erfüllen. Insbesondere die Doppeltätigkeit kann im Fall des Maklers zu Interessenkonflikten führen. Solange der Makler lediglich als Nachweismakler tätig ist, ist die Gefahr BGHZ 97, 317, 326; 112, 218, 222; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 20; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 385. 33 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 86 Rdnr. 22; Hopt, Handelsvertreterrecht, § 86 Rdnr. 22, 40 ff. 34 MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 86 Rdnr. 48; Löhnig, Treuhand, S. 218. 35 Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 93 Rdnr. 30. Das gilt insbesondere für die Doppeltätigkeit. Dazu Wingbermühle, MDR 1993, 820, 821 (ausdrücklicher Hinweis nötig sowie Erlaubnis des Interessenten). 36 Dazu § 3 IV.2.)b.)(ii)(1). 37 Zu letzterem insbesondere BGHZ 48, 344; 61, 17, 22; außerdem Baumbach/Hopt/ Roth, HGB, § 93 Rdnr. 33. 32
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einer Pflichtverletzung aufgrund eines möglichen Interessenkonflikts zwar regelmäßig gering. Wird er jedoch als Vermittlungsmakler tätig und wirkt er als solcher auf den Willen der Vertragsparteien ein, könnte ihn eine Doppeltätigkeit dazu veranlassen, seine Pflicht zur Unparteilichkeit zu verletzen.38 Die mit der Doppeltätigkeit verbundene Gefahr spiegelt sich in § 654 BGB. Danach darf ein Zivilmakler nur dann zugleich für den Geschäftsgegner seines Auftraggebers tätig werden, wenn dies nicht dem Vertrag mit seinem Auftraggeber widerspricht, andernfalls verwirkt er seinen Lohnanspruch.39 Die Offenlegungspflicht des Maklers ergibt sich daher für den Fall der Doppeltätigkeit (mittelbar) aus § 654 BGB. Denn der Makler kann der Sanktion des § 654 BGB, der Verwirkung des Lohnanspruchs, nur entgehen, wenn die Doppeltätigkeit Inhalt des Maklervertrags geworden ist. Das aber ist nur möglich, wenn der Makler sie dem Auftraggeber vor Vertragsschluss angezeigt hat. Eine Offenlegung schließt eine Verletzung der Interessen des Auftraggebers durch den Makler aus (siehe BGH NJW 2000, 3067). Mit der Rechtsprechung ist allerdings von einer Offenlegungspflicht abzusehen, wenn der Auftraggeber von der Doppeltätigkeit wusste oder eine solche in dem jeweiligen Fall „eindeutig erkennbar oder absehbar war“ oder eine solche üblich ist.40 Denn der Makler ist nicht verpflichtet, etwas mitzuteilen, bei dem er davon ausgehen kann, dass es der Auftraggeber ohnehin kennt.41 Der jeweilige Maklervertrag kann in diesem Fall eine konkludente Gestattung beinhalten. Eine solche ist anzunehmen, wenn der Auftraggeber den Maklervertrag in Kenntnis des Interessenkonflikts abschließt. Wie er diese Kenntnis erlangt hat, ob durch Offenlegung oder auf sonstige Weise, ist dabei unerheblich. Dies lässt sich auch mit dem Schutzzweck der Interessenwahrungs- bzw. der aus ihr entspringenden Offenlegungspflicht vereinbaren. Denn sobald der Geschäftsherr über den Interessenkonflikt Bescheid weiß, kann er auf informierter Grundlage entscheiden, ob und wie er seine Interessen schützen möchte. Anders als das BGB für den Zivilmakler sieht das Handelsgesetz für den Handelsmakler keine Verbindung zwischen der Doppeltätigkeit und der Verwirkung des Lohnanspruchs vor.42 Das ändert jedoch nichts an dessen Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten. In jedem Fall ist eine Doppeltätig Vgl. Palandt/Sprau, BGB, § 654 Rdnr. 4 ; dazu auch Dehner, NJW 2000, 1986, 1994. Dazu BGHZ 48, 344, 346; 61, 17, 21 f.; BGH NJW 1970, 1075, 1076; BGH NJW-RR 1998, 992, 993; BGH WM 2003, 2061, 2062; BGH ZIP 2003, 2149, 2153 f.; Baumbach/ Hopt/Roth, HGB, § 93 Rdnr. 32; MünchKommBGB/Roth, § 654 Rdnr. 7 ff. 40 BGH NJW-RR 1998, 992, 993; 2000, 430, 431; BGH WM 2003, 2061, 2062; außerdem etwa OLG München WM 2001, 1562, 1563. Dagegen auch in diesem Fall für eine Offenlegung MünchKommBGB/Roth, § 654 Rdnr. 9. 41 BGH NJW 1981, 2685, 2686; NJW-RR 1988, 365, 366; BGH WM 2003, 2061, 2062; Staudinger/Reuter, BGB, §§ 652, 653 Rdnr. 216. 42 Eine Doppeltätigkeit ist grundsätzlich „nicht verboten“ bzw. „nicht schlechthin unzulässig“, siehe BGHZ 48, 344, 347; 61, 17, 21; vgl. auch BGH NJW 1970, 1075; BGH NJWRR 1998, 992, 993. 38 39
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keit ausgeschlossen, wenn der Makler nur im Interesse seines Auftraggebers als Vertrauensmakler tätig werden soll43 oder wenn ein konkreter Interessenkonflikt besteht.44 (iv) Herleitung der Offenlegungspflicht bei fehlenden besonderen gesetzlichen Regelungen am Beispiel des Anlageberaters Auch im Fall des gänzlichen Fehlens einer besonderen gesetzlichen Regelung kann eine Offenlegungspflicht hergeleitet werden. So hat der BGH bei der Anlageberatung im Zusammenhang mit sog. Rückvergütungen eine Offenlegungspflicht im Hinblick auf Interessenkonflikte angenommen und diese aus einem selbständig abgeschlossenen Beratungsvertrag abgeleitet. 45 Durch die Offenlegung soll der Kunde in die Lage versetzt werden zu beurteilen, ob die Anlageempfehlung allein in seinem, des Kunden, Interesse erfolgt oder aber im Interesse der Bank, möglichst hohe Rückvergütungen zu erhalten.46 Denn Zuwendungen Dritter begründen die „konkrete Gefahr“ eines Interessenkonflikts zu Lasten des Kunden. Diesen Interessenkonflikt hält der BGH für beherrschbar, wenn der Kunde über die Zuwendungen aufgeklärt worden ist und daraufhin informiert und eigenverantwortlich reagieren kann.47 Dementsprechend bezweckt auch beim Anlageberatungsvertrag die Offenlegungspflicht eine umfassende Wahrung des Kundeninteresses.48 (v) Exkurs: Zur Rechtsprechung des BGH über die Offenlegung von Rückvergütungen Die Rechtsprechung des BGH zu Rückvergütungen ist durch zahlreiche Widersprüche und Inkonsistenzen sowie eine stete Anpassung des Begriffs der „Rückvergütungen“ geprägt, die nicht zuletzt darauf zurückzuführen sind, dass der BGH sich darum bemüht, seine zum Teil sehr weitgehende Rechtsprechung zu Rückvergütungen zu begrenzen und andere Zuwendungen davon auszunehmen.49 BGH WM 1998, 1188, 1189. Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 93 Rdnr. 33. 45 Vgl. nur BGHZ 100, 117, 118 f.; 170, 226, 234. Den Abschluss eines Beratungsvertrages ablehnend etwa Krüger, NJW 2013, 1845. 46 BGHZ 170, 226 (aus dem Leitsatz). 47 Assmann, ZBB 2008, 21, 23. Krit. mit Verweis auf Umgehungsmöglichkeiten Koller, ZBB 2007, 197, 199. 48 BGHZ 146, 235 (aus dem Leitsatz). Krit. Schäfer/Schäfer, BKR 2007, 163, 165 u. a. mit dem Hinweis, dass ein Kunde, der wisse, dass die Bank kein Entgelt für den Anlagerat verlange, auch wisse, dass sie die Dienstleistung notwendigerweise anders finanziere. Zur Interessenwahrungspflicht des Anlageberaters oben § 3 IV.2.)b.)(ii)(3). 49 Rückvergütungen wurden vom BGH jüngst definiert, als „regelmäßig umsatzabhängige – Provisionen, die im Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschläge oder Verwaltungsgebühren gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber 43
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Nachzuvollziehen war die Einbeziehung von Beratungen zu geschlossenen Fonds,50 die seinerzeit noch nicht unter den Begriff des Finanzinstrumentes fielen. Denn im Hinblick auf Interessenkonflikte macht es keinen Unterschied, ob es sich bei dem empfohlenen Produkt um ein Finanzinstrument im Sinne des WpHG handelt oder um ein anderes Anlageprodukt.51 Kritisiert wurde dagegen zu recht die Entscheidung52 , die Rechtsprechung zu Rückvergütungen nicht auf „freie“ Anlageberater zu übertragen.53 Grundsätzlich ist es zwar durchaus vertretbar, dass der Anleger bei einem „freien“ Anlageberater davon ausgehen muss, dass dieser Zuwendungen vom Produktanbieter erhält, wenn der Anleger für die Beratung keine Vergütung zahlt. Nicht nachzuvollziehen ist aber, warum eine Bank aus Sicht des Kunden ein Interesse haben soll, die gleiche Dienstleistung gratis zu erbringen.54 Zudem sollte es dem BGH zufolge im Fall der Bank unerheblich sein, ob der Kunde davon ausgeht, dass die Bank Rückvergütungen erhält; auch ein solcher Kunde müsse über die konkrete Höhe dieser Rückvergütung aufgeklärt werden.55 Wenn es nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt“. Siehe BGH WM 2012 1520, 1524. Zur Rechtsprechung des BGH hinsichtlich Rückvergütungen und Innenprovisionen siehe z. B . Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 347 Rdnr. 30; Schelling, Vergütungssysteme, S. 179 ff.; Assmann, ZIP 2009, 2125; Buck-Heeb, BKR 2010, 309; Edelmann, BB 2010, 1163; Fullenkamp, NJW 2011, 421; Geibel, ZBB 2003, 349; Geßner, BKR 2010, 89; Habersack, WM 2010, 1245; Hanke, BKR 2012, 493; Herresthal, ZBB 2009, 349; ders., ZBB 2010, 305; Jooß, WM 2011, 1260; Köndgen, BKR 2009, 377; Knops/Brocker, WM 2010, 1101; Koller, ZBB 2007, 197; Lang/Balzer, ZIP 2007, 521, 522 f.; Lang/Bausch, WM 2010, 2101; Langen, NZG 2010, 816; Nikolaus/d’Oleire, WM 2007, 2129; Nittel/Knöpfel, BKR 2009, 411; Rößler, NJW 2008, 554, 556; Schäfer, FS Nobbe, 2009, S. 725 ff. Schäfer/ Schäfer, BKR 2007, 163; Spindler, WM 2009, 1821; Schwab, BKR 2011, 450; Voigt, NZG 2010, 1217; Zoller, GWR 2010, 53; die Rechtsprechung verteidigend Weller, ZBB 2011, 191, 196 ff. Siehe in diesem Zusammenhang außerdem Ellenberger, FS Nobbe, 2009, S. 523; Gallandi, WM 2000, 279; Grundmann, WM 2012, 1745. Für den Fall, dass eine Bank einem Dritten, der ihr Kunden zuführt, Zuwendungen gewährt BGHZ 146, 235; krit. dazu Balzer, ZIP 2001, 232. Gegen eine solche Aufklärungspflicht seinerzeit bereits Düringer/Hachenburg/Lehmann, HGB, § 384 Anm. 9. 50 BGH WM 2009, 405. 51 Grundlage der Aufklärungspflicht ist keine Norm des WpHG, sondern die geschäftsbesorgungsrechtliche Interessenwahrungspflicht. Vgl. dazu Schelling, Vergütungssysteme, S. 184. 52 BGH WM 2010, 885; bestätigt durch BGH WM 2011, 640 (wo insbesondere darauf hingewiesen wird, dass die Beziehung eines Kunden zu seiner Bank von längerer Dauer sei als zu einem Anlageberater – dagegen zu recht schon Herresthal, ZBB 2010, 305, 308); außerdem BGH WM 2011, 1506, 1507. Dazu Hanke, BKR 2012, 493. 53 Kritisch etwa Schelling, Vergütungssysteme, S. 186; Buck-Heeb, BKR 2010, 309, 315; Habersack, WM 2010, 1245, 1252; Nobbe, BKR 2011, 302, 303; Herresthal, ZBB 2010, 305, 308; Langen, NZG 2010, 816, 819; a.A Fullenkamp, NJW 2011, 421, 422. Zur unterschiedlichen Herangehensweise auch Assmann, ZIP 2009, 2125, 2130 f. 54 Vgl. Habersack, WM 2010, 1245, 1252; Nobbe, BKR 2011, 302, 303; Herresthal, ZBB 2010, 305, 308; Langen, NZG 2010, 816, 819. Zu weiteren Ausführungen Schelling, Vergütungssysteme, S. 186. 55 BGH WM 2007, 487, 490; WM 2011, 1506, 1507.
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aber nicht auf die grundsätzliche Kenntnis des Konflikts ankommt, sondern auf die genaue Höhe, ist die Situation bei einer Bank, wenn der Kunde einen Konflikt grundsätzlich erkennt, nicht anders als bei einem freien Anlageberater.56 Weiterhin sollten nach dem BGH (nicht offen ausgewiesene) Innenprovisionen anders behandelt werden als Rückvergütungen.57 Dabei handelt es sich um „nicht ausgewiesene Vertriebsprovisionen, die bei einem Fonds aus dem Anlagevermögen gezahlt werden“.58 Über Innenprovisionen sollte nur aufzuklären sein, wenn sie einen Grenzwert von 15% der Anlagesumme überschreiten.59 Ihren Grund soll diese Offenlegungspflicht nicht in der Interessenwahrungspflicht (wegen eines Interessenkonflikts) haben, sondern in der Pflicht des Beraters zur objektgerechten Beratung.60 Zieht man die Rechtsprechung zu Rückvergütungen heran, hätte der BGH eigentlich darauf abstellen müssen, ob für den Anleger der durch die Zuwendung verursachte Interessenkonflikt zu erkennen war.61 Da Innenprovisionen (jedenfalls bis Mitte 2005) nicht ausgewiesen, aber den vom Anleger eingezahlten Anlagegeldern entnommen wurden, konnte es hier erst recht zu einem Interessenkonflikt kommen. Die Entnahme der Vergütung ging unmittelbar zu Lasten des Anlageerfolgs, für den Anleger war dies aber nicht zu erkennen, weil Innenprovisionen nicht offen ausgewiesen wurden. Im Hinblick auf die Erkennbarkeit eines möglichen Konflikts bestand daher bei Innenprovisionen im Vergleich zu Rückvergütungen, die – der Rechtsprechung des BGH zufolge – offen ausgewiesenen Positionen entnommen werden, erst recht ein Bedürfnis nach einer Offenlegung. Da nunmehr seit dem 01.07.2005 nach § 8g Abs. 2 VerkProspG iVm. § 4 Nr. 12 VermVerkProspV bzw. seit dem 01.06.2012 nach § 7 Abs. 3 VermAnlG iVm. § 4 Nr. 12 Verm VerkProspV alle Provisionen, insbesondere Vermittlungsprovisionen und vergleichbare Vergütungen, offengelegt werden müssen, ist diese „Lücke“ bei der Offenlegung aufgrund der Differenzierung zwischen „Rückvergütungen“ und „Innenprovisionen“ nunmehr weitgehend geschlossen.62 Dies sieht nun auch der BGH so und zieht nach § 4 Nr. 12 VermVerkProspV offengelegte Innenprovisionen in den Rückvergütungsbegriff mit ein.63 56 Dazu ausführlich Schelling, Vergütungssysteme, S. 185 ff.; Buck-Heeb, BKR 2010, 309, 315; siehe auch Fullenkamp, NJW 2011, 421, 422. 57 BGH WM 2009, 2306, 2307; WM 2011, 1804 f. 58 BGH WM 2011, 1804. Dazu stv. Schelling, Vergütungssysteme, S. 198 ff. 59 Siehe etwa BGHZ 158, 110, 121; BGH WM 2005, 1998, 2001; WM 2007, 873, 874. 60 Schelling, Vergütungssysteme, S. 191; vgl. auch Schäfer, FS Nobbe, 2009, S. 725, 735. 61 Schelling, Vergütungssysteme, S. 200; siehe auch Buck-Heeb, BKR 2010, 309, 312 (Wertungen der ersten Urteile zu Rückvergütungen ließen sich auch auf Innenprovisionen übertragen). 62 Dazu Schelling, Vergütungssysteme, S. 200 f. Die Lücke ist allerdings nur insoweit geschlossen worden, als die jeweiligen Produkte vom VermAnlG (bzw. zuvor vom VerkProspG) erfasst werden. Siehe dazu Schäfer, FS Nobbe, 2009, S. 725, 734, 736. 63 Siehe dazu die Definition in Fn. 49. Für den Anlageberater wird in diesem Fall der Ver-
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Nicht offen gelegt werden müssen nach dem BGH auch Gewinnmargen bei Festpreisgeschäften.64 Zur Begründung stellt der BGH auf seine Rechtsprechung ab, wonach beim Vertrieb eigener Produkte das Gewinninteresse des Beraters offensichtlich sei und daher nicht extra offengelegt werden muss.65 Das soll auch für „Einkaufsrabatte“ bei fremden Anlageprodukten gelten. Da die Bank keine Provisions- und Aufwendungsersatzansprüche gegen den Anleger habe, müsse sie im Gegenzug auch nicht den Preis des Deckungsgeschäfts und damit ihre Gewinnspanne offenlegen.66 Das müsse auch bei dem abgeschlossenen Anlageberatungsvertrag beachtet werden. Grundsätzlich ist richtig, dass der Berater im Fall von Produkten, bei denen er durch eine Gewinnmarge profitiert, Interessenkonflikten ausgesetzt ist.67 Denn ein Anlageberater kann durchaus geneigt sein, ein Produkt deshalb zu empfehlen, weil die vereinnahmte Handelsspanne bei diesem besonders groß ist. Anders als der BGH meint, tritt die Bank in diesem Fall dem Anleger aber nicht wie jeder Dritte gegenüber, der seine Gewinnspanne nicht offenlegen muss. Denn sie agiert nicht nur als Verkäufer, sondern zugleich auch als Berater. Anders als bei eigenen Produkten ergibt sich hier die Offensichtlichkeit auch nicht aus dem Produkt, sondern müsste sich aus der Geschäftsart ergeben. Häufig weiß der Kunde aber während der Beratung noch gar nicht, in welcher Form die Bank für ihn tätig wird (als Kommissionär oder Verkäufer). Nur wenn er gleich am Anfang auf das Festpreisgeschäft ausdrücklich hingewiesen wird, kann diese Information in seine Willensbildung ausreichend einfließen.68 Die Schwierigkeit in diesem Fall liegt darin, dass zwei verschiedene Grundvertragstypen miteinander in Verbindung gebracht werden – der Kauf, ein Austauschvertrag, und die Beratung, ein Fremdinteressenwahrungsvertrag. Es weis bzw. die rechtzeitige Aushändigung des jeweiligen Prospekts genügen, um seiner zivilrechtlichen Aufklärungspflicht zu genügen. Denn aufgrund der dortigen Angaben ist der Anleger hinreichend gewarnt. Vgl. Schäfer, FS Nobbe, 2009, S. 725, 736. Allerdings wird es dafür erforderlich sein, dass dort die von der Bank konkret verdiente Provision ausgewiesen wird, siehe Zingel/Varadinek, BKR 2012, 177, 181. 64 BGH WM 2011, 2261, 2265 f.; WM 2011, 2268, 2271; dem folgend etwa Spindler, WM 2009, 1821, 1825 f. Diese stellen weder Innenprovisionen (da keine versteckten Kosten) noch Rückvergütungen dar. Siehe BGH WM 2011, 2261, 2265 f.; WM 2011, 2268, 2271 f.; Bausch, NJW 2012, 354, 356 f. Übersteigen diese allerdings 15% der Anlagesumme, ist davon die Werthaltigkeit der Anlage betroffen, sodass der Anleger darüber aufzuklären ist. Zingel/Varadinek, BKR 2012, 177, 180 f. Eine Aufklärungspflicht im Zusammenhang mit Gewinnmargen ablehnend z. B . auch Lang/Bausch, WM 2010, 2101, 2106 f. 65 BGH ZIP 2011, 756, 760; WM 2011, 2261, 2265. Dazu Hanke, BKR 2012, 493, 495. 66 BGH WM 2011, 2261, 2266. 67 Ausführlich Schelling, Vergütungssysteme, S. 205 ff.; außerdem Geßner, BKR 2010, 89, 95; Sommermeyer, BKR 2012, 27, 28; das zugestehend wohl auch Lang/Bausch, WM 2010, 2101, 2106. 68 Schelling, Vergütungssysteme, S. 208. Ein Widerspruch zur Rechtsprechung über Rückvergütungen taucht hier auch insofern auf, als es dort für unerheblich angesehen wird, dass der Kunde das Eigeninteresse der Bank erkennt, wenn ihm dieses nicht auch beitragsmäßig bekannt ist. A.a.O.
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kommt also darauf an, welcher Grundvertragstyp hinsichtlich der Anforderungen sich gegen den anderen durchsetzt. Folgt man dem BGH, soll dies der Kaufvertrag sein, so dass es zu Pflichtenreduzierung kommt. Damit bleibt die asymmetrische Interessengewichtung unberücksichtigt und dem Anleger trotz der Öffnung seiner Interessensphäre gegenüber der Bank der üblicherweise damit korrespondierende Schutz versagt. Da Öffnung und Schutz der Interessensphäre immer Hand in Hand gehen, muss vielmehr im Gegenteil das Pflichtenprogramm des Beratungsvertrags dasjenige des Verkaufsvertrags beeinflussen und nicht umgekehrt.69 Denn gerade bei Festpreisgeschäften, denen eine Anlageberatung vorausgeht, wird der Kunde den jeweiligen Kaufvertrag deshalb abschließen, weil er vorher im Rahmen der Beratung von den Vorzügen des Anlageproduktes überzeugt worden ist.70 Damit fußt der Abschluss des späteren Kaufvertrags letztlich auf der vorangehenden Beratung. Selbst wenn man dem BGH folgen wollte und eine umgekehrte Beeinflussung des Pflichtenprogramms des Beratungsvertrags durch das Folgegeschäft annehmen wollte, wäre zumindest erforderlich, dass der Kunde bereits bei Eingehung des Beratungsvertrags das spätere Folgegeschäft absehen kann und bei einem Festpreisgeschäft entsprechend einer Verringerung des Pflichtenmaß stabs konsentiert.71 (vi) Offenlegung bei Unabhängigkeitserfordernissen am Beispiel des Abschlussprüfers Im Fall des Abschlussprüfers ergibt sich die Offenlegungspflicht in Bezug auf Interessenkonflikte aus § 666 BGB bzw. §§ 311 Abs. 2 , 241 Abs. 2 BGB. Denn bei dem Prüfungsvertrag zwischen dem Prüfer und der zu prüfenden Gesellschaft handelt es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag (mit Werkvertrags charakter).72 Darüber hinaus erfährt die Offenlegungspflicht beim Ab schlussprüfer eine besondere Ausrichtung durch das Unabhängigkeitserfordernis. Danach hat der Wirtschaftsprüfer bzw. vereidigte Buchprüfer alle Gründe, die seine Unabhängigkeit beeinträchtigen könnten und daher nach § 319 Abs. 2, Abs. 3 HGB oder § 319a HGB zu seinem Ausschluss von der Abschlussprüfung führen, vor seiner Bestellung als Abschlussprüfer von sich aus offen-
69 Siehe auch Schwab, BKR 2011, 450, 452; Sethe, FS Nobbe, S. 769, 785 (Festpreisgeschäft ist kein gewöhnlicher Kaufvertrag); vgl. auch Sommermeyer, BKR 2012, 27, 28; Spindler, WM 2009, 1821, 1822 (mit Hinweis auf RGZ 42, 125, 131, dass die Verantwortlichkeit bei der Beratung nicht davon abhänge, ob nachher ein Kaufvertrag oder ein Kommissionsgeschäft geschlossen werde). 70 Dazu Schwab, BKR 2011, 450, 452 (mit Verweise auf vergleichbare Konstellationen, in denen der BGH eine Haftung gerade aus dem Beratungsvertrag abgeleitet hat). 71 So auch OLG Frankfurt a.M. ZIP 2011, 1462, 1463; Schelling, Vergütungssysteme, S. 209 ff.; vgl. auch Assmann, ZIP 2009, 2125, 2130; a.A. BGH WM 2011, 2261, 2267. 72 Siehe nur Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 318 Rdnr. 3.
III. Rechtsgrundlage der Offenlegungspflicht
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zulegen.73 Das umfasst alle geschäftlichen, finanziellen und familiären Beziehungen zwischen dem Prüfer und ihm nahe stehenden Personen auf der einen Seite und dem zu prüfenden Unternehmen und dessen Organen auf der anderen Seite und erfasst, also insbesondere auch Nichtprüfungsleistungen.74 Eine Offenlegung hat auch dann zu erfolgen, wenn diese Gründe erst während der Prüfung entstehen.75 Denn Inhalt des Prüfvertrages ist insbesondere, dass der gesetzliche Prüfungszweck erreicht wird, d. h. dass mittels der Abschlussprüfung die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung dokumentiert und damit deren Vertrauenswürdigkeit erhöht wird76 . Der Zweck der Prüfung würde aber nicht erreicht werden, wenn der Prüfer in den Augen der Marktteilnehmer nicht ausreichend vertrauenswürdig erscheint, weil diese dann seinem Urteil misstrauen könnten. Dann aber wäre es dem Prüfer nicht möglich, in dieser Hinsicht den Prüfungsvertrag zu erfüllen. Entsprechend hat das geprüfte Unternehmen ein besonderes Interesse daran, über mögliche Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit bzw. über Interessenkonflikte des Prüfers informiert zu werden. Für börsennotierte Aktiengesellschaften empfiehlt Ziff. 7.2.1 DCGK in diesem Zusammenhang, dass der Aufsichtsrat bzw. der Prüfungsausschuss vor der Unterbreitung eines Wahlvorschlags von dem vorzuschlagenden Prüfer eine Unabhängigkeitserklärung einholen soll. Diese bezieht sich auf die geschäftlichen, finanziellen, persönlichen und sonstigen Beziehungen zwischen dem Prüfer und seinen Organen auf der einen Seite und der zu prüfenden Gesellschaft und ihren Organen auf der anderen Seite, die Anlass geben könnten, an seiner Unabhängigkeit zu zweifeln.77 Außerdem wird zwischen Aufsichtsrat und Prüfer regelmäßig vereinbart, dass letzterer unverzüglich mitteilt, wenn während der Prüfung Ausschluss- und Befangenheitsgründe auftreten.78 Schließlich schreibt § 321 Abs. 4a HGB vor, dass der Abschlussprüfer am Ende seine Unabhängigkeit im Prüfungsbericht noch einmal bestätigen muss.
2.) Offenlegungspflichten organschaftlicher Interessenwahrer Offenlegungspflichten gelten auch für organschaftliche Interessenwahrer, wie den Vorstand, den GmbH-Geschäftsführer und Aufsichtsräte: Sie haben Interessenkonflikte – sowie im Fall der nach § 100 Abs. 5 AktG unabhängigen Mit73 LG Köln, DB 1992, 265 (zu § 319 Abs. 2 und Abs. 3 HGB a.F.); Baumbach/Hopt/ Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 11. 74 Dazu Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission, Rdnr. 303, 308; Röhricht, WPg-Sonderheft 2001, S 88. 75 Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 11; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Wiedmann, HGB, § 318 Rdnr. 11; Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, § 319 Rdnr. 19. 76 Siehe dazu oben § 5 IV.2.). 77 Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 12. 78 Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 12.
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glieder des Aufsichtsrats solche Beziehungen, die eine Unabhängigkeit ausschließen – gegenüber der Gesellschaft offenzulegen.79 Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob – im Fall punktueller Interessenkonflikte – das jeweilige Geschäft oder Verhalten als Folge der Interessenabwägung zulässig ist oder nicht.80 Hergeleitet wird diese Pflicht aus der organschaftlichen Treuebindung.81 Für den Vereinsvorstand findet sich die ausdrückliche rechtliche Verankerung von Offenlegungspflichten in § 27 Abs. 3 i.V.m. § 666 BGB. Da der Verein das Grundmodell für die juristischen Personen darstellt, kann diese Vorschrift auch für den Vorstand der AG und den Geschäftsführer der GmbH herangezogen werden. Für Aufsichtsratsmitglieder besteht eine besondere Offenlegungspflicht schon bei ihrer Wahl, vgl. §§ 124 Abs. 3 Satz 4, 125 Abs. 1 Satz 5 AktG. Im Rahmen des Vorschlags eines Kandidaten durch den Aufsichtsrat ist z. B. dessen ausgeübter Beruf zu nennen, vgl. § 124 Abs. 3 Satz 4 AktG, wozu auch die Tätigkeit als Vorstand in einem anderen Unternehmen gehört. Im Fall börsennotierter Gesellschaften ist außerdem anzugeben, ob der Kandidat Mitglied in anderen gesetzlich zu bildenden Aufsichtsräten ist, vgl. § 125 Abs. 1 Satz 5 1. Hs. AktG. Weiterhin sollen Angaben zur Mitgliedschaft in vergleichbaren Kontrollgremien gemacht werden, vgl. § 125 Abs. 1 Satz 5 2. Hs. AktG. Diese Informationen sollen es der Hauptversammlung erleichtern einzuschätzen, ob der jeweilige Kandidat für die Aufsichtsratstätigkeit geeignet ist.82 Damit bleibt ihr die Bewertung von Interessenkonflikten und insbesondere die Entscheidung überlassen, ob Organmitglieder von Konkurrenzunternehmen im Aufsichtsrat sitzen sollen.83 Der Grundsatz der Offenlegung von Interessenkonflikten findet sich auch im Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK).84 Ziff. 4.3.4. Satz 1 DCGK empfiehlt, dass jedes Vorstandsmitglied Interessenkonflikte dem Aufsichtsrat 79 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rdnr. 185; Großkomm/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 164; Hopt, ZGR 2004, 1, 25; ders., ZGR 2002, 333, 371 (auch in Übernahmesituationen, dann allerdings nicht verpflichtend); GroßkommGmbHG/Paefgen, § 43 Rdnr. 109; Ringleb/Kremer/Lutter/v.Werder/Kremer, DCGK, Rdnr. 831 (Vorstand), 1097 ff. (Aufsichtsrat); Fleischer, WM 2003, 1045, 1050; Lutter, GmbHR 2000, 301, 306; Möllers, ZIP 2006, 1615, 1619 (allerdings nicht in Übernahmesituationen, wenn Verstoß gegen Verschwiegenheitspflicht; dann Mandatsniederlegung); Semler, ZGR 2004, 631, 640; Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 6. Bzgl. der Offenlegung fehlender Unabhängigkeit z. B. M. Roth, ZHR 175 (2011), 605, 627 f. Zur Offenlegung von Interessenkonflikten im Aufsichtsratsbericht Priester, ZIP 2011, 2081. 80 Hopt, ZGR 2004, 1, 25. 81 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 164; MünchKommAktG/Habersack, § 100 Rdnr. 69 (für Aufsichtsratsmitglieder); Lutter, FS Priester, 2007, S. 417, 420. 82 BT-Drs. 13/9712. Dadurch soll Transparenz hinsichtlich der personellen Verflechtung geschaffen werden. Siehe MünchKommAktG/Kubis, § 125 Rdnr. 13; Hüffer, AktG, § 125 Rdnr. 4 ; Zimmer, NJW 1998, 3521, 3523. 83 Vgl. Hüffer, AktG, § 124 Rdnr. 16. 84 Die Herstellung von Transparenz innerhalb des Organs wird als „wichtigstes Instru-
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gegenüber unverzüglich offenlegen und die anderen Vorstandsmitglieder darüber informieren soll. Ziff. 5.5.2 DCGK empfiehlt im Hinblick auf Aufsichtsratsmitglieder, dass sie ihre Interessenkonflikte intern dem Aufsichtsratsplenum gegenüber offenlegen. Dies gilt insbesondere für solche Interessenkonflikte, die aufgrund einer Beratung oder Organfunktion bei Kunden, Lieferanten, Kreditgebern oder sonstigen Geschäftspartnern entstehen können. Ziff. 5.5.3 DCGK empfiehlt sodann, dass der Aufsichtsrat in seinem Bericht an die Hauptversammlung über aufgetretene Interessenkonflikte und deren Behandlung informiert. Für den Verein und die Personengesellschaften wird über die Verweise in § 27 Abs. 3 BGB und § 713 BGB sichergestellt, dass die Benachrichtigungspflicht nach § 666 BGB auch für den Vereinsvorstand und die geschäftsführenden Gesellschafter der GbR sowie darauf aufbauend der OHG, § 105 Abs. 3 HGB, und für die Komplementäre der KG, §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB, gelten.
3.) Offenlegungspflichten gesetzlicher Interessenwahrer Auch gesetzliche Interessenwahrer sind (noch vor ihrer Bestellung aber auch danach) verpflichtet, bestehende oder sich abzeichnende Interessenkonflikte offenzulegen. Beispiel hierfür ist der Insolvenzverwalter, für den eine solche Pflicht zur Offenlegung zwar nicht ausdrücklich normiert ist, sich aber aus dem Unabhängigkeitsgebot in Zusammenschau mit weiteren insolvenzrechtlichen Regelungen ergibt. a.) Insolvenzverwalter Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet85, von sich aus und rechtzeitig dem Insolvenzgericht solche Umstände anzuzeigen, die „bei unvoreingenommener, lebensnaher Betrachtungsweise die ernstliche Besorgnis rechtfertigen [können], dass der Verwalter an seiner Amtsführung verhindert ist“.86 Dabei spielt es keine Rolle, ob sich der Verwalter tatsächlich für befangen hält.87 Diese Pflicht des Insolvenzverwalters zur Offenlegung von Interessenkonflikten dient ment“ angesehen. Siehe Bericht der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex an die Bundesregierung, Nov. 2010, S. 29. 85 Laukemann weist darauf hin, dass es sich bei dieser Pflicht um eine echte Rechtspflicht und nicht lediglich um eine Obliegenheit handelt. Siehe Laukemann, Unabhängigkeit, S. 205. 86 BGHZ 113, 262, 275; vgl. dazu auch OLG Celle, NZI 2001, 551, 553. Aus der Literatur Braun/Blümle, InsO, § 56 Rdnr. 47; MünchKommInsO/Graeber, § 56 Rdnr. 53 (bestehende oder drohende Interessenkollision); Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 56 Rdnr. 35; Laukemann, Unabhängigkeit, S. 211; Preuß, Zivilrechtspflege, S. 361; Frind, ZInsO 2002, 745, 749; Skrotzki, KTS 1955, 111, 113. 87 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 204.
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dem Schutz aller Beteiligten davor, dass ein Verwalter sein Amt möglicherweise nicht unvoreingenommen und allein dem Insolvenzzweck entsprechend ausübt.88 . Zudem ermöglicht sie dem Gericht, sachgerecht auszuwählen und zu einem frühen Zeitpunkt zu überprüfen, ob möglichen Interessenkonflikten mittels Bestellung eines anderen Verwalters oder eines Sonderinsolvenzverwalters vorgebeugt werden kann.89 Hinzukommt, dass sie den Anreiz für die am Insolvenzverfahren Beteiligten verringert, Näheverhältnisse zum Insolvenzverwalter zu suchen oder – sofern solche bereits bestehen – diese zum Nachteil anderer Verfahrensbeteiligter auszunutzen.90 Dementsprechend sieht der BGH in der Anzeigepflicht für Interessenkonflikte des Insolvenzverwalters ein wirksames – und zugleich das mildeste – Mittel, um Missbräuche bei der Insolvenzabwicklung vorbeugend zu verhindern.91 Die Pflicht des Verwalters zur Offenlegung bzw. Anzeige von Interessenkonflikten wird vom BGH aus dessen Amtsstellung 92 sowie – zumindest sinngemäß – aus § 666 i.V.m. §§ 675, 611 BGB abgeleitet.93 Zwar ist § 666 BGB auf den Insolvenzverwalter nicht unmittelbar anwendbar, weil das Auftragsrecht auf zweiseitige (vertragliche) Verhältnisse ausgerichtet ist, während die möglichen „Auftraggeber“ im (gesetzlich geregelten) Insolvenzverfahren zahlreich und deren Interessen vielschichtig sind.94 Eine sinngemäße Anwendung lässt sich aber damit rechtfertigen, dass der Verwalter in Bezug auf die Masse materiell eine Geschäftsbesorgung ausübt.95 Insofern entspricht die Pflicht des Insolvenzverwalters zur Anzeige eines Interessenkonflikts der Offenlegungspflicht, wie sie für vertragliche Interessenwahrer gilt. Abgeleitet werden kann die Offenlegungspflicht aber auch aus § 58 Abs. 1 Satz 2 InsO, wonach das Gericht „jederzeit einzelne Auskünfte oder einen Bericht über den Sachstand und die Geschäftsführung verlangen“ kann. Diese Pflicht soll eine sachgemäße Aufsicht durch das Insolvenzgericht sicherstellen und bezieht sich daher auch auf alle Umstände, die gegen eine Eignung des BGHZ 113, 262, 279. Damit stärkt sie zugleich das Vertrauen des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten in den Verwalter und seine Amtsführung. Siehe Laukemann, Unabhängigkeit, S. 204; Preuß, Zivilrechtspflege, S. 362. 89 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 204. Vgl. dazu AG Potsdam NZI 2002, 391, 392. 90 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 204. 91 BGHZ 113, 262, 276. 92 BGHZ 113, 262, 275 mit Hinweis auf § 48 ZPO, § 30 StPO, § 6 Abs. 2 FGG (vgl. jetzt § 6 Abs. 1 FamFG), § 16 Abs. 2 BNotO, § 3 Abs. 2 Satz 1 BeurkG. 93 BGHZ 113, 262, 276; a.A. Gerhardt, ZIP 1980, 941 und 946 (konkursspezifische Regeln, die nicht so weit gehen wie § 666 BGB). Zum Teil wird die Anzeigepflicht als gegeben vorausgesetzt, vgl. etwa Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 56 Rdnr. 35; dagegen MünchKommInsO/Graeber, § 56 Rdnr. 53 (Ableitung aus der Unabhängigkeit); Laukemann, Unabhängigkeit, S. 206 ff.; Preuß, Zivilrechtspflege, S. 360 (Rechtsgedanke des § 48 ZPO). 94 BGHZ 113, 262, 276 f.; siehe auch Laukemann, Unabhängigkeit, S. 206 Fn. 29. 95 BGHZ 113, 262, 276. Vgl. dazu auch RGZ 98, 302, 306. Als Geltungsgrund kann auch auf „konkursspezifische Regeln“ abgestellt werden, siehe BGHZ 113, 262, 277; dazu Laukemann, Unabhängigkeit, S. 206 f. 88
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Verwalters sprechen.96 Zwar statuiert die Norm lediglich eine Auskunftspflicht und keine Benachrichtigungspflicht. Dies könnte zu dem Gedanken veranlassen, der Insolvenzverwalter müsse Interessenkonflikte nicht von sich aus offenlegen. Doch ergibt sich in diesem Zusammenhang eine Pflicht zur ungefragten Offenlegung von Interessenkonflikten aus der Zusammenschau mit der Aufgabe des Gerichts, einen unabhängigen Verwalter zu bestellen. Die Unabhängigkeit des Verwalters ist von herausragender Bedeutung für das Verfahren, sodass ein kontinuierliches Interesse des Gerichts an diesbezüglichen Auskünften besteht. Da das Gericht weder alle Interessen und Konfliktlagen des Verwalters kennt noch die Zeit und die Mittel hat, um die Situation des Insolvenz verwalters ausreichend auf mögliche Interessenkonflikte hin zu untersuchen, ist es diesbezüglich auf den Verwalter angewiesen.97 Im Sinne der Verfahrens effizienz wäre es außerdem nicht sinnvoll, wenn das Gericht jeden Tag eine entsprechende Erklärung des Insolvenzverwalters hinsichtlich seiner Unabhängigkeit anfordern würde. Dementsprechend lässt sich aus § 58 InsO i.V.m. dem Unabhängigkeitsgebot und dem Bedürfnis nach Verfahrenseffizienz eine Pflicht des Insolvenzverwalters zur ungefragten Offenlegung von Interessenkonflikten bzw. von Gefahren für die Unabhängigkeit gegenüber dem Insolvenzgericht ableiten. § 58 InsO kann allerdings erst mit der Amtsübernahme des Insolvenzverwalters angewendet werden, sodass diese Vorschrift nicht für den erst noch zu bestellenden Verwalter herangezogen werden kann. Hier kann jedoch auf den in § 311 Abs. 2 , 241 BGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken in Zusammenschau mit §§ 56 Abs. 1, 27 Abs. 1, 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO abgestellt werden.98 Zum einen nimmt dies den Schutz der Dispositions- und Entscheidungsfreiheit des Gerichts sowie der Gläubigerorgane in den Blick. Da das Insolvenzgericht einen unabhängigen Verwalter zu bestellen hat, hat es das Unabhängigkeitserfordernis bereits bei der Auswahl des Verwalters zu beachten (§§ 56 Abs. 1, 27 Abs. 1, 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO). Zum anderen berücksichtigt dies, dass mit der Bestellung das Verwaltungs- und Verfügungsrecht auf den Verwalter übergeht und ihm die Möglichkeit gegeben wird, auf die Rechtsund Interessensphäre von Gläubigern und Schuldner einzuwirken.99 Die dadurch (vom Gericht) bewirkte Öffnung der Interessensphäre von Gläubiger und Schuldner gegenüber dem Verwalter verlangt nach einer Sicherung von deren Interessen, die bereits im Vorfeld greifen muss. Denn die mit dieser Öffnung der Interessensphäre verbundenen Gefahren für die verfahrensbeteiligten Gläubiger und den Schuldner entstehen unmittelbar mit der Bestellung des Ver Laukemann, Unabhängigkeit, S. 207. Laukemann, Unabhängigkeit, S. 204. 98 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 207; vgl. auch Preuß, Zivilrechtspflege, S. 360 (Rechtsgedanke des § 48 ZPO). 99 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 207. 96
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walters, wenn dieser mit einem Interessenkonflikt belastet und daher als ungeeignet einzuschätzen ist. Auch gegenüber der Gläubigerversammlung (§ 79 Satz 1 InsO) bzw. dem Gläubigerausschuss (§ 69 InsO) muss der Insolvenzverwalter einen Interessenkonflikt anzeigen.100 Denn nur wenn die Gläubiger alle wesentlichen Umstände kennen, können sie sachgerecht entscheiden, ob sie z. B. einen neuen Verwalter wählen (§ 57 Satz 1 InsO) oder einen Entlassungsantrag stellen (§ 59 Abs. 1 Satz 2 InsO).101 Der Verwalter muss seinen Konflikt bzw. den die Unabhängigkeit beeinträchtigenden Umstand aber nicht gegenüber jedem einzelnen Gläubiger, sondern nur gegenüber den Gläubigerorganen offenlegen, denn nur diesen steht es zu, im Rahmen des Verfahrens zu entscheiden und mitzuwirken.102 Ergänzend sei noch erwähnt, dass auch bei den Mitgliedern des Gläubigerausschusses davon ausgegangen wird, dass sie von sich aus auf einen Interessenkonflikt hinzuweisen haben, wenn ein solcher vorliegt, um sicherzustellen, dass sie an der jeweiligen Abstimmung nicht teilnehmen.103 b.) Testamentsvollstrecker Für den Testamentsvollstrecker gilt die Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten aufgrund des Verweises auf § 666 BGB in § 2218 BGB. Demzufolge ist der Testamentsvollstrecker verpflichtet, den Erben unaufgefordert die erforderlichen Nachrichten zu geben und Auskunft zu erteilen. Hierzu zählt auch die Aufklärung über Interessenkonflikte, sofern der Testamentsvollstrecker solchen ausgesetzt ist. Denn nur so sind die (anderen) Beteiligten in der Lage zu kontrollieren, ob der Testamentsvollstrecker die Interessen des Erblassers, dessen letztwillige Verfügungen er auszuführen hat, § 2203 BGB, auch entsprechend wahrt. Zudem sind Interessenkonflikte des Testamentsvollstreckers dazu geeignet, seine Aufgabenerfüllung, wie die Auseinandersetzung unter den Miterben, § 2204 Abs. 1 BGB, und die ordnungsmäßige Verwaltung des Nachlasses, § 2205 Satz 1, § 2216 BGB, zu beeinträchtigen. Eine Aufklärung über Interessenkonflikte kann in diesem Zusammenhang auch sicherstellen, dass
BGHZ 113, 262, 281 (allerdings nur, sofern ihre Mitwirkung erforderlich ist); Laukemann, Unabhängigkeit, S. 209 f. (auch zu möglichen Gegenargumenten). 101 Vgl. BGHZ 113, 262, 281. Zur Wahl des Insolvenzverwalters durch die Gläubigerversammlung etwa Graeber, ZIP 2000, 2000, 1465; Kessler, KTS 2000, 491; Muscheler/Bloch, ZIP 2000, 1474. 102 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 210; für eine andere Begründung Gerhardt, ZIP 1980, 941, 944 (wegen der Funktionsteilung zwischen Gericht und Verwalter). Siehe auch BGH KTS 1974, 106, 107. 103 Braun/Hirte, InsO, § 69 Rdnr. 16; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 72 Rdnr. 19; MünchKommInsO/Schmid-Burgk, § 72 Rdnr. 14 (bei Nichtanzeige Haftung nach § 71 InsO und Ausschluss vom Gläubigerausschuss möglich); Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 72 Rdnr. 14; Hegmanns, Gläubigerausschuss, S. 127. 100
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ggf. rechtzeitig eine Entlassung des Testamentsvollstreckers aus wichtigem Grund, § 2227 BGB, beantragt werden kann. c.) Allgemeine Folgerungen für gesetzliche Interessenwahrer Sofern bei den einzelnen gesetzlichen Interessenwahrungsverhältnissen nicht bereits ausdrücklich Anzeige- bzw. Offenlegungspflichten statuiert werden, kann eine Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten wie beim Insolvenzverwalter aus §§ 675, 666 BGB analog abgeleitet werden. Voraussetzung dafür ist, dass der jeweilige Interessenwahrer „materiell“ eine Geschäftsbesorgung erbringt – was bei allen vertraglichen, gesetzlichen und organschaftlichen Interessenwahrern der Fall ist. Konkretisiert wird diese Offenlegungspflicht im Hinblick auf Interessenkonflikte mit Hilfe des Unabhängigkeitserfordernisses oder, wo ein solches nicht gilt, mit Hilfe des besonderen Schutzzwecks des jeweiligen Interessenwahrungsverhältnisses.
4.) Offenlegungspflichten aufgrund von Aufsichts- oder Berufsrecht a.) Allgemeine Offenlegungspflicht nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG Die grundlegende Vorschrift für die aufsichtsrechtliche Offenlegungspflicht für Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG.104 Danach ist ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet, „vor Durchführung von Geschäften für Kunden diesen die allgemeine Art und Herkunft der Interessenkonflikte eindeutig darzulegen“. § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG wird durch § 13 Abs. 4 WpDVerOV näher konkretisiert. Danach muss der Kunde, nachdem er unter Berücksichtigung seiner Einstufung (Privatkunde, professioneller Kunde, geeignete Gegenpartei, dazu § 31a WpHG) aufgeklärt worden ist, in der Lage sein, „seine Entscheidung über die Wertpapierdienstleistung, in deren Zusammenhang der Interessenkonflikt auftritt, auf informierter Grundlage zu treffen“. Die Aufklärungspflicht gilt nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG allerdings nur eingeschränkt und zwar nur „soweit die organisatorischen Vorkehrungen nach § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [WpHG] nicht ausreichen, um nach vernünftigem Ermessen das Risiko der Beeinträchtigung von Kundeninteressen zu vermeiden“. Die in § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG angesprochenen Organisationspflich31 Abs. 1 Nr. 2 ten105 können demzufolge die Aufklärungspflicht nach § WpHG beschränken bzw. deren Voraussetzungen ausschließen.
Vgl. hierzu auch § 7 IV.3.)b.). Dabei geht es inbesondere um Vertraulichkeitsbereiche bzw. Chinese walls. Dazu § 8 III. 104 105
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b.) Aufklärungspflicht im Fall von Zuwendungen Dritter Eine besondere Offenlegungspflicht enthält § 31d Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG für Zuwendungen Dritter an das Wertpapierdienstleistungsunternehmen.106 Grundsätzlich ist einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Annahme oder Gewährung von Zuwendungen von Dritten bzw. an Dritte im Zusam31d menhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen nach § Abs. 1 Satz 1 WpHG verboten. Unter bestimmten Voraussetzungen gilt jedoch eine Ausnahme.107 Unter anderem muss dem Kunden „Existenz, Art und Umfang der Zuwendung oder, soweit sich der Umfang noch nicht bestimmen lässt, die Art und Weise seiner Berechnung, […] vor der Erbringung der Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung in umfassender, zutreffender und verständlicher Weise deutlich offen gelegt“ werden (vgl. § 31d Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG). Die Gefahr solcher Zuwendungen von Dritten liegt darin, dass sie beim Empfänger einen Interessenkonflikt auslösen, der zu einem opportunistischen Verhalten führen kann, denn die Wahrung der Kundeninteressen konkurriert dann mit den Eigeninteressen an den vom Dritten in Aussicht gestellten Zuwendungen.108 Dritte sind in diesem Zusammenhang alle Personen oder Unternehmen, die „außerhalb des Verhältnisses zwischen dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen und dem Kunden der Dienstleistung“ stehen.109 Zweck der Regelung in § 31d WpHG ist es, die Beziehung zwischen den Wertpapierdienstleistungsunternehmen und ihren Kunden von solchen durch Dritte verursachten Interessenkonflikten des Wertpapierdienstleisters frei zu halten.110 Aufgrund des Zwecks von § 31d WpHG, den Kunden vor Interessenkonflikten des Wertpapierdienstleisters, die durch Zuwendungen Dritter verursacht werden können, zu schützen, werden von § 31d WpHG sowohl Zuwendungen erfasst, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Wertpapierdienstleistung stehen, als auch solche, die nur einen mittelbaren Zusammenhang aufweisen, wenn sie den Zuwendungsempfänger in seinen Entscheidungen beeinflus Zur Rechtsprechung des BGH zu Rückvergütungen siehe § 7 III 1.) c.) (v). Dies sind: (1) die Zuwendung dient der Qualitätsverbesserung, (2) die interessengerechte Erbringung der Dienstleistung ist nicht gefährdet und (3) die Zuwendung wurde dem Kunden in hinreichend transparenter Weise offengelegt. Zudem gilt § 31d WpHG nicht für Geschäfte mit sog. geeignete Gegenparteien, § 31b Abs. 1 WpHG sowie für Geschäfte, die an organisierten Märkten oder in multilateralen Handelssystemen geschlossen werden, § 37 Satz 1 WpHG – werden letztere allerdings in Ausführung eines Kundenauftrags geschlossen, muss eine Aufklärung nach § 31d WpHG gegenüber dem Kunden erfolgen (§ 37 Satz 2 WpHG). 108 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31d Rdnr. 1; Assmann, ÖBA 2007, 40, 49. 109 RegE, BT-Drs. 16/4028, S. 67; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31d Rdnr. 19; Assmann, ZBB 2008, 21, 25. Dazu gehören auch rechtlich selbständige Unternehmen innerhalb eines Konzerns im Verhältnis zueinander. Siehe Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31d Rdnr. 19; Assmann, ZBB 2008, 21, 26. 110 Schwark/Zimmer/Koch, KMRK, § 31d WpHG Rdnr. 28. 106 107
III. Rechtsgrundlage der Offenlegungspflicht
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sen können.111 Für den erforderlichen „Zusammenhang“ reicht es mithin aus, wenn die Zuwendung generell geeignet ist, einen Interessenkonflikt zu verursachen.112 Die Offenlegung soll dem Kunden auch in diesem Fall die Möglichkeit geben, das Risiko des – in diesem Fall aufgrund der Zuwendungen – entstehenden Interessenkonflikts abzuwägen und unter Umständen von dem Geschäft Abstand zu nehmen oder sich auf andere Weise vor negativen Auswirkungen zu schützen.113 Wie bei der Offenlegungspflicht nach § 31 WpHG reicht es daher nicht aus, den Kunden nur über die Existenz des Konflikts zu informieren114 oder ihm einen bloßen Hinweis zu geben, dass Zuwendungen fließen (könnten).115 Er muss vielmehr zumindest grob über den Grad der Gefährdung unterrichtet werden.116 Wie bei der Offenlegungspflicht nach § 31 WpHG muss sich das Wertpapierdienstleistungsunternehmen am Durchschnittskunden des „angesprochenen Kundenkreises“ (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 WpDVerOV) orientieren und die Informationen so vermitteln, dass sie für diesen „Durchschnittskunden“ verständlich und deutlich sind.117 Zu einer gewissen Spannung kann es in diesem Zusammenhang zwischen der „umfassenden“ und der „verständlichen“ Offenlegung kommen: Während aufgrund ersterer eine möglichst detailreiche Darstellung notwendig sein kann, soll der zweite Ansatz den Kunden vor einer Überflutung mit Detailinformationen schützen, die ihm den Blick für das Wesentliche verstellen würde.118 c.) Offenlegung von Zuwendungen an Kapitalverwaltungsgesellschaften Für externe Kapitalverwaltungsgesellschaften bzw. inländischen Zweigniederlassungen von EU-OGAW-Verwaltungsgesellschaften sehen § 5 Abs. 2 bzw. § 51 Abs. 4 Satz 2 KAGB eine entsprechende Anwendung von § 31d WpHG vor. In Ergänzung dazu hat eine Kapitalverwaltungsgesellschaft nach § 165 Abs. 3
Ausführlicher Schwark/Zimmer/Koch, KMRK, § 31d WpHG Rdnr. 28. Schwark/Zimmer/Koch, KMRK, § 31d WpHG Rdnr. 28; Assmann, ZBB 2008, 21, 25; Rozok, BKR 2007, 217, 219; vgl. auch Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31d Rdnr. 10; MünchKommHGB/Ekkenga, Effektengeschäft, Bd. 5, 2. Aufl., Rdnr. 509. 113 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31d Rdnr. 1. 114 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31d Rdnr. 38. 115 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31d Rdnr. 48. 116 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31d Rdnr. 48; Nikolaus/d’Oleire, WM 2007, 2129, 2133 (wesentliche Eckpunkte). 117 Siehe dazu Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31d Rdnr. 43. An einer Verständlichkeit fehlt es etwa, wenn die Zuwendungen so kompliziert berechnet bzw. dargestellt werden, dass sie „ein verständiger Kunde, der sich angemessen bemüht, nicht mehr durchschauen kann“. Assmann/Schneider/Koller, a.a.O. Rdnr. 4 4. 118 Schwark/Zimmer/Koch, KMRK, § 31d WpHG Rdnr. 50. Vgl. dazu auch Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31d Rdnr. 39; Rozok, BKR 2007, 217, 224 (bei der Offenlegung ist auf die Nachvollziehbarkeit und die Verständlichkeit für den Kunden zu achten). 111
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§ 7 Anzeige- und Offenlegungspflichten
Nr. 8 KAGB im Verkaufsprospekt und nach § 101 Abs. 2 Nr. 3 KAGB im Jahresbericht über Rückvergütungen zu berichten. d.) Offenlegungspflicht für Finanzanalysten Detailliert ausgeformt worden ist auch die Pflicht zu Offenlegung von Interessenkonflikte im Zusammenhang mit Finanzanalysen nach § 34b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WpHG: 119 Umstände und Beziehungen, die bei den Erstellern, den für die Erstellung verantwortlichen juristischen Personen oder mit diesen verbundenen Unternehmen120 Interessenkonflikte begründen können, müssen offengelegt werden.121 Der Begriff Finanzanalyse wird in § 34b Abs. 1 Satz 1 WpHG legaldefiniert als „Information über Finanzinstrumente oder deren Emittenten […], die direkt oder indirekt eine Empfehlung für eine bestimmte Anlageentscheidung enthält und einem unbestimmten Personenkreis zugänglich gemacht werden soll“.122 Diese besondere Offenlegungspflicht geht über die allgemeinen Offenlegungs- und Anzeigepflichten hinaus, weil sie nicht nur die jeweiligen Kunden eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens schützt, sondern auch die Öffentlichkeit, vgl. § 34b Abs. 1 Satz 1 Fall 2 WpHG. Ein Schuldverhältnis wird demnach nicht vorausgesetzt. Interessenkonflikte können im Zusammenhang mit Finanzanalysen vor allem dann entstehen, wenn für die verantwortlichen Unternehmen ein besonderer Anreiz besteht, bei der Analyse zu einem bestimmten Ergebnis zu kommen, das von demjenigen abweicht, das unter gewöhnlichen Umständen zustande gekommen wäre.123 Dies ist insbesondere der Fall, wenn das Kursbeeinflussungspotential der Finanzanalyse zum eigenen Vorteil, etwa für den Eigenhandel des Unternehmens, und zum Nachteil der Adressaten der Analyse genutzt werden soll.124 Oder die Analyse soll den Emittenten bzw. dessen Finanzinstru-
Zu Interessenkonflikten bei der Wertpapieranalyse und deren Regulierung Göres, Interessenkonflikte; Pfüller/Wagner, WM 2004, 253; siehe auch Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 34b Rdnr. 47 ff. 120 Ob ein Unternehmen mit einem anderen verbunden ist, richtet sich nach § 15 AktG. Siehe KölnKommWpHG/Möllers, § 34b Rdnr. 162; Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 34b WpHG Rdnr. 23. 121 § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 FinAnV erweitert diesen Personenkreis. Erfasst werden sollen danach auch natürliche Personen und Unternehmen, die an der Erstellung der Finanzanalyse mitwirken und für ein Unternehmen tätig sind, das für die Erstellung verantwortlich oder mit ihm verbunden ist. 122 Siehe dazu etwa Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 34b Rdnr. 8 ff.; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 3b Rdnr. 417 ff.; Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 34b WpHG Rdnr. 4 ff. 123 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 34b Rdnr. 42. Zu möglichen Interessenkonflikten bei der Finanzanalyse Göres, Interessenkonflikte, S. 32 ff. Siehe auch Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 34b Rdnr. 47 ff.; Pfüller/Wagner, WM 2004, 253. 124 Vgl. Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 34b Rdnr. 50; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 34b Rdnr. 42; Göres, Interessenkonflikte, S. 42, 90 f., außerdem S. 273. 119
III. Rechtsgrundlage der Offenlegungspflicht
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mente in einem günstigen Licht darstellen, um neue Kunden zu gewinnen oder vorhandene Kunden zu halten.125 Sinn und Zweck von § 34b WpHG ist es, solchen und ähnlichen Missbrauch im Zusammenhang mit Finanzanalysen zu verhindern.126 Anleger sollen darauf vertrauen können, dass solche Analysen sorgfältig und unvoreingenommen erstellt werden.127 Für die Pflicht zur Offenlegung reicht es daher schon aus, wenn die Anreize für eine Manipulation nicht unwahrscheinlich sind,128 was objektiv aus der Sicht der mit Finanzanalysen befassten Verkehrskreise zu ermitteln ist.129 Der Interessenkonflikt muss auch nicht erheblich sein. Da der Wortlaut von „Umständen […], die […] Interessenkonflikte begründen können“ spricht, reicht ein bloß möglicher Interessenkonflikt aus.130 Denn schon der Anschein von Abhängigkeit oder Drittbeeinflussung kann den Wert der Analyse für die Anleger erheblich verringern.131 Dem soll die Offenlegungspflicht nach § 34b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WpHG entgegenwirken und dazu dienen, die Neutralität und Integrität von Finanzanalysten zu gewährleisten und das diesbezügliche Vertrauen der Anleger zu schützen.132 e.) Offenlegungspflicht für Ratingagenturen Offenlegungspflichten in Bezug auf Interessenkonflikte enthält auch die Rating-Verordnung der EU, die als Verordnung in Deutschland unmittelbar anwendbar ist.133 Allgemein verpflichtet Abschnitt B Abs. 1 des Anhangs der Verordnung Ratingagenturen dazu, Interessenkonflikte, die die Analysen und Urteile beeinflussen können, „klar und unmissverständlich“ offenzulegen. Dabei beschränkt sich die Vorschrift nicht nur auf Konflikte der Analysten, Mitarbeiter und derjenigen, die die Ratings genehmigen, sondern bezieht sich auch auf andere natürliche Personen, deren Dienstleistungen die Ratingagentur in Anspruch genommen hat oder die von ihr kontrolliert werden und die direkt an der Abgabe von Ratings beteiligt sind. Eine besondere Form der Offenlegung enthält Abschnitt B Abs. 1 des Anhangs der Verordnung. Danach ist eine Ratingagentur verpflichtet, die Namen 125 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 34b Rdnr. 50; Göres, Interessenkonflikte, S. 35 f. 126 Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 34b WpHG Rdnr. 2 . 127 RegE 4. FinFöG, BT-Drs. 14/8017, S. 92; Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 34b WpHG Rdnr. 2 . 128 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 34b Rdnr. 51 („nicht fern liegen“). 129 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 34b Rdnr. 53. 130 Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 34b WpHG Rdnr. 24; siehe auch KölnKommWpHG/Möllers, § 34b Rdnr. 154 f. 131 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 34b Rdnr. 41; vgl. auch Hettermann/Althoff, WM 2006, 265, 269. 132 Vgl. RegE 4. FinFöG, BT-Drs. 14/8017, S. 92; siehe auch Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 34b Rdnr. 1. 133 Art. 288 Satz 2 AEUV.
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derjenigen Unternehmen, die sie bewertet hat, zu veröffentlichen, wenn sie von ihnen mehr als 5 % ihrer Jahreseinnahmen erhält. Der Ratingagentur wird somit die Möglichkeit genommen, selbst einzuschätzen, ob in diesem Fall ein zu veröffentlichender Interessenkonflikt besteht oder nicht. Vielmehr wird dieser unwiderleglich vermutet. Anders als in den USA, wo dafür allerdings eine 10%-Grenze gilt,134 wird keine Pflicht zur Abstandnahme statuiert, woran sich zeigt, dass dieser Konflikt nicht als besonders schwerwiegend empfunden wird. f.) Schutzmaßnahmen nach § 22 Abs. 1 Berufssatzung WP/vBP Im Rahmen der berufsrechtlichen Bestimmungen finden sich vor allem auf Satzungsebene ausdrückliche Regelungen zu Offenlegungspflichten. Beispielhaft hierfür ist § 22 Abs. 1 der Berufssatzung WP/vBP, wonach die Gefährdung der Unbefangenheit mit Hilfe von „Schutzmaßnahmen“ abgeschwächt werden kann, sodass „aus Sicht eines verständigen Dritten die Gefährdung insgesamt als unwesentlich zu beurteilen ist“. Zu diesen Schutzmaßnahmen gehören unter anderem Erörterungen mit Aufsichtsgremien des Auftraggebers (Satz 2 Nr. 1), Erörterungen mit Aufsichtsstellen außerhalb des Unternehmens (Satz 2 Nr. 2) und Transparenzregelungen (Satz 2 Nr. 3). Erörterungen mit anderen und Transparenzregelungen sind aber nur möglich bzw. anwendbar, wenn dabei eine entsprechende Offenlegung erfolgt. Allerdings bleibt es den Prüfern überlassen, ob sie solche oder andere „Schutzmaßnahmen“ ergreifen wollen oder nicht. Dieser Regelungsansatz ist vergleichbar mit demjenigen im kapitalmarktrechtlichen Aufsichtsrecht, der Wertpapierdienstleistungsunternehmen einen gewissen Entscheidungsspielraum in Bezug darauf zugesteht, ob organisatorische Maßnahmen für den Umgang mit Interessenkonflikten ausreichen oder noch eine Aufklärung der Kunden erforderlich ist. Soweit es somit als „Schutzmaßnahme“ geboten erscheint, einen Interessenkonflikt offenzulegen, lassen sich auch für Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer Offenlegungspflichten berufsrechtlich herleiten. g.) Anzeigepflicht nach § 7 und § 4 Abs. 3 der VID-Berufsgrundsätze Ein Beispiel für eine berufliche Selbstverpflichtung zur Offenlegung von Interessenkonflikten ist der für Insolvenzverwalter geltende § 7 der VID-Berufsgrundsätze. Danach hat ein Insolvenzverwalter Umstände, die Zweifel an seiner Unabhängigkeit begründen, dem Insolvenzgericht unverzüglich (schriftlich) anzuzeigen. Darüber hinaus müssen Insolvenzverwalter solche Umstände dem Insolvenzgericht (unverzüglich und schriftlich) anzeigen, die zwar noch keine Zweifel an seiner Unabhängigkeit begründen, die aber dennoch einer 17 C.F.R. 240.17g-5(c) (1).
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IV. Inhalt und Grenzen der Offenlegungspflicht
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genaueren Beobachtung bedürfen. Diese sind nach § 4 Abs. 3 lit. b und c der VID-Grundsätze, wenn „der Insolvenzverwalter, eine ihm nahestehende Person im Sinne von § 138 InsO oder eine mit ihm zur gemeinsamen Berufsausübung verbundene Person […] für Gläubiger des Schuldners oder andere Verfahrensbeteiligte als Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Poolverwalter in anderen Angelegenheiten tätig“ war oder ist (lit. b) oder der Insolvenzverwalter „bereits Insolvenzverwalter bzw. Gutachter oder vorläufiger Insolvenzverwalter in einem Insolvenz(eröffnungs)verfahren über das Vermögen einer mit der Insolvenzschuldnerin verbundenen Gesellschaft“ ist (lit. c).
IV. Inhalt und Grenzen der Offenlegungspflicht 1.) Offenlegung ex ante Interessenkonflikte sind offenzulegen, bevor es zu einem Vertragsschluss135 bzw. einer Bestellung kommt bzw. – insbesondere wenn sie später entstehen – unverzüglich nach ihrer Entstehung. Denn bereits die Existenz eines (konkreten) Interessenkonflikts bedeutet eine Gefährdung der Interessen des Geschäftsherrn. Die Offenlegung soll verhindern, dass sich diese Gefährdung manifestiert und es zu einer tatsächlichen Verletzung der Interessen des Geschäftsherrn kommt, ohne dass dieser vorher gewarnt worden ist. Die Offenlegung des Konflikts gibt dem Geschäftsherrn (bzw. dem an seiner statt handelnden Gericht) die Möglichkeit, informiert darüber zu entscheiden, ob er den jeweiligen Interessenwahrer beauftragt bzw. das Interessenwahrungsverhältnis mit ihm fortsetzt und ob er gegebenenfalls den Inhalt des Vertrages entsprechend anpasst.136 Entscheidet er sich für die Aufnahme bzw. Fortsetzung des Interessenwahrungsverhältnisses (sofern dies dem Interessenwahrer nicht verboten ist, vgl. etwa § 43a Abs. 4 BRAO), so wird der Interessenwahrer zwar nicht von seiner Interessenwahrungspflicht befreit, der Geschäftsherr kann aber seine Interessen zusätzlich absichern bzw. das Verhalten des Interessenwahrers genauer überwachen. Von einer Offenlegung kann in der Regel abgesehen werden, wenn der Interessenkonflikt dem Geschäftsherrn bekannt ist – sei es, weil der Interessenwahrer ihn dem Geschäftsherrn bereits früher (z. B. beim Vertragsabschluss) mitgeteilt hat, sei es, dass er offenkundig ist oder wegen seiner Üblichkeit als bekannt vorausgesetzt werden kann.137 Ist der Interessenwahrer jedoch zur Offenle Zum Bestehen dieser Pflicht im vorvertraglichen Stradium bereits unter § 7 III.1.)b.). Hopt, ZGR 2004, 1, 27; siehe auch Löhnig, Treuhand, S. 221. 137 BGH NJW-RR 1998, 992, 993; 2000, 430, 431; BGH WM 2003, 2061, 2062; 2009, 2306; OLG Düsseldorf WM 2009, 1410, 1412; OLG Celle WM 2009, 2171, 2174; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 347 Rdnr. 30; Ringleb/Kremer/Lutter/v.Werder/Kremer, DCGK, 135
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gung verpflichtet und verletzt er schuldhaft seine Offenlegungspflicht, macht er sich schadensersatzpflichtig.138 a.) Besonderheiten bei Gremienmitgliedern am Beispiel des Aufsichtsrats Besonderheiten hinsichtlich der Offenlegungspflicht ergeben sich in den Fällen, in denen mehrere Interessenwahrer zusammenwirken, wie etwa beim Aufsichtsrat, und gleichzeitig einer Vielzahl von „Geschäftsherren“ gegenüberstehen. Diese alle zu informieren ist vielfach praktisch schwierig – insbesondere wenn sie, wie Aktionäre, immer wieder wechseln – und verlangt oft einen unangemessen hohen Aufwand. Daher genügt es im Fall von Aufsichtsratsmitgliedern, wenn sie ihre Interessenkonflikte gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden offenlegen.139 Dessen Aufgabe ist es dann, über das weitere Vorgehen zu entscheiden. In der Regel wird er das Plenum informieren.140 Eine Information des Plenums kann auch auf Initiative des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds erfolgen.141 Andererseits kann aber auch auf eine Information des Plenums verzichtet werden, wenn das betroffene Aufsichtsratsmitglied nicht an der jeweiligen Sitzung teilnimmt.142 Eine Pflicht zur Information der Hauptversammlung ist demgegenüber nicht erforderlich und lässt sich auch aus der Treuepflicht des Aufsichtsratsmitglieds nicht ableiten.143 Denn wollte man bei jedem Interessenkonflikt ad hoc eine Hauptversammlung zusammenrufen, so wäre dies angesichts der Vorgaben für die Einberufung einer Hauptversammlung undurchführbar und mit einer effizienten Aufsichtsratsarbeit nicht zu vereinbaren. Zudem soll die Bestellung eines Gremiums gerade sicherstellen, dass Interessenkonflikte einzelner Mitglieder möglichst geringe Auswirkungen haben. Es bleibt dann lediglich eine nachgelagerte Offenlegung über aufgetretene Konflikte gegenüber der Hauptversammlung, wie sie Ziff. 5.5.3 des DCGK empfiehlt.144 Diese nachträgliche Kontrolle ermöglicht in gewissem Umfang einen präventiven Schutz insofern, Rdnr. 1101; Löhnig, Treuhand, S. 216; Lang/Bausch, WM 2010, 2101, 2107; vgl. auch Habersack, WM 2010, 1245, 1251. Siehe außerdem die Nachweise in Fn. 19 in diesem Kapitel. 138 Palandt/Sprau, BGB, § 666 Rdnr. 1. 139 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 164, auch Rdnr. 196; MünchKommAktG/ Habersack, § 100 Rdnr. 69. 140 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 164; MünchKommAktG/Habersack, § 100 Rdnr. 69. 141 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 164. 142 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 196. 143 GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 164. 144 Dabei kann die Information der Hauptversammlung auch in anonymer Form erfolgen, wenn das vom Interessenkonflikt betroffene Aufsichtsratsmitglied nicht an der Beratung teilgenommen hat. Siehe GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdnr. 196; Vetter, in: MarschBarner/Schäfer, Hdb börsennot. AG, § 27 Rdnr. 43, § 29 Rdnr. 28; Lutter, AG 2008, 1, 9; Vetter, ZIP 2006, 257, 261.
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als sich der Aufsichtsrat ihrer bewusst ist und daher einen Anreiz hat, mit den Interessenkonflikten seiner Mitglieder ordnungsgemäß umzugehen. b.) Besonderheiten bei gesetzlichen Interessenwahrern am Beispiel des Insolvenzverwalters Im Fall des Insolvenzverwalters hat letztlich das Gericht über dessen Bestellung und Abberufung zu entscheiden. Daher hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber Interessenkonflikte unverzüglich, vollumfänglich und wahrheitsgemäß anzuzeigen.145 Da die Anzeigepflicht das Gericht in die Lage versetzen soll zu entscheiden, ob der Verwalter noch ausreichend unabhängig ist, orientieren sich Umfang und Reichweite der Anzeigepflicht am Unabhängigkeitsgebot des Verwalters.146 Daher muss der Verwalter auch solche Konflikte anzeigen, die nur möglicherweise seine Unabhängigkeit beeinträchtigen bzw. bei denen Zweifel in dieser Hinsicht bestehen; andernfalls bestünde die Gefahr, dass die „Auslegungshoheit“ des Gerichts unterlaufen werden könnte oder der Verwalter allzu leicht dem Anreiz zu manipulieren verfiele.147 Für die Frage allgemein, wem gegenüber ein gesetzlicher Interessenwahrer Interessenkonflikte offenzulegen hat, muss der Regelungskontext herangezogen werden. Sofern Auskunfts- oder Rechenschaftspflichten statuiert werden, lässt sich diesen in der Regel entnehmen, wer der Adressat ist. Andernfalls – so lässt sich aus dem Befund für den Insolvenzverwalter ableiten – oder auch zusätzlich können die Vorschriften herangezogen werden, die bestimmen, wer für die Abberufung des Interessenwahrers zuständig ist. Denn demjenigen – in der Regel wird dies ein Gericht sein – müssen alle erforderlichen Informationen zugeleitet werden, die für die Entscheidung über eine Abberufung relevant sind. Dazu gehören vor allem Informationen über bestehende oder sich abzeichnende Interessenkonflikte.
2.) Nachträgliche Offenlegung Daneben hat der BGH in bestimmten Fällen auch eine nachträgliche Offenlegung gefordert, um dem Geschäftsherrn zu ermöglichen, gegen den Interessen145 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 211; Frind, ZInsO 2002, 745, 749. Die Anzeige hat in schriftlicher Form oder durch Niederschrift des Gerichts zu erfolgen, siehe BGHZ 113, 262, 276 f.; Laukemann, Unabhängigkeit, S. 211. Anzugeben sind das zeitliche Vorliegen, die beteiligten Personen sowie der Bezug zum konkreten Verfahren. Dazu Laukemann, a.a.O. Vergleichbares hat auch für andere gesetzliche Interessenwahrer zu gelten, die gerichtlich bestellt werden, wie den Vormund, den Betreuer oder den Pfleger. 146 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 212. 147 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 212. Mit der Anzeige bringt der Verwalter nicht primär zum Ausdruck, dass er sich für befangen hält, sondern dass er eine Entscheidung des Gerichts hierzu für notwendig hält.
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wahrer wirksam vorzugehen.148 Beispielsweise müssen Rechtsanwälte und Steuerberater ihre Mandanten auf Verfehlungen hinweisen, die sie ihnen gegenüber begangen haben. Denn anders als im Strafrecht existiert im Privatrecht kein Verbot der Selbstinkriminierung, sodass es Interessenwahrern im Rahmen des Zivilrechts auch nicht erlaubt ist, eigenes Fehlverhalten zu verdecken – auch nicht, wenn es strafrechtlich relevant ist.149 Tun sie dies dennoch, haften sie wegen Verletzung ihrer Offenlegungspflichten, wofür eine selbständige Verjährung gilt.150 Auf diese Weise wird ein nachgelagerter Schutz der zu wahrenden Interessen gewährleistet. Dieser Gedanke der Offenlegung von eigenem Fehlverhalten lässt sich auch auf andere Interessenwahrer, wie z. B. Vorstände und Geschäftsführer, erstrecken.151 Denn allen Interessenwahrungsverhältnissen ist die spezifische Informationsasymmetrie zwischen Interessenwahrer und Geschäftsherrn – insbesondere hinsichtlich der Interessen des ersteren – gemeinsam. Bei allen besteht daher die Gefahr versteckter Pflichtverletzungen durch den Interessenwahrer und ist der Geschäftsherr in besonderer Weise auf dessen Informationen angewiesen.152 Auch die nachgelagerte Informationspflicht dient daher dem Ausgleich der unterschiedlichen Informationsniveaus und stellt ein wesentliches Element der Interessenwahrung dar. Zudem dient sie dazu, dem Geschäftsherrn bzw. den Kontrollorganen zu ermöglichen, eventuelle Herausgabe- oder Schadensersatzansprüche geltend zu machen.153 Eine (erfolgte) Interessenverletzung ist in diesem Fall zwar nicht mehr zu verhindern, Herausgabe- und Schadensersatzansprüche können jedoch zumindest helfen, die negativen Auswirkungen auf den Geschäftsherrn auszugleichen.
3.) Inhalt und Umfang der Offenlegungspflicht a.) Allgemeines Inhalt und Umfang der Offenlegungspflicht richten sich grundsätzlich danach, was erforderlich ist, damit der Geschäftsherr eine informierte Entscheidung hinsichtlich der Wahrung seiner Interessen vornehmen kann. Dies richtet sich Siehe BGHZ 83, 17, 23; 94, 380, 386; 114, 150; 129, 386, 392; BGH NJW 2000, 1263, 1264; 2002, 1117, 1120; dazu Baumbach/Hopt, HGB, § 347 Rdnr. 30; Hopt, ZGR 2004, 1, 27 ff. Vgl. in diesem Zusammenhang rechtsvergleichend zum englischen Recht, Schmolke, RIW 2008, 365. 149 Hopt, ZGR 2004, 1, 28. 150 BGHZ 83, 17, 23; 94, 380, 389; 114, 150; 129, 386, 395; BGH NJW 2000, 1263, 1267; 2002, 1117, 1120; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 347 Rdnr. 30. 151 Hopt, ZGR 2004, 1, 27. Dem folgend Löhnig, Treuhand, 2006, S. 215. 152 Löhnig, Treuhand, S. 215. 153 Sind solche Ansprüche in der Buchführung bzw. in den Bilanzen der Gesellschaft zu berücksichtigen, kommt es auch in diesem Fall zu einer Sekundärhaftung mit selbständiger Verjährung, siehe Hopt, ZGR 2004, 1, 27 f. 148
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nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der jeweiligen Geschäftsbeziehung, ihrem konkreten Gegenstand und der Sachkunde des Geschäftsherrn.154 Generell hat der Interessenwahrer alle Informationen mitzuteilen, die der Geschäftsherr nicht kennt und die er benötigt, um „seine Rechte wahrnehmen, seine Pflichten erfüllen und sachgerechte Entscheidungen treffen“ zu können.155 Mit Blick auf Interessenkonflikte bedeutet dies, dass der Interessenwahrer den Konflikt grundsätzlich so darstellen muss, dass der Geschäftsherr eine ausreichende Basis für seine Entscheidung erhält.156 Zu unterscheiden ist dabei zwischen Interessenkonflikten aufgrund einer Kollision mit eigenen Interessen und solchen aufgrund einer Kollision mit anderen vom Interessenwahrer zu wahrenden Fremdinteressen. Im Fall kollidierender Fremdinteressen sind unter anderem datenschutzrechtliche157 und besondere Geheimhaltungsgründe sowie unter Umständen auch gesetzliche Informationsweitergabeverbote zu beachten.158 Im Fall der Kollision mit eigenen Interessen spielen sie hingegen insofern keine Rolle, als der Interessenwahrer seine Interessen dadurch schützen kann, dass er die Übernahme des Auftrags ablehnt bzw. das Mandat niederlegt. Kommt es zu einer Kollision mit Eigeninteressen und zieht sich der Interessenwahrer nicht zurück, muss er daher erläutern, welche seiner Interessen den Konflikt verursachen und warum. Ein allgemeiner, pauschaler Hinweis auf das Bestehen eines Interessenkonfliktes für die Erfüllung der Offenlegungspflicht reicht in diesem Fall grundsätzlich nicht aus. 159 Denn ein allgemeiner Hinweis, dass grundsätzlich Interessenkonflikte bestehen können, ist zu undifferenziert und würde die Warnfunktion der Offenlegungspflicht verfehlen. Zulässig ist ein allgemeiner Hinweis nur, wenn der Interessenwahrer damit die Ablehnung des ihm angetragenen Auftrags begründet. Auf der anderen Seite muss der Interessenwahrer aber auch nicht seine gesamte Geschäftstätigkeit offenlegen.160 Eine unbegrenzte Offenlegungspflicht Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 10; MünchKommHGB/Häuser, § 384 Rdnr. 23. MünchKommBGB/Seiler, § 666 Rdnr. 5 ; ähnl. Ermann/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 9 ; vgl. auch BGH NJW 2005, 1113, 1114; 1998, 680, 681; Soergel/Beuthin, BGB, § 666 Rdnr. 6 ; Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 5. Außerdem Huber, in: Leinz, Karlsruher Forum 2000, S. 5 (zu Aufklärungspflichten vor Vertragsschluß); zum Schweizer Recht Abegglen, Aufklärungspflichten, S. 119. Zu § 384 HGB Ehrenberg/Schmidt-Rimpler, Hdb des Handels, Bd. 5.1.1, S. 274. 156 Siehe nur Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 67; zurückhaltend Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 Rdnr. 132. Vgl. für den Insolvenzverwalter Laukemann, Unabhängigkeit, S. 212. 157 A.A. Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 6. 158 Zu den in diesem Zusammenhang auftretenden Fragen wird unter § 7 IV.4.) Stellung genommen. 159 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31d Rdnr. 71; Sethe, Vermögensverwaltung, S. 800; a.A. Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, S. 624. 160 Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 Rdnr. 132. 154 155
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wäre nur dann anzunehmen, wenn der Interessenkonflikt ganz umfassend ist und zwangsläufig oder mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung der Interessen des Geschäftsherrn führen würde.161 Dann aber wäre der Interessenwahrer ohnehin verpflichtet, von dem Geschäft Abstand zu nehmen. Um genauer zu bestimmen, was als „erforderlich“ für eine angemessene Offenlegung anzusehen ist und wie konkret sie erfolgen muss, können die bereits weit entwickelten und gesetzlich niedergelegten kapitalmarktrechtlichen Offenlegungspflichten herangezogen werden. Zu beachten ist allerdings, dass die eine oder andere Detailregelung kapitalmarktspezifisch ist und sich daher nicht alle Regelungen für eine allgemeinere Bestimmung eignen. b.) Art und Herkunft des Konflikts Voraussetzung dafür, dass der Geschäftsherr die Gefahren für seine Interessen durch einen Interessenkonflikt des Interessenwahrers richtig einschätzen kann, ist eine eindeutige Darlegung der allgemeinen Art und Herkunft des Interessenkonflikts. Dies ergibt sich etwa für das kapitalmarktrechtliche Aufsichtsrecht aus § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG. Erforderlich ist dabei nicht, dass der individuelle einzelne Konflikt, etwa eine bestimmte Geschäftsbeziehung zu einem namentlich zu nennenden Kunden, erläutert wird.162 Aber die Offenlegung darf auch nicht lediglich allgemein-generell erfolgen; vielmehr muss der jeweils bestehende Konflikt dargelegt werden, wenn auch losgelöst vom Einzelfall.163 Die „Art“ des Interessenkonflikts ergibt sich aus den konfligierenden Interessen, d. h. ob es sich um den Konflikt mit Eigeninteressen des Wertpapierdienstleistungsunternehmen handelt oder um einen Konflikt mit Interessen anderer Kunden.164 Mit der „Herkunft“ wird beschrieben, welche gegenläufigen Interessen dem Konflikt zugrunde liegen; der Kunde soll erkennen können, bei welchen Geschäften typischerweise ein Interessenkonflikt bestehen kann.165 Eine abstrakte Beschreibung des Konflikts genügt daher nicht, vielmehr muss die Beschreibung des Konflikts für den Durchschnittskunden ersichtlich machen, bei welchen Geschäften Interessenkonflikte typischerweise entstehen können.166 Dementsprechend hat das Wertpapierhandelsunternehmen etwa im Falle eigener konfligie Löhnig, Treuhand, S. 219. Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 49 und 72. 163 Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 75. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich das Wertpapierdienstleistungsunternehmen mit einer solchen Aufklärung quasi selbst bezichtigt oder ob der Kunde daraufhin sein Verhalten ändert. Siehe Assmann/Schneider/ Koller, WpHG, § 31 Rdnr. 45. 164 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31 Rdnr. 43; Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 69. 165 Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 69. 166 Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 69, zu Einzelheiten siehe a.a.O. Rdnr. 74 ff. Außerdem Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 71. 161
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render Interessen offenzulegen, bei welchen Geschäftsfeldern bzw. welchen geschäftlichen Aktivitäten – z. B. Eigenhandel, Kurspflegemaßnahmen, Market Making167 – es zu einem unvermeidbaren, die Kundeninteressen beeinträchtigenden Interessenkonflikt kommen kann.168 Das umfasst auch die Anreizwirkungen der Vergütungsstruktur des Unternehmens169 oder dessen Eigeninteressen,170 wenn hauseigene Finanzprodukte vertrieben werden. Eine darüber hinausgehende Konkretisierung des Konflikts, z. B. indem die jeweiligen konkreten Einzelfälle beschrieben werden, ist nicht erforderlich.171 Auch muss das Wertpapierunternehmen nicht konkret darüber aufklären, dass es bestimmte Eigenbestände in dem vom Kunden ins Auge gefassten Finanzinstrument selbst hat oder mit diesen handeln möchte.172 Außerdem muss grundsätzlich nicht darüber aufgeklärt werden, wie intensiv ein Interessenkonflikt ist.173 Da jedoch der Kunde in der Lage sein muss, das Ausmaß der Gefahr zu beurteilen174 und dies ohne eine gewisse Aufklärung über die Intensität des Konflikts schwierig ist,175 kann diese bei der Offenlegung nicht völlig ausgeblendet werden. c.) Offenzulegende Beziehungen und Umstände Eine ausdrückliche und detaillierte Regelung, welche Beziehungen und Umstände im Rahmen einer Aufklärung über einen Konflikt offen gelegt werden müssen, enthält etwa § 5 FinAnV, der § 34b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WpHG konkretisiert. Diese Regelung eignet sich daher als Orientierung, um den Umfang der Offenlegung näher zu bestimmen. Nach § 5 FinAnV sind etwa nennenswerte finanzielle Interessen oder erhebliche Interessenkonflikte in Bezug auf Fi nanzinstrumente oder deren Emittenten anzugeben, die Gegenstand der Fi nanzanalyse sind, § 5 Abs. 1 Satz 3 FinAnV.176 Auch Kontrollbeziehungen und personelle Verflechtungen mit dem Emittenten, der oder dessen Finanzinstrumente Gegenstand der Finanzanalyse sind, können Interessenkonflikte hervor-
167 Dazu Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 77 ff.; Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 77, 78. 168 Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 76. 169 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31 Rdnr. 43. 170 Schäfer/Schäfer, Urteilsanmerkung, BKR 2007, 163, 165 (sofern nicht evident, wie bei Empfehlung hauseigener Produkte). 171 Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 70. 172 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 74. 173 Vgl. Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31 Rdnr. 43. 174 Sethe, Vermögensverwaltung, S. 800. 175 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31 Rdnr. 4 4 (in keiner Weise abschätzbar). Vgl. dazu BGH ZBB 2007, 193; Benicke, Vermögensverwaltung, S. 624. 176 Dies umfasst z. B . Eigenpositionen der Analysten. Wann finanzielle Interessen „nennenswert“ sind, ist danach zu bestimmen, ob das Interesse geeignet ist, die Unvoreingenommenheit des Erstellers zu beeinträchtigen. Siehe Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 34b WpHG Rdnr. 24.
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rufen.177 Ungeschriebene Voraussetzung für die Offenlegung eines (potentiellen) Interessenkonflikts ist außerdem, dass er geeignet sein muss, sich auf die unvoreingenommene Erstellung der Finanzanalyse auszuwirken.178 Für bestimmte qualifizierte Personen und Unternehmen179 enthält § 5 Abs. 3 Satz 1 FinAnV eine nicht abschließende Auflistung von Umständen, bei denen bereits abstrakt180 davon auszugehen ist, dass es sich um offenlegungspflichtige Informationen handelt. Dazu gehören wesentliche Beteiligungen181 an dem Emittenten, die selbst oder deren Finanzinstrumente Gegenstand der Finanzanalyse sind (Nr.1). Des Weiteren wird die gleichzeitige Tätigkeit als Market Maker oder Designated Sponsor für Finanzinstrumente, die selbst oder deren Emittent Gegenstand der Finanzanalyse sind (Nr. 2 lit. a), erfasst. Offenlegungspflichtig ist auch die Beteiligung an der Führung eines Emissionskonsortiums innerhalb der vorangegangenen zwölf Monate für Finanzinstrumente, die selbst oder deren Emittent Gegenstand der Finanzanalyse sind, (Nr. 2 lit. b). Ebenfalls offenzulegen ist die Vereinbarung mit dem jeweiligen Emittenten über die Erbringung von Investmentbanking-Dienstleistungen in den voran gegangenen zwölf Monaten oder der Erhalt von Leistungen aufgrund einer solchen Vereinbarung – dies gilt jedoch nicht für vertrauliche Geschäftsinformationen – (Nr. 2 lit. c). Und schließlich müssen Vereinbarungen mit dem betroffenen Emittenten über die Erstellung von Finanzanalysen (Nr. 2 lit. d) sowie sonstige bedeutende finanzielle Interessen in Bezug auf den Emittenten (Nr. 2 lit. e) offen gelegt werden.182 Darüber hinaus haben Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute183 ihre Organisationsmaßnahmen zur Vermeidung bzw. zum Umgang mit Interessenkonflikten offenzulegen und anzugeben, ob die Vergütung des Erstellers der Analyse oder der an der Erstellung Mitwirkenden von Investmentbanking Geschäften abhängt und sie Anteile des von der Analyse betroffenen Emittenten vor einer Emission erhalten oder erwerben, § 5 Abs. 4 Nr. 1 und 2 FinAnV.
Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 34b WpHG Rdnr. 24. Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 34b WpHG Rdnr. 24. 179 Dies umfasst Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute, unabhängige Finanzanalysten, mit diesen verbundene Unternehmen, Personen oder Unternehmen, deren Haupttätigkeit die Erstellung von Finanzanalysen ist, vgl. § 5 Abs. 3 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 FinAnV. 180 Eine Offenlegung muss in diesen Fällen ohne Rücksicht auf eine konkrete Gefährdung oder das Vorhandensein von Informationsbarrieren erfolgen. Siehe Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 34b Rdnr. 59; KölnKommWpHG/Möllers, § 34b Rdnr. 184. 181 Als wesentlich wird eine Beteiligung in Höhe von mehr als 5 Prozent des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft angesehen, § 5 Abs. 3 Satz 2 FinAnV. Dazu Assmann/Schneider/ Koller, WpHG, § 34b Rdnr. 60 ff.; KölnKommWpHG/Möllers, § 34b Rdnr. 166 ff. 182 Zu diesen und den davor genannten Regelbeispielen Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 34b Rdnr. 60 ff.; KölnKommWpHG/Möllers, § 34b Rdnr. 174 ff. 183 Sowie nach § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG tätige Unternehmen und Zweigniederlassungen i.S.v. § 53b KWG. 177 178
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d.) Eindeutigkeit der Darlegung Auch muss die Offenlegung „eindeutig“ erfolgen, wie es etwa in § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG heißt. Die „Eindeutigkeit“ der Darlegung steht in einem gewissen Spannungsverhältnis dazu, dass nur über die „allgemeine“ Herkunft des Interessenkonflikts aufgeklärt werden soll.184 Dieses Spannungsverhältnis lässt sich jedoch mit Blick auf den Zweck der Vorschrift auflösen. Sinn und Zweck der Regelung ist es sicherzustellen, dass der Kunde bewusst entscheiden kann, ob er sich dem Risiko eines Interessenkonflikts und damit einer möglichen Schädigung seiner Interessen aussetzen will.185 Dementsprechend müssen sich der Detaillierungsgrad und der Umfang der Aufklärung daran orientieren, was notwendig ist, damit ein typischer Kunde der jeweiligen Kategorie eine solche fundierte Entscheidung treffen kann.186 Für diesen Durchschnittskunden darf die Aufklärung nicht missverständlich sein,187 und es muss ausreichend deutlich werden, dass das geplante Geschäft aufgrund des Interessenkonflikts ungünstiger oder unvorteilhafter ausfallen kann, als wenn kein Interessenkonflikt bestünde188 . Ein bloßer Hinweis, dass ein Interessenkonflikt generell möglich ist, genügt daher nicht.189 Andererseits muss das Wertpapierdienstleistungsunternehmen aber auch nicht sicherstellen, dass der individuelle Kunde die für ihn und seine Interessen bestehende Gefährdung auch wirklich erkennt.190 Schwierigkeiten bereitet eine Information über Interessenkonflikte, die pauschal, standardisiert191 und möglichst umfänglich mit Hilfe langer Listen von Konflikten erfolgt. In diesem Fall kann die Offenlegung für einen durchschnittlichen Anleger auch zu einem Zuviel an Information führen. Dies kann dazu führen, dass die Information nicht mehr verarbeitet wird und damit die Aufklärungspflicht zum Gegenteil dessen führt, was sie eigentlich erreichen soll.
Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 49. Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 69. 186 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 49 und 71; vgl. auch Sethe, Vermögensverwaltung, S. 800. 187 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31 Rdnr. 44 (plastisch vor Augen führen); Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 67. 188 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 71. 189 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 71. 190 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 72; Schwark/Zimmer/Rothenhöfer, KMRK, § 31 Rdnr. 70; a.A. KölnKommWpHG/Möllers, § 31 Rdnr. 156. Siehe dazu auch Sethe, Vermögensverwaltung, S. 800 (nicht jedes Detail offenbaren). Ausnahmsweise kann sich eine Verpflichtung dazu aber aus § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG ergeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich ansonsten für den jeweiligen Kunden gravierende Nachteile ergeben und eine allgemeine Offenlegung dieser Situation nicht mehr gerecht werden würde. 191 Siehe dazu Mülbert, WM 2007, 1149, 1160. 184 185
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e.) Offensichtlichkeit oder Erkennbarkeit von Interessenkonflikten Offensichtliche oder erkennbare Interessenkonflikte müssen nicht offengelegt werden. Da der Geschäftsherr bereits von dem Konflikt weiß, kann er seine Interessen entsprechend schützen. Eine Offenlegung wäre in diesem Fall eine bloße Formalität. Allerdings zeigt die Rechtsprechung des BGH zu Rückvergütungen sowie die Regelung in § 31d WpHG, dass es Grenzfälle bei der Beantwortung der Frage gibt, wann ein Interessenkonflikt offensichtlich ist und daher nicht offengelegt werden muss. Für jeden offensichtlich ist etwa ein Interessenkonflikt, wenn jemand hinsichtlich seiner eigenen Produkte berät.192 Denn beim Vertrieb eigener Produkte ist das eigene Absatzinteresse des Beraters bzw. des beratenden Instituts erkennbar, und der Kunde weiß um dessen Verkäuferrolle.193 Anders ist dies allerdings, wenn ein darüber hinausgehendes besonderes Interesse des Beraters an der Empfehlung eines Produktes besteht, weil dieses bewusst zu Lasten des Kunden und zum eigenen Nutzen des Beraters bzw. der Bank gestaltet ist. Dieses besondere Interesse kann der Kunde anders als die generelle Gewinnabsicht der Bank nicht erkennen.194 An Grenzen stößt die „Offensichtlichkeit“ des Interessenkonflikts, wenn dafür auf das der Beratung nachgelagerte Beschaffungsgeschäft abgestellt wird (z. B. Kauf oder Kommission). So erfasst etwa § 31d WpHG seinem insofern eindeutigen Wortlaut zufolge, der auf Zuwendungen „von Dritten“ abstellt,195 keine Gewinnmargen, die ein Unternehmen vereinnahmt.196 Bei Gewinnmargen handelt es sich um Vergütungen, die im Festpreisgeschäft in Form einer Marge zwischen dem An- und Verkaufspreis eines Finanzinstruments eingenommen werden.197 Diese werden also nicht von Dritten gezahlt. Dementsprechend entsteht der Konflikt in diesem Fall nicht aufgrund der Zuwendungen eines Dritten, sondern aufgrund des eigenen Gewinninteresses des Wertpapierdienstleistungsunternehmens. Auch nach der Rechtsprechung des BGH soll über Gewinnmargen nicht aufgeklärt werden müssen.198 192 BGH ZIP 2011, 756, 760; BGH WM 2011, 2261, 2265; Habersack, WM 2010, 1245, 1251; Sommermeyer, BKR 2012, 27, 28. Eine Bank kann die von ihr angebotene Beratung auf solche Produkte beschränken, die von der Bank selbst oder Gesellschaften desselben Konzerns angeboten werden. BGH WM 2007, 487, 489. 193 Dazu etwa Hanke, BKR 2012, 493, 495. Zur Erstreckung auf fremde Anlageprodukte, die im Wege des Eigengeschäfts veräußert werden BGH WM 2011, 2261, 2265. 194 BGH ZIP 2011, 756, 761. 195 Schwark/Zimmer/Koch, KMRK, § 31d WpHG Rdnr. 19. 196 Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31d Rdnr. 8; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31d Rdnr. 15; Schwark/Zimmer/Koch, KMRK, § 31d WpHG Rdnr. 19; Spindler, WM 2009, 1821, 1827 (auf den Schutztweck von § 31d WpHG abstellend); a.A. Mülbert, WM 2007, 1149, 1161; Mülbert, ZHR 172 (2008), 170, 188; Rozok, BKR 2007, 217, 218; Schumacher, WM 2011, 678, 681 f. unter Hinweis auf CESR/10–295, S. 24 (Example 2). 197 Siehe z. B. Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31d Rdnr. 15. 198 BGH WM 2011, 2261, 2265 f.; WM 2011, 2268, 2271.
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Sowohl bei Zuwendungen als auch bei Gewinnmargen hat das beratende Unternehmen jedoch ein Interesse daran, den Kunden zu einer Finanzanlage zu bewegen, um entweder die Marge oder die Zuwendung zu erhalten. Beide Male entsteht ein Konflikt zwischen den eigenen Interessen und denen des Kunden, aber nur im Fall von Zuwendungen ist darüber aufzuklären. Dabei ist für den häufig nicht versierten Kunden oft nicht erkennbar, ob er gerade ein Kommissions- oder Festpreisgeschäft abschließt199 und welche Folgen dies hat. Empfiehlt das Unternehmen dagegen seine eigenen Anlageprodukte, die als solche auch erkennbar sind, so muss es nicht darüber aufklären, dass es mit diesen Produkten Gewinne erzielt, denn in diesem Fall ist der Interessenkonflikt offensichtlich.200 Kommen allerdings besondere Umstände hinzu, wie z. B. eine bewusst zum Nachteil des Kunden gestaltete Risikostruktur des eigenen Anlageproduktes, bleibt es bei der Aufklärungspflicht.201 Auch die Frage, wann davon ausgegangen werden kann, dass ein Interessenkonflikt dem Geschäftsherrn bereits bekannt und daher eine Aufklärung nicht nötig ist, wird im Rahmen von § 31d WpHG diskutiert. Konkret geht es darum, welche Auswirkungen es hat, wenn ein Kunde nacheinander mehrere gleichartige Wertpapiergeschäfte vornimmt. Verbreitet wird angenommen, dass in diesem Fall nicht bei jedem Einzelgeschäft erneut eine Offenlegung erfolgen muss, sofern es bei der Zuwendung keine Veränderungen gegeben hat.202 In Anlehnung an § 53 Abs. 2 BörsG in der bis 30.06.2002 geltenden Fassung 203 wird es für ausreichend erachtet, wenn die Offenlegung jährlich, ggf. aber auch erst nach drei Jahren, wiederholt wird.204 Andere sehen darin eine Überforderung des Kunden und verlangen aus Gründen der Rechtssicherheit bei jedem Folgegeschäft eine Offenlegung.205
199 Schwark/Zimmer/Koch, KMRK, § 31d WpHG Rdnr. 19; dazu auch Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 Rdnr. 4 f.; vgl. auch Sethe, FS Nobbe, 2009, S. 769, 785 f.; aus der Rechtsprechung bereits RGZ 42, 125, 131. Krit. dazu Spindler, WM 2009, 1821, 1823 („tendenzielle Einebnung der Unterschiede“). 200 BGHZ 185, 189; BGH ZIP 2011, 756, 760; siehe dazu auch Buck-Heeb, WM 2012, 625, 633 f. 201 Vgl. BGH ZIP 2011, 756, 760 f. 202 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31d Rdnr. 37 (Offenlegung wirkt dann fort); Assmann, ZBB 2008, 21, 29; Rozok, BKR 2007, 217, 225; krit. Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31d Rdnr. 50; Schwark/Zimmer/Koch, KMRK, § 31d WpHG Rdnr. 52; differenzierend Mülbert, ZHR 172 (2008), 170, 189 (abhängig davon, ob Rahmenvertrag vorliegt oder nicht, mit Ausnahme der Anlageberatung, wo jedesmal aufzuklären sei). 203 Danach war die erstmalige schriftliche Unterrichtung über die mit Börsentermingeschäften verbundenen Risiken innerhalb von zehn bis zwölf Monaten zu wiederholen und sollte dann maximal drei Jahre fortwirken. 204 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31d Rdnr. 37; siehe im Ergebnis auch Rozok, BKR 2007, 217, 225; krit. Assmann/Schneider/Koller, WpHG, § 31d Rdnr. 50; Schwark/Zimmer/Koch, KMRK, § 31d WpHG Rdnr. 52. 205 Schwark/Zimmer/Koch, KMRK, § 31d WpHG Rdnr. 52.
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Ob durch eine dauernd wiederholte Offenlegung tatsächlich viel gewonnen wäre, ist allerdings fraglich. Denn in diesem Fall könnte beim Kunden ein Gewöhnungseffekt eintreten. Würde er hingegen nur dann informiert, wenn Änderungen auftreten, wäre der Warneffekt im Falle der Aufklärung größer. Hinzukommt, dass bei einer Pflicht zur immer wieder neuen Offenlegung gleicher Sachverhalte die Entwicklung schnell in Richtung einer Standardisierung gehen würde. Denn damit könnten Wertpapierdienstleistungsunternehmen in diesem Fall die Offenlegung erheblich effizienter gestalten. Sofern sich an den Zuwendungen nichts geändert hat, wird man gegen eine solche Standardisierung grundsätzlich nicht allzu viel einwenden können. Auch eine Standardisierung kann jedoch zu einer Verringerung des Warneffekts führen und diesen somit weiter schwächen. Eine an den Zeitablauf, etwa ein Jahr, anknüpfende Aufklärungspflicht würde demgegenüber auch die unterschiedliche Handelsfrequenz der einzelnen Anleger berücksichtigen. Wer regelmäßig handelt und daher mehr Kenntnisse hat, wird entsprechend – relativ gesehen – seltener aufgeklärt werden. Wer weniger handelt, wird hingegen – relativ gesehen – öfter über Interessenkonflikte informiert werden. Wer also z. B. nur einmal im Jahr eine Transaktion in Finanzinstrumenten durchführt, würde jedes Mal aufgeklärt werden, wer dagegen hundertmal im Jahr handelt, würde nur bei jeder hundertsten Transaktion neu aufgeklärt. Mit Hilfe einer solchen statischen Herangehensweise (einmal im Jahr) würde das Schutzniveau dynamisch an die Situation der einzelnen Kunden bzw. Anleger angepasst werden und so die im WpHG angelegte Differenzierung nach Kenntnis und Erfahrung des Anlegers sachgerecht aufgegriffen werden. f.) Verallgemeinerung der vorangegangenen Befunde Die Befunde zu den kapitalmarktrechtlichen Aufklärungspflichten lassen sich in großen Teilen verallgemeinern. So lässt sich insbesondere der Gedanke, dass der Interessenwahrer über Art und Herkunft des Konflikts aufklären muss, auf Interessenkonflikte außerhalb des Kapitalmarkts übertragen. Denn nur wenn der Geschäftsherr Art und Herkunft des Konflikts kennt, hat er eine gewisse Vorstellung, wie der Konflikt beschaffen ist und wie dieser seine Interessen gefährdet. Diese Kenntnis ist aber erforderlich, damit er eine sachgerechte Entscheidung treffen kann. Auch dass die Offenlegung so erfolgen muss, dass der Geschäftsherr in die Lage versetzt wird zu verstehen, um was es geht, lässt sich verallgemeinern. Andernfalls würde Sinn und Zweck der Aufklärungspflicht, dem Geschäftsherrn den Schutz seiner Interessen zu ermöglichen, ins Leere laufen. Andererseits darf aber – auch dies lässt sich den kapitalmarktrechtlichen Aufklärungspflichten entnehmen – vom Interessenwahrer auch nicht zu viel verlangt werden: Seine Aufklärung hat er an einem durchschnittlich verständigen
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Geschäftsherrn auszurichten. Sicherzustellen, dass der konkrete Geschäftsherr die Gefahren auch tatsächlich erkennt, kann vom Interessenwahrer höchstens in besonderen Einzelfällen von erheblicher Bedeutung bzw. im Fall eines erheblichen Gefährdungspotentials verlangt werden. Offensichtlichkeit und Erkennbarkeit des Konflikts machen eine Offenlegung regelmäßig unnötig.206 Bei der Bestimmung der Offensichtlichkeit und Erkennbarkeit darf jedoch nicht die Sachkunde des Interessenwahrers zugrunde gelegt werden, sondern muss auf die Perspektive eines durchschnittlichen Geschäftsherrn abgestellt werden. Ist der Geschäftsherr aufgrund immer wiederkehrender Einzelgeschäfte immer wieder erneut dem gleichen Interessenkonflikt ausgesetzt, so bedarf es keiner dauernd wiederholten Offenlegung dieses immer gleichen Konflikts. Denn in diesem Fall darf angenommen werden, dass der Geschäftsherr Kenntnis von dem Konflikt hat. Um jedoch einem Vergessen entgegenzuwirken und die Warnfunktion der Offenlegungspflicht zu gewährleisten, muss in solchen Fällen die Offenlegung regelmäßig wiederholt werden. Schließlich, darauf ist sogleich ausführlicher zurückzukommen, ist zu berücksichtigen, dass eine angemessene Organisation geeignet sein kann, Interessenkonflikte innerhalb eines Unternehmens einzudämmen.207 In diesen Fällen ist zu erwägen, ob die Offenlegungspflicht ausgeschlossen sein kann.
4.) Grenzen von Offenlegungspflichten a.) Offenlegungspflicht und Verschwiegenheitspflicht Grenzen ergeben sich für Offenlegungspflichten aus dem zwischen den Parteien bestehenden Vertrag 208 und aus Verschwiegenheitspflichten, 209 insbesondere wenn die Pflicht zur Offenlegung eines Konfliktes dazu führen würde, dass im Interesse eines Dritten geheim zu haltende Umstände offenbart werden müssten.210 Offenlegungspflichten haben gegenüber Verschwiegenheitspflichten keinen absoluten Vorrang. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass letztere grundsätzlich gegenüber jedermann gelten – unabhängig davon, ob der andere selbst Siehe dazu die Verweise in Fn. 137. Dazu § 8. 208 BGH NJW 2007, 1528; Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 6. 209 Dazu im Hinblick auf den Insolvenzverwalter Laukemann, Unabhängigkeit, S. 213 ff.; hinsichtlich § 31 WpHG z. B. Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 73; a.A wohl Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 6 (Datenschutz stehe einem Auskunftsverlangen nicht entgegen) unter Hinweis auf BGH NJW 2007, 1528, 1529 (dort wurde ein Auskunftsverlangen als datenschutzrechtlich unbedenklich angesehen, wenn es objektiv zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich ist). 210 Vgl. dazu Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 Rdnr. 134, 136; Hopt, FS Heinsius, 1991, S. 289, 303. 206 207
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einer Verschwiegenheitspflicht unterliegt oder nicht.211 Sofern sie nicht ausdrücklich begrenzt sind, dürfen sie daher nur ausnahmsweise zum Schutz höherrangiger Rechtsgüter missachtet werden.212 Die Geheimhaltungspflicht hat somit grundsätzlich Vorrang vor der Informationspflicht.213 Anderes gilt für die Doppeltätigkeit im Maklerrecht: Hier soll die Offenlegungspflicht eventuellen Geheimhaltungspflichten gegenüber der jeweils anderen Partei vorgehen.214 Dies liege im Interesse der Parteien, denn dem Nachteil der Aufklärung des Gegners stehe der Vorteil gegenüber, selbst ebenfalls zu erfahren, was für den anderen günstig ist. Im Regelfall ergibt jedoch die Vertragsauslegung, dass die Offenlegungspflicht im Fall der Gefährdung von Drittinteressen auf eine allgemeine Offenlegung beschränkt ist. Ein Geschäftsherr kann nicht damit rechnen, dass ihm der Interessenwahrer vertrauliche Informationen bzw. gewichtige Interessen anderer Geschäftspartner mitteilt. Denn umgekehrt wird auch er erwarten, dass seine Daten geheim gehalten werden.215 Wer aber eine Geschäftsbeziehung in der Erwartung aufnimmt, dass er vertrauliche Informationen aus anderen Geschäftsbeziehungen des Interessenwahrers erhält, verlangt geradezu einen Treuebruch gegenüber den anderen Geschäftsherren. Sein Interesse an diesen Informationen ist daher nicht schützenswert.216 Für Offenlegungspflichten bedeutet dies, dass sie im Fall einer Kollision mit einer Verschwiegenheitspflicht nur modifiziert gelten können. Der Geschäftsherr muss in diesem Fall zwar unverzüglich und unaufgefordert von dem Interessenkonflikt in Kenntnis gesetzt werden, allerdings ohne dass Namen offengelegt werden oder andere Einzelheiten, die einen Rückschluss auf das Mandat zulassen würden – dabei muss der Interessenwahrer auf seine Verschwiegenheitspflicht hinweisen.217 Das gilt allerdings dann nicht, wenn die Person, deren Interessen geschützt werden soll, ihrerseits verpflichtet wäre, diese Informationen weiterzugeben bzw. offenzulegen.218 Eine solche Lösung dürfte auch mit berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflichten vereinbar sein. Zwar verpflichtet § 43a Abs. 2 Satz 2 BRAO den 211 Zu berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflichten z. B. Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 16; Laukemann, Unabhängigkeit, S. 214. Siehe auch die Wertung in §§ 56 Abs. 1 Satz 2, 76 Abs. 2 BRAO, § 53 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 StPO, § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. 212 Für einen Vorrang des Geheimnisschutzes im Kapitalmarktrecht z. B. Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 Rdnr. 136. 213 Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten, S. 229; a.A. (im Hinblick auf das Bankgeheimnis) Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 466 ff. 214 Dazu und zum Folgenden BGH NJW 1968, 150, 151. 215 Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 Rdnr. 136; Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten, S. 229. Vgl. auch Buck-Heeb, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 2 Rdnr. 38. Vorsichtiger Fuchs/Fuchs,WpHG, § 133 Rdnr. 127. 216 Fuchs/Fuchs,WpHG, § 133 Rdnr. 127. 217 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 214 f. Siehe auch Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 73. 218 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 73.
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Rechtsanwalt zur Verschwiegenheit hinsichtlich aller Umstände, die ihm in Ausübung seines Berufes bekannt geworden sind. Aber eine lediglich abstrakte Beschreibung der Mandatsbeziehung, die auf die den Interessenkonflikt auslösenden Umstände begrenzt wird, dürfte das Geheimhaltungsinteresse des anderen wahren.219 Allerdings wird (auch und möglicherweise gerade) eine solche weniger detaillierte Offenlegung eines Konfliktes dazu führen, dass der Geschäftsherr von Bestellung bzw. Beauftragung des Interessenwahrers vorsichtshalber Abstand nimmt. Dies wird insbesondere dann geschehen, wenn sich der Geschäftsherr wegen der Verschwiegenheit des Interessenwahrers kein zutreffendes Bild von Inhalt und Reichweite des Konflikts machen kann.220 Für § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG gilt, dass ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht konkret aufklären darf, wenn es dadurch in die geschützte Geschäftssphäre eines anderen Kunden eingreifen würde.221 Dies gilt z. B. auch dann, wenn das Unternehmen Kenntnis von Transaktionen eines seiner Kunden hat, die – etwa aufgrund ihres Volumens – erhebliche Kursveränderungen bewirken könnten.222 Allerdings kann ein genereller Hinweis auf den Konflikt angebracht sein. Konkret muss die Bank jedoch nicht aufklären, sondern kann sich grundsätzlich auf ihre Verschwiegenheitspflicht berufen.223 Eine Ausnahme gilt dann, wenn derjenige, der so geschützt werden würde, selbst verpflichtet wäre, diese Informationen weiterzugeben.224 b.) Offenlegungspflicht und gesetzliche Verbote Eine Offenlegung muss dann unterbleiben, wenn eine Aufklärung gesetzlich verboten ist.225 Dies ist etwa im Rahmen des Kapitalmarktrechts im Hinblick auf Insiderinformationen der Fall. Verstößt die Weitergabe von Informationen gegen das Insiderhandelsverbot, § 14 WpHG, darf der Kunde über die entsprechenden Informationen nicht aufgeklärt werden.226 Ein gesetzlich angeordnetes Weiterleitungs- bzw. Schweigegebot wie bei Insiderinformationen geht den vertraglichen Aufklärungs- und Warnpflichten sowie der Interessenwahrungs219 Laukemann, Unabhängigkeit, S. 215. So ist etwa der bloße Hinweis eines Rechtsanwalts auf Konkurrenzmandate in der Regel unschädlich, vgl. Kleine-Cosack, BRAO, § 43a Rdnr. 21. 220 Vgl. dazu Laukemann, Unabhängigkeit, S. 215 f. 221 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 73. 222 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 73. 223 Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 insb. Rdnr. 136; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 73. 224 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 73. 225 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 75; vgl. auch Hopt, FS Heinsius, 1991, S. 289, 301. 226 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 75; Buck, Wissen, S. 507; Assmann, WM 1996, 1337, 1352. Vgl. dazu auch Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 469 ff. Zur Frage, wann eine Weitergabe von Insiderinformationen zulässig ist, siehe nur EuGH v. 22.11.2005, Rs C-384/02; Assmann/Schneider/Assmann, § 14 Rdnr. 73 ff., 80ff., insb. 106 ff.
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§ 7 Anzeige- und Offenlegungspflichten
pflicht gegenüber dem Vertragspartner vor.227 Denn „[z]wingendes Gesetzesrecht kann nicht durch Eingehen vertraglicher Bindungen zur Disposition gestellt werden“.228 Diese wären nach § 134 BGB nichtig. Wäre hingegen ein Geschäftsbesorger zur Aufklärung auch in Situationen verpflichtet, in denen gesetzliche Vorschriften, insbesondere Strafnormen,229 die Weitergabe von Informationen verbieten, würde er rechtlich gezwungen werden, einen Rechtsverstoß zu begehen und sich eventuell sogar strafbar zu machen.230 Ein in diesen Zusammenhang in besonderen Fällen greifendes Nothilferecht zugunsten des Aufzuklärenden 231 ist abzulehnen. Dagegen spricht nicht nur, dass sich ein solches rechtsdogmatisch schwer begründen lässt, sondern auch dass es nur schwer umgesetzt werden könnte.232 Entweder müsste bei einem weniger differenzierten Ansatz regelmäßig eine Vielzahl von betroffenen Kunden informiert werden, was die gesetzlichen Weitergabeverbote letztlich aushöhlen würde, oder die Interessenwahrer wären – bei einem differenzierteren Ansatz – gezwungen, sich auf einen schmalen Grat zwischen Strafbarkeit und Schadensersatzforderungen ihrer Kunden zu begeben.233 Unter besonderen Umständen kann es jedoch erforderlich sein, dem Geschäftsherrn einen Hinweis zu geben, dass Informationen aus Rechtsgründen zurückgehalten werden müssen und er nicht aufgeklärt werden darf.234 In keinem Fall rechtfertigt die Geheimhaltungspflicht aber, dass ein Interessewahrer seinen Geschäftsherrn sehenden Auges ins Unglück laufen lässt; sofern schwerwiegende Nachteile drohen, muss er den Auftrag ablehnen.235 c) Beschränkung der Offenlegungspflicht bei angemessener Organisation Im besonderen Fall des Kapitalmarktrechts kann eine angemessene Organisation des Unternehmens zur Vermeidung von Interessenkonflikten zu einer Beschränkung der Offenlegungspflicht führen. So müssen etwa nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG Interessenkonflikte nur offengelegt werden, „soweit die organisa227 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 126; siehe insbesondere auch die Ausführungen von Assmann/Schneider/Assmann, WpHG, § 14 Rdnr. 106 ff.; dagegen Hopt, WM-Festgabe Hellner, 1994, S. 29, 31; Hopt, FS Heinsius, 1991, S. 289, 301 ff., insb. 303 (für die Rechtslage vor Erlass des WpHG). 228 Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 42; siehe auch Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 Rdnr. 134; Buck, Wissen, S. 507. Vgl. auch Assmann, WM 1996, 1337, 1352. 229 Etwa § 38 WpHG oder auch §§ 93 Abs. 1 Satz 3, 116, 404 Abs. 1 AktG. 230 Vgl. auch Buck, Wissen, S. 507; Buck-Heeb, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 2 Rdnr. 38. 231 Siehe Heinsius, ZHR 145 (1981), 177, 194 f. 232 Assmann/Schneider/Assmann, WpHG, § 14 Rdnr. 110; Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, S. 744 f. 233 Assmann/Schneider/Assmann, WpHG, § 14 Rdnr. 110. 234 Fuchs/Fuchs, WpHG, § 31 Rdnr. 75; Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 Rdnr. 136 a. E. 235 Roth, in: Assmann/Schütze, Hdb KapitalanlageR, § 11 Rdnr. 137.
IV. Inhalt und Grenzen der Offenlegungspflicht
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torischen Vorkehrungen … nicht ausreichen, um nach vernünftigem Ermessen das Risiko der Beeinträchtigung von Kundeninteressen zu vermeiden“. Auch § 5 Abs. 2 FinAnV sieht für Unternehmen, die so organisiert sind, dass das Entstehen von Interessenkonflikten möglichst vermieden wird, eine Einschränkung der Offenlegungspflicht vor: Nur soweit Informationen zu Interessen und Interessenkonflikten denjenigen zugänglich sind (oder sein könnten), die auf die Finanzanalyse einwirken oder vor Veröffentlichung oder Weitergabe in sie Einblick nehmen können, müssen sie offen gelegt werden. Nicht bekannte Interessen innerhalb eines Unternehmens, etwa einer anderen Abteilung, die durch Informationsbarrieren 236 getrennt ist, müssen demnach nicht offen gelegt werden. Damit soll sichergestellt werden, dass Informationsbarrieren innerhalb des Unternehmens, die dazu dienen, die Ersteller von Finanzanalysen vor Einflussnahmen anderer zu schützen, nicht durchbrochen werden müssen, um der Offenlegungspflicht Genüge zu tun.237 Zum Verhältnis von Offenlegungs- und Organisationspflichten allgemein siehe § 8 III.6.).
5.) Abdingbarkeit der Offenlegungspflicht Da es sich bei § 666 BGB um eine dispositive Vorschrift handelt,238 können die Parteien die Benachrichtigungspflicht nach § 666 BGB grundsätzlich anders gestalten oder auch ganz abbedingen. Generell steht dem der fremdnützige Charakter des Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnisses nicht entgegen.239 Bei der Annahme eines konkludent erfolgten Verzichts ist allerdings Zurückhaltung geboten. So folgt aus einer Vereinbarung, dass der Geschäftsbesorger nach freiem Ermessen und ohne vorherige Einholung von Weisungen oder Zustimmung tätig werden darf, nicht, dass die Benachrichtigungspflicht abbedungen ist.240 Eine Freistellung kann auch nicht im Rahmen von AGB oder Formularverträgen erfolgen. Denn die Benachrichtigungspflicht folgt aus der Hierzu ausführlich § 8 III. Fuchs/Fuchs, WpHG, § 34b Rdnr. 42; KölnKommWpHG/Möllers, § 34b Rdnr. 184; Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 34b WpHG Rdnr. 24 Fn. 90. Wird jedoch eines der Regelbeispiele in § 5 Abs. 3 FinAnV erfüllt, findet § 5 Abs. 2 FinAnV keine Anwendung mehr; die erforderlichen Angaben sind daher auch vorzunehmen, wenn sie abgeschirmte Bereiche des Unternehmens betreffen, also die an der Erstellung der Finanzanalyse beteiligten Personen (eigentlich) keinen Zugang zu diesen Informationen haben. Siehe Fuchs/Fuchs, WpHG, § 34b Rdnr. 43; Hettermann/Althoff, WM 2006, 265, 269. 238 BGH WM 1984, 1164, 1165; Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 8 ; Jauernig/Mansel, BGB, § 666 Rdnr. 1; Palandt/Sprau, BGB, § 666 Rdnr. 1; Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 17; einschränkend Soergel/Beuthin, BGB, § 666 Rdnr. 14 („in zweierlei Hinsicht nicht zwingend“). 239 Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 17. 240 BGH NJW 1994, 1861, 1862; Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 8; Palandt/Sprau, BGB, § 666 Rdnr. 1; vgl. auch Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 17; a.A. Soergel/ Beuthin, BGB, § 666 Rdnr. 14. 236 237
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Fremdnützigkeit des Auftrags bzw. Geschäftsbesorgung als solcher.241 Ein Ausschluss würde daher von den wesentlichen Gedanken der Interessenwahrungsverträge abweichen und daher im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB den Vertragspartner unangemessen benachteiligen. Denn dadurch würde dem Geschäftsherrn die Kontrolle des Geschäftsbesorgers erheblich erschwert. Diese allgemeinen Erwägungen im Hinblick auf die Benachrichtigung des Geschäftsherrn können im Hinblick auf Interessenkonflikte so nicht aufrecht erhalten werden – mit Ausnahme der Argumentation hinsichtlich des Abbedingens im Rahmen von AGB. Vielmehr ist die Offenlegungspflicht im Hinblick auf die Offenlegung von Interessenkonflikten als nicht abdingbar einzustufen. Dem steht nicht entgegen, dass § 666 BGB grundsätzlich dispositiv ist. Interessenkonflikte stellen nur eine kleine Teilmenge der von § 666 BGB erfassten Informationen dar. Im Unterschied zu den anderen von § 666 BGB erfassten Informationen berühren Interessenkonflikte den Kern des Interessenwahrungsverhältnisses. Denn Interessenkonflikte gefährden die Interessen des Geschäftsherrn unmittelbar. Daher ist im Fall des Abbedingens von interessenkonfliktsbezogenen Regelungen darauf zu achten, wie weit die Interessen des Geschäftsherrn dadurch schutzlos werden. Würde er sich jeglichen Schutzes durch die Interessenwahrungspflicht begeben, würde dies – wie in § 3 dargelegt – zu einer Änderung des Charakters des jeweiligen Vertrages führen, dieser wäre kein Interessenwahrungsvertrag mehr. Im Fall der Offenlegungspflicht ist zu berücksichtigen, dass sich diese von anderen Pflichten, die die Interessenwahrungspflicht konkretisieren, insofern unterscheidet, als sie über den unmittelbaren Schutz hinaus auch eine „vorbereitende“ Funktion hat. Sie ist vielen anderen interessenkonfliktbezogenen Regelungen vorgelagert und dient zu deren besserer Durchsetzung. Denn viele Schutzvorschriften können nur dann durchgesetzt werden, wenn der Geschäftsherr Kenntnis vom Bestehen eines Interessenkonflikts hat. Ein Abbedingen der Offenlegungspflicht in Bezug auf Interessenkonflikte würde daher dazu führen, dass zahlreiche, die Interessenwahrungspflicht konkretisierende Pflichten ins Leere liefen, auch wenn diese gar nicht abbedungen worden wären. Denn Verletzungen der Interessenwahrungspflicht, insbesondere im Fall von Interessenkonflikten, sind für den Geschäftsherrn in vielen Fällen nur sehr schwer festzustellen.242 Außerdem ist zu bedenken, dass die Offenlegungspflicht den geringstmöglichen „Basis“-Schutz gewährleistet, den die Interessenwahrungspflicht gewährt. Denn sie verlagert die Verantwortung für den Schutz der Interessen des Geschäftsherrn lediglich auf diesen zurück, und es bleibt ihm überlassen, welche Maßnahmen er ergreift. Würde dem Geschäftsherrn auch dieser „Basis“-Schutz genommen, würde die Interessenwahrungspflicht nahezu vollständig entkernt. Dementsprechend Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 8 ; Löhnig, Treuhand, S. 220. Hopt, FS Doralt, 2004, S. 213, 227.
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V. Auskunfts- und Rechenschaftsanspruch
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muss die Offenlegungspflicht im Hinblick auf Interessenkonflikte als nicht abdingbar eingestuft werden. Mit der grundsätzlichen Dispositivität von § 666 BGB lässt sich dies auch deshalb vereinbaren, weil diese dort enden muss, wo der allgemeine Vertragstyp – Vertrag des Interessengegensatzes, der Interessengemeinschaft sowie der Fremdinteressenwahrung – in seinem Kern verändert und dessen Typuseigenschaft als solche aufgehoben werden würde. Zudem führt eine Nichtabdingbarkeit der vertraglichen – sowie auch der organschaftlichen – Interessenwahrungspflicht zu einem Gleichlauf mit den aufsichts- und berufsrechtlich vorgeschriebenen Offenlegungspflichten sowie den Offenlegungspflichten gesetzlicher Interessenwahrer, die nicht vertraglich abbedungen werden können.
V. Auskunfts- und Rechenschaftsanspruch Ergänzt wird die Offenlegungspflicht durch Auskunfts- und Rechenschaftspflichten. Der Geschäftsherr soll sich darüber informieren können, ob und wie der Interessenwahrer seine Aufgaben erfüllt hat. Daher kann er z. B. jederzeit Informationen über den Stand der Geschäfte (Auskunft) und den Umgang mit den zur Verfügung gestellten Mitteln (Rechenschaft) verlangen, vgl. § 666 Fall 2 und Fall 3 BGB.243
1.) Auskunftsanspruch Der Auskunftsanspruch nach § 666 Fall 2 BGB soll dem Geschäftsherrn ermöglichen, vom Beauftragten Informationen zu erlangen, um mit Weisungen in die Auftragsausführung eingreifen oder Dispositionen vornehmen oder seine Rechte wahren zu können, falls der Beauftrage die Geschäfte fehlerhaft ausführt.244 Inhalt und Umfang des Auskunftsanspruchs bestimmen sich nach dem für das jeweilige Interessenwahrungsverhältnis Üblichen, den Erwartungen des Geschäftsherrn und den Möglichkeiten des Interessenwahrers.245 Begrenzt wird der Auskunftsanspruch auf das Rechtsverhältnis. Der Interessenwahrer muss somit nur darüber Auskunft geben, worauf sich das jeweilige Rechtsverhältnis bezieht.246 Dann aber muss die Auskunft vollständig, richtig und nachprüfbar sein.247 243 Sie besteht – anders als die Benachrichtigungspflicht – nur auf Verlangen des Geschäfts herrn, siehe dazu Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 13; Soergel/Beuthin, BGB, § 666 Rdnr. 8 ; Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 8. 244 Soergel/Beuthin, BGB, § 666 Rdnr. 1; Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 9. 245 Vgl. etwa BGHZ 41, 318, 321; außerdem MünchKommBGB/Seiler, § 666 Rdnr. 7; Löhnig, Treuhand, S. 231. 246 MünchKommBGB/Seiler, § 666 Rdnr. 7. 247 BGH NJW 1996, 656 f.; 2008, 3055, 3058; Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 13.
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§ 7 Anzeige- und Offenlegungspflichten
Der Anspruch kann nicht gänzlich abbedungen werden. 248 Sofern Anhaltspunkte für ein treuwidriges Handeln des Interessewahrers bestehen, muss der Geschäftsherr die Möglichkeit haben nachzufragen. Nur so bleibt er in der Lage, seine Interessen angemessen zu schützen.249 Daher muss der Interessenwahrer gerade auch in den Fällen Auskunft geben, in denen er Interessen des Geschäftsherrn treuwidrig verletzt hat.250 Dieser Auskunftsanspruch gilt nicht nur für Geschäftsbesorgungsverhältnisse, § 675 Abs. 1 BGB, sondern z. B. auch für Gesellschaften, § 713 BGB, und die Testamentsvollstreckung, § 2218 Abs. 1 BGB. Darüber hinaus werden Auskunftsansprüche für weitere Interessenwahrungsverhältnisse ausdrücklich gesetzlich statuiert. Da sie sich jedoch in der Regel auf § 666 Fall 2 BGB zurückführen lassen, sind sie zumeist nur deklaratorisch.251 In manchen Fällen modifizieren sie jedoch den Auskunftsanspruch. So haben etwa die Nachlassgläubiger einen Anspruch gegen den Nachlasspfleger auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses, vgl. § 2012 Abs. 1 Satz 2 BGB (Nachlassverzeichnis). 252 Nicht zu den hier behandelten Auskunftsansprüchen gehören die in § 131 Abs. 1 AktG für Aktionäre und in § 51a Abs. 1 GmbHG für GmbH-Gesellschafter geregelten Ansprüche gegen den Vorstand bzw. die Geschäftsführer.253 Bei diesen handelt es sich nicht um Auskunftsansprüche eines Geschäftsherrn gegen den Geschäftsbesorger im Hinblick auf die Geschäftsbesorgung, sondern um mitgliedschaftliche Individualrechte der Gesellschafter gegen die Gesellschaft.254 Diese sollen die Gesellschafter in die Lage versetzen, ihre mitgliedschaftlichen Rechte wahrzunehmen.255 Bei der Auskunftserteilung handelt der Vorstand bzw. Geschäftsführer als zuständiges Organ der Gesellschaft256 und nicht für sich selbst. Außerdem bezieht sich der Auskunfts Bamberger/Roth/Fischer, BGB, § 666 Rdnr. 7. Sonst würde er sich der Willkür des Interessenwahrers aussetzen. Siehe Bamberger/ Roth/Fischer, BGB, § 666 Rdnr. 7. 250 BGHZ 109, 264; Soergel/Beuthin, BGB, § 666 Rdnr. 8. 251 Löhnig, Treuhand, S. 231 f. 252 Der Nachlasspfleger ist gesetzlicher Vertreter des (zukünftigen endgültigen) Erben (BGHZ 49, 1, 5; 94, 312, 314; MünchKommBGB/Leipold, § 1960 Rdnr. 30; Erman/Schlüter, BGB, § 1960 Rdnr. 19; Soergel/Stein, BGB, § 1960 Rdnr. 25; vgl. dazu auch Staudinger/ Marotzke, BGB, § 1960 Rdnr. 23) und hat die Aufgabe, den Nachlass sowohl für den Erben als auch für die Nachlassgläubiger zu sichern, bis die Erbschaft angenommen worden, also rechtlich ein Erbe vorhanden ist, § 1960 BGB. 253 Siehe dagegen Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 5. Für Vereinsmitglieder siehe §§ 27 Abs. 3, 666 Fall 2 BGB. 254 Lutter/Hommelhoff/Lutter, GmbHG, § 51a Rdnr. 2; MünchKommAktG/Kubis, § 131 Rdnr. 2 f.; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 51a Rdnr. 1. Gleiches gilt für die Informationsansprüche nach § 118 (nicht geschäftsführender Gesellschafter), § 166 (Kommanditist), § 233 (stiller Gesellschafter) HGB. 255 MünchKommAktG/Kubis, § 131 Rdnr. 1. 256 OLG Hamm, WM 1986, 740, 741; Hüffer, AktG, § 131 Rdnr. 5 ; MünchKommAktG/ Kubis, § 131 Rdnr. 19. 248 249
V. Auskunfts- und Rechenschaftsanspruch
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anspruch auf die Angelegenheiten der Gesellschaft, § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG. Zwar kann die Auskunft Rückschlüsse auf die interessenwahrende Tätigkeit der Geschäftsleitung ermöglichen, dies ist aber nicht der eigentliche Zweck.
2.) Rechenschaftsanspruch Die Rechenschaftspflicht dient regelmäßig „der vollständigen Abwicklung des Auftragsverhältnisses im Innenverhältnis zum Auftraggeber“257. Dadurch soll dem Auftraggeber ermöglicht werden, einen Überblick über die Geschäftsausführung zu gewinnen, z. B. um Herausgabeansprüche nach § 667 BGB vorzubereiten oder Ansprüche des Beauftragten nach § 670 BGB überprüfen zu können.258 Dementsprechend kann der Auftraggeber nach § 666 Fall 3 BGB vom Beauftragten verlangen, „in verkehrsüblicher Weise die wesentlichen Einzelheiten seines Handelns zur Auftragsdurchführung darzulegen und dem Auftraggeber die notwendige Übersicht über das besorgte Geschäft zu verschaffen“259. Der Rechenschaftsanspruch geht daher weiter als die Rechnungslegung nach § 259 BGB,260 die eine Mitteilung einer „geordnete[n] Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben“ verlangt.261 Wie die Auskunft muss die Rechenschaft vollständig, richtig, verständlich und nachprüfbar sein.262 Anders als der Auskunftsanspruch kann der Rechenschaftsanspruch gänzlich abbedungen werden. Denn der Auftraggeber muss nicht die Rechenschaftslegung des Beauftragten abwarten, sondern kann auch selbst die Rechnung aufmachen.263 In diesem Fall liegt es dann beim Beauftragten, sich zu rechtfertigen und Nachweise über seine Geschäftstätigkeit beizubringen.264 Der Auftraggeber ist also in der Lage, seine Interessen auch ohne eine Rechenschaftslegung des Beauftragten ausreichend zu schützen, sodass er auf den Rechenschaftsanspruch nicht angewiesen ist. Die Rechenschaftspflicht entsteht erst „nach Ausführung des Auftrags“, § 666 Fall 3 BGB, bzw. nach bestimmten Zeitabschnitten, wenn es sich um ein Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 12. Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 12. 259 BGHZ 109, 264; Soergel/Beuthin, BGB, § 666 Rdnr. 11. Auch dieser Anspruch besteht nur auf Verlangen des Auftraggebers, dazu Soergel/Beuthin, a.a.O.; Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 13. 260 BGHZ 109, 264; Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 15; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, § 384 Rdnr. 30; Soergel/Beuthin, BGB, § 666 Rdnr. 11; Staub/Koller, HGB, § 384 Rdnr. 100. Siehe in diesem Zusammenhang auch MünchKommBGB/Seiler, § 666 Rdnr. 10. 261 Dazu RGZ 53, 252, 254; Ehrenberg/Schmidt-Rimpler, Hdb des HandelsR, Bd. 5.1.1, S. 707; vgl. auch BGH NJW 1985, 2699. 262 RGZ 53, 252, 254; 100, 150, 152; 127, 243, 244 f.; BGH NJW 1996, 656 f.; 2008, 3055, 3058; Erman/Berger, BGB, § 666 Rdnr. 15; MünchKommBGB/Seiler, § 666 Rdnr. 8 ; Soergel/Beuthin, BGB, § 666 Rdnr. 11. 263 RG JW 1911, 95; Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 15. 264 Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 15. 257 258
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§ 7 Anzeige- und Offenlegungspflichten
länger andauerndes Interessenwahrungsverhältnis handelt.265 In einigen Fällen ist eine Rechenschaftspflicht gesetzlich geregelt, in anderen Fällen wird sie mittels ergänzender Auslegung der vertraglichen Vereinbarung entnommen. So wird etwa vom Handelsvertreter (monatliche Abrechnung) 266 und vom Kommissionär, der mit einem Kommittenten in einer dauerhaften Geschäftsbeziehung steht und nach § 384 Abs. 2 , 2. Hs. HGB zur Rechenschaft verpflichtet ist, eine periodische Abrechnung verlangt.267 Vormund, Betreuer und Pfleger (vgl. den Verweis in § 1908i Abs. 1, 1915 BGB) haben dem Vormundschaftsgericht oder einem Gegenvormund (§ 1842 BGB) jährlich Rechenschaft abzulegen.268 Soweit nicht bereits durch die periodische Rechnungslegung geschehen, haben sie gemäß § 1892 BGB dem Vormundschaftsgericht (und ggf. einem Gegenvormund oder -betreuer, vgl. § 1891 BGB) außerdem am Ende der Vormundschaft, Betreuung oder Pflegschaft Rechenschaft über die Vermögensverwaltung zu leisten. Im Fall der Testamentsvollstreckung hat der Erbe gegen den Testamentsvollstrecker einen Anspruch auf Rechenschaft, §§ 2218 Abs. 1, 666 BGB. Für eine länger269 dauernde Verwaltung wird die Regelung jedoch insofern modifiziert, als der Erbe nicht nur am Ende der Testamentsvollstreckung sondern jährlich eine Rechnungslegung verlangen kann, vgl. § 2218 Abs. 2 BGB.
VI. Zusammenfassung Ein Interessenwahrer hat Interessenkonflikte, denen er unterliegt oder die sich abzeichnen, gegenüber seinem (auch zukünftigen) Geschäftsherrn unverzüglich, vollumfänglich und wahrheitsgemäß offenzulegen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass sich jemand, der über einen Interessenkonflikt seines Vertragspartners aufgeklärt worden ist, selbst ausreichend schützen kann. Im Rahmen des Vertragsrechts hat die Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten ihre allgemeine Rechtsgrundlage in § 666 Fall 1 BGB. Aufgrund 265 BGH WM 1984, 1164, 1165; Jauernig/Mansel, BGB, § 666 Rdnr. 4 ; RGRK/Steffen, BGB, § 666 Rdnr. 8; Soergel/Beuthin, BGB, § 666 Rdnr. 11; Staudinger/Martinek, BGB, § 666 Rdnr. 12. 266 MüchKommHGB/v.Hoyningen-Huene, § 86 Rdnr. 53. 267 Staub/Koller, HGB, § 384 Rdnr. 110; vgl. auch Schlegelberger/Hefermehl, HGB, § 384 Rdnr. 29; Ehrenberg/Schmidt-Rimpler, Hdb des HandelsR, Bd. 5.1.1, S. 706. Sofern regelmäßig Rechenschaft geleistet worden ist (z. B. bei Kreditinstituten in Form kontinuierlicher Kontoauszüge), kann bei Ende des Interessenwahrungsverhältnisses keine komplette Rechnungslegung verlangt werden. Vgl. BGH NJW 1985, 2699, 2700. 268 Dies umfasst einen Bericht über die persönlichen Verhältnisse des Mündels, § 1840 Abs. 1 Satz 1 BGB, und eine Rechnungslegung über die Vermögensverwaltung, § 1840 Abs. 2 –4 BGB. Die Rechnung ist vom Vormundschaftsgericht zu prüfen, vgl. § 1843 Abs. 1 BGB. 269 Über ein Jahr, vgl. Soergel/Damrau, BGB, § 2218 Rdnr. 7.
VI. Zusammenfassung
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der gesetzlichen Verweisung in § 675 Abs. 1 BGB lassen sich die Offenlegungspflichten aller geschäftsbesorgerisch tätigen vertraglichen Interessenwahrer auf diese Vorschrift zurückführen. Für einzelne Vertragstypen geltende besondere Regelungen haben daher in der Regel nur deklaratorische Bedeutung. Die Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten gilt zudem bereits im vorvertraglichen Stadium, weil mit der Aufnahme von Vertragsverhandlungen bereits Rücksichtnahme- und Fürsorgepflichten entstehen, vgl. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB. Organschaftliche Interessenwahrer sind aufgrund ihrer organschaftlichen Treuebindung zur Offenlegung von Interessenkonflikten verpflichtet. Die Vorschrift in § 27 Abs. 3 i.V.m. § 666 BGB verankert diese Offenlegungspflicht für den Vereinsvorstand im Gesetz und kann als gesetzliche Grundlage auch für den Vorstand der AG und den Geschäftsführer der GmbH herangezogen werden. Bei gesetzlichen Interessenwahrern kann eine Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten aus §§ 675, 666 BGB analog abgeleitet werden, sofern bei den einzelnen Interessenwahrungsverhältnissen nicht ohnehin durch ausdrückliche gesetzliche Regelungen Anzeige- bzw. Offenlegungspflichten statuiert werden. Voraussetzung für eine Analogie ist, dass der jeweilige Interessenwahrer „materiell“ eine Geschäftsbesorgung erbringt. Die Offenlegung hat regelmäßig ex ante zu erfolgen. Nur so kann sie ihren Zweck erfüllen, dem Geschäftsherrn den Schutz seiner Interessen (selbst) zu gewährleisten. Sie kann aber auch ex post erforderlich sein, um zumindest eine nachträgliche Interessenwahrung sicherzustellen, wenn ein Interessenkonflikt bereits zu einer Beeinträchtigung der Interessen des Geschäftsherrn geführt hat. Hinsichtlich des Adressaten der Offenlegung bestehen beim Aufsichtsrat und bei gesetzlichen Interessenwahrern Besonderheiten. Anders als in den anderen Fällen ist hier nicht der eigentliche „Geschäftsherr“ Adressat, sondern ein Dritter. Im Fall des Aufsichtsrats ist dies der Aufsichtsratsvorsitzende, unter Umständen auch das Aufsichtsratsplenum. Im Fall der gesetzlichen Interessenwahrer ist Adressat regelmäßig derjenige, der über die Bestellung und Abberufung des Interessenwahrers zu entscheiden hat, in der Regel das Gericht – im Fall des Insolvenzverwalters aber auch die Gläubigerorgane. Inhalt und Umfang der Offenlegungspflicht richten sich grundsätzlich danach, was erforderlich ist, damit der Geschäftsherr eine informierte Entscheidung hinsichtlich der Wahrung seiner Interessen treffen kann. Mit Blick auf Interessenkonflikte bedeutet dies, dass der Interessenwahrer den Konflikt grundsätzlich so darstellen muss, dass der Geschäftsherr eine ausreichende Basis für seine Entscheidung erhält. Offenzulegen sind demzufolge insbesondere Art und Herkunft des Konflikts. Von der Art und Weise her ist die Aufklärung an einem durchschnittlich verständigen Geschäftsherrn auszurichten. Eine Offenlegung ist nicht erforderlich, wenn der Konflikt offensichtlich oder für den Geschäftsherrn erkennbar ist.
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§ 7 Anzeige- und Offenlegungspflichten
Offenlegungspflichten gelten nicht unbegrenzt. Ihre Grenzen finden sie in Verschwiegenheitspflichten und gesetzlichen Verboten, wie etwa dem Verbot, Insiderinformationen weiterzugeben. Die Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten kann nicht abbedungen werden. Sie gewährleistet einen grundlegenden Schutz der Interessen des Geschäftsherrn, weil sie diesem ermöglicht, seine Interessen selbst zu wahren. Zudem stellt die Offenlegungspflicht eine vorgelagerte Pflicht für weitere Schutzvorschriften dar, die ohne eine Offenlegung weitgehend leerliefen, weil es dem Geschäftsherrn vielfach nur sehr schwer möglich ist, Pflichtverletzungen aufgrund von Interessenkonflikten festzustellen. Ohne sie würde die Interessenwahrungspflicht dementsprechend weitgehend entkernt werden. Sie ist daher ein wesentliches Merkmal von Fremdinteressenwahrungsverträgen, sodass ein Abbedingen der Offenlegungspflicht den Fremdinteressenwahrungscharakter des jeweiligen Verhältnisses unmittelbar betreffen und diesen verändern würde.
Abschnitt 2: Konfliktvermeidung
§ 8 Organisationspflichten I. Einleitung Organisationspflichten stellen besondere Konkretisierungen der Interessenwahrungspflicht bzw. des Unabhängigkeitserfordernisses im Fall von Zusammenschlüssen von Interessenwahrern oder einem Unternehmen dar, das als Interessenwahrer agiert. Sie tragen der besonderen Situation bei Unternehmen bzw. Zusammenschlüssen mehrerer Personen Rechnung. Denn aufgrund der Vielzahl von Personen, die innerhalb solcher Vereinigungen zusammenwirken, kann es im Vergleich zu einzelnen Geschäftsbesorgern zu weitergehenden, besonderen Konfliktsituationen kommen. Im Vergleich zu den übrigen konflikt vermeidenden Regelungen beschränken Organisationspflichten den Betroffenen am wenigsten in seiner Handlungsfreiheit, weil sie lediglich gewisse organisatorische Vorgaben machen, nicht aber die Übernahme der Interessenwahrung verhindern.
II. Grundsatz und rechtliche Verankerung Um in einer vergleichbaren Weise wie ein einzelner Geschäftsbesorger die Interessen der Geschäftsherren wahren zu können bzw. die Interessen der Geschäftsherren nicht in einem größeren Maß zu gefährden, müssen solche Vereinigungen ihre (interne) Struktur in einer Weise organisieren, dass die Interessen ihrer Geschäftsherren nicht mehr gefährdet werden als wenn es sich bei ihnen um eine einzelne (natürliche) Person handeln würde. Die Interessen des Geschäftsherrn dürfen also weder dadurch beeinträchtigt werden, dass im Rahmen der Vereinigung mehrere Personen zusammenwirken, noch dadurch, dass die Vereinigung auch für andere Geschäftsherren tätig wird. Um dem gerecht zu werden, verlangt die Interessenwahrungspflicht bei Vereinigungen zusätzliche Organisationsanforderungen, um mit der in diesen Fällen besonderen Gefahr von Interessenkonflikten angemessen umgehen zu können. Diese Organisationspflicht geht über die allgemeinen Grundsätze für eine angemessene und wirksame Organisation und Kontrolle hinaus, die etwa für den Vorstand einer Aktiengesellschaft aus dessen Sorgfaltspflicht, § 91 Abs. 2
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AktG, abgeleitet werden.1 Vertragsrechtlich kann die Organisationspflicht aus der Interessenwahrungspflicht des Geschäftsbesorgers abgeleitet werden. So gebietet etwa die Pflicht zur interessewahrenden Ausführung gemäß § 384 Abs. 1, 2. Hs. HGB dem Kommissionär, im Vorfeld der Auftragsausführung Beeinträchtigungen des Kommittenten aufgrund von Interessenkonflikten entgegenzuwirken.2 Vergleichbares gilt für Unternehmen bzw. Kanzleien von Wirtschaftsprüfern oder Rechtsanwälten3 sowie Ratingagenturen. Besondere Bedeutung haben Organisationspflichten im Kapitalmarktrecht erlangt.4 Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG dazu verpflichtet, ihre Aufbau- und Ablauforganisation so zu strukturieren, dass Interessenkonflikte zwischen den eigenen Interessen des Unternehmens und denen seiner Kunden, aber auch konfligierende Interessen verschiedener Kunden erkannt und Beeinträchtigungen der Kundeninteressen vermieden werden.5 Für Ratingagenturen bestimmt die Rating-Verordnung in ihrem Anhang I Abschnitt A Abs. 2 Satz 1, dass diese „auf eine Art und Weise zu organisieren [sind], die gewährleistet, dass ihre Geschäftsinteressen die Unabhängigkeit und Korrektheit der Ratingtätigkeiten nicht gefährden“. Im Fall des Abschlussprüfers ermöglichen Organisationsmaßnahmen – als geeignete Schutzmaßnahmen – die Besorgnis der Befangenheit auszuräumen, soweit sie nicht wegen §§ 319 Abs. 3, 319a Abs. 1 HGB unwiderruflich vermutet wird.6 Auch in der Abschlussprüferrichtlinie7 werden sie als „Schutzmaßnahmen“ berücksichtigt: Nach Erwägungsgrund 11 der Abschlussprüferrichtlinie umfassen „Schutzmaßnahmen zur Eindämmung oder Beseitigung“ von Interessenkonflikten „Verbote, Einschränkungen, sonstige Maßnahmen und Verfahren sowie Offenlegungspflichten“.8 Noch deutlicher regelt die Be Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, § 109 Rdnr. 113. Scharpf, Corporate Governance, S. 12 Fn. 48. 3 Siehe dazu etwa Kilian, WM 2000, 1366; Steuber, RIW 2002, 590,594. Zu organisatorischen Maßnahmen (inkl. Chinese walls) bei Anwaltskanzleien etwa BVerfG, 1 BvR 238/01 vom 3.7.2003, Absatz-Nr. 47. 4 Vgl. etwa § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG i.V.m. § 13 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 WpDVerOV sowie § 34b Abs. 4 WpHG i.V.m. § 5a FinAnV. 5 Für Unternehmen, die Finanzanalysen erstellen oder weitergeben, enthält § 34b Abs. 5 WpHG eine gesonderte Regelung zu Organisationspflicht in Bezug auf Interessenkonflikte. 6 RegE BilReG, BT-Drs. 15/3419, S. 38; Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 319 Rdnr. 10; GroßkommHGB/Habersack/Schürnbrand, 5. Aufl., § 319 Rdnr. 24; MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rdnr. 24. Vgl. dazu auch Art. 22 Abs. 2 Satz 2 der Abschlussprüferrichtlinie sowie § 21 Abs. 2 Satz 3 und § 22a Abs. 2 BS WP/vBP. 7 Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABlEU Nr. L 157 v. 9.6.3006, S. 87. 8 In diesem Zusammenhang definiert § 22 Abs. 1 Satz 1 BS WP/vBP Schutzmaßnahmen als „solche Maßnahmen oder Verfahren, die geeignet sind, die Gefährdung der Unbefangenheit des Prüfers soweit abzuschwächen, dass aus Sicht eines verständigen Dritten die Gefährdung insgesamt als unwesentlich zu beurteilen ist. 1 2
III. Vertraulichkeitsbereiche (Informationsbarrieren)
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rufssatzung der Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer Organisationspflichten. In § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 BS WP/vBP werden als Schutzmaßnahmen solche organisatorischen Maßnahmen definiert, „durch die sichergestellt wird, dass Informationen aus der zusätzlichen Tätigkeit, die zu einer Befangenheit als Abschlussprüfer führen können, den für die Abschlussprüfung Verantwortlichen nicht zur Kenntnis gelangen“.
III. Vertraulichkeitsbereiche (Informationsbarrieren) Als wesentliches Element einer konfliktreduzierendenden Organisation haben sich Vertraulichkeitsbereiche etabliert. Geregelt werden sie etwa in § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG i.V.m. § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 WpDVerOV. Sie werden dort umschrieben als „Vorkehrungen zur wirksamen Verhinderung oder Kontrolle eines Informationsaustauschs zwischen Mitarbeitern, deren Tätigkeiten einen Interessenkonflikt nach sich ziehen könnten, wenn dieser Informationsaustausch Kundeninteressen beeinträchtigen könnte“.9
1.) Funktion von Informationsbarrieren Vertraulichkeitsbereiche werden regelmäßig mit Hilfe von Informationsbarrieren, sog. Chinese walls,10 errichtet. Darunter versteht man aufbau- und ablauforganisatorische Maßnahmen und Regeln einer Organisation bzw. eines Unternehmens, die verhindern sollen, dass sensible Informationen, die in einem Geschäftsbereich anfallen oder erzeugt werden, unkontrolliert an Personen gelangen, die nicht zu diesem Geschäftsbereich gehören.11 Einzelne Informationsbereiche innerhalb eines Unternehmens werden auf diese Weise voneinander Ähnlich lautet § 5a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FinAnV, der § 34b Abs. 5 WpHG konkretisiert. Der Begriff „Chinese walls“ wurde zunächst im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht geprägt. Siehe Lipton/Mazur, 50 N.Y.U.L. Rev. 459 (1975); Greenberg/Mack/ Schulte, 1980 Duke L.J. 1063, 1089 ff.; Poser, 9 Michigan YBI Legal Stud., 91, 103 ff. (1988); Poser, 16 Brook. J. Int’l L. 111, 112 ff. (1990); Steinberg/Fletcher, 47 S.M.U. L. Rev. 1783, 1806 ff. (1994); außerden Dingeldey, RIW 1983, 81, 84 f. Zur Entwicklung des Begriffs und zu Informationsbarrieren generell Hollander/Salzedo, Conflicts of Interest, Rdnr. 7–001 ff. 11 MaComp AT 6.2 Nr. 3 a; Fuchs/Fuchs, WpHG, § 33 Rdnr. 107; KölnKommWpHG/ Meyer/Paetzel/Will, § 33 Rdnr. 174; Schwark/Zimmer/Fett, KMRK, § 33 Rdnr. 39; Eisele/ Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb