Religion und Christentum in der Theologie Rudolf Ottos [Reprint 2013 ed.] 3110026430, 9783110026436, 9783110830583

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Religion und Christentum in der Theologie Rudolf Ottos [Reprint 2013 ed.]
 3110026430, 9783110026436, 9783110830583

Table of contents :
EINLEITUNG
I. Die Grundlagen für den Zusammenhang von Religion und Christentum
1. Spiritus sanctus und Vernunft
2. Religiöses Gefühl und Weltbegriff
3. Theologie und Philosophie
II. Der Aufweis des Zusammenhanges von Religion und Christentum
Das Numinose und das Heilige
III. Die Folgerungen aus dem Zusammenhang von Religion und Christentum
1. Das Heilige und die Person Jesu
2. Religion und Christentum
3. Religion und Ethos
SCHLUSS: Die Bedeutung und Tragfähigkeit des religionsphilosophischen und theologischen Denkens Rudolf Ottos
ANHANG
1. Die Promotionsthesen Rudolf Ottos
2. Naturwissenschaft und Theologie
3. Anmerkungen Rudolf Ottos zu der englischen Übersetzung der Kantisch-Fries’schen Religionsphilosphie
4. Leonhard Nelson an Rudolf Otto vom 9.10.1908
5. Wilhelm Bousset an Rudolf Otto vom 3.12.1916
6. Theodor Häring an Rudolf Otto vom 14.4.1917
7. Rudolf Bultmann an Rudolf Otto vom 6.4.1918
8. Edmund Husserl an Rudolf Otto vom 5.3.1919
LITERATURVERZEICHNIS
REGISTER

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HANS-WALTER SCHÜTTE RELIGION UND CHRISTENTUM I N DER T H E O L O G I E RUDOLF OTTOS

RELIGION UND CHRISTENTUM IN DER THEOLOGIE RUDOLF OTTOS VON HANS-WALTER

SCHÜTTE

V E R L A G W A L T E R DE G R U Y T E R & CO. B E R L I N 1969

THEOLOGISCHE BIBLIOTHEK HERAUSGEGEBEN K. A L A N D ,

K.G.KUHN,

VON

C. H . R A T S C H O W 15.

TÖPELMANN UND

E. S C H L I N K

BAND

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinsdiaft

© 1969 by Verlag Walter de Gruyter & Co., Berlin 30 (Printed in Germany) Alle Redite, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrüdclidie Genehmigung des Verlages ist es audi nidit gestattet, dieses Budi oder Teile daraus auf photomedianisdiem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Ardiiv-Nr. 3901692/15 Satz und Druck: Thormann & Goetsdi, Berlin 44

INHALTSVERZEICHNIS Seite

EINLEITUNG

1

I. Die Grundlagen für den Zusammenhang von Religion und Christentum 1. Spiritus sanctus und Vernunft 2. Religiöses Gefühl und Weltbegriff 3. Theologie und Philosophie

11 11 22 33

II. Der Aufweis des Zusammenhanges von Religion und Christentum . . . . Das Numinose und das Heilige

45 45

III. Die Folgerungen aus dem Zusammenhang von Religion und Christentum 1. Das Heilige und die Person Jesu 2. Religion und Christentum 3. Religion und Ethos

61 61 69 84

S C H L U S S : Die Bedeutung und Tragfähigkeit des religionsphilosophischen und theologischen Denkens Rudolf Ottos 103 ANHANG

117

1. Die Promotionsthesen Rudolf Ottos 119 2. Naturwissenschaft und Theologie 121 3. Anmerkungen Rudolf Ottos zu der englischen Übersetzung der Kantisch-Fries'sdien Religionsphilosphie 122 4. Leonhard Nelson an Rudolf Otto vom 9.10.1908 126 5. Wilhelm Bousset an Rudolf Otto vom 3.12.1916 127 6. Theodor Häring an Rudolf Otto vom 14. 4.1917 128 7. Rudolf Bultmann an Rudolf Otto vom 6. 4.1918 130 8. Edmund Husserl an Rudolf Otto vom 5. 3.1919 139 LITERATURVERZEICHNIS

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REGISTER

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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS DH GU KFR

NRW Reden

= Das Heilige. Über das Irrationale in der Idee des Göttlichen und sein Verhältnis zum Rationalen, Breslau 1917, München 1963 31—35 = Das Gefühl des Uberweltlichen (Sensus Numinis), München 1932 = Kantisch-Fries'sdie Religionsphilosophie und ihre Anwendung auf die Theologie. Zur Einleitung in die Glaubenslehre für Studenten der Theologie, Tübingen 1909 = Naturalistische und religiöse Weltansicht, Tübingen 1904 = Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern. Von Friedrich Sdileiermacher. Zum Hundertjahr-Gedächtnis ihres ersten Erscheinens in ihrer ursprünglichen Gestalt neu herausgegeben und mit Übersichten und Vor- und Nachwort versehen, Göttingen 1899

RGMS

= Reich Gottes und Menschensohn. Ein religionsgeschichtlidier Versuch, München 1934

SU

=

WÖM

= West-Östliche Mystik. Vergleich und Unterscheidung zur Wesensdeutung, Gotha 1926

Sünde und Urschuld und andere Aufsätze zur Theologie, München 1932

Sonstige ARW

Abkürzungen

= Ardiiv für Religionswissenschaft

ChrW

= Die Christliche Welt

DLZ

= Deutsche Literaturzeitung

DVLG

= Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgesdiidite

EKL

= Evangelisches Kirchenlexikon. Kirchlich-theologisches Handwörter-

FGLP

= Forschungen zur Geschichte und Lehre des Protestantismus

GGA

= Göttingische Gelehrte Anzeigen

buch, hg. v. H . Brunotte und O. Weber, 1955 ff.

(N)ZSTh =

(Neue) Zeitschrift für systematische Theologie

OLZ

= Orientalistische Literaturzeitung

PhJ

= Philosophisches Jahrbuch

RGG 2

= Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 2. Aufl., 1927—1932

SGV

= Sammlung gemeinverständlicher Vorträge und Schriften aus dem

ThBl

= Theologische Blätter

Gebiet der Theologie und Religionsgesdiidite ThLBl

= Theologisches Literaturblatt

ThLZ

= Theologische Literaturzeitung

ThQ

= Theologische Quartalsschrift

ThR

= Theologische Rundschau

ThStKr

= Theologisdie Studien und Kritiken

VF

= Verkündigung und Forschung

ZKG

= Zeitschrift für Kirchengeschichte

ZMR

= Zeitschrift für Missionskunde und Religionswissenschaft

ZPhphK

= Zeitschrift für Philosophie und philosophisdie Kritik

ZRGG

= Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschidite

ZRP

= Zeitschrift für Religionspsychologie

ZThK

= Zeitschrift für Theologie und Kirche

EINLEITUNG Es gehört zu den elementaren Sachverhalten der christlichen Theologie, daß sie mit dem Bedürfnis, ihren Inhalt in der Form eines durchsichtigen Zusammenhanges zu besitzen, das Verlangen nach einer K l ä rung ihres Grundes verbunden hat. Eine der Gestalten, in der sich dieses Verlangen einen wirksamen Ausdruck verschafft hat, ist die Frage nach dem Verhältnis von Religion und Christentum. Die Geschichte der systematischen Theologie des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts zeigt sich in einem Maße von dieser Frage bewegt, daß ihr noch immer die Kategorien und Zuordnungsmöglichkeiten entnommen werden können, die der Auslegung dieses Verhältnisses und der Entfaltung der in ihm liegenden Motive erwachsen sind. Die theologische Reflexion entfaltet sich jeweils in anderen Bezügen, je nachdem die doppelt bestimmte Erkenntnis auf den Grund ihrer Zusammengehörigkeit befragt oder einem Gegensatz eingegliedert wird, der von keiner ihrer Vermittlungen zu erreichen ist. Es kennzeichnet den Reichtum wie die Relativität der Lösungen, daß die Geschichte dieses Problems von einer eigentümlichen Unerschöpflichkeit ist, daß sie freilich eine dem gegenwärtigen theologischen Bewußtsein zugewandte und abgekehrte Seite enthält. Die Frage nach dem Verhältnis von Religion und Christentum ist ihrer Herkunft nach eine moderne Frage. Sie nimmt insofern an der Eigentümlichkeit des Modernen teil, als sie der Reflex eines Prozesses ist, der nach seiner Eindeutigkeit nur schwer zu beschreiben ist. Einerseits gewinnt sie in steigendem Maße die Bedeutung, dem theologischen Denken zur Selbstverständigung zu dienen und Auslegungsformen bereitzustellen, in denen es sich in der Doppelgestalt der Motive als einheitliches begreifen kann. Mit der Einbeziehung des Religionsthemas in die theologische Überlegung wurde der Charakter der Kommunikabilität ihrer Aussagen wahrgenommen. Indem die Theologie den universalen Anspruch des Christentums als der vollendeten Religion geltend machte, verband sich die Bewährung dieses Anspruches mit der Herauslösung des Christentums aus seiner kirchlich-theologischen Umgrenzung. Die Entfaltung des eigenen Themas blieb somit gerade auf diejenige kirchlich-theologische Tradition bezogen, deren Ablösung intendiert war. Die Antithetik der Problemerörterung hat mit wechselnder Dominanz der 1

Schütte, R u d o l f O t t o

2

Einleitung

Glieder das Verhältnis von Religion und Christentum bestimmt. 1 Andererseits aber hebt dieser Vorgang ins Bewußtsein, daß es unter den Antworten auf die Frage nach dem Verhältnis von Religion und Christentum keine der theologischen Lehrbildung vergleichbare Instanz gegeben hat, auf die man sich als die Einzeldifferenzen ermöglichende und sie zugleich legitimierende hätte berufen können. Insofern vermag auch diese Erörterung des Zusammenhanges von Religion und Christentum auf keinen Idealtypus zurückzugreifen, dem sie Gesichtspunkte von allgemeiner Verbindlichkeit entnehmen könnte. Was indes an Reflexionsüberschuß in keine durch eine Theorie zusammengefaßte Gestalt der Eindeutigkeit eingegangen ist, läßt sich in seinem Rechte nicht schon dadurch bestreiten, daß sich dem Nachvollzug und der Aneignung schwer überwindliche Bedenken entgegenstellen. Die eigentümliche Erschwerung, der sich eine Darstellung des Verhältnisses von Religion und Christentum gegenübersieht und die aus verschiedenen Quellen gespeist wird, ist mehr als nur der Ausdruck einer Verlegenheit. Sie nimmt an der Krise der Begriffe teil, die insbesondere den der Religion betroffen hat. Es gehört insofern zu dem begrenzten Charakter dieser Untersuchung, daß sie angesichts der im Thema beschlossenen Möglichkeiten auf einen Lösungstyp Bezug nimmt. Die Theologie Rudolf Ottos gibt der Frage nach dem Verhältnis von Religion und Christentum die äußere Umgrenzung, aber sie vermag die Motive namhaft zu machen, aus denen das Problem seinen Reiz und seine das theologische Denken mit neuen Impulsen versehende Kraft empfängt. I Diejenigen Theologen, die etwa um die Jahrhundertwende zu den Repräsentanten ihres Faches heranwachsen und die im Blick auf die in Philosophie und Wissenschaft sich bildenden Weltanschauungsprogramme eine die Wahrheit der Religion und des Christentums bewahren wollende Gestalt der Apologetik zu entwerfen beginnen, lassen sich, was vornehmlich den Gegenstand ihres Interesses und die Art und Weise ihrer Argumentation betrifft, nach zwei Richtungen unterscheiden. Bei der einen richtet sich die Absicht der Apologetik gegen eine zunehmende Naturalisierung des Bewußtseins, die sich scheinbar zwangsläufig aus den Methoden und Ergebnissen der Naturwissenschaft ergibt 1

Vgl. Trutz Rendtorff, Kirche und Theologie. Die systematische Funktion des Kirchenbegriffs in der neueren Theologie, Gütersloh 1966, 32 ff., 57 ff.

Einleitung

3

und die sich in einer Anzahl von Theorien als Bedrohung des Christentums zu erweisen scheint. Es ist nur ein Reflex dieser Situation, wenn sich eines der am stärksten verbreiteten Bücher, E. Haeckels „Welträtsel" (1899), als einer der Bezugspunkte der Apologetik herausstellt. Einer der bedeutenden Vertreter dieser Richtung dürfte Ernst Troeltsch sein, dem das Bemühen um den Begriff des „religiösen Apriori" 2 und damit der Aufweis der Religion als wesentliches Moment in der menschlichen Vernunft eines der entscheidendsten Anliegen ist. Die zweite Richtung ist dadurch zu charakterisieren, daß sie angesichts der Welt der Religionsgesdiidite und der Frage nach dem Verhältnis des Christentums zur Mannigfaltigkeit der religiösen Erscheinungen angemessene und hinreichende Deutungen zu ermitteln sucht. Das Gewicht der religionsgeschichtlichen Fragestellung wird daran sichtbar, daß Ernst Troeltsch, der mit wesentlichen Motiven seines Denkens der ersten Gruppe zugehört, mit seiner Schrift „Die Absolutheit des Christentums und die Religionsgeschichte" (1902) auch zu dem zweiten Thema eine Antwort zu geben versucht hat. 3 Beide Richtungen der Apologetik waren um ein Verständnis des Christentums bemüht, das es gestattete, seinen Gehalt in dem Wandel der wissenschaftlichen Problemstellungen zu bewahren; beide Richtungen erstrebten den Ausgleich zwischen einem in den Gegensatz getretenen christlichen und wissenschaftlichen Bewußtsein. Die Lebensarbeit Rudolf Ottos läßt sich dadurch kennzeichnen, daß er die Absichten und Interessen beider Gruppen der Apologetik aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg teilt. Seine frühen Arbeiten gehören zu einem erheblichen Teil der Auseinandersetzung mit der „naturalistischen Weltansicht" an, jedoch schon im Verlauf dieser Auseinandersetzung wendet er seine Aufmerksamkeit der Religionsgeschichte zu. Seine Kritik an der von Wilhelm Wundt geübten völkerpsychologischen Betrachtung 2

E. Troeltsch, Psychologie und Erkenntnistheorie in der Religionswissenschaft, Tübingen 1905.

3

Die Einbeziehung der Weltreligionen in den religionsgeschichtlichen Vergleich, was etwa von Albert Schweitzer (Das Christentum und die Weltreligionen, 1924) zwar sehr viel später, aber mit zwangsläufiger Erweiterung der Fragestellung der religionsgeschichtlichen Schule vollzogen wurde, insbesondere aber sein Versuch, mit einer das Ethos begründenden „Kulturphilosophie" (1923) dem Christentum seinen eigentümlichen Ort zurückzugewinnen, ist für das Denken Rudolf Ottos sicherlich nicht ohne Folgen geblieben.



4

Einleitung

der Religion zeigt sich auch dadurch bedingt, daß er die Auflösung der Wahrheit der Religion und des Christentums durch eine skeptische Ansicht der Vielfalt der Erscheinungswelt der Religion für gefährlicher gehalten hat als die die Religion destruierenden Theorien der Naturwissenschaft. Nun scheint jedoch der Umstand, daß die Arbeit Rudolf Ottos von beiden Richtungen mitbestimmt wurde und zwischen beiden auf eigentümliche Weise schwankt, als erschwerend gewirkt zu haben, den Übergang von seinen ersten Schriften zu dem Buch über „Das Heilige" zu finden. Es muß daher trotz der scheinbaren Disparatheit der Arbeiten Ottos der Versuch unternommen werden, den sein Denken bestimmenden Einheitspunkt zu finden, der sie als Momente einer und derselben Erkenntnishaltung begreifen läßt. Diese Untersuchung hat darzulegen, daß in dem Verhältnis von Religion und Christentum das die Theologie Ottos leitende Thema gegeben ist. Die Frage hat in der Form, wie Otto sie stellt, unmittelbar zwei für ihn normierend gebliebene Gesichtspunkte in sich. Otto hält es auf der einen Seite für unmöglich, die Wahrheit des christlichen Glaubens theologisch zu vergegenwärtigen, ohne dabei in der Welt der mannigfaltigen religiösen Erscheinungen audi ein Moment der Wahrheit, ein dem christlichen Glauben bei aller Gegensätzlichkeit also wahlverwandtes Moment zu finden. Der Religionsbegriff hat in dieser Hinsicht die Bedeutung, nicht nur die gegebenen Religionen als zur Religion gehörig zu identifizieren, sondern sich als das alle einzelnen Religionen Übergreifende und sie Verbindende herauszustellen. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, daß gegenwärtig die Voraussetzung Ottos unter dem Einfluß einer empirischen Religionswissenschaft in Zweifel gezogen wird. Für ihn bedeutet diese Voraussetzung eine Selbstverständlichkeit, und man wird seine theologische Arbeit nur verstehen können, wenn man sie zunächst als gegeben hinnimmt. Ob die Theologie Rudolf Ottos etwas Vergangenes ist oder ob sie eine die gegenwärtige Theologie bereichernde und unter Umständen korrigierende Funktion ausüben kann, diese Frage kann erst am Schluß berührt werden. Die Voraussetzung von der Einheitlichkeit des Religionsbegriffes ist freilich bei Otto nicht bloße Voraussetzung geblieben, sondern seine Überlegungen sind weithin von dem Bemühen geleitet, den Nachweis der diese Einheit bedingenden Faktoren zu erbringen. Der Begriff des Numinosen hat vornehmlich diesen die Gemeinschaft der religiösen Phänomene auf-

Einleitung

5

weisenden Charakter; er hat für Otto den Vorzug, bei aller Vieldeutigkeit dessen, was numinos erlebt werden kann, jene Einheit des Religionsbegriffes zu gewährleisten, die überhaupt die Voraussetzung eines Fragens nach dem Redit der christlichen Wahrheit innerhalb der Welt der Religionsgeschichte darstellt. Man wird sich hinsichtlich dieser Prämisse auf eine von Schleiermacher in der „Dialektik" ausgesprochene Einsicht berufen können, daß die Sinnhaftigkeit eines Gesprächs an die Voraussetzung einer gemeinsamen Übereinkunft gebunden ist, die die differenten Meinungen umgreift und sie einer Verständigung zuzuleiten vermag. Auf der anderen Seite bleibt es für Otto eine dringende Aufgabe, die Wahrheit der Religion und damit auch die des Christentums vor dem Forum der menschlichen Vernunft zur Geltung zu bringen. Zu den Besonderheiten, die dem christlichen Glauben das Gepräge geben, gehört für ihn der Umstand, daß das Christentum als eine wahrhaft geistige Religion die Welt des Denkens und Handelns von allen widervernünftigen Elementen zu reinigen vermag. Dies kommt darin zum Ausdruck, daß er mit dem ihm verwandten Typus der Apologetik die Abneigung gegen den Supranaturalismus teilt. Der Aufweis, daß das Christentum von dem Geheimnis der Religion sprechen kann, ohne damit einer autoritativen oder mythologischen Verendlichung der Religion zu verfallen, ist schon in der Schrift über Luther das leitende Interesse. In beiderlei Hinsicht läßt sich die Theologie Rudolf Ottos als Entfaltung der im Begriff des „homo religiosus" implizierten Problematik verstehen. Seine Rechtfertigung ebenso wie die nach vielen Seiten hin ausgesprochene Verwahrung der spezifisch religiösen Thematik hat sich mit der bewußten Tendenz vollzogen, eine Aufgabe der Apologetik zu erfüllen. Jener Vorstellung gegenüber, die in dem apologetischen Bemühen lediglich ein unsicher gewordenes theologisches Bewußtsein anzutreffen meinte, begriff Otto die Apologetik als den Akt der Rechenschaft über den christlichen Glauben. Nicht aus ihr gewann er das Zutrauen, sich dem Geheimnis der Religion zu nähern; seine Apologetik ist vielmehr selber die Folge einer ursprünglichen Gewißheit, die sich lediglich als ihre Übersetzung in das Denken einer sowohl religionsgeschichtlich als auch philosophisch bewegten Zeit versteht. Der Versuch, den langsamen und mühseligen Weg der Reflexion, auf dem Otto das Geheimnis der Religion aufzudecken trachtet und im Christentum als der vollendeten mit der Vernünftigkeit vereinten Religion allen anderen Religionen gegenüberstellt, nachzuvollziehen, ist von der Absicht geleitet,

6

Einleitung

das Denken Rudolf Ottos als ein in sich zusammenhängendes und von einer Grundfrage bestimmtes aufzuweisen. 4 II Von sämtlichen Schriften Rudolf Ottos hat keine auch nur annäherungsweise eine solche Wirkung auf die an der Religionsthematik überhaupt interessierten Disziplinen und Kreise ausgeübt wie das 1917 in erster Auflage erschienene Buch „ D a s Heilige". Wollte man seinen Erfolg lediglich nach der Zahl der Auflagen wie der der Übersetzungen bemessen, dürfte es, was vornehmlich die theologische Publizität betrifft, weithin ohne vergleichbare Parallele sein. 5 Diese die Grenzen der wissenschaftlichen Einzelfächer übergreifende Wirkung ist freilidi schon bald nach dem Erscheinen der Schrift als mehrdeutig empfunden worden. „Selten ist ein theologisches Werk der Stimmung der Zeit so entgegengekommen und so restlos eingesogen worden wie dieses. D a s ist nicht nur ein günstiges Zeichen." 6 Es bedurfte allerdings erst eines gröberen Zugriffs, um die in den Rezensionen ausgesprochenen Bedenken und Vorbehalte in eine „maßlose und teilweise abgeschmackt pedantische K r i t i k " 7 zusammenzufassen. „Unsere Kritik, schreibt F. K . Feigel, wird im einzelnen den Nachweis dafür bringen, daß Ottos Behandlung der Grundprobleme religionswissenschaftlicher Erkenntnis im Stil des halbwissenschaftlichen, dafür aber .geistreichen' Essays zu Werke geht, daß sie gerade an den entscheidenden Punkten zwischen j a und nein schillert, daß sie es — vielleicht bewußt — versäumt, nüchtern wissenschaftlich in die Tiefe zu dringen; gerade dies scheint mir charakteristisch an dem Buche, daß man beim ersten Lesen den Eindruck hat, hier sei die Lebenstiefe der Religion ahndevoll erfaßt, daß dann aber beim zweiten und dritten Lesen ein andrer Eindruck den ersten zurückdrängt: das Buch ermangelt durchaus der wissenschaftlichen Gründlichkeit, es geht aus einer Untiefe in die andere. Es ist immer gefährlich, sich der Magie 4

Vgl. W. Haubold, Die Bedeutung der Religionsgeschichte für die Theologie Rudolf Ottos, Leipzig 1940.

5

Friedrich K. Feigel, „Das Heilige". Kritische Abhandlung über Rudolf Ottos gleichnamiges Buch, 19482, Iff., 123 ff.; R. Boeke, Rudolf Otto, Leben und Werk, Numen XIV, 1967, 141 ff.

• A. v. Harnack, Besprechung von Rudolf Otto, Das Heilige, DLZ 1924, 993. 7

B. Häring, „Das Heilige" Rudolf Ottos in der neueren Kritik, Geist und Leben 1951, 67.

Einleitung

7

geistreicher Intuitionen zu ergeben." 8 Als Reflex einer Zeitstimmung, der „Das Heilige" entstammt und die es selber fördert, wird der scheinbar wissenschaftsferne Charakter der Schrift, deren Terminologie überdies die unterschiedlichen Deutungen ermöglicht, der Tendenz nach den Expressionen einer orientierungslos gewordenen Subjektivität zugerechnet, deren Negativität es nur zu durchschauen gilt. Die Darstellung Feigels, die in der Tat eine einigermaßen vollständige Sammlung der kritischen Bedenken enthält, hat zwar keine Nachfolger gefunden 9 , aber in der Otto-Literatur eine zuweilen in Anspruch genommene Entlastungsfunktion ausgeübt. 10 Umgekehrt kann die Rezeption der Gedanken Ottos auf eine sich zunehmend stabilisierende Form der Befragung der religiösen Erscheinungswelt zurückblicken. 11 Die Beschreibung des Numinosen als der „Kontrastharmonie", die ihre Verbreitung sicherlich auch dem Umstand zu verdanken hat, daß Otto mit dem Terminus „Mysterium tremendum und fascinosum" eine überaus einprägsame Formel gelungen ist, ist von der Religionswissenschaft als fruchtbar aufgenommen worden. 12 Freilich, die exzeptionelle Stellung, die „Das Heilige" unter den Veröffentlichungen Ottos einnimmt, hat es bewirkt, daß es in wachsendem Maße Verstehensbedingungen unterlag, die mit ihren negativen wie ihren positiven Implikationen der eigenen Logik zu folgen begannen. Vor allem aber hat die Schrift mit der Fülle der sie begleitenden Interpretationen das ihr vorhergehende und das ihr folgende Werk nahezu verdeckt. Das Buch, das den Namen Rudolf Ottos vor der Vergessenheit bewahrt hat, ist nicht nur selber dem Mißverständnis unterlegen, sondern es hat die Isolierung befördert, die seine anderen Arbeiten betroffen hat. 8

'

F. K. Feigel, a. a. O., 6, vgl. 7 f. Vgl. aber das 1922 erschienene Buch J . Geysers, Intellekt oder Gemüt? Eine philosophische Studie über Rudolf Ottos Buch „Das Heilige", 2. 18. 4 9 ; P. W . Schmidt, Menschheitswege zum Gotterkennen, Rationale, irrationale, superrationale, 1923, 1 ff.

10

W . Baetge, Das Heilige im Germanischen, 1942, 19. 21. 4 0 ; K . Rudolf, Die Problematik der Religionswissenschaft als akademisches Lehrfach, Kairos I X , 1967, 35.

11

Vgl. ζ. B. die in der Z T h K 1938 erschienenen Beiträge von H . Frick, G. van der Leeuw und G. Mensdiing.

12

G. Mensdiing, Rudolf Ottos religionswissenschaftliche Arbeit, Z T h K 118. 128.

1938,

Einleitung

8

Die Gründe indes, die „Das Heilige" als das für Otto typische Buch erscheinen lassen, liegen nur zu einem Teil in ihm selbst; sie beruhen in einem erheblichen Maße in der theologiegeschichtlichen Situation am Ausgang des ersten Weltkrieges. Es ist der eine vergangene theologische Epoche betreffende Ablösungsanspruch, der sich in der Schrift Ottos als Wiedergewinnung des eigenen Themas der Theologie mit seinen polemischen Verwahrungen gegen die Rationalisierung und Ethisierung der Religion und des Christentums niedergeschlagen hat. Karl Barth hat zunächst die Otto leitenden Absichten als mit den seinigen in Verwandtschaft stehend begreifen können. „Ich las diese Woche mit ziemlicher Freude ,Das Heilige' von Otto. Die Sache ist zwar psychologisch orientiert, weist aber deutlich über die Grenze hinaus auf das Moment des ,Numinosum', dem rational nicht beizukommen ist, weil es das ,Ganz Andere', das Göttliche an Gott ist. Anbahnung einer grundsätzlichen Überwindung des Ritschlianismus. Letzte Erkenntnisse zeigen sich wenigstens an, wenn die Sache auch nicht ganz in Fluß kommt wegen beibehaltener theologischer Betrachterrolle, die sich mit dem ziemlich wohlverstandenen Objekt nicht verträgt. Aber jedenfalls eine Verheißung, daß die Dinge in Deutschland auch am Weitergehen sind und daß wir uns mit unsern dortigen Freunden eines Tages wieder begegnen könnten." 1 3 Sobald freilich die Wahrnehmung des Otto bestimmenden Interesses hinter die charakterisierenden Begleitformeln des „Psychologischen", des „Subjektiven" und des „Irrationalen" zurücktrat, mußte es nicht nur als Erschwerung empfunden werden, die Schrift „Das Heilige" in die Entwicklung seines Denkens einzubeziehen, sondern der Zugang des Heiligen wurde durch solche Interpretationsschemata verstellt. D a ß „Das Heilige" als der Kanon zu betrachten sei, von dem her sich die früheren und späteren Schriften als Näherungsweisen an oder Abirren von der Grundidee begreifen lassen, hat zu einem Bilde der Theologie Ottos geführt, das durch wenige Züge bestimmt, den Hinblick auf seine Arbeit leitet. „Rudolf Otto versuchte auf Grund religionsgeschichtlichen Materials ,das Heilige' als religiöse ,Kategorie a priori' zu bestimmen, in der die Momente des Schauervoll-Übermächtigen (,tremendum') und des Anziehend-Bestrickenden (,fascinans*) eine .Kontrastharmonie' bilden. Obwohl seine religionspsychologische Methode ,Gefühle' statt .Gehalte' analysierte ( . . . ) und die objektive Religion 15

K. Barth an E . Thurneysen vom 3. Juni 1919, Antwort. K. Barth z. 70. Geburtstag, Zürich 1956, 854.

Einleitung

9

wie ethisch bindende Normen ignorierte ( . . . ) , wirkte sein Hinweis auf die Verschlingung rationaler und irrationaler Elemente im ,Heiligen' anregend." 14 Insbesondere der Hauptbegriff der Analyse Ottos, das Numinose, der widersprüchliche Faktoren in sich zu befassen scheint, mußte sich dem kritischen Nachvollzug als problematisch erweisen. In seiner Mischung von religiösen und paganistischen Motiven erweckte er den Eindruck, der religionswissenschaftlichen Arbeit jedes Bewußtsein von einem ihre Betrachtungen leitenden Maßstab zu entziehen.15 Das Desinteresse am religiösen Objekt, der Verzicht auf seinen ethische Normen setzenden Charakter scheint seinen Grund zu erhalten in einer Theorie des Subjektivismus, die die Wirklichkeit religiöser Phänomene zu erfassen vermeint, wenn sie das Gefühl analysiert. 1 ' Die Vorrangstellung des „Heiligen" ist auch in den Interpretationsversuchen der Theologie Rudolf Ottos unbestritten geblieben, in denen es eine zweite, die erste ablösende und zurücklassende Phase seines Denkens eröffnet hat. 17 Otto selber mag zu dieser Deutung Anlaß gegeben haben. In der ersten Auflage seines Buches „Das Heilige" scheint sich das Schema einer rationalen und einer irrationalen Phase in seinen Bemühungen, einen angemessenen Zugang zur Religion zu gewinnen, anzudeuten. „In meinem Buche: Kanti$-Fries$e Religionsfilosofie und ihre Anwendung auf die Theologie ist die andere Seite der Religion, die r a t i o n a l e , der Gegenstand." 18 Dieses Zweiphasenschema muß aber nicht nur mit einer schwer erträglichen Widersprüchlichkeit in dem Gesamtwerk Ottos rechnen, schon „Das Heilige" selbst läßt sich unter dieser Voraussetzung lediglich als die Dokumentation des Selbstwiderspruches verstehen. Sein Untertitel „Über das Irrationale in der Idee des Göttlichen und sein Verhältnis zum Rationalen" ist nur hinreichend aufzunehmen, wenn 14 15

18

17

19

G. Gloege, IV Heilig, Systematisch-theologisch, RGG 3 3, 152. „Eines ist unbestreitbar: Das Numinose ist noch nicht einmal als Kriterium brauchbar, um auch nur Gott vom Satan zu unterscheiden." F. K. Feigel, a. a. O., 133, vgl. 13 ff. „Also muß das Numinose dem Gefühl . . . zugänglich sein — ein heilloser Psychologismus, der die Erkenntnis ausschaltet, um das Realitätsproblem rein gefühlsmäßig zu lösen." W. Baetke, a. a. O., 21 f. — R. Bultmann an R. Otto v. 6. 4.1918, Anhang 137 ff. H . E. Eisenhut, Der Begriff des Irrationalen als philosophisches Problem, 1931, 31 f. — P. Seifert, Die Religionsphilosophie bei Rudolf Otto, 1936, 77 f., 94. Rudolf Otto, Das Heilige, 1917, 5 Anm. 1.

10

Einleitung

man die in ihm ausgesprochene Tendenz auf den Zielpunkt einer Konkordanz zwischen beiden bezieht.19 Das Problem einer einheitlichen oder gebrochenen Entwicklung eines Denkens bezieht seinen Reiz aus der Wiederholbarkeit und ist in der Regel einer abstrakten Erörterung kaum fähig. Beide im Blick auf Otto angewendeten Theorien heben sich, wenn man sie als Alternativen benutzt, im Grunde auf und ergeben einen, mit verschieden gesetzten Akzenten versehenen Verstehensentwurf. Trotz der Einheitlichkeit der Otto leitenden Problemstellung sind die Etappen des Lösungsversuches als Momente eines sich wandelnden Denkens zu verstehen, und trotz des Wandels ist seine Gesamtleistung der Niederschlag eines in sich zusammenhängenden Denkens. Der von Otto zurückgelegte Weg der Reflexion ist zweifellos nicht als die Exekution eines Planes zu verstehen, sondern vielmehr als der auch antithetische Momente der Erkenntnis umfassende Versuch, die Relationen zwischen Religion und Christentum, Vernunft und Geist aufzudecken. Die Rekonstruktion dieses Weges wird nur überzeugend vorgenommen werden können, wenn sie sich auf die einzelnen Abschnitte bezieht und nach deren Zusammenhang für die erkenntnisbringende Gesamtleistung fragt. Dann erscheint es freilich unerläßlich, „Das Heilige", trotz seiner Bedeutung, als ein Moment in der Entfaltung der Religionsproblematik zu verstehen.

»· SU 61. 190.

I. DIE GRUNDLAGEN FÜR D E N ZUSAMMENHANG V O N RELIGION U N D CHRISTENTUM 1. Spiritus

sanctus und

Vernunft

Das Interesse Rudolf Ottos an der Theologie Luthers entspringt der Zweideutigkeit des geschichtlichen Urteils über die Bedeutung der Reformation. Aus der Analyse dieser Zweideutigkeit, die schon in der Formulierung des Problems auf die theologische Situation der Jahrhundertwende bezogen ist1, ergibt sich die Aufgabe, die sich Otto mit seiner Untersuchung über den Begriff „spiritus sanctus" gesetzt hat. Was die Rezeption der Theologie Luthers für das moderne Bewußtsein überaus zu erschweren scheint, ist ihr der Vergangenheit, nämlich der mittelalterlichen Lehrbildung, zugekehrtes Gesicht; insofern ist der Modus der Bezugnahme auf die Reformation historisch. Mit dieser den Abstand betonenden Einsicht verbindet sich aber eine andere, die Luther, den „Virtuosen und Heros der Religion" 2 als Repräsentanten der Reformation zu begreifen sucht, indem sie auf den Akt der religiösen Erfahrung reflektiert, der eine neue Einstellung zum religiösen Sachverhalt impliziert und sich in einer ihm entsprechenden neuen Begrifflichkeit auslegt. Die Zuversicht, eine solche Unterscheidung vollziehen zu können und das sich im Hinblick auf diese Unterscheidung ergebende Programm, die zweite Betrachtungsweise von der ersten abzulösen, ist das Thema der Untersuchung Ottos. Das Eingeständnis der Zweideutigkeit des Urteils über die Theologie Luthers erschöpft sich freilich keineswegs in dem Aufweis der Alternative von Vergangenem und gegenwärtig Aneigbarem; vielmehr dient die wahrgenommene Differenz zur Legitimierung des gegenwärtigen theologischen Bewußtseins, dessen Rechtmäßigkeit sich in der Verknüpfung mit den originalen Gedanken Luthers erweisen soll. Die lutherische Theologie selber hat das moderne theologische Bewußtsein ermöglicht, und es steht auch darin in Korrespondenz zu den Gedanken Luthers, daß es sich der kritischen philosophischen Tradition zur Klärung der Theologie bedient. 3 1

A. Harnack, Lehrbuch der Dogmengesdiichte III, 18973, 808 — vgl. R. Otto, Die Anschauung vom heiligen Geiste bei Luther, 1898, 1—3.

2

R. Otto, a. a. O., 1.

3

Vgl. KFR 19 Anm. 1.

12

Grundlagen für den Zusammenhang von Religion und Christentum Innerhalb

dieser

leitenden

Absicht

vollzieht

sich die

Einzelunter-

suchung O t t o s z u m Begriff „spiritus sanctus" bei L u t h e r . 4 Dieser B e griff, den L u t h e r aus der Lehrüberlieferung aufnimmt und den er selber im Schema trinitarischer Überlegungen darstellen kann, enthält

gerade

in dieser Verdeckung das P r o b l e m der Religion und die F r a g e

ihrer

Begründung. 5 M i t dem Aufweis des Zusammenhanges zwischen Geistund

Religionsproblematik

hat

Otto

eine

Wende

vollzogen,

deren

T r a g w e i t e seine eigene Untersuchung erst unvollkommen enthüllt. D e r Begriff „spiritus sanctus" erscheint in der begrenzten Gestalt eines supranaturalen F a k t o r s , der das „ Z u s t a n d e k o m m e n und Bestehen der religiössittlichen Gemüts- und Willenszustände" 6 der überdies

in der Selbstvergewisserung

nur unzureichend

motiviert,

des religiösen Erlebens

ein

fremdes, äußeres M o m e n t darstellt. D i e Transposition des Begriffs auf die religiöse E r f a h r u n g ergibt für die Fragestellung der Ottoschen U n tersuchung die Formulierung, wie nämlich „das V e r h a l t e n und der E i n fluß einer außerweltliciien Ursächlichkeit auf das Innere des Menschen" 7 4

Die Lutherarbeit Rudolf Ottos hat, obwohl sie die Keimzelle seines Denkens ist, in der seiner Theologie gewidmeten Literatur eine vergleichsweise geringe Beachtung gefunden. Abgesehen davon, daß Otto selber in seinen späteren Sdiriften wiederholt auf die Lutherdarstellung Bezug nimmt — vgl. S U 43 ff.; D H 123 Anm. — an dem Studium der Theologie Luthers, insbesondere an der Lektüre von De servo arbitrio hat sich ihm „das Verständnis des Numinosen und seines Unterschiedes gegen das Rationale gebildet, lange bevor (er) es im Qadosch des Alten Testamentes und in den Momenten der „religiösen Scheu" in der Religions-Geschichte überhaupt wiedergefunden (hat)." D H 123. Vor allem W. Haubold, a. a. O., hat auf die Bedeutung dieser Schrift aufmerksam gemacht.

5

„Ein zweites mehr formales aber für heute vielleicht noch akuteres Interesse hat es, zu prüfen, ob eben diese seine Anschauungen über das religiöse Grunderlebnis, die Luther selber immer wieder um ,spiritus sanctus' zusammenschließt, wirklich ihren eigentlichen und genauen Ausdruck finden in diesem Begriffe nach seiner traditionell-kirchlichen Bedeutung, als welcher er sowohl über die geistliche Potenz selber, auf die die neuen geistigen Zustände der Christen zurückgehen sollen, als auch besonders über die Weise, in der diese Potenz wirksam gedacht ist, einen besonderen charakteristischen Kreis von Vorstellungen befaßt, und als welcher er in allem Wesentlichen unverändert bis heute von der traditionellen Vorstellungs- und Lehrweise als normaler anerkannt und gebraucht wird." R . Otto, Die Anschauung vom heiligen Geiste bei Luther, 1898, 1.

• a. a. O., 1. 7 a. a. O .

Spiritus sanctus und Vernunft

13

zu bestimmen sei. Der Hinweis auf eine im Grunde doppelte Begründungsmöglichkeit der Religion, die sich in der supranaturalen und der empirisch-psychologischen Fassung Ausdrude gegeben hat, wird mit der Aufnahme lutherischer Aussagen im Sinne der zweiten Möglichkeit entfaltet. 8 Die Durchführung dieses Programms, das durch die Lutherarbeit eröffnet ist, erreicht in der Aufnahme des kantisch-friesschen Entwurfs einer Religionsphilosophie seinen ersten Höhe- und Abschlußpunkt. Seine wandlungsreiche Geschichte mit dem Rückgriff auf Schleiermachers Analyse des Religionsbegriffs einerseits, des Rekurses auf J. F. Fries andererseits erschließt das Gefalle der Sachfrage, die über die Erstfassung in der Lutherarbeit zwangsläufig hinausdrängt. Schon in dieser ersten, auf die rationale Klärung des Religionsbegriffs tendierenden Phase der Ottoschen Arbeit spiegelt sich die theologische Zeitlage und erlaubt den Nachvollzug, in dessen Durchmessung sich der Begriff der Religion fixieren läßt. Ottos Versuch, die Theologie Luthers von der Zweideutigkeit der historischen Interpretation zu befreien, besteht in dem Nachweis der Herkunft dieser Zweideutigkeit. Es ist die Eigentümlichkeit eines neuen religiösen Erlebnisses, daß es zu seiner eigenen gedanklichen Klärung auf die begriffliche Gestalt angewiesen ist, die es zu überwinden sich anschickt.9 In der Beschreibung dieses Sachverhaltes ergeben sich jene Verwicklungen, deren sich gegeneinanderkehrende Seiten das Urteil in die Extreme des „Alten" und „Neuen" auseinandertreten lassen. Zur Deutung dieses Gegensatzes bedient sich Otto des traditionellen Schemas von Religion und Theologie.10 Theologie ist dabei verstanden als die begriffliche und lehrmäßige Explikation einer ihr vorgegebenen religiösen Erfahrung; Religion als das lebendige Kontinuum, das zwar selber zur theologischen Entfaltung drängt und jeweils auf theologische Theorien bezogen ist, das aber in der Schwebe von Verstellung und Aufdeckung durch die Theologie sein eigentümliches Element besitzt. Mit dieser Unterscheidung begibt sich Otto in die durch Schleiermacher wirksam gewordene Position der Auslegung theologiegeschichtlicher Zusammenhänge. Im Blick auf Luther besagt diese Differenz nichts weniger, als daß das Fortleben des Supranaturalismus in seiner Theologie das 8 a . a . O . , 14. 20 f. 38. 4 1 . 5 6 . « a. a. O., 16 f., 38. 65 w a. a. O., 9. 11. 42.

14

Grundlagen für den Zusammenhang von Religion und Christentum

Resultat einer Theoriebildung ist, die dem religiösen Tatbestand unangemessen bleibt und insofern von ihm ablösbar ist. Bezeichnet die genuine Beschreibung der religiösen Erfahrung den Gegensatz zur vorgegebenen Lehrtradition, so ist die Identität des religiösen Erlebnisses der Index einer von der Theorie unabhängigen Gemeinsamkeit, die sich im Hinblick auf die gewandelten geistigen Bedingungen neu formulieren kann. Daß die Theologie Luthers dieses ermöglicht hat, spricht für ihre Bedeutung in der Neuzeit. 11 Daß bei Luther die Religionsproblematik in das Schema einer supranaturalen und einer empirisch-psychologischen Begründung eingezeichnet ist12, daß ferner der Ertrag der lutherischen Theologie selber die Scheidung beider und die Ausscheidung des ersten Gliedes eingeleitet hat, rechtfertigt die Beschränkung auf die Bestimmung dessen, was religiöse Erfahrung ist und unter welchen Bedingungen sie zustandekommt. 13 Es ist aufschlußreich zu beobachten, daß die Ausscheidung der supranaturalen Motivation, die sich im Begriff „spiritus sanctus" darstellt, eine eigentümliche Dialektik einschließt. Die sich zunächst äußerlich zueinander verhaltenden Motivationsreihen, die zur Reduktion der einen auf die andere zu tendieren scheinen, ohne daß diese Reduktion vollständig gelänge, verlagern sich in den Religionsbegriff selber. Damit wird der Gegensatz zwischen supranaturaler und empirisdi-psycholo11 12 13

a. a. O., 3. a. a. O., 14. 20. 75 f. Entsprechend der Annahme, daß die Lutherdarstellung Ottos unter dem Gesichtspunkt steht, „wie Religion möglich sei" (a. a. O., 96), wird auf die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit der Ottosdien Lutherinterpretation kein Bezug genommen. Die Rezensionen, die sich auf die Untersuchung Ottos beziehen, verzeichnen in der Regel die Ambivalenz zwischen historischer und dogmatischer Betrachtung, ohne die von ihm intendierte Problemstellung aufzunehmen. „Es hat sich in der Theologie ein neues litterarisches Genre herausgebildet, Lutherstudien, die aber zugleich die dogmatischen Überzeugungen des betreffenden Autors zum Ausdruck bringen sollen. Indem man sich als Sohn der Reformation fühlt, meint man mit des großen Meisters Lehre oder doch mit ihren „innersten Trieben" übereinzustimmen. Es wird aber immerhin zur klareren Kennzeichnung der Sachlage dienlich sein, wenn man solche Gedanken mit der Formel „im Anschluß an Luther . . . und nicht als bei Luther" enthalten . . . darstellt." R. Seeberg, Besprediung von Rudolf Otto, Die Anschauung vom heiligen Geiste bei Luther, ThR 1900, 470 — Der schärfste Einspruch gegen die Ottosche Darstellung erfolgte durch R. Prenter, Spiritus Creator. Studien zu Luthers Theologie, 1954, 7 f., 203 f., 334 f.

Spiritus sanctus und Vernunft

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gisdier Begründung der Religion zu einem Gegensatz innerhalb der psychologischen Begründung selber. Die religiöse Erfahrung konstituiert sich nicht in sich selber, sondern sie ist in unaufhebbarer Weise auf deren Gegenstand bezogen, der sich als ihr Grund erweist. Das äußere Rätsel der Religion ist zum Rätsel der inneren Bedingungen der Religion geworden. Die am Leitfaden des Rationalen unternommene Reduktion der Aussagen Luthers auf die Durchsichtigkeit der psychologischen Motivation wird also begrenzt durch die Wahrnehmung des mit dem religiösen Erlebnis gegebenen unauflöslichen Geheimnisses14, dessen Lösung nur „im Transzendenten zu glauben" ist.15 Zur Beschreibung dieses Sachverhaltes und damit zur Darlegung der Begründungsproblematik der Religion nimmt Otto zwei Kategorien auf, die sich in unterschiedlicher Weise mit dem Thema verknüpft zeigen: die religiöse Anlage und die Ursächlichkeit in der Form von causa prima und secunda. Der Begriff der „religiösen Anlage" hat im Zusammenhang der Ottoschen Analyse der Erwählungsvorstellung 16 die Funktion, den Rückgang auf die Bedingungen einzuleiten, auf die das faktisch vorhandene religiöse Leben immer schon bezogen ist. Innerhalb dieses Verfahrens eines durch die Reflexion bestimmten Rückganges auf die gegebene Religion scheint unausdrücklich vorausgesetzt zu sein, daß der Begriff „religiöse Anlage" samt den anderen Weisen vernünftiger Betätigung zum Organismus der Vernunft selber gehört.17 Es ist auch in keiner Weise darauf Bezug genommen, in welchem Verhältnis etwa die religiöse Funktion zu den anderen Funktionen der Vernunft steht, ob sie sie als höchste repräsentiert, oder ob sie sie jeweils einzeln bestimmt oder ob sie lediglich die Grundlage ist, auf der sich die anderen erheben und von deren Gehalt sie leben. Wichtiger als die Frage der Zuordnung erscheint Otto zweifellos der Umstand, daß in diesem Begriff die Verstehbarkeit der religiösen Phänomene gegeben ist. Daß das Wort der Schrift und das Wort der Predigt den Inhalt des religiösen Lebens vermitteln, gehört zwar zu dessen Bild, ist aber keine 14

a . a . O . , 89 f., 91. a. a. O., 91. " a. a. O., 83 ff. 17 „Ein jedes ,Wort' auf welchem Gebiete immer, ein jeder in Darstellung Vorstellung sich übermittelnde Inhalt will, daß, wenn der Hörer es seinem Wesen und in seiner Tiefe fassen soll, er verbo conformis, ihm genial sei. Sonst bleibt es frigida notio. Das ist genau das gleiche bei religiösen Worte." a. a. O., 86. 15

und nach condem

16

Grundlagen für den Zusammenhang von Religion und Christentum

hinreichende Beschreibung des Uberganges von der alten in die neue Existenz, in der sich der Ursprung des Glaubens enthüllt. 18 Die Annahme, der heilige Geist bewirke als causa prima die Hinwendung des Menschen zu Gott und führe das religiös-sittliche Leben als sein Werk herauf, verhüllt den gesamten zu analysierenden Prozeß in das Rätsel des supranaturalen Faktors. Es ist ein doppeltes Interesse, das Otto mit der Reflexion auf die Bedingungen des religiösen Lebens verbindet, auf der einen Seite erscheint der Inhalt der Religion, nämlich die Erfahrung von der Barmherzigkeit Gottes in Sündenvergebung und Gewissenstrost19, nur ein Moment ihres Begriffes zu sein. Zu ihrer Vollständigkeit gehört aber der Gedanke vom sich entziehenden Gott, die die Verhältnisbestimmung Gott — Mensch überschreitende Vorstellung der Differenz beider. Der Gegenstand des religiösen Aktes erweist sich nicht nur als der Grund desselben sondern auch als dessen Grenze. Auf der anderen Seite aber zeigt sich Gott als der Grund des religiösen Lebens auf eine Empfänglichkeit angewiesen, an der sich die Realisierbarkeit oder Nichtrealisierbarkeit von Religion kundtut. Insofern tritt zum Begriff der Allmacht Gottes in der Erwählung des Menschen das Korrelat der „religiösen Anlage", die zumindest als Möglichkeit gedacht werden muß, wenn die Genesis des religiösen Lebens nach seinen wesentlichen Faktoren begriffen werden soll. Die Verknüpfung dieser beiden sich gegenseitig bedingenden Aussagereihen kann sich für Otto in den Satz zusammenfassen, daß der „homo naturalis eminent religiös ist".20 Damit wiederholt sich angesichts des Zustandekommens von Religion das eigentümliche Verhältnis von Geistund Religionsproblematik. Die Genesis des religiösen Lebens scheint beide Male auf zwei Grenzpunkte zu stoßen, deren Erklärung sich dem zugreifenden Begriff entzieht. Die Verlagerung der mit dem Begriff spiritus sanctus gegebenen Vorstellungen in den Begriff der religiösen Anlage vermindert die Schwierigkeit nicht, sondern sucht sie nur innerhalb der erfahrbaren Tatsächlichkeit des religiösen Erlebens zu erfassen. Unter der Faktizität der religiösen Anlage verbirgt sich die ganze Problematik des Gottesbegriffs, ohne eine vergleichsweise lehrmäßige Formulierung gefunden zu haben, wie es in der Theorie vom spiritus sanctus der Fall ist. Die Begrifflichkeit, die Otto zur Deutung 18 19 20

a. a. O., 70. a. a. O., 87. a. a. O., 88.

Spiritus sanctus und Vernunft

17

des religiösen Lebens bereitstellt, erweist sich insofern als spannungsvoll, als sie auf der Verschränkung von theologischen und anthropologischen Komponenten beruht. Die Klärung ihres Zusammenhangs wird vollzogen im Schema der doppelten Ursächlichkeit und der Weisen ihrer möglichen Zuordnung. Die Auflösung der supranaturalen Theorie vom spiritus sanctus hat ihre freigewordenen und zu bewahrenden Elemente den beiden Grundfaktoren der Religion zugeordnet: auf der einen Seite verschmilzt der Begriff „spiritus sanctus" mit dem der „omnipotentia Dei" 2 1 , wobei er den Charakter der „ewigen göttlichen Energie" 22 annimmt. Infolge dieser Einordnung erstreckt sich das Schema von causa prima und secunda auf das Ganze des Verhältnisses göttlicher Verursachung und natürlichen Weltverlaufes, ein Thema, das in „Naturalistische und religiöse Weltansicht" ausdrücklich aufgenommen wird. Auf der anderen Seite nimmt das religiös-sittliche Leben selber die Attribute von spiritus sanctus in sich auf und stellt sich der Betrachtung, wiederum auf das Schema der beiden causae bezogen, als die Frage nach der Verursachung der Religion selber dar. Diese doppelte Entfaltung des Problems bleibt bei Otto auf das formale Schema der doppelten Verursachung bezogen, wobei der Wechsel der Gegenstände sich innerhalb des Schemas vollzieht. Sie entspricht damit der in der Sache liegenden Nötigung, die Reflexion auf das religiöse Erlebnis sich in einem Weltbegriff vollenden zu lassen sowie die Erörterung des Weltbegriffs im Hinblick auf die Besonderheit des religiösen Erlebnisses zu vollziehen. Das Problem selber ist von Otto folgendermaßen formuliert: „Aber wie wirkt Gott das Geistliche?... Um es in seiner ursächlichen Reihe zu ordnen: die erschienene Gnade Gottes in Christo, von den Aposteln herab durch die Predigt der Kirche, besonders des Predigtamtes, im lebendigen Wort zu den einzelnen gebracht, durch sich selber das Herz ergreifend, schafft in ihnen den Glauben als die freudige Zuversicht zu Gott, die sie zur religiösen und sittlichen Funktion frei macht. G r a t i a d e i : C h r i s t u s : e c c l e s i a (ministerium verbi) : verbum: f i d e s : l i b e r t a s C h r i s t i a n a — diese Begriffe . . . bilden die Kette der Verursachung alles geistlichen Erlebens und Geschehens . . . Sie stellen selber den eigentlichen selbständigen und zureichenden Kausalnexus dar, lassen keinen Einschub zu . . . den Platz völlig ausfüllend 21 22

2

a. a. O., 94 Anm. a. a. O., 95 — vgl. die 1. Promotionsthese R. Ottos, Anhang, 119. Schütte, Rudolf Otto

18

Grundlagen für den Zusammenhang von Religion und Christentum

treten sie an die Stelle von ,spiritus sanctus', ersetzen ihn in der empirischen Betrachtungsweise gänzlich und scheiden ihn nach seiner traditionellen Bedeutung als überpsychologische Ursache der nova vita oder als jenseitigen Koeffizienten diesseitiger Ursachen ab." 23 Soll also das Ineinanderübergehen der Ursachen vermieden werden, soll die gedankliche Lösung auf eine Vermischung der Ursachen etwa in dem Begriff des ,influxus' verzichten, so scheinen drei Zuordnungsmöglichkeiten der beiden causae übrig zu bleiben. Die erste bezeichnet Otto mit dem Terminus „Deismus". Die im Deismus implizierte Vorstellung von dem Verhältnis Gottes zur Welt, von der Bedingung zum Bedingten, scheint sich unschwer an den empirischpsychologischen Nexus anknüpfen zu lassen.24 Abgesehen von der eigentümlichen Erschwerung, die diese Vorstellung für das religiöse Gefühl mit sich führt, das allein in der Wahrnehmung des „praesens numen" 25 seine Befriedigung findet, vermeidet sie den unvollziehbaren Gedanken einer direkten Einwirkung Gottes auf den „Seelengrund" 26 , also die Eliminierung jeglichen Mittels und jeglicher Vermittlung und bewahrt das religiöse Gefühl vor dem Gedanken einer „hyperphysischen Ordnung und wunderbarer Influxe". 27 Bleibt im Rahmen des Begriffs Deismus die Lebendigkeit der „religiösen Empfindungen"28 auch unberührt, behält das Wort als Darstellungsmittel des göttlichen Inhalts seine Relevanz für das Zustandekommen religiöser Betätigungen, so scheint der Übergang zur Weltvorstellung nur schwer vollziehbar zu sein. Sofern sie überhaupt in den beschriebenen Zusammenhang eintritt, erscheint sie lediglich als ein Moment des psychologischen Nexus. In dieser Verknüpfung ergibt sich dann freilich, die komplexe Anschauung eines natürlichen Gesamtzusammenhanges mit dem Geflecht kausaler Vermittlungen, der einem göttlichen Eingriff prinzipiell ver23 24

23 28 27 28

a. a. O., 95. „Nicht mehr wirklich und eigentlich Gottes Walten, das Wehen seines Odems, sein eigenes Verkehren mit der Seele glaubt man vor sich zu haben, sondern empirische Motive, ein Spiel weltlicher Ursachen und Wirkungen, das höchstens am Anfange einmal . . . von Gott in Bewegung gesetzt wurde, durch das aber die göttliche Bewegung uns erst in unendlich ausgedehnter ,geschichtlicher' Vermittlung und mannigfachster Umsetzung erreicht." a. a. O., 96. a. a. O., 96. a. a. O., 97. a. a. O., 97 f. a . a . O . , 100.

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schlossen ist. Der Gottesbegriff sinkt angesichts des Kausalnexus zu einer Erstursache herab, er wird zu einem einmaligen Anstoß einer sich dann selbst vollziehenden Gesetzlichkeit.29 Der Deismus läßt die Härte des Gedankens, sich in dem Dualismus zweier Ursachen zu beruhigen, die das religiöse Leben der Unsicherheit ausliefert, bestehen. Um diesem Mangel in der vom Deismus vollzogenen Verhältnisbestimmung abzuhelfen, bedient sich Otto als zweiten Lösungsversuches des „Panentheismus". 30 Als spekulative Überbietung des Theismus beruht er auf der Annahme, „die empirische Kausalität zu verstehen als die Form und den Vollzug des göttlichen Wirkens selber".31 Als nicht nur „erträgliche, sondern erfolgreiche"32 Konstruktion für eine weiterführende dogmatische Überlegung begreift diese Theorie des Panentheismus die Summe der Ursachen als in und an Gott seiend. Dieser auf der Identität der Ursachen beruhende Lösungsversuch spricht also die Erkenntnis aus, daß Gott weder ohne die Welt noch die Welt ohne Gott zu begreifen ist, daß mithin jede Erwägung dieses Verhältnisses in die von ihm gesetzten Bedingungen einzutreten hat, ohne daß ein Glied als Erklärungsprinzip des anderen zu verstehen ist. Der Schöpfungsgedanke z. B. würde sich in dieser Konzeption als unvollziehbar herausstellen; für die Entstehung des religiösen Lebens aber würde diese Anschauung besagen, daß es nur in der Korrelation von göttlicher Verursachung und religiöser Anlage zu begreifen wäre. Die Dunkelheit, die diesem Lösungsversuch trotz seiner spekulativen Fassung anhaftet, beruht auf der Unmöglichkeit, die Art und Weise des behaupteten Zusammenhanges zwischen den beiden Ursachen bestimmen zu können. 33 Der dritte Lösungsversuch, dem zweiten nach Gewicht und Bedeutung ebenbürtig, erweist sich im Blick auf den Fortgang der Überlegungen Ottos als der bevorzugte. Göttliche Kausalität und natürlicher Kausalnexus sind jeweils zwei Totalansichten eines und des gleichen Ganzen. 34 „Eben das, was sich für sein begriffliches Denken in genauesten empirischen Zusammenhängen entfaltet, kann ihm für sein religiöses Bewußtsein ganz der gleichen Länge nach göttliches Wirken 29 30 31 32 33 34

2*

a.a.O., a. a. O., a. a. O., a.a.O., a. a. O., a. a. O.,

103. 104. 104. 104. 104. 102.

20

Grundlagen für den Zusammenhang von Religion und Christentum

sein, und umgekehrt." 35 Die Vermittlung der Extreme durch den Begriff der Sache selber beschränkt sich hier auf den Wechsel der Betrachtungsweisen, die auf ein unexplizierbares Ganzes hinweisen, aus dem sie entspringen, das sie aber nicht selbst umfassen.36 Der Weg, den Otto mit den drei Lösungsversuchen zurückgelegt hat, ist ein Weg sich überholender Positionen gewesen, der in der Problementwicklung eine Phase theologiegeschichtlicher Arbeit an der Deutung des Verhältnisses Gott — Mensch — Welt in systematischer Abbreviatur wiederholt. Die Charakterisierung der beiden zuletzt genannten Hypothesen als „spekulativer und kriticistischer" 3 ' leitet zu einer selbständigen Entfaltung in den späteren Schriften über. Es ist ein begrenztes Thema gewesen, das den Gegenstand der Überlegungen Ottos bildete: die in dem Begriff „spiritus sanctus" sich verbergende Problematik der Religionsbegründung. Ihre in der Form einer Alternative zwischen supranaturaler und empirisch-psychologischer Motivation entfaltete Eigentümlichkeit ließ die Fassung des Religionsbegriffs selber, auf den sie sich zwar immer bezog, weithin zurücktreten. Insofern ist der Weg von dem Gegebenen auf seine Bedingungen in umgekehrter Richtung noch einmal zurückzulegen, in der Absicht, die in den Religionsbegriff eingegangenen Momente in eigener Betrachtung zu bestimmen. Dabei kann auf die Grundvoraussetzung, die nicht weiter befragt wird, von vornherein hingewiesen werden, daß für Otto Religion und christliche Religion Wechselbegriffe sind. Mit dieser Identifizierung ist freilich lediglich der Gegenstand der Behandlung bestimmt, ohne daß sich in irgendeiner Form negative oder positive Konsequenzen damit verbinden ließen. 35

a. a. O., 102 „Man wird das Vorhandensein und die Notwendigkeit der beiden Betrachtungsweisen konstatieren, innerhalb der einen nichts kennen als Kausation und Motivation, als die geschlossene Kette der ,äußeren Mittel' im natürlichen Bereiche, des Wortes und Glaubens im geistlichen Bereiche, als verbum und fides, innerhalb der andern aber — deren weltliches Angesicht jene erste nur ist — nichts als das Wehen und Weben des göttlichen Geistes, der in den Thatsachen des geistlichen Lebens insonderheit als der ,heilige Geist' offenbar ist, wie er . . . allem Leben und Sein überhaupt zu Grunde liegt und alles in allem erfüllt. Und man wird den Beweis zu führen versuchen von dem Recht und der Möglichkeit der beiden nebeneinander, d. h. schließlich, von ihrer innerlichen Identität." a . a . O . , 106.

30

a. a. O., 102. a. a. O., 103.

37

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21

Es gehört vielleicht nur zu den äußerlichen Besonderheiten der Ottoschen Lutherarbeit, daß unter der Nötigung des leitenden Themas „Spiritus sanctus" die Themenkreise der Christologie und Soteriologie in auffälliger Weise zurücktreten. 38 Diese zunächst bewußt vollzogene Beschränkung erweist sich freilich im Fortgang seiner Überlegungen zum Religionsbegriff als eine sein Denken charakterisierende Eigentümlichkeit. Es stellt sich als überaus schwierig heraus, die ausgeschiedenen Themen in die Problemstellung einer Begründung der Religion zurückzuholen, zumal die Anlage der Arbeit Ottos einer Entfaltung bedürftig ist, die, selber reich und verwickelt genug, dem eigenen Sachzwang zu folgen bereit ist. In jedem Falle aber zeigt sich hier ein Desiderat, das eine Stelle angibt, an der sich die Gedankenbildung fortbewegen muß. Was den Religionsbegriff nun selber betrifft, so ist er in doppelter Hinsicht beschreibbar. Einmal, hinsichtlich seiner materialen Konzeption ergibt sich eine eigentümliche Erweiterung und Vertiefung der Vorstellung von der christlichen Religion, die sich von ihrer Auslegung als Heilsglaube und von ihrer Kombination mit der Sittlichkeit zwar nicht löst, aber sich darin auch nicht vollenden kann. In der Formel „religiös-sittliches Leben" hatte sich insofern schon eine Umbestimmung ergeben, als die Sittlichkeit nicht mehr als eine der Zugangsarten zur Religion begriffen wurde, sondern als eine Folgebestimmung, in der die Religion ihre Macht am Leben erweist. Die Einbeziehung der Religion in die Kategorien der Sittlichkeit wird von der Religion selber, insoweit sie Religion bleibt, in bestimmter Hinsicht gelöst. Diese in die Religion fallende Bewegung einer Überschreitung des in sittlich personalen Begriffen gefaßten Gottesverhältnisses ergibt sich an dem Gewahrwerden der Unzugänglichkeit Gottes und an dem ihm korrespondierenden Bewußtsein der Differenz zwischen Gott uind Mensch38a Dieses Differenzerlebnis, das in dem „heiligen Erschauern vor dem Ewigen" 39 in die religiöse Grundbeziehung eingeht, sucht die lutherischen Aussagen in „De servo arbitrio" nachzuvollziehen und zu bewahren. 40 Otto wendet diesen Gedanken, entsprechend seinem Gesamtverfahren in doppelter Hinsicht an, sowohl Gott selber in Gott zu übersteigen als auch das reli38 38a

39 40

a. a. O , 2. „Denn Gott bleibt ihm Gott und Mensch Mensch, und wie kann sidi der Mensch unterfangen mit Gott zu reden, er der Staub und Asche ist." a. a. O., 87. a. a. O., 86. a . a . O . , 85.

22

Grundlagen für den Zusammenhang von Religion und Christentum

giöse Erlebnis sich in sich vertiefen zu lassen. „Und der Glaube an Gott ist nicht ein einfaches Vertrauen des Menschen zu seinem Helfer, etwa in größter Steigerung, sondern es bleibt Vertrauen des Menschen zu seinem Gotte, der Kreatur zu ihrem Schöpfer. Er ist die formale Bestimmtheit eines durchaus eigenen Grundgefühles, des nur durch sich definierbaren Grundgefühles gegen das Übermenschliche und Ewige." 41 Damit deutet sich ein Religionsbegriff an, der als Zielvorstellung sich aus dem Rekurs auf die Bedingungen der christlichen Religion mit innerer Folgerichtigkeit ergibt und der zu einer Umbildung oder zumindest zu einer neuen Interpretation der christlichen Religion hindrängt. Dann, hinsichtlich der formalen Fassung des Religionsbegriffs ist noch einmal Bezug zu nehmen auf die Unterscheidung von Religion und Theologie. Diese Gegensatzbildung ist als ein kritisches Motiv der verschiedenen Anwendungen fähig, die bei Otto insgesamt anklingen. Was er freilich mit der Aufnahme dieses Schemas bezweckt, ist nicht in erster Linie die Kontrastbezeichnung zwischen Religion und Lehre, Empfindung und Begriff, es ist darüber hinaus die bewußt vollzogene Eingrenzung der Religionsproblematik auf den Begriff der religiösen Subjektivität als den angemessenen Boden der Beschreibung religiöser Phänomene. Demgegenüber impliziert die Theologie nicht nur begrifflich fixierte Lehraufgaben, sondern sie beruht auf der Voraussetzung eines objektiv Gegebenen und führt die erkenntnistheoretischen Komplikationen herbei, die sich beispielsweise in der Theorie des Supranaturalismus manifestiert haben.

2. Religiöses Gefühl und Weltbegriff Die Entfaltung der Religionsproblematik, wie sie in ersten Umrissen in der Lutherarbeit Ottos vollzogen wurde, stützte sich auf zwei die religiöse Erfahrung tragende Grundfaktoren: das der inwendigen Betrachtung vorliegende religiöse Erlebnis und das der äußeren Betrachtung sich ergebende Thema einer von kausaler Gesetzlichkeit bestimmten Welt. Mit beiden Betrachtungsweisen hatte sich die Frage verbunden, wie angesichts des prinzipiellen Verzichts auf eine supranaturale Erklärung des religiösen Lebens sich der Ursprung der Religion aufhellen lasse. Religiöses Gefühl und Weltvorstellung sind nicht selber 41

a.a.O., 85.

Religiöses Gefühl und Weltbegriff

23

dieser Ursprung, sondern sie stellen lediglich das Medium der Erörterung dar, in dem es zu einer möglichen Vergewisserung der Ursprungsthematik kommen kann. Insofern Gott selber den Grund der religiösen Erfahrung setzt, tritt der Begriff der Religion in Beziehung zu dem Begriff Gottes. An Schleiermacher einerseits, an der Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Naturwissenschaft andererseits gelangt Rudolf Otto zu einer Näherbestimmung des religiösen Sachverhaltes. Es ist ein von Otto wiederholt ausgesprochener Gedanke, daß sich der Zugang zu den Texten Schleiermachers, insbesondere aber zu den ,Reden', nur eröffne, wenn man unter Absehen von den Einzeldarlegungen den Rückgang in das religiöse Erlebnis vollziehe.1 Die Vergegenwärtigung des „Stimmungsgehaltes der Reden" 2 ermöglicht erst die Abgrenzung gegen Intellektualismus und Moralismus und läßt den „dritten Kontinent der geistigen Welt" 3 aus den Verdeckungen hervortreten. Otto nimmt mit dieser Erwägung einen Gedanken auf, der schon in der Lutherarbeit bestimmend war, daß nämlich die religiöse Persönlichkeit selber als Träger des religiösen Erlebens zu befragen sei4, und daß ihr mithin die Gesichtspunkte zu entnehmen seien, die die gleichsam empirische Basis zur Gewinnung eines Begriffs von Religion ermöglichen. Dieses bei der Interpretation der Reden Schleiermachers angewandte Verfahren hat freilich über seinen sachlichen Ertrag hinaus ein unmittelbar literargeschichtliches Resultat. Otto ist der Uberzeugung, daß das den Reden zugrunde liegende religiöse Erlebnis sich am unverstelltesten in ihrer ersten Fassung zeige, die mithin allen späteren Auflagen vorzuziehen sei. Die von Wilhelm Dilthey und Rudolf Haym eingeleitete Besinnung auf die Erstgestalt der Reden, die unter dem Gesichtspunkt einer genetischen Darstellung der Gedanken Schleiermachers sich aus methodischen Gründen als erforderlich erwies, gewinnt für Otto prinzipielle Bedeutung. Insofern leitet seine Edition die allgemeine Rezeption der Reden in ihrer ersten Auflage ein, die sich bis zur Gegen1

Reden 171; Besprechung von E. Huber, Die Entwicklung des Religionsbegriffs bei Schleiermacher, ThLZ 1902, 548. 522.

2

a. a. O., 548.

3

Reden IX.

4

„Das Innerste der Sache ist dodi Darstellung eines Eigentümlichen, aus persönlicher Eigenart und spezieller Lebenserfahrung zu Erklärenden und Abzuleitenden." Reden 171.

24

Grundlagen für den Zusammenhang von Religion und Christentum

wart behauptet hat. 5 Zur Begründung dieser Sonderstellung treten Erwägungen zusammen, die ebenso ihre Hochschätzung wie ihre Kritik möglich machen. „Originale Entdeckung", „Ursprünglichkeit und Frische", „impulsiver Erguß" und „Rhapsodie" 6 , das sind jeweils die Bezeichnungen, die das Entstehen der Reden aus der lebendigen unmittelbaren Subjektivität charakterisieren. Das Problem des Überganges von der ersten zur zweiten Auflage und der damit einhergehende Wandel der Aussagen Schleiermachers tritt spürbar zurück und büßt seine Bedeutung auch dadurch ein, daß Otto lediglich das übliche und von ihm mit Recht für bedenklich gehaltene Schema einer „Christianisierung" des Pantheismus 7 als Möglichkeit erörtert; die späteren Auflagen sind trotz „wesentlicher Gleichheit" 8 freilich „stark redigiert und verändert"®, und das bedeutet, der Wandel erstreckt sich auf die Art und Weise der sprachlichen und begrifflichen Artikulierung des ursprünglichen religiösen Erlebnisses.10 In jedem Falle ist die Wirkungsgeschichte der Reden an ihre Erstgestalt gebunden und die Neuherausgabe dadurch gerechtfertigt, daß sie die Verdeckungen durch die späteren Ausgaben abtragen hilft. Angesichts dieser Intention Ottos läßt sich unschwer erkennen, welches Interesse er mit der Rezeption der Urgestalt der Reden verbindet und in welcher Hinsicht er sie für die Gewinnung des Religionsbegriffs fruchtbar zu machen gedenkt. Indem er seine Schleiermacherdarstellung vornehmlich am Gefühlsbegriff orientiert, sucht er ihn als die die Reden umgreifende Klammer zu erweisen.11 Damit ist freilich die materiale Aneignung der Aussagen Schleiermachers unter Voraussetzungen gestellt, die, so naheliegend sie erscheinen möchten, in ihrem Recht zu bezweifeln sind; nicht nur die .Glaubenslehre' und das späte Werk Schleiermachers 5

Vgl. K. E. Welker, Die grundsätzliche Beurteilung der Religionsgeschichte durch Sdileiermadier, 1965, 4. 6 Besprechung von E. Huber, Die Entwicklung des Religionsbegriffs bei Sdileiermadier, a. a. O., 548; vgl. Reden X. ' Reden X. 8 Besprechung von E. Huber, Die Entwicklung des Religionsbegriffs bei Sdileiermadier, a. a. O., 550. » Reden Χ. 10 „Hier quellen die Gedanken in Ursprünglidikeit und Frische, nicht so systematisch gestielt und gefeilt wie später, aber dafür runder und lebendiger." Reden X . 11 Reden VIII.

Religiöses Gefühl und Weltbegriff

25

überhaupt, sondern die Reden selber machen die Schwierigkeit sichtbar, die der Interpretation entstehen, wenn als Auslegungsprinzip der Begriff des Gefühls leitend ist. Die dritte und vierte Rede zusammen mit der Einleitung bedeuten angesichts des „eigentlichen Körpers" 12 , der von der zweiten und fünften Rede gebildet wird, lediglich Begleitmomente. Der GefühlsbegrifF freilich, auf den Otto den Gehalt der Reden bezieht, nimmt an der Zweideutigkeit teil, die schon der Ausdruck „religiöses Erlebnis" kennzeichnet. Zwei Motive vor allem sind von ihm ohne nähere Differenzierung umfaßt. Einmal soll er den Ort angeben, an dem sich das religiöse Erleben in seiner Genesis kenntlich macht, wo unter dem Eindruck von Erfahrungen sich „Gefühle" 13 bilden und mit dem diese Gefühle Habenden eine neue Phase einleiten. Es mag unentschieden bleiben, ob der von Schleiermacher gebrauchte Begriff des Gefühls einen emotionalen Zustand bedeutet. Zum anderen aber ist mit Gefühl eine Kategorie bezeichnet, die, sei es konkurrierend, sei es begründend zu den anderen Kategorien im Aufbau der menschlichen Erkenntnis ins Verhältnis tritt und die eine eigentümliche Erkenntnisart meint. Innerhalb dieser Ambivalenz des Gefühlsbegriffes entfaltet sich die Problemstellung in Ottos Darlegung, wobei sich Schleiermacher gegenüber eigentümliche Modifizierungen des Begriffs ergeben. Sowohl um den Terminus in seiner Eigenart hervorzuheben als auch seine Bedeutung bei Schleiermacher nachzuzeichnen, rücken die Gegenbegriffe ,Metaphsyik und Moral' in eine die schleiermachersche Differenzierung leicht umdeutende Stellung. Der Intellektualismus in seiner die Religion entleerenden Gestalt erscheint als das Endprodukt einer gefühlsfremden Generation. 14 Die Identifizierung der aus dem Geschichtsprozeß abstrahierten Momente von Metaphysik und Moral mit den Repräsentanten dieses Prozesses Kant und Fichte und ihre Zuordnung zu Aufklärung und natürlicher Religion sowie die Charakterisierung Schleiermachers als des Trägers von „Enthusiasmus und überschwenglichen Gefühlen" 15 lassen seine Einbeziehung in den philosophiegeschichtlichen Zusammenhang als überaus schwierig erscheinen. Schleiermacher rückt zusammen mit J. G. Schlosser16 in die gegenkantische Bewegung und ist darüber 12 13 14 15 le

Reden XII. Reden VIII. Reden VIII. Reden VIII. Ein Vorspiel zu Schleiermachers Reden. Ober die Religion bei J. G. Schlosser. ThStKr 1903, 470 ff.

26

Grundlagen für den Zusammenhang von Religion und Christentum

hinaus einer der Initiatoren der romantischen Schule, mit deren Auftreten die Wiedergewinnung des Religionsbegriffs verbunden ist.17 Die Auszeichnung des Gefühlsbegriffs aus systematischem Interesse hat damit ihren unmittelbaren Niederschlag in der Beschreibung der geschichtlichen Situation zum Ausgang des 18. Jahrhunderts gefunden. Eingreifender als dieser Versuch, Schleiermacher seinen geistesgeschichtlichen Ort anzuweisen, ist freilich die Rezeption der Reden selber, und erst in diesem Zusammenhang zeigt der Gefühlsbegriff seine bei Otto dominierende Rolle. Das Thema der Reden formuliert Otto im Anschluß an das Arbeitsprogramm Kants mit der Frage „Was erleben wir im Gemüte?" 18 Die Religion in ihrem Eindruck auf das Gemüt stellt sich als Einheit der „übersch wenglichen Gefühle" dar. Um diesen Gedanken in überzeugender Form an den Reden durchführen zu können, ergibt sich zunächst die Hereinnahme des Begriffs der .Anschauung' in den des Gefühls 19 und im Zusammenhang damit die Überführung der reflexiven Momente in das dem Begriff nicht erreichbare Unmittelbare. Der Gefühlsbegriff, den Otto den Reden Schleiermadhers entnimmt, hat über seine für die Religion konstitutive Bedeutung hinaus eine unverkennbar apologetische Funktion. An ihm legitimiert sich nicht allein die „Eigenständigkeit der Religion" 20 , sondern er enthält entgegen der „bisherigen intellektualistischen und moralistischen Tendenz in Religionssachen"21 eine den Menschen von seinem Inhalt überführende Evidenz. „Er will der Religion im Kosmos des Geisteslebens ihren Platz zurückerobern, der ihr zu entschwinden drohte. Er will sie herausführen aus dem Winkel, dahinein man sie verstieß, will den Beweis erbringen, daß sie nicht eine Sache nur derer ist, die ,ungebildet* und zurückgeblieben, in ihr ein notdürftiges Surrogat für Höheres haben, das ihnen unzulänglich blieb, sondern daß sie hineingehört in ein wirklich gebildetes, 17 18 19

20 21

Wie Schleiermacher die Religion wiederentdeckte, ChrW 1903, 506 ff. RedenIX. „Gelegentlich der ,Gefühle' wäre wohl darauf hinzuweisen gewesen, daß genau besehen die Unterscheidung von ,Anschauung und Gefühl' eine nur relative ist. Anschauungen im Sinne Sdileiermadiers sind nidit Erkenntnisse oder theoretische Eindrücke, sondern Gemüthserlebnisse, selber vielmehr den Charakter von Gefühl als sonst einen tragend." Besprechung von E. Huber, Die Entwicklung des Religionsbegrifïs bei Sdileiermadier, a. a. O., 548, vgl. ThStKr 1903, 478 f. RedenIX. RedenIX.

Religiöses Gefühl und Weltbegriff

27

ein echtes und rundes Menschentum, daß ohne sie der geistige Mensch ein Krüppel und das Geistesleben der Menschheit seines besten Inhaltes baar bleibt". 22 Man würde diese durch apologetische Motive bestimmte Argumentation verkennen, wollte man lediglich ihre gegenrationale und gegenmoralische Wendung für den Zielpunkt halten. Otto nimmt mit ihr das in Schleiermacher sich gegen die Aufklärung kehrende Bewußtsein auf, im Gefühl eine Instanz zu besitzen, die es dem Menschen ermöglicht, sich dem Göttlichen zukehren zu können. Ihm verbürgt es aber neben dem Thema der Religion ebenso die Wahrnehmung sittlicher Verpflichtung. Denn „ohne Pflege des sittlichen Bewußtseins, ohne treuprotestantisches Wissen um die Schwere der Verfehlung, um das Bedürfnis der Schuldaufhebung kein Christentum! Und ohne sie schließlich alle Religion doch nur ein Gemütsrausch." 23 Die Entdeckung des Gefühlsbegriffs verbindet sich mit dem Nachweis, daß er ein die geistigen Kräfte des Menschen zusammenfassendes Organ bedeutet, das aller erst nachgängigen Besinnung vorgegeben ist. Von dieser Voraussetzung her empfängt die Argumentation Ottos ihr eigentümliches Gefälle. Die Verwurzelung der Religion im Gefühlsbegriff schließt die Überzeugung ein, daß die „stolze Humanität und Selbstherrlichkeit des autonomen Menschwesens gedankenlose Überhebung und zugleich Verfehlung der wirklich höchsten Würde des Menschen sei, wenn sie nicht stehe auf dem Grunde des Bewußtseins, befaßt und getragen zu sein von ewigen Zusammenhängen, zu ruhen auf göttlicher Setzung.. ."24 Aus dieser Verschränkung von Religion und „höchster Würde des Menschen" ergibt sich die Möglichkeit, das Christentum als ein Religionsindividuum der im Gefühl gegebenen Religion einzuordnen. „Von den positiven Religionen aber ist das Christentum die edelste und tiefste. Sie ist die Anschauung des ewigen Waltens als fortgehender Erlösung der erlösungsbedürftigen Welt." 25 Diese Rechtfertigung von Religion und Christentum auf der Basis eines sich darstellenden und entwickelnden Gefühls 26 verbindet sich in den Überlegungen Ottos mit der Tendenz auf einen „höheren Realismus". 27 Die Vorstellung eines „höheren Realismus" erweist sich als das eigentliche die Apologetik Ottos leitende Interesse; 22

Reden VI, vgl. 172 f.

23

Reden 178. Reden 174.

24 25

Reden 177. « Reden 177. 27 Reden 31 Anm. 2

28

Grundlagen für den Zusammenhang von Religion und Christentum

sie ermöglicht die Aneignung der Überlieferung christlicher Gefühlsinhalte, ohne auf eine bestimmte Lehrtradition oder auf eine bestimmte begriffliche Fassung Bezug nehmen zu müssen. Die Aufnahme des schleiermacherschen Gefühlsbegriifs durch Otto steht freilich unter einer die schleiermachersche Intention nur begrenzt aufnehmenden Auslegung. Das, was Schleiermacher in der zweiten Rede als das „innerste Geheimnis" 28 der Religion zu beschreiben versucht, versteht Otto als „Zwischenstück".29 Der von Schleiermacher vollzogene Rückgang über Gefühl und Anschauung in „jenen ersten geheimnisvollen Augenblick"30, sucht sich des Inneseins des Universums zu vergewissern, noch ehe es in die beiden Gestalten auseinandertritt und sich in eine Fülle von Bildern zerlegt. Die Reflexion gliedert sich als reine Form der Durchsichtigkeit des Sichinnewerdens ein, ohne das unmittelbare Erleben zu modifizieren. Was sie gleichwohl sieht, ist der Vorgang, daß in der Berührung des Menschen durch das göttliche Geheimnis der Geist erwacht. Aber dieses Sehen bleibt von der Unmittelbarkeit selber eingehüllt. Was Schleiermacher mit diesem ,Moment', den schon die Dauer modifiziert, bezeichnet, ist der geistige Akt, der zum Ursprungsort eines reichen persönlichen Lebens in der Welt wird. Indem er den Grund des religiösen Lebens aufdeckt, begreift er ihn nicht als die Zerstörung von Vernunft und Sein, sondern als deren Ermöglichung; dieser ,Augenblick' ist nicht das Versinken31, sondern die Geburtsstunde der Person. Die Einordnung dieses Abschnittes als ,Zwischenstück' macht die Tendenz kenntlich, die am gefühlten Inhalt des Gottesbildes gegebenen Momente festzuhalten. Daß sich die menschlich-geistigen Akte in der spannungsbezogenen Einheit von Unmittelbarkeit und Reflexion vollziehen, ist eine Schleiermacher zusammen mit der Philosophie des Idealismus vertraute Ansicht. Ohne auf die erkenntnistheoretischen Implikationen Rücksicht zu nehmen, orientiert sich Otto vornehmlich an der Anwendung dieses Schemas auf den Begriff der Religion. Die Beschreibung des einen der Grundbeziehung zu entnehmenden Poles, des Begriffes der Unmittelbarkeit, läßt sich in hinreichender, den Phänomenbestand erhaltender Form nur geben, wenn man ihn als das Ganze eines in sidi reichen und mannigfach bestimmbaren Zusammen28 29 30 31

Reden Reden Reden Reden

41 ff. 41. 41. 43 Anm.

Religiöses Gefühl und Weltbegriff

29

hanges auffaßt. Es ist das Charakteristische an dem Begriff der Unmittelbarkeit, daß er, was seine Inhalte betrifft, von der hinzutretenden Scheidung als einer sekundären Erfassungsform nicht berührt wird. Insofern steht die Vergegenwärtigung dieses Ganzen unter Bedingungen, denen das abstandnehmende Verfahren einer eigenst durchgebildeten Reflexion fehlt, und das geradezu als die Art und Weise des Inneseins eines die Einzelmomente umschließenden Erlebens bestimmt werden kann. Das Gefühl ist der Ausdrucksträger dieses Sachverhalts. Bezieht sich die Reflexion auf dieses im Umschluß der Glieder der unmittelbaren Wahrnehmung gegenwärtige Ganze, so gewinnt sie eine erste unverlierbare Umgrenzung, die darin besteht, daß sie auf dieses Ganze als eine Vorgegebenheit angewiesen ist. Von einer produktiven Bedeutung und Leistung des abstandnehmenden Hinsehens kann mithin keine Rede sein. Otto ist sich dieser Eigentümlichkeit des reflexiven Vermögens stets bewußt gewesen; diese Einsicht hat seinem Bemühen um rationale Erhellung der religiösen Phänomene eine Grenze gezogen, die ihm den Rückgriff auf die Begriffe ,Gefühl' und Unmittelbarkeit' erlaubte, ohne daß er in den Widerspruch mit der Leitvorstellung des rational Auffaßbaren geraten wäre. Es ist freilich der Reflexion eigentümlich, in einer fortschreitenden Aufhebung des einmal Vorgegebenen sich auflösend auf den Inhalt zu beziehen. In dem Vorgang der unendlichen Reflexion verzichtet sie allerdings darauf, ihre klärende Funktion am Gegebenen auszuüben. Aber selbst in der festgehaltenen Beziehung zur Unmittelbarkeit lassen sich zwei mögliche reflexive Einstellungen unterscheiden. Die Reflexion kann einmal fremde Momente in den Bestand der ihr vorgegebenen Unmittelbarkeit eintragen, was zur Folge hat, daß sie den Sachverhalt umdeutet und dasjenige, was sich ihr unter der Bezeichnung des Gefühls darstellt, sich zum Gegensatz macht. Oder aber, und darin könnte die Vollendung ihres Vollzuges erblickt werden, sie wird sich als das Licht begreifen, das sich der Sache hingibt und mit dem erhellten Bestand zusammenfällt. Wenn sich die Reflexion dergestalt auf der Höhe ihrer Leistung selber aufhebt und mit dem Gegenstand ihrer Betrachtung identisch wird, wird sie den Zwiespalt, der sie ermöglichte, zwar als Moment in sich behalten, aber so, daß das Ganze von Unmittelbarkeit und Reflexion zu der Gestalt gehört, in der sich das vernünftige Dasein durchsichtig wird. Überträgt man dieses Schema auf den Begriff der Religion, wiederholt sich die ihm innewohnende Problematik. Die Art und Weise reli-

30

Grundlagen für den Zusammenhang von Religion und Christentum

giösen Inneseins hat sich häufig des Gefühlsbegriffs bedient als des der begrifflichen Explikation entzogenen Vorgangs einer Berührung von Endlichem und Unendlichem. Das Gefühl hat im Aufbau der geistigen Kräfte die Funktion, Träger des Gottesbewußtseins zu sein. Es konnte dabei in polemischer Weise gegen Verstand und Willen gekehrt werden, die im Vergleich mit ihm des Inneseins Gottes entbehrten, es konnte aber auch zur Grundlage der in sich unvollendeten und unvollendbaren geistigen Tätigkeit gemacht werden. In dem einen Fall wären Verstand und Wille Formen der Verstellung in der Ausarbeitung des Gottesbegriffs; im anderen Falle wären sie Exponenten des im Gefühl Gegebenen und auf seine Weisungen Bezogenen. Wie sie sich aber audi jeweils auf den Gottesbegriff hinordnen lassen, sie bringen zu dem unmittelbar Gegebenen, im Gefühl sich Erschließenden etwas hinzu, das sich in Begriff und Lehre, Praxis und Postulat ausdrückt. Die Herkunft dieser Momente stellt eine sekundäre Deutung des Gefühls dar, die Gehalte aus der ihr wesentlichen Beziehung auf das Endliche in das Gottesverhältnis einträgt. 32 Wenn dieser Vorgang zum Gegenstand der Reflexion wird, bietet er die Veranlassung, die sich um die Gefühlsbestimmtheit sammelnden fremden Setzungen zu durchschauen und ihre den Gottesbegriff erweiternden Erläuterungen auszuscheiden. Nun bleibt das im Gefühl sich aufdrängende Gegenwärtige selber nicht sprachlos, sondern stellt sich in Bild, Rede und Handlung dar. Es läßt sich der Reflexion untergeben, wenn überhaupt das Bedürfnis eines rechenschaftablegenden Interesses erwacht; es tritt aber damit zugleich in Bezüge, die eine eigene Rechtfertigung des im Gefühl gegebenen Inhaltes verlangen. Die Beschreibung des religiösen Gefühls, die sich lediglich als Selbstvergewisserung der frommen Subjektivität vollziehen konnte, behält für die theologische wie für die philosophische Erkenntnis etwas notwendig Unabgeschlossenes. Nicht allein der Umstand, daß der Grund der Gewißheit, der dem Gefühl zwar gegenwärtig und mitgegeben ist, sein „Unerklärbares, Jenseitiges"33 hat, daß „uns dies Inkommensurable allerorten umfängt" 34 , bezeugt den Charakter dieser unvollendeten Erkenntnis, sondern das religiöse Gefühl ist auch in der Hinsicht nicht erschöpfend dargestellt worden, weil ihm selber ein Bezug zur Welt innewohnt, der sich in einem Bilde von der Welt ausdrückt. „Keine 32 33 34

Reden 175. Reden 181. Reden 181.

Religiöses Gefühl und Weltbegriff

31

wirklich vorhandene Frömmigkeit ist so sehr ,Gefühl', oder ,ganz Innerlichkeit' oder Stimmung, daß sie nicht doch irgend welche Ansprüche an Wesen und Wert der Welt machen müßte und bei genauerer Innenschau irgendein festeres oder loseres Gerüst von Überzeugungen, theoretischen Annahmen und Voraussetzungen über Mensch und Welt und Dasein in sich fände, irgendeine einfachste Form von W e l t a n s i c h t also, die sich zu vergleichen hätte mit den Ansichten der Dinge, wie sie uns allgemeines Welterkennen in Natur- und Geschichtswissenschaft... vorträgt." 35 Insoweit sich Denken und Erkennen sowohl als Exponenten der Frömmigkeit und einer religiösen Weltansicht als auch als Repräsentanten einer sich auf das empirisch Wißbare besdiränkenden Naturwissenschaft und ihrer Weltansicht verstehen lassen, entsteht die Aufgabe, „das Verhältnis, nämlich den Widerstreit beider zueinander festzustellen" 36 und „Recht und Freiheit frommer Weltansicht gegenüber allgemeinem Welterkennen zu erweisen".37 Im Naturalismus, den Otto als die theoretische Voraussetzung des Darwinismus versteht38, ist dem Christentum eine Weltauffassung erwachsen, die mit dem Anspruch auf wissenschaftliche Evidenz den Nachweis von der Illegitimität der religiösen Weltansicht zu erbringen versucht. Es gehört also zum Selbsterweis des religiösen Gefühls, wenn eine „Apologetik" 39 die „schon erweckte"40 Frömmigkeit auf den Bereich des Wissens und des Wißbaren bezieht und die Natur als „auf Göttliches weisend und über sich selber hinausweisend" 41 zum Gegenstand einer eigenen Überlegung macht. Sie nimmt damit eine Aufgabe wahr, in die sie sich mit den Geisteswissenschaften teilt, und das bedeutet, die Rechtfertigung der Eigenständigkeit der Religion schließt die Rechtfertigung von der Eigenständigkeit des Geistes ein.42 Das Gemeinsame der religiösen und der wahrhaft philosophischen Weltansicht, wie Otto 33

N R W 2. N R W 1. 3 ' N R W 5. 38 N R W 13 ff., 17 ff. 39 N R W 7, vgl. G. Altner, Schöpfungsglaube und Entwicklungsgedanke in der protestantischen Theologie zwischen E. Haeckel und Teilhard de Chardin, Zürich 1965, 24 ff. 40 N R W 7. 41 N R W 281. 42 N R W 216 ff.; — „Alles Interesse der Frömmigkeit geht hier Hand in Hand mit dem der Geisteswissenschaft selber, sofern sie sich als eigene und eigen38

32

Grundlagen für den Zusammenhang von Religion und Christentum

es versteht, könnte man also so beschreiben, daß beide ein Bewußtsein für das die Erfahrungserkenntnis begrenzende „Mysterium" haben. 43 Sowohl die religiöse als auch die philosophische Selbstbesinnung des Menschen sind getragen von der Einsicht, die Kant durch die Darstellung der kosmologischen Antinomien bezeichnet hat. Otto berührt sich hier mit der Philosophie Kants und des ihr verwandten zeitgenössischen Denkens, daß er wie sie die in der Idee der Welt gesetzte Einheit aller Erfahrungserkenntnis für eine letztlich unvollziehbare Denkaufgabe hält. Der Grund, der in der Darlegung Ottos der entscheidende ist, ist, daß sowohl die religiöse als auch die philosophische Selbstbesinnung von dem Gedanken bestimmt sind, daß es unmöglich ist, den Menschen in einen der Erkenntnis durchdringlichen und erfahrbaren Weltzusammenhang restlos einzuordnen. 44 Eine Besinnung über den Glauben wie ein denkendes Verstehen der Wahrheit scheint nur möglich, wenn die beide Akte vollziehende Vernunft sich des Abstandes zur Welt bewußt ist. Die Beziehung des Gemüts auf Gott und des denkenden Geistes auf die Wahrheit haben dieses gemeinsam, daß sie angesichts der geschlossenen Erfahrungserkenntnis als störende Elemente wirken und den Abschluß in eine reine selbstvergessene Objektivität der Welterkenntnis verhindern. Ausdruck für diese Tatsache ist die Unentrinnlichkeit einer teleologischen Betrachtung der Wirklichkeit; 45 Religion wie Philosophie können nicht davon ablassen, das Geschehen der Welt als zielgerichteten Prozeß und den Menschen als höchsten Zweck in diesem Prozeß zu verstehen. „Denn der Mensch ist gegeben auch nicht als Fertiger weder in der Gattung noch als einzelner, sondern der Anlage nach, mit der Bestimmung, im geschichtlichen Werden das zu verwirklichen, was in ihm angelegt ist." 4 6 In diesem Bild eines in der Entwicklung der Natur zu tümlidie behaupten wollen. Denn es hängt ganz und gar an Wirklichkeit, Vorrang, Selbständigkeit des Geistes gegenüber dem .Natürlichen'." N R W 26, vgl. Darwinismus und Religion, 1909, 19; J . Hübner, Theologie und biologische Entwicklungslehre. Ein Beitrag zum Gespräch zwischen Theologie und Naturwissenschaft, München 1966, 89 f. 43

„Beim Bekennen des Mysteriums aber in Ruhe stehen zu bleiben, erlaubt uns die Besinnung auf die Natur und die Antinomie unsres Erkennens." N R W 290.

44 45

N R W 2 6 2 f., 244 fi., 220 ff. „Ist die Welt von Gott und Gottes, so ist sie selber und das was in ihr ist um Zwecke willen da und auf Ziele hin angelegt. So ist sie durchwaltet von ewigen Ideen und untersteht göttlicher Providenz und Leitung." N R W 59, vgl. 61 ff.

40

N R W 284.

Theologie und Philosophie

33

sich selber kommenden Menschen fallen Apologetik und Philosophie zusammen und ermöglichen der Frömmigkeit die Teilhabe an einer Wahrheit, „die für den Alltag eigentlich garnicht wahr sondern ganz eine Sache erhobenen Gemütszustandes" 47 ist. Weil die Wirklichkeit der religiösen Weltansicht mit „bedeutsamen Zeichen und Momenten entgegenkommt" 48 , erfährt sie in den Rätseln der Natur das Rätsel ihrer eigenen Anfechtung. 49 Die religiöse Weltansicht vermag sich mit der naturalistischen in der Form abzugleichen, daß sie dieser das Bewußtsein von den Grenzen menschlicher Erkenntnis vermittelt und ihr den Begriff des Mysteriums gibt. Damit meint sie den Begriff eines nur in Andeutungen erfaßbaren letzten Geheimnisses der Welt gerechtfertigt zu haben. „Diese Welt als anfangende weder denken noch nicht denken können, das ist das erkenntnismäßige Analogon dessen, was Frömmigkeit im Mysterium erlebt, und diese Welt als die zufällige und bedingte gründen lassen im ewigen notwendigen wahren Sein, wobei uns alle Vorstellungen von einer zeitlichen oder anderen Form des Gegründetseins verschwinden, das ist das Analogon zu dem, was Frömmigkeit im andächtigen Gefühle unmittelbar und viel deutlicher, als alle Begriffe es vermitteln können, besitzt und weiß von dem Verhältnisse Gottes zur Welt." 5 0 Niemals ist Rudolf Otto, so wie es einer oberflächlichen Betrachtung vielleicht erscheint, ein im rationalen Denken befriedigt aufgehender Theologe gewesen. Es ist kein Zufall, daß schon seiner frühen Schrift über „Naturalistische und religiöse Weltansicht" der Begriff des Mysteriums unentbehrlich ist.

3.

Theologie und

Philosophie

Die Analyse des Religionsbegriffs, die von Otto mit der Absicht unternommen wurde, die Theologie aus den Aporien ihrer Theorien über religiöse Erfahrung und deren Begründung hinauszuführen, empfängt ihre methodische Begrenzung durch Bezugnahme auf die „Selbst47

N R W 9 — „Frömmigkeit und fromme Weltansicht ist in Wirklichkeit nichts, wenn sie nidit ,merus enthusiasmus' ist, nämlidi die Kunst einer dauernden inneren Erhobenheit." N R W 10.

48

N R W 11.



N R W 12.

50

N R W 290 f.

3

Schütte, Rudolf O t t o

34

Grundlagen für den Zusammenhang von Religion und Christentum

beobachtung des religiösen Bewußtseins". 1 Das in dem religiösen Erlebnis gegebene Material, das „in der künstlichen Nachweisung der Organisation der Vernunft, der Schematisierungen, Restriktionen und Aufhebungen . . . mit vieler Mühe und Subtilität sich darstellt, das gibt sich im wirklichen Leben des Geistes, in der unmittelbaren Einheit seiner Funktionen, ungesucht und ungemacht, und mit unmittelbarer Sicherheit." 2 Die zunehmende Reflexion auf die Bedingungen des Religionsbegriffs, die Einbeziehung erkenntnistheoretischer Erörterungen sind von dem Bewußtsein geleitet, die bislang gebrauchten Begriffe der religiösen Subjektivität, des Gefühls und der religiösen Weltansicht einer Gesamtkonzeption einzufügen, die Sinn und Tragweite dieser Begriffe rechtfertigt. Die Theologie in ihrer traditionellen Gestalt „war eine angeblich aus Vernunft und Offenbarung geschöpfte Metaphysik über Gott, Mensch und Welt und ihre Beziehungen. Die Religion selber würde am liebsten eine Erzählung der Taten Gottes wünschen. Die moderne Theologie sucht als erreichbare Aufgabe geringeres als dieses und anderes als jenes."3 Sie vermag sich ihres Gegenstandsbereiches erst zu vergewissern, wenn sie zuvor in einer religionsphilosophischen Grundlegung die Methoden und Kategorien erarbeitet, die die Erfassung und Darstellung des ihr eigentümlichen Themas erlauben. Die Religionsphilosophie „hat zu untersuchen, wie Religion und religiöse Überzeugung und religiöses Erleben im vernünftigen Geiste selber entspringt, aus welchen Vermögen und Anlagen desselben sie hervorgeht und welchen Anspruch auf Gültigkeit sie dadurch hat." 4 Es ist das Programm eines philosophischen und theologischen Systems5, das sich in Umrissen anzudeuten beginnt und das seine Legitimation aus der Rezeption der Philosophie Jakob Friedrich Fries' gewinnt. Die Aufnahme der friesschen Philosophie durch Rudolf Otto, die W. Bousset als den „Ausweg aus den vielfachen Wirrnissen der Gesamtlage unserer gegenwärtigen Theologie" 8 bezeichnete, stellt sich freilich als philosophiegeschichtlich mehrdeutiger, wenigstens sehr verwickelter 1

KFRV. KFR79. » KFR 192. 4 KFR VI. 5 KFR V—IX. 192 ff. • Kantisdi-Fries'sdie Religionsphilosophie und ihre Anwendung auf die Theologie, ThR 1909, 419. 2

Theologie und Philosophie

35

V o r g a n g d a r . Sie ist v e r m i t t e l t durch die A r b e i t L . N e l s o n s 7 u n d der v o n i h m neu eingerichteten Zeitschrift 8 , die sich die

Wiedergewinnung

der G e d a n k e n Fries' z u r A u f g a b e gemacht haben. D e r e n

Interpretation

h a t O t t o als z w i n g e n d e n D e n k a n s t o ß e m p f u n d e n . 9 E r greift indes u n d diese M o d i f i k a t i o n der D e u t u n g

der friesschen P h i l o s o p h i e

N e l s o n ist f ü r ihn u n d sein religionsphilosophisches charakteristisch — F r i e s ' zurück, der

Interesse

a u f die A r b e i t e n der alten Schule J a k o b

ediert

ihre T e x t e 1 0

theologiegeschichtlich

und orientiert

wirksam

gewordenen



durch

überaus Friedrich

sich v o r n e h m l i c h

an

Friesauslegung

bei

W . L . M . de W e t t e . " W a s sich a n diesem V o r g a n g als b e d e u t s a m weist, ist die Ü b e r n a h m e der Selbstdeutung der friesschen

er-

Philosophie

und seiner Schule, der A n s p r u c h nämlich, in der Geschichte der neueren Philosophie die r e c h t m ä ß i g e I n t e r p r e t a t i o n u n d F o r t s e t z u n g tischen P h i l o s o p h i e z u sein. 1 2 Gegenüber der spekulativen

der

kan-

Philosophie

des Idealismus h a t „ F r i e s a m sichersten die allein gültige kritische M e -

'

Ober das sogenannte Erkenntnisproblem, Göttingen 1930 2 ; vgl. H . Blankertz, Neufriesianismus, R G G 3 4, 1411.

8

Abhandlungen der Fries'sdien Schule, N F , die an die Abhandlungen der ersten Folge (1848) anknüpfen.

9

„Dies außerordentlich sorgfältig gearbeitete und ebenso klar

geschriebene

Werk . . . scheint berufen, in unserer heutigen ,Erkenntnistheorie' einen bedeutsamen Eindruck, vielleicht eine Epoche zu machen." Besprechung von L. N e l son, ü b e r das sogenannte Erkenntnisproblem, C h r W 1909, 4 7 5 ; vgl. Anhang, 126 f.; Besprechung der von Nelson besorgten Edition der Fries'sdien Schrift .Wissen, Glaube, Ahndung', C h r W 1908, 819 ff. 10

E. F . Apelt, Metaphysik, Halle 1910; H . Schmid, Vorlesungen über das W e sen der Philosophie, Halle 1 9 1 1 ; — A. Paus, Religiöser Erkenntnisgrund. H e r kunft und Wesen der Aprioritheorie Rudolf Ottos, 1966, 19—75 ist diesen Zusammenhängen, geleitet von der Frage nach dem religiösen Apriori, mit G e winn nachgegangen. Vgl. G. Weiß, Die neufriesische Schule in der Theologie Rudolf Ottos und Wilhelm Boussets, C h r W 1911, 729 ff.

11 12

K F R 129 ff. „ J a , idi glaube midi keiner übertreibung schuldig zu machen, wenn ich behaupte, daß eine unparteiische und gründliche Geschichtsschreibung diese Friessche Abhandlung (,Über das Verhältnis der empirischen Psydiologie zur Metaphysik') als das Bedeutsamste anerkennen wird, das überhaupt in der G e schichte der Philosophie seit dem Erscheinen der Kantischen Schriften bis auf den heutigen Tag geleistet worden ist." L. Nelson, a. a. O., 725 — vgl. K F R 4 f., 6.

3'

36

Grundlagen für den Zusammenhang von Religion und Christentum

thode bewahrt und gehandhabt". 13 Selbst Schleiermadier, dessen „Gefühlsphilosophie" 14 mit zentralen Motiven auf Otto gewirkt hat, wird angesichts der Friesrezeption lediglich zu einer Übergangsgestalt in der Geschichte der neueren Philosophie, die in dem Denken Fries' ihr Telos gefunden hat. 15 Die Aneignung der friesschen Philosophie durch Rudolf Otto beruht nicht auf dem Aufweis ihrer gedanklichen Bedeutung und Tragweite, sondern sie vollzieht sich in einem Akt unmittelbarer Identifikation. Was sie ihm insbesondere zu ermöglichen und zu gewährleisten scheint, ist neben der Vermittlung der Systemkonzeption, der Gedanke einer durch rationale Evidenz bestimmten Religionswissenschaft und Theologie. Deshalb leitet Otto „viel weniger ein geschichtliches als das Sachinteresse"16 bei der Formulierung seines Programms, das, ausgesprochen gegenwartsbezogen, eine kritische Funktion innerhalb der theologischen und religionswissenschaftlichen Bestrebungen seiner Zeit auszuüben hat. Sowohl die Theorie des Supranaturalismus als auch die religionsgeschichtliche Theorie einer Entwicklung durch Heterogonie verdecken das Problem der Entstehung des religiösen Bewußtseins durch die Einführung außerreligiöser Faktoren und erschweren die Einordnung des Christentums in den Organismus des modernen Wissens. Diesen Versuchen gegenüber ist Otto daran interessiert, Religion und Christentum unter die Bedingungen einer Vernunft zu stellen, die sich als gesetztes Vermögen begreift und in den Akten des Transzendierens eine Gegenstandswelt berührt, der gegenüber sie sich selber begrenzt.17 Otto teilt mit Fries die Überzeugung, daß die Selbstbegründungsversuche der Vernunft, die von der Reflexion bestimmt sind und die sich der Dialektik von Grund und Begründetem nicht entziehen können, von einem ins Unendliche gehenden Regreß bedroht sind.18 Die in der Reflexion sich vollziehende Spaltung der Vernunft in ein Beobachtetes und ein Beobachtendes führt zwar zu immer neuen Formen der Vergegenständlichung, 13

14 15 18 17

18

KFR 3; „Seine eigene mathematische Bildung und die strenge Methode der Kantischen Schule scheiden ihn von der Denkrichtung, in der die Kraftgenialität und die Phantasie zum Organ der Philosophie erhoben wurden." KFR 8. KFR 9. KFR 9 f. KFR 2. Darin erblickt Otto „die große befreiende Lehre ,vom transzendentalen Idealismus'", deren Motive .ausgesprochen religiöse' Motive sind. KFR 27. KFR 30 f., 41.

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ohne aber die Einheit der Vernunft zu erreichen, geschweige denn sie aufzuweisen. Die Vernunft kann nur unter der Bedingung zur Selbstgewißheit gelangen, wenn sie sich voraussetzt und sich selber „vertraut 0 . 1 ® In den Begriff des „Selbstvertrauens der Vernunft" werden diejenigen Motive des Denkens Ottos, die sich auf Eigentümlichkeit und Eigenrecht der Religion bezogen, eingeordnet; mit der Unableitbarkeit der Vernunft sind audi die vernünftigen Ideen von Gott und Seele ζ. B. als mit gleicher Ursprünglichkeit vorhanden anzunehmen. Dieser Rückgang auf die Unmittelbarkeit der Vernunft enthüllt sich als von derselben Zielsetzung getragen, die sich in der Lutherstudie Ottos unter dem Gesichtspunkt einer Kombination von Geist- und Religionsproblematik darlegte. „In der Lehre vom testimonium spiritus sancti internum lag ja schon, daß der letzte Gültigkeitsgrund der religiösen Wahrheit nicht Autorität, Lehramt, kirchliche Überlieferung, Schrift, Wunder, historische Tatsächlichkeit sein konnte, sondern ein eigenes Prinzip im Innern des Menschen." 20 Die Explikation der in der Unmittelbarkeit der Vernunft ruhenden Inhalte vollzieht sich im Medium „der Selbstvergewisserung über Aussagen des eigenen Wahrheitsgefühls". 21 Der Aufweis der Ideen ist dementsprechend nicht geleitet durch ein demonstratives Schlußverfahren 22 , sondern durch den Bezug auf das Gefühl. Unter dem Einfluß der Philosophie Fries' unterliegt die Gefühlstheorie allerdings einem spürbaren Wandel; die Verwechslung des Gefühlsbegriffes als einer emotionalen Zuständlichkeit mit seiner Bedeutung als des Innehabens einer Gegenstandswelt ist dadurch abgewehrt, daß der Begriff des Gefühls seine Auslegung an dem der Urteilskraft erfährt.2® Der kantische Begriff des Urteilsvermögens, der insbesondere in der Kritik der Urteilskraft entfaltet ist, gewinnt in seiner friesschen Erweiterung 19

K F R 22 f., 30 f.; — „Denn aller Zweifel sowohl wie alle Begründung ist selbst nur auf Grund der unmittelbaren Erkenntnis möglich. Das

Faktum

des Selbstvertrauens der Vernunft ist die entscheidende Instanz gegen allen Skeptizismus, die selbst einer B e g r ü n d u n g

nicht nur nicht fähig, sondern

audi gar nicht bedürftig ist." L. Nelson, a. a. O., 525, vgl. 531 f., 631. 20

K F R 18, vgl. 24 f.

"

K F R 79.

22

K F R 76 ff.

23

„Indem wir das tun, b e u r t e i l e n

wir sie, denn wir legen ihnen ein eigen-

tümliches Prädikat bei. Und das ganze Tun ist ein Tun unserer Urteilskraft. . . . Und die Urteilskraft, die hier in Frage kommt, ist die des Gefühles." K F R 112, vgl. W Ö M 14 f.

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Grundlagen für den Zusammenhang von Religion und Christentum

als „Wahrheitsgefühl" 24 für die Erfassung und Beschreibung der religiösen Phänomene konstitutive Bedeutung. In ihm verbindet sich der Anspruch auf die Vernünftigkeit religiöser Sätze mit dem Gedanken ihrer rationalen Unerweislichkeit. Der Versuch, die Religion als eine Funktion im Aufbau der vernünftigen Vermögen und Anlagen des Menschen nachzuweisen, ist wiederholt mit dem „nicht sehr glücklichen und mit MißVerständnissen umgebenen Ausdruck" 25 des religiösen Apriori bezeichnet worden. 2 ' Und in der Tat läßt sich die Ottosche Darstellung der kantisch-friesschen Religionsphilosophie als die Entfaltung dieser Formel verstehen. Der Begriff des religiösen Apriori meint zunächst lediglich die Tatsache, daß „Religion mit sich selber anfängt" 27 , daß sie „unabhängig von aller Erfahrung" gegeben und daß „die Vernunft rein durch sich selber als ihr unanfechtbarstes, gewissestes Eigentum" 28 in ihrem Besitz ist. Diese Wendungen dürfen freilich nicht den Schein heraufführen, als sei mit ihnen lediglich auf eine psychische Befindlichkeit Bezug genommen — der Anlagebegriff2® als prinzipielle Ermöglichung von Religion könnte diese Deutung nahelegen sowie die anthropologische Umformung der kantischen Termini durch J. F. Fries — oder als bezeichneten sie nur die Bedingungen, die, um das Auftreten von Religion denkbar zu machen, als notwendig gegeben vorausgesetzt werden müssen, sondern durch sie ist auf den Gegebenheitsmodus hingewiesen, in dem sidi die Aussagen über Gott vollziehen. „Die Annahme eines solchen Verhältnisses in der Welt des Geistes kann allerdings nur dem zugemutet werden, der sich entschließen kann, als letzten Grund alles Geistes in der Welt überhaupt den absoluten Geist als actus purus anzunehmen, dessen ellampatio, wie Leibniz sagt, jener ist. Setzt denn aber nicht auch hier wie sonst alles Potentielle den actus als Grund seiner Möglichkeit v o r a u s . . . ? Also setzt der in der Welt sich entwickelnde Geist als Grund seiner Möglichkeit den absoluten Geist voraus." 30 Was freilich im Umschluß des religiösen Apriori liegt, Gottesidee und Freiheit, Un24 25 28 27 28 28

30

Neue oder anthropologische Kritik der Vernunft I, 18282, 343. 51. KFR 3. Vgl. A. Paus, a. a. O., 103 ff. KFR 4. D H 160; SU 33; GU 1. 53. Darwinismus von heute und Theologie, ThR 1903, 229 ff.; vgl. D H 17. 139. 192; GU 296. D H 140 Anm. 1; KFR 190 f.

Theologie und Philosophie

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Sterblichkeit und Teleologie 31 , stellt lediglich das formale Gerüst dar oder eine „Metaphysik" 32 , die erst in der Anwendung auf den Reiditum religiöser Erscheinungen ihr eigentümliches Leben empfängt. Dieses im Gefühl sich vollziehende Auffassen der geschichtlich sich dokumentierenden religiösen Phänomene, das durch den Begriff des religiösen Apriori einen verläßlichen Maßstab besitzt, „nennt unsere Sprache ,Ahnen'". 33 Die Durchdringung von Begriff und Empirie, von Unendlichem und Endlichem nimmt immer neue Gestalten an und bewährt sich dem Erleben in dem Innewerden der es ermöglichenden Einheit. Die Ahndung, die auf das Geheimnis der Religion selber hinführt, umfaßt Wissen und Glauben und bringt beide miteinander in eine Konkordanz 34 , die sich im unmittelbaren Gefühl bekundet und Urteile ergibt, die ihrer Struktur nach den ästhetischen analog sind.35 Der Otto interessierende Zusammenhang von formal apriorischen Faktoren menschlicher Erkenntnis und konkretem empirisch-geschichtlichen Material liegt als Schema der Relation von Religion und Christentum, von Philosophie und Theologie zugrunde.3® Zwar läßt sich der Ubergang vom Allgemeinen zum Besonderen nicht mit logischer Folgerichtigkeit vollziehen, aber dieser Mangel betrifft nur die gedankliche Explikation einer „Erfahrung" 3 7 , die selber schon immer die Vermittlung des Gegensätzlichen erbradit hat. Insofern erreichen die Überlegungen Ottos in dem Gedanken ihr Ziel, daß die moderne Theologie Religionswissenschaft „und die christliche Theologie christliche Religionswissenschaft" ist38, in der sich der Unterschied zwischen Theologie und Philosophie aufgehoben hat. Philosophie und Theologie konvergieren in diesem Programm Rudolf Ottos auf den Begriff der Religion hin. Mit seinem Versudi, die Theologie in Religionswissenschaft zu über-

31 32 33 34 35 36 87 38

KFR 63 f. KFR 73. KFR 75. KFR 83. KFR 192. KFR 83 f. KFR 84. KFR 192; vgl. Theodor Siegfried, Theologie als Religionswissensdiaft bei Rudolf Otto, ZThK 1938, 16—45, W. Haubold, Die Bedeutung der Religionsgeschichte für die Theologie Rudolf Ottos, 1940, 77 ff.

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Grundlagen für den Zusammenhang von Religion und Christentum

führen 39 und die solchermaßen auszubildende Disziplin in den von der friesschen Philosophie vorgegebenen Rahmen einzuzeichnen, hat Otto einen nachhaltigeren Eindruck auf die zeitgenössische Theologie nicht ausüben können. Soweit sie das ihr angemutete Programm, das mit dem Anspruch einer Neubegründung der Theologie auftrat, überhaupt zur Kenntnis nahm, hat sie sich abwartend 40 , in einzelnen Vertretern aber ausgesprochen polemisch verhalten. 41 Der „Neufriesianismus" hat in der Geschichte der Theologie keine Wende bedeutet, er bezeichnet nicht einmal eine Phase in ihrem Verlauf. Die Erörterung der Frage, ob die Philosophie Jakob Friedrich Fries' „ein Stüde Zukunft für Theologie und Kirche"42 heraufführe, ist von entsprechend kurzer Dauer gewesen. Es kam hinzu, daß Otto selber sich auf die Darlegung der allgemeinen philosophischen Bedingungen und auf die Skizzierung der Grundkategorien beschränkte, die Folgen für die Theologie aber nur beiläufig andeutete43, wenn man einmal davon absieht, daß er das Problem der Anwendung der friesschen Philosophie auf die Theologie im Modus der historischen Darstellung vollzog.44 Insofern waren die möglichen Konsequenzen, die aus den Reformvorschlägen Ottos erwachsen mochten, hinsichtlich ihrer Tragfähigkeit und ihrer Tragweite schwer überschaubar. Die bei Otto wahrzunehmende eigentümliche Zurückhaltung, aus welchen Motiven sie auch immer zu erklären sein mag, ist von W. Bousset, der sich der von L. Nelson eingeleiteten Friesrezeption ansdiloß45, in 39

40

41

42

43 44

„Theologie als Religionswissenschaft — mit diesem Programm zerbricht Otto grundsätzlich die Isolierung der Theologie. Theologie soll Erfahrungswissenschaft werden." Theodor Siegfried, a. a. O., 42. Vgl. G. Heinzelmann, Die erkenntnistheoretische Begründung der Religion, 1915, 13 ff. Karl Bornhausen, Wider den Neofriesianismus in der Theologie, ZThK 1910, 341 ff.; dazu W. Bousset, Wider unsere Kritiker, ZThK 1911, 141—159 und Karl Bornhausen, Duplik des Kritikers, a. a. O. 159—165; Nachwort der Redaktion (W. Herrmann, M. Rade) a. a. O., 165—166. W. Bousset, Kantisdi-Friessche Religionsphilosophie und ihre Anwendung auf die Theologie, ThR 1910, 488. KFR 192—200. Die Bezugnahme auf die Theologie W. M. L. de Weites (KFR 129 ff.) hat für die Erhebungen Ottos lediglidi die Funktion, die Bedeutung der friesschen Philosophie für die Theologie als möglich und sinnvoll aufzuzeigen; dafür ist de Wette ein Beleg. Seiner Theologie kommt aber in gar keiner Weise ein mit der friesschen Philosophie vergleichbarer vorbildlicher Charakter zu. Das ist

Theologie und Philosophie

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der Hinsicht aufgegeben, daß die Aneignung der Gedanken Fries' zur direkten Transposition in theologische Sätze führt. Seine Anwendung der friesschen Prinzipien auf konkrete theologische Themen vermittelt erst ein Bild von dem Programm einer Theologie als Religionswissenschaft. Selbst wenn mit Differenzen zwischen Bousset und Otto zu rechnen ist, bedeutet ihr gemeinsamer Rückgang auf die friessche Philosophie eine Voraussetzung, die durch unterschiedliche Nuancierung nicht berührt wird. In jedem Falle aber stellt sich in Bousset die Variante einer Friesrezeption dar, welche die der Theologie erwachsenen Folgen in gleichsam unbekümmerter Offenheit darlegt. Für Bousset verbindet sich mit dem Rückgriff auf Fries das Bewußtsein, eine Basis der theologischen Erörterung gefunden zu haben, die derjenigen der zeitgenössischen Theologie prinzipiell überlegen ist. 48 Gegenüber der sogenannten positiven Theologie behauptet die durch die friessche Philosophie legitimierte die Einheit von Vernunft und Religion und verzichtet dementsprechend auf supranaturale Theorien, die lediglich als vergangene historische Möglichkeiten eine Form des Begreifens religiöser Sachverhalte darstellten. 47 Daß der Theologie wie der Religionswissenschaft der „Rückzug auf supranaturale Kriterien versagt ist" 48 , gehört für Bousset ebenso wie für Rudolf Otto zu den Voraussetzungen, von denen ihre theologische Arbeit bestimmt ist. Charakteristischer als die Abkehr von den supranaturalen Begründungsversuchen der Religion, die in gar keiner Weise für die ,neufriesische' Theologie eigentümlich ist, erscheint die polemisch vollzogene Wende gegen die religionsgeschichtliche Schule.48 Die historische Betrachtung

45 49 47

48 49

ihre Grenze, und insofern bleibt der Theologiebegriff Ottos auf seine eigene Realisierung angewiesen. Brief L. Nelsons an Rudolf Otto v. 9. 10.1908, Anhang 126 f. W. Bousset, a. a. O., 420, 422, 429 ff. „Freilich geben sie damit auch zu, daß sie die Wahrheit ihres ganzen Systems, die Form ihres Glaubens gründen auf eine phantasievoll-mythisch-dogmatisdie Deutung des Lebens Jesu von Seiten des Paulus, eine Deutung, deren Wurzeln durchaus im zeitlich bedingten Vorstellungsmaterial eines vergangenen Zeitalters liegen." Die Bedeutung der Person Jesu für den Glauben. Historische und rationale Grundlagen des Glaubens, Berlin Schöneberg 1910, 4 f. K F R 193, 49. W. Bousset, a. a. O., 6. 10; vgl. W. Bousset, Kantisch-Friessdie Religionsphilosophie und ihre Anwendung auf die Theologie, a. a. O., 430 f., 435 f.; K F R 2. 3.

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der Religion hat das theologische Bewußtsein in die Relativität des Erkennens geführt, in der ihm mit dem Gegenstand der Religion auch deren Grund undeutlich wurde. Solange es als unmöglich vorgestellt wird, den Religionsbegriff als „eine ewig gültige Bewußtseinstatsache" 50 aufzuzeigen, bleibt die Wahrnehmung des Christentums, zu dessen Wesen die Historizität gehört, von der Unsicherheit der geschichtlichen Urteilsbildung abhängig. „Der Systematiker wird uns, meine idi, von dieser schwierigen Lage nur dann befreien können, wenn er uns ein sturmfreies Gebiet, das jenseits aller historischen, audi der wichtigsten Einzelforschung liegen muß, hinüberführen kann." 5 1 Die historische Erkenntnis ist freilich nur dann zu überschreiten, wenn man mit dem Satz ernst macht, daß „das Historische nur zur Illustration nicht zur Demonstration diene". 52 Das Auseinandertreten der „historischen und rationalen Grundlagen des Glaubens" erfolgt bei der Klärung der geschichtlichen Erkenntnis, die beide Momente in sich enthält. „So weist die Historie, ernst und nachhaltend betrieben, über sich selbst hinaus und zwingt uns, ein anderes Fundament außerhalb ihrer zu suchen, und das wäre — die Ratio." 5 3 Die Religion, die solchermaßen aus den geschichtlichen Bezügen gelöst und damit von der Relativität der historischen Betrachtung befreit wird, empfängt ihren Grund in der Vernunft, die als das Vermögen der Ideen jenes „sturmfreie Gebiet" bezeichnet, das ihre Gewißheit verbürgt. Es gehört zu den Versicherungen der Aussagen Boussets, daß die friessche Philosophie diesem Rationalismus seinen Ort im Ganzen der Wissenschaft zugewiesen 54 und durch ihn die Basis für jede religionsphilosophische Erörterung gelegt habe. Der eigentümliche Mangel dieses Rationalismus ist freilich seine formal-abstrakte Beschaffenheit. „Die nackten Ideen sind unfaßbare, ungreifbare Schemata, sie bedürfen der Umhüllung und Symbolisierung." 55 Die Herabstimmung der Religion vollzieht sich neben den Erscheinungen ästhetischer Art vor allem in der Geschichte. Ihr kommt also in diesem Programm die Bedeutung zu, Illustration der ewigen Vernunftwahrheiten zu sein. Lediglich an einer Stelle verschmelzen Symbol und ratio und überschreiten die Analogie zu den ästhetischen Sinngebilden, 50

W . Bousset, a. a. O., 435.

51

a . a . O . , 429.

"

a. a. O., 432.

53

W . Bousset, Die Bedeutung Jesu für den Glauben, a. a. O., 10.

"

a. a. O., 11.

55

a. a. O., 14; vgl. K F R 104 ff.

Theologie und Philosophie

43

nämlich in „den großen religiösen Persönlichkeiten". 56 „Die große religiöse Persönlichkeit s c h a f f t nicht nur Symbole des Glaubens, sie wird einer gläubigen Gemeinde s e l b s t z u m S y m b o l." 5 7 Die Person Jesu ist dem Typus dieser religiösen Gestalten zuzuordnen. Indem sich die gegenwärtige Vernunft mit einer vergangenen Vernunft berührt, nehmen beide vermöge der ihnen innewohnenden Prinzipien an einer Sinneinheit teil, die die Erkenntnis unverworren sein läßt mit den Undeutlidikeiten, die dem empirisch-historischen Material entstammen. „Und wenn die Wissenschaft das äußerste Verdikt spräche, daß Jesus nicht existiert habe, der Glaube kann nicht verloren gehen, denn er ruht auf seinen eigenen ewigen Fundamenten, und überdies würde das Bild Jesu in den Evangelien dennoch stehen bleiben, und wenn auch nur als eine große Dichtung, so doch als Dichtung von ewiger symbolischer Bedeutung." 58 Rudolf Otto und W. Bousset konnten sich auf eine gemeinsame Voraussetzung beziehen, insofern es dem theologischen Bewußtsein entsprach, nur dasjenige für die Religion bestimmend aufzunehmen, was sich denkend als Allgemeingut dartun ließ. Diese Voraussetzung ist freilich von so formeller Beschaffenheit, daß sie mannigfacher Abwandlung fähig ist. Und gleichwohl bleiben die Differenzen, von deren Vielfalt die Erörterung des Religionsbegriffes reichlich Zeugnis gibt, auf bestimmte Prämissen bezogen, die den Teilnehmern das Bewußtsein, von einer und derselben Sache zu reden, vermittelte. Das für Otto und Bousset Eigentümliche besteht in der Überzeugung, daß die Frage nach der Wahrheit der Religion mit ihrer philosophischen Rechtfertigung zusammenfällt. Das bedeutet im Hinblick auf die Gewinnung eines tragfähigen Begriffs von Religion, daß ihre Wahrheit, die der menschlichen Vernunft wesentlich zukommt, aufgewiesen werden muß. Der persönliche Glaube wäre der Struktur nach eine in der Form der Subsumtion geschehene Aneignung eines objektiven Wahrheitsgehalts. Die geschichtliche Wirklichkeit ist zwar das Feld der unendlichen Konkretionen, aber sie enthält keinerlei Norm; und umgekehrt, die Philosophie genügt zwar der Norm, aber sie muß von sich aus auf die Konkretion und Verlebendigung verzichten. Bousset gibt diesem Tatbestand gegenüber der Meinung Ausdruck, daß die geschichtliche Wirklichkeit Jesu dem Zweifel ® W . Bousset, a. a. O., 15 — „Und das hödiste Symbol einer ewigen Welt wird

5

uns die einzelne menschliche Persönlichkeit, sei es die schöne Seele, sei es der Führer und Heros." a. a. O., 14. 57

a . a . O . , 16.

5S

a. a. O., 17.

44

Grundlagen für den Zusammenhang von Religion und Christentum

des Historischen unterliegt und für sich allein den christlichen Glauben nicht zu begründen vermag. Eine Interpretation der historischen Realität durch die Religionsphilosophie ist, um zu einer Gewißheit des Glaubens zu gelangen, unumgänglich. Sie erst gibt dem christlichen Glauben dasjenige, das er zu seiner Konsolidierung gebraucht, die Wahrheit. Es ist in den Darlegungen Boussets freilich undeutlich geblieben, ob die Erkenntnis ermöglicht wird durch die Konvergenz der geschichtlichen Wirklichkeit Jesu mit der religionsphilosophisch gefaßten Ahndung oder ob die Ahndung selber an der Person Jesu Möglichkeiten entdeckt, die die geschichtliche Gewißheit ersetzen. Was bei Bousset in den Gegensatz von Vernunft und Historie tritt, bleibt für Otto in der Dialektik der religiösen Erfahrung vermittelt. Die Theologie, gerade wo sie sich dem Bereich der Empirie, den konkreten religiösen Erscheinungen zuwendet, sieht sich angewiesen auf ein unmittelbares religiöses Datum. Die Religion hat darin die Funktion, daß ihre Eigentümlichkeit in ihrer unmittelbaren Gegenwärtigkeit besteht, die selber rational nicht verifizierbar ist. Die Religionsphilosophie begreift sich dementsprechend als Durchleuchtung dieses Tatbestandes; sie erhellt die religiösen Voraussetzungen und ordnet sie in das System vernünftiger Überlegungen ein.

II. DER AUFWEIS DES ZUSAMMENHANGES V O N RELIGION U N D CHRISTENTUM Das Numinose

und das

Heilige

Was der Generation der Zeitgenossen Rudolf Ottos an der Studie über „Das Heilige" als Überraschung erschien und was zugleich eine Wende in seinem Denken andeutete, war der Eindruck, daß ein offenbar an den rationalen Grundlagen der Religion interessierter Theologe die Abkehr von seiner bisherigen Arbeit vollzog und den „irrationalen" Faktoren im religiösen Erlebnis eine ungewöhnliche Bedeutung zumaß. Dieser Eindruck mußte sich verstärken, wenn man den Wandel in den religionsphilosophischen und theologischen Voraussetzungen Ottos auf die endgültige Absage an die von A. Ritsehl vollzogene Rationalisierung und Ethisierung der Religion bezog1 und im Begriff des Heiligen die Wiederentdeckung der Religion und ihres eigentümlichen Gegenstandes zu sehen vermeinte. Die unter den Bedingungen der theologischen Situation erfolgte Einschätzung des Buches über „Das Heilige" bedarf freilich, wenn man nach seinem Ort im Denken Ottos fragt, der Korrektur. „Das Heilige" bezeichnet keinen Bruch in der Entwicklung der Theologie Ottos, sondern es hebt lediglich eine verborgen gebliebene Prämisse seines Verstehens religiöser Phänomene in das Bewußtsein. Die eigentümliche, der Religion selber innewohnende Dialektik von Rationalität und Irrationalität, wie sie Otto am Heiligen aufzuweisen versucht, gehört zu den Leitmotiven seines Denkens; in der Lutherarbeit ist unter der Bezeichnung spiritus sanctus und Vernunft der gleiche Sachverhalt in den Blick genommen. Die Untersuchung über „Das Heilige" hat überdies in der WundtRezension 2 eine Vorbereitung gefunden, die nach ihren wesentlichen Aussagen gleichsam eine Vorwegnahme des später in den Einzelheiten ausgeführten Themas ist; sie stellt allein in der äußeren Abfolge der Publikationen Ottos den Übergang dar, der die beiden Phasen seines Denkens als zusammengehörend erscheinen läßt. 1 2

Vgl. Anhang, 127. Mythus und Religion in Wundts Völkerpsychologie, ThR 1910, 251—275. 293—305.

46

Aufweis des Zusammenhanges von Religion und Christentum

Ottos am Geistbegriff orientierte, Motive des idealistischen Denkens aufnehmende Religionsphilosophie begegnet in der völkerpsychologischen Darstellung Wundts einer Konstruktion des religionsgeschichtlichen Prozesses, der zur Ableitung der religiösen Phänomene sich der Theorie des Animismus bedient3, also auf Erscheinungsformen Bezug nimmt, die selber nodi nicht Religion sind. „Nicht am Anfange steht, sondern am Ende, als Ergebnis einer langen Entwicklung erhebt sich Religion, langsam und allmählich sich losschälend aus Erzeugnissen der Phantasie, die selber noch durchaus nicht Religion sind, in allmählichem ,Wandel der Motive' und durch ,Heterogonie', zugleich aber dodi als Schlußglied eng und fest geknüpft an jene Entwicklung und ihre Ketten." 4 Was für Otto als Ahnung des Höchsten im Begriff des „praesens numen" 5 gegenwärtig wird, scheint in der Darstellung Wundts zu einem Moment der kulturellen Entwicklung herabgesetzt; 6 daß den endlichen Denkvollzügen ein Unendliches zugrunde liegt, das im „Gefühl der .religiösen S c h e u ' . . . einen unausgewickelten, verworrenen und dunklen Vorstellungsinhalt mit einer ihm entsprechenden eigentümlich bestimmten Zuständlichkeit des Gemütes" 7 besitzt, diese primäre Erfahrung des „Übersinnlichen" 8 erscheint in den Wundtschen Darlegungen als der Übergang von dem Dämonen- zum Gottesglauben.' Nicht der Wandel der Vorstellungen und Motive, das Übergehen einer Form in die andere, was von Wundt mit der „Lehre von der Heterogonie der Zwecke"10 beschrieben wird, ermöglicht die Deutung des religionsgeschichtlichen Prozesses, sondern die Beziehung des in eine Mannigfaltigkeit von Bildern und Gestalten sich darlegenden Ablaufs 3 4 5 8 7 8 9

10

a. a. O.. 272. a. a. O., 265. a. a. O.. 303. a . a . O . , 295 f. a. a. O., 302. a. a. O., 305. „Das Eigentümlidie der Wundtsdien Auffassung des Gesamtprozesses der mythischen und religiösen Entwicklung ist, daß er vor allem sein Augenmerk darauf riditet, die Bildung der mythischen und religiösen V o r s t e l l u n g e n und Begriffe, von der .Seele' zum .Geiste', zum ,Dämon', zum .Gotte', zur Idee des Überweltlich-Göttlichen hin zu erklären. Dabei ist ihm der Leitfaden die Seelenvorstellung, deren Steigerungen und Sublimierungen durch Heterogonie den Gott und die Gottheit hervorbringen." a. a. O., 298. a . a . O . , 296.

Das Numinose und das Heilige

47

der Religionsgeschichte auf die „schöpferischen Kräfte des vernünftigen Geistes selber".11 Aus der religiösen Anlage geht der „mystische Trieb"" hervor, aer sich in der Erscheinungswelt der Religion darstellt und der sich nur als „Entfaltung von etwas das auch angelegt war" 13 begreifen läßt. Sieht man sich die von Otto geltend gemachten Bedenken an, so ergibt sich der eigentümliche Umstand, daß er sich weniger auf historische Beobachtungen beruft, daß er auch etwa im Unterschiede zu M. Müller14 auf die Erklärung der Religion aus den Hochreligionen verzichtet und sich, wenn man eine Klassifizierung gebrauchen soll, lediglich auf das religiöse Erlebnis bezieht.15 In aller echten Religion ist das Urgefühl ein Empfinden verborgener Hoheit, der das menschliche Denken und Wollen sich zu beugen hat. 16 Im Gegensatz dazu sieht Otto in der Welt des Dämonischen und der Magie eine Mischung von zwei der „Scheu" und dem „Gefühl des Übersinnlichen" entgegengesetzten Haltungen. In ihnen ist freilich das Mysterium vor den nicht bewältigten bedrohlichen Erscheinungen in der Natur wirksam, diese „Furcht" ist aber etwas anderes als jenes „Scheuen".17 Demgemäß verbindet sich die Furcht mit dem Willen, diese Erscheinung zu bewältigen und als Mittel zu gebrauchen.18 Die Magie erweist sich als das Hantieren des Menschen mit gefährlichen, aber bei nötiger Vorsicht nützlich anzuwendenden natürlichen Kräften. 19 Diese Argumentationsweise ist für die Religions11 12 13 14

13

10

a. a. O., 297. a . a . O . , 298. a. a. O., 304. Natürliche Religion, Giffordvorlesungen 1888, Leipzig 1890, 222—224, 177 ff., 496 f. „Von ihrem Anfange an ist Religion Erleben des Mysteriums und Zug und Trieb zum Mysterium, ein Erleben desselben, das aus den Tiefen des Gefühlslebens selber, auf Reize und Anlässe von außen hin, als das Gefühl des Übersinnlichen durchbricht. Einmal erweckt aber wird es zu einem der mächtigsten Triebe des menschlichen Geschlechtes, der es hintreibt in eine seltsame und wirre Geschichte, der sie hin und her wirft in das Groteskeste und Wunderlichste, und doch vorwärts treibt bis schließlich ins Lautere und Klare . . . ohne diesen Trieb und das ihm unterliegende Gefühl selber anzusetzen, kann man nicht Religionsgesdiichte treiben." a. a. O., 305, vgl. 302, 264 f. a. a. O., 302. 305.

17

a . a . O . , 302.

18

a . a . O . , 303. a. a. O., 303. 299.

19

48

Aufweis des Zusammenhanges von Religion und Christentum

deutung Ottos in doppelter Hinsicht charakteristisch. Einmal, nicht die religiösen Vorstellungen und Inhalte, sondern die religiösen Urgefühle bezeichnen die Stelle, wo er bei der Deutung der Religion einsetzt. Und dann, diese religiösen Urgefühle werden schon in der Wundtrezension gegen das Unterrationale abgegrenzt, das heißt aber, der Unterschied zwischen Magie und Religion, Dämonenglauben und Religion, bemißt sich auch an dem Verhältnis zur Kultur. 20 Sie müssen bei der kulturgestaltenden Macht mit der menschlichen Vernunft sich auflösen, weil sie selber nicht kulturfähig sind. Die Religion hingegen ist trotz ihres dem Verstände zunächst unbegreiflichen Gepräges mit der kulturellen Entwicklung vereinbar. Ottos Deutung der Religion geht von der Voraussetzung aus, die etwa für Ernst Troeltsch nicht selbstverständlich war, daß Religion und Kultur im menschlichen Geist sich als Lebenseinheit selbstverständlich verbinden, da das nicht aus der Vernunft stammende Moment der Religion nicht widervernünftig ist. Man darf insofern in der Wundt-Rezension den Versuch sehen, die Grundgedanken der friesschen Religionsphilosophie auch angesichts des reichen religionsgeschichtlichen Materials zu ihrem Recht zu verhelfen. Durch die Entgegensetzung der „religiösen Scheu" gegen Dämonologie und Magie als Gestalten einer das Verborgene mißbrauchenden Angst bereitet sich die Deutung religiöser Erscheinungen vor, die im „Heiligen" in der Kategorie des Numinosen ihren konsequenten und durchgebildeten Ausdruck gefunden hat. Vergleicht man die Ottosche Darlegung mit dem formalen, vom Stoff weithin absehenden Begriff des religiösen Apriori E. Troeltschs, so dürfte man beinahe sagen, daß Otto die Abstraktheit der Troeltschschen Konstruktion dadurch zu überwinden versucht hat, daß er in der ursprünglichen religiösen Scheu eine konkrete, erlebnismäßige Gestalt des religiösen Apriori aufzuweisen trachtete. Die Wundtrezension erscheint auf diese Weise als Wegbereitung und Vorform dessen, was Otto im Heiligen des näheren zu leisten versucht hat; sie läßt sich verstehen als die Werdegestalt einer selber noch in der Ausbildung begriffenen Religionsphilosophie. 20

„Es ist das eine Entwicklung, die sich vollzieht unter Reizen, nämlidi unter den Reizen fortgehender Menschheitsbildung. Aber es ist eben .Entwicklung', das heißt Entfaltung von etwas, das audi angelegt war. Und bei dieser Entwicklung ist eben die des Gefühls selber die Hauptsache, nicht aber die der begleitenden Phantasiebilder. Diese sind nur die Begleiter, ja zum Teil geradezu nur die Abfallprodukte jener, und w o sie zu fest und massig werden, werden sie zur hindernden Kruste." a. a. O., 304.

Das Numinose und das Heilige

49

Demgemäß hätte Ottos Schrift über „Das Heilige" nicht jene Überraschung hervorzurufen brauchen, die sie bei den Zeitgenossen tatsächlich gefunden hat. Indem die Wundt-Rezension nicht als der Hintergrund wahrgenommen wurde, auf den das „Heilige" zu beziehen ist, sind sie erst durch diese Veröffentlichung selber darauf aufmerksam geworden, daß das Denken Rudolf Ottos der Versuch ist, die Gedanken der Kant-Friesschen Religionsphilosophie in die historische Konkretion und Realität zu überführen. Allerdings ist das, was damit in die Religionsphilosophie Ottos, wie sie vor dem Heiligen vorlag, eintritt, etwas Neues. Man versteht die Mischung zwischen Befremden und Entzücken, die die Zeitgenossen bei der Lektüre des „Heiligen" überfiel, von der allgemeinen religionsphilosophischen Situation her durchaus. Diese Mischung beruht auf einem verschlungenen Tatbestand, der dem zutreffenden Verständnis des Heiligen nodi gegenwärtig Schwierigkeiten bereitet. Auf der einen Seite hatte es bislang an einer Religionsphilosophie — wenn man von der vergessenen Hegels absieht — gefehlt, die mit solcher Entschlossenheit die urtümlichen Erscheinungen des religiösen Bewußtseins berücksichtigte.21 Mit dieser Eigentümlichkeit verband sich vielfach der Vorwurf des Paganismus, der freilich den Intentionen Ottos nur schwer gerecht wird. Auf der anderen Seite wurde Ottos Buch über „Das Heilige" als die Dokumentation eines leidenschaftlichen Bemühens um die Echtheit und Wahrheit der Religion verstanden. Es schien der Versuch unternommen zu sein, die Wahrheit der Religion dem Zeitgeist gegenüber nicht aus einer Analyse des höheren menschlichen Denkens abzuleiten; wenn man berücksichtigt, daß in der Schule Ritsclils das Bestreben herrschend war, unter Preisgabe der übrigen Reli21

Es ist in der Auffassung Ottos vom Gegebensein der Religion in den Urgefühlen begründet, wenn er die „Reden" Schleiermadiers in ihrer Erstgestalt als die ihm wahlverwandte Schrift empfunden hat. Deren Eigentümlichkeit liegt gerade darin, daß sie denselben Rüdegang auf das Gefühl vollzieht, dessen Beschreibung bei Otto lediglich durch die Hereinnahme des religionsgesthiditlidien Materials reicher ausfällt. Ebenso aber wird es verständlich, warum Otto für die erkenntnistheoretische Rechtfertigung der Idee des Absoluten in Schleiermachers „Dialektik" kein sonderliches Interesse gezeigt hat. Sie erscheint ihm als der Versuch, Formeln für die Gottesidee aus der Analyse des Wissens zu finden und damit auf eine dem religiösen Bewußtsein fremde Weise die Religion zu begründen. Infolgedessen ist Otto nicht imstande gewesen, die Isolierung des Gefühlsbegriffes in seiner Sdileiermadier-Interpretation aufzuheben.

4

S A ü t t e , Rudolf Otto

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Aufweis des Zusammenhanges von Religion und Christentum

gionen an die Religionsgeschichte allein das Christentum als Wunder göttlicher Stiftung zu akzeptieren, mußten Ottos Darlegungen auch in der Richtung als Lösung von der Theologie Ritschis empfunden werden, daß die Isolierung des Christentums weder dem Tatbestand selber nodi dem modernen Bewußtsein entsprach. Otto war der Überzeugung, daß durch die Abwertung der übrigen Religionen das Christentum mitbetroffen wird, und insofern wurde für ihn die doppelte Haltung, mit der er einerseits sich auf die konkrete Fülle der außerchristlichen Religionen bezog und andererseits innerhalb ihrer die wahren Momente aufsuchte, geradezu zwangsläufig. Man könnte sagen, daß hier eine Analogie zu seiner Schrift über Luther vorliegt. Sie beruht nämlich auf der Erkenntnis, daß die Erfahrung des Geistes sowohl der Theorie des Rationalismus als auch der des Supranaturalismus gegenüber bewahrt und festgehalten werden muß. Der Hinweis auf die Genesis der Ottoschen Schrift über „Das Heilige" läßt sich unmittelbar für die Interpretation der sie leitenden Gedanken fruchtbar machen. Was sowohl für E. Troeltsch22 als auch für P. Tillich23 der schwächste Teil zu sein schien, nämlich die Beschreibung des Verhältnisses der rationalen und irrationalen Momente in der Idee des Göttlichen unter dem Gesichtspunkt des Schematismus24, stellt sich für Otto als die Mitte seiner Erwägungen dar. „Das Heilige im vollen Sinne des Wortes ist für uns also eine zusammengesetzte Kategorie. Die sie zusammensetzenden Momente sind ihre rationalen und ihre irrationalen Bestandteile. Nach b e i d e n Momenten aber ist sie — das ist allem Sensualismus und allem Evolutionismus gegenüber in aller Strenge zu behaupten — eine Kategorie r e i n a p r i o r i."25 Das Heilige als 22

23

24 25

Zur Religionsphilosophie. Aus Anlaß des Buches von Rudolf Otto über das Heilige, Kant-Studien 1919, 72. Die Kategorie des „Heiligen" bei Rudolf Otto, ThBl 1923, 11; vgl. Brief E. Husserls an R. Otto vom 5. 3. 1919, Anhang 139 ff.; — F. K. Feigel, „Das Heilige". Kritische Abhandlung über Rudolf Ottos gleichnamiges Budi, 1948 2 , 79 ff. D H 60 ff., 165 ff., vgl. 169. D H 137; — Die Isolierung eines der beiden genannten Momente, insbesondere aber die Herauslösung des irrationalen Faktors aus der Beschreibung des Heiligen, verkennt den die Zusammengehörigkeit beider betonenden Charakter der Ottoschen Darlegung. E. Brunner hat zumindest diesen Tatbestand respektiert. „In den neueren irrationalistischen Religionsphilosophien ist das Irrationale einem rationalen System eingefügt." Religionsphilosophie evangelischer Theologie, Handbuch der Philosophie, 1948 2 , 4 f.

Das Numinose und das Heilige

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Kategorie a priori setzt als seinen Ermöglichungsgrund dasjenige voraus, „was unabhängig von aller Wahrnehmung in ,reiner Vernunft' im Geiste selber als sein Ursprünglichstes angelegt ist". 26 Die „religiöse Anlage" oder das „religiöse Apriori" 2 7 sind empirisch-psychologische oder geistige Gegebenheiten des Menschenlebens, die bei Otto im Rahmen einer idealistischen Erkenntnistheorie gedeutet werden. Das Verhältnis von Begriff und Stoff erscheint in abgewandelter Form auf der Ebene religiöser Phänomene und bezeichnet mit dem Terminus des religiösen Apriori eine Kategorie, die jeweils auf einen Komplex von Leben oder Denken angewandt wird. An Hand dieses formalen Schemas erfolgt keinerlei Deutung des Verhältnisses von Gott und Mensch. Für Otto ist die religiöse Anlage mit der konkreten individuellen Vernünftigkeit verwachsen; der Begriff des religiösen Apriori hingegen gehört dem Bereich des diskursiven Denkens an. Die Mittel diskursiven Denkens geben die Einheitsformen des religiösen Lebens an und helfen zum Verstehen ihrer lebendigen Vergegenwärtigung. 28 Die damit gegebene Gottesbeziehung erfährt über diese allgemeine Aussage hinaus keine Bereicherung. Der Mensch ist sich mitsamt seiner Geistigkeit und Vernunft selber Voraussetzung. Das besagt angesichts der Erklärung des religiösen Lebens, daß Otto zugunsten der kategorialen Erfassung auf die genetische verzichtet. Religiöses Apriori und religiöse Anlage sind Deutungen des menschlichen Selbstverständnisses; der Begriff des religiösen Apriori begrenzt sich auf die Negation, daß die Religion sich a posteriori nicht erklären lasse. 29 Der Aufweis der Religion als Komponente der menschlichen Vernunft bzw. als ein ursprünglich gegebenes Datum bedarf zu seiner Füllung der materialen Analogien. Religiöse Anlage hätte somit zum Analogon die Aussage, daß zu den für den Menschen konstitutiven empirischen Erscheinungen die Religion selber gehört. Wo sie nicht ge20 27 28

2

D H 137. 169 f. D H 202 ff. „ U m aber erklären zu können muß man Erstgegebenes haben, aus dem man erklären kann. Aus nichts erklärt sich nichts. Natur kann man nur erklären aus erstgegebenen natürlidien Grundkräften und deren Gesetze die es aufzusuchen gilt. Diese selber noch einmal wieder erklären wollen ist sinnlos. Im Geistigen aber ist soldi Erstes aus dem man erklärt der Geist selber mit seinen Anlagen Kräften und Gesetzen, den man voraussetzen muß, den man selber aber nidit erklären kann. Wie Geist,gemacht wird' ist unsagbar." D H 139.

» G U 58.

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Aufweis des Zusammenhanges von Religion und Christentum

geben ist, kommt es in der Ausbildung der menschlichen Kräfte zu Fehlentwicklungen und Verarmungen. Der Religion selber gehört das Geheimnis an, insofern es Gegenstand des Intelligiblen, Setzung eines Proton ist, das sich der Erkenntnis entzieht. Bilder und Formen reflexiven Denkens deuten diese Ursetzung. Otto hat mit diesen Begriffen also lediglich seine Gewißheit von der Ursprünglichkeit der Vernunft aussprechen wollen. Daß die Religion mit sich selber beginnt30 und daß sie der Möglichkeit nach in den Umschluß der geistigen Funktionen gehört, ist als Voraussetzung der Analyse der religiösen Phänomene vorgegeben. Es gibt im Menschen immer Totalfunktionen und gebrochene polarisierte Funktionen. Sowohl der Ahndungsbegriff Jakob Friedrich Fries' als auch Schleiermachers Formel vom ,Sinn und Geschmack fürs Unendliche' erschließen sich nur unter der Bedingung, daß die Eigenart der Religion als unbedingte Totalität erscheint, in der sich das menschlich Besonderte zur Einheit zusammenschließt. Die aus dem Geheimnis erfolgende unbedingte Setzung verhindert das Zerbrechen in Polaritäten. Der Satz, daß der sensus religionis zum Menschengeist gehört, findet seine Bestätigung, wenn man eine Interpretation findet, nach der er etwas anderes darstellt als eine zufällige Eigenschaft. Ottos Rückgang auf das religiöse Erlebnis ist kein Resultat der Zufälligkeit einer Psychologie, die die empirische Sphäre aufgreift, sondern meint das Aufdecken eines prinzipiell Bestehenden, etwas, das seinen Wahrheitsgehalt darin hat, daß die Religion die Einheit des menschlichen Bewußtseins ermöglicht und darstellt. Weil indes der Mensch ein gespaltenes Wesen ist, ist der Begriff dieser Einheit lediglich faßbar in der Beziehung des Menschen auf Gott. Die Spaltung setzt die Idee der Einheit. Die Religion ist als wesentliches Moment des menschlichen Geistes von ihm unabtrennlich und erscheint als die Überwindung des gespaltenen Bewußtseins. Der Begriff der „Schematisierung", der „das innige Zusammentreten dieser beiden Momente" 31 , der rationalen und der irrationalen, bezeichnet, hat im religionsphilosophischen Denken Ottos die Bedeutung, einer religionsgeschichtlichen Beobachtung als Interpretationsformel zu dienen. Die Hochreligionen, insbesondere aber das Christentum, erweisen sich in ihrer Geschichtsmächtigkeit dadurch, daß das Ineinander und Zueinander jener beiden Faktoren von „innerer Notwendigkeit" 32 ist, in der 3U 31 32

DH 136. DH 135. DH 165.

Das Numinose und das Heilige

53

sich „die Annahme einer dunklen synthetischen Erkenntnis a priori' von der wesensnotwendigen Zusammengehörigkeit dieser Momente" 3 3 ausspricht. Auf der einen Seite beruht dieser Vorgang des sich gegenseitig Durchdringens auf der Gewißheit, daß eine Verwandtschaft der Hochreligionen mit dem Entstehen der Kultur gegeben ist. 34 Sich bildende menschliche Kultur leitet die Überwindung der unterrationalen Elemente im menschlichen Bewußtsein ein und ohne Zweifel läßt sich diese Überwindung nicht allein als durch Staat und Wissenschaft vollzogen denken, sondern sie verbindet sich mit dem Streit der höheren Religionen mit den niederen Elementen des religiösen Bewußtseins. Wenn man ζ. B. die Religion des Alten Testamentes, unbeschadet ihrer urtümlichen Momente 35 zu den Hochreligionen rechnet, so ist das darin begründet, daß diese Religion die durch die Propheten ausgesprochene Verneinung von Zauber und dämonischer Scheu in sich trägt. 38 Von da aus versteht man den Gedanken Ottos, daß es ein Kriterium der echten zu sich findenden Religion gibt, wenn sie mit den rationalen Tendenzen der Wissenschaft zusammen nahezu aufklärerisch wirkt in der Zerstörung des Aberglaubens und wenn sie trotzdem gegen die Wissenschaft und den rationalisierenden Verstand einen Bereich unaussprechlich geheimnisvollen Erlebens eines der menschlichen Vernunft entzogenen Höheren zum Grunde hat. In der Theorie des Schematisierens sucht Otto diese Einsicht von beinahe aufklärerischen mit beinahe unheimlichen, dem Verstand nicht einleuchtenden Elementen als Kriterium der Religion nachzuweisen. Das im Begriff des Schematisierens mitenthaltene Moment in jeder lebendigen Religion wäre danach die verständiger Erwägung nicht zugängliche und aufzulichtende Bejahung des Irrationalen. Dieses Irrationale nun sucht Otto nach seiner Antithetik gegen alles, was der Ratio 33 31

D H 165. „Nach dem Vollklange des Wortes .Heilig', so wie wir es vornehmlich im Neuen Testamente vorfinden und wie es jetzt ausschließlich für unser religiöses Sprachgefühl festgelegt ist, ist das Heilige ja nie mehr das bloß Numinose überhaupt, audi nicht auf dessen höchster Stufe, sondern immer das vollkommen mit rationalen zwecksetzenden persönlichen und sittlichen Momenten Durchdrungene und Gesättigte." D H 134.

33 3

D H 92 ff.

* „Das Auszeichnende schon der Religion Alt-Israels ist eben das innige Zusammentreten dieser beiden Momente. Kein Gott ist wie Israels Gott denn er ist der Heilige schlechthin." D H 135, vgl. 95.

54

Aufweis des Zusammenhanges von Religion und Christentum

angehört, durch den Begriff des Numinosen zu fixieren. Es muß freilich, gerade bei der Besinnung auf diesen Begriff daran erinnert werden, daß, wenn man das überrationale Element echter Religion isoliert und ihm einen eigenen Terminus vorbehält, das zunächst im Schematismus gegebene Kriterium der Wahlverwandtschaft zwischen Religion und Kultur zurücktritt. Otto ist sich bewußt gewesen, daß die aus sachlichen Erwägungen erfolgte Herauslösung des irrationalen Momentes auf einem Akt der Abstraktion beruht, der nur deshalb zu rechtfertigen ist, weil die ,religiöse Erfahrung' immer schon von der Durchdringung der beiden Faktoren lebt.37 Diese Abstraktion muß also im Gesamtgefüge der Gedanken Ottos als vorläufig angesehen werden; Gegenstand der Ottosdien Schrift ist denn auch in der Tat nicht der Begriff des Numinosen, sondern der des Heiligen. Das Heilige aber bezeichnet jene tiefere und wahre Gestalt des Numinosen, die gegen die Gefahr einer Abirrung in die Kulturfeindschaft wie in den Aberglauben gesichert ist.38 Indem Otto nach der Darstellung des Numinosen den Ubergang zum Begriff des Heiligen vollzieht, schließt er jene Mißverständnisse aus, die etwa aus seiner Analyse des Numinosen entstehen könnten. 39 „Da es (das Numinose) selbst ja irrational, das heißt in Begriffen nicht explizibel ist, wird es angebbar nur sein durch die besondere Gefühlsreaktion, die es im erlebenden Gemüte auslöst."4" Es ist freilich charakteristisch, daß Otto die Kette von „Begleitgefühlen" 41 , die das Numinose als Rand umgeben oder es anzuregen vermögen, in die Bewegung des persönlichen Lebens einbezogen wissen wollte und sich 37

„Dabei werden wir nun nicht noch einmal die Analyse auf rationale und irrationale Momente wiederholen, sondern nachdem unser Blick dafür geschärft ist, lassen wir nun diese Momente, wie die religiöse Erfahrung sie gibt: ineinandergeflossen und vereint, so nämlich, daß jene immer und durchaus mit diesen überschattet sind und diese zu jenen immer geneigt sind." SU 62.

38

D H 134, 170 f. „Das uns leitende Interesse in D . H . war weder ein religionsgeschiditliches nodi ein religionspsychologisches sondern ein theologisches, und zwar das diristlich-theologisdie: nämlich durch Untersuchung des Heiligen und seiner sowohl irrationalen wie rationalen Gehalte und ihrer Verbindungen und wechselseitigen Durchdringungen uns vorzubereiten für eine schärfere und bessere Erfassung der biblischen und besonders der neutestamentlichen Gotteserfahrung." SU 61. D H 13. D H 13 f., 19.

39

40 41

Das Numinose und das Heilige

55

nicht in einer lediglich distanzierenden Betrachtung auf sie bezog. 42 Insofern kann er den Begriff des Dämonischen 43 als ein Wahrheitsmoment der Religion enthaltend als Korrelat zu dem Moment des tremendum betrachten. D a ß die Analyse der religiösen Phänomene gleichsam mit der dem Gefühl abgekehrten Seite beginnt, erscheint als der Ausdruck des religiösen Grundvorganges, in dem sich die Empfänglichkeit durch das Abstoßen hindurch erhöht. 44 Das tremendum meint die Gefährlichkeit, die den Menschen versehrt und ihn gleichwohl zu einer tieferen Art des Menschseins führt. Ohne das unbegreifliche Geheimnis des N u minosen ist der Mensch nicht wahrhaft Geist. Die Erfahrung der aus dem Innewerden des mysterium tremendum erfolgenden Abstoßung bezieht sich auf das Wissen, daß in den negativen, die Existenz bedrohenden Momenten des Religiösen, aber auch des ethischen Erlebnisses etwas anderes vorliegt als nur der Eindruck einer moralischen Verurteilung. 45 Das Sündengefühl ist verbunden mit dem Gefühl ewiger Trennung von Gott, und das Heilige wird dem, der es erfährt, zur tötenden Macht. 46 Otto weist mit Recht darauf hin, daß diese Erfahrung andere Gefühle impliziere als die endlichen von Schuld und Reue. Es ist nur aus der begrenzten Aufgabenstellung, die Otto mit 42 43 44

45

40

D H 8. D H 17 f. „Betrachten wir das Unterste und Tiefste in jeder starken frommen Gefühlsregung sofern sie nodi mehr ist als Heilsglaube Vertrauen oder Liebe, dasjenige was auch ganz abgesehen von diesen Begleitern auch in uns zeitweilig das Gemüt mit fast sinn-verwirrender Gewalt erregen und erfüllen kann . . . so kann sich uns als Ausdruck der Sache nur einer nahe legen: Gefühl des m y s t e r i u m t r e m e n d u m . . . E s kann zu dem stillen demütigen Erzittern und Verstummen der Kreatur werden vor dem — ja wovor? Vor dem was im unsagbaren Geheimnis über aller Kreatur ist." D H 13 f. „Daß diese so unmittelbaren, nicht erst durdi Selbstbesinnung auf begangene Übertretungen entstehenden, vielmehr mit dem Gefühl des numen ohne weiteres gegebenen, sidi selber samt seinem ,Volk' und eigentlich samt allem Dasein überhaupt gegenüber dem Numinosen abwertenden Gefühlsausbrüdie nicht einfach und wahrscheinlich zunächst überhaupt nicht m o r a l i s c h e Abwertungen sind, sondern einer ganz eigenen Wertungs-kategorie angehören, ist unmittelbar zu fühlen. Sie sind schlechterdings nicht das Gefühl einer Ubertretung des ,Sittengesetzes', so sehr und so selbstverständlich sie wo eine solche vorliegt diese auch mit in sich hineinziehen. Sie sind vielmehr das Gefühl der schlechthinnigen P r o f a n i t à t." D H 66 f. D H 69 ff.

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Aufweis des Zusammenhanges von Religion und Christentum

dem Heiligen verfolgte, zu verstehen, wenn die sich aus den Problembeschreibungen ergebenden Zusammenhänge mit der Ethik vernachlässigt oder gar abgewehrt scheinen.47 Es ist aber der Darstellung Ottos zu entnehmen, daß die Neutralität gegenüber dem Ethos und die daraus entspringende Schwierigkeit, innerhalb der Ethik auf religiöse Daten Bezug zu nehmen, durch das Heilige keine Stütze erfährt. Der Begriff des mysterium tremendum samt des im Menschen erwachsenden Gefühls des Bedrohtseins ist umgekehrt gerade selber ein Moment sittlichen Wachsens wie Freude und Seligkeit.48 Läßt sich das Numinose in den Gestalten und Affekten des tremendum und des fascinosum49 als das den Menschen Umfangende verstehen, so ist es erklärlich, daß es für Otto nahe lag, in ihm die Manifestation der göttlichen Realität zu sehen. Und in der Tat lautet seine Behauptung, Gott mache sich dem Menschen in eigentümlichen Erfahrungen vernehmlich50, die sich mit Erfahrungen anderer Art verbinden können. Diese Erfahrungen sind teils aus dem Gewissenserlebnis, teils aus dem der vitalen Angst abstrahiert. Das hat stets den skeptischen Einwand nahegelegt, der sich in diesen Erfahrungen vermittelnde Gott trage selber den Charakter sekundärer Setzung.51 Wenn das eigentliche Bezeugen Gottes im Geiste des Menschen lediglich unter der Form des tremendum sich vollzöge, ließe sich die Gottesoffenbarung nicht mehr von dem Bilde des Götzen unterscheiden. Und wiederum, würde sich Gott bloß in der Gestalt des fascinosum repräsentieren, wäre der Zustand der Seligkeit von dem des Rausches und der Trunkenheit nicht abzuheben. Das tremendum ist die Gewähr dafür, daß dem Gotteserlebnis Gott nicht zur überschwenglichen letzten Vollmacht des Lebensgefühles selber wird; das fascinosum ist das unaufhebbare Gegenglied, durch das verhindert wird, daß Gott zum zerstörenden Dämon wird. Es gehört zur Realität Gottes, daß der Mensch vor dem ,Ganz Anderen' erschaudere und daß er es bejahe als höchste Freude und Seligkeit.52 47

Vgl. F. K. Feigel, „Das Heilige". Kritische Abhandlung über Rudolf Ottos gleichnamiges Budi, 19482, 53 ff.; W. Baetke, Das Heilige im Germanischen, 1942, 40 ff. 48 D H 134, SU 62. 4 » D H 42 ff. « D H 80. 51 Vgl. F. K. Feigel: „Otto sudit die Gottheit aber er findet nur den Menschen." a. a. O., 123. 52 D H 42, 56 f.

Das Numinose und das Heilige

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Als endliches Wesen lebt der Mensch zwischen Selbstbejahung und Selbstverneinung, was seinen Ausdruck in den ethischen und vitalen Erlebnissen findet. In der Erfahrung des Numinosen stellen diese Gefühle Momente dar. Das qualitativ Besondere von tremendum und fascinosum konstituiert das Numinose. Dessen eigentliche Realität besteht darin, daß es im Zugleich zweier entgegengesetzter Erfahrungen gegeben ist und darin der Verendlichung widersteht. Die Besinnung auf das Numinose als Grenzgefühl läßt Kreaturgefühl und Sinnfülle erwachsen. Das Numinose und seine Momente bedeuten in der Darlegung Ottos lediglich den Zugang, der durch die menschliche Psyche bedingt ist, zum echten Gottesbewußtsein, zum Gewahren des ,Ganz Anderen', das höher ist als alle Vernunft. 53 Otto hat für die Erfahrung des Numinosen wiederholt auf Luther gewiesen54; nach Luther weckt das Aufgehen des Gottesbewußtseins im Menschen zunächst die unreinen Gefühle der Angst und Gier, die in den Erscheinungen des Götzendienstes und der Vergesetzlichung der Religion sich zu manifestieren beginnen. Es ist erst die Aufgabe des den Menschen läuternden göttlichen Erziehens, daß das in Angst und Gier aufwachende Bewußtsein der göttlichen Majestät in die Form der Anbetung übergeht. Dieser Vorgang ist von Otto in der Beschreibung des Numinosen gemeint. Nicht alle Reflexwirkungen des Numinosen im menschlichen Gemüt, die auch in das Gebiet des Aberglaubens reichen mögen, sind von ihm in dem Begriff des mysterium tremendum und fascinosum gerechtfertigt. Abgesehen davon, daß jene Reflexe sekundären Charakters sind, besteht der wahre Gehalt des Numinosen darin, daß es „das aus dem Bereiche des Gewohnten Verstandenen und Vertrauten und darum .Heimlichen' überhaupt Herausfallende und zu ihm in Gegensatz sich Setzende und d a r u m das Gemüt mit starrem Staunen Erfüllende" 55 ist; also dasjenige, vor dessen Majestät sich der menschliche Geist beugt und das von aller Reflexion unabhängig ist. Otto versucht diese Erfahrung durch die Kategorie des Heiligen auszudrücken. Das Heilige trägt zwar die Merkmale des Numinosen an sich, es ist jedoch dadurch gekennzeichnet, daß es jene Reflexwirkungen urtümlidier Art von sich abstößt. Als Erlebnis des Heiligen verstanden ist die Religion das Verhältnis zu dem irrationalen Grund, der aber „die Ideen gesellschaftlicher wie individueller Ideale 53 54 55

D H 31 f.; GU 212 ff. D H 116 ff.; SU 140 ff. D H 31.

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Aufweis des Zusammenhanges von Religion und Christentum

des Verbindlichen Rechtlichen und Guten" 56 an sich zieht. Was Otto im Begriff des Schematismus entwickelt hat, ist dadurch gegen den Vorwurf des Selbstwiderspruches geschützt, daß für ihn das Erlebnis des Heiligen das wahre Erlebnis des Numinosen ist. Insofern stellt die Kategorie des Heiligen in der Tat den zentralen Begriff seiner Religionsphilosophie dar. Es liegt im Wesen des so verstandenen Heiligen, daß es sich mit dem Kontrasterlebnis der Unheiligkeit verbindet. 57 Die ursprüngliche Gewalt, mit der die Frage nach Gott den profanen Charakter des menschlichen Lebens aufdeckt, beruht nicht auf dem „Gefühl einer Übertretung des .Sittengesetzes'"58, sondern auf einem „dem Unwerte des p r o f a nen' genau sich entgegensetzenden völlig eigentümlichen W e r t e s , der dem numen allein und ihm schlechthin zukommt" 59 : des Wertes der Heiligkeit Gottes. Das Heilige also ist selber der Träger der Ethisierung der Religion; als Träger einer Verbindung der Religion mit dem Ethos wird es für Otto die eigentlich zureichende Begründung für das Gefühl der unendlichen Verschuldung und somit die Legitimierung des Begriffs der Sündhaftigkeit. Diese Verbindung ist schon in der Schrift über „Das Heilige" vollzogen60, so daß dadurch der Begriff des mysterium tremendum der Ethisierung und Vergeistigung fähig wird. Noch deutlicher freilich als im Heiligen hat Otto die Zusammengehörigkeit des Erlebnisses des Heiligen mit dem Bewußtsein menschlicher Sündhaftigkeit in den Aufsätzen bewußt gemacht, die sich insofern als der Übergang vom Heiligen zu der Arbeit „Reich Gottes und Menschensohn" erweisen. Der Begriff der Sünde durchläuft die Form einer „Spirale" 61 , in der er sich in drei Gestalten auseinanderlegt. In der ersten Gestalt erscheint der Sündenbegriff in seiner elementaren, von rein numinosen Apperzeptionen umgebenen Form; als Widerwert zum Heiligen' 2 hat er eine alle Moral überschreitende Seite. Aber schon auf dieser ersten Stufe ist „das numinose Gefühl der Scheu"63 von rationalen Schemata 5

« D H 135. D H 66 fï.; SU 1 ff., 12 ff., 37 ff. 53 D H 67. 59 D H 67. 60 D H 69 ff. 61 SU 11. «2 SU 1. 63 SU 6.

57

Das Numinose und das Heilige

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begleitet. Das heißt aber: schon die erste Stufe umfaßt einen doppelten Gehalt; das Numinose hat von seinem Ursprung her Momente in sich, die sich der menschlichen Vernunft als aufschließbar erweisen. Es gibt Schemata rationaler Art, die noch abgesehen von einer späteren Entwicklung, für den Begriff des Numinosen konstitutiv sind. Weil das Numinose selber schon die Momente des Rationalen einschließt, ist der dialektische Fortgang ermöglicht, der sich in der zweiten Stufe in eine antithetische Form auseinanderlegt. Die religiösen und die moralischen Kategorien, die Sünde und das Schlechte treten in eine Beziehung „wechselseitiger Subsumtion". 64 Die Durchdringung der religiösen und sittlichen Elemente, die der Religion zum Kriterium dienen, stellen das faktische Verhältnis von Religion und Sittlichkeit dar. In ihrem Bereich sind die Aussagen gegeben, deren Beschreibung Otto in der Analyse des Heiligen vollzieht. Die dritte und letzte Stufe nimmt den Sündenbegriff endlich in einer Form auf, in der die erste Stufe wiederholt, aber „auf einer ungeheuer höheren Ebene" 65 wiederholt wird und sich die moralische Sphäre unterordnet. Das an dieser Beschreibung Interessante und Auffällige ist ohne Zweifel der Doppelcharakter der ersten Stufe, die sich nach einer inneren und äußeren Seite darlegt. Die Zusammengehörigkeit der beiden Seiten ermöglicht einmal die Abkehr von der Wundtschen Konstruktion der Religion66, als deren Mangel erkannt wird, daß sie lediglich auf die äußere Seite Bezug nimmt. Zugleich ist es das Eigentümliche der solchermaßen charakterisierten Stufe, daß die Werte, die Otto als numinose beschreibt, ihre Herkunft aus dem sozialen Zusammenleben an sich tragen. Dasjenige was sich in der Erfahrung als Verinnerlichung des Numinosen zeigt, ist der Reflex von moralischen Werten. Die Frage, warum die Religionsphilosophie Ottos den Begriff des Numinosen einführte und ihn zur Darstellung der Religion fruchtbar machte, ist deutlich. Der Begriff des Numinosen ist mehrschichtig; er umfaßt nicht nur die religiösen Grenzerlebnisse, sondern auch deren Schematisierungen in der einfachen Frömmigkeit. Es mag als eigentümlich erscheinen, daß diejenige Vorstellung, die zu den problematischen seines Denkens gezählt wurde, gerade den Zusammenhang trägt, in den seine Arbeiten einzuordnen sind. Die Grundzüge der Religionsauffassung Rudolf Ottos sind mit der 64 65 66

SU 8. SU 11. SU 4 ff.

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Aufweis des Zusammenhanges von Religion und Christentum

Skizzierung der die Schrift über „Das Heilige" bestimmenden Grundbegriffe angedeutet. Das eigentümliche Oszillieren zwischen der Kategorie des Numinosen und der Kategorie des Heiligen läßt sich abschließend verstehen als Ottos Antwort auf die Frage, wie sich auf dem Gebiete der Deutung der Religionen Allgemeinbegriff und Normbegriff der Religion zueinander verhalten. Das Numinose, das noch nicht von seinen Reflexen gereinigt ist und sich selber nodi nicht rein als das Gewahren des Heiligen versteht, sondern in mysterium tremendum und fascinosum schwebt, wäre der Allgemeinbegriff der Religion. Hingegen wäre das Heilige, in dem sich das Abstoßen der Reflexe des Numinosen in das Niedere vollzieht und das damit den tiefen ethischen Kontrast von heilig und unheilig als den wahren Gehalt des religiösen Ursprungserlebnisses bewußt macht, der Normbegriff der Religion. Was sich aus der Kategorie des Heiligen als der Norm der Religion ergeben hat, ist freilich die Reproduktion der christlichen Vorstellung von der allgemeinen Sündhaftigkeit. Der Zusammenhang der christlichen Lehre von der allgemeinen menschlichen Sündhaftigkeit mit dem, was in aller Religion in der Erfahrung des Widerwertes empfunden wird, ist im Numinosen gegeben. Es ist nun jedoch bezeichnend, daß, sobald Otto auf die Kategorie des Heiligen und auf die Ethisierung der Religion zu sprechen kommt, er sich immer mehr des in christlicher Theologie und Frömmigkeit geläufigen Sprachgebrauchs bedient. Das ist keine bloße Zufälligkeit; im Grunde ist Otto der Überzeugung, daß das echte Gewahren des Heiligen dem christlichen Glauben sein eigentümliches Gepräge gibt. Damit wird der christlichen Religion der Rang zugebilligt, daß sie allein das zureichende Gefäß für die Erfüllung des Normbegriffes darstellt. Hiermit wäre denn auch der letzte Schein, als ob Otto in seinem Buch über „Das Heilige" eine Rücklenkung zum Paganismus vollzieht, getilgt. Der Übergang zu den nachfolgenden Schriften, insbesondere der über „Reich Gottes und Menschensohn", in denen er sich als christlicher Denker erweist, ist vollzogen.

III. DIE FOLGERUNGEN AUS DEM ZUSAMMENHANG V O N RELIGION U N D CHRISTENTUM 1. Das Heilige und die Person

Jesu

Die Beschreibung des Heiligen und seiner Erscheinung im geschichtlichen Medium folgt der „Logik numinoser Gefühls-explikation" 1 , deren kategoriale Elemente unabhängig „von den zufälligen Schwankungen exegetisdier Ergebnisse und der Qual geschichtlicher Rechtfertigungen" 2 , ihre Bestätigung in dem Selbstaufweis der religiösen Erfahrung empfangen. Die religiöse Erfahrung als allgemeine Anlage erschließt sich in ihrer Eigentümlichkeit aber erst dann, wenn sie als „der G e i s t . . . in der Form des testimonium spiritus" 3 auf diejenige Religion bezogen wird, in der sie „actus purus" geworden ist.4 Religiöse Anlage und spiritus sanctus, Religion und Christentum bleiben auch dann Korrelatbegriffe, wenn die besondere, individuelle Religionsgestalt sich als Vollendung der Religion erweisen soll, von der her die Religionsgeschichte selber im Schema von revelatio generalis und specialis5 ihre Deutung erhalten kann. Diejenige Religion, die als Vollendung der Religionen verstanden wird, ist das Christentum. Seiner religiösen und theologischen Geschichte sind die Begriffe entnommen, die sich bei der Analyse der religiösen Erscheinungen als konstitutiv herausstellten. In dem Buch „Reich Gottes und Menschensohn", das zu den letzten Veröffentlichungen Rudolf Ottos zählt, wird man, obwohl er es einen „religionsgeschichtlichen Versuch" genannt hat, seinen eigenen theologischen Beitrag zur Deutung des Christentums erblicken dürfen.' Der 1 2 3 4 5 6

RGMS 12. D H 200 f. D H 204. D H 72. GU 63. A. Jülicher, Besprechung von Rudolf Otto, Reich Gottes und Menschensohn, ThLZ 1934, 232: „Ich wenigstens vermag die Grenze zwischen dem Theologen und dem Religionshistoriker nicht so zu ziehen, wie es hier geschieht." — Vgl. H. Frick, Wider die Skepsis in der Leben-Jesu-Forschung. Zu Rudolf Ottos Jesus-Buth, ZThK 1935, 2.

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Folgerungen aus dem Zusammenhang von Religion und Christentum

in dem Untertitel der Schrift angedeutete Vorbehalt empfängt seinen Sinn nicht allein aus der die Untersuchung bestimmenden methodischen Einstellung 7 , sondern er gibt in unausgesprochener Weise zu erkennen, daß schon eine religionsgeschichtliche Befragung der neutestamentlichen Texte sich in der Erkenntnis der Person Jesu einer die „Kritik mit Skepsis verwechselnden" 8 Theologie als überlegen erweist. Die Historizität von Ereignissen aus dem Leben Jesu, die Echtheit der Überlieferung über seine Person und sein Werk sind hinsichtlich des Realitätsund Gewißheitscharakters aus der Logik der „religiösen Konzeption"' zu verstehen, die, einzigartig an Größe und Tiefe 10 die entsprechenden Reaktionen hervorrief, deren literarischen Niederschlag die Evangelien aufbewahrt haben. Zugleich aber bereitet sich in der Form der religionsgeschichtlichen Betrachtung ein Wandel in der Auffassung von Christologie vor. A n den nachgelassenen Manuskripten Rudolf Ottos zur Glaubenslehre 11 fällt auf, daß sie keine Christologie enthalten. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat Otto die in ihr enthaltenen Materialien zur Ausarbeitung seines Buches „Reich Gottes und Menschensohn" benutzt. 12 Diese an der äußeren Beschaffenheit des Nachlasses gemachte Beobachtung bestätigt die Vermutung, daß Otto die Aufgabe der Christologie 7

„Ist Jesus ,der Christus Gottes' gewesen? Diese Frage ist keine religionsgeschichtliche sondern eine Glaubensfrage und kann darum in unserer Untersuchung, die religionsgeschichtlidi verfahren will, nicht gestellt werden. Sie reduciert sich für eine religionsgeschiditliche Untersuchung auf die Frage: War das Sendungs-bewußtsein Jesu messianisch bestimmt oder nicht, und wenn, in welchem Sinne?" RGMS 127. 8 R. Bultmann hat diese polemischen Anspielungen (RGMS 32. 38. 45. 54. 127. 182) zutreffend als ihn meinend verstanden. Besprechung von Rudolf Otto, Reich Gottes und Menschensohn, ThR 1937, 1—35, vgl. 2. » RGMS 127. 10 RGMS 158. 11 Die Vorlesungen zur Glaubenslehre liegen in zwei Fassungen vor, die aus dem SS 1924, WS 1924/25 und aus dem SS 1927 stammen. Sie stellen einen jeweils in sich zusammenhängenden Text dar, der freilich mit Brudistiicken und Kapiteln aus früheren Jahren angereichert ist. Vgl. R. Schinzer, Werturteil und Seinsurteil in den nachgelassenen dogmatischen Vorlesungen Rudolf Ottos, Theol. Diss. Marburg 1967, 8 ff. 12 Der Aufbau der „Glaubenslehre II" aus dem WS 1925/26 enthält folgenden Grundriß der Christologie: II der Glaube als arravita. § 1 Vorbemerkung. § 2 Glaube und innere Erneuerung B. Die gläubige Erkenntnis Christi. § 1 Einleitung. § 2 Die Quelle unserer Aussagen über Christum.

Das Heilige und die Person Jesu

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auf eine Durchleuchtung der Geschichte Jesu beschränkt wissen wollte. Die systematische Theologie, die sich dementsprechend als Verstehen einer geschichtlichen Wirklichkeit begreift, verzichtet damit auf die Form eines konstruktiven theologischen Systems und stellt sich lediglich als die Entfaltung einer Glaubenserfahrung und ihres Grundes dar. Die solchermaßen verstandene Aufgabe der Christologie, der es primär um den Zugang zur geschichtlichen Realität der Person Jesu zu tun ist, legt sich nicht in allgemeinen Behauptungen dar, sondern nimmt in erstaunlichem Umfang auf die exegetische Arbeit Bezug. 13 Sie macht dadurch aber die Schwierigkeit bewußt, der jeder das Wesen der Person Jesu deutende Versuch unterliegt, daß die Grundlagen des exegetischen Verständnisses der Evangelien gleichsam neu bestimmt werden müssen und damit in den Streit der neutestamentlichen Wissenschaft geraten. Der Interpretationsversuch Rudolf Ottos zur Person Jesu ist den Bedenken der neutestamentlichen Forschung in hohem Maße ausgesetzt gewesen. 14 Sowohl die Geschichte des Christentums als auch die theologische Situation bringen es mit sich, daß Otto bei der Beschreibung des Hauptbegriffes der Verkündigung Jesu, des Gedankens vom Reich Gottes, mit einer Polemik gegen mißverständliche Deutungen einsetzt. Diese Mißverständnisse können als in dreifacher Richtung liegend charakterisiert Abschnitt I: Erste Auffassung Christi § 1 Gesichtspunkte. § 2 Der Grundtypus Jesu als Heilandsgestalt. § 3 Die schenkende Religion und der suchende Gott. § 4 Auszahlungen. § 5 Das Mysterium Christi. Abschnitt I I : Das Bekenntnis seiner Gemeinde zu Christus. § 1 Vorbemerkung. § 2 Christus als Wort. § 3 Christus der versöhnende Mittler des neuen Bundes. § 4 Christus der König in der messianisdien esdiatologischen Endgemeinde. Vorlesungsmanuskripte zur Glaubenslehre, Rudolf Otto-Nachlaß der theologischen Fakultät Marburg. 13

Die exegetischen Beobachtungen und die zum Teil problematischen religionsgeschichtlichen Konstruktionen, die Otto in seinem Buch vorträgt, sind von der neutestamentlichen Wissenschaft mit erheblichen Bedenken aufgenommen worden. Vgl. R . Bultmann, a. a. O., 3. 4. 2 2 ; A. Jülicher, a. a. O., 2 3 1 ; M. Dibelius, Besprechung von Rudolf Otto, Reich Gottes und Menschensohn, GGA 1935, 212. Ottos Versuch, die Vorstellung vom Reich Gottes aus der VarunaReligion herzuleiten, — RGMS 9 ff., G U 125 ff. — bedeutet trotz des Anspruchs auf historische Verifizierbarkeit die Explikation des Schemas von revelatio generalis und specialis. Vgl. W . Haubold, Die Bedeutung der Religions-Geschichte für die Theologie Rudolf Ottos, 1940, 75 f.

14

Vgl. insbes. R. Bultmann, a. a. O., 34.

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Folgerungen aus dem Zusammenhang von Religion und Christentum

werden. Zunächst ist die Auffassung Jesu vom Reich Gottes in ihrer spezifischen Eigenart dadurch zu bestimmen, daß sie, obwohl ihre Herkunft aus der spätjüdischen Apokalyptik unbestreitbar ist, etwas „erregend Neues" 15 zum Ausdruck bringt. 18 Der Gedanke Jesu vom kommenden Reich ist also nicht als „Fortsetzung apokalyptischer Fantastik" 17 zu verstehen. Dann aber ist die von der kirchlichen Tradition vollzogene Identifizierung des „regnum Christi" 18 mit dem Gedanken der Kirche als eine Verdunkelung der Reich-Gottes-Vorstellung zu begreifen.19 Und endlich ist die Reduktion der Reich-Gottes-Idee auf den „Ruf von ,Anspruch und Entscheidung'" 20 oder auf die Angabe des punktuellen Jetzt seiner Verwirklichung als den Sinn der „Idee einer r e t t e n d eindringenden Gottesmacht" 21 verstellend deutlich zu machen.22 Alle drei Auslegungsformen des Gedankens vom Reich Gottes verkennen den urchristlichen Glauben an die Parousie Jesu, der als der Glaube an die Gegenwärtigkeit Jesu verstanden sein will. Die Kategorie, die Otto die polemische Verwahrung ermöglicht, hat er in der „Idee der ,Wunderbarmachung' und des Himmelreiches als neue und andere Sfäre und Daseinsform geheiligten und darum notwendig nicht mehr weltlichen Daseins" 23 dargelegt. Wenn er also diesen von ihm abgelehnten eschatologischen Auffassungen vom Reich Gottes gegenüber den wahren Sinn des Gedankens vom Reich Gottes bei Jesus aufweisen will, so ist zunächst an eine überraschende strukturelle Paral15 16

17 18 le 20 21 22

2S

RGMS 34. „Über den Inhalt spekuliert Jesus nicht und lehrt nichts besonderes und eigenes darüber, schon weil er selber nicht ,Apokalyptiker* ist und er keine Apokalypsen, keine Enthüllungen über transcendente Weltdinge bringt. So völlig seine Predigt auf der spätjüdischen Eschatologie . . . ruht, so wenig liegt seine Predigt in der Linie einer Fortsetzung apokalyptischer Fantastik." RGMS 34 f. RGMS 35. RGMS 122. RGMS 122 f. RGMS 32, vgl. 39. 83. RGMS 83. „Denn nicht meine Existenz stellt Christi Bußruf in Frage sondern meine Gerechtigkeit vor Gott, und nicht Sicherung meiner Existenz stellt seine Botschaft in Aussicht sondern das ,Heil'. Die Frage nach dem Heil aber auf .Existenzfragen' zu reducieren oder sie überhaupt nur mit ihnen in die Reihe zu bringen ist wohl die fatalste Verfilosofierung und Profanisierung, die original religiösen Konzeptionen widerfahren kann." RGMS 38. RGMS 40.

Das Heilige und die Person Jesu

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lele mit Gedankengängen im „Heiligen" zu errinnern. Diese Parallele wird zugleich eine nachträgliche Bestätigung der Interpretation dieser Schrift; der von Otto verneinte Reich-Gottes-Begriff mit seiner Schwebe zwischen merkwürdiger Phantastik und Kirchengedanken entspricht der Kategorie des noch ungeläuterten Numinosen. Ebenso wie Otto aus dem Numinosen als wahrem gemeinten Kern das Heilige heraushebt, ebenso steht nun dem abgewehrten Begriff vom Reich Gottes, wie er Gegenstand der religionsgeschichtlichen Forschung ist, der wahre Begriff vom Reich Gottes als Gestalt des Heiligen gegenüber. U n d auch darin zeigt sich die Parallele, daß die Anschauung vom Reich Gottes im Sinne des Evangeliums genauso wie es Otto im allgemeinen an der Kategorie des Heiligen dargelegt hat, der Ethisierung und Synthetisierung mit der Vernünftigkeit fähig ist. 24 Die Idee des Reiches Gottes, die nach Otto der eigentliche Inhalt der christlichen Eschatologie ist, gewinnt durch den religionsgeschichtlichen Vergleich 25 insofern an geschichtlicher Konkretion, als der abstrakte Gedanke, daß die Verkündigung Jesu entweder mit unterschiedlichen Inhalten zu füllen oder in dem Begriff der „Entscheidung" zusammenzufassen sei, durch die Vorstellung ersetzt wird, daß das Reich Gottes „die Idee eines absoluten Heilsgutes (ist), indefinibel und indefiniert wie alle ,Heilsgüter'. Sein höchster Inhalt ist, daß wer reinen Herzens ist, Gott schauen wird." 2 6 Der Begriff der Eschatologie kann ohne die Bezugnahme auf das qualitativ Besondere der Botschaft Jesu mancherlei umfassen, und der religionsgeschichtliche Vergleich ist der eindringlichste Beleg dafür, daß der Begriff des Reiches Gottes keine dem Christentum spezifische Züge betreffen muß. Begriff und Gehalt des Reiches Gottes umfassen als die Grundstimmung den Vorgang, in dem Menschen zu Kindern Gottes werden. „Ihr unmittelbares Korrelat hat diese (eindringende Gottesmacht) in dem ,neuen' Gott, den er bringt, dem Gott, der nicht der den Sünder verzehrende sondern den Sünder suc h e n d e Gott, der zugleich der aus seiner Transcendenz wieder g e n a h t e , nach Kindersinn und kindlichem Vertrauen fragende, nicht nur von Teufels-furcht sondern von aller Furcht und Sorge befreiende, das ganze Leben mit kindlicher Sorgelosigkeit erfüllende Vatergott ist." 2 7 Der Bußruf Jesu bedeutet also nicht die Anerkennung der Autorität 24 25 26 27

5

RGMS36. RGMS9—33. RGMS43. RGMS83. Schütte, Rudolf Otto

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Folgerungen aus dem Zusammenhang von Religion und Christentum

Gottes, das „Sich-Entscheiden in der Situation" 28 , sondern er gibt ein „Ziel radikaler Sinnesänderung auf, das als solches jenseits alles Willensvermögens ist".29 In diesem Zusammenhang ist auf eine Eigentümlichkeit der Evangelienauslegung Ottos aufmerksam zu machen, die sich als Rückkehr zu der neutestamentlichen Forschung des 19. Jahrhunderts verstehen läßt. Wenn Otto die Art und Weise des Empfangens des Reiches Gottes an dem Matthäus-Text (18,3) darlegt, so ist die Korrespondenz seiner Aussagen zu denen F. Chr. Baurs unverkennbar. Bei F. Chr. Baur heißt es: „In welchem Contrast dieser rein sittliche Begriff vom Reich Gottes mit den gewöhnlichen Vorstellungen der Juden und ihren Ansprüchen auf dasselbe stand, zeigt der gegen die Jünger gerichtete Ausspruch Jesu Matth. 18,3: Wenn ihr nicht umkehret und werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen. Nur der anspruchslose, unbefangene Sinn der Kinder eignet sich für das Reich Gottes, das erste Erforderniß ist also, daß man sich aller Ansprüche entschlägt, die nicht auf sittlicher Würdigkeit beruhen, und in seinem sittlichen Bewußtsein sich des Mangels an allen Ansprüchen und der Nothwendigkeit, sich von allem loszureißen, was sich mit dem Reich Gottes nicht verträgt, bewußt wird." 30 Selbstverständlich besteht zwischen Baur und Otto eine gewisse sprachliche Differenz im Ausdruck. Sieht man von dieser, wie billig, ab, so dürfte man sagen, daß das, was Otto als wahren der Kategorie des Heiligen gemäßen Sinn der Anschauung Jesu vom Reich Gottes gemeint hat, in den Worten Baurs ziemlich entsprechend formuliert ist. Das bedeutet aber, daß die Anschauung Ottos vom Reich Gottes, obwohl sie sich durch singuläre Wendungen darlegt, im Zusammenhang neutestamentlicher Forschung steht. Das Besondere, das Otto in die Grundvorstellung Jesu vom Reich Gottes hineinlegt, besteht darin, daß er entsprechend der Kategorie des Heiligen die Deutung des religiösen Verhältnisses als Beziehung auf das ,Ganz Andere' versteht, das wie ein Wunder in das geistig vernünftige Leben hineinleuchtet und sich dodi ethisch wie intellektuell damit verbinden kann. Der Sinngehalt von Ottos Verständnis der Reich-GottesIdee als des „umfassenden Erlösungsgeschehens"31 ist freilich erst 28 29 30

31

RGMS43. RGMS 94 f. Vorlesungen über Neutestamentliche Theologie, Hsg. von Ferd. Friedrich Baur, Leipzig 1864, 71. RGMS 81.

Das Heilige und die Person Jesu

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dann offenbar, wenn auf das zweite Stichwort im Titel seiner Schrift hingewiesen wird. Indem Otto das Reich Gottes als das Wunder 32 , als das dem Sinn dennoch aufschließbare ,Ganz Andere' darstellt, bahnt er sich den Weg zu der eigentlichen Spätgestalt seiner Christologie. Das Reich Gottes als das Sinntiefe und Wunder in sich Begreifende, stellt sich für ihn gegenwärtig dar in der Person Jesu als des leidenden Menschensohnes.33 Wenn man Jesus in diesem Sinn als Menschensohn erkennt, so ist es beinahe zu wenig gesagt, daß er der Träger des Reiches Gottes ist, durch den dieses Reich zu den Menschen kommt. Es müßte vielmehr heißen, daß Jesus als der leidende Menschensohn die immer noch künftiger Erfüllung fähige Gegenwart des Reiches Gottes auf Erden ist.34 Der letzte und höchste Gedanke der Schrift Ottos ist diese eigentümliche Verbindung von Reich Gottes und Menschensohn in der Person Jesu. Die Frage indes, welche Auffassung der Person Jesu der Darstellung Ottos zugrunde liegt, ist schwer zu beantworten. Man wird nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß Otto sich an dem Begriff von Persönlichkeit orientierte, der der Vorstellung des großen, eigentümlichen Individuums erwachsen ist.35 Der Bereich des geschichtlichen Werdens, der als der Bereich des Innewerdens des religiösen Geheimnisses verstanden wird 36 , manifestiert sich in den historischen Persönlichkeiten, die ihrer Herkunft nach „eine wirkliche Offenbarung" 37 des Heiligen sind. Was sie in ihrem Personsein auszeichnet, ist die unmittelbare Identität von individueller Gestalt und der von dieser dargestellten Sache. Es gehört zu ihrer Ursprünglichkeit, daß sie sich sowohl als eine Produktion aus dem Göttlichen verstehen als auch als dessen Repräsentation. Sie selber sind die Einheit der sonst auseinanderfallenden Momente. Die Person Jesu ist als das Wunder zu begreifen, in der ein Neues aus den Tiefen des Geistes in die Geschichte eintritt. 38 Jesus wird also als diejenige Persönlichkeit verstanden, die die letzte und entscheidende Sache sagt und zwar auf eine Weise, daß die Person Trägerin der Sache ist oder die Sache selber. „Denn vom Sinn der die Botschaft tragenden 32 33 34 35 38 37 38

5*

RGMS55. RGMS 207 ff. RGMS 83 f., 109. 120. 123. R. Bultmann, a. a. O., 34. 32. D H 185 f., 173 ff. D H 183. RGMS 135 f.

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Folgerungen aus dem Zusammenhang von Religion und Christentum

Gestalt hängt auch wesentlich der Sinn ihrer Botschaft selber ab, denn Gestalt und Botschaft bilden eine Einheit, und in ihrer Einheitlichkeit wollen sie erfaßt sein."39 Insofern ist Jesus der vollendete Prophet und der vollendete ,Sohn'.40 Die Botschaft vom Reich Gottes, die der Gegenstand seiner Verkündigung ist, bezieht die Person ganz in sich ein41, und die Person ist nur zu erfassen durch das Verhältnis, das sie zu der Botschaft vom Reich besitzt. Die Konvergenz von Person und Sache hat im Blick auf die Gestalt Jesu keine Grenzen. 42 Die Person Jesu hat diese Identität in der Form des „Sendungsbewußtseins" 43 ausgesprochen, und sie hat ihm eine Deutung gegeben, „an die niemand gedacht hatte und an die niemand denken konnte: die Synthese des Christus mit — dem leidenden und sterbenden Gottesknechte."44 Diese „neue Synthese" 45 ist kein Produkt der Gemeindetheologie, sondern die Produktion der Gemeinde ist lediglich die fortgesetzte Produktion Jesu. „Nicht Kollektiva erzeugen die großen revolutionären Ideen, sondern große revolutionäre Ideen erzeugen neue Gruppenbildungen mit neuem Milieu." 4 ' Jesus als der Künder und Bringer des Reiches Gottes ist also als Vollendung dessen begriffen, was Gott durch menschliche Personen tut. Er ist das Zentralindividuum. Der Begriff des Reiches Gottes befindet sich freilich in kritischer Antithetik und erfüllender Bejahung zu den Wundern des göttlichen Tuns. Indem Jesus der Vollender der produktiven Persönlichkeit und der darstellenden Persönlichkeit ist, erweist er sich als der leidende Menschensohn auch als die Vollendung des Menschlichen wie als die Zersprengung des Menschlichen. Sein Leiden ist der Ausdruck dieser Paradoxie. Als der Sohn aber ist er die eschatologische Heilsgestalt, die selber als integrierender Bestandteil zum hereinbrechenden Eschaton gehört.47 Die Betonung der Identität von Person und Verkündigung in der Gestalt Jesu ist übrigens schon in der Urauflage des Heiligen angelegt. 38 40 41 42 43 44 45 46 47

RGMS 57 f. D H 205. RGMS 80 f. RGMS 129. RGMS 129. RGMS 205. RGMS 207. RGMS 206. RGMS 62.

Religion und Christentum

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„Parallel ist es auf dem Gebiete des religiösen Gefühles, der religiösen Hervorbringung und Offenbarung. In der Masse ist die „Anlage" nur als die Rezeptivität, als Erregbarkeit f ü r Religion und für eigenes freies Anerkennen und Beurteilen. Allgemeine Anlage ist der ,Geist' nur in der Form des Testimonium spiritus internum', und auch in dieser Gestalt nur, ubi ipsi visum fuit. Die höhere Potenz und Stufe, unableitbar aus der ersten Stufe bloßer Rezeptivität, ist hier nicht der Künstler sondern der Profet, der den Geist als das Vermögen der .Stimme von innen' und als das der Divination und durch diese als religiöse Produktionskraft besitzt. — Über dieser Stufe aber läßt sich eine noch höhere, dritte denken und erwarten, unableitbar wieder aus der zweiten: die desjenigen, der einerseits den Geist in der Fülle hat andererseits selber in Person und Leistung zugleich zum O b j e k t e der Divination des erscheinenden Heiligen selber wird. Ein solcher ist mehr denn Profet. — Er ist der Sohn." 48 Es ergibt sich hier also wiederum die Bestätigung f ü r die innere Folgerichtigkeit des Denkens Rudolf Ottos. In den Sdilußworten des „Heiligen" ist das Alterswerk über „Reich Gottes und Menschensohn" präformiert. Was im „Heiligen" noch gefehlt hat, ist, daß der Sohn die Einheit von Prophet und Träger des Reiches Gottes als der leidende Menschensohn ist, der in den Tod geht. Diese Beziehung auf das Leiden des Gekreuzigten, die durch die Einführung des Begriffs vom Menschensohn gegeben ist, läßt das, was O t t o im „Heiligen" sagt, erst in seiner unausdenklichen Tiefe erscheinen. Wenn der leidende Menschensohn zugleich der Verkünder und die Gegenwart des Reiches Gottes auf Erden ist und eben darin Darstellung und Ahnung des Heiligen, so ist noch einmal deutlich geworden, daß die Kategorie des Heiligen die Tiefen des Numinosen, die geahnt werden, in sich birgt.

2. Religion und

Christentum

Der Frage nach dem Verhältnis von Religion und Christentum hat sich dieselbe methodische Unsicherheit mitgeteilt, die die auf eine generalisierende Erfassung geschichtlich komplizierter Sachverhalte und Sinngebilde gehende Erkenntnis betroffen hat. Einer sich zunehmend differenzierenden historischen Betrachtung mußte vor allem die Gewinnung 49

DH1185.

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Folgerungen aus dem Zusammenhang von Religion und Christentum

von Wesensbegriffen problematisch erscheinen, die dem Verdacht philosophisch oder theologisch schwer zu rechtfertigender Voraussetzungen unterlag. Der Religionsbegriff insbesondere schien von gerade derjenigen Mehrdeutigkeit ereilt zu werden, die er aufzuheben getrachtet hatte. Aus verschiedenen Motiven zwar, aber mit verwandtem Resultat, hat der Begriff der Religion sowohl durch die Religionswissenschaft als auch .durch die Theologie seine Bedeutung mehr und mehr eingebüßt. 1 Was diesem Vorgang seine sich über Einzeldifferenzen erhebende Einheitlichkeit gibt, ist das Bewußtsein der gemeinsamen Abkehr von dem „Zeitalter des Rationalismus, des deutschen Idealismus und der Romantik". Es ist nur folgerichtig, wenn sich dieses Urteil auf die religionsgeschichtlichen Arbeiten Rudolf Ottos erstreckt. „Ausgangspunkt der verhängnisvollen Entwicklung der deutschen Religionswissenschaft — im Unterschied zur vorausgehenden guten historisch-philologischen Tradition — ist der bekannte Marburger Theologe Rudolf Otto." 2 Daß sich freilich auch einem „gesunden, maßvollen Positivismus" 3 die Frage nach dem Religionsbegriff als unabweisbar ergibt, deutet auf einen Zusammenhang, der die wissenschaftstheoretische Gegensatzbildung zu übergreifen imstande ist. „Das schwierige Problem, wie aus der historischen und systematischen (vergleichenden) Arbeit — vor allem aus der letzteren — ein Religionsbegriff gewonnen werden kann, möchte ich hier nicht behandeln, sondern nur aufwerfen." 4 Das religionsphilosophische Interesse, das Otto zu einer den Religionen gegenüber ange1

2

3

4

„Zunächst muß entschieden herausgestellt werden, daß es für den Historiker im strengen Sinn d i e Religion überhaupt nicht gibt, sondern nur Religionen. D i e Religion ist eine Abstraktion der Metaphysik oder Theologie, die für uns in erster Linie aus dem Zeitalter des Rationalismus, des deutschen Idealismus und der Romantik . . . überkommen und entsprechend belastet ist. . . . Außerdem ist auch von theologischer Seite (besonders der dialektischen) eine rückhaltlose Kritik am herkömmlichen Religionsbegriff geübt worden, die nicht ohne Einfluß auf die religionswissenschaftliche Bestimmung sein dürfte." K. Rudolf, Die Problematik der Religionswissenschaft als akademisches Lehrfach, Kairos IX, 1967, 32 f., vgl. 38 ff. a. a. O., 34 — vgl. K. Rudolf, Die Religionsgeschichte an der Leipziger Universität und die Entwicklung der Religionswissenschaft, Berlin 1962 (Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, Philol.-hist. Kl. 110:2), 55—60. Die Problematik der Religionswissenschaft als akademisches Lehrfach, a. a. O., 40. a . a . O . , 33.

Religion und Christentum

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messenen Theoriebildung nötigte, ist aber nur hinreichend zu verstehen, wenn man sich die Belastungen vergegenwärtigt, die in den Bedenken der gegenwärtigen Religionswissenschaft lediglich eine neue Formulierung gefunden haben. Otto hat die mit dem Religionsbegriff sich ergebenden Schwierigkeiten zunächst in dem Sinne als eine Klärung empfunden, als den geläufigen Konstruktionsversuchen, die aus dem Wesen der Religion in einem gleichsam deduktiven Verfahren die Begriffe vom Christentum und vom Protestantismus abzuleiten unternahmen, das Recht und die Schlüssigkeit abgesprochen wurden. Er hat insbesondere die von Schleiermacher vollzogene kritische Destruktion des Begriffs „der natürlichen Religion" 3 als den Verzicht verstanden, sowohl aus den gegebenen positiven Religionen einen Allgemeinbegriff oder eine „angebliche Universalreligion" 6 ermitteln zu können als auch umgekehrt die geschichtlichen Religionen als Individualisierungen eines Begriffs von „Religion überhaupt" 7 zu begreifen. „Es geht nicht an, zunächst einen Allgemeinbegriff des ,Wesens' der Religion aufzustellen, sodann auf ein principium individuationis sich zu besinnen, und daraus die species, die individuellen Ausprägungen jenes gemeinschaftlichen Wesens zu konstruieren. Die wirklich vorhandenen empirischen Religionen sind nicht species eines übergeordneten Begriffs von Religion, sondern Glieder einer historischen Werdekette, einer Entwicklungsreihe, deren letztes längst eine μετάβασις εις αλλο γένος durchgemacht haben k a n n . . . Das Ende der Reihe fällt mit ihren Ausgängen und Seitentrieben nicht mehr unter einen, genau passenden Begriff. Religion ist nicht der Oberbegriff, darunter ,die Religionen' zu subordinieren . . . , sondern vielleicht ein Gemeinsames in allen, darunter sie zu subsummieren sind . . . , besser noch ein Name für ein Entwicklungsgebiet, in dem die einzelnen Phasen ,die Religionen' wesentlich heterogene Elemente gewinnen können, sodaß ihre letzte von der ersten sich scheiden mag, nicht nur g r a d u e l l . . . sondern auch spezifisch — für ein Entwicklungsgebiet, das nach innen und außen schärfere historische als begriffliche Grenzen hat." 8 Es ist eine eigentümliche, die historische Erkenntnis in ihrer Ambivalenz charakterisierende Überlegung, wenn Rudolf Otto die Wahrnehmung der geschichtlichen Gebilde als Reflex ihrer bestimmten individuellen Besonderheiten versteht und zugleich den 5 6 7 8

Reden 177, vgl. SU 134 f. Reden 177. SU 135. Reden 177 — vgl. SU 135, 138 ff.

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Folgerungen aus dem Zusammenhang von Religion und Christentum

Modus geschichtlicher Gegebenheit zu der Unbestimmtheit rechnet, die das Erfassen der Religion auf eine Theorie hinlenkt, von der her der Akt der historischen Betrachtung erst seinen Sinn empfängt. Denn was die Erkenntnis der positiven Religionen ermöglicht, was den Blick auf ihre historische Zuordnung leitet, ist selber nicht wieder geschichtlich bedingt, sondern ein in der Vernunft liegendes Vermögen, das als Anlage die Reize entgegennimmt und sich in den Konkretionen der religiösen Erscheinungswelt des Gemeinsamen bewußt ist.9 Dieses unableitbare Datum der Verwurzelung der Religion in der Vernunft hat Otto freilich als der „religionskundlichen Betrachtung" zugehörig von der theologischen, der es der Erweis des Geistes ist, in dem Gott sich bezeugt, unterschieden.10 Beide Hinsichten aber, und darin entsprechen sie den Korrelatbegriffen von Religion und Christentum, sind von dem Bewußtsein getragen, daß das zu beschreibende Objekt auf einer Erfahrung beruht, die weder aus einer anderen deduzierbar ist, noch auf dem Wege logischer Stringenz die Erkenntnis überführen kann. Es ist in ihnen auf ein Prinzip der Unmittelbarkeit Bezug genommen, das der historischen Analyse wie der theologischen Deutung als Voraussetzung zugrunde liegt. Es entspricht dieser Einstellung, wenn Otto das Problem der Religion weniger nach der Seite seiner allgemeinen Beschaffenheit als dringlich empfand, sondern die Parallelität der Religionen, die sich in dem Erlebnis des Numinosen bekundete, zum Anlaß nahm, den den Religionen innewohnenden eigentümlichen Geist zum Gegenstand seiner Überlegungen zu machen. Gerade bei der Annahme, daß die Religionen an der Identität bestimmter Vorstellungen teilnehmen, mußte sich die Frage ergeben, warum das Besondere mit dem Anspruch auf Wahrheit auftritt. Die „Religionsvergleichung" ist die Vorbereitung zur „Religionsmessung"; die Religionsgeschichte Voraussetzung der Theologie.11 Das ' „Das Verwandte in ihrer Erscheinung und das Prinzip dieser Verwandtschaft ist fühlbar, und ein Gefühl um dieses leitet uns, wenn wir selbst so verschiedene Geisteshaltungen wie etwa Mahäyäna und Islam mit Sicherheit in ein Gebiet zusammenordnen, dieses Gebiet als das ,der Religion' aussondern von Kunst, Wissenschaft, Wirtschaft, ethischer Kultur." SU 135 — vgl. A. Paus, Religiöser Erkenntnisgrund, 1966, 173 ff. 10

G U 58—63 bes. 63.

11

Visnu-Narayana, 1917, 151; G U 63; vgl. W. Haubold, Die Bedeutung der Religionsgeschichte für die Theologie Rudolf Ottos 1940, 76—88.

Religion und Christentum

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Verhältnis von Religion und Christentum empfängt mit der Entfaltung dieser Begriffe seine nähere Erläuterung. Der Begriff der Religionsentwicklung, der hinsichtlich der Erklärung der bestehenden Religionen zu einer Anzahl von Ursprungstheorien geführt hat 12 , ist von Rudolf Otto mit erheblichen Vorbehalten aufgenommen worden; er hat sich freilich der in ihm liegenden Möglichkeiten zur Beschreibung eines sich modifizierenden Erlebnisses vom numen praesens nicht völlig entziehen können, aber er hat auf jeden Versuch verzichtet, die Religion aus den Vorformen „der .dämonischen Scheu' und der manischen Besessenheit, der rohen Urmystik des dämonischen Taumels und des ekstatischen Tanzes, der magischen und sakralen Praktiken" 13 herzuleiten. Die Wundt-Rezension hat als unwiderrufliches Ergebnis die Einsicht bewußt werden lassen, daß alle auf ,Heterogonie' beruhenden Konstruktionen des religionsgeschichtlichen Prozesses das eigentümliche, in der Erfahrung des Heiligen sich erschließende Wesen der Religion verfehlen. 14 Ottos Anwendung des Entwicklungsbegriffs auf den disparaten Stoff religiöser Erscheinungen ist geleitet von dem Gedanken eines in der Entwicklung sich erhaltenden, die Identifizierung ermöglichenden Momentes der Religion. „Die Religion fängt mit sich selber an" 15 , in dieser Formulierung ist zusammengefaßt, was Otto meint, wenn er die Explikation der Religion als einen entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhang zu begreifen versucht. Die Vorgestalten der Religion, wie sie etwa in der „dämonischen Scheu" vorliegen mögen, sind von dem Begriff der Religion nur insofern mitumfaßt, als sie sich dem Gefühl des Numinosen zuordnen lassen. Die Religion selber ist aus der Welt des Dämonischen nicht zu verstehen, sie ist umgekehrt ihre Überwindung, die durch den Prozeß der Humanisierung eingeleitet wird. Es ist eine in der Religion selber sich auswirkende Kraft, die die Vorstellungswelt des Dämonischen umformt und sie in den Vorgang der „Schematisierung" einbezieht.18 12

SU 4 ff.; Vi$nu-Narayana, a. a. O., 141 f. a. a. O., 141; vgl. G U 4 2 f f . 14 „Die von Wundt und andern angenommene Heterogonie, die Entwicklung der Religion aus animlstisdien oder anderen Vorstellungen, ist, wie Otto mit Redit feststellt, in Wirklichkeit gar keine Entwicklung, sondern eine Addition immer neuer Momente an den einzelnen Wendepunkten des geschichtlichen Verlaufs." W. Baetke, Das Heilige im Germanischen, 1942, 9. 15 D H 136, SU 33, GU 1. 53. " Vi$nu-Narayana, a. a. O., 142. 13

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Folgerungen aus dem Zusammenhang von Religion und Christentum

Die äußere Erscheinungswelt der Religion, die sich in eine Mannigfaltigkeit von Sondergestalten auseinanderlegt, ist nach ihrer Herkunft wie in ihrem Verlauf, der auf der Gleichartigkeit sich wiederholender Faktoren beruht, nur zu beschreiben, wenn man ihn getragen denkt von dem Gesetz der menschlichen Seele. 17 Es ist an den Folgen, die es bewirkt, erkennbar, nämlich an der Transposition der Welt des Dämonischen in Mythos, Kultus und Gesetz. 18 In diesem Übergang vollzieht sich die für die Religion bedeutsame Wende, daß sie zwar den Stoff einer früheren Epoche übernehmen, aber ihn umbilden und damit zum Träger höherer religiöser Ideen machen kann. Dieser Verlauf ist für alle Hochreligionen von durchgehender Gleichartigkeit und hebt sich an dem Phänomen der religionsgeschichtlichen Parallelen lediglich in das Bewußtsein; indem er als Reflex einer „ihm zugrunde liegenden einheitlichen . . . Funktion der Menschheitspsyche überhaupt" 1 8 verstanden wird, ermöglicht er eine angemessene Erklärung der Parallelen, die auf die Theorien von Abhängigkeit oder Deszendenz verzichten kann. Freilich, die diesen Prozeß charakterisierende Umformung der sinnwidrigen Erscheinungen aus der Frühzeit der Religion in die „entschiedene Versittlichung und Vergeistigung" 20 ist nur als unendlich sich vollziehende vorzustellen 21 ; in ihm stellt die Religion, die in die Bezüge des Mysteriums und der Vernunft eingebettet ist, sich als perfektibel dar. Der Mythos wird von der Theologie und Dogmatik abgelöst, Kultus und Gesetz unterliegen der Ethisierung. Dieser Ablauf, in dem das numen praesens als allen Religionen zugrunde liegend eine Theologie mit ihren Vorstellungen von der Idee des Göttlichen, „der Inkarnation, Kyriologie und Sakrament" 2 2 aus sich heraussetzt, ist von derselben Gleichartigkeit wie der zuvor vollzogene Überschritt von der ,Vorreligion' zur Religion. Was diesen Rekonstruktionsversuch einer religionsgeschichtlichen Ent17

„Ein höchst seltsames Gewächs, das, wie es scheint, in jedem Klima und auf jedem Boden in verblüffender Ähnlichkeit gedieh und aufwachsen konnte und eben dadurch hinweist auf eine ihm zugrunde liegende einheitliche und übereinstimmende Funktion der Menschheitspsyche überhaupt." a. a. O., 142, vgl 150.

18

a. a. O., 142 ff.

19

a. a. O., 142.

20

a. a. O., 143.

21

a. a. O., 153.

22

a. a. O., 156, vgl. 150.

Religion und Christentum

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wicklung als problematisch erscheinen läßt, ist die im Gedanken des Überganges liegende Undeutlichkeit. Das Eingeständnis, daß die Religion sich aus einem Untergrund dämonischer Vorstellungen erhoben habe und zu ihrer Läuterung einen prinzipiell unabschließbaren Prozeß der Humanisierung einleite, beruht auf dem Rückgriff auf Gestalten der Vorreligion, ohne ihnen eine für die Religion konstitutive Bedeutung zusprechen zu wollen. Otto rechnet ihre Erscheinungsformen nur insoweit als zur Religion gehörend, als sie der Verwechslung ihrer eigenen geheimnisvollen Erlebnisse mit denen der dämonischen Vorstellungswelt unterliegt, sie also benutzt, um sich selber ausdrücken zu können. 23 Die Religion erfaßt in ihrem Fortgang freilich die Disparatheit zwischen ihrem eigenen Erlebnis und dem übernommenen Stoff und beschreibt dabei den Wandel der Form, der als Reichtum der religionsgeschichtlichen Entwicklung Zeugnis der von ihr durchlaufenen Stadien abgibt. Weil die Gleichartigkeit der Herkunft wie des Verlaufs allerwärts verwandte Erscheinungen hervorbringt, läßt sich der Begriff der Religion nur dadurch vor der Unbestimmtheit bewahren, daß der jeweils erreichte Entwicklungsgrad eine Etappe in der Humanisierung der Religion darstellt, der in dem Zusammenspiel der rationalen und irrationalen Faktoren Ausdruck der Zusammengehörigkeit von religiöser und kultureller Entwicklung ist. Wenn selbst auf der höchsten Stufe der Rationalisierung, also etwa in der reflektierten Gestalt christlicher Theologie, die Parallelen zu anderen Religionen sich einstellen, dann ist der Prozeß die Darstellung der Antithetik, in dem der urtümliche Stoff das Geheimnis der Religion bewahrt und ihn zugleich der Vernunft zur Läuterung überläßt. Dieses Bild von der Entwicklung der Religion, das von der Parallelität ihrer Erscheinungen bestimmt ist, verdankt seine Geschlossenheit freilich einer Abstraktion. Das numinose Erlebnis und sein Träger, der Prophet, die die Knoten und Wendepunkte in der religiösen Entwicklung erst verständlich machen24, haben in diesem Entwurf keinen Ort. Das Numinose drängt lediglich zum Ausdruck und bedient sich dazu unterschiedlicher Materialien, die in der Uberformung durch die Vernunft dem Humanisierungs- und Rationalisierungsprozeß übergeben werden. Es ist bei der Annahme dieses Schemas kaum zu sagen, worin sich die Auffassung Ottos von der Wundtschen Theorie unterscheidet. 23

DH1 125 ff., 116 f., 65 ff. " DH 131; GU 79.

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Folgerungen aus dem Zusammenhang von Religion und Christentum

Der Grund der Abstraktion ist freilich nicht zu übersehen. Was sich dem Aufweis der Parallelität der religiösen Entwicklung nicht einfügen läßt, ist das Individuelle, die von der Religion nicht ablösbare, die Differenz ausmachende eigentümliche Verschmelzung von Form und Gehalt. 25 Der von Otto beschriebene Prozeß nimmt also auf die Voraussetzung Bezug, daß unabhängig vom Stoff und seiner Gestaltung ein numinoses Erlebnis gegeben sein muß, das sich in den einzelnen Religionen jeweils verschieden ausdrückt. Das aufgewiesene Gesetz der Parallelen ist mithin so zu ergänzen, daß die zunächst bestehende Täuschung zwischen dem numinosen Erlebnis und seiner Gestaltung durch die der Welt des Dämonischen entnommenen Materialien fortfällt. Die scheinbare Verwediselbarkeit des Numinosen mit dem Dämonischen würde der von Wundt allein bemerkte Vorgang sein, demgemäß sich jede erscheinende Religion als höhere Gestaltung des vorreligiösen Stoffes in Mythos, Kultus und Gesetz darstellt. Für Otto fällt der völkerpsychologische Stoff in die Erscheinung des die Religion ermöglichenden Geheimnisses, das sich letztlich, selber als die verborgene Triebkraft der religiösen Entwicklung erweist. Insofern fallen ihm die Betrachtung der Religion und die Religion selber zusammen, oder anders gewendet, das numinose Erlebnis und die Vernunft arbeiten gemeinsam an der Herauslösung des religiösen Gehaltes aus den Formen des niederen Ausdrucks. Die Affinität von Religion und Vernunft beschreibt das Verhältnis von individuellen und universellen Elementen in dem Erlebnis des Numinosen. Erst wo sich beide gegeneinander kehren, entsteht in der Religionsgeschichte die Polarität von Religion und Aufklärung. Der von Otto beschriebene religionsgeschichtliche Prozeß zeigt in den Momenten des Primitiven und des Dämonischen, der Menschheitspsyche und des numinosen Erlebnisses seine eigentümliche Dialektik. Die einzelnen Religionen nehmen an seiner Bewegung teil und beruhen auf einer gleichsam gesetzlichen Wiederkehr des Grundschemas. Die in dem Übergang zur Hochreligion vollzogene Scheidung bestätigt den gesetzmäßigen Ablauf audi insofern, als sie den Niedergang jener Religionen, die die Humanisierung nicht haben einleiten können, von ihm mitbestimmt sein läßt. Der religionsgeschichtliche Prozeß läßt sich demnach "

„.Religion' gestaltet sich geschichtlich in .Religionen', unter einander so einheitlich, aber audi so individuell besondert wie dort. Ihre generisdie Einheitlichkeit schließt aber, wie bei allen anderen Anlagen des menschlichen Geistes audi, die spezifische Sondergestaltung nicht aus sondern ein." Visnu-Narayana, a. a. O., 151.

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als die Demonstration des Gedankens begreifen, daß sein Zielpunkt die Hervorbringung der einen Religion oder der Universalreligion ist.26 Wenn das religiöse Erlebnis auf der Identität der Faktoren beruht, scheinen die individuellen Religionen lediglich Modifikationen des rationalen Prozesses zu sein. Otto vollzieht freilich an dieser Stelle eine eigentümliche Wende. Die großen Religionen gehen auf individuelle Urgestalten und ihre numinosen Erlebnisse zurück, und das Zuendegehen des religionsgeschichtlichen Prozesses findet sein Resultat nicht in dem Heraufkommen der einen Menschheitsreligion; vielmehr gewinnt die ihn bestimmende Antithetik ihren Ausdruck in den individuellen Religionsgestalten, in denen jeweils ein anderes Telos erscheint.27 Otto nimmt also in der Nachfolge des romantischen Individualitätsdenkens den Begriff von der unableitbaren Besonderheit der Religion in seine Auffassung von der Religionsgeschichte auf. Die Entwicklung der Menschheit enthält universelle und individuelle Elemente und ermöglicht eine Beschreibung, dergemäß der religionsgeschichtliche Prozeß sich nach allgemeinen Formen vollzieht, die aber lediglich die Bedingung des Werdens individueller Gestalten sind. Mit dieser den Religionsvergleich abschließenden Betrachtung hat Otto den Ort erreicht, an dem die Frage nach dem Nebeneinander der Religionen in die nach ihrem Wahrheitsanspruch umschlägt. Wenn dem Wesen des Numinosen entsprechend das religiöse Erlebnis das Erlebnis des Göttlichen ist, dann wird die Behauptung zum Selbstverständnis jeder Religion gehören, selber die wahre Deutung dieser Erfahrung zu sein. Es scheint zunächst dem einfachen Gegebensein mehrerer Religionen zu entsprechen, mit dem in gewissen Grenzen Nebeneinanderbestehenkönnen unterschiedlicher Individuen zu rechnen28, und Otto orientiert sich in der Tat an der Aufgabe, den „individuellen Sondergeist der einzelnen Religionen aufzufassen" 29 , um dann zu fragen, „welcher Typus von Religion höheren Wert, tiefere Wahrheit, reichere Wirkung auf Gemüt und Gewissen hat". 30 Dabei sind zwei Möglichkeiten zu erwägen, die in unterschiedlicher Weise das Problem einer Religionsmessung seiner Lösung zuführen. Entweder werden die individuellen 28

a. a. O., 151 f. „Eine jede von ihnen hat ihr eigentümliches hödist individuelles Gepräge, ihr eigenes inneres Lebensprinzip, ihren besonderen G e i s t . " a. a. O., 154. 28 a. a. O., 154. 2 » a. a. O., 154. 30 a. a. O., 154. 27

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Folgerungen aus dem Zusammenhang von Religion und Christentum

religiösen Erlebnisse relativ gesetzt und auf eine jenseits ihrer stehende Wahrheit bezogen, oder aber die einzelne Religion begreift sich selber als die wahre Religion. Im letzteren Fall ist der Gedanke nicht zu vermeiden, daß die anderen, den Vergleich ermöglichenden Religionen unter die Bezeichnung des letztlich Unwahren geraten. Die Antithetik zwischen wahrer und falscher Religion würde bei der Verleugnung der eingesehenen Wahrheit zu einer Verdunkelung des religiösen Anspruchs führen. Otto hat sich dem abstrakten Charakter dieser Alternative durch eine Rückbesinnung auf den Religionsbegriff, in dem die einzelnen Religionen konvergieren, entzogen. „Ich bin in der Tat aufrichtig überzeugt, daß das Christentum, nicht nach Seiten seiner vielen mannigfaltig anfechtbaren historischen Zufälligkeiten, sondern nach seinem spezifischen idealen Gehalte, nach seinem höchst individuellen, typisch charakterisierten Sonder g e i s t e , den andern Sonderbildungen der Religion entscheidend überlegen ist, nicht wie die Wahrheit der Lüge, sondern wie Plato dem Aristoteles, nicht wie der Herr dem Sklaven, sondern wie der Erstgeborene seinen B r ü d e r n . . ."31 Die „Absolutheit" des Christentums, die entweder im „Traditionalismus" durch eine „supranaturale Offenbarung" oder im „Rationalismus" durch die Identifizierung von Religion und Christentum begründet wird 32 , erscheint in der Ermäßigung des Bekenntnisses zur Höchstwertigkeit der individuellen christlichen Religionsgestalt. Für die Überlegungen Ottos ist das Christentum als Lebensgestalt ohne Frage nicht nur der höhere Wert, sondern die Wahrheit; nur was der Frömmigkeit gewiß ist, bricht sich in der Reflexion und erscheint als eine Bewegung, in der audi die Wahrheit des Christentums erst heraustritt, „wenn die Religionen der Menschheit gegen einander aufstehen werden, und wenn nach den Vor- und Scheingefechten um die mythologischen und dogmatischen Krusten und Hüllen, um die historischen Zufälligkeiten und gegenseitigen Unzulänglichkeiten zuletzt einmal der Kampf den hohen Stil erreichen wird, wo endlich Geist auf Geist, Ideal auf Ideal, Erlebnis auf Erlebnis trifft, wo Jeder ohne Hülle sagen muß, was er Tiefstes, was Echtes hat, und ob er was hat." 33 Die Ambivalenz der Aussagen, daß der religionsphilosophischen Überlegung lediglieli eine Gestalt des humanen Grenzerlebnisses gegeben ist, wo die Theologie zwar von dem Innewerden Gottes spricht, ohne es aber in seiner Evidenz aufweisen zu können, ordnet 31 32 33

a . a . O . , 155. a. a. O., 153 f. a. a. O., 155, vgl. D H 72, 151.

Religion und Christentum

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beide Reflexionsgestalten einem Lebensvollzug zu, der sich in ihnen spiegelt, aber selber von unerschöpflicher Bewegung ist. Der die Theologie Rudolf Ottos charakterisierende Zug der Vermittlung, der sie den Ausgleich erstreben läßt zwischen traditionellem und universalem Rationalismus der christlichen Religion, hat seinen Grund in dem seinem Denken anhaftenden Vorbehalt gegenüber jeder begrifflichen Fassung. Man wird sich dieses eigentümlichen Sachverhaltes erst bewußt, wenn man sich auf den Begriff von Theologie besinnt, der ihm unexpliziert zugrunde liegt und der seine Herkunft aus der religionsgeschichtlichen Betrachtung nicht verleugnen kann. Zweifellos ist die Theologie, die sich innerhalb einer religiös kultischen Gemeinschaft entwickelt, auch ein religionsgeschichtliches Phänomen und entsprechend wird man von einer Theologie etwa des Buddhismus, des Hinduismus und des Islam reden können.34 Nichts Menschliches entzieht sich dem, zugleich als Unmittelbarkeit und Reflexion gegeben zu sein. Innerhalb niedrigstehender Religionen und Kulte dürfte es statt einer zusammenhängenden Theologie in der Regel lediglich einzelne theologische Reflexionen geben, die zumal, wenn eine Wissenschaft sich nicht oder nur in den ersten Formen ausgebildet hat, als zur religiösen Unmittelbarkeit gehörende Reflexion die Form des Liedes, des bildlichen oder durch Aktionen dargestellten Mythos trägt. Theologie als eine religionsgeschichtliche Erscheinung ist zumeist nur von Völkern entwikkelt, die sich ein zusammenhängendes und wissenschaftlich bestimmtes allgemeines Leben erzeugt haben. Das Bedürfnis zur zusammenhängenden theologischen Reflexion innerhalb der einzelnen Religionen wird weiterhin verschieden stark ausgebildet sein, auch unabhängig von dem allgemeinen Zustand des geistigen Lebens in ihrem Bereich. Die christliche Religion ist dadurch, daß sie die Differenz zu einer älteren Volks- und Offenbarungsreligion in sich trägt und die Reflexionsformen der hellenistischen Bildungswelt in sich aufgenommen hat, eine wesenhaft von Theologie durchdrungene Religion. Sie läßt sich allein als religionsgeschichtliche Wirklichkeit nicht darstellen, ohne daß auf die Dogmengeschichte Bezug genommen werden müßte. Eines der merkwürdigsten religionsgeschichtlichen Phänomene innerhalb des Christentums ist der Umstand, daß es den philosophischen Begriff des Dogmas aufgenommen hat. Dogma ist an und für sich nichts als die Lehre, deren Bejahung oder Verneinung über die 34

Vi$nu-Narayana, a. a. O., 156.

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Folgerungen aus dem Zusammenhang von Religion und Christentum

Zugehörigkeit zu einer bestimmten wissenschaftlichen oder philosophischen Schule entscheidet. Indem die christliche Religion ein normatives Dogma ausbildete, stellte sie sich innerhalb der Welt der Antike als eine Erscheinung dar, die zugleich Religion und Philosophie war. Die Gemeinsamkeit des Kultus bei Beliebigkeit des Denkens über den Kultus empfing durch diesen Rezeptionsvorgang eine erhebliche Eingrenzung. Die Theologie übte in der Form einer auf die Klärung des Glaubens angelegten Lehre eine verwahrende Funktion aus. Dieser innerhalb der Religionsgeschichte vorliegende Begriff von Theologie erfährt indes durch die Problemstellung der Moderne eine Wandlung. Die Frage nach dem Verhältnis von Theologie und Religionsgeschichte bezieht sich auf den Unterschied von Christentum und Religion und sucht nach einer Zuordnung der sich aus dem geschichtlichreligiösen Leben der Menschheit innerhalb und außerhalb des Christentums ergebenden Beobachtungen. Mit ihr wird die der christlichen Religion eigene theologische Reflexion auf ein neues Problem aufmerksam gemacht. Sie muß das Verhältnis der in der eigenen Religion gegebenen Wirklichkeit zu der in den anderen Religionen gegebenen Wirklichkeit zu durchdringen versuchen. Damit gewinnt sie freilich eine eigentümliche Doppelstellung. Der Glaube, daß sie Zeugnis von dem Gott ist, der die Wahrheit für den Menschen ist und denkend erkannt werden will, ist zunächst ein innerchristlicher Akt; er zwingt aber dazu, die eigene Begrenzung zu überschreiten. Weil die Wahrheit im mensdilichgesdiichtlichen Leben nidit an Gruppen gebunden ist, muß man über die durch die eigene Gemeinschaft gesetzten Schranken hinausgehen und zu dem, was außerhalb des Christentums von Gott und seinem Willen gesagt und erkannt ist, Stellung nehmen. Die Notwendigkeit, das in fremder religiöser Gemeinschaft Vorhandene in die eigene Reflexion aufzunehmen, war von der Entdeckung begleitet, daß die christliche Religion und Theologie keine isolierte Erscheinung in der menschlichen Religions- und Geistesgeschichte ist. Es wurde entdeckt, daß „alle höhere Religion hindurchgegangen ist und sich entwickelt hat aus primitiveren Formen mythologischer und legendarischer Gebundenheit, die nachwirkt in ihrer Lehrbildung, ihrer Dogmatik, ihrer allgemeinen Weltanschauung, ihrem Ritus und Kultus, ihrer Lebensbewertung und ihren praktisch-ethischen Zielsetzungen." 35 Es wurde entdeckt, daß das Christentum dem geistigen Leben gegenüber immer zugleich in der Doppel35

a. a. O., 157.

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haltung der Annahme und Ablehnung gestanden hat, daß es zugleich die exklusivste, das Fremde am stärksten abstoßende und die synkretistischste Religion sei. Damit entstand der Theologie die Aufgabe, drei Schichten an der christlichen religiösen Wirklichkeit zu unterscheiden. 38 Die erste Schicht ist das unveräußerliche religiöse Gemeingut, die zweite ist das Fremde, das sich mit diesem Gemeingut verbindet, und die dritte Schicht ist die eigentümlich christliche. Die Unterscheidung konnte zunächst nur als abstrakte Aufgabe gesetzt werden. Es mußte sich zeigen, ob es ein solches Gemeingut wirklich gebe, und worin jeweils das Besondere und Unverwechselbare der Religionen besteht. 37 Die doppelte Funktion der Theologie indes, teils als religionsgeschichtliches Objekt, teils als die Religionsgeschichte selber beurteilendes Organ gegeben zu sein, hat sich für Otto weithin auf die erste Bedeutung reduziert. „Das, was unsere Dogmatiken lang und dick macht, gerade das ist sehr ,universal', und 50 Prozent unserer theologischen Finessen über Inspiration, trinitarische Spekulation, Inkarnation, Kyriologie und Sakrament könnte man überschreiben in hinduistische und buddhistische Systeme." 38 Die Theologie als der denkende Vollzug des Glaubens sinkt zur Sekundärform herab und überläßt die lebendige Vermittlung und Überführung der Religion selber, die sich als Bekundung des göttlichen Geistes am menschlichen Geist ihre individuelle Gestalt schafft, die zum Unaussprechlichen gehört. Die eigentümliche Schwierigkeit, das Verhältnis von Religion und Christentum einer gedanklichen Klärung zuzuführen, beruht auf der Hereinnahme des Geschichtsbegriffs in die permanente Gegenwärtigkeit des religiösen Erlebnisses, das, wenn es des ,numen praesens* ansichtig wird, den Bedingungen der geschichtlichen Verwicklung entnommen ist. Otto hat infolgedessen, um die Erscheinungsformen der Religion dennoch erfassen zu können, die genetische Dialektik durch eine qualitative Dialektik ersetzt. Wenn Hegel die Welt des Geistes als ewiges Werden in der Zeit zu begreifen versucht, die in der Bewegung von einem Grund zu einem Ziel die sich ablösenden Gestalten als Ausdrucksformen « a. a. O., 158 ff. In den Schriften „West-östliche Mystik" und „Die Gnadenreligion Indiens und das Christentum" hat Rudolf Otto sidi dieser Fragestellung angenommen. Beide Schriften haben den Sinn, das formale Grundschema an den konkreten religiösen Gegebenheiten zu erproben und innerhalb seiner den spezifischen Sondergeist der individuellen Religion zu charakterisieren. 3 8 a . a . O . , 156. 3

37

6

Schütte, Rudolf Otto

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Folgerungen aus dem Zusammenhang von Religion und Christentum

des zu sich kommenden Geistes heraussetzt, dann erfolgt die Beschreibung dieses Prozesses mit Hilfe einer genetischen Dialektik. Bei Otto ist der Zeitbegriff als eine die Geschichte mitkonstituierende Komponente vernichtet. „In der sakralen „Feier" schwindet die Zeit und der Schleier der Zeit, das Vergangene ist jetzt, es ist vergegenwärtigt', es ist Ereignis, richtiger, es ist zeitlos da." 39 Die Entwicklung vom Grund zum Ziel ist also abgelöst durch die zeitlose Gegenwart der religiösen Phänomene; an Stelle des Geschichtsbegriffes tritt der Begriff des Wertes. Die den religiösen Phänomenen innewohnende Teleologie empfängt ihre Begründung von der im Gefühl sich ergebenden Axiologie. Die Orientierung an diesen Begriffen bringt es mit sich, daß die Erscheinungen der Religionsgeschichte nach der Art und Weise behandelt werden, wie in ihnen die ewige Spannung zwischen dem Empirischen und dem Intelligiblen, der Wirklichkeit und dem Ideal gegeben ist.40 Das Christentum, in dem die religiöse Wirklichkeit ihre eigene Durchleuchtung erhalten hat, ist als Realisation des höchsten Wertes zugleich der Maßstab, der an die anderen Religionen angelegt wird. Jede religiöse Dokumentation kann zwar Ausdruck des Numinosen sein, der um so wahrer ist, als er die Vollmacht gibt, niedere Formen auszuscheiden, aber die Urteilsfindung bemißt sich aus der „actus purus" gewordenen Religion.41 Das Christentum ist der die Zeit ausschließende, aus der Ewigkeit hereinleuchtende Wert, der die Anwendung der qualitativen Dialektik ermöglicht. Axiologie und Teleologie als Prinzipien der Interpretation geschichtlicher Wirklichkeit sind freilich, wenn sie alternativ gebraucht werden, nur einer bedingten Anwendung fähig. Die Axiologie trägt das Bewußtsein der Teleologie in sich und ebenso umfaßt die Teleologie, indem sie das Unvollkommene und das Vollkommene unterscheidet, die Axiologie. Der Begriff des Wertes entspringt zwar nicht aus der Teleologie, aber er nimmt den Zweckbegriff in sich auf und stützt somit gleichsam die Dialektik des Qualitativen. Die sich gegenseitig begrenzende Anwendung der Prinzipien entspricht dem Bewußtsein Ottos von der antinomischen Struktur der religiösen Wirklichkeit in Wert und Entwicklung. 42 Das Christentum ist als die Gestalt des Numinosen verstanden, die in sich das Vermögen und die Kraft trägt, die unvoll39

SU 120, vgl. Das Schuldgefühl und seine Implikationen, ZRP 1931, 56. ® D H 52 fi. " RGMS 219 f. 42 D H 183 ff. 4

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kommenen Gestalten des Numinosen zu negieren und die rationalen Werte menschlichen Werdens zu bejahen. Es kann aus diesem Grunde keine Form von Teleologie anerkennen, die nicht die eine Wahrheit allerwärts wahrnimmt. Der Begriff der qualitativen Dialektik zwischen Niederem und Höherem ist gegenüber der genetischen Dialektik ohne Frage die fremdere Gestalt. Das Qualitative hat darin seine Besonderheit, daß es vor allem in der Form des Christentums die dem Menschen gesetzte Aufgabe löst, das Geheimnis des Geistes in die Vernünftigkeit zu übersetzen aber es in ihr nicht aufgehen zu lassen. Das Spezifische des Christentums erblickt Otto darin, daß es eine Religion des Heils ist, in der die Vergebung der Sünde aus Gnaden das wahre Mysterium darstellt. Das Erlebnis von Schuld und Vergebung vollzieht sich in ihm auf eine Weise, die die Antithetik gegen die Werke und den Zauber einschließt und darin der Vernunft das Recht zu ihrer Kritik an diesen Gestalten gibt. Jesus ist deshalb der Menschensohn, weil er die absolute Synthese der vernünftigen Verneinung allen Aberglaubens in der Religion und der Bejahung des Mysteriums darstellt. Indem er der Repräsentant des Mysteriums ist, befähigt er die empirisch befreite Vernunft zur unbefangenen Hingabe. 43 Das Christentum weiß sich mit aller Religion eins im Erleben des unerfaßlichen Wunderbaren, aber das vom Christentum empfangene Mysterium setzt in die Lage, an der Rationalität teilzunehmen. Es weiß mit aller Religion von dem Geheimnis über alle Vernunft, aber indem es dieses Geheimnis dem Sinn aufschließt, erwächst ihm eine Indifferenz gegenüber den sekundären Formen und Bildern. Dieses das Bewußtsein der Gemeinsamkeiten wie der Differenzen einschließende Verständnis des Zusammenhanges von Religion und Christentum behält freilich eine dem Verstehen nicht erschlossene Seite. Der Aufweis des Verhältnisses entbehrt des zwingend überführenden Charakters. Der Ursprung der Person Jesu ist dementsprechend bei Otto nirgends erklärt. Sein Auftreten ist allein so aufzufassen, daß in ihm der Sprung geschieht, den die Religionsgeschichte immer versucht hat. Wenn das Numinose nicht im Gedanken der unbegreiflichen göttlichen Gnade einen substantiellen Inhalt geisthaften Gepräges gewinnt, dann wird der Aberglaube in der Religion seine verführende Form behalten. Jesus ist insofern die Endgestalt der Religionsgeschichte, als er nicht mit der Zerstörung der religiösen Deuteformen der Ratio selber zum Opfer 43



D H 182.

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Folgerungen aus dem Zusammenhang von Religion und Christentum

fällt. Weil der Geist in Jesus gegenwärtig ist im Unterschied zu der menschlichen Vernunft, entsteht dem menschlichen Sinn ein Gegenstand, in dem er seine Vollendung findet.44 D a ß Rudolf Otto bei der Beschreibung der religiösen Phänomene von einer die geschichtlichen Relationen vernachlässigenden qualitativen Dialektik bestimmt ist, entspricht einer Eigentümlichkeit seiner methodisdien Einstellung. Die Geschichte der Religionen ist mächtig allein in ihren die Gegenwart unmittelbar berührenden Repräsentanten. Es hängt mit dieser Wertung der Religion zusammen, daß Ottos Interesse an ihr nicht durch die Aufzählung der Lehrpunkte und Differenzen, der Eigenart ritueller Handlungen, sondern durdi das unmittelbare Erleben selber bestimmt ist. Das erscheinende Wissen über die Religion ist von durchaus sekundärer Bedeutung. 3. Religion und Ethos Wenn man die religionsphilosophische Seite des Denkens Ottos als im wesentlichen vollendet ansieht, erweist sich die Frage als unumgänglich, ob mit der Gewinnung und Darlegung des Allgemein- und Normbegriffs der Religion 1 die Endgestalt seiner Überlegungen erreicht ist. Die späten Arbeiten zur Ethik legen die Vermutung nahe, daß Otto den Abschluß seines Denkens in einer Theorie des Ethischen hat darlegen wollen. Die dieses Zielbild vorbereitenden Aufsätze verraten indes kaum etwas von der Anlage und dem Grundriß des zu errichtenden Gebäudes, und die Vorlesungsnachschriften 2 haben es auch nicht annäherungsweise reali44

„Es ist vollkommener R e l i g i o n

und v o l l k o m m e n e r e

Religion als

andere, sofern das was in Religion überhaupt angelegt ist in ihm ,actus purus' geworden ist." D H 72, vgl. 200, RGMS 219 f. 1

Der Begriff des „Numinosen" und der Begriff des „Menschensohnes" haben in der religionsphilosophisdien Arbeit Ottos die Funktion, die in der Analyse der religiösen Phänomene als bedenklich empfundenen Termini des Allgemeinen und der N o r m unter Berücksichtigung ihrer materialen Eigentümlichkeiten zurückzugewinnen und zu rechtfertigen. Insofern erweisen sie sidi trotz entgegenstehender Bedenken als unaufgebbar und empfangen ihren Sinn aus einer erst durch sie möglichen Ordnung der Mannigfaltigkeit religiöser Erscheinungen. Im Zusammenhang mit der Einführung und der Anwendung der korrelativ benutzten Begriffe ergibt sich das Sdiema, das Christentum und die Religionen nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden befragen zu können.

2

An Vorlesungsnachschriften zur Ethik konnten folgende Fassungen benutzt werden: a) M. Stallmann, Ethik I aus dem SS 1923 und dem WS 1 9 2 3 / 2 4 ;

Religion und Ethos

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siert.® Wenn man von den materialen Komplikationen, die die Ausarbeitung der Ethik begleiten, einmal absieht, ist die sachliche Nötigung, die Otto von der Religionsphilosophie zur Ethik weiterführt, sehr wohl faßbar. 4 Mit der Vollendung der Religionsphilosophie ergibt sich die Aufgabe, den Bereich der Religion auf die natürlich menschliche Profanität zu beziehen und diesem Zusammenhang sowie seiner Ermöglichung in einer eigenen Überlegung nachzugehen. Ein solches Unternehmen setzt aber voraus, daß es zu einer vergleichsweise ebenso geschlossenen Ansicht des menschlichen Bewußtseins und Verhaltens komme wie sie hinsichtlich der Bestimmung des Gottesverhältnisses gegeben war. Es lag nahe, daß ein in der Hauptsache durch die Kant-Friessche T r a dition geformtes Denken das zusammenfassende Bild einer die Polarität von Religion und Humanum umgreifenden Einheit in der Gestalt einer Ethik zu geben versuchte. Die Bedeutung des Ethischen für das Denken Rudolf Ottos ist bis in die Anfänge seiner Theologie zurückzuverfolgen, und es ist nicht zu übersehen, daß die Einschätzung der Ethik hinsichtlich ihrer Folgen für die Religionsproblematik Änderungen und Modifizierungen unterlag. In seiner Arbeit über Luther ist mit dem Begriff des Sittlich-Religiösen eine noch nicht eigens entfaltete, aber als selbstverständlich vorausgesetzte Beschreibungsbasis gegeben, auf die hin sich die theologische Aussage vornehmlich bezieht. Es kann geradezu der Eindruck entstehen 5 , als ob mit der Ethik eine der wesentlichen Voraussetzungen genannt ist, von denen her sich das Thema der Religion am ehesten zu erschließen vermag. Freilich erweist sich die durch den Begriff des ReligiösSittlichen umgrenzte Erörterungslage als nur indirekt von kantischen b) Karl Küssner, Ethik I aus dem SS 1933 und dem WS 1933/34 (III F 81, Religionskundlidie Sammlung Marburg), — vgl. hierzu K . Küssner, Verantwortliche Lebensgestaltung. Gespräche über Fragen der Ethik, 3. Aufl., Lüneburg o. J . s

G. Wünsch, Grundriß und Grundfragen der theologischen Ethik Rudolf Ottos, Z T h K 1938, 4 6 — 7 0 , vgl. 46. 47.

4

Daß das Kolleg über die „Glaubenslehre" eines der Hauptthemen in der Analyse des Wertbegriffes besaß und daß die systematische Arbeit Ottos ein die Theorien des Subjektiven überschreitender Versuch der Entfaltung des Wertmomentes im Heiligen darstellt, hat R . Sdiinzer in der Marburger theol. Dissertation „Werturteil und Seinsurteil" in den nachgelassenen dogmatischen Vorlesungen Rudolf Ottos, 1967 überzeugend dargestellt.

5

Reden 178, K F R 99 ff.

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Aussagen bestimmt, zumindest in der Hinsicht, daß Otto an der Eigenständigkeit der Religion ein zentrales Interesse hatte. Das hat es nicht zuletzt bewirkt, daß der Themenkreis der Ethik nicht als Grund der Religion, sondern als ihre Folge ein eigenes Recht gewann. Sobald sich nämlich die ethische Erwägung von eigenem Belang und Gewicht zeigt, sobald insbesondere das Begründungsverhältnis von Religion und Ethik als Problem bewußt wird, vermag die Ethik als die Disziplin des Kommunikablen in die Rolle einer sich und die Religion umgreifenden Wissenschaft zu rücken. Ermöglicht worden ist die Dominanz der Ethik durch den Umstand, daß der im Heiligen aufgewiesene Wertcharakter des Numinosen als das Fundament von Sittlichkeit und Religion verstanden wurde. Insofern umfaßt die hier vollzogene Zuordnung von Religion und Ethos nicht den Ersatz einer Disziplin durch die andere, sondern sie stellt sich als der Versuch dar, die in beiden Disziplinen enthaltene sachliche Problematik in der Form einer Synthesis von religiös-sakralem und menschlich-profanem Ethos darzulegen. 6 Hinreichend freilich läßt sich die Konzeption der Ethik erst verstehen, wenn man in der ihr zugewiesenen Doppelfunktion die ausdrücklich vollzogene Wende gegen ein Verständnis von Ethik heraushebt, das seine Aufgabe lediglich in der Beschreibung menschlich-weltlichen Verhaltens wahrnimmt. Insofern wirkt auch in der Ethik das Bestreben Ottos nach, die Bewahrung der Religion mit der Bewahrung des Menschlichen zu verbinden. 7 Das Ethos ist weder auf das Verhältnis der Menschen zueinander, die von Otto genannte Sphäre des Rechts8, noch auf das „Ideale hinsichtlich des Menschen selber"9, die Individualethik, zu begrenzen, sondern das Ethos ist vielmehr Träger des Schuldgefühls, der Verantwortung, also ein Reflex des Numinosen und seiner grenzaufhebenden Erfahrungen. Wenn das menschlich vernünftige Ethos nicht in den Vorstellungen der Schuld und des Gewissens eine Tiefenschicht gewinnt, so können sich die Formen menschlicher Verfehlung nicht mit dem Sündenbegriff verbinden 10 oder sie büßen angesichts der sozialen Theorien über

6

7

8

E. Fürst, Christliches und profanes Ethos (Ernst Troeltsch und Rudolf Otto), ThQ 134, 1954, 343—351. Freiheit und Notwendigkeit. Ein Gespräch mit Nicolai Hartmann über Autonomie und Theonomie der Werte, hg. von Theodor Siegfried 1940, 9.

SU 2. » SU 2. 10 SU 2; — Das Gefühl der Verantwortlichkeit, ZRP 1931, 136.

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das Ethische ihre Sinnhaftigkeit ein.11 Daß das Ethos seinem eigenen Wesen nach auf diese Begriffe hinweist, macht es deutlich, daß die Verbindung der ethischen mit den numinosen Kategorien keine Auflösung, sondern die Bewahrung des Ethos ist; weil es selber die Komponente des Unendlichen in sich trägt, kann die Religion in es eindringen.12 Der Charakter der Ethik als des das Denken Ottos abschließenden Gliedes läßt sich seiner Tragweite nach erst abschätzen, wenn man ihren Anspruch auf Vermittlung entfaltet und auf die konkreten, ihr unweigerlich erwachsenden Aufgaben bezieht. Mit dem Aufweis einer der Religion zugeordneten ursprünglichen Anlage, die im Begriff des „religiösen Apriori" ihren Ausdruck fand, entsprach Otto der Aufgabe, die unerläßlichen, jedem Verstehen von Religion zugrunde liegenden formalen Komponenten des religiösen Erlebnisses und seines Objektes bewußt zu machen. Die individuellen Religionsgestalten indes sind zwar hinsichtlich ihrer materialen Beschaffenheit auf die formale Struktur der Religion bezogen, aber aus ihr nicht ableitbar; der Begriff des Individuellen schließt das Datum einer Setzung ein, die zwar Grund von Aussagen wird, selber jedoch zu keiner Aussage über den Grund führt. Das Verhältnis von formaler Analyse der Religion und materialer Besonderheit kann freilich Gegenstand theologischer Überlegung werden, die umso überzeugender ist, je mehr sie dem religiösen Bedürfnis entspricht. Eine Abwandlung erfährt dieses Verhältnis dadurch, daß sowohl der durch die Selbstbesinnung geleitete Rückgang auf die formale Umgrenzung der Religionsproblematik als auch die Hinwendung zu dem unverwechselbaren Inhalt der Religion eines Phänomens ansichtig wird, das sich als Erfahrung eines Wertes in dieses Verhältnis hineinlegt und Verhaltensweisen hervorruft, die die Verbindung von Ethos und Religion offenbar machen. Der Phänomenbestand ist freilich eindeutiger als die Phänomeninterpretation, und Otto verhält sich angesichts dieser Differenz in einer eigentümlich schwebenden Beziehung zu der von M. Scheler und N . Hartmann angewandten phänomenologischen Methode. 13 Indem Otto das Thema der Ethik aufnimmt und es im Hinblick auf die Problematik von religiöser Motivation sittlichen Handelns und vernünftiger Motivation sittlichen Handelns entfaltet, verdeutlicht sich die 11

12 13

Das Schuldgefühl und seine Implikationen, ZRP 1931, 124 f., 119; — Pflicht und Neigung, Kant-Studien 1932, 50 f. a . a . O . , 89 f., D H 165 ff. Freiheit und Notwendigkeit. Ein Gespräch mit Nicolai Hartmann über Autonomie und Theonomie der Werte, hg. von Theodor Siegfried 1940, 9.

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Tendenz, eine Disziplin zu finden, die den Ansprüchen einer Konkordanz von religiösem Bewußtsein und profanem Bewußtsein genügt. In dreierlei Hinsicht ist dieser Anspruch darzulegen: 1. Die Unterscheidung zwischen philosophischer und theologischer Ethik, insbesondere die sich zu einem Gegensatz steigernde Unterscheidung entbehrt eines in der Sache der Sittlichkeit liegenden Anhaltes. „Dann ist zunächst klar, daß es keinen Unterschied gibt und geben kann hinsichtlich der allgemeinen Grundlage von Ethik ü b e r h a u p t . . . Es hat nicht einmal einen Sinn, etwa .theologische Moral' in Gegensatz zu setzen zu einer philosophischen'. Eine ,christliche Moral' ist so unmöglich wie eine christliche Geometrie." 133 Zu berücksichtigende Differenzen zwischen theologischer und philosophischer Ethik, also Unterschiede, die sich aus dem „Geist des Ethos" 14 ergeben, sind als Folgebestimmungen einer auf dieselben Gründe zurückgehenden ethischen Reflexion zu betrachten. Unberührt von der individuellen Ausformung ethischer Sätze und sittlicher Motivation empfängt die Ethik ihren Sinn aus dem „Anspruch auf Allgemeingiltigkeit". 15 Sie wird diesen Anspruch erheben und doch keine andere Begründung für ihn haben als den „Geist, der weht, wo er will", das heißt die Einstimmung ohne Beweis, durch die innere Überführung der freien Urteilskraft. 1 * Otto hat dieser Verhältnisbestimmung selber entsprochen, wenn er die Grundlegung der Ethik sowohl in den Aufsätzen als auch in den Vorlesungsnachschriften von der Differenz der nebeneinander bestehenden Disziplinen nicht betroffen sein ließ. Die Bezugnahme auf eine gemeinsame Ausgangslage der ethischen Reflexion ist der Ausdruck für seine Überzeugung, Grund und Übereinkunft der ethischen Aussagen durch die Transparenz des im Heiligen aufscheinenden Wertes sichtbar zu machen. Daß die philosophische Ethik, soweit sie innerhalb der Grenzen der Vernunft bleibt, selbst die Materialien enthält, die die Verknüpfung mit dem Urwert des Heiligen fordern, zeigt die unbefangene Wahrnehmung der Phänomene der Sittlichkeit. In dem Aufweis dieses Zusammenhanges begreift sich die Ethik als Entfaltung des humanen und religiösen Bewußtseins und seine Rückführung in den alle 183

KFR 184.

14

KFR 185.

15

KFR 186.

18

KFR 186.

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sittliche Verpflichtung ermöglichenden und bedingenden Wert des Heiligen. 17 2. Die Ethik hat indes über ihren den Gegensatz von philosophischer und theologischer Betrachtung vermittelnden Charakter hinaus die Funktion, sich als den Ort zu begreifen, an dem sich die Religion selbst nach Redht und Tragweite zu realisieren anhebt. 18 Die einer Religion innewohnende Ethik macht sie nicht nur offen der Profanität gegenüber, sondern sie läßt erst ermessen, wie Rang und Eigentümlichkeit der Religionen abgeschätzt werden können. Die Vollmacht einer Religion erweist sich auch daran, daß sie sich in Regel und Norm gebenden Verhaltensweisen darstellt und übersetzen läßt.1® Sie gibt gerade dadurch einen Maßstab an die Hand, vor dem nicht alle Religionen bestehen können. Der von Otto begründete „religiöse Menschheitsbund" nimmt auf diese Zusammengehörigkeit von Religion und Ethos Bezug; er empfängt seine Zielsetzung aus Überlegungen ethischer Art und erwägt Formen religiösen Zusammenschlusses, die sich aus der Wahrnehmung von Forderungen, die die Wirklichkeit stellt, ergeben. 20 Die Bewährung der Religion vor der Wirklichkeit ermöglicht nicht nur den Einblick in die Beschaffenheit ihrer geistigen Kraft, sondern sie gibt den nötigen Raum, in dem sich die Religionen zu gemeinsamen Aktionen finden können. 21 Das Bild einer die Religionen repräsentierenden Gemeinsam17

Freiheit und Notwendigkeit, 15. 18; B. Häring, Das Heilige und das Gute,

18

SU 243 f., R G G 2 3, 2122.

w

D H 69. 169.

1950, 182 ff.

20

„Gelänge es, die Organisationen, die „Kirchen" der großen Kulturreligionen und ihre führenden Männer zu gewinnen für die großen Gemeinschaftsaufgaben der Menschheit, für den Rechtsgedanken und seine Herrschaft über das Leben der Völker, der Klassen, der Rassen, der Geschlechter, für Zusammenwirken an Stelle von Befehdung, für Plan und Einordnung an Stelle von Zufall und Willkür, für allgemeine Zweckmäßigkeit an Stelle des Interesses der gerade Herrschenden, für planmäßige Gestaltung der Geschicke an Stelle blinden N a t u r - und Schicksallaufes, so würde der geistige Nährboden geschaffen in allgemeiner Uberzeugung und verbundener Meinung, aus dem dann dauernde Formen überstaatlicher Satzung und kraftvolle Organisationen der Völker und Schichten untereinander erwachsen könnten." Religiöser Menschheitsbund, Deutsche Politik 6 1921, 235.

21

„Aber im Streite, den sie von ihrem Standpunkte aus für so unvermeidlich halten müssen, wie wir es selber tun und tun werden, ist es doch möglich, zu Arbeiten sich zu vereinen an den großen Aufgaben humaner Ethik und den

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Folgerungen aus dem Zusammenhang von Religion und Christentum

keit vermag sich am ehesten und unbeschadet des religiösen Sondergeistes in der Ethik zu verwirklichen. 3. Die Transposition der Religionsproblematik in die Ethik ist ermöglicht durch die wiederholt beobachtete Indifferenz gegenüber der dogmatischen Schultradition. Die unter den Religionen auftretenden qualitativen Differenzen sind im Blick auf dogmatische Bestimmungen nur noch hilfsweise zu erfassen, sie sind in jedem Falle etwas, das weder ihren spezifischen Charakter zu erkennen ermöglicht noch eine sittliche Bewährung einschließt. Mit dem Zurücktreten der Lehrunterschiede zeigt sich die Ethik freilich in zunehmender Weise imstande, auf den Wandel der modernen Welt Bezug zu nehmen und seine Bedeutung für das Verständnis des Christentums anzuerkennen. Die Aufnahme neuer, durch die Überlieferung nicht gedeckter Themen nötigt sie zu dem Versuch, eine eigene Theorie auszubilden. Eine vom Geist des Christentums bestimmte Ethik verknüpft beispielsweise ihre eigene Erwartung von der Heraufkunft des Reiches Gottes mit den profanen Utopiebildungen, in die sie das Bild einer Einheit von christlicher Gemeinschaft und Welt projiziert. 22 Sobald die Ethik als die vermittelnde Disziplin den Charakter einer die Theologie repräsentierenden Wissenschaft annimmt, gewinnt sie die Bedeutung eines Systems des religiösen und menschlichen Wissens. Was sich solchermaßen in Umrissen im Denken Rudolf Ottos zu erkennen gibt, ist das Bewußtsein, mit einer Theorie der Zusammengehörigkeit von Christentum und Religion die Situation seiner Zeit durchsichtig zu machen. Der Systemgedanke, der sich in der Ethik realisieren sollte, bezieht sich freilich nicht mehr auf einen geschlossenen, den Anspruch der idealistischen Philosophie wiederholenden Gesamtentwurf, sondern er entfaltet sich als Prinzip einer die Vermittlung ermöglichenden geistigen Potenz, die auf das Christentum als einer mit der Vernunft versöhnten Religion angewiesen ist. Die kantisch-friessche Religionsphilosophie blickte zwar auf diese Systemkonzeption voraus, aber in dem Denken Rudolf Ottos hat das Versprechen niemals seine Erfüllung gefunden. Der Gefühls- und der Gottesbegriff haben zunächst sicherlich mehr unbewußt seine Realisierung verhindert; in der „Rede zur vierhundert-

22

Ideen des Redites und der Gerechtigkeit, die auch sie sich mühen, in die Herzen der Menschen zu pflanzen." a. a. O. 237. K. Küssner, Nachschrift der Ethikvorlesung Rudolf Ottos aus dem Sommersemester 1933, 38a („Profane Esdiatologie. Utopienbildung als ethische Gesamtzielsetzungen"). Vgl. Verantwortliche Lebensgestaltung, a. a. O., 161 ff.

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jährigen Jubelfeier der Philippina zu Marburg" ist ihm ausdrücklich der Abschied gegeben. 23 Das bedeutet aber, daß an dem Begriff des Systems nur unter der Bedingung festzuhalten ist, wenn man ihn zu einer Funktion des Lebenszusammenhanges herabsetzt. Die sekundäre Bedeutung, die ihm als Produkt der Reflexion zukommt, hat sich angesichts der „konkreten Wirklichkeit" 24 vollends enthüllt. „Wir nennen ihn (den Sinn dieses Realismus) den Respekt oder die Ehrfurcht vor der Sache selbst — vor der Sache selbst, die bevor wir über sie spekulieren oder sie einordnen in unsere Systeme, rein da ist und sich gibt, und gefaßt sein will in der Breite und Tiefe und Fülle ihrer Realität und Eigengesetzlichkeit." 25 Sein Recht erhält der Systemgedanke lediglich aus der Überlegung, einem Bedürfnis nach Ordnung und Zusammenhang entgegenzukommen, in denen das wissenschaftliche Bewußtsein dem Anspruch auf Kontrollierbarkeit genügt. Er unterliegt also im Grunde denselben Bedenken, die Otto gegenüber der Theologie als Wissenschaft von der Religion geäußert hat, deren abkünftiger Charakter zwar den Erfordernissen eines sich in das Bewußtsein erhebenden religiösen Lebens entspricht, welche aber nicht mit ihm identisch ist.26 Wenn die Ethik die Funktion zu übernehmen hat, die Theologie im ganzen zu repräsentieren, so entspricht diese Auffassung dem Versuche Ottos, die Einheit von religiöser und profaner Sittlichkeit auf zuweisen: „Das ,Heilige' wird ,gut' und das ,Gute' wird eben dadurch 23

„Auch f r a g t sie zunächst scheinbar garnicht n a d i einer ,Idee des Wissens überhaupt', nach einem ,höchsten S t a n d p u n k t e ' oder ,obersten G r u n d s a t z e ' , aus dem sie sich meistern lasse oder gar a priori konstruieren lasse. Sondern breit u n d störrig steht sie zunächst da, mit auseinanderfliehender M a n n i g f a l t i g k e i t , immer zwei neue F r a g e n stellend, wenn eine beantwortet ist, mit harten S p a n nungen ihrer Teilgebiete unter einander und gegeneinander, in reiner Gegebenheit und Eigengesetzlichkeit." Sinn und A u f g a b e moderner Universität, 1927, 13 f., v g l . 12. 15. 18.

24

a. a. O., 12.

25

a . a . O . , 12 f.

211

„,Religion ist der wehrlose Ausdruck individuellen Erlebens' — so hat Wilhelm H e r r m a n n gesagt und geschrieben. U n d d a s besagt im sdiärfsten A u s drucke u n d A b s t ä n d e gegen f r ü h e r : sie ist E r f a h r u n g u n d Begegnung einer Res,

die v o n keinem Wissen konstruiert, v o n keiner S p e k u l a t i o n a priori

gemacht wird, die d a ist als „ f a i t b r u t a l " , in reinem Sichselbsthervortun mit ihrer realitas Gewissen und G e m ü t bezwingend und ü b e r f ü h r e n d : sodaß auch Theologie, einem rein V o r g e f u n d e n e n sich beugend, herabsteigt v o m Throne metaphysischer S p e k u l a t i o n . " a. a. O., 15.

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Folgerungen aus dem Zusammenhang von Religion und Christentum

,heilig', wird ,sakrosankt', bis sidi dann eine nidit mehr lösliche Verschmelzung beider Momente ergibt und nun sich der volle komplexe Sinn von Heilig ergibt in dem es gut und sakrosankt zugleich ist."27 Die Hauptmomente, in denen sich diese „Synthese" 28 darstellt, sind in das Bild der von Otto projektierten Ethik einzuzeichnen. Die Arbeit an der Ethik wird eingeleitet durch die Herausgabe und Kommentierung von I. Kants „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten" 2 ' und gewinnt ihre ersten Umrisse in einer Reihe von Aufsätzen' 0 , die in einer angekündigten Schrift „Sittengesetz und Gotteswille" 31 ihren vorläufigen Abschluß gewinnen sollten. Es liegt im Charakter dieser vorbereitenden Studien, daß sie den Vorlesungsnachschriften gegenüber als Grundlage der Darstellung vorzuziehen sind.' 2 Die Thematik der genannten Aufsätze ist dadurch zu charakterisieren, daß in ihnen sowohl eine weiterführende Auseinandersetzung mit der kantischen Ethik" als audi der ständig gegenwärtig gehaltene H i n 21

D H 135; — In die Entfaltung dieses Gedankens eines wesentlichen Zusammenhanges von Religion und Ethos ist vor allem das Moment aufgenommen, daß das Ethos Träger des unbedingten Schuldgefühls ist. Mit dieser Überlegung, die sich gegen die positivistischen Konstruktionen der Ethik richtet, nimmt Otto Gedanken der Sdiule Ritschis, insbesondere W. Herrmanns auf. 28 D H 1 117: so statt „Verschmelzung". 28 Gotha 1930. 30 Wert, Würde und Recht, ZThK 1931, 1—67; Wertgesetz und Autonomie, ZThK 1931, 85—110; Das Schuldbewußtsein und seine Implikationen, ZRP 1931, 1—19; Das Gefühl der Verantwortlichkeit, ZRP 1931, 49—57. 109— 136; Pflicht und Neigung. Eine Untersuchung über die objektiv wertvolle Motivation, Kant-Studien 1932, 49—90. 31 Wert, Würde und Redit, a . a . O . , 1; SU VII; vgl. auch Freiheit und Notwendigkeit, a. a. O., 3 f. 32 Die nachgelassenen Vorlesungsmanuskripte Rudolf Ottos zur Ethik, die sich im Besitze des Theologischen Seminars Marburg befinden, konnten nidit eingesehen werden; die von R. Boeke, Rudolf Otto, Leben und Werk, Numen XIV, 1967, 140 aufgeführten Arbeiten, die in einem Verzeichnis über den Nachlaß Ottos genannt werden (Rudolf-Otto-Ardiiv, Religionskundlidie Sammlung Marburg): „Lehre der sittlichen Prinzipien", „Klassen der objektiven Werte", „Sittengesetz und Gotteswille", „Zivilisation und Kultur" müssen als verschollen gelten. Dasselbe trifft zu für die Studien „Beziehungen des human-profanen Ethos zum sakral christlichen" und „Gemeinschaft und Gemeinschaftsgüter". " Wert, Würde und Recht, a. a. O., 1; Pflicht und Neigung, a. a. O., 52. 50.

Religion und Ethos

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blick auf die religionsgesdiiditliche Problemstellung enthalten ist. Audi der zuletzt genannte Gesichtspunkt läßt sich als geheime Bezugnahme auf Kant verstehen, dessen „Kritik der praktischen Vernunft" den Übergang von der Ethik zum Gottesproblem in exemplarischer Weise ermöglicht hatte. Otto ist sich des Umstandes stets bewußt gewesen, daß Kant in der Geschichte der Ethik eine unwiderrufliche Wende vollzogen hat und daß es lediglich darauf ankomme, auf diejenigen Motive seines Denkens die Aufmerksamkeit zu richten, die selber als Korrektur des formalen Charakters seiner Ethik zu verstehen sind.34 Die Duplizität der Ausdrücke „Würde und Recht" nimmt eine kantische Einsicht auf und legt sie unter den Bedingungen einer an Kant geübten Reflexion dar. Jene Polarität erscheint als eine Form der Beschreibung gesellschaftlicher Wirklichkeit, in der das Statutarische, dem Willen Entgegenstehende auf eine Aufforderung, das Faktum zu gestalten, bezogen wird. Otto hat freilich diese Duplizität von Würde und Recht durch den Begriff des Wertes zu überwinden versucht. Die Würde, mit der das sittliche Bewußtsein sich dem Recht gegenüberstellt, erkennt im Wert die Legitimation des sittlichen Bewußtseins. In diesen Erwägungen zeigt sich die Eigentümlichkeit Ottos, über die kantischen Paradoxien hinaus3* nach einem Maßstab zu suchen, der nicht lediglich formal ist, wenn er sich auch auf die formalen Kategorien zu stützen versucht. Die Begründung der Ethik im Wertbegriff hat Otto durdi eine Analyse der in der Vorstellung vom Wert implizierten Faktoren aufzuweisen unternommen; die Aufgabe freilich, den Wertbegriff abgesehen von den Begriffen Würde und Recht aufzufinden, ist geleitet von dem Bewußtsein, den Zusammenhang von Wert und Religion zu klären. Mit der Einbeziehung des Wertbegriffs in die Grundlegung der Ethik verbindet sich die wiederholt Kant gegenüber ausgesprochene Kritik, daß die formale Idee der Selbstgesetzgebung kein hinreichendes Prinzip für die Ethik sein kann. 36 Der wirkliche sittliche Wille läßt 34

35 36

„Zwar seine .formalistische Ethik' wird gerade im Namen einer ,Werte-ethik' angefochten. Aber Kants eigene Ausführungen in der Grundlegung der Metaphysik der Sitten unterstehen doch eben selber durchaus der Wertidee. Der ,gute Wille' hat einen .unbedingten', einen ,absoluten' W e r t . " Wert, Würde und Redit, a. a. O., 1 f. KFR88. Die Verwandtschaft der Otto'sdien Wertanalyse mit der Ethik Max Sdielers sowie die zu beobachtenden methodischen und thematischen Berührungen sind kaum als Anknüpfungen Ottos an die von Sdieler geforderte und entfaltete

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Folgerungen aus dem Zusammenhang von Religion und Christentum

sich nicht als Exekution der Autonomie verstehen, sondern er erscheint nur in der Konkreszenz von abstrakter Regel und gegebenem konkreten Material. 37 Wie der Begriff der Würde in einem eigentümlichen dialektischen Verhältnis zu dem des Redites steht und auf den Wertbegriff verweist, so trägt der Gedanke der Autonomie seine über ihn hinausführende Bewegung an sich. Er muß verstanden werden als in der Realisation zum konkreten sittlichen Willen hin begriffen, und er findet sich seinerseits auf den Wertbegriff angewiesen. Konkrete Sittlichkeit und Autonomie bedürfen der Ergänzung im Wert. 38 Die in die Grundlegung der Ottoschen Ethik eingegangene ständige Bezugnahme auf Kant erweist sich nicht nur als in der Absicht vorgenommen, den Formalismus zu einem Moment der Ethik herabzusetzen, sondern sie schließt das Bewußtsein ein, im Wertbegriff den Bezugspunkt für profanes und sakrales Ethos aufgedeckt zu haben. Die formalen Kategorien in ihrer Unbedingtheit sind als Reflexe des Wertbegriffs zu begreifen. Das Geheimnis der Ethik besteht in ihrem Festhalten an diesen formalen Kategorien und in dem Aufweis ihres verborgenen Verhältnisses zu dem im Wert gegebenen Gehalt. Ethisches Denken ist demgemäß stets in der Polarität befangen, wonach es Inhalte des religiösen Lebens zu bewahren hat, ohne die formale Unbedingtheit preiszugeben.39 Die Grenze der Ethik aber erweist sich daran, daß sie für das, was diese Polarität zusammenhält, nur die Bezeichnung des Wertvollen besitzt. Der Wert ist in der Ethik selber nicht mehr greifbar, sondern er zeigt sich als der über die Ethik hinausliegende Grund der Wirklichkeit selbst. Der Versuch Ottos, eine Verbindung von kantischer Ethik und Wertethik herzustellen, führt zu der Begründung der Ethik aus dem „Heiligen". 40

37 38 39 10

materiale Wertethik zu verstehen. Die Gemeinsamkeiten ergeben sich aus den Bedenken der kantischen formalen Ethik gegenüber, wobei für Otto die Einführung des Wertbegriffes aus der Rezeption der friesschen Philosophie erwachsen ist. Vgl. KFR 87 ff. „Nicht erst Lotze sondern Kants Schüler Jakob Friedrich Fries ist dann nächst Kant selber als der Beginner der ,Wertlehre' zu bezeichnen . . . Er tadelt, daß Kant bei seiner Kategorientafel die Idee der Freiheit als einzuteilenden Begriff voraussetzte, es müsse vielmehr der des W e r t e s sein, und er baut dementsprechend seine Tafel und hernach seine Ethik auf." Wert, Würde und Recht, a. a. O., 2 f. Pflicht und Neigung, a. a. O., 67. Wertgesetz und Autonomie, a. a. O., 108 ff. a . a . O . , 110. B. Häring, Das Heilige und das Gute, 1950, 182 ff.

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Dieser Absicht entsprechend hat Otto den Versuch unternommen, diejenigen Momente im Ethos aufzusuchen, die den Übergang zur Religion ermöglichen, weil sie selber auf Erfahrungen beruhen, die denen der Religion verwandt sind. Seine Analyse der ethischen Phänomene steht dabei in einer merkwürdigen methodischen Parallele zu der in der Religionsphilosophie vollzogenen Betrachtung. Was sich der reflexiven Einstellung in eine Mannigfaltigkeit vieldeutiger Erscheinungen auseinanderlegt, empfängt im Gefühl als der Grundform der Erkenntnis eine die Einzelheiten ordnende polare Struktur. Wie sich das Gefühl des Numinosen in dem Kontrast des Abstoßenden und des Anziehenden entfaltet, so findet das sittliche Bewußtsein in der Polarität von Schuldgefühl und Verantwortungsgefühl seine eigentümliche Dynamik. Es ist ein elementarer Sachverhalt, den die Ethik als gegeben hinzunehmen hat, zumal wenn es eine Ethik ist, die sich als Beschreibung der Phänomene der Moralität versteht. 41 Mit der Wahrnehmung dieses Sachverhalts verbindet sich in den Überlegungen Ottos das Interesse, das profane Ethos in einen Bereich der sinnlichen und übersinnlichen Gefühle zu scheiden. Wenn sich in den Gefühlen der Schuld und der Verantwortung ein über die Ethik hinausführendes höheres Gefühl andeutet, so scheint der Nachweis einer Welt der sich auf das Ewige richtenden Gefühle prinzipiell möglich.42 Der Rekurs auf einen beobachtbaren und deutbaren Erlebnisgrund, in dem religiöse und ethische Erfahrungen konvergieren, ist getragen von dem apologetischen Bemühen, gegenüber einer positivistischen Ethik den notwendigen Zusammenhang zwischen Religion und Ethos deutlich zu machen.43 Im Unterschied etwa zu Wilhelm Herrmann, bei dem die religiös-ethische Gewißheit dadurch entsteht, daß der Mensch sich eines ihm begegnenden Eindruckes nicht erwehren kann, daß also im Vertrauen auf die Person Jesu sich der Grund des Glaubens erzeugt, hat sich Otto auf das Selbstvertrauen der

41

Das Schuldgefühl und seine Implikationen, a. a. Ο., 1 ; Das Gefühl der Verantwortlichkeit, a. a. O., 49.

42

„Schuld ist zwar nodi nicht ein religiöser Begriff — das ist erst Sünde, und die Analyse des Sündenbewußtseins ist später nodi eine Aufgabe für sich. Aber audi diese kann man nicht vollziehen, ohne zuvor Sdiuld erörtert zu haben. Denn auch Sünde ist Schuld, wennschon sie mehr ist als nur Schuld." Das Gefühl der Verantwortlichkeit, a. a. O., 136, vgl. 52 ff.

43

a. a. O., 124 ff.

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Folgerungen aus dem Zusammenhang von Religion und Christentum

Vernunft berufen 41 , das der Ort des Gegebenseins von Urgefühlen ontologischer und axiologischer Natur ist. Schuldgefühl wie Verantwortungsgefühl machen offenbar, daß in ihnen in der Tat ein moralisch vernünftiger Glaube, eine zuletzt ontologisch begründete und in axiologischen Wertsetzungen erlebte überempirische Wirklichkeit den Menschen ergreift.45 Otto nimmt also einen angefochtenen Teil der Moral auf, um nachzuweisen, daß man jene Gefühle nur dann verstehen kann, wenn man in ihnen eine höhere Ordnung erblickt. Im sittlichen Erlebnis, und speziell im Schuldgefühl bezeugt sich eine objektive Wertskala samt ihres ontologischen Hintergrundes. Der Ubergang vom Schuldgefühl zum Gottesbewußtsein erscheint für die Logik des profanen Ethos selber als die Bewegung, die das Schuldbewußtsein vollzieht. Die von Otto erstrebte Synthese von Sittengesetz und Gotteswillen, von Autonomie und Theonomie, die sich in der Beschreibung der moralischen Phänomene des Schuld- und Verantwortungsgefühls vorbereitete und die als Zielbild seinen Einzeldarlegungen zugrundeliegt, hat nicht mehr ihre gedankliche Begründung gefunden, sondern die Form einer Auseinandersetzung mit der Wertethik Nicolai Hartmanns angenommen.46 Das von seinem Denken mit großer Mühseligkeit intendierte Telos bleibt in der Antithetik der Aussagen befangen. Die Entfaltung des Problems von Autonomie und Theonomie erfolgt am Leitfaden des antinomischen Charakters dieses Verhältnisses und wiederholt darin eine Eigentümlichkeit der Ottoschen Darstellungsweise, der entsprechend die religiösen Sachverhalte und Erfahrungen in der Doppelgliedrigkeit der Aussagen erscheinen. Die Deutung des numinosen Erlebnisses als sowohl identisch mit dem Bestimmtwerden durch eine äußere Macht als auch ebenso zusammenstimmend mit dem Bewußtsein „eigener Verantwortlichkeit und Schulderfahrung" 47 läßt den Begriff der Autonomie in die Polarität des Selbereinsehens und eines fremden Gesetzes auseinandertreten und setzt somit gleichsam den Korrelatbegriff der Theologie aus sich heraus. In der Erfahrung des Numi44 45

44 47

Das Schuldgefühl und seine Implikationen, a. a. O., 9 f. „Alle Aussagen über Gott, Mensdi oder Welt werden ,erst religiös*, wenn sie mit Wertaussagen verknüpft werden, und es wäre möglich, daß religiöse Wertaussagen ontologisdie Aussagen ,implizieren' und daß ich erst von jenen aus auf diese komme." a. a. O., 19. Freiheit und Notwendigkeit, a. a. O. a . a . O . , 5.

Religion und Ethos

97

nosen erwächst der Autonomie das Bewußtsein der Grenze, und sie wird hineingenommen in eine Bewegung, deren Herkunft sich ihr verbirgt. Indem die Autonomie in dem Erlebnis des Mysteriums den Anderen und das Andere bewahrt, sinkt das Moment des Selbereinsehens zu einer formalen Bestimmtheit herab. Otto kann sich darauf berufen, daß seine Beschreibung der Autonomie der faktischen Erfahrung entspricht48, in der sowohl das Empfangen der Gesetze des Lebens als audi das Bewußtsein der Freiheit sich gegenseitig bedingende Faktoren sind. Jene Macht freilich, die als der Gegenpol der Autonomie auftritt, erscheint weniger als das die Endlichkeit Bestimmende, sondern vielmehr als der Einbruch seltsamer Grenzerlebnisse, die das menschliche Bewußtsein unter die Macht eines Propheten bringen. Das durch diesen Heraufgeführte ist ein neues Gottesbild, das den Charakter des von keiner menschlichen Subjektivität Erdachten hat. Der Akt der freien Hingabe wird aber verdunkelt, wenn das Moment der eigenen Überzeugung aus der Aneignung fortgenommen wird. 49 Die Zuordnung von Autonomie und Theonomie beruht also auf der Einsicht, daß die Theonomie der Autonomie Ziel und Grenze setzt, jedoch nicht im Element dunkler Erlebnisse, sondern dem der Uberzeugung. Der Begriff der Theonomie erfährt dadurch eine nähere Bestimmung, daß er als der im Heiligen aufscheinende Wert verstanden wird. 50 Daß sich in der Ethik Hartmanns für das selber einen Wert bedeutende Heilige kein eigener Ort findet, bezeichnet den Abstand, den Otto der Wertethik gegenüber einnimmt, der er sich sonst in vielem verwandt wußte. 51 Das Heilige als eigener Wert ordnet sich die anderen möga. a. O., 11. ° a. a. O., 4 f., 12. 5 0 „Heilig ist zunächst seinem Wesen nach eine Bezeichnung aus der axiologisdien Sphäre, das schlechthin Höchste und zugleich ein schlechthin Einzigartiges an Wert oder ,Uberwert' bezeichnend, heilig als Wert wird von unserm Werterleben mit voller Präzision erfaßt, und die charakteristischen Momente von einzigartiger Beugung gegenüber seinem zugeordneten Wertträger (wenn anders man in dieser Sphäre unterscheiden darf zwischen Wert und Wertträger und sie hier nicht vielmehr identisch sind), habe ich anderswo anzudeuten versucht." a. a. O., 14, vgl. 8. 5 1 „Unsere Werttheoretiker sind treffliche Phänomenologen und respektieren, was Goethe Urphänomene nannte. Zu solchen Urphänomenen gehört aber auch das G e f ü h l d e s H e i l i g e n (das von den Werttheoretikern zweifellos als W e r t gefühl geredinet werden muß), und das als erlebnismäßiges Vorkommnis mindestens nicht bezweifelt werden kann." a. a. O., 9. 48 4

7

Schütte, Rudolf Otto

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Folgerungen aus dem Zusammenhang von Religion und Christentum

lidien Werte unter, insofern mit ihm „eine Erweiterung des Feldes fordernder Werte weit über das bloß ethische Gebiet hinaus" 52 gegeben ist. Es ist damit nicht nur sich selber zum Ziel setzender Wert, sondern der Grund der Werte überhaupt. 53 Indem es die anderen Werte in ihrer Besonderheit für sich gelten läßt, nimmt es selber in Anspruch, das Neue, Eigentümliche und Überfließende zu ihnen hinzuzusetzen. Die hier vollzogene Zuordnung von Religion und Ethos vermag die Schwierigkeit eines begründenden Aufweises der Ethik im Heiligen nur mangelhaft zu verdecken. Wenn Otto die Eigenständigkeit selbst gültiger Werte anerkennt 54 , dann muß aus deren unbedingter Gültigkeit folgen, daß sie nicht wiederum in anderen begründet werden können. Daß das Heilige als die Hinausführung der Werte verstanden wird, indem es sie begründet und durch göttliche Setzung ergänzt, schließt den Widerspruch in sich, daß etwas selbst unbedingt Gültiges über sich hinaus erweitert werden soll. Unbedingte Gültigkeit verwandelt sich damit in bedingte, und es ist nicht einzusehen, wie der Gedanke eines unendlichen Regresses vermieden werden soll. Stehen jene hinzukommenden Setzungen mit den anderen Werten in einem inneren Zusammenhang, dann wird der Unterschied zwischen Autonomie und Theonomie problematisch, schließen sie hingegen einander aus, dann büßt der Versuch, Autonomie und Theonomie auf die Art und Weise ihrer Zusammengehörigkeit zu befragen, seinen Sinn ein. Die Zuordnung beider läßt sich nur unter der Voraussetzung vornehmen, wenn das Heilige von den im Gewissenserlebnis eintretenden Werten nicht gelöst wird, sondern mit ihnen zu einer Einheit verschmilzt, die begriffen werden muß als der den Menschen bestimmende göttliche Wille.55 52 53

54 55

a . a . O . , 9 f. „Es ist hier wohl zunächst im Gefühl nodi nicht die allgemeine Fundierung aller Werte überhaupt in transzendentem Wert und Wertträger gegeben, sondern zunächst das sidi Unterordnen und in Dienst Treten aller möglichen Aufgaben unter höchste, und zwar ausgesprochen jenseitige, aber das erstere liegt diesem doch schon sehr nahe." a. a. O., 10. a. a. O., 11, 12 f. „Wir werden durch unsere Wertegefühle auf Werte in der Welt gewiesen und durch unser verantwortliches Gewissen verbunden, dem Ansprüche der Werte zu gehorchen. Wir hören durch sie hindurch den göttlichen Anspruch: einen Anspruch, den wir als Wert- wie als Willensanspruch zu spüren glauben. Wir lösen auch hier das Rätsel nicht, das zwischen dem Hiesigen und dem Dortigen besteht. Aber in der Unmittelbarkeit naiven Erlebens fühlen wir auch hier kein Rätsel, sondern meinen Selbstverständlichkeiten zu sehen, wenn wir die

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Es ist nicht zu verkennen, daß Otto in der Verschmelzung von Autonomie und Theonomie eine Gefährdung des Eigenwertes des Heiligen erblickt hat; aus diesem Grunde wendet er die Einsicht in der Form gegen die autonome Wertphilosophie Hartmanns, daß er dessen Meinung, aus der Vernunft eine wirkliche Architektonik der Werte aufbauen zu können, bestreitet. Es gibt keine Werte außer solchen, die sich in der Totalität des menschlich-geschichtlichen Lebens bilden. Damit wird die Vorstellung einer in sich geschlossenen Wertsphäre hinfällig. 58 Wandel und Vertiefung des Ethos sind in geschichtliche Zusammenhänge eingebettet. Was sich uns im Gewissen als Verpflichtung kundtut, ist so zu fassen, daß es sich jeweils nach der Geschichte des einzelnen Menschen konkretisiert, der „,vom Geiste unterwiesen' den Gottesanspruch darin vernimmt". 5 7 Der Ambivalenz sich wandelnder Werte und dem Gewahrwerden eines diesen Wandel selber bewirkenden Grundes entspricht die christliche Einsicht, daß zwischen sittlichem Gebot und Sondergebot unterschieden werden kann. 5 8 Das Ethische erscheint somit im Glauben an das Evangelium befangen. 59 Das würde aber bedeuten, daß das Evangelium nicht lediglich Pol zum Ethos, sondern selber Ethos ist. Das auf die Einheit von Religion und Ethos hinblickende Denken Rudolf Ottos hat den Gegensatz, aus dem seine Bemühungen entsprangen, nicht von sich abtun können. Die Einheit wird letztlich gedeutet im Schema eines Dualismus von natürlichen und übernatürlichen Werten, die als sich überlagernde Stufen in einem Bedingungs- und Ergänzungsverhältnis stehen. 60 Wie das Numinose der Ratio in der Ahnung zugeordnet war, so erscheint das Heilige als höchster Wert den niederen Werten als Grund vorgegeben. Man wird freilich den Intentionen Ottos nur gerecht, wenn man über den Kontrast, über das in Polaritäten sich Sprache weltlicher Werte im Gewissen klar anerkennen und vom Geiste unterwiesen den Gottesansprudi darin vernehmen." a. a. O., 16 f., vgl. 10. 11. »· a. a. O., 11 f., vgl. Wert, Würde und Redit, a. a. O., 3. 57

Freiheit und Notwendigkeit, a. a. O., 17.

58

a. a. O., 12.

59

„Wo die christliche Botschaft explicite hinzukommt, da tritt der

heilige,

die Sünde richtende, den Sünder suchende und rettende Heilandsgott ins Licht. W o dieses geschehen ist, da ist in aller Klarheit nicht mehr nur eine Teleologie aller Werte in Ausrichtung auf das Heilige gegeben, sondern da ist d e r lige

Wertes in Welt und Überwelt." a. a. O., 10 f. «" a. a. O., 9 f., 15. 7"

Hei-

fundus, Möglichkeitsgrund, Urquell alles wirklichen oder möglichen

100

Folgerungen aus dem Zusammenhang von Religion und Christentum

auslegende Wissen, jene Einheit gewahr wird, die verborgen den Gegensätzen innewohnt. In einem Bild hat Otto sich diesen Gedanken vergegenwärtigt, aber es erscheint als das von den Gegensätzen abgelöste, nicht aber sie zusammenfassende. Über das faktisch Geleistete hinaus verweist es auf einen Abschluß des Denkens. Es ist das „Bild unermeßlicher, in sich ruhender Werttiefe, die aus sich selbst aus- und aufbricht, und sowohl aus dem Antriebe schenkenden Liebewillens wie aus dem Antriebe schaffender Sinn- und Wertgestaltung in einer Kreatur Schöpfer wird, und wie Schöpfer so auch Erlöser gegenüber einer vom Ziel sich trennenden Kreatur. Schaffend wirkt sie eine von ,Werten' durchwirkte Welt, die Strahlen, Reflexe aus ewigem Urwert sind, und die in ihrer Autonomie nichts sind als Reflexe der Theonomie selber, d. h. der Urautonomie des Wertes, den der Schaffende in sich selber trug und den er in sein Geschöpf einleuchten ließ. Wie die essentia der Dinge (idealiter) aus Gott ist und in unendlichen Brechungen und Abstufungen im engen Räume des Kreatürlich-weltlichen göttliches Urwesen nachbildet, so haftet an diesem Gebild aus Gott auch der Reflex des göttlichen Wertes — auch er in unendlichen Brechungen und Abstufungen, mit Mannigfaltigkeiten der Abstände und der Unterschiede vom Ungebrochenen, und so ist die Autonomie der Kreatur versunken in die Theonomie." 61 Das Verhältnis von Religion und Ethos, in dem sich das Ethos zunächst als Vorhof der Religion darstellte, um dann im Wert des Heiligen Grund, Ziel und Bereicherung zu finden, wobei sich endlich das Heilige selber als Träger und Tiefe des Ethos erwies, erscheint unter dem Gedanken einer Heimholung der ethischen Werte in den Urwert des Schöpfers. Religionsphilosophie wie Ethik sind die Erhellung dieses Sachverhalts. Die Synthese zwischen dem Höchsten im Erlebnis des Heiligen, dem Schöpferglauben und dem Vernunftinhalt ist nur in Analogie zur „Einstrahlung" 62 des Wesens des Schöpfers ins Geschöpf zu verstehen. Dieser zusammenschließende Gedanke, daß Gott der das menschliche Wissen Durchleuchtende ist, erklärt erst das Licht, dessen Strahlen sich in der Vernunft brechen. Die Theonomie erweist sich, zumal in ihrem Repräsentanten, dem Menschensohn, als Grund der Werte. Das Numinose wird somit selber zum Index der Logoslehre, denn im Numinosen strahlt der Logos aus.63 61 62 83

a. a. O., 15. a. a. O., 15. „Der Logos ist . . . der ewig in Gott entsprungene, in ihm ruhende Gedanke, mit dem Gott sich selber denkt und erkennt nadi dem Reiditume und der

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Es ist das Erlebnis des Heiligen, wodurch die theologische Besinnung genötigt wird, die Religion von ihren eigentümlichen Erfahrungen her auf das Ethos zu beziehen. Dasjenige nämlich, was mit dem Begriff „heilig" vermeint ist, legt sich der ethischen Reflexion in der Form dar, daß in ihm mit der irrationalen Tatsächlichkeit eines Erlebnisses stets die Synthese von Unbedingtheit und konkretem sittlichem Gehalt eintritt. In dem in der sittlichen Forderung sich aussprechenden Gotteswillen kommt es zur Konstituierung der Person64, das heißt aber, der Mensch wird durch sie zur Würde der Gotteskindschaft berufen. Diese Forderung vollzieht sich nicht in bloßer Abstraktheit, sondern sie macht sich als der bestimmte Gotteswille vernehmbar. Die Gestalt Jesu als des Menschensohnes ist Ausdrude dieses Geheimnisses eines Zusammenschlusses von Unbedingtheit und bestimmtem Inhalt. Insofern gehört es zur Eigentümlichkeit religiöser Erfahrung, daß sie die Polarität der Ethik, die im Wertbegriff abstrakt vereint scheint, auf das Erleben des göttlichen Willens bezieht. Die Wahrnehmung des göttlichen Willens zeigt sich als die einzige Art, wie sich formale und inhaltlich bestimmte Ethik verbinden können. Die ethische Bedeutung der Religion ist dann darin zu erblicken, daß sie sich als Synthesis zwischen Heiligem und Profanem darstellt. Im Heiligen wird als Einheit erfahren, was in der Ethik unter dem Gesetz der Polarität erscheint und das Ergebnis in eine Spannungen in sich schließende Verwicklung geraten läßt, die man lediglich beschreiben kann. Der Begriff der Ethik ist vermöge der in ihm liegenden Implikationen nicht aus sich selbst zu begründen. Otto hat freilich die Schwierigkeit dieser Kombination durchaus empfunden. Sie beruht nicht nur in der Darlegung der Begründungsproblematik, sondern sie scheint das Verhältnis von Ethos und Religion überhaupt zu gefährden. Wenn die Ethik in der Gestalt der Antithetik das menschliche Bewußtsein in der Besonderheit gefangen hält, die Religion demgegenüber als unbedingte Einheit erscheint, kann sich der Glaube insofern mißverstehen, als er die Spannung in das Einheitsgefühl aufhebt. Religion kann das Ethos nur so begründen, daß sie im Erlebnis

64

Fülle seines Wesens. Er ist dieses selber im Gegenbild. Eben dieser Selbstgedanke Gottes aber wird nun zum Prinzip der Welt und ihres Sinn- und Wesensgehaltes, sofern der Logos zum Schöpfungsprinzip der Welt wird. Wenn audi nur im unendlichen Abstände und die Fülle nicht erschöpfend, ist dodi, was an Sinn und Wesen und Wert in und an der Welt ist oder möglich ist, aus der Lebenstiefe des Sinnes und Wertes der Gottheit selber." a. a. O., 17 f. a . a . O . , 8.

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Folgerungen aus dem Zusammenhang von Religion und Christentum

des Heiligen sich an der ethischen Reflexion bewährt, ohne die Ethik aufzulösen. Die Unvollendbarkeit des Sittengesetzes sowie der Fortgang zum Gotteswillen macht diesen nur dann nicht zwischen Verzerrung und Sinntiefe unkenntlich, wenn er zugleich der das Ethos Tragende und sich am Ethos Bewährenmüssende ist. Die Bedeutung, die der Ethik im Zusammenhang des Denkens Rudolf Ottos zukommt, liegt in der Anstrengung, für das Numinose und das Rationale menschlichen Lebens einen Ausdruck zu finden, in dem sie als zusammengehörend begriffen werden können. Indem seine Theologie diese Einheit anstrebte, stand sie im Begriff, sich selbst zu vollenden. Sie hätte bei voller Realisierung ihrer Absicht einen Kreis beschrieben, in dem das Ende Aufklärung des Anfangs ist.

SCHLUSS

Die Bedeutung und Tragfähigkeit des religionsphilosopbischen theologischen Denkens Rudolf Ottos

und

Das theologische und religionsphilosophische Denken Rudolf Ottos ist ein nach Umfang und Interesse reich gegliedertes Denken, das seinen Reiz nicht zuletzt aus der Ambivalenz widerstreitender Motive empfängt, deren Einordnung in eine Gesamtdeutung des Verhältnisses von Religion und Christentum, menschlicher Vernunft und christlichen Glaubens sich als Triebkraft enthüllt, die sich in der Unmittelbarkeit des Gefühls bekundet, deren Transposition in eine der Reflexion genügende, dem Begriff erschlossene Gestalt aber als eine unendliche Aufgabe erscheint. Es verleugnet in seiner Zielsetzung nicht die Herkunft aus einer theologischen und philosophischen Tradition, deren Geltung sich im Bewußtsein der Zeitgenossen zunehmend verdunkelte und von deren Problematisierung sein eigenes Denken nicht unberührt blieb. Die unterschiedliche Weise, in der die Theologie auf die Arbeiten Ottos reagierte, läßt sich nicht allein aus Mißverständnissen begreifen, sondern sie macht auf Spannungen aufmerksam, die seiner Theologie wie seiner Religionsphilosophie innewohnen und die über die individuell bedingten Aporien hinaus die Merkmale einer Problemsituation an sich tragen, die seinen theologiegeschichtlichen Ort kennzeichnen. Die besondere Art indes, in der sich die gegebene Problemlage in dem Denken Rudolf Ottos reflektiert, gibt seiner Theologie die aparten und unverwechselbaren Züge. Sie läßt die Eigentümlichkeit seines Versuches, durch den Aufweis des „sensus numinis" ein neues Verständnis von Religion und Christentum zu gewinnen, zwar mitbestimmt sein von dem Wandel, der die Theologie beim Ausgang des ersten Weltkrieges erfaßt, aber sie läßt ihn nach einer vorübergehenden Phase, in der es aus dem Gefühl gleichgerichteter Interessen noch zu der Berührung der Gegensätze kommen konnte, als nicht mitergriffen zurück. Was diese momentane Identifizierung der Interessen ermöglichte, war die Abkehr Rudolf Ottos von der „liberalen Theologie" 1 , war insbesondere die eine 1

„Diese liberale Theologie in ihrer charakteristischen Verbindung von kantisdifriessdier Philosophie, Sdileiermadier-Ritsdilsdier Theologie und moderner

Schluß

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Wendung des theologischen Bewußtseins ausdrückende Rede vom „Ganz Anderen", die zur Signatur eines eigenen theologischen Programmes werden sollte. Gerade diese Doppelstellung hat sich für die Beurteilung der Theologie Ottos als folgenreich erwiesen. Aus der Teilhabe an zwei sich gegeneinander kehrenden Richtungen der Theologie erwächst ihm mit der Näherbestimmung seines Themas das eigentümliche Pathos, eine beide Positionen umfassende Konzeption zu besitzen. Zugleich bewirkt freilich diese doppelt gesetzte Differenz die zunehmende Isolierung Rudolf Ottos und seiner Theologie; sie befördert das Bestreben, sich neben den bestehenden theologischen Schulen und Gruppen durch die Form freier Zusammenschlüsse ein Organ zu schaffen, das seinem Denken und seinem Programm den Charakter der Praktikabilität verleihen soll. 2 Im Unterschied zur liberalen Theologie, mit der sich Otto in vielfacher Hinsicht berührte, ist es ihm schon in den Anfängen seines Denkens und dann in zunehmendem Maße bewußt geworden, daß der Begriff der Vernunft ein das menschliche Selbstverständnis nur partiell und unvollkommen bezeichnendes Vermögen darstellt. E r vermag das den Menschen in seiner Eigenart Auszeichnende aus dem Grunde nicht hinreichend auszudrücken, weil er die Tendenz verrät, die Religion lediglich als eine Funktion der Rationalität sich einzuordnen. Dieser Neigung gegenüber, die „Tiefen" der Religion sich in dem Vernunftbegriff erschöpfen zu lassen, gewinnt die Erkenntnis an Bedeutung, daß der Begriff des Geistes, und zwar der die Polarität von spiritus sanctus und kritischer Bibelwissenschaft bildete den Untergrund für Ottos weiteres theologisches Forschen und Wirken, das mit der Veröffentlichung seines berühmtesten Werkes über „Das Heilige" (. . .) in eine ganz neue Phase trat. Seine Theologie war fortan n i c h t

mehr

„liberale" Theologie . . .; sie hatte den

dieser anhaftenden rationalistischen Charakter fast völlig abgestreift . . ." Friedrich Heiler, Protestantischer Universalismus. Rudolf Ottos Lebenswerk, „Eine heilige Kirche", 19. Jg. der Hochkirche, 1937, 133. 2

Sowohl der „religiöse Menschheitsbund" ( R G G 2 3, 2 1 2 2 f.) als auch die F o r derung etwa, einen „allgemeinen Evangelischen Weltrat zur Wahrnehmung protestantischer Gesamtinteressen"

(SU 241) einzurichten, entsprechen der

Zielsetzung nach der Vorstellung Ottos, eine Synthese zwischen universalem und individuellem Interesse zu finden. In anderer Weise läßt sich die Tendenz, bestehende Verhältnisse zu ändern oder sie wenigstens als zu den eigenen Einsichten in Konkordanz stehend zu begreifen, an den liturgischen Reformvorschlägen beobachten. Die Schrift „Zur Erneuerung und Ausgestaltung des Gottesdienstes", 1925, ist die praktische Anwendung der aus der Analyse des „Heiligen" sich ergebenden Kategorien.

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vernünftigem Vermögen umfassende Begriff, sich nicht nur nicht dem einen Glied der Relation unterordnen läßt, sondern daß die Vernunft als eine lediglich sekundäre Form des Innewerdens des Geistes verstanden werden muß. Es ist die die Überlegung Ottos begleitende Gewißheit, daß der Ort, der zur Berührung und zur Durchdringung der beiden Faktoren führt, die Religion ist. Die Religionsthematik hatte Otto am Geistbegriff gewonnen. Durch ihn schließt er die Erfahrungen zusammen, die ihm die Analyse der religiösen Phänomene vermittelte. „Erst die eigene geistige Erfahrung lehrt sehen und gibt dann audi einen Maßstab für das, was einmal war, ob es war und wie es war. Aus Gleichem wird Gleiches erkannt und in seiner Tatsächlichkeit anerkannt und in seinem Wesen wiedererkannt." 3 Die Termini Gefühl und Divination beruhen nach den sie konstituierenden Sinnfaktoren auf eben dieser Erfahrung des Geistes, und sie entziehen sich wie diese einer Überführung in den Begriff. Der Gewinn, der aus dieser Konzeption für die Erarbeitung einer Religionsphilosophie folgt, besteht darin, daß sie von der Notwendigkeit befreit wird, sich lediglich durch rationale Prinzipien legitimieren zu müssen und damit alle der Vernunft widerstreitenden Elemente als Mißverständnisse der Religion aufzufassen. Die Gegenwart des spiritus sanctus im menschlichen Geist bewirkt, daß die Geschichte der Religion zu einem Innewerden des Geistes in der Vernunft wird. Mit diesem Verständnis von der Geschichte der Religion hat sich Otto die Möglichkeit bereitet, die die Religion begleitenden dunklen Phänomene als vorläufige Versuche der Vernunft, im Geiste zu sich selber zu kommen, zu verstehen und sie selber in ihrem Gestaltwandel als auf „Sinn und Ziel des Menschen"4 zugeordnet zu begreifen. Sollte sich diese Interpretation der Theologie Rudolf Ottos als zutreffend erwiesen haben, so gewinnt die Beobachtung der ihm in der theologischen Situation zukommenden eigentümlichen Zwischenstellung eine Bestätigung. Indem er die Vernunft als dasjenige Vermögen charakterisiert, das seiner tiefsten Absicht nach sich im religiösen Leben und Denken zu vollenden sucht und ein in die gewöhnliche Vernünftigkeit nicht eingehendes Intelligibles zu erfassen strebt5, tritt seine Theologie unter Bedingungen, die ihn den Vertretern der liberalen Theologie als 3

SU 83. « SU 20. s SU 41. 68 Anm.

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Sdiluß

fremd und schwer verständlich erscheinen lassen müssen. Mit jenen Motiven, die einer der rationalen Umgrenzung theologischer Aussagen abgekehrte Seite haben, hat er sich wiederholt auf Luther berufen. An Luthers Theologie ist indes auch umgekehrt die andere, der frühen dialektischen Theologie gegenüber vorgenommene Grenzziehung am ehesten zu verdeutlichen, eine Grenzziehung freilich, die sich eingestandenermaßen an einer ihrer Varianten, der Theologie R. Bultmanns, orientiert. Was ihm am Studium Luthers auf nachhaltige Weise bewußt geworden ist, daß das Innewerden des Geistes in der Vernunft nämlich weder supranatural noch im Modus abstrakter Forderung zu vergegenständlichen ist, hat Otto ihr gegenüber geltend gemacht.' Dem vernünftigen Geist erwächst die Aufgabe, unter Anwendung der Reflexion das sich bildende theologische Urteil vor dem Umschlag zu bewahren, in dem es zum Opponenten der frei vollzogenen Reflexion wird. Die Wirklichkeit des spiritus sanctus entzieht sich den Versuchen, sie durch eine Theorie darzustellen, die die Vernunft überschreitet. Die eigentümliche Duplizität, die für den Begriff der Vernunft in den Aussagen Ottos charakteristisch ist und die mannigfachen Mißverständnissen ausgesetzt war, läßt sich in ihrer die Polarität zweier Momente umfassenden Einheit audi als das Gegenbild zu den spekulativen Deutungen des Idealismus auffassen. „Die Vernunft ist absolut selbständig; sie ist nur für sich, aber für sie ist auch nur sie. Alles sonach, was sie ist, muß in ihr begründet sein, und nur aus ihr selbst, nicht aber aus etwas außer ihr erklärt werden, zu welchem, außer ihr, sie nicht gelangen könnte, ohne sich selbst aufzugeben." 7 Dieser Satz und die ihn explizierende Philosophie ist für Otto in keiner Phase seines Denkens nachvollziehbar gewesen. Der Vernunftbegriff ist lediglich in der Hinsicht konstitutiv, als jede auf ein Objekt sich beziehende Aussage in ihm ihren Relationspunkt besitzt, der als Formelement von ihr nicht ablösbar ist. Insofern unterliegt auch alle theologische Rede den damit gegebenen kritischen Begrenzungen. Als das produktive, die Wirklichkeit setzende Vermögen, das in seiner eigenen Dialektik das Zusammenspiel von Kate• „Luther wagt es sogar dieses Schauervoll-Irrationale in Gott als den ,deus ipse' zu bezeichnen, ut est in sua natura et majestate (— in der T a t eine gefährliche und falsche Annahme, denn die irrationale Seite in der Gottheit ist von der rationalen keineswegs so unterschieden als ob diese ihr weniger wesentlich zukäme als jene!)" D H 121. 7 J . G. Fichte, Ausgewählte Werke in 6 Bänden, hg. von F. Medicus N D 1962, III, 58.

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gorie und Realität erwirkt, übersteigt sie die in der Kritik gesetzten Grenzen ihrer Anwendungsmöglichkeit ebenso wie in den Akten der Vergegenständlichung, in denen sie sich vergißt. Gerade in dieser Begrenzung aber wird sich die Vernunft des göttlichen Geistes inne, welches Innewerden sie als die unausschöpfliche Bewegung begreift, in der sich der Geist Gottes ihr erschließt. Weil dieser Vorgang zugleich die Genesis des Religionsbegriffes ist, hat Otto zur Entfaltung dieser Grunderfahrung auf die Mystik verwiesen, der Vernunft und spiritus sanctus Gegenstände desselben numinosen Erlebnisses sind.8 Was sich im Geistbegriii als Zusammenführung der beiden Faktoren für die Theologie Rudolf Ottos in seiner grundlegenden Bedeutung erweist und was ihr den die Vermittlung suchenden Charakter verleiht, hat sich in keiner Theorie vollendet. Die Ethik, die zu ihrer Verwirklichung bestimmt war, ist über das Stadium eines Projektes nicht hinausgekommen. Der der Unmittelbarkeit zuneigende Stil seines Denkens und das scheinbar Auseinanderstrebende seiner Arbeit haben den Eindruck entstehen lassen, seine Theologie sei eine der Intuition sich hingebende Verklärung besonderer unerweislicher Einfälle. Es mag angesichts des in seiner Wirkung auf die Theologie ohne nennenswerte Folgen gebliebenen Denkens Rudolf Ottos als nicht unangemessen erscheinen, sich der Gründe zu vergewissern, die sich einer Rezeption seiner Gedanken als hemmend entgegenstellten. Man wird sicherlich damit zu rechnen haben, daß es Gründe sind, die nicht nur der gewandelten theologischen Situation erwachsen sind und der von ihr vollzogenen Abkehr von dem Versuch einer Theologie der Synthesen, sondern die den eigentümlichen Bedingungen entsprechen, unter denen sich das Denken Rudolf Ottos realisierte. Angesichts der systematischen Gedankenbildung Ottos ist auf zwei Entfaltungsarten Bezug zu nehmen. Die erste betrifft ihre innere Tragfähigkeit. Ihr ist die Frage zuzuordnen, welche Bedeutung dem religionsphilosophischen und theologischen Denken Ottos für den christlichen Glauben zukommt, der sich in einem durchsichtigen gedanklichen Zusammenhang zu besitzen wünscht. Die andere bezieht sich auf die äußere Tragfähigkeit; mit ihr verbindet sich die Frage, welche Bedeutung dem religionsphilosophischen und theologisdien Denken Ottos angesichts der Aufgabe zukommt, der weltlidien Humanität die Notwendigkeit ihrer Begründung im christlichen Glauben einsehbar zu machen. Man könnte beide Aufgaben audi als 8

SU 140 ff.; WÖM 179, 54.

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die innerchristliche Reflexionsgestalt dogmatischen Denkens und als Apologetik des dogmatischen Denkens unterscheiden. Es ist, wenn man sich auf diesen Unterschied bezieht, deutlich, daß Rudolf Otto bei aller Weiträumigkeit seines Denkens Apologet des Christentums hat sein wollen, und er ist ohne Frage der Überzeugung gewesen, daß seine religionsphilosophischen und theologischen Bemühungen die Aufgabe der Apologetik zu lösen imstande sind. Was sich bei dieser Zwecksetzung, das menschliche Bewußtsein von der Wahrheit des Christentums zu überzeugen, als problematisch erweist, und worin sich die Grenze seines Versuches enthüllt, beruht in der Art und Weise seiner Argumentation selbst. Otto begnügt sich nicht mit dem Aufweis, daß das menschliche Bewußtsein eine „religiöse Anlage", eine unmittelbare Gewißheit vom Ewigen voraussetzt, daß, wie W. Eiert es als das Resultat einer sich bescheidenden Theologie beschrieben hat, „der Notwendigkeitsnachweis der christlichen Erkenntnisse nur als Nachweis des Vergewisserungsprozesses erbracht werden kann". 9 Dieser Aufweis, mit dem sich Otto auf Fichte, Schleiermacher und Hegel berufen könnte, ließe sich als eine aller besonderen theologischen Explikation vorausgehende, unableitbare Setzung begreifen. An ihm vermag sich der Gedanke, die Religion dem weltlichen Bewußtsein nahezubringen, insofern zu legitimieren, als die Voraussetzung eines verborgenen Bewußtseins von Gott der vorerst unstreitige Bezugspunkt eines sinnvollen Redens von ihm ist. Soweit Otto sich dieses Gedankens bedient hat, lassen sich seine Darlegungen als der Logik des Christentums folgend verstehen. Er hat sich indes, und hierin zeigt er sich der Apologetik seiner Generation verwandt, mit dieser Möglichkeit nicht begnügt. In der Uberzeugung, daß der Hinweis auf den Grund des christlichen Bewußtseins in der Erfahrung des Geistes, die als Erfahrung des Gewissens im unauflöslichen Gefühl beruht, eine tragfähige Gestalt der Apologetik nicht begründen kann, hat er den Versuch unternommen, das System einer intelligiblen Welt zu entwerfen. 10 Er ist sich freilich des Umstandes bewußt, daß dieses System der Form nach von dem modernen Denken als eine neue Mythologie angesehen werden muß und weist dementsprechend diesem Entwurf einer intelligiblen Welt die Bedeutung eines Ideogramms zu. Ohne Zweifel lebt dieses Bild von dem Übergriff, dem sich seine Über9 10

Der K a m p f um das Christentum, 1921, 497. Vgl. schon K F R VII, S U 41. 68 Anm., — R . Sdiinzer, Werturteil und Seinsurteil in den nachgelassenen dogmatischen Vorlesungen Rudolf Ottos, Theol. Diss. Marburg 1967, 127 ff., 217 ff., 241 ff., 250 ff.

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legungen in der Regel zu entziehen suchten. Die Apologetik Rudolf Ottos teilt freilich mit der Theologie seiner Zeit die Schwäche, daß sie die kritische Umgrenzung wissenschaftlicher Erkenntnisbildung überschreitet. Demgemäß würde seine Darstellung der wahren intelligiblen Wirklichkeit des Göttlichen von dem modernen Denken als eine der geistreichen Dichtungen angesehen werden, die die evangelische Theologie des 19. Jahrhunderts so reichlich hervorgebracht hat. 11 Von solchen gleichsam mythologischen und ideogrammatischen Gedankenbildungen spekulativer Dichtung wird man getrost sagen dürfen, daß etwa J. Böhmes Theosophie dem weltlichen Bewußtsein als Gleichnis für das Unerkennbare anziehender erscheinen wird als die intelligible Konstruktion des Göttlichen in den Versuchen Rudolf Ottos. Die Ausnahme, die in diesem Zusammenhang zu nennen übrig bleibt und die Otto als Interpreten der Religion von fraglos eindrücklicher Kongenialität erweist, ist seine Analyse des Numinosen als des mysterium tremendum und fascinosum. Mit ihr hat er seinen Eindruck und eine nachhaltige Wirkung auf das weltliche Bewußtsein nicht verfehlt. Der Reiz, der von ihr ausging, bestand darin, daß dem dem menschlichen Bewußtsein innewohnenden Gefühl für das göttliche Geheimnis ein Ausdruck gegeben wird, der den nichtchristlichen Religionen wie dem Christentum den Wert des Erlebens des unaussprechlichen „Anderen" zuspricht. Die eigentümliche Empfänglichkeit gerade für den Begriff des Numinosen scheint dafür zu sprechen, daß der Phantasie ein Stoff gewährt wurde, der unterschiedlicher Deutung fähig ist.12 Damit ist freilich zugleich die Grenze berührt, die der Aneignung der Kategorie des Numinosen gesetzt war. Sie hat in der Entfaltung ihrer Glieder, des tremendum und fascinosum, gerade auch mit ihrer Affinität zu sonderbaren Vorstellungen und Handlungen sowohl als sinnhaftes Mysterium als auch die dem Christentum gegenüber indifferente Beschreibung irrationaler Lebensvorgänge verstanden werden können. Sie hat insbesondere den von Otto intendierten Zusammenhang mit dem Begriff des „Menschensohnes" als des wahren Trägers des Mysteriums nicht zu der Evidenz gebracht, die die Überführung des Religiösen in das christliche Bewußtsein bewirken sollte. Die Apologetik Rudolf Ottos bleibt problematisch. Etwas anders muß das Urteil ausfallen über die innere Tragfähigkeit seines religionsphilo11 12

Vgl. W. Eiert, a. a. O., 497. Vgl. etwa P. L. Kämpchen, Die numinose Ballade, Mnemosyne 4, Bonn 1930.

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sophischen und theologischen Denkens, über die in ihm liegende Bedeutung für die Durchklärung der innerchristlichen Reflexion. Es mag als nachdenkenswert erscheinen, wenn K. Rudolph 13 den wissenschaftlichen Charakter der religionsgeschichtlichen Arbeit Ottos aus der Überlegung heraus bestreitet, daß sie auf spezifisch christlich-theologischen Voraussetzungen beruhe. Es bestätigt sich an dieser Form der polemischen Entgegensetzung14, daß sich die Gedanken Ottos unschwer gegen ihn selbst kehren lassen, wie man sie auch etwa so auffassen kann, als ob in ihnen das Verhältnis zum Göttlichen als ein aus verborgener Wurzel entsprungener Aberglaube verstanden ist. Otto hat einem theologischen Thema seine Aufmerksamkeit zugewandt, das zu den vernachlässigsten gehörte. Am Begriff des heiligen Geistes ist ihm das Religionsproblem entstanden, auf ihn bleibt es, den Wandel seiner Aussagen überdauernd, bezogen. In ihm hat er das Maß besessen, das ihn nicht nur die nichtchristliche Religion als im latenten Bezug zu ihm stehend aufsuchen ließ, sondern das ihn das Christentum als seine reinste Repräsentanz verstehen ließ. Es ist der Geist Christi, in dem das mysterium tremendum und fascinosum ergreift und bewegt. Seine Studie „Reich Gottes und Menschensohn" gewinnt ihre Eigentümlichkeit aus der Korrelation von Geist und Glaube, die sich freilich auf merkwürdige Weise indifferent verhält gegenüber der historischen Erkenntnis. Die „christologischen" Aussagen entstammen dementsprechend auch nicht der Reflexion auf Überlieferungszusammenhänge, sondern aus der Wahrnehmung der den „Geist" begleitenden Phänomene, die als realitätsverbürgend seine Gegenwärtigkeit darlegen. Seine Aussagen zur Person Jesu erhalten ihre Bedeutung zu einem nicht geringen Teil aus dem, was sie kritisch verneinen. Sie nehmen Bezug auf einen seine Situation beherrschenden Gegensatz und versuchen die Problemerörterung abgesehen von der lehrhaften dogmatischen Konstruktion einer Christologie, der der historische Bezug fehlt und einer historischen Skepsis, die das abstrakte Prinzip der Eschatologie als Ausdruck christlichen Glaubens setzt, aufzunehmen. Otto hat sich dieser Alternative durch eine unbefangene Analyse der Wirklichkeit der Person Jesu, die mit ihrem geschichtlichen Denken und Tun den christlichen Glauben trägt, widersetzt. Darin hat er Motive bewahrt, die für die Selbstauslegung des christlichen Glaubens unverzichtbar sind. 13

14

Die Problematik der Religionswissenschaft als akademisches Lehrfadi, Kairos IX, 1967, 34. a . a . O . , 35.

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Seine Evidenz empfängt das Denken Rudolf Ottos aus der den sekundären Akten der Reflexion vorausliegenden und sie allererst ermöglichenden Unmittelbarkeit; sie nimmt in seinen Überlegungen den Ort ein, die Phänomene der religiösen Welt in ihrer Reinheit zur Gegebenheit zu bringen. Wer sich dem durch keine Theorie gedeuteten primären Bestände der nur dem „Gefühl" zugänglichen religiösen Grunddaten hingibt, ist ihrer Realität inne und gewinnt einen Bezugspunkt, der vor aller Unterscheidung in subjektive oder objektive Faktoren liegt. Die Appellation an das Gefühl hat in diesem Zusammenhang die Funktion, auf den vorbegrifflichen Charakter dieser elementaren Befindlichkeit hinzuweisen, es aber zugleich als einen jenen Phänomenen entsprechenden Modus der Erkenntnis namhaft zu machen. Weil diese Erkenntnisart auf die Subsumtion der ihr gegebenen Objekte unter Begriffe, die dem Bereich des Empirischen entstammen, verzichten muß, fällt sie für Otto mit der den Glauben konstituierenden Wirklichkeit des Geistes zusammen. Insofern verband sich mit ihr das höchste theologische Interesse. Dieser Appell an das Gefühl als der unmittelbaren Erkenntnis und der Erkenntnis des Unmittelbaren enthält aber zwei, die Aussagen Ottos undeutlich machende Momente. Auf der einen Seite stellt er sich dar als der Verzicht auf eine Selbstbegründung des Denkens, und das ist ohne Frage der für Otto entscheidende Gesichtspunkt. Was die Vernunft zwingt, sich in ihrer Gegebenheit hinzunehmen, erscheint in der Erfahrung des Glaubens als das Erwirktwerden von einer transzendenten Realität, die „als eine revelatio erkannt" wird. 15 Auf der anderen Seite aber stellt sich jener Appell als ein der Durchsichtigkeit bedürfender Zusammenhang von Unmittelbarkeit und Reflexion dar. Der genaueren Bestimmung dieses Zusammenhanges sind die Überlegungen Ottos nicht gerecht geworden. Sein Vertrauen auf die Unmittelbarkeit der Vernunft und der von ihr verbürgten Wahrheit der Realität religiöser Erscheinungen hat sich als nicht hinreichend erwiesen, die behauptete Einheit adäquat auszudrücken. Die Unterscheidung in eine innerchristliche und eine auf das Außerchristliche bezogene Denkgestalt, die sicherlich nicht der Intention Ottos entspricht, hat lediglich sichtbar werden lassen, was sich als Grenze seiner Gedanken in die theologische Entfaltung gelegt hat. Der Appellation an das Gefühl korrespondiert die Appellation an die Einheitlichkeit seines theologischen und religions15

GU 63.

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philosophischen Denkens. Man wird freilich den Bemühungen Ottos, das auf der unmittelbaren, unausdeutbaren Einheit ruhende Verhältnis von christlichem und menschlichem Bewußtsein wenigstens in der Form des Postulates festzuhalten, nur gerecht werden, wenn man sich die Bedingungen vergegenwärtigt, aus denen dieses Problem erwachsen ist und es zu verwandten Deutungen in Beziehung setzt. Die Zusammengehörigkeit von christlichem Glauben und menschlichem Bewußtsein läßt sich als einem doppelten Bedürfnis entspringend vorstellen, an dessen Befriedigung das Denken ein unstillbares Interesse hat. In beiden Gestalten erweist sich das Denken auf dieselbe Wahrheit bezogen und eben diese Wahrheit will sich als die eine Wahrheit an demselben Denken erweisen. Die Identität der Wahrheit und die Einheit des Denkens sollen in den differenten Akten der Gegenstandsvergewisserung als zusammengehörig erkannt werden. Die Schwierigkeit, die einer solchermaßen gestellten Aufgabe erwächst, besteht darin, die Art und Weise zu bestimmen, in der die beiden Sphären einander zuzuordnen sind. In seiner Schrift „Naturalistische und religiöse Weltansicht" kommt Otto in einer dem kantischen Denken nahestehenden Argumentation zu der Lösung, daß die eine, Christliches und Menschliches umfassende Wahrheit in eine höhere und eine niedere Sphäre der Erkenntnis unterschieden werden muß. In dem empirisch begrenzten Erfahrungsbereich fallen die Erkenntnisakte ausschließlich in den Bereich der Vernunft. Erst wo er überschritten wird, tritt das christliche Bewußtsein in sein Recht und vergewissert sich seiner Selbständigkeit. Die Einheit dieser in niedere und höhere Sphäre geschiedenen Betrachtungsweise liegt in dem Bewußtsein, daß die empirische Welt selber die Momente in sich trägt, die auf die überempirische hinweisen. Dieses Schema gewann durch die Philosophie J. F. Fries' lediglich eine Erweiterung und Bestätigung; die Bereiche des Wissens, des Glaubens und der Ahndung oder jene des empirisch Wißbaren, der ethischen Überzeugung und der überschwänglichen Gefühle bringen nicht mehr als eine Gliederung der höheren Sphäre selber. Die Eigentümlichkeit dieser Konzeption beruht freilich nicht auf ihrer gedanklichen Stringenz, sondern sie entspringt dem Bemühen, die sich zwischen Supranaturalismus und Rationalismus ergebenden Aporien zu vermeiden. Während der Supranaturalismus von der Möglichkeit Gebrauch macht, Vernunft und Offenbarung nebeneinander zu stellen, ohne von der Dominanz der Offenbarung Rechenschaft abzugeben, erweist sich der Rationalismus als Reduktionsversuch des christlichen Glaubens und verkennt den in der Religion selber lie-

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genden Wert, der für den Aufweis der Zusammengehörigkeit ebenso unverzichtbar ist wie das unaufgebbare, dem Glauben innewohnende oder ihn begleitende rationale Element. Supranaturalismus und Rationalismus sind als in die Extreme getretene Deuteformen für das Denken Rudolf Ottos keine legitimen Möglichkeiten. Beide vollziehen den Übergang vom Christlichen zum Humanen oder umgekehrt vom Humanen zum Christlichen unter Verkennung der Wesensgesetzlichkeit beider Sphären. Der Zusammenhang der beiden Seiten ist aber, auch abgesehen von der materialen Begründung, schon darin gegeben, daß ein auf Folgerichtigkeit Anspruch erhebendes christliches Selbstverständnis sich in den Formen reflektierter Vernünftigkeit darlegt. Es nimmt damit auf eine Voraussetzung Bezug, der zufolge es zur Beschaffenheit des Denkens gehört, sich begreiflich zu machen. In gewisser Weise ist die innerchristliche Reflexion insofern auch immer Apologetik, als die Kenntnisnahme der geistigen Gehalte, die in der Form der Reflexion erscheinen, einem weltlichen Bewußtsein zur Vermittlung dargeboten werden. Die innerchristliche Rechenschaft bedient sich der Form menschlichen Denkens, das dem Bedürfnis nach vernünftiger Kontrolle formell zugänglich sein will. Insofern stehen innere und äußere Rechenschaft unter methodischen Bedingungen, die die Einheit des Denkens als gegeben hinnehmen und auf eine Sondergestalt Verzicht tun. Die nach außen gerichtete Rechenschaft wird freilich dem Gehalt nach dasjenige zur Geltung bringen, was für das Selbstverständnis des christlichen Glaubens unaufgebbar ist. Sie behält gleichwohl den Charakter, daß sie unter Wahrung des ihr eigentümlichen und spezifischen Gehalts der Versuch ist, die innere Rechenschaft in die äußere zu übersetzen. Dieses unter formalen Gesichtspunkten charakterisierte Verfahren ist freilich sehr unterschiedlicher Anwendung fähig. Um das Christliche und das Humane miteinander in Beziehung zu setzen, kann die Theologie von zwei Möglichkeiten Gebrauch machen, die jeweils zu einer anderen Auffassung von ihrer Aufgabe und deren Lösung führen. Sie kann sich einmal als Explikation des christlichen Glaubens verstehen, der sich selber voraussetzt. Dementsprechend legt sie ihre Aussagen als Entwicklung des christlichen Selbstverständnisses dar und nimmt auf den Bereich des Humanen nur insoweit Bezug, als die Übereinkunft im Denken, in den Methoden und Mitteln der Darstellung die formelle Verwandtschaft bezeugt. Indem sie sich von der Wahrnehmung dieses Zusammenhanges leiten läßt und die Entfaltung ihrer Sätze als aus der 8

Sdiütte, Rudolf O t t o

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eigenen Voraussetzung folgend versteht, ist sie in der Lage, auf die Möglichkeit einer autoritativen Legitimierung ihrer Aussagen zu verzichten. Sie vermag im Gegenteil auf Selbstdeutungen des Humanen zu verweisen und in der Form der Entgegensetzung sei es die christliche Interpretation als überlegen sei es die humane selber als bestimmende geltend zu machen. Die Theologie begreift sich als eine bewußt christliche Theologie, die aber dadurch, daß sie sich als Darstellung des christlichen Glaubens zeigt, von dem Bewußtsein bestimmt ist, daß sich das christliche Denken als menschlich gültig erweisen wird. Der Aufweis dieses Anspruches liegt nicht nur in der Bezugnahme auf dieselbe Form vernünftiger Reflexion, sondern in dem Bemühen, die Fragen des menschlichen Selbstverständnisses von der eigenen Voraussetzung her zu durchleuchten. Eine christliche Dogmatik würde sich dementsprechend als eine der Form nach menschliche Lehre von dem Verhältnis Gott — Mensch — Welt darstellen, die lediglich ihrem Inhalt nach christlich ist. Sie würde zudem eine Auffassung von der Theologie repräsentieren, zu deren Eigentümlichkeit es gehört, apologetisch und kommunikabel zu sein. Die zweite Möglichkeit beruht auf dem gleichsam entgegengesetzten Verfahren. Der Ausgangspunkt ist das menschliche Selbstbewußtsein, das auf seine Affinität zum Christentum befragt wird. Selbst wenn es als ein christliche Prämissen in sich tragendes erkannt werden sollte, bezieht es sich auf ein dem Christentum gegenüberstehendes humanes Bewußtsein und sucht in ihm die religiösen Momente auf, die zu einer Verhältnisbestimmung beider führen. In der Regel erfährt dieses Verhältnis in dem Sdiema von Frage und Antwort seine nähere Durchklärung; das Verfahren beruht also auf einer inneren Aneignung des Christlichen, die unter humanen Voraussetzungen steht. Legte sich im ersten Typus die Grundbeziehung in der Form dar, daß das Christliche seinen Grund und seine Gültigkeit voraussetzt und sich in vernünftiger Logik dem Reichtum des menschlichen Denkens transparent macht, so beruht der zweite Typus auf der Einstellung, daß die religiöse Erfahrung nur dann religiös und human ist, wenn sie sich als Humanisierung des Christentums bewährt. Rudolf Otto gehört ohne Zweifel dem zweiten Typus an; Schleiermacher nennt ihn den religionsphilosophischen, obgleich er seine „Glaubenslehre" unter die Bedingungen des ersten Typus stellt. Allerdings erfährt er im Denken Schleiermachers eine eigentümliche Abwandlung, insofern das christliche Selbstverständnis in eine Differenz zu seiner

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eigenen überlieferten Denkgestalt tritt und die Aneignung der christlichen Gehalte von der Unterscheidung in wesentliche und unwesentliche Lehrformen abhängig macht. Schleiermachers Glaubenslehre würde also innerhalb des ersten Typus die einem konservativen Verhältnis zur christlichen Lehrtradition gegenüber kritische Variante darstellen. Das mit der Analyse des humanen Denkens einsetzende Verfahren, das unter der Absicht steht, das Christentum als das das menschliche Bewußtsein überwindende oder zur Vollendung führende aufzuweisen, kann sich selber wieder zweifach äußern. Es vermag einerseits die Gestalten menschlichen Denkens als dem christlichen nicht genügend unter die Begrenzung des im Christentum erscheinenden Paradoxes stellen. Das humane Bewußtsein, das sein Verhältnis zum Christentum fragend zu begreifen sucht, gelangt unter der Bedingung zur Bejahung des Christentums, daß es die allgemeine Rationalität in der Sphäre der Entscheidung auflöst; die zwingende Macht der Logik erscheint im Entweder-Oder begrenzt. Das im Christentum begegnende Paradox enthüllt sich damit selber als der Garant der Humanität. Möglich ist diese in ihm erfolgende Berührung von Christlichem und Menschlichem allein unter der Voraussetzung, daß das menschliche Denken in der Leidenschaft humanen Ernstes die lediglich als Ratio verstandene Vernunft aufhebt. „Das Paradox ist des Gedankens Leidenschaft... Aber die höchste Potenz jeder Leidenschaft ist es stets, ihren eigenen Untergang zu wollen, und so ist es auch des Verstandes höchste Leidenschaft, den Anstoß zu wollen, ganz gleich, daß der Anstoß auf die eine oder andere Weise sein Untergang werden muß." l e In der Entscheidung vollzieht sich die Stellungnahme des durch das Paradox Versehrten humanen Bewußtseins f ü r eine mit der Religion geeinte Vernunft, die aufgehört hat, rational zu sein. Andererseits läßt sich das humane Denken, das sein Verhältnis zum Christentum zu erfassen sucht, von der Gewißheit getragen vorstellen, daß die Irrtümer der Religion sich dem sittlich-religiösen Ernst auflösen. Wenn das menschliche Bewußtsein sich der numinosen Wirklichkeit innewird, tritt es in die Erfahrung vom Wert und Widerwert und erschließt sich jener Gestalt des Numinosen, in der sich der Gegensatz am tiefsten ausspricht, in der aber auch seine Aufhebung als das menschliche Leben vollendend unter dem Gedanken der Erlösung vollzogen ist. Als unwesentliches Moment ergibt sich, daß das Denken des Numinosen, 16



S. Kierkegaard, Philosophische Brocken, übersetzt von E. Hirsch, Düsseldorf/ Köln 1952, 35.

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wenn es sich in der Form des Christlichen begreift, eine Dogmatik aus sich heraus setzt, eine Dogmatik freilich, die den Akzent nicht auf die Zerstörung des Verstandes setzt, sondern umgekehrt auf die Aufdeckung einer Sphäre tieferer Vernunft. Das humane Denken nimmt zwar die unreinen Erscheinungsweisen von der Realität des Numinosen fort, aber es bedarf zu seiner Erhellung keiner polemischen Wende gegen die Philosophie. Die Art und Weise, das Verhältnis von christlichem und menschlichem Bewußtsein zu bestimmen, läßt sich in einem Schema zusammenfassen, das in der Kombination der beiden Wege, Christliches und Menschlidies aufeinander zuzuführen, mit einem jeweils kritischen oder konservativen Verfahren vier mögliche Zuordnungen ergibt. Als Grenzformeln theologischer Reflexion beschreiben sie die Beziehungsmannigfaltigkeit einer auf die Konkordanz von christlichem und menschlidiem Bewußtsein gerichteten Überlegung; ihr Zusammenspiel erst vermittelt einen Eindruck von dem Reichtum wie von der Begrenzung theologischen Denkens. Rudolf Otto ist dem Typus zuzurechnen, der vom Humanen den Weg zum Christlichen sucht und ihn durch ein kritisches Verfahren begrenzt. Sein Versuch, innerchristliche und außerchristliche Reflexion als Einheit darzustellen, Theologie und Philosophie als in Korrelation stehend zu begreifen, ist von dem Vertrauen getragen, daß die menschliche Vernunft und der christliche Glaube auf einem Grunde beruhen, der sie nach Herkunft und Ziel in unaussprechlicher Weise zusammenhält. Die Theologie Rudolf Ottos stellt sich als der Versuch dar, das Mysterium des Geistes als das Geheimnis der Religion in der Sphäre der Vernunft auszudrücken.

ANHANG Für die Mitteilung der Lebensdaten Rudolf Ottos (1869—1937) ist der im Universitätsarchiv 1 der Universität Göttingen vorliegende Lebenslauf benutzt worden; er umfaßt den Zeitraum bis zur Habilitation und der Erteilung der „venia legendi für das historische Fach der Theologie auf zwei Jahre" vom 16. Juli 1898 und hat folgenden Wortlaut: „Zwölf Jahre alt trat idi in das Gymnasium Andreanum zu Hildesheim ein und absolvierte es im 18ten Lebensjahre. Idi habe dann fünf Semester in Erlangen und drei Semester in Göttingen Theologie studiert . . . Zu Ostern 1892 habe idi mein erstes theologisches Examen zu Weihnachten 1894 mein zweites gemacht. In der Zwischenzeit bin ich dreiviertel Jahre Vicar an der deutschen ev. Gemeinde in Cannes und zwei Jahre Mitglied des Predigerseminares auf der Erichsburg gewesen. Von Michaelis 1895 bis Michaelis 1897 bin ich Inspector am theologischen Stifte zu Göttingen gewesen, habe zu Pfingsten 1898 meine Licentiatenprüfung nach Vorlegung einer Dissertation über „Geist und Wort bei Luther" bestanden und wurde am 9. Juli nach abgehaltener öffentlicher Disputation zum Licentiaten der Theologie promoviert. Am 10. Juli ist mir nach einer Probevorlesung über „Kants Religionsbegriff" die venia legendi auf zwei Jahre erteilt worden. Einen wesentlichen Einfluß auf meine theologische Entwicklung verdanke ich meinen Lehrern Häring, Schultz, Smend." Rudolf Otto ist am 8. Juni 1906 zum a.o. Prof., um „insbesondere die Religionsphilosophie in Vorlesungen und soweit erforderlich in Übungen zu vertreten" 2 , ernannt worden. In die Zeit seiner Göttinger Lehrtätigkeit fallen die Begegnungen mit W. Bousset (1865—1920), L. Nelson (1882—1927) und E. Husserl (1859—1938). Am 15. April 1915 erfolgte der Ruf auf den Lehrstuhl für systematische Theologie in Breslau, den Otto bis zum Jahre 1917 innehatte. 1917 wurde er Nachfolger der systematischen Professur W. Herrmanns in Marburg, wo er auch nach seiner Emeritierung (1929) lebte und wirkte. 1 1

4 I I b 96 a Universitätsarchiv Göttingen M I 16144

118

Anhang

Die Darstellung der Theologie Rudolf Ottos hat es an einigen Stellen mittelbar deutlich werden lassen, daß in seinen Schriften und Vorlesungen eine eigenartige Persönlichkeit spricht. Die Beschreibung der geistigen Entwicklung Ottos und seines Werkes hat wiederholt auf den Hintergrund der geistigen Situation Bezug genommen, auf den Otto wenigstens andeutend verweist. Bei einem Schriftsteller dieser Art sind vielfach Zufälligkeiten, die oft kaum von Belang zu sein scheinen, belehrend. Zum Verständnis Rudolf Ottos gehören insofern auch die Ausstrahlungen der Persönlichkeit, die über die formelle gedankliche Arbeit hinausreichen. Es mag darum als eine Bereicherung der Darstellung der Ottoschen Theologie angesehen werden, wenn einige dieser für Otto charakteristischen Äußerungen und die Reaktionen anderer auf sie mitgeteilt werden. Der Anhang zerfällt demgemäß in zwei Teile. Der erste Teil bringt kleinere Texte Ottos selber. Seine Promotionsthesen geben einen Überblick über die theologischen Fragen, die ihn in seiner Jugend bewegten. Zu ihnen treten nun zwei erläuternde Stücke, die Thesen über „Naturwissenschaft und Theologie", die als Ergänzung zu dem Buch über „Naturalistische und religiöse Weltansicht" verstanden werden können und die Bemerkungen zu der englischen Ausgabe seiner Schrift über die „Kantisch-Friessche Religionsphilosophie", die eine Klärung der von Otto selbstverständlich gebrauchten und nicht näher erläuterten Begriffe bringen. Der zweite Teil enthält eine Reihe von bisher unveröffentlichten Briefen. 3 Die Karten Th. Härings an R . Otto geben Einblick in das Verhältnis persönlicher Dankbarkeit — R . Otto hatte das Buch über „Das Heilige" Th. Häring gewidmet — wie es zwischen Schüler und Lehrer besteht. Das Otto Wahlverwandte an Th. Häring ist dessen Neigung gewesen, gegen die Tendenz A. Ritschis und seiner Schule im allgemeinen das mystische Element in der Religion zur Geltung zu bringen. Die zwischen Th. Häring und R . Otto sichtbar werdende Beziehung rechtfertigt in gewisser Weise die in der Darstellung der Theologie Rudolf Ottos vertretene Auffassung, daß Otto der Tendenz seines Denkens nach weit eher als Vermittlungstheologe denn als liberaler Theologe anzusprechen ist. Der umfangreiche Brief R . Bultmanns beleuchtet das eigentümliche Mißverständnis, demzufolge die von Otto in seiner Schrift über „Das 3

Lediglich A. Paus, Religiöser Erkenntnisgrund, 1966, 117 Anm. 107 hat aus dem Brief E . Husserls an R . Otto vom 5. 3. 1919 den Sdiluß mitgeteilt.

119

Anhang

Heilige" gegebene Interpretation der Religion unter den Vorbehalt des Psychologismus fällt. Es ist interessant, daß dieser Brief Otto zu einer Antwort nicht hat veranlassen können. Die Briefe Nelsons und Boussets, aber auch Husserls lassen, abgesehen von ihrem besonderen Anlaß, die Jahre der Göttinger Lehrtätigkeit und die Berührungen Ottos mit ihnen deutlich werden. Bousset insbesondere hat die Gemeinsamkeit der Interessen mit Rudolf Otto nicht zuletzt instand gesetzt, das ihm in mancherlei Hinsicht befremdliche Buch über „Das Heilige" als „einen Markstein in der Geschidite unserer Systematik" 4 zu verstehen. Es ist freilich nicht zu verkennen, daß die Äußerungen E. Husserls über „Das Heilige" gerade in ihrem Verzicht auf polemische Anspielungen Bedeutung und Grenze dieses Buches sichtbar machen. Der Universitätsbibliothek sowie der Religionskundlidien Sammlung in Marburg sei für die Überlassung der Texte der aufrichtige Dank ausgesprochen. D a dieser Anhang sich weithin auf den persönlichen Bereich erstreckt, schien es angebracht, den kurzen Lebenslauf Rudolf Ottos hinzuzufügen. Für die Veröffentlichungen Rudolf Ottos sei auf die Bibliographie verwiesen.

1. Die Promotionsthesen

Rudolf

Ottos1

Thesen, welche mit Genehmigung der Theologischen Fakultät zur E r langung der Theologischen Licentiatenwürde an der Georg-August-Universität zu Göttingen am Sonnabend dem 9. Juli 1898 11 Uhr öffentlidi vertheidigen wird Rudolf Otto, cand. min. Opponenten: Prof. A. Rahlfs, lie. theol., Dr. phil., Stiftsinspector W. Heitmüller, cand. min. 1. „Ruach Jahveh" ist weder ein fest umrissener noch ein einheitlicher Begriff. Einerseits ist unter ihm vorgestellt die göttliche Beeinflussung auf das Innere des Menschen, vornehmlich zur prophetischen Begeisterung, sodann zu religiös-sittlichen Bethätigungen und Eigenschaften, endlich zu geistigen Vermögen überhaupt. Andererseits ist er die göttliche schöpferische Energie, das Prinzip des Lebens in der Creatur sowie der göttlichen Weltwaltung und Immanenz. 4

vgl. Anhang 127.

1

Universitätsardiiv Göttingen, 4 II b 96 a.

120

Anhang

2. D a s D o g m a de spiritu sancto hat im wesentlichen Unterschiede vom christologischen keine eigentliche Basis im religiösen Bewußtsein und Bedürfnis seiner Zeit, ist — zumal in seiner abendländischen Fassung — ein bloßes Schema und steht mit dem religiös erbaulichen Gebrauche des Begriffes in steter Spannung. 3. In der lutherischen Schuldogmatik ist dieses D o g m a vollends steril geworden. 4. Luthers Anschauung v o m wirksamen Wort und Glauben setzt in Bezug auf den ganzen Complex der Vorstellungen, die sidi um spiritus sanctus herumlegen, völlig veränderte Ausgangspunkte und nötigt zu neuen Lehrformulierungen. 5. Die Schulformel von der conjunctio indissolubilis spiritus sancti cum verbo hat die richtige luthersche Tendenz, die ausschließliche und zureichende Wirkung des Wortes gegenüber der Schwärmerei zu wahren. 6. Aber sie wahrt sie durch einen Compromiß zwischen dem lutherschen Gedanken und der Schwärmerei. 7. Ansätze zu einer consequent lutherschen Correctur bietet die Schuldogmatik selber. 8. Pauli Glaube ist nicht ein Glaube an oder durch „das Bild des historischen Jesus". 9. Ebensowenig ist er Glaube an den „biblischen Christus" (im Sinne Kählers). 10. Pauli Glaube ist der durch Jesus von Nazareth in der ersten Gemeinde geschaffene Gott-Vater-Glaube, der für Paulus Wahrheit gewann, als ihm der Urheber desselben aus einem Gottverfluchten zum Messias wurde. 11. Die Orientierung des Gegensatzes von Katholicismus und Protestantismus an dem Verständnisse von justificado ist schief. 12. Der klarere Titel für den reformatorisdien Gedanken als „justificado" ist „libertas Christiana". 13. „Theologus non fit, nisi id fiat sine Aristotele." 14. „ N o n stat, nisi cum Aristotele." 15. Kants Moralitäts-Princip ist in der That ein „materiales". 16. Aber es ist leer, d a es einen circulus vitiosus bildet. 17. Luthers Deutung des ersten Artikels im Sinne des „ f ü r mich" giebt zwar mit Recht das religiös-practisdie Interesse an der Aussage von Gott dem Schöpfer als das hauptsächliche an. Aber die religiöse Unterweisung darf sidh nicht hierauf beschränken. Sie schuldet in der That mindestens im apologetisdien Interesse den Unterwiesenen eine

Anhang

121

„Popular-Metaphysik", die im Rahmen des Katechismus hier ihren gewiesenen Ort finden würde. 18. Es entspricht luthersdien Grundsätzen, nidit nur „Schul-" sondern auch „Familienbibeln" zu schaffen und zu verwenden.

2. Naturwissenschafi Thesen für Liegnitz

und

Theologie

den 27. Mai

19041

I. 1. Die Grenze der Naturwissenschaften gegen die Geisteswissenschaften kann verschieden gezogen werden. Wir rechnen hier zu jenen die Wissenschaften von den mechanischen aufwärts bis zu den biologischen einschließlich. 2. Leitgedanke der Naturwissenschaft ist: Aufklärung der Erscheinungen der Natur aus den möglichst einfachen, möglichst wenigen, möglichst klaren Gründen, damit möglichste Rationalisierung der Natur im Sinne quantitativer Berechenbarkeit und letztlich mechanischer Ursächlichkeit. Er hat leicht zur Folge den Anspruch, auch die seelischen und geistigen Erscheinungen gleicher Methode und Gesetzlichkeit zu unterwerfen und so Geisteswissenschaft irgendwie in Naturwissenschaft aufzulösen. 3. Das Interesse der Frömmigkeit hängt fraglos an Selbständigkeit der geistigen Welt, an eigener Methode und Begriffsbildung der Geisteswissenschaft. Die Frage nach dem Verhältnisse von Theologie und Naturwissenschaft im weitesten Sinne genommen würde also die Beantwortung der Vorfrage nach dem Verhältnisse von den Geisteswissenschaften überhaupt zur Naturwissenschaft mit einschließen. 4. Im engeren und hier gemeinten Sinne bezieht sich die Frage auf das Gebiet des Naturerkennens selber. Schon hier kreuzen sidi die Interessen. 5. Die Naturwissenschaft sucht den Kosmos als den rein aus sich und in sich verständlichen und bestehenden, sie will eine Erklärung nur aus zureichenden Gründen, nicht aus leitenden Ideen oder Zwecken (Newton-Darwin). Die Frömmigkeit will Geheimnis und Tiefe der Dinge, Transzendenz und Überwelt, Abhängigkeit und Bedingtheit, Leitung, Ideen, Ziele (Piaton — Duhm). 1

Rudolf-Otto-Ardiiv, Religionskundliche Sammlung, Marburg.

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Anhang

6. Recht und Freiheit frommer Weltansicht hängen davon ab, ob sich zeigen lasse, daß die genannten Dinge an der N a t u r vorkommen. Es läßt sich zeigen. II. 1. Auch die unter Gesetze gebrachte Welt ist Geheimnis, nur formuliertes. 2. Die unter Gesetze gebrachte Welt ist ebenso abhängig, bedingt und „zufällig" wie eine andere. 3. Gesetzmäßigkeit der N a t u r wird nicht verhindert sondern erfordert durch den Gottesglauben. 4. Die von uns aufgefaßte Welt ist nicht die wesentliche, sondern die erscheinende („Diesseits und Jenseits". Transzendenz und Tiefe der Dinge.) 5. Durch die Tatsache der Stimmungswerte der Natur, die nicht vom Begriffe, sondern von Gefühl und Ahnung konstatiert werden (Schleiermacher, Fries), weist die Erscheinung direkt über sich auf das Wesen hinaus. 6. Die Naturwissenschaft f ü r sich ist außer Stande, in der N a t u r Ideen und Zwecke zu finden oder zu leugnen. 7. Die Erklärung aus Ursachen fügt sich der Deutung nach Zwecken ohne weiteres ein, und diese setzt jene voraus. 8. Darwinlehre und mechanistische Lebenslehre würden die Deutung der N a t u r nach Ideen und Zwecken nicht hindern und ihr Geheimnis nicht auflösen, auch wenn sie wahr wären. Ihr Zusammenbrechen in jüngster Zeit leistet Beiden bedeutsam Vorschub. Göttingen Rudolf Otto

3. Anmerkungen Rudolf Ottos zu der englischen Übersetzung der Kantisch-Fries'sehen Religionsphilosophie: The Philosophy of Religion, London 19311 Author's Notes on the Translation The translator, to whom my best thanks are due, kindly permits the following observations on his work: 1. The book was written in 1909 (new edition published in 1921). N o t long before, in an exposition and criticism of W. Wundt's 1

Rudolf-Otto-Archiv, Religionskundlidie Sammlung, Marburg.

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T h e o r y o f R e l i g i o n , I had begun to give expression to my ideas on the non rational factor in Religion; these were afterwards developed in my book, The Idea of the Holy. In T h e P h i l o s o p h y o f R e l i g i o n I wished to present the „rational" factor in Religion, which, for me, is no less important and essential than the non-rational. 2. For this purpose I expounded the philosophy of religion as taught by J. F. Fries, supplemented by the thought of De Wette, who, next to Schleiermacher, was the founder in Germany of that „Modern Theology" which, in its fundamental ideas, I myself follow. My later writings will show how their teachings have developed in my own thought. 3. The traditional theology had long ago drawn a distinction between revelatio generalis and relevatio specialis. In these two terms there is a problem as profound as it is difficult: on the one hand we have the conviction that relegion, and our own particular religion, lays claim to universal validity and therefore appeals to general and necessary principles of theoretical and practical reason; and on the other hand religion is based on the pure contingence of great historical data, which as „facts of revelation" possess a value, and cannot be constructed by any a p r i o r i reason. Christian Theology is only possible if both these factors are recognised in their connection and reciprocal action; for without the a p r i o r i factor it lapses into more emotionalism, and without the contingent-historical element it loses its central and characteristic import as a religion of redemption and salvation. Theologians will dispute this problem, the a p r i o r i and General versus the Contingent and Historical, till the end of things; and it is perhaps a matter of doubt whether a satisfactory final solution of the problem will ever be found. In my opinion, however, a combination of the principles of Fries with those of De Wette and Schleiermacher seems to offer a solution, which, although it does not appear to me as a final oracular statement, has given me a provisional Archimedean, a ground that I can still rest upon. 4. Two considerations have induced me to lay this attempt before the British public, if indeed in all reserve. Firstly, the favourable reception accorded to other of my works, and the desire that I may not be misunderstood through these works. On n o a c c o u n t do I wish to be considered a „non-rationalist". In all religion, and in my own religion, I indeed recognise the profundity of the non-rational factor; but this deepens my conviction that it is the duty of serious theology to win as mudi ground as it can for R a t i o in this realm, and even at

124

Anhang

the point where our rational concepts desert us, to satisfy the demands of judicious theological teaching by framing „ideograms" as accurately as possible, where dogmatic concepts are impossible. And secondly, I hope that there will be understanding for Fries and De Wette in the country of S a m u e l T a y l o r C o l e r i d g e . For me it is a fortunate omen that my book appears at almost the same time as the excellent monograph of J. H . Muirhead, C o l e r i d g e a s a P h i l o s o p h e r . The remarkable analogies in Coleridge and Fries became patent to me, soon after the appearance of my own book, through a study of C. Broicher on A n g l i c a n T h e o l o g y f r o m C o l e r i d g e t o R o b e r t s o n . It appears to me that Coleridge in his poems had already readied sudi a clear vision of the factor of the „Numinous" and had so clearly expressed his vision, that to readers of this poet my book on T h e I d e a o f t h e H o l y could scarcely offer much that was novel. This point has been well put by John H a r vey in Appendix 10 of T h e I d e a o f t h e H o l y . 5. One of my critics once predicted that in time to come a more accurate „psychological" investigation would prove that the Idea of God is a fundamental element in our thought. If this is taken, not as referring to the specific content of the Christian idea of God, but to the fundamental theistic conception of a real and primal unity transcending the universe, then the Friesian philosophy may claim that it fulfils this prediction. 6. As to the relation of Fries and Sdileiermadier, I would refer my readers to my criticism of these thinkers in M y s t i c i s m E a s t a n d W e s t (now being published by Macmillan, New York) and in my R e l i g i o us E s s a y s (now being published by the Oxford University Press). 7. As to the translation itself, I would suggest the following addenda: Page 17. — I found the announcement of a treatise on the significance of gloves in the history of religion. Page 23. — The German expression „Gefühl" is not quite „emotion". „Gefühl" can mean a form of cognizance in an unconceptional or preconcertional way. In this sense „Gefühl" is acknowledged by Fries as a possible source of cognizances apart from sensual or conceptual cognizances. Page 24. — „Proof" and „proving". We have in German the possibility of distinguishing between „beweisen" and „begründen". Fries expects a „Begründung" for any form of conviction, but he rejects the

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125

rationalistic preconception, that proof in the form of logical „beweisen" is the only valid form of „Begründung" for our convictions. See also „proof" in chapter vii. Page 24 (footnote). — Here the distinction of „Erkennen" and „Wissen" is important. „Erkennen" is c o g n o s c e r e , „Wissen" is s c i r e . D e u s n o n s c i t u r — as the Sorbonne already had decreed, and quite rightly; but certainly D e u s c o g n o s c i t u r , viz. f i d e . The English terms „knowledge" and „knowing" seem to me to refer merely to s c i r e as s c i e n t i a. Theology is not a scientia of God, but certainly must claim to offer a c o g n i t i o of God. See also page 43. — A world of faith can be opposed to a world of s c i e n t i a , but ought not to be opposed to a world of c o g n i t i o . Without this distinction it would be misleading to use the word „knowledge" on page 68, Foundation if Ideal Knowledge. Ideal knowledge is no s c i e n t i a , but it is c o g n i t i o . See also page 99. — Faith stands in opposition to „knowledge" as s c i e n t i a , but faith, when a „begründete Überzeugung" claims to be a c o g n i t i o . Page 135. — „Ahnung" is not so much „man's deepest longing and need" as a „Gefühl", in the sense mentioned above. It comes very near to what I have described in T h e I d e a o f t h e H o l y as „divination". Page 151. — Schleiermacher and De Wette were certainly not leaders of a „theology of compromise". „Vermittlungstheologie", which was a name for a very important school of modern theological thought, I would rather venture to render by „theology of mediation". Schleiermacher and De Wette did for their time what Clement of Alexandria and Origen did for the ancient Eastern Church; what the Anglican Humanistic fathers did for their age; they established a „mediation" between the spiritual culture of their time and Christian thought. Superseding the shallownesses of rationalism, they attempted and succeeded in keeping the best results of the great period of „Aufklärung" and in combining them, without relapsing into traditionalism and primitive orthodoxy, with the spiritual inheritance of historical Christanty. Therefore they were called „mediators". The translator uses afterwards the word „theology of r e c o n c i l i a t i o n " . This word appears to be more to the point than „compromise". De Wette was as „uncompromising" as possible. To translator and publisher alike I render my due thanks. Marburg a. L.

Rudolf Otto.

126

Anhang

4. Leonard Nelson an Rudolf Otto vom

9.10.19081

Lieber H e r r Professor; Besten D a n k

für Ihren Brief, der mir hierher über Belgien

und

London nachgesandt worden ist. Sie müssen mir verzeihen, wenn ich Ihnen diesmal nur kurz wieder schreibe, ich habe nodi einige mieli sehr aufhaltende Arbeiten vor Semesterbeginn zu erledigen und daher sehr wenig Zeit, auch kaum, um etwas für meine Erholung zu tun. Ihr Vorschlag, eine neue Kritik abzufassen, ist ohne Frage sehr reizvoll. Natürlich bin ich auch dauernd mit Vorarbeiten dazu beschäftigt, soweit man überhaupt an dieser Aufgabe arbeiten kann, ehe man den Plan des Ganzen im K o p f e hat. Aber ob ich jemals es dahin bringen werde, wohin sie es wünschen, ist mir höchst ungewiß, und es scheint mir vermessen, es zu denken. F ü r die Praxis behandle idi den Gedanken einstweilen wie eine regulative Idee im Kantischen Sinne. D a ß sie mein Buch anzeigen wollen, ist sehr dankenswert. Es ist sehr zu wünschen, daß diesmal etwas mehr für die Propaganda getan wird, da die Weiterführung des Unternehmens wesentlich von dem Erfolg dieses Buches abhängig werden wird. Ich glaube selbst, daß wenn dieses Buch nicht einschlägt, wir alle Hoffnung fahren lassen müssen. M i t dem, was Sie über Finalität schreiben, bin ich ganz einverstanden. Sie müssen aber bedenken, daß jedem Diskussionsredner in Heidelberg nur fünf Minuten zur Verfügung standen. D a konnte ich diese Dinge unmöglich mitbesprechen. Külpe kennen zu lernen, hat auch mich selbst sehr gefreut. E r hat mir, was das Persönliche betrifft, den besten Eindruck von allen mir bekannt gewordenen Kongreßmitgliedern hinterlassen. Inzwischen habe ich die Pragmatismus-Diskussion

in O x f o r d

fort-

setzen können. Zufällig war auch James aus Amerika dort. E r hat an der Diskussion teilgenommen. E r ist eine interessante und geistvolle Persönlichkeit, aber seine psychologistische Verwirrung ist unheilbar. Meine Mutter läßt Sie grüßen und Ihnen sagen, daß sie Sie gern einmal malen möchte. Sie können, wenn es Ihnen behagt, hier in voller Zurückgezogenheit und Ungestörtheit wohnen. Vielleicht denken

Sie

daran, wenn Sie in den Ferien einmal Zeit haben. Übrigens hat sich meine Mutter gesundheitlich erstaunlich erholt. D a ß auch Sie gesundheitlich so große Fortschritte gemacht haben, hat 1

Rudolf Otto Nadblaß, Universitätsbibliothek Marburg Hs 797:794.

Anhang

127

mich natürlich sehr gefreut. Seien Sie nur vorsichtig, daß Sie im Semester nicht gleich zu viel übernehmen. Bousset ist mit großem Interesse, und wie es scheint auch Verständnis auf mein Buch eingegangen. Wenn dies Interesse vorhält, muß es, meine idi, nicht schwer sein, ihn zu uns herüberzuziehen. Das wäre eine wertvolle Acquisition. Alleweldt schrieb mir, daß er nun bestimmt nach Bonn geht. Für heut besten Gruß, von uns allen hier. Ihr L. Nelson

5. Wilhelm Bousset an Rudolf Otto vom 3.

12.19161

Lieber Otto Eben habe ich Ihr Buch „das Heilige" zum ersten Male durchgelesen und sage Ihnen zugleich mit bestem Dank für die Übersendung meinen herzlichen Glückwunsch. Ich denke es wird ein Markstein in der Geschichte unserer Systematik werden. Es erscheint zum 70. Geburtstag Herrmanns und wird hoffentlich sein grandioses aber so außerordentlich enges und unfruchtbares Gedankengefüge sprengen und überwinden. Denn was bei Herrmann das „Fascinosum" ist, die Konzentration und die religiöse Kraft, dem stellen Sie etwas Ebenbürtiges zur Seite. — Auf dem Grund von Fries de Wette-Schleiermacher haben Sie tapfer weiter gearbeitet. Das erste und größte Desiderium, das Fries gegenüber blieb, die Darlegung der Sonderstellung der religiösen Ahndung gegenüber der ästhetischen des Schönen und Erhabenen haben Sie ein für allemal erfüllt. — Durch das Festhalten am Religiösen Apriori haben Sie ein sicheres Fundament gegenüber modernem Empirismus und Evolutionismus erreicht. Gegenüber Herrmann behaupten Sie siegreich die Unabhängigkeit des Religiösen vom Moralischen. Gegenüber Tröltsch bewegen Sie die Konzentration auf die einfachen und notwendigen Probleme, und von Schutz vor Profanisierung der Religionsphilosophie. Ich habe das meiste — auch die Bemerkungen über das religiöse Apriori S. 182 f. — mit innerster Zustimmung gelesen. Freute mich vielfacher Bestätigung von bereits „Geahntem". In meinem Wesen der Religion habe ich — wenn auch in noch so laienhafter Form — doch etwas davon schon zum Ausdruck gebracht. — Religion die Scheu vor dem, was „anders" ist 1

Rudolf-Otto-Ardiiv, Religionskundlidie Sammlung Marburg.

128

Anhang

als wir. Und auch den Doppelcharakter in aller Religion Scheu, Furcht und Fludit und doch das starke Hingezogen- und Hingerissen-Werden. — (Ich möchte übrigens entschlossener als Sie aus diesen beiden Grundfaktoren das Irrationale und das Rationale Element in aller Religion [dem Heiligen] ex fundamento ableiten). — Ganz folgen kann ich Ihnen von Einzelheiten abgesehen nur in den beiden letzten Kapiteln nicht (22. 23.). D a bleiben für mich die härtesten Probleme. Zu rasdh gewinnen sie mir die Wertung der Geschichte und zu rasch ein Stück Absolutheit in der Betrachtung der Person Jesu. — Wo bleibt die Divination mit Bezug auf Gegenwarts-Erfahrung? (Goethe!) Auch der mächtigsten Erscheinung der Vergangenheit fehlt die viva vox (S. 63). — Und den Unterschied von Sohn und Propheten greife ich nicht. Da bedarf es eines zweiten Teils. Aber f ü r das Geleistete herzlichen Dank, Ihr Bousset

6. Theodor Häring an Rudolf Otto vom 14. 4. 19171 Lieber H e r r Kollege Ich bin ganz untergegangen in Ihrem „Heiligen". Ich danke Ihnen herzlich und danke durch Lernen. In der Vorlesung habe ich die ersten Abschnitte über Religion schon bisher „irrationaler" zu geben gesucht als in der zweiten Auflage. Jetzt wird man hoffentlich den O t t o im Häring spüren. Wie f ü r das Buch danke ich Ihnen für alles persönlidiNuminose darin. Darf idi als Dankeszeichen ein paar Fragezeichen n e n n e n . . A 1. Darf man das „fascinosum" als den Grund des „Vertrauens" wie das tremendum als den der „Ehrfurcht" ansehen (Sie verstehen, nicht äußerlich trauend!). 2. Wie verhält sich bei Ihnen das „Gefühl" zum „Willen"? Das Anerkennen des Gefühlseindruckes ist doch auch f ü r Sie „Gehorsam" oder „Ungehorsam". Wieviel Einzelnes noch mich besonders erquickt hat, longum est, z. B. über das Incarnatus der Hmollmesse; über Eyth's Novelle; über Jhvh; und über die Betonung: ihr Esel von Religionsphilosophen, die nicht kapieren, daß in der dürftigsten rationalen Form das Irrationale lebendig sein kann (und die dann von Heterogonie reden). Welcher Trost 1 2

Rudolf-Otto-Ardiiv, Religionskundlidie Sammlung Marburg. unleserlich.

Anhang

129

liegt auch darin für jetzt im Krieg: Mancher hat Religion draußen und daheim, was keiner zu haben scheint, wenn man ihn theologisch examiniert. Mit herzlichen Grüßen Ihr T. Häring

Fortsetzung vom 14. 4. 1917 Lieber Herr Kollege Darf ich, um Sie möglichst gut zu verstehen und möglichst wenig zu klagen, mit nodi ein paar Fragen fortfahren, wie einst mit Reischle (wir kamen einmal auf 8 Stück über Kant — sie dürfen aber nicht Bange haben). 3. S. 117 scheint mir die Eigenentwicklung des „Numinosen" nicht ganz deutlich und nicht nötig, gerade weil mir das Folgende von der Entwicklung „am Numinosen", das seine Erfahrung sei, so gut gefällt (vgl. S. 121 Z. 1—6 von oben und 131 „Vorhof" S. 136 Z. 5 o. ist mir deutlicher und scheint mir richtiger). 4. Die Deutung des „Apriori" als „Anlage" im Friesschen Sinne scheint mir unabhängig von der Anerkennung des Werts Ihrer Untersuchung über das Numinose. Aber auf diesem Gebiet fühle ich mich je älter, desto unsicherer. Es darf zwischen uns wohl ausscheiden (Daß Ihr Begriff vom Apriori dadurch auch Ihre Deutung eindeutiger wird als z. B. bei Tröltsch, scheint mir aber klar.) (Ebenso scheint mir alles, was Sie gegen Epigenesis usw. sagen, unwiderleglich). 5. 147 könnte den Schein erwecken, als gäbe es ohne „Reiz" ein Erleben. 6. 150 ff. kam mir immer wieder die auf der ersten Karte getane Frage: Wo bleibt der Wille? 7. 161 Christus als Objekt der Divination ist nat(ürlich) die Sonnenhöhe unseres Einverständnisses. 8. 168 ff. dachte ich oft an H . Schmidt. 9. 178 7 v. u. erinnert an das unter Menschen m. wirkend „tat die Natur sein bestes", was als Goethe sonst zitiert wird aber bei Hölderlin steht. Wer hat recht? 10. 176 Z. 9/10 v. u. 177 15 v. u. könnte ein Pedant als Wortwiderspruch ansehen: muß! Zuletzt nochmals warmen Dank und alle guten Wünsche für das neue Semester! Auch von meiner Frau freundliche Grüße, darf ich bitten, auch Ihrer Fräulein Schwester. Ihr alter T. Häring

9

Schütte, Rudolf O t t o

130

Anhang 7. Rudolf

Bultmann

an Rudolf

Otto

vom 6. IV.

19181

Lieber Herr Professor! Nachdem ich Ihr Buch über das Heilige einige Male gelesen habe, möchte ich Ihnen gern einige Fragen, die mir dabei gekommen sind, vortragen. In erster Linie sollen meine folgenden Sätze freilich dazu dienen, mir selbst Klarheit über die bei der Lektüre aufsteigenden Gedanken — κατηνοροΰντες ή και άπολογοΰμενοι — verschaffen. Teils aber wird mir das leichter, wenn idi mich in eine Auseinandersetzung mit Ihnen hineindenke, teils hege ich die Hoffnung, Sie möchten bei gelegener Zeit mir etwas weiterhelfen zur Klärung. Die Religion (die zur Klarheit gelangt ist) wird beschrieben als die Beziehung zu überweltlichen Wesenheiten. S. 138 (l.Aufl., ich zitiere durchweg nach dieser): „. . . und der dunkle Gehalt des Gefühles, das auf überweltliche Wesenheit schlechthin geht, tritt dann erst selbständig und rein ins Licht". Die numinosen Gefühle sind nach S. 121 „Deutungen und Bewertungen zunächst von sinneswahrnehmlich gegebenen und auf höherer Stufe von Gegenständen und Wesenheiten, die selber nicht mehr der sinneswahrnehmlichen Welt angehören, sondern zu dieser und über diese hinzugedacht werden". (Vgl. audi S. 14: „Vor dem, was in unsagbarem Geheimnis über aller Kreatur ist".) Nun scheint weiter das numinose Gefühl nicht etwa die Erkenntniskraft oder das Erkenntnisorgan zu sein, das das religiöse Objekt erfaßt, sondern eine Deutung und Wertung von Objekten, die sonstwie durch irgendwelche Erkenntnisorgane erfaßt sind. Nicht allein auf primitiver Stufe, was hier z. B. S. 28 ausdrücklich gesagt ist, daß die Objekte von der Phantasie geliefert werden können und wo das numinose Gefühl sich nach S. 121.138 u. a. auch an „falsche" Objekte heften kann, also nicht selbst Objekterkenntnis ist. Sondern auch auf entwickelter Stufe; ausdrücklich ist an der oben zitierten Stelle S. 121 von Deutungen und Bewertungen die Rede; vgl. dazu S. 137 „Bewertung nach dem Momente des Numinosen". Und auch den oben zitierten Satz (S. 121) von den zu und über die Welt „hinzugedachten" Objekten kann man so deuten. Jedenfalls scheint klar: die Objekte, die der Bewertung durch das numinose Gefühl unterliegen, müssen anderweitig gegeben und erkennbar sein. Aber dränge ich Ihre Sätze zu falschen Konsequenzen? W e n n das eben Gesagte richtig ist, w i e ist dann z u verstehen: 1. d a ß die Beziehung 1

Rudolf-Otto-Nachlaß, Universitätsbibliothek Marburg, Hs 797:757.

Anhang

131

des numinosen Gefühls auf innerweltliche O b j e k t e als falsche Analogiew i r k u n g beurteilt ist? Diese Beurteilung setzt dodi voraus, d a ß die numinose Bewertung notwendige Objektsbeziehungen einschließt, also nicht nur Bewertung, sondern irgendwie a u d i Objektserfassung ist; 2. d a ß es heißt (S. 138), das numinose G e f ü h l gehe auf überweltliche Wesenheiten schlechthin. Das k a n n doch w o h l nur so verstanden werden, d a ß das numinose G e f ü h l ein Erkenntnisorgan ist. In der T a t w i r d S. 16 die Vorstufe des Grauens als ein Wittern des Mysteriösen bezeichnet (denn „des Mysteriösen" soll doch wohl gen. obj. sein, w e n n es auch zu „erstes Sicherregen" als gen. subj. dienen m u ß . Diese K o o r d i n a t i o n veru n k l ä r t übrigens den Begriff des „Mysteriösen"; er scheint beides zu bedeuten: das numinose G e f ü h l u n d das O b j e k t dieses Gefühls.) — Es scheint also so zu sein, d a ß im numinosen G e f ü h l — u m es möglichst vorsichtig auszudrücken — eine eigentümliche Erkenntniskraft f ü r die Wirklichkeit der Religion sich äußert auf primitiver Stufe als Tendenz zur Erfassung dieser Wirklichkeit, auf entwickelter als ihre wirkliche Erfassung. Wie w i r d nun die Ä u ß e r u n g dieser Tendenz auf der primitiven Stufe beschrieben? Ich erblicke nur die Beschreibung psychologischer Zustände, von denen ich z w a r sehen kann, d a ß sie eine solche Tendenz begleiten können, aber nicht, d a ß sie diese Tendenz sind. Die erste Stufe soll das Grauen, die dämonische Scheu sein. W a r u m gilt dies G e f ü h l nicht als „natürlich" im Unterschied von „natürlicher Furcht" (S. 16.28)? Z w a r sehe ich deutlich, d a ß dies G r a u e n von der Furcht spezifisch unterschieden ist u n d d a ß ein Übergang von dieser zu jenem oder umgekehrt nicht stattfindet. Aber w a r u m deshalb diese „natürlich" sein soll, jenes nicht, vermag ich nicht einzusehen. U n d w a r u m k a n n der „natürliche" Mensch sich nicht grauen? Er k a n n es durchaus und z w a r vorzüglich. Als nicht „natürlich" k a n n m a n das G e f ü h l doch nur ansehen, w e n n m a n voraussetzt, d a ß die Objekte, auf die es sich bezieht, nicht „natürliche" sind, sei es infolge falscher D e u t u n g der primitiven Reflexion und Phantasie, sei es in Wahrheit. I m G e f ü h l des Grauens an sich liegt doch keine Beziehung zu einem übernatürlichen O b j e k t ; es ist die ganz natürliche Reaktion auf Eindrücke natürlicher oder meinetwegen auch übernatürlicher Art. — Seltsame Aufgeregtheiten, Rausch, Verzückung und Ekstase sollen die Äußerungen des numinosen Gefühls sein. Sind das nicht alles nur psychische Zustände, in denen gar keine Objektsbeziehung gegeben ist? Inwiefern unterscheidet sich z. B. der religiöse Rausch von dem durch 9*

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Tanz, Alkohol oder dergl. erzeugten Rausch? Das Kriterium des Unterschiedes könnte doch wohl nur sein, daß er durch andere Eindrücke hervorgerufen, von anderen Vorstellungen begleitet ist. Aber würde sich ein Unterschied, qua Rausch, d. h. in der psychischen Beschaffenheit herausstellen? — In diesen Zuständen soll ein „Trieb" sich auswirken (S. 16). Gut; aber das wäre das Gegenteil von Objekterfassung. Die psychischen Zustände sind nicht Organ der Erfahrung, sondern vielmehr selbst Erfahrung. Und der Trieb ist erst redit keine Objektserkenntnis, sondern nur etwas aus der Erfahrung Erschlossenes, Hinzugedeutetes, das der Reflexion die Erfahrung verständlich macht. Wir haben den „Trieb" (dies fast mythologische Wesen!) doch nur als Erfahrung. Inwiefern würde sich der numinose Trieb vom Geschlechtstrieb oder vom Trieb des Magens und Gaumens oder etwa vom Trieb nach Freude und Behagen unterscheiden? Wollte man z.B. sagen: Im Trieb nach Freude äußere sich schon beim primitiven Menschen das Verlangen nach einem Glück, zu dem der Mensch bestimmt ist, und er hafte sich zunächst an Objekte, vermöge falscher Analogiewirkung, die in Wahrheit kein Glück gewähren und deshalb in der Entwicklung immer würdigeren Objekten weichen müssen, so wäre der Trieb nach Freude damit doch nicht als Organ begründet, das zur Erfassung des menschlichen Idealzustandes da ist. Vielmehr wächst dessen Erkenntnis aus ganz anderen Quellen (ζ. B. der praktischen Vernunft), und die Freude ist nur ein psychischer Zustand, der alle möglichen Situationen begleiten kann und qua Freude überall gleichberechtigt und gleichartig ist. Irgendein Erkenntnisorgan, das zur Erfassung einer bestimmten Wirklichkeit drängt, ist die Freude nicht. Ebensowenig kann idi einsehen, daß die dämonische Scheu zur Erfassung einer (überweltlichen) Wirklichkeit drängt. Oder es wäre zu zeigen, daß sich in ihr etwas mehr verbirgt als ein psychischer Zustand. — Weiter! Besteht die entwickelte Religion in der Erfassung einer überweltlichen Wirklichkeit, so müßte, dünkt mich, gezeigt werden, in welchen Augenblicken der „Entwicklung" nun wirklich diese Überwelt erfaßt wird. Und diese Erfassung, wenn sie wirklich als richtige Objektsbeziehung gegenüber früheren falschen gelten soll, könnte schwerlich als einfache Entwicklungsstufe angesehen werden. Aber nun wird die Entwicklung, soviel ich erkennen kann, gezeichnet als kontinuierliche Entfaltung jener psychischen Zustände, als deren Verfeinerung, so daß das Bild entsteht, daß die Religion auf höherer Stufe nur im Genuß von psychischen Zuständen besteht, die auf primitiver Stufe als unbehaglich, auf höheren verfeinert und als wohltuend

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empfunden werden wie Kinder das Gruseln, das ursprünglich entsetzlich war, allmählich als Behagen empfinden, was denn in der Tat auf manche Zweige der Mystik zutreffen mag. Für diese Entwicklung wird nun jede Objektsbeziehung gleichgültig, da das Interesse ja nur an den psychischen Zuständen haftet und nicht an den Objekten. Wenn die Reflexion rückschließend aus den Zuständen auf „Wirklichkeiten" schließt, so handelt es sich um das Gegenteil von Objektserfassung; vielmehr sind die vermeintlichen „Objekte" in Wahrheit Produkte des numinosen Gefühls (der „Trieb" i s t . . e i n ebensolcher Deutungsversuch des numinosen Gefühls wie der δαίμων,— nur für eine andere Art des Denkens). Vgl. S. 16 f.: die höhere Entwicklungsstufe wird beschrieben als ein zu seinem höheren reineren Ausdruck Gelangen des numinosen Gefühls. Wie physiologisch das gedacht ist, zeigt der Satz, daß die Primitiv-Erregungen daneben immer wieder möglich sind. Bestände die höhere Stufe in wirklicher Erfassung des eigentlichen Objekts der Religion, so wäre die Primitiv-Stufe nicht mehr daneben möglich, sowenig je ein Naturforscher, der das heliozentrische System erfaßt hat, gelegentlich das geozentrische für richtig halten kann. — S. 28: die Objekte der numinosen Scheu gelten als entweder von dieser geschaffen, oder als ihr geliefert von der Phantasie — keineswegs als erfaßt als wirkliche Objekte; vgl. S. 131: die Dämonen reine Produkte des religiösen Gefühls. — S. 30: Das numinose Gefühl steigert sich und erzeugt damit den Begriff des übernatürlichen Objekts, dies, die übernatürliche Welt, erscheint somit als Schöpfung des Gefühls. Und so ist im Grunde doch wohl auch die oben genannte Stelle S. 121 zu verstehen: die überweltlichen Wesenheiten werden zu und über die sinneswahrnehmliche Welt „hinzugedacht", d. h. die überweltlichen Wesenheiten sind Deutungen, bzw. Produkte, des numinosen Gefühls. — S. 75 : Wie der δαίμων und der „Vorgott" Produkte des numinosen Gefühls sind, so dodi auch wohl Gott, oder welcher Sprung liegt hier in der Entwicklung vor? In der Entwicklung des Gefühls in reiner Steigerung und Verfeinerung kann der Sprung doch wohl nicht liegen. — S. 116 f. wird ausdrücklich gesagt, daß das Objekt des religiösen Gefühls eine Entwicklung durchmacht (S. 116 unten: „Und dieses Moment macht in sich selber..."). Das kann man doch nur so verstehen, daß das Objekt als Exponent des sich entwickelnden Gefühls sich entwickelt, und in der Tat wird S. 117 diese Entwicklung einfach mit der Entwicklung des Gefühls gleichgesetzt 1

wahrsdieinlidi: im Grunde.

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(S. 117 oben: „Die dämonische Scheu, selber durch mancherlei Stufen laufend..."). Die Erfassung einer jenseitigen Welt in der Religion wäre demnach einfach Illusion; die Religion besteht nur im Erfahren oder Genießen gewisser psychischer Zustände. — Übrigens ergibt sich bei der gezeichneten Entwicklung der Religion als der Entwicklung psychischer Zustände auch die Konsequenz, daß jede Stufe prinzipiell überbietbar ist, ja wenn man Verfeinerungen und dergl. als Fortschritt betrachtet — überboten werden muß. Also wäre die Erfassung überweltlicher Wesenheiten vielleicht auch nur eine falsche Analogiewirkung? Wäre wahre Religion erst beim bewußten Verzicht auf jedes religiöse Objekt vorhanden? Und wie verhält sich das zum Anspruch der Religion, das Absolute erfaßt zu haben? — Einen fremden Anstoß scheint die Entwicklung nun zu erhalten durch das Einsetzen des Prozesses der Rationalisierung und Ethisierung. Dies ist mir völlig unverständlich. Was bedeutet ζ. B. „Auffüllung" mit ethischen Momenten (S. 20)? Einfache Addition scheint vorzuliegen. Oder was weist denn im Gefühl des Numinosen darauf hin, daß dieser psychische Zustand Erfassung eines ethischen Objekts wäre? Er ist kein Organ für Erfassung eines Objekts, geschweige eines ethischen. Und daß sittliche Erkenntnis aus ihm entspränge, kann doch schwerlich gemeint sein. — D a ß rationale Begriffe irrationalen Begriffen des numen parallel gehen (S. 34), ist leicht verständlich. Nachdem Reflexion und Phantasie aus den psychischen Erfahrungen auf ein numen geschlossen haben, werden auf einer gewissen Kulturstufe, in der dies numen nach Analogie der menschlichen Persönlichkeit gedacht wird, menschlich-persönliche (besonders sittliche) Eigenschaften auf das numen übertragen. Inwiefern eine Synthesis a priori vorliegt, verstehe idi nicht (S. 140). Denn abgesehen davon, daß bei solcher rationalen und ethischen „Auffüllung" des numen dies seinen Charakter als des „ganz anderen" verliert oder zu verlieren droht und als zum Diesseits in Beziehung gesetzt selbst ein Teil des Diesseits wird, — was weist am Numinosen a priori auf das Rationale und Ethische? was an diesen a priori auf jenes? So ist mir die „Schematisierung" audi völlig unverständlich. Die Schematisierung der Kategorie der Kausalität durch die Zeitfolge bei Kant bedeutet doch, daß uns Erfahrung in der Zeit nur möglich ist mittels des Begriffs der Kausalität, und daß die Kategorie der Kausalität uns nur in der Erfahrung als Zeitfolge anschaulich wird. Aber inwiefern ist die Erfahrung des Numinosen nur im Begriff des Rationalen und Ethischen denk-

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bar? und erst recht? inwiefern werden die Begriffe des Rationalen und Ethischen erst in der Erfahrung des Numinosen anschaulich? — Wenn idi redit sehe, veranlaßt nun die Absicht, die Religion dodi der psychischen Zuständlichkeit zu entziehen und dem numinosen Gefühl Erkenntnischarakter zuzuerkennen, die Parallelisierung des numinosen Gefühls mit den Verstandeskategorien. Sehr richtig erscheint mir zwar die Feststellung, daß das Numinose nicht aus den Erfahrungen entspringt, sondern mit ihnen, durò

sie. Das aber tun z. B. der G e -

schlechtstrieb oder der Farbensinn auch, und beides sind keine K a t e gorien a priori. J a , im Grunde sind Geschlechtstrieb wie Farbensinn nicht Voraussetzung für die Möglichkeit der Erfahrung, vielmehr haben wir sie nur als Erfahrung in ihren einzelnen erlebten Momenten (s. o.). Mit den Verstandeskategorien ist es doch ganz anders; wir haben sie nicht als Erfahrung, sondern durch sie wird erst die Erfahrung möglich. Sie konstituieren das Objekt, sind die Formen für den Stoff der E r f a h rung, zu welchem Stoff z. B . auch alles, was wir Trieb nennen, gehört. Die Verstandeskategorien sind keine psychische Anlage wie der Farbensinn, geschweige ein Trieb, oder gar, wie S. 39 verräterisch heißt, Trieb nach einem Gut. Die Verstandeskategorien sind die Formen der Vernunft und diese besteht in Gesetzgebung, nicht im Trieb nach einem Gut. — Das numinose Gefühl aber ist der Trieb nach einem Gut, nicht eine Gesetzgebung für den Stoff der Erfahrung, es enthält und begründet nicht Urteile über die Erfahrung, sondern soll über die Erfahrung hinaus auf überweltliche Wesenheiten gehen. Schließlich ist zu beachten, daß die Verstandeskategorien die gesamte Erfahrung formen und damit möglich machen. Wie dies das numinose Gefühl tun soll, ist mir unverständlich. — Oder verstehe ich falsch? Das numinose Gefühl soll doch im Deuten und Bewerten bestehen (S. 121). Ist das nicht doch eine Analogie zu den Kategorien, deren Formen der Erfahrung man allenfalls als „Deuten" bezeichnen könnte? —

In welchem Sinn enthält denn das numinose

Gefühl eine Deutung und Bewertung? E t w a insofern, als es, wie Freude oder Angst, die Bedeutung eines Objekteindrucks für das Individuum aussagt? Das ist aber in jedem Fall eine „Deutung", die nicht der Deutung der Erfahrung durch die Verstandeskategorien analog ist, denn diese besteht doch nicht in der Bewertung der Erfahrung für das Individuum, sondern in der Formung der Erfahrung durch eine objektive Gesetzmäßigkeit. Die „Deutung" durdi ein Gefühl, das numinose oder ein anderes, ist insofern überhaupt keine Deutung, als sie nicht ein

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Messen nach einem im Verhältnis zum Individuum objektiven Maßstab ist; sie ist vielmehr im Grunde einfach selbst Erfahrung (s. o.). — Oder ist „Deutung" hier so gemeint, daß aus den Gefühlen auf die Art der sie erregenden Objekte zurückgeschlossen wird? Daß aus etwa zum Gefühl des Mysteriösen ein Mysterium als Erreger hinzugedeutet wird? Nun, dann wäre das numinose Gefühl ebensowenig etwas den Verstandeskategorien Analoges. Das Primäre ist das Gefühl, also Erfahrung, nicht Deutung der Erfahrung. — Wäre es übrigens richtig, daß die „Begriffe" des numinosen Gefühls, wie der Begriff des Heiligen, Kategorien der reinen Vernunft wären, so würde damit gesagt sein, daß die Religion nidit ein Objekt außerhalb der sinnenfälligen Erfahrung hat, sondern daß ihr das Gesamtgebiet der innerweltlichen Erfahrung als das Gebiet einer eigenen Gesetzgebung unterläge analog der Gesetzgebung der reinen (und der praktischen und ästhetischen) Vernunft. Ein „ganz anderes" wäre die Welt der Religion zwar in dem Sinne wie es die sittliche Welt zur Welt der Natur oder die ästhetische Welt des Schönen im Verhältnis zur sittlichen Welt wäre;— aber wie alle diese Welten „diesseitig" sind, so wäre es auch die Welt der Religion. — Die Analogie des numinosen Gefühls zum Ästhetischen (S. 148.153 f.) habe ich damit schon bestritten. Die ästhetischen „Gefühle" sind keine psychischen Zustände, sondern Urteile, die von beliebigen psychischen Zuständen begleitet sein können. Und „das Schöne" ist nicht ein existierendes Etwas, zu dem ein „Trieb" hinstrebte, der es in sich entwickelnden psychischen Fähigkeiten allmählich erfaßte, sondern es besteht nur in der Gesetzgebung der ästhetischen Vernunft. Und die Entwicklung des Geschmacks besteht nicht in der Verfeinerung der Sinne, sondern in der klaren und konsequenteren Anwendung der ästhetischen Urteilskraft und zwar — wie bei den Verstandeskategorien — auf den gesamten Erfahrungsstoff. Denn vom Standpunkt der ästhetischen Urteilskraft kann alles als „schön" geschaut werden, sogar Breslau und der Weg nach Kl. Sägewitz. — Das ist auch am speziellen Beispiel der Musik deutlich. Die Geschichte der Musik ist nicht die Entwicklung eines „seelischen Moments" (S. 75 f.), einer „Anlage psychischer Natur", sondern die Entwicklung der ästhetischen Vernunft, sofern Töne ihr Stoff sind; die Verfeinerung der Sinne hat, dünkt mich, für die Musik so wenig zu tun wie für die Mathematik. Ja, vielleicht waren die Sinne der Primitiven viel feiner organisiert als die unsern, wie denn Pferde und Hunde nervöser auf Musik reagieren als Kulturmenschen. Jedenfalls ist ζ. B. ein Schreien oder Jauchzen als Ausdruck eines seelischen Moments oder

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als Äußerung eines Triebs niemals Musik, sofern es Ausdruck des seelischen Moments oder Äußerung des Triebs ist. Musik kann es freilich auch sein, und es ist da und nur da, wo der Ausdruck zugleich an den musikalischen Gesetzen partizipiert, die ihre Existenz ganz abgesehen von seelischen Momenten und Trieben haben — audi bei Kung fu tse oder irgendwelcher primitiven Negermusik. — Alles was ich ausgeführt habe, scheint dahin zu drängen, daß ich in Ihrer Darstellung nur die Beschreibung psychischer Erscheinungen, die das Auftauchen und die Geschichte der Religionen begleiten, sehen kann. Doch ist damit die Sache nicht erschöpft. An manchen Stellen scheint ein anders begründeter und geschauter Begriff von Religion durchzuringen. So z. B. wenn die Religion als das Verhältnis zu einer jenseitigen Wirklichkeit beschrieben wird. Definiert man die Religion so, so steht sie, dünkt mich, im Gegensatz zur Teilnahme an der humanen Kultur zu Wissenschaft, Sittlichkeit und Kunst, an denen wir als Vernunftwesen teilnehmen, ihre Welten mitbauend, mit formend nach den überindividuellen Gesetzmäßigkeiten jener drei Gebiete. Im Gegensatz also dazu ist die Religion Erleben, d. h. auf das Individuum und sein eigentümliches Leben, statt auf die überindividuelle Vernunft gestellt, und sie besteht in der Beziehung des individuellen Lebens zu einer jenseitigen Wirklichkeit des Lebens, wobei als „Jenseits" unser gesamter durch die Sinne vermittelter Erfahrungsstoff in seiner Formung durch die drei Richtungen der Vernunft zu gelten hat. Diese Wirklichkeit wird vom Ich erlebt in dem Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit, wobei „Gefühl" weder einen psychischen Zustand noch die Urteilskraft der ästhetischen Vernunft bedeutet, vielmehr einen Bewußtseinsinhalt aussagt, ein Selbstbewußtsein ist (vgl. Schleiermacher). O b dies Gefühl richtig als Kreaturgefühl in Ihrer Beschreibung gedeutet ist, ist mir nicht völlig sicher, doch möchte ich es akzeptieren, wenn es das Gefühl der Geschöpflichkeit in dem Sinne bedeutet, daß das Ich und sein Leben als Geschenk jener jenseitigen Welt erlebt wird. Die Polemik gegen Schleiermacher scheint mir nicht zutreffend. Sein „schlechthinniges" Abhängigkeitsgefühl scheint mir in der T a t etwas qualitativ, nicht nur relativ, vom Abhängigkeitsgefühl in Bezug auf die unterschiedene Welt zu sein. Es wird nicht gebildet am Gegensatz von Freiheitsgefühl, sondern schließt ein Freiheitsgefühl als seinen Stoff mit ein. Gerade das letztere scheint mir in Ihrer Beschreibung beim Kreaturgefühl nicht der Fall zu sein, und dieses scheint mir in seiner von Ihnen beschriebenen Form unter das Verdikt Glaubenslehre I § 4, 3 zu fallen, daß das schlecht-

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hinnige Abhängigkeitsgefühl nicht in einem einzelnen Moment als solchem sein kann, was mir eben von Ihrem Kreaturgefühl der Fall zu sein scheint. Somit scheint mir bei Schleiermacher zwar von einem qualitativ anderen Abhängigkeitsgefühl als dem durch die Welt bestimmten die Rede zu sein, bei Ihnen aber nicht, weil bei Ihnen zwar die Gefühlsqualität des numinosen Abhängigkeitsgefühls eine andere ist als bei anderen Abhängigkeitsgefühlen, nicht aber die Abhängigkeit eine qualitativ andere ist. Aber qualitativ als Gefühle verschieden sind audi die verschiedenen weltlichen Abhängigkeitsgefühle, die nicht nur das Gefühl der Ohnmacht, Unzulänglichkeit und dergl. (bei Ihnen S. 9) einschließen, sondern audi die Gefühle gegen Eltern, Vaterland und dergl. (vgl. Schleiermadier), wie denn nach Schleiermacher ein solches Abhängigkeitsgefühl auch erhebend sein kann. Um aber ein qualitativ von weltlichen Abhängigkeitsgefühlen verschiedenes Abhängigkeitsgefühl festzustellen, bedürfte es des Nachweises, daß die Welt, zu der die Abhängigkeit statt hat, von der diesseitigen Welt verschieden ist, was mir bei Schleiermacher nachgewiesen zu sein scheint, bei Ihnen aber, da das „Gefühl" nicht als eine geistige Haltung der Objektsbeziehung beschrieben wird, zu fehlen scheint. Dodi damit komme idi auf die oben ausgeführten Einwendungen. Ich will nur noch sagen, daß mir Ihr Einwand, als ob Sdileiermacher aus dem Abhängigkeitsgefühl durch einen Schluß auf Gott käme, mir Schleiermacher direkt zu widersprechen scheint, da er doch das sdilechthinnige Abhängigkeitsgefühl mit dem Gottesbewußtsein gleichsetzt; ebenso der dritte Einwand, als sei das schlechthinnige Abhängigkeitsgefühl nur ein Sichbedingt-fühlen. Doch würde das jetzt zu weit führen. — Ich will nur weiter noch hinzufügen, daß andere Sätze mir wieder völlig einleuchten. Die jenseitige Wirklichkeit muß in der Tat als Mysterium gelten, sofern sie nicht rational faßbar ist, sondern sich „offenbart", sich immer neu entschleiert und in positivem Sinn Geheimnis ist: immer neuen Reichtum an Lebensinhalt birgt. Aber die psychischen Zustände, unter denen dies Abhängigkeitsgefühl und die Verehrung des Mysteriums vorhanden sind, sind unendlich verschieden und prinzipiell gleichgültig; sie sind mit Erschauern und Zittern, mit Ekstase und Rausch so gut verträglich wie mit Ruhe. Auch entwickeln sie sich nicht aus primitiven Zuständen, sondern sind stets und stets nur dem Bewußtsein zugänglich, das in den Beziehungen zur diesseitigen Welt und in der Teilnahme an der Formung des Erfahrungsstofies durch die Vernunftkräfte seinen Inhalt hat und darin nicht nur aktiv seine Arbeit an objektiven, sachlichen Größen erfährt, sondern zugleich sei-

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nem individuellen Leben einen Inhalt zuströmen fühlt, der ihm die Sicherheit eines eigenen, „jenseitigen" Lebens schenkt. — Hiermit sei es genug. Ich bedaure nur lebhaft, nicht im mündlichen Gespräch Ihnen meine Fragen vortragen zu können. So sehr Ihr Buch mir ein Fascinosum war, das mir keine Ruhe ließ, so sehr ist es mir doch auch ein Mysterium, — bald glaubte ich seine Sprache zu verstehen mit der Empfindung „tua res agitur", bald schien es mir eine völlig fremde Sprache zu reden und mir das, was in ihm Religion genannt wird, völlig fremd zu sein. Meinen Versuch, mich des Verständnisses zu bemächtigen, habe ich Ihnen vorgetragen. Wenn Sie darauf eingehen könnten, wäre es mir eine Freude. — Hoffentlich geht es Ihnen und Ihrer Frau Schwester in Marburg, dem O r t unserer beständigen Sehnsucht,

gut.

Bitte, grüßen Sie Heitmüllers. W i r wünschen Ihnen ein gutes SommerSemester; man darf sich dodi freuen, daß es unter einem guten Stern zu beginnen scheint. Ihnen und Ihrer Frau Schwester herzliche Grüße von meiner Frau und mir! Ihr Rudolf Bultmann

8. Edmund Husserl an Rudolf Otto vom 5. 3. 19191 Sehr verehrter H e r r Kollege! Soeben erhalte ich von Herrn V i k a r K a t z die Mittheilung, Sie würden gerne von meinem Anerbieten, Sie von meinen Eindrücken

von

Herrn Oxner zu unterrichten, Gebrauch machen. Idi eile diesen Wunsch zu erfüllen. H e r r Oxner war ursprünglich, wie sein älterer Freund, D r . Heidegger, philosophischer Schüler Rickerts. Nicht ohne starke innere W i derstände eröffneten sich beide allmählig meinen Anregungen und traten mir auch philosophisch näher. Bei beiden vollzogen sich in dieser selben Zeit

radikale Wandlungen

in ihren

religiösen

Grundüberzeugungen.

Beides sind wirklich religiös gerichtete Persönlichkeiten: bei H .

über-

wiegt das theoretisch-philosophische Interesse, bei O . das religiöse. U n d bei diesem so sehr, daß ich ihn geradezu als homo religiosus bezeichnen möchte. Zugleich ist er aber eine specifisdi theologische N a t u r : er kann und will nicht auf eine Philosophie verzichten, nur soll es eine redliche, ernstlich wissenschaftliche Philosophie sein, die den Tiefen 1

Rudolf-Otto-Nadilaß, Universitätsbibliothek Marburg, Hs 797:794.

des reli-

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giösen Lebens und der religiösen Objectivität, die sich in diesem offenbart, in Begriffen des treu (?) dienenden Verstandes einen adäquaten Ausdruck, eben auch eine Reinigung, Klärung, verstandesmäßige Erleuchtung und eine sichere Wehr gegen den Skeptizismus verleiht. Er erhofft in dieser Hinsicht sehr viel von der reinen Phänomenologie und ist in den Geist ihrer Arbeit in ihre Methode schon tief eingedrungen — wenn nicht alle Anzeichen trügen. Ich spreche von „Anzeichen": Es ist nämlich schwer die außerordentliche Schüchternheit dieses Menschen zu durchbrechen, ihn zu freier Aussprache zu bringen, ihn auch persönlich heranzuziehen. Seit Jahren habe ich ihn, wann immer idi ihn traf (nach Seminarien z. B.) aufgefordert mich zu besuchen, um die dabei angesponnenen (mich stets lebhaft interessierenden) religionsphilosophischen Gedanken mit mir gründlich durchzusprechen. Aber nur zweimal kam er wirklich, und nur in einem Falle kam es zu einem mehrstündigen Gespräch. Ich kenne ihn daher in gemeinem Sinne nicht näher. Sofern ich manchmal bei Schülern herbe Enttäuschungen erfahren habe, möchte ich im Urtheil sehr zurückhaltend sein. Aber in solchen Fällen hatte midi doch stets mein daimonion und oft genug gewarnt. Aber bei O. mahnt es mich positiv ihm ganz zu vertrauen. Ich kann mir wirklich schwer vorstellen, wie ich mich in diesem völlig anspruchslosen, sich schüchtern im Hintergrund haltenden Menschen, der errötet, wenn man ihn nur ansieht — wie ich diesem Menschen, mit dem nach innen gewandten Blick, aus dem nur Reinheit und Güte spricht, in dem jeder Zug von Fanatismus und Hinterhältigkeit, Verschleierung fehlt — mich täuschen könnte. Schon der Gedanke an diese Möglichkeit erscheint mir fast wie ein Unrecht. Den Eindruck habe ich vor allem als ob er der Liebe bedarf, als ob sie sein Lebenselement wäre — aber nicht im Sinne des Verbitterten, bei dem es gälte, den Eispanzer zu schmelzen. Das ist er gar nicht, obsdion er es wie idi hörte {Er würde mir sowas nie gesagt haben) im Leben redit schwer hat. — Am besten, lieber Herr Kollege, sie nehmen meine Worte nur als Anlaß, dieser Persönlichkeit näherzutreten, um sie einmal erst kennen zu lernen. Ich vermute, daß er Ihnen dem Theologen (der von Ihrem Buche über das Heilige zudem stark berührt war) sich freier geben und rascher eröffnen wird als mir. Ich erwähne noch, daß er sich in meinem kleinen hiesigen Kreise näherer Schüler durchaus großer Achtung erfreut. Daß ich mich an jeder Hilfsaktion für O. herzlich gerne betheilige, hat Ihnen Herr Vikar Katz wohl mitgetheilt. Nur genannt darf ich nicht dabei sein. Idi darf meine friedliche Wirksamkeit in Freiburg nidit

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gefährden. Meine philosophische Wirksamkeit hat doch etwas merkwürdig Revolutionierendes: Evangelische werden katholisch, Katholische evangelisch. Ich aber denke nicht ans Katholisieren und Evangelisieren, nichts weiter will ich, als die Jugend zu radikaler Redlichkeit des Denkens zu erziehen, zu einem Denken, das sich davor hütet, die ursprünglichen und für alles vernünftige Denken notwendig sie bestimmenden Anschauungen durch verbale Constructionen, durch BegriffsBlendwerke zu verhüllen und zu vergewaltigen. Ich mag im erzkatholischen Freiburg nicht als Verführer der Jugend, als Proselytenmacher dastehen, als Feind der katholischen Kirche. Das bin ich nicht. Ich habe auf den Übergang Heideggers und Oxners auf den Boden des Protestantismus nicht den leisesten Einfluß geübt, obschon er mir als freiem Christen (wenn sich Jemand, der bei diesem Wort ein ideales Ziel religiöser Sehnsucht vor Augen hat und es für sich im Sinne einer unendlichen Aufgabe versteht, so nennen darf) und als „undogmatischen Protestanten" nur sehr lieb sein kann. Im Übrigen wirke ich gern auf alle wahrhaftigen Menschen, mögen es katholische, evangelische oder Juden sein. Durch H . und O. (idi weiß nicht mehr, wer hier den Vortritt hat) wurde ich im letzten Sommer auf Ihr Buch über das Heilige aufmerksam und es hat stark auf mich gewirkt, wie kaum ein anderes Buch seit Jahren. Gestatten Sie, daß ich meinen Eindruck so fasse: Es ist ein erster Anfang für eine Phänomenologie des Religiösen, mindestens nach all dem, was eben nicht über eine reine Description und Analyse der Phänomene selbst hinausgeht. Mit Einem Wort — an der eingefügten philosophischen Theoretisierung kann ich nicht theilnehmen und sie ist für das Eigenthümliche dieses Buches und seine specifische Aufgabe auch ganz außerwesentlich und würde besser fortbleiben. Es möchte mir scheinen, daß das Studium der Phänomene und ihrer Wesensanalyse sehr viel weiter fortgeschritten sein müßte, ehe eine Theorie des religiösen Bewußtseins als philosophische Theorie einsetzen könnte. Vor Allem bedürfte es der Durchführung einer radikalen Scheidung: zwischen zufälligem Faktum und Eidos, es bedürfte des Studiums der Wesensnotwendigkeiten und Wesensmöglichkeiten des religiösen Bewußtseins und seines Correlats; es bedürfte einer systematischen Wesenstypik der Stufen religiöser Gegebenheiten, und zwar in ihrer wesensnotwendigen Entwicklung. Der Metaphysiker (Theologe) in Herrn Otto hat scheint es mir den Phänomenologen Otto auf seinen Schwingen davongetragen und ich denke dabei als Gleichnis an die Engel, die mit ihren Schwingen

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die Augen verdecken. Aber wie immer: dieses Buch wird in der Geschichte der echten Religionsphilosophie bzw. der Religionsphänomenologie eine bleibende Stelle behalten. Es ist ein Anfang und geht das ist sein Sinn auf die „Anfänge", „Ursprünge" zurück, es ist im schönsten Wortverstande „originell". Und nach nichts sehnt sich unsere Zeit so sehr als danach, daß endlich die wahren Ursprünge zu Worte kommen und dann erst in höherem Sinn zu ihrem Worte, zum Logos kommen. Übel nehmen werden Sie mir wohl diese freie Aussprache nicht: Sie wissen aus unseren Göttinger Jahren, wie hoch ich Sie immer schätzte und wie gerne ich die geistige Berührung mit Ihnen suchte. Nun brachten Sie uns Phänomenologen wertvolle Gaben, wir würden uns sehr freuen, wenn diesen neue folgten. Ich begrüße Sie herzlich und in steter Hochschätzung E. Husserl

LITERATURVERZEICHNIS 1. Veröffentlichungen

Rudolf

Ottos

Briefe von einer Reise nach Ägypten, Jerusalem und dem Berge Athos um Ostern 1895, Der Hannoversche Sonntagsbote. Evangelisch-lutherisches Volksblatt für Stadt und Land, 1. Jg. Hannover 1897, Nr. 5, 2—3; Nr. 6, 2—3; Nr. 8, 3—4; Nr. 9, 3—4; Nr. 10, 2—4; Nr. 11, 3—5; Nr. 14, 3—4; Nr. 15, 3—4; Nr. 16, 2—4; Nr. 22, 4—5; Nr. 23, 4—5; Nr. 29, 3—4; Nr. 31, 4—6; Nr. 32, 4—6; Nr. 35, 3—6; Nr. 36, 3—4 Geist und Wort nach Luther, Theologische Dissertation Göttingen 1898 Die Anschauung vom Heiligen Geiste bei Luther. Eine historisch-dogmatische Untersuchung, Göttingen 1898 Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern. Von Friedrich Schleiermacher. Zum Hundertjahr-Gedächtnis ihres ersten Erscheinens in ihrer ursprünglichen Gestalt neu herausgegeben und mit Übersichten und Vorund Nachwort versehen von Rudolf Otto, Göttingen (1899) 1926 5 N D 1967 e Besprechung von J . Reinke, Die Welt als Tat, Berlin 1899, ThLZ 1900, 420—426 Die historisch-kritische Auffassung vom Leben und Wirken Jesu. Sechs Vorträge, im März 1901 in Hannover veranstaltet von Freunden kirchlicher Fortentwicklung. Als Manuskript gedruckt. Göttingen 1901, 1905 4 Besprechung von J. Sack, Monistische Gottes- und Weltanschauung, Leipzig 1899, ThLZ 1901, 89—91 Besprechung von J . Reinke, W. Kerlemann, O. Veek, Die religionsfeindlichen Strömungen der Gegenwart, Berlin 1899; M. Fischer, Die Wahrhaftigkeit in der Kirche, Berlin 1899; F. Rohde, Der gegenwärtige Stand der kirchlichen Gemeindeorganisation, Berlin 1899, ThLZ 1901, 91—92 Besprechung von F. R. Lipsius, Die Vorfragen der systematischen Theologie, Freiburg 1899, ThLZ 1901, 578—580 Zum geschichtlichen Verständnis des Alten Testamentes, Kirchliche Gegenwart, Gemeindeblatt für Hannover, l . J g . Göttingen 1901/2 Sp. 42 f., 58 f., 75 f., 104 f., 127 f., 140 f., 156 f., 168 f., 185 f., 232 f., 250 f., 267 f. Darwinismus von heute und Theologie, ThR 5, 1902, 483—496 Besprechung von Eugen Huber, Die Entwicklung des Religionsbegriffs bei Schleiermacher, Leipzig 1901, ThLZ 1902, 547—553 Besprechung von H. Stephan, Die Lehre Schleiermachers von der Erlösung, Tübingen 1901; J.Richter, Das Prinzip der Individualität in der Moralphilosophie Schleiermachers, Gütersloh 1901 ; C. v. Kügelgen, Schleiermachers Reden und Kants Predigten, Leipzig 1901, ThLZ 1902, 577—578

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Veröffentlichungen Rudolf Ottos

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Allgemeine Literatur

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Weinel, Heinrich, Das Erfühlen des Überweltlichen. Zu Rudolf Ottos religionsphilosophisdier Arbeit, Die freie Volkskirche 21, 1933, 198—203 Welker, Klaus Eberhard, Die grundsätzliche Beurteilung der Religionsgesdiidite durch Sdileiermadier, Leiden/Köln 1965 Windisdi, H., Besprechung von Rudolf Otto, Reich Gottes und Mensdiensohn, D L Z 1934, 1393 ff. Wobbermin, Georg, Besprechung von Rudolf Otto, Das Heilige, ThLZ 1923, 21—23 Wünsch, Georg, Rudolf Otto, R G G 2 4, 1930, 842 —, Grundriß und Grundfragen der theologischen Ethik Rudolf Ottos, ZThK 1938, 46—70 —, Rudolf Otto, R G G 3 4, 1749 f. 3. Allgemeine

Literatur

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156

Literaturverzeichnis

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Allgemeine Literatur

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REGISTER Aberglauben 53 f., 57, 80, 110 Actus purus 3 8 , 6 1 , 8 2 , 84 Ahndung 6, 39, 44, 52, 99, 112, 122, 125, 127 Altes Testament 53 Animismus 46 Antinomie 32, 82, 96 Apokalyptik, spätjüdische 64 Apologetik 2 f., 5, 26, 31, 33, 108, 113 Aposteriori 51 Apriori 50, 53, 91, 123, 129, 135 religiöses 3, 8, 38 f., 48, 87, 127 Aristoteles 78, 120 Aufklärung 76, 125 Autonomie 27, 94, 96 ff. Axiologie 82, 96 f. Barth, K a r l 8 Baur, Friedrich Chr. 66 Böhme, J a c o b 109 Boeke, Rudolf 92 Bousset, Wilhelm 34, 40 ff., 117, 127 f. Brunner, Emil 50 Bultmann, Rudolf 106,118,130 ff. Causa prima 15 f., 17 Causa secunda 15, 17 f. Christologie 21, 62 f., 67, 110, 120 Dämonie 46 ff., 53, 55, 74 ff., 131 ff. Darwinismus 31, 122 Deismus 18 f. Denken 5, 31, 49, 52, 79 f., 94, 111, 115 Dialektik, qualitativ-genetische 81 ff. Dilthey, Wilhelm 23

Dogma 14, 79, 120 Dogmengeschichte 79 Eiert, Werner 108 Empirie 4, 13 ff., 18, 20, 23, 31, 39, 44, 51 f., 71, 83, 111, 127 Eschatologie 64 f., 68, 110 Ethisierung 8, 45, 57, 60, 65, 74, 84, 134 Ethos 3, 56 f., 86, 88 ff., 94 f., 98 ff. Evolutionismus 50, 127 Feigel, Friedridi K . 6 f. Fichte, Johann G. 25, 106, 108 Freiheit 38, 137 Fries, J a k o b F. 13, 34 ff., 40 f., 52, 85, 112, 122 ff. Gefühl 8 f., 22, 24 ff., 37, 39, 48, 54 ff., 90, 95, 98, 103, 122, 124 f., 130, 135 f. Geist 10, 16, 27, 34, 38, 46, 51, 56, 66, 69, 72, 78, 81 f., 105 f., 111 Gesetz 22, 74, 76, 96 f., 121 Haeckel, Ernst 3 Häring, Theodor 117 f., 128 f. Harnack, Adolf von 5 Hartmann, Nicolai 87 f., 96 ff. Haubold, Wilhelm 12 Haym, Rudolf 23 Hegel, Georg W. F. 49, 81, 108 Heitmüller, Wilhelm 119 Herrmann, Wilhelm 91 f., 95, 117, 127 Hochreligion 47, 52, 74, 76 Humanisierung 27, 75 f., 78, 88, 107, 113 f.

Register Husserl, Edmund

119, 139 ff.

Idealismus 28, 35, 46, 51, 70, 106 Irrationalität 8 f., 45, 52 ff., 57, 75, 101, 128 f. Kant, Immanuel 25 f., 32, 37, 92, 99, 120, 134 Kant-Friessche Religionsphilosophie 13, 38, 49, 90 Kultur 48, 53, 72, 75 Kultus 74, 76, 79 f. Leibniz, Gottfried 38 Logos 100 f., 142 Luther, Martin 5, 11 ff., 21 ff., 37, 50, 57, 85, 106, 120 Magie 47 f. Menschensohn 67, 69, 83, 84, 100 f., 109 Metaphysik 25, 34, 39, 70, 91 f., 121, 141 Moral 23, 25, 58, 88, 96, 127 Müller, Max 47 Mysterium 32 f., 47, 74, 83, 97, 109, 116, 136 ff. fascinosum 7, 56 f., 60, 109, 127 f. tremendum 7, 55 ff., 60, 109, 127 £. Mythos 5, 74, 76, 78, 80,108 Naturalismus 31,33 Nelson, Leonhard 35, 40, Neufriesianismus 40 f. Numen 58 numen praesens 18, 46, 73 Numinose 4 f., 7 ff., 48, 72 f., 75 ff., 82 ff., 95 f., 115 f., 130 ff. Paganismus 4 9 , 6 0 Panentheismus 19 Parousie 64

117, 126 f.

f., 81 54 ff., 65, 102, 109,

159

Paus, Ansgar 35 Phänomenologie 87, 140 ff. Plato 78 Positivismus 75,95 Protestantismus 27, 71 Psychologie 8, 13 ff., 18, 20, 51 f., 131 ff. Psychologismus 119 Rahlfs, Alfred 118 Rationalismus 8 f., 12, 15, 29, 36, 42, 45, 50, 52 f., 58 f., 70, 75, 78 f., 102, 104, 112 f., 124, 128 f., 134 Realismus 27, 57, 91 Reformation 11, 14 Reich Gottes 63 ff., 90 revelado generalis 6 1 , 6 3 , 1 2 3 specialis 61, 63, 123 Religiöse Anlage 15 ff., 38, 47, 51, 61, 69, 108 Religiöses Erlebnis 23, 25, 34, 47, 52 Religiöser Menschheitsbund 89, 104 Religiöse Phänomene 15, 29, 38, 45, 51 f., 55, 79, 82, 84, 111 Ritsdil, Albredit 45, 49 f., 92, 118 Romantik 26, 70 Rudolf, Kurt 7 0 , 1 1 0 Scheler, Max 87, 93 Schematismus 50, 52 f., 58, 73, 134 Schinzer, Reinhard 85 Schleiermacher, Friedridi 5, 13, 23 ff., 36, 49, 52, 71, 114 f., 122 ff., 137 f. Schlosser, J . G. 25 Schultz, Hermann 117 Schweitzer, Albert 3 Sensualismus 50 Sensus religionis 52 Sittlichkeit 17, 21, 55 f., 58 f., 85 ff., 93 f., 101 f., 137 Smend, Rudolf 117 spiritus sanctus 11 f., 14, 16 f., 20 f., 45, 61, 104 ff., 120

160

Register

Subjektivität 7 f., 9, 22, 24, 30, 34, 90, 97 Sünde 27, 58 ff., 86, 95 Supranaturalismus 5, 12 ff., 17, 20, 22, 36, 41, 50, 78, 106, 112 f. Symbol 42 f. Teleologie 32, 77, 83 f. Theonomie 96 ff. Tillich, Paul 50 Troeltsch, Ernst 3, 48 f., 127 ff.

Vernunft 3, 5,10, 15, 28, 32, 34, 36 ff., 41, 43 ff., 51 ff., 57, 59, 72, 74, 76, 88, 99, 103 ff., 116, 135 Wert 82, 85, 87, 93 f., 98 ff., 115 Wette, Wilhelm L. M. de 35, 40, 123 ff. Würde 94 Wunder 37, 66 f. Wundt, Wilhelm 3, 46, 59, 75 f., 122 Wundt-Rezension 45, 48 f., 73 Zentralindividuum

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