Rechtsformwahlfreiheit im Europäischen Steuerrecht 9783504382940

Das Postulat einer "freien Wahl der Rechtsform" gehört wegen seiner brisanten Folgen für die Besteuerungspraxi

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Rechtsformwahlfreiheit im Europäischen Steuerrecht
 9783504382940

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Friese Rechtsformwahlfreiheit im Europäischen Steuerrecht

Rechtsordnung und Steuerwesen Band 39 Schriftenreihe begründet von Brigitte Knobbe-Keuk herausgegeben von Wolfgang Schön und Rainer Hüttemann

Rechtsfarmwahlfreiheit im Europäischen Steuerrecht

von

Dr. jur. Arne Friese 2010

Verlag DtOftoSchmidt

Köln

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrofbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 0221/93738-01, Fax 0221/93738-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-64238-9 ©2010 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für V ervielfältigungen, Bearbeitungen. Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entwurf von: Jan P. Lichtenford Druckund Verarbeitung: Be1z, Darmstadt Printed in Germany

Geleitwort Zu dieser Schriftenreihe Seit Brigitte Knobbe-Keuk im Jahre 1986 diese Schriftenreihe in der Nachfolge von Werner Flume begründet hat, sind mehr als 30 Bände erschienen, in deren thematischen Mittelpunkt die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Steuerrecht und der allgemeinen Rechtsordnung gestellt ist. Die Entwicklung der Reihe hat gezeigt, dass die vielfältigen Verflechtungen des Steuerrechts mit anderen Rechtsgebieten den gewählten Zuschnitt eindrucksvoll gerechtfertigt haben. Die publizierten Arbeiten nehmen Bezüge zum allgemeinen Zivilrecht, zum Gesellschaftsrecht, zum Bilanzrecht und zu den Wirtschaftswissenschaften ebenso in den Blick wie die Rahmenbedingungen des Verfassungsrechts, des Europarechts und des Internationalen Rechts. Strafrechtliche Zusammenhänge unserer Steuerrechtsordnung werden ebenso beleuchtet wie verfahrensrechtliche Implikationen der Besteuerungspraxis. Der Erkenntnis der Begründerin der Schriftenreihe, dass in den juristischen Fragestellungen aus dem Bereich des Steuerwesens Fragestellungen aus den Teilgebieten der allgemeinen Rechtsordnung zusammentreffen, muss besonders Nachdruck in einer Zeit verliehen werden, in der die innere Stabilität unserer Besteuerungsordnung in hohem Maße gefährdet ist und der Wunsch, aus der eigenen Systematik des Steuerrechts heraus feste Leitlinien für Rechtspolitik und Rechtsanwendung zu gewinnen, hinter den fiskalischen Zwängen der öffentlichen Hand und dem Gestaltungswillen der Steuerpolitik immer weiter zurücktritt. Die Verankerung des Steuerrechts in der allgemeinen Rechtsordnung dient daher auch den Anliegen der Rechtssicherheit und Rationalität unseres Steuerrechts. Darüber hinaus kann durch die Anlehnung an die der Privatautonomie verpflichtete Zivilrechtsordnung sowie durch die Verwirklichung verfassungsrechtlicher und europarechtlicher Freiheitsgewährungen dem Steuerwesen ein Stück rechtsstaatlicher Liberalität zurückgegeben werden. Die Herausgeber wünschen daher, dass die Schriftenreihe in ihrer Gesamtheit einen Beitrag zur Kultur unserer Steuerrechtsordnung zu leisten vermag. München und Osnabrück, im März 2004 Wolfgang Schön

Rainer Hüttemann

V

Geleitwort

Zu dieser Schrift Gibt es im Europäischen Recht einen Grundsatz der „Rechtsformneutralität“? Seit der Europäische Gerichtshof im Jahre 1986 in einem seiner ersten Urteile auf dem Gebiet des Europäischen Steuerrechts anhand der Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften das Postulat einer Gleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften formuliert hat, ist der Streit über diese Frage in der Europäischen Steuerrechtswissenschaft nicht mehr abgebrochen. Dabei geht es vordergründig um die dogmatische Thematik, ob sich diese Aussage des Gerichtshofs letztlich auf das Verbot einer Diskriminierung zwischen ausländischen und inländischen Gesellschaften mit Betriebsstätten im Inland reduzieren lässt oder ob das Verständnis der Niederlassungsfreiheit als Beschränkungsverbot weitergehende Wirkungen zeitigt. Blickt man tiefer, so zeigt sich der Grundlagenstreit um die Handlungsspielräume nationaler Gesetzgebung im Steuerrecht: Verlangen die Grundfreiheiten lediglich eine formale Gleichbehandlung grenzüberschreitender Aktivitäten mit inländischen Sachverhalten oder schränken sie auch inhaltlich die nationale Steuerpolitik ein? Bedenkt man, dass das Bundesverfassungsgericht aus den deutschen Grundrechten bisher einen solchen Grundsatz für das Ertragsteuerrecht nicht hergeleitet hat, richtet sich das Interesse mit Nachdruck auf die Entwicklungen im Europäischen Recht. Arne Friese analysiert diese Problemstellung in zwei Teilen: In einem ersten umfangreichen Abschnitt verdeutlicht er das Grundprogramm des Europäischen Binnenmarktes und die Rolle, welche die Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften in diesem Rahmen spielt. Dabei wird erkennbar, dass diese Freiheit das Potential des Binnenmarkts nur dann voll ausschöpfen kann, wenn verschiedene Stufen der Integration eines Unternehmens im Gastland ausgeschöpft werden können – von der grenzüberschreitenden Lieferung und Leistung über die Gründung einfacher Niederlassungen bis hin zu inkorporierten Tochtergesellschaften oder gar einer vollen Verlagerung eines Unternehmens. Dies verlangt auch eine Reaktion der nationalen Steuergesetzgebung – allerdings nicht im Sinne einer schematischen Gleichbehandlung der Rechtsformen, sondern einer Abwägung zwischen dem Prinzip einer „stetigen“ Besteuerung nach dem Maß der Integration einerseits und der Zulässigkeit oder Erforderlichkeit, zivil- und gesellschaftsrechtliche Differenzierungen bei der Besteuerung durchschlagen zu lassen. In seinem zweiten Teil exemplifiziert der Verfasser seine grundsätzlichen Thesen anhand praxisrelevanter Themen – z. B. der Steuersatzdifferenzierung, der Verlustverrechnung, der Gewinnabgrenzung oder der Quellensteuererhebung. Damit leistet er einen gewichtigen – und in dieser Vertiefung bisher nicht erreichten – Beitrag zu einer Vielzahl aktueller Streitfragen des europäischen und internationalen Steuerrechts. Ihm ist das Kompliment VI

Geleitwort

zu machen, dass er mit seiner Dissertation gleich drei Gebiete befruchtet hat: die Dogmatik des Europäischen Unionsrechts, die Grundzüge des Europäischen Steuerrechts und die Auswirkungen auf tradierte Prinzipien und Probleme des internationalen Steuerrechts. München, im Februar 2010

Wolfgang Schön

VII

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Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2009 von der juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertation angenommen. Sie entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung für Rechnungslegung und Steuern am Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht in München. Das Manuskript der Arbeit habe ich Anfang des Jahres 2008 fertig gestellt. Für die Veröffentlichung wurden die wesentlichen Entwicklungen bis Anfang des Jahres 2010 berücksichtigt. Ich danke besonders Prof. Dr. Wolfgang Schön. Er hat das Thema dieser Arbeit angeregt und mich während der Zeit ihrer Fertigstellung in jeder Hinsicht außergewöhnlich unterstützt. Die Möglichkeit, im Kreis der Mitarbeiter und Stipendiaten am Max-Planck-Institut arbeiten zu können, war eine Erfahrung, die mich weit über das Fachliche hinaus bereichert hat. Zudem gilt ihm und Herrn Prof. Dr. Hüttemann mein Dank für die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe „Rechtsordnung und Steuerwesen“ des Dr. Otto Schmidt Verlags. Der Max-Planck-Gesellschaft bin ich zu Dank dafür verpflichtet, dass ich diese Arbeit während meiner Zeit als Stipendiat und Mitarbeiter am Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht erstellen und von den einzigartigen Forschungsbedingungen profitieren durfte. Mein ganz besonderer Dank gilt meiner Frau, Dr. Rike Friese, für die mühevolle, kritische und konstruktive Durchsicht dieser Arbeit und für alle liebende Unterstützung. Meinem Vater, Herrn Klaus Friese, danke ich sehr für die nächtelange Korrektur des Manuskripts. Bei meinen Kollegen am Max-Planck-Institut, besonders bei Herrn Dr. Stefan Mayer, Herrn Tobias Beuchert und Herrn Dr. Simon Link und, bedanke ich mich für inspirierende Gespräche und wertvolle Hinweise. Ich widme diese Arbeit meinen Eltern als Dank für ihre jederzeitige und unbedingte Unterstützung. München, März 2010

Arne Friese

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Inhaltsübersicht Seite Geleitwort der Herausgeber ..........................................................

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Vorwort .........................................................................................

IX

Inhaltsverzeichnis ..........................................................................

XIII

1. Teil Einführung A. Fragestellung ................................................................................. B. Gang der Untersuchung ................................................................. C. Grundlegung ..................................................................................

1 4 5

2. Teil Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit A. Darstellung der Rechtsprechung ................................................... B. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen .................................

15 49

3. Teil Gemeinschaftsrechtlicher Rahmen der Rechtsformwahlfreiheit A. Binnenmarktziel als Auslegungsmaxime der Grundfreiheiten ..... B. Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten ..................................

53 74

4. Teil Begründung und Reichweite der Rechtsformwahlfreiheit A. B. C. D.

Grundlagen .................................................................................... Dogmatische Begründung der Rechtsformwahlfreiheit ................ Inhaltliche Reichweite der Rechtsformwahlfreiheit ...................... Zwischenergebnis ..........................................................................

141 158 186 194

XI

Inhaltsübersicht

5. Teil Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit A. B. C. D. E. F.

Verlustberücksichtigung ................................................................ Gewinnabgrenzung ........................................................................ Finanzierung .................................................................................. Veräußerungsgewinne ................................................................... Vermeidung von Doppelbesteuerung ............................................ Gewinnbesteuerung .......................................................................

197 221 248 270 279 292

6. Teil Zusammenfassung und Ausblick A. B. C. D. E. F.

Fragestellung ................................................................................. Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit .............. Gemeinschaftsrechtlicher Rahmen der Rechtsformwahlfreiheit ... Begründung und Reichweite der Rechtsformwahlfreiheit ............ Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit .................................. Ausblick .........................................................................................

313 313 313 315 316 318

7. Teil Literaturverzeichnis A. Aufsätze, Monographien und Kommentare .................................. 321 B. Entscheidungen des EuGH ............................................................ 346 C. Stellungnahmen der Generalanwälte ............................................. 350 Stichwortverzeichnis .............................................................................. 353

XII

Inhaltsverzeichnis Seite Geleitwort der Herausgeber .......................................................... Vorwort ......................................................................................... Inhaltsübersicht .............................................................................

V IX XI

1. Teil Einführung A. Fragestellung ................................................................................

1

B. Gang der Untersuchung ..............................................................

4

C. Grundlegung ................................................................................

5

I. Konzept der Niederlassung im EG-Vertrag .................................. 1. Begriff der Niederlassung in Art. 43 EG .................................. 2. Sachlicher Schutzbereich .......................................................... 3. Persönlicher Schutzbereich ....................................................... II. Grundzüge der Besteuerung von Betriebsstätten .......................... 1. Tatbestand ................................................................................. 2. Grundzüge der Besteuerung ...................................................... III. Grundzüge der Besteuerung von Tochtergesellschaften ............... 1. Tatbestand ................................................................................. 2. Grundzüge der Besteuerung ......................................................

5 6 7 7 8 8 10 11 11 12

2. Teil Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit A. Darstellung der Rechtsprechung ...............................................

15

I. „Avoir Fiscal“ ................................................................................ 1. Sachverhalt ................................................................................ 2. Stellungnahme des Generalanwalts .......................................... 3. Entscheidung des EuGH ........................................................... 4. Bewertung ................................................................................. II. „Commerzbank“ ............................................................................ 1. Sachverhalt ................................................................................ 2. Stellungnahme des Generalanwalts .......................................... 3. Entscheidung des EuGH ........................................................... 4. Bewertung .................................................................................

16 16 17 17 19 21 21 21 21 21 XIII

Inhaltsverzeichnis

III. „Royal Bank of Scotland“ ............................................................. 1. Sachverhalt ................................................................................ 2. Stellungnahme des Generalanwalts .......................................... 3. Entscheidung des EuGH ........................................................... 4. Bewertung ................................................................................. IV. „Compagnie de Saint-Gobain“ ...................................................... 1. Sachverhalt ................................................................................ 2. Stellungnahme des Generalanwalts .......................................... 3. Entscheidung des EuGH ........................................................... 4. Bewertung ................................................................................. V. „CLT-UFA“ ................................................................................... 1. Sachverhalt ................................................................................ 2. Stellungnahme des Generalanwalts .......................................... 3. Entscheidung des EuGH ........................................................... 4. Bewertung ................................................................................. VI. „Bosal“ .......................................................................................... 1. Sachverhalt ................................................................................ 2. Stellungnahme des Generalanwalts .......................................... 3. Entscheidung des EuGH ........................................................... 4. Bewertung ................................................................................. VII. „Marks & Spencer“ ....................................................................... 1. Sachverhalt ................................................................................ 2. Stellungnahme des Generalanwalts .......................................... 3. Entscheidung des EuGH ........................................................... 4. Bewertung ................................................................................. VIII. „Futura“ ......................................................................................... 1. Sachverhalt ................................................................................ 2. Stellungnahme des Generalanwalts .......................................... 3. Entscheidung des EuGH ........................................................... 4. Bewertung ................................................................................. IX. „Sevic“ ........................................................................................... 1. Sachverhalt ................................................................................ 2. Stellungnahme des Generalanwalts .......................................... 3. Entscheidung des EuGH ........................................................... 4. Bewertung ................................................................................. X. „Oy AA“ ........................................................................................ 1. Sachverhalt ................................................................................ 2. Stellungnahme der Generalanwältin ......................................... 3. Entscheidung des EuGH ........................................................... 4. Bewertung .................................................................................

XIV

22 22 22 22 23 23 23 26 27 27 30 30 31 33 34 35 35 35 36 36 37 38 38 39 40 40 40 41 41 42 42 42 43 43 43 43 44 44 44 45

Inhaltsverzeichnis

XI. „Columbus Container“ .................................................................. 1. Sachverhalt ................................................................................ 2. Stellungnahme des Generalanwalts .......................................... 3. Entscheidung des EuGH ........................................................... 4. Bewertung ................................................................................. XII. „KBC“ ........................................................................................... 1. Sachverhalt ................................................................................ 2. Entscheidung des EuGH ........................................................... 3. Bewertung .................................................................................

45 46 46 46 46 48 48 49 49

B. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen .............................

49

3. Teil Gemeinschaftsrechtlicher Rahmen der Rechtsformwahlfreiheit A. Binnenmarktziel als Auslegungsmaxime der Grundfreiheiten ...........................................................................

53

I. Vorgaben des EG-Vertrags für den Europäischen Binnenmarkt .. 1. Präambel und Grundsätze des EG-Vertrags ............................. 2. Entwicklung vom Gemeinsamen Markt zum Binnenmarkt ...... 3. Ausgestaltung des Binnenmarkts durch die Grundfreiheiten ... II. Marktprinzip im Europäischen Binnenmarkt ................................ 1. Historischer Ursprung des Marktprinzips ................................. 2. Wirtschaftstheoretische Grundlagen des Marktprinzips ........... 3. Bedeutung des Marktprinzips im Europäischen Binnenmarkt . III. Bedeutung der Grundfreiheiten im Europäischen Binnenmarkt ... 1. Wechselwirkung von Binnenmarktziel und Grundfreiheitsinterpretation ............................................................................. 2. Potenzielle Wirkebenen der Grundfreiheiten ............................ 3. Gedanke der Wahlfreiheit als potenzielle Wirkebene ..............

54 54 55 57 58 58 59 63 68

B. Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten ............................

74

I. Ausgangsfrage und Dogmatik der Grundfreiheiten ...................... 1. Ausgangsfrage ........................................................................... 2. Dogmatik der Grundfreiheiten .................................................. II. Rechtsprechung des EuGH außerhalb des Steuerrechts ................ 1. Entwicklung vom Gebot der Inländergleichbehandlung zum Verbot der Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts ..............................................................................

75 75 77 79

69 71 72

80 XV

Inhaltsverzeichnis

a) Entwicklung des Diskriminierungsverbots .......................... b) Entwicklung des Beschränkungsverbots .............................. c) Schlussfolgerungen .............................................................. 2. Abstrakte Bestimmung des Tatbestands von Diskriminierung und Beschränkung ..................................................................... 3. Entscheidungen des EuGH zu einem echten Beschränkungsverbot ......................................................................................... a) Beeinträchtigungen grenzüberschreitender Wirtschaftsvorgänge durch Doppelregulierungen .................................. b) Beeinträchtigungen grenzüberschreitender Wirtschaftsvorgänge durch neutrale Regelungen ................................... aa) Entscheidungen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit ............ bb) Entscheidungen zur Niederlassungsfreiheit ................... (1) „Klopp“ .................................................................... (2) „Kommission versus Niederlande“ ......................... (3) „Private Sicherheitsdienste“ .................................... cc) Entscheidungen zur Dienstleistungsfreiheit .................. (1) „Alpine Investments“ .............................................. (2) „Cipolla“ .................................................................. dd) Entscheidungen zur Kapitalverkehrsfreiheit ................. ee) Entscheidungen zur Warenverkehrsfreiheit ................... (1) „DocMorris“ ............................................................ (2) „Bake-Off“ ............................................................... c) Zusammenfassung der Rechtsprechung zu einem echten Beschränkungsverbot ........................................................... III. Rechtsprechung des EuGH im Steuerrecht ................................... 1. Grundfreiheiten und Steuerrecht ............................................... a) Vorgaben des EG-Vertrags .................................................. b) Bedeutung des Steuerrechts für den Binnenmarkt ............... c) Konflikt von nationaler Steuerautonomie und Geltungsanspruch der Grundfreiheiten ............................................... 2. Entwicklung vom Gebot der Inländergleichbehandlung zum Verbot der Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts .............................................................................. 3. Entscheidungen des EuGH zu einem echten Beschränkungsverbot ......................................................................................... a) „Absolute“ Hindernisse grenzüberschreitender Tätigkeit .... aa) „Futura“ ......................................................................... bb) „Sandoz“ ........................................................................ b) Vergleich zweier grenzüberschreitender Sachverhalte (sog. „relative“ Hindernisse) ................................................ aa) „Cadbury Schweppes“ ...................................................

XVI

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113 115 115 116 117 120 120

Inhaltsverzeichnis

bb) „Columbus Container“ ................................................... c) Schlussfolgerung .................................................................. IV. Dogmatische Begründung und Tatbestand eines echten Beschränkungsverbots ................................................................... 1. Einwände gegen ein echtes Beschränkungsverbot ................... 2. Gründe für ein echtes Beschränkungsverbot ............................ 3. Versuch einer Tatbestandsbestimmung .................................... a) Kriterien des Beschränkungstatbestands in der Literatur ..... b) Maßgeblichkeit eines weiten Marktzugangsbegriffs ........... c) Ausnahme von Disparitäten ................................................. d) Einschränkung des Beschränkungstatbestands durch Steuerautonomie der Mitgliedstaaten ................................... V. Zwischenfazit ................................................................................

122 124 124 126 127 130 130 132 135 136 139

4. Teil Begründung und Reichweite der Rechtsformwahlfreiheit A. Grundlagen .................................................................................. 141 I. Meinungsstand zum Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit im Europäischen Steuerrecht ......................................................... 1. Eingeschränktes Verständnis als Facette des Diskriminierungsverbots ........................................................... 2. Umfassender Grundsatz einer freien Wahl der Rechtsform ..... 3. Interpretation als „Grundsatz gesetzgeberischer Folgerichtigkeit“ ................................................................................. II. Bedeutung des Postulats der Rechtsformneutralität für die Untersuchung ................................................................................. 1. Begriff der Rechtsformneutralität ............................................. 2. Betriebswirtschaftliche Bedeutung der Rechtsformneutralität . 3. Finanzwissenschaftliche Bedeutung der Rechtsformneutralität ................................................................................... 4. Steuerrechtswissenschaftliche Bedeutung der Rechtsformneutralität ................................................................................... III. Zusammenfassung und Abgrenzung .............................................

141 141 144 146 147 148 150 155 156 158

B. Dogmatische Begründung der Rechtsformwahlfreiheit .......... 158 I. Mobilität und Organisation von Unternehmen als Gegenstand der Niederlassungsfreiheit ............................................................. 159

XVII

Inhaltsverzeichnis

1. Verständnis des Unternehmens als Ordnung unternehmerischer Entscheidungen ............................................................. 2. Parameter von Mobilität und Organisation ............................... 3. Gesamtbetrachtung des Niederlassungsvorgangs ..................... II. Konzept der Wahlfreiheit im Binnenmarkt ................................... 1. Grundfreiheiten als Ausschnitte einer Europäischen Wirtschaftsfreiheit ..................................................................... 2. Konzept der Wahlfreiheit in der Rechtsprechung des EuGH ... a) Freie Wahl der Grundfreiheit ............................................... b) Freie Wahl des Tatbestands der Primärniederlassung ......... c) Freie Wahl zwischen Primär- und Sekundärniederlassung .. d) Freie Wahl von Zahl und Ort der Sekundärniederlassungen .................................................................... e) Freie Wahl des Tatbestands der Sekundärniederlassung ..... 3. Freie Wahl der Rechtsform der Sekundärniederlassung als Konsequenz eines umfassenden Konzepts der Wahlfreiheit in der Rechtsprechung des EuGH ................................ III. Bedeutung der Rechtsformwahl für den Marktzugang ................. 1. Zivilrechtliche und organisationsrechtliche Unterschiede zwischen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ................ 2. Abgrenzung zu steuerrechtlichen Konsequenzen der Rechtsformwahl ........................................................................ 3. Ergebnis: Gebot einer freien Wahl der Rechtsform ..................

159 161 163 168 168 170 170 171 172 173 174

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C. Inhaltliche Reichweite der Rechtsformwahlfreiheit ................ 186 I. Abstrakte Begrenzung der Rechtsformwahlfreiheit ...................... 1. Zulässigkeit der sachlichen Anknüpfung an zivilrechtliche Unterschiede .............................................................................. 2. Zulässigkeit von beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht .............................................................................. 3. Abgrenzung von Beschränkungs- und Rechtfertigungsebene .. II. Konkrete Einschränkungen der Rechtsformwahlfreiheit .............. 1. Keine Beschränkung auf Körperschaften als Niederlassungssubjekt ....................................................................................... 2. Keine Beschränkung auf Zuzugsfälle ....................................... 3. Keine Beschränkung auf „einseitige Schutzwirkung“ ..............

186 186 187 189 190 190 191 192

D. Zwischenergebnis ........................................................................ 194

XVIII

Inhaltsverzeichnis

5. Teil Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit A. Verlustberücksichtigung ............................................................. 197 I. Verlustberücksichtigung bei Tochtergesellschaften ...................... 1. Grundsatz: Trennungsprinzip .................................................... 2. Verlustberücksichtigung nach nationalem Recht ...................... 3. Vorgaben des Europarechts für die grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung ........................................................... a) Wegzugsfall .......................................................................... b) Zuzugsfall ............................................................................. c) Zwischenergebnis ................................................................. II. Verlustberücksichtigung bei Betriebsstätten ................................. 1. Grundsatz: Transparenzprinzip ................................................. 2. Verlustberücksichtigung nach nationalem Recht ...................... 3. Anforderungen des Europarechts an die grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung ........................................................... a) Wegzugsfall .......................................................................... b) Zuzugsfall ............................................................................. c) Zwischenergebnis ................................................................. III. Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit auf die Verlustberücksichtigung ........................................................................... 1. Meinungsstand .......................................................................... 2. Stellungnahme ...........................................................................

198 199 199 201 201 203 203 204 204 205 206 207 211 214 214 215 217

B. Gewinnabgrenzung ..................................................................... 221 I. Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten ......................................... 1. Rechtsgrundlagen der internationalen Betriebsstättengewinnabgrenzung .................................................................... 2. Grundmodelle der Betriebsstättengewinnabgrenzung .............. 3. Selbstständigkeitsfiktion nach dem „Separate-entity“-Ansatz . a) Darstellung des „Separate-entity“-Ansatzes ........................ b) Reichweite des „Separate-entity“-Ansatzes – Abgrenzung zur Gewinnermittlung .......................................................... c) „Separate-entity“-Ansatz und Europarecht .......................... II. Gewinnabgrenzung bei Tochtergesellschaften .............................. III. Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit auf die Gewinnabgrenzung .................................................................................... 1. Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der Gewinnabgrenzung dem Grunde nach ..............................................................................

223 224 225 227 227 230 233 234 236

237 XIX

Inhaltsverzeichnis

a) Gewinnabgrenzung als Ausdruck der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten ...... b) Bedeutung vertraglicher Verhältnisse für die Gewinnabgrenzung ........................................................................... c) Wirtschaftliche Vergleichbarkeit der Niederlassungsformen für Zwecke der Gewinnabgrenzung ........................ 2. Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der Gewinnabgrenzung der Höhe nach ... a) Zuordnung von Aufwendungen ........................................... b) Zuordnung von Risiken ........................................................ aa) Unmöglichkeit einer vertraglichen Risikoübernahme ... bb) Risikozuordnung und Äquivalenzprinzip ...................... 3. Zwischenergebnis ......................................................................

237 239 241 241 242 243 243 245 248

C. Finanzierung ................................................................................ 248 I. Finanzierungsfreiheit bei Tochtergesellschaften ........................... 1. Grundsatz der Finanzierungsfreiheit ......................................... 2. Einschränkungen der Finanzierungsfreiheit ............................. II. Finanzierungsfreiheit bei Betriebsstätten ...................................... 1. Grundsatz der Finanzierungsfreiheit ......................................... 2. Einschränkungen der Finanzierungsfreiheit ............................. III. Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit auf die Finanzierungsfreiheit ..................................................................... 1. Möglichkeit „interner Fremdfinanzierung“ .............................. 2. Anwendung von Gesellschafterfremdfinanzierungsregeln auf Betriebsstätten ..................................................................... 3. Einschränkungen der Finanzierungsfreiheit ............................. 4. Zwischenergebnis ...................................................................... IV. Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit auf den Abzug von Finanzierungsaufwand ............................................................ 1. Grundsätze des Abzugs von Finanzierungsaufwand nach „Bosal“ ...................................................................................... 2. Vereinbarkeit der „Bosal“-Grundsätze mit der Rechtsformwahlfreiheit ............................................................................... 3. Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke des Abzugs des Finanzierungsaufwands . a) Rechtfertigung der Ungleichbehandlung zum Inlandssachverhalt ............................................................................ b) Zuordnung des Finanzierungsaufwands zum Quellenstaat bei Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ..................... c) Zwischenergebnis .................................................................

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249 249 250 252 252 253 254 254 256 257 258 258 259 261 263 264 266 270

Inhaltsverzeichnis

D. Veräußerungsgewinne ................................................................. 270 I. Veräußerungsgewinne bei Tochtergesellschaften ......................... 1. Ansässigkeitsstaat ..................................................................... 2. Quellenstaat ............................................................................... II. Veräußerungsgewinne bei Betriebsstätten .................................... 1. Ansässigkeitsstaat ..................................................................... 2. Quellenstaat ............................................................................... III. Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit auf die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen .......................................................... 1. Steuerbarkeit des Veräußerungsgewinns .................................. 2. Zeitpunkt der Gewinnrealisierung ............................................ 3. Zwischenstaatliche Zuweisung des Besteuerungsrechts ...........

271 271 271 272 272 273 273 274 276 277

E. Vermeidung von Doppelbesteuerung ........................................ 279 I. Strukturelle Vergleichbarkeit der Methoden zur Vermeidung der juristischen und wirtschaftlichen Doppelbesteuerung ............ 1. Vermeidung der Doppelbesteuerung von Betriebsstättengewinnen ................................................................................... 2. Vermeidung der Doppelbesteuerung von Gewinnen einer Tochtergesellschaft ................................................................... 3. Schlussfolgerung ....................................................................... II. Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit auf die Wahl der Methoden zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung .................. 1. Beschränkung durch „Switch-over“-Klauseln .......................... 2. Relative Beschränkung durch die Anrechnungsmethode ......... 3. Unzulässigkeit des „klassischen Systems“ und von „Shareholder-Relief-Systemen“ ................................................ 4. Zwischenergebnis ......................................................................

280 281 282 283 285 285 289 291 292

F. Gewinnbesteuerung ..................................................................... 292 I. Gewinnbesteuerung bei Betriebsstätten ........................................ 1. Ausländische Körperschaft als Niederlassungssubjekt ............. 2. Ausländisches Einzelunternehmen oder ausländische Personengesellschaft als Niederlassungssubjekt ....................... II. Gewinnbesteuerung bei Tochtergesellschaften ............................. 1. Ausländische Körperschaft als Niederlassungssubjekt ............. 2. Ausländisches Einzelunternehmen oder ausländische Personengesellschaft als Niederlassungssubjekt ....................... III. Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit auf die Gewinnbesteuerung ....................................................................................

293 293 293 294 294 294 295

XXI

Inhaltsverzeichnis

1. Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der Gewinnbesteuerung ........................... a) Europarechtliche Anforderungen durch die Entscheidung „CLT-UFA“ ......................................................................... b) Anwendung unterschiedlicher Steuerarten .......................... c) Anwendung unterschiedlicher Steuersätze und unterschiedlicher Formen des Besteuerungszugriffs .................... aa) Doppelter Besteuerungszugriff bei Tochtergesellschaften .......................................................................... (1) Klassisches System .................................................. (2) Freistellungssystem ................................................. (3) Anrechnungssystem ................................................. (4) Zwischenergebnis .................................................... bb) Begünstigung thesaurierter Gewinne ............................. cc) Berücksichtigung kommunaler Steuern ......................... 2. Zusammenhang mit den Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung durch den Ansässigkeitsstaat .................... a) Jurisdiktionsübergreifende Gesamtbetrachtung ................... b) Keine Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse .................... 3. Ergebnis ....................................................................................

297 298 299 300 301 302 304 306 307 307 308 309 310 310 311

6. Teil Zusammenfassung und Ausblick A. B. C. D. E. F.

Fragestellung ................................................................................. Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit .............. Gemeinschaftsrechtlicher Rahmen der Rechtsformwahlfreiheit ... Begründung und Reichweite der Rechtsformwahlfreiheit ............ Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit .................................. Ausblick .........................................................................................

313 313 313 315 316 318

7. Teil Literaturverzeichnis A. Aufsätze, Monographien und Kommentare .................................. 321 B. Entscheidungen des EuGH ............................................................ 346 C. Stellungnahmen der Generalanwälte ............................................. 350 Stichwortverzeichnis .............................................................................. 353

XXII

1. Teil Einführung A. Fragestellung In ständiger Rechtsprechung formuliert der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass die in Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG (früher Art. 52 Abs. 1 Satz 2 EGV1) geregelte Niederlassungsfreiheit den Wirtschaftsteilnehmern „die freie Wahl der für die Ausübung einer Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat geeigneten Rechtsform (…) ausdrücklich einräumt …“.2 Diese Formulierung des EuGH wirft die Frage auf, was unter der „freien“ Wahl der Rechtsform zu verstehen ist. Bedeutet „frei“, dass die Entscheidung zwischen den Rechtsformen nicht ohne Grund beeinflusst werden darf? Eine Konsequenz dieses Rechts auf freie Wahl der in Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG genannten Rechtsformen könnte dann sein, dass eine zwischen den Rechtsformen differenzierende Besteuerung grundsätzlich unzulässig wäre. Ob Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG ein solches Recht auf freie Wahl der Rechtsform enthält, ist Gegenstand dieser Arbeit. Zwei Grundthesen stehen sich dabei gegenüber: Nach der ersten These enthält die vom EuGH in Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG verankerte Rechtsformwahlfreiheit lediglich einen Sonderfall des Verbots der Diskriminierung nach der Ansässigkeit. Das Diskriminierungsverbot verlange, dass ein ausländischer Wirtschaftsteilnehmer mit Betriebsstätte im Inland mit dieser nicht schlechter behandelt wird als ein inländischer Wirtschaftsteilnehmer.3 Da auch Tochtergesellschaften ausländischer Wirtschafts________________________ 1 Im Folgenden wird zur besseren Verständlichkeit bei allen Entscheidungen des EuGH nur die aktuelle Fassung des EG-Vertrags zitiert, auch wenn die besprochene Entscheidung des EuGH sich auf die Fassung vor Umnummerierung durch den Amsterdamer Vertrag vom 2.10.1997 bezieht. 2 Siehe EuGH-Urteil vom 28.1.1986 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 285, Rn. 22; EuGH-Urteil vom 21.9.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999, I-6161, Rn. 42; EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-253/03 („CLTUFA“), EuGHE 2006, I-1831, Rn. 14. Vgl. nun allerdings die abweichende Äußerung in EuGH-Urteil vom 6.12.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451, Rn. 53; vgl. dazu ausführlich unter 2. Teil; A; XI. 3 Soweit im Folgenden von „inländischen“ oder „ausländischen“ Wirtschaftsteilnehmern gesprochen wird, bezieht sich dies nicht auf die Staatsangehörigkeit, sondern auf die Ansässigkeit des Unternehmens, die nach Art. 48 EG der Staatsangehörigkeit natürlicher Personen entspricht, vgl. zuletzt EuGH-Urteil vom 18.7.2007 – Rs. C-231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373, Rn. 29 f.

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Einführung

teilnehmer im Inland ansässig sind, schließe die Gruppe der inländischen Wirtschaftsteilnehmer stets Tochtergesellschaften ausländischer Wirtschaftsteilnehmer ein. Daher müsse die Betriebsstätte eines ausländischen Wirtschaftsteilnehmers grundsätzlich wie eine Tochtergesellschaft eines ausländischen Wirtschaftsteilnehmers behandelt werden, weil ansonsten eine Schlechterbehandlung des ausländischen gegenüber einem inländischen Wirtschaftsteilnehmer die Folge wäre. Es bestehe also ein Gleichlauf des Verbots der Diskriminierung nach der Ansässigkeit und des Verbots der Diskriminierung nach der Rechtsform. Von der Rechtsformwahlfreiheit seien also nur die Fälle erfasst, in denen die freie Wahl einer Betriebsstätte durch eine Schlechterstellung im Vergleich zur Tochtergesellschaft beschränkt wird, weil die Tochtergesellschaft ansässig ist und daher in den Genuss privilegierender Regelungen kommt, die eine Ansässigkeit voraussetzen. Die zweite These nimmt den EuGH beim Wort und folgert aus Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG ein eigenständiges Recht des Steuerpflichtigen, im grenzüberschreitenden Fall seine Entscheidung für die Rechtsform seiner Sekundärniederlassung allein nach außersteuerlichen Gründen treffen zu können. Eine Beeinflussung dieser Wahl durch eine unterschiedliche Besteuerung beider Rechtsformen sei grundsätzlich untersagt, daher müsse ein Konzern, also Mutter- und Tochtergesellschaft, im Grundsatz wie ein Einheitsunternehmen, also Stammhaus mit Betriebsstätte, behandelt werden.4 Grundlage dieser Vergleichsprüfung ist der Vergleich zweier grenzüberschreitender Sachverhalte: der grenzüberschreitenden Tätigkeit eines Einheitsunternehmens und eines Konzerns.5 Diese weitergehende der beiden Thesen beschränkt das Recht auf steuerliche Gleichbehandlung der beiden Formen von Sekundärniederlassungen also nicht auf eine Facette des Diskriminierungsverbots der Niederlassungsfreiheit, sondern geht von einem eigenständigen Recht auf steuerrechtliche Neutralität zwischen zwei grenzüberschreitenden Wirtschaftsvorgängen aus. Zur Veranschaulichung der Bedeutung der Fragestellung sollen einführend abstrakt die grundlegenden Unterschiede der Auswirkungen beider Kernthesen anhand der drei wesentlichen Fallkonstellationen verdeutlicht werden, in denen sie zu unterschiedlichen Ergebnissen führen: ________________________

4 Soweit im Folgenden von der Besteuerung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften gesprochen wird, ist damit stets die Besteuerung von Einheitsunternehmen und Konzernen gemeint. 5 Da es sich um den Vergleich zweier grenzüberschreitender Sachverhalte handelt, kann man von „horizontaler Diskriminierung“ in Abgrenzung zur „vertikalen Diskriminierung“ beim Vergleich von grenzüberschreitendem und inländischem Sachverhalt sprechen, vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 832.

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Fragestellung

Die Begrenzung der Rechtsformwahlfreiheit auf einen Sonderfall des Verbots der Diskriminierung nach der Ansässigkeit führt zum Ersten dazu, dass der Grundsatz nur in Zuzugsfällen relevant ist, da nur in diesen Fällen die Schlechterstellung einer Betriebsstätte gegenüber einer Tochtergesellschaft zugleich eine Schlechterstellung eines ausländischen gegenüber einem inländischen Wirtschaftsteilnehmer bedeutet. Die Annahme eines eigenständigen Grundsatzes der Rechtsformwahlfreiheit führt grundsätzlich dagegen auch zu einer Anwendbarkeit in Wegzugsfällen, da die Diskriminierung eines ausländischen Wirtschaftsteilnehmers gerade nicht konstitutiv ist. Die Begrenzung der Rechtsformwahlfreiheit auf einen Sonderfall des Verbots der Diskriminierung nach der Ansässigkeit führt zum Zweiten dazu, dass der Grundsatz in Zuzugsfällen nur zugunsten eines Wirtschaftsteilnehmers mit Betriebsstätte herangezogen werden kann, da nur in diesen Fällen zugleich eine Schlechterstellung eines ausländischen Wirtschaftsteilnehmers vorliegt. Die Annahme eines eigenständigen Grundsatzes der Rechtsformwahlfreiheit führt grundsätzlich dagegen in Zuzugs- wie in Wegzugsfällen dazu, dass die Wirtschaftsteilnehmer sich auf die jeweils vorteilhaftere Regelung berufen können, also insbesondere auch Benachteiligungen von Tochtergesellschaften gegenüber Betriebsstätten erfasst sind. Die Begrenzung der Rechtsformwahlfreiheit auf einen Sonderfall des Verbots der Diskriminierung nach der Ansässigkeit führt zum Dritten dazu, dass der Grundsatz in Zuzugsfällen nur insoweit zur Anwendung kommen kann als streitentscheidend eine Regelung ist, die zu einer Besserstellung der Tochtergesellschaft gegenüber der Betriebsstätte führt, weil die Tochtergesellschaft eine inländische Gesellschaft ist. Die Annahme eines eigenständigen Grundsatzes der Rechtsformwahlfreiheit führt grundsätzlich dagegen auch dazu, dass Schlechterstellungen einer Investition mittels Betriebsstätte gegenüber einer Investition mittels Tochtergesellschaft erfasst sind, die ihre Ursache in einer Regelungen haben, die die ausländische Muttergesellschaft und nicht die inländische Tochtergesellschaft betrifft.6 In diesen Fällen kann der grenzüberschreitende Vorgang einer Niederlassung in Form einer Tochtergesellschaft insgesamt besser (aber auch schlechter) behandelt werden als der vergleichbare Vorgang einer Niederlassung in Form einer Betriebsstätte, ohne dass dafür die Inlandsansässigkeit der Tochtergesellschaft maßgeblich ist, sodass das Verbot der Diskriminierung nach der Ansässigkeit diese Konstellation nicht erfasst.

________________________ 6 Vgl. zu dieser Konstellation insbesondere die Besprechung des EuGH-Urteil vom 21.9.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999, I-6161 im 2. Teil; A; IV.

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Einführung

Das Stichwort der Rechtsformwahlfreiheit wird seit vielen Jahren nicht nur in der Rechtsprechung des EuGH7, sondern auch in der Literatur aufgegriffen.8 Es finden sich aber nur vereinzelte Ansätze, die Rechtsformwahlfreiheit in die dogmatischen Grundlagen der Grundfreiheiten einzuordnen, um so Fundament und Reichweite des Grundsatzes der Rechtsformwahlfreiheit zu bestimmen.9 Einige warnen vor den gravierenden Auswirkungen, die ein eigenständiger Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit für die nationalen Steuersysteme haben könnte.10 Die vorliegende Arbeit versucht, diese Lücke zu schließen und sowohl die dogmatische Grundlage und Reichweite der Rechtsformwahlfreiheit als auch die wichtigsten Konsequenzen für das Internationale Steuerrecht herauszuarbeiten.

B. Gang der Untersuchung Aus der so formulierten Fragestellung nach Grundlage und Reichweite der Rechtsformwahlfreiheit sowie den Konsequenzen für die praktische Besteuerung folgt der Gang der Untersuchung: Da Ausgangspunkt der Diskussion um die Rechtsformwahlfreiheit die Rechtsprechung des EuGH ist, wird diese zunächst einer ausführlichen Analyse unterzogen, soweit die Entscheidungen oder die Stellungnahmen der Generalanwälte auf den Grundsatz einer Rechtsformwahlfreiheit Bezug nehmen.11 Aus der Analyse der Rechtsprechung ergeben sich Fragestellungen nach dem dogmatischen Fundament der Rechtsformwahlfreiheit in den Grundfreiheiten. Daher wird im Anschluss der gemeinschaftsrechtliche Rahmen der Rechtsformwahlfreiheit betrachtet. Ausgehend von einer Erläuterung des Binnenmarktziels als Auslegungsmaxime der Grundfreiheiten wird der Gewährleistungsgehalt der Grundfrei________________________ 7 Siehe ausführlich 2. Teil. 8 Siehe ausführlich 4. Teil; A; I. 9 Siehe insbesondere Schön, Freie Wahl zwischen Zweigniederlassung und Tochtergesellschaft – ein Grundsatz des Europäischen Unternehmensrechts, EWS 2000, S. 281 ff.; Schön, The Free Choice between the Right to Establish a Branch and to Set-up a Subsiduary – a Principle of European Business Law, EBOR 2001, S. 339 ff.; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002; Terra/ Wattel, European Tax Law, 2005, S. 145 ff. 10 Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 831 (Fn. 39) mit dem Hinweis, dass sich ein „echter“ Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit nicht nur an den Zuzugsstaat, sondern auch an den Ansässigkeitsstaat von Muttergesellschaft/Stammhaus richten könnte, was seiner Auffassung nach u. a. für die Verlustberücksichtigung gravierende Folgen haben könnte. Siehe auch Schnitger, Anmerkung zu den Schlussanträgen des Generalanwalts Léger v. 14.4.2005, C-253/03 (CLTUFA SA/Finanzamt Köln-West), IStR 2005, S. 379 ff., 389; vgl zu den Konsequenzen der Rechtsformwahlfreiheit auf das Internationale Steuerrecht ausführlich im 5. Teil. 11 Vgl. 2. Teil.

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Grundlegung

heiten ermittelt.12 Auf dem herausgearbeiteten Verständnis der Grundfreiheiten aufbauend wird die Rechtsformwahlfreiheit anschließend im Beschränkungsverbot der Niederlassungsfreiheit verankert.13 Ausgangspunkt ist dabei eine Zusammenfassung des Meinungsstands zur Rechtsformwahlfreiheit.14 Im Anschluss werden die Erkenntnisse zum Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten zum Maßstab einer steuerrechtlichen Ungleichbehandlung von Betriebsstätte und Tochtergesellschaft gemacht15, um so die Reichweite des Grundsatzes zu bestimmen.16 Darauf aufbauend werden die Konsequenzen der Rechtsformwahlfreiheit für das Internationale Steuerrecht näher in den Blick genommen, indem anhand ausgewählter Fragestellungen die Besteuerung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften unter Berücksichtigung der Rechtsformwahlfreiheit dargestellt wird.17 Es wird dargelegt, inwieweit der Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit zu einer gegenüber der aktuellen Rechtslage veränderten Besteuerung zwingt, aber auch, wo die zivilrechtlichen Unterschiede beider Niederlassungsformen eine Differenzierung erlauben.

C. Grundlegung Um die Fragestellung nach einer aus der Niederlassungsfreiheit folgenden freien Wahl zwischen Betriebsstätte und Tochtergesellschaft zu verstehen, bedarf es einleitend einer kurzen Einführung in das Konzept der Niederlassung im EG-Vertrag und zu den Grundzügen der Besteuerung beider Rechtsformen.

I. Konzept der Niederlassung im EG-Vertrag Die Niederlassungsfreiheit schützt gemäß Art. 43 Abs. 2 EG die Aufnahme und Ausübung selbstständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen. Die Niederlassung von Wirtschaftsteilnehmern im Markt eines anderen Mitgliedstaates ist ein Ausschnitt aus der Menge an grenzüberschreitenden Wirtschaftstätigkeiten im Europäischen Binnenmarkt, welche durch die Grundfreiheiten des EG-Vertrags geschützt sind.18 ________________________ 12 13 14 15 16 17 18

Vgl. 3. Teil. Vgl. 4. Teil. Vgl. 4. Teil; A; I. Vgl. 4. Teil; B. Vgl. 4. Teil; C. Vgl. 5. Teil. Art. 28 ff. EG (Warenverkehrsfreiheit); Art. 39 ff. (Arbeitnehmerfreizügigkeit); Art. 43 ff. (Niederlassungsfreiheit); Art. 49 ff. (Dienstleistungsfreiheit); Art. 56 ff. (Kapitalverkehrsfreiheit).

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Einführung

Nach Art. 43 Abs. 1 EG sind Beschränkungen der freien Niederlassung verboten. Durch dieses Verbot ist nach Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG auch die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften geschützt.19 1. Begriff der Niederlassung in Art. 43 EG Betriebsstätten und Tochtergesellschaften sind Formen einer zweiten Niederlassung eines Wirtschaftsteilnehmers, der bereits über eine Hauptniederlassung verfügt. Ausgangspunkt der Bestimmung des Tatbestands dieser beiden Niederlassungsformen ist daher eine Definition des Begriffs der Niederlassung selbst. Der EG-Vertrag definiert den Tatbestand der Niederlassung nicht. Nach Auffassung des EuGH ist die Niederlassung „eine feste Einrichtung, die bei Eingliederung in die nationale Volkswirtschaft der tatsächlichen Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit zu dienen bestimmt ist.“20 Der EG-Vertrag bezweckt also mit dem Schutz der Niederlassungsfreiheit die Integration in eine nationale Volkswirtschaft.21 Der selbstständig tätige Wirtschaftsteilnehmer soll die Möglichkeit erhalten, seine Tätigkeit über die Grenze in einen anderen Mitgliedstaat zu erstrecken und dabei in stabiler und kontinuierlicher Weise am dortigen Wirtschaftsleben teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen.22 ________________________ 19 Der zivilrechtliche Begriff der Zweigniederlassung in Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG entspricht dem steuerrechtlichen Begriff der Betriebsstätte, vgl. Generalanwalt Léger, Philippe, Schlussantrag vom 14.04.2005 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831, Rn. 1. 20 Siehe EuGH-Urteil vom 25.7.1991 – Rs. C-221/89 („Factortame“), EuGHE 1991, I-3905, Rn. 20; EuGH-Urteil vom 30.11.1995 – Rs. C-55/94 („Gebhard“), EuGHE 1995, I-4165, Rn. 25; Roth, Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit (Abschnitt E), in: Dauses (Hrsg), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: März 2006, S. 1 ff., 13 (Rn. 34 ff.); Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Stand: 2005, Vor Art. 39–55 EGV, Rn. 13. 21 Siehe zuletzt zu dieser Formulierung Generalanwalt Léger, Schlussantrag vom 2. Mai 2006 – Rs. C-196/04 („Cadbury Schweppes“), EuGHE 2006, I-7995, Rn. 42; Generalanwalt Léger, Schlussantrag vom 20.1.1995 – Rs. C-55/94 („Gebhard“), EuGHE 1995, I-4168, Rn. 19; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union – Bd. I, Stand: Dezember 2005, Art. 43 EG, Rn. 13; vgl. zum Konzept der Europäischen Integration ausführlich im 3. Teil; A; II und Molle, The Economics of European Integration: theory, practice, policy, 2001, S. 4. 22 EuGH-Urteil vom 30.11.1995 – Rs. C-55/94 („Gebhard“), EuGHE 1995, I-4165, Rn. 25; vgl. zur Bedeutung der Niederlassungsfreiheit für die Verwirklichung des Binnenmarkts auch die Stellungnahme Generalanwalt Léger, Philippe, Schlussantrag vom 14.04.2005 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831, Rn. 42; Schön, Die Niederlassungsfreiheit von Kapitalgesellschaften im System der Grundfreiheiten,

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Grundlegung

2. Sachlicher Schutzbereich Die Begründung oder Verlagerung des Schwerpunkts der wirtschaftlichen Aktivität durch Gründung, Übernahme oder Standortverlagerung eines Unternehmens ist Gegenstand der primären Niederlassungsfreiheit.23 Bei teilweiser Verlegung der festen und dauerhaften Präsenz durch Gründung, Übernahme oder Verlagerung einer selbstständigen oder unselbstständigen Sekundärniederlassung ist die sekundäre Niederlassungsfreiheit betroffen.24 Die Gründung einer Sekundärniederlassung setzt begrifflich voraus, dass eine unternehmerische Entscheidung des Niederlassungsberechtigten, also nach Art. 43 Abs. 1 EG einer natürlichen Person oder nach Art. 48 EG einer Gesellschaft zur Gründung einer weiteren Niederlassung führt. Geschützt von der Niederlassungsfreiheit ist also der grenzüberschreitende Vorgang der Niederlassung als Ausfluss der unternehmerischen Entscheidung des Wirtschaftsteilnehmers, nicht die Person. Dieser Vorgang hat zwei Seiten, das Niederlassungssubjekt und das Niederlassungsobjekt. Die Sekundärniederlassung kann als „Objekt“ und der sich niederlassende Wirtschaftsteilnehmer als „Subjekt“ der Niederlassungsfreiheit betrachtet werden.25 3. Persönlicher Schutzbereich Aus der Zielrichtung der Niederlassungsfreiheit, die grenzüberschreitende Integration in einen anderen Teil des Binnenmarkts durch eine dauerhafte Präsenz zu ermöglichen, folgt, dass in persönlicher Hinsicht die Zugehörigkeit zum Binnenmarkt vorausgesetzt wird. Bei natürlichen Personen ist die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaates ausreichend. Bei Gesellschaften als Wirtschaftsteilnehmern wird nach Artikel 48 EG die Zugehörigkeit zum einen an der Gründung nach den Regeln eines Mitgliedstaates und zum anderen am Satzungssitz, Ort der Hauptverwaltung oder Ort der Hauptniederlassung festgemacht.26 ________________________

23 24

25

26

in: Schneider/Hommelhoff/Schmidt/Timm/Grunewald/Drygala (Hrsg), Festschrift für Marcus Lutter 2000, S. 685 ff.; Roth, Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit (Abschnitt E), in: Dauses (Hrsg), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: März 2006, S. 1 ff. Kingreen, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, 2007, Art. 28–30 EG, Rn. 18. Vgl. dazu Schön, Die Niederlassungsfreiheit von Kapitalgesellschaften im System der Grundfreiheiten, in: Schneider/Hommelhoff/Schmidt/Timm/Grunewald/Drygala (Hrsg), Festschrift für Marcus Lutter 2000, S. 685 ff., 686. Zu dieser Formulierung siehe Schön, Freie Wahl zwischen Zweigniederlassung und Tochtergesellschaft – ein Grundsatz des Europäischen Unternehmensrechts, EWS 2000, S. 281 ff., 284. EuGH-Urteil vom 18.7.2007 – Rs. C-231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373, Rn. 29 f.

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Einführung

Soweit es um die Gründung einer Gesellschaft selbst geht, kann diese naturgemäß nicht selbst grundfreiheitsberechtigt sein. Niederlassungssubjekt sind daher die Gründer, also die Gesellschafter der Gesellschaft.27

II. Grundzüge der Besteuerung von Betriebsstätten Die Besteuerung von Betriebsstätten gehört zu den meist diskutierten Themen im Internationalen Steuerrecht und wird hier nur soweit dargestellt, wie dies für die Fragestellung erforderlich ist.28 Der Tatbestand der Betriebsstätte ist insbesondere im grenzüberschreitenden Kontext relevant, weil er Grundlage der Besteuerung ausländischer Wirtschaftsteilnehmer ist. 1. Tatbestand Der Begriff der Betriebsstätte wird im nationalen Recht29, im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen30 und im Europarecht jeweils eigenständig definiert. Maßgeblich für die vorliegende Untersuchung ist der europarechtliche Begriff der Betriebsstätte.31 Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG benutzt den zivilrechtlichen Begriff der Zweigniederlassung, der dem steuerrechtlichen Begriff der Betriebsstätte entspricht.32 Definiert wird der Begriff im EG-Vertrag

________________________ 27 Vgl. dazu ausführlich Schön, Niederlassungsfreiheit als Gründungsfreiheit, in: Hommelhoff/Rawert/Schmidt (Hrsg), Festschrift für Hans-Joachim Priester zum 70. Geburtstag, 2007, S. 737 ff. 28 Vgl. ausführlich und aktuell zur Besteuerung von Betriebsstätten Wassermeyer/ Andresen/Ditz, Betriebsstätten Handbuch, 2006. 29 Siehe § 12 AO sowie BMF-Schreiben vom 24.12.1999, IV B 4 – S 1300 – 111/99; BStBl. I 1999, 1076; vgl. dazu Birk, in: Hübschmann/Söhn (Hrsg.), AO/FGO, 2003, § 12 AO, Rn. 4 ff.; 8 ff.; Kruse, in: Tipke/Kruse (Hrsg.), AO/FGO, 2002, § 12 AO, Rn. 1 ff.; Dehnen/Bacht, Recent Problems of Definition and Taxation of German Permanent Establishments, IBFD Bulletin 2005, S. 445 ff. 30 Siehe Art. 5 OECD-Musterabkommen sowie Görl, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), DBA Kommentar, 2003, Art. 5 OECD-Musterabkommen, Rn. 1 ff. 31 Vgl. dazu Schönfeld, Betriebsstättenbesteuerung und Gemeinschaftsrecht, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz (Hrsg), Betriebsstättengewinnermittlung, 2006, S. 577 ff., 1 ff.; Thömmes, Konzernfinanzierung und Europäisches Recht – Zugleich eine Besprechung der Schlussanträge von Generalanwalt Alber im Verfahren C-168/01 (Bosal Holding B. V.) und von Generalanwalt Mischo im Verfahren C-324/00 (LankhorstHohorst GmbH), DB 2002, S. 2397 ff., 13 ff.; Bendlinger, Änderung der MutterTochter-Richtlinie der EU, SWI 2004, S. 277 ff., 280 ff. 32 Generalanwalt Léger, Schlussantrag vom 14.04.2005 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), IStR 2005, 379, Rn. 1.

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Grundlegung

trag aber nicht.33 Eine Legaldefinition der Betriebsstätte findet sich in Art. 2 Abs. 2 der Mutter-Tochter-Richtlinie.34 Danach handelt es sich bei der Betriebsstätte um „eine feste Geschäftseinrichtung in einem Mitgliedstaat, durch die die Tätigkeit eines Gesellschafters in einem anderen Staat ganz oder teilweise ausgeübt wird …“. Diese Definition enthält die wesentlichen Kernelemente der innerstaatlichen Norm des § 12 Abs. 1 Satz 1 AO und des Betriebsstättentatbestands des Art. 5 OECD-Musterabkommen: Es geht um eine unselbstständige, dauerhafte Präsenz eines ausländischen Wirtschaftsteilnehmers.35 Der EuGH definiert den Begriff der Betriebsstätte im Sinne von Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG als „tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat auf unbestimmte Zeit“.36 Zweck des Betriebsstättenbegriffs ist es, die Besteuerungsmöglichkeit des Quellenstaates, also des Staates, in dem die Betriebsstätte Quelle des unternehmerischen Erfolgs ist, von einer bestimmten Intensität der geschäftlichen Beziehung eines Unternehmens zum jeweiligen Territorium abhängig zu machen.37 Gemeinsam ist allen Definitionen daher, dass die Geschäftstätigkeit über eine feste Geschäftseinrichtung erfolgt.38 Diese permanente Ver________________________

33 Vgl. dazu Kristen, Equal treatment of permanent establishments and subsidiaries?, in: Aigner/Züger (Hrsg), Permanent Establishment in International Tax Law, 2003, S. 323 ff.; Zanotti, Taxation of Inter-Company Dividends in the Presence of a PE: The Impact of the EC Fundamental Freedoms (Part One), European Taxation 2004, S. 493 ff. 34 Richtlinie vom 23.7.1990 über das gemeinsame Steuersystem von Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, 90/435/EWG, Abl. L 225 vom 20.8. 1990, S. 6 („Mutter-Tochter-Richtlinie“). 35 Diese Definition gilt nur für Zwecke der direkten Besteuerung. Im Recht der Umsatzsteuer gelten andere Maßstäbe, vgl. Zanotti, Taxation of Inter-Company Dividends in the Presence of a PE: The Impact of the EC Fundamental Freedoms (Part One), European Taxation 2004, S. 493 ff., 495. 36 EuGH-Urteil vom 25.7.1991 – Rs. C-221/89 („Factortame“), EuGHE 1991, I-3905, Rn. 20. 37 Vgl. Bendlinger, Paradigmenwechsel bei der Auslegung des Betriebsstättenbegriffs im DBA-Recht durch die OECD, SWI 2006, S. 358 ff.; vgl. z. B. zur Montagebetriebsstätte BFH-Urteil vom 21.4.1999, I R 99/97, BStBl. II 1999, 694 ff.; im nationalen Kontext ist die Betriebsstätte für die Zerlegung des Unternehmensgewinns zum Zwecke der Gewerbesteueraufteilung unter den Gemeinden erforderlich, vgl. § 2 Abs. 1 i. V. m. § 1 GewStG. 38 Siehe Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, S. 26 ff., insbesondere auch zu der umstrittenen Frage, ob eine Geschäftseinrichtung den Einsatz von Personal erfordert oder auch eine „Pipeline“ (vgl. BFH-Urteil vom 30.10.1996, II R 12/92, BStBl. II 1997, 12 ff.) oder ein „Server“ (OECD-Musterkommentar zu Art. 5; Rn. 42.6) eine Betriebsstätte darstellen können. Vgl. auch die „BetriebsstättenVerwaltungsgrundsätze“, BMF-Schreiben vom 24.12.1999; IV B 4 – S 1300 – 111/99; BStBl. I 1999, 1076, Rn. 4.8.

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Einführung

bindung zum Markt ist die Rechtfertigung, einem Hoheitsträger ein Besteuerungsrecht über die durch die Betriebsstätte erzielten Gewinne zuzubilligen. Neben der stabilen Präsenz ist zweiter wesentlicher Aspekt der Betriebsstätten die rechtliche Unselbstständigkeit im Verhältnis zum Stammhaus. Wirtschaftlich kann der Betriebsstätte weitreichende Entscheidungsfreiheit eingeräumt werden; sie ist aber selbst weder Rechts- noch Steuersubjekt.39 Einen Sonderfall einer Betriebsstätte bilden Beteiligungen an Tochterpersonengesellschaften: Für sie gilt das Betriebsstättenprinzip, d. h. sie werden als Betriebsstätten behandelt.40 Zwar begründet die Beteiligung an einer Personengesellschaft als solche noch keine Betriebsstätte, doch tatbestandlich sind bei einer transparenten Personengesellschaft in der Regel die Voraussetzungen einer Betriebsstätte erfüllt.41 2. Grundzüge der Besteuerung Ein ausländisches Unternehmen ist mit den einer Betriebsstätte zuzurechnenden Einkünften beschränkt steuerpflichtig.42 Die Betriebsstättenbesteuerung folgt dem sog. Transparenzprinzip, d. h., der Erfolg wird unmittelbar dem Einheitsunternehmen zugerechnet. Die Betriebsstätte ist also selbst nicht Steuersubjekt, sondern allein das ausländische Unternehmen, ohne dass es eines formellen Gewinntransfers bedarf. Die daraus resultierende Doppelbesteuerung aus dem Zugriff des Ansässigkeitsstaats des Einheitsunternehmens auf das Welteinkommen und dem ________________________ 39 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 323; Scheffler, Besteuerung der grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit, 2002, S. 173 ff.; Marx/Dieu, Steuerliche Rahmenbedingungen der Internationalisierung, Steuer & Studium (Beilage 3) 2004, S. 1 ff., 13. 40 Scheffler, Besteuerung der grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit, 2002, S. 227. Auf Besonderheiten der Besteuerung von Beteiligungen an Personengesellschaften wird in der Arbeit nicht eingegangen; vgl. dazu Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 398 ff.; 515 ff. 41 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 405. Siehe detailliert Scheffler, Besteuerung der grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit, 2002, S. 224 ff.; Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 2005, S. 64; Kußmaul, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 2006, S. 683. Einige Länder folgen bei Personengesellschaften dem Trennungsprinzip, andere haben Optionsmodelle, wonach die Gesellschafter zwischen transparenter Besteuerung und Trennungsprinzip wählen können. Eine Folge sind Qualifikationskonflikte, auf die im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen wird, vgl. dazu Piltz, Inlandsaktivitäten ausländischer Unternehmen (Abschnitt F), in: Mössner (Hrsg), Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 2005, S. 849 ff., 852 f. 42 Vgl. § 1 Abs. 4 EStG i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG und § 2 Abs. 1 KStG i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG.

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Grundlegung

Zugriff des Betriebsstättenstaates auf die Quelleneinkünfte nennt man juristische Doppelbesteuerung. Unter dieser versteht man den Zugriff durch zwei Staaten auf dasselbe Einkommen bei demselben Steuerpflichtigen im gleichen Besteuerungszeitraum mit einer gleichartigen Steuer.43 Diese juristische Doppelbesteuerung kann unilateral, d. h. durch einen der beteiligten Staaten allein, oder im Wege von Doppelbesteuerungsabkommen beseitigt werden.44 Dies geschieht im Grundsatz durch Anrechnung der Quellensteuer oder durch Freistellung der Einkünfte der Betriebsstätte.45

III. Grundzüge der Besteuerung von Tochtergesellschaften 1. Tatbestand Wesentliches Abgrenzungskriterium der Tochtergesellschaft im Vergleich zur Betriebsstätte ist die rechtliche Selbstständigkeit im Verhältnis zur Muttergesellschaft: Zivil- und steuerrechtlich ist zwischen beiden Gesellschaften zu unterscheiden (Trennungsprinzip).46 Maßgebliches Kriterium für die Qualifikation als Tochtergesellschaft ist der Einfluss, den der Anteilseigner auf die Tätigkeit der Gesellschaft haben muss, damit steuerrechtlich eine Behandlung als Konzern, also als Mutterund Tochtergesellschaft, erfolgt. Es gibt keine primärrechtliche Definition der Begriffe von Mutter- und Tochtergesellschaft. Art. 3 Abs. 1 a) und b) der Mutter-Tochter-Richtlinie47 definiert als Mutter-Tochter-Verhältnis eine Beteiligung von 15 %.48 Nach Auffassung des EuGH liegt eine Tochtergesellschaft im Sinne von Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG bei einer Beteiligung vor, die dem Steuerpflichtigen ermöglicht, einen „sicheren Einfluss“ auf die

________________________ 43 Scheffler, Besteuerung der grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit, 2002, S. 9. 44 Vgl. für das deutsche Steuerrecht § 26 Abs. 1 und 6 KStG in Verbindung mit § 34c EStG; für die Vermeidung der juristischen Doppelbesteuerung durch Doppelbesteuerungsabkommen vgl. Art. 23A und Art. 23B OECD-Musterabkommen. 45 Im Einzelnen zur Besteuerung der Betriebsstätte und insbesondere zu den Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im 5. Teil. 46 Scheffler, Besteuerung der grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit, 2002, S. 200; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 377 ff. 47 Richtlinie vom 23.7.1990 über das gemeinsame Steuersystem von Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, 90/435/EWG, Abl. L 225 vom 20.8.1990, S. 6 („Mutter-Tochter-Richtlinie“). 48 Zuvor galt eine Mindestbeteiligungsquote von 20 %. Ab 1.1.2009 verringert sich die Quote auf 10 %. Siehe ausführlich zur Frage des sachlichen Anwendungsbereichs der Niederlassungsfreiheit Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 205 ff.

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Einführung

Entscheidungen der Gesellschaft auszuüben und deren „Tätigkeiten zu bestimmen“.49 2. Grundzüge der Besteuerung Auch steuerrechtlich gilt das Trennungsprinzip: Mutter- und Tochtergesellschaft sind jeweils in ihrem Ansässigkeitsstaat unbeschränkt steuerpflichtig. Die Steuerpflicht trifft also im Unterschied zur Besteuerung des Einheitsunternehmens beim Konzernunternehmen zwei Gesellschaften: Der Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft besteuert bei dieser die von dieser erzielten Gewinne; der Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft besteuert bei dieser die von dieser vereinnahmten Dividendengewinne. Hinzu kann noch eine Quellensteuerpflicht der Muttergesellschaft auf die ausgeschütteten Gewinne im Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft kommen. Das Trennungsprinzip führt folglich dazu, dass die von einer Tochtergesellschaft erzielten Gewinne auf zwei Ebenen, bei der Tochtergesellschaft und der Muttergesellschaft, besteuert werden. Diese doppelte Belastung des ökonomisch gleichen Gewinns bei zwei Steuersubjekten nennt man wirtschaftliche Doppelbesteuerung oder Doppelbelastung.50 Eine Doppelbesteuerung der Muttergesellschaft durch den Quellen- und Ansässigkeitsstaat hätte zudem eine juristische Doppelbesteuerung zur Folge. In der Praxis wird die Quellensteuer bei Dividenden, die von einer Kapitalgesellschaft an eine andere Kapitalgesellschaft ausgeschüttet werden, entweder durch Doppelbesteuerungsabkommen (vgl. Art. 10 OECD-Musterabkommen) auf 5 % bzw. 15 %

________________________ 49 Siehe aktuell den EuGH-Beschluss vom 10.5.2007, Rs. C-492/04 („Lasertec“), IStR 2007, 439, Rn. 19 ff.; EuGH-Urteil vom 12.9.2006 – Rs. C-196/04 („Cadbury Schweppes“), EuGHE 2006, I-7995, Rn. 31 ff.; EuGH-Urteil vom 13.3.2007 – Rs. C-524/04 („Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation“), EuGHE 2007, I-2107, Rn. 26 ff.; Generalanwalt Mengozzi, Schlussantrag vom 29.3.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451, Rn. 50. Ob im konkreten Fall die Niederlassungs- oder Kapitalverkehrsfreiheit einschlägig ist, ist oft schwer feststellbar und wird zum Teil offengelassen, da vergleichbare Maßstäbe gelten. Vgl. EuGH-Urteil vom 13.3.2007 – Rs. C-524/04 („Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation“), EuGHE 2007, I-2107, Rn. 34; Generalanwalt Mengozzi, Schlussantrag vom 29.3.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451, Rn. 51 ff.; vgl.dazu auch Lenaerts, Besteuerung von Einkommen – Aufgaben, Wirkungen und europäische Herausforderungen; Referat, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg), Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages – Band II/1, 2006, S. Q 7 ff., 32 ff. 50 Vgl. Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 874.

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Grundlegung

reduziert oder im Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie nach Art. 5 Abs. 1 nicht mehr erhoben.51 Eine Besteuerung der Gewinne auf Ebene der Muttergesellschaft in Form von Dividenden setzt eine Ausschüttung durch die Tochtergesellschaft voraus; im Fall der Thesaurierung werden die Gewinne allein mit der Körperschaftsteuer der Tochtergesellschaft belastet, sodass über das Ausschüttungsverhalten die Gesamtbelastung der Gewinne beeinflusst werden kann.52

________________________ 51 Vgl. zur Umsetzung im nationalen Recht § 8b Abs. 1 KStG und § 8b Abs. 5 KStG, der pauschal 5 % der Ausschüttung der Körperschaftsteuer unterwirft. Dies ist grundsätzlich nach Art. 4 Abs. 2 Mutter-Tochter-Richtlinie zulässig. 52 Siehe zu dem dadurch bei Tochtergesellschaften eröffneten Gestaltungsspielraum aktuell Spengel, Besteuerung von Einkommen – Aufgaben, Wirkungen und europäische Herausforderungen; Gutachten G, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg), Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages – Band I, 2006, S. G 1 ff., 17.

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2. Teil Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit Nach den einführenden Grundlagen zum Konzept der Niederlassung im Binnenmarkt und den Grundzügen der Besteuerung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften wird nachfolgend die Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit einer genauen Analyse unterzogen.

A. Darstellung der Rechtsprechung Die gegenwärtige Konzeption der Rechtsformwahlfreiheit in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist Ausgangspunkt der Untersuchung, da diese Rechtsprechung Keim der Diskussion um einen solchen Grundsatz ist. „Die Frage der gemeinschaftsrechtlichen Vereinbarkeit nationaler Steuervorschriften, die auf eine Gesellschaft eines Mitgliedstaates unterschiedliche Regelungen anwenden, je nachdem, ob sie in einem anderen Mitgliedstaat eine zweite Niederlassung in Form einer Tochtergesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit oder in der Form einer Betriebsstätte wie einer Zweigniederlassung errichtet hat, hat bereits zu mehreren Vorabentscheidungsverfahren geführt und wirft weiterhin komplexe Fragen auf.“53 Mit diesem einleitenden Satz seiner Stellungnahme zur Rechtssache „CLTUFA“ 54 verweist Generalanwalt Léger auf eine ständige Rechtsprechung des EuGH, die sich mit der Ungleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften durch steuerrechtliche Vorschriften beschäftigt.55 Kernaussage dieser Rechtsprechung ist der bereits zu Beginn der Arbeit zitierte Satz,

________________________ 53 Generalanwalt Léger, Philippe, Schlussantrag vom 14.04.2005 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831, Rn. 1. 54 EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831, 55 EuGH-Urteil vom 28.1.1986 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 285; EuGH-Urteil vom 13.7.1993 – Rs. C-330/91 („Commerzbank“), EuGHE 1993, I-4038; EuGH-Urteil vom 29.4.1999 – Rs. C-311/97 („Royal Bank of Scotland“), EuGHE 1999, I-2651; EuGH-Urteil vom 21.9.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999, I-6161; EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831,

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Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit

dass Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG i. V. m. Art. 48 EG den Gesellschaften das Recht gewährt, „die am besten geeignete Rechtsform (…) frei zu wählen“56. Um die Bedeutung dieser Aussage dreht sich die bisherige Diskussion zur Rechtsformwahlfreiheit bei grenzüberschreitender Wirtschaftstätigkeit.57 Die zentrale Frage lautet, ob sich aus der Niederlassungsfreiheit nicht nur ein Gebot der Gleichbehandlung von ausländischen und inländischen Staatsangehörigen ergibt, sondern grundsätzlich eine steuerrechtlich unbeeinflusste Wahl zwischen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften bei grenzüberschreitender Tätigkeit gewährleistet wird.

I. „Avoir Fiscal“ Ausgangsentscheidung zur Rechtsformwahl ist die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „Avoir Fiscal“ 58. 1. Sachverhalt In dieser Rechtssache ging es um die Frage, ob ein nach innerstaatlichem Recht nur unbeschränkt Steuerpflichtigen vorbehaltener Steuervorteil zur Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung auch mit einer Betriebsstätte beschränkt Steuerpflichtigen eingeräumt werden muss. Streitgegenstand war eine Regelung des französischen Ertragssteuerrechts (Art. 158 B Abs. 2 i. V. m. 158 A des Code General des Impots (Abgabenordnung)), die nur für Anteilseigner, die in Frankreich ihren tatsächlichen Wohnsitz oder ihren Gesellschaftssitz hatten, ein sog. Körperschaftsteuerguthaben („Avoir fiscal“) vorsah, welches auf die persönliche Einkommensbzw. Körperschaftsteuer angerechnet wurde.59 Art. 158 A des Code General des Impots sah zur Vermeidung einer kumulativen Besteuerung der von den ________________________ 56 EuGH-Urteil vom 28.1.1986 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 285, Rn. 22; EuGH-Urteil vom 21.9.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de SaintGobain“), EuGHE 1999, I-6161, Rn. 44; EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831, Rn. 17, 57 Nach Schön, Die Niederlassungsfreiheit von Kapitalgesellschaften im System der Grundfreiheiten, in: Schneider/Hommelhoff/Schmidt/Timm/Grunewald/Drygala (Hrsg), Festschrift für Marcus Lutter 2000, S. 685 ff., 693 hat der EuGH mit dieser Rechtsprechung die freie Wahl der Rechtsform „zum Norminhalt von Art. 43 EG erklärt“. 58 EuGH-Urteil vom 28.1.1986 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 285; Generalanwalt Mancini, Schlussantrag vom 16.10.1985 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 275; siehe die detaillierte Darstellung bei Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, 388 ff. 59 Der gleiche Vorteil galt für im Ausland ansässige Personen nach Art. 242c Code General des Impots nur, wenn Frankreich die Gewährung des „Avoir Fiscal“ in einem Doppelbesteuerungsabkommen eingeräumt hatte.

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Darstellung der Rechtsprechung

körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschaften ausgeschütteten Gewinne eine Steuergutschrift vor, die der Hälfte der von den Gesellschaften ausgeschütteten Gewinne entsprach. Dieses Steuerguthaben wurde auf die vom Empfänger geschuldete Steuer angerechnet. Mit Blick auf ausländische Gesellschaften wurde folglich danach differenziert, ob sie in Frankreich eine Tochtergesellschaft oder eine Betriebsstätte hatten, die Dividenden empfing. Im ersten Fall wurde die Steuergutschrift gewährt, weil die Tochtergesellschaft ansässig war, im zweiten Fall nicht.60 Die Kommission sah in dieser Vorschrift aus zwei Gründen einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit: Ausländische Gesellschaften würden erstens gegenüber inländischen Gesellschaften ungleich behandelt und zweitens würden ausländische Gesellschaften zugleich in ihrer Freiheit, Betriebsstätten zu gründen, beschränkt, weil die vorteilhaftere Behandlung von Tochtergesellschaften sie zur Gründung einer solchen anstelle von Betriebsstätten verleite.61 2. Stellungnahme des Generalanwalts Der Generalanwalt begründete einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit allein mit einer Diskriminierung ausländischer Gesellschaften. Die französische Regierung hatte dem Vorwurf der Kommission, die freie Wahl der Rechtsform Betriebsstätte werde beeinträchtigt, entgegnet, der Wirtschaftsteilnehmer könne ja eine Tochtergesellschaft gründen; deshalb sei die Niederlassungsfreiheit nicht beeinträchtigt.62 Dem folgte der Generalanwalt im Ergebnis: Nach seiner Auffassung folge aus der Formulierung des Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG nicht, dass alle drei Niederlassungsformen in steuerlicher oder sonstiger Hinsicht völlig gleich behandelt werden müssen.63 3. Entscheidung des EuGH Der EuGH geht auf beide von der Kommission vorgebrachten Verstöße gegen die Niederlassungsfreiheit ein und stellt sie in einen sachlichen Zusammenhang, der es verlange, sie gemeinsam zu prüfen: „Es zeigt sich also, dass die beiden von der Kommission vorgebrachten Klagegründe, nämlich ________________________ 60 Vgl. zur versuchten Rechtfertigung der Regelung durch die französische Regierung mit Blick gerade auf die Ansässigkeit Generalanwalt Mancini, Schlussantrag vom 16.10.1985 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 275, Rn. 3. 61 Vgl. dazu Generalanwalt Mancini, Schlussantrag vom 16.10.1985 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 275, Rn. 4. 62 Vgl. dazu Generalanwalt Mancini, Schlussantrag vom 16.10.1985 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 275, Rn. 5 (Punkt 6). 63 Generalanwalt Mancini, Schlussantrag vom 16.10.1985 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 275, Rn. 11.

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Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit

einmal die Diskriminierung von Zweigniederlassungen und Agenturen von Versicherungsgesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten gegenüber in Frankreich niedergelassenen Gesellschaften im französischen Recht und zum anderen die Beschränkung der Freiheit der Niederlassung in Form von Zweigniederlassungen und Agenturen gegenüber ausländischen Versicherungsgesellschaften, in engem Zusammenhang stehen. Sie sind deshalb zusammen zu prüfen.“64 Ausgangspunkt der Feststellung einer zweifachen Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit ist die Tatsache, dass Betriebsstätten ausländischer Gesellschaften und französische Gesellschaften (einschließlich der Tochtergesellschaften ausländischer Gesellschaften) im Hinblick auf die Bestimmung der Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer unterschiedslos behandelt wurden. Eine unterschiedliche Behandlung auf Ebene einer mit der Körperschaftsteuer zusammenhängenden Vergünstigung könne daher nur als Diskriminierung gewertet werden. Der französische Gesetzgeber habe durch die Gleichbehandlung bei der Bemessungsgrundlage „anerkannt, dass zwischen beiden Niederlassungsformen in Bezug auf die Modalitäten und Voraussetzungen ihrer Besteuerung kein Unterschied in der objektiven Situation besteht, der eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könne“.65 Im Rahmen der Rechtfertigung lehnt der EuGH den Verweis auf die Möglichkeit zur Gründung einer Tochtergesellschaft ab, da der Wirtschaftsteilnehmer die geeignete Rechtsform frei wählen dürfe. Diese Möglichkeit ________________________ 64 EuGH-Urteil vom 28.1.1986 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 285, Rn. 15. Zwar hebt der EuGH einleitend hervor, dass der Streitgegenstand nicht allgemein die unterschiedliche Behandlung von „unabhängigen juristischen Körperschaften einerseits und Zweigniederlassungen und Agenturen ohne eigene Rechtspersönlichkeit andererseits“ betreffe. Doch damit stellt der EuGH nur klar, was ohnehin aus dem Klagegegenstand ersichtlich war: Die Rechtskraft der Entscheidung bezieht sich auf den beschränkten Klagegegenstand, also eine konkrete Vorschrift aus dem Versicherungsbereich. Eine solche Beschränkung hindert aber selbstverständlich nicht, aus den Entscheidungsgründen auf die zugrunde liegenden Grundsätze zu schließen, die den Gerichtshof zu der Entscheidung geleitet haben. Seine Aussage ist in der Folge nicht spezifisch auf die konkrete Vorschrift oder den Versicherungsbereich ausgerichtet. Auch die Formulierung, die Klage beziehe sich nicht allgemein auf die Ungleichbehandlung von Tochtergesellschaften und Zweigniederlassungen, bezog sich nur auf die Klarstellung zum Streitgegenstand des zu entscheidenden Falles und hat keinen Bezug zum Verständnis des Gerichtshofs zur Rechtsformwahlfreiheit allgemein, Rn. 9 ff.; a. A. offensichtlich Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 835. 65 EuGH-Urteil vom 28.1.1986 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 285, Rn. 19 f.

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Darstellung der Rechtsprechung

dürfe nicht durch „diskriminierende“ Steuerbestimmungen eingeschränkt werden.66 4. Bewertung Der Gerichtshof trennt zwischen zwei Aspekten der Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit; sachlich werden sie aber zusammen geprüft, da die Konstellation im konkreten Fall zwangsläufig zu einem Gleichlauf führte: Die Tochtergesellschaft wird gegenüber der Betriebsstätte bevorzugt, weil sie ansässig war und das Einheitsunternehmen nicht.67 Die Formulierung, die seit dieser Entscheidung als Ausgangspunkt für einen Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit herangezogen wird, hatte in der Sache die Funktion, den innerhalb der Diskriminierungsprüfung von der französischen Regierung vorgebrachten Rechtfertigungsgrund, es stehe der Gesellschaft ja frei, statt einer Zweigniederlassung eine Tochtergesellschaft zu gründen, abzulehnen. Letztlich lag der Entscheidung damit also ein klassischer Diskriminierungsfall zugrunde, weil es um die Ungleichbehandlung von Inlands- und Auslandsgesellschaften ging. Es bleibt allerdings die Formulierung, dass die Wahl der geeigneten Rechtsform frei sei, die in ihrer Allgemeinheit über die konkrete Bedeutung hinausweist und Raum für eine über die konkrete Konstellation hinausgehende allgemeine Bedeutung des Grundsatzes lässt. In der Literatur wurde die Formulierung des EuGH als „Hilfserwägung“68 bezeichnet. Es gehe allein um die „Ablehnung eines unzulässigen Rechtfertigungsarguments auf dem Weg zur ‚Inländergleichbehandlung‘“69. Mit dieser Argumentation wird der Einwand der französischen Regierung und damit auch dessen Ablehnung durch den EuGH (allein) auf den Vorwurf der Diskriminierung nach der Ansässigkeit und nicht auf den Vorwurf der Diskriminierung nach der Rechtsform bezogen. Dies entspricht aber nicht der Argumentation des Generalanwalts und der sich darauf beziehenden Argumentation des EuGH: Der Generalanwalt bezieht den Einwand, ein Verstoß ________________________ 66 EuGH-Urteil vom 28.1.1986 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 285, Rn. 22. 67 Die Formulierung des EuGH lässt keinen Schluss darauf zu, ob er die Ungleichbehandlung von Tochtergesellschaften und Betriebsstätten als Diskriminierung oder Beschränkung einordnet. Es ist aber ohnehin darauf hinzuweisen, dass der EuGH – zumindest zum Zeitpunkt der Entscheidung – von einer sprachlichen Differenziertheit im Hinblick auf die verschiedenen Formen der Beeinträchtigung weit entfernt war, vgl. EuGH-Urteil vom 28.1.1986 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 285, Rn. 13 ff. 68 Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 403. 69 Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 835.

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Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit

gegen die Niederlassungsfreiheit läge nicht vor, weil dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit zur Begründung einer Tochtergesellschaft offenstehe, ausweislich der Systematik seiner Stellungnahme nur auf den zweiten Vorwurf der Kommission, also den Vorwurf der Diskriminierung nach der Rechtsform.70 Auf diese Argumentation bezieht sich dann der EuGH und lehnt den Hinweis, die Wirtschaftsteilnehmer könnten ja eine Tochtergesellschaft wählen, ab, da die „freie Wahl der Rechtsform“ nicht beschränkt werden dürfe.71 Eine Verknüpfung der Ablehnung des Rechtfertigungsversuchs mit der Diskriminierung nach der Ansässigkeit unterstellt dem Gerichtshof im Übrigen auch ein etwas überraschendes Maß an Oberflächlichkeit: Der Hinweis, durch Gründung einer Tochtergesellschaft könne die Diskriminierung nach der Ansässigkeit vermieden werden und sei deshalb gerechtfertigt, hieße nichts anderes als, dass eine Diskriminierung aus Gründen der Ansässigkeit gerechtfertigt werden könne, weil der Wirtschaftsteilnehmer (z. B. durch Gründung einer Tochtergesellschaft) ansässig werden kann. Dieses offensichtlich dem Binnenmarktziel widersprechende Rechtfertigungsargument hätte der EuGH vermutlich als solches entlarvt. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die Rechtsformwahlfreiheit in der Rechtssache „Avoir Fiscal“ zwar nicht entscheidungserheblich war, da im konkreten Fall ein notwendiger Gleichlauf der Diskriminierung nach Ansässigkeit und Rechtsform bestand. Im Rahmen der Rechtfertigung lehnt der EuGH aber das von der französischen Regierung und dem Generalanwalt (nur) gegenüber der Diskriminierung nach der Rechtsform vorgebrachte Argument ab, den Wirtschaftsteilnehmern stehe die Wahl einer Tochtergesellschaft offen. Dabei verweist der EuGH auf den Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit: Die Wahl einer Rechtsform müsse nicht nur offenstehen, sondern auch frei sein, dürfe also nicht durch (zwischen den Rechtsformen) diskriminierende Regelungen eingeschränkt werden. Er unterstellt damit einen eigenständigen Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit.

________________________ 70 Dies ergibt sich aus Rn. 11 der Stellungnahme von Generalanwalt Mancini, Schlussantrag vom 16.10.1985 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 275, die sich mit dem 6. Argument der französischen Regierung auseinandersetzt (Rn. 5) und dieses ausschließlich auf den Vorwurf der „mittelbaren Beschränkung für die Errichtung von Nebenniederlassungen“ bezieht, Rn. 11, 1. Absatz. Auf diese Passage bezieht sich der EuGH. 71 EuGH-Urteil vom 28.1.1986 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 285, Rn. 22.

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Darstellung der Rechtsprechung

II. „Commerzbank“ 1. Sachverhalt In der Entscheidung „Commerzbank“ 72 ging es erneut um die Vereinbarkeit einer privilegierenden Regelung, deren Tatbestand die Ansässigkeit des Steuerpflichtigen voraussetzte, mit der Niederlassungsfreiheit. Die Commerzbank AG mit Sitz in Deutschland hatte in Großbritannien eine Betriebsstätte. Für Zinsgewinne dieser Betriebsstätte hatte sie Steuern bezahlt, obwohl diese Zinsgewinne für Gesellschaften mit Sitz im Ausland steuerfrei waren. Die Steuerzahlungen wurden der Commerzbank AG zwar zurückerstattet, aber mit Verweis auf Section 825 des Income and Corporation Taxes Act 1988 ohne Zinszuschlag ausbezahlt, da die Zahlung der Zuschläge bei Rückerstattung von Körperschaftsteuer an die Ansässigkeit im Vereinigten Königreich anknüpfte.73 2. Stellungnahme des Generalanwalts Der Generalanwalt griff in seiner Stellungnahme die Entscheidung in der Rechtssache „Avoir Fiscal“ 74 auf und lehnte eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung einer ausländischen Gesellschaft mit Betriebsstätte gegenüber einer inlandsansässigen Gesellschaft ab. Insbesondere sei die Commerzbank AG nicht auf die Gründung einer Tochtergesellschaft zu verweisen, weil ihr die Wahl zwischen Rechtsformen freistehe.75 3. Entscheidung des EuGH Der EuGH stellt allein auf den Vergleich von in- und ausländischer Gesellschaft ab.76 Den vom Generalanwalt auf Rechtfertigungsebene angesprochenen Hinweis auf die Rechtsformwahlfreiheit greift der EuGH nicht auf. 4. Bewertung Zwar beinhaltete die festgestellte Diskriminierung auch eine Schlechterstellung von Betriebsstätten gegenüber Tochtergesellschaften, weil nur letztere ihren steuerlichen Sitz im Vereinten Königreich hatten und damit in den ________________________ 72 EuGH-Urteil vom 13.7.1993 – Rs. C-330/91 („Commerzbank“), EuGHE 1993, I-4038. 73 Zum Sachverhalt siehe EuGH-Urteil vom 13.7.1993 – Rs. C-330/91 („Commerzbank“), EuGHE 1993, I-4038, Rn. 4 ff. 74 EuGH-Urteil vom 28.1.1986 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 285. 75 Generalanwalt Darmon, Schlussantrag vom 17.3.1993 – Rs. C-330/91 („Commerzbank“), EuGHE 1993, I 4028, Rn. 27. 76 EuGH-Urteil vom 13.7.1993 – Rs. C-330/91 („Commerzbank“), EuGHE 1993, I-4038.

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Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit

Genuss des Zuschlags kamen, doch spielte dieser Vergleich bei der Prüfung durch den EuGH keine eigenständige Rolle. Schlussfolgerungen auf die dogmatische Grundlage und die Reichweite der Rechtsformwahlfreiheit in der EuGH-Rechtsprechung sind daher nicht möglich.

III. „Royal Bank of Scotland“ 1. Sachverhalt In der Rechtssache „Royal Bank of Scotland“ 77 ging es um den generellen Ausschluss auslandsansässiger Gesellschaften von einer privilegierenden Regelung, welche unter bestimmten Voraussetzungen inländischen Gesellschaften offenstand. Die Royal Bank of Scotland mit Sitz im Vereinigten Königreich hatte in Griechenland eine Betriebsstätte, mit deren Gewinnen sie beschränkt steuerpflichtig war und nach griechischem Recht (Art. 109 Abs. 1 a) des Einkommensteuergesetzbuches) einem Steuersatz von 40 % unterlag. Sie mahnte (u. a.) einen Verstoß gegen Art. 43 EG an, weil sie im Vergleich zu inländischen Gesellschaften benachteiligt werde, da sie nicht in den Genuss eines bestimmten inländischen Gesellschaften eingeräumten vergünstigten Steuersatzes (Art. 109 Abs. 1 b) des Einkommensteuergesetzbuches) kommen konnte.78 2. Stellungnahme des Generalanwalts Generalanwalt Alber stellte in seiner Argumentation allein auf den Grundsatz der Inländergleichbehandlung ab.79 3. Entscheidung des EuGH Der EuGH bezieht sich in seiner Begründung auch allein auf den Vergleich zwischen beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen. Auf die Rechtsformwahlfreiheit geht er weder als eigenständigen Grundsatz der Niederlassungsfreiheit noch als Ausschluss eines Rechtfertigungsgrundes ein.80

________________________ 77 EuGH-Urteil vom 29.4.1999 – Rs. C-311/97 („Royal Bank of Scotland“), EuGHE 1999, I-2651. 78 EuGH-Urteil vom 29.4.1999 – Rs. C-311/97 („Royal Bank of Scotland“), EuGHE 1999, I-2651, Rn. 14. 79 Generalanwalt Alber, Schlussantrag vom 19.10.1998 – Rs. C-311/97 („Royal Bank of Scotland“), EuGHE 1999, I-02652. 80 EuGH-Urteil vom 29.4.1999 – Rs. C-311/97 („Royal Bank of Scotland“), EuGHE 1999, I-2651, Rn. 22 ff.

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Darstellung der Rechtsprechung

4. Bewertung Zwar war auch in diesem Fall mit der Diskriminierung nach der Ansässigkeit eine Diskriminierung nach der Rechtsform verbunden. In der Argumentation des EuGH taucht dieser Aspekt aber nicht auf, sodass aus der Entscheidung keine Schlussfolgerungen für die Fragestellung der Arbeit möglich sind.

IV. „Compagnie de Saint-Gobain“ Neben der Entscheidung „Avoir Fiscal“ 81 und der aktuellen Entscheidung „CLT-UFA“ 82 ist die Entscheidung in der Rechtssache „Compagnie de Saint-Gobain“ 83 wesentliche Grundlage der Diskussion um einen Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit im Europäischen Steuerrecht.84 1. Sachverhalt In dieser Entscheidung ging es um eine nachteilige steuerliche Behandlung von Dividendeneinkünften einer über eine Betriebsstätte in Deutschland beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaft, also wiederum im Kern um die Ungleichbehandlung von ausländischen gegenüber inländischen Gesellschaften. Sämtliche streitgegenständlichen Vorschriften des Körperschaftsteuergesetzes und des Vermögensteuergesetzes setzten eine unbeschränkte Steuerpflicht voraus. Die in Frankreich ansässige Gesellschaft Compagnie de Saint-Gobain SA hatte im Streitjahr 1988 in Deutschland eine Betriebsstätte. Mit dem dieser Betriebsstätte zuzurechnenden Gewinn war die Gesellschaft beschränkt körperschaftsteuerpflichtig nach § 2 Abs. 1, § 8 Abs. 1 KStG i. V. m § 49 Abs. 1 Nr. 2a EStG, und mit dem dieser Betriebsstätte zuzurechnenden Vermögen war sie beschränkt vermögensteuerpflichtig nach § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VStG i. V. m. § 121 Abs. 2 Nr. 3 BewG. Über die Betriebsstätte hielt die Compagnie de Saint-Gobain SA zwei Mehrheitsbeteiligungen in Deutsch________________________ 81 EuGH-Urteil vom 28.1.1986 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 285. 82 EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831. 83 EuGH-Urteil vom 21.9.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999, I-6161. 84 Die Literatur zu dieser Entscheidung ist sehr umfangreich. Mit Bezug auf den Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit siehe Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 831 ff.; Schön, Freie Wahl zwischen Zweigniederlassung und Tochtergesellschaft – ein Grundsatz des Europäischen Unternehmensrechts, EWS 2000, S. 281 ff.; Van den Hurk, Did the ECJ’s Decision in Saint-Gobain Change International Tax Law?, IBFD Bulletin 2001, S. 152 ff.; Zanotti, Taxation of InterCompany Dividends in the Presence of a PE: The Impact of the EC Fundamental Freedoms (Part One), European Taxation 2004, S. 493 ff., 497.

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Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit

land und eine 10 %-Beteiligung in den USA. Mit den über die Betriebsstätte gehaltenen Tochtergesellschaften bestand ein Organschaftsverhältnis gemäß §§ 18 i. V. m. 14 KStG mit der Folge, dass das Einkommen der Tochtergesellschaften den Einkünften der deutschen Betriebsstätte zugerechnet wurde und die Compagnie de Saint-Gobain SA insoweit in Deutschland beschränkt steuerpflichtig war. Die deutschen Tochtergesellschaften waren an Gesellschaften in Österreich, der Schweiz und Italien mit jeweils fast 100 % beteiligt (Enkelgesellschaften) und erzielten aus diesen Beteiligungen Dividendeneinkünfte, die aufgrund der Organschaft unmittelbar der Betriebsstätte der Compagnie de Saint-Gobain SA zugerechnet wurden. Die Tochtergesellschaften wurden also nicht mehr als solche behandelt. Der Compagnie de Saint-Gobain SA wurden folgende steuerliche Privilegien verweigert, da sie jeweils tatbestandlich eine unbeschränkte Steuerpflicht voraussetzten: Der erste Mechanismus diente der Verhinderung der juristischen Doppelbesteuerung von Dividenden; das sog. internationale Schachtelprivileg gemäß den Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA und der Schweiz (jeweils i. V. m. § 27 Abs. 7 KStG a. F.) sah eine Steuerfreistellung für Dividenden vor, die eine in Deutschland ansässige Gesellschaft aus diesen Staaten erhielt. Der zweite Mechanismus sollte die wirtschaftliche Doppelbelastung von Gewinnen einer ausländischen Tochtergesellschaft verhindern; die sog. erweiterte indirekte Anrechnung des § 26 Abs. 2 KStG ermöglichte die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer auf die inländische Steuerbelastung der Dividenden. Der dritte Mechanismus sollte die Belastung ausländischen Vermögens mit deutscher Vermögensteuer vermeiden; das sog. internationale vermögensteuerliche Schachtelprivileg nach § 102 Abs. 2 BewG sah vor, dass das ausländische Vermögen einer Tochtergesellschaft vom vermögensteuerlichen Vermögen einer in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Muttergesellschaft ausgenommen wurde. Letzteres war in Bezug auf die amerikanische Tochtergesellschaft relevant. Hinsichtlich des, mittlerweile aufgehobenen, vermögensteuerlichen Schachtelprivilegs nach § 102 Abs. 2 BewG war der Sachverhalt nicht abschließend klar. Die deutsche Regierung hatte geltend gemacht, an der steuerlichen Belastung einer Muttergesellschaft ändere sich nichts, wenn die fraglichen Beteiligungen über eine Tochtergesellschaft anstelle der Betriebsstätte gehalten würden.85 Zwar stünde das vermögensteuerliche Schachtelprivileg nur einer Tochtergesellschaft zu, doch unterläge die Muttergesellschaft auch in diesem Fall letztlich unter Einschluss der Beteiligungen an ________________________ 85 Vgl. dazu EuGH-Urteil vom 21.9.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de SaintGobain“), EuGHE 1999, I-6161, Rn. 40 ff.; Generalanwalt Mischo, Schlussantrag vom 2.03.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999 I-06163, Rn. 93 ff.

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den Enkelgesellschaften in Deutschland der Vermögensteuer, da nach § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VStG i. V. m. § 121 Abs. 2 Nr. 4 BewG a. F. eine ausländische Körperschaft auch mit Anteilen an einer inländischen Tochtergesellschaft beschränkt steuerpflichtig war. Der Wert dieser Beteiligung an der Tochtergesellschaft wurde, nach unwidersprochener Behauptung der deutschen Regierung, unter Berücksichtigung des Werts der Beteiligung an der Enkelgesellschaft ermittelt.86 Im Ergebnis hätte so die beschränkte Steuerpflicht eines Stammhauses mit Betriebsstätte über § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VStG i. V. m. § 121 Abs. 2 Nr. 3 BewG der beschränkten Steuerpflicht einer ausländischen Gesellschaft mit Tochtergesellschaft gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VStG i. V. m. § 121 Abs. 2 Nr. 4 BewG entsprochen. Allerdings war, nach unwidersprochener Behauptung von Kommission und Compagnie de Saint-Gobain SA, die Ermittlung des Werts der Beteiligung an der Tochtergesellschaft gemäß § 121 Abs. 2 Nr. 4 BewG, also unter Berücksichtigung der Enkelbeteiligungen, durch Art. 19 Nr. 2 des Doppelbesteuerungsabkommens mit Frankreich (DBA-Frankreich) ausgeschlossen. So wäre im Ergebnis die Beteiligung über Betriebsstätten doch benachteiligt gewesen, weil nur in diesem Fall der Wert Anteile an den Enkelgesellschaften dem Betriebsstättenvermögen zugerechnet worden wäre, bei der Tochtergesellschaft wegen des DBA-Ausschlusses aber nicht. Die deutsche Regierung hatte darauf hingewiesen, dass eine Erstreckung des vermögensteuerlichen Schachtelprivilegs auf Betriebsstätten zu einer Diskriminierung von Tochtergesellschaften führen könnte.87 Dies wäre der Fall gewesen, wenn bei der Tochtergesellschaft kein Ausschluss von § 121 Abs. 2 Nr. 4 BewG durch DBA erfolgt wäre, da dann bei Tochtergesellschaften die Beteiligungen an Enkelgesellschaften in das vermögensteuerpflichtige Vermögen einbezogen worden wären und zugleich bei Betriebsstätten unter Geltung des Schachtelprivileg keine Einbeziehung der Enkelbeteiligungen stattgefunden hätte. Mit dieser Argumentation hat die deutsche Regierung signalisiert, dass sie von einem echten, eigenständigen Gleichbehandlungsgebot von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ausgeht, da andernfalls eine Benachteili________________________ 86 Vgl. Generalanwalt Mischo, Schlussantrag vom 2.03.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999 I-06163, Rn. 93 ff. (in Rn. 94 allerdings sind in der deutschen Fassung die rechtlichen Ausführungen fehlerhaft: Der Generalanwalt vergleicht in der Sache Stammhaus und Mutter-Tochtergesellschaft; in der deutschen Version spricht er aber im ersten Satz von Rn. 94 von „Tochtergesellschaft“, obwohl „Betriesstätte“ gemeint ist. Vermutlich handelt es sich um einen Übersetzungsfehler, da die offizielle französische Version korrekt ist.) 87 Vgl. Generalanwalt Mischo, Schlussantrag vom 2.03.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999 I-06163, Rn. 99.

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gung der Tochtergesellschaft, also der inländischen Gesellschaft, europarechtlich nicht relevant gewesen wäre.88 2. Stellungnahme des Generalanwalts Generalanwalt Mischo setzte sich inhaltlich insbesondere mit dem Aspekt der Diskriminierung beschränkt Steuerpflichtiger gegenüber unbeschränkt Steuerpflichtigen auseinander.89 Soweit die Stellungnahme sich auf die Rechtsformwahlfreiheit bezieht, ist sie etwas verworren. Der Generalanwalt unterschied unter Bezugnahme auf die Differenzierungen des EuGH in der Rechtssache „Avoir Fiscal“ 90 zwischen der Benachteiligung ausländischer Gesellschaften im Vergleich zu inländischen Gesellschaften und der Beschränkung der freien Wahl der Rechtsform.91 Sowohl die räumliche Trennung in zwei Absätze als auch die einleitende Formulierung („außerdem“) sprechen einerseits dafür, dass der Generalanwalt von zwei zu unterscheidenden Aspekten ausgeht.92 Andererseits erfolgte die Prüfung einer Beschränkung allein anhand der Diskriminierung nach der Ansässigkeit; die Ungleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaft kam erst auf Ebene der Rechtfertigung zur Sprache.93 Dies hat wohl seinen Grund darin, dass der Generalanwalt im Rahmen der Prüfung der Kohärenz die Überlegung aufwarf, ob es im deutschen Steuersystem Unterschiede in der Besteuerung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften gibt, die die Diskriminierung nach der Ansässigkeit rechtfertigen. Um dieses Argument schon im Ansatz zu verwerfen, verwies der Generalanwalt auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in „Avoir Fiscal“.94 Dabei setzte der Generalanwalt aber einen eigenständigen Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit voraus, weil er von vornherein die Frage nach einer rechtfertigenden Unterschiedlichkeit verwarf. Die Rechtsformwahlfreiheit sah er als aliud zur Frage der Ungleichbehandlung von unbeschränkt und beschränkt ________________________ 88 So zu Recht Generalanwalt Mischo, Schlussantrag vom 2.03.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999 I-06163, Rn. 100. 89 Generalanwalt Mischo, Schlussantrag vom 2.03.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999 I-06163, Rn. 42 ff. 90 EuGH-Urteil vom 28.1.1986 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 285. 91 Generalanwalt Mischo, Schlussantrag vom 2.03.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999 I-06163, Rn. 104. 92 Generalanwalt Mischo, Schlussantrag vom 2.03.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999 I-06163, Rn. 104 und 24. Siehe auch Rn. 63, 68, 98, 100. 93 Generalanwalt Mischo, Schlussantrag vom 2.03.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999 I-06163, Rn. 68. 94 Generalanwalt Mischo, Schlussantrag vom 2.03.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999 I-06163, Rn. 68 mit Verweis auf EuGH-Urteil vom 28.1.1986 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 285.

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Darstellung der Rechtsprechung

Steuerpflichtigen an, da er sie auf Rechtfertigungsebene innerhalb der Diskriminierungsprüfung anspricht. Er stellt „aus grundsätzlichen Erwägungen“ klar, dass eine Schlechterstellung von Betriebsstätten gegenüber Tochtergesellschaften ausscheidet.95 3. Entscheidung des EuGH Einleitend stellt der EuGH in seiner Sachprüfung auf die Diskriminierung nach der Ansässigkeit ab.96 Daneben sieht er allerdings auch in der Diskriminierung nach der Rechtsform einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit, da die angegriffenen Regelungen zur Folge hätten, dass für ausländische Gesellschaften „Schachtelbeteiligungen über deutsche Betriebsstätten weniger attraktiv“ seien, wodurch „die freie Wahl der (…) geeigneten Rechtsform (…) eingeschränkt wird.“97 Darin liege ein „einheitlicher Verstoß“ gegen die Niederlassungsfreiheit im Hinblick auf die unterschiedliche Behandlung nach der Ansässigkeit „sowie“ die Einschränkung der „freien Wahl der Rechtsform“.98 4. Bewertung Mit Blick auf das internationale körperschaftsteuerliche Schachtelprivileg und die erweiterte indirekte Anrechnung bringt die Entscheidung für die Frage nach einem eigenständigen Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit nichts Neues: Es liegt auch hier ein klassischer Diskriminierungsfall vor, in dem der ausländischen Gesellschaft mit ihren Betriebsstätteneinkünften Steuervergünstigungen vorenthalten wurden, die unbeschränkt steuerpflichtigen Inlandsgesellschaften gewährt wurden. Die Prüfung im Hinblick auf das internationale vermögensteuerliche Schachtelprivileg macht aber erstmals in der Sache deutlich, dass der EuGH dem Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit einen eigenständigen, d. h. von der Diskriminierung nach der Ansässigkeit unabhängigen, Anwendungsbereich zuweist: Der EuGH, wie auch der Generalanwalt99, setzt sich ausführlich mit der Frage auseinander, ob die Besteuerung einer Tochtergesellschaft in Deutschland aus Sicht des ausländischen Wirtschaftsteilnehmers nicht im ________________________ 95 Generalanwalt Mischo, Schlussantrag vom 2.03.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999 I-06163, Rn. 68. 96 EuGH-Urteil vom 21.9.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999, I-6161, Rn. 35 ff. 97 EuGH-Urteil vom 21.9.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999, I-6161, Rn. 43. 98 EuGH-Urteil vom 21.9.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999, I-6161, Rn. 44. 99 Generalanwalt Mischo, Schlussantrag vom 2.03.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999 I-06163, Rn. 93 ff.

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Ergebnis der Besteuerung eines ausländischen Wirtschaftsteilnehmers mit Betriebsstätte entspricht, da in beiden Fällen letztlich der Wert der Beteiligung an den Enkelgesellschaften im Drittstaat zum vermögensteuerlichen Vermögen gerechnet werde. Im Fall einer Betriebsstätte ergebe sich die Besteuerung aus § 2 Abs. 1 und 2 VStG i. V. m § 121 Abs. 2 Nr. 3 BewG a. F.; im Fall einer Tochtergesellschaft aus § 2 Abs. 1 und 2 VStG i. V. m. § 121 Abs. 2 Nr. 4 BewG.100 Da zwischen den Parteien aber unbestritten blieb, dass die Berücksichtigung der Auslandsbeteiligung im Rahmen von § 121 Abs. 2 Nr. 4 BewG durch Doppelbesteuerungsabkommen ausgeschlossen war und daher im Falle der Investition durch eine Tochtergesellschaft weder auf Ebene der Muttergesellschaft (§ 121 Abs. 2 Nr. 4 BewG) noch auf Ebene der Tochtergesellschaft (§ 102 Abs. 2 BewG) die Anteile an einer ausländischen Enkelgesellschaft berücksichtigt werden, wohl aber im Rahmen von § 121 Abs. 2 Nr. 3 BewG bei Investition durch eine Betriebsstätte, nahm der EuGH im Ergebnis doch eine Besserstellung der grenzüberschreitenden Investition mittels Tochtergesellschaft an.101 Entscheidend für die Frage nach einem eigenständigen Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit ist dabei Folgendes: Der EuGH stellt eine Gesamtbetrachtung von Mutter- und Tochtergesellschaft an, indem er auf die beschränkte Steuerpflicht einer Muttergesellschaft mit Tochtergesellschaft abstellt. Die Einbeziehung der Ebene der ausländischen Muttergesellschaft durch EuGH und Generalanwalt im Rahmen von § 121 Abs. 2 Nr. 4 BewG verdeutlicht, dass sie dem Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit eigenständige Bedeutung beimessen, da Vergleichspaar dann ein ausländisches Einheitsunternehmen mit Betriebsstätte und eine ausländische Muttergesellschaft mit Tochtergesellschaft sind. In einer solchen Betrachtung wird die Tochtergesellschaft nicht mehr als inländische, unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschaft der Betriebsstätte als Teil einer ausländischen Gesellschaft gegenübergestellt. Vielmehr wird hier der Vergleich zwischen zwei grenzüberschreitenden Vorgängen gezogen: der Investition mittels Tochtergesellschaft und der mittels Betriebsstätte. Beide führen für Zwecke der Vermögensteuerpflicht jeweils zu einer beschränkten Steuerpflicht von Einheitsunternehmen und Muttergesellschaft. Bei der Frage, ob eine ausländische Muttergesellschaft mit ihrer Beteiligung an einer deutschen Tochtergesellschaft gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 VStG i. V. m. § 121 Abs. 2 ________________________ 100 Vgl. EuGH-Urteil vom 21.9.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999, I-6161, Rn. 40 ff. Aus unerkennbaren Gründen verwies der EuGH hinsichtlich dieser Frage zurück an das Ausgangsgericht, obwohl nach seiner Einschätzung die Besteuerung auf Ebene der ausländischen Muttergesellschaft für die Feststellung einer Schlechterstellung entscheidungserheblich war. 101 EuGH-Urteil vom 21.9.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999, I-6161, Rn. 40 f.

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Darstellung der Rechtsprechung

Nr. 4 BewG a. F. beschränkt steuerpflichtig ist und dabei die Anteile an ausländischen Enkelgesellschaften den Wert der Beteiligung beeinflussen, spielt die nach Ansässigkeit unterscheidende Norm des § 102 Abs. 2 BewG keine Rolle.102 Die Besteuerung eines beschränkt Steuerpflichtigen mit Tochtergesellschaft entspricht der eines beschränkt Steuerpflichtigen mit Betriebsstätte, es sei denn, es ergeben sich, wie im konkreten Fall, durch Doppelbesteuerungsabkommen Abweichungen vom nationalen Recht. Das zugleich bestehende Schachtelprivileg des § 102 BewG verhindert, wenn nicht § 121 Abs. 2 Nr. 4 BewG durch Doppelbesteuerungsabkommen ausgeschlossen ist, eine doppelte Berücksichtigung des ausländischen Anteils im Vermögen der Tochtergesellschaft. Die Gegenüberstellung zweier grenzüberschreitender Sachverhalte kann nicht mehr mit dem Verbot der Diskriminierung nach der Ansässigkeit begründet werden. Damit ist die Rechtsformwahlfreiheit zum ersten Mal in der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum eigenständigen Prüfungsmaßstab gemacht worden, auch wenn sie wiederum nicht entscheidungserheblich war, da die Entscheidung über das vermögensteuerliche Schachtelprivileg an das nationale Gericht zurückverwiesen wurde und im Übrigen zugleich eine Diskriminierung nach der Ansässigkeit vorlag.103 ________________________ 102 Dies gilt nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut von § 121 BewG auch trotz der verwirrenden Formulierung des EuGH, dass „wenn die Beteiligung an einer ausländischen Enkelgesellschaft aufgrund des Schachtelprivilegs vom Vermögen der Tochtergesellschaft ausgeschlossen sei, das Vermögen der ausländischen Muttergesellschaft gemäß dem im entscheidungserheblichen Zeitraum geltenden § 121 Abs. 2 Nr. 4 BewG den Wert der Beteiligung an der inländischen Tochtergesellschaft (umfasst), der unter Berücksichtigung des Wertes der Anteile der Tochtergesellschaft an der Enkelgesellschaft festgestellt werde.“ (Rn. 40). Die Formulierung „wenn“ legt eine konditionale Verknüpfung zwischen Schachtelprivileg und Geltung von § 121 Abs. 2 Nr. 4 BewG nahe, die das Gesetz nicht vorsieht. Nach § 121 Abs. 2 Nr. 4 BewG wird vielmehr bei beschränkt Steuerpflichtigen stets die Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft zum vermögensteuerpflichtigen Vermögen gezählt, und dieser Wert wird stets unter Berücksichtigung der Anteile an ausländischen Gesellschaften ermittelt. 103 Interessant wäre die Antwort des EuGH gewesen, wenn § 121 Abs. 2 Nr. 4 BewG nicht durch Art. 19 Nr. 2 des DBA-Frankreich ausgeschlossen gewesen wäre: Vergleicht man dann ausländische Gesellschaft mit Betriebsstätte und inländische Kapitalgesellschaft, bleibt es bei einer Diskriminierung durch § 102 Abs. 2 BewG; betrachtet man hingegen ausländische Gesellschaft mit Betriebsstätte und ausländische Gesellschaft mit Tochtergesellschaft, führt § 121 Abs. 2 Nr. 3 und § 121 Abs. 2 Nr. 4 BewG i. V. m. § 102 Abs. 2 BewG zu einer rechtsformneutralen Besteuerung. Die Gesamtbetrachtung durch die Brille der Rechtsformwahlfreiheit hätte also zu einem anderen Ergebnis geführt als die isolierte Betrachtung der Tochtergesellschaft. Es wäre eine Diskriminierung zu bejahen, ein Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit aber zu verneinen gewesen.

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V. „CLT-UFA“ In bislang deutlichster Form kam die Rechtsformwahlfreiheit als maßgeblicher Prüfungsmaßstab in der Rechtssache „CLT-UFA“ zur Sprache.104 1. Sachverhalt Kernproblem des Falles war die Anwendung unterschiedlicher Steuersätze auf die Ausschüttung von Gewinnen durch inländische (Tochter-)Kapitalgesellschaften und auf Gewinne, die ausländische Unternehmen durch eine Betriebsstätte in Deutschland erzielten. Die CLT-UFA mit Sitz und Geschäftsleitung in Luxemburg wurde im Jahr 1994 für die von ihrer deutschen Betriebsstätte erzielten Gewinne gemäß § 23 Abs. 2 und 3 KStG (i. d. F. von 1994) mit einem einheitlichen Steuersatz von 42 % besteuert. Für ausgeschüttete Gewinne einer Tochtergesellschaft galt gemäß § 27 Abs. 1, § 49 Abs. 1 KStG i. V. m. § 43 Abs. 1 Satz 1, § 44d Abs. 1 EStG (i. d. F. von 1994) ein Steuersatz von 30 %. Für Gewinne, die vor dem 30. Juni 1996 ausgeschüttet wurden, ergab sich ein Steuersatz von 33,5 %, da bis zu diesem Zeitpunkt noch die Muttergesellschaft mit einem Steuersatz von 5 % zur Quellensteuer herangezogen wurde.105 Bei Thesaurierung betrug der Steuersatz 45 %. Kern der Ungleichbehandlung war damit, dass Tochtergesellschaften, die in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind, die Möglichkeit hatten, durch Ausschüttung der Gewinne in den Genuss des günstigen Ausschüttungssteuersatzes zu gelangen, wohingegen für beschränkt Steuerpflichtige ________________________ 104 EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831; siehe dazu Aarnio, Treatment of permanent establishments and subsidiaries under EC law: towards a uniform concept of secondary establishment in European tax law?, EC Tax Review 2006, S. 18 ff.; Dörr, Die Rechtssache CLT-UFA: Ein Medienkonzern im Rampenlicht des EuGH – Oder: Wieviel Rechtsformneutralität fordert der europäische Binnenmarkt?, Der Konzern 2005, S. 576 ff.; Schnitger, Anmerkung zu den Schlussanträgen des Generalanwalts Léger v. 14.4.2005, C-253/03 (CLT-UFA SA/Finanzamt Köln-West), IStR 2005, S. 379 ff.; Schnitger, Möglichkeit zur Präzisierung des europarechtlichen Prinzips der Rechtsformwahlfreiheit und Körperschaftsteuerguthaben für Betriebsstätten ausländischer Kapitalgesellschaften gemäß § 37 KStG – Vorlagenfrage an den EuGH in der Rs. CLT-UFA, IStR 2004, S. 821 ff.; Lang, Gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zur Rechtsformneutralität im Steuerrecht?, IStR 2006, S. 397 ff. 105 Vgl. dazu Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie vom 23.7.1990 über das gemeinsame Steuersystem von Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, 90/435/EWG, Abl. L 225 vom 20.8.1990, S. 6 („Mutter-Tochter-Richtlinie“), der diese Quellenbesteuerung bis Mitte 1996 noch erlaubte. Siehe auch Generalanwalt Léger, Philippe, Schlussantrag vom 14.04.2005 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831, Rn. 20 (Fn. 25).

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Darstellung der Rechtsprechung

die Betriebsstättengewinne unabhängig von ihrer Verwendung pauschal mit 42 % besteuert wurden. Zur Rechtfertigung führten die Bundesregierung und das Finanzamt erstens an, der Gewinntransfer zwischen Betriebsstätte und Stammhaus sei nicht mit einer Gewinnausschüttung von Tochter- an Muttergesellschaft vergleichbar, da der erste Vorgang ein rein interner, der letztere dagegen ein Transfer zwischen zwei Vermögensmassen sei. Zweitens sei Anknüpfungspunkt der unterschiedlichen Regelungen nicht die Ansässigkeit, sondern die Ausschüttung, welche nur im Fall der Tochtergesellschaft vorläge. Drittens stehe der gesonderte Betriebsstättensteuersatz im Zusammenhang mit dem damals anwendbaren Anrechnungsverfahren.106 Der erhöhte Steuersatz berücksichtige, dass bei beschränkt Steuerpflichtigen durch Deutschland auf Ebene der Anteilseigner keine Besteuerung mehr erfolge, wohingegen dies bei Ausschüttung einer Tochtergesellschaft an eine inländische Muttergesellschaft der Fall sei. Der Ausschüttungssteuersatz auf Ebene der Tochtergesellschaft sei daher reduziert.107 2. Stellungnahme des Generalanwalts Generalanwalt Léger stellte bereits im Einleitungssatz nicht auf den Vergleich einer beschränkt steuerpflichtigen ausländischen Gesellschaft mit einer inländischen Gesellschaft, sondern allein auf den Vergleich von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ab: Es gehe um die Frage der gemeinschaftsrechtlichen Vereinbarkeit nationaler Vorschriften, die auf eine Gesellschaft eines Mitgliedstaats „unterschiedliche Regelungen anwenden, je nachdem, ob sie in einem anderen Mitgliedstaat eine zweite Niederlassung in Form einer Tochtergesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit oder in Form einer Betriebsstätte wie einer Zweigniederlassung errichtet hat“.108 Der Generalanwalt eröffnete ferner in inhaltlicher Hinsicht eine neue Facette, die in den bisherigen Entscheidungen des EuGH nicht zu finden war: Bei der Beschreibung des Gewährleistungsgehalts unterscheidet er ________________________ 106 Vereinfacht gesprochen sah das Anrechnungsverfahren vor, dass thesaurierte Gewinne „zunächst“ mit einem hohen Thesaurierungssatz besteuert wurden. Im Fall der Ausschüttung wurde die Belastung korrigiert und zum verringerten Ausschüttungssteuersatz wurde auf Ebene der Anteilseigner unter Anrechnung der verringerten Körperschaftsteuer die persönliche Einkommensteuerlast erhoben; vgl. zu den Details Jakob, Einkommensteuer, 1996, S. 328 ff.; Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 318 ff. 107 Vgl. Generalanwalt Léger, Philippe, Schlussantrag vom 14.04.2005 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831, Rn. 33 ff. 108 Generalanwalt Léger, Philippe, Schlussantrag vom 14.04.2005 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831, Rn. 1.

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Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit

deutlich zwischen Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot sowie der Rechtsformwahlfreiheit und sieht den Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit als durch beide Aspekte der Niederlassungsfreiheit geschützt an.109 So formuliert er in Bezug auf die Entscheidung „Compagnie de Saint-Gobain“ 110: „Aufgrund der Formulierung, wonach die fragliche Regelung die Errichtung deutscher Zweigniederlassungen „weniger attraktiv“ macht, können wir auch davon ausgehen, dass diese Artikel (Art. 42 und 48 EG) nicht nur die Einschränkung dieser Wahlfreiheit verbieten, die sich aus einer offensichtlichen Diskriminierung ergeben, sondern auch diejenigen, die von anderen Formen der Beschränkung herrühren, d. h. die Regelungen, die mittelbar diskriminierend sind oder die die Ausübung der Niederlassungsfreiheit weniger attraktiv machen oder auch die, die die Niederlassung einer inländischen Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat behindern.“111 Zwei Aspekte in der dogmatischen Fundierung durch den Generalanwalt sind von besonderer Bedeutung: Zum Ersten löst er den Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit explizit aus der Konnexität mit dem Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot (in der Terminologie des EuGH „einheitlicher Verstoß“) und sieht den dogmatischen Grund (auch) im Beschränkungsverbot der Niederlassungsfreiheit. Zum Zweiten deutet er die Rechtsprechung des EuGH dahin gehend, dass auch Wegzugsfälle mit erfasst sind, also Regelungen eines Heimatstaates, die Niederlassungen in einem anderen Staat behindern. Mit Blick auf den konkreten Fall stellt der Generalanwalt klar, dass die Tatsache, dass der Ausschüttungssteuersatz, also die privilegierende Regelung, nicht der Tochtergesellschaft, sondern der Muttergesellschaft zugutekommt, weil er ja nur im Falle der Ausschüttung greift, die Vergleichbarkeit mit den Entscheidungen „Avoir Fiscal“ 112, „Royal Bank of Scotland“ 113 und „Compagnie de Saint-Gobain“ 114 nicht in Frage stellt: In allen Fällen stehe im Ergebnis die Muttergesellschaft bei Investition durch eine Tochtergesellschaft besser als bei Investition durch eine Betriebsstätte.115 Der Generalanwalt greift damit auf eine steuersubjektübergreifende Gesamtbetrachtung ________________________

109 Generalanwalt Léger, Philippe, Schlussantrag vom 14.04.2005 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831, Rn. 11 ff.; 47. 110 EuGH-Urteil vom 21.9.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999, I-6161. 111 Generalanwalt Léger, Philippe, Schlussantrag vom 14.04.2005 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831, Rn. 47. 112 EuGH-Urteil vom 28.1.1986 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 285. 113 EuGH-Urteil vom 29.4.1999 – Rs. C-311/97 („Royal Bank of Scotland“), EuGHE 1999, I-2651. 114 EuGH-Urteil vom 21.9.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999, I-6161. 115 Generalanwalt Léger, Philippe, Schlussantrag vom 14.04.2005 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831, Rn. 56 f.

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Darstellung der Rechtsprechung

zurück, da er die Besteuerung aus Gewinnen einer Tochtergesellschaft bei dieser und im Staat der Muttergesellschaft auf Ebene der Muttergesellschaft mit der Besteuerung von Betriebsstättengewinnen vergleicht.116 Diese Gesamtbetrachtung wendet der Generalanwalt dann auch hinsichtlich der Frage an, auf welchen Steuersatz der Betriebsstättensteuersatz zu reduzieren sei. Er addiert dabei die Besteuerung von Tochter- und Muttergesellschaft im Niederlassungsstaat, also Körperschaftsteuer (Ausschüttungssteuersatz) und (bis Mitte 1996) Quellensteuer von 5 % auf den ausgeschütteten Gewinn.117 Zusammenfassend sind folglich drei Aspekte in der Stellungnahme des Generalanwalts für die Fragestellung dieser Arbeit von herausgehobener Bedeutung: die dogmatische Fundierung der Rechtsformwahlfreiheit (auch) im Beschränkungsverbot und ihre inhaltliche Lösung vom Diskriminierungsverbot, die Erstreckung der Rechtsformwahlfreiheit auf Wegzugsfälle und die Gegenüberstellung zweier grenzüberschreitender Wirtschaftsvorgänge in einer Gesamtbetrachtung. 3. Entscheidung des EuGH Der EuGH schließt sich der Argumentation und insbesondere der Vergleichspaarbildung des Generalanwalts an: Schon in der Umschreibung des Streitgegenstands stellt er ausschließlich auf den Vergleich zweier Niederlassungsformen einer ausländischen Gesellschaft ab.118 Die freie Wahl der geeigneten Rechtsform solle insbesondere ermöglichen, dass eine grenzüberschreitende Tätigkeit mittels Betriebsstätte unter den gleichen Bedingungen ausgeübt werden könne wie eine Tätigkeit mittels Tochtergesellschaft. Ein höherer Steuersatz auf durch eine Betriebsstätte erzielte Gewinne mache es weniger attraktiv, die Niederlassungsfreiheit durch eine solche auszuüben. Daher sei die freie Wahl der Rechtsform durch die angegriffene Regelung eingeschränkt.119 Rechtfertigungsgründe für eine unterschiedliche Besteuerung erkennt der EuGH nicht an: Zwischen Gewinnausschüttung und Gewinntransfer bestehe kein wesentlicher Unterschied. Letztlich läge der Unterschied allein darin, dass nur erstere einen förmlichen Beschluss voraussetze. In beiden Fällen würden die Gewinne der kontrollierenden Gesellschaft zur Verfügung ge________________________ 116 Generalanwalt Léger, Philippe, Schlussantrag vom 14.04.2005 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831, Rn. 81 ff. 117 Generalanwalt Léger, Philippe, Schlussantrag vom 14.04.2005 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831, Rn. 102 f. 118 EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831, Rn. 11. 119 EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831, Rn. 15 ff.

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Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit

stellt. Ferner läge ohnehin nur formal ein Transfer zwischen zwei Vermögen vor, da in der Regel der Gewinn der Tochtergesellschaft als Gesellschafterdarlehen oder Eigenkapital wieder zur Verfügung gestellt werde („Schüttaus-hol-rück“-Verfahren). Auch der Zusammenhang mit dem Anrechnungsverfahren wird abgelehnt, da der Ausschüttungssteuersatz auch bei Ausschüttung an eine Luxemburger Muttergesellschaft gelte, bei der keine weitere Besteuerung stattfinde.120 Die Regierung hatte diese Inkonsequenz schon eingeräumt.121 Hinsichtlich der Höhe des auf die Betriebsstättengewinne anzuwendenden Steuersatzes verweist der EuGH mit dem Hinweis an das nationale Gericht zurück, dieser Steuersatz sei nach Maßgabe des Steuersatzes zu ermitteln, der im Fall einer Ausschüttung des Gewinns einer Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft „insgesamt“ anzuwenden gewesen wäre.122 4. Bewertung Mit Blick auf die Frage nach einem Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit sind folgende Schlussfolgerungen zu ziehen: Der EuGH stellt als Vergleichspaar zwei grenzüberschreitende Sachverhalte gegenüber. In der Sache handelt es sich jedoch erneut um einen Diskriminierungsfall, weil die begünstigende Regelung (mittelbar) die Ansässigkeit (unbeschränkte Steuerpflicht) voraussetzte. Sachentscheidungserheblich war der Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit folglich nicht, da wiederum zugleich eine Diskriminierung beschränkt Steuerpflichtiger vorlag. Insbesondere aus der Beantwortung der zweiten Vorlagefrage nach der Höhe des auf die Betriebsstättengewinne anzuwendenden Steuersatzes ergibt sich aber auch in der Sache, dass der EuGH einen eigenständigen Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit annimmt: Indem er auf die Belastung von Mutter- und Tochtergesellschaft insgesamt abstellt, macht er deutlich, dass es nicht allein um die Besteuerung der Tochtergesellschaft, sondern um die Belastung der Gewinne im Niederlassungsstaat geht, die ein Unternehmer bei Wahl der Tochtergesellschaft als Investitionsform insgesamt erzielt.123 ________________________ 120 EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831, Rn. 22 ff. 121 Generalanwalt Léger, Philippe, Schlussantrag vom 14.04.2005 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831, Rn. 38. 122 EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831, Rn. 37. 123 Dies bestätigt die Schlussfolgerung aus „Compagnie de Saint-Gobain“, vgl. unter 2. Teil; A; IV; 4.

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Darstellung der Rechtsprechung

VI. „Bosal“ Eine Entscheidung, die auf den ersten Blick keine Bedeutung für die dogmatische Grundlage und inhaltliche Reichweite der Rechtsformwahlfreiheit hat, ist die Entscheidung in der Rechtssache „Bosal“.124 Es wird allerdings in der Literatur vertreten, dass der Rechtsprechung des EuGH eine Ablehnung der Rechtsformwahlfreiheit in Wegzugsfällen zu entnehmen ist.125 Daher ist auf diese Entscheidungen einzugehen. 1. Sachverhalt In dieser Entscheidung ging es um einen Steuernachteil (Nichtabzugsfähigkeit von Beteiligungsaufwand) für niederländische Gesellschaften mit Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten. Soweit die Gewinne dieser ausländischen Tochtergesellschaften, wie regelmäßig der Fall, in den Niederlanden nicht steuerpflichtig waren, war der Finanzierungsaufwand nicht abzugsfähig. Die Regelung unterschied also zwar nicht formell, aber in der Sache nach der Ansässigkeit der Tochtergesellschaften. 2. Stellungnahme des Generalanwalts Die niederländische Regierung führte als Begründung für den Ausschluss der Abziehbarkeit eine Angleichung an die Rechtslage bei Betriebsstätten an.126 Dahinter steht, dass bei Betriebsstätten der Abzug der Finanzierungsaufwendungen auch nicht im Staat des Stammhauses erfolgt, sondern diese der Betriebsstätte zugeordnet werden und damit im Betriebsstättenstaat abziehbar sind. Nach Auffassung der niederländischen Regierung war daher der Staat, in dem die Tochtergesellschaft ansässig war, für den Abzug der Finanzierungsaufwendungen und, indem dies nicht erfolge, für die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit verantwortlich.127 Die niederländische und die britische Regierung brachten vor, die mittelbare Ungleichbehandlung von Gesellschaften mit in- oder ausländischen Tochtergesellschaften sei durch die Kohärenz der Regelung gerechtfertigt, wobei auf eine Gesamtbetrachtung von Mutter- und Tochtergesellschaft abgestellt wurde.128 ________________________ 124 EuGH-Urteil vom 28.9.2003 – Rs. C-168/01 („Bosal“), EuGHE 2003, I-09409. 125 Aarnio, Treatment of permanent establishments and subsidiaries under EC law: towards a uniform concept of secondary establishment in European tax law?, EC Tax Review 2006, S. 18 ff., 23 unter Verweis auf „Bosal“ und EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10857. 126 Vgl. Generalanwalt Alber, Schlussantrag vom 24.09.2002 – Rs. C-168/01 („Bosal“), EuGHE 2003, I 9411, Rn. 16 f. 127 Vgl. Generalanwalt Alber, Schlussantrag vom 24.09.2002 – Rs. C-168/01 („Bosal“), EuGHE 2003, I 9411, Rn. 18. 128 Generalanwalt Alber, Schlussantrag vom 24.09.2002 – Rs. C-168/01 („Bosal“), EuGHE 2003, I 9411, Rn. 19 ff.

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Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit

Der Generalanwalt Alber ging nur im Rahmen der Kohärenz auf den Vergleich mit einer Betriebsstätte ein, indem er feststellte, dass sich die Verknüpfung eines Besteuerungsvorteils auf Ebene der Muttergesellschaft mit einer Belastung der Tochtergesellschaft nicht als kohärente Regelung erweisen kann, da es sich, anders als im Fall von Betriebsstätten, um zwei unterschiedliche Steuerpflichtige mit jeweils eigener Rechtspersönlichkeit und jeweils eigener Besteuerung handele.129 Daher fehle es am unmittelbaren Zusammenhang, den der EuGH für die Annahme von Kohärenz verlange, weil zwei Steuerpflichtige betroffen seien.130 Als Prüfungsmaßstab zugunsten des Steuerpflichtigen wird der Vergleich mit der Betriebsstätte also nicht ins Spiel gebracht. 3. Entscheidung des EuGH Der EuGH stellt in seiner Entscheidung darauf ab, dass es ein Hemmnis für die Errichtung von Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten sei, wenn der Abzug von Beteiligungskosten auf Tochtergesellschaften beschränkt sei, die in den Niederlanden steuerpflichtige Gewinne erzielten.131 Eine Rechtfertigung durch Kohärenzerfordernisse sei nicht möglich, weil es sich um zwei Steuerpflichtige handele.132 4. Bewertung Für die Frage nach der Bedeutung und Ausprägung der Rechtsformwahlfreiheit in der Rechtsprechung des EuGH enthält die Entscheidung in der Rechtssache „Bosal“ keine Aussagen. Eine Berufung auf den Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit durch den Steuerpflichtigen erfolgte gerade nicht, da dieser gegenüber dem beklagten Ansässigkeitsstaat gerade eine Norm in Frage stellte, die bei Betriebsstätten insoweit vergleichbar war, als auch bei diesen der Aufwand nicht im Ansässigkeitsstaat abziehbar war. Damit kam der EuGH zwar bei isolierter Betrachtung des Ansässigkeitsstaats zu einer unterschiedlichen Lösung für beide Niederlassungsformen. Die Entscheidung kann aber nicht als Beleg dafür herangezogen werden, dass der EuGH den Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit nur für den Zuzugsfall anerkenne: Da dieser nicht als Rechtsgrundlage zur Sprache kam, konnte der EuGH ________________________ 129 Generalanwalt Alber, Schlussantrag vom 24.09.2002 – Rs. C-168/01 („Bosal“), EuGHE 2003, I 9411, Rn. 64 f. 130 Zum Rechtfertigungsgrund der Kohärenz siehe EuGH-Urteil vom 7.9.2004 – Rs. C-319/02 („Manninen“), EuGHE I-7477. 131 EuGH-Urteil vom 28.9.2003 – Rs. C-168/01 („Bosal“), EuGHE 2003, I-09409, Rn. 27. 132 EuGH-Urteil vom 28.9.2003 – Rs. C-168/01 („Bosal“), EuGHE 2003, I-09409, Rn. 30 ff.

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Darstellung der Rechtsprechung

sich dazu auch nicht äußern.133 Auch der Widerspruch zur Rechtslage bei Betriebsstätten ist nur auf den ersten Blick gegeben: Unterstellt man, dass in der konkreten Entscheidungssituation, einer Klage gegen den Sitzstaat der Muttergesellschaft, eine Zuordnung des Finanzierungsaufwands zur Tochtergesellschaft wegen des Trennungsprinzips nicht möglich war, realisiert die Abziehbarkeit auf Ebene der Muttergesellschaft größtmögliche Vergleichbarkeit zum Einheitsunternehmen, da nur so der Abzug überhaupt möglich ist. Bei Nichtabziehbarkeit hätte der Konzern gegenüber dem Einheitsunternehmen insgesamt schlechter gestanden.134 Im Ergebnis lassen sich der Rechtssache „Bosal“ daher keine Rückschlüsse auf die Rechtsformwahlfreiheit entnehmen.

VII. „Marks & Spencer“ In der Rechtssache „Marks & Spencer“ wurde der Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit zum ersten Mal in einem Wegzugsfall zur Begründung einer Beschränkung und nicht, wie in der Entscheidung „Bosal“ 135, auf Ebene der Rechtfertigung angesprochen.136 ________________________ 133 A. A. Aarnio, Treatment of permanent establishments and subsidiaries under EC law: towards a uniform concept of secondary establishment in European tax law?, EC Tax Review 2006, S. 18 ff. 134 Vgl. zu dieser Konstellation unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Rechtsformwahlfreiheit nochmals ausführlich im 5. Teil; C; IV. 135 EuGH-Urteil vom 28.9.2003 – Rs. C-168/01 („Bosal“), EuGHE 2003, I-09409. 136 EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10857; Generalanwalt Maduro, Schlussantrag vom 07.04.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10845, Rn. 19; siehe dazu Zanotti, Taxation of Inter-Company Dividends in the Presence of a PE: The Impact of the EC Fundamental Freedoms (Part One), European Taxation 2004, S. 493 ff.; Dörr, Der Fall Marks and Spencer – europaweite Verlustberücksichtigung im Konzern?!, Der Konzern 2003, S. 604 ff.; Dörr, Abschaffung oder Erweiterung der Organschaft?! Zu den möglichen Konsequenzen der Rechtssache „Marks and Spencer plc“, IStR 2004, S. 265 ff.; Meussen, The Marks & Spencer case: reaching the boundaries of the EC Treaty, EC Tax Review 2003, S. 144 ff.; Herzig/Englisch/Wagner, Steuerliche Berücksichtigung von Verlusten ausländischer Konzerntöchter, Der Konzern 2005, S. 298 ff.; Lang, Marks & Spencer – Eine erste Analyse des EuGH-Urteils, SWI 2006, S. 3 ff. Hey, Die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache Marks & Spencer und die Zukunft der deutschen Organschaft, GmbHR 2006, S. 113 ff.; Dötsch/Pung, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung: Muss der deutsche Gesetzgeber wegen der europarechtlichen Entwicklungen reagieren?, Der Konzern 2006, S. 130 ff.; Herzig/Wagner, EuGH-Urteil Marks & Spencer – Grenzüberschreitende Verlustverrechnung in der Gruppe, Der Konzern 2006, S. 176 ff.; Ewald, Berücksichtigung von Verlusten ausländischer Tochtergesellschaften bei Existenz einer Nachversteuerungsregelung im Inland, IStR 2006, S. 155 ff.; Scheunemann, Europaweite Verlust-

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Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit

1. Sachverhalt In „Marks & Spencer“ ging es um die Möglichkeit der Verrechnung von Verlusten ausländischer Tochtergesellschaften mit den Gewinnen der inländischen Muttergesellschaft. Die britische Regelung des „Konzernabzugs“ (group relief) sah eine Verrechnung von Verlusten innerhalb eines Konzerns nur für Konzerngesellschaften mit Sitz oder wirtschaftlicher Betätigung in England vor. Die britische Marks & Spencer plc hatte (mittelbar) Tochtergesellschaften u. a. in Deutschland, Belgien und Frankreich, die seit Mitte der 90er Jahre Verluste erzielten und im Jahr 2001 veräußert bzw. liquidiert wurden.137 2. Stellungnahme des Generalanwalts Hinsichtlich der Rechtsformwahlfreiheit ist aus der Stellungnahme des Generalanwalts Maduro Folgendes von Bedeutung: Ausgehend von einer Betrachtung der Zielrichtung von Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot der Niederlassungsfreiheit wurde die Anwendbarkeit der Rechtsformwahlfreiheit in der vorliegenden Konstellation abgelehnt. Es sei Ziel sowohl des Beschränkungs- als auch des Diskriminierungsverbots, diejenigen Maßnahmen zu erfassen, durch die die Mitgliedstaaten „den innerstaatlichen Handelsverkehr zum Nachteil des innergemeinschaftlichen Handelsverkehrs fördern“.138 Für den Generalanwalt beschränkt sich der Maßstab der Grundfreiheiten also auf den Vergleich des grenzüberschreitenden mit dem innerstaatlichen Vorgang. Daher beschränke sich der Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit in den bisher vom EuGH entschiedenen Fällen „Avoir Fiscal“ 139, „Royal Bank of ________________________ berücksichtigung im Konzern: Steine statt Brot durch die Schlussanträge des Generalanwalts Maduro vom 7.4.2005 im Fall Marks & Spencer?, IStR 2005, S. 303 ff.; Scheunemann, Praktische Anforderungen einer grenzüberschreitenden Verlustberücksichtigung im Konzern in Inbound- und Outboundfällen nach der Entscheidung Marks & Spencer, IStR 2006, S. 145 ff.; Park, A Judge’s Tale: Corporation Tax and Community Law, British Tax Review 2006, S. 322 ff.; Herzig/Wagner, EuGH-Urteil „Marks & Spencer“ – Begrenzter Zwang zur Öffnung nationaler Gruppenbesteuerungssysteme für grenzüberschreitende Sachverhalte, DStR 2006, S. 1 ff.; Sedemund/Sterner, Welche Folgen hat das Urteil „Marks & Spencer“ für das deutsche internationale Steuerrecht?, DStZ 2006, S. 29 ff. 137 Zum Sachverhalt siehe EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10857; Generalanwalt Maduro, Schlussantrag vom 07.04.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10845, Rn. 7 ff. 138 Generalanwalt Maduro, Schlussantrag vom 07.04.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10845, Rn. 39 f. 139 EuGH-Urteil vom 28.1.1986 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 285.

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Darstellung der Rechtsprechung

Scotland“ 140 und „Compagnie de Saint-Gobain“ 141 auf eine „verschleierte Diskriminierung aufgrund der Staatszugehörigkeit der Gesellschaften, die diese Niederlassungen betreiben“.142 Eine solche Diskriminierung liege vor, wenn der Niederlassungsstaat die beiden Niederlassungsformen „auf eine Stufe stelle“, aber dennoch unterschiedlich behandle. Dies sei aber im Fall der britischen Gruppenbesteuerung nicht der Fall, weil die Konzerngesellschaft nur die Verluste der Tochtergesellschaften übernehmen könne, eine vollständige Konsolidierung wie bei der Betriebsstätte aber nicht vorgesehen sei.143 Aus der Wertung des englischen Rechts folge also, dass Tochtergesellschaften und Betriebsstätten nicht gleich zu behandeln seien.144 3. Entscheidung des EuGH Der EuGH geht in seiner Entscheidung auf die Rechtsformwahlfreiheit nicht ein, sondern untersucht einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit allein unter dem Gesichtspunkt einer unterschiedlichen Behandlung von Verlusten einer gebietsansässigen und einer gebietsfremden Tochtergesellschaft.145 Er kommt diesbezüglich zu dem Ergebnis, dass eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vorliege, die aber grundsätzlich gerechtfertigt sei, auch wenn die konkrete Ausgestaltung der englischen Regelung über das erforderliche Maß hinausgehe.146 Auf die in der Vorlagefrage angesprochene Rechtsfrage der Verlustverrechnung bei ausländischen Betriebsstätten geht der EuGH nur im Anschluss an die Feststellung ein, dass grundsätzlich die Begrenzung des Verlustabzugs bei ausländischen Tochtergesellschaften zu rechtfertigen sei. Der Annahme einer grundsätzlich gerechtfertigten Beschränkung stehe die Rechtslage bei Betriebsstätten nicht entgegen.147 ________________________ 140 EuGH-Urteil vom 29.4.1999 – Rs. C-311/97 („Royal Bank of Scotland“), EuGHE 1999, I-2651. 141 EuGH-Urteil vom 21.9.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999, I-6161. 142 Generalanwalt Maduro, Schlussantrag vom 07.04.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10845, Rn. 47. 143 Generalanwalt Maduro, Schlussantrag vom 07.04.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10845, Rn. 47. 144 Vgl. dazu insbesondere Lang, Gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zur Rechtsformneutralität im Steuerrecht?, IStR 2006, S. 397 ff. und ausführlich unter 4. Teil; A; I; 3. 145 EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10857, Rn. 34. 146 EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10857. 147 EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10857, Rn. 51 f.

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Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit

4. Bewertung Generalanwalt und EuGH äußern sich im Hinblick auf die Rechtsformwahlfreiheit unterschiedlich. Der Generalanwalt lehnt einen Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit ab, soweit dieser mehr beinhalten sollte als ein Verbot der Diskriminierung aufgrund der Ansässigkeit des ausländischen Unternehmens mit Betriebsstätte. Der EuGH trifft keine Entscheidung über den Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit. Insbesondere enthält die Entscheidung allerdings auch keine Absage an den Grundsatz für Wegzugsfälle.148 Der EuGH ignoriert die entsprechenden (ablehnenden) Ausführungen des Generalanwalts und löst den Fall allein auf Grundlage des Verbots der Diskriminierung nach der Ansässigkeit. Die Rechtfertigung der Diskriminierung bezieht der EuGH auch auf einen möglichen Verstoß gegen die Rechtsformwahlfreiheit.149 Nähere Aufschlüsse über Grund und Ausmaß der Rechtsformwahlfreiheit sind der Entscheidung in der Rechtssache „Marks & Spencer“ daher nicht zu entnehmen.

VIII. „Futura“ Ein weiterer Fall, in dem die Rechtsformwahlfreiheit zur Sprache kam, ist die Rechtssache „Futura“.150 1. Sachverhalt In dieser Rechtssache ging es um zwei Voraussetzungen für die Verrechnung von Verlustvorträgen einer Betriebsstätte mit aktuellen Gewinnen des ________________________ 148 So aber Aarnio, Treatment of permanent establishments and subsidiaries under EC law: towards a uniform concept of secondary establishment in European tax law?, EC Tax Review 2006, S. 18 ff.; Schlicht nicht nachvollziehbar ist die Einschätzung von Herzig/Wagner, EuGH-Urteil Marks & Spencer – Grenzüberschreitende Verlustverrechnung in der Gruppe, Der Konzern 2006, S. 176 ff., 180, der EuGH habe den Vergleich zurückgewiesen, für die sich in der Urteilsbegründung kein Anhaltspunkt findet. Im Gegenteil: Im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung lässt der EuGH explizit offen, ob auch eine Verletzung der Rechtsformwahlfreiheit gegeben ist, vgl. Rn. 52 des Urteils. So auch Hey, Die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache Marks & Spencer und die Zukunft der deutschen Organschaft, GmbHR 2006, S. 113 ff., 118; Dürrschmidt/Schiller, Verrechnung von Verlusten von Auslandstochtergesellschaften, NZG 2006, S. 103 ff. 149 EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10857, Rn. 51 f. 150 EuGH-Urteil vom 15.5.1997 – Rs. C-250/95 („Futura“), EuGHE 1997, I-2492; siehe Terra/Wattel, European Tax Law, 2005, S. 150; Aarnio, Treatment of permanent establishments and subsidiaries under EC law: towards a uniform concept of secondary establishment in European tax law?, EC Tax Review 2006, S. 18 ff., 23.

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Darstellung der Rechtsprechung

Stammhauses im Betriebsstättenstaat. Zum einen war Voraussetzung ein wirtschaftlicher Zusammenhang der Verluste mit den Gewinnen, mit denen sie verrechnet werden sollten. Zum anderen wurde formell eine gesonderte Betriebsstättenbuchführung nach Artikel 157 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes verlangt.151 2. Stellungnahme des Generalanwalts Generalanwalt Lenz bestätigt mit Verweis auf das Territorialitätsprinzip die Möglichkeit des Betriebsstättenstaats, den Verlustvortrag an einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit inländischen Erträgen zu knüpfen. Zudem führe die gesonderte Buchführung zu einer zusätzlichen Belastung der ausländischen Steuerpflichtigen, die für die Betriebsstätteneinkünfte dann Buchführungspflichten im Ansässigkeits- und im Betriebsstättenstaat zu erfüllen hätten.152 In Bezug auf die Rechtsformwahlfreiheit argumentiert der Generalanwalt Lenz etwas überraschend: Mit dem Hinweis der Luxemburger Regierung konfrontiert, im Falle einer Tochtergesellschaft wäre auch eine gesonderte Buchführung erforderlich, sodass Betriebsstätten und Tochtergesellschaften insoweit gleich behandelt würden, entgegnet der Generalanwalt unter Verweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs in „Avoir Fiscal“ 153, die freie Wahl zwischen den Niederlassungsmöglichkeiten würde eingeschränkt, wenn der Betriebsstätte die gleichen Kosten entstehen würden wie der Tochtergesellschaft. Die Gründung einer Betriebsstätte sei gerade weniger aufwändig und die Wahl dieser Niederlassungsform würde daher weniger attraktiv, wenn sie mit dem gleichen Aufwand verbunden wäre wie die Gründung einer Tochtergesellschaft.154 3. Entscheidung des EuGH Der EuGH greift den Aspekt der Ungleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften nicht auf. Unter Bezugnahme auf seine Rechtsprechung zum Beschränkungsverbot nimmt er eine Beschränkung durch die zusätzliche Last der doppelten Buchführung an.

________________________ 151 EuGH-Urteil vom 15.5.1997 – Rs. C-250/95 („Futura“), EuGHE 1997, I-2492, Rn. 18 ff.; 22. 152 Generalanwalt Lenz, Schlussantrag vom 5.11.1996 – Rs. C-250/95 („Futura“), EuGHE 1997, I-02473. 153 EuGH-Urteil vom 28.1.1986 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 285. 154 Generalanwalt Lenz, Schlussantrag vom 5.11.1996 – Rs. C-250/95 („Futura“), EuGHE 1997, I-02473, Rn. 36.

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Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit

4. Bewertung Konkret im Hinblick auf die Rechtsformwahlfreiheit ergeben sich Schlussfolgerungen nur für die Frage der Aufzeichnungspflichten155: Der EuGH erblickt in dem Erfordernis einer zusätzlichen Buchführungspflicht im Betriebsstättenstaat eine Beschränkung der Grundfreiheiten, auch wenn damit formell eine Gleichstellung mit der Tochtergesellschaft erfolgt.156 Hinsichtlich der materiellen Einschränkung der Verlustberücksichtigung geht der EuGH nicht auf die Ungleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ein, die sich daraus ergibt, dass inländische Gesellschaften, einschließlich der Tochtergesellschaften, auch ausländische Verluste, die nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit inländischen Einkünften stehen, in die Bemessungsgrundlage einbeziehen können.157 Dass insoweit auch eine Ungleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften legitimiert wurde, kam aber augenscheinlich in dem Verfahren nicht zur Sprache.158 Daher können für das materielle Recht keine Schlussfolgerungen auf die Rechtsformwahlfreiheit in der Rechtsprechung des EuGH gezogen werden.

IX. „Sevic“ Ein weiterer Hinweis darauf, dass, jedenfalls im Gesellschaftsrecht, der Grundsatz der freien Wahl der Rechtsform auch im Wegzugsfall gilt, lässt sich der Rechtssache „Sevic“ 159 entnehmen. 1. Sachverhalt In dieser Entscheidung ging es um die Zulässigkeit einer grenzüberschreitenden Verschmelzung. Die deutsche Gesellschaft Sevic wollte die luxemburgische Gesellschaft „SVC“ übernehmen. Nach deutschem Recht war die Verschmelzung nicht möglich, weil das Umwandlungsgesetz nach § 1 UmwG nur auf inländische Rechtsträger anwendbar war.

________________________ 155 Vgl. dazu Schönfeld, Betriebsstättenbesteuerung und Gemeinschaftsrecht, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz (Hrsg), Betriebsstättengewinnermittlung, 2006, S. 577 ff., 650. 156 Siehe zu den „Doppelhürden“ unter 3. Teil; B; II; 3; a. 157 Terra/Wattel, European Tax Law, 2005, S. 137 ff.; 150 ff. 158 EuGH-Urteil vom 15.5.1997 – Rs. C-250/95 („Futura“), EuGHE 1997, I-2492; vgl. zur grenzüberschreitenden Verlustberücksichtigung durch den Betriebsstättenstaat im 5. Teil; A; II; 3; b. 159 EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-411/03 („Sevic“), EuGHE 2005, I-10805.

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Darstellung der Rechtsprechung

2. Stellungnahme des Generalanwalts Der Generalanwalt Tizzano sah neben der – offensichtlichen – Diskriminierung nach der Ansässigkeit auch einen Verstoß gegen die freie Wahl der Rechtsform: Indem die übernehmende deutsche Gesellschaft den Weg einer grenzüberschreitenden Verschmelzung wähle, entscheide sie sich zugleich, dass sie eine ausländische Zweigniederlassung gründe, denn, wenn die übernommene Gesellschaft ihre Selbstständigkeit durch die Verschmelzung verlöre, verbliebe eine solche.160 Würde man den Weg der grenzüberschreitenden Verschmelzung verbauen, so bliebe ihr nur der Erwerb der Anteile an dieser Gesellschaft, was die Begründung einer Tochtergesellschaft zur Folge hätte. Um aus Sicht der Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft die freie Wahl der Rechtsform zu gewährleisten, sei daher eine grenzüberschreitende Verschmelzung zuzulassen.161 3. Entscheidung des EuGH Der EuGH stellt allein darauf ab, dass im grenzüberschreitenden Sachverhalt anders als im inländischen Sachverhalt keine Verschmelzung möglich war, sodass eine Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts vorliege. 4. Bewertung Der Generalanwalt bestätigt, dass die freie Wahl der Rechtsform ein eigenständiger Grundsatz ist, der auch im Wegzugsfall zur Anwendung kommt. Da er aus Sicht der inländischen Gesellschaft argumentiert, liegt kein Diskriminierungsfall vor: Aus ihrer Sicht geht es bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung um einen Wegzugsfall, bei dem eine Betriebsstätte gegründet wird. In dieser Konstellation ist eine Berufung auf das Verbot der Diskriminierung nach der Ansässigkeit ausgeschlossen. In der Sache lag jedoch auch eine Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts vor, sodass die Rechtsformwahlfreiheit für den EuGH nicht entscheidungserheblich war.

X. „Oy AA“ Eine weitere Entscheidung, in der der Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit zur Sprache kam, war die Rechtssache „Oy AA“.162 ________________________ 160 Generalanwalt Tizzano, Schlussantrag vom 7.7.2005 – Rs. C-411/03 („Sevic“), EuGHE 2005, I-10815, Rn. 34 ff. 161 Generalanwalt Tizzano, Schlussantrag vom 7.7.2005 – Rs. C-411/03 („Sevic“), EuGHE 2005, I-10815, Rn. 50. 162 EuGH-Urteil vom 18.7.2007 – Rs. C-231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373.

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Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit

1. Sachverhalt In diesem Verfahren ging es um die Vereinbarkeit einer finnischen Regelung über sog. Konzernbeiträge mit der Niederlassungsfreiheit. Diese Regelung hatte zum Gegenstand, dass Konzerngesellschaften untereinander Zahlungen leisten konnten, die korrespondierend zu einem gewinnmindernden Abzug bei der leistenden Gesellschaft und zu einem einkünfteerhöhenden Ertrag bei der empfangenen Gesellschaft führten. Einbezogen wurden nur Gesellschaften mit Sitz in Finnland. Der finnischen Tochtergesellschaft einer britischen Muttergesellschaft wurde die Zahlung eines Konzernbeitrags mit Hinweis auf die fehlende Inlandsansässigkeit der Muttergesellschaft verweigert. 2. Stellungnahme der Generalanwältin Die Generalanwältin Kokott ging allein auf die Diskriminierung nach der Ansässigkeit, also die Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts, ein. Die Rechtsformwahlfreiheit erwähnte sie nicht.163 3. Entscheidung des EuGH Der EuGH nimmt eine Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts an, weil finnische Tochtergesellschaften ungleich behandelt würden, je nachdem ob die Muttergesellschaft im In- oder Ausland ansässig sei.164 Dabei stellt der EuGH auf beide Seiten des Niederlassungsvorgangs ab: Er stellt sowohl eine Diskriminierung der finnischen Tochtergesellschaften ausländischer Gesellschaften als auch dieser ausländischen Gesellschaften fest.165 Im Hinblick auf die „Beschränkung“ der Niederlassungsfreiheit der Muttergesellschaft geht der EuGH dann auf den Einwand der britischen Regierung ein, die Nachteile hätten durch Gründung einer Betriebsstätte anstelle einer Tochtergesellschaft in Finnland vermieden werden können. Dem hält der EuGH die „freie Wahl der Rechtsform“ entgegen, die nicht durch diskriminierende Steuerbestimmungen eingeschränkt werden dürfe.166 Dahinter steht, dass im Fall der Begründung einer Betriebsstätte in Finnland die Gewinne dieser Betriebsstätte im Grundsatz automatisch Bestandteil des Gewinns des ausländischen Unternehmens gewesen wären. ________________________ 163 Generalanwältin Kokott, Schlussantrag vom 12.09.2006 – Rs. C-231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373, Rn. 24 ff. 164 EuGH-Urteil vom 18.7.2007 – Rs. C-231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373, Rn. 31 ff. 165 EuGH-Urteil vom 18.7.2007 – Rs. C-231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373, Rn. 31 ff. und 39 f. 166 EuGH-Urteil vom 18.7.2007 – Rs. C-231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373, Rn. 40.

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Darstellung der Rechtsprechung

4. Bewertung Die Entscheidung ist insbesondere insoweit von Interesse, als der EuGH damit erneut dokumentiert, dass der Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit aus seiner Sicht nicht nur eine Facette des Diskriminierungsverbots ist: Wäre er das, könnte, wie in „Avoir Fiscal“ 167 und „Compagnie de SaintGobain“ 168, nur der Einwand zurückgewiesen werden, anstelle einer Betriebsstätte hätte auch eine – inländische – Tochtergesellschaft gegründet werden können. Denn nur in diese Richtung besteht ein Gleichlauf der Diskriminierung nach der Rechtsform (zulasten der Betriebsstätte) und nach der Ansässigkeit (zulasten des ausländischen Unternehmens). Im Fall „Oy AA“ hingegen bestand zwar eine Diskriminierung nach der Ansässigkeit, aber auf Ebene der Rechtsform war gerade die (inländische) Tochtergesellschaft gegenüber der Betriebsstätte benachteiligt. Dies zeigt, dass es in Wahrheit um die Beschränkung des ausländischen Wirtschaftsteilnehmers geht, dessen freie Wahl der Rechtsform eingeschränkt würde, könnte er bei Wahl einer Tochtergesellschaft gegenüber inländischen Gesellschaften benachteiligt werden mit dem Hinweis auf die Möglichkeit zur Gründung einer Betriebsstätte. Da Klägerin die finnische Tochtergesellschaft war, spielte die Rechtsformwahlfreiheit der Muttergesellschaft im Verfahren als Anspruchsgrund keine Rolle. Im Rahmen der Diskriminierungsprüfung kann der Verweis auf die Möglichkeit der Begründung einer anderen Rechtsform aber die Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts nicht ausschließen.169

XI. „Columbus Container“ Mit der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „Columbus Container“ 170 nahm die aufgezeigte Rechtsprechungslinie eine nicht zu erwartende Wendung.

________________________ 167 EuGH-Urteil vom 28.1.1986 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 285. 168 EuGH-Urteil vom 21.9.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999, I-6161. 169 Es ist nicht ganz einsichtig, warum der EuGH diesen Einwand auf Ebene der Beschränkung prüft. Da der Hinweis der britischen Regierung wie in „Avoir Fiscal“ und „Compagnie de Saint-Gobain“ als Einwand gegen die Diskriminierung gemeint war, wäre eine Prüfung wie in diesen Urteilen auf Ebene der Rechtfertigung zu erwarten gewesen. 170 EuGH-Urteil vom 6.12.2007 – RS. C 298-05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, 10451, Rn. 53.

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Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit

1. Sachverhalt In dieser Rechtssache ging es um die Vereinbarkeit sog. „Switch-over“Klauseln mit der Niederlassungsfreiheit.171 Diese Regelungen sehen vor, einseitig, d. h. aufgrund nationalen Rechts, von der in einem Doppelbesteuerungsabkommen vereinbarten Freistellungs- zur Anrechnungsmethode zu wechseln. Im konkreten Fall geht es um § 20 Abs. 2 und 3 AStG. Danach wird eine Doppelbesteuerung durch Anrechnung vermieden, wenn die in einer Betriebsstätte anfallenden Einkünfte als Gewinne einer Tochtergesellschaft als Zwischeneinkünfte i. S. v. § 10 Abs. 6 Satz 2, § 8 Abs. 1 AStG gemäß § 7 Abs. 1 AStG steuerpflichtig wären.172 Dies wiederum ist insbesondere davon abhängig, ob sie „einer niedrigen Besteuerung“ i. S. v. § 8 Abs. 3 AStG unterliegen. Im maßgeblichen Zeitraum lag eine niedrige Besteuerung i. d. S. vor, wenn der Steuersatz unter 30 % lag.173 2. Stellungnahme des Generalanwalts Der Generalanwalt Mengozzi ging in seinem Schlussantrag auf die Rechtsformwahlfreiheit nicht ein.174 3. Entscheidung des EuGH In seiner Entscheidung vom 6.12.2007 formuliert der EuGH, dass die Steuerautonomie der Mitgliedstaaten bedeute, dass die Mitgliedstaaten „Bedingungen und Höhe der Besteuerung der verschiedenen Niederlassungsformen von im Ausland tätigen inländischen Gesellschaften festlegen können“175, soweit die Behandlung nicht gegenüber inländischen Niederlassungen diskriminierend sei. Auf seine bisherige Rechtsprechung zur Rechtsformwahlfreiheit geht der EuGH nicht ein. 4. Bewertung Der EuGH bricht mit dieser Formulierung aus seiner bisherigen Rechtsprechungslinie, jedenfalls für Wegzugsfälle, aus, ohne sich mit den bisherigen ________________________ 171 Generalanwalt Mengozzi, Schlussantrag vom 29.3.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451, Rn. 4. 172 § 20 Abs. 3 AStG wurde aufgehoben. 173 Generalanwalt Mengozzi, Schlussantrag vom 29.3.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451, Rn. 10 ff. Siehe dort auch zu den weiteren Voraussetzungen. Heute gilt nach § 20 Abs. 2 i. V. m. § 8 Abs. 3 AStG ein Steuersatz von 25 %. 174 Generalanwalt Mengozzi, Schlussantrag vom 29.3.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451. 175 EuGH-Urteil vom 6.12.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, 10451, Rn. 53.

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Darstellung der Rechtsprechung

Urteilen zur Rechtsformwahlfreiheit zu beschäftigen. Die oben zitierte Urteilspassage überrascht insbesondere aus zwei Gründen: Zum einen ergab sich aus der Stellungnahme des Generalanwalts kein Hinweis, dass der Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit Gegenstand des Verfahrens war. Zum anderen führt die streitgegenständliche Regelung des § 20 Abs. 2 und 3 AStG gerade zu einer Gleichstellung ausländischer Betriebsstätten und Tochtergesellschaften. Zweck der Regelung ist, zu verhindern, dass durch Gründung einer Betriebsstätte die für Zwischengesellschaften (Tochtergesellschaften) geltende Regelung der §§ 7 ff. AStG umgangen werden kann, wenn für die Betriebsstätte die Freistellungsmethode vereinbart ist.176 Die §§ 7 ff. AStG durchbrechen das Trennungsprinzip, also die Abschirmwirkung der Tochtergesellschaft, indem sie die Einkünfte einer ausländischen Tochtergesellschaft der Muttergesellschaft zurechnen und nach Maßgabe des nationalen Rechts unter Anrechnung der ausländischen Steuerlast besteuern. Mit Blick auf die geltende Rechtslage in Deutschland, die ausländische Betriebsstätten und Tochtergesellschaften gerade gleich behandelt, ist die Entscheidung des EuGH insoweit also nicht nur überraschend, sondern auch nicht begründbar. Hintergrund ist offenkundig, ausweislich des die Passage einleitenden Satzes, die Einlassung der Prozessvertreter von Columbus Container Services BVBA & Co.177 Nach dieser könnte durch Gründung einer Tochterkapitalgesellschaft die Anwendung des § 20 Abs. 2 und 3 AStG, also der Anrechnung anstelle der Freistellung, entgangen werden. Dies ist nur zutreffend, wenn man die Nichtanwendbarkeit der §§ 7 ff. AStG unterstellt, weil diese, wie oben ausgeführt, gerade auch bei Tochtergesellschaften zur Besteuerung der ausländischen Gewinne mit Anrechnung der ausländischen Steuern führen. Die Annahme der Nichtanwendbarkeit der §§ 7 ff. AStG (Hinzurechnungsbesteuerung) mag vor dem Hintergrund der EuGH-Entscheidung „Cadbury Schweppes“, in der die britische Hinzurechnungsregelung als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit eingestuft wurde, gut vertretbar sein; als selbstverständlich und daher als maßgebliche Rechtslage in Deutschland kann dies aber nicht unterstellt werden. Zumindest hätte es einer Erläuterung oder inzidenten Prüfung des EuGH bedurft. Dass der EuGH diese unterließ, lässt den Schluss zu, dass er sich der vergleichbaren Regelung für Tochtergesellschaften nicht bewusst war. Aber selbst wenn man wegen der Nichtanwendbarkeit der §§ 7 ff. AStG eine unterschiedliche Rechtslage für Betriebsstätten und Tochtergesell________________________ 176 Dies hatte der Generalanwalt Mengozzi, Schlussantrag vom 29.3.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451, Rn. 35 auch noch zutreffend herausgestellt. 177 EuGH-Urteil vom 6.12.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451, Rn. 52.

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Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit

schaften unterstellt, ist der undifferenzierte Hinweis auf die Rechtsformwahlfreiheit nicht überzeugend und die pauschale Ablehnung dieses Arguments durch den EuGH zu weit geschossen: Wie an anderer Stelle ausführlich dargelegt wird, folgt aus dem Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit nur die grundsätzliche Pflicht zur Gleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften. Soweit aus der zivilrechtlichen Unterschiedlichkeit sachlogisch Differenzierungen folgen, müssen sich diese auch steuerrechtlich auswirken.178 Der Einwand der Prozessvertreter von Columbus Container Services BVBA & Co hätte daher zum einen eine Auseinandersetzung mit dem Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit erfordert. Zum anderen hätte der EuGH die Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften im Hinblick auf die Besteuerung von sog. niedrig besteuerten Gewinnen der Sekundärniederlassung untersuchen müssen. Die nicht differenzierende und begründungslose Ablehnung der Rechtsformwahlfreiheit und die Verkennung der geltenden nationalen Rechtslage lässt den Bruch mit der bisherigen Rechtsprechung in schlechtem Licht erscheinen, selbst wenn im Ergebnis eine unterschiedliche Regelung für ausländische Betriebsstätten und Tochtergesellschaften mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar sein kann. Es ist zu befürchten, dass der EuGH vom Einwand der Prozessvertreter von Columbus Container so irritiert war, dass er das Kind mit dem Bade ausgeschüttet hat.

XII. „KBC“ In der jüngsten Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „KBC“ bestätigte der EuGH die Entscheidung „Columbus Container“. 1. Sachverhalt Gegenstand der Rechtssache war eine Regelung des belgischen Steuerrechts, die die Doppelbelastung von Gewinnen ausländischer Tochtergesellschaften in Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 und 2 der Mutter-Tochter-Richtlinie verhindern sollte. Dies geschah, indem – vereinfacht ausgedrückt – die ausgeschütteten Gewinne der Tochtergesellschaft zunächst in die Bemessungsgrundlage einbezogen und dann vom Gewinn der Muttergesellschaft abgezogen werden konnten (§§ 202 ff. EStGB). Der Abzug war allerdings begrenzt auf die Höhe des Gewinns der Muttergesellschaft im betreffenden Veranlagungszeitraum nach Abzug der steuerfreien Einkünfte.179 ________________________ 178 Vgl. ausführlich zur inhaltlichen Reichweite der Rechtsformwahlfreiheit und zur Zulässigkeit der sachlichen Anknüpfung an zivilrechtliche Unterschied 4. Teil, C, I. 179 EuGH-Urteil vom 4.4.2009 – Rs. C-439/07 und C-499/07 („KBC“), DStRE 2009, 1181, Rn. 9.

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Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

2. Entscheidung des EuGH In seinem Beschluss vom 4.6.2009 zitiert der EuGH mit Blick auf die Frage der Gleichbehandlung der Niederlassungsformen im Wegzugsfall seine Entscheidung in der Rechtssache „Columbus Container“.180 Er kommt daher ohne weitere inhaltliche Auseinandersetzung mit seiner bisherigen Rechtsprechung zur Rechtsformwahlfreiheit zu dem Ergebnis, dass die unterschiedliche Behandlung von Gewinnen einer Gesellschaft je nachdem, ob diese in einer ausländischen Tochtergesellschaft oder Betriebsstätte erzielt werden, nicht gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt, soweit keine Diskriminierung zum vergleichbaren Inlandssachverhalt vorliegt.181 3. Bewertung Die Entscheidung verdeutlicht, dass die Entscheidung in der Rechtssache „Columbus Container“ womöglich kein Ausreißer war. Erneut findet keine Auseinandersetzung mit der bisherigen – hier dargelegten – Rechtsprechung zur Rechtsformwahlfreiheit statt. Für die Begründung der Möglichkeit zur Ungleichbehandlung wird allein der Wortlaut der Entscheidung „Columbus Container“ herangezogen. Aus einer insoweit nahezu unbegründeten und anscheinlich eher versehentlichen Entscheidung „Columbus Container“ 182 scheint daher für den EuGH ein Rechtssatz geworden zu sein, der ohne weitere Differenzierung eine Ungleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften im Wegzugsfall rechtfertigen kann.

B. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Der Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit geht zurück auf die Rechtsprechung des EuGH insbesondere in den Rechtssachen „Avoir Fiscal“ 183, „Compagnie de Saint-Gobain“ 184 und „CLT-UFA“ 185 und zuletzt „Oy AA“ 186. Aus der Analyse dieser Entscheidungen und derjenigen Verfahren, in denen in der Stellungnahme des Generalanwalts die Rechtsform________________________ 180 EuGH-Urteil vom 4.4.2009 – Rs. C-439/07 und C-499/07 („KBC“), DStRE 2009, 1181, Rn. 80. 181 EuGH-Urteil vom 4.4.2009 – Rs. C-439/07 und C-499/07 („KBC“), DStRE 2009, 1181, Rn. 82. 182 Siehe zur Kritik ausführlich 2. Teil; A, XI; 4. 183 EuGH-Urteil vom 28.1.1986 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 285. 184 EuGH-Urteil vom 21.9.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999, I-6161. 185 EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831. 186 EuGH-Urteil vom 18.7.2007 – Rs. C-231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373.

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Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit

wahlfreiheit thematisiert wurde („Commerzbank“ 187, „Bosal“ 188, „Futura“ 189, „Marks & Spencer“ 190 und „Sevic“ 191), können die folgenden Schlüsse gezogen werden, die als Ausgangspunkt einer eigenen Analyse der dogmatischen Grundlage und inhaltlichen Reichweite eines solchen Grundsatzes dienen. Erstens war der Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit bislang nicht entscheidungserheblich. In den besprochenen Zuzugskonstellationen lag eine Benachteiligung von Betriebsstätten gegenüber den Tochtergesellschaften vor, weil die Tochtergesellschaften als inlandsansässige Gesellschaften unbeschränkt steuerpflichtig waren und die privilegierenden Regelungen diese unbeschränkte Steuerpflicht voraussetzten. Damit lag zugleich eine Diskriminierung nach der Ansässigkeit des ausländischen Unternehmens mit Betriebsstätte vor. Allerdings hat der EuGH in den Entscheidungen „Compagnie de Saint-Gobain“ und „CLT-UFA“ und „Oy AA“ im Rahmen eines Vergleichs zweier grenzüberschreitender Sachverhalte Mutter- und Tochtergesellschaft zusammen dem Einheitsunternehmen gegenübergestellt. Die Tochtergesellschaft wurde dabei nicht mehr als Subjekt der Niederlassungsfreiheit, sondern als Objekt der Niederlassungsfreiheit im Rahmen der Diskriminierung nach der Rechtsform betrachtet. Diese Betrachtung kann nur auf der Basis eines eigenständigen Grundsatzes der Rechtsformwahlfreiheit gemacht werden.192 Zweitens ist die dogmatische Grundlage der Rechtsformwahlfreiheit durch den EuGH nicht geklärt. Insbesondere stellt sich die Frage, ob die Grundfreiheiten auch vor Benachteiligungen eines grenzüberschreitenden Wirtschaftsvorgangs schützen, die dieser im Vergleich zu einem anderen grenzüberschreitenden Sachverhalt erfährt oder ob eine Beeinträchtigung der Grundfreiheiten stets allein aus dem Vergleich mit dem korrespondierenden Inlandssachverhalt rühren kann. Ein eigenständiger, d. h. nicht mit dem Gebot der Inländergleichbehandlung deckungsgleicher Grundsatz setzt einen solchen Vergleich zweier grenzüberschreitender Sachverhalte voraus. ________________________ 187 Generalanwalt Darmon, Schlussantrag vom 17.3.1993 – Rs. C-330/91 („Commerzbank“), EuGHE 1993, I 4028. 188 Generalanwalt Alber, Schlussantrag vom 24.09.2002 – Rs. C-168/01 („Bosal“), EuGHE 2003, I 9411. 189 Generalanwalt Lenz, Schlussantrag vom 5.11.1996 – Rs. C-250/95 („Futura“), EuGHE 1997, I-02473. 190 Generalanwalt Maduro, Schlussantrag vom 07.04.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10845. 191 Generalanwalt Tizzano, Schlussantrag vom 7.7.2005 – Rs. C-411/03 („Sevic“), EuGHE 2005, I-10815. 192 Vgl. bereits einleitend zu den zentralen Unterschieden in der Auswirkung beider Grundthesen 1. Teil; A.

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Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Zentral für die dogmatische Fundierung der Rechtsformwahlfreiheit ist damit die Frage nach dem gemeinschaftsrechtlichen Rahmen und insbesondere nach dem Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten. Drittens ist die Reichweite des Grundsatzes infolge der ungelösten dogmatischen Fundierung ungewiss. Geht es nur um eine Facette des Diskriminierungsverbots, beschränkt sich der Grundsatz auf Schlechterstellungen von Betriebsstätten gegenüber Tochtergesellschaften in Zuzugsfällen. Geht es um einen eigenständigen Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit, wären grundsätzlich auch Schlechterstellungen von Tochtergesellschaften gegenüber Betriebsstätten und Wegzugsfällen erfasst. Die Entscheidungen in der Rechtssache „Columbus Container“ und dieser folgend „KBC“ brechen mit der bisherigen Rechtsprechung zur Rechtsformwahlfreiheit. Sie erlauben mangels dogmatischer Auseinandersetzung mit der bisherigen Rechtsprechung und mangels Begründung der Ablehnung der Rechtsformwahlfreiheit aber keine zusätzlichen Erkenntnisse. Auf diese Fragen nach der dogmatischen Grundlage und inhaltlichen Reichweite der Rechtsformwahlfreiheit ist daher im Folgenden einzugehen.

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3. Teil Gemeinschaftsrechtlicher Rahmen der Rechtsformwahlfreiheit Die Analyse der Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit hat die Frage aufgeworfen, wie ein solcher aus der Niederlassungsfreiheit folgender Grundsatz dogmatisch zu begründen ist und wie weit er inhaltlich reicht. Zur Herleitung der dogmatischen Grundlage bedarf es einer Auseinandersetzung mit dem gemeinschaftsrechtlichen Rahmen der Rechtsformwahlfreiheit. Dieser wird in zwei Schritten entwickelt: Im ersten Schritt wird das Konzept des Europäischen Binnenmarkts als Auslegungsmaxime der Grundfreiheiten erläutert; im zweiten Schritt wird der Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten konkret im Hinblick auf die Frage bestimmt, ob die Grundfreiheiten Benachteiligungen eines grenzüberschreitenden Sachverhalts im Vergleich zu einem anderen grenzüberschreitenden Sachverhalt erfassen.

A. Binnenmarktziel als Auslegungsmaxime der Grundfreiheiten Ausgangspunkt für eine Untersuchung des Gewährleistungsgehalts der Grundfreiheiten ist die Betrachtung des Konzepts eines Europäischen Binnenmarkts, welches Zielvorstellung des europäischen Integrationsprozesses ist.193 Der Begriff des Binnenmarkts ist „Dreh- und Angelpunkt“ des Gemeinschaftsrechts und für seine (zukünftige) Gestalt und damit insbesondere für das Verständnis der Grundfreiheiten von zentraler Bedeutung.194 Unsicherheiten über Tragweite und Inhalt der Grundfreiheiten spiegeln zugleich Unsicherheit über die Zielvorstellung des Binnenmarkts wider.195 Das Bild eines Europäischen Binnenmarkts und seine Bedeutung für die Auslegung der Grundfreiheiten wird in drei Schritten entwickelt: Ausgangspunkt sind die Vorgaben des EG-Vertrags. In einem zweiten Schritt wird auf das „Marktprinzip“ des Binnenmarkts eingegangen. Abschließend wird das systematische Verhältnis von Grundfreiheiten und Binnenmarkt betrachtet. ________________________ 193 Vgl. Cordewener, Deutsche Unternehmensbesteuerung und europäische Grundfreiheiten – Grundzüge des materiellen und formellen Rechtsschutzsystems der EG, DStR 2004, S. 6 ff., 6 f. 194 Vgl. zum Binnenmarktkonzept jüngst ausführlich Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, 2006, S. 25 ff. 195 Siehe Kainer, Unternehmensübernahmen im Binnenmarktrecht, 2004, S. 124 ff.

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Gemeinschaftsrechtlicher Rahmen der Rechtsformwahlfreiheit

I. Vorgaben des EG-Vertrags für den Europäischen Binnenmarkt Der EG-Vertrag definiert den Europäischen Binnenmarkt in Art. 14 EG. Er enthält darüber hinaus aber weitere explizite Vorgaben, die zum Verständnis des Binnenmarktkonzepts heranzuziehen sind. Neben den expliziten vertraglichen Vorgaben ist die normhistorische Entwicklung des EG-Vertrags als Anhaltspunkt zu betrachten und ferner auf die implizite Vorgabe durch den Bezug zu den Grundfreiheiten einzugehen. 1. Präambel und Grundsätze des EG-Vertrags Bereits aus der Präambel des EG-Vertrags wird das übergeordnete Ziel der Europäischen Gemeinschaft deutlich: Die Europäische Gemeinschaft soll „einen immer engeren Zusammenschluss der europäischen Völker“196 gewährleisten mit dem Ziel, „Frieden und Freiheit zu wahren“.197 Grundlage dieser politischen Integration zu einem geeinten Europa ist die wirtschaftliche Integration zu einem einheitlichen Binnenmarkt: Durch „Beseitigung der trennenden Schranken“ soll der „wirtschaftliche und soziale Fortschritt“ gesichert werden.198 Die „Beseitigung der bestehenden Hindernisse“ dient der „beständigen Wirtschaftsausweitung“, einem „ausgewogenen Handelsverkehr“ und „redlichem Wettbewerb“.199 Wesentlich ist dafür, die „Volkswirtschaften zu einigen und deren harmonische Entwicklung zu fördern“200; „Beschränkungen im zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehr“ sollen beseitigt werden.201 In den Grundsätzen der Art. 2, 3 und 4 EG wird konkretisiert, wie die wirtschaftliche Integration zu erfolgen hat. Art. 2 EG bringt die Bedeutung des Marktes für die wirtschaftliche und politische Integration zum Ausdruck, wenn er die „Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und einer Wirtschaftsund Währungsunion“ zur Aufgabe der Gemeinschaft macht, um (u. a.) eine „harmonische, ausgewogene und nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftslebens, ein hohes Beschäftigungsniveau“ und den „wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt“ zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern. Der Gemeinsame Markt ist damit das Fundament für die angestrebten Ziele.202 ________________________ 196 197 198 199 200 201 202

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Erwägungsgrund 1. Erwägungsgrund 8. Erwägungsgrund 2. Erwägungsgrund 4. Erwägungsgrund 5. Erwägungsgrund 6. Müller-Graff, A. I. Verfassungsziele der EG/EU, in: Manfred (Hrsg), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, 2006, S. 1 ff., 50 ff. bezeichnet die Aufgaben des Artikel 2 EG als „normgefasste Zielbestimmungen“ in Abgrenzung zu Erwägungen, Motiven

Binnenmarktziel als Auslegungsmaxime der Grundfreiheiten

Art. 2 EG ist nicht nur die „Grundnorm des Integrationsprogramms des EGVertrags“ und der „Fluchtpunkt aller weiteren Bestimmungen“, sondern auch ein rechtsverbindliches Gebot, kein unverbindlicher Programmsatz.203 Art. 3 EG konkretisiert die dafür notwendigen Tätigkeiten der Gemeinschaft, insbesondere im Hinblick auf die Schaffung eines Binnenmarkts, „der durch die Beseitigung der Hindernisse für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten“ gekennzeichnet ist (Art. 3 Abs. 1 lit. c. EG) und eines Systems, „das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen schützt“ (Art. 3 Abs. 1 lit. g EG). Art. 4 EG ergänzt diese Zielvorgabe der Errichtung eines gemeinsamen Binnenmarkts um die Grundsätze der Wirtschaftspolitik, die aus dieser Vorgabe folgen. Grundlage der Errichtung eines Binnenmarkts ist die „Einführung einer Wirtschaftspolitik, die auf (…) dem Binnenmarkt beruht und dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist“. Schließlich verdeutlich Art. 98 Satz 2 EG, was die Kernidee hinter diesem Bekenntnis zu einem auf den Grundsätzen einer freien Marktwirtschaft basierenden Binnenmarkt ist: Der „Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ dient dem „effizienten Einsatz der Ressourcen“. Damit wird nochmals konkreter die Kernidee der europäischen Integration zum Ausdruck gebracht: Die Errichtung eines Binnenmarkts nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen soll zu einer wirtschaftlichen Verflechtung der nationalen Märkte führen, in der Annahme, dass auf diesem Wege die politische Integration gefördert wird. 2. Entwicklung vom Gemeinsamen Markt zum Binnenmarkt Das Konzept des Binnenmarkts wurde durch die Einheitliche Europäische Akte zum 1. Juli 1987 in den EG-Vertrag aufgenommen. Bis dahin war die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes zentraler Begriff des EKGS-Vertrags (Art. 1) und primäres Ziel des EWG-Vertrages (Art. 1 EWG) sowie Mittel (Art. 2 EWG) der harmonischen Entwicklung des Wirtschaftslebens und der wirtschaftlichen wie politischen Integration.204 Die Errichtung eines ________________________ und sonstigen Zielsetzungen; grundlegend dazu Grabitz, Das Recht auf Zugang zum Markt nach dem EWG-Vertrag, in: Stödter/Thieme (Hrsg), Festschrift für Hans Peter Ipsen zum 70. Geburtstag, 1977, S. 645 ff. 203 Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, 2006, S. 49 f.; Basedow, Zielkonflikte und Zielhierarchien im Vertrag über die Europäische Gemeinschaft, in: Due (Hrsg), Festschrift für Ulrich Everling, 1995, S. 49 ff. 204 Zur Entwicklung vom Gemeinsamen Markt zum Binnenmarkt vgl. zusammenfassend Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 2004, S. 8 ff. Grabitz/Von Bogdandy, Vom Gemeinsamen Markt zum Binnenmarkt – Statik und Dynamik des Europäischen Marktes, JuS 1990, S. 170 ff.; Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesell-

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Gemeinschaftsrechtlicher Rahmen der Rechtsformwahlfreiheit

Gemeinsamen Marktes ist heute noch Gemeinschaftsaufgabe (Art. 2 EG), sodass nunmehr beide Begriffe nebeneinanderstehen. Zum Verständnis des Binnenmarktkonzepts ist das Verhältnis von „Binnenmarkt“ und „Gemeinsamer Markt“ von Bedeutung: Der EuGH definierte den Begriff „Gemeinsamer Markt“ in seinem Grundsatzurteil „Gaston Schul“ so, dass der Gemeinsame Markt abstelle „auf die Beseitigung aller Hemmnisse im innergemeinschaftlichen Handel mit dem Ziele der Verschmelzung der nationalen Märkte zu einem einheitlichen Markt, dessen Bedingungen denjenigen eines wirklichen Binnenmarkts möglichst nahe kommen“.205 Kernelemente des Gemeinsamen Markts sind danach erstens die Verschmelzung der nationalen Märkte zu einem binnenmarktähnlichen Markt im ökonomischen Sinne, zweitens der innergemeinschaftliche Handel und drittens ein unverfälschter Wettbewerb.206 Das Marktprinzip und der grenzüberschreitende Wirtschaftsverkehr waren damit von Beginn an Basis und Zielvorstellung des europäischen Einigungsprozesses. Der Gemeinsame Markt unterscheidet sich dabei von der „Vorstufe“ einer Zollunion dadurch, dass nicht nur der freie Warenverkehr, sondern auch die Freiheit der Produktionsfaktoren gewährleistet wird.207 Aus der Stellung des Art. 2 EG folgt die zentrale Bedeutung des enthaltenen Programms: Der Vertrag sieht in der durch einen Gemeinsamen Markt bewirkten Effizienzsteigerung das Instrument zur Förderung der sonstigen vertraglichen Ziele.208 Aus der Formulierung des EuGH wird deutlich, dass die Vorstellung vom Binnenmarkt hinsichtlich der Integrationstiefe über die des Gemeinsamen

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schaftsrecht, 2006, S. 49 ff.; zum Begriff des „Gemeinsamen Marktes“ siehe ausführlich Schubert, Der Gemeinsame Markt als Rechtsbegriff, 1999; Bleckmann, Zum Begriff des Gemeinsamen Marktes im EWG-Vertrag, MDR 1986, S. 5 ff.; Reich, Binnenmarkt als Rechtsbegriff, EuZW 1991, S. 203 ff.; Müller-Graff, Binnenmarktziel und Rechtsordnung, 1989; Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, 2004, S. 123 ff.; grundlegend zur Historie Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 550 ff. EuGH-Urteil vom 5.5.1982 – Rs. 15/81 („Gaston Schul“), EuGHE 1982, 1409, Rn. 33; siehe auch EuGH-Urteil, Rs. 270/80 („Polydor“), EuGHE 1982, 329, Rn. 18. Vgl. Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 2004, S. 9; vgl. zu den „Kernelementen“ des Gemeinsamen Marktes (Grundfreiheiten, Wettbewerbsregeln und gemeinsame Außenhandelsgrenze) Müller-Graff, A. I. Verfassungsziele der EG/EU, in: Manfred (Hrsg), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, 2006, S. 1 ff., 54 (Rn. 126). Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, 2006, S. 35. Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, 2006, S. 52, vgl. Eyles, Das Niederlassungsrecht der Kapitalgesellschaften in der Europäischen Gemeinschaft, 1990, S. 15 ff.

Binnenmarktziel als Auslegungsmaxime der Grundfreiheiten

Markts hinausgeht.209 Auch die Entstehungsgeschichte spricht dafür, dass dieses Verständnis auch der Einführung des Begriffs des Binnenmarkts in den EG-Vertrag zugrunde lag, da die Einheitliche Europäische Akte auf dem Weißbuch der Europäischen Kommission zur Vollendung des Binnenmarkts basiert und in diesem der Binnenmarkt als ein Teilbereich des Gemeinsamen Marktes verstanden wird, der den liberalistischen Freiverkehrsgedanken verstärkt.210 Der EG-Vertrag bekennt sich also zu einem Mehr an Integration und damit insbesondere zu einer tiefergehenden Verflechtung der Mitgliedstaaten in ökonomischer Hinsicht.211 Diese Wertung ist bei der Entwicklung einer Dogmatik der Grundfreiheiten zu beachten.212 Betrachtet man nicht nur das Verhältnis von Gemeinsamem Markt und Binnenmarkt, sondern spannt den Bogen von der Zollunion über den Gemeinsamen Markt und den Binnenmarkt bis zur Wirtschafts- und Währungsunion, so wird der dynamische, sich immer weiter vertiefende Charakter der wirtschaftlichen Integration in der Union noch deutlicher. 3. Ausgestaltung des Binnenmarkts durch die Grundfreiheiten Neben die expliziten Aussagen des EG-Vertrags, wie sie sich aus der Präambel und den Grundsätzen des Vertrags ergeben, und den Schlussfolgerungen, die aus der Aufnahme des Binnenmarktkonzepts in den EG-Vertrag folgen, tritt eine dritte Erkenntnisquelle, auf die hier zunächst nur abstrakt hingewiesen werden soll: Aus der Verweisung von Art. 3 Abs. 1 lit. c und Art. 14 Abs. 2 EG auf die Grundfreiheiten ergibt sich, dass auch der Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten die Gestalt des Europäischen Binnenmarkts mit formt. Die Grundfreiheiten konstituieren den Binnenmarkt und ihre – dynamische – Interpretation verändert das Konzept des Binnen________________________ 209 Das Verhältnis der beiden Begriffe ist dennoch umstritten. Vgl. zusammenfassend Schubert, Der Gemeinsame Markt als Rechtsbegriff, 1999, S. 141 ff.; wie hier Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 2004, S. 10 f.; ebenfalls für eine funktionale Vertiefung schon ausführlich Grabitz, Über die Verfassung des Binnenmarktes, in: Baur/Hopt/Mailänder (Hrsg), Festschrift für Ernst Steindorff zum 70. Geburtstag am 13. März 1990, 1990, S. 1229 ff.; Müller-Graff, A. I. Verfassungsziele der EG/EU, in: Manfred (Hrsg), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, 2006, S. 1 ff., 58 (Rn. 141 ff.); Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, 2004, S. 124 ff. 210 Vgl. Weißbuch zur Vollendung des Binnenmarkts vom 14.6.1985 – KOM (85) 310 endg. und siehe dazu ausführlich Schubert, Der Gemeinsame Markt als Rechtsbegriff, 1999, S. 141 ff.; Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, 2006, S. 62 ff. 211 Dafür spricht auch die zeitgleich eingeführte Rechtsangleichungskompetenz in Art. 95 EG betont Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 2004, S. 11. 212 Ebenso Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, 2004, S. 128 ff.

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Gemeinschaftsrechtlicher Rahmen der Rechtsformwahlfreiheit

markts.213 Die Grundfreiheiten bilden daher den wesentlichen Teil des EGVertrages, der, in der Auslegung durch den EuGH, implizite Aussagen zur Gestalt des Binnenmarkts enthält.214 Die Gewährleistung der Grundfreiheiten wird per definitionem zum Wesensmerkmal des Binnenmarkts.215 Die Wechselwirkung zwischen Binnenmarktziel als Auslegungsmaßstab der Grundfreiheiten und der Ausgestaltung des Binnenmarkts durch die Entwicklung der Grundfreiheiten wird näher beleuchtet, nachdem auf das Marktprinzip im Europäischen Binnenmarkt eingegangen wurde.216

II. Marktprinzip im Europäischen Binnenmarkt Auf der Grundlage der Vorgaben des EG-Vertrags für das Konzept des Binnenmarkts werden im Folgenden die historischen und wirtschaftstheoretischen Grundlagen des Marktprinzips des Binnenmarkts in den Blick genommen, um genauer zu bestimmen, was den „Markt“ i. S. d. Binnenmarkts ausmacht. Der Binnenmarkt ist zugleich ein Rechtsbegriff, der der Auslegung zugänglich ist, und faktisch der Wirtschaftsraum der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft.217 1. Historischer Ursprung des Marktprinzips Für das Verständnis des Binnenmarktkonzepts ist ein Blick auf die historischen Wurzeln von Bedeutung, da diese offenlegen, dass das Konzept des freien Marktes funktional anstelle einer etatistisch-konstitutionellen Vergemeinschaftung gewählt wurde.218 Zum Zeitpunkt der Gründung der Euro________________________ 213 Vgl. aktuell zur dynamischen Entwicklung des Binnenmarkts durch die Interpretation der Grundfreiheiten Gundel, Die Mobilität der Unternehmen im Binnenmarkt – der Beitrag der Grundfreiheiten, EuR – Beiheft 2 – 2006, S. 13 ff. 214 Müller-Graff, Die wettbewerbsverfaßte Marktwirtschaft als gemeineuropäisches Verfassungsprinzip?, EuR 1997, S. 433 ff., 440 ff.; zur Bedeutung der Grundfreiheiten für den Binnenmarkt siehe auch Ehlers, Die Grundfreiheiten des europäischen Gemeinschaftsrechts (Teil I), Jura 2001, S. 266 ff.; Ehlers, Die Grundfreiheiten des europäischen Gemeinschaftsrechts (Teil II), Jura 2001, S. 482 ff. 215 Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, 2004, S. 122. 216 Zur Bedeutung der Grundfreiheiten im Europäischen Binnenmarkt siehe ausführlich unter 3. Teil; A; III. 217 Grabitz, Das Recht auf Zugang zum Markt nach dem EWG-Vertrag, in: Stödter/ Thieme (Hrsg), Festschrift für Hans Peter Ipsen zum 70. Geburtstag, 1977, S. 645 ff.; Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 551; zur wirtschaftstheoretischen Bestimmung des Binnenmarkts als Rechtsanwendungsbegriff vgl. Reich, Binnenmarkt als Rechtsbegriff, EuZW 1991, S. 203 ff. 218 Vgl. dazu ausführlich Kainer, Unternehmensübernahmen im Binnenmarktrecht, 2004, S. 128 ff., der die funktionale Bedeutung des Integrationskonzepts vom 14. Jahrhundert bis in die Gegenwart nachverfolgt. Dazu auch schon Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 168 ff.; Basedow, Über Privatrechtsvereinheitlichung

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päischen Wirtschaftsgemeinschaft im Jahr 1957 fehlte es an der politischen Bereitschaft, die europäischen Völker durch föderalisierende Maßnahmen zu einen. Daher setzten die Gründungsstaaten der Europäischen Gemeinschaft vor dem Hintergrund der kriegerischen Auseinandersetzungen gezielt auf den Markt als ökonomisches Instrument, um eine Verflechtung der Nationalstaaten zu erreichen.219 Die Gewährleistung eines effizienten Einsatzes der Ressourcen auf der Grundlage einer offenen Marktwirtschaft war daher nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel gedacht, über eine Wirtschaftsgemeinschaft zu einem europäischen Gemeinwesen zu gelangen.220 Die Europäische Gemeinschaft wird vor diesem Hintergrund zu Recht als „Zweckverband funktionaler Integration“ bezeichnet.221 Folge der Gestaltung der Integration durch den Markt ist, dass die Integration nicht einem bestimmten Plan folgt, sondern eingebettet ist in die Eigendynamik des Integrationsprozesses; sie wird bewirkt durch das wirtschaftliche Eigeninteresse der Marktteilnehmer.222 „Das Grundgesetz der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, ihre ‚Philosophie‘ ist klar marktwirtschaftlich. Den unverfälschten Wettbewerb im ungeteilten Gemeinschaftsraum ins Spiel zu setzen, das ist das Leitmotiv.“223 Dieser funktionalen Ausrichtung der Gemeinschaft muss Rechnung getragen werden, indem die Auslegung der Grundfreiheiten auf die Verwirklichung einer vertieften wirtschaftlichen Integration nach dem Vorbild eines Binnenmarkts erfolgt. 2. Wirtschaftstheoretische Grundlagen des Marktprinzips Die Vorgaben des EG-Vertrags und der historische Ursprung des Binnenmarktkonzepts verdeutlichen, dass der EG-Vertrag wirtschaftspolitisch nicht neutral ausgestaltet ist, sondern, anders als beispielsweise das Grund________________________

219 220 221 222 223

und Marktintegration, in: Immenga (Hrsg), Festschrift für Ernst-Joachim Mestmäcker, 1996, S. 347 ff.; Mülbert, Privatrecht, die EG-Grundfreiheiten und der Binnenmarkt, ZHR 159 (1995), S. 2 ff. Vgl. mit detaillierter Nachzeichnung der historischen Hintergründe Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, 2006, S. 39 ff.; kritisch dagegen Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 1999, S. 88 f. Vgl. zu den historischen Grundlagen der europäischen Gemeinschaft Müller-Graff, Binnenmarktziel und Rechtsordnung, 1989, S. 33. Müller-Graff, Unternehmensinvestitionen und Investitionssteuerung im Marktrecht, 1984, S. 280 ff. Müller-Graff, A. I. Verfassungsziele der EG/EU, in: Manfred (Hrsg), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, 2006, S. 1 ff. Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, 2006, S. 42. Hallstein, Europäische Gemeinschaft, 1974, S. 27.

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gesetz224, auf klaren ökonomischen Zielsetzungen begründet ist.225 Das Bekenntnis in den Grundsätzen der Art. 2, 3 und 4 EG zu einer offenen Marktwirtschaft und insbesondere die Begründung dieser Grundentscheidung durch die in Art. 98 Satz 2 EG zum Ausdruck gebrachte Kernannahme der freien Marktwirtschaft zeigen, dass der EG-Vertrag ökonomisch auf dem Fundament der (klassisch-)neoklassischen Theorie einer liberalen Ordnung basiert.226 Die Zielsetzung dieser Wirtschaftsordnung ist der freie und ungehinderte Wettbewerb der Wirtschaftsteilnehmer in der Annahme, dass dieser den effizientesten Einsatz der Ressourcen gewährleistet und so zu allgemeiner Wohlfahrtssteigerung führt.227 Diese Grundannahme einer allgemeinen Wohlfahrtssteigerung durch wirtschaftliche Integration basiert im Grundsatz auf drei ökonomischen Vorteilen, die aus der territorialen Erweiterung eines Wirtschaftsraums folgen: Ausnutzung komparativer Kostenvorteile, Skalenerweiterung und Wettbewerbssteigerung.228 ________________________ 224 Vgl. dazu Basedow, Von der deutschen zur europäischen Wirtschaftsverfassung, 1992, S. 19 ff. 225 Vgl. Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 16 ff.; Schön, Der „Wettbewerb“ der europäischen Steuerordnungen als Rechtsproblem, DStJG 23 (2000), S. 191 ff.; Molle, The Economics of European Integration: theory, practice, policy, 2001, S. 337; vgl. auch Brasche, Europäische Integration, 2003, S. 45 ff. 226 Basedow, Von der deutschen zur europäischen Wirtschaftsverfassung, 1992, S. 28: „Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Integration nach den Vorstellungen der Gründer dem Marktmechanismus anvertraut wurde.“ 227 Vgl. zu den wirtschaftstheoretischen Grundlagen des Binnenmarktgedankens ausführlich Basedow, Von der deutschen zur europäischen Wirtschaftsverfassung, 1992, S. 26 ff.; Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 16 ff.; Vanistendael, The compatibility of the basic economic freedoms with the sovereign national tax systems of the Member States, EC Tax Review 2003, S. 136 ff., 141 ff.; Vanistendael, A comparative and economic approach to equality in European Taxation, in: Gocke (Hrsg), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung – Festschrift für Franz Wassermeyer, 2005, S. 522 ff., 533 ff.; Molle, The Economics of European Integration: theory, practice, policy, 2001, S. 337 ff.; Clapham, Die Zollunionstheorie als Grundlage eines regionalen wirtschaftlichen Integrationskonzepts, in: Zippel (Hrsg), Ökonomische Grundlagen der europäischen Integration, 1993, S. 25 ff.; Müller-Graff, Binnenmarktziel und Rechtsordnung, 1989, S. 33; Müller-Graff, Die wettbewerbsverfaßte Marktwirtschaft als gemeineuropäisches Verfassungsprinzip?, EuR 1997, S. 433 ff., 436; Kofler, Wer hat das Sagen im Steuerrecht – EuGH (Teil 1), ÖStZ 2006, S. 106 ff.; Kraft/Bron, Grundfreiheiten und grenzüberschreitende Verschmelzung im Lichte aktueller EuGHRechtsprechung (Sevic), IStR 2006, S. 26 ff.; grundlegend bereits zur Wirtschaftsverfassung Mestmäcker, Macht-Recht-Wirtschaftsverfassung, ZHR 137 (1973), S. 97 ff. 228 Siehe dazu ausführlich Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, 2006, S. 27 ff.; Kainer, Unternehmensübernahmen im Binnenmarktrecht, 2004, S. 131 ff.

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Das ökonomische Modell des komparativen Kostenvorteils geht zurück auf Adam Smith und David Ricardo.229 Offene Märkte und privatautonomes Wirtschaften sind Basis des Prinzips des komparativen Kostenvorteils und führen zu gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtssteigerungen, da die Güter durch internationale Arbeitsteilung dort produziert werden, wo dies am günstigsten ist.230 Kostenvorteile ermöglichen weitere Wirtschaftskraft; Nachfrage führt zu optimaler Ressourcenallokation, weil die Wirtschaftsteilnehmer auf Knappheiten reagieren.231 Für den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr ist daher ein freier Handel anstelle national abgeschirmter Märkte das beste Mittel, um möglichst hohen Wohlstand zu gewährleisten.232 Die effektive und vollständige Umsetzung dieses Konzepts erfordert, dass die Kostenvorteile in einem Mitgliedstaat abgesehen von unvermeidlichen Transportkosten möglichst ungehindert im gesamten Bereich des Binnenmarkts realisiert werden können. Dies impliziert eine umfassende Marktzugangsgarantie.233 Der zweite Vorteil ist die Ausnutzung von Größenvorteilen: Wenn der Kreis der Abnehmer vergrößert wird, ermöglicht Massenproduktion Skalenvorteile und damit den dynamischen Effekt von Kostenersparnis und so weitere Investitionen. Darüber hinaus ermöglichen größere Betriebseinheiten eine erhöhte Spezialisierung und so weitere Effizienzgewinne. Auch die Größenvorteile verlangen nach größtmöglicher Freiheit des Wirtschaftsverkehrs.234 Drittens führt eine Vergrößerung des relevanten Markts zu einer Verstärkung des Wettbewerbsdrucks, da die Anzahl der Konkurrenten mit potenziell ________________________ 229 Smith, An inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, 1776; Ricardo, Grundgesetze der Volkswirtschaft und Besteuerung, Übersetzt von Ed. Baumstark, 1877. Siehe Müller-Graff, Basic Freedoms – Extending Party Autonomy across Borders, in: Grundmann/Kerber/Weatherill (Hrsg), Party Autonomy and the Role of Information in the Internal Market, 2001, S. 133 ff., 134; Clapham, Die Zollunionstheorie als Grundlage eines regionalen wirtschaftlichen Integrationskonzepts, in: Zippel (Hrsg), Ökonomische Grundlagen der europäischen Integration, 1993, S. 25 ff., 26 ff. 230 Vgl. dazu ausführlich Müller-Graff, A. I. Verfassungsziele der EG/EU, in: Manfred (Hrsg), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, 2006, S. 1 ff., 55 (Rn. 128) mit Bezug auf das Ziel der Errichtung eines Gemeinsamen Marktes. 231 Siehe zu diesen Grundgedanken der wirtschaftlichen Kraft eines freien Marktes in Bezug auf den Europäischen Binnenmarkt und zur Bedeutung des Modells des komparativen Kostenvorteils im Binnenmarkt auch Molle, The Economics of European Integration: theory, practice, policy, 2001, S. 14. 232 Frenz, Handbuch Europarecht, Band I, Europäische Grundfreiheiten, 2004, S. 6 (§ 1; Rn. 5 ff.). 233 Kainer, Unternehmensübernahmen im Binnenmarktrecht, 2004, S. 132. 234 Kainer, Unternehmensübernahmen im Binnenmarktrecht, 2004, S. 133.

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effizienterem Angebot größer wird.235 Der Wettbewerb als „Entdeckungsverfahren“ führt folglich zu weiteren Effizienzsteigerungen (Antriebsfunktion).236 Darüber hinaus lenkt er Produkte und Produktionsfaktoren an den Ort, der den rentabelsten Einsatz verspricht, da der Wettbewerb nicht nur auf Anbieterseite besteht, sondern auch auf Nachfrageseite (Steuerungsfunktion). Neben Marktgleichheitsgarantien verlangt die Herstellung des Wettbewerbs auch nach einem freien Zutritt zu allen Teilen des Marktes.237 Diese drei Vorteile einer freien Marktwirtschaft in einem Binnenmarkt basieren fundamental auf dem Vertrauen in die ökonomische Vernunft der Wirtschaftsteilnehmer. „Handelndes Subjekt der Marktverschmelzung ist in diesem Konzept der einzelne Marktbürger.“238 Dies ist für die vorliegende Untersuchung von wesentlicher Bedeutung, weil es gerade um die Frage geht, in welchem Umfang die Grundfreiheiten diese ökonomische Vernunft schützen. Das hier beschriebene Grundkonzept des Binnenmarkts ist daher unmittelbar für das Verständnis der Grundfreiheiten beachtlich, denn alle ökonomischen Vorteile basieren auf einer weitgehend ungehinderten Mobilität der Produktionsfaktoren und Produkte, d. h. insbesondere auf dem ungehinderten Zugang zu allen Teilen des Binnenmarkts.239 Müller-Graff bezeichnet das Grundprinzip des Binnenmarkts zutreffend als „Leitidee der marktmäßigen Selbststeuerung“240. Es geht um die „herrschaftsfreie Koordination privatautonom verantworteter Entscheidungen“ zum Zwecke der europäischen Integration.241 Das Grundkonzept des EG-Vertrags besteht also darin, die „grenzüberschreitende Funktionsfähigkeit der wirtschaftlichen Privatinitiative und Privatautonomie gegenüber staatlichen Sicherungsmaßnahmen“ zu garantieren.242 Das „freie Spiel der Kräfte“ ist der Integrations________________________ 235 236 237 238

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Molle, The Economics of European Integration: theory, practice, policy, 2001. Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, 2006, S. 31. Kainer, Unternehmensübernahmen im Binnenmarktrecht, 2004, S. 133 f. Schubert, Der Gemeinsame Markt als Rechtsbegriff, 1999, S. 137; Müller-Graff, Privatrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1989, S. 17; grundlegend zum „Marktbürger“ Grabitz, Europäisches Bürgerrecht zwischen Marktbürgerschaft und Staatsbürgerschaft, 1970. Siehe dazu ausführlich Vanistendael, A comparative and economic approach to equality in European Taxation, in: Gocke (Hrsg), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung – Festschrift für Franz Wassermeyer, 2005, S. 522 ff., 533 ff. Müller-Graff, Unternehmensinvestitionen und Investitionssteuerung im Marktrecht, 1984, S. 281. Müller-Graff, Unternehmensinvestitionen und Investitionssteuerung im Marktrecht, 1984, S. 284. Müller-Graff, A. I. Verfassungsziele der EG/EU, in: Manfred (Hrsg), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, 2006, S. 1 ff., 54 (Rn. 128).

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mechanismus im Binnenmarkt.243 Daher ist „die Marktöffnung die entscheidende Voraussetzung für die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und des Binnenmarkts“.244 3. Bedeutung des Marktprinzips im Europäischen Binnenmarkt Die Leitvorstellung des EG-Vertrags hat zum Inhalt, die mitgliedstaatlichen Märkte zu einem Markt ohne Binnengrenzen (Art. 14 Abs. 2 EG, Art. 3 Abs. 1 lit. c EG) zu verschmelzen. Zugleich ist der Binnenmarkt aber davon geprägt, dass die Staatlichkeit der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft nicht in Frage gestellt wird, sondern der Binnenmarkt durch den Fortbestand von Regelungsunterschieden gekennzeichnet ist.245 Immanent ist dem Binnenmarkt daher ein Spannungsverhältnis zwischen der Zielvorstellung eines homogenen, einheitlichen europäischen Marktes nach dem Vorbild eines nationalen Binnenmarkts und der gleichzeitigen Anerkennung der föderalen Struktur des Binnenmarkts durch Aufrechterhaltung nationaler Regelungsdivergenzen, wie es sich insbesondere aus den Art. 94 und 95 EG, aber auch aus den Grundentscheidungen des Art. 5 EG und Art. 6 Abs. 3 EUV ergibt.246 Die Anerkennung von national-regulierten Teilen des Binnenmarkts widerspricht allerdings nicht einer Überprüfung dieser Regelungen durch die Anforderungen der Grundfreiheiten.247 Die Mitgliedstaaten sind gehalten, ihre Hoheitsbefugnisse unter Wahrung der Anforderungen des Gemeinschafts________________________ 243 Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, 2006, S. 47. 244 Basedow, Von der deutschen zur europäischen Wirtschaftsverfassung, 1992, S. 39. 245 Steindorff, Unvollkommener Binnenmarkt, ZHR 158 (1994), S. 149 ff., 160; Kainer, Unternehmensübernahmen im Binnenmarktrecht, 2004, S. 140 ff. 246 Siehe aktuell zum Verhältnis von Binnenmarktziel und mitgliedstaatlicher Hoheitsbefugnis Lehner, Das Territorialitätsprinzip im Licht des Europarechts, in: Gocke/ Gosch/Lang (Hrsg), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung – Festschrift für Franz Wassermeyer zum 65. Geburtstag, 2005, S. 241 ff., 245 f.; vgl. dazu auch Kokott/Henze, Ist der EuGH – noch – ein Motor für die Konvergenz der Steuersysteme?, BB 2007, S. 913 ff.; Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, 2004, S. 144 ff. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des EuGH, die mal den einen, mal den anderen Aspekt betont, und einer sorgfältigen Betrachtung der Kompetenzordnung des EG-Vertrags, aus der sich die föderale Struktur der Gemeinschaft ergibt; Jochum, Die Zukunft der Unternehmensbesteuerung in Europa – zugleich eine Analyse der Grenzen europäischen „Richter-Steuerrechts“ –, EuR – Beiheft 2 – 2006, S. 33 ff.; Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, 2006, S. 37; Wollenschläger, Grundfreiheit ohne Markt, 2007, S. 41 ff. 247 Vgl. Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, 2006, S. 45; 54 ff., der von Vergemeinschaftung als „offenes marktgesteuertes System“ spricht (S. 43 ff.).

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rechts auszuüben.248 Selbst dort, wo eine alleinige Kompetenz der Mitgliedstaaten fortbesteht, sind die Regelungen so auszugestalten, dass sie mit den Grundfreiheiten im Einklang sind.249 Mit Unterzeichnung des EG-Vertrags haben sich die Mitgliedstaaten der Geltung der Grundfreiheiten in der Interpretation durch den EuGH unterworfen. Der Gewährleistungsbereich der Grundfreiheiten markiert damit gerade die Grenze der Souveränität der Mitgliedstaaten.250 Die Anerkennung der Souveränität der Mitgliedstaaten und wesentlicher Teile nationaler Gesetzgebungshoheiten, insbesondere auch im Bereich der direkten Steuern, führt aber zugleich dazu, dass nach der gegenwärtigen Konzeption des EG-Vertrags der Binnenmarkt kein Raum ist, in dem nur eine Rechtsordnung existiert oder existieren soll. Es stellt sich daher die Frage, wie das Verhältnis von Binnenmarktziel und nationaler Souveränität aussieht, also welche Vorstellung von Binnenmarkt dem EGVertrag zugrunde liegt.251

________________________ 248 Tendenziell anders allerdings Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, 2004, S. 148 ff.; Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 1999, S. 99 ff. Siehe zum Verhältnis von Binnenmarktkompetenz der EG und Subsidiaritätsprinzip Callies, Die Binnenmarktkompetenz der EG und das Subsidiaritätsprinzip, Göttinger Online-Beiträge zum Europarecht Nr. 25, 2005, S. 1 ff. 249 A. A. Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, 2004, S. 157. 250 Zum Spannungsverhältnis von Grundfreiheiten und Steuerhoheit siehe 3. Teil; B; III; 1; vgl. Seiler, Das Steuerrecht unter dem Einfluss der Marktfreiheiten, StuW 2005, S. 25 ff.; Hey, Erosion nationaler Besteuerungsprinzipien im Binnenmarkt? – zugleich zu den Rechtfertigungsgründen der „Europatauglichkeit“ und „Wettbewerbsfähigkeit“ des Steuersystems, StuW 2005, S. 317 ff.; Hinnekens, Basis and scope of public interest justifications of national tax measures infringing fundamental treaty freedoms, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 73 ff.; Gammie, The compatibility of national tax principles with the single market, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 105 ff.; Vanistendael, The ECJ at the Crossroads: Balancing Tax Sovereignty against the Imperatives of the Single Market, EC Tax Review 2006, S. 413 ff.; Lehner, Begrenzung der nationalen Besteuerungsgewalt durch die Grundfreiheiten und Diskriminierungsverbote des EG-Vertrages, DStJG 23 (2000), S. 263 ff. 251 Vgl. dazu jüngst Schön, Losing Out at the Snooker Table: Cross-Border Loss Compensation for PE’s and the Fundamental Freedoms, in: Hinnekens (Hrsg), Liber Amicorum Vanistendael – A vision on taxes within and outside European borders, 2007, S. 813 ff. sowie Vanistendael, The compatibility of the basic economic freedoms with the sovereign national tax systems of the Member States, EC Tax Review 2003, S. 136 ff.

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Definiert man einen „vollkommenen Binnenmarkt“ als „Raum ohne Rechtsunterschiede“252, vergleichbar einem nationalen Markt, so beschreibt dies den Binnenmarkt der EG nicht zutreffend, da unterschiedliche Rechtsordnungen fortbestehen (sollen). Ein beachtlicher Teil des Schrifttums stellt sich den Binnenmarkt dagegen als Raum vor, der die verschiedenen „offenen, aber parzellierten Teilmärkte“253 der Mitgliedstaaten umschließt. Nach diesem Verständnis ist es daher Aufgabe der Grundfreiheiten, „Gleichheit auf den Teilmärkten“254 zu gewährleisten. Plastisch formuliert soll „Kästchengleichheit“255 erreicht werden. Dieses Bild lässt sich als „unvollkommener Binnenmarkt“ bezeichnen.256 Zwischen der Beschreibung des Binnenmarkts als „vollkommener Binnenmarkt“ mit einheitlicher Rechtsordnung und der Umschreibung als „Markt der Teilmärkte“ steht eine dritte Ansicht: Diese sieht den Binnenmarkt als einheitlichen Markt, der aber die Existenz nationaler Hoheitsbefugnisse nicht ignoriert und auch perspektivisch nicht in Frage stellt. Man könnte dieses Modell als vollkommenen-föderalen Binnenmarkt bezeichnen. In diesem wird der gesamte europäische Markt als ein einheitlicher Markt und die Wirtschaftsteilnehmer als Teilnehmer auf diesem Markt betrachtet. Es wird aber anerkannt, dass es Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen wie in einem föderalen Bundesstaat gibt und dass es Ziel der Marktordnung sein muss, die Nachteile aus dieser föderalen Struktur für grenzüberschreitende Wirtschaftsvorgänge möglichst gering zu halten. In diesem Bild eines Binnenmarkts ist der Grenzübertritt, bildlich gesprochen, nicht ein Verlassen

________________________ 252 So insbesondere Grabitz, Über die Verfassung des Binnenmarktes, in: Baur/Hopt/ Mailänder (Hrsg), Festschrift für Ernst Steindorff zum 70. Geburtstag am 13. März 1990, 1990, S. 1229 ff., 1236. 253 So die Umschreibung von Schön, Unternehmensbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, StbJb 2003/2004, S. 27 ff., 37. 254 Siehe dazu Reimer, Die Auswirkungen der Grundfreiheiten auf das Ertragsteuerrecht der Bundesrepublik Deutschland – Eine Bestandsaufnahme, in: Lehner (Hrsg), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 39 ff., 50 Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 80 ff.; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 829. 255 Birk, Besteuerungsgleichheit in der Europäischen Union, DStJG 19 (1996), S. 63 ff., 65 ff.; 73 ff.; Reimer, Die Auswirkungen der Grundfreiheiten auf das Ertragsteuerrecht der Bundesrepublik Deutschland – Eine Bestandsaufnahme, in: Lehner (Hrsg), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 39 ff., 50; Hey, Perspektiven der Unternehmensbesteuerung in Europa, StuW 2004, S. 193 ff., 194; Tumpel, Europarechtliche Besteuerungsmaßstäbe für die grenzüberschreitende Organisation und Finanzierung von Unternehmen, DStJG 23 (2000), S. 321 ff., 323. 256 Steindorff, Unvollkommener Binnenmarkt, ZHR 158 (1994), S. 149 ff., 160.

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des eigenen Marktes, sondern ein Betreten eines anderen Teils des gleichen Marktes.257 Die Unterscheidung der Sichtweisen und ihre Bedeutung für diese Untersuchung werden am besten deutlich, wenn man die Perspektive eines Wirtschaftsteilnehmers im Binnenmarkt einnimmt.258 Mit zunehmender Integration wird der Binnenmarkt als kohärenter Raum wahrgenommen, über den sich Produktions- und Absatzorte nach ökonomischen Gesichtspunkten verteilen, ohne dass auf die Verwurzelung in einzelnen Parzellen des Marktes noch in hergebrachtem Umfang Rücksicht genommen wird. Die Unternehmensorganisation ist nicht mehr national ausgerichtet, sondern wird nach Produktions- und Wertschöpfungsketten auf den gesamten Binnenmarkt erstreckt. Für den jeweiligen Arbeitsschritt werden nach betriebswirtschaftlichen Gründen unternehmerische Strukturmaßnahmen ohne Rücksicht auf staatliche Grenzen ergriffen.259 Die unterschiedlichen Vorstellungen von der Gestalt des Binnenmarkts führen zu unterschiedlichen Funktionsweiten der Grundfreiheiten: Für einen unvollkommenen Binnenmarkt im Sinne eines „Markts der Teilmärkte“ genügt es, den grenzüberschreitenden Sachverhalt nicht schlechter zu behandeln als den inländischen Sachverhalt, da dann eine Gleichheit auf dem ________________________ 257 Vanistendael, The compatibility of the basic economic freedoms with the sovereign national tax systems of the Member States, EC Tax Review 2003, S. 136 ff., 139 hat diese Vorstellung des Binnenmarkts mit dem Vergleich eines Billardtisches plastisch gemacht: Ein Unvollkommener Binnenmarkt ist nach diesem Bild ein Raum mit (mittlerweile) 27 Tischen, auf denen nach gleichen Regeln gespielt wird. Dem stellt er das Bild eines echten Binnenmarkts als ein Billardtisch gegenüber, an dem 27 Akteure miteinander spielen. 258 Vgl. zu den verschiedenen Sichtweisen und den Bedeutungen für die Reichweite der Grundfreiheiten auch Schön, Losing Out at the Snooker Table: Cross-Border Loss Compensation for PE’s and the Fundamental Freedoms in:; Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, 2006, S. 118 ff. 259 Die EU-Kommission hat in ihrer Mitteilung „Ein Binnenmarkt ohne steuerliche Hindernisse“ dieses Bild eines Binnenmarkts beschrieben: Die „großen EU-Unternehmen betrachten nun die gesamte EU als ihren ‚Inlandsmarkt‘ und bemühen sich daher um den Aufbau EU-weiter Geschäftsstrukturen. Dies hat die Neuorganisation und Zentralisierung von Funktionen innerhalb der Konzerne zur Folge.“ Die Öffnung der nationalen Märkte durch die Integration im Binnenmarkt verspreche Wohlfahrtsgewinne. Unternehmenstätigkeiten würden nicht mehr nach Maßgabe von Landesgrenzen, sondern auf der Grundlage von Produktions- und Wertketten organisiert; Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss – „Ein Binnenmarkt ohne steuerliche Hindernisse“ – vom 23.10.2001, KOM(2001) 582 endg; Arbeitsdokument der Dienststellen der Kommission – „Unternehmensbesteuerung im Binnenmarkt“ – vom 23.10.2001, SEK(2001)1681, S. 24.

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jeweiligen Teilmarkt gewährleistet ist.260 Für das Steuerrecht hat diese Vorstellung z. B. zur Konsequenz, dass jeweils nur die Steuerbelastung durch einen Mitgliedstaat zu betrachten ist.261 Benachteiligungen des grenzüberschreitenden Sachverhalts durch das Zusammenwirken zweier Rechtsordnungen wären nicht erfasst, da es ja jeweils nur um die Gleichheit auf dem Teilmarkt, also die Behandlung durch einen Hoheitsträger geht.262 Nach hier vertretener Auffassung geht die Zielvorstellung eines einheitlichen Binnenmarkts über diesen Zustand eines „Markts der Teilmärkte“ hinaus. Die Ausrichtung auf eine möglichst effiziente Verschmelzung der nationalen Märkte durch ungehinderte Wirtschaftstätigkeit der Marktteilnehmer verlangt eine umfassendere Ausrichtung des Binnenmarktziels: Zwar soll die Unterschiedlichkeit der Rechtsordnungen nicht ignoriert werden; die Wirtschaftsteilnehmer haben daher keinen Anspruch, eine einheitliche Rechtsordnung vorzufinden, wo immer sie agieren. Die Unterschiedlichkeit der Rechtsordnung soll aber möglichst wenig verzerrende Wirkung haben. Dies führt beispielsweise im Steuerrecht dazu, dass dem Steuerpflichtigen im Grundsatz kein Nachteil daraus erwachsen sollte, in welchem Mitgliedstaat eine Tätigkeit besteuert wird oder wo korrespondierende Aufwendungen anfallen. Unterscheidungen zwischen ausländischer und inländischer Besteuerung würden zwangsläufig zu Verzerrungen durch daraus folgende Konzentrationshandlungen führen.263 Solche Konzentrationshandlungen stehen aber im Widerspruch zum Ziel einer optimalen Ressourcenallokation. Daher können auch Verzerrungen der Wahl zwischen zwei Mitgliedstaaten als Tätigkeitsort dem Binnenmarktgedanken widersprechen. Insbesondere sind auch Beeinträchtigungen grenzüberschreitender Wirtschaftsvorgänge

________________________ 260 Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 829; Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 80 ff. 261 Kokott, Die Bedeutung der europarechtlichen Diskriminierungsverbote und Grundfreiheiten für das Steuerrecht der EU-Mitgliedstaaten, in: Lehner (Hrsg), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 1 ff., 6; vgl. dazu 4. Teil; B; I; 3. 262 Reimer, Die Auswirkungen der Grundfreiheiten auf das Ertragsteuerrecht der Bundesrepublik Deutschland – Eine Bestandsaufnahme, in: Lehner (Hrsg), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 39 ff., 50. 263 Siehe zur Auswirkung des Binnenmarktverständnisses auf die Grundfreiheiten und die Besteuerung aktuell auch Schön, Losing Out at the Snooker Table: Cross-Border Loss Compensation for PE’s and the Fundamental Freedoms, in: Hinnekens (Hrsg), Liber Amicorum Vanistendael – A vision on taxes within and outside European borders, 2007, S. 813 ff. Im Einzelnen zu den Auswirkungen auf die Verlustberücksichtigung, die Abziehbarkeit von Finanzierungsaufwendungen und weitere konkrete Besteuerungsfragen im 5. Teil.

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erfasst, die sich aus dem Zusammenwirken zweier Rechtsordnungen ergeben.264 Aus der Zielvorstellung, die nationalen Märkte der Mitgliedstaaten zu einem vollkommenen-föderalen Binnenmarkt zu verschmelzen, folgt zudem eine Ausrichtung des Binnenmarktkonzepts, die über die eines nationalen Binnenmarkts hinausgeht: Die Zielrichtung der Gemeinschaft ist nicht nur die, dass der grenzüberschreitende Wirtschaftsvorgang dem inländischen gleichzustellen ist, sondern spezifisch die, dass eine Marktintegration durch freie, grenzüberschreitende Entfaltung ökonomischer Vernunft gefördert werden soll. Mit anderen Worten: Um aus den nationalen Märkten durch private Wirtschaftstätigkeit einen einheitlichen Wirtschaftsraum zu machen, müssen alle Hindernisse grenzüberschreitender Tätigkeit auf den Prüfstand, sofern sie nicht Folge gemeinschaftskonformer Regelungsunterschiede als solcher sind. Von dieser Zielvorstellung sind damit nicht nur die Beeinträchtigungen des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs erfasst, die gerade aus dem Grenzübertritt resultieren und daher diesen gegenüber dem Inlandsfall benachteiligen, sondern im Grundsatz sind alle Beeinträchtigungen des grenzüberschreitenden Verkehrs relevant, da sie die wechselseitige Integration der Märkte hemmen. Die so formulierte Zielrichtung ist grundlegend für die nun folgende Betrachtung der Bedeutung der Grundfreiheiten im Binnenmarkt und der darauf aufbauenden Bestimmung ihres Gewährleistungsgehalts. Die entscheidende Frage ist, wie die Grenze zwischen den binnenmarktrelevanten Hemmnissen und binnenmarktadäquaten Regelungen zu definieren ist.

III. Bedeutung der Grundfreiheiten im Europäischen Binnenmarkt Der dritte Schritt in der Herausarbeitung eines Binnenmarktbildes nach Betrachtung der Vorgaben des EG-Vertrags und des Marktprinzips im Binnenmarkt ist eine Konkretisierung der Bedeutung der Grundfreiheiten für das Konzept des Binnenmarkts. Dieser Schritt vollzieht sich in drei Teilschritten: Ausgangspunkt ist die Erläuterung der bereits angesprochenen Wechselwirkung zwischen Binnenmarktziel und Grundfreiheitsinterpretation.265. Im Anschluss werden drei potenzielle Wirkebenen der Grundfreiheiten für die Verwirklichung des Binnenmarkts erläutert, von denen wegen der besonderen Bedeutung für die Frage, ob die Grundfreiheiten auch Beeinträchtigungen im Vergleich zweier

________________________

264 Vgl. zur Gesamtbetrachtung ausführlich 4. Teil; B; I; 3. 265 Vgl. abstrakt zur Wechselwirkung von Binnenmarktziel und Grundfreiheitsinterpretation 3. Teil; A; I; 3.

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grenzüberschreitender Sachverhalte erfassen, eine Ebene genauer betrachtet wird. Auf diesen Ergebnissen aufbauend ist eine genaue Bestimmung des Gewährleistungsgehalts der Grundfreiheiten in teleologischer Ausrichtung auf das Binnenmarktziel möglich. 1. Wechselwirkung von Binnenmarktziel und Grundfreiheitsinterpretation Aufbauend auf der Grundidee des Europäischen Binnenmarkts, nämlich dem Vertrauen in die liberale Marktwirtschaft, fällt die zentrale Rolle der Grundfreiheiten in diesem Gefüge unmittelbar ins Auge: Die Grundfreiheiten gewähren dem Wirtschaftsteilnehmer zum Zwecke der Freiheit der individuellen ökonomischen Vernunft einen „Anspruch auf staatlichen Regelungsverzicht“.266 Sie garantieren eine ungehinderte wirtschaftliche Betätigung im grenzüberschreitenden Bereich, um so im Vertrauen auf die Vorteile marktmäßiger Selbststeuerung die wirtschaftliche Integration zu einem einheitlichen Markt voranzutreiben.267 Binnenmarktziel und Grundfreiheiten stehen dabei in einer Wechselbeziehung: Auf der einen Seite dienen die Grundfreiheiten der Verwirklichung des Binnenmarkts und sind daher teleologisch in Ausrichtung auf dieses Ziel zu interpretieren268, wie sich aus dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 lit. c EG ________________________ 266 Behrens, Die Konvergenz der wirtschaftlichen Freiheiten im europäischen Gemeinschaftsrecht, EuR 1992, S. 145 ff. 267 Vgl. Frenz, Handbuch Europarecht, Band I, Europäische Grundfreiheiten, 2004, S. 9 (§ 1; Rn. 12 ff.). 268 Siehe zur Bedeutung der teleologischen Auslegung ausführlich Kainer, Unternehmensübernahmen im Binnenmarktrecht, 2004, S. 88 ff.; Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen: Zulässigkeit und Grenzen der discrimination à rebours nach europäischem Gemeinschaftsrecht und nationalem Verfassungsrecht, 1995, S. 82; Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, 2004, S. 122. Siehe zur Stellung der teleologischen Auslegung im Europarecht Schön, Gemeinschaftskonforme Auslegung und Fortbildung des nationalen Steuerrechts – unter Einfluß des Vorlageverfahrens nach Art. 177 EGV, DStJG 19 (1996), S. 167 ff.; Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 19 f.; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Stand: 2005, Vor Art. 39– 55 EGV, Rn. 96 („Der Gewährleistungsgehalt der Freiheiten ist im Rekurs auf ihre Funktion zu bestimmen, den Binnenmarkt zu verwirklichen“); Müller-Graff, Binnenmarktauftrag und Subsidiaritätsprinzip?, ZHR 159 (1995), S. 34 ff.; Müller-Graff, Die Verdichtung des Binnenmarktrechts zwischen Handlungsfreiheiten und Sozialgestaltung, EuR – Beiheft 1 2002, S. 7 ff.; Grabitz, Das Recht auf Zugang zum Markt nach dem EWG-Vertrag, in: Stödter/Thieme (Hrsg), Festschrift für Hans Peter Ipsen zum 70. Geburtstag, 1977, S. 645 ff.; grundlegend zur Auslegung europäischen (sekundären) Steuerrechts: Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts: das harmonisierte Steuerrecht zwischen nationalem Zivilrecht und europäischem Gemeinschaftsrecht, 1993.

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als auch aus der Verweisung in Art. 14 Abs. 2 EG („gemäß den Bestimmungen dieses Vertrags“) ergibt269, die wie Art. 2 und 4 EG für die Auslegung verbindliche Rechtssätze sind.270 Ihr Gewährleistungsbereich hat folglich diejenigen Betätigungen grenzüberschreitender Wirtschaftstätigkeit zu schützen, die zur Errichtung eines vollkommenen-föderalen Binnenmarkts erforderlich sind. Auf der anderen Seite entwickelt sich das Verständnis des Europäischen Binnenmarkts auch mit der Auslegung der Grundfreiheiten. Weder der Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten noch das Konzept des Binnenmarkts sind dem Vertrag als statischer Inhalt immanent. Vielmehr befindet sich die Europäische Integration in einem dynamischen Prozess und das Verständnis von Binnenmarkt und Grundfreiheiten entwickelt sich wechselseitig weiter.271 Die funktionale Bedeutung der Grundfreiheiten für die Entwicklung des Binnenmarkts hat der EuGH insbesondere durch drei grundlegende Aspekte unterstrichen: Seit der Entscheidung „Van Gend & Loos“ ist die unmittelbare subjektive Berechtigung der Gemeinschaftsangehörigen gegenüber den Mitgliedstaaten anerkannt.272 Dies sollte den Grundfreiheiten größtmögliche Wirkkraft garantieren. Ferner hat der EuGH die unmittelbare Anwendbarkeit und Vorrangstellung des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem nationalen Recht festgestellt.273 Zudem hat der EuGH klargestellt, dass es nicht auf die Form einer Regelung, sondern auf ihre Wirkung ankommt.274 Die Stellung der Wirtschaftsteilnehmer gegenüber materiellen Beeinträchtigungen ihrer Tätigkeit durch die Mitgliedstaaten wurde folglich durch den EuGH sukzessive ausgebaut. Die integrierende Kraft der Grundfreiheiten wird institutionell abgesichert durch eine einheitliche, zentrale Auslegung und Anwendung des EG-Ver________________________ 269 Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, 2004, S. 123. 270 Kingreen, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, 2007, Art. 28–30 EG, Rn. 5; EuGH-Urteil vom 14.12.1961 – Rs. 2 und 3/62 („Kommission/Belgien“), EuGHE 1962, 873, 881 f.; EuGH-Urteil vom 13.5.1971 – Rs. 41-44/70 („International Fruit Company“), EuGHE 1971, 411, Rn. 68 ff.; Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV – nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, 2000, S. 377 („Bindender Charakter des Binnenmarktziels“). 271 Steindorff, Konzentrationskontrolle und Niederlassungsfreiheit, in: Wilke (Hrsg), Festschrift zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin, 1984, S. 789 ff.: „Die Entfaltung gemeinschaftsrechtlicher Regeln im Laufe der Zeit auch durch die Judikatur entspricht dem Verständnis des Gemeinschaftsrechts als Instruments eines Integrationsprozesses“. 272 EuGH-Urteil vom 5.2.1963 – Rs. 26/62 („Van Gend & Loos“), EuGHE 1963, 1 ff.; 25. 273 EuGH-Urteil vom 15.7.1964 – Rs. 6/64 („Costa/ENEL“), EuGHE 1964, 1251; 1269 f. 274 EuGH-Urteil vom 11.7.1974 – Rs. 8/74 („Dassonville“), EuGHE 1974, 837, Rn. 5.

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trages durch den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 220 EG.275 Insbesondere vor dem Hintergrund des dynamischen Charakters des EG-Vertrages kommt daher der Rechtsprechungsanalyse für das Verständnis der Grundfreiheiten eine zentrale Bedeutung zu.276 Über die Auslegung der Grundfreiheiten hinaus haben die Urteile des EuGH die Wirkung, dass sie „den Inhalt, das Ausmaß und die Intensität des Binnenmarkts partikelweise festlegen“.277 Behrens spricht plastisch von einem nicht abgeschlossen „juristischen Entdeckungsprozess“.278 Dies ist für die folgende Bestimmung des Gewährleistungsgehalts der Grundfreiheiten von Bedeutung: Es kann nicht allein darum gehen, das (vorläufige) Ergebnis der Rechtsprechung des EuGH zum Gewährleistungsgehalt präzise zu skizzieren, sondern darüber hinaus ist dem dynamischen Charakter der Entwicklung von Binnenmarkt und Grundfreiheitsverständnis durch eine teleologische Auslegung Rechnung zu tragen, die eine folgerichtige Fortentwicklung der Grundfreiheitsdogmatik gewährleistet. Mit anderen Worten: In der Konzeption von Binnenmarkt und Grundfreiheiten ist angelegt, dass sich das Verständnis von Bedeutung und Inhalt der Grundfreiheiten in Ausrichtung auf das Binnenmarktziel stetig fortentwickelt. 2. Potenzielle Wirkebenen der Grundfreiheiten Um die Bedeutung der Grundfreiheiten für die Verwirklichung des Binnenmarkts weiter zu konkretisieren, wird im Folgenden auf ein Bild zurückgegriffen, das den Binnenmarkt als „Diffusionsprozess“ beschreibt, um die Funktion der Grundfreiheiten in einer Analogie zu physikalischen Parametern anschaulich zu machen.279 Der Diffusionsprozess wird dabei als Ausgleichsprozess definiert, „in dessen Verlauf Teilchen infolge ihrer Wärme________________________ 275 Schön, Gemeinschaftskonforme Auslegung und Fortbildung des nationalen Steuerrechts – unter Einfluß des Vorlageverfahrens nach Art. 177 EGV, DStJG 19 (1996), S. 167 ff.; Everling, Wirtschaftsverfassung und Richterrecht in der Europäischen Gemeinschaft, in: Immenga/Möschel/Reuter (Hrsg), Festschrift für Ernst-Joachim Mestmäcker, 1996, S. 365 ff., 377, auch mit Anmerkungen zu den Problemen richterlicher Rechtsfortbildung. 276 Siehe zur grundlegenden Bedeutung des EuGH für die Gestaltung des Binnenmarkts nur Schubert, Der Gemeinsame Markt als Rechtsbegriff, 1999, S. 147; Kokott, Die Bedeutung der europarechtlichen Diskriminierungsverbote und Grundfreiheiten für das Steuerrecht der EU-Mitgliedstaaten, in: Lehner (Hrsg), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 1 ff., 5. 277 Müller-Graff, Binnenmarktauftrag und Subsidiaritätsprinzip?, ZHR 159 (1995), S. 34 ff., 44. 278 Behrens, Die Konvergenz der wirtschaftlichen Freiheiten im europäischen Gemeinschaftsrecht, EuR 1992, S. 145 ff., 147. 279 Gebauer, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages als Gemeinschaftsgrundrechte, 2004, S. 56 ff.

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bewegung von Orten höherer zu Orten niedrigerer Teilchendichte oder Konzentration diffundieren, sodass sich Dichte- oder Konzentrationsunterschiede ausgleichen“.280 Die Durchmischungsgeschwindigkeit der Teilchen ist von drei Regelfaktoren abhängig: den Unterschieden im Raum, der „Durchlässigkeit“ der Trennwände bzw. Membrane und dem „energetischen Zustand des Materials, das in eine Austauschbewegung gebracht werden soll“.281 Auf den Binnenmarkt übertragen sind die Faktoren, die für die Intensität der wirtschaftlichen Integration durch grenzüberschreitenden Transfer von Wirtschaftsfaktoren sorgen, die Unterschiede der Rahmenbedingungen in den mitgliedschaftlichen Teilmärkten, die „Durchlässigkeit“ der nationalstaatlichen Grenzen und die Regelungen, die die Volatilität der Wirtschaftsfaktoren beeinflussen. Je liberaler die Wirtschaftsbedingungen, desto volatiler die Wirtschaftsfaktoren, desto höher der Grad und die Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Integration. Auf die potenziellen Wirkebenen der Grundfreiheiten übertragen bedeutet dieses Bild Folgendes:282 An der Beeinflussung der Fließgeschwindigkeit infolge unterschiedlicher Rahmenbedingungen können die Grundfreiheiten nicht ansetzen; dies ist Aufgabe der sog. positiven Integration durch Harmonisierung. Die zweite Regelungsgröße (Durchlässigkeit der Grenzen) fällt unmittelbar in den Kernbereich der Grundfreiheiten: Benachteiligungen des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs, insbesondere Diskriminierungen, die aus dem Grenzübertritt resultieren und diesen hindern oder erschweren, sind untersagt. Problematisch ist die dritte Regelungsgröße: Die Grundfreiheiten könnten auch darauf gerichtet sein, die Intensität des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs zu erhöhen, wenn dieser durch Hindernisse erschwert ist, die nicht (nur) mit dem Grenzübertritt verbunden sind. 3. Gedanke der Wahlfreiheit als potenzielle Wirkebene Vor einer konkreten Bestimmung des Gewährleistungsgehalts der Grundfreiheiten soll zunächst abstrakt die eben beschriebene dritte potenzielle Wirkebene, „Intensivierung des Wirtschaftsverkehrs“, näher betrachtet werden, damit das Ergebnis bei der nachfolgenden Analyse von Rechtsprechung ________________________ 280 Gebauer, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages als Gemeinschaftsgrundrechte, 2004, S. 58. 281 Gebauer, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages als Gemeinschaftsgrundrechte, 2004, S. 59. 282 Siehe dazu ausführlich Gebauer, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages als Gemeinschaftsgrundrechte, 2004, S. 61 ff.

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und Literatur zum Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten zugrunde gelegt werden kann. Ausgangspunkt ist eine konkretisierende Abgrenzung zur zweiten Regelungsgröße: Diese erfasst zunächst einmal nur den (diskriminierungsfreien) Zugang zu einem anderen Teilmarkt, also die Fälle, in denen gerade die Überschreitung der nationalstaatlichen Grenze das Hindernis begründet. Sie betrifft damit Regelungen, die den grenzüberschreitenden Vorgang vergleichsweise zum innerstaatlichen Fall schlechter stellen. Hindernisse, die unterschiedslos den grenzüberschreitenden Sachverhalt wie den innerstaatlichen Sachverhalt betreffen, sind insoweit nicht erfasst. Wenn man vereinfachend eine effiziente Ressourcenallokation mit erhöhter Volatilität im Diffusionsmodell gleichsetzt, ist durch die dritte Regelungsgröße weitergehend erfasst, was über die Gewährung des diskriminierungsfreien Zugangs hinaus die Effizienz der Ressourcenallokation erhöhen würde. Der Unterschied zur zweiten Regelungsgröße („Membrandurchlässigkeit“) liegt darin, dass es nicht um die Beseitigung von Beeinträchtigungen des Wirtschaftsverkehrs geht, die aus der Existenz der Grenze resultieren, sondern um Beeinträchtigungen, die bei grenzüberschreitendem Wirtschaftsverkehr strukturell auch im innerstaatlichen Verkehr bestehen. Dies betrifft alle Behinderungen im grenzüberschreitenden Verkehr, die verhindern, dass Produktionsfaktoren und Güter den Ort ihres effizientesten Einsatzes finden.283 Eine Steigerung der effizienten Ressourcenallokation geschieht durch weitgehende Freiheit der ökonomischen Vernunft. Diese Freiheit drückt sich, will man sie auf einen Begriff verengen, im Begriff der „Wahlfreiheit“ aus. Diese Wahlfreiheit bezieht sich dabei auf alle ökonomisch relevanten Aspekte der Wirtschaftstätigkeit, die im Entscheidungsbereich des Wirtschaftsteilnehmers liegen. Dass der Gedanke der Wahlfreiheit zentrales Element eines effizienten Einsatzes der Ressourcen ist und daher nach Vorstellung der Europäischen Gemeinschaft für die wirtschaftliche Integration im Binnenmarkt unter den Schutz des Europarechts zu stellen ist, verdeutlicht beispielhaft die jüngst verabschiedete Dienstleistungsrichtlinie.284 Art. 15 Abs. 2 lit. b der Richtlinie garantiert ausdrücklich, dass die freie Wahl der Rechtsform im Grundsatz geschützt ist. Die Erwägungsgründe 38 und 73 führen aus, dass der Be________________________ 283 Vgl. Schön, Besteuerung im Binnenmarkt – die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, IStR 2004, S. 289 ff., 290; Vanistendael, The compatibility of the basic economic freedoms with the sovereign national tax systems of the Member States, EC Tax Review 2003, S. 136 ff., 142 f. 284 Richtlinie 2006/123/EG vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, Abl. L 376/36 vom 27.12.2006.

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griff der juristischen Person in der Richtlinie es den Wirtschaftsteilnehmern überlassen soll, die nach ihrer Einschätzung geeignete Rechtsform frei zu wählen und dass daher alle Anforderungen, die für Dienstleistungserbringer eine bestimmte Rechtsform vorschreiben, zu überprüfen sind.285 Art. 14 Nr. 2 der Richtlinie schützt die Wahlfreiheit in Bezug auf die Anzahl der Niederlassungen. Art. 14 Nr. 3 schützt die Wahlfreiheit des Dienstleistungserbringers zwischen einer Haupt- und einer Sekundärniederlassung. Dabei ist insbesondere auch eine „Beschränkung der Wahlfreiheit für eine Niederlassung in Form einer Agentur, einer Zweigstelle oder einer Tochtergesellschaft“ unzulässig. Art. 15 Abs. 2 lit. c schützt die Freiheit, in einem Staat mehrere Niederlassungen zu unterhalten. Art. 16 Abs. 2 lit. c untersagt den Mitgliedstaaten die Anforderung einer bestimmten Form oder Infrastruktur. Diesen Regelungen ist gemeinsam, dass sie keine Schlechterstellung spezifisch des grenzüberschreitenden Sachverhalts voraussetzen. Zur Verwirklichung des Binnenmarkts wird vielmehr der wirtschaftlichen Vernunft der Wirtschaftsteilnehmer, die sich in der Auswahl der Optionen der Organisation der Wirtschaftstätigkeit ausdrückt, Raum gegeben. Jedenfalls auf der Ebene der Integration durch Harmonisierung hat der Gedanke der Wahlfreiheit, namentlich auch der Rechtsformwahlfreiheit, also Ausdruck gefunden. Der Gedanke der Wahlfreiheit ist damit als potenzieller Inhalt der Grundfreiheiten identifiziert. Dieser sichert eine effiziente Ressourcenallokation und damit die optimale Vertiefung der ökonomischen Verflechtung der nationalstaatlichen Märkte zu einem einheitlichen Markt. Im Folgenden wird ausgehend von einer Analyse der Rechtsprechung und Literatur zum Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten der Frage konkret nachgegangen, ob die Grundfreiheiten diese „dritte Regelungsgröße“ zur Intensivierung des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs beinhalten. Dabei ist das Binnenmarktkonzept als Auslegungsmaßstab zugrunde zu legen, das mit Blick auf die Vorgaben des EG-Vertrags, auf das Marktprinzip im Binnenmarkt und auf die Bedeutung der Grundfreiheiten im Binnenmarkt entwickelt wurde.

B. Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten Die Analyse der Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit hat ergeben, dass die dogmatische Grundlage und inhaltliche Reichweite der Rechtsformwahlfreiheit ungeklärt sind. Ein eigenständiger Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit setzt einen Vergleich zweier grenzüberschreitender ________________________ 285 Zu einer Ausnahme von dieser Freiheit siehe Erwägungsgrund 71 für bestimmte Dienstleistungen im sozialen Bereich.

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Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten

Sachverhalte voraus, da Einheitsunternehmen und Konzern, also Mutterund Tochtergesellschaft in einer Gesamtbetrachtung, verglichen werden.286 Im Folgenden ist daher der Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten insbesondere daraufhin zu untersuchen, ob dieser Beeinträchtigung des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs umfasst, die sich im Vergleich zu einem anderen grenzüberschreitenden Vorgang ergeben.287 Darauf aufbauend kann anschließend die Frage beantwortet werden, ob und inwieweit die unterschiedliche Besteuerung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften konkret eine von der Niederlassungsfreiheit verbotene Behinderung darstellt.288

I. Ausgangsfrage und Dogmatik der Grundfreiheiten Die Interpretation der Grundfreiheiten durch die Rechtsprechung des EuGH hat zu erheblichen Unsicherheiten darüber geführt, welche mitgliedstaatlichen Maßnahmen vor den Grundfreiheiten Bestand haben, da sie nur schwer operable und dogmatisch nur mühsam zu fassende Maßstäbe liefert.289 Um den Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten zu bestimmen, ist daher eine teleologische Auslegung erforderlich, die die Grundfreiheiten als „Instrumente zur Verwirklichung des Binnenmarktes“ in den Blick nimmt.290 1. Ausgangsfrage Die Kernfrage lautet, welche Beeinträchtigungen des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs von den Grundfreiheiten erfasst werden. Es besteht weitgehende Einigkeit, dass nicht jede Beeinträchtigung wirtschaftlicher Entfaltung als Hindernis für die Grundfreiheiten einzustufen ist.291 Trotz jahrzehntelanger Rechtsprechung und intensiver Diskussion in der Literatur292 ist es bislang kaum gelungen, Einvernehmen über die grundfrei________________________ 286 287 288 289

Vgl. 1. Teil. Vgl. 3. Teil; B. Vgl. 1. Teil. Vgl. Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, 2006, S. 118, sowie den Fall „Komission/Italien“, EuGH-Urteil vom 10.2.2009 – Rs. C-110/05, EuZW 2009, 173. 290 Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Stand: 2005, Vor Art. 39–55 EGV, Rn. 3; Hoffmann, Die Grundfreiheiten des EGVertrages als koordinationsrechtliche und gleichheitsrechtliche Abwehrrechte, 2000, S. 39 ff. 291 Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, 2006, S. 128 f.; sehr weitgehend allerdings Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV – nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, 2000, S. 443. 292 Grundlegend Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002.

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heitlich relevanten Hemmnisse grenzüberschreitender Tätigkeit zu finden. Hintergrund dieser Kontroverse sind die widerstreitenden Zielrichtungen, die bei der Auslegung zu beachten sind. Auf der einen Seite ist vor dem Hintergrund des Binnenmarktziels eine möglichst effiziente Ressourcenallokation durch freie Mobilität der Wirtschaftsteilnehmer und -faktoren sicherzustellen. Auf der anderen Seite steht das Interesse, die den Mitgliedstaaten verbleibenden Kompetenzen zu schonen. Die Rechtsprechung ist daher vor dem Hintergrund fortschreitender Integration bei verbleibenden Hoheitsbefugnissen der Mitgliedstaaten zu betrachten.293 Der Wortlaut der einzelnen Grundfreiheiten lässt wenig konkrete Schlussfolgerungen über die Reichweite des Gewährleistungsgehalts zu: Art. 43 Abs. 1 EG, Art. 49 Abs. 2 EG und Art. 56 Abs. 1 EG sprechen von „Beschränkungen“. Art. 43 Abs. 2 EG und Art. 50 Abs. 3 EG wiederum nehmen Bezug auf den Grundsatz der Inländergleichbehandlung. Der Wortlaut lässt damit eine Auslegung der Grundfreiheiten im Sinne eines Beschränkungsverbots zweifellos zu, erlaubt jedoch nur wenig Klarheit über die konkrete Reichweite dieses Tatbestands.294 Versucht man, die Basislinie der Diskussion und damit die Ausgangsfrage der folgenden Untersuchung zu formulieren, so geht es darum, ob lediglich Schlechterstellungen grenzüberschreitender Vorgänge im Vergleich zum vergleichbaren Inlandssachverhalt als Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten in Betracht kommen oder ob auch weitere Hindernisse des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs erfasst sind. Üblicherweise wird diese Frage danach formuliert, ob die Grundfreiheiten neben dem Diskriminierungsverbot und einem „gleichheitsrechtlichen“ Beschränkungsverbot auch ein „freiheitsrechtliches“ Beschränkungsverbot enthalten.295 Das gleichheitsrechtliche Beschränkungsverbot wird dabei als Benachteiligung eines grenzüberschreitenden Sachverhalts im Vergleich zum korrespondierenden Inlandssachverhalt durch die Regelung des Herkunftsstaates angesehen. Das freiheitsrechtliche Beschränkungsverbot wird hingegen auf „absolute“ Beschränkungen bezogen, also Behinderungen, die sich nicht aus einem Vergleich mit der Regelung des korrespondierenden ________________________ 293 Siehe zum Spannungsverhältnis zwischen nationalstaatlicher Hoheitsgewalt und Binnenmarktziel 3. Teil; A; II; 3 sowie Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 39 ff. 294 Zur Abgrenzung von Diskriminierung und Beschränkung siehe 3. Teil; B; II; 2. 295 Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 175 ff.; Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 51 ff.; Schnitger, Die Grenzen der Einwirkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrags auf das Ertragsteuerrecht, 2006, S. 170 ff.; Wollenschläger, Grundfreiheit ohne Markt, 2007, S. 41 ff.

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Inlandssachverhalts ergeben, sondern den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr für sich beeinträchtigen.296 2. Dogmatik der Grundfreiheiten Bevor der Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten begründet wird, ist auf die Grundzüge ihrer Dogmatik einzugehen, soweit dies zum Verständnis ihrer Bedeutung und ihres Inhalts erforderlich ist. Die Grundfreiheiten sind nach der Rechtsprechung des EuGH unmittelbar anwendbare Individualrechte, können also insbesondere vor den mitgliedstaatlichen Gerichten eingeklagt werden.297 Der EuGH hat dogmatisch bei allen Grundfreiheiten den Blickwinkel von personenbezogenen Schutzrichtungen auf einen Schutz des Wirtschaftsvorgangs als solchen erweitert.298 Freiheitsberechtigt sind daher alle an diesem Vorgang Beteiligten, also aktive und passive Marktteilnehmer.299 Zudem sind Marktzugang und Marktaustritt gleichermaßen geschützt, d. h., die Grundfreiheiten richten sich an den Herkunfts- und an den Aufnahmestaat.300 ________________________ 296 Siehe zur Terminologie nochmals ausführlich unter 3. Teil; B; II; 2 und vgl. zum aktuellen Stand in der Literatur Cordewener, The prohibitions of discrimination and restriction have both been intended to achieve a fully integrated internal market in the European Union, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 1 ff., 3; Reimer, Die Auswirkungen der Grundfreiheiten auf das Ertragsteuerrecht der Bundesrepublik Deutschland – Eine Bestandsaufnahme, in: Lehner (Hrsg), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 39 ff., 43 ff.; Schnitger, Die Grenzen der Einwirkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrags auf das Ertragsteuerrecht, 2006, S. 170 ff., der dabei allerdings fälschlich eine Gleichbedeutung von „Quasibeschränkung“ und „freiheitsrechtlichem Beschränkungsverbot (i. e. S.)“ postuliert (Fn. 38); siehe zu „Quasibeschränkungen“ dagegen Generalanwalt Geelhoed, Schlussantrag vom 29.06.2006 – Rs. C-524/04 („Test Claimants in the Thin Cap Group Lititgation“), EuGHE 2007, I-2107, Rn. 40 und 3. Teil; B; IV; 3; c. 297 Cordewener, Deutsche Unternehmensbesteuerung und europäische Grundfreiheiten – Grundzüge des materiellen und formellen Rechtsschutzsystems der EG, DStR 2004, S. 6 ff., 7. 298 Siehe für die Niederlassungsfreiheit 1. Teil; C; I; 2. 299 Ausführlich dazu Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 234 ff. 300 Diese Entwicklung ist im Wortlaut der Grundfreiheiten nicht unmittelbar angelegt: Art. 43 Abs. 2 EG nimmt beispielsweise Bezug auf den Grundsatz der Inländergleichbehandlung, der sich an den Aufnahmestaat allein richtet. Auch aus der Existenz des Art. 29 EG, der sich an den Herkunftsstaat richtet, könnte im ersten Zugriff e contrario für die anderen Grundfreiheiten gefolgert werden, dass sie sich nur an den Aufnahmestaat richten. Die Teleologie der Grundfreiheiten gebietet aber ebenso wie die Konvergenz der Gewährleistungsgehalte eine einheitliche Erstreckung auf den Herkunftsstaat, vgl. dazu auch Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 200 ff.; 249 ff.; Kofler, Doppelbesteuerungsabkom-

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Der Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten wird im Folgenden einheitlich für alle Grundfreiheiten betrachtet.301 Voraussetzung dieser übergeordneten Betrachtung der Gewährleistungsgehalte ist eine übergreifende dogmatische Entwicklung der Grundfreiheiten, die als „Konvergenz“ umschrieben wird. Dabei geht es um die Entwicklung einer einheitlichen dogmatischen Struktur aller Grundfreiheiten.302 Eine Konvergenz besteht dabei nicht nur auf der Tatbestandsebene, sondern auch auf der Ebene der Rechtfertigungsgründe (sog. „Gegenkonvergenz“303). Hintergrund dieser dogmatischen Konzeption der Grundfreiheiten ist das gemeinsame Fundament des Binnenmarktprinzips in Art. 14 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 1 lit. c EG, das es erlaubt, die verschiedenen Marktfreiheiten als Ausdruck einer einheitlichen Konzeption zu verstehen.304 ________________________

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men und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 70 ff.; Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 63 ff. Vgl. zum Verhältnis der Niederlassungsfreiheit zu den anderen Grundfreiheiten Schön, Die Niederlassungsfreiheit von Kapitalgesellschaften im System der Grundfreiheiten, in: Schneider/Hommelhoff/Schmidt/Timm/Grunewald/Drygala (Hrsg), Festschrift für Marcus Lutter 2000, S. 685 ff., 689; siehe zur Abgrenzung der Grundfreiheiten aktuell Generalanwalt Léger, Schlussantrag vom 2. Mai 2006 – Rs. C-196/04 („Cadbury Schweppes“), EuGHE 2006, I-7995, Rn. 31 ff.; Generalanwalt Geelhoed, Schlussantrag vom 29.06.2006 – Rs. C-524/04 („Test Claimants in the Thin Cap Group Lititgation“), EuGHE 2007, I-2107, Rn. 31 ff. Dies wird mittlerweile nahezu allgemein anerkannt. Grundlegend Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 103 ff.; siehe auch Behrens, Die Konvergenz der wirtschaftlichen Freiheiten im europäischen Gemeinschaftsrecht, EuR 1992, S. 145 ff.; Eberhartinger, Konvergenz und Neustrukturierung der Grundfreiheiten, EWS 1997, S. 43 ff.; Hilson, Discrimination in Community free movement law, European Law Review 1999, S. 445 ff.; Jarass, Elemente einer Dogmatik der Grundfreiheiten II, EuR 2000, S. 705 ff.; Jarass, A Unified Approach to the Fundamental Freedoms, in: Andenas/Roth (Hrsg), Services and Free Movement in EU Law, 2002, S. 141 ff.; Maduro, Harmony and Dissonance in Free Movement, in: Adenas/Roth (Hrsg), Services and Free Movement in EU Law, 2002, S. 41 ff.; Roth, Die Niederlassungsfreiheit zwischen Beschränkungs- und Diskriminierungsverbot, in: Schön (Hrsg), Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, 1997, S. 729 ff.; Schneider, Zum Funktionswandel der Grundfreiheiten des EGV und zu seinen Auswirkungen auf das nationale Recht, Neue Justiz 1996, S. 512 ff.; vgl. auch Schnitger, Die Grenzen der Einwirkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrags auf das Ertragsteuerrecht, 2006, S. 174 ff. mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 130 ff. Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 33; Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV – nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, 2000, S. 366; Vanistendael, A comparative and economic approach to equality in European Taxation, in: Gocke (Hrsg), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung – Festschrift für Franz Wassermeyer, 2005, S. 522 ff., 534.

Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten

Der Anwendungsbereich der Grundfreiheiten wird durch das Erfordernis eines grenzüberschreitenden Elements beschränkt; in reinen Inlandsfällen fehlt es den Grundfreiheiten an der Binnenmarktrelevanz.305 Für diese Sichtweise spricht schon der Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 lit. c EG, der von Hindernissen „zwischen den Mitgliedstaaten“ spricht.306

II. Rechtsprechung des EuGH außerhalb des Steuerrechts Die Rechtsprechung des EuGH und die sich damit befassende Literatur ist mittlerweile kaum noch zu überschauen.307 Der Schwerpunkt der folgenden Analyse beschränkt sich auf die durch die Rechtsformwahlfreiheit aufgeworfene Frage, inwieweit die Grundfreiheiten Beeinträchtigungen des ________________________ 305 Vgl. EuGH-Urteil vom 28.1.1992 – Rs. C-332/90 („Steen“), EuGHE 1992, I-341, Rn. 9; Cordewener, The prohibitions of discrimination and restriction have both been intended to achieve a fully integrated internal market in the European Union, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 1 ff., 7; Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, 2004, S. 135 ff. sowie ausführlich S. 259 ff.; zweifelnd nach Einführung des allgemeinen Freizügigkeitsrechts von Unionsbürgern infolge der resultierenden Inländerdiskriminierung Kokott, Die Bedeutung der europarechtlichen Diskriminierungsverbote und Grundfreiheiten für das Steuerrecht der EUMitgliedstaaten, in: Lehner (Hrsg), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 1 ff., 14 f.; a. A. nur Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV – nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, 2000, S. 55 ff.; Schubert, Der Gemeinsame Markt als Rechtsbegriff, 1999, S. 378 ff. 306 Nach Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 1999, S. 115 ff., ist das grenzüberschreitende Element nicht Anwendungsvoraussetzung, sondern Strukturelement; die Grundfreiheiten basierten auf der spezifischen Benachteiligung des grenzüberschreitenden Sachverhalts, näher dazu 3. Teil; B; IV; 1. 307 Grundlegend: Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002. Für einen aktuellen Überblick siehe Cordewener, The prohibitions of discrimination and restriction have both been intended to achieve a fully integrated internal market in the European Union, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 1 ff.; Gammie, The compatibility of national tax principles with the single market, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 105 ff.; Hinnekens, Basis and scope of public interest justifications of national tax measures infringing fundamental treaty freedoms, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 73 ff.; Lehner, Tax consequences resulting from the application of the non-restriction principles in areas other than taxation: distinction between discriminatory and non-discriminatory restrictions, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 47 ff.; vgl. auch Jarass, Elemente einer Dogmatik der Grundfreiheiten II, EuR 2000, S. 705 ff.; Englisch, The European Treaties’ Implications for Direct Taxes, Intertax 2005, S. 310 ff., 316; zusammenfassend Wollenschläger, Grundfreiheit ohne Markt, 2007, S. 41 ff.

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grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs erfassen, die sich nicht aus einer Schlechterstellung zum vergleichbaren Inlandssachverhalt ergeben.308 1. Entwicklung vom Gebot der Inländergleichbehandlung zum Verbot der Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts Bevor der Frage nach der Vergleichbarkeit zweier grenzüberschreitender Sachverhalte nachgegangen wird, ist aus zwei Gründen auf die Entwicklung der Rechtsprechung zum Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten im Übrigen einzugehen: Erstens dokumentiert die Entwicklung der Rechtsprechung, dass sich das dogmatische Verständnis in einem dynamischen Prozess befindet, in dem die Grundfreiheiten in immer stärkerem Maße auf den Schutz der individuellen ökonomischen Vernunft ausgerichtet werden.309 Zweitens ist vor dem Hintergrund des entwicklungsoffenen, dynamischen Charakters der Grundfreiheiten eine dogmatisch folgerichtige Weiterentwicklung des Grundfreiheitsverständnisses nur auf der Grundlage einer Analyse der bisherigen Entwicklung möglich.310 Die Entwicklung der Rechtsprechung dokumentiert die wachsende Erkenntnis, dass sich Beeinträchtigungen der Binnenmarktintegration nicht nur aus Regelungen ergeben, die schon tatbestandlich zwischen In- und Ausländern differenzieren, sondern dass die Mobilität von Wirtschaftsteilnehmern, Produkten und Produktionsfaktoren einer Vielzahl von Hemmnissen unterliegt. Eine dogmatische Weiterentwicklung muss daher an diesen Prozess anknüpfen. Im Grundsatz lassen sich drei Schritte in der Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH unterscheiden: Ausgehend von einem Gebot der Inländergleichbehandlung erfolgte in einem ersten Schritt die tatbestandliche Erweiterung des Diskriminierungstatbestandes. Dem folgte die Entwicklung eines Beschränkungsverbots, das in der Sache auf dem Vergleich zum Inlandssachverhalt aufbaut.311 In einem dritten, sehr umstrittenen Schritt kam ________________________ 308 Im Folgenden wird allein die Ebene der Diskriminierung/Beschränkung betrachtet. Ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten liegt freilich nur bei Fehlen eines Rechtfertigungsgrundes vor. Auf die durch den EuGH anerkannten Rechtfertigungsgründe wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen. 309 Zum dynamischen Charakter des Binnenmarktziels und des Gewährleistungsgehalts der Grundfreiheiten siehe 3. Teil; A; III; 1. 310 Zur Bedeutung für des dynamischen Charakters des Binnenmarktziels und des Gewährleistungsgehalts der Grundfreiheiten für die Auslegung siehe 3. Teil; A; III; 1 (a. E.). 311 Siehe bereits 3. Teil; B; I; 1. Diese Begrifflichkeiten werden allerdings sowohl vom EuGH als auch in der Literatur sehr unterschiedlich verwendet, vgl. Cordewener, The prohibitions of discrimination and restriction have both been intended to achieve a fully integrated internal market in the European Union, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 1 ff., 3; Reimer, Die Auswirkungen der Grund-

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der EuGH zu vereinzelten Entscheidungen, die man nur unter ein „echtes“ Beschränkungsverbot in dem Sinne subsumieren kann, dass der Vergleich mit dem Inlandssachverhalt nicht mehr zum Maßstab gemacht wurde.312 Da die Rechtsformwahlfreiheit den Vergleich zweier grenzüberschreitender Sachverhalte voraussetzt, ist für die Einordnung der Rechtsformwahlfreiheit in die Dogmatik der Grundfreiheiten die Reichweite des Beschränkungsverbots, insbesondere die Frage nach einem echten Beschränkungsverbot, von besonderer Bedeutung. a) Entwicklung des Diskriminierungsverbots Zentrales Element der Grundfreiheiten und Ausgangspunkt der Rechtsprechung des EuGH ist das Gebot der Inländergleichbehandlung, das nach einhelliger Auffassung allen Grundfreiheiten gemeinsam ist.313 Die Diskriminierung ist die Grundform der Beschränkung.314 Doch können die meisten Fälle einer Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts mit dem Gebot der Inländergleichbehandlung nicht erfasst werden, weil nur wenige Tatbestände an die Staatsangehörigkeit anknüpfen (offene Diskriminierungen). Doch führen faktisch auch andere Regelungen zur Schlechterstellung ausländischer Marktteilnehmer.315 Zudem richtet sich das Gebot der Inländergleichbehandlung naturgemäß nur an den Aufnahmestaat.316 Der EuGH hat folgerichtig den Tatbestand des Diskriminierungsverbots schrittweise in unterschiedlicher Form erweitert. Zunächst entwickelte der EuGH (u. a.) die Begriffe der versteckten, mittelbaren, verschleierten, indirekten, verdeckten und faktischen Diskriminierung, um auch Fälle dem Diskriminierungsverbot unterordnen zu können, bei denen ausländische Marktteil________________________

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freiheiten auf das Ertragsteuerrecht der Bundesrepublik Deutschland – Eine Bestandsaufnahme, in: Lehner (Hrsg), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 39 ff., 43 ff. Zur hier verwendeten Terminologie siehe ausführlich unter 3. Teil; B; II; 2. Zusammenfassend aktuell Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 55 ff.; zur historischen Entwicklung Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 230 ff. Jarass, Elemente einer Dogmatik der Grundfreiheiten II, EuR 2000, S. 705 ff., 709. Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 55 ff. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 111 ff. Beispielhaft EuGH-Urteil vom 7.2.1979 – Rs. 136/78 („Auer“), EuGHE 1979, 437, Rn. 21 („die Niederlassungsfreiheit (ist) durch die Anwendung des Grundsatzes der Inländergleichbehandlung allein nicht vollständig gewährleistet (…), da diese alle anderen Hindernisse außer denjenigen, die aus der fehlenden Staatsangehörigkeit des Aufnahmestaats entstehen, aufrechterhält …“).

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nehmer durch eine Rechtsnorm schlechter gestellt werden, ohne dass der Tatbestand an die Staatsangehörigkeit anknüpft.317 Ganz überwiegend wird das Diskriminierungsverbot aber nur auf den Aufnahmestaat bezogen und erfasst somit nur Regelungen, die jedenfalls faktisch und auch nur mittelbar ausländische Marktteilnehmer auf dem Inlandsmarkt benachteiligen.318 Dies führte zur Entwicklung eines an den Herkunftsstaat gerichteten Beschränkungsverbots. b) Entwicklung des Beschränkungsverbots Wegen der strukturellen Mängel des Gebots der Inländergleichbehandlung entwickelte der EuGH ein Beschränkungsverbot, das Behinderungen des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs ohne Rücksicht auf nationale Zugehörigkeit der betroffenen Personen, also insbesondere Regelungen des Herkunftsstaates in Wegzugsfällen, erfasst.319 Der EuGH formuliert der Tatbestand der Beschränkung in ständiger Rechtsprechung sehr weit. Insbesondere enthalten die Standardformeln keine Einschränkung auf Schlechterstellungen im Vergleich zum Inlandssachverhalt: Nach der Leitentscheidung zum Beschränkungsverbot, der „Dassonville“Entscheidung, ist „jede Handelsregelung, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern“, eine Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit.320 Diese Rechtsprechung wurde inhaltlich auf die anderen Grundfreiheiten übertra________________________ 317 Ständige Rechtsprechung vgl. EuGH-Urteil vom 12.2.1974 – Rs. 152/73 („Sotgui“), EuGHE 1974, 153, Rn. 11; EuGH-Urteil vom 13.7.1993 – Rs. C-330/91 („Commerzbank“), EuGHE 1993, I-4038, Rn. 14 ff. Vgl. ausführlich zu dieser Rechtsprechung und zur Kritik an den terminologischen Unsicherheiten des EuGH, die häufig den Blick auf die zugrunde liegende Sachfrage verstellen, auch Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 118 ff.; Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 55 ff.; Farmer, The Court’s case law on taxation: a castl built on shifting sands?, EC Tax Review 2003, S. 75 ff., 76; siehe auch kritisch Lyal, Non-discrimination and direct tax in Community law, EC Tax Review 2003, S. 68 ff., 74. 318 Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 112 f.; zuletzt noch Lehner, Die Reform der Kapitaleinkommensbesteuerung im Rahmen des Verfassungs- und Europarechts, DStJG 30 (2007), S. 61 ff.; kritsch schon Reimer, Die Auswirkungen der Grundfreiheiten auf das Ertragsteuerrecht der Bundesrepublik Deutschland – Eine Bestandsaufnahme, in: Lehner (Hrsg), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 39 ff., 51 ff., der die terminologische Unterscheidung zwischen Diskriminierung (Zuzugsfall) und Beschränkung (Wegzugsfall) als „nicht mehr zeitgemäß“ einstuft; jeweils gehe es um eine Diskriminierung. Dazu sogleich unter 3. Teil; B; II; 2. 319 Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 200 ff. 320 EuGH-Urteil vom 11.7.1974 – Rs. 8/74 („Dassonville“), EuGHE 1974, 837, Rn. 5.

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gen: In der Entscheidung „Gebhard“ formulierte der EuGH für die Niederlassungsfreiheit, dass jede nationale Maßnahme, die „die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen kann“, gerechtfertigt werden muss.321 Allerdings basieren nahezu alle Entscheidungen des EuGH zum Beschränkungsverbot in der Sache auf einem Vergleich des grenzüberschreitenden zum inländischen Sachverhalt.322 Eine Beschränkung wird daher in Wahrheit in der Regel nur angenommen, wenn eine nationale Regelung den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr im Vergleich zum Inlandsfall behindert oder weniger attraktiv macht.323 In der Literatur wird zum Teil die Einschätzung vertreten, die EuGH-Rechtsprechung beschränke sich auf ein solches, auf den Inlandssachverhalt bezogenes Beschränkungsverbot.324 Andere blicken allein auf den weit formulierten Tatbestand der EuGH-Entscheidungen und nehmen schon deshalb ein „freiheitsrechtliches“, nichtdiskriminierendes Beschränkungsverbot an, ohne dabei die entschiedenen Sachverhalte zu würdigen.325 Eine ausdrückliche Eingrenzung des Beschränkungstatbestandes erfolgte durch den EuGH in der Rechtssache „Keck“, in der es um ein Verbot, ________________________ 321 EuGH-Urteil vom 30.11.1995 – Rs. C-55/94 („Gebhard“), EuGHE 1995, I-4165, Rn. 37.; Für die Dienstleistungsfreiheit siehe die Entscheidung EuGH-Urteil vom 25.7.1991 – Rs. C-76/90 („Säger“), EuGHE 1991, I-4221, Rn. 12. Vgl. zur Übertragung auf die anderen Grundfreiheiten Kingreen, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, 2007, Art. 28–30 EG, Rn. 41 ff. 322 Soweit ersichtlich sind lediglich die unter 3. Teil; B; II; 3; b besprochenen Entscheidungen nur mit einem Beschränkungsverbot zu erklären, das nicht auf einem Vergleich zum Inlandssachverhalt basiert. Allen anderen Entscheidungen, insbesonderen auch den meisten, die als „Leitentscheidungen“ für ein „freiheitliches“ Beschränkungsverbot angeführt werden, lagen Sachverhalte zugrunde, bei denen zumindest faktisch eine Schlechterstellung des grenzüberschreitenden gegenüber dem inländischen Sachverhalt festzustellen war, vgl. die Entscheidungen EuGH-Urteil vom 11.7.1974 – Rs. 8/74 („Dassonville“), EuGHE 1974, 837; EuGH-Urteil vom 20.2.1979 – Rs. 120/78 („Cassis de Dijon“), EuGHE 1979, 64 ff.; EuGH-Urteil vom 25.7.1991 – Rs. C-76/90 („Säger“), EuGHE 1991, I-4221; EuGH-Urteil vom 30.11.1995 – Rs. C-55/94 („Gebhard“), EuGHE 1995, I-4165; EuGH-Urteil vom 15.5.1997 – Rs. C-250/95 („Futura“), EuGHE 1997, I-2492. 323 Jüngst noch Generalanwalt Maduro, Schlussantrag vom 20.3.2006 – Rs. C-158/04 und C-159/04 („Bake-Off“), EuGHE 2006, I-08135, Rn. 41. 324 Englisch, Zur Dogmatik der Grundfreiheiten und ihren ertragsteuerlichen Implikationen, StuW 2003, S. 88 ff., 89; siehe zum Meinungsstand ausführlich unter 3. Teil; B; IV. 325 Vgl. die Einordnung bei Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 89 f.

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Waren unter dem Einkaufspreis weiterzuveräußern, ging.326 Der EuGH unterschied zwischen „Verkaufsmodalitäten“ und „produktbezogenen Eigenschaften“ und nahm an, dass erstere generell nicht geeignet seien, den innergemeinschaftlichen Handel zu beeinträchtigen, sofern sie nicht diskriminierend sind.327 Die Grenze wurde also zwischen Regelungen gezogen, die sich auf den Warenverkehr als solchen beziehen („eine Regelung des Warenverkehrs bezwecken“) und solchen, die lediglich die Verkaufsmodalitäten in einem Mitgliedstaat beeinflussen. Der Grund hierfür liegt nach Auffassung des EuGH darin, dass diskriminierungsfreie Verkaufsmodalitäten nicht geeignet seien, „den Marktzugang zu versperren oder stärker zu behindern als sie dies für inländische Erzeugnisse (tun)“.328 Der Kerngedanke der „Keck“Entscheidung, die Freiheit des Marktzugangs, lässt sich auf die anderen Grundfreiheiten übertragen und ist für den EuGH seitdem zentral für die Prüfung der Beschränkung einer Grundfreiheit.329 Daneben wird danach differenziert, ob die Wirkungen einer Regelung für die Annahme einer Beeinträchtigung zu ungewiss und zu indirekt seien, wobei auf die Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Beeinträchtigung, nicht auf die Intensität der potenziellen Beeinträchtigung abgestellt wird.330

________________________ 326 EuGH-Urteil vom 24.11.1993 – Rs. C-267/91 und C-268/91 („Keck“), EuGHE 1993, I-6097; zur Bedeutung der Keck-Rechtsprechung für die Bestimmung des Beschränkungstatbestands Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, 2004, S. 328 ff. 327 EuGH-Urteil vom 24.11.1993 – Rs. C-267/91 und C-268/91 („Keck“), EuGHE 1993, I-6097. 328 EuGH-Urteil vom 24.11.1993 – Rs. C-267/91 und C-268/91 („Keck“), EuGHE 1993, I-6097, Rn. 16 f. 329 Vgl. z. B. EuGH-Urteil vom 10.5.1995 – Rs. C-384/93 („Alpine Investments“), EuGHE 1995, I-01141, Rn. 35 ff. für die Dienstleistungsfreiheit. Vgl. zur Übertragung von EuGH-Urteil vom 24.11.1993 – Rs. C-267/91 und C-268/91 („Keck“), EuGHE 1993, I-6097 Kingreen, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, 2007, Art. 28–30 EG, Rn. 50 ff.; Classen, Die Grundfreiheiten im Spannungsfeld von europäischer Marktfreiheit und mitgliedstaatlichen Gestaltungskompetenzen, EuR 2004, S. 416 ff., 420; Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, 2004, S. 336 ff.; Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV – nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, 2000, S. 408 ff.; Becker, Von „Dassonville“ über „Cassis“ zu „Keck“ – Der Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung in Art. 30 EGV, EuR 1994, S. 162 ff., 168 ff. 330 Vgl. etwa EuGH-Urteil vom 27.1.2000 – Rs. C-190/98 („Graf“), EuGHE 2000, I-0493, Rn. 24 f.; Kingreen, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, 2007, Art. 28–30 EG, Rn. 55. Nach Ansicht des EuGH ist entscheidendes Kriterium die Wirkung der Maßnahme, nicht Form oder Inhalt, vgl. Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV – nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, 2000, S. 415 f.

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c) Schlussfolgerungen Aus der Entwicklung des Diskriminierungsverbots und der Entwicklung eines an den Inlandssachverhalt gekoppelten Beschränkungsverbots in der Rechtsprechung des EuGH können folgende drei Schlussfolgerungen gezogen werden: Erstens können diese beiden Schritte in der Rechtsprechungsentwicklung als Ausdruck eines gemeinsamen Grundgedankens betrachtet werden, dem Verbot der Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts. Zweitens entscheidet der EuGH über die Annahme einer Beschränkung nach dem zentralen Maßstab, ob der Marktzugang infolge der Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts betroffen ist oder es sich um eine Ausübungsmodalität handelt. Drittens zeigt die Entwicklung der Rechtsprechung die Dynamik im Prozess der Europäischen Integration, da das Verständnis der Grundfreiheiten zunehmend vertieft und erweitert wurde, um den Entfaltungsbedürfnissen der Wirtschaftsteilnehmer Raum zu verleihen. Problematisch bleibt, ob über Diskriminierungen des grenzüberschreitenden Sachverhalts hinaus Hindernisse des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs erfasst sind. Nur ein solch weitreichendes Beschränkungsverbot könnte Fundament der Rechtsformwahlfreiheit sein, weil dieses auf dem Vergleich zweier grenzüberschreitender Sachverhalte basiert. 2. Abstrakte Bestimmung des Tatbestands von Diskriminierung und Beschränkung In der Sache basieren die beiden ersten der dargestellten drei Entwicklungsschritte der EuGH-Rechtsprechung auf dem Grundgedanken, dass der grenzüberschreitende Sachverhalt gegenüber dem vergleichbaren Inlandssachverhalt weder durch eine Regelung des Aufnahmestaates in Zuzugsfällen noch durch eine Regelung des Herkunftsstaates in Wegzugsfällen schlechtergestellt werden darf. Sachlich und begrifflich ist es daher konsequent, diese Fallgruppen nicht auf die Tatbestände Diskriminierung und Beschränkung zu verteilen, sondern einheitlich von einer Diskriminierung zu sprechen, wenn der grenzüberschreitende Sachverhalt gegenüber dem vergleichbaren Inlandssachverhalt schlechtergestellt ist.331 Eine Einordnung der Wegzugsfälle unter ein Beschränkungsverbot hat allein die historische Ur________________________ 331 Siehe kritisch zum engen Diskriminierungsbegriff der noch herrschenden Meinung Kingreen, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, 2007, Art. 28–30 EG, Rn. 32; Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 85; Vanistendael, A comparative and economic approach to equality in European Taxation, in: Gocke (Hrsg), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung – Festschrift für Franz Wassermeyer, 2005, S. 522 ff., 536.

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sache, dass die Diskriminierung im Ausgangspunkt an die Staatsangehörigkeit geknüpft wurde.332 Sachlich ist dies aber längst überwunden und durch eine vorgangsbezogene Betrachtung ersetzt.333 Der dritte Schritt in der Entwicklung der Grundfreiheiten, der im Folgenden betrachtet wird, setzt eine Abkehr von diesem Grundgedanken der Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts voraus: Eine Beschränkung der Grundfreiheiten kann auch in Beeinträchtigungen grenzüberschreitender Wirtschaftstätigkeit liegen, ohne dass sich dies aus dem Vergleich mit dem Inlandssachverhalt ergibt. Da diese Fälle nicht mehr als Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts dem Diskriminierungsverbot zugeordnet werden können, liegen insoweit echte Beschränkungen vor. Als echte Beschränkungen werden bislang überwiegend nur absolute Beschränkungen eingestuft, also solche, die ohne jeglichen Vergleichsmaßstab als Beschränkung qualifiziert werden.334 Sie werden herkömmlich einem „freiheitsrechtlichen“ Beschränkungsverbot zugeordnet.335 Allerdings sind von einem echten Beschränkungsverbot nach der obigen Definition auch relative Beschränkungen erfasst, deren Vergleichsmaßstab nicht der inländische, sondern ein anderer grenzüberschreitender Sachverhalt ist. Nach herkömmlicher Auffassung können diese relativen Beschränkungen (oder „horizontalen Diskriminierungen“336) nur von einem „gleich________________________ 332 Vgl. Reimer, Die Auswirkungen der Grundfreiheiten auf das Ertragsteuerrecht der Bundesrepublik Deutschland – Eine Bestandsaufnahme, in: Lehner (Hrsg), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 39 ff., 43. 333 Siehe dazu 3. Teil; B; I; 2. 334 Kritisch zur Annahme „absoluter“ Beschränkungen Lang, Europarechtliche Aspekte der Besteuerung von Erbschaften, DStJG 22 (1999), S. 255 ff., 262: nach seiner Auffassung handelt es bei den Fällen, die unter das Beschränkungsverbot subsumiert werden um „eine lediglich verkürzte Argumentation“. Lang verweist dabei zutreffend auf Konstellationen, in denen auch nach der hier vertretenen Auffassung eine Diskriminierung vorlag, da entscheidungserheblich die Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts war. Er übersieht aber nicht nur die Judikatur zu durchaus entschiedenen Fällen eines echten Beschränkungsverbot (siehe 3. Teil; B; II; 3; b), in denen dies nicht der Fall war, sondern auch, dass mit seinem Hinweis die entscheidende Frage unbeantwortet bleibt, ob sich die Grundfreiheiten in einem (weiten) Diskriminierungsverbot erschöpfen. Siehe auch Lang, Wohin geht das Internationale Steuerrecht?, IStR 2005, S. 289 ff., 293; dagegen nun auch Lang, Direct Taxation: Is the ECJ Heading in a New Direction?, European Taxation 2006, S. 421 ff. 335 Englisch, Zur Dogmatik der Grundfreiheiten und ihren ertragsteuerlichen Implikationen, StuW 2003, S. 88 ff., 89. 336 So die übliche Terminologie bei Vergleichspaaren, ohne Maßstab des Inlandssachverhalts, siehe Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 832; Cordewener/Dahlberg/Pistone/Reimer/Romano, The Tax Treatment of Foreign Losses: Ritter, M & S, and the Way Ahead (Part Two), European Taxation

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heitsrechtlichen“ Beschränkungstatbestand erfasst werden.337 Dahinter steht die Annahme, dass, sobald ein Vergleichsmaßstab herangezogen wird, um eine Beschränkung zu begründen, ein Gleichheitsrecht angesprochen ist. Dem ist allerdings normtheoretisch zu widersprechen: Die Beeinträchtigung einer Wahl zwischen zwei Handlungsoptionen durch die Privilegierung einer der beiden Optionen führt zu einer Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit, nämlich der Freiheit, nach ökonomischen Gesichtspunkten zu wählen. Daher führt die Beschränkung der Wahlfreiheit im Schutzbereich eines Freiheitsrechts zu einem Eingriff in dieses Freiheitsrecht. Dies ist für die steuerliche Belastung im Rahmen der Freiheitsrechte des Grundgesetzes selbstverständlich anerkannt und muss genauso für die freiheitsrechtlichen Gewährungen des EG-Vertrags gelten.338 Der innere Grund liegt darin, dass gesetzliche Belastungen die Wirtschaftsteilnehmer zu Gestaltungen veranlassen, die in den Schutzbereich der Freiheitsrechte fallen; so stellen sie einen Eingriff in die geschützte ökonomische Handlungsfreiheit dar. Neutralitätspostulate sollen genau diese Gestaltungswirkungen verhindern. „Freiheitsrechte nehmen das dynamische Element steuerbeeinflusster ökonomischer Entscheidungen in sich auf“.339 Die Kategorien von Freiheits- und Gleichheitsrecht sind daher wenig hilfreich. Sie können für die Dogmatik der Grundfreiheiten nur insoweit sinnvoll verwendet werden, als sie deckungsgleich zum hier vertretenen Diskriminierungsbegriff (Gleichheitsrecht) und zum Beschränkungstatbestand (Freiheitsrecht) verwendet werden, weil im ersten Fall im Kern die Gleichordnung mit dem Inlandssachverhalt wesensmäßig ist. Das Beschränkungsverbot dagegen ist im Grundsatz unabhängig von einem Vergleichsmaßstab auf die Gewährung ökonomischer Handlungsfreiheit gerichtet. Dies kann allerdings auch durch Beschränkungen der Wahlfreiheit beeinträchtigt sein, was als Rechtsfolge wie beim Gleichheitsrecht zu einer relativen Vorgabe (Anpassung an den Vergleichssachverhalt) führt. ________________________ 2004, S. 218 ff., 230; Scheunemann, Europaweite Verlustberücksichtigung im Konzern: Steine statt Brot durch die Schlussanträge des Generalanwalts Maduro vom 7.4.2005 im Fall Marks & Spencer?, IStR 2005, S. 303 ff., 304; Schnitger, Die Grenzen der Einwirkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrags auf das Ertragsteuerrecht, 2006, S. 277. 337 Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 402. 338 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1982, S. 194 ff.; Lang, Reform der Unternehmensbesteuerung auf dem Weg zum europäischen Binnenmarkt und zur deutschen Einheit, StuW 1990, S. 107 ff., 115; Kiesewetter, Theoretische Leitbilder einer Reform der Unternehmensbesteuerung, StuW 1997, S. 24 ff. 339 Hey, Besteuerung von Unternehmensgewinnen und Rechtsformneutralität, DStJG 24 (2001), S. 155 ff., 171.

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Ein weiter Diskriminierungsbegriff, im Sinne eines umfassenden Verbots der Diskriminierung des grenzüberschreienden Sachverhalts, und ein dazu komplementärer enger Beschränkungstatbestand werden hier zugrunde gelegt, weil sich an dieser Grenze, der Bindung an den Inlandssachverhalt, eine kategoriale Unterscheidung befindet: Die Gleichstellung von Inlandssachverhalt und grenzüberschreitendem Sachverhalt ist ohne Zweifel Ausdruck einer Grundentscheidung des EG-Vertrags. Der Binnenmarkt soll ein Raum „ohne Binnengrenzen“340 sein. Dies erfordert jedenfalls eine Gleichstellung von Inlandssachverhalt und grenzüberschreitendem Sachverhalt. Wer sich den Binnenmarkt als Summe von Teilmärkten, also als unvollkommenen Binnenmarkt vorstellt,341 wird den Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten in diesem weiten Diskriminierungsverbot erschöpft sehen. Ein echtes Beschränkungsverbot hingegen führt zu einer kategorialen Veränderung des Binnenmarktverständnisses, da es dann nicht nur um den Abbau der Binnengrenzen geht, sondern um eine Erleichterung des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs zur Intensivierung der ökonomischen Integration.342 Ob die Grundfreiheiten ein solches, echtes Beschränkungsverbot enthalten, wird im Folgenden ausgehend von einer ausführlichen Rechtsprechungs- und Literaturanalyse vor dem Hintergrund des Binnenmarktziels als Auslegungsmaxime betrachtet. 3. Entscheidungen des EuGH zu einem echten Beschränkungsverbot Aufbauend auf der Entwicklung eines Verbots der Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts, wird im Folgenden nachgewiesen, dass der EuGH die Grundfreiheiten auch als echtes Beschränkungsverbot interpretiert. a) Beeinträchtigungen grenzüberschreitender Wirtschaftsvorgänge durch Doppelregulierungen Nahezu einhellig wird in der Literatur nur eine bestimmte Konstellation als Fall eines „freiheitsrechtlichen“ Beschränkungsverbots eingeordnet, die bei näherer Betrachtung sachlich aber Ausdruck des Verbots der Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts ist: Dabei geht es um Regelungen eines Mitgliedstaates, die isoliert betrachtet rechtlich und faktisch den grenzüberschreitenden Sachverhalt wie den Inlandssachverhalt betreffen, aber im Zusammenwirken mit einer Regelung eines anderen Mitglied________________________ 340 Vgl. Art. 14 Abs. 2 EG. 341 Siehe dazu bereits 3. Teil; A; II; 3. 342 Siehe zu den potenziellen Wirkebenen der Grundfreiheiten bereits im 3. Teil; A; III; 2.

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staates den grenzüberschreitenden Sachverhalt gegenüber dem Inlandssachverhalt benachteiligen.343 Das Problem dieser Konstellation besteht darin, dass jeder der beteiligten Hoheitsträger für sich genommen eine nichtdiskriminierende Regelung auf den Sachverhalt anwendet und nur durch das Zusammenwirken beider Rechtsordnungen eine Benachteiligung des grenzüberschreitenden Sachverhalts eintritt.344 In solchen Fällen ist es gerade die unterschiedslose Anwendung der Regelung, die zu dieser Schlechterstellung führt.345 Es bedarf daher einer eigenen Regelung für den grenzüberschreitenden Sachverhalt, welche die Belastung durch den anderen Mitgliedstaat berücksichtigt.346 Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH zu diesen Sachverhalten erfordern die Grundfreiheiten grundsätzlich beispielsweise die Anerkennung der bereits ________________________ 343 Ausführlich dazu Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 95 ff.; 154 ff.; Reimer, Die Auswirkungen der Grundfreiheiten auf das Ertragsteuerrecht der Bundesrepublik Deutschland – Eine Bestandsaufnahme, in: Lehner (Hrsg), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 39 ff., 57 ff. 344 Der Umstand, dass die beteiligten Rechtsordnungen jeweils für sich neutral ausgestaltet sind, führt aus Sicht derer, die das Diskriminierungskonzept als ein, aus der Perspektive des Staates, verhaltensbezogenes Konzept verstehen dazu, dass mangels zurechenbarer Ungleichheit keine Diskriminierung vorliegt, siehe Plötscher, Der Begriff der Diskriminierung im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2003, S. 297. 345 Knobbe-Keuk, Niederlassungsfreiheit: Diskriminierungs- oder Beschränkungsverbot, DB 1990, S. 2573 ff., 2577. 346 Die Kernfrage dieser Konstellationen liegt nicht auf der Tatbestandsebene, da die Annahme einer Diskriminierung oder Beschränkung kaum in Zweifel gezogen wird, sondern auf der Ebene der Rechtsfolge. Schwierigkeiten bereitet, welcher der Mitgliedstaaten seine jeweils für sich betrachtet diskriminierungsfreie Regelung zu ändern hat. Vgl. dazu nur Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 879 ff.; Schön, Europäische Kapitalverkehrsfreiheit und nationales Steuerrecht, in: Schön (Hrsg), Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, 1997, S. 743 ff., 762; Reimer, Die Auswirkungen der Grundfreiheiten auf das Ertragsteuerrecht der Bundesrepublik Deutschland – Eine Bestandsaufnahme, in: Lehner (Hrsg), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 39 ff., 58 („Damit stoßen die Grundfreiheiten an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit“); Lehner, Tax consequences resulting from the application of the non-restriction principles in areas other than taxation: distinction between discriminatory and nondiscriminatory restrictions, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 47 ff., 66; vielfach wird vertreten, das aus dem Anerkennungsprinzip folgende „Herkunftsstaatsprinzip“ führe zu einer Verpflichtung des Zuzugsstaates zur Schaffung einer Sonderregelung, vgl. Plötscher, Der Begriff der Diskriminierung im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2003, S. 297.; ausführlich zum Problem der Doppelbesteurung Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 131 ff.

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im anderen Mitgliedstaat erfüllten Anforderungen wie Berufszulassungen, Produktzulassungen usw.347 Solche Beeinträchtigungen werden ganz überwiegend nicht als Diskriminierung, sondern als Beschränkung eingeordnet, weil eine Diskriminierung sich nur aus der Rechtsordnung eines Gesetzgebers ergeben könne.348 Rechtlich liege keine Diskriminierung vor, auch wenn faktisch der grenzüberschreitende Sachverhalt bei „Doppelhürden“ benachteiligt sei.349 Nach dieser Auffassung sind diese Konstellationen daher Anwendungsfälle eines freiheitsrechtlichen Beschränkungsverbots, weil keiner der beteiligten Hoheitsträger zwischen grenzüberschreitendem und inländischem Sachverhalt differenziere.350 Auch diese Konstellationen einer Doppelregulierung können jedoch als Anwendungsfälle eines Diskriminierungsverbots aufgefasst werden, da letztlich doch der Vergleich des grenzüberschreitenden mit dem inländischen Sachverhalt zur Annahme einer Beschränkung führt.351 Formuliert man das Diskriminierungsverbot so, dass nicht nur die Gleichbehandlung von wesentlich Gleichem, sondern auch die Ungleichbehandlung von wesentlich Ungleichem geboten ist, so wird offenbar, dass die unterschiedslose Anwendung einer nationalen Norm auf einen Sachverhalt, der bereits in einem anderen Mitgliedstaat unter dem gleichen Gesichtspunkt (gleich oder abweichend) behandelt wurde, diskriminierend in diesem Sinne ist: Der grenzüberschreitende Sachverhalt ist wesentlich ungleich zum inländischen Sach________________________ 347 Vgl. EuGHE-Urteil vom 7.5.1991 – Rs. C-340/89 („Vlassopoulou“), EuGHE 1991, I-02357; siehe für das Steuerrecht die Entscheidung EuGH-Urteil vom 15.5.1997 – Rs. C-250/95 („Futura“), EuGHE 1997, I-2492; dazu 3. Teil; B; III; 3; a; aa. 348 Vgl. jüngst für das Steuerrecht Generalanwalt Geelhoed, Schlussantrag vom 23.2. 2006 – Rs. C-374/04 („Test Claiments in Class IV of the ACT Group Litigation“), IStR 2007, 138, Rn. 48; aus der Literatur an der Einordnung als Beschränkungsfälle leicht zweifelnd aktuell Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 95 ff.; 101. 349 Vgl. Cordewener, The prohibitions of discrimination and restriction have both been intended to achieve a fully integrated internal market in the European Union, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 1 ff., 36 ff. 350 Vgl. zu dieser Zuordnung Kingreen, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, 2007, Art. 28–30 EG, Rn. 58; Cordewener, The prohibitions of discrimination and restriction have both been intended to achieve a fully integrated internal market in the European Union, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 1 ff., 36 ff.; Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 252 ff.; Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 2004, S. 129 f. 351 Plötscher, Der Begriff der Diskriminierung im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2003, S. 296; Englisch, Zur Dogmatik der Grundfreiheiten und ihren ertragsteuerlichen Implikationen, StuW 2003, S. 88 ff.; vgl. Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 66 ff.

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verhalt, sodass eine sachgerechte Ungleichbehandlung (nach Maßgabe der Ungleichheit) geboten ist.352 Grundlage dieser Einordnung ist eine Gesamtbetrachtung beider betroffenen Mitgliedstaaten. Diese gemeinsame Betrachtung der beiden beteiligten Rechtsordnungen in den Fällen der „Doppelhürden“ basiert auf einer binnenmarktorientierten Sichtweise: Die herrschende Meinung sieht als diskriminierende Regelungen nur solche an, die mit Blick auf nur einen Hoheitsträger schon zwischen grenzüberschreitendem und inländischem Sachverhalt unterscheiden, weil die Perspektive auf den Binnenmarkt auf eine Gleichheit auf den Teilmärkten abzielt.353 Betrachtet man dagegen nicht den nationalen Markt als Bezugsrahmen, sondern den Binnenmarkt als solchen, muss man zwangsläufig beide an einem Wirtschaftsvorgang beteiligten Hoheitsträger zusammen betrachten.354 Lehner hat dies berechtigt als „internal market perspective“ bezeichnet.355 b) Beeinträchtigungen grenzüberschreitender Wirtschaftsvorgänge durch neutrale Regelungen Die häufig als Beleg für ein echtes Beschränkungsverbot angeführten Entscheidungen des EuGH zu Doppelregulierungen können also dieses in Wahrheit nicht begründen. Daher werden im Folgenden die Entscheidungen betrachtet, in denen der EuGH ohne Rücksicht auf den Inlandssachverhalt, also in Bezug auf sog. neutrale Regelungen, zu einer Beschränkung gelangt ist.356 Dabei gilt es nicht nur festzustellen, ob der EuGH ein echtes Beschränkungsverbot vertritt, sondern auch welches Kriterium er für die Annahme einer Beschränkung zugrunde legt, da beide Aspekte Voraussetzung zur Beantwortung der Frage sind, ob und inwieweit eine unterschiedliche Besteuerung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt. ________________________ 352 Vgl. Englisch, Zur Dogmatik der Grundfreiheiten und ihren ertragsteuerlichen Implikationen, StuW 2003, S. 88 ff., 90. 353 Lehner, Tax consequences resulting from the application of the non-restriction principles in areas other than taxation: distinction between discriminatory and nondiscriminatory restrictions, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 47 ff., 70 bezeichnet diese Sichtweise zutreffend als „‚one state‘ or ‚one market‘„ perspektive“. 354 Ausführlich zum Binnenmarktverständnis unter 3. Teil; A; II; 3. 355 Lehner, Tax consequences resulting from the application of the non-restriction principles in areas other than taxation: distinction between discriminatory and nondiscriminatory restrictions, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 47 ff., 70. 356 Vgl. zu aktuellen Entscheidungen zur Niederlassungsfreiheit, die im Zusammenhang mit dem Beschränkungsverbot diskutiert werden, Kingreen, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, 2007, Art. 28–30 EG, Rn. 34.

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aa) Entscheidungen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit Die Grundlagenentscheidung des EuGH zur Anerkennung eines echten Beschränkungsverbots erging in einem Fall zur Arbeitnehmerfreizügigkeit, dem „Bosman“-Fall.357 In dieser Entscheidung dehnte der EuGH den Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots auf unterschiedslose Maßnahmen aus, die auch faktisch für den Inlandssachverhalt die gleichen Auswirkungen hatten wie für den grenzüberschreitenden Sachverhalt. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt im Bereich des „Fußballverbandssports, üblicherweise Fußball genannt“358, zugrunde: Nach den Transferregeln des belgischen Fußballverbandes konnte ein Vereinswechsel nach Ende der Vertragslaufzeit von der Zahlung einer Ablösesumme abhängig gemacht werden. Dies galt gleichermaßen bei einem Wechsel ins Ausland, so im konkreten Fall, wie bei einem Wechsel innerhalb Belgiens.359 Generalanwalt Lenz setzte sich ausführlich mit der Anwendbarkeit der Grundfreiheiten auf „unterschiedslos anwendbare Maßnahmen“ auseinander, wobei er jedoch übersah, dass der Sachverhalt eine andere Dimension als die bisherigen Entscheidungen des Gerichtshofs hatte, in denen eine Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts vorlag.360 Für den Generalanwalt war entscheidend, dass die Transferregeln „unmittelbar den Zugang zum Arbeitsmarkt in den anderen Mitgliedstaaten beeinflussen“; es handele sich daher nicht um eine Maßnahme, die sich nur auf die Ausübung der Tätigkeit beziehe.361 Der EuGH schloss sich der Stellungnahme des Generalanwalts an und betont, dass „sämtliche Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit den Gemeinschaftsangehörigen die Ausübung jeder Art von Berufstätigkeit im ________________________ 357 EuGH-Urteil vom 15.12.1995 – Rs. C-415/93 („Bosman“), EuGHE 1995, I-04921. 358 So die Sachverhaltsangabe des EuGH-Urteil vom 15.12.1995 – Rs. C-415/93 („Bosman“), EuGHE 1995, I-04921, Rn. 3; dieser Entscheidung folgten noch zwei weitere im Wesentlichen gleich gelagerte Entscheidungen des EuGH: EuGH-Urteil vom 13.4.2000 – Rs. C-176/96 („Lehtonen“), EuGHE 2000, I-2681 und EuGHUrteil vom 11.4.2000 – Rs. 191/97 („Deliège“), EuGHE 2000, I-2549. 359 EuGH-Urteil vom 15.12.1995 – Rs. C-415/93 („Bosman“), EuGHE 1995, I-04921, Rn. 22. 360 Generalanwalt Lenz, Schlussantrag vom 15.12.1995 – Rs. C-415/93 („Bosman“), EuGHE 1995, 4930; Rn. 194 ff.; siehe zum Tatbestand der Diskriminierung unter 3. Teil; B; II; 2. Der Generalanwalt verweist auf Entscheidungen, die allesamt auf einer Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts basierten, so z. B. EuGH-Urteil vom 30.11.1995 – Rs. C-55/94 („Gebhard“), EuGHE 1995, I-4165; EuGH-Urteil vom 31.3.1993 – Rs. C-19/92 („Kraus“), EuGHE 1993, I-1663; siehe dazu 3. Teil; B; II; 1; b. 361 Generalanwalt Lenz, Schlussantrag vom 15.12.1995 – Rs. C-415/93 („Bosman“), EuGHE 1995, 4930, Rn. 205 f.; 209 f.

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Gebiet der Gemeinschaft erleichtern sollen und Maßnahmen entgegenstehen, die die Gemeinschaftsangehörigen benachteiligen könnten, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollen. (…) Bestimmungen, die einen Staatsangehörigen daran hindern oder davon abhalten, sein Herkunftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, stellen daher Beeinträchtigungen dieser Freiheit dar, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer Anwendung finden.“362 Auch für den EuGH war entscheidend, dass die „Regeln den Zugang der Spieler zum Arbeitsmarkt in den anderen Mitgliedstaaten unmittelbar beeinflussen und somit geeignet sind, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu beeinträchtigen“. Daher scheide ein Vergleich mit der tatbestandlichen Ausnahme von Verkaufsmodalitäten in der „Keck“-Entscheidung aus.363 Drei Aspekte der Entscheidung sind hervorzuheben: Erstens konnte erstmalig nicht nur rechtlich, sondern auch faktisch keine Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts gegenüber dem vergleichbaren inländischen Sachverhalt festgestellt werden, sodass die Entscheidung auf einem echten Beschränkungsverbot basiert. Zweitens ist für den EuGH entscheidungserheblich, dass die streitgegenständliche Regelung den Marktzugang unmittelbar beeinflussen kann. Drittens liegt für den EuGH die theoretische Grenze der grundfreiheitlichen Beschränkung auf der Grenze zwischen Marktzugangsbeeinflussung und Ausübungsmodalität.364

________________________ 362 EuGH-Urteil vom 15.12.1995 – Rs. C-415/93 („Bosman“), EuGHE 1995, I-04921, Rn. 94 ff. 363 EuGH-Urteil vom 15.12.1995 – Rs. C-415/93 („Bosman“), EuGHE 1995, I-04921, Rn. 103. 364 In der Rechtssache „Graf“ (EuGH-Urteil vom 27.1.2000 – Rs. C-190/98 („Graf“), EuGHE 2000, I-0493, Rn. 24 f.) unternahm der EuGH den Versuch, den sehr weiten Beschränkungsbegriff aus der Entscheidung „Bosman“ etwas einzuschränken. Es ging um eine Regelung, die bei Eigenkündigungen einen Abfindungsanspruch ausschloss. Der EuGH bestätigte zwar seine Rechtsprechung in der Entscheidung „Bosman“, lehnte die Annahme einer Beschränkung aber ab, da der Zugang zum Arbeitsmarkt eines anderen Mitgliedstaates nicht beeinflusst sei. Dieses Ereignis sei zu ungewiss und wirke zu indirekt, als dass es die Freizügigkeit beeinträchtigen könnte. Ob die Begründung des EuGH tatsächlich überzeugt, wird mit gutem Grund bezweifelt: Die streitgegenständliche Regelung hat ganz sichere, unmittelbare und vom Arbeitnehmer beeinflusste Folgen, da Konsequenz seiner Selbstkündigung der Verlust eines andernfalls (für die Zukunft jetzt) bestehenden Abfindungsanspruches war; vgl. Kingreen, Grundfreiheiten, in: Von Bogdandy (Hrsg), Europäisches Verfassungsrecht, 2003, S. 631 ff., 661.

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bb) Entscheidungen zur Niederlassungsfreiheit Im Bereich der für die Frage nach der dogmatischen Begründung der Rechtsformwahlfreiheit besonders relevanten Niederlassungsfreiheit sind insbesondere drei Entscheidungen als Ausdruck eines echten Beschränkungsverbots zu nennen.365 Die Standardformel für ein Beschränkungsverbot ist die Formulierung des EuGH in der Rechtssache „Gebhard“, nach der jede nationale Maßnahme, die „die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen“ kann, gerechtfertigt werden muss.366 Dieser Beschränkungstatbestand wird bei Prüfung eines Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit in den im Folgenden besprochenen Entscheidungen zum Ausgangspunkt genommen. (1) „Klopp“ In der Rechtssache „Klopp“ 367 ging es um einen in Deutschland niedergelassenen Anwalt, der eine Zweigniederlassung in Frankreich gründen wollte. Nach französischem Recht war nur der Betrieb einer Kanzlei gestattet, was rechtlich und faktisch gleichermaßen für Franzosen wie für Rechtsanwälte anderer Staaten galt. Der EuGH sah in dieser Regelung einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EG, da die „Freiheitsrechte des Vertrages zur Niederlassung“ auch die Gründung einer Zweigniederlassung erfassten.368 In Bezug auf diese Entscheidung des EuGH sind unterschiedliche Deutungen möglich369: Ein diskriminierender Charakter dieser für sich neutralen Regelung steht im Vordergrund, wenn man darauf abstellt, dass in der Konsequenz der französische Markt für in anderen Mitgliedstaaten bereits niedergelassene Anwälte völlig geschlossen ist, sofern diese nicht zur Aufgabe ________________________ 365 Vgl. zum Beschränkungsverbot der Niederlassungsfreiheit ausführlich und mit eindrucksvoll umfassender Analyse der Rechtsprechung und Literatur Kainer, Unternehmensübernahmen im Binnenmarktrecht, 2004, S. 69 ff. 366 EuGH-Urteil vom 30.11.1995 – Rs. C-55/94 („Gebhard“), EuGHE 1995, I-4165, Rn. 37. Wie erwähnt (3. Teil; B; II; 1; b) lag dem Urteil allerdings ein Diskriminierungsfall zugrunde, sodass die Wertung des „Gebhard“-Urteils als Durchbruch für ein freiheitsrechtliches Beschränkungsverbot unzutreffend ist. 367 EuGH-Urteil vom 12.7.1984 – Rs. 107/83 („Klopp“), EuGHE 1984, 297. 368 Vgl. dazu aktuell auch das gleich gelagerte EuGH-Urteil vom 21.4.2005 – Rs. C-140/03 („Optiker“), EuGHE 2005, I-3177, in dem es um ein Verbot für Optiker nach griechischem Recht ging, nicht mehr als einen Betrieb zu leiten. Die Regelung war unterschiedslos auf In- und Ausländer anwendbar. 369 Vgl. Kingreen, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, 2007, Art. 28–30 EG, Rn. 24; siehe auch schon Steindorff, Reichweite der Niederlassungsfreiheit, EuR 1988, S. 19 ff.

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der heimatlichen Niederlassung bereit sind. Bereits in Frankreich niedergelassene Anwälte hingegen werden lediglich darauf beschränkt, mit einer Niederlassung zu agieren. Andererseits entbehrt die Entscheidung des EuGH eines jeden Vergleichs, weil die französische Regelung evident das explizit von Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG eingeräumte Recht auf Gründung von Sekundärniederlassungen vereitelte. Die Ausübung der sekundären Niederlassungsfreiheit wurde nicht beschränkt, sondern schlicht ausgeschlossen. Eine echte Beschränkung dagegen kann in der Regelung gesehen werden, wenn man die Norm in ihrer Auswirkung nicht nur auf den Zuzugsfall betrachtet, sondern auch für den Wegzugsfall. Dann betrifft sie inländische Rechtsanwälte, und zwar im grenzüberschreitenden wie inländischen Fall. Im Ergebnis ist in der Entscheidung „Klopp“ ein Anwendungsfall eines echten Beschränkungsverbots zu sehen: Die Regelung betrifft grenzüberschreitende und inländische Sachverhalte gleichermaßen, wenn man berücksichtigt, dass es im Binnenmarkt für französische Anwälte ebenso attraktiv ist, eine zweite Niederlassung in Frankreich wie in anderen Mitgliedstaaten zu eröffnen. Für Anwälte anderer Mitgliedstaaten, wie im konkreten Fall, schließt sie den Marktzugang sogar gänzlich aus. Geschützt ist daher die Mobilität als solche, nicht die grenzüberschreitende im Besonderen. Es macht für die Beurteilung der Vereinbarkeit einer Regelung mit den Grundfreiheiten keinen Unterschied, ob man sie aus Sicht des Zuzugs- oder Wegzugswilligen betrachtet.370 Allerdings sind die möglichen Schlussfolgerungen aus der Entscheidung begrenzt, da durch das absolute Verbot von Sekundärniederlassungen von vornherein ein evidenter Verstoß gegen die Freiheit des Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG vorlag, da die Möglichkeit, eine Sekundärniederlassung zu gründen, in Gänze ausgeschlossen war.371 Zumindest die Möglichkeit, überhaupt Sekundärniederlassungen zu gründen, muss gegeben sein. (2) „Kommission versus Niederlande“ In einer jüngeren Entscheidung des EuGH bewertet dieser ohne Vergleich mit dem Inlandssachverhalt Regelungen des niederländischen Rechts als Beschränkung, die die Voraussetzungen für die Registrierung von Schiffen in den Niederlanden festlegten.372 Bestandteil dieser Voraussetzungen war ________________________ 370 Vgl. Knobbe-Keuk, Niederlassungsfreiheit: Diskriminierungs- oder Beschränkungsverbot, DB 1990, S. 2573 ff., 2577. 371 Ebenso Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV – nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, 2000, S. 356. 372 EuGH-Urteil vom 14.10.2004 – Rs. C-299/02 („Kommission/Niederlande“), EuGHE 2004, I-9761; vgl. auch die ähnlich gelagerte EuGH-Urteil vom 21.4.2005 – Rs. C-140/03 („Optiker“), EuGHE 2005, I-3177.

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unter anderem, dass die Schiffseigentümer zu mindestens zwei Dritteln Staatsangehörige bzw. ansässige natürliche oder juristische Personen aus EU-Mitgliedstaaten waren und dass die Geschäftsführung der niederländischen Niederlassung in den Händen von EU-Staatsangehörigen lag. Die Regelungen unterschieden nicht zwischen Niederländern und anderen EUBürgern, sondern nur zwischen EU-Bürgern und Angehörigen von Drittstaaten. Nach Auffassung des EuGH war die Regelung beschränkend, da Gesellschaften, deren Gesellschafterstruktur nicht den gesetzlichen Anforderungen genügte, diese ändern müssten, um Schiffe in den Niederlanden registrieren zu lassen. Die „Voraussetzung der Gemeinschafts- oder EWRAngehörigkeit (kann) genau wie eine Voraussetzung der Staatsangehörigkeit eines spezifischen Mitgliedstaats ein Hindernis für die Niederlassungsfreiheit bilden.“373 Die Entscheidung dokumentiert, dass es nach Auffassung des EuGH bei der Niederlassungsfreiheit nicht (nur) darum geht, den grenzüberschreitend Niederlassungswilligen die gleichen Voraussetzungen zukommen zu lassen, wie sie im vergleichbaren Inlandssachverhalt bestehen. Es geht vielmehr einheitlich für alle Gemeinschaftsangehörigen darum, Hindernisse zu beseitigen, die bei Gebrauch der Niederlassungsfreiheit bestehen. Dies ergibt sich zwingend aus der Beurteilung der konkreten Gesetzesformulierung der niederländischen Regelung: Die Beschränkung ergab sich nicht aus einer Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts, sondern aus einer Regelung, die für alle Wirtschaftsteilnehmer im Binnenmarkt gleichermaßen Hürden für den Gebrauch der Niederlassungsfreiheit in Form von Registrierung von Schiffen in den Niederlanden aufstellte. Betroffen war die von der Niederlassungsfreiheit geschützte Organisationsfreiheit aller Gemeinschaftsangehörigen. (3) „Private Sicherheitsdienste“ Im Rahmen der Niederlassungsfreiheit sind zwei weitere Entscheidungen des EuGH, die zu den Voraussetzungen der Tätigkeit privater Sicherheitsdienste ergingen, nur mithilfe eines echten Beschränkungsverbots zu erklären.374

________________________ 373 EuGH-Urteil vom 14.10.2004 – Rs. C-299/02 („Kommission/Niederlande“), EuGHE 2004, I-9761, Rn. 19 f. 374 EuGH-Urteil vom 29.4.2004 – Rs. C-171/02 („Private Sicherheitsdienste – Portugal“), EuGHE 2004, I-5645; EuGH-Urteil vom 26.1.2006 – Rs. C-514/03 („Private Sicherheitsdienste – Spanien“), EuGHE 2006, I-963.

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In der ersten Entscheidung, in der Rechtssache „Private Sicherheitsdienste – Portugal“ 375, ging es um die Vereinbarkeit der Regelungen der Tätigkeit privater Sicherheitsdienste in Portugal (u. a.) mit der Niederlassungsfreiheit. Unter anderem sah das portugiesische Recht vor, dass Gesellschaften, die als privater Sicherheitsdienst tätig sein wollten, die Rechtsform einer juristischen Person haben mussten.376 Der EuGH nahm eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit an, die die Wirtschaftsteilnehmer der Gemeinschaft, die natürliche Personen sind, daran hindere, in Portugal eine Zweigniederlassung zu gründen.377 In der zweiten Entscheidung, in der Rechtssache „Private Sicherheitsdienste – Spanien“,378 ging es ebenfalls u. a. um die Voraussetzung für eine Tätigkeit als privater Sicherheitsdienst in Spanien, nach der Sicherheitsdiensten auferlegt war, in der Rechtsform einer juristischen Person organisiert zu sein. Aufbauend auf der Stellungnahme der Generalanwältin Kokott379 und Bezug nehmend auf die Entscheidung „Private Sicherheitsdienste – Portugal“ nahm der EuGH auch in dieser Rechtssache eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit an.380 Die als Beschränkung eingestuften Regelungen des nationalen Rechts, nach denen private Sicherheitsunternehmen die Rechtsform einer juristischen Person haben mussten, galten in gleicher Weise für in- und ausländische Marktteilnehmer und betrafen den grenzüberschreitenden Sachverhalt rechtlich und tatsächlich genauso wie den vergleichbaren Inlandssachverhalt. Entscheidungserheblich für den EuGH war, dass den Wirtschaftsteilnehmern der Zugang zu einer der in Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG genannten Sekundärniederlassungsformen damit verbaut war. Die Gründung einer Tochter________________________ 375 EuGH-Urteil vom 29.4.2004 – Rs. C-171/02 („Private Sicherheitsdienste – Portugal“), EuGHE 2004, I-5645; Generalanwalt Alber, Schlussantrag vom 16.9.2003 – Rs. C-171/02 („Private Sicherheitsdienste – Portugal“), EuGHE 2004, I-05648. 376 Generalanwalt Alber, Schlussantrag vom 16.9.2003 – Rs. C-171/02 („Private Sicherheitsdienste – Portugal“), EuGHE 2004, I-05648, Rn. 4 ff. 377 EuGH-Urteil vom 29.4.2004 – Rs. C-171/02 („Private Sicherheitsdienste – Portugal“), EuGHE 2004, I-5645, Rn. 42; ferner lag zugleich eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit vor, weil es ausländischen natürlichen Personen ebenfalls unmöglich war, ihre Dienstleistungen (ohne feste Niederlassung) in Portugal anzubieten. Auch insoweit galt die Regelung rechtlich und faktisch gleichermaßen für inländische und ausländische Wirtschaftsteilnehmer. Auch diese Argumentation des EuGH zur Dienstleistungsfreiheit lässt sich damit nur mit einem echten Beschränkungsverbot erklären. 378 EuGH-Urteil vom 26.1.2006 – Rs. C-514/03 („Private Sicherheitsdienste – Spanien“), EuGHE 2006, I-963. 379 Generalanwältin Kokott, Schlussantrag vom 7.7.2005 – Rs. C-514/03 („Private Sicherheitsdienste – Spanien“), EuGHE 2006, I-00965, Rn. 49. 380 EuGH-Urteil vom 26.1.2006 – Rs. C-514/03 („Private Sicherheitsdienste – Spanien“), EuGHE 2006, I-963, Rn. 31 ff.

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gesellschaft durch eine natürliche Person, also die Gründung einer juristischen Person als Niederlassung im Aufnahmestaat, wäre zwar möglich gewesen, aber der EuGH sah in der Einschränkung der freien Wahl der Sekundärniederlassungsform eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. Dabei kam es ihm naturgemäß nicht auf den Vergleich mit dem Inlandssachverhalt an, sondern der absolute Ausschluss einer Sekundärniederlassungsform wurde als Beschränkung eingestuft. Die Begründung ist daher mit der in der Rechtssache „Klopp“ vergleichbar. Es besteht nur der Unterschied, dass es nicht vollständig ausgeschlossen war, eine Sekundärniederlassung zu gründen, sondern nur eine Einschränkung hinsichtlich der Rechtsformen vorlag. cc) Entscheidungen zur Dienstleistungsfreiheit Nach der für die Prüfung des Beschränkungsverbots der Dienstleistungsfreiheit standardmäßig verwendeten Formel aus der Entscheidung „Säger“ sind Beschränkungen alle Maßnahmen, „die geeignet sind, die Tätigkeit des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und dort rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden oder zu beschränken.“381 (1) „Alpine Investments“ In der Entscheidung „Alpine Investments“ 382 ging es um die Frage, ob das Verbot des sog. „cold calling“, des unangekündigten Werbeanrufs bei potenziellen Kunden, mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar ist. Das Verbot galt für niederländische Finanzdienstleister unabhängig vom Ort der potenziellen Kunden, also gleichermaßen für inländische wie grenzüberschreitende Sachverhalte. Generalanwalt Jacobs nahm eine Beschränkung an, obwohl er hervorhob, dass kein Nachteil für grenzüberschreitende Sachverhalte erkennbar sei; der Begriff einer Beschränkung sei nach seiner Ansicht „funktional“ danach zu bestimmen, ob die Erbringung von Dienstleistungen für Gemeinschaftsangehörige erschwert würde.383 Unter dem Gesichtspunkt der Verwirk________________________ 381 EuGH-Urteil vom 25.7.1991 – Rs. C-76/90 („Säger“), EuGHE 1991, I-4221. Auch dieser Entscheidung lag eine Konstellation zugrunde, die mit dem Diskriminierungsverbot zu erfassen war, weil entscheidend die Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts war; vgl. Classen, Die Grundfreiheiten im Spannungsfeld von europäischer Marktfreiheit und mitgliedstaatlichen Gestaltungskompetenzen, EuR 2004, S. 416 ff. 382 EuGH-Urteil vom 10.5.1995 – Rs. C-384/93 („Alpine Investments“), EuGHE 1995, I-01141. 383 Generalanwalt Jacobs, Schlussantrag vom 26.1.1995 – Rs. C-384/93 („Alpine Investments“), EuGHE 1995, I-1144, Rn. 47 ff.

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lichung des Binnenmarkts sei es nicht von Bedeutung, ob die Vorschriften eines Mitgliedstaates diskriminierend seien, sondern, ob sie nachteilige Auswirkungen auf seine Errichtung oder sein Funktionieren hätten.384 Der EuGH schloss sich der Auffassung des Generalanwalts an und entschied, dass das Verbot eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs sein könne, weil es den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern ein schnelles und direktes Mittel der Werbung und Kontaktaufnahme nehme.385 Der nichtdiskriminierende Charakter stehe dem nicht entgegen.386 Da es auch die Angebote an Leistungsempfänger in einem anderen Mitgliedstaat betreffe, beeinflusse es unmittelbar den Zugang zum Dienstleistungsmarkt in den anderen Mitgliedstaaten und sei daher geeignet, den innergemeinschaftlichen Dienstleistungsverkehr zu behindern.387 Denkbar erscheint eine Bewertung der Entscheidung entgegen der Sichtweise von Generalanwalt und EuGH als Diskriminierungsfall, wenn man den Blick auf den Markt des Zuzugsstaates wirft: Zwar wird ein niederländischer Marktteilnehmer von dem Verbot des „cold calling“ gleichermaßen in jedem Mitgliedstaat betroffen. Er befindet sich aber zu seinen Konkurrenten auf den Teilmärkten in einer Situation relativer Ungleichheit, in denen für diese das „cold calling“ nicht verboten ist. Da für ihn die Regelung seines Herkunftsstaats (Verbot) gilt, für andere Marktteilnehmer aber möglicherweise andere Regelungen (kein Verbot), ist er auf solchen Märkten gegenüber diesen Teilnehmern schlechter gestellt. Damit steht der inländische Sachverhalt (relative Gleichheit) besser als der grenzüberschreitende Sachverhalt (relative Ungleichheit).388 Aus Sicht des Herkunftsstaats liegt hingegen klar kein Diskriminierungsfall und auch kein Fall eines gleichheitsrechtlichen Beschränkungsverbots vor: Der grenzüberschreitend tätige Dienstleister ist gleichermaßen vom Verbot des „cold calling“ erfasst wie ein im Inland tätiger. Für den EuGH ist ausweislich der Urteilsbegründung entscheidend, dass der grenzüberschreitende Wirtschaftsvorgang als solcher und daher die Ent________________________ 384 Generalanwalt Jacobs, Schlussantrag vom 26.1.1995 – Rs. C-384/93 („Alpine Investments“), EuGHE 1995, I-1144, Rn. 47 ff. 385 EuGH-Urteil vom 10.5.1995 – Rs. C-384/93 („Alpine Investments“), EuGHE 1995, I-01141, Rn. 4 (Leitsätze). 386 EuGH-Urteil vom 10.5.1995 – Rs. C-384/93 („Alpine Investments“), EuGHE 1995, I-01141, Rn. 35. 387 EuGH-Urteil vom 10.5.1995 – Rs. C-384/93 („Alpine Investments“), EuGHE 1995, I-01141, Rn. 38. 388 Vgl. zu EuGH-Urteil vom 14.10.1999 – Rs. C-439/97 („Sandoz“), EuGHE 1999, I-7066 ähnlich Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 74 ff.

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scheidungsfreiheit des Wirtschaftsteilnehmers, sich in einem anderen Markt zu integrieren, beeinträchtigt wird. (2) „Cipolla“ In der Rechtssache „Cipolla“ ging der EuGH noch einen Schritt weiter: Das italienische Recht sah vor, dass Anwaltshonorare nicht durch Vereinbarung von dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindesthonorar abweichen durften. In dieser Regelung sah der EuGH eine „echte Beschränkung“, das Verbot könne den Zugang von in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Rechtsanwälten zum italienischen Markt für juristische Dienstleistungen erschweren und sei somit geeignet, die Ausübung ihrer Dienstleistung in diesem Mitgliedstaat zu beschränken.389 Es nehme die Möglichkeit, durch geringere Honorarforderungen als den in der Gebührenordnung festgesetzten solchen Rechtsanwälten wirksam Konkurrenz zu machen, die in dem betreffenden Mitgliedstaat niedergelassen sind, und denen es daher leichter fiele als im Ausland niedergelassenen Rechtsanwälten, sich einen Mandantenstamm aufzubauen.390 Damit folgte der EuGH der Stellungnahme des Generalanwalts Maduro, der unabdingbare Mindestsätze der Gebührenordnung als Beschränkung ansah, weil sie mögliche Wettbewerbsvorteile (kostengünstigere Dienstleistungen) ausländischer Rechtsanwälte neutralisierten. Zugleich sei den Dienstleistungsempfängern der Zugang zu den günstigsten Angeboten in der Gemeinschaft verwehrt, wenn sich geringere Kosten ausländischer Anbieter nicht in den Gebühren niederschlagen dürften.391 Der EuGH bestätigt zugleich das aus seiner Sicht maßgebliche Kriterium für die Annahme einer Beschränkung: die Erschwerung des Zugangs zum Markt eines anderen Mitgliedstaates. In der Sache unterscheidet sich die Annahme einer Beschränkung im konkreten Fall dennoch von den vorausgehend besprochenen Fällen, da es sich bei dem Verbot, von Mindesthonoraren abzuweichen, um eine Ausübungsregel handelt. Der Tatbestand der Norm setzt nicht, wie etwa bei der Entscheidung „Bosman“ 392, auf der Ebene der Zugangsentscheidung selbst an. Vielmehr wird mittelbar auf die Entscheidung des Zugangs rückgeschlossen, weil die Modalitäten der Ausübung der Dienstleistung potenzielle Dienstleister vom Zugang abhalten könnten. Schon in der Entscheidung „Kommission/Dänemark“ hatte der EuGH klargestellt, ________________________ 389 EuGH-Urteil vom 5.12.2006 – Rs. C-94/04 und C-202/04 („Cipolla“), EuGHE 2007, I-11421, Rn. 58 f. 390 EuGH-Urteil vom 5.12.2006 – Rs. C-94/04 und C-202/04 („Cipolla“), EuGHE 2007, I-11421, Rn. 58 f. 391 Generalanwalt Maduro, Schlussantrag vom 1.2.2006 – Rs. C-94/04 („Cipolla“), EuGHE 2006, I-11421, Rn. 63 ff. 392 EuGH-Urteil vom 15.12.1995 – Rs. C-415/93 („Bosman“), EuGHE 1995, I-04921.

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dass „die Modalitäten der Ausübung einer Tätigkeit (…) geeignet (sind), den Zugang zu der betreffenden Tätigkeit zu beeinflussen.“393 Die Entscheidung widerspricht zudem der Auffassung, die den Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten darin sieht, eine relative Gleichheit auf den Teilmärkten zu gewährleisten, denn diese wird durch die Unabdingbarkeit der Mindesthonorare für alle Rechtsanwälte gerade gewahrt.394 Die Entscheidung bestätigt vielmehr das Herkunftsprinzip: Der grenzüberschreitend Tätige soll mit den Vorteilen seiner Heimatrechtsordnung auf dem einheitlichen Binnenmarkt ungehindert agieren können und so für eine effiziente Ressourcenallokation sorgen. dd) Entscheidungen zur Kapitalverkehrsfreiheit Im Rahmen der Kapitalverkehrsfreiheit sind insbesondere die Entscheidungen zu den sog. „Goldenen Aktien“ von besonderer Bedeutung. In diesen ging es um Sonderrechte des Staates an privatisierten Unternehmen, wie z. B. besondere Zustimmungsrechte (Niederlande395), Systeme behördlicher Genehmigungsvorbehalte (Frankreich396, Spanien397), eingeschränkte Übertragbarkeit von Aktien (Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland398), Aussetzung der Stimmrechte (Italien399), Widerspruchsrechte (Belgien400) und Stimmrechtsbegrenzungen in Verbindung mit Sperrminoritäten (Deutschland401). Allen Regelungen war gemeinsam, dass ________________________ 393 EuGH-Urteil vom 15.9.2005 – Rs. C-464/02 („Kommission/Dänemark“), EuGHE 2005, I-7929, Rn. 34 ff.; vgl. EuGH-Urteil vom 10.2.2009 – Rs. C-110/05 („Kommission/Italien“), EuZW 2009, 173 zur „Korrektur“ auf Ebene der Rechtfertigungsgründe. 394 Siehe dazu die Bewertung des EuGH-Urteil vom 10.5.1995 – Rs. C-384/93 („Alpine Investments“), EuGHE 1995, I-01141 im 3. Teil; B; II; 3; b; cc; (1) EuGH-Urteil vom 14.10.1999 – Rs. C-439/97 („Sandoz“), EuGHE 1999, I-7066 im 3. Teil; B; III; 3; a; bb. 395 EuGH-Urteil vom 28.9.2006 – Rs. C-282/04 und C-283/04 („Goldene Aktien – Niederlande“), EuGHE 2006, I-9141. 396 EuGH-Urteil vom 4.6.2002 – Rs. C-483/99 („Goldene Aktien – Frankreich“), EuGHE 2002, I-4781. 397 EuGH-Urteil vom 13.5.2003 – Rs. C-463/00 („Goldene Aktien – Spanien“), EuGHE 2003, I-4581. 398 EuGH-Urteil vom 13.5.2001 – Rs. C-98/01 („Goldene Aktien – Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland“), EuGHE 2003, I-4641. 399 EuGH-Urteil vom 2.6.2005 – Rs. C-174/04 („Goldene Aktien – Italien“), EuGHE 2005, I-4933. 400 EuGH-Urteil vom 4.6.2002 – Rs. C-503/99 („Goldene Aktien – Belgien“), EuGHE 2002, I-4809. 401 EuGH-Urteil vom 23.10.2007 – Rs. C-112/05 („Goldene Aktien – Deutschland“), EuGHE 2007, I-8995.

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Gemeinschaftsrechtlicher Rahmen der Rechtsformwahlfreiheit

der Erwerb von Anteilen an den betroffenen Gesellschaften für in- und ausländische Investoren gleichermaßen eingeschränkt bzw. die Ausübung der Aktionärsrechte zur Kontrolle und Verwaltung der Gesellschaft begrenzt war. Der EuGH nimmt jeweils eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit an: Die Beschränkungen von Investitionen durch sog. „Goldene Aktien“ seien zwar unterschiedslos auf Gebietsansässige und Gebietsfremde anwendbar, doch berührten sie „die Situation des Erwerbers einer Beteiligung als solche und (sie) sind daher geeignet, Anleger aus anderen Mitgliedstaaten von solchen Investitionen abzuhalten und damit den Marktzugang zu beeinflussen“.402 In der Rechtssache „Goldene Aktien – Italien“ ergänzte Generalanwältin Kokott diese Ausführungen um einen dahinter liegenden Gedanken: „Eine Erschwerung des Marktzugangs (durch die Regeln zu den Goldenen Aktien) bevorzugt die bereits auf dem Markt präsenten Wirtschaftsteilnehmer“.403 Nach ihrer Auffassung können also auch Regelungen, die den grenzüberschreitenden Sachverhalt gleichermaßen betreffen wie den inländischen Sachverhalt, im Ergebnis marktabschottend wirken, weil eine Erschwerung der Wirtschaftstätigkeit, des Marktzugangs, für noch nicht (so) in einem Mitgliedstaat tätige Wirtschaftsteilnehmer gravierendere Folgen hat als für bereits auf dem Markt agierende (in der Regel inländische) Wirtschaftsteilnehmer. Die Entscheidungen sind „Paradefälle“404 eines echten Beschränkungsverbots, da sie nicht zwischen grenzüberschreitendem und inländischem Sachverhalt unterscheiden. Mit Blick auf das Beschränkungskriterium diskutiert der EuGH kaum, warum die Regelungen den Marktzugang beeinflussen. Er unterschied auch nicht zwischen rechtlich den Zugang beschränkenden Normen (Regeln zur Aktionärsstruktur) und solchen, die nur wirtschaftlich die Anteile weniger attraktiv machten (Einschränkung von Verwaltungsrechten).405 ________________________ 402 EuGH-Urteil vom 13.5.2001 – Rs. C-98/01 („Goldene Aktien – Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland“), EuGHE 2003, I-4641, Rn. 47; EuGH-Urteil vom 13.5.2003 – Rs. C-463/00 („Goldene Aktien – Spanien“), EuGHE 2003, I-4581, Rn. 61. 403 Generalanwältin Kokott, Schlussantrag vom 3.3.2005 – Rs. C-174/04 („Goldene Aktien – Italien“), EuGHE 2005, I-04935, Rn. 30. 404 Grundmann/Möslein, Die Golden Shares Grundsatzentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs – Anmerkung zu den Entscheidungen EuGH, BKR 2002, 773 (Kommission/Frankreich), EuGH, BKR 2002, 778 (Kommission/Belgien), und EuGH, BKR 2002, 783 (Kommission/Portugal) –, BKR 2002, S. 758 ff., 761. 405 Grundmann/Möslein, Die Golden Shares Grundsatzentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs – Anmerkung zu den Entscheidungen EuGH, BKR 2002, 773 (Kommission/Frankreich), EuGH, BKR 2002, 778 (Kommission/Belgien), und

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Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten

Ob der von Generalanwältin Kokott angeführte Grund, die Beeinflussung des Marktzugangs als besondere Bevorzugung schon auf in dem Mitgliedstaat präsenter Wirtschaftsteilnehmer, die Entscheidung im Sinne einer Diskriminierung tragen kann, ist zu bezweifeln: Es geht jeweils um die Investition in ein konkretes Unternehmen. Die beschränkenden Regeln machen die Investition für inländische Kapitalanleger, die ihr Portfolio verändern wollen, ebenso weniger attraktiv wie für ausländische Kapitalanleger. Stellt man auf die Wirkung marktzugangsbehindernder Regelungen ab, so stellen diese Regelungen nach ihrer Argumentation stets eine Diskriminierung dar: Wenn Regelungen den Marktzugang erschweren, führt dies zu einer Perpetuierung des Status quo und dies betrifft, wenn man auf das Interesse, in den (territorialen) Markt zu gelangen, abstellt, die Wirtschaftsteilnehmer außerhalb des Markts stärker. Richtigerweise wird man diese Gleichstellung von Diskriminierung und Marktzugangsbeschränkung nicht benötigen, wenn man sich von der Vorstellung löst, dass die Grundfreiheiten letztlich nur ein Verbot der Diskriminierung grenzüberschreitender Wirtschaftsvorgänge enthalten. Die Entscheidungen „Goldene Aktien“ sind gerade Beleg dafür, dass sich Regelungen, die den inländischen und grenzüberschreitenden Sachverhalt gleichermaßen betreffen, mit den Grundfreiheiten nicht vereinbaren lassen, soweit sie die Entscheidung der Wirtschaftsteilnehmer für eine grenzüberschreitende Wirtschaftstätigkeit unmittelbar beeinträchtigen.406 ee) Entscheidungen zur Warenverkehrsfreiheit Ausgangsformel im Rahmen der Warenverkehrsfreiheit ist die bereits eingeführte sog. „Dassonville“-Formel, „nach der jede (…) Regelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern“, eine Beschränkung darstellt.407 (1) „DocMorris“ In der Entscheidung „DocMorris“ ging es (u. a.) um das deutsche Verbot des Versandhandels mit Arzneien.408 ________________________ EuGH, BKR 2002, 783 (Kommission/Portugal) –, BKR 2002, S. 758 ff., 761; Oechsler, Erlaubte Gestaltungen im Anwendungsbereich des Art. 56 I EG – Zugleich zur Entscheidung EuGH, NZG 2006, 942 – Golden Shares VI, NZG 2007, S. 161 ff. 406 Siehe ausführlich zum Tatbestand einer echten Beschränkung 3. Teil; B; IV; 3; vgl. auch EuGH-Urteil vom 25.1.2007 – Rs. C-370/05 („Festersen“), EuGHE 2007, I-1135, Rn. 24 f. 407 EuGH-Urteil vom 11.7.1974 – Rs. 8/74 („Dassonville“), EuGHE 1974, 837, vgl. 3. Teil; B; II; 1; b. 408 Nach § 43 Abs. 1 AMG war der Versandhandel mit Arzneimitteln, die nur in Apotheken abgegeben werden dürfen, verboten.

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Gemeinschaftsrechtlicher Rahmen der Rechtsformwahlfreiheit

Generalanwältin Stix-Hackl setzte sich ausführlich mit den Vorgaben der „Keck“-Rechtsprechung auseinander.409 Ausgangspunkt ihrer Betrachtung war die Feststellung, dass das Verbot für in- und ausländische Apotheken gleichermaßen gilt und daher an sich eine Verkaufsmodalität im Sinne der „Keck“-Formel und damit keine Beschränkung vorliege. Die Generalanwältin geht aber über den formalen Ansatz der „Keck“-Formel hinaus und stellt wesentlich auf den dahinter stehenden Grundgedanken des Marktzugangs ab. Dieser könne durch Vertriebsmodalitäten ebenso wie durch Produktregelungen betroffen sein. Modalitäten seien daher nur aus dem Beschränkungstatbestand auszunehmen, wenn sie „nach dem – bereits erfolgten – Marktzugang einzuhalten sind“.410 Der EuGH nimmt unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die „Keck“-Rechtsprechung an, dass das Verbot des Versandhandels „außerhalb Deutschlands ansässige Apotheken stärker als Apotheken in Deutschland beeinträchtigt“. Für ausländische Apotheken könne im Internet ein Mittel liegen, das „für den unmittelbaren Zugang zu diesem Markt eher geeignet ist.“411 Sowohl die Generalanwältin als auch der EuGH stellen auf die Wirkung des Versandhandelsverbots als Marktzugangshindernis ab. Dabei legt die Generalanwältin eine vom Inlandssachverhalt losgelöste Betrachtung zugrunde. Der EuGH macht einen Umweg, indem er die Marktzugangsbehinderung mit einer Schlechterstellung ausländischer Marktteilnehmer gleichstellt, weil diese des Marktzugangs naturgemäß stärker bedürfen und insoweit „stärker beeinträchtigt“ seien. Dies entspricht der Argumentation der Generalanwältin Kokott in der „Golden-Shares Italien“-Entscheidung.412 (2) „Bake-Off“ Ein aktueller Fall zur Warenverkehrsfreiheit dokumentiert anschaulich, welche Schwierigkeiten die Definition des Beschränkungstatbestandes dem EuGH macht, wenn eine Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts die Entscheidung nicht trägt. In der Rechtssache „Bake-Off“ 413 ________________________ 409 Generalanwältin Stix-Hackl, Schlussantrag vom 11.3.2003 – Rs. C-322/01 („DocMorris“), EuGHE 2003, I-14890, Rn. 58 ff.; vgl. dazu Streinz/Hermann, Und wieder Doc Morris: Das apothekenrechtliche Mehr- und Fremdbesitzverbot aus der Perspektive des Gemeinschaftsrechts, EuZW 2006, S. 455 ff. 410 Generalanwältin Stix-Hackl, Schlussantrag vom 11.3.2003 – Rs. C-322/01 („DocMorris“), EuGHE 2003, I-14890, Rn. 73 ff. (kursiv im Original). 411 EuGH-Urteil vom 11.12.2003 – Rs. C-322/01 („DocMorris“), EuGHE 2003, I-14887, Rn. 74. 412 Vgl. zu dieser und der Kritik an der Begründung der Generalanwältin oben 3. Teil; B; II; 3; b; dd. 413 EuGH-Urteil vom 14.9.2006 – Rs. C-158/04 und 159/04 („Bake-Off“), EuGHE 2006, I-8135.

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Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten

lag dem EuGH eine ausführliche Stellungnahme des Generalanwalts Maduro vor, in der dieser sich um eine Präzisierung des Beschränkungstatbestandes bemühte.414 Darin setzte sich der Generalanwalt nochmals ausführlich mit der Entscheidung in der Rechtssache „DocMorris“ 415 auseinander. Gegenstand der Entscheidung war eine Regelung des griechischen Rechts, nach der der Verkauf von aufgebackenem tiefgefrorenem Brot („Bake-Off“Typ) von einer vorherigen Genehmigung des Betriebs als Bäckerei abhängig gemacht wurde.416 Die Regelung hatte zur Folge, dass für Aufbackwaren die gleichen Voraussetzungen zu erfüllen waren wie für andere Backwaren. Diese Regelung galt unterschiedslos für alle Wirtschaftsteilnehmer in Griechenland. Generalanwalt Maduro nahm die Vorlagefrage zum Anlass, den „herkömmlichen Ansatz“ des EuGH zum Beschränkungsverbot, insbesondere die Unterscheidung zwischen Verkaufsmodalitäten und produktbezogenen Merkmalen, zu betrachten, um den Tatbestand einer Beschränkung für die Verkehrsfreiheiten insgesamt zu präzisieren.417 Aufgabe des Gerichtshofs sei es, Maßnahmen zu verhindern, „die in Wirklichkeit darauf hinauslaufen, dass die grenzüberschreitenden Sachverhalte ungünstiger als die rein nationalen Sachverhalte behandelt werden“. Es gehe also um „Diskriminierungen bei der Ausübung der Verkehrsfreiheit“.418 Für Generalanwalt Maduro war die Beeinträchtigung des Marktzugangs ein Fall einer solchen Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts.419 Der EuGH nimmt nur auf die Kategorien der produktbezogenen Merkmale der Waren und der Verkaufsmodalitäten Bezug und ordnet die Regelung den „Herstellungsbedingungen“ zu. Daher liege eine Beschränkung vor.420 Die Stellungnahme des Generalanwalts und die Entscheidung des EuGH offenbaren, welche Schwierigkeiten der Tatbestand der Beschränkung berei________________________ 414 Generalanwalt Maduro, Schlussantrag vom 20.3.2006 – Rs. C-158/04 und C-159/04 („Bake-Off“), EuGHE 2006, I-08135. 415 EuGH-Urteil vom 11.12.2003 – Rs. C-322/01 („DocMorris“), EuGHE 2003, I-14887. 416 Generalanwalt Maduro, Schlussantrag vom 20.3.2006 – Rs. C-158/04 und C-159/04 („Bake-Off“), EuGHE 2006, I-08135, Rn. 1. 417 Generalanwalt Maduro, Schlussantrag vom 20.3.2006 – Rs. C-158/04 und C-159/04 („Bake-Off“), EuGHE 2006, I-08135, Rn. 9 ff.; 24 ff.; 35 ff. 418 Generalanwalt Maduro, Schlussantrag vom 20.3.2006 – Rs. C-158/04 und C-159/04 („Bake-Off“), EuGHE 2006, I-08135, Rn. 41; 46. 419 Generalanwalt Maduro, Schlussantrag vom 20.3.2006 – Rs. C-158/04 und C-159/04 („Bake-Off“), EuGHE 2006, I-08135, Rn. 20 f. 420 Generalanwalt Maduro, Schlussantrag vom 20.3.2006 – Rs. C-158/04 und C-159/04 („Bake-Off“), EuGHE 2006, I-08135, Rn. 18 f.

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Gemeinschaftsrechtlicher Rahmen der Rechtsformwahlfreiheit

tet:421 Zum einen ordnen beide die fragliche Regelung der Kategorie „produktbezogene Regelung“ zu, um nicht von vornherein die Regelung als Verkaufsmodalität aus dem Anwendungsbereich herauszunehmen. Tatsächlich handelt es sich aber ganz offenkundig um eine Verkaufsmodalität, da es um die räumlichen Anforderungen geht, die für den Verkauf von bestimmten Teigwaren zu erfüllen sind, um also eine Genehmigung für den Vertrieb (als Bäckerei) zu erhalten. Warenbezogen ist die Regelung mitnichten. Zum anderen verdeutlicht insbesondere die Argumentation des Generalanwalts, dass eine Eingrenzung des Beschränkungstatbestands auf Diskriminierungen des grenzüberschreitenden Sachverhalts nicht zu den gewünschten Ergebnissen führt: Nach ausführlicher Argumentation für eine solche Eingrenzung subsumiert der Generalanwalt dann die griechische Regelung unter diesen Tatbestand, obwohl sie rechtlich und tatsächlich den grenzüberschreitenden Sachverhalt genauso betrifft wie den inländischen. Dies geschieht, indem die Tatsache als Diskriminierung gewertet wird, dass der Marktzugang absolut betrachtet erschwert wird, weil ausländische Wirtschaftsteilnehmer davon stärker betroffen seien.422 c) Zusammenfassung der Rechtsprechung zu einem echten Beschränkungsverbot Aus der Betrachtung der Entscheidungen des EuGH außerhalb des Steuerrechts zu einem echten Beschränkungsverbot lassen sich im Wesentlichen die folgenden drei Schlussfolgerungen ableiten: Erstens lässt die Betrachtung keinen Zweifel daran, dass der EuGH echte Beschränkungen durch die Grundfreiheiten erfasst.423 Der Vergleich mit ________________________ 421 Vgl. mit scharfer Kritik an dieser Entscheidung auch zutreffend Kingreen, Keine neue Frische in der Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten: Der EuGH und das aufgebackene Brot, EWS 2006, S. 488 ff. 422 Siehe zur Kritik an dieser Heransgehensweise oben 3. Teil; B; II; 3; b; dd. 423 So auch Gebauer, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages als Gemeinschaftsgrundrechte, 2004, S. 133; Neben diese Entscheidungen kann ergänzend auch auf die Rechtsprechung des EuGH zu den indirekten Steuern hingewiesen werden. Dort findet sich der Ansatz, dass „absolute“ Beschränkungen gegen die Grundfreiheiten verstoßen können: Bereits in einer Entscheidung aus dem Jahr 1968 („Stier“) formulierte der EuGH in Bezug auf sog. „exotische Waren“, also solche, denen keine inländischen Waren gegenüberstehen, dass eine Belastung solcher Waren nicht so hoch ausfallen dürfe, „dass der freie Warenverkehr innerhalb des Gemeinsamen Marktes hinsichtlich dieser Waren in Frage gestellt wird“, EuGH-Urteil vom 4.4.1968 – Rs. 31/67 („Stier“), EuGHE 1968, 351 ff., 368; siehe dazu auch Schön, Der freie Warenverkehr, die Steuerhoheit der Mitgliedstaaten und der Systemgedanke im europäischen Steuerrecht (Teil II), EuR 2001, S. 341 ff., 356. In der Literatur wird eine Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf die direkten Steuern für möglich gehalten, wenn Steuersätze „außerhalb des generellen Tarifrahmens“ liegen und

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dem Inlandssachverhalt war in keiner der besprochenen Entscheidungen für den EuGH entscheidungserheblich. Das Vorliegen einer Beschränkung wurde absolut festgestellt. Damit misst der EuGH den Grundfreiheiten eine wesentlich weitreichendere Funktion zu, als dies mehrheitlich in der Literatur angenommen wird: Die Grundfreiheiten dienen nicht mehr alleine dazu, den Marktzugang durch Gleichstellung von grenzüberschreitendem und inländischem Sachverhalt zu gewährleisten. Der EuGH geht vielmehr darüber hinaus davon aus, dass auch sonstige Hemmnisse des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs als Beschränkung qualifiziert werden können. Zweitens ist maßgebliches Kriterium für den EuGH, ob die fragliche Regelung (unmittelbar) den Zugang zum Markt eines anderen Mitgliedstaates beeinflusst. Dabei kann eine zu geringe Intensität der Beeinflussung einer Beschränkung entgegenstehen.424 Genaue Kriterien, wann eine relevante Beeinflussung des Marktzugangs vorliegt, liefert der EuGH allerdings nicht.425 Es wird deutlich, dass zum Teil über die Annahme eines Marktzugangshindernisses auf eine Benachteiligung ausländischer Wirtschaftsteilnehmer geschlossen wird, weil der Effekt der Marktabschottung infolge Marktzugangshemmender Regelungen diese ausländischen Wirtschaftsteilnehmer besonders treffe. Dabei ist allerdings wichtig, sich den Unterschied zu den Diskriminierungsfällen klarzumachen: In den hier besprochenen Fällen rechtlich und faktisch unterschiedslos wirkender Regelungen bestehen für den grenzüberschreitenden Sachverhalt auch faktisch keine höheren Kosten als für den inländischen. Dennoch kommt es nach Auffassung der Generalanwälte und des EuGH mittelbar in den wirtschaftlichen Auswirkungen der gleichermaßen bestehenden Beschränkung zu unterschiedlichen Folgen, weil der Effekt der Marktabschottung die Wirtschaftsteilnehmer außerhalb des jeweiligen (nationalen) Markts stärker trifft. Definiert man den Markt allerdings nicht territorial, sondern ökonomisch, so wird deutlich, dass die jeweiligen Maßnahmen wirtschaftlich in- und ausländische Marktteilnehmer in gleichem Maße betreffen und entscheidungserheblich die Beeinträchti________________________

so marktzugangsbeschränkend wirken; vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 852 ff.; Balke, Steuerliche Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten und freier Warenverkehr im Europäischen Binnenmarkt, 1998, S. 190 ff. Der gemeinsame Gedanke ist, dass Regelungen, die die Mobilität von Produkt- und Produktionsfaktoren als solche nicht unerheblich beeinträchtigen, eine Beschränkung der Grundfreiheiten darstellen, weil sie eine wechselseitige Integration der nationalen Märkte zu einem einheitlichen Markt hindern. 424 Vgl. EuGH-Urteil vom 27.1.2000 – Rs. C-190/98 („Graf“), EuGHE 2000, I-0493, Rn. 24 ff.; 34. 425 Kritisch ebenso Classen, Die Grundfreiheiten im Spannungsfeld von europäischer Marktfreiheit und mitgliedstaatlichen Gestaltungskompetenzen, EuR 2004, S. 416 ff., 426: es fehle dem EuGH an einem „klaren Konzept“, wann eine Beschränkung im Rechtssinne vorliege.

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gung der grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Integration als solche, d. h. unabhängig vom Inlandssachverhalt, ist. Drittens grenzt der EuGH in einigen Entscheidungen in Anlehnung an die Differenzierung in der „Keck“-Entscheidung zwischen Marktzugangshindernissen und Ausübungsmodalitäten ab. In anderen Entscheidungen werden aber auch Ausübungsmodalitäten als Beschränkung bewertet. Ein klares Konzept, wann der Marktzugang beeinträchtigt ist, liefert der EuGH damit im Ergebnis (noch) nicht.

III. Rechtsprechung des EuGH im Steuerrecht Die besprochenen Entscheidungen des EuGH zu einem echten Beschränkungsverbot außerhalb des Steuerrechts beziehen sich auf absolute Beeinträchtigungen. Im Bereich der direkten Steuern, auf den nun eingegangen wird, ist eine solche Rechtsprechung allenfalls im Einzelfall nachweisbar. Jedoch gibt es daneben Entscheidungen des EuGH, in denen der EuGH auch relative Beeinträchtigungen unter ein echtes Beschränkungsverbot fasst, und die daher im Folgenden behandelt werden. Zusammen ergibt sich ein grundlegend neues Verständnis der Grundfreiheiten, das die Basis für eine dogmatische Fundierung des Grundsatzes der freien Wahl der Rechtsform bietet. 1. Grundfreiheiten und Steuerrecht Einleitend ist zum Verständnis der Besonderheiten im Verhältnis von Grundfreiheiten und Steuerrecht auf die wesentlichen Parameter einzugehen, die nach Auffassung des EuGH die Kompetenzverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten und folglich auch die Kompetenzen des Gerichtshofs im Bereich der direkten Steuern bestimmen. Der EuGH formuliert in ständiger Rechtsprechung zur Bedeutung des Europarechts im Bereich der direkten Steuern, dass „die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, (…) diese ihre Befugnisse in diesem Bereich jedoch unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben.“426 ________________________ 426 Ständige Rechtsprechung seit EuGH-Urteil vom 14.2.1995 Rs. C-279/93 („Schumacker“), EuGHE 1995, I-225, Rn. 21, 26; zuletzt EuGH-Urteil vom 18.7.2007 – Rs. C-231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373;. Generalanwalt Geelhoed, Schlussantrag vom 29.06.2006 – Rs. C-524/04 („Test Claimants in the Thin Cap Group Lititgation“), EUGHE 2007, I-2107, Rn. 39; vgl. zur Bedeutung der Grundfreiheiten für die direkten Steuern insbesondere Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002; Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 51 ff.; Schießl, Europäisierung der deutschen Unternehmensbesteuerung durch den EuGH, NJW 2005,

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________________________ S. 849 ff.; Schön, Besteuerung im Binnenmarkt – die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, IStR 2004, S. 289 ff.; Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 11 ff.; Schnitger, Die Grenzen der Einwirkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrags auf das Ertragsteuerrecht, 2006, S. 15 ff. Rn. 3; Rn. 32 ff.; Amatucci, Limited tax liability of non-resident companies and freedom of establishment, EC Tax Review 2003, S. 202 ff.; Bachmann, Diskriminierungsverbote bei direkten Steuern im Regelungsbereich des EG-Vertrages, RIW 1994, S. 849 ff.; Cordewener, Deutsche Unternehmensbesteuerung und europäische Grundfreiheiten – Grundzüge des materiellen und formellen Rechtsschutzsystems der EG, DStR 2004, S. 6 ff.; Cordewener, The prohibitions of discrimination and restriction have both been intended to achieve a fully integrated internal market in the European Union, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 1 ff.; Eckhoff, Niederlassungsfreiheit, in: Birk (Hrsg), Handbuch des europäischen Steuer- und Abgabenrechts, 1995, S. 543 ff.; Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 212 ff.; Englisch, Zur Dogmatik der Grundfreiheiten und ihren ertragsteuerlichen Implikationen, StuW 2003, S. 88 ff.; Englisch, The European Treaties’ Implications for Direct Taxes, Intertax 2005, S. 310 ff.; Ettinger, Die Bestimmung des deutschen Steuerrechts durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, RIW 2006, S. 94 ff.; Farmer, The Court’s case law on taxation: a castl built on shifting sands?, EC Tax Review 2003, S. 75 ff.; Gammie, The compatibility of national tax principles with the single market, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 105 ff.; Hahn, Gemeinschaftsrecht und Recht der direkten Steuern – Teil I, DStZ 2005, S. 433 ff.; Hahn, Gemeinschaftsrecht und Recht der direkten Steuern – Teil II, DStZ 2005, S. 469 ff.; Hahn, Gemeinschaftsrecht und Recht der direkten Steuern – Teil III, DStZ 2005, S. 507 ff.; Hey, Perspektiven der Unternehmensbesteuerung in Europa, StuW 2004, S. 193 ff.; Herzig/Dautzenberg, Die Einwirkungen des EG-Rechts auf das deutsche Unternehmenssteuerrecht, DB 1997, S. 8 ff.; Hinnekens, Basis and scope of public interest justifications of national tax measures infringing fundamental treaty freedoms, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 73 ff.; Hölzle, Europarecht und Steuerrecht, Steuer & Studium 2007, S. 80 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 93 ff.; Jacobs, Körperschaftsteuersysteme in der EU – Eine Analyse der Wettbewerbswirkungen und Reformvorschläge, in: Kleineidam (Hrsg), Unternehmenspolitik und internationale Besteuerung: Festschrift für Lutz Fischer zum 60. Geburtstag, 1999, S. 85 ff.; Kofler, Wer hat das Sagen im Steuerrecht – EuGH (Teil 1), ÖStZ 2006, S. 106 ff.; Knobbe-Keuk, Die Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts auf das Gesellschaftsrecht und die Unternehmensbesteuerung 1993/94, S. 25 ff.; Knobbe-Keuk, Freizügigkeit und direkte Besteuerung – Anmerkung zu dem Urteil des EuGH, EuZW 1995, 177 – Finanzamt Köln-Altstadt/Roland Schumacker, EuZW 1995, S. 167 ff.; Knobbe-Keuk, Die Einwirkung der Freizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit auf die beschränkte Steuerpflicht, EuZW 1991, S. 649 ff.; Kofler, Wer hat das Sagen im Steuerrecht – EuGH (Teil 1), ÖStZ 2006, S. 106 ff.; Kokott, Die Bedeutung der europarechtlichen Diskriminierungsverbote und Grundfreiheiten für das Steuerrecht der EU-Mitgliedstaaten, in: Lehner (Hrsg), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 1 ff.; Kokott/Henze, Ist der EuGH – noch – ein Motor für die Konvergenz der Steuersysteme?, BB 2007, S. 913 ff.; Lang, Direct Taxation: Is the ECJ Heading in a New Direction?, European Taxation 2006, S. 421 ff.; Lang, Europarechtliche Aspekte der Besteuerung von Erbschaften, DStJG 22 (1999),

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a) Vorgaben des EG-Vertrags Auf primärrechtlicher Ebene finden sich keine unmittelbar auf die direkten Steuern bezogenen Vorschriften: Die Vorschriften der Art. 90 ff. EG beziehen sich nur auf indirekte Steuern.427 Art. 95 Abs. 2 EG nimmt die Steuern ausdrücklich vom vereinfachten Verfahren nach Art. 95 EG aus, sodass die strengen Harmonisierungsvoraussetzungen des Art. 94 EG gelten, also insbesondere Einstimmigkeit für eine Harmonisierungsmaßnahme und die Be________________________ S. 255 ff.; Lehner, Begrenzung der nationalen Besteuerungsgewalt durch die Grundfreiheiten und Diskriminierungsverbote des EG-Vertrages, DStJG 23 (2000), S. 263 ff.; Lehner, Fundamental freedoms and national sovereignty in the EU, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 47 ff.; Lyal, Non-discrimination and direct tax in Community law, EC Tax Review 2003, S. 68 ff.; Musil, Kein europarechtliches Beschränkungsverbot für die direkten Steuern? – Eine Analyse der Rechtsprechung des EuGH zur tatbestandlichen Reichweite der Personenverkehrsfreiheiten im Zusammenhang mit dem Recht der direkten Steuern, IStR 2001, S. 482 ff.; O’Shea, From Avoir Fiscal to Marks & Spencer, Tax Notes International 2006, S. 587 ff.; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Stand: 2005, Vor Art. 39–55 EGV, Rn. 120; Rödder, Deutsche Unternehmensbesteuerung im Visier des EuGH, DStR 2004, S. 1629 ff.; Rödder, Deutsche Unternehmensbesteuerung im Visier des EuGH, in: Gocke/Gosch/ Lang (Hrsg), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung – Festschrift fur Franz Wassermeyer zum 65. Geburtstag, 2005, S. 163 ff.; Schön, Tax competition in Europe – the legal perspective, EC Tax Review 2000, S. 90 ff.; Terra/ Wattel, European Tax Law, 2005; Thömmes, Verbote der Diskriminierung von Steuerausländern und Steuerinländern, in: Lehner (Hrsg), Steuern im Europäischen Binnenmarkt DStJG 19 1996, S. 81 ff.; Tumpel, Europarechtliche Besteuerungsmaßstäbe für die grenzüberschreitende Organisation und Finanzierung von Unternehmen, DStJG 23 (2000), S. 321 ff.; Vanistendael, The compatibility of the basic economic freedoms with the sovereign national tax systems of the Member States, EC Tax Review 2003, S. 136 ff.; Vanistendael, The ECJ at the Crossroads: Balancing Tax Sovereignty against the Imperatives of the Single Market, EC Tax Review 2006, S. 413 ff.; Van Thiel/Achilles, Die Beseitigung ertragsteuerlicher Hindernisse im Binnenmarkt: Eine Darstellung der Einflüsse der Rechtsprechung des EuGH auf die Ertragbesteuerung in der Europäischen Union (Teil I), IStR 2003, S. 530 ff.; Van Thiel/Achilles, Die Beseitigung ertragsteuerlicher Hindernisse im Binnenmarkt: Eine Darstellung der Einflüsse der Rechtsprechung des EuGH auf die Ertragbesteuerung in der Europäischen Union (Teil II), IStR 2003, S. 553 ff.; Van Raad, The Impact of the EC Treaty’s Fundamental Freedom Provisions on EU Member States’ Taxation in Border-crossing Situations – Current State of Affairs, EC Tax Review 1995, S. 190 ff.; Wathelet, Direct taxation and EU law: integration or desintegration?, EC Tax Review 2004, S. 2 ff. 427 Vgl. ausführlich zum Fehlen primärrechtlicher Aussagen und zu den Begrifflichkeiten Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 4 ff.; Schnitger, Die Grenzen der Einwirkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrags auf das Ertragsteuerrecht, 2006, S. 13 f.

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schränkung auf Richtlinien als Rechtsaktform.428 Art. 293 EG fordert die Mitgliedstaaten auf, untereinander Verhandlungen einzuleiten, um zugunsten ihrer Staatsangehörigen die Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der Gemeinschaft sicherzustellen. Dabei geht es aber nur um völkerrechtliche Verträge; Art. 293 EG enthält keine europarechtliche Verpflichtung, die die Mitgliedstaaten gegenüber ihren Staatsangehörigen bindet.429 Aus dem Sekundärrecht ergeben sich wenig Rückschlüsse auf das Verhältnis von Europarecht und Steuerrecht: Die wohl bedeutendste Richtlinie ist die Mutter-Tochter-Richtlinie430: Ziel der Richtlinie ist die Ermöglichung steuerneutraler Zusammenschlüsse von Unternehmen aus verschiedenen Mitgliedstaaten insbesondere durch Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbelastung der Dividenden und von Quellensteuern. Ziel der Fusions-Richtlinie431 ist die Ermöglichung steuerneutraler grenzüberschreitender Umstrukturierungen.432 Ziel des Übereinkommens 90/436/EWG433 ist die Vermeidung einer Doppelbesteuerung bei verbundenen Unternehmen bei Gewinnberichtigungen. Die Richtlinie über Zinsen und Lizenzgebühren dient ebenfalls der Vermeidung von Quellensteuern auf interne Zahlungen.434

________________________ 428 Vgl. zur Kompetenzverteilung zwischen EG und Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Steuerrechts auch Kokott, Die Bedeutung der europarechtlichen Diskriminierungsverbote und Grundfreiheiten für das Steuerrecht der EU-Mitgliedstaaten, in: Lehner (Hrsg), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 1 ff., 2 ff. 429 Dazu Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 150 ff.; Böhmer in: Callies/Ruffert, EUV EGV, Art. 293 EG, Rn. 1 ff. 430 Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (Abl. L 225, S. 6). 431 Richtlinie 90/434/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen (Abl. L 225, S. 1). 432 Mangels gesellschaftsrechtlicher Grundlage war dies vorbehaltlich der Gewährleistungen der Grundfreiheiten bis zur Umsetzung der Verschmelzungsrichtlinie (Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten; Abl. L 310 v. 15.11.2005, S. 1) allerdings nicht möglich. 433 Übereinkommen 90/436/EWG vom 23. Juli 1990 über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Fall der Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen (Abl. L 225, S. 10). 434 Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 3. Juni 2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 157, S. 49).

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Aufgrund der lediglich rudimentären Ansätze im EG-Recht sind es daher im Wesentlichen die Grundfreiheiten, die Maßstab für die Ausgestaltung des nationalen Steuerrechts sind.435 b) Bedeutung des Steuerrechts für den Binnenmarkt Das „Schweigen“ des EG-Vertrags zu den direkten Steuern wird überwiegend damit erklärt, dass den „Vertragsvätern“ die Bedeutung der direkten Steuern für die Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes nicht bewusst gewesen sei; im Übrigen ging man in den ersten Jahren des Bestehens der EG davon aus, dass die Grundfreiheiten keine unmittelbare Anwendbarkeit zugunsten der Marktbürger entfalten und somit nationalen Steuerregelungen der Mitgliedstaaten nicht entgegen gehalten werden könnten.436 Schon vor Gründung der EG437 und in zahlreichen Berichten der EU-Kommission zur Besteuerung im Binnenmarkt438 wurde die Wechselwirkung zwischen nationaler Besteuerungshoheit und Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes aber als wesentlich betrachtet. Abgesehen von der Bedeutung steuerlicher Belastungen als Kostenfaktor waren es insbesondere die verzerrenden Wirkungen, die als relevant für den Gemeinsamen Markt herausgestellt wurden. Beispielsweise stellte der sog. Segré-Report des Jahres 1966 fest, dass steuerliche Erwägungen die Wahl des Ortes sowie die Art einer Investition nicht beeinflussen sollten.439 Mit dem Ziel, Harmonisierungsmaßnahmen zu ergreifen, erarbeitete namentlich die Europäische Kommission zahlreiche Papiere, um insbesondere die steuerlichen Hindernisse zu beseitigen, die dem freien Kapitalverkehr und der Restrukturierung und Konzentration von Gesellschaften innerhalb der Gemeinschaft entgegenstehen.440 Aus der jüngeren Zeit ist die Mitteilung der Kommission zu einem „Binnenmarkt ohne steuerliche Hindernisse“ hervorzuheben, die auf einem umfassenden Arbeitspapier basiert: Ausgehend von der Erkenntnis, dass die wirtschaftliche Integration vorangeschritten ist und die in der EU tätigen ________________________

435 Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 15. 436 Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 18 f. 437 Sog. „Spaak-Bericht“, Regierungsausschuss eingesetzt von der Konferenz von Messina, Bericht der Delegationsleitung an die Außenminister, S. 66, 68 f. (zitiert nach Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 18). 438 Vgl. ausführlich zum Folgenden Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 18 ff. mit detaillierter Besprechung und Nachweisen aller Dokumente der EG und der von dieser eingesetzten Kommissionen, die sich mit der Bedeutung der direkten Steuern im Gemeinsamen Markt beschäftigt haben. 439 Segré, The Development of a European Capital Market; vgl. dazu Farmer/Lyal, EC Tax Law, S. 20. 440 Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 21 f.

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Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten

Unternehmen den Binnenmarkt zunehmend als ihren „Inlandsmarkt“ betrachten und entsprechend um den Aufbau EU-weiter Geschäftsstrukturen bemüht sind, werden Elemente des Steuerrechts identifiziert, die einem effizienten Binnenmarkt weiter entgegenstehen. Die Entscheidung über „eine Investition, ihre Finanzierung und ihren Standort (sollte) im Prinzip nicht von steuerlichen Erwägungen beeinflusst werden“.441 c) Konflikt von nationaler Steuerautonomie und Geltungsanspruch der Grundfreiheiten Mangels Harmonisierung und angesichts der Steuerhoheit der Mitgliedstaaten ist es damit Sache der Mitgliedstaaten, ihre Besteuerungsbefugnisse untereinander abzugrenzen und das Ausmaß, also Bemessungsgrundlage, Tarif und Erhebung, festzulegen.442 Die Steuerhoheit hat eine besondere Bedeutung für die Souveränität der Mitgliedstaaten.443 Das Primärrecht wirkt damit nur auf die Umsetzung und Ausübung der grundsätzlichen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten ein.444 Die Anwendbarkeit der Grundfreiheiten setzt keine vorherige Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften voraus.445 2. Entwicklung vom Gebot der Inländergleichbehandlung zum Verbot der Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts Die überwiegende Anzahl der Entscheidungen des EuGH im Steuerrecht konnte mithilfe eines an den Aufnahmestaat gerichteten Diskriminierungs________________________ 441 Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss – „Ein Binnenmarkt ohne steuerliche Hindernisse“ – vom 23.10.2001, KOM(2001) 582 endg., S. 5 f.; S. 33 (Punkt 6,7); Arbeitsdokument der Dienststellen der Kommission – „Unternehmensbesteuerung im Binnenmarkt“ – vom 23.10.2001, SEK(2001)1681, Rn. 5 f. der Zusammenfassung und S. 23 ff. des Dokuments. 442 Ständige Rechtsprechung seit EuGH-Urteil vom 12.5.1998, Rs. C-336/96 („Gilly“), EuGHE 1998, I-2793, Rn. 24; Kokott/Henze, Ist der EuGH – noch – ein Motor für die Konvergenz der Steuersysteme?, BB 2007, S. 913 ff.; Lenaerts, Besteuerung von Einkommen – Aufgaben, Wirkungen und europäische Herausforderungen; Referat, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg), Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages – Band II/1, 2006, S. Q 7 ff., 20 ff. 443 Reimer, Die Auswirkungen der Grundfreiheiten auf das Ertragsteuerrecht der Bundesrepublik Deutschland – Eine Bestandsaufnahme, in: Lehner (Hrsg), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 39 ff., 57 spricht vom „besonders souveränitätssensiblen Bereich des Steuerrechts“. 444 Lenaerts, Besteuerung von Einkommen – Aufgaben, Wirkungen und europäische Herausforderungen; Referat, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg), Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages – Band II/1, 2006, S. Q 7 ff., 20 ff. spricht plastisch vom „Umrahmungsprinzip“. 445 EuGH-Urteil vom 28.1.1986 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 285, Rn. 24.

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Gemeinschaftsrechtlicher Rahmen der Rechtsformwahlfreiheit

verbots gelöst werden.446 Dabei handelte es sich nach der Diktion des EuGH in der Regel um versteckte Diskriminierungen, da tatbestandlich nicht die Staatsangehörigkeit, sondern die Ansässigkeit bzw. die daran anknüpfende (beschränkte oder unbeschränkte) Steuerpflicht maßgeblich war.447 Auch in den Wegzugsfällen hat der EuGH wesentlich auf die Schlechterstellung des grenzüberschreitenden zum vergleichbaren inländischen Sachverhalt abgestellt.448 Wie im Übrigen greift der EuGH auch hier nicht auf den Begriff der Diskriminierung zurück, sondern ist verhaftet in der an die Staatsangehörigkeit anknüpfenden Terminologie und spricht daher auch im Bereich der direkten Steuern statt von Diskriminierung von Beschränkung.449 Ausdrücklich ausgenommen ist vom EuGH aus dem Begriff der Beschränkung die Ausnutzung von Besteuerungsunterschieden, obwohl diese natürlich unvermeidlich verzerrende Wirkung auf die Investitionsentscheidung haben.450 Den Mitgliedstaaten ist es verwehrt, die Ausnutzung der Divergen________________________

446 Vgl. die umfassende Übersicht über die Entscheidungen bei Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 385 ff.; Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 67 (Fn. 295). 447 Vgl. nur EuGH-Urteil vom 28.1.1986 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 285; EuGH-Urteil vom 21.9.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999, I-6161; EuGH-Urteil vom 8.7.1999 – Rs. C-254/97 („Société Baxter“), EuGHE 1999, I-4809; vgl. auch Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 68 m. w. N.; Schnitger, Die Grenzen der Einwirkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrags auf das Ertragsteuerrecht, 2006, S. 179 ff. 448 Vgl. nur EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10857; vgl. auch die umfassenden Nachweise der Rechtsprechung bei Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 69 f. 449 Siehe EuGH vom 14.10.2004 Rs. C-299/02 (Kommission/Niederlande vgl. Panayi, Ships and Taxes: Does the Case of Commission v. Netherlands Have Tax Implications?, 2005, S. 97 ff.; Zur Entwicklung aktuell Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 55 ff.; Kokott, Die Bedeutung der europarechtlichen Diskriminierungsverbote und Grundfreiheiten für das Steuerrecht der EU-Mitgliedstaaten, in: Lehner (Hrsg), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 1 ff., 19; vgl. zur Terminologie 3. Teil; B; II; 2. 450 Allgemeine Meinung in Rechtsprechung (z. B. EuGH-Urteil vom 14.7.1994 – Rs. C-379/92 („Peralta“), EuGHE 1994, I-3499, Rn. 48; EuGH-Urteil vom 12.5. 1998 – Rs. C-336/96 („Gilly“), EuGHE 1998 I-2793, Rn. 47) und Literatur, vgl. nur Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 122 ff.; Baßler, Zu den „Steuerspezifika“ der Grundfreiheiten des EG-Vertrages, IStR 2005, S. 822 ff.; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 289; aktuell dazu Generalanwalt Geelhoed, Schlussantrag vom 29.06.2006 – Rs. C-524/04 („Test Claimants in the Thin Cap Group Lititgation“), EuGHE 2007, I-2107, Rn. 40 mit Nachweisen aus der EuGH-Rechtsprechung. Zu Disparitäten und „Quasibeschränkungen“ siehe zudem im 3. Teil; B; IV; 3; c.

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zen der mitgliedstaatlichen Besteuerungssysteme als Anlass für beschränkende Maßnahmen zu nehmen.451 Zusammenfassend kann damit festgestellt werden, dass der EuGH zumindest insoweit im Steuerrecht seiner Judikatur im Übrigen folgt, als im Kern jede Schlechterstellung eines grenzüberschreitenden gegenüber einem inländischen Vorgang verboten ist. 3. Entscheidungen des EuGH zu einem echten Beschränkungsverbot Nach aktueller Einschätzung der Literatur hat ein „echtes Beschränkungsverbot“ in der Rechtsprechung des EuGH im materiellen Steuerrecht bislang keine Bedeutung erlangt.452 Inwieweit diese Einschätzung zutrifft, wird im Folgenden untersucht. a) „Absolute“ Hindernisse grenzüberschreitender Tätigkeit Ausgangspunkt der Untersuchung sind dabei zunächst die Entscheidungen, die bislang in der Wissenschaft als Beleg dafür diskutiert werden, dass der EuGH auch im Bereich der direkten Steuern ein „freiheitsrechtliches“ Beschränkungsverbot zugrunde legt.453

________________________ 451 Vgl. beispielweise EuGH-Urteil vom 21.9.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999, I-6161, Rn. 49 f. In der Literatur wird dies zum Teil als Ausdruck des sog. Annerkennungsgrundsatzes auch im Steuerrecht gewertet, vgl. Schönfeld, Betriebsstättenbesteuerung und Gemeinschaftsrecht, in: Wassermeyer/ Andresen/Ditz (Hrsg), Betriebsstättengewinnermittlung, 2006, S. 577 ff., (Rn. 1103). 452 Farmer, The Court’s case law on taxation: a castl built on shifting sands?, EC Tax Review 2003, S. 75 ff. Reimer/Lammel, Europäisches Unternehmenssteuerrecht. Eine Einführung, in: Reimer/Dillmann/Laier/Lammel/Schmitz (Hrsg), Europäisches Gesellschafts- und Steuerrecht, 2007, S. 164 ff., 179; Musil, Kein europarechtliches Beschränkungsverbot für die direkten Steuern? – Eine Analyse der Rechtsprechung des EuGH zur tatbestandlichen Reichweite der Personenverkehrsfreiheiten im Zusammenhang mit dem Recht der direkten Steuern, IStR 2001, S. 482 ff.; vgl. Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 66 ff.; siehe aber auch Cordewener, The prohibitions of discrimination and restriction have both been intended to achieve a fully integrated internal market in the European Union, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 1 ff., 29 ff.; Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 89 ff. 453 Siehe zum Begrif „freiheitsrechtliches“ Beschränkungsverbot oben unter 3. Teil; B; II; 2; zur Diskussion in der Literatur siehe nur Cordewener, The prohibitions of discrimination and restriction have both been intended to achieve a fully integrated internal market in the European Union, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 1 ff.

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aa) „Futura“ Für ein echtes Beschränkungsverbot auch im Steuerrecht wird häufig die Entscheidung „Futura“ angeführt.454 Der Aspekt, an dem nach Auffassung der herrschenden Meinung ein „freiheitsrechtliches“455 Verständnis der Grundfreiheiten zum Ausdruck kommt, ist der Aspekt der Buchführungsund Aufbewahrungspflicht. Der EuGH nahm an, es stelle „eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit“ dar, wenn ausländische Gesellschaften „neben ihren eigenen Büchern, die dem Steuerrecht des Mitgliedstaates ihres Sitzes entsprechen müssen, getrennte Bücher über die Tätigkeit ihrer Zweigniederlassung nach dem Steuerrecht des Staates führen müssen, in dem die Letztere sich befindet“.456 Diese Entscheidung wird schon deshalb als Ausdruck eines „freiheitsrechtlichen“ Beschränkungsverbots interpretiert, weil der EuGH unmittelbar auf die Entscheidungen „Gebhard“ 457, „Kraus“ 458 und „Bosman“ 459 verweist, und zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit gelangt.460 Richtig ist, dass an beschränkt Steuerpflichtige keine höheren Anforderungen gestellt wurden als an unbeschränkt Steuerpflichtige; jeweils war eine Buchführung nach luxemburgischen Grundsätzen und die Aufbewahrung der Aufzeichnungen in Luxemburg Voraussetzung für eine Verlustverrechnung. Doch deutet die Formulierung des EuGH schon an, dass der innere Grund für die Entscheidung ein anderer ist: Er formuliert, dass die Voraussetzung, neben den eigenen noch getrennte Bücher über die Tätigkeiten ihrer Zweigniederlassung zu ________________________ 454 EuGH-Urteil vom 15.5.1997 – Rs. C-250/95 („Futura“), EuGHE 1997, I-2492; siehe dazu bereits im Hinblick auf die Rechtsformwahlfreiheit oben 2. Teil; A; VIII sowie zur Einordnung unter das Diskriminierungsverbot als Fall einer „Doppelregulierung“ unter 3. Teil; B; II; 3; a. Siehe zur Einschätzung in der Literatur stellvertretend für nahezu alle nur Lehner, Tax consequences resulting from the application of the non-restriction principles in areas other than taxation: distinction between discriminatory and non-discriminatory restrictions, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 47 ff., 56 („There is only one ECJ judgment relating to a non-discriminatory restriction caused by equal treatment in the field of direct taxes“). 455 Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 638. 456 EuGH-Urteil vom 15.5.1997 – Rs. C-250/95 („Futura“), EuGHE 1997, I-2492, Rn. 23 ff.; siehe zu dieser Entscheidung ausführlich im 2. Teil; A; VIII. 457 EuGH-Urteil vom 30.11.1995 – Rs. C-55/94 („Gebhard“), EuGHE 1995, I-4165. 458 EuGH-Urteil vom 31.3.1993 – Rs. C-19/92 („Kraus“), EuGHE 1993, I-1663. 459 EuGH-Urteil vom 15.12.1995 – Rs. C-415/93 („Bosman“), EuGHE 1995, I-04921. 460 Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 633; 638 ff., der von einem „Frontalangriff“ auf die Regelung anstelle einer Vergleichsbetrachtung spricht.

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führen, „spezifisch Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat trifft“461. Entscheidungserheblich für den EuGH ist daher die Doppelung der Verpflichtungen von Herkunfts- und Aufnahmestaat. Es liegt damit eine Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts vor, weil auf das Zusammenspiel beider Rechtsordnungen abzustellen, also die faktische Benachteiligung des Vorgangs und nicht die rechtliche Benachteiligung allein durch den Aufnahmestaat maßgeblich ist.462 bb) „Sandoz“ In der Rechtssache „Sandoz“, die bisher wenig akademische Aufmerksamkeit gefunden hat, ging es um die Vereinbarkeit einer unterschiedslosen Gebührenerhebung auf im In- oder Ausland durch Gebietsansässige abgeschlossene Darlehensverträge mit der Kapitalverkehrsfreiheit.463 Sowohl für Generalanwalt Léger als auch für den EuGH war entscheidungserheblich, dass die fragliche Regelung Darlehensnehmern die „Möglichkeit (entzieht), in den Genuss einer Gebührenfreiheit zu kommen, die für außerhalb des Staatsgebiets geschlossene Darlehensverträge gelten könnte“.464 Der Generalanwalt führt dies näher aus, wenn er formuliert, die Kapitalverkehrsfreiheit solle es ermöglichen, „in den Genuss der günstigsten Voraussetzungen zu gelangen, die ihnen in einem der die Gemeinschaft bildenden

________________________ 461 EuGH-Urteil vom 15.5.1997 – Rs. C-250/95 („Futura“), EuGHE 1997, I-2492, Rn. 25 f. 462 Siehe ausführlich zu Einordnung der Doppelregulierungen in das Diskriminierungsgebot unter 3. Teil; B; II; 3; a. So auch die Bewertung von Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 71 ff.; Musil, Kein europarechtliches Beschränkungsverbot für die direkten Steuern? – Eine Analyse der Rechtsprechung des EuGH zur tatbestandlichen Reichweite der Personenverkehrsfreiheiten im Zusammenhang mit dem Recht der direkten Steuern, IStR 2001, S. 482 ff., 484; Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV – nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, 2000, S. 351; siehe auch Englisch, Zur Dogmatik der Grundfreiheiten und ihren ertragsteuerlichen Implikationen, StuW 2003, S. 88 ff., 90 f. 463 Zum Sachverhalt siehe ausführlich EuGH-Urteil vom 14.10.1999 – Rs. C-439/97 („Sandoz“), EuGHE 1999, I-7066, Rn. 2 ff. und Generalanwalt Léger, Schlussantrag vom 20.5.1999 – Rs. C-439/97 („Sandoz“), EuGHE 1999, I-07043, Rn. 30 ff.; vgl. die ausführliche und differenzierte Besprechung bei Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 74 ff. 464 EuGH-Urteil vom 14.10.1999 – Rs. C-439/97 („Sandoz“), EuGHE 1999, I-7066, Rn. 19 und Generalanwalt Léger, Schlussantrag vom 20.5.1999 – Rs. C-439/97 („Sandoz“), EuGHE 1999, I-07043, Rn. 31.

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Staatsgebiete für die Investition und Anlage ihres Kapitals geboten werden.“465 In der Literatur wird vertreten, der Rechtssache „Sandoz“ liege eine gleichheitsrechtliche Beurteilung zugrunde:466 Im Wegzugsfall schützten die Grundfreiheiten die relative Gleichheit auf dem Markt des Zielstaates. Dort sei der Darlehensnehmer benachteiligt, weil er zusätzlich mit der Gebühr seines Heimatstaates belastet sei. Da eine solche relative Ungleichbehandlung auf dem Inlandsmarkt nicht vorläge, sei der Inlandssachverhalt im Ergebnis weniger belastet als der Sachverhalt auf dem ausländischen Teilmarkt. Die spezifische Mehrbelastung gegenüber dem vergleichbaren inländischen Sachverhalt werde über die Vorenthaltung einer möglichen Minderbelastung durch den Marktaustrittsstaat bewirkt. Den Grundfreiheiten sei aber (lediglich) an einer relativen Marktgleichheit auf den jeweiligen mitgliedschaftlichen Teilmärkten gelegen.467 Nach hier vertretener Auffassung ist die Beschränkung des Kapitalflusses als Schutzgut der Kapitalverkehrsfreiheit maßgeblich, nicht die Teilnahme auf dem Auslandsmarkt. Die Gegenauffassung einer „Gleichheit auf den Teilmärkten“ ist im Hinblick auf die Zielvorstellung des Binnenmarkts, einen vollkommenen Binnenmarkt zu schaffen, nicht aufrecht zu halten.468 Diese Auffassung unterstellt, dass ein in Österreich ansässiger Darlehensnehmer im Ausland auf dem „Markt der Darlehensnehmer“ handelt und dort relativ benachteiligt ist, wohingegen er auf dem inländischen „Markt der Darlehensnehmer“ gleichgestellt ist. Schon die Prämisse des Wechsels in einen anderen Teilmarkt erscheint nicht richtig: Ziel des Binnenmarkts ist es gerade, den Wirtschaftsteilnehmer als Teilnehmer eines Markts zu behandeln und ihm zu ermöglichen, dort seine Ressourcen zu investieren (hier: Darlehen aufzunehmen), wo ihm dies ökonomisch am sinnvollsten erscheint. ________________________ 465 Generalanwalt Léger, Schlussantrag vom 20.5.1999 – Rs. C-439/97 („Sandoz“), EuGHE 1999, I-07043, Rn. 47. In einem zweiten Schritt rechtfertigt der EuGH die Regelung mit dem Interesse an einer „gleichmäßigen Steuerbelastung“. Ohne die Regelung könnten sich die Steuerpflichtigen „ihren Verpflichtungen aus einer nationalen Steuerregelung entziehen“. EuGH-Urteil vom 14.10.1999 – Rs. C-439/97 („Sandoz“), EuGHE 1999, I-7066, Rn. 24. 466 Cordewener, The prohibitions of discrimination and restriction have both been intended to achieve a fully integrated internal market in the European Union, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 1 ff., 35 ff.; Lehner, Tax consequences resulting from the application of the non-restriction principles in areas other than taxation: distinction between discriminatory and non-discriminatory restrictions, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 47 ff., 56 ff. 467 Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 78 ff. 468 Siehe dazu ausführlich unter 3. Teil; A; II; 3.

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Bei einer Gebühr, deren Anknüpfungspunkt gerade die Darlehensvereinbarung, also der Transfer von Kapital ist, wird der Vorgang belastet. Dies gilt unabhängig von der Situation im Inland, also absolut. Dass es um die Belastung des Vorgangs, nicht um die Gleichheit auf dem ausländischen Markt geht, wird deutlich, wenn man sich überlegt, zu welchem Ergebnis man käme, wenn die Gebühr auf im Ausland abgeschlossene Darlehensverträge geringer ausgefallen wäre als für inländische Darlehensverträge. Zwar bestünde weiter relative Ungleichheit auf dem Auslandsmarkt und relative Gleichheit auf dem Inlandsmarkt, aber es besteht kein Zweifel, dass im Vergleich zwischen grenzüberschreitendem Sachverhalt und Inlandssachverhalt der erstere besser stünde und jeder ökonomisch denkende Wirtschaftsteilnehmer im Ausland ein Darlehen aufnehmen würde. Die Argumentation des EuGH würde aber auch hier – trotz Besserstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts gegenüber dem inländischen Sachverhalt – eine Beschränkung annehmen, denn „eine Regelung wie diejenige, um die es im Ausgangsverfahren geht, (nimmt) den Gebietsansässigen eines Mitgliedstaates die Möglichkeit, in den Genuss einer Gebührenfreiheit zu gelangen, die für außerhalb des Staatsgebiets geschlossene Darlehensverträge gelten könnte. Daher ist eine derartige Maßnahme geeignet, diese Gebietsansässigen davon abzuschrecken, bei in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Personen Darlehen aufzunehmen.“469 Der EuGH stellt also nicht auf den Vergleich mit einer Darlehensaufnahme im Inland ab: Er fokussiert allein die Situation des Wirtschaftsteilnehmers, der wegen einer möglichen Gebührenfreiheit im Ausland ein Darlehen aufnehmen möchte und dies wegen der inländischen Gebührenpflicht (auch) auf das ausländische Darlehen unterlässt. Eine Rückkopplung an den Inlandssachverhalt, soweit dieser besser steht, erfolgt gerade nicht. Im Ergebnis erfolgte in der Entscheidung „Sandoz“ damit die erste Anerkennung eines echten Beschränkungsverbots im Steuerrecht, da die Beschränkung durch den EuGH in der Sache ohne Rücksicht auf den Inlandssachverhalt begründet wird.470 ________________________ 469 EuGH-Urteil vom 14.10.1999 – Rs. C-439/97 („Sandoz“), EuGHE 1999, I-7066, Rn. 19. 470 Eine weitere Entscheidung wird als Bestätigung des „Sandoz“-Urteils betrachtet: In der Rechtssache „De Coster“ ging es um eine Gemeindeabgabe auf Parabolantennen. Diese Regelung hatte zur Folge, dass der Empfang über Satellit ausgestrahlter Fernsehsendungen mit einer Belastung belegt wird, die nicht für per Kabel übertragene Sendungen gilt, da der Kabelempfang keiner entsprechenden Abgabe zu Lasten des Empfängers unterlag. Für ausländische Fernsehsender war der Zugang zum Kabelfernsehen entweder gänzlich ausgeschlossen oder auf ein Programm pro Staat begrenzt, wohingegen inländische Fernsehsender unbegrenzten Zugang hatten; vgl. EuGH-Urteil vom 29.11.2001 – Rs. C-17/00 („De Coster“), EuGHE 2001,

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b) Vergleich zweier grenzüberschreitender Sachverhalte (sog. „relative“ Hindernisse) Einen für diese Untersuchung zentralen weiteren Schritt vollzieht der EuGH in der jüngsten Rechtsprechung zu den direkten Steuern: Er gelangt durch den Vergleich zweier grenzüberschreitender Sachverhalte zu einer Beschränkung. Nach hier vertretener Auffassung sind auch diese Konstellationen unter das Beschränkungsverbot zu subsumieren, da der EuGH einen relativen Maßstab anlegt, Vergleichsgröße dafür aber nicht der vergleichbare Inlandssachverhalt ist.471 aa) „Cadbury Schweppes“ In der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ 472 ging es um Vorschriften der britischen Hinzurechnungsbesteuerung.473 Die Regelung sah vor, dass die Gewinne einer beherrschten ausländischen Tochtergesellschaft in die Bemessungsgrundlage der britischen Muttergesellschaft miteinbezogen wurden, wenn die Tochtergesellschaft nach Maßgabe des Gesetzes niedrig besteuert wurde.474 Die streitgegenständliche Regelung durchbrach also das Trennungsprinzip, da auch thesaurierte Gewinne der Tochtergesellschaft bei der Muttergesellschaft nach Maßgabe des britischen Rechts besteuert wur-

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471 472 473 474

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I-9445, Rn. 31. Der EuGH nahm eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit an, weil es inländischen Fernsehzuschauern schwerer möglich war, ein ausländisches Programm zu sehen. Zudem war es ausländischen Anbietern nur eingeschränkt möglich, auf den inländischen Markt zu kommen. Wenngleich die Abgabe insoweit den grenzüberschreitenden Sachverhalt ebenso belastet wie den inländischen, als jeweils die Ausstrahlung bzw. der Empfang über Parabolantennen verteuert wurde, so ist für den EuGH doch entscheidend, dass ausländische Marktteilnehmer stärker betroffen sind, weil insoweit der alternative Zugang zum Kabelfernsehen nicht oder nur sehr beschränkt möglich war. Die Entscheidung basiert daher eher auf einem weit verstandenen Diskriminierungsverbot als auf einem echten Beschränkungsverbot, da der Vergleich mit dem Inlandssachverhalt entscheidungserheblich ist. So auch Cordewener, The prohibitions of discrimination and restriction have both been intended to achieve a fully integrated internal market in the European Union, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 1 ff., 28 f. Siehe zur Begründung 3. Teil; B; II; 2. EuGH-Urteil vom 12.9.2006 – Rs. C-196/04 („Cadbury Schweppes“), EuGHE 2006, I-7995. Sections 747 bis 756 und Schedules 24 bis 26 des Income and Corporation Taxes Act 1988. Ein Beherschungsverhältnis lag bei einer Beteiligung von mehr als 50 % vor. Eine niedrige Besteuerung lag vor, wenn die Steuerbelastung weniger als 75 % des britischen Niveaus unter sonst gleichen Umständen erreichte.

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den; sie behandelte also die Tochtergesellschaft als transparent unter Anrechnung der von der Tochtergesellschaft geleisteten Steuer.475 Grundlage der Entscheidung ist die ausführliche Stellungnahme des Generalanwalts Légers, der sich, soweit ersichtlich, erstmalig grundlegend mit der Möglichkeit einer Beschränkung durch eine Unterscheidung zweier grenzüberschreitender Sachverhalte auseinandersetzt.476 Er legt dabei den Begriff der Diskriminierung so weit aus, dass nicht nur der Vergleich mit dem Inlandssachverhalt erfasst ist, sondern jede „Anwendung unterschiedlicher Vorschriften auf gleiche Situationen oder die Anwendung derselben Vorschrift auf unterschiedliche Situationen“.477 Unter Hinweis auf die Zielvorstellung des „einheitlichen Marktes“ lehnt der Generalanwalt die Möglichkeit ab, Wirtschaftsteilnehmer durch differenzierende Steuersätze je nach Sitz der Tochtergesellschaft in ihrem „Recht, eine Tochtergesellschaft am Ort ihrer Wahl“ zu gründen, zu beeinflussen.478 Der EuGH schloss sich diesem Votum ohne weiterführende Ausführungen an.479 Die Entscheidung ist von besonderer Bedeutung, da bislang noch in keinem vorausgehenden Fall so eindeutig aus der Ungleichbehandlung zweier grenzüberschreitender Sachverhalte, also ohne Kopplung an den Inlandssachverhalt, eine Grundfreiheitsbeeinträchtigung angenommen wurde.480 Nach ________________________ 475 Zu den Einzelheiten siehe EuGH-Urteil vom 12.9.2006 – Rs. C-196/04 („Cadbury Schweppes“), EuGHE 2006, I-7995, Rn. 2 ff. Generalanwalt Léger, Schlussantrag vom 2. Mai 2006 – Rs. C-196/04 („Cadbury Schweppes“), EuGHE 2006, I-7995, Rn. 10 ff. 476 An dieser Stelle ist allerdings freilich darauf hinzuweisen, dass die anfangs erläuterte Rechtsprechung zur Rechtsformwahlfreiheit gerade auch auf einem solchen Vergleich zweier grenzüberschreitender Sachverhalte basiert. Im EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831 und insbesondere Generalanwalt Léger, Philippe, Schlussantrag vom 14.04.2005 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831 wurde gerade nur auf diesen Vergleich abgestellt. Allerdings war – wie gezeigt – dieser noch nie entscheidungserheblich und auch nie dogmatisch fundiert, sodass die Stellungnahme des Generalanwalt Léger, Schlussantrag vom 2. Mai 2006 – Rs. C-196/04 („Cadbury Schweppes“), EuGHE 2006, I-7995 einen wesentlichen Schritt markiert. 477 Generalanwalt Léger, Schlussantrag vom 2. Mai 2006 – Rs. C-196/04 („Cadbury Schweppes“), EuGHE 2006, I-7995, Rn. 78; dagegen 3. Teil; B; II; 2. 478 Generalanwalt Léger, Schlussantrag vom 2. Mai 2006 – Rs. C-196/04 („Cadbury Schweppes“), EuGHE 2006, I-7995, Rn. 80 f. 479 EuGH-Urteil vom 12.9.2006 – Rs. C-196/04 („Cadbury Schweppes“), EuGHE 2006, I-7995. 480 Zwar lag auch der Rechtssache „D“, EuGH-Urteil vom 5.7.2005 – Rs. C-376/03 („D“), EuGHE 2005, I-5821, der Vergleich zweier grenzüberschreitender Sachverhalte zugrunde. Eine Besonderheit des Falles lag aber darin, dass es mittelbar um die Gleichstellung mit dem Inlandssachverhalt ging, weil sich (vereinfacht ausgedrückt) ein ausländischer Marktteilnehmer auf die einem anderen Marktteilnehmer

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hier vertretener Auffassung handelte es sich, mangels Vergleichs mit dem Inlandssachverhalt, allerdings um eine Beschränkung und nicht um eine Diskriminierung.481 bb) „Columbus Container“ In der Rechtssache „Columbus Container“ ging es um die Vereinbarkeit sog. „Switch-over“-Klauseln mit der Niederlassungsfreiheit.482 § 20 Abs. 2 und 3 AStG führen zu einem unilateralen Wechsel von der in einem Doppelbesteuerungsabkommen vereinbarten Freistellungs- zur Anrechnungsmethode, wenn die in einer Betriebsstätte anfallenden Einkünfte als Gewinne einer Tochtergesellschaft als Zwischeneinkünfte i. steuerpflichtig wären, also insbesondere einer „niedrigen Besteuerung“ unterliegen.483 Auf die zentrale Frage der Vorlage, ob im Wechsel von der Freistellungszur Anrechnungsmethode eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit liegen kann, wird an anderer Stelle ausführlich eingegangen.484 An dieser Stelle ist dagegen nur relevant, dass der Generalanwalt Mengozzi ausdrücklich zwei Vergleichspaare nebeneinander stellt und damit den von Generalanwalt Léger in „Cadbury Schweppes“ 485 vorbereiteten und vom EuGH in seiner Entscheidung bestätigten Schritt explizit nachvollzieht.486 Die Entscheidung des EuGH in „Cadbury Schweppes“ beruhe „auf dem weniger

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(durch DBA) gewährte Inländergleichbehandlung berief. Daher konnte auch argumentiert werden, der Grundsatz der Meistbegünstigung sei als „Minus“ im Diskriminierungsgebot enthalten. Eine vergleichbare Konstellation in Bezug auf Differenzierungen durch DBA lag auch der Rechtssache „Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation“ zugrunde, siehe dazu Generalanwalt Geelhoed, Schlussantrag vom 23.2.2006 – Rs. C-374/04 („Test Claiments in Class IV of the ACT Group Litigation“), IStR 2007, 138, Rn. 100 ff. Vgl. zu den wenigen Entscheidungen des EuGH im Steuerrecht, die auf dem Vergleich zweier grenzüberschreitender Sachverhalte basieren, Lang, Direct Taxation: Is the ECJ Heading in a New Direction?, European Taxation 2006, S. 421 ff., 423 f. Vgl. 3. Teil; B; II; 2. Generalanwalt Mengozzi, Schlussantrag vom 29.3.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451, Rn. 4; EuGH-Urteil vom 6.12.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451; siehe dazu bereits ausführlich 2. Teil; A; XI; 1. § 20 Abs. 3 AStG wurde aufgehoben; vgl. auch ausführlich 2. Teil; A; XI; 1. Siehe dazu ausführlich im 5. Teil; E. Generalanwalt Léger, Schlussantrag vom 2. Mai 2006 – Rs. C-196/04 („Cadbury Schweppes“), EuGHE 2006, I-7995. Generalanwalt Mengozzi, Schlussantrag vom 29.3.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451, Rn. 65 ff.; 71; 110 ff.

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bekannten Vergleich zweier grenzüberschreitender Sachverhalte“.487 Zentral für die Annahme einer Grundfreiheitsbeeinträchtigung sei, dass der Wirtschaftsteilnehmer in seiner Wahlfreiheit in Bezug auf den Ort seiner Niederlassung beschränkt werde. Eine solche Differenzierung stünde im „Widerspruch zum Begriff des ‚einheitlichen Marktes‘ als solchem“.488 Der Generalanwalt spricht dabei von „Hemmnissen“, legt sich also nicht ausdrücklich fest, ob er eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit durch eine Differenzierung zwischen zwei grenzüberschreitenden Sachverhalten dogmatisch als Diskriminierung oder Beschränkung betrachtet. Er stellt aber ausdrücklich fest, dass der Vergleich zweier grenzüberschreitender Sachverhalte allein ausreichend sei, um eine Beschränkung zu begründen.489 Auch der EuGH greift die freie Wahl zwischen Niederlassungsorten auf. Nach seiner Auffassung verfügen die Mitgliedstaaten über eine „gewisse Autonomie“. Aus dieser folge, dass die Niederlassungsfreiheit die Mitgliedstaaten nicht verpflichte, „ihr eigenes Steuersystem den verschiedenen Steuersystemen der übrigen Mitgliedstaaten anzupassen, um zu gewährleisten, dass eine Gesellschaft, die beschlossen hat, sich in einem bestimmten Mitgliedstaat niederzulassen, auf nationaler Ebene genauso besteuert wird wie eine Gesellschaft, die sich dafür entschieden hat, sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen“. Dieser Einwurf des EuGH geht allerdings am Kern der Frage vorbei: Unzweifelhaft sind die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, den eigenen Wirtschaftsteilnehmern gegenüber zu gewährleisten, dass die Besteuerungsunterschiede bei Tätigkeit in verschiedenen anderen Mitgliedstaaten im Inland nivelliert werden. Die aufgeworfene und vom Generalanwalt auch differenziert betrachtete Frage war ein andere: Darf die Wahl zwischen zwei Niederlassungsorten dadurch beeinflusst werden, dass unilateral eine relativ nachteilige Besteuerung erfolgt, wenn die Besteuerung im Quellenstaat ein gewisses Niveau unterschreitet? Diese Fragestellung unterscheidet sich zum einen von der möglichen Differenzierung im Rah________________________ 487 Generalanwalt Mengozzi, Schlussantrag vom 29.3.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451, Rn. 114; kritisch zu dieser Einschätzung des EuGH allerdings Franck, § 20 Abs. 2 AStG auf dem Prüfstand der Grundfreiheiten – Anmerkung zu den Schlussanträgen des Generalanwalts Mengozzi in der Rechtssache C-298/06 (Columbus), IStR 2007, S. 489 ff. 488 Generalanwalt Mengozzi, Schlussantrag vom 29.3.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451, Rn. 116 f. 489 An anderer Stelle spricht der Generalanwalt von Beschränkungen und fasst darunter neben dem Vergleich zweier grenzüberschreitender Sachverhalte auch den Vergleich von grenzüberschreitendem und inländischem Sachverhalt; vgl. Generalanwalt Mengozzi, Schlussantrag vom 29.3.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451, Rn. 114; 122.

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men bilateraler Doppelbesteuerungsabkommen.490 Zum anderen unterscheidet sich die Frage von der durch den EuGH beantworteten, da es nicht darum geht, ob die Mitgliedstaaten zum Ausgleich von Besteuerungsunterschieden verpflichtet sind. Die Ausführungen des EuGH in der Rechtssache „Columbus Conatainer“ erlauben daher keine weiteren Erkenntnisse, da sie sich nicht auf die Frage nach der unilateralen Differenzierung zwischen zwei Niederlassungsorten beziehen. c) Schlussfolgerung Aus der Betrachtung der Entscheidungen des EuGH und der Stellungnahmen der Generalanwälte zum Tatbestand eines echten Beschränkungsverbots im Steuerrecht folgt ein Dreifaches: Erstens findet sich, anders als außerhalb des Steuerrechts, bislang keine gefestigte Rechtsprechung, die absolute Beschränkungen als Verstoß gegen die Grundfreiheiten betrachtet. Zweitens liegt mit der Entscheidung „Sandoz“ aber ein Fall vor, der auf einem echten Beschränkungsverbot basiert. Drittens werden in jüngster Rechtsprechung in Wegzugsfällen zwei grenzüberschreitende Sachverhalte miteinander in Beziehung gesetzt. Der EuGH entwickelt damit auch im Bereich der direkten Steuern zunehmend das am Inlandssachverhalt orientierte Beschränkungsverbot zu einem echten Beschränkungsverbot fort. Mit der Annahme einer Beschränkung im Fall der Schlechterstellung eines grenzüberschreitenden Sachverhalts im Vergleich zu einem anderen grenzüberschreitenden Sachverhalt hat der EuGH einen für die vorliegende Untersuchung wesentlichen Schritt unternommen. Er erkennt an, dass die Wahlfreiheit des Steuerpflichtigen in Bezug auf zwei Varianten eines grenzüberschreitenden Wirtschaftsvorgangs geschützt sein kann, ohne dass dabei die Regelung im vergleichbaren Inlandssachverhalt von Belang ist. Damit erkennt der EuGH ein echtes Beschränkungsverbot an, das Beeinträchtigung grenzüberschreitender Wirtschaftsvorgänge erfasst, die sich aus dem Vergleich zu anderen grenzüberschreitenden Vorgängen ergeben, und das daher Grundlage der Rechtsformwahlfreiheit sein kann.

IV. Dogmatische Begründung und Tatbestand eines echten Beschränkungsverbots Der EuGH geht ausweislich seiner Rechtsprechung im und außerhalb des Steuerrechts davon aus, dass die Grundfreiheiten ein echtes Beschränkungsverbot enthalten, das neben absoluten Beeinträchtigungen des grenzüber________________________

490 Dies war maßgeblich in der vergleichbaren Konstellation im EuGH-Urteil vom 5.7.2005 – Rs. C-376/03 („D“), EuGHE 2005, I-5821.

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schreitenden Sachverhalts auch solche erfasst, die auf einem Vergleich mit einem anderen grenzüberschreitenden Sachverhalt basieren.491 In der Literatur dagegen ist umstritten, ob die Grundfreiheiten ein solches echtes Beschränkungsverbot enthalten. Eine Wiedergabe des Meinungsstands wird erschwert, weil zwar vielfach ein „freiheitsrechtliches“ Beschränkungsverbot befürwortet wird.492 Bei näherer Betrachtung verzichten aber nur wenige in der Sache auf einen Vergleich mit dem Inlandssachverhalt, sondern sie beziehen sich auf Konstellationen, in denen jedenfalls faktisch eine Benachteiligung des grenzüberschreitenden Sachverhalts vorliegt, insbesondere auf Fälle der „Doppelregulierungen“.493 Überwiegend wird der Gewähr________________________ 491 Vgl. 3. Teil; B; II; 3. Teil; B; III. 492 Siehe dazu ausführlich Barnard, Fitting the remaining pieces into the goods and persons jigsaw?, European Law Review 2001, S. 35 ff. Brigola, Das System der EGGrundfreiheiten: Vom Diskriminierungsverbot zum spezifischen Beschränkungsverbot, 2004, S. 77 ff.; Classen, Auf dem Weg zu einer einheitlichen Dogmatik der EGGrundfreiheiten, EWS 1995, S. 97 ff.; Classen, Die Grundfreiheiten im Spannungsfeld von europäischer Marktfreiheit und mitgliedstaatlichen Gestaltungskompetenzen, EuR 2004, S. 416 ff.; Ehlers, Die Grundfreiheiten des europäischen Gemeinschaftsrechts (Teil I), Jura 2001, S. 266 ff., 269 ff.; Eberhartinger, Konvergenz und Neustrukturierung der Grundfreiheiten, EWS 1997, S. 43 ff.; Eilmansberger, Zur Reichweite der Grundfreiheiten des Binnenmarktes (1. Teil), Juristische Blätter 1999, S. 345 ff.; Eilmannsberger, Zur Reichweite der Grundfreiheiten des Binnenmarktes (2.Teil), Juristische Blätter 1999, S. 434 ff.; Everling, Das Niederlassungsrecht in der EG als Beschränkungsverbot – Tragweite und Grenzen, in: Schön (Hrsg), Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, 1997, S. 607 ff.; Jarass, Elemente einer Dogmatik der Grundfreiheiten II, EuR 2000, S. 705 ff.; Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 2004, S. 261 ff.; Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV – nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, 2000, S. 361 ff.; 443 f.; Nettesheim, Die europarechtlichen Grundrechte auf wirtschaftliche Mobilität (Art. 48, 52 EGV), NVwZ 1996, S. 342 ff.; Plötscher, Der Begriff der Diskriminierung im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2003, S. 261 ff.; Schnichels, Reichweite der Niederlassungsfreiheit, 1995, S. 135; Schubert, Der Gemeinsame Markt als Rechtsbegriff, 1999, S. 378 ff.; Tumpel, Europarechtliche Besteuerungsmaßstäbe für die grenzüberschreitende Organisation und Finanzierung von Unternehmen, DStJG 23 (2000), S. 321 ff., 324; Wollenschläger, Grundfreiheit ohne Markt, 2007, S. 54 ff. Siehe bereits wegweisend Knobbe-Keuk, Niederlassungsfreiheit: Diskriminierungsoder Beschränkungsverbot, DB 1990, S. 2573 ff. (Es gehe um die Ausräumung aller nicht zu rechtfertigenden Beschränkungen eines Mitgliedstaats bei der Standortwahl.); vgl. auch Bennett, The David R. Tillinghast Lecture – Nondiscrimination in International Tax Law: A Concept in Search of a Principle, Tax Law Review 2006, S. 439 ff. 493 Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 249 ff.; 288 ff.; 293 ff.; Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 89 ff.

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leistungsgehalt der Grundfreiheiten nicht über ein Verbot der Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts ausgedehnt.494 1. Einwände gegen ein echtes Beschränkungsverbot Der erste Einwand der Literatur gegen ein echtes Beschränkungsverbot bezieht sich auf die Teleologie der Grundfreiheiten: Die Grundfreiheiten seien als spezifisch transnationale Schutzrechte Gleichheitsrechte, die allein Benachteiligungen, die sich gerade aus dem grenzüberschreitenden Element eines Sachverhalts ergeben und diesen dadurch im Vergleich zum inländischen Sachverhalt rechtlich oder faktisch benachteiligen, verhindern sollen.495 Sie sollten nur der Gefahr entgegenwirken, dass die Mitgliedstaaten

________________________ 494 Vgl. insbesondere Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 1999, S. 115 ff.; Kingreen, Grundfreiheiten, in: Von Bogdandy (Hrsg), Europäisches Verfassungsrecht, 2003, S. 631 ff., 662 ff.; Hahn, Gemeinschaftsrecht und Recht der direkten Steuern – Teil I, DStZ 2005, S. 433 ff., 437; Hoffmann, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages als koordinationsrechtliche und gleichheitsrechtliche Abwehrrechte, 2000; Jarass, Elemente einer Dogmatik der Grundfreiheiten, EuR 1995, S. 202 ff., 216 ff.; Jarass, Die Grundfreiheiten als Grundgleichheiten, in: Due/Lutter/Schwarze (Hrsg), Festschrift für Ulrich Everling, 1995, S. 593 ff.; anders aber Jarass, Elemente einer Dogmatik der Grundfreiheiten II, EuR 2000, S. 705 ff.; Maduro, Harmony and Dissonance in Free Movement, in: Adenas/Roth (Hrsg), Services and Free Movement in EU Law, 2002, S. 41 ff.; Schneider, Zum Funktionswandel der Grundfreiheiten des EGV und zu seinen Auswirkungen auf das nationale Recht, Neue Justiz 1996, S. 512 ff.; aus dem steuerrechtlichen Schrifttum siehe nur Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 247 ff. Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 66 ff. 495 Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 1999, S. 115 ff.; Hoffmann, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages als koordinationsrechtliche und gleichheitsrechtliche Abwehrrechte, 2000, S. 50 ff., der freilich eine ganz eigene Konzeption der Grundfreiheiten als modale, d. h. ohne materiellen Gehalt ausgestaltete Normen, vertritt; vgl. Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, 2004, S. 259 ff.; siehe zum „instrumentalen Charakter“ der Grundfreiheiten auch Gebauer, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages als Gemeinschaftsgrundrechte, 2004, S. 118 f., der im Ergebnis aber eine differenzierende Haltung einnimmt und der grundfreiheitlichen Dimension nur die gleichheitsrechtlichen Gewährleistungen zuordnet. Echte Beschränkungen ordnet er der grundrechtlichen Dimension der Grundfreiheiten zu. Dazu Nettesheim, Die europarechtlichen Grundrechte auf wirtschaftliche Mobilität (Art. 48, 52 EGV), NVwZ 1996, S. 342 ff., 345; Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 1999, S. 19; Behrens, Die Konvergenz der wirtschaftlichen Freiheiten im europäischen Gemeinschaftsrecht, EuR 1992, S. 145 ff., 161 f.; zur zutreffenden Kritik an dieser Konzeption Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, 2004, S. 236 ff.

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protektionistisch handeln („föderale Gefährdungslage“496). Die Schwierigkeit eines echten Beschränkungsverbots liege darin, dass damit zunächst jede belastende mitgliedstaatliche Maßnahme, die potenziell auch grenzüberschreitende Vorgänge betrifft, an den Grundfreiheiten zu messen wäre.497 Zweitens folge aus dem Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 2 EG sowie Art. 4 und Art. 98 EG, dass zunächst die verbleibenden Kompetenzen der Mitgliedstaaten zu achten seien und man nimmt an, ein weit verstandenes Beschränkungsverbot führe zu einem Harmonisierungszwang, der dieser Kompetenzverteilung widerspräche.498 Damit korrespondiert die Sorge, dass die Grundfreiheiten die Dimension von Grundrechten erhalten und so die Kompetenzverteilung zwischen EU und Mitgliedstaaten sowie zwischen EuGH und Legislative verschwimmen könnte.499 Drittens führe ein echtes Beschränkungsverbot zu Verwerfungen im einheitlichen Binnenmarkt, da es den grenzüberschreitenden Sachverhalt im Ergebnis besser stelle als den inländischen. Die Europarechtswidrigkeit führe bei Regelungen, die rechtlich und faktisch den grenzüberschreitenden und den inländischen Sachverhalt gleich behandeln, nur für grenzüberschreitende Sachverhalte zur Unanwendbarkeit der Regelung. Letztlich käme es zu dem paradoxen Ergebnis, dass die Gleichheit der Wettbewerbsbedingungen nicht hergestellt, sondern gefährdet würde.500 2. Gründe für ein echtes Beschränkungsverbot Nach hier vertretener Auffassung und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH beinhalten die Grundfreiheiten ein echtes Beschrän________________________ 496 Kingreen, Grundfreiheiten, in: Von Bogdandy (Hrsg), Europäisches Verfassungsrecht, 2003, S. 631 ff.; Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 232 (Der Schutz der Grundfreiheiten reiche nur, soweit gerade die Koexistenz verschiedener Staaten und Rechtsordnungen zu Hindernissen des Wirtschaftsverkehrs führe). 497 Vgl. zu diesem Einwand Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 288 f.; Gebauer, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages als Gemeinschaftsgrundrechte, 2004, S. 106 f.; Jarass, Elemente einer Dogmatik der Grundfreiheiten, EuR 1995, S. 202 ff., 214; Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 1999, S. 203; Nettesheim, Die europarechtlichen Grundrechte auf wirtschaftliche Mobilität (Art. 48, 52 EGV), NVwZ 1996, S. 342 ff., 343; Schroeder, Urteilsanmerkung zu EuGH-Urteil vom 15.12.1995 – Rs. C-415/93 („Bosman“), JZ 1996, S. 254 ff., 256. 498 Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 1999, S. 90 ff.; dagegen bereits im 3. Teil; A; II; 3. 499 Vgl. zu dieser Entwicklung ausführlich Nettesheim, Grundfreiheiten und Grundrechte in der Europäischen Union – Auf dem Weg zur Verschmelzung?, 2006. 500 Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 1999, S. 116; Kingreen, Grundfreiheiten, in: Von Bogdandy (Hrsg), Europäisches Verfassungsrecht, 2003, S. 631 ff., 660.

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kungsverbot, das Beeinträchtigungen des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs unabhängig vom Inlandssachverhalt erfasst. Ausgangspunkt sind Wortlaut und Zielvorstellung des Binnenmarkts, wie sie sich aus den Art. 2, Art. 3 Abs. 1 lit. c, Art. 4, Art. 14 Abs. 2 und Art. 98 Satz 2 EG ergeben. Die Zielvorstellung führt zu einem weiten Beschränkungsbegriff, da die Freiheit privatautonomen Wirtschaftens Grundlage der europäischen Integration und damit ein umfassender Schutz des Wirtschaftsverkehrs durch die Grundfreiheiten erforderlich ist.501 Der Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 lit. c EG erfasst daher alle „Hindernisse“ für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten, ohne den Schutzumfang dabei auf diskriminierende Hindernisse zu beschränken.502 Eine Einschränkung auf diskriminierende Beschränkungen des Wirtschaftsverkehrs wird durch die Bestimmungen des EG-Vertrags nicht vorgenommen. Hintergrund dieser weiten Konzeption ist die funktionale Bedeutung des Binnenmarktkonzepts, die zu einer wirtschaftstheoretischen Grundentscheidung führt: Mit dem Ziel, durch wirtschaftliche Integration der nationalen Märkte zu einen, entscheidet sich der EG-Vertrag für das (klassisch-)neoklassische Modell einer liberalen Wirtschaftsordnung und setzt zentral auf die individuelle ökonomische Vernunft der Wirtschaftsteilnehmer. Diese Grundentscheidung wirkt sich auf das Verständnis der Grundfreiheiten aus: Die Kernfunktion der Grundfreiheiten ist, diese ökonomische Vernunft der Wirtschaftsteilnehmer zu schützen, weil nur unverzerrte Wirtschaftsentscheidungen der Akteure eine effiziente Ressourcenallokation als Grundvoraussetzung der Marktintegration gewährleisten können. Es gilt daher, dass die Grundfreiheiten grundsätzlich die grenzüberschreitenden Wirtschaftsvorgänge so weit vor staatlicher Verzerrung schützen, wie es die Verwirklichung des Binnenmarktziels erfordert. Zentrales Element der Verwirklichung des Binnenmarkts durch wirtschaftliche Integration ist die Öffnung der nationalen Märkte für alle Wirtschaftsteilnehmer im einheitlichen Markt. Daher müssen alle Hindernisse, die den Zugang zum Markt eines anderen Mitgliedstaats beeinträchtigen, vor den Grundfreiheiten gerechtfertigt werden.503 Für die Integration ist nicht nur die Aufhebung der Diskriminierungen des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs erforderlich, sondern eine Erhöhung der grenzüberschreitenden ________________________ 501 Siehe zur Begründung des teleologischen Hintergrunds ausführlich oben 3. Teil; A. 502 Vgl. Frenz, Handbuch Europarecht, Band I, Europäische Grundfreiheiten, 2004, S. 64 (§ 4 Rn. 151). 503 Vanistendael, A comparative and economic approach to equality in European Taxation, in: Gocke (Hrsg), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung – Festschrift für Franz Wassermeyer, 2005, S. 522 ff., 535.

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Mobilität als solcher.504 Der Tatbestand einer Beschränkung ist daher auf den Schutz der grenzüberschreitenden Mobilität auszurichten.505 Dass sich der grenzüberschreitenden Mobilität entgegenstehende Zugangshindernisse nicht in Schlechterstellungen des grenzüberschreitenden Sachverhalts erschöpfen, zeigt insbesondere das Beispiel eines Monopols: Staatliche Regelungen, die einem Akteur eine Monopolstellung garantieren, hindern nationale und ausländische Wirtschaftsteilnehmer gleichermaßen, führen aber unzweifelhaft zu einem Zugangshindernis und zu einer binnenmarktwidrigen Marktabschottung.506 Auch andere unterschiedslos wirkende Maßnahmen und Regelungen können zu Ergebnissen führen, die der Zielvorstellung eines einheitlichen Markts entgegenstehen, indem die Zuschnitte nationaler Märkte zementiert werden, weil sie der wechselseitigen Integration der Mitgliedsmärkte zu einem einheitlichen Markt entgegenstehen.507 Hintergrund der Begrenzung der Grundfreiheiten auf ein Verbot der Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts ist vielfach die unzutreffende Annahme, dass ansonsten zwangsläufig Nachteile erfasst würden, die aus dem bloßen Nebeneinander der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen als solchem resultieren, weil man sich gegen die Modalitäten der Tätigkeitsausübung in einem anderen Mitgliedstaat wendet.508 Die Sorge, dass mit einem echten Beschränkungsverbot alle belastenden Regeln der Rechtsordnungen vor den Grundfreiheiten zu rechtfertigen sind, weil die relative Vorgabe des Inlandssachverhalts fehle, überzeugt aber nicht, da echte Beschränkungen nur aus Beeinträchtigungen des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs resultieren können. Eine Beeinträchtigung des Zugangs zum Markt eines anderen Mitgliedstaats ist also wesensimmanent. Die Weite des Beschrän________________________ 504 Gebauer, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages als Gemeinschaftsgrundrechte, 2004, S. 397. 505 Dazu unter 3. Teil; B; IV; 3. 506 Vgl. Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV – nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, 2000, S. 370. 507 Siehe dazu die Fallbeispiele 3. Teil; B; II; 3; b. Insoweit auch richtigerweise zwischen marktsegmentierenden und marktregulierenden Bestimmungen unterscheidend Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 1999, S. 123 ff. Kingreen geht allerdings davon aus, dass marktsegmentierende Regelungen vollständig mit einem gleichheitsrechtlichen Beschränkungstatbestand erfasst werden können, was nicht korrekt ist, wie schon das Beispiel unterschiedsloser Monopolbestimmungen zeigt. So im Ergebnis auch Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV – nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, 2000, S. 377 ff.; 443 f. 508 Vgl. Kingreen, Keine neue Frische in der Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten: Der EuGH und das aufgebackene Brot, EWS 2006, S. 488 ff.; Kingreen, in: Callies/ Ruffert (Hrsg.), Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, 2007, Art. 28–30 EG, Rn. 33.

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kungstatbestandes bedarf allerdings zur praktischen Handhabung einer Konkretisierung, die im Folgenden unternommen wird.509 In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH werden daher nach hier vertretener Auffassung echte Beschränkungen vom Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten erfasst. Dies gilt für absolute Hindernisse, die für sich eine Beeinträchtigung des grenzüberschreitenden Wirtschaftsvorgangs darstellen, und für relative Hindernisse, bei denen die Beschränkung aus einem Vergleich mit einem anderen grenzüberschreitenden Sachverhalt resultiert, also eine Einschränkung der Wahlfreiheit des Wirtschaftsteilnehmers maßgeblich ist. 3. Versuch einer Tatbestandsbestimmung Aufbauend auf der Feststellung, dass neben dem Verbot der Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts die Grundfreiheiten auch ein echtes Beschränkungsverbot enthalten, ist genauer zu betrachten, welche Behinderungen des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs die Grundfreiheiten erfassen. a) Kriterien des Beschränkungstatbestands in der Literatur Ausgangspunkt der Bestimmung eines Beschränkungstatbestands in der Literatur sind die grundlegenden Formulierungen zum Beschränkungsbegriff durch den EuGH und die Einschränkungen dieses Tatbestands durch die „Keck“-Rechtsprechung.510 Der EuGH habe mit dem Kriterium des Marktzugangs in Abgrenzung zu Ausübungsmodalitäten im Grundsatz den richtigen Ansatz für ein Beschränkungsverbot zugrunde gelegt.511. ________________________ 509 Dazu sogleich im 3. Teil; B; IV; 3. 510 Insbesondere EuGH-Urteil vom 11.7.1974 – Rs. 8/74 („Dassonville“), EuGHE 1974, 837 und EuGH-Urteil vom 30.11.1995 – Rs. C-55/94 („Gebhard“), EuGHE 1995, I-4165 sowie EuGH-Urteil vom 24.11.1993 – Rs. C-267/91 und C-268/91 („Keck“), EuGHE 1993, I-6097. 511 Stellvertretend jüngst Lehner, Tax consequences resulting from the application of the non-restriction principles in areas other than taxation: distinction between discriminatory and non-discriminatory restrictions, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 47 ff., 58; Siehe auch Eidenmüller, Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und ihre Rechtfertigung, in: Eidenmüller (Hrsg), Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2005, S. 46 ff., 52 (Rn. 15 ff.); Eidenmüller/Rehm, Niederlassungsfreiheit versus Schutz des inländischen Rechtsverkehrs: Konturen des Europäischen Internationalen Gesellschaftsrechts, ZGR 2004, S. 159 ff., 168: (Marktzugangserschwerend seien insbesondere solche Regelungen, die nicht bloß tätigkeitsbezogen sind, sondern korporative Wirkungen zeitigen, etwa indem sie Leitungsstruktur oder Haftung betreffen), Roth, Wettbewerb der Mitgliedstaate oder Wettbewerb der Hersteller?, ZHR 159 (1995), S. 78 ff., 91 ff.; Farmer, The Court’s

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Mehrheitlich werden die Formulierungen des EuGH aufgegriffen und eine Regelung als Marktzugangsbeschränkung betrachtet, wenn sie „unmittelbar den Marktzugang betrifft“ oder „die Situation der betroffenen Person als solche und folglich der Marktzugang betroffen“ ist.512 Andere formulieren, die entscheidende Frage sei, ob eine Regelung „spezifisch“ den grenzüberschreitenden Sachverhalt belaste. Dafür sei maßgeblich, ob eine nationale Regelung den Markt in verschiedene Teilmärkte aufspalte.513 In Anlehnung an das Kartellrecht (Art. 81 EG) wird ferner darauf abgestellt, ob eine Norm zur Abschirmung nationaler Märkte führt.514 Kainer definiert den Marktzugang für die Niederlassungsfreiheit als das „erstmalige sich Niederlassen mit der Befugnis zur Aufnahme der geplanten selbstständigen Tätigkeit“.515 Jarass nimmt an, dass eine „direkte Behinderung der grenzüberschreitenden Vorgänge, (…) eine Verhinderung des Zutritts zum Markt eines anderen Mitgliedstaates“ als Beschränkung anzusehen sei. Solche Beeinträchtigungen stellten einen „Eingriff in den Kernbereich“ der Grundfreiheiten dar, weil sie von ihrer Art her die Ziele der Grundfreiheiten gefährdeten und daher auch dann Beschränkungen darstellten, wenn sie im konkreten Fall zu keiner Schlechterstellung grenzüberschreitender Vorgänge führten, weil entsprechende inländische Vorgänge in aller Regel ebenso belastet würden.516 ________________________

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case law on taxation: a castl built on shifting sands?, EC Tax Review 2003, S. 75 ff.; Vanistendael, A comparative and economic approach to equality in European Taxation, in: Gocke (Hrsg), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung – Festschrift für Franz Wassermeyer, 2005, S. 522 ff., 530. vgl. auch Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, 2004, S. 340 ff.; Oliver, Some further reflections on the scope of Articles 28–30 (ex 30–36) EC, Common Market Law Review 1999, S. 783 ff. Vgl. Lehner, Tax consequences resulting from the application of the non-restriction principles in areas other than taxation: distinction between discriminatory and nondiscriminatory restrictions, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 47 ff., 58; kritisch z. B. Davies, Nationality Discrimination in the European Internal Market, 2003, S. 93 ff. Cordewener, The prohibitions of discrimination and restriction have both been intended to achieve a fully integrated internal market in the European Union, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 1 ff., 34 f. Ähnlich Schnichels, Reichweite der Niederlassungsfreiheit, 1995, S. 117 (Marktaufsplittung). Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 294. Kainer, Unternehmensübernahmen im Binnenmarktrecht, 2004, S. 158. Jarass, Elemente einer Dogmatik der Grundfreiheiten II, EuR 2000, S. 705 ff., 712; Jarass, A Unified Approach to the Fundamental Freedoms, in: Andenas/Roth (Hrsg), Services and Free Movement in EU Law, 2002, S. 141 ff., 149; grundlegend auch Steindorff, Unvollkommener Binnenmarkt, ZHR 158 (1994), S. 149 ff.; Grabitz, Das Recht auf Zugang zum Markt nach dem EWG-Vertrag, in: Stödter/Thieme (Hrsg), Festschrift für Hans Peter Ipsen zum 70. Geburtstag, 1977, S. 645 ff.; kritisch dazu beispielsweise Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, 2004, S. 232 ff.

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Neben der Begrenzung auf marktzugangsbezogene Maßnahmen wird insbesondere eine Begrenzung mithilfe eines „de minimis“-Kriteriums diskutiert: Danach sollen Beeinträchtigungen einer Grundfreiheit nur anzunehmen sein, wenn sie eine gewisse Spürbarkeitsschwelle überschreiten, welche freilich nicht genau definiert werden kann.517 Die Entscheidung „Semeraro Casa“ zeigt jedoch, dass die „Erheblichkeitsschwelle“ nicht an die Stelle des Marktzugangstests tritt, sondern diesen um einen zusätzlichen „Filter“ ergänzt.518 Ähnliche Begrenzungsversuche werden im Hinblick auf die Vorhersehbarkeit der Beeinträchtigung, auf die Finalität der Beeinträchtigung und durch Einführung eines Adäquanzerfordernisses versucht.519 b) Maßgeblichkeit eines weiten Marktzugangsbegriffs Nach hier vertretener Auffassung ist vor dem Hintergrund der Ausrichtung der Grundfreiheiten auf die wirtschaftliche Integration durch marktmäßige Selbststeuerung mit dem Kriterium des Marktzugangs im Ausgangspunkt der richtige Ansatz gefunden. Es bleibt aber die Frage, welche Anforderungen an diese Beeinträchtigung des Marktzugangs zu stellen sind. Dafür lassen sich nur Kriterien formulieren: Die Zugangsentscheidung ist nach hier vertretener Auffassung als solche beeinflusst, wenn das „Ob“ oder „Wie“ der erstmaligen wirtschaftlichen Integration betroffen ist. Die Grundfreiheiten garantieren, dass der Wirtschaftsteilnehmer die grundfreiheitlich geschützten Wirtschaftsfaktoren (Waren, Dienstleistungen, Kapital, Arbeitskraft und Niederlassungen) in der Art und Beschaffenheit auf dem anderen Markt anbieten kann, wie es seiner ökonomischen Ratio entspricht. Diese ist beeinträchtigt, wenn eine mitgliedstaatliche Regelung auf die individuelle Prägung der Wirtschaftsleitung bzw. auf die persönliche Sphäre des Wirtschaftsteilnehmers abzielt.520 Wenn die Regelung Einfluss darauf hat, ob der ________________________ 517 Siehe dazu Cordewener, The prohibitions of discrimination and restriction have both been intended to achieve a fully integrated internal market in the European Union, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 1 ff., 31 ff. Beispielhaft ist die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „Semeraro Caso“. Nach Auffassung des EuGH waren die mit einer Regelung verbundenen Wirkungen „zu ungewiss und zu mittelbar (…), als dass die in ihr aufgestellte Verpflichtung als geeignet angesehen werden könnte, diese Freiheit zu behindern.“, EuGH-Urteil vom 20.6.1996 – Rs. C-418 bis C-421/93 („Semeraro Casa Uno“), EuGHE 1996, I-2975, Rn. 13 ff.; 32 und EuGH-Urteil vom 27.1.2000 – Rs. C-190/98 („Graf“), EuGHE 2000, I-0493, Rn. 23 ff. 518 EuGH-Urteil vom 20.6.1996 – Rs. C-418 bis C-421/93 („Semeraro Casa Uno“), EuGHE 1996, I-2975, Rn. 13 ff.; 32. 519 Vgl. zur Diskussion um diese und weitere Begrenzungsversuche ausführlich die Zusammenfassung und Diskussion bei Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV – nur ein Gleichheits- oder auch ein Freiheitsrecht?, 2000, S. 420 ff. 520 Vgl. Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, 2004, S. 340 f.

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Wirtschaftsteilnehmer in einem anderen Mitgliedstaat aktiv wird, wo, in welcher Form, Intensität oder Ähnliches, ist der Zugang als solcher in diesem Sinne betroffen. Etwas anderes liegt vor, wenn die bloßen Umstände der Ausübung einer Grundfreiheit betroffen sind, also die Wirkung der Regelung erst ansetzt, wenn der Zugang erfolgt ist und auch mittelbar keine erhebliche Auswirkung auf die Zugangsentscheidung vorliegt.521 Mit anderen Worten: Soweit die Aufnahme einer Tätigkeit betroffen ist, ist der Marktzugang betroffen und es liegt eine grundfreiheitsrelevante Beschränkung vor. Soweit bloß die Ausübung einer Tätigkeit betroffen ist, ist allein auf eine diskriminierungsfreie Ausgestaltung zu achten. Dem könnte der Einwand entgegengehalten werden, dass jede belastende Regelung der Ausübung einer Tätigkeit bei der Entscheidung über den Marktzugang beachtet und daher für diesen relevant sein wird. Beispielsweise wird ein Wirtschaftsteilnehmer, der sich in einem anderen Mitgliedstaat integrieren will, die Steuerbelastung als solche berücksichtigen. Dies gilt selbst, wenn diese im Vergleich zu allen anderen Mitgliedstaaten gering ist. Absolut gesehen ist jede Besteuerung eine Belastung (auch) der grenzüberschreitenden Tätigkeit und wird bei der Kalkulation als Kostenfaktor berücksichtigt. Nach hier vertretener Auffassung fällt allerdings die Besteuerung als solche nicht unter den für eine Beschränkung maßgeblichen weiten Marktzugangsbegriff: Außer im Fall konfiskatorischer Steuern und unter Ausklammerung von Verzerrungen der Marktzugangsentscheidung durch Disparitäten522 wird man die Steuerbelastung als solche nicht als unmittelbar für die Marktzugangsentscheidung relevant einstufen können. Die Besteuerung des Ertrags knüpft gerade an das Ergebnis der Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit an. Relevanz für die Ausgestaltung des Marktzugangs, also die Aufnahme der Tätigkeit, besitzt die Besteuerung nur, soweit sie zu Verzerrungen der ansonsten betriebswirtschaftlichen indizierten Entscheidung führt. Dies ist nur der Fall, wenn der Grenzübertritt selbst, beispielsweise bei Aufdeckung und Besteuerung stiller Reserven, zum Anknüpfungspunkt der Besteuerung gemacht wird. Andernfalls wird das „Ob“ des Marktzugangs nicht beeinflusst. Inwieweit das „Wie“ des Marktzugangs beeinflusst wird, ist nicht mehr Frage der Steuerbelastung als solcher, sondern ________________________

521 Gammie, The compatibility of national tax principles with the single market, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 105 ff., 147; eine strenge Unterscheidung zwischen Marktzugangsregeln und Ausübungsmodalitäten ist daher weder möglich noch nötig; maßgeblich sind die Auswirkungen auf den Marktzugang. Auch der EuGH unterscheidet nicht mehr klar zwischen beiden Normgruppen, vgl. dazu „Komission/Italien“, EuGH-Urteil vom 10.2.2009, Rs. C 110/05, EuZW 2009, 173 sowie im 3. Teil; B; IV. 522 Dazu sogleich unter 3. Teil; B; IV; 3; c.

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ihrer konkreten Ausgestaltung, also der unterschiedliche Besteuerung je nach Ausgestaltung des Marktzugangs. Diese Ausgestaltung kann potenziell eine Beschränkung darstellen. Im Einzelfall mag die Abgrenzung von Marktzugangshindernissen und Ausübungsmodalitäten im beschriebenen Sinne schwierig sein, doch trifft sie den Kern eines Binnenmarkts unter Anerkennung nationaler Verschiedenheiten: Die wirtschaftliche Integration durch grenzüberschreitende Tätigkeit soll möglichst effizient und daher frei von staatlichen Beeinflussungen erfolgen. Gleichzeitig bleiben aber Regelungen wirtschaftlicher Betätigung von den Grundfreiheiten unberührt, soweit sie keine Auswirkung auf die wechselseitige Integration der nationalen Märkte haben und Folge der föderalen Struktur des Binnenmarkts mit verschiedenen souveränen Hoheitsgebern sind.523 Maßgeblich sind daher die Auswirkungen einer Regelung auf die Allokationsentscheidung der Wirtschaftsteilnehmer im Marktzugangsoder Marktaustrittsfall. Der Binnenmarkt wurde eingangs als Diffusionsprozess umschrieben. Dabei wurde herausgearbeitet, dass diesem Prozess auch eine Dimension innewohnt, die nicht nur eine Beseitigung der Grenzen zum Ziel hat, sondern auch eine Erhöhung der Integrationstiefe durch Steigerung der Mobilität der Wirtschaftsfaktoren beinhaltet. Der Gedanke der Wahlfreiheit hat sich dabei als Kerngedanke erwiesen. Der hier unternommene Versuch, den Beschränkungstatbestand über ein Diskriminierungsverbot hinaus zu umschreiben, greift dies auf: Ein Diskriminierungsverbot bezweckt eine Überwindung der Grenzen. Nach hier vertretener Auffassung gewährleisten die Grundfreiheiten darüber hinaus auch eine Intensivierung der Integration, indem sie diejenigen Hindernisse beseitigen, die, ohne tatbestandlich gerade an den Grenzübertritt anzuknüpfen, diesen behindern oder negativ beeinflussen. Dies geschieht, indem die Wahlfreiheit der Wirtschaftsteilnehmer im Hinblick auf seine Entscheidung, sich in einem anderen Mitgliedstaat zu integrieren, geschützt wird. Eine solche Ausdehnung ist vor der Zielrichtung des Binnenmarkts, eine effiziente Ressourcenallokation auf Grundlage weitestmöglicher Privatautonomie zu garantieren, geboten. Beschränkungen in diesem Sinne können sich dabei aus absoluten Hindernissen und in Übereinstimmung mit der jüngeren Rechtsprechung des ________________________ 523 Siehe zum Abgrenzungsproblem Kainer, Unternehmensübernahmen im Binnenmarktrecht, 2004, S. 149 ff.; 166; Lehner, Tax consequences resulting from the application of the non-restriction principles in areas other than taxation: distinction between discriminatory and non-discriminatory restrictions, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 47 ff., 57: „until now no clear criteria have been found according to which non-discriminatory measures which are restrictive could be set apart from non-discriminatory restrictions which are not restrictive.“

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Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten

EuGH, namentlich im Bereich der direkten Steuern, auch aus relativen Hindernissen ergeben, die sich aus Verzerrungen der Wahlfreiheit der Wirtschaftsteilnehmer in Bezug auf zwei grenzüberschreitende Sachverhalte ergeben. c) Ausnahme von Disparitäten Bloße Unterschiedlichkeiten der betroffenen Rechtsordnungen stellen vor dem Hintergrund des föderalen Charakters des Binnenmarkts keine Beschränkungen dar.524 Die Mitgliedstaaten sind daher nach allgemeiner Meinung insbesondere berechtigt, Steuerarten, die Bemessungsgrundlage oder Steuertarife autonom auszugestalten. Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten stelle als solche keine Beschränkung dar, sodass insbesondere auch kein gleichartiges Steuerniveau verlangt werden kann.525 In der Rechtssache „Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation“ hat Generalanwalt Geelhoed mit der Unterscheidung von Beschränkungen und „Quasi-Beschränkungen“ eine Differenzierung eingeführt, die dies aufgreift: Soweit eine Behinderung der grenzüberschreitenden Wirtschaftstätigkeit aus dem Nebeneinander zweier Rechtsordnungen als solchen resultiert, liege keine relevante Beeinträchtigung einer Grundfreiheit vor. Es gehe dabei um „Verzerrungen der wirtschaftlichen Betätigung aufgrund des Umstands, dass verschiedene Rechtsordnungen nebeneinander existieren müssen.“526 Diese Herausnahme von Behinderungen, die sich aus dem Nebeneinander der Rechtsordnungen ergeben, wird allerdings problematisch, sobald man damit auch Doppelregulierungen, also insbesondere auch Doppelbesteuerungen aus dem Diskriminierungs- bzw. Beschränkungstatbestand ausschließt. Ohne Zweifel stellt eine Doppelbesteuerung durch das Zusammenwirken zweier Rechtsordnungen eine Diskriminierung des grenzüberschreitenden ________________________ 524 Siehe 3. Teil; A; II; 3 und ausführlich Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, 2004, S. 133 ff.; Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 122 ff.; vgl. schon EuGH-Urteil vom 14.7.1994 – Rs. C-379/92 („Peralta“), EuGHE 1994, I-3499; Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 28; grundlegend zur Abgrenzung von Verzerrungen durch die Unterschiede im Binnenmarkt und grundfreiheitlich relevanten Beschränkungen Roxan, Assuring Real Freedom of Movement in EU Direct Taxation, The Modern Law Review 2000, S. 831 ff. 525 Schön, Der „Wettbewerb“ der europäischen Steuerordnungen als Rechtsproblem, DStJG 23 (2000), S. 191 ff., 211 f. 526 Generalanwalt Geelhoed, Schlussantrag vom 23.2.2006 – Rs. C-374/04 („Test Claiments in Class IV of the ACT Group Litigation“), EuGHE 2006, I-11676, Rn. 38.

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Gemeinschaftsrechtlicher Rahmen der Rechtsformwahlfreiheit

Sachverhalts dar und kann daher den Grundfreiheiten nicht entzogen sein.527 Dem steht insbesondere auch nicht entgegen, dass dem EG-Recht nicht ohne weiteres entnommen werden kann, welcher der beteiligten Staaten zur Beseitigung der Doppelbesteuerung verpflichtet ist.528 Im Ergebnis sind daher vom Beschränkungstatbestand Disparitäten, also Beeinträchtigungen, die sich aus der Unterschiedlichkeit der beteiligten Rechtsordnungen als solcher ergeben, nicht erfasst. Doppelregulierungen, insbesondere Doppelbesteuerungen, stellen hingegen eine Diskriminierung dar.529 d) Einschränkung des Beschränkungstatbestands durch Steuerautonomie der Mitgliedstaaten Ausgehend von dem hier vertretenen weiten Beschränkungstatbestand auf Basis eines weiten Marktzugangsbegriff, ließe sich – entgegen der oben vertretenen Auffassung – auch die Besteuerung als solche unter den Tatbestand der Beschränkung subsumieren, wenn man argumentiert, dass die steuerliche Belastung in einem Mitgliedstaat als Kostenfaktor relevant ist und Einfluss auf den Umfang und die Ausgestaltung eines Wirtschaftsvorgangs, also den Marktzugang, hat.530 Doch selbst soweit man die Besteuerung als solche als marktzugangsrelevant einstuft, stellt sie nach hier vertretener Auffassung keine Beschränkung dar. Zwar lässt sich dies nicht über eine Bereichsausnahme für das Steuerrecht begründen; vielmehr gilt das Beschränkungsverbot auch im Steuerrecht. Wie nachstehend näher ausgeführt wird, unterliegt der Beschränkungstatbestand vertragsimmanenten Einschränkungen, die in näher zu konkretisierendem Umfang die Besteuerung auch bei Relevanz für den Marktzugang aus dem Beschränkungstatbestand ausnimmt: Abzulehnen ist die Auffassung, das Steuerrecht insgesamt im Grundsatz aus dem Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots auszunehmen und nur ________________________ 527 Höchst problematisch daher für die juristische Doppelbesteuerung aktuell EuGHUrteil vom 14.11.2006 – Rs. C-513/04 („Kerckhaert/Morses“), EuGHE 2006, I-10967, Rn. 20 ff. und Generalanwalt Geelhoed, Schlussantrag vom 06.04.2006 – Rs. C-513/04 („Kerckhaert/Morres“), EuGHE 2006, I-10969, Rn. 34 ff. kritisch dazu zurecht Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 167 ff. 528 Vgl. dazu nur ausführlich und aktuell Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 231 ff. mit zahlreichen Nachweisen (Fn. 492). 529 Siehe dazu bereits 3. Teil; B; II; 3; a. 530 Zur hier vertretenen Gegenauffassung siehe allerdings 3. Teil; B; IV; 3; b.

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Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten

in Ausnahmefällen, namentlich bei prohibitiv wirkenden Steuern, eine Beschränkung zu prüfen.531 Es ist nicht begründbar, dass die Grundfreiheiten im Steuerrecht nicht in vollem Umfang anwendbar sein sollen, nur weil das Ergebnis – eine vermeindliche Rechtfertigungsbedürftigkeit der Besteuerung als solcher und ihrer Höhe – intuitiv nachvollziehbar abgelehnt wird. Zwar weist das Steuerrecht durchaus Spezifika auf, die zu Besonderheiten in der Auslegung der Grundfreiheiten führen.532 Aber es ist dogmatisch nicht zu begründen, bereits die Anwendbarkeit des Beschränkungsverbots von der Intensität der Beeinträchtigung abhängig zu machen.533 Nach hier vertretener Auffassung bestehen hingegen vertragsimmanente Einschränkungen des Tatbestands, die dazu führen, dass jedenfalls die Ertragsbesteuerung als solche auch dann, wenn man sie für marktzugangsrelevant hält, keine Beschränkung der Grundfreiheiten darstellt. Mit der ständigen Rechtsprechung des EuGH kann als Ausgangspunkt festgehalten werden, dass den Mitgliedstaaten nach dem EG-Vertrag in Ermangelung gemeinschaftlicher Vereinheitlichungs- und Harmonisierungsmaßnahmen die Steuerhoheit verbleibt.534 Nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung aus Art. 5 Abs. 1 EG verbleiben die Kompetenzen bei den Mitgliedstaaten, soweit sie nicht auf die Gemeinschaft übertragen werden. Die Kompetenz für den Bereich der direkten Steuern wird durch den EG-Vertrag nicht übertragen. Die Zielvorstellung des EG-Vertrags ist die Herstellung eines vollkommenen-föderalen Binnenmarkts.535 Die Eigenständigkeit der Mitgliedstaaten ist der Gemeinschaft also wesensimmanent und wird durch Art. 6 Abs. 3 EU auch ausdrücklich anerkannt. Zentrale Voraussetzung jeder Eigenstaatlichkeit ist die Autonomie, sich mittels Steuererhebung die finanziellen Ressourcen zur Erfüllung der öffentlichen Aufgaben zu sichern.536 Angesichts der ausdrücklichen Anerkennung der Besteuerungsbefugnisse der Mitgliedstaaten wird man eine Einschränkung des Beschränkungstatbestands dahingehend formulieren müssen, dass die Belastung als solche keine Beschränkung darstellt, weil die Erhebung von (direkten) Steuern dem Ziel ________________________ 531 Vgl. aber Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union – Bd. I, Stand: Dezember 2005, Vor Art. 39–55 EGV, Rn. 216 ff. 532 Siehe dazu Lehner, Fundamental freedoms and national sovereignty in the EU, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 47 ff., 63 ff. 533 Vgl. zur Paralleldiskussion um die freiheitsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes im Steuerrecht nur Tipke, Die Steuerrechtsordnung I, 2000, S. 449 ff. 534 Ständige Rechtsprechung; siehe zuletzt EuGH-Urteil vom 6.12.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451, Rn. 27 f. 535 Siehe 3. Teil; A; II; 3. 536 Vgl. nachdrücklich dazu Lehner, Fundamental freedoms and national sovereignty in the EU, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 47 ff., 63 ff.

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Gemeinschaftsrechtlicher Rahmen der Rechtsformwahlfreiheit

eines vollkommenen-föderalen Binnenmarkts nicht widerspricht.537 Eine Beschränkung im Sinne der Grundfreiheiten des EG-Vertrags kann nicht in der Ausübung einer vom EG-Vertrag anerkannten Hoheitsbefugnis durch die Mitgliedstaaten als solcher liegen. Die Erhebung von Steuern als solche ist daher keine Beschränkung. Davon wird man allerdings Steuern ausnehmen müssen, die unmittelbar an die Ausübung einer Grundfreiheit anknüpfen und damit unmittelbar den Marktzugang verhindern oder wesentlich erschweren.538 Es spricht daher vieles dafür, eine Wegzugsbesteuerung selbst dann als Beschränkung einzustufen, wenn sie gleichermaßen im reinen Inlandssachverhalt Anwendung fände. Nimmt man die Erhebung einer Steuer als solche grundsätzlich aus dem Tatbestand der Beschränkung aus, so stellt sich die Anschlussfrage, wie weit die Steuerhoheit der Mitgliedstaaten der Annahme einer Beschränkung entgegensteht. Ausgangspunkt ist die Selbstverständlichkeit, dass alle diskriminierenden Beschränkungen grundfreiheitsrelevant sind. Darüber hinaus können solche Regelungen keine Beschränkung der Grundfreiheiten darstellen, die unmittelbar, d. h. notwendig aus der Steuerautonomie der Mitgliedstaaten folgen. Die Steuerautonomie verbleibt bei den Mitgliedstaaten, weil im föderalen Charakter des Binnenmarkts zwar eine Angleichung der Lebensverhältnisse Zielvorstellung ist.539 Doch soll die Entscheidung über das Verhältnis von staatlichem Finanzbedarf und Ausmaß der öffentlichen Güter im Grundsatz von den Mitgliedstaaten autonom festgelegt werden. Daraus folgt, dass die Grundlagen für die Erhebung von Steuern Sache der Mitgliedstaaten bleiben. Für sich betrachtet können die Mitgliedstaaten damit festlegen, welche Tatbestände steuerpflichtig sind, wie die Bemessungsgrundlage ausgestaltet ist und welcher Tarif zur Anwendung kommt, da diese Regelungen als solche notwendige Konsequenz der Steuerhoheit der Mit________________________ 537 Vgl. zum Verhältnis von Grundfreiheiten und Steuerrecht bereits oben 3. Teil; B; III; 1; siehe zur Anerkennung der Besteuerungsbefugnis im EG-Vertrag auch Lehner, Das Territorialitätsprinzip im Licht des Europarechts, in: Gocke/Gosch/Lang (Hrsg), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung – Festschrift für Franz Wassermeyer zum 65. Geburtstag, 2005, S. 241 ff., 254. Randelzhofer/ Forsthoff, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union – Bd. I, Stand: Dezember 2005, Vor Art. 39–55 EGV, Rn. 218 sprechen von einem „absurden Ergebnis“, wenn jede steuerliche Belastung als solche und ihre Höhe an den Grundfreiheiten zu messen wäre und nehmen daher an, das Beschränkungsverbot gelte im Bereich des Steuerrechts grundsätzlich nicht. 538 Im Ergebnis ähnlich Wollenschläger, Kommunalabgaben unter europäischem Einfluss: Die Zweitwohnungsteuer auf dem Prüfstand des Gemeinschaftsrecht, NVwZ 2008, 506. 539 Vgl. nur die Präambel des EG-Vertrags (5. Erwägungsgrund).

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Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten

gliedstaaten sind. Eine absolute Beschränkung kann insoweit, wie ausgeführt, nur dann angenommen werden, wenn die Ausübung einer Grundfreiheit unmittelbar betroffen ist, wenn also gerade der Marktzugang zum Anknüpfungspunkt der Belastung gemacht wird. Im Hinblick auf relative Beschränkungen durch Beeinträchtigungen der Wahlfreiheit zwischen zwei grenzüberschreitenden Wirtschaftsvorgängen wird man hingegen im Grundsatz nicht mehr davon ausgehen können, dass die Regelungen notwendige Folge der Steuerhoheit sind.540 Insoweit bestehen damit keine vertragsimmanenten Einschränkungen des Beschränkungstatbestandes.

V. Zwischenfazit Die teleologische Auslegung der Grundfreiheiten erklärt, warum der EuGH die Grundfreiheiten als echtes Beschränkungsverbot interpretiert: Die wechselseitige Integration der nationalen Märkte zu einem echten Binnenmarkt verlangt, Hindernisse des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs auch dann zu beseitigen, wenn keine Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts gegenüber dem inländischen Sachverhalt vorliegt. Maßgebliches Kriterium für das Vorliegen einer grundfreiheitsrechtlichen Beschränkung ist die Auswirkung einer Regelung auf den Marktzugang. Eine Beschränkung liegt vor, wenn die Allokationsentscheidung des Wirtschaftsteilnehmers, also die Mobilität der Produktionsfaktoren und Produkte, bei Marktzugang behindert wird. Auszunehmen sind solche Beeinträchtigungen des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs, die aus der bloßen Unterschiedlichkeit nationaler Regelungen erwachsen, und Regelungen, die den allgemeinen Standortfaktoren (Ausübungsmodalitäten) zuzuordnen sind und nicht den Marktzugang beeinflussen. Vom Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten ist also der Vergleich zweier grenzüberschreitender Sachverhalte erfasst. Damit ist dogmatisch durch den Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten die Möglichkeit eröffnet, dass aus der Niederlassungsfreiheit ein eigenständiger Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit folgt.

________________________ 540 Zur Zulässigkeit von Differenzierungen in Bezug auf die Rechtsformwahlfreiheit durch Anknüpfung an die zivilrechtlichen Unterschied siehe ausführlich unter 4. Teil; C; I; 1.

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4. Teil Begründung und Reichweite der Rechtsformwahlfreiheit Aufbauend auf der Erkenntnis, dass der EuGH in seiner Rechtsprechung einen eigenständigen Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit befürwortet, und dem Fundament des gemeinschaftsrechtlichen Rahmens der Rechtsformwahlfreiheit, einem echten Beschränkungsverbot, welches auch Beeinträchtigungen im Verhältnis zweier grenzüberschreitender Sachverhalte umfasst, kann nunmehr die Rechtsformwahlfreiheit dogmatisch begründet und ihre Reichweite bestimmt werden. Im Folgenden wird dazu ausgehend vom aktuellen Meinungsstand zum Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit im Europäischen Steuerrecht und zur Rechtsformneutralität im nationalen Steuerrecht begründet, warum die freie Wahl der Rechtsform durch die Niederlassungsfreiheit geschützt ist und wie weit der Grundsatz tatbestandlich reicht.

A. Grundlagen Grundlage der Betrachtung ist die Diskussion in der Literatur zur Rechtsformwahlfreiheit im Europäischen Steuerrecht und zur Rechtsformneutralität in der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, der Finanzwissenschaft und der Steuerrechtswissenschaft.

I. Meinungsstand zum Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit im Europäischen Steuerrecht Der Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit wird zwar seit der Entscheidung „Avoir Fiscal“ 541im Jahr 1986, also seit über 20 Jahren, in der Literatur diskutiert. Vertiefte wissenschaftliche Forschung findet sich aber praktisch nicht. Im Wesentlichen lassen sich drei Meinungsgruppen zum Verständnis der Rechtsformwahlfreiheit unterscheiden.542 1. Eingeschränktes Verständnis als Facette des Diskriminierungsverbots Die überwiegende Auffassung sieht im Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit einen Anwendungsfall des Diskriminierungsverbots der Niederlas________________________ 541 EuGH-Urteil vom 28.1.1986 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 285; siehe dazu bereits ausführlich im 2. Teil; A; I. 542 Vgl. bereits die beiden Kernthesen unter 1. Teil; A.

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Begründung und Reichweite der Rechtsformwahlfreiheit

sungsfreiheit und beschränkt die Schutzrichtung auf Zuzugsfälle, in denen eine ausländische Gesellschaft mit Betriebsstätte gegenüber einer inländischen Tochtergesellschaft schlechter gestellt ist.543 Mit anderen Worten: Die Rechtsformwahlfreiheit wird beschränkt auf Benachteiligungen eines Einheitsunternehmens, die sich ergeben, weil die Betriebsstätte Teil eines ausländischen Unternehmens, die Tochtergesellschaft aber inlandsansässig ist. Überwiegend beruft sich diese Auffassung auf die Rechtsprechung des EuGH.544 Tatsächlich wurde der Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit zur Begründung einer Beschränkung bislang überwiegend in Zuzugsfällen vom EuGH erwähnt, bei denen zugleich auch eine Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts bzw. des ausländischen Unternehmens mit Betriebsstätte vorlag.545 Sowohl aus den Entscheidungen in Zuzugsfällen als auch aus den besprochenen Entscheidungen in Wegzugsfällen, in denen die Rechtsformwahlfreiheit gerade nicht Erwähnung fand, wird geschlossen,

________________________ 543 Mit Unterschieden im Detail ist dies die Auffassung von Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 831 ff.; Aarnio, Treatment of permanent establishments and subsidiaries under EC law: towards a uniform concept of secondary establishment in European tax law?, EC Tax Review 2006, S. 18 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 214 ff.; Kristen, Equal treatment of permanent establishments and subsidiaries?, in: Aigner/Züger (Hrsg), Permanent Establishment in International Tax Law, 2003, S. 323 ff.; Schnitger, Anmerkung zu den Schlussanträgen des Generalanwalts Léger v. 14.4.2005, C-253/03 (CLT-UFA SA/Finanzamt Köln-West), IStR 2005, S. 379 ff.; Schnitger, Möglichkeit zur Präzisierung des europarechtlichen Prinzips der Rechtsformwahlfreiheit und Körperschaftsteuerguthaben für Betriebsstätten ausländischer Kapitalgesellschaften gemäß § 37 KStG – Vorlagenfrage an den EuGH in der Rs. CLT-UFA, IStR 2004, S. 821 ff., 824; Schnitger, Die Grenzen der Einwirkung der Grundfreiheiten des EGVertrags auf das Ertragsteuerrecht, 2006, S. 280 ff.; Vogt, Neutralität und Leistungsfähigkeit, 2003, S. 136 ff.; wohl auch Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung in der Europäischen Union, 2003, S. 260 ff. Einen sehr eigenen Ansatz vertritt Wattel, Corporate tax jurisdictions in the EU with respect to branches and subsidiaries; dislocation distinguished from discrimination and disparity; a plea for territoriality, EC Tax Review 2003, S. 194 ff. 544 So auch Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 834. 545 Siehe dazu ausführlich im 1. Teil. Zentral sind die Entscheidungen EuGH-Urteil vom 28.1.1986 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 285; EuGH-Urteil vom 21.9.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999, I-6161; EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831; anders allerdings bereits in EuGH-Urteil vom 18.7.2007 – Rs. C-231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373.

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Grundlagen

dass der Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit nur in Ersteren von Bedeutung sei.546 Bereits die obige Analyse der Rechtsprechung hat gezeigt, dass diese Schlussfolgerung nicht richtig ist: Zum einen verdeutlichen diese Entscheidungen obiter dictum, dass der EuGH der Rechtsformwahlfreiheit eigenständige Bedeutung beimisst. Zum anderen lässt sich den Entscheidungen in Wegzugsfällen keine Ablehnung des Grundsatzes durch den EuGH entnehmen.547 Die Gegenauffassung übersieht, dass ein eigenständiges Recht auf freie Wahl der Rechtsform nicht in jedem Fall eine Gleichbehandlung zur Folge haben muss. Selbst wenn der EuGH in den entschiedenen Wegzugsfällen, insbesondere „Bosal“ 548 und „Marks & Spencer“ 549, bei der Entscheidungsfindung die Rechtsformwahlfreiheit (auch) zum Maßstab gemacht hätte, müsste das Ergebnis der Entscheidungen diesem daher nicht entgegenstehen, wenn sachliche Gründe einer Vergleichbarkeit beider Niederlassungsformen im konkreten Fall entgegenstanden.550 Für diejenigen, die sich dogmatisch mit der Frage eines echten Grundsatzes der Rechtsformwahlfreiheit auseinandergesetzt haben, ist zentraler Grund für die Ablehnung eines Gebots der Gleichbehandlung beider Rechtsformen, dass den Grundfreiheiten kein Gewährleistungsgehalt über die Gleichstellung mit dem Inlandssachverhalt beigemessen wird. Die Grundfreiheiten orientierten sich an der für den innerstaatlichen Fall getroffenen mitgliedstaatlichen Regelung, sodass der Vergleich zweier grenzüberschreitender Sachverhalte nicht erfasst sei.551 Ferner wird auf den Wortlaut verwiesen, der keine klare Aussage zu einer „Wahlfreiheit“ beinhalte.552 ________________________ 546 Vgl. aktuell Aarnio, Treatment of permanent establishments and subsidiaries under EC law: towards a uniform concept of secondary establishment in European tax law?, EC Tax Review 2006, S. 18 ff. 547 Vgl. ausführlich im 1. Teil. 548 EuGH-Urteil vom 28.9.2003 – Rs. C-168/01 („Bosal“), EuGHE 2003, I-09409. 549 EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10857. 550 Vgl. zum Abzug von Finanzierungsaufwendung wie in EuGH-Urteil vom 28.9. 2003 – Rs. C-168/01 („Bosal“), EuGHE 2003, I-09409 im 5. Teil; C; IV und zur Verlustverrechnung wie in EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10857 im 5. Teil; A; III. 551 So insbesondere Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 832 f. 552 Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 833; Kristen, Equal treatment of permanent establishments and subsidiaries?, in: Aigner/ Züger (Hrsg), Permanent Establishment in International Tax Law, 2003, S. 323 ff., 336.

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Begründung und Reichweite der Rechtsformwahlfreiheit

Die obige Analyse des Gewährleistungsgehalts der Grundfreiheiten hat gezeigt, dass die Prämisse dieser Auffassung, soweit sie sich auf die Struktur des Schutzumfangs der Grundfreiheiten stützt, nicht alle Wirkebenen der Grundfreiheiten berücksichtigt: Die Grundfreiheiten enthalten ein echtes Beschränkungsverbot. Dieses erfasst nicht nur absolute Beschränkungen des Marktzugangs, sondern auch relative Beschränkungen, die sich im Vergleich mit einem anderen grenzüberschreitenden Sachverhalt zeigen. Dogmatisch kann daher durchaus auch die freie Wahl der Rechtsform Ausfluss der Niederlassungsfreiheit sein. 2. Umfassender Grundsatz einer freien Wahl der Rechtsform Eine zweite Gruppe fasst den Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit weiter und nimmt an, dass Wirtschaftsteilnehmer grundsätzlich im grenzüberschreitenden Fall in der freien Wahl der Rechtsform ihrer Sekundärniederlassung nicht beeinträchtigt werden dürfen, weil die Niederlassungsfreiheit ein eigenständiges, d. h. nicht an eine Diskriminierung nach der Ansässigkeit gekoppeltes Recht auf freie Wahl der Rechtsform enthalte.553 Insbesondere Wolfgang Schön sieht in der freien Wahl zwischen Betriebsstätte und Tochtergesellschaft einen über das Steuerrecht hinausgehenden ________________________ 553 Siehe insbesondere Schön, Freie Wahl zwischen Zweigniederlassung und Tochtergesellschaft – ein Grundsatz des Europäischen Unternehmensrechts, EWS 2000, S. 281 ff.; Schön, Diskriminierung im Steuerrecht, in: Lang/Schuch/Staringer (Hrsg), Die Diskriminierungsverbote im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 2006, S. 13 ff., 28; Herzig, Körperschaftsteuersystem und Europäischer Binnenmarkt, in: Schön (Hrsg), Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, 1997, S. 627 ff.; Dautzenberg, Das EG-rechtliche Gleichbehandlungsgebot für Betriebsstätten und Tochtergesellschaften, EWS 2001, S. 270 ff.; Dörr, Die Rechtssache CLT-UFA: Ein Medienkonzern im Rampenlicht des EuGH – Oder: Wieviel Rechtsformneutralität fordert der europäische Binnenmarkt?, Der Konzern 2005, S. 576 ff.; Dörr, Der Fall Marks and Spencer – europaweite Verlustberücksichtigung im Konzern?!, Der Konzern 2003, S. 604 ff.; IMN, Keine Verweigerung von Schachtelprivilegien, die inländischen Gesellschaften unter Hinweis auf DBA gewährt werden, bei deutschen Betriebsstätten ausländischer Unternehmen – Kommentar zu EuGH-Urteil v. 21.9. 1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint Gobain“), FR 1999, S. 1138 ff.; Kinzl, Zuordnung von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen zu ausländischen Betriebsstätten, IStR 2005, S. 693 ff. 696; Kirchhof, Die freiheitsrechtliche Struktur der Steuerrechtsordnung, StuW 2006, S. 3 ff.; Jacobs, Corporation Income Tax Systems in the European Union – An Analysis of their Effects on Competition and Reform Proposals, Intertax 1999, S. 264 ff., 269.; Mortelsmans, The Common Market, the Internal Market and the Single Market, what’s in a market?, CML Review 1998, S. 101 ff.; Werlauff, Using a Foreign Company for Domestic Activities, European Business Law Review 1999, S. 306 ff.; Zanotti, Taxation of Inter-Company Dividends in the Presence of a PE: The Impact of the EC Fundamental Freedoms (Part One), European Taxation 2004, S. 493 ff., 496.

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Grundlagen

Grundsatz des Europäischen Unternehmensrechts.554 Er zeichnet eine Rechtsprechungslinie des EuGH nach, die einer freien Wahl der Rechtsform im Steuerrecht555, im Berufsrecht556 und im Gesellschaftsrecht557 wesentliche Bedeutung beimisst. Allen Entscheidungen lagen in der Sache jedoch Diskriminierungsfälle zugrunde, sodass diese Rechtsprechung nach Auffassung Schöns noch keinen Aufschluss ermöglicht, ob der EuGH einen eigenständigen Grundsatz der freien Wahl der Rechtsform befürwortet.558 Schön ordnet den Gedanken einer Wahlfreiheit in die Zielvorstellung des Binnenmarkts ein, die nach der Möglichkeit einer „abgestuften Integration“ in die nationalen Märkte der anderen Mitgliedstaaten verlange, um so eine optimale Ressourcenallokation zu ermöglichen.559 Darüber hinaus herrscht über das dogmatische Fundament eines Grundsatzes der freien Wahl der Rechtsform in der Literatur aber noch Unsicherheit.560 Zum Teil wird, trotz Befürwortung eines eigenständigen Grundsatzes der Rechtsformwahlfreiheit, eine Anwendung des Grundsatzes bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften als Gesellschafter abgelehnt, weil bei diesen beide Niederlassungsformen unterschiedlichen Besteuerungsregimen unterliegen, also die Ermittlung der Bemessungsgrundlage unterschiedlich sei, sodass eine Vergleichbarkeit nicht mehr bestehe.561 Steuerartspezifische

________________________ 554 Grundlegend insbesondere Schön, Freie Wahl zwischen Zweigniederlassung und Tochtergesellschaft – ein Grundsatz des Europäischen Unternehmensrechts, EWS 2000, S. 281 ff. 555 EuGH-Urteil vom 28.1.1986 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 285; EuGH-Urteil vom 21.9.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999, I-6161. 556 EuGH-Urteil vom 6.6.1996 – Rs. C-101/94 („Kommission/Italien“), EuGHE 1996, I-2691. 557 EuGH-Urteil vom 9.3.1999 – Rs. C-212/97 („Centros“), EuGHE 1999, I-1459. 558 Schön, Freie Wahl zwischen Zweigniederlassung und Tochtergesellschaft – ein Grundsatz des Europäischen Unternehmensrechts, EWS 2000, S. 281 ff., 289. 559 Schön, Freie Wahl zwischen Zweigniederlassung und Tochtergesellschaft – ein Grundsatz des Europäischen Unternehmensrechts, EWS 2000, S. 281 ff., 283. 560 Siehe auch bei Schön, Freie Wahl zwischen Zweigniederlassung und Tochtergesellschaft – ein Grundsatz des Europäischen Unternehmensrechts, EWS 2000, S. 281 ff., 289, der wohl zur Verortung im Beschränkungsverbot neigt, zugleich aber dabei auf Fälle verweist, die auf einer Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts basieren. Vgl. auch Brück, Gemeinschaftsrecht und Betriebsstättenbesteuerung, in: Löwenstein/Looks (Hrsg), Betriebsstättenbesteuerung, 2003, S. 373 ff.; Bachmann, Prohibitions of Discrimination: EC-Treaty Rules and Direct Taxation in Germany, EC Tax Review 1995, S. 237 ff., 240. 561 Siehe dazu ausführlich 4. Teil; C; II; 1.

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Begründung und Reichweite der Rechtsformwahlfreiheit

Unterschiede im Einkommens- und Körperschaftsteuerrecht stünden dem entgegen.562 3. Interpretation als „Grundsatz gesetzgeberischer Folgerichtigkeit“ Eine dritte, insbesondere von Michael Lang vertretene Auffassung sieht im Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit im Kern einen Grundsatz der Folgerichtigkeit. Für die Gegenüberstellung beider Niederlassungsformen gelte, was stets beim Vergleich zweier Konstellationen gelte: Entscheidend sei immer, „ob die Rechtslage im jeweiligen Mitgliedstaat so beschaffen ist, dass die beiden Konstellationen als vergleichbar zu beurteilen sind“. Daher seien niemals zwei Konstellationen generell vergleichbar. Folglich könne die Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften nach der Rechtslage in einem Mitgliedstaat gegeben sein, nach der Rechtslage in einem anderen Mitgliedstaat hingegen nicht.563 Ob die für Betriebsstätten und Tochtergesellschaften anwendbaren Regelungen des nationalen Rechts als vergleichbar angesehen werden, hinge letztlich von einer Wertentscheidung des EuGH ab; der Gerichtshof habe letztlich zu entscheiden, welche Regelungen er dabei berücksichtige und wie er sie gewichte.564 Für Lang ist die Rechtsformwahlfreiheit ein Fall des Diskriminierungsverbots.565 Der Auffassung Langs ist entgegenzuhalten, dass sie im Ergebnis unbefriedigend und dogmatisch kaum begründet ist. Folge dieser Position ist, dass es letztlich dem Gesetzgeber völlig frei steht, wie beide Niederlassungsformen zu behandeln sind, solange er sich dabei nur konsequent verhält. An welcher Stelle Differenzierungen erlaubt sind, kann nicht klar bestimmt werden, ________________________ 562 So unter Verweis auf EuGH-Urteil vom 29.4.1999 – Rs. C-311/97 („Royal Bank of Scotland“), EuGHE 1999, I-2651, Rn. 29 Dörr, Die Rechtssache CLT-UFA: Ein Medienkonzern im Rampenlicht des EuGH – Oder: Wieviel Rechtsformneutralität fordert der europäische Binnenmarkt?, Der Konzern 2005, S. 576 ff., 580. A. A. Dautzenberg, Das EG-rechtliche Gleichbehandlungsgebot für Betriebsstätten und Tochtergesellschaften, EWS 2001, S. 270 ff.; wohl auch Schön, Freie Wahl zwischen Zweigniederlassung und Tochtergesellschaft – ein Grundsatz des Europäischen Unternehmensrechts, EWS 2000, S. 281 ff., 290. Dazu im 4. Teil; C; II; 1. 563 Lang, Gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zur Rechtsformneutralität im Steuerrecht?, IStR 2006, S. 397 ff., 400 (kursiv im Original). Beispielhaft verweist Lang auf die Entscheidungen des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit, in denen dieser die Gleichbehandlung auf Ebene der Bemessungsgrundlage als Argument für eine Vergleichbarkeit beider Niederlassungsformen angeführt hat; siehe EuGH-Urteil vom 29.4.1999 – Rs. C-311/97 („Royal Bank of Scotland“), EuGHE 1999, I-2651, Rn. 28 ff. 564 Lang, Gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zur Rechtsformneutralität im Steuerrecht?, IStR 2006, S. 397 ff., 401. 565 Lang, Gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zur Rechtsformneutralität im Steuerrecht?, IStR 2006, S. 397 ff., 402.

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sondern ist mangels nachprüfbarer Kriterien der „Wertungsentscheidung“566 des EuGH überlassen. Dogmatisch kaum begründet ist die Auffassung, weil sie sich in einer Betrachtung der recht apodiktischen Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit erschöpft, ohne den Versuch zu unternehmen, diese zu erklären.567

II. Bedeutung des Postulats der Rechtsformneutralität für die Untersuchung Das Postulat einer rechtsformneutralen Besteuerung beschäftigt seit Jahrzehnten die Steuerrechtswissenschaft, die Finanzwissenschaft und die betriebswirtschaftliche Steuerrechtslehre.568 Insbesondere gehört die Forderung nach Rechtsformneutralität zu jeder Diskussion um eine Reform der Unternehmensbesteuerung.569 Dabei ist freilich die Diskussion gerichtet auf eine ________________________ 566 Lang, Gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zur Rechtsformneutralität im Steuerrecht?, IStR 2006, S. 397 ff., 401. 567 Soweit Entscheidungen des EuGH eine Vergleichbarkeit von Betriebsstätte und Tochtergesellschaft auch mit dem Hinweis auf eine Gleichbehandlung durch das Steuerrecht im Übrigen begründen (Vgl. EuGH-Urteil vom 29.4.1999 – Rs. C-311/97 („Royal Bank of Scotland“), EuGHE 1999, I-2651, Rn. 28 ff.), hat dies nur indikative Funktion, kann aber die Vergleichbarkeit nicht abschließend begründen. Der EuGH geht davon aus, dass eine zivilrechtliche Vergleichbarkeit für Zwecke der Besteuerung vorliegt, weil das Steuerrecht im Übrigen die Niederlassungsformen gleich behandelt, vgl. dazu die Aussage des EuGH in EuGH-Urteil vom 28.1.1986 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 285, Rn. 19 f., der Gesetzgeber habe durch die Gleichbehandlung auf Ebene der Bemessungsgrundlage „anerkannt“, dass keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Niederlassungsformen bestehen. Vollständig wäre die Begründung tatsächlich nur, wenn die Richtigkeit der Gleichbehandlung auf das Zivilrecht vollständig überprüft worden wäre. 568 Vgl. Hennrichs/Lehmann, Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung, StuW 2007, S. 16 ff. 569 Vgl. nur Müller-Gatermann, Unternehmensteuerreform 2008, Die Steuerberatung 2007, S. 145 ff.; zusammenfassend Schmiel, Rechtsformneutralität als Leitlinie für eine Neukonzeption der Unternehmensbesteuerung?, BFuP 2006, S. 246 ff.; siehe auch Herzig/Watrin, Betriebswirtschaftliche Anforderungen an eine Unternehmenssteuerreform, StuW 2000, S. 378 ff.; Herzig, Reform der Unternehmensbesteuerung, Die Wirtschaftsprüfung 2007, S. 7 ff.; Kirchhof, Der Karlsruher Entwurf und seine Fortentwicklung zu einer vereinheitlichten Ertragsteuer, StuW 2002, S. 3 ff.; Kiesewetter, Theoretische Leitbilder einer Reform der Unternehmensbesteuerung, StuW 1997, S. 24 ff.; Löhr, Die Brühler Empfehlungen – Wegweiser für eine Systemreform der Unternehmensbesteuerung?, StuW 2000, S. 33 ff.; Schön, Zur Unternehmenssteuerreform, Die Steuerberatung 2000, S. 1 ff.; Schön, Zum Entwurf des Steuersenkungsgesetzes, StuW 2000, S. 151 ff.; Schreiber, Die Steuerbelastung der Personenunternehmen und der Kapitalgesellschaften – Ein Beitrag zur Weiterent-

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steuerliche Gleichbehandlung der Gesellschaftsformen im nationalen Kontext, vereinfachend gesprochen also Personengesellschaften auf der einen und Kapitalgesellschaften auf der anderen Seite. Die Frage der vorliegenden Untersuchung bezieht sich dagegen auf die Formen von Sekundärniederlassungen im grenzüberschreitenden Kontext, also Betriebsstätten auf der einen und Tochtergesellschaften auf der anderen Seite. Damit ist zwar der Blickwinkel der Diskussion ein anderer. Doch die steuerrechtlich zu beurteilenden Sachverhalte entsprechen sich vielfach, weil die Beteiligung an einer inländischen Personengesellschaft in der Regel eine Betriebsstätte und die (wesentliche) Beteiligung an einer Körperschaft eine Tochtergesellschaft darstellt.570 Damit sind die ökonomischen Wertungen der Diskussion um eine Rechtsformneutralität im nationalen Rahmen im Grundsatz für die hier zu beantwortende Frage nutzbar. Es erweist sich, dass aus allen drei Diskussionssträngen wesentliche Gedanken für die vorliegende Frage nach einer freien Wahl der Rechtsform im Europäischen Unternehmenssteuerrecht gezogen werden können. Dies verwundert nicht, wenn man bedenkt, dass letztlich alle Disziplinen die gleiche Frage nur aus drei verschiedenen Blickrichtungen betrachten: Inwieweit sollten ökonomisch gleichwertige Sachverhalte gleich besteuert werden, um die Allokationsentscheidungen des Wirtschaftsteilnehmers nicht zu verzerren? Die betriebswirtschaftliche Steuerlehre betrachtet die Frage aus Sicht des Unternehmens und enthält damit Hinweise auf die beschränkende Wirkung einer unterschiedlichen Besteuerung. Die finanzwissenschaftliche Sicht nimmt die wohlfahrtssteigernden Wirkungen einer effizienten Ressourcenallokation in den Blick und spannt damit die Brücke zum übergeordneten Anliegen des Binnenmarkts. Die steuerrechtswissenschaftliche Betrachtung sucht nach gesetzlichen Vorgaben, die zu einer steuerlichen Gleichbehandlung zwingen. Darunter fällt auch die hier aufgeworfene Frage nach einem aus der Niederlassungsfreiheit folgenden Gleichbehandlungsgebot. 1. Begriff der Rechtsformneutralität Knapp formuliert bedeutet der Begriff der Rechtsformneutralität, dass Gewinn unabhängig davon besteuert wird, welche Rechtsform das Unternehmen hat, das ihn erwirtschaftet hat.571 Rechtsformneutralität setzt demnach

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wicklung der Unternehmensbesteuerung –, Die Wirtschaftsprüfung 2002, S. 557 ff.; Wagner, Steuervereinfachung und Entscheidungsneutralität – konkurrierende oder komplementäre Leitbilder füür Steuerreformen?, StuW 2005, S. 93 ff. 570 Zu den Tatbeständen von Betriebsstätte und Tochtergesellschaft vgl. im 1. Teil; C; II; 1 und 1. Teil; C; III; 1. 571 Siegel, Rechtsformneutralität – ein klares und begründetes Ziel, in: Winkeljohann/ Bareis/Volk (Hrsg), Rechnungslegung, Eigenkapital und Besteuerung, 2007, S. 271 ff., 271. „Neutralität der Besteuerung“ als Begriff wird von Elschen/Hüchte-

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voraus, dass die aus nicht steuerlichen Gründen bevorzugte Rechtsform durch das Steuerrecht nicht bloß als „zweite Wahl“ erscheint.572 Rechtsformneutralität wird allgemein unter das übergeordnete Prinzip der Entscheidungsneutralität eingeordnet.573 Entscheidungsneutral ist eine Steuerrechtssetzung, die bei vernünftigen Steuerpflichtigen keine Ausweichhandlungen verursacht.574 Mit anderen Worten: Die Rangordnung der unternehmerischen Handlungen, wie sie für eine Welt ohne Steuern unter sonst gleichen Bedingungen geplant würden, ändert sich bei Berücksichtigung der Steuerzahlungen nicht.575 ________________________

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brock, Steuerneutralität in Finanzwissenschaft und Betriebswirtschaftslehre – Diskrepanzen und Konsequenzen, FinArch. N. F. 41 (1983), S. 253 ff., 253 als „Amöbe“ bezeichnet, weil er sich von Beitrag zu Beitrag ändere. Für die vorliegende Untersuchung kann aber von der gewählten Definition ausgegangen werden. Sieker, Möglichkeiten rechtsformneutraler Besteuerung von Einkommen, DStJG 25 (2001), S. 145 ff., 149; Wagner, Neutralität und Gleichmäßigkeit als ökonomische und rechtliche Kriterien steuerlicher Normkritik, StuW 1992, S. 2 ff., 3. Daneben sind insbesondere der Aspekt der Finanzierungsneutralität (steuerliche Nichtbeeinflussung der Wahl zwischen Eigen- und Fremdfinanzierung) und Verwendungsneutralität (steuerliche Nichtbeeinflussung der Entscheidung zwischen Thesaurierung und Ausschüttung/Entnahme) von Bedeutung. Beide Aspekte sind naturgemäß eng mit der Frage der Rechtsformwahl verbunden; vgl. Hey, Besteuerung von Unternehmensgewinnen und Rechtsformneutralität, DStJG 24 (2001), S. 155 ff., 157; vgl. zum Überblick Elschen/Hüchtebrock, Steuerneutralität in Finanzwissenschaft und Betriebswirtschaftslehre – Diskrepanzen und Konsequenzen, FinArch. N. F. 41 (1983), S. 253 ff., 257; Herzig/Watrin, Betriebswirtschaftliche Anforderungen an eine Unternehmenssteuerreform, StuW 2000, S. 378 ff., 379 f. Das wirtschaftswissenschaftliche Kriterium zur Feststellung von Entscheidungsneutralität ist Rangfolgeninvarianz, vgl. Elschen, Entscheidungsneutralität, Allokationseffizienz und Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, StuW 1991, S. 99 ff., 102. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, S. 111; Elschen, Entscheidungsneutralität, Allokationseffizienz und Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, StuW 1991, S. 99 ff., 102; Schneider, Steuerlast und Steuerwirkung, 2002, S. 215. So die Definition von Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, 1992, S. 193, dessen Befassung mit der Entscheidungsneutralität des Steuerrechts grundlegend ist; siehe auch Schneider, Steuerlast und Steuerwirkung, 2002, S. 99 ff.; 215 ff.; Spengel, Besteuerung von Einkommen – Aufgaben, Wirkungen und europäische Herausforderungen – Gutachten G, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg), Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages 2006 ff., 42. Kein Steuersystem ist entscheidungsneutral. Allein eine Kopfsteuer könnte in die Nähe einer entscheidungsneutralen Besteuerung gerückt werden, vgl. Elschen, Entscheidungsneutralität, Allokationseffizienz und Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, StuW 1991, S. 99 ff., 104; Schön, Steuergesetzgebung zwischen Markt und Grundgesetz, StuW 2004, S. 62 ff., 64.

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2. Betriebswirtschaftliche Bedeutung der Rechtsformneutralität Aus betriebswirtschaftlicher Sicht besagt das Postulat der Rechtsformneutralität, dass das Steuerrecht die unternehmerische Entscheidung zwischen unterschiedlichen Rechtsformen nicht beeinflussen soll und daher wirtschaftlich gleichförmige Sachverhalte die gleiche steuerliche Belastung zur Folge haben sollen.576 Die Forderung nach einer Entscheidungsneutralität und insbesondere auch nach einer Rechtsformneutralität der Besteuerung wird als Leitbild einer marktwirtschaftlichen Steuerpolitik betrachtet.577 Die betriebswirtschaftliche Steuerlehre postuliert eine rechtsformneutrale Besteuerung, weil sie es ermöglicht, ökonomische Entscheidungen von steuerlichen Überlegungen freizuhalten.578 Der Unternehmer soll nicht wegen ________________________

576 Siehe dazu Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, 1992, S. 216 ff.; 735 ff.; Schmiel, Rechtsformneutralität als Leitlinie für eine Neukonzeption der Unternehmensbesteuerung?, BFuP 2006, S. 246 ff.; Elschen, Entscheidungsneutralität, Allokationseffizienz und Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, StuW 1991, S. 99 ff.; Wagner, Was bedeutet und wozu dient Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung?, StuW 2006, S. 101 ff.; Wagner, Neutralität und Gleichmäßigkeit als ökonomische und rechtliche Kriterien steuerlicher Normkritik, StuW 1992, S. 2 ff.; Kiesewetter, Theoretische Leitbilder einer Reform der Unternehmensbesteuerung, StuW 1997, S. 24 ff.; Siegel, Rechtsformneutralität – ein klares und begründetes Ziel, in: Winkeljohann/Bareis/Volk (Hrsg), Rechnungslegung, Eigenkapital und Besteuerung, 2007, S. 271 ff. 577 Herzig/Watrin, Betriebswirtschaftliche Anforderungen an eine Unternehmenssteuerreform, StuW 2000, S. 378 ff., 379. 578 Siegel, Rechtsformneutralität – ein klares und begründetes Ziel, in: Winkeljohann/ Bareis/Volk (Hrsg), Rechnungslegung, Eigenkapital und Besteuerung, 2007, S. 271 ff., 280; für eine rechtsformneutrale Besteuerung sprechen sich beispielsweise aus Wöhe, Der Einfluß der Besteuerung auf die Wahl des Unternehmensrechts, zfbf 1980, S. 519 ff.; Kirchhof, Der Karlsruher Entwurf und seine Fortentwicklung zu einer vereinheitlichten Ertragsteuer, StuW 2002, S. 3 ff.; Hennrichs, Dualismus der Unternehmensbesteuerung aus gesellschaftsrechtlicher und steuersystematischer Sicht, StuW 2002, S. 201 ff.; Brosens, Thin capitalization rules and EU law, EC Tax Review 2004, S. 188 ff.; Snel, Systems to Prevent Accumulation of Taxation in Parent-Subsidiary Relationships, Intertax 2005, S. 527 ff.; Weinelt, Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung, 2006; Neumark, Grundsätze gerechter und ökonomisch rationaler Steuerpolitik, 1970, S. 232 ff.; 264; Homburg, Allgemeine Steuerlehre, 2007, S. 256 ff.; Wagner, Neutralität und Gleichmäßigkeit als ökonomische und rechtliche Kriterien steuerlicher Normkritik, StuW 1992, S. 2 ff.; Herzig/ Watrin, StuW 2000, 378 ff.; 380; Elschen/Hüchtebrock, Steuerneutralität in Finanzwissenschaft und Betriebswirtschaftslehre – Diskrepanzen und Konsequenzen, FinArch. N. F. 41 (1983), S. 253 ff.; dagegen : Maiterth/Sureth, Unternehmensfinanzierung, Unternehmensrechtsform und Besteuerung, BFuP 2006, S. 225 ff. („Eine allokativ effiziente rechtsform- und finanzierungsneutrale Besteuerung kann es aus Praktikabilitätsgründen nicht geben, solange Kapitaleinkommen progressiv belastet werden soll.“); Rose, Überlegungen zur Steuergerechtigkeit aus betriebswirtschaftlicher Sicht, StuW 1985, S. 330 ff.

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der steuerlichen Folgen, die mit der Wahl einer bestimmten Rechtsform verknüpft sind, in eine für sein Unternehmen betriebswirtschaftlich unvernünftige Rechtsform gedrängt werden.579 Der zweite Vorteil wird in der Vermeidung von Steuerplanungskosten gesehen, also der Kosten, die aus der Ausnutzung der Arbitragemöglichkeiten resultieren.580 Der Forderung nach Rechtsformneutralität werden allerdings vehement Einwände entgegengehalten, die die Relevanz von Rechtsformneutralität und damit auch der Fragestellung dieser Arbeit in Zweifel ziehen: Der erste Einwand zielt auf die faktische Bedeutung einer rechtsformneutralen Besteuerung: Wegen der nicht kalkulierbaren Auswirkungen in der Wirklichkeit seien nachteilige Folgen eines intendiert entscheidungsneutralen Steuersystems nicht absehbar. Normative Vorgaben könnten daher nur insoweit gemacht werden, als im Einzelfall die Verringerung der Entscheidungsverzerrung nachweisbar sei.581 Der Einwand ist nicht überzeugend, da eine unterschiedliche Besteuerung die Entscheidung zumindest verfälschen kann, was angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung der steuerlichen Belastung auch schlicht evident ist.582 Wenn man Neutralität normativ als Optimum unterstellt, ist ein Steuersystem, das möglichst weitgehende Entscheidungsneutralität anstrebt, umso besser, je weniger verzerrende Einflussfaktoren es gibt. Die größtmögliche Verringerung von Entscheidungsverzerrungen durch die maximale Anlehnung an Entscheidungsneutralität bleibt geboten, solange nicht gesamtwirtschaftliche Nachteile durch dieses Ziel nachzuweisen sind.583 In die gleiche Richtung geht der Einwand, von der Rechtsformneutralität könne keine realwirtschaftliche Konsequenz ausgehen, da Rechtsformüberlegungen lediglich die steuerliche Optimierung ________________________ 579 Schön, Zur Unternehmenssteuerreform, Die Steuerberatung 2000, S. 1 ff., 5. 580 Wagner, Was bedeutet und wozu dient Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung?, StuW 2006, S. 101 ff., 102. 581 Schneider, Steuerlast und Steuerwirkung, 2002, S. 102 f. Siehe dazu auch Schmiel, BfuP, 58 (2006), 246 ff. 582 Dazu genügt der Hinweis auf unzählige Monographien, die sich mit der „steueroptimalen Rechtsform“ auseinandersetzen, vgl. nur Wöhe, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre I/1, 1988.; vgl. aus der ökonomischen Literatur zur Bedeutung der Besteuerung für die Rechtsformwahl nur Gordon/Mackie-Mason, Tax distortions of the choice of organizational form, Journal of Public Economics 1994, S. 279 ff.; MackieMason/Gordon, How Much Do Taxes Discourage Incorporation?, The Journal of Finance 1997, S. 477 ff. 583 Dies gesteht im Übrigen auch Schneider ein, vgl. Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, 1992, S. 736. Vgl. zur Bedeutung des Neutralitätspostulat in normtheoretischer Hinsicht als Optimierungsgebot Hey, Besteuerung von Unternehmensgewinnen und Rechtsformneutralität, DStJG 24 (2001), S. 155 ff.; grundlegend dazu Alexy, Theorie der Grundrechte, 1996, S. 75 ff.

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einer aus anderen Gründen getroffen Investitionsentscheidung seien.584 Namentlich die Entscheidung über die Ressourcenallokation werde unabhängig von Überlegungen zur Rechtsform getroffen. Folglich gehe es dem Postulat rechtsformneutraler Besteuerung nur um die Vermeidung einzelwirtschaftlicher Planungskosten. Für die Allokationseffizienz seien Rechtsformprobleme irrelevant.585 Dem liegt die Annahme zugrunde, Rechtsformneutralität habe nur insoweit Einfluss auf die Allokationseffizienz, als die Investitionsentscheidung nicht unabhängig von der Rechtsform getroffen werden könne, also „Investitionsprogramm und Rechtsform simultan“ entschieden würden.586 In der Realität werden Investitions- und Rechtsformentscheidungen aber stets „simultan“ getroffen, sodass kein ernsthafter Zweifel an der Allokationsrelevanz der Besteuerung der unterschiedlichen Rechtsformen bestehen kann.587 Die freie Wahl der Rechtsform ist für die Mobilität und Organisation von Unternehmen wesentlicher Eckpfeiler der Palette wirtschaftlicher Handlungsoptionen. Der zweite Einwand zielt auf die wirtschaftliche Gleichwertigkeit der Rechtsformen für Zwecke der Besteuerung: Die unterschiedlichen Rechtsformen seien wirtschaftlich nicht gleichwertig und daher sei eine unterschiedliche Besteuerung sachgerecht.588 Eine steuerliche Gleichbehandlung von Rechtsformen komme nur in Betracht, wenn diese sich „durch keinerlei ökonomisch relevante Eigenschaften voneinander unterscheiden“.589 Hinter diesem Einwand verbirgt sich die berechtigte Frage, inwieweit unterschiedliche Rechtsformen wirtschaftlich für Zwecke der Besteuerung gleichwertig sind, sodass sie gleich besteuert werden müssen. Nach hier vertretener Auffassung lässt sich diese Frage aber nicht pauschal beantworten. Im Grundsatz können die zivilrechtlichen Unterschiede eine unterschiedliche Besteuerung begründen, daher ist im Einzelfall konkret zu überprüfen, in welchen Situa________________________ 584 Wagner, Was bedeutet und wozu dient Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung?, StuW 2006, S. 101 ff., 104. 585 Wagner, Was bedeutet und wozu dient Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung?, StuW 2006, S. 101 ff., 109 f. 586 Wagner, Was bedeutet und wozu dient Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung?, StuW 2006, S. 101 ff., 106. 587 Vgl. zur Kritik auch Siegel, Rechtsformneutralität – ein klares und begründetes Ziel, in: Winkeljohann/Bareis/Volk (Hrsg), Rechnungslegung, Eigenkapital und Besteuerung, 2007, S. 271 ff., 281. 588 Schneider, Steuervereinfachung durch Rechtsformneutralität?, DB 2004, S. 1517 ff., 1521. 589 Rose, Bemerkungen zur Forderung nach Rechtsformneutralität der Besteuerung, in: Hebig/Kaiser/Koschinder/Oblau (Hrsg), Aktuelle Entwicklungsaspekte der Unternehmensbesteuerung, 2006, S. 49 ff., 54 f.

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tionen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der Besteuerung vergleichbar sind.590 Eine pauschale Ungleichbehandlung ist aber nicht sachgerecht. Der dritte Einwand bezieht sich auf die allokativen Folgen einer rechtsformneutralen Besteuerung und plädiert aus ökonomischen Gründen für eine Ungleichbehandlung der Rechtsformen: Die Forderung nach einer Rechtsformneutralität führe zu einer „Besserstellung der risikoarmen Institutenbildung“ und damit zu einer steuerlichen „Benachteiligung der Risikobereitschaft“.591 Wegen der Vollhaftung bei Personengesellschaften im Gegensatz zur beschränkten Haftung von Kapitalgesellschaften sei das Risiko bei Ersteren höher. Gesamtwirtschaftlich sei es sinnvoller, wenn die Bereitschaft, in risikobehaftete Rechtsformen zu investieren, durch steuerliche Regelungen gefördert wird, als rechtsformneutral zu besteuern.592 Dem Einwand kann nicht zugestimmt werden: Die Auffassung lässt die Marktpreisbildung für eine Risikoübernahme unberücksichtigt.593 Ein effizienter Markt wird unterschiedliche Risiken mit unterschiedlichen „Risikozuschlägen“594 versehen, also im Preis des Titels das jeweilige Risiko abbilden. Sofern das Steuerrecht daneben eine weitere „Belohnung“ für die Risikoübernahme vorsieht, verzerrt es wirtschaftliche Entscheidungen und trägt zu Fehlallokationen bei. Es ist zudem nicht erkennbar, warum es Aufgabe des Steuerrechts sein soll lenkend einzugreifen. Solange kein Beleg für Marktversagen vorliegt, ist nicht erkennbar, dass der Staat besser als der Wirtschaftsteilnehmer selbst in der Lage ist, wirtschaftlich sinnvolles Handeln zu erkennen.595 Im Ergebnis kann keiner der erhobenen Einwände überzeugend die Relevanz einer unterschiedlichen Besteuerung für die Rechtsformwahl und die Bedeutung der Rechtsformwahl für die Allokationsentscheidung in Zweifel ziehen. Die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen gehören nachweislich zu den wichtigsten Faktoren für die Wahl der Rechtsform, da Steuern wie ________________________ 590 591 592 593

Siehe dazu ausführlich im 5. Teil und 4. Teil; C; I; 1. Schneider, Steuerlast und Steuerwirkung, 2002, S. 217 f. Schneider, Steuerlast und Steuerwirkung, 2002, S. 217 f. Elschen, Entscheidungsneutralität, Allokationseffizienz und Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, StuW 1991, S. 99 ff., 108. 594 Elschen, Entscheidungsneutralität, Allokationseffizienz und Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, StuW 1991, S. 99 ff., 108. 595 Vgl. ausführlich Elschen, Entscheidungsneutralität, Allokationseffizienz und Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, StuW 1991, S. 99 ff., 108 ff.; vgl. auch Siegel, System der Einkommensteuer und Rechtsformneutralität, in: Dirrigl/Wellisch/ Wenger (Hrsg), Steuern, Rechnungslegung und Kapitalmarkt – Festschrift für Franz W. Wagner zum 60. Geburtstag, 2004, S. 193 ff., 204.

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Kosten auf die Vornahme eines Investments einwirken.596 Die Investitionsentscheidung und das Investitionsvolumen sind in Wahrheit in hohem Maße von steuerrechtlichen Regeln beeinflusst.597 Mit der Entscheidung für eine Rechtsform „erkauft“ sich der Wirtschaftsteilnehmer unter Umständen eine günstigere Besteuerung durch die Inkaufnahme von Nachteilen in der vertraglichen oder gesetzlichen Verfasstheit oder sonstigen, für den konkreten Zweck ungewollten Aspekten der mit der Rechtsformwahl verbundenen Organisationsform.598 „Nur durch völlige Rechtsformneutralität der Besteuerung kann vermieden werden, dass wichtige sonstige wirtschaftliche Überlegungen bei der Wahl der Rechtsform zugunsten von zum Zeitpunkt der Gründung bestehenden Steuervorteilen vernachlässigt werden müssen.“599 Für die vorliegende Untersuchung kann damit festgehalten werden, dass eine rechtsformneutrale Besteuerung Verzerrungen der ökonomischen Vernunft der Wirtschaftsteilnehmer vermeidet und so zu einer effizienten Ressourcenallokation beiträgt. Normative Wertungen, ob eine rechtsformneutrale Besteuerung geboten, und nicht nur ökonomisch wünschenswert ist, kann die Betriebswirtschaft naturgemäß nicht bieten.600

________________________ 596 Vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 1993, S. 1 ff. Nach Wöhe, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre II/1, 1990, S. 22; 24 ff. ist die Steuerbelastung der „dominierende Entscheidungsfaktor“; siehe auch aktuell zur Relevanz im Binnenmarkt Aarnio, Treatment of permanent establishments and subsidiaries under EC law: towards a uniform concept of secondary establishment in European tax law?, EC Tax Review 2006, S. 18 ff., 19 („Currently tax considerations are an important factor in the choice regarding the form of secondary establishment in another EU Member State“). 597 Vgl dazu jüngst das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesfinanzminsteriums „Einheitliche Bemessungsgrundlage der Köperschaftsteuer in der Europäischen Union“, März 2007, www.bundesfinanzministerium.de; S. 3 ff. mit dem Hinweis, dass Gewinnsteuern Investitionen multinationaler Unternehmen signifikant beeinflussen und empirischen Belegen. Vgl. Thönnes, Notwendigkeit der Berücksichtigung von Steuern in wirtschaftlichen Entscheidungen, Steuer & Studium 2006, S. 414 ff.; Schreiber/Overesch, Reform der Unternehmensbesteuerung, DB 2007, S. 813 ff., 815 in Bezug auf die Absenkung der Steuersätze als Investionsanreiz mit empirischen Belegen. 598 So Wöhe, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre II/1, 1990, S. 22. 599 Wöhe, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre II/1, 1990, S. 25. 600 Vgl. zur Frage der „Wertfreiheit der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre“ ausführlich Wöhe, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre I/1, 1988, S. 47 ff.

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3. Finanzwissenschaftliche Bedeutung der Rechtsformneutralität Aus finanzwissenschaftlicher Sicht ist es Ziel der Rechtsformneutralität, gesamtwirtschaftliche Fehlallokationen durch Verzerrungen des Wettbewerbs zu verhindern.601 Die Verschwendung volkswirtschaftlicher Ressourcen soll vermieden werden.602 Eine entscheidungsneutrale und damit auch eine rechtsformneutrale Besteuerung vermeide (insoweit) Anpassungshandlungen des Steuerpflichtigen und die damit verbundenen volkswirtschaftlichen Einbußen.603 Damit geht es in wirtschaftswissenschaftlicher Sicht um gesamtwirtschaftliche Allokationseffizienz und die damit verbundene Steigerung der allgemeinen Wohlfahrt.604 Dieses Neutralitätspostulat basiert auf der ausführlich dargestellten, dem Binnenmarkt zugrunde liegenden Wirtschaftstheorie des (klassisch-)neoklassischen Liberalismus, die auf den Markt anstelle staatlicher Entscheidungen setzt.605 Diese Sicht der Bedeutung der Besteuerung im Binnenmarkt spiegelt sich in der Haltung der EU-Kommission wider: Zur Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz müsse die Unternehmensbesteuerung im Binnenmarkt gewährleisten, dass steuerliche Aspekte die wirtschaftlichen Entscheidungen von Unternehmen so wenig wie möglich beeinflussen. Insbesondere dürfe die grenzüberschreitende Wirtschaftstätigkeit nicht durch steuerliche Hinder________________________ 601 Wagner, Was bedeutet und wozu dient Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung?, StuW 2006, S. 101 ff., 102; vgl. auch Elschen, Entscheidungsneutralität, Allokationseffizienz und Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, StuW 1991, S. 99 ff., 101 („Die Steuerrechtsregelungen müssen daher aus ökonomischer Sicht dem Kriterium der gesamtwirtschaftlichen Allokationseffizienz genügen, um eine Verschwendung volkswirtschaftlicher Ressourcen zu vermeiden.“). Zur wirtschaftswissenschaftlichen Bedeutung der Rechtsformneutralität siehe ferner Wagner, Neutralität und Gleichmäßigkeit als ökonomische und rechtliche Kriterien steuerlicher Normkritik, StuW 1992, S. 2 ff.; Schneider, Steuerlast und Steuerwirkung, 2002, S. 216 ff.; Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, 1992, S. 735; Seer, Rechtsformabhängige Besteuerung – Kritische Bestandsaufnahme der derzeitigen Rechtslage, StuW 1993, S. 114 ff.; Musgrave, The Theory of Public Finance, 1959, 140 ff. 602 Elschen, Entscheidungsneutralität, Allokationseffizienz und Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, StuW 1991, S. 99 ff., 101. 603 Vgl. zum Begriff der Entscheidungswirkung Schneider, Steuerlast und Steuerwirkung, 2002, S. 19 ff. 604 Siehe dazu ausführlich Schön, Der „Wettbewerb“ der europäischen Steuerordnungen als Rechtsproblem, DStJG 23 (2000), S. 191 ff., 196. 605 Vgl. Osterloh, Besteuerungsneutralität – ökonomische und verfassungsrechtliche Aspekte, in: Osterloh/Schmidt/Weber (Hrsg), Staat, Wirtschaft, Finanzverfassung – Festschrift für Peter Selmer zum 70. Geburtstag, 2004, S. 873 ff., 884; siehe dazu auch 3. Teil; A; II.

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nisse erschwert werden.606 Die freie Wahl der Rechtsform ist aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht daher geboten, um eine effiziente Ressourcenallokation zu gewährleisten.607 4. Steuerrechtswissenschaftliche Bedeutung der Rechtsformneutralität Am stärksten sind die Stimmen für eine rechtsformneutrale Besteuerung im steuerrechtswissenschaftlichen Schrifttum.608 Dabei geht es um die Frage, ob, und wenn ja, welche rechtlichen Maßstäbe Grundlage einer Forderung nach rechtsformneutraler Besteuerung sind. Die Diskussion dreht sich dabei ________________________ 606 Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss – „Ein Binnenmarkt ohne steuerliche Hindernisse“ – vom 23.10.2001, KOM(2001) 582 endg., S. 5 f. Siehe auch das Arbeitsdokument der Dienststellen der Kommission – „Unternehmensbesteuerung im Binnenmarkt“ – vom 23.10.2001, SEK(2001)1681, Rn. 5 f. der Zusammenfassung und S. 23 ff. des Dokuments. 607 Vgl. Knobbe-Keuk, Die Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts auf das Gesellschaftsrecht und die Unternehmensbesteuerung 1993/94, S. 25 ff.; Jacobs, Corporation Income Tax Systems in the European Union – An Analysis of their Effects on Competition and Reform Proposals, Intertax 1999, S. 264 ff.: Steuerliche Maßnahmen sollten Ort, Art und Finanzierung des Investments nicht beeinflussen. Aus diesen Vorgaben der Kommission folge, dass die Binnenmarktbesteuerung mit ökonomischen Kriterien verknüpft wird. 608 Vgl. insbesondere Hey, Besteuerung von Unternehmensgewinnen und Rechtsformneutralität, DStJG 24 (2001), S. 155 ff.; Jachmann, Besteuerung von Unternehmen als Gleichheitsproblem – Unterschiedliche Behandlung von Rechtsformen, Einkunftsarten, Werten und Steuersubjekten im Ertrag- und Erbschaftsteuerrecht, DStJG 23 (2000), S. 9 ff.; Osterloh, Besteuerungsneutralität – ökonomische und verfassungsrechtliche Aspekte, in: Osterloh/Schmidt/Weber (Hrsg), Staat, Wirtschaft, Finanzverfassung – Festschrift für Peter Selmer zum 70. Geburtstag, 2004, S. 873 ff.; Hennrichs/Lehmann, Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung, StuW 2007, S. 16 ff.; Walz, Empfiehlt sich eine rechtsformabhängige Besteuerung?, Gutachten zum 53. DJT, Gutachten F 1980; Lang, Reform der Unternehmensbesteuerung auf dem Weg zum europäischen Binnenmarkt und zur deutschen Einheit, StuW 1990, S. 107 ff.; Englisch, Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung bei Ertragssteuern, DStZ 1997, S. 778 ff.; Hennrichs, Dualismus der Unternehmensbesteuerung aus gesellschaftsrechtlicher und steuersystematischer Sicht, StuW 2002, S. 201 ff.; Herzig, Rechtsformneutralität der Besteuerung bei Rechtsformwechsel, StuW 1988, S. 342 ff.; Lang, Die Unternehmenssteuerreform – eine Reform pro GmbH, GmbHR 2000, S. 453 ff. ff.; Pelka, Rechtsformneutralität im Steuerrecht – Verfassungsmäßigkeit der Steuersatzsenkung für Kapitalgesellschaften, StuW 2000, S. 389 ff. ff.; Schreiber, Unternehmensbesteuerung im Europäischen Binnenmarkt, StuW 1994, S. 238 ff.; Jacobs, Empfiehlt sich eine rechtsformunabhängige Besteuerung der Unternehmung?, ZGR 2 (1980), S. 288 ff.; Wendt, Reform der Unternehmensbesteuerung aus europäischer Sicht, StuW 1992, S. 66 ff.

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Grundlagen

nahezu ausnahmslos um die verfassungsrechtlichen Maßstäbe.609 Nur wenige Literaturstimmen, die aus der Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit einen eigenständigen Gleichbehandlungsgrundsatz ableiten, plädieren in der Sache auch für ein europarechtliches Gebot der Rechtsformneutralität.610 Aus steuerrechtswissenschaftlicher Sicht wird das Postulat der Rechtsformneutralität überwiegend im Gleichheitssatz, also Art. 3 GG, verankert. Unterschiedliche Rechtsformen sollen nur dann unterschiedlich behandelt werden, wenn die Rechtsformunterschiede im Hinblick auf die Besteuerung erheblich sind. Maßstab dafür ist, ob sie eine unterschiedliche Leistungsfähigkeit zur Folge haben. Aus der Diskussion in der steuerrechtswissenschaftlichen Literatur kann allerdings Folgendes für die Untersuchung abgeleitet werden: Als Quelle eines Neutralitätsgebots werden neben dem allgemeinen Gleichheitssatz auch die Freiheitsrechte der Art. 9, 12 und 14 GG diskutiert.611 Dies ist für die vorliegende Frage insofern von Relevanz, als damit im Rahmen der verfassungsrechtlichen Diskussion anerkannt ist, dass ein Gebot der Gleichbehandlung zweier Handlungsoptionen normtheoretisch Ausfluss einer freiheitsrechtlichen Gewährleistung sein kann.612 Der innere Grund liegt darin, dass Steuerbelastungen die Wirtschaftsteilnehmer zu Gestaltungen veranlassen, die in den Schutzbereich der Freiheitsrechte fallen. Als Belastungen stellen sie einen Eingriff in die geschützte ökonomische Handlungsfreiheit dar. Neutralitätspostulate sollen genau diese Gestaltungswirkungen verhindern. ________________________ 609 Vgl. nur Knobbe-Keuk, Das Steuerrecht – eine unerwünschte Rechtsquelle des Gesellschaftsrechts?, 1986; Sieker, Möglichkeiten rechtsformneutraler Besteuerung von Einkommen, DStJG 25 (2001), S. 145 ff.; Hey, Besteuerung von Unternehmensgewinnen und Rechtsformneutralität, DStJG 24 (2001), S. 155 ff.; Jachmann, Besteuerung von Unternehmen als Gleichheitsproblem – Unterschiedliche Behandlung von Rechtsformen, Einkunftsarten, Werten und Steuersubjekten im Ertrag- und Erbschaftsteuerrecht, DStJG 23 (2000), S. 9 ff. Siehe auch die Berichte zum 33. DJT 1924; 53. DJT 1980 und 57 DJT 1988. 610 Siehe 4. Teil; A; I; 2. 611 Siehe z. B. Witt, Die Konzernbesteuerung, 2006, S. 436. 612 Vgl. dazu grundlegend Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1982, S. 194 ff.; Kirchhof, Die Besteuerung von Erwerbsgemeinschaften, in: Siegel/Kirchhof/Schneeloch/Schramm (Hrsg), Steuertheorie, Steuerpolitik und Steuerpraxis – Festschrift für Peter Bareis, 2005, S. 133 ff., 137 f.; Lang, Reform der Unternehmensbesteuerung auf dem Weg zum europäischen Binnenmarkt und zur deutschen Einheit, StuW 1990, S. 107 ff., 115; Hey, Besteuerung von Unternehmensgewinnen und Rechtsformneutralität, DStJG 24 (2001), S. 155 ff., 171 ff.

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Begründung und Reichweite der Rechtsformwahlfreiheit

Soweit man den gleichheitsrechtlichen Gehalt der Grundfreiheiten auf die Gleichstellung mit dem Inlandssachverhalt begrenzt, steht dies der Annahme eines Neutralitätspostulats aus dem freiheitsrechtlichen Gehalt der Grundfreiheiten folglich nicht entgegen.

III. Zusammenfassung und Abgrenzung Die Perspektive der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre zeigt, dass durch eine rechtsformneutrale Besteuerung aus Sicht des Unternehmens ermöglicht wird, eine von steuerlichen Erwägungen unabhängige Entscheidung über die Rechtsform seiner Wirtschaftstätigkeit zu treffen und insoweit eine optimale Allokation der vorhandenen Ressourcen zu garantieren. Um die ökonomische Vernunft der Wirtschaftsteilnehmer zur Geltung zu bringen, sollte sich aus betriebswirtschaftlicher Perspektive das Steuerrecht zur Wahl der Rechtsform neutral verhalten. Die Perspektive der Finanzwissenschaft erweitert diesen Blick auf das gesamtwirtschaftliche Interesse an optimaler Ressourcenallokation und postuliert eine rechtsformneutrale Besteuerung mit dem Ziel einer Steigerung der allgemeinen Wohlfahrt im Vertrauen auf die ökonomische Vernunft der Wirtschaftsteilnehmer. Eine rechtsformneutrale Besteuerung entspricht folglich der Zielvorstellung des Europäischen Binnenmarkts. Aus der steuerrechtswissenschaftlichen Sicht ist die Erkenntnis von Bedeutung, dass nicht nur der allgemeine Gleichheitssatz als verfassungsrechtliche Grundlage betrachtet wird, sondern auch aus den grundgesetzlichen Freiheitsrechten die Ableitung eines Gebots der rechtsformneutralen Besteuerung für möglich gehalten wird. Die ökonomische Perspektive zeigt damit, dass eine rechtsformneutrale Besteuerung aus den genannten Gründen „sinnvoll und wünschenswert“ ist. Daher ist die Folge ein Postulat. Was die Ökonomie nicht leisten kann, ist ein normatives Gebot: Nur die steuerrechtswissenschaftliche Perspektive kann als verbindliche Vorgabe formulieren, dass über die ökonomische Sinnhaftigkeit einer rechtsformneutralen Besteuerung hinaus diese auch rechtlich geboten ist. Inwieweit der EG-Vertrag in Art. 43 Abs. 1 Satz EG eine rechtliche Vorgabe enthält, ist Gegenstand der folgenden Überlegungen.

B. Dogmatische Begründung der Rechtsformwahlfreiheit Die Analyse der Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit ergab, dass der EuGH von einem eigenständigen Grundsatz Rechtsformwahlfreiheit ausgeht, obwohl der Grundsatz bislang nicht entscheidungserheblich war. Die Untersuchung des gemeinschaftsrechtlichen Rahmens ergab, dass 158

Dogmatische Begründung der Rechtsformwahlfreiheit

die Grundfreiheiten ein echtes Beschränkungsverbot enthalten, das auch Beeinträchtigungen eines grenzüberschreitenden Wirtschaftsvorgangs umfasst, die sich aus dem Vergleich zu einem anderen grenzüberschreitenden Vorgang ergeben. Auf diesen Ergebnissen aufbauend wird im Folgenden in Bezug auf eine steuerrechtliche Ungleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften konkret untersucht, ob diese die Qualität einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit hat. Dafür ist zunächst näher zu betrachten, was genau die von der Niederlassungsfreiheit geschützte Mobilität und Organisation von Unternehmen ausmacht. Im zweiten Schritt wird ein Konzept der Wahlfreiheit im Binnenmarkt entwickelt, wie es der Rechtsprechung des EuGH zu entnehmen ist und in das die Rechtsformwahlfreiheit als zentrales Element eingeordnet werden kann. Im dritten Schritt kann aus der Bedeutung der Rechtsformwahlfreiheit für den Marktzugang das rechtliche Gebot einer grundsätzlichen Gleichbehandlung beider Rechtsformen geschlussfolgert werden.

I. Mobilität und Organisation von Unternehmen als Gegenstand der Niederlassungsfreiheit Einleitend wurde herausgestellt, dass Gegenstand der Niederlassungsfreiheit die Integration in einen anderen Mitgliedstaat durch feste Einrichtungen ist613. Der Schutz von Integration durch feste Einrichtungen in andere Mitgliedstaaten erfordert den Schutz von Mobilität und Organisation von Unternehmen, da es diese beiden Aspekte sind, die eine grenzüberschreitende Integration durch Niederlassungen ausmachen. Um wiederum konkreter zu bestimmen, was Mobilität und Organisation von Unternehmen ausmacht, bedarf es zunächst der Erläuterung eines wirtschaftlichen und steuerrechtlichen Verständnisses von Unternehmen, um die unternehmerischen Handlungen identifizieren zu können, die die Mobilität und Organisation von Unternehmen kennzeichnen. 1. Verständnis des Unternehmens als Ordnung unternehmerischer Entscheidungen Die betriebswirtschaftliche Lehre betrachtet ein Unternehmen als eine „geordnete Menge an Handlungsabläufen“ (Unternehmensprozesse).614 Diese ________________________ 613 Siehe dazu ausführlich 1. Teil; C; I. 614 Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, 1992, S. 5; grundlegend siehe Putterman, The Economic nature of the firm, 1986; Williamson, The nature of the firm, 1991.

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Betrachtung steht neben dem Aspekt der Vermögensgegenstände, also der Summe der materiellen und immateriellen Vermögensgegenstände, und dem des Rechtskleids, also der Existenz als juristische Person oder Personengesellschaft; die Unternehmensprozesse werden durch die Unternehmensstruktur, insbesondere die Organisationsstruktur, und die Unternehmensregeln, vor allem die Rechtsregeln, geordnet.615 Kerngedanke des Unternehmens in diesem Sinne ist daher der Unternehmer als autonomer Entscheidungsträger, der nach erwerbswirtschaftlichen Prinzipien am Markt mit Unternehmensrisiko operiert.616 Diese betriebswirtschaftliche Betrachtung übernimmt das Steuerrecht, indem es den Gewerbebetrieb maßgeblich unter Bezugnahme auf die Person des Gewerbetreibenden definiert, der mit Unternehmerrisiko, Unternehmerinitiative und Gewinnerzielungsabsicht am Markt agiert.617 Das Steuerrecht ist in diesem Sinne tätigkeitsbezogen, was die Unternehmerbezogenheit impliziert, weil es zentral um Menschen als Entscheidungsträger unternehmerischen Handelns geht.618 Die individualistische, unternehmerbezogene Betrachtung von Unternehmen gilt ebenso für Kapitalgesellschaften und deren Gesellschafter, auch wenn diese zivil- und steuerrechtlich verselbstständigt sind, wie zwei aktuelle Entscheidungen des EuGH belegen: Nach der jüngsten Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ ist die Abschirmwirkung einer Kapitalgesellschaft im Ausland nach den Regelungen der Hinzurechnungsbesteuerung zulässigerweise in Frage gestellt, wenn die Gesellschafter Missbrauchsabsicht haben.619 In der Rechtssache „Sevic“ bejahte der EuGH die Zulässigkeit einer grenzüberschreitenden Verschmelzung, da die Niederlassungsfreiheit die in einer Verschmelzung zum Ausdruck kommenden Allokationsentscheidungen der Unternehmer schütze. Daher stehe einer Verletzung der Niederlassungsfreiheit auch nicht entgegen, dass es zu einer Beendigung der Existenz der Unternehmen komme.620 Es geht nicht um die Niederlassungsfreiheit der Gesellschaft, sondern um die Niederlassungsfrei-

________________________ 615 616 617 618 619

Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, 1992, S. 5. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, S. 203. Wacker, in: Schmidt (Hrsg.), EStG, 2007, § 15, Rn. 262 ff. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, S. 204 f. EuGH-Urteil vom 12.9.2006 – Rs. C-196/04 („Cadbury Schweppes“), EuGHE 2006, I-7995, Rn. 51 ff.; siehe dazu ausführlich im 3. Teil; B; III; 3; b; aa. 620 EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-411/03 („Sevic“), EuGHE 2005, I-10805 und insbesondere Generalanwalt Tizzano, Schlussantrag vom 7.7.2005 – Rs. C-411/03 („Sevic“), EuGHE 2005, I-10815; siehe dazu ausführlich im 2. Teil; A; IX.

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heit der dahinter stehenden Gesellschafter.621 Diese sollen in der Organisation ihrer Wirtschaftstätigkeit frei sein. Für den Blick auf die Gesellschaft ist damit die unternehmerische Intention der Gesellschafter maßgeblich. Grundlage der Frage, was die Mobilität von Gesellschaften im Binnenmarkt und insbesondere die Gründung und Leitung von Sekundärniederlassungen ausmacht, ist damit ein betriebswirtschaftliches und steuerrechtliches Unternehmensverständnis, das in einem Unternehmen im Wesentlichen eine geordnete Menge an Handlungsoptionen der Entscheidungsträger sieht.622 Im folgenden Abschnitt wird näher betrachtet, auf welche Parameter sich die Handlungsoptionen beziehen, wenn es um die durch die Niederlassungsfreiheit geschützte Mobilität und Organisation von Unternehmen geht. 2. Parameter von Mobilität und Organisation Auf den ersten Blick liegt eine Analogie nahe: Die Mobilität von Unternehmen nach Art. 43 und 48 EG im Fall der Verlegung oder Gründung von Sekundärniederlassungen lässt sich als physische und rechtliche Verlagerung oder Neugründung einer (Sekundär-)Niederlassung vorstellen. Unternehmen wären danach als solche in vergleichbarer Weise wie die übrigen durch die Grundfreiheiten geschützten Produkte und Produktionsfaktoren Gegenstand von Allokationsentscheidungen und die Entscheidung der Gesellschafter bezöge sich im Wesentlichen auf den Ort der Niederlassung. Schaut man genauer hin, zeigt sich, dass die Mobilität von Unternehmen und damit insbesondere auch die Mobilität durch Gründung oder Verlegung von Sekundärniederlassungen Entscheidungen auf verschiedenen Ebenen ________________________ 621 Schön, The Mobility of Companies in Europe and the Organizational Freedom of Company Founders, European Company and Financial Law Review 2006, S. 122 ff.; Schön, Niederlassungsfreiheit als Gründungsfreiheit, in: Hommelhoff/Rawert/ Schmidt (Hrsg), Festschrift für Hans-Joachim Priester zum 70. Geburtstag, 2007, S. 737 ff. 622 Siehe auch Vanistendael, A comparative and economic approach to equality in European Taxation, in: Gocke (Hrsg), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung – Festschrift für Franz Wassermeyer, 2005, S. 522 ff. („business undertakings are only a combination of labour, capital and entrepreneurial leadership“); vgl. dazu Prinz, Besteuerungsfragen inländischer Vertriebsmodelle bei international tätigen Unternehmen, FR 1996, S. 479 ff.; Astolfi, Tax issues in the Establishment of Business in Italy by a Foreign Corporation, Tax Planning International 2006, S. 3 ff.; Siegel, System der Einkommensteuer und Rechtsformneutralität, in: Dirrigl/Wellisch/Wenger (Hrsg), Steuern, Rechnungslegung und Kapitalmarkt – Festschrift für Franz W. Wagner zum 60. Geburtstag, 2004, S. 193 ff., 204 („eine juristische Person ist ‚nur‘ der Organisationsrahmen für die wirtschaftliche Betätigung“).

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voraussetzt. Mit Wolfgang Schön 623 lässt sich die Mobilität von Gesellschaften in drei Dimensionen betrachten: Die erste Dimension bezieht sich auf die materiellen und immateriellen Vermögensgegenstände, die durch die Entscheidungsträger nach Effizienzgesichtspunkten alloziert werden. Die zweite Dimension betrifft das Regelungsgefüge, das den Ordnungsrahmen durch gesetzliche und vertragliche Verpflichtungen der am Unternehmen beteiligten Akteure zueinander darstellt: Diese Ebene greift zurück auf die Erkenntnisse der Neuen Institutionenökonomik, die das Auftreten von Unternehmen als Institutionen durch das Bedürfnis erklärt, rechtliche Verbindungen von Wirtschaftsakteuren zu bündeln, zu verstetigen und die Interessen der Unternehmensbeteiligten zum Ausgleich zu bringen.624 Die dritte Dimension bezieht sich auf die Organisation der Produktionsfaktoren: Das Unternehmen ist der Rahmen zur Anordnung aller Produktionsfaktoren nach Effizienzgesichtspunkten. Betrachtet man diese drei Dimensionen eines Unternehmens und ihre Bedeutung im Falle einer „Gründung und Leitung“ von (Sekundär-)Niederlassungen i. S. v. Art. 43 EG, so wird klar, dass die Parallele einer örtlichen Zuordnung nur in Bezug auf die erste Ebene der Vermögensgegenstände passt. In Bezug auf die vertragliche und rechtliche Verfasstheit sowie die Organisation der Produktionsfaktoren geht es um die Wahl zwischen nicht ortsbezogenen Handlungsalternativen. Näher betrachtet bedeutet die grenzüberschreitende Niederlassung von Unternehmen also eine veränderte Zuordnung von materiellen und immateriellen Vermögensgegenständen (einzelne Vermögensgegenstände, Gesamtheit aller Gegenstände, Know-how usw.), die Wahl eines Rechtsrahmens als Gerüst für die gesellschaftsvertraglichen Beziehungen der Unternehmensbeteiligten und die Wahl einer betrieblichen Organisation, die durch den Rechtsrahmen beeinflusst wird und eine Zuordnung der Wirtschaftsgüter mit einbezieht. Kernelement der Niederlassungsfreiheit ist damit das Prinzip der Wahlfreiheit in Bezug auf diese Parameter.625 ________________________ 623 Grundlegend dazu Schön, The Mobility of Companies in Europe and the Organizational Freedom of Company Founders, European Company and Financial Law Review 2006, S. 122 ff. Siehe auch Schön, Niederlassungsfreiheit als Gründungsfreiheit, in: Hommelhoff/Rawert/Schmidt (Hrsg), Festschrift für Hans-Joachim Priester zum 70. Geburtstag, 2007, S. 737 ff. 624 Vgl. zum Überblick Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 2003, S. 393 ff.; Petersen, Einfluss der Besteuerung auf die Wahl der Organisationsform, 2006, S. 50 ff. 625 Vgl. Schön, The Mobility of Companies in Europe and the Organizational Freedom of Company Founders, European Company and Financial Law Review 2006, S. 122 ff., 126.

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3. Gesamtbetrachtung des Niederlassungsvorgangs Eine Konsequenz der dargelegten Sichtweise auf Unternehmen und die dabei zentrale Stellung der Gesellschafter ist eine Gesamtbetrachtung des Niederlassungsvorgangs. Diese ist als Maßstab für die im Folgenden zu begründende Beschränkung der Niederlassungsfreiheit maßgeblich: Die Niederlassungsfreiheit schützt die Freiheit der Entscheidung, sich in fester Form in einem anderen Mitgliedstaat zu integrieren. Die Auswirkung einer Regelung auf diesen Vorgang im Falle einer Sekundärniederlassung kann nur beurteilt werden, wenn alle für die Niederlassungsentscheidung erheblichen Ebenen einbezogen werden.626 Da die Entscheidung auf Ebene der Muttergesellschaft bzw. im Stammhaus getroffen wird, ist neben der Ebene der Sekundärniederlassung, also des Niederlassungsobjekts, auch die Ebene der Muttergesellschaft bzw. des Stammhauses, also des Niederlassungssubjekts zu berücksichtigen. Nur so kann der Gesamterfolg der unternehmerischen Investition betrachtet werden.627 Dies ist im Fall der Betriebsstätte selbstverständlich, weil es sich bei Stammhaus und Betriebsstätte um ein Einheitsunternehmen handelt. Im Fall von Mutter- und Tochtergesellschaft ist es ________________________ 626 Siehe aktuell insbesondere Generalanwalt Geelhoed, Schlussantrag vom 23.2.2006 – Rs. C-374/04 („Test Claiments in Class IV of the ACT Group Litigation“), EuGHE 2006, I-11676, Rn. 72. Vgl. Schön, Besteuerung im Binnenmarkt – die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, IStR 2004, S. 289 ff., 298 ff.; Terra/ Wattel, European Tax Law, 2005, S. 512; Seiler, Besteuerung von Einkommen – Aufgaben, Wirkungen und europäische Herausforderungen, in: Juristentages (Hrsg), Verhandlungen des sechsundsechzigsten Deutschen Juristentages – Band I (Gutachten), 2006, S. Gutachten F ff., 45; Wagner, Was bedeutet und wozu dient Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung?, StuW 2006, S. 101 ff., 107 f.; kritisch insbesondere Englisch, Europarechtskonforme Dividendenbesteuerung – „Aims and effects“?, RIW 2005, S. 187 ff., 197; Englisch, The European Treaties’ Implications for Direct Taxes, Intertax 2005, S. 310 ff.; Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 66 ff.; 1014 ff., der zwar einerseits erkennt, dass die Körperschaftsteuer Vorauszahlung auf die Belastung des Anteilsinhabers ist, aber überraschenderweise die darin zum Ausdruck kommende subjektübergreifende Kohärenz, wie im EuGH-Urteil vom 7.9.2004 – Rs. C-319/02 („Manninen“), EuGHE I-7477, Rn. 46; Generalanwältin Kokott, Schlussantrag vom 18.3.2004 – Rs. C-319/02 („Manninen“), EuGHE 2004, I-7480, Rn. 61, nicht als solche ansieht, weil letztlich nur die Sicht des Anteilsinhabers angelegt werde. Allerdings ist gerade diese Integration von Körperschaft- und Dividenbesteuerung Ausdruck der Kohärenz der beide Ebenen verknüpfenden Regelungen. Im Gegensatz zur Gesamtbetrachtung steht die sog. „isolierende Betrachtungsweise“, der auch der EuGH in vielen Entscheidungen folgte, vgl. Schön, Besteuerung im Binnenmarkt – die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, IStR 2004, S. 289 ff. 627 Zur subjektübergreifenden Sicht vgl. Schmiel, Rechtsformneutralität als Leitlinie für eine Neukonzeption der Unternehmensbesteuerung?, BFuP 2006, S. 246 ff., 247 („individualistisches Unternehmensverständnis“).

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„steuersystematisch geboten“, beide Ebenen zusammen zu betrachten.628 Durch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise wird wegen der Interessenidentität und definitionsgemäßen Lenkungsmacht der Muttergesellschaft von der separaten Betrachtung abgewichen, die sich an sich aus der zivilrechtlichen Selbstständigkeit der Tochtergesellschaft ergeben würde. Diese subjektübergreifende Betrachtung im Konzern kann im Hinblick auf eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit auf der Ebene der Beschränkung und auf der Ebene der Rechtfertigung, insbesondere im Rahmen der Kohärenz, relevant sein. Auf der Ebene der Beschränkung hat sie zur Folge, dass die Belastungswirkung einer Regelung durch Betrachtung ihrer Auswirkungen auf Mutter- und Tochtergesellschaft insgesamt festgestellt werden muss. Auf der Ebene der Rechtfertigung hat die Gesamtbetrachtung zur Folge, dass eine kohärente Regelung nicht nur angenommen werden kann, wenn „in Bezug auf einen Steuerpflichtigen innerhalb einer Steuerordnung Vor- und Nachteil miteinander unmittelbar verknüpft“ sind.629 Mutter- und Tochtergesellschaft müssen vielmehr als einheitliche Gruppe betrachtet werden, sodass der Vorteil bei der einen Gesellschaft bei sachlicher Verknüpfung durch eine kohärente Regelung mit einem Nachteil bei der anderen Gesellschaft in Verbindung zu setzen ist.630 Neben der Gesamtbetrachtung von Mutterhaus und Sekundärniederlassung ist auch eine jurisdiktionsübergreifende Gesamtbetrachtung erforderlich, wenn die Einwirkungen von Regelungen in zwei Mitgliedstaaten im Zusammenwirken einen grenzüberschreitenden Vorgang beeinflussen. Aus der Vorstellung eines vollkommenen-föderalen Binnenmarkts folgt, dass die Betrachtung eines Sachverhalts nicht an den Binnengrenzen Halt machen kann, sondern die Feststellung einer Beschränkung eines grenzüberschreitenden Sachverhalts beide beteiligten Jurisdiktionen in den Blick nehmen muss, da die rechtlichen Hindernisse bei grenzüberschreitenden Vorgängen nur auf diese Weise erfasst werden können.631 Allgemein formuliert muss ________________________

628 Hey, Perspektiven der Unternehmensbesteuerung in Europa, StuW 2004, S. 193 ff., 197. 629 So eine oft durch den EuGH verwendete Formel, vgl. insbesondere EuGH-Urteil vom 28.9.2003 – Rs. C-168/01 („Bosal“), EuGHE 2003, I-09409; kritisch zu einem engen Kohärenzverständnis zu Recht auch Hey, Perspektiven der Unternehmensbesteuerung in Europa, StuW 2004, S. 193 ff.; Schön, Besteuerung im Binnenmarkt – die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, IStR 2004, S. 289 ff., 298 ff. 630 Vgl. 3. Teil; B; II; 3; a. 631 Siehe dazu Vanistendael, The ECJ at the Crossroads: Balancing Tax Sovereignty against the Imperatives of the Single Market, EC Tax Review 2006, S. 413 ff., 414; anders EFTA-Gerichtshof-Urteil vom 23.11.2004 – Rs. E-1/04 („Fokus Bank“), IStR 2005, 55; vgl. schon Schön, Europäische Kapitalverkehrsfreiheit und nationales Steuerrecht, in: Schön (Hrsg), Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, 1997, S. 743 ff., 761 ff.

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daher nach dem Grundsatz der Gesamtbetrachtung „die Verpflichtung des Sitzstaates und die des Quellenstaates nach den Bestimmungen über die Freizügigkeit (…) als ein Ganzes betrachtet werden oder als Erreichung einer Art von Gleichgewicht.“632 Die Rechtsprechung des EuGH bietet ein uneinheitliches Bild: In der letzten Zeit scheint sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass eine subjektübergreifende Gesamtbetrachtung notwendig ist, um den wahren Gehalt einer Maßnahme zu erfassen.633 Neben den oben genannten Urteilen in den Rechtssachen „Compagnie de Saint-Gobain“ 634 und „CLT-UFA“ 635, in denen für die Feststellung einer Beschränkung auf die Auswirkung einer Regelung auf die Ebene von Mutterhaus und Sekundärniederlassung abgestellt wurde636, gibt es weitere Entscheidungen, in denen die Situation von Muttergesellschaft in dem einen Mitgliedstaat und Tochtergesellschaft in dem anderen Mitgliedstaat zusammen betrachtet wurden. Auf der Ebene der Beschränkung basiert beispielsweise die Entscheidung „Oy AA“ 637 auf einer subjektund jurisdiktionsübergreifenden Gesamtbetrachtung, da die Behandlung eines Konzernbeitrags an die Besteuerung einer anderen Konzerngesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat gekoppelt wird. Auch der Rechtssache „Marks & Spencer“ liegt diese Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Einheit von Mutter- und Tochtergesellschaft zugrunde, wenn der EuGH im Falle sonstiger, endgültiger Nicht-Nutzbarkeit der Verluste einer Tochter-

________________________ 632 Generalanwalt Geelhoed, Schlussantrag vom 23.2.2006 – Rs. C-374/04 („Test Claiments in Class IV of the ACT Group Litigation“), EuGHE 2006, I-11676, Rn. 72. In der Regel wird mit einer personenübergreifenden Gesamtbetrachtung bei einem grenzüberschreitenden Vorgang auch eine jurisdiktionsübergreifende Betrachtung einhergehen. 633 Vgl. zu den relevanten EuGH-Entscheidungen der letzten Jahre auch Schnitger, Die Grenzen der Einwirkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrags auf das Ertragsteuerrecht, 2006, S. 280. 634 EuGH-Urteil vom 21.9.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999, I-6161; siehe dazu im 2. Teil; A; IV. 635 EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831 Vgl. dazu Aarnio, Treatment of permanent establishments and subsidiaries under EC law: towards a uniform concept of secondary establishment in European tax law?, EC Tax Review 2006, S. 18 ff., 23; siehe dazu im 2. Teil; A; V. 636 Vgl. 2. Teil; A; XI. 637 EuGH-Urteil vom 18.7.2007 – Rs. C-231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373, Rn. 37 und insbesondere Generalanwältin Kokott, Schlussantrag vom 12.09.2006 – Rs. C-231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373, Rn. 42 ff.; siehe zu den Details der Entscheidung bereits 2. Teil; A; X.

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gesellschaft diese zum Abzug bei der Muttergesellschaft zulässt.638 Namentlich im Bereich der Dividendenbesteuerung im Zusammenhang mit den Systemen zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung gibt es zahlreiche Entscheidungen, die sowohl auf Beschränkungs639- als auch auf Rechtfertigungsebene im Rahmen der Kohärenz auf einer subjekt- und jurisdiktionsübergreifenden Betrachtung basieren.640 Ausgehend von der Rechtssache „Manninen“ 641 wurde zuletzt beispielsweise in den Entscheidungen „Meilicke“ 642 und „Denkavit“ 643 die Kohärenz einer Regelung im Hinblick auf die Entlastung auf Anteilseignerebene mit der Belastung auf Ebene der Gesellschaft betrachtet: In „Denkavit“ hat der EuGH die Beurteilung einer Quellenbesteuerung von Dividenden von der Möglichkeit der

________________________ 638 EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10857; siehe zuvor insbesondere Generalanwalt Maduro, Schlussantrag vom 07.04.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10845, Rn. 66 ff., vgl. dazu Vanistendael, Cohesion: the phoenix rises from the ashes, EC Tax Review 2005, S. 208 ff., 220 ff. Anders allerdings für die juristische Doppelbesteuerung aktuell EuGH-Urteil vom 14.11.2006 – Rs. C-513/04 („Kerckhaert/Morses“), EuGHE 2006, I-10967, Rn. 20 ff. und Generalanwalt Geelhoed, Schlussantrag vom 06.04.2006 – Rs. C-513/04 („Kerckhaert/Morres“), EuGHE 2006, I-10969, Rn. 34 ff. kritisch dazu zurecht Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 167 ff.; vgl. dazu auch Generalanwalt Geelhoed, Schlussantrag vom 23.2.2006 – Rs. C-374/04 („Test Claiments in Class IV of the ACT Group Litigation“), EuGHE 2006, I-11676, Rn. 65; dazu aber Vanistendael, The ECJ at the Crossroads: Balancing Tax Sovereignty against the Imperatives of the Single Market, EC Tax Review 2006, S. 413 ff., 417 f. 639 Vgl. EuGH-Urteil vom 12.12.2006 – Rs. C-374/04 („Test Claiments in Class IV of the ACT Group Litigation“), EuGHE 2006, I-11673, Rn. 55 ff. 640 Siehe dazu ausführlich und überzeugend Vanistendael, Cohesion: the phoenix rises from the ashes, EC Tax Review 2005, S. 208 ff.; vgl. zur staatenübergreifenden Gesamtschau sehr kritisch Englisch, Europarechtskonforme Dividendenbesteuerung – „Aims and effects“?, RIW 2005, S. 187 ff., 192 f.; Englisch, Shareholder Relief and EC Treaty Law – Supranational „Aims and Effects“?, Intertax 2005, S. 200 ff.; Rainer, Besteuerung von Dividenden, die von Tochtergesellschaften an ihre in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft ausgeschüttet werden – Anmerkung zum EuGH-Urteil vom 14.12.2006 – C-170/05 („Denkavit“), EuGHE 2006, I-11949, 62 ff.; vgl. auch Mitroyanni, „Equal Treatment“ in Source-State Situations: Just Another Angle of the Freedoms or a Step Towards Closer Integration?, The EC Tax Journal (Vol. 9) 2007, S. 37 ff. 641 EuGH-Urteil vom 7.9.2004 – Rs. C-319/02 („Manninen“), EuGHE I-7477 und insbesondere Generalanwältin Kokott, Schlussantrag vom 18.3.2004 – Rs. C-319/02 („Manninen“), EuGHE 2004, I-7480, Rn. 45 ff.; 60 ff. 642 EuGH-Urteil vom 6.3.2007 – Rs. C-292/04 („Meilicke“), EuGHE 2007, 1835. 643 EuGH-Urteil vom 14.12.2006 – Rs. C-170/05 („Denkavit“), EuGHE 2006, I-11949.

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Anrechnung im Ansässigkeitsstaat abhängig gemacht.644 In „Meilicke“ wurde die Kohärenz des deutschen Anrechnungssystems auch als gewahrt betrachtet, wenn die Entlastung durch Anrechnung sich auf die Körperschaftsteuer ausländischer Gesellschaften bezog.645 In der Literatur wird der Gesamtbetrachtung von Mutter- und Tochtergesellschaft insbesondere das „Kompensationsverbot“ entgegengehalten, wie es der Rechtsprechung namentlich in der Entscheidung „Eurowings“ 646 entnommen wird. Danach können inländische Mehrbelastungen nicht mit dem Hinweis auf ausländische Minderbelastungen gerechtfertigt werden.647 Dieser Vergleich verkennt indes einen wesentlichen Unterschied, jedenfalls soweit es um die Gesamtbetrachtung von Mutter- und Tochtergesellschaft geht: Im Rahmen der Entlastungssysteme zur Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung geht es um die Gesamtbetrachtung einer wirtschaftlichen Einheit; in der Entscheidung „Eurowings“ ging es um wirtschaftlich unabhängige Steuerpflichtige. Innerer Grund der Gesamtbetrachtung im Binnenmarkt in Bezug auf Mutter- und Tochtergesellschaft ist aber gerade die einem Einheitsunternehmen gleichende Interessenidentität.648 Vor dem Hintergrund der einleitend ausgeführten Argumente für eine subjekt- und jurisdiktionsübergreifende Gesamtbetrachtung ist diese damit, in Übereinstimmung mit der aktuellen Rechtsprechung des EuGH, im Folgenden zugrunde zu legen. Zusammenfassend kann zur durch die Niederlassungsfreiheit geschützten Mobilität und Organisation von Unternehmen Folgendes festgehalten werden: Die grenzüberschreitende Niederlassung von Unternehmen bedeutet eine veränderte Zuordnung von materiellen und immateriellen Vermögensgegenständen, die Wahl eines Rechtsrahmens als Gerüst für die gesellschaftsvertraglichen Beziehungen der Unternehmensbeteiligten und die Wahl

________________________

644 EuGH-Urteil vom 14.12.2006 – Rs. C-170/05 („Denkavit“), EuGHE 2006, I-11949, Rn. 42 ff., der im konkreten Fall allerdings eine Beschränkung annahm, da die durch DBA und nationale Regelungen im Ansässigkeitsstaat eingeräumte Anrechnungsmöglichkeit die Quellenbesteuerung nicht vollständig beseitigte, sodass es bei einer Diskriminierung des grenzüberschreitenden Vorgangs blieb. 645 EuGH-Urteil vom 6.3.2007 – Rs. C-292/04 („Meilicke“), EuGHE 2007, 1835, Rn. 28 f.; so auch im Grundsatz EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-471/04 („Keller Holding“), EuGHE 2006, I-2107, Rn. 43, wenngleich der EuGH für die konkrete Regelung (Abzugsfähigkeit des Beteiligungsaufwands) den kohärenten Zusammenhang mit der Besteuerung der Tochtergesellschaft verkannte; dazu im 5. Teil; C; IV. 646 EuGH-Urteil vom 26.10.1999 – Rs. C-294/97 („Eurowings“), EuGHE 1999 I-7447, Rn. 43 f. 647 Englisch, Europarechtskonforme Dividendenbesteuerung – „Aims and effects“?, RIW 2005, S. 187 ff., 192. 648 Vgl. Schön, Besteuerung im Binnenmarkt – die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, IStR 2004, S. 289 ff., 298.

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einer betrieblichen Organisation der Ressourcen. Das Kernelement der Niederlassungsfreiheit ist damit das Prinzip der Wahlfreiheit in Bezug auf diese Parameter. Ob die Niederlassungsfreiheit beschränkt wird, ist in einer Gesamtbetrachtung von Niederlassungssubjekt und Niederlassungsobjekt zu ermitteln.

II. Konzept der Wahlfreiheit im Binnenmarkt Die Bedeutung der Rechtsformwahlfreiheit für die Niederlassungsfreiheit lässt sich nur verstehen, wenn man über den Zusammenhang von Mobilität und Organisation von Unternehmen mit der Rechtsformwahlfreiheit hinaus die freie Wahl zwischen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften in das dem Binnenmarkt zugrunde liegende Konzept einer „stufenlosen Integration“649 einordnet: Dabei geht es im Kern darum, dass der Schutz durch die Grundfreiheiten bei grenzüberschreitender Wirtschaftstätigkeit in dem Sinne stufenlos gewährleistet wird, dass im Grundsatz an wirtschaftlich gleichwertige Sachverhalte eine gleiche Rechtsfolge geknüpft wird. Grundlage dieses Konzepts einer stufenlosen Integration ist das dargelegte Verständnis des Europäischen Binnenmarkts als ein Raum, der eine möglichst weitgehende Verschmelzung der nationalen Märkte zum Ziel hat und zur Gewährleistung einer effizienten Ressourcenallokation auf die ökonomische Vernunft der Wirtschaftsteilnehmer vertraut. Um diese unverzerrt zur Geltung zu bringen, gewährleisten die Grundfreiheiten die grenzüberschreitende Wirtschaftstätigkeit stufenlos, damit der Wirtschaftsteilnehmer nicht zu ökonomisch nicht indizierten Handlungen verleitet wird. 1. Grundfreiheiten als Ausschnitte einer Europäischen Wirtschaftsfreiheit An diese Grundlagen anknüpfend ist Ausgangspunkt des Konzepts der Wahlfreiheit die Erkenntnis, dass die Grundfreiheiten ein „Kontinuum“650 an wirtschaftlicher Betätigung jeweils in einem Teilausschnitt erfassen: Ein Wirtschaftsteilnehmer kann am grenzüberschreitenden Produktverkehr (Waren ________________________ 649 Dies greift eine Formulierung von Schön, Freie Wahl zwischen Zweigniederlassung und Tochtergesellschaft – ein Grundsatz des Europäischen Unternehmensrechts, EWS 2000, S. 281 ff. auf, der im Binnenmarkt ein Konzept der „abgestuften Integration“ ausmacht. 650 Grundlegend zu diesem Gedanken Schön, Die Niederlassungsfreiheit von Kapitalgesellschaften im System der Grundfreiheiten, in: Schneider/Hommelhoff/Schmidt/ Timm/Grunewald/Drygala (Hrsg), Festschrift für Marcus Lutter 2000, S. 685 ff., 689 ff.; Schön, The Mobility of Companies in Europe and the Organizational Freedom of Company Founders, European Company and Financial Law Review 2006, S. 122 ff.

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und Dienstleistungen) teilnehmen, ohne dabei längerfristige Präsenz im anderen Mitgliedstaat zu begründen. Eine etwas vertiefte Integration wählt, wer sich als Kapitalgeber an Unternehmen in einem anderen Mitgliedstaat beteiligt. Die Tiefe einer ständigen Präsenz beginnt, wenn auf regelmäßiger Basis ein „ständiger Vertreter“ in einem anderen Mitgliedstaat agiert oder auf andere Weise eine Betriebsstätte begründet wird. Der Übergang von einem bloßen Produktverkehr durch das Angebot von Waren oder Dienstleistungen zur Begründung einer Betriebsstätte ist in tatsächlicher Hinsicht schwer zu ermitteln. Eine nochmals vertiefte Integration nimmt derjenige vor, der eine ständige Präsenz in der Rechtsform des Niederlassungsstaats wählt, also mit einer Tochtergesellschaft verselbstständigt agiert. Eine wiederum intensivere Form der Marktintegration ist erreicht, wenn die Gesellschaft den Schwerpunkt ihrer Wirtschaftstätigkeit, also den Verwaltungssitz, in einen anderen Mitgliedstaat verlegt. Eine vollständige Integration ergibt sich, wenn die Gesellschaft ihre gesamte wirtschaftliche Tätigkeit verlegt. Es zeigt sich also, dass wirtschaftliche Prozesse unterschiedliche Intensitäten von Marktintegration zum Ausdruck bringen und dabei in den Gewährleistungsbereich unterschiedlicher Grundfreiheiten fallen können. Dabei besteht innerhalb dieses Kontinuums kein Bruch, der einen kategorial anderen Schutzumfang durch die Grundfreiheiten zur Folge hat.651 Der Wirtschaftsteilnehmer ist in der Palette seiner Wirtschaftstätigkeiten jeweils durch eine der – konvergenten – Grundfreiheiten geschützt: Die Warenverkehrsfreiheit der Art. 28 ff. EG und die Dienstleistungsfreiheit der Art. 49 ff. EG schützen den Produktverkehr, die Kapitalverkehrsfreiheit der Art. 56 ff. EG schützt die Freiheit des Kapitalverkehrs, die Niederlassungsfreiheit schützt die dauerhafte Präsenz in einem anderen Mitgliedstaat.652 Ausgehend von diesem Verständnis grenzüberschreitender Wirtschaftstätigkeit als einem Kontinuum können einzelne Facetten des Konzepts stufenloser Integration, in denen der EuGH die freie Wahl zwischen unterschiedlichen Integrationsgraden geschützt hat, nachgezeichnet werden mit dem Ziel, die freie Wahl zwischen den Rechtsformen einer Sekundärniederlassung als zentrales Element dieses Konzepts und logische Konsequenz dieser Rechtsprechung aufzuzeigen.

________________________ 651 Schön, The Mobility of Companies in Europe and the Organizational Freedom of Company Founders, European Company and Financial Law Review 2006, S. 122 ff. 652 Vgl. auch Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005, 64.

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2. Konzept der Wahlfreiheit in der Rechtsprechung des EuGH a) Freie Wahl der Grundfreiheit Auf der ersten Ebene wird die freie Wahl zwischen den Grundfreiheiten gewährleistet. Dies zeigt sich in zweifacher Hinsicht: Erster Ausfluss dieses Gedankens einer umfassenden europäischen Wirtschaftsfreiheit ist der Aspekt der freien Wahl zwischen den Grundfreiheiten „je nach Integrationstiefe“: Der EuGH hat mehrfach entschieden, dass ein Wirtschaftsteilnehmer in der Wahl zwischen den Grundfreiheiten in dem Sinne frei ist, dass er seine Tätigkeit in der von ihm gewollten Weise vornehmen kann. Er darf daher nicht auf Voraussetzungen für seine Tätigkeit verwiesen werden, die seine Tätigkeit unter eine andere Grundfreiheit fallen lassen würde. Dies wurde beispielsweise für die Dienstleistungsfreiheit entschieden: Die Erbringung von Dienstleistungen in einem Mitgliedstaat darf nicht von der Einhaltung von Voraussetzungen abhängig gemacht werden, die zur Begründung einer Niederlassung führen würden. Damit würde der Dienstleistungsfreiheit jede praktische Wirksamkeit genommen.653 Dasselbe galt für Versicherungsunternehmen, für deren Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat nicht verlangt werden durfte, dass ihre Aktivität die Form einer Betriebsstätte annimmt.654 Zweiter Ausfluss des Gedankens einer umfassenden europäischen Wirtschaftsfreiheit ist die „Wahl“ zwischen den Grundfreiheiten „je nach Facette eines Wirtschaftsvorgangs“: In einigen Entscheidungen hat der EuGH die Anwendung sowohl der Niederlassungsfreiheit als auch der Kapitalverkehrsfreiheit angenommen, jedoch nur die Beschränkung der sachnäheren Grundfreiheit geprüft.655 Dies verdeutlicht zum einen erneut, dass den Grundfreiheiten vor dem gemeinsamen Fundament des Binnenmarktziels eine konvergente Dogmatik zugrunde liegt.656 Zum anderen kann daraus die Konsequenz gezogen werden, dass die Abgrenzungsschwierigkeiten, in welchen ________________________ 653 EuGH-Urteil vom 25.7.1991 – Rs. C-76/90 („Säger“), EuGHE 1991, I-4239; Rn. 13; EuGH-Urteil vom 4.12.1986 – Rs. 250/84 („Kommission/Deutschland“), EuGHE 1986, 3755; Rn. 52 ff. 654 EuGH-Urteil vom 4.12.1984 – Rs. 250/84 („Kommission/Deutschland“), EuGHE 1986, 3755, Rn. 52 ff. 655 Zuletzt siehe ausdrücklich EuGH-Urteil vom 18.7.2007 – Rs. C-231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373, Rn. 24; EuGH-Urteil vom 13.3.2007 – Rs. C-524/04 („Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation“), EuGHE 2007, 2107, Rn. 34; EuGHUrteil vom 12.9.2006 – Rs. C-196/04 („Cadbury Schweppes“), EuGHE 2006, I-7995, Rn. 33 Vgl. Schönfeld, Betriebsstättenbesteuerung und Gemeinschaftsrecht, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz (Hrsg), Betriebsstättengewinnermittlung, 2006, S. 577 ff., 578. 656 Vgl. 3. Teil; B; I; 2.

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Schutzbereich die Tätigkeit fällt, nicht zulasten des Wirtschaftsteilnehmers gehen darf.657 Die freie „Wahl“ zwischen den Grundfreiheiten wird insoweit geschützt, als dass von mehreren möglichen Facetten eines Wirtschaftsvorgangs eine herausgenommen wird und mit Wirkung für den gesamten Vorgang behandelt wird.658 b) Freie Wahl des Tatbestands der Primärniederlassung Auf der zweiten Ebene wird im Rahmen der Niederlassungsfreiheit ein stufenloser Schutz je nach Rechtsform der Primärniederlassung gewährt. Dies zeigt sich wiederum in verschiedenen Aspekten: Zunächst wird schon der persönliche Anwendungsbereich der primären Niederlassungsfreiheit für Unternehmen in Art. 48 EG weit interpretiert: Zwar setzt Art. 48 Abs. 1 EG die Gründung nach den Vorschriften eines Mitgliedstaates voraus. Der Numerus clausus der mitgliedstaatlichen Rechtsformen bleibt damit geschützt. Der gemeinschaftsrechtliche Gesellschaftsbegriff des Art. 48 Abs. 2 EG wird aber so weit interpretiert, dass auch nicht rechtsfähige Personengesellschaften umfasst sind.659 Die gesamte Bandbreite der denkbaren Personenmehrheiten soll in den Genuss der Niederlassungsfreiheit gelangen.660 Der innere Grund für diese weite Interpretation ist, dass, soweit es um die Gründung der Primärniederlassung geht, Niederlassungssubjekt nicht die zu gründende Gesellschaft, sondern die dahinter stehenden Gesellschafter sind.661 Mit anderen Worten: Der Wirtschaftsteilnehmer soll nicht zu einer bestimmten Form seiner Organisation gezwungen werden, um in den Genuss der Niederlassungsfreiheit zu gelangen. Die freie Wahl der für ihn zweckmäßigsten Ordnung ist gewährleistet. Die freie Wahl des Tatbestands der Primärniederlassung beinhaltet auch die Freiheit zum Wechsel der Rechtsform: Im Anschluss an die Entscheidung des EuGH in „Sevic“ 662 ist auch die grenzüberschreitende, identitätswah________________________ 657 EuGH-Urteil vom 12.12.2006 – Rs. C-374/04 („Test Claiments in Class IV of the ACT Group Litigation“), 2006, I-11673, Rn. 37 ff.; 40. 658 Vgl. Schön, Europäische Kapitalverkehrsfreiheit und nationales Steuerrecht, in: Schön (Hrsg), Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, 1997, S. 743 ff., 754. 659 Müller-Huschke in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 48 EGV, Rn. 3. 660 Kirchhof, Der Karlsruher Entwurf und seine Fortentwicklung zu einer vereinheitlichten Ertragsteuer, StuW 2002, S. 3 ff., 12. 661 Vgl. dazu ausführlich Schön, Niederlassungsfreiheit als Gründungsfreiheit, in: Hommelhoff/Rawert/Schmidt (Hrsg), Festschrift für Hans-Joachim Priester zum 70. Geburtstag, 2007, S. 737 ff. 662 EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-411/03 („Sevic“), EuGHE 2005, I-10805.

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rende Umwandlung nach Art. 43 Abs. 1 EG möglich.663 Dagegen wird eingewendet, es fehle an der erforderlichen Diskriminierung eines ausländischen Unternehmens, sodass ein reiner Inlandssachverhalt vorläge.664 In Wahrheit liegt aber ein grenzüberschreitender Sachverhalt vor, da es ja um die identitätswahrende Änderung der Rechtsform einer inländischen Gesellschaft in eine ausländische Rechtsform geht. Es liegt, wie in „Sevic“ in Bezug auf eine grenzüberschreitende Verschmelzung, eine Beschränkung der aus der Niederlassungsfreiheit folgenden Mobilitäts- und Organisationsfreiheit vor, wenn die grenzüberschreitende Umwandlung nicht möglich ist: In Sevic“ ging es (auch) um die Niederlassungsfreiheit der Gesellschafter im Herkunftsstaat, deren Organisationsfreiheit durch eine Hinausverschmelzung geschützt wurde.665 Die gleiche Argumentation gilt im Fall eines grenzüberschreitenden Formwechsels: Die Organisationsfreiheit der Gesellschafter beinhaltet das Recht, den rechtlichen Rahmen und die Organisation ihrer Gesellschaft nach der betriebswirtschaftlich gebotenen Wahl und nach Maßgabe der Möglichkeiten, die im Binnenmarkt dafür zur Verfügung stehen, zu gestalten. c) Freie Wahl zwischen Primär- und Sekundärniederlassung Ein dritter Aspekt des Konzepts der Wahlfreiheit ist die freie Wahl zwischen Primär- und Sekundärniederlassung: In der Rechtssache „Centros“ formuliert der EuGH, dass es Ausdruck der Niederlassungsfreiheit ist, wenn Wirtschaftsteilnehmer eine Gesellschaft nur deshalb in einem anderen Mitgliedstaat gründen, um in den Genuss der Rechtsordnung zu gelangen, selbst wenn die gesamte wirtschaftliche Betätigung dann durch Zweigniederlassungen in anderen Mitgliedstaaten vorgenommen wird.666 Es kommt also nicht darauf an, ob am Satzungssitz der Schwerpunkt oder überhaupt ein wesentlicher Teil der Geschäftstätigkeit

________________________ 663 Geyrhalter, Transnationale Verschmelzung im Spannungsfeld zwischen SEVIC Systems und der Verschmelzungsrichtlinie, DStR 2006, S. 146 ff., 150; a. A. Krause/ Kulpa, Grenzüberschreitende Verschmelzungen, ZHR 171 (2007), S. 38 ff., 47; zwischen Hinaus- und Hereinverschmelzung differenzierend Spahlinger/Wegen, Deutsche Gesellschaften in grenzüberschreitenden Umwandlungen nach „SEVIC“ und der Verschmelzungsrichtlinie in der Praxis, NZG 2006, S. 721 ff., 727. 664 Krause/Kulpa, Grenzüberschreitende Verschmelzungen, ZHR 171 (2007), S. 38 ff., 47. 665 Vgl. dazu 2. Teil; A; IX und Generalanwalt Tizzano, Schlussantrag vom 7.7.2005 – Rs. C-411/03 („Sevic“), EuGHE 2005, I-10815, Rn. 50. 666 EuGH-Urteil vom 9.3.1999 – Rs. C-212/97 („Centros“), EuGHE 1999, I-1459, Rn. 26 ff.

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stattfindet.667 Daraus folgen zwei Facetten des Konzepts der Wahlfreiheit, die zusammengehören: Die freie Wahl des Satzungssitzes und die freie Wahl zwischen Primär- und Sekundärniederlassung. Aus der freien Wahl des Satzungssitzes folgt die freie Wahl des für die Organisation des Unternehmens maßgeblichen Rechts.668 Konsequenz dieser freien Wahl des Satzungssitzes ohne Anforderungen an korrespondierende wirtschaftliche Betätigungen ist, dass die Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer Niederlassung nur formeller Natur, aber für den Gewährleistungsgehalt des Art. 43 EG nicht relevant ist.669 Hintergrund dieser Entscheidung ist der Schutz der freien Allokation der Ressourcen durch die Wirtschaftsteilnehmer: Es sollen keine wirtschaftlich ungewollten Entscheidungen zur Voraussetzung für die Wahl der Primärniederlassung gemacht werden, wie z. B. die Ansiedlung der wesentlichen Managementfunktionen.670 d) Freie Wahl von Zahl und Ort der Sekundärniederlassungen Ein ähnlicher Gedanke der Wahlfreiheit kommt in mehreren Entscheidungen des EuGH zum Ausdruck, in denen er das Recht des Wirtschaftsteilnehmers auf mehr als eine Niederlassung bejaht hat.671 Regelungen, die nur eine Niederlassung im Binnenmarkt akzeptierten, wurden als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gewertet. Dahinter steht der Gedanke, dass es der Wahl des Wirtschaftsteilnehmers überlassen bleiben muss, wie er seine Tätig________________________

667 Der EuGH bestätigte in weiteren Entscheidungen, dass die Gesellschafter in der Wahl von Satzungssitz und Wahl des Ortes des Tätigkeitsschwerpunkts frei sind. In „Überseering“ entschied er, dass die Verlagerung von Geschäftsleitung und Kontrolle von den Niederlanden nach Deutschland nicht dazu führen darf, der ausländischen Gesellschaft die Anerkennung als ausländische Gesellschaft zu versagen. Solange der Satzungssitz im Ausland verbleibt, ist die Gesellschaft nach ausländischem Recht zu beurteilen. Der Wirtschaftsteilnehmer ist insoweit in der Wahl seines Geschäftsleitungsortes frei, er ist nicht gezwungen, auch seinen Satzungssitz an den Ort der Geschäftsleitung zu legen, vgl. EuGH-Urteil vom 5.11.2002 – Rs. C-208/00 („Überseering“), EuGHE 2002, I-9919, Rn. 83 ff. 668 Zur Verlegung des Satzungssitzes vgl. ausführlich Schön, The Mobility of Companies in Europe and the Organizational Freedom of Company Founders, European Company and Financial Law Review 2006, S. 122 ff. 669 Schön, Die Niederlassungsfreiheit von Kapitalgesellschaften im System der Grundfreiheiten, in: Schneider/Hommelhoff/Schmidt/Timm/Grunewald/Drygala (Hrsg), Festschrift für Marcus Lutter 2000, S. 685 ff., 697; Bröhmer in: Callies/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV Kommentar, EGV Art. 48, Rn. 10. 670 Vgl. auch Schön, EU-Auslandsgesellschaften im deutschen Handelsbilanzrecht, in: Lorenz/Trunk/Eidenmüller/Wendehorst/Adolff (Hrsg), Festschrift für Andreas Heldrich, 2005, S. 391 ff., 393 ff. 671 EuGH-Urteil vom 12.7.1984 – Rs. 107/83 („Klopp“), EuGHE 1984, 2971; siehe 3. Teil; B; II; 3; b; bb; (1).

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keit im Binnenmarkt organisiert. Die Niederlassungsfreiheit gibt ihm nicht nur das Recht, Zugang zum anderen Mitgliedstaat zu erlangen und dort diskriminierungsfrei behandelt zu werden, sondern räumt ihm auch die Freiheit ein, dies mit einer einzigen oder einer von mehreren Niederlassungen zu tun: Er hat also die freie Wahl der aus seiner Sicht ökonomisch sinnvollsten Organisation. Diese Freiheit zur Organisation durch Gründung von Sekundärniederlassungen bestätigt die Rechtssache „Cadbury Schweppes“ 672: In dieser entschied der EuGH, dass Regelungen, die die Wahl zwischen zwei Niederlassungsorten, die sich jeweils in einem anderen Mitgliedstaat befanden, nicht verzerren dürfen. Diese Entscheidung wurde in der Rechtssache „Columbus Container“ durch den Generalanwalt bestätigt.673 e) Freie Wahl des Tatbestands der Sekundärniederlassung Neben der freien Wahl des Tatbestands der Primärniederlassung hat der EuGH auch die freie Wahl des Tatbestands der Sekundärniederlassung geschützt: Der Schutz der Niederlassungsfreiheit ist nicht an die in Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG genannten Tatbestände gebunden, sondern es genügen auch andere Formen einer ständigen Präsenz, um in den Schutzbereich der Sekundärniederlassungsfreiheit zu fallen.674 So hat der EuGH entschieden, dass der Begriff der „Agentur“ in Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG weit ist und nahezu alle Formen ständiger Präsenz in einem anderen Mitgliedstaat umfasst.675 Wiederum steht der Gedanke dahinter, dass das Ausmaß der Integration zum Zwecke effizienter Ressourcenallokation dem Wirtschaftsteilnehmer überlassen bleiben und nicht durch künstliche Trennlinien beeinflusst werden soll.676 3. Freie Wahl der Rechtsform der Sekundärniederlassung als Konsequenz eines umfassenden Konzepts der Wahlfreiheit in der Rechtsprechung des EuGH Den dargestellten Aspekten des Konzepts der Wahlfreiheit in der Rechtsprechung des EuGH ist gemeinsam, dass jeweils die Mobilität und Organisation ________________________ 672 Siehe dazu bereits ausführlich im 3. Teil; B; III; 3; b; aa. 673 Generalanwalt Mengozzi, Schlussantrag vom 29.3.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451, a. A. allerdings EuGH-Urteil vom 6.12.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451, Rn. 51 siehe dazu bereits ausführlich im 2. Teil; A; XI und 3. Teil; B; III; 3; b; bb. 674 EuGH-Urteil vom 4.12.1984 – Rs. 250/84 („Kommission/Deutschland“), EuGHE 1986, 3755, Rn. 21. 675 Vgl. dazu ausführlich mit zahlreichen Beispielen Tiedje/Troberg, in: Von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum EU/EG-Vertrag, 2003, 43, Rn. 36. 676 Vgl. Schönfeld, Betriebsstättenbesteuerung und Gemeinschaftsrecht, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz (Hrsg), Betriebsstättengewinnermittlung, 2006, S. 577 ff.

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der Wirtschaftsteilnehmer im grenzüberschreitenden Kontext von der Niederlassungsfreiheit geschützt werden: Der EuGH schützt die freie Wahl der Grundfreiheit, damit der Wirtschaftsteilnehmer nicht in Betätigungsformen gedrängt wird, die seinen ökonomischen Bedürfnissen widersprechen. Er schützt die freie Wahl der in den Schutzbereich von Art. 43 EG fallenden Tatbestände der Primärniederlassung und den Formwechsel zwischen diesen Tatbeständen. Er schützt ferner die freie Wahl von Zahl und Ort der Sekundärniederlassungen, damit die Wirtschaftsteilnehmer die Organisation ihrer Betätigung nach Maßgabe ihrer individuellen ökonomischen Vernunft gestalten können. Und er schützt nicht zuletzt die Wahl des Tatbestands der Sekundärniederlassung, indem, wie bei der Primärniederlassung, der Schutzbereich der Sekundärniederlassungsfreiheit allen Formen ständiger Präsenz in einem anderen Mitgliedstaat offensteht. Die Grundfreiheiten werden folglich in einer Weise durch den EuGH interpretiert, dass die Gewährleistung möglichst unabhängig von der konkreten Gestalt ökonomisch gleichwertiger Sachverhalte ist. Das Konzept der Wahlfreiheit in der Rechtsprechung des EuGH ermöglicht den Wirtschaftsteilnehmern so, die Organisation der wirtschaftlichen Betätigung nach der individuellen ökonomischen Vernunft zu gestalten. Der Schutz durch die Grundfreiheiten gibt dem einfachen Gesetzgeber jeweils vor, dass Verzerrungen der Organisationsentscheidungen der Wirtschaftsteilnehmer unzulässig sind, wenn nicht besondere Gründe diese rechtfertigen. Die freie Wahl der Rechtsform der Sekundärniederlassung oder genauer die freie Wahl zwischen den Rechtsformen einer Sekundärniederlassung setzt das erläuterte Konzept einer Wahlfreiheit des EuGH konsequent fort; die Rechtsformwahlfreiheit folgt aus der Zuspitzung dieses Konzepts der Wahlfreiheit: So, wie die Entscheidung für eine Organisationsform auf Ebene der Primärniederlassung nicht nur durch eine Öffnung des Tatbestands, sondern auch beim Wechsel zwischen Rechtsformen geschützt wird, so, wie die freie Wahl der Organisation zwischen Primär- und Sekundärniederlassung geschützt wird und so, wie auf Ebene der Sekundärniederlassung die Organisationsform nicht nur durch eine Öffnung des Tatbestands, sondern auch durch die Freiheit von Zahl und Ort der Sekundärniederlassungen geschützt wird, so muss im Grundsatz die freie Wahl zwischen den Rechtsformen der Sekundärniederlassung geschützt werden. Qualitativ besteht kein Unterschied in der Wahl zwischen den Rechtsformen einer Sekundärniederlassung zum Schutz der anderen Aspekte des Konzepts der Wahlfreiheit. Es erscheint daher nur konsequent, wenn auch die freie Wahl der Rechtsform der Sekundärniederlassung als Ausdruck dieses Konzepts der Wahlfreiheit geschützt wird.

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Begründung und Reichweite der Rechtsformwahlfreiheit

Dies hat der EuGH auch über die dargestellten Entscheidungen im Steuerrecht677 hinaus im Gesellschaftsrecht ausdrücklich entschieden. Etwa in der Rechtssache „Centros“ wird ausdrücklich die freie Wahl der Rechtsform der Sekundärniederlassung geschützt, wie Generalanwalt La Pergola formuliert: „Die Freiheit, die für eine Geschäftstätigkeit in einem Mitgliedstaat geeignetste Rechtsform zu wählen, ist nun aber den Wirtschaftsteilnehmern in Art. 52 Abs. 1 Satz 2 des Vertrages ausdrücklich garantiert und kann daher nicht wie im vorliegenden Fall durch diskriminierende Vorschriften eingeschränkt werden.“678 Im Ergebnis ist damit der Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit Ausdruck und Konsequenz eines umfassenden Konzepts der Wahlfreiheit im Binnenmarkt, wie es der EuGH in mannigfaltigen Facetten herausgearbeitet hat. Dieses Konzept der Wahlfreiheit ist nach Auffassung des EuGH zentraler Inhalt des Gewährleistungsgehalts der Grundfreiheiten. Dogmatischer Hintergrund ist die teleologische Auslegung der Grundfreiheiten in Ausrichtung auf die Verwirklichung des Binnenmarkts.679 Zwar stellt sich die Einordnung der Rechtsformwahlfreiheit in ein Konzept der Wahlfreiheit in der Rechtsprechung des EuGH als folgerichtig dar, aber dies ist noch keine dogmatische Begründung dafür, dass eine zwischen den Sekundärniederlassungsformen differenzierende Besteuerung eine Beschränkung der Sekundärniederlassungsfreiheit darstellt. Um dies zu begründen, muss vielmehr vor dem Hintergrund der Erkenntnisse zum Beschränkungsverbot der Grundfreiheiten die Bedeutung der Rechtsformwahl für den Marktzugang untersucht werden, da der Marktzugang als zentrales Kriterium des Beschränkungstatbestandes identifiziert wurde.680

III. Bedeutung der Rechtsformwahl für den Marktzugang Aufbauend auf den Erkenntnissen zu der durch die Niederlassungsfreiheit geschützten Mobilität und Organisation von Unternehmen kann im Folgenden näher betrachtet werden, welche Bedeutung die Wahl zwischen den Sekundärniederlassungsformen für den Marktzugang hat. Bislang ist die Frage noch nicht beantwortet, warum eine steuerrechtliche Gleichbehand________________________ 677 Vgl. 2. Teil; A. 678 Generalanwalt La Pergola, Schlussantrag vom 16.7.1998 – Rs. C-212/97 („Centros“), EuGHE 1999, I-1461 ff., Rn. 16 f. (das Zitat bezieht sich auf Art. 42 Abs. 1 Satz 2 EG); siehe dazu auch 4. Teil; B; II; 2; c. 679 Vgl. ausführlich zum Binnenmarktkonzept als Auslegungsmaxime der Grundfreiheiten und zum Gedanken der Wahlfreiheit in diesem Konzept 3. Teil; A; III; 3 und zu den Auswirkungen auf die Existenz und den Tatbestand eines echten Beschränkungsverbots 3. Teil; B; IV. 680 Ausführlich zum Tatbestand des Beschränkungsverbots siehe 3. Teil; B; IV; 3.

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lung, d. h. eine freie Wahl der zivilrechtlichen Rechtsform nach Maßgabe der Niederlassungsfreiheit, rechtlich geboten ist. Auf Basis der bisherigen Erkenntnisse ließe sich noch immer vertreten, der Gewährleistungsgehalt der Niederlassungsfreiheit beschränke sich darauf, dass alle Formen der Sekundärniederlassung (ohne Diskriminierung zum Inlandssachverhalt) überhaupt zugänglich sein müssen, und eine unterschiedliche Besteuerung aber Folge der Wahl zwischen unterschiedlichen Rechtsformen sein kann.681 Solange die Wahl aller in Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG genannten Rechtsformen offenstünde und der Wechsel zwischen diesen nachteilsfrei möglich wäre, ließe sich immer noch von einer freien Wahl der Rechtsform sprechen, auch wenn die sekundären Rechtsformen unterschiedliche Steuerfolgen mit sich brächten. Daher ist im Folgenden zu begründen, warum eine zwischen den Rechtsformen differenzierende Besteuerung im Grundsatz eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt. Dafür ist zunächst auf die Ergebnisse zum Beschränkungsverbot der Niederlassungsfreiheit zurückzukommen und dieses zum Maßstab einer steuerrechtlichen Ungleichbehandlung der Rechtsformen zu machen: Danach gilt, dass eine differenzierende Besteuerung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften unter das Beschränkungsverbot der Niederlassungsfreiheit fällt, soweit eine von steuerlichen Erwägungen unbeeinflusste Wahl der zivilrechtlichen Rechtsformen für den Marktzugang erheblich ist. Marktzugangshindernisse können sich aus Regelungen ergeben, die das „Ob“ oder „Wie“ der Entscheidung, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu integrieren, negativ beeinflussen. Sie können insbesondere daraus resultieren, dass die Wahl zwischen zwei grenzüberschreitenden Optionen verzerrt wird. Dies ist namentlich der Fall, wenn der Ort, die Form, der Zeitpunkt oder Ähnliches durch die fragliche Regelung unmittelbar beeinflusst werden. In der Sache ist entscheidend, ob die Entscheidung über den Marktzugang unmittelbar verzerrt und damit die Allokationsentscheidung des Wirtschaftsteilnehmers beeinflusst wird. In Abgrenzung dazu liegen nicht grundfreiheitsrelevante Ausübungsmodalitäten vor, wenn die Wirkung einer Regelung auf die Teilnahme auf dem Markt, also nach erfolgtem Marktzugang, begrenzt ist und folglich auf die mit dem Marktzugang verbundene Allokations- und Organisationsentscheidung keinen Einfluss hat.682 Um die Bedeutung der Rechtsformwahlfreiheit für den Marktzugang herauszuarbeiten, sind die wesentlichen Unterscheidungskriterien zu betrachten, die betriebswirtschaftlich zu einer bestimmten Rechtsform führen. Abzugrenzen ist von diesen Entscheidungskriterien die Steuerbelastung, ________________________ 681 So Generalanwalt Mancini, Schlussantrag vom 16.10.1985 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 275, Rn. 28. 682 Zum Tatbestand der Beschränkung siehe ausführlich 3. Teil; B; IV; 3.

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wenngleich diese (mangels rechtsformneutraler Ausgestaltung des Steuerrechts) faktisch wesentlich die Wahl zwischen den Rechtsformen beeinflusst. Dabei wird sich zeigen, dass die Wahl zwischen den Rechtsformen zentral ist für den Marktzugang, sodass in der Beeinflussung durch eine differenzierende Besteuerung grundsätzlich eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit liegt. 1. Zivilrechtliche und organisationsrechtliche Unterschiede zwischen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften Die durch die Niederlassungsfreiheit im Kern geschützte Freiheit des Unternehmers, die Zuordnung der Vermögensgegenstände, die vertragliche und gesetzliche Verfasstheit und die Organisation des Unternehmens privatautonom vorzunehmen, findet in der Wahl der Rechtsform einer Sekundärniederlassung eine besondere Konkretisierung. Daher ist der Marktzugang durch Begründung einer Sekundärniederlassung, also die Ausübung der sekundären Niederlassungsfreiheit, wesentlich durch die Wahl der Rechtsform bestimmt, denn die unterschiedlichen Rechtsformen haben jeweils Merkmale, die für den Marktzugang, je nach den betriebswirtschaftlichen Zielen des Wirtschaftsteilnehmers, mehr oder weniger passend sind.683 Die Wahl der Rechtsform der Sekundärniederlassung ist erstens Ausdruck der Allokation der materiellen und immateriellen Vermögensgegenstände: Hinsichtlich des Gründungsaufwands spricht für die Errichtung einer Zweigniederlassung, dass dies in der Regel mit geringerem organisatorischen und finanziellen Aufwand möglich ist als die Errichtung einer Tochtergesellschaft.684 Für eine Tochtergesellschaft sind die gesellschaftsrechtlichen Grün________________________ 683 Siehe zur Übersicht von Vor- und Nachteilen unterschiedlicher Formen der Marktintegration schon Meyer-Marsilius, Das Niederlassungsrecht in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1960, S. 37 ff.; 41 ff.; vgl. dazu auch Fischer/Kleineidam/ Warneke, Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 2005, S. 582; Kußmaul, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 2006, S. 416 f.; Prinz, Besteuerungsfragen inländischer Vertriebsmodelle bei international tätigen Unternehmen, FR 1996, S. 479 ff.; Astolfi, Tax issues in the Establishment of Business in Italy by a Foreign Corporation, Tax Planning International 2006, S. 3 ff., siehe zu den Entscheidungsparametern bei Rose, Bemerkungen zur Forderung nach Rechtsformneutralität der Besteuerung, in: Hebig/Kaiser/Koschinder/Oblau (Hrsg), Aktuelle Entwicklungsaspekte der Unternehmensbesteuerung, 2006, S. 49 ff. 684 Der Gründungsvorgang ist bei einer Tochtergesellschaft erheblich einfacher: Die bei Gründung einer Kapitalgesellschaft vorgesehene Vorgründungs- und Vorgesellschaft ist nicht notwendig; eine Mindestkapitalausstattung ist bei Betriebsstätten nicht erforderlich; vgl. Djanani/Brähler, Internationales Steuerrecht, 2004, 191; vgl. auch Schoss, Betriebsstätte oder Tochtergesellschaft im Ausland, in: Grotherr (Hrsg), Handbuch der internationalen Steuerplanung, 2003, S. 49 ff., 50 f.; Frotscher, Internationales Steuerrecht, 2005, S. 130.

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dungsvoraussetzungen wie aufsichtsrechtliche Genehmigungen und der Abschluss eines Gesellschaftsvertrags zu wahren. Eine Zweigniederlassung liegt auch schon bei bloßer Eintragung ins Handelsregister vor. Daneben werden auch andere feste und dauerhafte Formen der bloßen Präsenz, die nicht Zweigniederlassungen im handelsrechtlichen Sinne sind, als Betriebsstätte betrachtet.685 Bei der Tochtergesellschaft ist in der Regel die Aufbringung von Mindestkapital erforderlich. Sofern Lizenzen benötigt werden, kann dies, wie im Bankensektor häufig, für eine Betriebsstätte sprechen, die in der Regel keine eigene Lizenz benötigt. Die Wahl der Rechtsform der Sekundärniederlassung ist zweitens Ausdruck der vertraglichen und rechtlichen Verfasstheit des Unternehmens:686 Unterschiede bestehen z. B. hinsichtlich der mit der Rechtsform verbundenen Marktpräsenz: Eine Tochtergesellschaft kann im Markt als inländische Gesellschaft auftreten. Dies hat zum einen rechtliche Konsequenzen, da der Rechtsrahmen den Regelungen des Sitzstaates folgt. Dies kann aus Sicht der Beschäftigten von Vorteil sein, wenn sie aus diesem Staat kommen und vertraut sind mit diesen rechtlichen Rahmenbedingungen. Gerade leitende Angestellte lassen sich leichter für Gesellschaften in einer bekannten Rechtsform des Aufnahmestaates finden.687 Bei einer Zweigniederlassung hingegen sieht man sich eher einer nach fremdem Recht möglichen Einflussnahme aus dem ausländischen Stammhaus ausgesetzt. Für den Wirtschaftsteilnehmer selbst kann es wiederum von Vorteil sein, wenn eine Zweigniederlassung nach den ihm bekannten Regelungen des Heimatlandes organisiert ist. Zum anderen hat die Auswirkung der Rechtsform für die Marktpräsenz psychologische Konsequenzen: Für den Außenauftritt kann eine Zweigniederlassung den Vor- oder auch Nachteil der gleichen Firma wie das ausländische Stammhaus bieten. Dies ist allerdings ähnlich auch bei der Firmierung der Tochtergesellschaft möglich, die aber auch einen marktadäquaten anderen Namen haben kann. Dennoch wird die Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens tendenziell eher als ausländisches Unternehmen wahrgenommen als eine selbstständige Tochtergesellschaft des gleichen Mutterunternehmens, was für sensible Märkte von hoher Bedeutung sein kann. Zentral für die Wahl der Rechtsform ist für den Wirtschaftsteilnehmer insbesondere auch die damit verbundene Rechtswahl: Faktisch ist mit der Wahl zwischen Betriebsstätte und Tochtergesellschaft die Wahl der rechtlichen Verfasstheit ________________________ 685 Vgl. 1. Teil; C; II; 1 und 4. Teil; B; II; 2; e. 686 Vgl. zum Überblick auch Rose/Glorius-Rose, Unternehmen: Rechtsformen und Verbindungen; ein Überblick aus betriebswirtschaftlicher, rechtlicher und steuerlicher Sicht, 2001, S. 13 ff. 687 Meyer-Marsilius, Das Niederlassungsrecht in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1960, S. 41.

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des Engagements verbunden.688 Mit der Tochtergesellschaft wählt der Wirtschaftsteilnehmer die Rechtsordnung des Niederlassungsstaates als rechtlichen Rahmen seiner Tätigkeit. Mit der Entscheidung für eine Betriebsstätte ist verbunden, dass die innere Verfasstheit des Unternehmens sich nach den Regeln des Heimatstaates richtet, was der EuGH ausdrücklich als Ausdruck der Niederlassungsfreiheit bezeichnet hat.689 Die freie Wahl der Rechtsform der Sekundärniederlassung ist drittens Ausdruck einer bestimmten Organisation der unternehmerischen Ressourcen: Im Hinblick auf die Binnenorganisation bietet die Tochtergesellschaft mit der Bestellung eines Geschäftsführers die Möglichkeit zu mehr Unabhängigkeit von der Muttergesellschaft. Selbst wenn durch vertragliche Gestaltung die Weisungsbefugnis in beiden Varianten gleich ausgestaltet werden kann, bleibt jedenfalls die Marktwahrnehmung als psychologisches Moment unterschiedlich.690 Ein sehr bedeutender Unterschied der beiden Rechtsformen liegt ferner in der unterschiedlichen Ausgestaltung der Haftung: Vorbehaltlich abweichender vertraglicher Vereinbarung haftet das Stammhaus voll für die Verbindlichkeiten einer Zweigniederlassung. Die Haftung für die Verbindlichkeiten einer Tochtergesellschaft ist hingegen grundsätzlich auf das Vermögen der Tochtergesellschaft begrenzt. Dabei kann die unterschiedliche Ausgestaltung der Haftung insbesondere Einfluss auf die Kreditwürdigkeit haben.691 Auch für Fragen der Mitbestimmung ist die Wahl der Rechtsform von Bedeutung: Inländische Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen unterfallen in der Regel der deutschen Mitbestimmung, Betriebsstätten hingegen in der Regel nicht.692 Die organisatorische Ordnung wird also durch die freie Wahl zwischen Betriebsstätte und Tochtergesellschaft insofern beeinflusst, als mit der Wahl der Tochtergesellschaft ein höheres Maß an Selbstständigkeit gewährleistet wird. Dies gilt insbesondere ________________________ 688 Zum Begriff der „Rechtswahlbefugnis“ vgl. Rehm, Völker- und europarechtliche Vorgaben für die Bestimmung des Gesellschaftsstatuts, in: Eidenmüller (Hrsg), Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2005, S. 12 ff., 33 ff. (Rn. 56 ff.); Eidenmüller/Rehm, Niederlassungsfreiheit versus Schutz des inländischen Rechtsverkehrs: Konturen des Europäischen Internationalen Gesellschaftsrechts, ZGR 2004, S. 159 ff., 168 f.; 175 ff. 689 Vgl. 4. Teil; B; II; 2; c; EuGH-Urteil vom 9.3.1999 – Rs. C-212/97 („Centros“), EuGHE 1999, I-1459, Rn. 26 ff. 690 Meyer-Marsilius, Das Niederlassungsrecht in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1960, S. 41. 691 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 862; Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, 2002, S. 81 f. 692 Zu den Einzelheiten vgl. instrukiv Rehberg, Arbeits- und Sozialrecht, in: Eidenmüller (Hrsg.), Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2005, S. 173 ff., 209 ff.; 213 ff. Für den Wegzugsfall sind beide Niederlassungsformen nicht mitbestimmungspflichtig.

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für die Entscheidungsstrukturen, aber auch für das Rechnungswesen.693 Von hoher Bedeutung für die Wahl der Rechtsform sind Unterschiede bei Prüfungs- und Publizitätspflichten, die für Tochtergesellschaften immer, für Betriebsstätten in der Regel nicht gelten.694 Diese sind wie die Mitbestimmung auch deshalb von herausgehobener Bedeutung für die Rechtsformwahl, weil sie nicht dispositiv, also durch vertragliche Vereinbarungen abänderbar sind.695 Im Ergebnis ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht die Entscheidung zwischen Betriebsstätte und Tochtergesellschaft von einer Fülle von Kriterien abhängig, die der Wirtschaftsteilnehmer im konkreten Fall berücksichtigt, und damit Ausfluss der individuellen ökonomischen Vernunft. In der Regel ist mit der Wahl einer Tochtergesellschaft eine wesentlich intensivere Integration in den Markt eines anderen Mitgliedstaates verbunden, da diese organisatorisch unabhängig agiert, eine selbstständige Marktpräsenz hat und nach der Rechtsordnung des Niederlassungsstaates verfasst ist. Eine Betriebsstätte steht hingegen zwischen der juristisch selbstständigen Tochtergesellschaft und einer grenzüberschreitenden Marktintegration ohne feste Präsenz. Eine freie, d. h. unverzerrte Wahl zwischen den Rechtsformen der Sekundärniederlassung garantiert damit in einem Höchstmaß, dass der Wirtschaftsteilnehmer die räumliche Zuordnung seiner Vermögensgegenstände, die vertragliche und rechtliche Verfasstheit seines Unternehmens und die organisatorische Ordnung seiner Tätigkeit gezielt nach den ökonomischen Anforderungen seiner Zielsetzungen vornehmen kann. Die Wahl der Rechtsform ist damit wesentlicher Bestandteil der Marktzugangsentscheidung durch die Begründung von Sekundärniederlassungen, da sie die Mobilität und Organisation von Unternehmen wesentlich beeinflusst. 2. Abgrenzung zu steuerrechtlichen Konsequenzen der Rechtsformwahl Dass die Besteuerung faktisch ein wesentlicher Faktor für die Rechtsformwahl ist, wurde bereits im Rahmen der Diskussion um die betriebswirtschaftliche Bedeutung der Rechtsformwahlfreiheit erläutert. Es wurde festgestellt, dass die betriebswirtschaftliche Steuerlehre eine rechtsformneutrale Besteuerung fordert, damit die ökonomische Vernunft des Wirtschaftsteil________________________ 693 Rose/Glorius-Rose, Unternehmen: Rechtsformen und Verbindungen; ein Überblick aus betriebswirtschaftlicher, rechtlicher und steuerlicher Sicht, 2001, S. 13 ff. 694 Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, 2002, S. 83 f. 695 Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, 2002, S. 89.

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nehmers und damit eine effiziente Ressourcenallokation gewährleistet werden.696 Allerdings könnte man auf den ersten Blick dieser ökonomischen Betrachtung die Frage entgegenhalten, was es rechtfertigt, Unterschiede auf der zivilrechtlichen Ebene nicht nur zuzulassen, sondern gerade als Wahloptionen zu schützen, aber damit verbundene, ebenfalls unterschiedliche, steuerrechtliche Folgen (zum Teil) nur bei Vorliegen eines „Rechtfertigungsgrundes“697 zu akzeptieren. Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, unterschiedliche Steuerfolgen seien ebenso Folge der Wahlentscheidung wie die verschiedenen zivilrechtlichen Facetten der Rechtsform. Die Freiheit zu wirtschaftlicher Vernunft, um deren Schutz es den Grundfreiheiten wesentlich geht, bedürfe keiner rechtsformneutralen Besteuerung, weil die wirtschaftliche Vernunft sich auf das Ergebnis nach Steuern bezöge.698 Zur Gewährleistung der freien Wahl der Rechtsform reiche es aus, dass die zivilrechtlichen Gesellschaftsformen überhaupt zur Auswahl stünden.699 Die an die Wahl anknüpfenden steuerlichen Folgen seien mit dieser Wahl genauso verbunden wie andere zivil-, gesellschafts- oder mitbestimmungsrechtliche Konsequenzen. Eine unterschiedliche Besteuerung stehe einer freien Rechtsformwahl daher nur entgegen, wenn der Wechsel zu einer anderen Rechtsform durch Umwandlung steuerlich wegen einer Aufdeckung stiller Reserven nachteilig sei.700 Dieser Einwand basiert auf der Annahme, die Steuerbelastung sei ein Merkmal der Rechtsform.701 Stellt man auf die bei der Rechtsform aus betriebswirtschaftlicher Sicht relevanten Kriterien ab, wird die Steuerbelastung tatsächlich als ein die Rechtsformen unterscheidendes Merkmal und daher als ein bei der Rechts-

________________________ 696 Vgl. 4. Teil; A; II. 697 Dies ist hier untechnisch zu verstehen: Zur dogmatischen Einordnung zulässiger Differenzierungskriterien siehe unter 4. Teil; C; I. 698 Vgl. Wagner, „Karlsruher Entwurf zur Reform des Einkommensteuergesetzes“ – Anmerkungen aus der Perspektive ökonomischer Vernunft, StuW 2001, S. 354 ff., 355 f. 699 In diese Richtung bereits Generalanwalt Mancini, Schlussantrag vom 16.10.1985 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 275. 700 Rose, Bemerkungen zur Forderung nach Rechtsformneutralität der Besteuerung, in: Hebig/Kaiser/Koschinder/Oblau (Hrsg), Aktuelle Entwicklungsaspekte der Unternehmensbesteuerung, 2006, S. 49 ff., 55. 701 Rose, Bemerkungen zur Forderung nach Rechtsformneutralität der Besteuerung, in: Hebig/Kaiser/Koschinder/Oblau (Hrsg), Aktuelle Entwicklungsaspekte der Unternehmensbesteuerung, 2006, S. 49 ff., 52.

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formwahl beachtliches Kriterium eingeordnet.702 Aus dieser Einordnung als „Rechtsformkriterium“ wird zum Teil auch der Schluss gezogen, die steuerlichen Konsequenzen seien ebenso Bestandteil der Rechtsformwahl wie es andere zivilrechtliche Strukturmerkmale auch seien; die Besteuerung sei also eines der wesentlichen betriebswirtschaftlichen Charakteristika einer Rechtsform.703 Dem kann allerdings vor dem Hintergrund des Zwecks der Besteuerung nicht gefolgt werden: Das Steuerrecht ist seiner Rechtsnatur nach vom Zivilund Gesellschaftsrecht zu unterscheiden. Steuergesetze knüpfen an wirtschaftliche Vorgänge oder Zustände wie Einkommen, Vermögen, Bereicherung, Verbrauch, Aufwand an.704 Diese Zustände und Vorgänge werden durch das Zivil- und Gesellschaftsrecht gestaltet.705 Dieses liefert die Institutionen für den Rechtsverkehr, also die Handlungsoptionen für den Wirtschaftsteilnehmer. Dies hat zu dem (nicht voll zutreffenden706) Begriff des „Annex-“ bzw. „Folgerechts“ geführt, der jedenfalls insoweit zutrifft, als es Normzweck des Steuerrechts ist, als Teil des öffentlichen Rechts an die mit Hilfe der zivilrechtlichen Mittel geschaffenen Ergebnisse anzuknüpfen.707 Das Steuerrecht ist folglich seiner Natur und seinem Zweck nach nicht Bestandteil der zivilrechtlichen Institutionen, mithilfe derer der Wirtschaftsteilnehmer am Markt agiert. Es kann daher normativ betrachtet auch nicht als Bestandteil der Wahlentscheidung begriffen werden. Erst dann, wenn es sich nicht mehr neutral zu den zivilrechtlichen Vorgängen und Zuständen ________________________ 702 Rose, Bemerkungen zur Forderung nach Rechtsformneutralität der Besteuerung, in: Hebig/Kaiser/Koschinder/Oblau (Hrsg), Aktuelle Entwicklungsaspekte der Unternehmensbesteuerung, 2006, S. 49 ff., 52; Wöhe, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre II/ 1, 1990, S. 21; Rose/Glorius-Rose, Unternehmen: Rechtsformen und Verbindungen; ein Überblick aus betriebswirtschaftlicher, rechtlicher und steuerlicher Sicht, 2001, S. 13 ff. 703 Rose, Bemerkungen zur Forderung nach Rechtsformneutralität der Besteuerung, in: Hebig/Kaiser/Koschinder/Oblau (Hrsg), Aktuelle Entwicklungsaspekte der Unternehmensbesteuerung, 2006, S. 49 ff., 51 ff. 704 Kruse, in: Tipke/Kruse (Hrsg.), AO/FGO, 2002, § 12 AO, Rn. 6 (Rn. 17) und ausführlich Tipke, Die Steuerrechtsordnung I, 2000, S. 44 ff.; 50. 705 Vgl. ausführlich Schön, Die zivilrechtlichen Voraussetzungen steuerliche Leistungsfähigkeit, StuW 2005, S. 247 ff. 706 Es geht dabei um die Frage einer Prävalenz des Zivilrechts, die zu Recht verneint wird. Das für diese Untersuchung relevante Verhältnis bezieht sich auf die Präzedenz des Zivilrechts. Das Steuerrecht ist zwar in seinen Wertungen autonom vom Zivilrecht, es knüpft aber an die wirtschaftlichen Ergebnisse der privatautonom gestalteten Wirklichkeit an, vgl. dazu auch Tipke, Die Steuerrechtsordnung I, 2000, S. 46 ff.; 50. 707 Vgl. dazu BVerfG-Urteil vom 27.12.1991 – 2 BvR 72/90, BStBl. 1992 II, 212; Kruse, in: Tipke/Kruse (Hrsg.), AO/FGO, 2002, § 12 AO, Rn. 6 (Rn. 17) und ausführlich Tipke, Die Steuerrechtsordnung I, 2000, S. 44 ff.; 50.

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verhält, wird es selbst zu einem Parameter der Marktentscheidungen. Dann ist es allerdings nicht mehr dem Steuerrecht im engeren Sinne, sondern dem Wirtschaftsrecht zuzurechnen.708 Die empirische Feststellung der Ökonomen, dass die Besteuerung eines der wesentlichen Kriterien der Rechtsformwahl ist, ist daher zwar faktisch richtig und gerade Anlass dieser Untersuchung. Dies ist aber nur Folge der fehlenden Neutralität des Steuerrechts im Verhältnis zu den zivilrechtlich ausgestalteten Rechtsformen. Normativ ist streng zu trennen zwischen den Ordnungsparametern des Privatrechts, also des Zivil- und Gesellschaftsrechts, und der Anknüpfung des öffentlichen Rechts in Form des Steuerrechts an den daraus resultierenden wirtschaftlichen Erfolg.709 Es besteht die Gefahr, dass, wenn das Steuerrecht zum „Angelpunkt der Vertragsgestaltung“ wird, wichtige zivilrechtliche Ordnungselemente verbiegen.710 Im Ergebnis kann daher die Steuerbelastung nicht neben die zivilrechtlichen Charakteristika der Rechtsformen eingeordnet werden. Die Wahl zwischen den Rechtsformen ist wegen der Rechtsnatur des Zivil- und Gesellschaftsrechts einerseits und der des Steuerrechts andererseits auf die Gestaltungsoptionen des Privatrechts zu beschränken. 3. Ergebnis: Gebot einer freien Wahl der Rechtsform Ordnet man die Ergebnisse der Bedeutung der Rechtsformwahl für die Marktzugangsentscheidung ein in die Erkenntnisse der bisherigen Untersuchung, so kann folgende Schlussfolgerung gezogen werden: Ausgangspunkt ist, dass die Grundfreiheiten in teleologischer Auslegung auf das Binnenmarktziel ein echtes Beschränkungsverbot enthalten. Dieses umfasst in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH nicht nur absolute Beschränkungen des Marktzugangs, sondern insbesondere auch Beeinträchtigungen grenzüberschreitender Wirtschaftsvorgänge, die sich im Vergleich zu einem anderen grenzüberschreitenden Vorgang ergeben. Hinter diesem weitreichenden Verständnis der Grundfreiheiten steht die Erkenntnis, dass die Grundfreiheiten der Verwirklichung eines vollkommenenföderalen Binnenmarkts dienen, der auf die Effizienz der individuellen ökonomischen Vernunft der Wirtschaftsteilnehmer vertraut. Die Grundfreiheiten schützen daher nicht nur vor Diskriminierungen des grenzüberschreitenden Wirtschaftsvorgangs, sondern darüber hinaus die Wahlfreiheit der Wirtschaftsteilnehmer in Bezug auf die ökonomischen Handlungsoptio________________________ 708 Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung I, 2000, S. 33. 709 Vgl. Schön, Zur Unternehmenssteuerreform, Die Steuerberatung 2000, S. 1 ff., 5. 710 Grundlegend Birgelen, Die Beeinträchtigung der handelsrechtlichen Gestaltungsfreiheit durch das Steuerrecht, 1970; siehe auch Walz, Empfiehlt sich eine rechtsformabhängige Besteuerung?, Gutachten zum 53. DJT, Gutachten F 1980, S. 9.

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nen seiner unternehmerischen Betätigung zum Zweck der Intensivierung der wirtschaftlichen Integration. Der Schutz dieser Wahlfreiheit manifestiert sich in einem umfassenden Konzept der Wahlfreiheit, wie es der Rechtsprechung des EuGH entnommen werden kann: Ausgehend von der freien Wahl der Grundfreiheit, über die freie Wahl des Tatbestands der Primärniederlassung, über die freie Wahl zwischen Primär- und Sekundärniederlassung, über die freie Wahl von Zahl und Ort der Sekundärniederlassungen, über die freie Wahl des Tatbestands der Sekundärniederlassung erweist sich die freie Wahl der Rechtsform der Sekundärniederlassung als konsequenter Bestandteil dieses Konzepts. Richtet man den Blick konkret auf eine steuerliche Ungleichbehandlung der Rechtsformen der Sekundärniederlassung, so erweist sich diese als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit: Die Niederlassungsfreiheit schützt zum Zweck der wirtschaftlichen Integration die grenzüberschreitende Markterschließung durch feste Einrichtungen, insbesondere auch durch Sekundärniederlassungen. Die Begründung von Sekundärniederlassungen ist Ausdruck von Mobilität und Organisation von Unternehmen als Folge unternehmerischer Wahlentscheidungen. Die Wahlentscheidungen in Bezug auf Mobilität und Organisation von Unternehmen beziehen sich dabei auf die Allokation von materiellen und immateriellen Vermögensgegenständen, die Wahl der vertraglichen und gesetzlichen Verfasstheit sowie die Wahl einer bestimmten Organisation der betrieblichen Ressourcen. Die Wahlentscheidungen in Bezug auf diese drei Parameter sind daher die zentralen Facetten der Marktzugangsentscheidung durch Begründung einer Sekundärniederlassung. Eine vergleichende Betrachtung dieser Parameter hat wesentliche Unterschiede für die Marktintegration durch beide Rechtsformen ergeben, sodass der Marktzugang wesentlich von der Rechtsformwahl bestimmt ist. Diese ökonomischen Entscheidungen für oder wider eine zivilrechtliche Rechtsform werden durch eine differenzierende Besteuerung maßgeblich beeinflusst und folglich verzerrt, soweit die Rendite nach Steuern die im Übrigen betriebswirtschaftlich indizierte Rechtsform in der Rangfolge der Handlungsoptionen zurückstellt. Folglich ist die Entscheidung über den Marktzugang durch eine zwischen den Rechtsformen der Sekundärniederlassung differenzierende Besteuerung betroffen. Da damit eine differenzierende Besteuerung grundsätzlich eine Beschränkung der sekundären Niederlassungsfreiheit darstellt, ist im Ergebnis festzuhalten, dass Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG positiv formuliert einen eigenständigen Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit enthält, der den Wirtschaftsteilnehmern die freie, d. h. unverfälschte Wahl der zivilrechtlichen Rechtsformen der Sekundärniederlassung einräumt. Für die Besteuerung bedeutet 185

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dies, dass die Wahl zwischen den Rechtsformen im Grundsatz nicht durch eine ungleiche Besteuerung verzerrt werden darf.

C. Inhaltliche Reichweite der Rechtsformwahlfreiheit Aufbauend auf dem Ergebnis, dass die Niederlassungsfreiheit einen eigenständigen Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit enthält, der grundsätzlich eine zwischen den Rechtsformen der Sekundärniederlassung differenzierende Besteuerung verbietet, ist im Folgenden auf die konkrete inhaltliche Reichweite des Grundsatzes einzugehen.

I. Abstrakte Begrenzung der Rechtsformwahlfreiheit Die dogmatische Begründung des Grundsatzes der Rechtsformwahlfreiheit führt unmittelbar zu einer sehr wesentlichen Beschränkung seiner inhaltlichen Reichweite. 1. Zulässigkeit der sachlichen Anknüpfung an zivilrechtliche Unterschiede Die freie, d. h. nicht durch steuerrechtliche Differenzierungen verzerrte Wahl zwischen den Rechtsformen wird gewährleistet, wenn und weil die Besteuerung nicht zwischen wirtschaftlich gleichwertigen Sachverhalten differenzieren soll, um auf diese Weise die Wahl der zivilrechtlich optimalen Organisation der wirtschaftlichen Betätigung sicherzustellen. Dies beinhaltet ein Zweifaches: Zum einen setzt die Wahlfreiheit die zivilrechtliche Unterschiedlichkeit schon begrifflich voraus, und zum anderen ist eine wirtschaftliche Gleichwertigkeit der Rechtsformen mitgedacht. Wirtschaftliche Gleichwertigkeit bedeutet dabei eine Vergleichbarkeit der Niederlassungsformen für Zwecke der Besteuerung: Soweit die Besteuerung an die Unterschiede der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Rechtsformen sachlogisch anknüpft, liegt für Zwecke der Besteuerung keine Vergleichbarkeit mehr vor. Paul Kirchhof hat zutreffend formuliert: „Inwieweit die Rechtsform der juristischen Person steuererhebliche Unterschiede erfasst, die steuerliche Belastungen oder Entlastungen rechtfertigt, bestimmt sich nach den Aussagen des Zivilrechts“.711 Ob eine Vergleichbarkeit beider Niederlassungsformen für Zwecke der Besteuerung vorliegt, kann nur im Hinblick auf jeden konkreten Besteuerungstatbestand ermittelt werden. Dabei ist die Sachlogik der jeweiligen Be________________________ 711 Kirchhof, Die Besteuerung von Erwerbsgemeinschaften, in: Siegel/Kirchhof/Schneeloch/Schramm (Hrsg), Steuertheorie, Steuerpolitik und Steuerpraxis – Festschrift für Peter Bareis, 2005, S. 133 ff., 138.

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steuerungskonstellation, wie die der Verlustberücksichtigung, die der Gewinnabgrenzung, die der Besteuerung der Finanzierung usw. konkret darauf zu untersuchen, ob sie an die zivilrechtlichen Unterschiede von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften anknüpft. Dies ist der Fall, wenn für den Besteuerungstatbestand sachlogisch erheblich ist, dass die Tochtergesellschaft eine von der Muttergesellschaft zu unterscheidende juristische Person ist, die im eigenen Namen am rechtsgeschäftlichen Verkehr teilnehmen kann, eigenes Vermögen hat und eigene Rechte und Pflichten begründen kann.712 Dies ist nicht der Fall, wenn die unterschiedliche Behandlung beider Rechtsformen ohne systematische Verwerfungen aufgehoben werden könnte, also auf einer normativen Entscheidung des Gesetzgebers und nicht sachlogisch auf der zivilrechtlichen Unterschiedlichkeit beruht. Es kann daher weder von einer pauschalen Vergleichbarkeit beider Niederlassungsformen für Zwecke der Besteuerung gesprochen werden, noch wird die Differenzierung der Beliebigkeit des Steuergesetzgebers überlassen. Vielmehr ist dieser durch die Rechtsformwahlfreiheit verpflichtet, die Besteuerungstatbestände so zu gestalten, dass nur dann eine unterschiedliche Belastung entsteht, wenn die systematische Anknüpfung der Steuerregeln sachlich an den zivilrechtlichen Unterschieden der Niederlassungstatbestände ansetzt.713 Wann eine konkrete Regelung sachlogisch an die unterschiedlichen Rechtsformen anknüpft, muss anhand des nunmehr grundsätzlich definierten Maßstabs der Vergleichbarkeit für Zwecke der Besteuerung für jede steuerrechtliche Regelung gesondert betrachtet werden, was im weiteren Verlauf der Arbeit ausführlich geschieht.714 2. Zulässigkeit von beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht Die grundsätzliche Anknüpfung des Steuerrechts an die zivilrechtliche Ordnung bietet damit im Grundsatz auch den Anknüpfungspunkt steuerrechtlicher Differenzierungen. Die Grundentscheidung, der Tochtergesellschaft anders als der Betriebsstätte eigene Steuersubjektivität zuzumessen, ist damit von vornherein einem Konflikt mit der Rechtsformwahlfreiheit entzogen, da sie unmittelbar an die unterschiedliche Ausgestaltung der Rechts________________________ 712 Vgl. Kirchhof, Die Besteuerung von Erwerbsgemeinschaften, in: Siegel/Kirchhof/ Schneeloch/Schramm (Hrsg), Steuertheorie, Steuerpolitik und Steuerpraxis – Festschrift für Peter Bareis, 2005, S. 133 ff., 138; siehe auch Loukota, Verbot der Betriebsstättendiskriminierung – DBA-Recht versus EG-Recht, in: Lang/Jirousek (Hrsg), Praxis des Internationalen Steuerrecht – Festschrift für Helmut Loukota zum 65. Geburtstag, 2005, S. 329 ff., 337 f. 713 Zum systematischen Verhältnis des Steuerrechts zur durch das Privatrecht ausgestalteten Wirklichkeit siehe oben im 4. Teil; B; III; 2 und Schön, Die zivilrechtlichen Voraussetzungen steuerliche Leistungsfähigkeit, StuW 2005, S. 247 ff. 714 Vgl. 5. Teil.

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formen anknüpft: Zwar können auch nicht transparente Rechtsträger wie Personengesellschaften etwa im Rahmen der gesonderten Feststellung (vgl. § 179 i. V. m. § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO) zum Anknüpfungspunkt einer gesonderten steuerrechtlichen Behandlung gemacht werden, aber die juristische Eigenständigkeit ist dennoch ein tauglicher Maßstab für eine steuerrechtliche Separierung und unterscheidet die Tochtergesellschaft zugleich grundlegend vom weitgefassten Tatbestand unselbstständiger Betriebsstätten.715 Daraus folgt zugleich, dass die grundsätzliche Unterscheidung im Steuerrecht zwischen unbeschränkter Steuerpflicht der Tochtergesellschaft und beschränkter Steuerpflicht eines Unternehmens mit Betriebsstätte mit der Rechtsformwahlfreiheit vereinbar ist: Die unbeschränkte Steuerpflicht knüpft an die juristische Persönlichkeit der Tochtergesellschaft an, ordnet sie daher – als Person – der Steuerrechtsordnung des Ansässigkeitsstaates der Tochtergesellschaft zu. Anknüpfend an die zivilrechtliche Zugehörigkeit der Betriebsstätte zum Einheitsunternehmen fehlt es an der Möglichkeit, die Betriebsstätte einer an ihre Person anknüpfenden unbeschränkten Steuerpflicht zu unterwerfen. Mit der grundsätzlichen Unterscheidungsmöglichkeit ist aber für sich keine Rechtfertigung für Belastungsunterschiede begründet.716 Der Wirtschaftsteilnehmer hat folglich keinen Anspruch darauf, dass eine unselbstständige Betriebsstätte als selbstständiges Steuersubjekt und damit als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird; aus der Rechtsformwahlfreiheit folgt aber im Grundsatz, dass er wie eine selbstständige Tochtergesellschaft und damit wie eine unbeschränkt steuerpflichtige Person behandelt wird. Darin kommt ferner zum Ausdruck, dass Maßstab der Beschränkung die unterschiedliche wirtschaftliche Belastung durch die Steuerlast, nicht die Anwendung unterschiedlicher Besteuerungsregime wie die der beschränkten

________________________

715 Vgl. 1. Teil; C; II; 1 und 1. Teil; C; III; 1. 716 Zwar formuliert der EuGH seit dem EuGH-Urteil vom 14.2.1995 – Rs. C-279/93 („Schumacker“), EuGH 1995, I-225, Rn. 31 in ständiger Rechtsprechung, dass sich beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtige im Grundsatz nicht in vergleichbarer Situation befinden. Diese grundlegende Unterscheidungsmöglichkeit bezieht sich aber nach allgemeiner Auffassung nur auf personenbezogene Abzüge; für alle Bereiche der objektiven Steuerpflicht, insbesondere im Rahmen der Unternehmensbesteuerung, hat der Gerichtshof entschieden, dass die Unterschiede zwischen beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen für sich kein Differenzierungsgrund sind. Bei der Bestimmung des Steuerobjekts, der Bemessungsgrundlage, der Festlegung des Tarifs ist daher beschränkt Steuerpflichtigen im Grundsatz die gleiche Behandlung wie unbeschränkt Steuerpflichtigen zu gewähren; vgl. Schön, Besteuerung im Binnenmarkt – die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, IStR 2004, S. 289 ff., 292; Schönfeld, Betriebsstättenbesteuerung und Gemeinschaftsrecht, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz (Hrsg), Betriebsstättengewinnermittlung, 2006, S. 577 ff., 55 (Rn. 1134).

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und unbeschränkten Steuerpflicht ist. Solange diese materiell keine Ungleichbelastung bewirken, liegt keine Verzerrung der wirtschaftlichen Vernunft vor. 3. Abgrenzung von Beschränkungs- und Rechtfertigungsebene Vorab stellt sich allerdings die dogmatische Frage, auf welcher Prüfungsebene der Grundfreiheiten Differenzierungen zwischen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften relevant werden: Fehlt es bereits an einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit oder kann eine zulässige Differenzierung eine solche nur rechtfertigen? Hier gilt es zu unterscheiden: Grundsätzlich hat die Rechtsformwahlfreiheit zur Folge, dass eine steuerliche Ungleichbehandlung nur zulässig ist, wenn sie an die zivilrechtliche Unterschiedlichkeit der beiden Rechtsformen anknüpft. Soweit sachlogisch die unterschiedliche Besteuerung an die zivilrechtliche Unterschiedlichkeit anknüpft, handelt es sich schon um keine Beschränkung, weil die unterschiedliche Behandlung dann, wie auch die zivilrechtliche Unterschiedlichkeit, Ausdruck der Wahlentscheidung des Wirtschaftsteilnehmers ist. Solange die steuerliche Behandlung sachlich unmittelbar mit der Wahl verknüpft ist, kann sie nicht als zu rechtfertigende Beschränkung angesehen werden, weil sie von der Wahlentscheidung nicht zu trennen ist.717 Etwas anderes muss gelten, wenn die unterschiedliche Behandlung nicht mehr an die zivilrechtlichen Unterschiede anknüpft. Dann handelt es sich um eine normative Entscheidung des Gesetzgebers, die den Wirtschaftsteilnehmer in seiner Niederlassungsfreiheit beeinträchtigt, weil sie die Wahl zwischen den zivilrechtlichen Optionen verzerrt und so den Marktzugang ________________________ 717 Terra/Wattel, European Tax Law, 2005, S. 149 „any difference in taxation of branches and subsidiaries must be explained by the fact that a branch is not a separate legal entity“. Auch aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts besteht ein sachlicher Grund, der es rechtfertigt, unternehmerische Tätigkeiten je nach Rechtsform unterschiedlich zu behandeln, in der Abschirmung der Vermögenssphäre einer Kapitalgesellschaft gegenüber ihren Anteilseignern. Verfassungsrechtlich sei es bedenkenfrei, wenn das Steuerrecht die zivilrechtliche Grundentscheidung aufgreife, nach der bei Personengesellschaften das Gesellschaftsvermögen den Gesellschaftern zugerechnet werde, während das Vermögen der Kapitalgesellschaften gegenüber dem Vermögen ihrer Gesellschafter grundsätzlich selbstständig sei; BVerfG v. 21.6.2006. Diese Auffassung wird in der Literatur mit dem berechtigten Hinweis auf die eigenständige Zurechnung des Gesellschaftsvermögens zur Gesellschaft nach dem gegenwärtigen Verständnis der Personengesellschaften überwiegend abgelehnt, vgl. Hennrichs/Lehmann, Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung, StuW 2007, S. 16 ff.; Schön, Zur Unternehmenssteuerreform, Die Steuerberatung 2000, S. 1 ff., 5; Weinelt, Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung, 2006; vgl. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip in der Unternehmensteuerreform, StuW 2000, S. 328 ff.

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behindert. Dies ist dann nur im Rahmen der anerkannten Rechtfertigungsgründe zu akzeptieren.718 Zusammenfassend formuliert sind also alle steuerrechtlich differenzierenden Regelungen grundsätzlich nicht als Beschränkung zu werten, die an die zivilrechtliche Selbstständigkeit der Tochtergesellschaft sachlogisch unmittelbar anknüpfen.

II. Konkrete Einschränkungen der Rechtsformwahlfreiheit Die dogmatische Begründung der Rechtsformwahlfreiheit führt unmittelbar zu der Einschränkung, dass eine unterschiedliche Besteuerung keine Beschränkung begründet, wenn sie sich sachlogisch aus der zivilrechtlichen Unterschiedlichkeit ergibt. Im Folgenden ist auf drei grundlegende Einschränkungen einzugehen, die neben dieser grundsätzlichen Begrenzung in der Literatur diskutiert werden. Wie sich zeigen wird, ergeben sich diese Begrenzungen aus der bislang bestehenden Unsicherheit über die dogmatische Grundlage der Rechtsformwahlfreiheit. Vor dem Hintergrund der in dieser Untersuchung begründeten dogmatischen Grundlage der Rechtsformwahlfreiheit können die folgenden Einschränkungen der inhaltlichen Reichweite hingegen nicht mehr überzeugen. 1. Keine Beschränkung auf Körperschaften als Niederlassungssubjekt Von Teilen der Literatur wird die Reichweite des Grundsatzes der Rechtsformwahlfreiheit auf Körperschaften als Niederlassungssubjekt beschränkt.719 Die besondere Problematik bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften als Niederlassungssubjekt besteht darin, dass Betriebsstätten in diesen Fällen im Quellenstaat einkommensteuerpflichtig sind; Tochtergesellschaften hingegen sind stets körperschaftsteuerpflichtig. Da bei transparenten Betriebsstätten also die Rechtsform des Niederlassungssubjekts „durchschlägt“, bei Tochtergesellschaften aber nicht, kommt es zu einer Besteuerung durch unterschiedliche Steuerarten. Dies führt insbesondere im Hinblick auf unterschiedliche Einkommensteuer- und Körperschaftsteuertarife zu gravierenden Differenzen in der Besteuerung von Betriebsstätten und ________________________ 718 Vgl. zu den vom EuGH anerkannten Rechtfertigungsgründen Kokott/Henze, Ist der EuGH – noch – ein Motor für die Konvergenz der Steuersysteme?, BB 2007, S. 913 ff.; Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 106 ff.; Borgsmidt, Leitgedanken der EuGH-Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten in Steuerfällen – eine Bestandsaufnahme, IStR 2007, S. 802 ff. 719 Dörr, Die Rechtssache CLT-UFA: Ein Medienkonzern im Rampenlicht des EuGH – Oder: Wieviel Rechtsformneutralität fordert der europäische Binnenmarkt?, Der Konzern 2005, S. 576 ff., 580; Schnitger, Die Grenzen der Einwirkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrags auf das Ertragsteuerrecht, 2006, S. 289.

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Tochtergesellschaften ausländischer Einzelunternehmen und Personengesellschaften. Daher wird vorgebracht, dass wegen „steuerartspezifischer Regelungen des Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerrechts“ eine Rechtsformwahlfreiheit bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften als Gesellschafter nicht in Betracht komme.720 Diese Auffassung kann auf Basis des hier begründeten dogmatischen Fundaments der Rechtsformwahlfreiheit nicht überzeugen, denn die Begründung des Grundsatzes knüpft nicht an die Rechtsform des Niederlassungssubjekts an.721 Sie gilt vielmehr grundsätzlich für alle Wirtschaftsteilnehmer gleichermaßen: Im Grundsatz muss auch dem Einzelunternehmen oder einer Personengesellschaft aus den gleichen Gründen wie einer Kapitalgesellschaft die Freiheit zwischen ökonomischen Handlungsoptionen bei Marktzugang gewährt werden.722 Die dogmatische Begründung lässt im Grundsatz keinen Anknüpfungspunkt für Differenzierungen nach der Rechtsform des Niederlassungssubjekts zu. Dies schließt, wie dargelegt, Differenzierungen in konkreten Besteuerungsfragen nicht aus, die sich aus der zivilrechtlichen Unterschiedlichkeit der sekundären Rechtsformen ergeben können.723 2. Keine Beschränkung auf Zuzugsfälle Bereits im Rahmen der Darstellung des Meinungsstands zur Rechtsformwahlfreiheit im Europäischen Steuerrecht wurde darauf hingewiesen, dass die herrschende Auffassung davon ausgeht, diese habe nur für Zuzugsfälle Bedeutung.724 Diese Einschränkung der herrschenden Meinung hat insbe________________________ 720 Dörr, Die Rechtssache CLT-UFA: Ein Medienkonzern im Rampenlicht des EuGH – Oder: Wieviel Rechtsformneutralität fordert der europäische Binnenmarkt?, Der Konzern 2005, S. 576 ff., 580 mit dem Beispiel des Grundfreibetrags, der nur im Einkommensteuerrecht gewährt würde. Schnitger, Die Grenzen der Einwirkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrags auf das Ertragsteuerrecht, 2006, S. 289 („Es komme zu einer Durchbrechung der Systematik der steuerlichen Vorschriften“.). 721 Ausführlich und für eine Ausdehnung des Gleichbehandlungsgebots auch auf die Betätigung natürlicher Personen Dautzenberg, Das EG-rechtliche Gleichbehandlungsgebot für Betriebsstätten und Tochtergesellschaften, EWS 2001, S. 270 ff., 273 ff. Im Ergebnis offenbar auch Schön, Freie Wahl zwischen Zweigniederlassung und Tochtergesellschaft – ein Grundsatz des Europäischen Unternehmensrechts, EWS 2000, S. 281 ff., 290. 722 Siehe zusammenfassend zur dogmatischen Begründung 4. Teil; B; III; 3. 723 Vgl. zur abstrakten Begrenzung der Rechtsformwahlfreiheit 4. Teil; C; I. Siehe zu den Detailfragen wie der Anknüpfung unterschiedlicher Steuerarten und unterschiedlicher Steuersätze im 5. Teil; F; III. 724 Vgl. Aarnio, Treatment of permanent establishments and subsidiaries under EC law: towards a uniform concept of secondary establishment in European tax law?, EC Tax Review 2006, S. 18 ff.; O’Shea, Marks and Spencer v Halsey (HM Inspector of Taxes): restriction, justification and proportionality, EC Tax Review 2006, S. 66 ff.,

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sondere ihre Ursache in der Unsicherheit über das dogmatische Fundament, da sie die Rechtsformwahlfreiheit auf eine Facette des Diskriminierungsverbot in seinem Kernbereich, dem Gebot der Inländergleichbehandlung, reduziert. Dieses richtet sich naturgemäß nur an den Aufnahmestaat, sodass die Rechtsformwahlfreiheit nach dieser Auffassung in Wegzugsfällen keine Bedeutung erlangen kann. Der EuGH-Rechtsprechung lässt sich aber in Wahrheit eine solche Einschränkung nicht entnehmen: Weder ist die dogmatische Grundlage in den Zuzugsfällen das Gebot der Inländergleichbehandlung (es bestand zu diesem nur in den konkreten Fällen ein Gleichlauf), noch lässt sich den Entscheidungen in den Wegzugsfällen eine Ablehnung der Rechtsformwahlfreiheit entnehmen.725 Aus der Funktion der Niederlassungsfreiheit und der dogmatischen Einordnung der Einschränkung der Rechtsformwahlfreiheit als echte Beschränkung folgt vielmehr, dass keine grundsätzliche Differenzierung zwischen Zuzugsund Wegzugskonstellationen möglich ist. Es gehört vielmehr zu den Errungenschaften der Grundfreiheitsdogmatik erkannt zu haben, dass die Grundfreiheiten grenzüberschreitende Vorgänge schützen und sich daher Herkunfts- und Aufnahmestaat gleichermaßen binden. Da es um den Schutz des Marktzugangs durch Gewährleistung der freien Wahl zwischen den Rechtsformen der Sekundärniederlassung geht und nicht um die Gleichstellung von in- und ausländischen Wirtschaftsteilnehmern, kommt es nicht darauf an, ob die diese Wahl beeinflussenden Regelungen durch den Herkunfts- oder den Aufnahmestaat erfolgen. Im Ergebnis ist daher eine Beschränkung der Rechtsformwahlfreiheit auf Zuzugsfälle abzulehnen. 3. Keine Beschränkung auf „einseitige Schutzwirkung“ Vereinzelt wird vertreten, dass die Rechtsformwahlfreiheit zwar in Zuzugsund Wegzugskonstellationen gelte, aber jeweils nur eine „einseitige Schutzwirkung“ habe. Im Zuzugsfall gehe es nur darum, der Betriebsstätte die Be-

________________________ 82; Terra/Wattel, European Tax Law, 2005, S. 150, die eine Differenzierung aber ablehnen; Schnitger, Möglichkeit zur Präzisierung des europarechtlichen Prinzips der Rechtsformwahlfreiheit und Körperschaftsteuerguthaben für Betriebsstätten ausländischer Kapitalgesellschaften gemäß § 37 KStG – Vorlagenfrage an den EuGH in der Rs. CLT-UFA, IStR 2004, S. 821 ff.; Dörr, Die Rechtssache CLT-UFA: Ein Medienkonzern im Rampenlicht des EuGH – Oder: Wieviel Rechtsformneutralität fordert der europäische Binnenmarkt?, Der Konzern 2005, S. 576 ff. 725 Siehe dazu ausführlich 2. Teil.

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handlung der Tochtergesellschaft zukommen zu lassen;726 im Wegzugsfall könne umgekehrt nur für die Tochtergesellschaft verlangt werden, wie bei einer Investition mittels Betriebsstätte besteuert zu werden.727 Hintergrund dieses Verständnisses der Rechtsformwahlfreiheit ist ein wichtiger Unterschied in der dogmatischen Begründung, da letztlich doch ein Vergleich zum Gebietsansässigen zum Ansatzpunkt gemacht wird: In Zuzugskonstellationen sei es ausgeschlossen, dass Tochtergesellschaften wie Betriebsstätten zu behandeln seien, weil „umgekehrte Diskriminierungen“ grundfreiheitsrechtlich „unproblematisch“ seien. Daher könne „insoweit das Prinzip der freien Rechtsformwahl nicht zur Anwendung kommen.“728 Für Zuzugskonstellationen ergebe sich die Rechtsformwahlfreiheit also aus dem Diskriminierungsverbot. Für Wegzugskonstellationen wird ein „Beschränkungsverbot im weiteren Sinne“ herangezogen, weil das Diskriminierungsverbot unmittelbar nicht weiterhelfe.729 Dieses Beschränkungsverbot ist aber offensichtlich doch an den „Inlandsbezug“ gekoppelt: Es wird darauf abgestellt, dass eine Schlechterstellung der ausländischen Betriebsstätte gegenüber der ausländischen Tochtergesellschaft nicht mit der Rechtsformwahlfreiheit angegriffen werden könne, weil die Investition mittels Betriebsstätte noch „größeren Inlandsbezug“ habe.730 Schließlich bediene man sich immerhin der inländischen Rechtsform, wohingegen die Tochtergesellschaft sich nach ausländischem Recht konstituiere. In einer „Weiterentwicklung des Gedankens der ‚umgekehrten Diskriminierung‘“ könnten daher keine grundfreiheitsrechtlichen Angriffspunkte bestehen.731 ________________________ 726 Schnitger, Möglichkeit zur Präzisierung des europarechtlichen Prinzips der Rechtsformwahlfreiheit und Körperschaftsteuerguthaben für Betriebsstätten ausländischer Kapitalgesellschaften gemäß § 37 KStG – Vorlagenfrage an den EuGH in der Rs. CLT-UFA, IStR 2004, S. 821 ff.; 824: „Bei Inbound-Investments kann die Rechtsformwahlfreiheit in den Fällen nicht greifen, in denen die Betriebsstätte vorteilhafteren steuerlichen Regelungen unterliegt als eine inländische Tochtergesellschaft. Eine derartige Besserstellung eines Steuerausländers wäre unter Maßgabe des der Niederlassungsfreiheit innewohnenden Diskriminierungsverbots grundsätzlich unbeachtlich.“ 727 Siehe dazu Schnitger, Die Grenzen der Einwirkung der Grundfreiheiten des EGVertrags auf das Ertragsteuerrecht, 2006, S. 284. 728 Schnitger, Die Grenzen der Einwirkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrags auf das Ertragsteuerrecht, 2006, S. 284. 729 Schnitger, Die Grenzen der Einwirkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrags auf das Ertragsteuerrecht, 2006, S. 280. 730 Schnitger, Die Grenzen der Einwirkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrags auf das Ertragsteuerrecht, 2006, S. 286. 731 Schnitger, Die Grenzen der Einwirkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrags auf das Ertragsteuerrecht, 2006, S. 286.

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Diese etwas überraschende Argumentation zeigt den Rückgriff auf das Diskriminierungsverbot im Sinne der Inländergleichbehandlung, weil eine Grundfreiheitsbeeinträchtigung damit begründet wird, dass der von zwei Sachverhalten besser gestellte „mehr Inlandsbezug“ aufweist. Auch insoweit offenbart die vorgeschlagene Einschränkung des Grundsatzes also die bisherige Unsicherheit über das dogmatische Fundament. Eine Einschränkung der Rechtsformwahlfreiheit ist aber eine echte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, die ohne Vergleich mit dem Inlandssachverhalt feststellbar ist. Es geht um den Schutz grenzüberschreitender Mobilität als solcher. Da es damit auch nicht darum geht, welcher von zwei grenzüberschreitenden Sachverhalten „mehr Inlandsbezug“ hat, ist eine „einseitige Wirkrichtung“ nicht begründbar. Der EuGH hat die „beidseitige Schutzwirkung“ in seiner aktuellen Entscheidung „Oy AA“ bestätigt.732 In dieser Entscheidung bestand zwar eine Diskriminierung nach der Ansässigkeit der Muttergesellschaft, aber auf Ebene der Rechtsform war in einem Zuzugsfall gerade die (inländische) Tochtergesellschaft gegenüber der Betriebsstätte benachteiligt. Dies zeigt, dass es in Wahrheit um die Beschränkung des ausländischen Wirtschaftsteilnehmers geht, dessen freie Wahl der Rechtsform eingeschränkt würde, könnte er bei Wahl einer Rechtsform auf die Möglichkeit zur Gründung einer anderen, steuerlich nachteiligen, Rechtsform verwiesen werden.

D. Zwischenergebnis Aufbauend auf dem Ergebnis, dass die Niederlassungsfreiheit ein echtes Beschränkungsverbot enthält, das nicht nur absolute Behinderungen des Marktzugangs erfasst, sondern auch solche Beeinträchtigungen des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs, die sich im Vergleich zu einem anderen grenzüberschreitenden Vorgang ergeben, wurde die Rechtsformwahlfreiheit als Ausfluss dieses Beschränkungsverbots begründet: Die Niederlassungsfreiheit schützt die Mobilität und Organisation von Unternehmen. Sie drückt sich insbesondere aus in Wahlentscheidungen zur Allokation der Vermögensgegenstände, zur rechtlichen Verfasstheit und zur betrieblichen Organisation der Ressourcen. Die Entscheidung über den Zutritt zum Markt eines anderen Mitgliedstaates durch Begründung einer Sekundärniederlassung besteht wesentlich aus der Wahl zwischen den Rechtsformen, da beide in Bezug auf die Parameter von Mobilität und Organisation für die Marktintegration wesentliche Unterschiede aufweisen. Eine zwischen ________________________ 732 EuGH-Urteil vom 18.7.2007 – Rs. C-231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373; vgl. dazu 2. Teil; A; X.

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Zwischenergebnis

den Rechtsformen differenzierende Besteuerung stellt daher grundsätzlich eine Beschränkung der sekundären Niederlassungsfreiheit dar. Ein Verstoß gegen die Rechtsformwahlfreiheit liegt hingegen nicht vor, soweit die Besteuerung sachlogisch an die zivilrechtliche Unterschiedlichkeit der Rechtsformen anknüpft, also für Zwecke des Steuerrechts keine Vergleichbarkeit beider Rechtsformen besteht. In diesen Fällen ist die unterschiedliche Besteuerung Folge der Wahlentscheidung der Wirtschaftsteilnehmer.

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5. Teil Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit Der folgende 5. Teil nimmt die Konsequenzen des Rechts auf freie Wahl der Rechtsform in den Blick. Dabei werden zentrale Besteuerungskonstellationen vergleichend betrachtet und daraufhin untersucht, welche Auswirkungen der Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit auf die aktuelle Rechtslage hat. Zwar hat sich gezeigt, dass die Niederlassungsfreiheit im Grundsatz verlangt, die Wirtschaftsteilnehmer in der Wahl ihrer Sekundärniederlassungsform nicht durch steuerliche Regelungen zu beeinflussen. Dennoch kann die Unterschiedlichkeit der zivilrechtlichen Ausgestaltung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften im Einzelfall zu einer unterschiedlichen Behandlung im Steuerrecht führen, soweit dieses sachlogisch an diese Unterschiede anknüpft, also beide Niederlassungsformen für Zwecke der Besteuerung nicht vergleichbar sind. In diesen Fällen ist dann die steuerrechtliche Differenzierung als notwendige Folge der wirtschaftlichen Entscheidung des Wirtschaftsteilnehmers und nicht als Ausfluss einer normativen Entscheidung des Gesetzgebers anzusehen, sodass es an einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit fehlt.733 Im Folgenden ist daher jeweils die Frage zu beantworten, ob das grundsätzliche Gebot der Gleichbehandlungen von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften zu einer Änderung der Rechtslage zwingt, wenn beide Niederlassungsformen unterschiedlich behandelt werden, oder ob es an der Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der jeweiligen Besteuerungskonstellation fehlt.

A. Verlustberücksichtigung Wer die Frage beantworten möchte, inwieweit die Rechtsformwahlfreiheit zu einer Gleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften bei der Verlustberücksichtigung führt, sieht sich in dreifacher Hinsicht vor einer Herausforderung: Sowohl bei Tochtergesellschaften als auch bei Betriebsstätten ist die Verlustberücksichtigung komplex und aktuell nicht zu-

________________________ 733 Siehe zur Zulässigkeit der sachlichen Anknüpfung an die zivilrechtlichen Unterschiede und den Maßstab der Vergleichbarkeit für Zwecke der Besteuerung ausführlich im 4. Teil; C; I; 1.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

letzt wegen grundlegender EuGH-Urteile734 in der Diskussion.735 Die an dieser Stelle im Zentrum stehende Frage nach einem Gleichlauf der Verlustberücksichtigung bei beiden Rechtsformen der Sekundärniederlassung ist dagegen bislang kaum vertieft betrachtet worden.736 Die Untersuchung erfolgt dementsprechend in drei Schritten: Zunächst wird auf die Grundlagen der Verlustberücksichtigung bei Tochtergesellschaften und Betriebsstätten eingegangen, soweit diese für den dritten Schritt, die Frage nach einer Gleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften in diesem Zusammenhang, erforderlich sind.737

I. Verlustberücksichtigung bei Tochtergesellschaften Bei grenzüberschreitenden Konzernen ist im Grundsatz eine Verlustverrechnung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft nicht möglich, weil die ________________________

734 Vgl. insbesondere EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10857; EuGH-Urteil vom 21.2.2006 – Rs. C-152/03 („Ritter-Coulais“), EuGHE 2006, I-1711; EuGH-Urteil vom 29.3.2007 – Rs. C-347/04 („REWE“), EuGHE 2007, I-2647; EuGH-Urteil vom 18.7.2007 – Rs. C-231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373 zur Verlustberücksichtigung bei Tochtergesellschaften und zuletzt EuGH-Urteil vom 15.5.2008; Rs. C 414/06 („Lidl Begien“), EuGHE 2008, I-3601; vgl. auch BFH-Beschluss vom 28.6.2006; Rs. I R 84/04 – EuGH-Rs. 414/06 („Lidl Begien“) – DStR 2006, 1927; BFH-Beschluss vom 22.8.2006; Rs. I R 116/04 – EuGH-Rs. 415/06 („SEW“) – DStR 2006, 1929 zur Verlustberücksichtigung bei Betriebsstätten. 735 Siehe als aktuellen Überblick nur Denys, Previous EU Proposals for Cross-Border Loss Relief, European Taxation 2006, S. 443 ff.; Cordewener, Grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung im Europäischen Recht, DStJG 28 (2005), S. 254 ff.; Schön, Losing Out at the Snooker Table: Cross-Border Loss Compensation for PE’s and the Fundamental Freedoms, in: Hinnekens (Hrsg), Liber Amicorum Vanistendael – A vision on taxes within and outside European borders, 2007, S. 813 ff.; Rehm/ Feyerabend/Nagler, Die Renaissance der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung!, IStR 2006, S. 7 ff. 736 Vgl. aber Scheunemann, Grenzüberschreitende konsolidierte Konzernbesteuerung, 2005, S. 273 f. 737 Für einen umfassenden Überblick wird verwiesen auf die Darstellung von Cordewener, Grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung im Europäischen Recht, DStJG 28 (2005), S. 254 ff.; Cordewener/Dahlberg/Pistone/Reimer/Romano, The Tax Treatment of Foreign Losses: Ritter, M & S, and the Way Ahead (Part One), European Taxation 2004, S. 135 ff.; Cordewener/Dahlberg/Pistone/Reimer/Romano, The Tax Treatment of Foreign Losses: Ritter, M & S, and the Way Ahead (Part Two), European Taxation 2004, S. 218 ff.; Prokisch, Grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung, DStJG 29 (2005), S. 229 ff.; Scheunemann, Grenzüberschreitende konsolidierte Konzernbesteuerung, 2005; Ehrich, Auslandsverluste im Spannungsfeld von Abkommens- und Europarecht, 2007; Wimpissinger, Steuerliche Verlustverrechnung nach EG-Recht, 2006; Zoll, Grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung bei gewerblichen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften, 2001.

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Verlustberücksichtigung

juristische Selbstständigkeit der Tochtergesellschaft einer unmittelbaren Verrechnung mit Verlusten der Muttergesellschaft entgegensteht. 1. Grundsatz: Trennungsprinzip Ausgangspunkt der Betrachtung der grenzüberschreitenden Verlustberücksichtigung bei Tochtergesellschaften ist das Trennungsprinzip.738 Nach diesem knüpft das Steuerrecht an die zivilrechtliche Unterschiedlichkeit von Mutter- und Tochtergesellschaft an, sodass beide als eigenes Steuersubjekt gesondert besteuert werden. Die steuerliche Gewinnermittlung erfolgt grundsätzlich subjektbezogen, d. h. ein steuerlicher Gewinn bzw. Verlust kann nur von dem Steuersubjekt geltend gemacht werden, das diesen Verlust auch erlitten hat.739 Dies gilt auch für Gesellschaften innerhalb eines Konzernverbundes.740 Für den grenzüberschreitenden Fall findet dieses Prinzip einer gesonderten Besteuerung nach Steuersubjekten seinen Ausdruck in Art. 7 OECD-Musterabkommen, wonach Gewinne, und spiegelbildlich auch Verluste, eines Unternehmens nur im jeweiligen Ansässigkeitsstaat besteuert werden. 2. Verlustberücksichtigung nach nationalem Recht Das Trennungsprinzip gilt allerdings nicht absolut, sondern wird abgeschwächt durch Verlustzurechnungsregime, die je nach nationaler Ausgestaltung eine wechselseitige Zuordnung von steuerpflichtigen Einkommen innerhalb einer Gruppe vorsehen.741 Dabei wird in der Regel das Trennungsprinzip nicht durchbrochen, sondern nur abgeschwächt, da die einzelnen Gruppenmitglieder Steuersubjekte bleiben.742 ________________________ 738 Vgl. dazu bereits 1. Teil; C; III. 739 Herzig, Einschränkungen der Verlustnutzung bei Kapitalgesellschaften, in: Lehner (Hrsg), Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 37 ff. 740 Scheunemann, Grenzüberschreitende konsolidierte Konzernbesteuerung, 2005, S. 19 ff. 741 Vgl. zum Überblick der Gruppenbesteuerungssysteme in Europa Ehrich, Auslandsverluste im Spannungsfeld von Abkommens- und Europarecht, 2007, S. 21 ff.; Endres, Verlustberücksichtigung über Grenzen hinweg – Vergleichende Gegenüberstellung der Verlustverrechnungsmöglichkeiten in 33 Ländern, 2006. 742 Scheunemann, Grenzüberschreitende konsolidierte Konzernbesteuerung, 2005, S. 23; anders allerdings noch der RFH im „Shell“-Urteil, in dem deutsche Tochtergesellschaften ausländischer Kapitalgesellschaften als Betriebsstätten angesehen wurden, vgl. RFH-Urteil vom 30.1.1930, I A 226/29, RStBl. 1930, S. 148. Diese Auffassung wurde vom BFH allerdings nicht fortgesetzt, sodass heute völlig unbestritten ist, dass die Mitglieder einer Gruppe (im deutschen Recht Organträger und Organgesellschaften) gesellschafts- und steuerrechtlich selbstständig bleiben, vgl. BFH-Urteil vom 7.4.1959, I 2/58, BStBl. III 1959, S. 233.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

Gruppenregime ermöglichen, dass bei wirtschaftlicher Interessenidentität und organisatorischer Ausrichtung auf diese wirtschaftliche Einheit die Leistungsfähigkeit der Gruppe insgesamt zum Anknüpfungspunkt der Besteuerung gemacht wird. Sie haben also zum Ziel, dass ein Konzern „einem Unternehmen mit mehreren Betriebsstätten gleichzustellen“ ist.743 Im deutschen Recht ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG das Einkommen einer Organgesellschaft der Organträgerin zuzurechnen, wofür die finanzielle und wirtschaftliche Eingliederung durch Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages nach § 291 AktG Voraussetzung ist. Eine grenzüberschreitende Verlustverrechnung ist dagegen nach deutschem Recht aus zwei Gründen nicht möglich: Zum einen setzt die Regelung des § 14 KStG (ggf. i. V. m. § 17 KStG) im Grundsatz die Ansässigkeit des Organträgers und der Organgesellschaft im Inland voraus. Ferner ist nach allgemeiner Meinung der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags zivilrechtlich für ausländische Gesellschaften nicht möglich, da es sich bei diesem nicht um einen privatautonomen, sondern um einen gesellschaftsrechtlichen Organisationsvertrag handelt, für den nach Internationalem Privatrecht das Gesellschaftsstatut der Untergesellschaft einschlägig ist.744 Nach nationalem Recht werden die Verluste der Tochtergesellschaft bei der Muttergesellschaft über die zeitlich unmittelbare Berücksichtigung im Rahmen der Organschaft hinaus als eigene Verluste berücksichtigt, wenn die Beteiligung infolge der Verluste der Tochtergesellschaft einer voraussichtlich dauernden Wertminderung unterliegt.745 In diesem Fall kann der (verminderte) Teilwert der Beteiligung im Vermögen der Muttergesellschaft gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 i. V. m. Nr. 1 Satz 3 EStG (ggf. i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG) angesetzt werden. Bei Beteiligungen inländischer Muttergesellschaften an ausländischen Tochtergesellschaften ist eine solche Teilwertabschreibung allerdings nach § 2a Abs. 1 Nr. 3a, Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Satz 1 EStG eingeschränkt. Im Ergebnis ist damit nach deutschem Recht eine grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung bei Tochtergesellschaften nicht möglich. Fraglich ist, ob dies den europarechtlichen Anforderungen genügt.

________________________ 743 Generalanwältin Kokott, Schlussantrag vom 12.09.2006 – Rs. C-231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373, Rn. 38. 744 Vgl. Scheunemann, Praktische Anforderungen einer grenzüberschreitenden Verlustberücksichtigung im Konzern in Inbound- und Outboundfällen nach der Entscheidung Marks & Spencer, IStR 2006, S. 145 ff., 146. 745 Schön, Perspektiven der Konzernbesteuerung, ZHR 171 (2007), S. 409 ff., 416 („lediglich eine Frage der bilanzrechtlichen Konvention“).

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Verlustberücksichtigung

3. Vorgaben des Europarechts für die grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung Eine Untersuchung der Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit auf die grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung setzt eine Auseinandersetzung mit den übrigen europarechtlichen Vorgaben voraus, da der Diskussion über diese Vorgaben auch für die Frage einer Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der Verlustberücksichtigung wichtige Hinweise zu entnehmen sind. Zudem sind die europarechtlichen Anforderungen im Übrigen der „Rahmen“, in den sich eine mit der Rechtsformwahlfreiheit vereinbare Lösung der grenzüberschreitenden Verlustberücksichtigung einfügen muss. Die europarechtlichen Anforderungen sind insbesondere vor dem Hintergrund aktueller Entscheidungen des EuGH zu betrachten.746 a) Wegzugsfall Bedeutend für die Behandlung von Verlusten ausländischer Tochtergesellschaften im Sitzstaat der Muttergesellschaft ist insbesondere die bereits angesprochene Entscheidung „Marks & Spencer“ 747. In dieser Entscheidung hat der EuGH die Begrenzung der Verlustberücksichtigung auf inländische Tochtergesellschaften akzeptiert, es sei denn, die Verluste einer ausländischen Tochtergesellschaft sind in ihrem Sitzstaat (durch Verlustvortrag, Verlustrücktrag oder Verrechnung mit anderen Konzerngesellschaften in diesem Mitgliedstaat) endgültig nicht mehr nutzbar. Entscheidungserheblich war für den EuGH allein die Diskriminierung nach der Ansässigkeit der Tochtergesellschaft, da das nationale Recht im konkreten Fall die Zurechnung der Verluste von Tochtergesellschaften im Rahmen eines Gruppenbesteuerungsregimes ermöglichte.748 Aus der Prüfung der Rechtfertigung der Diskriminierung durch den EuGH können für den Vergleich mit der Verlustberücksichtigung bei Betriebsstätten wichtige Erkenntnisse gezogen werden. Zudem bezog der EuGH seine Argumentation auch auf einen möglichen Verstoß gegen die Rechtsform________________________ 746 Insbesondere EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10857; EuGH-Urteil vom 21.2.2006 – Rs. C-152/03 („RitterCoulais“), EuGHE 2006, I-1711; EuGH-Urteil vom 29.3.2007 – Rs. C-347/04 („REWE“), EuGHE 2007, I-2647; EuGH-Urteil vom 18.7.2007 – Rs. C-231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373. 747 EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10857; vgl. 2. Teil; A; VII. 748 Siehe dazu EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10857, Rn. 33 f. und zur Bedeutung der Rechtsformwahlfreiheit in dieser Entscheidung bereits oben unter 2. Teil; A; VII.

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wahlfreiheit.749 Er berücksichtigte dabei drei bisher einzeln nicht erfolgreiche Rechtfertigungsgründe, die er insgesamt als zwingenden Grund des Allgemeininteresses einstufte: Zwar sei die Nicht-Besteuerung der Gewinne einer ausländischen Tochtergesellschaft für sich noch kein rechtfertigender Grund, ihre Verluste von der Verrechnung mit inländischen Gewinnen auszuschließen, doch die Anerkennung der „Aufteilung der Besteuerungsbefugnis“750 durch die Mitgliedstaaten, die „Gefahr einer doppelten Verlustberücksichtigung“751 und die „Steuerfluchtgefahr“752 wurden „insgesamt“ als Rechtfertigungsgrund anerkannt.753 Dabei geht es bei den Gründen der „Aufteilung der Besteuerungsbefugnis“ und der „Steuerfluchtgefahr“ um denselben Aspekt: Dem Wirtschaftsteilnehmer soll keine Arbitragemöglichkeit eingeräumt werden, Verluste nach steuerlichen Gründen den Mitgliedstaaten zuzuordnen. Dies würde aus Sicht der Mitgliedstaaten zu unkalkulierbaren Steuereinnahmerisiken führen, die nicht mit der (veränderten) Leistungsfähigkeit der jeweils in diesen Staaten steuerpflichtigen Wirtschaftsteilnehmer in Beziehung stehen und damit die Steuersouveränität der Mitgliedstaaten gefährden würden. Die Gefahr einer doppelten Verlustnutzung ist davon zu unterscheiden, denn dabei geht es nicht um eine veränderte Zuordnung eines Verlusts, sondern um eine zusätzliche Zuordnung desselben Verlusts bei gleichzeitiger Einmalbesteuerung des korrespondierenden Gewinns. Steuersystematisch problematisch ist eine doppelte Verlustberücksichtigung aber nur, wenn die korrespondierenden Gewinne nur einmal besteuert würden.754

________________________ 749 EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10857, Rn. 52. 750 EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10857, Rn. 42 ff.; kritisch zu diesem Rechtfertigungsgrund Englisch, Grundfreiheitsbeschränkungen zwecks Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis, SWI 2007, S. 399 ff. 751 EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10857, Rn. 42 ff. 752 EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10857, Rn. 42 ff. 753 Diese drei Rechtfertigungsgründe prüft der EuGH seitdem in ständiger Rechtsprechung. Allerdings verlangt er nicht mehr, dass diese gleichzeitig vorliegen; es genügt jedenfalls, wenn zwei von drei gegeben sind, vgl. EuGH-Urteil vom 18.7.2007 – Rs. 231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373, Rn. 60 und EuGH-Urteil vom 15.5.20008 – Rs. 141/06 („Lidl Belgien“), EuGHE 2008, I-3601, Rn. 41 ff. 754 Generalanwältin Kokott, Schlussantrag vom 12.09.2006 – Rs. C-231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373, Rn. 54.

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b) Zuzugsfall In der Entscheidung „Oy AA“ 755 bestätigt der EuGH im Grundsatz seine Linie aus „Marks & Spencer“ 756 und überträgt sie auf einen Zuzugsfall. Es ging um eine auf inländische Gesellschaften begrenzte Möglichkeit, sog. Konzernbeiträge zu leisten. Diese sollten einen Gewinnausgleich ermöglichen, um steuerliche Nachteile aus der Konzernstruktur, also der Aufteilung der wirtschaftlichen Einheit auf selbstständige Gesellschaften, zu beseitigen. Die Regelung verfolgte also das Ziel, den Konzern dem Einheitsunternehmen gleichzustellen.757 Der EuGH stellt spiegelbildlich zu „Marks & Spencer“ auf die Diskriminierung inländischer Tochtergesellschaften je nach Ansässigkeit der Muttergesellschaft ab.758 Daneben begründet der EuGH eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, anders als in „Marks & Spencer“, auch mit dem Gebot der Rechtsformwahlfreiheit: Durch die Nicht-Einbeziehung der finnischen Tochtergesellschaften in die Regelungen des Konzernbeitrags werde die Niederlassungsfreiheit ausländischer Gesellschaften behindert, weil die freie Wahl der Rechtsform zwischen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften auf diese Weise beeinträchtigt würde.759 Wie in „Marks & Spencer“ hält der EuGH die Regelung aber für gerechtfertigt, weil sie geeignet sei, die „ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis“ zu wahren und der „Vermeidung einer Steuerumgehung“ zu dienen.760 c) Zwischenergebnis Für die vorliegende Untersuchung ist damit festzuhalten, dass nach Auffassung des EuGH eine Einschränkung einer grenzüberschreitenden Verlustberücksichtigung bei Tochtergesellschaften gerechtfertigt werden kann.761 ________________________ 755 EuGH-Urteil vom 18.7.2007 – Rs. C-231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373; vgl. dazu ausführlich 2. Teil; A; X. 756 EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10857. 757 EuGH-Urteil vom 18.7.2007 – Rs. C-231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373, Rn. 22. 758 EuGH-Urteil vom 18.7.2007 – Rs. C-231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373, Rn. 31 f. 759 EuGH-Urteil vom 18.7.2007 – Rs. C-231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373, Rn. 39 f., siehe dazu bereits 2. Teil; A; X; 4. 760 EuGH-Urteil vom 18.7.2007 – Rs. C-231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373, Rn. 59. 761 EuGH-Urteil vom 18.7.2007 – Rs. C-231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373, Rn. 40 i. V. m. 60; EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10857, Rn. 52. Zur Gestaltung einer grenzüberschreitenden Verlustverrechnung nach „Marks & Spencer“ siehe Linn/Reichl/Wittkowski, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung: Möglichkeiten und Grenzen, BB 2006, S. 630 ff.

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Eine solche Rechtfertigung ist nach Auffassung des EuGH, vereinfachend zusammengefasst, erstens möglich, wenn die Mitgliedstaaten durch die beschränkende Regelung sicherstellen, dass die Gewinne genau einmal besteuert werden, d. h. eine doppelte Verlustberücksichtigung bei nur einmaliger Gewinnbesteuerung verhindert wird. Zweiter anerkannter Rechtfertigungsgrund ist, zu verhindern, dass die Aufteilung der Besteuerungshoheit der Mitgliedstaaten durch Arbitragemöglichkeiten der Steuerpflichtigen in Bezug auf die Verlustzuordnung unterlaufen wird. Diese Vorgaben des EuGH werden zugrunde gelegt, wenn im Anschluss an die Betrachtung der grenzüberschreitenden Verlustberücksichtigung bei Betriebsstätten die Auswirkungen des Grundsatzes der Rechtsformwahlfreiheit auf die grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung untersucht werden.

II. Verlustberücksichtigung bei Betriebsstätten Bei Einheitsunternehmen ist im Grundsatz eine grenzüberschreitende Berücksichtigung der Betriebsstättenverluste bei der Besteuerung angelegt, wenngleich infolge doppelbesteuerungsrechtlicher Praxis dies faktisch in Frage gestellt wird. 1. Grundsatz: Transparenzprinzip Ausgangspunkt für die Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste durch den Sitzstaat des Stammhauses ist das bereits vorgestellte Transparenzprinzip: Betriebsstätte und Stammhaus sind zivil- und steuerrechtlich Teil eines einheitlichen Unternehmens.762 Unter Geltung des Welteinkommensprinzips ist es daher im Grundsatz eine Selbstverständlichkeit, dass in die Ermittlung des Ergebnisses dieses Einheitsunternehmens im Sitzstaat nicht nur die weltweiten Gewinne, sondern auch die weltweiten Verluste mit einbezogen werden: Es sind, anders als im Fall einer Tochtergesellschaft, eigene Verluste des Unternehmens. In der Sache weniger selbstverständlich, aber in der Praxis ebenso üblich, ist die Begrenzung des Steuerzugriffs des Betriebsstättenstaats: Aus der territorialen Begrenzung der beschränkten Steuerpflicht wird üblicherweise gefolgert, dass der Betriebsstättengewinn ohne Berücksichtigung von Gewinnen und Verlusten des Einheitsunternehmens in anderen Staaten ermittelt wird.763

________________________ 762 Vgl. 1. Teil; C; II; 2. 763 Vgl. Seer, Beschränkte Steuerpflicht und Gemeinschaftsrecht, in: Gassner/Lang/ Lechner/Schuch/Staringer (Hrsg), Die beschränkte Steuerpflicht im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 2004, S. 37 ff., 51.

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2. Verlustberücksichtigung nach nationalem Recht Nach nationalem Recht wird der Gewinn auf Grundlage des Welteinkommensprinzips, also unter Einbeziehung auch aller Erträge und Verluste ausländischer Betriebsstätten, gemäß § 2 Abs. 1 EStG und § 1 Abs. 2 KStG ermittelt.764 Umgekehrt werden Betriebsstätten ausländischer Unternehmen im Grundsatz nur mit inländischen Erträgen und Verlusten gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2a, § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 1 Abs. 4 EStG und § 49 Abs. 1 Nr. 2a, § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 2 und § 8 Abs. 1 KStG berücksichtigt. Die daraus resultierende Doppelbesteuerung ausländischer Betriebsstätteneinkünfte wird unilateral durch Anrechnung der ausländischen Steuer gemäß § 34c Abs. 1 EStG i. V. m. § 34d Nr. 2a EStG (ggf. § 8 Abs. 1 KStG) beseitigt. Korrespondierend sind ausländische Verluste zwar Bestandteil der inländischen Bemessungsgrundlage; sie mindern aber zugleich die Betriebsstättengewinne und werden so, korrespondierend mit der Doppelbesteuerung, zweimal berücksichtigt. Im Ergebnis mindern sie die Besteuerung im Betriebsstättenstaat und damit zugleich die anzurechnende ausländische Steuer. Üblich ist allerdings die Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte durch Vereinbarung der Freistellungsmethode in den deutschen Doppelbesteuerungsabkommen nach Vorbild von Art. 23A OECD-Musterabkommen unter Progressionsvorbehalt nach Vorbild von Art. 23A Abs. 3 OECDMusterabkommen. Welche Bedeutung die Vereinbarung der Freistellungsmethode auf die Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste hat, ist umstritten: Ganz überwiegend wurde bislang die „Symmetriethese“ vertreten, nach der korrespondierend mit der Freistellung der Gewinne auch Verluste einer ausländischen Betriebsstätte nicht berücksichtigt werden.765 Eine Berücksichtigung der Verluste erfolgt in diesen Fällen allenfalls durch einen sog. negativen Progressionsvorbehalt, der zumindest den Steuersatz auf die inländischen Gewinne anwendet, der sich in Bezug auf die um die Auslandsverluste geminderte Bemessungsgrundlage ergibt.766 Nach Vorlagen des BFH ________________________ 764 Eine Einschränkung erfolgt allerdings bereits in § 2a EStG, dessen Absatz 3, der eine Berücksichtigung ausländischer Verluste auch bei Freistellung mit Nachversteuerung vorsah, abgeschafft wurde. Vgl. zur Europarechtskonformität von § 2a EStG Hruschka, „Totgesagte leben länger“ – Bedeutet die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „Ritter-Coulais“ das Ende von § 2a EStG?, IStR 2006, S. 629 ff. 765 Vgl. zum Überblick Cordewener, Grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung im Europäischen Recht, DStJG 28 (2005), S. 254 ff., 282 ff.; Kessler, Ausländische Betriebsstättenverluste, in: Lehner (Hrsg), Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 83 ff. 766 Dies spielt natürlich für Kapitalgesellschaften als Niederlassungssubjekt wegen des linearen Tarifs keine Rolle.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

setzte sich der EuGH mit der Vereinbarkeit dieser Auffassung mit der Niederlassungsfreiheit auseinander.767 3. Anforderungen des Europarechts an die grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung Im Folgenden wird unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des EuGH zur Berücksichtigung von Betriebsstättenverlusten zunächst die Vereinbarkeit der Symmetriethese mit der Niederlassungsfreiheit geprüft. Im Anschluss wird der Frage nachgegangen, ob die territoriale Beschränkung durch den Quellenstaat mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist. Beide Aspekte sind für die Vergleichbarkeit mit der Verlustberücksichtigung bei Tochtergesellschaften von Bedeutung: Zum einen führt die Symmetriethese zu einer Abschottung des Betriebsstättenergebnisses, wie dies im Grundsatz aus dem Trennungsprinzip folgt. Dieses wurde durch den EuGH aber partiell in Frage gestellt.768 Zum anderen stellt die eingeschränkte Verlustberücksichtigung durch den Betriebsstättenstaat eine Besonderheit der Betriebsstättenbesteuerung dar, da im Gegensatz dazu die Tochtergesellschaft mit ihrem Welteinkommen unbeschränkt steuerpflichtig ist.

________________________ 767 EuGH-Urteil vom 15.5.20008 – Rs. 141/06 („Lidl Belgien“), EuGHE 2008, I-3601, Rn. 41 ff., BFH-Beschluss vom 28.6.2006; Rs. I R 84/04, BStBl. II 2006, 861 (EuGH Rs. C-414/06); BFH-Beschluss vom 22.8.2006, Rs. I R 116/04, BStBl. II 2006, 864 (EuGH Rs. C-415/06); BFH-Beschluss vom 29.11.2006, Rs. I R 45/05) (EuGH Rs. C-157/07); vgl. zu den Vorlagebeschlüssen Lieber, Ist die Nichtberücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste gemeinschaftsrechtswidrig? – EuGHVorlagebeschlüsse des BFH vom 28.06.2006 und vom 22.08.2006 – Die Wirtschaftsprüfung 2007, S. 118 ff.; vgl. zur Übersicht Schönfeld, Betriebsstättenbesteuerung und Gemeinschaftsrecht, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz (Hrsg), Betriebsstättengewinnermittlung, 2006, S. 577 ff., 591 (Rn. 11.9); Cloer/Lavrelashvili, Ritter-Coulais: Das BMF-Schreiben vom 24.11.2006 im Lichte des Europarechts, BB 2007, S. 187 ff.; Beck, Auswirkungen von Verlusten ausländischer Betriebsstätten auf die Höhe des Einkommensteuersatzes, IStR 2007, S. 53 ff.; Cordewener, DBA-Freistellung von Auslandsverlusten und EG-Grundfreiheiten: Klärung aufgeschoben, aber (hoffentlich) nicht aufgehoben! – Anmerkung zu FG Baden-Württemberg, Gerichtsbescheid vom 30.6.2004 (1 K 312/03, Rev. I R 84/04), DStR 2004, S. 1634 ff.; Kinzl, Zuordnung von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen zu ausländischen Betriebsstätten, IStR 2005, S. 693 ff.; Balmes/Grammel/Sedemund, Berücksichtigung von Betriebsstättenverlusten trotz Freistellungsmethode, BB 2006, S. 1474 ff.; Rehm/Feyerabend/Nagler, Die Renaissance der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung!, IStR 2006, S. 7 ff. 768 Siehe dazu soeben 5. Teil; A; I; 3; a.

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Verlustberücksichtigung

a) Wegzugsfall Die unilaterale Anrechnung und die Anrechnung nach Maßgabe der Doppelbesteuerungsabkommen (vgl. Art. 23 B OECD-Musterabkommen) unterliegen, soweit es um die grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung geht, im Grundsatz keinen europarechtlichen Bedenken, da die ausländischen Betriebsstättenverluste wie inländische Verluste berücksichtigt werden.769 Problematisch ist vielmehr allein die Frage, ob bei Freistellung der Auslandseinkünfte ein Verlustausgleich mit inländischen Einkünften nach der Symmetriethese ausgeschlossen ist.770 Vor dem Hintergrund der selbstverständlichen Verrechnung der inländischen Betriebsstättenverluste mit inländischen Gewinnen besteht weitgehend Einigkeit, dass eine Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts vorliegt, wenn ausländische Betriebsstättenverluste nicht berücksichtigt werden.771 Für die Rechtfertigung können insbesondere die Gründe erwogen werden, die der EuGH in „Marks & Spencer“ 772 zur Rechtfertigung der eingeschränkten Verlustberücksichtigung bei Tochtergesellschaften herangezogen hat.773 Im ersten Zugriff könnte man eine symmetrische Nicht-Berücksichtigung in Anlehnung an die Entscheidung „Marks & Spencer“ als Ausdruck der rechtfertigungstauglichen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen ________________________ 769 Cordewener/Dahlberg/Pistone/Reimer/Romano, The Tax Treatment of Foreign Losses: Ritter, M & S, and the Way Ahead (Part One), European Taxation 2004, S. 135 ff.; Cordewener/Dahlberg/Pistone/Reimer/Romano, The Tax Treatment of Foreign Losses: Ritter, M & S, and the Way Ahead (Part Two), European Taxation 2004, S. 218 ff. Dies gilt nicht für die Anrechnungsmethode insgesamt, die massiv in der Kritik steht, vgl. zuletzt Lehner, Die Reform der Kapitaleinkommensbesteuerung im Rahmen des Verfassungs- und Europarechts, DStJG 30 (2007), S. 61 ff.; Lehner, Das Territorialitätsprinzip im Licht des Europarechts, in: Gocke/Gosch/Lang (Hrsg), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung – Festschrift für Franz Wassermeyer zum 65. Geburtstag, 2005, S. 241 ff. 770 Siehe aktuell zur Frage der Verlustberücksichtigung bei Geltung der Freistellungsmethode Kessler, Ausländische Betriebsstättenverluste, in: Lehner (Hrsg), Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 83 ff.; Kessler/Schmitt/ Janson, Berücksichtigungsverbot abkommensrechtlich „befreiter“ Betriebsstättenverluste? – Analyse der BFH-Rechtsprechung unter Berücksichtigung von Verfassungs- und Europarecht nach AMID, IStR 2001, S. 729 ff.; Koch, Ist die Anrechnung ausländischer Betriebsstättenverluste in Deutschland möglich?, RIW 2007, S. 371 ff. 771 Auch der EuGH stellt daher im EuGH-Urteil vom 15.5.20008 – Rs. 141/06 („Lidl Belgien“), EuGHE 2008, I-3601, Rn. 24 ff. eine Diskriminierung fest; auf die Rechtsformwahlfreiheit geht er nicht ein. 772 EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10857. 773 So auch der EuGH, vgl. EuGH-Urteil vom 15.5.20008 – Rs. 141/06 („Lidl Belgien“), EuGHE 2008, I-3601, Rn. 27 ff.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

den Mitgliedstaaten werten.774 Man könnte sogar noch weitergehend sagen, dass eine solche Beschränkung der Besteuerungsbefugnis durch Freistellung ausländischer Einkünfte die Gleichbehandlung mit Steuerpflichtigen mit inländischer Betriebsstätte gerade ermöglicht: Die Besteuerung bezieht sich dann jeweils nur auf die im Inland erzielten Gewinne und korrespondierend auch nur auf die aus der Inlandstätigkeit resultierenden Verluste. Nach diesem Verständnis ist das Territorialitätsprinzip ein „Ursprungsprinzip“, das den Steuerzugriff für inlands- wie auslandsansässige Personen auf die territorial bezogenen inländischen Einkünfte beschränkt und durch eine äquivalenztheoretische Rechtfertigung zugleich begründet.775 Allerdings widerspricht ein solches Verständnis des Territorialitätsprinzips dem Gedanken eines vollkommenen-föderalen Binnenmarkts: Eine Aufteilung des Binnenmarkts in nationale „Besteuerungskästchen“, also die Vorstellung eines territorial fragmentierten Binnenmarkts, ist mit der Vorstellung eines einheitlichen Wirtschaftsraums nicht vereinbar.776 Es steht im offenen Widerspruch zum Grundgedanken eines einheitlichen Markts, bereits im Grundsatz zwischen inländischen und ausländischen Einkünften zu differenzieren.777 Eine solche Unterscheidung zwingt den Wirtschaftsteilnehmer zu ineffizienten Konzentrationshandlungen, die mit dem Gedanken einer effizienten Ressourcenallokation in einem vollkommenen-föderalen Binnenmarkt unvereinbar sind.778 ________________________ 774 EuGH-Urteil vom 15.5.20008 – Rs. 141/06 („Lidl Belgien“), EuGHE 2008, I-3601, Rn. 31 ff., vgl. dazu Schwenke, Anmerkungen zum Vorlagebeschluss des BFH an den EuGH vom 22. August 2006 – I R 116/04, IStR 2006, S. 818 ff. 775 Vgl. Lehner, Begrenzung der nationalen Besteuerungsgewalt durch die Grundfreiheiten und Diskriminierungsverbote des EG-Vertrages, DStJG 23 (2000), S. 263 ff.; Lehner, Das Territorialitätsprinzip im Licht des Europarechts, in: Gocke/Gosch/Lang (Hrsg), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung – Festschrift für Franz Wassermeyer zum 65. Geburtstag, 2005, S. 241 ff., 245; 252 ff.; zur Auseinandersetzung mit dem Verständnis von Territorialität im Binnenmarkt siehe ausführlich Schön, Unternehmensbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, StbJb 2003/2004, S. 27 ff., 36 f.; vgl. zu den Folgen eines Wettbewerbs der Steuerordnungen Schön, Der „Wettbewerb“ der europäischen Steuerordnungen als Rechtsproblem, DStJG 23 (2000), S. 191 ff. 776 Schön, Unternehmensbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, StbJb 2003/2004, S. 27 ff., 36 ff. 777 Schön, Losing Out at the Snooker Table: Cross-Border Loss Compensation for PE’s and the Fundamental Freedoms, in: Hinnekens (Hrsg), Liber Amicorum Vanistendael – A vision on taxes within and outside European borders, 2007, S. 813 ff. 778 Siehe dazu ausführlich oben 3. Teil; A; II; 3. Vgl. auch die Vorgabe des Territorialitätsprinzips zugunsten einer an der Leistungsfähigkeit orientierten Steuerbelastung einschränkend Lehner, Das Territorialitätsprinzip im Licht des Europarechts, in: Gocke/Gosch/Lang (Hrsg), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung – Festschrift für Franz Wassermeyer zum 65. Geburtstag, 2005,

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Verlustberücksichtigung

Auch der hinter dem Schutz der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse stehende Grund für die Einschränkung der Verlustberücksichtigung, die Verhinderung von Arbitragemöglichkeiten der Wirtschaftsteilnehmer, passt bei näherer Betrachtung bei Betriebsstätten nicht: Dem Ansässigkeitsstaat des Stammhauses ist es, anders als dem Sitzstaat der Muttergesellschaft, möglich, eine endgültige Zuordnung des Verlusts zu seinen Lasten zu verhindern, indem er unilateral eine Regelung zur unmittelbaren Verlustverrechnung mit Nachversteuerung treffen kann.779 Eine Verlustverrechnung mit Nachversteuerung ist im Fall ausländischer Betriebsstätten, die Teil eines inlandsansässigen Unternehmens sind, im Gegensatz zur Lage bei ausländischen Tochtergesellschaften, ohne weiteres möglich, da die Betriebsstätteneinkünfte im Grundsatz der Besteuerungshoheit auch des Sitzstaates des Einheitsunternehmens unterliegen.780 Der Sitzstaat der Muttergesellschaft kann eine solche Regelung, die mit einer Besteuerung einer im Ausland ansässigen Person, der Tochtergesellschaft, verbunden ist, hingegen nur eingeschränkt unilateral umsetzen.781 Allerdings ist auch bei Tochtergesellschaften eine unmittelbare Verlustverrechnung mit Nachversteuerung durchaus denkbar.782 ________________________

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S. 241 ff., 260: Wenn ausländische Verluste im Quellenstaat nicht berücksichtigt werden können, müssten diese im Ausnahmefall auch im Herkunftsstaat berücksichtigt werden. Beispielhaft ist auf die frühere Regelung des § 2a Abs. 3 EStG zu verweisen, die bis 1999 im Grundsatz eine Verlustverrechnung ausländischer Betriebsstättenverluste mit einem Recht zur Nachversteuerung zukünftiger Betriebsstättengewinne vorsah. Der EuGH „kopiert“ allerdings ohne jede Differenzierung seine Rechtfertigungsargumentation aus „Mark & Spencer“ (EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-446/03 („Mark & Spencer“), EuGHE 2005, I-10857) und sieht daher die Symmetriethese als gerechtfertigt an, vgl. EuGH-Urteil vom 15.5.20008 – Rs. 141/06 („Lidl Belgien“), EuGHE 2008, I-3601, Rn. 42 ff. Schön, Losing Out at the Snooker Table: Cross-Border Loss Compensation for PE’s and the Fundamental Freedoms, in: Hinnekens (Hrsg), Liber Amicorum Vanistendael – A vision on taxes within and outside European borders, 2007, S. 813 ff. Siehe zum Konzept einer grenzüberschreitenden Verlustverrechnung mit Nachversteuerung aktuell die Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschaftsausschuss vom 19.12.2006, „Steuerliche Behandlung von Verlusten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten“, KOM(2006) 824 endgültig; Abschnitt 2.3 und den früheren Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über eine Regelung für Unternehmen zur Berücksichtigung der Verluste ihrer in anderen Mitgliedstaaten belegenen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften (KOM(90) 595 endg.) vom 24.1.1991; Abl. Nr. C 53/30 vom 28.2.1991; siehe dazu ausführlich Stockmann, Verluste ausländischer Tochtergesellschaften im deutschen internationalen Steuerrecht, 2000, S. 211 ff. Dieser Vorschlag ist allgemein begrüßt worden, weil er rechtsformneutral eine grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung mit Nachversteuerung vorsah; vgl. Schön, Die Zukunft der Organschaft in der Europäischen Gemeinschaft, in: Herzig (Hrsg), Organschaft,

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Das Interesse des Quellenstaats steht einer solchen Nachversteuerungslösung nicht entgegen, da sie das Besteuerungsrecht für zukünftige Gewinne unberührt lässt; sie kompensiert nur die vorherige Verlustverrechnung durch den Herkunftsstaat und verhindert so eine endgültige Allokation des Verlusts durch den Steuerpflichtigen. Der Quellenstaat kann nach eigenem Maßstab Verluste (z. B. durch Vortrag) verrechnen und zukünftige Gewinne besteuern. Eine dadurch bestehende doppelte Berücksichtigung des Verlusts in Betriebsstätten- und Stammhausstaat korrespondiert mit einer doppelten Berechtigung der Gewinnbesteuerung (im Fall der Nachversteuerung durch den Herkunftsstaat natürlich begrenzt auf den verrechneten Verlust). Neben der fehlenden Arbitragemöglichkeit im Fall von ausländischen Betriebsstättenverlusten liegt auch eine Zuständigkeit des Herkunftsstaats für die Verrechnung der ausländischen Betriebsstättenverluste näher als im Fall einer Tochtergesellschaft: Es handelt sich um Verluste eines ansässigen, also unbeschränkt steuerpflichtigen Unternehmens. Dessen ausländische Einkünfte sind im Grundsatz Teil des Welteinkommens und werden in der Regel im Rahmen des Progressionsvorbehalts auch im Fall der Freistellung berücksichtigt. Innerhalb eines Konzerns geht es dagegen um die Verluste einer auslandsansässigen Gesellschaft. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Rechtfertigungserwägungen des EuGH in der Rechtssache „Marks & Spencer“ auf Gründen aufbauen, die sich wegen der zivilrechtlichen Unterschiedlichkeit von Mutterund Tochtergesellschaft nicht auf die Verlustberücksichtigung bei Betriebsstätten übertragen lassen: Mit der Übertragung des Verlusts auf eine andere Person, die Muttergesellschaft, würde der Verlust grundsätzlich in die ausschließliche Besteuerungshoheit eines anderen Mitgliedstaats übertragen. Im Fall der Betriebsstätte ist hingegen eine Nachversteuerung der Betriebsstättengewinne schon im Welteinkommensprinzip angelegt. Der EuGH hat sich dieser differenzierenden Betrachtung nicht geöffnet: In seiner Entscheidung in der Rechtssache „Lidl-Belgien“ legte er auf der Rechtfertigungsebene die in „Marks & Spencer“ aufgestellten Maßstäbe – ohne nur mit ________________________ 2003, S. 612 ff., 613 Vgl. auch Danelsing, Reform der inländischen Organschaftsbesteuerung – Die österreichische Gruppenbesteuerung als ein mögliches Modell, DStR 2005, S. 1342 ff.; Ewald, Berücksichtigung von Verlusten ausländischer Tochtergesellschaften bei Existenz einer Nachversteuerungsregelung im Inland, IStR 2006, S. 155 ff.; siehe zur aktuellen Regelung einer Verlustverrechnung mit Nachversteuerung in Österreich Müller/Müller, Europaweite Konzernbesteuerung – Auswirkungen auf das deutsche Recht, GmbHR 2005, S. 1550 ff.; Ewald, Berücksichtigung von Verlusten ausländischer Tochtergesellschaften bei Existenz einer Nachversteuerungsregelung im Inland, IStR 2006, S. 155 ff.; Kessler/Daller, Die österreichische Gruppenbesteuerung aus Sicht der ausländischen Gruppenmitglieder – investitionsentscheidungsbeeinflussende Faktoren, IStR 2006, S. 289 ff.

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einem Wort auf die zivilrechtlichen Unterschiede einzugehen – an. Die abkommensrechtliche Nichtberücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste sei grundfreiheitlich nicht anders zu würdigen als die Versagung des Verlustausgleichs bei einer ausländischen Tochtergesellschaft. Um der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse willen und zur Vermeidung doppelter Verlustberücksichtigung sei die Diskriminierung gerechtfertigt. Eine Ausnahme sei – wie bei Tochtergesellschaften – nur geboten, wenn im Quellenstaat endgültig – keine Verlustberücksichtigung mehr möglich ist.783 Die Entscheidung des EuGH überzeugt aus den dargelegten Gründen nicht: Zum einen fehlt es an der Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften, soweit es um die Frage der Verlustberücksichtigung geht, so dass die Übertragung der Maßstäbe aus „Marks & Spencer“ zu kurz greift. Zum anderen ist auch sodann bei „Marks & Spencer“ zu Unrecht die Möglichkeit einer unmittelbaren Verlustverrechnung mit Nachversteuerung nicht beachtet worden. Im Folgenden wird daher daran festgehalten, dass richtigerweise – und entgegen der jüngsten EuGH-Rechtsprechung – Art. 43 EG die grundsätzliche Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste verlangt. Eine Rechtfertigung der Diskriminierung ausländischer Betriebsstättenverluste ist daher nicht möglich. Soweit der Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit eine Gleichbehandlung von Verlusten ausländischer Betriebsstätten und Tochtergesellschaften verlangt, ist im Wegzugsfall mithin die grundsätzliche Berücksichtigung der Verluste zum Maßstab zu nehmen. b) Zuzugsfall Für die Frage der Verlustberücksichtigung durch den Betriebsstättenstaat scheint die Antwort noch klarer vorgegeben als im Wegzugsfall: Nach der Entscheidung in der Rechtssache „Futura“ 784 kann sich der Betriebsstättenstaat auf das Territorialitätsprinzip berufen, das die Begrenzung der Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger auf die inlandsbezogenen Einkünfte anerkennt.785 Er ist nach dieser Rechtsprechung berechtigt, korrespondierend ________________________ 783 Das EuGH-Urteil vom 15.5.20008 – Rs. 141/06 („Lidl Belgien“), EuGHE 2008, I-3601, Rn. 42 ff. und zuvor schon EuGH-Urteil vom 28.2.2008 – Rs. C-293/06 („Deutsche Shell“), EuGH 2008, I-1129; siehe kritisch dazu Englisch, Anmerkung zu EuGH-Urteil vom 15.5.2008 – Rs. C-414/06 („Lidl Belgien“), IStR 2008, S. 404 ff. 784 Dazu 2. Teil; A; VIII und EuGH-Urteil vom 15.5.1997 – Rs. C-250/95 („Futura“), EuGHE 1997, I-2492. 785 Siehe zur Frage der Ungleichbehandlung von Betriebsstätte und Tochtergesellschaft im Quellenstaat hinsichtlich der Verrechnung von Verlusten Terra/Wattel, European Tax Law, 2005, S. 137 ff.; 150 ff. und Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 630 f.

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mit der inlandsbezogenen Besteuerung nur die Verluste zu berücksichtigen, die mit den Gewinnen in einem „wirtschaftlichen Zusammenhang“ stehen, die also seiner Besteuerung unterliegen.786 Ausländische Verluste, insbesondere solche aus dem Sitzstaat des Stammhauses, wären folglich von der Berücksichtigung ausgeschlossen. Hinter dem Territorialitätsprinzip steht das Äquivalenzprinzip, das wegen der Inanspruchnahme der öffentlichen Güter und Infrastruktur im Quellenstaat im Sinne einer „Gegenleistung“ besteuert.787 Aus dem Äquivalenzgedanken wird eine territoriale Radizierung des Besteuerungszugriffs auf den Erfolg nichtansässiger Unternehmen gefolgert, da der Äquivalenzgedanke allein die staatliche Infrastruktur und die lokalen Absatz- und Beschaffungsmärkte berücksichtige.788 Es bestehen allerdings Zweifel, ob die durch „Futura“ scheinbar in Stein gemeißelte Bedeutung des Territorialitätsprinzips und der damit verbundene Ausschluss der Verrechnung der Betriebsstättenverluste im Betriebsstättenstaat tatsächlich mit dem EG-Recht vereinbar ist.789 Im Grundsatz gebietet ________________________ 786 EuGH-Urteil vom 15.5.1997 – Rs. C-250/95 („Futura“), EuGHE 1997, I-2492, Rn. 18 ff.; 22. Eine Verrechnung mit Verlusten aus anderen Einkunftsquellen im Quellenstaat kann allerdings nicht verweigert werden. Die Unterscheidung in „Futura“ bezieht sich auf den Radius des Besteuerungszugriffs (Quellenstaat versus Welteinkommen). Innerhalb des territorialen Zugriffs rechtfertigt der zivilrechtliche Unterschied aber keine Einschränkungen. Eine Regelung wie § 50 Abs. 2 EStG ist daher nicht haltbar, vgl. Schön, Besteuerung im Binnenmarkt – die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, IStR 2004, S. 289 ff., 295. 787 Vgl. dazu ausführlich Lehner, Das Territorialitätsprinzip im Licht des Europarechts, in: Gocke/Gosch/Lang (Hrsg), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung – Festschrift für Franz Wassermeyer zum 65. Geburtstag, 2005, S. 241 ff., 245 ff. Siehe zum Äquivalenzprinzip grundlegend Kaufmann, Fairness and the taxation of international income, Law & Policy in International Business 1998, S. 145 ff.; Vogel, Worldwide vs. source taxation of income – A review and reevalutation of arguments (Part I), Intertax 1988, S. 216 ff.; Vogel, Worldwide vs. source taxation of income – A review and re-evalutation of arguments (Part II), Intertax 1988, S. 310 ff.; Vogel, Worldwide vs. source taxation of income – A review and re-evalutation of arguments (Part III), Intertax 1988, S. 393 ff.; vgl. auch Kemmeren, Source of Income in Globalizing Economies: Overview of the Issues and a Plea for an Origin-Based Approach, IBFD Bulletin 2006, S. 430 ff. 788 Vgl. ausführlich zur nutzentheoretischen Rechtfertigung der beschränkten Steuerpflicht und zum Quellenprinzip Hey, Die beschränkte Steuerpflicht im Licht von Territorialitätsprinzip, Isolationstheorie und Objektsteuercharakter, in: Gassner/ Lang/Lechner/Schuch/Staringer (Hrsg), Die beschränkte Steuerpflicht im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 2004, S. 15 ff. 789 Grundlegend dazu jüngst Schön, Losing Out at the Snooker Table: Cross-Border Loss Compensation for PE’s and the Fundamental Freedoms, in: Hinnekens (Hrsg), Liber Amicorum Vanistendael – A vision on taxes within and outside European bor-

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der Binnenmarktgedanke in jedem einzelnen Fall die grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung: Begreift man den Binnenmarkt als vollkommenenföderalen Wirtschaftsraum, darf die Möglichkeit zur Verrechnung von Gewinnen und Verlusten eines Unternehmens nicht davon abhängen, ob sie in einem oder in verschiedenen Mitgliedstaaten anfallen und erst recht sollte nicht entscheidend sein, in welchem von zwei Staaten der Verlust und in welchem der Gewinn anfällt. Eine territoriale Radizierung der Besteuerung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten widerspricht der Schutzrichtung der Grundfreiheiten in ihrem Kernbereich: Der grenzüberschreitende Sachverhalt wird schlechter gestellt als der inländische Sachverhalt, obwohl die ökonomische Auswirkung auf den Wirtschaftsteilnehmer und die damit verbundene Verminderung seiner Leistungsfähigkeit identisch ist. Schaut man näher hin, schwinden im Binnenmarkt vielmehr die Unterschiede zwischen ansässigen, also unbeschränkt steuerpflichtigen Marktteilnehmern und solchen, die sich grenzüberschreitend engagieren und daher im ausländischen Markt z. B. mit einer Betriebsstätte beschränkt steuerpflichtig sind. Für die Wirtschaftsteilnehmer ist der Binnenmarkt insgesamt der Markt, auf dem sie aktiv sind. Das formale Zentrum der Ansässigkeit ist nicht nur zunehmend mobil, sondern auch durch die zunehmende Reichweite der Wirtschaftsaktivität von nachlassender Bedeutung. Die Kontrastierung der beschränkten Steuerpflicht als objektbezogen und der unbeschränkten Steuerpflicht als leistungsfähigkeitsbasiert entspricht nicht der Situation eines homogenen Binnenmarkts.790 Der in der eingeschränkten Verlustberücksichtigung im Betriebsstättenstaat zum Ausdruck kommende Objektsteuercharakter ist nach hier vertretener Auffassung nicht im Wesen der beschränkten Steuerpflicht angelegt, sondern vielmehr mit den zugrunde liegenden Prinzipien und dem Grundgedanken des Europäischen Binnenmarkts unvereinbar.791 Die Wirtschaftsteilnehmer sollten unter gleichen Bedingungen miteinander in Wettbewerb treten, d. h. die steuerliche Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit muss bei beschränkt wie unbeschränkt Steuerpflichtigen gewährleistet werden. ________________________ ders, 2007, S. 813 ff.; ebenso, allerdings mit Einschränkung auf eine Parallele zur „Schumacker“-Rechtsprechung Wimpissinger, Berücksichtigung ausländischer Verluste im Quellenstaat nach Gemeinschaftsrecht, SWI 2006, S. 407 ff. 790 Siehe Schön, Besteuerung im Binnenmarkt – die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, IStR 2004, S. 289 ff., 293; Schön, Unternehmensbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, StbJb 2003/2004, S. 27 ff., 62. 791 Vgl. Hey, Die beschränkte Steuerpflicht im Licht von Territorialitätsprinzip, Isolationstheorie und Objektsteuercharakter, in: Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer (Hrsg), Die beschränkte Steuerpflicht im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 2004, S. 15 ff., 32.

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Um die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse durch die Mitgliedstaaten zu wahren, könnte auch insoweit eine Nachversteuerung zu einer Wahrung des Besteuerungsinteresses des Betriebsstättenstaats führen. Dabei müsste allerdings die Möglichkeit zu einer Nachversteuerung der Gewinne im Stammhausstaat zur Bedingung der Verlustverrechnung gemacht werden, da, anders als im Fall der Nachversteuerung der Gewinne einer Betriebsstätte durch den Stammhausstaat, die Nachversteuerung der Gewinne durch den Betriebsstättenstaat im Grundsatz nicht möglich ist, weil nach Internationalem Steuerrecht seine Besteuerungsbefugnis auf die inländischen Einkünfte begrenzt ist. Für die außerhalb des Betriebsstättenstaats erzielten Einkünfte fehlt es an einem „genuin link“.792 c) Zwischenergebnis Damit können die Anforderungen des Europarechts an die grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung im Einheitsunternehmen dahingehend zusammengefasst werden, dass im Grundsatz sowohl der Stammhausstaat als auch der Betriebsstättenstaat zur Verlustberücksichtigung verpflichtet sind. Dies gilt auch, wenn die korrespondierenden Gewinne durch Vereinbarung einer Freistellung oder wegen der beschränkten Steuerpflicht im Quellenstaat nicht steuerbar sind. Die Interessen der Mitgliedstaaten an der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse können durch eine Regelung der Nachversteuerung gewahrt werden. Damit sind die wesentlichen europarechtlichen Anforderungen, die sich aus dem Diskriminierungsverbot in Bezug auf die grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung bei Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ergeben, dargestellt. Im Folgenden kann darauf aufbauend auf die Frage eingegangen werden, welche Anforderungen sich daneben aus dem Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit ergeben.

III. Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit auf die Verlustberücksichtigung Die EU-Kommission hat keinen Zweifel, dass eine Ungleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften eine Beschränkung des Marktzugangs darstellt: „Die Art und Weise, wie grenzüberschreitende Verluste behandelt werden, können Unternehmensentscheidungen beeinflussen, ob und wie ein neuer Markt erschlossen werden soll. Das Fehlen (oder die Beschränkung) eines grenzüberschreitenden Verlustausgleichs behindert den ________________________ 792 Vgl. Lehner, Das Territorialitätsprinzip im Licht des Europarechts, in: Gocke/Gosch/ Lang (Hrsg), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung – Festschrift für Franz Wassermeyer zum 65. Geburtstag, 2005, S. 241 ff., 244.

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Zugang zu weiteren Märkten und verfestigt die künstliche Zersplitterung des Binnenmarkts entlang der nationalen Grenzen.“793 Der fehlende Verlustausgleich bei grenzüberschreitenden Sachverhalten beeinflusse insbesondere, „ob ein Unternehmen seine Aktivitäten in einem anderen Mitgliedstaat in Form einer (rechtlich selbstständigen) Tochtergesellschaft oder einer (rechtlich unselbstständigen) Betriebsstätte führt.“794 1. Meinungsstand Ob und inwieweit aus der Rechtsformwahlfreiheit ein Gebot der Gleichbehandlung beider Niederlassungsformen in Bezug auf die grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung folgt, ist umstritten: Wenige plädieren für eine Gleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften bei der grenzüberschreitenden Verlustberücksichtigung.795 Überwiegend wird eine Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der Verlustverrechnung abgelehnt.796 Dies ge________________________ 793 Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss vom 19.12.2006, KOM(2006) 824 endg. „Steuerliche Behandlung von Verlusten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten“, S. 3. 794 Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss vom 19.12.2006, KOM(2006) 824 endg. „Steuerliche Behandlung von Verlusten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten“, S. 4. 795 Vgl. beispielsweise Zoll, Grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung bei gewerblichen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften, 2001, S. 295 f. 796 Siehe beispielsweise Wattel, Corporate tax jurisdictions in the EU with respect to branches and subsidiaries; dislocation distinguished from discrimination and disparity; a plea for territoriality, EC Tax Review 2003, S. 194 ff., 197; Schön, Freie Wahl zwischen Zweigniederlassung und Tochtergesellschaft – ein Grundsatz des Europäischen Unternehmensrechts, EWS 2000, S. 281 ff., 290; Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, 2002, S. 236 f.; Kofler, Marks & Spencer: Bedingte Verpflichtung zur Hereinnahme von Verlusten ausländischer Tochtergesellschaften, ÖStZ 2006, S. 48 ff., 50; Herzig/Englisch/Wagner, Steuerliche Berücksichtigung von Verlusten ausländischer Konzerntöchter, Der Konzern 2005, S. 298 ff., 304; Herzig/Wagner, EuGH-Urteil „Marks & Spencer“ – Begrenzter Zwang zur Öffnung nationaler Gruppenbesteuerungssysteme für grenzüberschreitende Sachverhalte, DStR 2006, S. 1 ff., 5; Herzig/Wagner, EuGH-Urteil Marks & Spencer – Grenzüberschreitende Verlustverrechnung in der Gruppe, Der Konzern 2006, S. 176 ff., 180; Meussen, The Marks & Spencer case: reaching the boundaries of the EC Treaty, EC Tax Review 2003, S. 144 ff., 147; Sheppard, Dowdy Retailer Set to Destroy European Corporate Tax, Part 2, Tax Notes International 2005, S. 627 ff.; im Ausgangspunkt auch Gutmann, The Marks & Spencer case: proposals for an alternative way of reasoning, EC Tax Review 2003, S. 154 ff., 155. Für eine Gleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften hinsichtlich der Verlustverrechnung tendenziell Kinzl, Zuordnung von Kapitalgesellschaftsbeteili-

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schieht zum Teil mit dem Hinweis auf die zivil- und steuerrechtliche Selbstständigkeit der Tochtergesellschaft auf der einen und die zivil- und steuerrechtliche Einheitlichkeit von Stammhaus und Betriebsstätte auf der anderen Seite. Das Trennungsprinzip führe zu einer Abschottung hinsichtlich der Verluste, wohingegen das Welteinkommensprinzip im Grundsatz auch ausländische Betriebsstättenverluste mit einbeziehe. Andere stellen darauf ab, dass der Vergleich der Niederlassungsformen im Wegzugsfall keine Diskriminierung nach der Ansässigkeit sei.797 Differenzierend wird zum Teil eine generelle Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der Verlustberücksichtigung abgelehnt und stattdessen auf die Rechtslage im Inlandsfall abgestellt: Wenn im Inland durch ein Gruppenbesteuerungsregime Mutter- und Tochtergesellschaft wie Stammhaus und Betriebsstätte behandelt werden und ferner aufgrund des Welteinkommensprinzips die Verluste einer Betriebsstätte auch im grenzüberschreitenden Sachverhalt mit den Gewinnen des Stammhauses verrechnet werden können, dann müsse die im Inland gesetzlich begründete rechtliche Gleichstellung auch auf den grenzüberschreitenden Sachverhalt erstreckt werden.798 Unter Anwendung des Territorialitätsprinzips könnten dagegen in grenzüberschreitenden Sachverhalten weder die Gewinne noch die Verluste einer Betriebsstätte im Ergebnis des Stammhauses berücksichtigt werden, sodass dann auch keine Verlustverrechnung bei Tochtergesellschaften zugelassen werden müsste.799 Dies entspricht letztlich auch der Auffassung von Generalanwalt Maduro in seiner Stellungnahme in der Rechtssache „Marks & Spencer“: Auch dieser lehnte eine Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften im Hinblick auf die Verlustberücksichtigung mit dem Hinweis ab, das englische Gruppenbesteuerungsregime führe nicht zu einer Gleichstellung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften, da Tochtergesellschaften auch im Rahmen der Gruppenbesteuerung zivilund steuerrechtlich als eigenständige Einheit behandelt würden. Folge der Gruppenbesteuerung sei daher nicht etwa eine vollständige Konsolidierung, ________________________ gungen zu ausländischen Betriebsstätten, IStR 2005, S. 693 ff. 697: „Aus der Sicht des Herkunftsstaats besteht kein Unterschied zwischen Tochterkapitalgesellschaft im Ausland und Betriebsstätte im Ausland mit Freistellungs-DBA.“ Petritz/Schilcher, Marks & Spencer – Erste Erkenntnisse aus dem Schlussantrag von Generalanwalt M. Poires Maduro, SWI 2005, S. 233 ff., 238; vgl. auch Schön, Perspektiven der Konzernbesteuerung, ZHR 171 (2007), S. 409 ff., 416 f. 797 Hey, Die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache Marks & Spencer und die Zukunft der deutschen Organschaft, GmbHR 2006, S. 113 ff., 118. 798 Gutmann, The Marks & Spencer case: proposals for an alternative way of reasoning, EC Tax Review 2003, S. 154 ff. 799 Gutmann, The Marks & Spencer case: proposals for an alternative way of reasoning, EC Tax Review 2003, S. 154 ff.

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wie sie bei Betriebsstätten stattfinde.800 Es komme also auf die Ausgestaltung des Gruppenbesteuerungsregimes an, ob Betriebsstätten und Tochtergesellschaften vergleichbar seien.801 Die zivilrechtlichen Unterschiede beider Niederlassungsformen zieht der Generalanwalt nicht heran.802 Der EuGH geht in seiner Entscheidung in der Rechtssache „Lidl Belgien“ 803 offenbar von einer Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften hinsichtlich der Verlustverrechnung aus: Die Entscheidungsbegründung ist wesentlich eine Kopie der Entscheidung in der Rechtssache „Marks & Spencer“,804 ohne dass die zivilrechtlichen Unterschiede thematisiert werden.805 Die Bezugnahme auf die steuerliche Behandlung im Inland offenbart, dass nach dieser Ansicht der Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit ein Fall des Diskriminierungsverbots ist. Nach hier vertretener Auffassung ist die Rechtsformwahlfreiheit aber Ausdruck des (echten) Beschränkungsverbots der Niederlassungsfreiheit, das unabhängig von der Regelung im Inlandssachverhalt Behinderungen des Marktzugangs erfasst. Die Ablehnung der herrschenden Meinung kann daher zumindest insoweit nicht überzeugen, als sie sich auf das Fehlen einer Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts stützt. Es bleibt aber die Frage, inwieweit Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der Verlustberücksichtigung vergleichbar sind, also inwieweit die zivilrechtlichen Unterschiede wirklich sachlogischer Anknüpfungspunkt für unterschiedliche Möglichkeiten der Verlustverrechnung sind.806 2. Stellungnahme Im Ausgangspunkt besteht für die Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der Verlustberücksichtigung ein beach________________________ 800 Generalanwalt Maduro, Schlussantrag vom 07.04.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10845, Rn. 19. 801 Hauptunterschied ist, dass nur die Verluste übertragen werden können, nicht die Gewinne, daher also keine Konsolidierung möglich ist. Siehe dazu auch Lang, The Marks & Spencer Case – The Open Issues Following the ECJ’s Final Word, European Taxation 2006, S. 54 ff., 55 f. 802 Vgl. Lang, Marks & Spencer und die Auswirkungen auf das Steuerrecht der Mitgliedstaaten, SWI 2005, S. 255 ff., 258. 803 Das EuGH-Urteil vom 15.5.20008 – Rs. 141/06 („Lidl Belgien“), EuGHE 2008, I-3601, Rn. 42 ff. 804 EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-446/03 („Mark & Spencer“), EuGHE 2005, I-10857. 805 Zur Kritik siehe ausführlich oben 5. Teil; A; II; 3; a. 806 Zur Zulässigkeit der Differenzierung bei sachlicher Anknüpfung an die zivilrechtlichen Unterschiede und konkret zur daraus folgenden Möglichkeit, (nur) die Tochtergesellschaft als eigenes Steuersubjekt zu behandeln, vgl. 4. Teil; C; I; 1.

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tenswerter zivilrechtlicher Unterschied, an den die steuerrechtlichen Regelungen auch unmittelbar anknüpfen: Sachlogischer Grund für die Verlusttragung ist die Haftung für den Verlust. Während auf der einen Seite Betriebsstätte und Stammhaus zivilrechtlich eine Person sind und daher das Stammhaus für die Verluste voll haftet, weil es die eigenen sind, sind auf der anderen Seite Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft zivilrechtlich getrennt und ist die Mutter- daher von den Verlusten der Tochtergesellschaft abgeschirmt. Der zivilrechtliche Unterschied in der Haftung für die zu berücksichtigenden Verluste ist unmittelbarer Anknüpfungspunkt der steuerlichen Behandlung von Verlusten: Steuerlich werden die Verluste demjenigen zugerechnet, der für sie haftet, sie also rechtlich trägt. Ein steuerlicher Verlust kann also grundsätzlich nur von demjenigen geltend gemacht werden, der ihn auch erlitten hat. Dieser Gedanke trägt zum Beispiel die eingeschränkte Verlustzurechnung gemäß § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG bei Kommanditisten, deren Risiko auf die Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB, also in der Höhe auf die Kommanditeinlage beschränkt ist. Grundsätzlich gilt also für die grenzüberschreitende Verlustverrechnung, dass zivilrechtliche Unterschiede zwischen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften eine unterschiedliche steuerliche Behandlung erlauben und der Annahme einer Beschränkung entgegenstehen. Zugleich liegt mit dieser Anknüpfung an die Haftung für die zu berücksichtigenden Verluste aber auch eine entscheidende Differenzierung nahe: Jedenfalls soweit die zivilrechtliche „Abschirmwirkung“ der Tochtergesellschaft ausnahmsweise durch einen verbindlichen gesetzlichen oder vertraglichen Haftungsdurchgriff durchbrochen wird, muss dies auch für die steuerliche Zurechnung der Verluste gelten.807 Im Rahmen von Konzernen wird in der Praxis regelmäßig auf vertraglichem Wege eine Gleichstellung von Tochtergesellschaften und Betriebsstätten erreicht, indem verpflichtende Verlustübernahmevereinbarungen zugunsten der Tochtergesellschaften vereinbart werden.808 Auch die deutsche Finanzverwaltung geht z. B. davon aus, dass eine Muttergesellschaft mit dem Mindestkapital grundsätzlich für die Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaften einstehen muss.809 Soweit eine Ver________________________ 807 Vgl. Scheunemann, Grenzüberschreitende konsolidierte Konzernbesteuerung, 2005, S. 272. 808 Siehe dazu Scheunemann, Grenzüberschreitende konsolidierte Konzernbesteuerung, 2005, S. 273 f.; Scheunemann, Europaweite Verlustberücksichtigung im Konzern: Steine statt Brot durch die Schlussanträge des Generalanwalts Maduro vom 7.4.2005 im Fall Marks & Spencer?, IStR 2005, S. 303 ff., 305; vgl. Jacobs, Empfiehlt sich eine rechtsformunabhängige Besteuerung der Unternehmung?, ZGR 2 (1980), S. 288 ff., 293. 809 Siehe zur sog. Konzernvermutung BMF-Schreiben vom 15.12.1994, IV B 7 – 2742a – 63/94, BStBl. I 1995, 25, Rn. 22.

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lustübernahmeverpflichtung (z. B. Bürgschaft, Patronatserklärung, Schuldübernahme, Garantie) verpflichtend und nicht einseitig änderbar ist, steht die Muttergesellschaft haftungsrechtlich wie ein Stammhaus mit Betriebsstätte da. Da sie folglich die Verluste im Haftungsfall rechtlich trägt, können ihr insoweit auch steuerlich die Verluste zugerechnet werden. Das gleiche gilt in Fällen eines gesetzlichen Haftungsdurchgriffs wie z. B. nach § 322 AktG oder im Fall einer gesetzlich geregelten Verlustübernahmeverpflichtung nach § 302 AktG, also bei Vorliegen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages.810 Stellt man noch stärker auf die wirtschaftliche Einheit des Konzerns ab, so könnte man sogar ohne Rücksicht auf eine rechtliche Verpflichtung zur Haftung für die Schulden der Tochtergesellschaft zu einer Verlustzurechnung gelangen: Betrachtet man den Konzern insgesamt, so treffen die Verluste einer Tochtergesellschaft die Muttergesellschaft auch ohne (verbindliche) Übernahmeverpflichtung, da sie sich, zeitlich verzögert, in der Bewertung des Anteils der Tochtergesellschaft im Vermögen der Muttergesellschaft niederschlagen können; die Beteiligung an der Tochtergesellschaft wird in den Folgejahren entsprechend geringer bewertet.811 Spätestens im Falle der Veräußerung wirkt sich der Verlust der Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft als eigener Verlust aus. Daher wird vertreten, dass „die juristische Separierung auch im Rahmen der Unternehmensbesteuerung keine taugliche Grundlage abgeben (kann), um die steuerliche Belastung eines Konzerns im Vergleich zu einem Einheitsunternehmen zu modifizieren.“812 Diese wirtschaftliche Betrachtung des Konzerns hat gewiss Bedeutung, wenn es um die Ausgestaltung eines Gruppenbesteuerungsregimes geht: Die Erkenntnis, dass die Verluste einer Tochtergesellschaft die Muttergesellschaft, auch ohne persönliche Haftung, nicht nur mittelbar, sondern im Falle einer dauernden Wertminderung der Beteiligung infolge der Verluste auch unmittelbar als eigene Verluste treffen, manifestiert die wirtschaftliche Eingliederung, die mit der finanziellen Eingliederung im „Mutter-TochterVerhältnis“ einhergeht. Ein modernes Konzernsteuerrecht sollte, rechtspolitisch betrachtet, diese wirtschaftliche Einheit berücksichtigen und den Kon________________________ 810 Vgl. Scheunemann, Grenzüberschreitende konsolidierte Konzernbesteuerung, 2005, S. 272 f. 811 Zur Teilwertabschreibung siehe 5. Teil; A; I; 1. Vgl. auch die Möglichkeit einer Rücklagenbildung bei Verlusten ausländischer Tochtergesellschaften nach § 3 Abs. 1 AuslInvG, aber aufgehoben durch § 8 Abs. 4 AuslInvG. 812 Schön, Perspektiven der Konzernbesteuerung, ZHR 171 (2007), S. 409 ff., 416 f.; im Ergebnis auch Zoll, Grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung bei gewerblichen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften, 2001, S. 295 f.; Paetsch, Grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung im Europäischen Binnenmarkt, 2004, S. 107.

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zern auch im Hinblick auf die Verlustverrechnung neutral behandeln.813 Für die Frage, ob Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der Verlustberücksichtigung vergleichbar sind, sodass eine steuerliche Gleichbehandlung europarechtlich geboten ist, kommt man zu einem anderen Ergebnis: Eine Ungleichbehandlung der grenzüberschreitenden Verlustberücksichtigung knüpft sachlogisch an die unterschiedliche Haftung für die Verluste an. Selbst wenn die Verluste einer Tochtergesellschaft auf den Wert der Beteiligung Auswirkungen haben, werden diese erst im Fall einer solchen Auswirkung, also der Teilwertminderung, zu eigenen Verlusten der Muttergesellschaft und damit für diese steuerlich relevant. Eine Teilwertabschreibung wegen der Verluste der Tochtergesellschaft ist daher z. B. nicht möglich, wenn es sich um zu erwartende Anfangsverluste handelt und die Ertragserwartungen positiv sind, denn in diesem Fall verändert sich der Wert der Beteiligung trotz der Verluste nicht negativ.814 Im Ergebnis ist daher eine Berücksichtigung von Verlusten einer Tochtergesellschaft rechtlich erst geboten, wenn die Verluste rechtlich durch eine Teilwertabschreibung oder wirtschaftlich durch eine verbindliche Haftung zu Verlusten der Muttergesellschaft werden. Nur insoweit sind Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der Verlustberücksichtigung in einer Weise vergleichbar, dass der Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit eine Gleichbehandlung gebietet. Der Wirtschaftsteilnehmer wählt dann zwischen zwei für ihn – insoweit – betriebswirtschaftlich gleichwertigen Optionen und ist in seiner Wahl beschränkt, wenn das Steuerrecht je nach Ausübung der Wahlmöglichkeiten unterschiedliche Folgen vorsieht. Im Ergebnis rechtfertigen die zivilrechtlichen Unterschiede also eine unterschiedliche Verlustberücksichtigung bei Betriebsstätten und Tochtergesellschaften, soweit nicht die Haftungsunterschiede durch vertragliche Gestaltungen oder gesetzliche Regelungen „eingeebnet“ wurden. Dabei ist die oben begründete weitergehende Möglichkeit der Verlustberücksichtigung bei Betriebsstätten, also eine unmittelbare Berücksichtigung mit Nachversteuerung, maßgebend. Zwar hat der EuGH die Einschränkung der Verlustberücksichtigung in „Marks & Spencer“ auch auf einen möglichen Verstoß gegen die Rechtsformwahlfreiheit bezogen.815 Doch besteht durch Erstreckung von Gruppenbesteuerungsregimen auf ausländische Tochter________________________ 813 Krebühl, Konzernbesteuerung de lege ferenda, in: Herzig (Hrsg), Organschaft, 2003, S. 595 ff., 597; siehe zu den Anforderungen an eine moderne Gruppenbesteuerung auch Wassermeyer, Gemeinschaftsrechtliche und abkommensrechtliche Anforderungen an eine Gruppenbesteuerung, SWI 2005, S. 521 ff. 814 Vgl. Fischer, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, 2007, § 6 EStG, Rn. 134. 815 Siehe dazu bereits 2. Teil; A; VII; 3 und 5. Teil; A; I; 3; a sowie EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10857, Rn. 51.

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Gewinnabgrenzung

gesellschaften mit Nachversteuerungsregelungen auch bei diesen eine wenige belastende Regelungsoption, die zu einer weitgehenden Angleichung der Verlustberücksichtigung bei Betriebsstätten und Tochtergesellschaften führen würde.816

B. Gewinnabgrenzung Eine Frage besonderer und aktueller Brisanz im Hinblick auf eine steuerliche Gleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ist die nach der internationalen Gewinnabgrenzung.817 Es lassen sich gegenwärtig insbesondere auf Ebene der OECD Bestrebungen erkennen, eine weitreichende Angleichung der Betriebsstättengewinnabgrenzung an die gegenwärtige Rechtslage bei Tochtergesellschaften zu erreichen.818 Der folgende Abschnitt versucht, diese aktuelle Diskussion im Hinblick auf den Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit aufzugreifen und aus Sicht der Niederlassungsfreiheit die Anforderungen an eine einheitliche Handhabung der Gewinnabgrenzung zu formulieren.819 ________________________ 816 Dafür auch Hey, Die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache Marks & Spencer und die Zukunft der deutschen Organschaft, GmbHR 2006, S. 113 ff., 120. Siehe zur Verlustverrechnung mit Nachversteuerung bereits ausführlich und mit zahlreichen Nachweisen 5. Teil; A; II; 3; a. Im Ergebnis führt auch das EuGH-Urteil vom 15.5.2008 – Rs. 141/06 („Lidl Belgien“), EuGHE 2008, I-3601, Rn. 42 ff. zu einer Gleichbehandlung, jedoch ohne dogmatische Begründung und unter Verletzung europarechtlicher Anforderungen, da die Verlustberücksichtigung zu weitgehend beschränkt wird, vgl. 5. Teil; A; II; 3; a; c. 817 Siehe aktuell dazu Schön, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, in: Lüdicke (Hrsg), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 ff. Der Begriff der „Gewinnabgrenzung“ bei Tochtergesellschaften ist eigentlich nicht passend, da er sich auf die Aufteilung eines einheitlichen Gewinns auf unselbstständige Einheiten bezieht. Gemeint ist damit im Folgenden die Verteilung des Gewinns innerhalb von Einheitsunternehmen und Konzernen auf die unselbständigen und selbstständigen Teile. Ausführlich aktuell dazu auch Schwenke, Internationale Einkünfteabgrenzung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2006. 818 Richtungweisend ist insbesondere der aktuelle „Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments“ der OECD vom 17.7.2008, der den vorläufigen Abschluss einer jahrelangen internationalen Diskussion über den richtigen Maßstab bei der Gewinnabgrenzung grenzüberschreitener Unternehmen bildet. Seit dem 7.7.2008 hat die OECD zudem einen Entwurf eines geänderten Kommentars zu Art. 7 OECDMusterabkommen veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Am 24.11.2009 wurde ein überarbeiteter Entwurf von Art. 7 OECD-Musterabkommen veröffentlicht und zur Diskussion gestellt, siehe www.oecd.org sowie ausführlich unter 5. Teil; B; I; 3. 819 Im Folgenden werden insbesondere die Bestrebungen der OECD dargestellt, die Betriebsstättengewinnabgrenzung der verbundener Unternehmen gleichzustellen. Auf Ebene der EG gibt es umgekehrt das Projekt einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, welches zu einer Annährung der Konzern-

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

Für beide Niederlassungsformen hat die internationale Gewinnabgrenzung zum Zweck, den Gesamtgewinn einer Einheit, also von Einheitsunternehmen bzw. Konzernen, verursachungsgerecht auf die einzelnen Teile, also Betriebsstätten und Stammhaus bzw. Mutter- und Tochtergesellschaften, zu verteilen.820 Dabei ist die Gewinnabgrenzung von der Gewinnermittlung zu unterscheiden: Auf der Ebene der Gewinnermittlung geht es darum, ob dem Grunde nach steuerpflichtige Einkünfte vorliegen und wie hoch diese Einkünfte sind. Zudem wird man die Zuordnung zu einem Besteuerungszeitraum zur Gewinnermittlung zählen können.821 Die Gewinnabgrenzung hingegen beschränkt sich darauf, das Besteuerungssubstrat auf die Mitgliedstaaten zu verteilen.822 Im Folgenden ist zunächst die Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten und Tochtergesellschaften darzustellen, soweit dies erforderlich ist, um die Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit auf die internationale Gewinnabgrenzung zu untersuchen. Eine Gleichbehandlung wäre nach Maßgabe der Rechtsformwahlfreiheit geboten, wenn beide Niederlassungsformen für Zwecke der internationalen Gewinnabgrenzung vergleichbar sind.823 ________________________

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gewinnabgrenzung an die Betriebsstättengewinnabgrenzung führen könnte. In diesem Bereich gibt es aber bislang wenig konkrete Gestaltungsvorschläge, sodass bei der Konzernbesteuerung der Status Quo zugrundegelegt wird. Vgl. zum aktuellen Stand der Diskussion um eine GKKB seitens der EU-Kommission die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss vom 2.5.2007, KOM(2007) 223 endgültig, „Umsetzung des Programms der Gemeinschaft für mehr Wachstum und Beschäftigung und eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von EU-Unternehmen: Weitere Fortschritte im Jahr 2006 und nächste Schritte zu einem Vorschlag einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB); vgl. dazu nur Schön, Perspektiven der Konzernbesteuerung, ZHR 171 (2007), S. 409 ff.; Spengel/Braunagel, EU-Recht und Harmonisierung der Konzernbesteuerung in Europa, StuW 2006, S. 34 ff. Scheffler, Besteuerung der grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit, 2002, S. 280. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, S. 49. Vgl. zur Abgrenzung auch Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, S. 49 f.; 165 ff. m. w. N.; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten und nationale Gewinnermittlungsvorschriften im Lichte aktueller Entwicklungen bei der OECD, IStR 2005, S. 37 ff., 38; Andresen, Betriebsstättengewinnermittlung im engeren Sinne, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz (Hrsg), Betriebsstätten Handbuch, 2006, S. 31 ff., 32 ff. (Rn. 2.2 ff.); für einen Vorrang der Gewinnermittlung vor der Gewinnabgrenzung Wassermeyer, Dealing at arm’s length bei der Betriebsstättengewinnermittlung, in: Lang/Jirousek (Hrsg), Praxis der Internationalen Steuerrechts – Festschrift für Helmut Loukota, 2005, S. 651 ff., 654 f. Siehe zur Zulässigkeit der sachlichen Anknüpfung an die zivilrechtlichen Unterschiede und zum Maßstab der Vergleichbarkeit für Zwecke der Besteuerung ausführlich im 4. Teil; C; I; 1.

Gewinnabgrenzung

I. Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten Die Frage nach dem richtigen Maßstab für die Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten zählt zu den zurzeit meistdiskutierten Themen des Internationalen Steuerrechts.824 Einführend werden die Grundzüge der Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten vorgestellt, soweit dies erforderlich ist, um einen Vergleich mit der Gewinnabgrenzung bei Tochtergesellschaften unter dem Blickwinkel der Rechtsformwahlfreiheit zu ermöglichen. Ausgangspunkt der Betriebsstättengewinnabgrenzung ist die Erkenntnis, dass es um die Aufteilung eines einheitlichen Unternehmensgewinns auf verschiedene Staaten geht. Die Betriebsstätte dient dabei als „Zuordnungsanker“, um einem Staat zwischenstaatlich den Anteil am Gewinn eines Unternehmens zuzuweisen, der sich aus der wirtschaftlichen Tätigkeit der Betriebsstätte in diesem Staat begründet. Ausgehend von den Rechtsgrundlagen ist nachfolgend auf die Grundmodelle der internationalen Betriebsstättengewinnabgrenzung einzugehen. Daran schließt sich eine Darstellung des „Separate-entity“-Ansatzes der OECD an, da dieser eine weitgehende Angleichung der Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten und Tochtergesellschaften verwirklicht und daher zum Ausgangspunkt der Untersuchung der Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der internationalen Gewinnabgrenzung gemacht wird. ________________________ 824 Vgl. dazu aktuell Baker/Collier, The attribution of profits to permanent establishments – General Report, Cahier de droit fiscal international 91b 2006, S. 21 ff.; Cussons/Fitzgerald, The attribution of profits to permanent establishment – EU Report, Cahier de droit fiscal international 91b 2006, S. 69 ff.; Bennett/Dunahoo, The Attribution of Profits to a Permanent Establishment: Issues and Recommendations, Intertax 2005, S. 51 ff.; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten und nationale Gewinnermittlungsvorschriften im Lichte aktueller Entwicklungen bei der OECD, IStR 2005, S. 37 ff.; Edgar/Holland, Source Taxation and the OECD Project on Attribution of Profits to Permanent Establishments, Tax Notes International 2005, S. 525 ff.; Förster/Naumann/Rosenberg, Generalthema II des IFA-Kongresses 2006 in Amsterdam: Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, IStR 2005, S. 617 ff.; Schön, Analyzing the OECD Report on PEs and the OECD 2006 Report, Tax Notes International 2007, S. 1059 ff.; Schön, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, in: Lüdicke (Hrsg), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 ff.; Wassermeyer, Grundsatzprobleme der Betriebsstättengewinnermittlung, SWI 2006, S. 254 ff.; siehe auch Arnold, Fearful Symmetry: The Attribution of Profits „in Each Contracting State“, Bulletin for International Taxation 2007, S. 312 ff.; Masui, Imposing Domestic Tax Rules on Permanent Establishments of Foreign Taxpayers, Asia-Pacific Tax Bulletin 2007, S. 3 ff.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

1. Rechtsgrundlagen der internationalen Betriebsstättengewinnabgrenzung Wesentlicher Maßstab für die internationale Betriebsstättengewinnabgrenzung ist Art. 7 Abs. 2 OECD-Musterabkommen bzw. diesem nachgebildete Artikel der Doppelbesteuerungsabkommen.825 Nach dem Wortlaut scheint eine gleichartige Gewinnabgrenzung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften nach dem Vorbild der Konzerngewinnabgrenzung geradezu Programm826: Der Betriebsstätte soll der Gewinn zugeordnet werden, den sie unter sonst gleichen Umständen als selbstständiges und unabhängiges Unternehmen erzielt hätte (sog. „Arm’s-length“-Prinzip).827 Die zivilrechtliche Einheit des Unternehmens wird also durch eine Fiktion aufgebrochen.828 Das nationale deutsche Recht enthält keine Maßstäbe für die internationale Gewinnabgrenzung von Betriebsstätten829; lediglich für die Ebene der Gewinnermittlung finden sich Regelungen: Aus diesen folgt eine Zuordnung von Aufwand und Ertrag nach dem Veranlassungsprinzip, welches aus dem Grundgedanken von § 4 Abs. 4 EStG („veranlasst“) und den Vorschriften ________________________ 825 Die OECD hat am 24.11.2009 einen neuen Entwurf für einen geänderten Art. 7 OECD-Musterabkommen vorgestellt, der die Position der OECD im „Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments“ vom 17.7.2008 umsetzt. 826 Baker/Collier, The attribution of profits to permanent establishments – General Report, Cahier de droit fiscal international 91b 2006, S. 21 ff., 26 f.; vgl. auch Generalanwalt Léger, Schlussantrag vom 14.04.2005 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831, Rn. 85, der unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH-Urteil vom 21.9.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999, I-6161 und den Wortlaut von Art. 7 Abs. 2 OECD-Musterabkommen eine Gleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften in Bezug auf die Gewinnabgrenzung verlangt. Siehe auch Cussons/Fitzgerald, The attribution of profits to permanent establishment – EU Report, Cahier de droit fiscal international 91b 2006, S. 69 ff., 72; kritisch Schön, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, in: Lüdicke (Hrsg), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 ff. 827 Tochtergesellschaften sind zwar selbstständig, aber nicht unabhängig, doch wird nach Maßgabe von Art. 9 OECD-Musterabkommen auch bei diesen der Fremdvergleichsansatz („Arm’s length-Prinzip“) gewählt, d. h. der Gewinn wird ggf. nach dem Maßstab unabhängiger Gesellschaften korrigiert, vgl. dazu 5. Teil; B; II. 828 Dazu Wassermeyer, Dealing at arm’s length bei der Betriebsstättengewinnermittlung, in: Lang/Jirousek (Hrsg), Praxis der Internationalen Steuerrechts – Festschrift für Helmut Loukota, 2005, S. 651 ff., 656. In der Praxis wird die Vorgabe des Art. 7 Abs. 2 OECD-Musterabkommen allerdings nicht einheitlich interpretiert: In welchem Umfang die Betriebsstätte als selbstständig fingiert wird, wird in den OECDStaaten sehr unterschiedlich gehandhabt, vgl. Baker/Collier, The attribution of profits to permanent establishments – General Report, Cahier de droit fiscal international 91b 2006, S. 21 ff. 829 Für Tochtergesellschaften greift § 1 AStG, der eine Verrechnungspreiskontrolle bei nahe stehenden Personen i. S. v. § 1 Abs. 2 AStG anordnet.

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Gewinnabgrenzung

der §§ 49 Abs. 1 Nr. 1, 50 Abs. 1 EStG („wirtschaftlicher Zusammenhang“) gefolgert wird.830 Eine Grundlage für eine Selbstständigkeitsfiktion wie in Art. 7 Abs. 2 OECD-Musterabkommen findet sich im deutschen Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerrecht nicht.831 Für die Frage, inwieweit eine Gewinnabgrenzung auf der Fiktion einer selbstständigen und unabhängigen Einheit aufbauen kann, ist daher entscheidend, ob eine Art. 7 Abs. 2 OECD-Musterabkommen folgende Bestimmung der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen unmittelbar anwendbar ist und daher Rechtsgrundlage einer solcher Fiktion sein kann. Dies wird insbesondere vor dem Hintergrund diskutiert, ob für die Zwecke der Gewinnabgrenzung selbstständige Leistungsbeziehungen der Betriebsstätte fingiert werden können.832 Zwar sind die Doppelbesteuerungsabkommen als völkerrechtliche Verträge i. S. v. Art. 59 Abs. 2 GG Teil der deutschen Rechtsordnung.833 In ihrer Reichweite sind sie aber durch ihre Teleologie beschränkt: Nach Sinn und Zweck können Doppelbesteuerungsabkommen nur eine zwischenstaatliche Verteilung der Besteuerungshoheiten zur Folge haben. Besteuerungsrechte begründen können sie nicht.834 Originär ergeben sich Besteuerungsbefugnisse allein aus dem nationalen Steuerrecht.835 Damit kann die Selbstständigkeitsfiktion des Art. 7 Abs. 2 OECD-Musterabkommen nur für die Gewinnabgrenzung, also die Aufteilung des nach nationalen Vorschriften ermittelten Gewinns, Anwendung finden.836 2. Grundmodelle der Betriebsstättengewinnabgrenzung Zentraler Unterschied der Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ist, dass bei Betriebsstätten die Möglichkeit fehlt, selbstständige Leistungsbeziehungen einzugehen. Zivilrechtlich sind Leis________________________ 830 Andresen, Betriebsstättengewinnermittlung im engeren Sinne, in: Wassermeyer/ Andresen/Ditz (Hrsg), Betriebsstätten Handbuch, 2006, S. 31 ff. 831 Andresen, Betriebsstättengewinnermittlung im engeren Sinne, in: Wassermeyer/ Andresen/Ditz (Hrsg), Betriebsstätten Handbuch, 2006, S. 31 ff., 34 f. 832 Kroppen, Betriebsstättengewinnermittlung, IStR 2005, S. 74 ff.; Wassermeyer, Dealing at arm’s length bei der Betriebsstättengewinnermittlung, in: Lang/Jirousek (Hrsg), Praxis der Internationalen Steuerrechts – Festschrift für Helmut Loukota, 2005, S. 651 ff.; Wassermeyer, Das Veranlassungsprinzip als Maßstab zur innerstaatlichen Betriebsstättengewinnermittlung, IStR 2005, S. 84 ff. 833 Vogel, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), DBA Kommentar, 2003, Einleitung, Rn. 58 f. 834 Vogel, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), DBA Kommentar, 2003, Einleitung, Rn. 67 ff. 835 Vgl. ausführlich Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, S. 53 ff.; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten und nationale Gewinnermittlungsvorschriften im Lichte aktueller Entwicklungen bei der OECD, IStR 2005, S. 37 ff.; Schön, Analyzing the OECD Report on PEs and the OECD 2006 Report, Tax Notes International 2007, S. 1059 ff. 836 Siehe zu den Konsequenzen 5. Teil; B; I; 3.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

tungsbeziehungen zwischen Teilen desselben Unternehmens oder einzelner Teile eines Unternehmens mit Dritten naturgemäß nicht möglich. Solche Leistungsbeziehungen können jedoch fingiert werden, um einen Maßstab zur Gewinnallokation darzustellen; dies kann wiederum in unterschiedlichem Umfang geschehen. Stark vereinfacht lassen sich dementsprechend die unterschiedlichen Ansätze zur Betriebsstättengewinnabgrenzung auf zwei Grundmodelle zurückführen, die sich im Kern darin unterscheiden, wie weitgehend Leistungsbeziehungen unselbstständiger Unternehmensteile fingiert werden.837 Eine Auffassung geht davon aus, dass sich die Aufteilung des Gesamtergebnisses eines Einheitsunternehmens nach dem Veranlassungsprinzip richten sollte.838 Das bedeutet, dass der Betriebsstätte diejenigen Erträge und Aufwendungen, welche im Veranlagungszeitraum tatsächlich im Unternehmen angefallen sind, zugeordnet werden, soweit sie durch die Aktivität der Betriebsstätte veranlasst sind. Eine Zuordnung von tatsächlich realisiertem Ertrag oder Aufwand zur Betriebsstätte führt dann spiegelbildlich zu einem entsprechenden Weniger beim Stammhaus. Die Zuteilung bemisst sich nach dem Wertschöpfungsbeitrag, der sich im Außenumsatz realisiert. Leistungsbeziehungen werden danach zwar nicht intern, aber im Außenverhältnis zu Dritten fingiert.839 Die Gegenauffassung geht davon aus, dass das Verhältnis zwischen Betriebsstätte und Stammhaus nach dem Vorbild von Tochtergesellschaft und Muttergesellschaft beurteilt werden sollte.840 Fingiert man für die Betriebsstätte, dass sie selbstständig und unabhängig gegenüber dem Stammhaus und Dritten agiert, kommt man im Ergebnis für beide Sekundärniederlas________________________ 837 Zur Übersicht Förster/Naumann/Rosenberg, Generalthema II des IFA-Kongresses 2006 in Amsterdam: Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, IStR 2005, S. 617 ff., 619. 838 Vgl. insbesondere Wassermeyer, Dealing at arm’s length bei der Betriebsstättengewinnermittlung, in: Lang/Jirousek (Hrsg), Praxis der Internationalen Steuerrechts – Festschrift für Helmut Loukota, 2005, S. 651 ff.; Wassermeyer, Das Veranlassungsprinzip als Maßstab zur innerstaatlichen Betriebsstättengewinnermittlung, IStR 2005, S. 84 ff.; Wassermeyer, Einführung, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz (Hrsg), Betriebsstätten Handbuch, 2006, S. 1 ff., (Rn. 1.17 ff.); vgl. auch Hruschka/Lüdemann, Das Veranlassungsprinzip als Maßstab zur innerstaatlichen Betriebsstättengewinnermittlung, IStR 2005, S. 76 ff. 839 Andresen, Betriebsstättengewinnermittlung im engeren Sinne, in: Wassermeyer/ Andresen/Ditz (Hrsg), Betriebsstätten Handbuch, 2006, S. 31 ff., 128. 840 Vgl. insbesondere Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, S. 183 ff.; Haiß, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten im Internationalen Steuerrecht, 2000, S. 202 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 608 ff.; Kroppen, Betriebsstättengewinnermittlung, IStR 2005, S. 74 ff.

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sungsformen zu einer einheitlichen Gewinnabgrenzung nach dem Vorbild unabhängiger Unternehmen.841 Die Erfolgszuweisung erfolgt damit nicht nach Maßgabe des Wertschöpfungsbeitrags zum Außenumsatz, sondern im Grundsatz wird die Betriebsstätte wie eine Tochtergesellschaft behandelt, sodass auch im Innenverhältnis Kauf-, Miet-, Dienstleistungs- und sonstige Verträge fingiert und zum Maßstab der Gewinnabgrenzung gemacht werden. Dies hat insbesondere zur Folge, dass zwischen Teilen eines einheitlichen Unternehmens Gewinnzuschläge vereinbart werden können. Ferner sind sogar unabhängig vom tatsächlichen Aufwand interne Leistungsbeziehungen denkbar, etwa durch wechselseitige entgeltliche Darlehensgewähr oder (aufwandslose) Dienstleistungen.842 3. Selbstständigkeitsfiktion nach dem „Separate-entity“-Ansatz Eine besonders detaillierte Ausformung findet die Auffassung, die Betriebsstättengewinnabgrenzung sei wie bei Tochtergesellschaften vorzunehmen, wie eingangs erwähnt, im „Separate-entity“-Ansatz der OECD. Dieser Ansatz offenbart zugleich die Probleme, die eine solche Angleichung aufwirft. Seine kritische Würdigung ist daher Ausgangspunkt für die Analyse der Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit auf die internationale Gewinnabgrenzung. a) Darstellung des „Separate-entity“-Ansatzes Die aktuelle Position der OECD, der „Separate-entity“-Ansatz, zur Auslegung des Art. 7 Abs. 2 OECD-Musterabkommen und damit zur Frage, welche Gewinne einer Betriebsstätte zuzurechnen sind, verfolgt ausdrücklich das Ziel die Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten und Tochtergesellschaften zu vereinheitlichen.843 ________________________ 841 Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, S. 177. 842 Vgl. Schön, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, in: Lüdicke (Hrsg), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 ff., 82 f. 843 Siehe „Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments“ vom 17.7.2008 der OECD, den Entwurf eines neuen Kommentars zum OECD-Musterabkommen vom 7.7.2008 und den Entwurf eines neuen Art. 7 OECD-Musterabkommen vom 24.11.2009; www.oecd.org; dazu insbesondere Baker/Collier, The attribution of profits to permanent establishments – General Report, Cahier de droit fiscal international 91b 2006, S. 21 ff.; Bennett/Dunahoo, The Attribution of Profits to a Permanent Establishment: Issues and Recommendations, Intertax 2005, S. 51 ff.; Bennett/Russo, OECD Project on Attribution of Profits to Permanent Establishments: An Update, International Transfer Pricing Journal 2007, S. 279 ff.; Förster/ Naumann/Rosenberg, Generalthema II des IFA-Kongresses 2006 in Amsterdam: Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, IStR 2005, S. 617 ff.; Schön, Analyzing the OECD Report on PEs and the OECD 2006 Report, Tax Notes International 2007, S. 1059 ff.; Stocker, Internationale Erfolgsabgrenzung bei Betriebsstätten, IFF Forum

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

Im Zentrum des Reports steht der sog. „functionally separate entity approach“.844 Dieser besagt im Kern, dass Betriebsstätten wie Tochtergesellschaften behandelt werden sollen. Ausgehend von der Fiktion eines eigenständigen und unabhängigen Unternehmens („distinct and separate enterprise“) erkennt der OECD-Report insbesondere interne Leistungsbeziehungen („internal dealings“) an.845 Grundidee dabei ist, in einem ersten Schritt der Betriebsstätte nach einer „Funktionsanalyse“ Wirtschaftsgüter und Risiken zuzuordnen mit dem ausdrücklichen Ziel, daran anknüpfend in einem zweiten Schritt interne Leistungsbeziehungen in Anlehnung an Verrechnungspreisregeln der OECD846 nach dem „Arm’s-length“-Standard zu bewerten.847 Auf den ersten Blick gewährleistet folglich die neue Ausrichtung der OECD eine weitgehende Gleichbehandlung von Einheitsunternehmen und Konzern und scheint daher vor dem Hintergrund der Rechtsformwahlfreiheit geradezu geboten. Ausgangspunkt der Funktionsanalyse ist die Zuordnung von Risiken und Funktionen in der Annahme, dass sich unter unabhängigen Dritten die Preise nach der vertraglichen Übernahme von Risiken und Funktionen bemessen. Auf diese Weise sind unternehmensinterne Veräußerungen materieller oder immaterieller Wirtschaftsgüter zum Fremdvergleichspreis, Nutzungsüberlassungen von materiellen oder immateriellen Wirtschaftsgütern gegen Pachtentgelt oder Lizenzgebühr, Dienstleistungen gegen Dienstleistungs________________________

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für Steuerrecht 2007, S. 87 ff. Am 10. April 2007 ist zudem ein Entwurf für eine neue Kommentierung des Art. 7 OECD-Musterabkommen von der OECD veröffentlicht worden, der die Vorgaben des Reports umsetzt, vgl. www.oecd.org. Vgl. zum „Functionally Separate Entity Approach“ ausführlich Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten und nationale Gewinnermittlungsvorschriften im Lichte aktueller Entwicklungen bei der OECD, IStR 2005, S. 37 ff.; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003; Baker/Collier, The attribution of profits to permanent establishments – General Report, Cahier de droit fiscal international 91b 2006, S. 21 ff. OECD-Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, Part I, 17.7.2008, Rn. 36 ff., 207 ff. Die Gleichstellung mit der Tochtergesellschaft erfolgt freilich in einem zweiten Schritt, weil der OECD-Ansatz der Betriebsstätte die Gewinne zurechnen will, die sie erzielt hätte, wenn sie ein selbstständiges und unabhängiges Unternehmen wäre. Dies ist eine Tochtergesellschaft nicht. Jedoch wird auch einer Tochtergesellschaft nach den OECD-Guidelines der Gewinn zugerechnet, den sie erzielt hätte, wäre sie ein unabhängiges Unternehmen gewesen. Im Ergebnis soll gerade durch die analoge Anwendung eben dieser Guidelines für Betriebsstätten wie Tochtergesellschaften das gleiche Ergebnis erzielt werden. OECD Transfer Pricing Guidelines for Mulinational Enterprises and Tax Adminstrations (1995–2000), in van Raad (Hrsg.), Materials on International and EC Tax Law, 2005/2006, S. 858 ff. OECD-Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, Part I, 17.7.2008, Rn. 3, 207, 218 ff.

Gewinnabgrenzung

entgelt und ähnliches zu fingieren und zum Anknüpfungspunkt für die Gewinnzurechnung zu machen.848 Für die Zuordnung von Risiken stellt der „Separate-entity“-Ansatz auf die Risikoverursachung und Risikoübernahme der Entscheidungsträger in der Betriebsstätte ab („key entrepreneurial risk taking functions“).849 Problematisch dabei ist allerdings, dass der OECD-Ansatz als der Betriebsstätte zuzurechnende Entscheidungsträger nur solche berücksichtigt, die geografisch der Betriebsstätte zuzuordnen sind. Entscheidungen im Stammhaus, die Auswirkungen auf die Risiken der Betriebsstätte haben, werden also ausgeklammert.850 Dieses schematische Abstellen auf Personen in der Betriebsstätte und die Verursachung und Übernahme von Risiken durch diese übersieht zum einen, dass im Rahmen integrierter Entscheidungsprozesse innerhalb grenzüberschreitender Unternehmen eine funktionale und geografische Zuordnung nicht einheitlich möglich ist.851 Zum anderen verkennt eine solche Beschränkung allein auf geografisch der Betriebsstätte zuzurechnenden Personen auch, dass die Risikozuordnung bei Tochtergesellschaften, jeden________________________ 848 Vgl. zu verschiedenen Beispielen Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten und nationale Gewinnermittlungsvorschriften im Lichte aktueller Entwicklungen bei der OECD, IStR 2005, S. 37 ff., 39. Bei der Verrechnungspreisbestimmung wird auf die Standardmethoden im Bereich der konzerninternen Verrechnungspreise zurückgegriffen. Ist wegen zu starker Verflechtung der Unternehmensteile bei Leistungserbringung die Anwendung nicht möglich, kann auf sog. transaktionsbezogene Gewinnmethoden zurückgegriffen werden; vgl. Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, Part I, 17.7.2008, Rn. 44; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten und nationale Gewinnermittlungsvorschriften im Lichte aktueller Entwicklungen bei der OECD, IStR 2005, S. 37 ff., 38 f. 849 OECD-Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 17.7.2008, Rn. 24 ff.; 94 ff.: Der Betriebsstätte werden die Risiken zugeordnet, die durch die Funktionen der Entscheidungsträger hervorgerufen oder übernommen werden. Dabei sind die risikorelevanten Funktionen der Entscheidungsträger nach dem OECDAnsatz solche, die aktive Entscheidungen in Bezug auf die Risiken beinhalten. Kritisch Ditz, Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte – Neue Entwicklungen auf Ebene der OECD unter besonderer Berücksichtigung des E-Commerce, IStR 2002, S. 210 ff., 214 f. Auch aus der Handhabung einer sog. „Server-Betriebsstätte, wird deutlich, dass die Zuordnung von Risiken zu menschlichen Funktionsträgern nicht konstitutiv ist, denn auch in diesem Fall werden die gleichen Prinzipien der Funktionsanalyse angewendet und die mit der Funktionsausübung verbundenen Risiken der Betriebsstätte zugeordnet, Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, S. 306. 850 OECD-Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 17.7.2008, Rn. 97. 851 Schön, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, in: Lüdicke (Hrsg), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 ff., 100 f.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

falls außerhalb vertraglicher Risikoübernahme852, wesentlich von Entscheidungen der Muttergesellschaft und nicht der Organe der Tochtergesellschaft abhängt: Eine Beeinflussung durch die Muttergesellschaft, etwa durch Weisungsrechte oder für die Tochtergesellschaft bestimmende Unternehmenszwecke, ändert allerdings nichts an der eigenständigen Gewinnermittlung und Gewinnzurechnung, sodass Fehlentscheidungen der Muttergesellschaft, aus denen Verluste der Tochtergesellschaft resultieren, nichts an der Zurechnung des Verlusts zur Tochtergesellschaft ändern.853 Eine an der Risikozuordnung bei Tochtergesellschaften orientierte Risikozuordnung bei Betriebsstätten darf daher nicht allein auf die Entscheidungsträger in der Betriebsstätte blicken, sondern muss die von der Betriebsstätte wahrgenommene Funktion davon losgelöst analysieren, um die damit verbundenen Risiken zuordnen zu können. Nur wenn bei Betriebsstätten und Tochtergesellschaften gleichermaßen berücksichtigt wird, dass die Risikozuordnung von Entscheidungsträgern in der Sekundärniederlassung und im Mutterhaus abhängt, ist eine Gleichbehandlung für Zwecke der Gewinnabgrenzung erreicht. Abzugrenzen ist diese funktionelle Betrachtung von einer bloß fiktiven, quasi-vertraglichen Übernahme von Risiken ohne Rücksicht auf die tatsächlich ausgeübten Funktionen. Die tatsächliche Ausübung einer Funktion ist vielmehr eine notwendige Voraussetzung für das Bestehen einer Leistungsbeziehung.854 Die Bindung der Risikozuordnung an die ausgeübte Funktion berücksichtigt, dass auch unter fremden Dritten eine Risikoübernahme nur dort stattfindet, wo die Ausübung der dem Risiko zugrunde liegenden Funktion auch übernommen wird: Wer sich vertraglich verpflichtet, ein Risiko zu tragen, wird zugleich die Leistungen erbringen wollen, aus denen das Risiko (und korrespondierend die Chance) folgt. b) Reichweite des „Separate-entity“-Ansatzes – Abgrenzung zur Gewinnermittlung Die Reichweite des „Separate-entity“-Ansatzes beschränkt sich, entsprechend dem Geltungsbereich des Art. 7 Abs. 2 OECD-Musterabkommen, auf die Ebene der Gewinnabgrenzung, also die Aufteilung des Besteuerungs________________________ 852 Zu diesen sogleich unter 5. Teil; B; III; 2; b; vgl. auch Schön, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, in: Lüdicke (Hrsg), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 ff., 101. 853 Schön, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, in: Lüdicke (Hrsg), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 ff., 101 f. 854 Vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, S. 269; Ditz, Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte – Neue Entwicklungen auf Ebene der OECD unter besonderer Berücksichtigung des E-Commerce, IStR 2002, S. 210 ff.

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Gewinnabgrenzung

substrats auf die beteiligten Staaten. Für die Ebene der Gewinnermittlung bedarf es nationaler Vorschriften, die zu einer Gewinnerhöhung führen.855 Im Folgenden werden fiktive Leistungsbeziehungen danach unterschieden, ob sie in den Bereich der Gewinnabgrenzung oder der Gewinnermittlung fallen, da nur für die fiktiven Leistungsbeziehungen, die der Gewinnabgrenzung dienen, im Anschluss eine Untersuchung der Vergleichbarkeit für Zwecke der Besteuerung zu erfolgen hat. Der Gewinnabgrenzung zuzurechnen sind alle internen Zahlungen, die wie kommunizierende Röhren innerhalb des Einheitsunternehmens auf der einen Seite Ertrag und auf der anderen Seite Aufwand hervorrufen, wie z. B. Zinsen, Lizenzgebühren oder Dienstleistungsentgelte. Dies gilt selbst dann, wenn die Zahlung nicht nur den zugrunde liegenden Aufwand berücksichtigt, sondern auch einen (marktüblichen) Gewinnaufschlag enthält.856 Gewinnermittlung liegt hingegen vor, wenn die interne Leistungsbeziehung nach Fremdvergleichsgrundsätzen zu einer Realisierung stiller Reserven und zur Aktivierung eines Wirtschaftsguts führt, namentlich im Fall grenzüberschreitender Veräußerung von Wirtschaftsgütern. In einem solchen Fall erhöht sich der Gesamtgewinn des Unternehmens. Soweit keine Tatbestände vorliegen, die eine zusätzliche oder vorzeitige Gewinnrealisierung durch interne Leistungsbeziehungen begründen, bleibt der durch den Art. 7 Abs. 2 OECD-Musterabkommen nach dem „Separate-entity“-Ansatz eingeräumte Besteuerungsspielraum ungenutzt und die Selbstständigkeitsfiktion ist entsprechend nur eingeschränkt.857 Dies galt bislang im Besonderen für die Überführung von Wirtschaftsgütern in ausländische Betriebsstätten: Diese bildete den zentralen Diskussionspunkt in der deutschen Literatur zur Betriebsstättengewinnabgrenzung.858 Fraglich war insbesondere, ob im Rahmen der Gewinnabgrenzung die Art. 7 Abs. 2 OECD-Musterabkommen entsprechende Norm des deutschen Doppelbesteuerungsabkommens zu einer Aufdeckung und Besteuerung stiller Reserven bei Überführung in eine ausländische Betriebsstätte berech________________________ 855 Vgl. zur Abgrenzung bereits 5. Teil; B; I; siehe dazu aktuell Cussons/Fitzgerald, The attribution of profits to permanent establishment – EU Report, Cahier de droit fiscal international 91b 2006, S. 69 ff., 77 ff. 856 Schön, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, in: Lüdicke (Hrsg), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 ff., 93 ff. 857 Vgl. zur mangelnden Abstimmung von Gewinnermittlung und Gewinnabgrenzung im deutschen Steuerrecht Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, S. 68 ff. 858 Vgl. dazu Wassermeyer, Diskriminierungsfreie Betriebsstättengewinnermittlung, IStR 2004, S. 733 ff.; Kroppen, Betriebsstättengewinnermittlung, IStR 2005, S. 74 ff.

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tigt.859 Richtigerweise ist die Aufdeckung stiller Reserven der Gewinnermittlung zuzurechnen, da sie den Gesamtgewinn des Unternehmens erhöht. Daher konnte dies nicht mit Art. 7 Abs. 2 OECD-Musterabkommen entsprechenden Artikeln der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen begründet werden. Mittlerweile findet sich aber in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 Abs. 1 KStG i. V. m. § 4g EStG im nationalen Recht ein Entstrickungstatbestand, der bei Überführung von Wirtschaftsgütern ins Ausland eine Entstrickung der stillen Reserven vorsieht.860 Dabei besteht gleichzeitig die Möglichkeit, einen über fünf Jahre aufzulösenden Ausgleichsposten in der Bilanz zu bilden, sodass die stillen Reserven also nicht sofort besteuert werden. Insoweit füllt das deutsche Recht nunmehr den Rahmen, den die Doppelbesteuerungsabkommen einräumen.861 Es ist allerdings sehr umstritten, ob § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG wirklich zur Besteuerung der stillen Reserven berechtigt. Nach zutreffender Auffassung ist dies nicht der Fall, weil das Besteuerungsrecht Deutschlands durch die Überführung eines Wirtschaftsguts ins Ausland nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Bei einer späteren Veräußerung kann sich Deutschland abkommensrechtlich vorbehalten, die bis zur Überführung entstandenen stillen Reserven zu besteuern.862 ________________________ 859 Der BFH vertrat zudem die Auffassung, dass das Wirtschaftsgut mit Überführung in eine ausländische Betriebsstätte entnommen und folglich mit dem Teilwert zu bewerten sei („finale Entnahmetheorie). Diese Auffassung war allerdings mangels Entnahmewillens eine klare Fiktion und nicht vertretbar, von den europarechtlichen Überlegungen abgesehen. Mit BFH-Urteil vom 17.7.2008 – Az. 1 R 77106 – FR 2008, 1149 wurde diese Auffassung allerdings aufgehoben. Vgl. zur Diskussion zusammenfassend Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten und nationale Gewinnermittlungsvorschriften im Lichte aktueller Entwicklungen bei der OECD, IStR 2005, S. 37 ff., 42; Wassermeyer, Dealing at arm’s length bei der Betriebsstättengewinnermittlung, in: Lang/Jirousek (Hrsg), Praxis der Internationalen Steuerrechts – Festschrift für Helmut Loukota, 2005, S. 651 ff., 656 f. 860 § 12 KStG verweist nicht direkt auf § 4g EStG, was vermutlich ein Redaktionsversehen oder damit zu erklären ist, dass der Gesetzgeber § 4g EStG über § 8 Abs. 1 KStG als miterfasst ansieht. Für beschränkt Steuerpflichtige gilt die Regelung hingegen nicht, was offenkundig zu einer Diskriminierung führt; siehe dazu auch Bernecke/Schnitger, Letzte Änderungen der Neuregelungen des UmwStG und der Entstrickungsnormen durch das SEStEG – Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, IStR 2007, S. 22 ff., 28. 861 Vgl. zur europarechtlichen Bedenklichkeit dieses Entstrickungstatbestandes sogleich 5. Teil; B; I; 3; c. 862 Schneider/Oepen, Finale Entnahme, Sicherstellung stiller Reserven und Entstrickung, FR 2009, 22 ff.; Wassermeyer, Entstrickung durch Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts, DB 2006, 2420 ff.

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Gewinnabgrenzung

c) „Separate-entity“-Ansatz und Europarecht Vor der Aufnahme der Entstrickungstatbestände war zweifelhaft, ob die Annahme fiktiver interner Leistungsbeziehungen zum Zwecke der Besteuerung, insbesondere beim Transfer von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte, mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist.863 Diese Zweifel bestehen allerdings auch nach aktueller Rechtslage, da weiterhin zwischen grenzüberschreitendem und inländischem Sachverhalt unterschieden wird, da es im innerstaatlichen Kontext beim Transfer von Wirtschaftsgütern, also einem rein unternehmensinternen Vorgang, selbstverständlich nicht zu einem steuerbaren Vorgang kommt. Eine Besteuerung ist aber nun für den grenzüberschreitenden Sachverhalt vorgesehen, wenngleich sie über fünf Jahre gestreckt wird. Selbst für den Fall einer auch auf den Inlandssachverhalt anzuwendenden Entstrickungsnorm wäre allerdings ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit nicht ausgeschlossen: Es liegt in einem solchen Fall wohl ein Verstoß gegen das (echte) Beschränkungsverbot vor, da der grenzüberschreitende Vorgang als solcher zum Anknüpfungspunkt einer belastenden Maßnahme gemacht wird. Zwar ist europarechtlich das Interesse der Mitgliedstaaten anerkannt, in ihrer Steuerhoheit entstandene stille Reserven zu besteuern.864 Dabei ist aber die für den Steuerpflichtigen am wenigsten beschränkende Möglichkeit zu wählen. Diese besteht eher in der Möglichkeit einer Stundung der Steuer auf die stillen Reserven bis zum Eintritt eines realisierenden Außenumsatzes. Dies wurde in der Rechtssache „N“ vom EuGH „abgesegnet“.865 Diese Möglichkeit hat der Gesetzgeber auch in § 6 AStG für das Außensteuerrecht gewählt.866 ________________________ 863 Vgl. dazu Schönfeld, Betriebsstättenbesteuerung und Gemeinschaftsrecht, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz (Hrsg), Betriebsstättengewinnermittlung, 2006, S. 577 ff.; Schön, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, in: Lüdicke (Hrsg), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 ff., 85 ff.; Cussons/Fitzgerald, The attribution of profits to permanent establishment – EU Report, Cahier de droit fiscal international 91b 2006, S. 69 ff.; Brück, Gemeinschaftsrecht und Betriebsstättenbesteuerung, in: Löwenstein/Looks (Hrsg), Betriebsstättenbesteuerung, 2003, S. 373 ff. 864 EuGH-Urteil vom 11.3.2004 – Rs. C-9/02 („Lasteyrie du Saillant“), EuGHE 2004, I-2409. 865 EuGH-Urteil vom 7.9.2006 – Rs. C-470/04 („N“), EuGHE 2006, I-7409, Rn. 46 f.; so auch Rödder/Schumacher, Das SEStEG – Überblick über die endgültige Fassung und die Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf, DStR 2007, S. 369 ff., 372. 866 Vgl. dazu nur Kessler/Winterhalter/Huck, Überführung von Wirtschaftsgütern: Die Ausgleichspostenmethode des § 4g EStG, DStR 2007, S. 133 ff.; Rödder/ Schumacher, Das SEStEG – Überblick über die endgültige Fassung und die Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf, DStR 2007, S. 369 ff.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

Zusammengefasst wird daher von der OECD ein Maßstab der Betriebsstättengewinnabgrenzung vorgeschlagen, der zu einer weitgehenden Angleichung an die gegenwärtige Gewinnabgrenzung bei Tochtergesellschaften führen soll. Soweit dieser Ansatz zu einer Gewinnerhöhung führt, bedarf es einer Regelung im nationalen Steuerrecht, die allerdings in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung europarechtlichen Bedenken ausgesetzt ist. Nach einer kurzen Darstellung der Gewinnabgrenzung bei Tochtergesellschaften kann dieses Modell der Betriebsstättengewinnabgrenzung vor dem Hintergrund der Rechtsformwahlfreiheit betrachtet werden. Dabei muss insbesondere die Frage untersucht werden, inwieweit die von der OECD vorausgesetzte Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der Gewinnabgrenzung tatsächlich besteht.

II. Gewinnabgrenzung bei Tochtergesellschaften Die gegenwärtige Handhabung einer Gewinnermittlung und Gewinnabgrenzung des Konzerngewinns setzt bei den einzelnen Konzerngesellschaften an. Da diese sowohl zivil- als auch steuerrechtlich selbstständig sind, erfolgt die Gewinnermittlung grundsätzlich für jede Gesellschaft gesondert. Für die internationale Gewinnabgrenzung gilt im Grundsatz das Veranlassungsprinzip, d. h. Erträge und Aufwand sollen anknüpfend an die internen und externen zivilrechtlichen Leistungsbeziehungen der Konzerngesellschaft zugeordnet werden, zu der sie wirtschaftlich gehören.867 Gesetzliche Durchbrechungen finden sich dort, wo der fehlende Interessengegensatz im Konzern Anlass gibt, die Anknüpfung der steuerlichen Gewinnermittlung an die zivilrechtliche Trennung in Frage zu stellen. Zu nennen sind insbesondere die Hinzurechnungsbesteuerung sowie die Rechtsinstitute der verdeckten Gewinnausschüttung und der verdeckten Einlage. In diesen Konstellationen wird die zivilrechtliche Separierung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft für steuerliche Zwecke nicht beachtet, weil der fehlende Interessengegensatz beider Gesellschaften die zugrunde liegenden Transaktionen schon dem Grunde nach in Frage stellt. Im Grundsatz aber wird die zivilrechtliche Selbstständigkeit der Tochtergesellschaft akzeptiert und der Gewinn durch den Ansässigkeitsstaat auf Grundlage des Welteinkommensprinzips ermittelt. Dies hat beispielsweise zur Folge, dass Transaktionen zwischen inländischer Mutter- und ausländischen Tochtergesellschaften einen Realisationstatbestand darstellen und folglich die stillen Reserven besteuert werden können. ________________________ 867 Scheffler, Besteuerung der grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit, 2002, S. 350.

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Gewinnabgrenzung

Mangels des marktimmanenten Interessengegensatzes zwischen Konzerngesellschaften werden die konzerninternen Leistungsbeziehungen allerdings nur als Anknüpfungspunkt der Gewinnermittlung genommen. Die konzerninternen Leistungen unterliegen der Höhe nach der Verrechnungspreiskontrolle.868 Für die praktische Handhabung dieser Verrechnungspreise sind die Verrechnungspreis-Richtlinien der OECD, auf die der „Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments“ der OECD Bezug nimmt, maßgeblich.869 Im Grundsatz ist der Maßstab der Verrechnungspreisbestimmung nach Art. 9 OECD-Musterabkommen das bereits angesprochene „Arm’s length“-Prinzip.870 Neben der Bestimmung der Verrechnungspreise ist ein weiteres Problem der Anknüpfung an die einzelnen Transaktionen der Konzerngesellschaften, dass im Außenverhältnis zwar eine einzelne Leistungsbeziehung zivilrechtlich klar zuzuordnen ist, aber der wirtschaftliche Beitrag der übrigen integrierten Konzerngesellschaften auf diese Weise bei der Gewinnermittlung nicht berücksichtigt wird.871 Die Wahl einer Tochtergesellschaft bietet im Ausgangspunkt durch die grundsätzliche Beachtlichkeit der zivilrechtlichen Zuordnung von Leistungsbeziehungen folglich ein deutlich erhöhtes Gestaltungspotenzial.872 Die Anknüpfung an Leistungsbeziehungen zwischen Konzerngesellschaften ist allerdings nicht unumstritten. Einige vertreten die Auffassung, dass eine Orientierung der Gewinnabgrenzung von Konzernen an den Gewinnen, die unabhängige Dritte erzielt hätten, die wesentliche Ratio von Konzernen außer Acht lässt: Gesellschaften werden innerhalb eines Konzernverbundes zusammengefasst, weil sich so mehr Gewinn erzielen lasse als unter unabhängigen Dritten.873 Alternativ wird daher eine formelhafte Aufteilung des Konzerngesamtgewinns diskutiert.874 ________________________ 868 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 667 ff. 869 OECD Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Adminstrations (1995–2000), in van Raad (Hrsg.), Materials on International and EC Tax Law, 2005/2006, S. 858 ff. 870 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 667 ff. 871 Scheffler, Besteuerung der grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit, 2002, S. 277. 872 Schön, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, in: Lüdicke (Hrsg), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 ff., 75. 873 Vann, Reflections on Business Profits and the Arm’s-Length Principle, in: Arnold/ Sasseville/Zolt (Hrsg), The Taxation of Business Profits Under Tax Treaties, 2003, S. 133 ff., 139 f. 874 Siehe dazu beispielsweise Mayer, Formulary Apportionment for the Internal Market, 2008; in diese Richtung weisen auch Bestrebungen auf Ebene der EU, eine GKKB einzuführen, denn auch diese hätte die formelhafte Verteilung des konsolidierten Gruppengewinns auf die einzelnen Mitgliedstaaten zur Folge. Vgl. zu diesem Projekt die Mitteilung der EU-Kommission vom 2.5.2007 (COM(2007) 223 endgültig) so-

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

III. Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit auf die Gewinnabgrenzung Die Betrachtung der Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten und Tochtergesellschaften hat zum einen gezeigt, dass im Ausgangspunkt die zivilrechtlichen Unterschiede zu unterschiedlichen Ansätzen führen: Auf der einen Seite bezweckt die Betriebsstättengewinnabgrenzung, den einheitlichen Gewinn auf die beteiligten Staaten aufzuteilen. Auf der anderen Seite wird bei Tochtergesellschaften grundsätzlich für jede Gesellschaft der Gewinn gesondert ermittelt, was auch die konzerninternen Leistungsverhältnisse mit einbezieht. Zum anderen zeigte sich allerdings auch, dass es einerseits Bestrebungen gibt, die Betriebsstättengewinnabgrenzung der Rechtslage bei Tochtergesellschaften anzupassen. Andererseits gilt es im Rahmen der Konzernbesteuerung wiederum, die wirtschaftliche Einheit bei der Besteuerung zu berücksichtigen, also eine Annäherung an das Einheitsunternehmen sicherzustellen. Im Folgenden ist zu untersuchen, inwieweit Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der Gewinnabgrenzung vergleichbar sind, sodass die Rechtsformwahlfreiheit eine gleichartige Gewinnabgrenzung zur Folge haben müsste.875 Dabei sind zwei Ebenen zu unterscheiden: Auf der ersten Ebene lässt sich schon in Frage stellen, ob die Gewinnabgrenzung dem Grunde nach überhaupt am Maßstab der Rechtsformwahlfreiheit zu messen ist. Auf der zweiten Ebene wird dann die Vergleichbarkeit beider Niederlassungsformen für die Gewinnabgrenzung der Höhe nach untersucht. Dabei werden die konkreten Maßstäbe der Betriebsstättengewinnabgrenzung nach dem „Separate-entity“-Ansatz in den Blick genommen und auf die Vergleichbarkeit zur Gewinnabgrenzung bei Tochtergesellschaften untersucht, da dieser, wie dargestellt, eine weitgehende Angleichung der Betriebsstättengewinnabgrenzung an die Gewinnabgrenzung bei Tochtergesellschaften zur Folge hat.

________________________ wie das „Working Paper“ der Arbeitsgruppe „Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage“ vom 26.7.2007 (CCCTB/WP057/doc/de); dazu Schön, Perspektiven der Konzernbesteuerung, ZHR 171 (2007), S. 409 ff.; Schön, The European Commission’s Report on Company Taxation: A Magic Formula for European Taxation?, European Taxation 2002, S. 276 ff.; Rödder, Perspektiven der Konzernbesteuerung, ZHR 171 (2007), S. 380 ff. 875 Siehe zur Zulässigkeit der sachlichen Anknüpfung an die zivilrechtlichen Unterschiede und zum Maßstab der Vergleichbarkeit für Zwecke der Besteuerung ausführlich im 4. Teil; C; I; 1.

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Gewinnabgrenzung

1. Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der Gewinnabgrenzung dem Grunde nach Im ersten Schritt lässt sich schon in Frage stellen, ob die Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten überhaupt eine an den Grundfreiheiten zu messende Frage ist, da es um eine zwischenstaatliche Allokation von Besteuerungsgut geht, die der EuGH in ständiger Rechtsprechung aus dem Anwendungsbereich der Grundfreiheiten ausnimmt.876 Zum anderen besteht nur bei Tochtergesellschaften die Möglichkeit, selbstständige vertragliche Beziehungen zu begründen. Für eine Vergleichbarkeit für Zwecke der Gewinnabgrenzung wird allerdings die wirtschaftliche Vergleichbarkeit angeführt, auf die daher im Anschluss an die beiden Einwände einzugehen ist. a) Gewinnabgrenzung als Ausdruck der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten Da sich die Gewinnabgrenzung nur auf die Aufteilung des nach nationalem Recht ermittelten Gewinns auf die betroffenen Staaten bezieht, also Gewinnerhöhungen nicht erfasst sind, lässt sich argumentieren, dass sie der Überprüfung anhand der Grundfreiheiten entzogen ist.877 Richtig an dieser Argumentation ist, dass die Wirtschaftsteilnehmer nach der zutreffenden Rechtsprechung des EuGH keinen Anspruch darauf haben, welchem Staat ein unternehmerischer Erfolg durch doppelbesteuerungsrechtliche Vereinbarungen zur Besteuerung zugewiesen wird. Auch wenn aus der Zuordnung ein erhöhtes Steuerniveau resultiert, ist dieser Nachteil daher nicht an den Grundfreiheiten zu prüfen. Daraus folgt, dass für sich betrachtet die Betriebsstättengewinnabgrenzung nicht als Beschränkung betrachtet werden kann, da es nur um die Aufteilung des Unternehmensgewinns auf die beteiligten Staaten geht, denn eventuelle Nachteile resultieren „nur“ aus der zwischenstaatlichen Erfolgsallokation durch die Gewinnabgrenzung und den unterschiedlichen Besteuerungsniveaus der Mitgliedstaaten. Diese Nachteile ergeben sich daraus, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit in dem einen statt in dem anderen Staat (höher) besteuert wird, was nicht an den Grundfreiheiten zu messen ist. ________________________ 876 Zur Funktion der Gewinnabgrenzung für die zwischenstaatliche Gewinnallokation siehe 5. Teil; B. Vgl. zur Herausnahme der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse durch die Mitgliedstaaten aus dem Beschränkungstatbestand 3. Teil; B; IV; 3; c sowie EuGH-Urteil vom 12.9.2006 – Rs. C-196/04 („Cadbury Schweppes“), EuGHE 2006, I-7995; Generalanwalt Geelhoed, Schlussantrag vom 29.06.2006 – Rs. C-524/04 („Test Claimants in the Thin Cap Group Lititgation“), EuGHE 2007, I-2107, Rn. 40. 877 Vgl. Schön, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, in: Lüdicke (Hrsg), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 ff., 88 f.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

Über die Frage eines relativen Maßstabs zwischen zwei Niederlassungsformen besagt diese Einschränkung des Beschränkungsbegriffs dagegen nichts. Es kann daher durchaus eine Beschränkung darstellen, wenn die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis je nach Niederlassungsform unterschiedlich erfolgt, obwohl eine konkrete Aufteilung absolut gesehen für keine der Niederlassungsformen aus den Grundfreiheiten zu begründen ist. Daher ist näher zu betrachten, ob eine unterschiedliche Aufteilung der Gewinne gegen die Rechtsformwahlfreiheit verstößt. Namentlich von Wolfgang Schön wird vertreten, dass eine gleichartige Allokation nicht Ausfluss der freien Wahl der Rechtsform ist: Der innere Grund der Rechtsformwahlfreiheit sei, die wechselseitige Durchdringung von Märkten in der Europäischen Gemeinschaft zu gewährleisten und dabei den Wirtschaftssubjekten unterschiedlich intensive Formen der Marktdurchdringung zu ermöglichen. Da Betriebsstätten und Tochtergesellschaften unterschiedlich intensive Formen der Marktdurchdringung darstellten, könne keine gleichartige Aufteilung der Steuerhoheiten verlangt werden.878 Nimmt man allerdings die konkrete Ausgestaltung des „Separate-entity“Ansatzes879 mit in den Blick, ergibt sich nach hier vertretener Auffassung ein anderes Ergebnis: Zwar soll die Rechtsformwahlfreiheit gerade deshalb die steuerliche Gleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften sicherstellen, um die Entscheidung über die Organisationsform je nach Integrationsbedürfnis zu ermöglichen.880 Ungeachtet der zivilrechtlichen Unterschiede beider Niederlassungsformen, die jeweils eine unterschiedlich intensive Marktintegration ermöglichen, können aber beide Niederlassungsformen im Hinblick auf ihre konkrete Funktion im konkreten Wertschöpfungsprozess vergleichbar sein. Dies ist der Fall, wenn eine Funktionsanalyse eine Gleichwertigkeit der ausgeübten Funktionen für die Wertschöpfung ergibt. Soweit Betriebsstätte und Tochtergesellschaft in diesem Sinne, also konkret-funktional, identisch sind, spricht nicht nur der Gedanke zwischenstaatlicher Verteilungsgerechtigkeit, sondern eben auch der Gedanke der Rechtsformwahlfreiheit für eine gleichartige Allokation des Besteuerungssubstrats.881 Koppelt man, wie dies der „Separate-entity“-Ansatz tut, die Gewinnabgrenzung an eine Funktionsanalyse und gewährleistet man so, dass im konkreten Fall beide Niederlassungsformen vergleichbar ________________________ 878 Schön, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, in: Lüdicke (Hrsg), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 ff., 88 f.; Schön, Analyzing the OECD Report on PEs and the OECD 2006 Report, Tax Notes International 2007, S. 1059 ff., 1064. 879 Dazu 5. Teil; B; I; 3; a. 880 Ausführlich 4. Teil; B; III. 881 Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, S. 111 ff.

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Gewinnabgrenzung

zum Gesamterfolg der Einheit beitragen, liegt für Zwecke der Gewinnabgrenzung daher eine identische Marktintegration vor. Einer Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der Gewinnabgrenzung kann daher weder entgegengehalten werden, dass die Gewinnabgrenzung als Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten dem Anwendungsbereich der Grundfreiheiten entzogen ist, noch, dass die unterschiedlichen Niederlassungsformen für sich eine unterschiedliche Erfolgsallokation zwischen den Mitgliedstaaten rechtfertigen. b) Bedeutung vertraglicher Verhältnisse für die Gewinnabgrenzung Der zweite grundsätzliche Einwand gegen eine Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der Gewinnabgrenzung bezieht sich auf die (fehlende) Möglichkeit zu selbstständigen vertraglichen Beziehungen und Eigentumspositionen der Sekundärniederlassung.882 Diese sind bei Tochtergesellschaften gerade Anknüpfungspunkt der Gewinnabgrenzung und bei Betriebsstätten rechtlich unmöglich.883 Auf den ersten Blick liegt darin eine sachlogische Anknüpfung der Besteuerungstatbestände an die zivilrechtliche Unterschiedlichkeit, sodass die Annahme nahe liegt, dass Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der Gewinnabgrenzung nicht vergleichbar sind und damit die Ungleichbehandlung nicht gegen die Rechtsformwahlfreiheit verstößt. Bei näherer Betrachtung geht es aber in beiden Fälle um die Allokation von Besteuerungssubstrat und stellen Leistungsbeziehungen nur einen Maßstab für diese Allokation dar. Bei Tochtergesellschaften erfolgt diese Zuweisung im Ausgangspunkt entlang der zivilrechtlichen Grenzen innerhalb der Gruppe; bei Betriebsstätten ist dies zwar nicht möglich, dies macht aber eine Zuweisung nicht entbehrlich. Es bedarf daher auch bei Betriebsstätten eines Maßstabs, der die Aufteilung des einheitlichen Gewinns auf Betriebsstätte und Stammhaus und damit auf die betroffenen Staaten ermöglicht.884 Eine Fiktion der Betriebsstätte als Tochtergesellschaft kann im Rahmen der ________________________ 882 Bendlinger, in: Lang/Jirousek (Hrsg.), Festschrift für Loukota, 2005, S. 63 ff.; Raab, in: Löwenstein/Looks (Hrsg.), Betriebsstättenbesteuerung, 2003, Rn. 728; Wassermeyer, Diskriminierungsfreie Betriebsstättengewinnermittlung, IStR 2004, S. 733 ff., 735 ff. 883 Vgl. zu diesen Unterschieden den General Report zum IFA-Kongress in Amsterdam 2006 von Baker/Collier, The attribution of profits to permanent establishments – General Report, Cahier de droit fiscal international 91b 2006, S. 21 ff., 26; Hintsanen, Attribution of Income to Permanent Establishments, European Taxation 2003, S. 114 ff., 117 ff. 884 Vgl. Schön, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, in: Lüdicke (Hrsg), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 ff., 106.

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Gewinnabgrenzung einen sachgerechten Maßstab darstellen und den für Zwecke der Gewinnabgrenzung an der geografischen Grenze notwendigen Schnitt innerhalb des Einheitsunternehmens vollziehen.885 Der Tatbestand der Betriebsstätte dient gerade dazu, eine Binnengrenze innerhalb eines einheitlichen Unternehmens zu markieren, die zivilrechtlich nicht besteht, um den Erfolg des Unternehmens territorial zuzuordnen.886 Die Tatsache, dass zivilrechtlich Verträge zwischen einer Betriebsstätte und anderen Teilen des Unternehmens nicht möglich sind, steht für sich betrachtet daher einer Gewinnabgrenzung nach dem Vorbild der Konzerngewinnabgrenzung nicht entgegen. In der Literatur wird dagegen der Einwand vorgebracht, es bestehe ein wesentlicher Unterschied zwischen rechtswirklichen und fiktiven Vereinbarungen.887 Tatsächliche Vertragsbeziehungen hätten auch andere als steuerrechtliche Folgen und unterlägen damit höheren Hemmschwellen hinsichtlich der Manipulierbarkeit. Der Einwand der Manipulationsanfälligkeit der transaktionsbezogenen Gewinnermittlung ist in der Tat nicht einfach von der Hand zu weisen. Auch der Hinweis auf die Funktionsanalyse scheint angesichts der Komplexität integrierter unternehmerischer Prozesse eher ein theoretischer als ein praktikabler zu sein.888 Doch bestehen auch zwischen verbundenen Unternehmen, denen es am markttypischen Interessengegensatz fehlt, ähnliche Manipulationsmöglichkeiten. Betriebsstätten und Tochtergesellschaften sind jeweils als Teileinheiten den übergeordneten Interessen der Konzernleitung bzw. der Unternehmensleitung unterworfen.889 Das Problem liegt bei Betriebsstätten und Tochtergesellschaften gleichermaßen tiefer im transaktionsbezogenen Ansatz selbst: Mangels markttypischen Interessengegensatzes sind konzerninterne und fingierte Leistungsbeziehungen – nahezu gleichermaßen – in hohem Maße manipulationsanfällig. Zweifel an der Vergleichbarkeit für Zwecke der Gewinnabgrenzung kann die Manipulationsanfälligkeit fingierter Leistungsverhältnisse daher im Ergebnis nicht begründen. Festzuhalten ist damit, dass die Systematik der internationalen Betriebsstättengewinnabgrenzung zu einer Aufteilung des Gewinns des Einheits________________________ 885 Vgl. ausführlich Kroppen, Betriebsstättengewinnermittlung, IStR 2005, S. 74 ff. 886 Vgl. Schön, Analyzing the OECD Report on PEs and the OECD 2006 Report, Tax Notes International 2007, S. 1059 ff., 1069; Schön, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, in: Lüdicke (Hrsg), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 ff. 887 Vann, Reflections on Business Profits and the Arm’s-Length Principle, in: Arnold/ Sasseville/Zolt (Hrsg), The Taxation of Business Profits Under Tax Treaties, 2003, S. 133 ff., 164. 888 Vgl. Schön, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, in: Lüdicke (Hrsg), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 ff., 101. 889 Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, S. 198.

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unternehmens an den geografischen Grenzen zwingt. Der Tatbestand der Betriebsstätte dient für Zwecke der Gewinnabgrenzung gerade zu einer Separierung des Betriebsstättengewinns. Die Fiktion einer Betriebsstätte als selbstständiges und unabhängiges Unternehmen greift diese steuersystematische Notwendigkeit, die Betriebsstätte zu separieren, auf, sodass diese Fiktion nicht die grundsätzliche Beachtlichkeit der zivilrechtlichen Unterschiede in Frage stellt. Die Ausrichtung auf die Gewinnabgrenzung bei Tochtergesellschaften bezweckt nur einen Maßstab einer in jedem Fall erforderlichen Separierung. c) Wirtschaftliche Vergleichbarkeit der Niederlassungsformen für Zwecke der Gewinnabgrenzung Wie dargelegt überzeugen die beiden grundlegenden Einwände gegen eine Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der Gewinnabgrenzung nicht. Vielmehr spricht die wirtschaftliche Vergleichbarkeit beider Niederlassungsformen im Grundsatz für eine gleichartige Gewinnabgrenzung: Beide Niederlassungsformen dienen im Rahmen eines integrierten Wertschöpfungsprozesses der Maximierung des Gesamtgewinns der wirtschaftlichen Einheit und können dabei identische Funktionen wahrnehmen.890 Welche Funktion konkret ausgeübt wird, ist eine Frage der inneren Organisation, nicht der juristischen Selbstständigkeit, da in Ausrichtung auf ein gemeinsames Interesse Betriebsstätten und Tochtergesellschaften unterschiedliche Freiheitsräume gewährt werden können. Beispielsweise können den Organen einer selbstständigen Tochtergesellschaft enge und verbindliche Vorgaben gemacht und den Entscheidungsträgern einer unselbstständigen Betriebsstätte weite Freiräume gewährt werden. Die funktionale Bedeutung der Sekundärniederlassung ist also nicht an die zivilrechtliche Ausgestaltung gekoppelt. Sofern man einheitlich die Gewinnabgrenzung nach Maßgabe des Beitrags zum Wertschöpfungsprozess vornehmen will, folgt daher, dass die Gewinnabgrenzung nicht an den zivilrechtlichen Unterschieden ansetzen darf, sondern eine wirtschaftliche Betrachtungsweise auf die jeweilige Funktion abstellen muss.891 2. Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der Gewinnabgrenzung der Höhe nach Stehen dem Grunde nach der Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der Gewinnabgrenzung keine Einwände entgegen, sondern spricht vielmehr die wirtschaftliche Vergleichbarkeit für ________________________ 890 Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, S. 199. 891 Siehe dazu auch überzeugend und ausführlich Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, S. 197 ff.

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eine Gleichbehandlung, muss im nächsten Schritt die konkrete Ausgestaltung der Betriebsstättengewinnabgrenzung nach dem „Separate-entity“Ansatz betrachtet werden, da dieser eine weitgehende Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der Gewinnabgrenzung unterstellt und daher ein geeigneter Anknüpfungspunkt ist, diese Vergleichbarkeit eigenständig zu untersuchen. Die wesentliche Konsequenz der Fiktion einer Betriebsstätte als selbstständiges und unabhängiges Unternehmen ist die Fiktion interner Leistungsbeziehungen. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für die Fiktion interner Leistungsbeziehungen vergleichbar sind. Ausgangspunkt ist dabei, dass unter fremden Dritten ein Entgelt im Grundsatz zwei Komponenten enthält, eine Kompensation für die mit der Leistung verbundenen Kosten sowie einen Gewinnaufschlag.892 Der Gewinnaufschlag berücksichtigt wiederum im Grundsatz zum ersten ein Entgelt für die übernommene Funktion und zum zweiten für das eingegangene Risiko des Leistungserbringers.893 Die Frage, ob Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für die Anerkennung interner Leistungsbeziehungen vergleichbar sind, ist demnach in Teilschritten zu betrachten: Die Komponente der „Kostenkompensation“ wirft dabei weniger Probleme auf als die Frage, ob der Gewinnaufschlag neben der Berücksichtigung der Funktion auch die Übernahme von Risiken reflektieren kann. a) Zuordnung von Aufwendungen Soweit sich die Anerkennung von internen Leistungsbeziehungen auf eine Zuordnung von Aufwendungen bezieht, die aus Leistungsbeziehungen mit Dritten entstanden sind, lässt sie sich mit dem Veranlassungsprinzip in Einklang bringen, weil es jeweils im Kern darum geht, wem aus den Aufwendungen ein wirtschaftlicher Vorteil erwächst.894 Mithilfe fiktiver interner Entgeltzahlungen können tatsächliche Wertverschiebungen zwischen den Unternehmensteilen berücksichtigt werden.895 So ist nur anhand fiktiver Leistungsbeziehungen eine Allokation von gegenüber Dritten entstandenen Kosten über mehrere Veranlassungszeiträume möglich, wenn z. B. ein vom Stammhaus erworbenes Wirtschaftsgut entgeltlich einer Betriebsstätte in ________________________ 892 Vgl. Schön, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, in: Lüdicke (Hrsg), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 ff., 109. 893 Vgl. ausführlich Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, S. 298 ff., 301 ff. 894 Vgl. dazu Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, S. 243 ff., 250 ff.; Wassermeyer, in: Debatin/Wassermeyer (Hrsg.), Doppelbesteuerung, Stand Mai 2007, Art. 7 OECD-MA, Rn. 186. 895 Schön, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, in: Lüdicke (Hrsg), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 ff., 108 mit Beispielen.

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den dem Anschaffungsjahr nachfolgenden Veranlagungszeiträumen zur Verfügung gestellt wird, mit der Folge, dass der korrespondierende Aufwand ebenfalls der Betriebsstätte zugeordnet wird. Mangels Koinzidenz von Nutzung durch die Betriebsstätte und Anschaffung durch das Stammhaus in einem Veranlagungszeitraum ist dies nach der Gegenauffassung, also einem reinen Veranlassungsprinzip, nicht möglich. Innentransaktionen dienen insoweit der Dokumentation und Konkretisierung wirtschaftlicher Verursachung von Aufwendungen durch die einbezogenen Unternehmensteile.896 b) Zuordnung von Risiken Neben der Zuordnung von tatsächlichen Aufwendungen können die fiktiven Entgelte für interne Leistungen aber auch einen Gewinnaufschlag beinhalten, der sich auf die übernommene Funktion und insbesondere das übernommene Risiko bezieht.897 Dies ist auf Basis der mit dem „Separateentity“-Ansatz der OECD verbundenen Funktionsanalyse der Fall: Art und Umfang der wahrgenommenen Funktionen und die daraus resultierenden Risiken bzw. der damit einhergehende Kapitaleinsatz bilden, wie bei Tochtergesellschaften, die den Verrechnungspreis determinierenden Faktoren.898 Die zentrale Frage zur Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der Gewinnabgrenzung ist daher, ob eine fingierte vertragliche Risikozuweisung im Rahmen eines Einheitsunternehmens zur Grundlage der Gewinnabgrenzung gemacht werden kann. Gegen die Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für die Zuordnung von Risiken werden zwei Einwände vorgebracht, die im Folgenden zu überprüfen sind. aa) Unmöglichkeit einer vertraglichen Risikoübernahme Auf den ersten Blick spricht schon die Unmöglichkeit einer vertraglichen Übernahme von Risiken durch eine Betriebsstätte gegen eine Vergleichbarkeit mit Tochtergesellschaften; zivilrechtlich trifft das Risiko immer das ge________________________ 896 Beispielsweise auch bei Inanspruchnahme von internen Dienstleistungen; vgl. Schön, Analyzing the OECD Report on PEs and the OECD 2006 Report, Tax Notes International 2007, S. 1059 ff., 1068 f. 897 Vgl. 5. Teil; B; I; 3; a. Dabei geht es um solche Leistungen, die auch Gegenstand einer Leistungsbeziehung zwischen selbstständigen Gesellschaften auf Grundlage einer schuldrechtlichen Vereinbarung sein könnten. Vgl. zu Leistungen, die innerhalb eines Unternehmens zentralisiert und spezialisiert für mehrere Unternehmensteile erbracht werden (sog. Poolkonzept), Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, S. 253 ff., 273 ff. 898 Siehe dazu ausführlich Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, S. 284 ff.; 300.

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samte Unternehmen und nicht einzelne Unternehmensteile.899 Bei der Gewinnabgrenzung im Konzern ist dagegen eine vertragliche Übernahme von Risiken zivilrechtlich wirksam und wird im Ausgangspunkt auch für das Steuerrecht akzeptiert. Die vertraglichen Abreden sind damit Grundlage der Risikoallokation, sodass die Risikoverteilung und die entsprechende Gewinnzuteilung im Ermessen der Konzernmitglieder liegt, soweit sie nicht den tatsächlichen wirtschaftlichen Umständen widerspricht.900 Allerdings folgt aus der Unmöglichkeit, zivilrechtlich wirksame Risikoübernahmen zu vereinbaren, nicht, dass eine Verteilung des Risikos auf die unselbstständigen Unternehmensteile entbehrlich ist. Vielmehr bedarf es eines Zuordnungsmaßstabs, damit die aus der Verwirklichung eines zivilrechtlich das gesamte Unternehmen treffenden Risikos resultierenden Aufwendungen ebenso wie die aus den korrespondierenden Chancen auf die beteiligten Unternehmensteile verteilt werden können.901 Dieser Zuordnungsmaßstab kann nach hier vertretener Auffassung im Grundsatz eine fingierte vertragliche Übernahme von Risiken sein, die dann Grundlage von Gewinnzuschlägen bei internen Leistungsbeziehungen wäre, soweit die Risiken in unmittelbarem Zusammenhang mit der tatsächlich ausgeübten Funktion der Betriebsstätte stehen.902 Bei Tochtergesellschaften resultiert die Risikoübernahme im Rahmen konzerninterner Leistungsbeziehungen aus den vertraglichen Vereinbarungen, die die Organe der Tochtergesellschaft für diese mit den Organen der Muttergesellschaft für diese eingegangen sind. Welche Risikozuordnung aus solchen Vereinbarungen resultiert, ist also Konsequenz eines Einvernehmens auch der Organe der Tochtergesellschaft, und zwar selbst dann, wenn diese ________________________ 899 Wassermeyer, Grundsatzprobleme der Betriebsstättengewinnermittlung, SWI 2006, S. 254 ff., 255 f.; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, S. 305. 900 OECD Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Adminstrations (1995–2000), in van Raad (Hrsg.), Materials on International and EC Tax Law, 2005/2006, S. 858 ff., Rn. 1.26. 901 Insoweit auch zustimmend Schön, Analyzing the OECD Report on PEs and the OECD 2006 Report, Tax Notes International 2007, S. 1059 ff., 1066; Schön, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, in: Lüdicke (Hrsg), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 ff., 98. 902 So auch Ditz, Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte – Neue Entwicklungen auf Ebene der OECD unter besonderer Berücksichtigung des E-Commerce, IStR 2002, S. 210 ff., 211; zu der Notwendigkeit einer funktionalen Analyse mangels Möglichkeit einer Anknüpfung an die unterschiedlichen Rechtsträger vgl. auch OECD-Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 17.7.2008, Rn. 18; kritisch Wassermeyer, Grundsatzprobleme der Betriebsstättengewinnermittlung, SWI 2006, S. 254 ff., 256 f.

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dabei, wie in der Regel, die Zwecke der Muttergesellschaft bzw. des Konzern verfolgen bzw. berücksichtigen. Ob eine Tochtergesellschaft als Eigenhändler, Kommissionär, Auftragsfertiger oder in sonstiger Funktion eingesetzt wird und die daraus folgenden Risiken trägt, folgt aus den vertraglichen Vereinbarungen mit der Muttergesellschaft. Die Risikozuordnung erfolgt also in einer einvernehmlichen Regelung durch Zuweisung einer Funktion im Rahmen des Wertschöpfungsprozesses des Konzerns.903 Eine solche vertragliche Risikoübernahme kann man grundsätzlich im Einheitsunternehmen ebenso fingieren wie andere Leistungsbeziehungen auch, solange man die notwendige Bindung an tatsächlich der Risikoübernahme zugrunde liegende Funktionen nicht aufgibt.904 Wiederum stellt die Fiktion dabei einen möglichen Maßstab für einen notwendigen Schritt, der Zuordnung der Risiken zur Betriebsstätte, dar. Das eigentliche Problem einer fiktiven vertraglichen Risikoübernahme im Einheitsunternehmen wird daher nach zutreffender Auffassung auch nicht in der Möglichkeit einer Fiktion als solcher gesehen, sondern darin, dass die innere Begründung der Betriebsstättengewinnabgrenzung, die zwischenstaatliche Aufteilung nach dem Äquivalenzprinzip, mit einer Risikozuweisung auf Basis fiktiver vertraglicher Vereinbarungen nicht zu vereinbaren ist.905 Dieser Einwand bedarf im Folgenden einer vertieften Betrachtung. bb) Risikozuordnung und Äquivalenzprinzip In der Literatur wird vertreten, dass eine fiktive vertragliche Zuordnung von Risiken zu Betriebsstätten übersehe, dass die Betriebsstättenbesteuerung dem Äquivalenzprinzip und die Besteuerung der Tochtergesellschaft dem Welteinkommensprinzip folge.906 Das Äquivalenzprinzip bedeute eine geo________________________ 903 Außerhalb der konzerninternen Schuldverhältnisse gilt diese Form der einvernehmlichen Risikozuordnung nicht, wenn sich Entscheidungen für einen bei der Tochtergesellschaft eintretenden Verlust als ursächlich erweisen, die allein auf Ebene der Muttergesellschaft getroffen wurden (Bsp. „fehlgeleitetes Betriebskonzept“), da dann ohne Beteiligung der Organe der Tochtergesellschaft eine Risikozuordnung erfolgt ist; vgl. auf diese Konstellationen abstellend Schön, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, in: Lüdicke (Hrsg), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 ff., 101 f. 904 Vgl. dazu ausführlich Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, S. 298 ff. 905 Schön, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, in: Lüdicke (Hrsg), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 ff. 906 Schön, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, in: Lüdicke (Hrsg), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 ff., 102 ff.; Schön, Unternehmensbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, StbJb 2003/2004, S. 27 ff., 63.

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grafische Aufteilung eines Gewinns.907 Das Welteinkommensprinzip betrachte dagegen den subjektiven Zuwachs an Vermögen, also die gesteigerte Leistungsfähigkeit selbstständiger juristischer Personen.908 Nur im Rahmen der personalen Zurechnung von Gewinnen bei Tochtergesellschaften seien die Übernahme von Risiken und die Erzielung korrespondierender Mehrgewinne sinnvoll denkbar.909 Im Ergebnis wird daher eine Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der Gewinnabgrenzung abgelehnt, da die unterschiedlichen Maßstäbe der Gewinnabgrenzung, d. h. das Welteinkommensprinzip auf der einen und das Äquivalenzprinzip auf der anderen Seite, aus der zivilrechtlichen Unterschiedlichkeit folgen: Sie bauen auf der eigenen Steuersubjektivität auf, die an der juristischen Selbstständigkeit der Tochtergesellschaft anknüpft. Diese grundlegende Unterscheidung in der Besteuerung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ist auch nach hier vertretener Auffassung mit der Rechtsformwahlfreiheit vereinbar.910 Nach hier vertretener Auffassung ist die dieser Argumentation zugrunde liegende Dichotomie von Äquivalenzprinzip und Leistungsfähigkeits- sowie Welteinkommensprinzip aber im Ergebnis nicht überzeugend: Gerade auf Basis des Äquivalenzgedankens kann nach hier vertretener Auffassung keine Differenzierung in der Gewinnabgrenzung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften gemacht werden: Der Äquivalenzgedanke fordert, der unternehmerischen Teileinheit einen Gewinnanteil zuzuweisen, der den Funktionen und den daraus resultierenden Risiken entspricht, die im Quellenstaat ausgeübt wurden. Dahinter steht, dass die Rechtfertigung der Besteuerung wegen der Inanspruchnahme der öffentlichen Infrastruktur im weitesten Sinne auch die Marktbedingungen mitumfasst. Diese Marktbedingungen, wie beispielsweise das Nachfrageverhalten der Kunden, die Gefahr von Konkurrentenklagen oder verbraucherschützenden Einwänden bestimmen wesentlich die Chancen und Risiken, die aus einer wirtschaftlichen ________________________ 907 Siehe zum Äquivalenzgedanken bereits im Zusammenhang mit der Verlustverrechnung bei Betriebsstätten 5. Teil; A; II; 3; b; vgl. auch Kane, Risk and Redistribution in Open and Closed Economies, Virginia Law Review 2006, S. 868 ff., 904 f. 908 Schön, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, in: Lüdicke (Hrsg), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 71 ff., 102 ff.; siehe auch Vann, Reflections on Business Profits and the Arm’s-Length Principle, in: Arnold/Sasseville/Zolt (Hrsg), The Taxation of Business Profits Under Tax Treaties, 2003, S. 133 ff., 142 ff. mit allerdings anderer Ausrichtung. 909 Schön, Analyzing the OECD Report on PEs and the OECD 2006 Report, Tax Notes International 2007, S. 1059 ff., 1068. 910 Zur Zulässigkeit der Differenzierung bei sachlicher Anknüpfung an die zivilrechtlichen Unterschiede und konkret zur daraus folgenden Möglichkeit, (nur) die Tochtergesellschaft als eigenes Steuersubjekt zu behandeln, vgl. 4. Teil; C; I; 1.

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Tätigkeit erwachsen bzw. entstehen.911 Damit ist der Äquivalenzgedanke unmittelbar an die Risikoübernahme durch Ausübung bestimmter Funktionen im Wertschöpfungsprozess gekoppelt. Dieser Gedanke gilt ebenso für formal selbstständige Teile eines Konzernverbundes wie für unselbstständige Teile eines Unternehmens, da beide funktional in vergleichbarer Weise zum Gesamtgewinn des Konzerns bzw. des Einheitsunternehmens beitragen, sodass in beiden Fällen äquivalenztheoretisch dem Quellenstaat ein dieser Funktion und den damit verbundenen Risiken entsprechender Gewinn zugewiesen werden sollte. Die klare Trennung zwischen dem der Betriebsstättenbesteuerung zugrunde liegenden Äquivalenzprinzip und dem Leistungsfähigkeits- und Welteinkommensprinzip bei personaler Einkommenszurechnung verkennt nach hier vertretener Auffassung, dass der wesentliche Unterschied zwischen der Besteuerung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften insoweit (nur) im territorialen Radius des Zugriffs liegt: Es besteht kein struktureller Unterschied in der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit und einer äquivalenztheoretischen Begründung der Besteuerung.912 Vielmehr besteht der Unterschied allein darin, dass bei der Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip der Steuerpflichtige „unbegrenzt“ staatliche Leistungen in Anspruch nimmt, bei sachlicher Anknüpfung, wie durch eine Betriebsstätte, dagegen nur in Bezug auf die mit dem Inland verbundenen Einkünfte. Jeweils liegt der Besteuerung aber der Äquivalenzgedanke i. S. e. „globalen“ Gegenseitigkeit von staatlicher Leistung und Besteuerung zugrunde. Daher besteht zwar ein anderer Radius, aber keine andere Art des Zugriffs.913 Daraus folgt nach hier vertretener Auffassung, dass sowohl bei personaler Einkommenszurechnung bei Tochtergesellschaften als Begründung für die ________________________

911 Vgl. vor diesem Hintergrund auch die Interpretation der Betriebsstättenbesteuerung als „resident-principle“ in Abgrenzung zum Quellenprinzip bei Vann, Reflections on Business Profits and the Arm’s-Length Principle, in: Arnold/Sasseville/Zolt (Hrsg), The Taxation of Business Profits Under Tax Treaties, 2003, S. 133 ff., 142 ff. 912 Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff (Hrsg.), EStG, Stand 2000, § 1, Rn. A 171; siehe auch Lehner, Das Territorialitätsprinzip im Licht des Europarechts, in: Gocke/Gosch/Lang (Hrsg), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung – Festschrift für Franz Wassermeyer zum 65. Geburtstag, 2005, S. 241 ff., 245 ff. 913 Vgl. Hey, Die beschränkte Steuerpflicht im Licht von Territorialitätsprinzip, Isolationstheorie und Objektsteuercharakter, in: Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer (Hrsg), Die beschränkte Steuerpflicht im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 2004, S. 15 ff., 31; vgl. auch ausführlich zur Begründung der Markteinkommenstheorie, die zu einer Verknüpfung von Leistungsfähigkeitsprinzip und Äquivalenzprinzip führt Mayer, Formulary Apportionment for the Internal Market, 2008 (im Erscheinen).

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Gewinnzurechnung der Gedanke der Äquivalenz gilt, als auch bei territorialer Aufteilung eines einheitlichen Gewinns die Steigerung der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen ist. Damit ist verbunden, dass zur territorialen Aufteilung auch die Risikozuordnung gehört, denn Chancen und Risiken wirtschaftlichen Handels hängen gerade auch mit der Marktsituation, die dem Äquivalenzgedanken zugrunde liegt, zusammen. Für die fiktive vertragliche Übernahme von Risiken durch eine Betriebsstätte folgt aus der Begründung der Risikozuordnung mit dem Äquivalenzprinzip zugleich auch die bereits getroffene Einschränkung, dass eine Risikozuordnung nur so weit möglich ist, wie die zugrunde liegende Funktion tatsächlich ausgeübt wird.914 Daher könnte man formulieren, dass zwar nicht eine rein fiktive Risikozuordnung möglich ist, aber eine fiktive vertragliche Übernahme von Funktionen auch die mit diesen Funktionen einhergehenden Risiken erfassen und entsprechend bei der Gewinnabgrenzung berücksichtigen kann. Im Ergebnis ist eine funktionale Risikozuordnung daher mit dem Äquivalenzprinzip zu vereinbaren und verwirklicht weitgehend die Gleichstellung zur Gewinnabgrenzung bei Tochtergesellschaften. Lediglich eine rein fiktive, quasivertragliche Übernahme von Risiken innerhalb des Einheitsunternehmens, ohne Rücksicht auf die tatsächlich ausgeübten Funktionen, scheidet aus. 3. Zwischenergebnis Der Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit fordert eine gleichartige Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten und Tochtergesellschaften, da beide Rechtsformen für Zwecke der Gewinnabgrenzung im Wesentlichen vergleichbar sind. Insbesondere können auch bei der Betriebsstättengewinnabgrenzung interne Leistungsverhältnisse zum Zwecke der Gewinnabgrenzung fingiert werden. Diese können auch einen Gewinnanteil berücksichtigen, soweit die zugrundeliegende Zuweisung von Risiken auf Grundlage einer Funktionsanalyse erfolgt. Grenzen der Gleichbehandlung bestehen dort, wo interne Leistungsbeziehungen zwischen Betriebsstätten und Stammhaus vertraglichen Beziehungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft nicht vergleichbar sind, wie dies insbesondere bei einer Risikoübernahme ohne korrespondierende Funktionsausübung der Fall ist.

C. Finanzierung Die Finanzierung der Sekundärniederlassung durch das Mutterhaus wirft im Hinblick auf eine Gleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesell________________________ 914 Vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, S. 306 f.

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schaften mehrere Fragen auf, da nach gegenwärtiger Rechtslage bedeutende Unterschiede bestehen. Ausgehend von einer Darstellung der Grundlagen der Finanzierung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften wird die Rechtsformwahlfreiheit im Hinblick auf zwei Aspekte in den Blick genommen: Zunächst wird die Frage untersucht, in welche Reichweite die Finanzierungsfreiheit des Steuerpflichtigen, also die Wahl zwischen Eigen- und Fremdkapital, bei beiden Niederlassungsformen hat. Zum Zweiten wird vor dem Hintergrund der Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen „Bosal“ 915 und „Keller Holding“ 916 betrachtet, ob der Abzugs des Finanzierungsaufwands im Sitzstaat der Muttergesellschaft oder im Sitzstaat der Tochtergesellschaft möglich ist.

I. Finanzierungsfreiheit bei Tochtergesellschaften Im Grundsatz gibt es für Unternehmen zwei Quellen für die Finanzierung der wirtschaftlichen Aktivität:917 Das „Eigenkapital“ umfasst, vereinfachend ausgedrückt, Beiträge der Gesellschafter sowie die thesaurierten Gewinne des Unternehmens.918 Das Fremdkapital umfasst im Grundsatz Verbindlichkeiten gegenüber Drittgläubigern und Gesellschaftern des Unternehmens. Die Bestimmung der Finanzierungsform unterliegt keinen grundlegenden Schwierigkeiten, da die zivilrechtliche Selbstständigkeit der Tochtergesellschaft eine zivilrechtlich wirksame Gewährung von Eigenkapital und eine Zuordnung von (Gesellschafter-)Fremdkapital ermöglicht. 1. Grundsatz der Finanzierungsfreiheit Nach dem Grundsatz der Finanzierungsfreiheit steht es dem Steuerpflichtigen grundsätzlich frei, ob er sein Unternehmen mit Eigen- oder Fremdkapital finanziert.919 Bei der Festlegung des Eigenkapitals einer Tochtergesellschaft besteht weitgehende Entscheidungsfreiheit der Muttergesell________________________ 915 EuGH-Urteil vom 28.9.2003 – Rs. C-168/01 („Bosal“), EuGHE 2003, I-09409. 916 EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-471/04 („Keller Holding“), EuGHE 2006, I-2107. 917 Vgl. dazu Schreiber, Ertragsbesteuerung und Finanzierung ausländischer Tochterkapitalgesellschaften, zfbf 1993, S. 510 ff. Daneben sind in der Praxis hybride Finanzierungsformen zu finden, auf die hier nicht näher einzugehen ist, vgl. dazu Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, 2002, S. 763. 918 Was hier als Eigenkapital im weiteren Sinne bezeichnet wird, bezeichnet die OECD als „free capital“. Dies ist definiert als Kapital, auf dessen Einsatz kein Entgelt folgt, das als – als Betriebsausgabe abzugsfähige – Zinszahlung qualifiziert werden kann, vgl. OECD-Report on the Attribution of Profits to Permant Establishments, Rn. 136 f. 919 Vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, S. 364; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 911.

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schaft. Zu beachten sind nur die Mindestkapitalvorschriften und, sofern vorhanden, sog. Gesellschafterfremdfinanzierungsregeln, also Regeln, die die Gewährung von Gesellschafterfremdkapital an die Höhe des Eigenkapitals koppeln.920 Je nach Wahl der Finanzierungsform kommt es zu einer unterschiedlichen Besteuerung des korrespondierenden Gewinns: Im Fall der Hingabe als Eigenkapitel erhält die Muttergesellschaft Dividendeneinkünfte. Diese sind in der Regel konzernintern steuerfrei.921 Im Fall der Hingabe als Fremdkapital erzielt die Muttergesellschaft Zinsgewinne, die bei ihr zu steuerpflichtigem Ertrag und bei der Tochtergesellschaft zu gewinnmindernden Betriebsausgaben führen. Daher spielt die Finanzierung einer Sekundärniederlassung für die Steuerplanung eine herausragende Rolle.922 Bedeutung hat die Finanzierungsform auch für die Refinanzierung: Im Grundsatz führen die Zinszahlungen im Rahmen einer Gesellschafterfremdfinanzierung zu steuerpflichtigen Gewinnen bei der Muttergesellschaft. Infolgedessen sind grundsätzlich die korrespondierenden Aufwendungen, also insbesondere der Refinanzierungsaufwand der Muttergesellschaft, als Betriebsausgabe abzugsfähig. Demgegenüber sind im Grundsatz die mit den Dividendenerträgen korrespondierenden Aufwendungen nicht abzugsfähig, da im Rahmen des Anwendungsbereichs der Mutter-Tochter-Richtlinie die Dividendengewinne in der Regel steuerfrei sind. Im deutschen Recht sind dagegen nach § 8b Abs. 5 Satz 2 KStG die mit den Dividendenerträgen zusammenhängenden Betriebsausgaben voll abzugsfähig; allerdings werden nach § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG 5 % der Dividenden als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben behandelt. 2. Einschränkungen der Finanzierungsfreiheit Im zwischenstaatlichen Kontext hat die Möglichkeit einer Finanzierung durch konzerninterne Darlehen zur Folge, dass die Gewinne nach steuerlichen Gesichtspunkten verlagert werden können: Die Zinsleistungen mindern bei einer Konzerngesellschaft als Betriebsausgaben den Gewinn, während die Zinserträge den Gewinn einer anderen Konzerngesellschaft korres________________________ 920 Scheffler, Besteuerung der grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit, 2002, S. 378. 921 Vgl. für das deutsche Recht § 8 b Abs. 1 KStG und für die europarechtliche Grundlage Art. 4 Abs. 1 Mutter-Tochter-Richtlinie. 922 Vgl. einleitend zur Bedeutung der Finanzierung für die Steuerplanung Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, 2002, S. 762 ff.; siehe dazu aktuell Spengel, Besteuerung von Einkommen – Aufgaben, Wirkungen und europäische Herausforderungen; Gutachten G, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg), Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages – Band I, 2006, S. G 1 ff., 17.

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pondierend erhöhen, sodass im Ergebnis bei unterschiedlicher Ansässigkeit der beteiligten Gesellschaften der Ertrag von einem Staat in einen anderen Staat „verlagert“ werden kann.923 Diese Gestaltungsmöglichkeit, also die Arbitragemöglichkeit des Steuerpflichtigen in Bezug auf die Wahl der Besteuerungshoheit durch konzerninterne Darlehensgewähr, ist der innere Grund der Gesellschafterfremdfinanzierungsregeln. Im innerstaatlichen Fall resultiert aus der Verlagerung des Gewinns zwischen den Konzerngesellschaften aus der Perspektive des Fiskus kein Problem, da mit der Gewinnminderung (Abzug des Zinsaufwands) bei der einen Gesellschaft eine Gewinnerhöhung (Zinsertrag) bei der anderen Gesellschaft einhergeht. Gesellschafterfremdfinanzierungsregeln wie die frühere Regelung des § 8a KStG beschränken daher die Möglichkeit konzerninterner Darlehen mit dem Ziel, eine „Umwandlung“ gewerblicher Gewinne der Tochtergesellschaft in Zinsgewinne der Muttergesellschaft zu verhindern.924 Nach § 8a KStG war die Gesellschafterfremdfinanzierung nur innerhalb eines sog. „safe haven“, eines Umfangs in Höhe des Eineinhalbfachen des anteiligen Eigenkapitals, möglich.925 Darüber hinausgehende Gesellschafterdarlehen wurden wie Eigenkapital behandelt, mit der Folge, dass die Zinsleistungen vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen und als verdeckte Gewinnausschüttung zu besteuern waren. Den Steuerpflichtigen war allerdings die Entlastung durch einen Drittvergleich nach § 8a Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 KStG möglich. Die Fremdfinanzierung durch Dritte war grundsätzlich unbeschränkt möglich.926 Nach neuer Rechtslage ist, vereinfachend betrachtet, die Regelung für die Gesellschafterfremdfinanzierung auf alle Darlehen, also auch auf solche von Dritten, erstreckt worden: Neuerdings sind Zinsaufwendungen innerhalb eines Konzerns927 allgemein nach § 4h EStG ggf. i. V. m. § 8a KStG n. F. nur ________________________ 923 Kritisch zur Möglichkeit, durch die Finanzierungsfreiheit den Gewinn zwischenstaatlich zu allozieren Schön, Perspektiven der Konzernbesteuerung, ZHR 171 (2007), S. 409 ff., 423 f., der sachlich zutreffende Weg, Einführung einer Quellensteuer, sei durch die Zins- und Lizenzrichtlinie verbaut. 924 Nach Auffassung von Lehner, Tax consequences resulting from the application of the non-restriction principles in areas other than taxation: distinction between discriminatory and non-discriminatory restrictions, in: Vanistendael (Hrsg), EU Freedoms and Taxation, 2006, S. 47 ff., 68 stellt § 8a KStG n. F. eindeutig eine nichtdiskriminierende Beschränkung dar, weil die Finanzierungsfreiheit ausländischer Gesellschafter behindert wird. Es handle sich um ein „absolutes Hemmniss des Marktzugangs“, um eine „spezifische Beeinträchtigung des Marktzugangs“. 925 Siehe aktuell Rehm/Feyerabend/Nagler, Die Renaissance der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung!, IStR 2006, S. 7 ff. 926 Ausnahmen bestanden nach § 8a Abs. 1 Satz 2 KStG bei nahestehenden Personen und sog. Back-to-Back-Finanzierungen, bei denen bestimmte Rückgriffsrechte der Dritten bestanden. 927 Vgl. § 4h Abs. 2a EStG.

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noch eingeschränkt abzugsfähig (sog. „Zinsschranke“).928 Auch insoweit soll u. a. die Möglichkeit beschränkt werden, durch Gewährung von Gesellschafterfremdkapital anstelle von Eigenkapital den steuerbaren Gewinn im Ergebnis von der Tochter- auf die Muttergesellschaft zu verlagern. Daher sind Eigenkapitalquoten einer Tochtergesellschaft bis zur Eigenkapitalquote des Konzerns nach § 4h Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 Buchst. c EStG zulässig. Bei Körperschaften ist diese Ausnahme nach § 8a Abs. 3 KStG auf Tochtergesellschaften beschränkt, bei denen die Zinsaufwendungen für Gesellschafterdarlehen nicht mehr als 10 % des positiven Saldos der Zinsaufwendungen beträgt. Im Rahmen eines Organkreises gilt die Zinsschranke für Tochtergesellschaften nach § 15 Satz 1 Nr. 3 KStG n. F. nicht.

II. Finanzierungsfreiheit bei Betriebsstätten Die Finanzierung einer Betriebsstätte steht dagegen vor dem strukturellen Problem, dass weder die Zuordnung von Eigenkapital noch von Fremdkapital an rechtlich wirksame Vorgänge anknüpfen kann. Weder die Ausstattung mit Gesellschaftsmitteln als „Gesellschafter“-Einlage ist zivilrechtlich möglich, noch kann die Betriebsstätte als solche selbstständig gegenüber dem Stammhaus oder Dritten Verbindlichkeiten eingehen. Eine der Rechtslage bei Tochtergesellschaften vergleichbare Handhabung ist daher auf die Fiktion einer Eigen- und Fremdkapitalausstattung angewiesen. 1. Grundsatz der Finanzierungsfreiheit Die Bestimmung der Kapitalausstattung einer Betriebsstätte erfolgt im Grundsatz in drei Schritten: Ausgangspunkt ist die Zuordnung von Aktiva nach Maßgabe einer Funktionsanalyse, d. h. der Betriebsstätte werden die Wirtschaftsgüter (anteilig) zugerechnet, derer sie zur Erfüllung ihrer Funktionen bedarf.929 Die Finanzierungsfreiheit des Steuerpflichtigen besteht dann in den nächsten beiden Schritten in der Zuordnung von Verbindlichkeiten und Dotationskapital: Die Zurechnung von Verbindlichkeiten und die Bestimmung eines „eigenkapitalvergleichbaren“930 Dotationskapitals befinden sich in einem Komplementärverhältnis: Nimmt man einen Vorrang der Zurechnung von Verbindlichkeiten zur Betriebsstätte an, wird die Bestimmung des Dotationskapitals zu einer bloßen Residualgröße, weil das Dotationskapital dann ________________________ 928 Vgl. dazu Hahne, Die Begünstigung von Beteiligungen an Personengesellschaften bei der „Zinsschranke“, DStR 2007, S. 1947 ff. 929 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 630 ff.; 912 f. 930 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 630 ff.; 912 f.

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die Differenz aus Aktiva und Verbindlichkeiten in der Bilanz bildet.931 Nimmt man einen Vorrang der Bestimmung eines „angemessenen“932 Dotationskapitals an, ist (ein Teil) der zuzurechnenden Verbindlichkeiten eine Residualgröße.933 Der Passivposten „Verbindlichkeiten“ umfasst dabei Verbindlichkeiten, die unmittelbar von der Betriebsstätte (für das Gesamtunternehmen) begründet wurden, solche, die das Stammhaus für Zwecke der Betriebsstätte eingegangen ist und Verbindlichkeiten des Gesamtunternehmens, die nicht eindeutig einem Betriebsteil allein zugeordnet werden können. Das Verhältnis von Dotationskapital und zugeordnetem Fremdkapital hat für die Besteuerung der Betriebsstätte entscheidende Bedeutung: Nach Maßgabe der zugeordneten Verbindlichkeiten mindern die korrespondierenden Zinsen als Betriebsausgaben den Betriebsstättengewinn. Die Höhe des Dotationskapitals ist umgekehrt relevant für die Höhe des zuzurechnenden Gewinnanteils im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung. 2. Einschränkungen der Finanzierungsfreiheit Die Finanzierungsfreiheit bezüglich einer Betriebsstätte findet ihre Grenzen bei der Bestimmung eines „angemessen“ Dotationskapitals. Dabei ist die Reichweite der Freiheit umstritten.934 Rechtsprechung935, Finanzverwaltung936 und ein Teil der Literatur937 gewähren grundsätzliche Freiheit bei der Bestimmung des Dotationskapitals durch das Stammhaus. Diese wird nur begrenzt, soweit sie nicht zu einer Kapitalstruktur der Betriebsstätte führt, die kaufmännischen und wirtschaftlichen Erfordernissen zuwiderläuft.938 Zum ________________________ 931 Diese Auffassung vertreten namentlich Maier, Aufteilung des Betriebsvermögens und der Einkünfte, in: Löwenstein/Brück (Hrsg), Betriebsstättenbesteuerung, 2003, S. 240 ff., 285 (Rn. 709); Andresen, Betriebsstättengewinnermittlung im engeren Sinne, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz (Hrsg), Betriebsstätten Handbuch, 2006, S. 31 ff. 932 „Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze“ (BMF-Schreiben vom 24.12.1999; IV B 4 – S 1300 – 111/99); Rn. 2.5; dies ist wohl herrschende Meinung und die Bestimmung des „angemessenen“ Dotationskapitals wiederum hoch umstritten. Zu den Einzelheiten vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 630 ff.; 912 f.; siehe ferner zur Finanzierungsfreiheit unter 5. Teil; C; II; 2 und 5. Teil; C; III. 933 So z. B. Scheffler, Besteuerung der grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit, 2002, S. 370 ff. 934 Vgl. zur Übersicht Andresen, Betriebsstättengewinnermittlung im engeren Sinne, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz (Hrsg), Betriebsstätten Handbuch, 2006, S. 31 ff., 114 ff. 935 BFH-Urteil vom 25.6.1986, II R 213/83, BStBl. 1986 II, 785; vgl. BFH-Beschluss vom 8.12.1997, GrS 1-2/95, BStBl. 1998 II, S. 193. 936 Siehe „Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze“ (BMF-Schreiben vom 24.12.1999; IV B 4 – S 1300 – 111/99); Rn. 2.5.1. 937 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 912. 938 Siehe „Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze“ (BMF-Schreiben vom 24.12.1999; IV B 4 – S 1300 – 111/99); Rn. 2.5.1.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

Teil wird das vom Steuerpflichtigen bestimmte Dotationskapital an einem externen oder internen Fremdvergleich gemessen, mit der Folge, dass bei Abweichung von diesem eine Umqualifizierung von Zinsen in Gewinne stattfindet.939 Bislang galt § 8a KStG a. F. in Bezug auf Verbindlichkeiten, die dem Stammhaus von seinen (wesentlich beteiligten) Anteilseignern gewährt und der Betriebsstätte zugeordnet wurden.940 § 4h EStG ggf. i. V. m. § 8a KStG findet auf alle Verbindlichkeiten des Einheitsunternehmens Anwendung, die unter den Tatbestand fallen, also auch auf alle Verbindlichkeiten, die der Betriebsstätte zugerechnet werden.

III. Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit auf die Finanzierungsfreiheit Aus der vorausgehenden Gegenüberstellung der Grundzüge der Finanzierung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften folgen für die Finanzierungsfreiheit des Wirtschaftsteilnehmers insbesondere zwei Sachfragen: Erstens stellt sich die Frage, ob die Rechtsformwahlfreiheit die Auswirkung hat, dass entsprechend der Wahl zwischen Eigen- und Fremdkapitalgewährung bei Tochtergesellschaften im Rahmen der Finanzierung von Betriebsstätten die Möglichkeit besteht, diese mit „internen Darlehen“ auszustatten. Zweitens wird nachfolgend die Anwendung der Grenzen für Gesellschafterfremdfinanzierungen im Konzern, also der Gesellschafterfremdfinanzierungsregelungen, auf Betriebsstätten diskutiert. 1. Möglichkeit „interner Fremdfinanzierung“ Anders als bei Tochtergesellschaften bestehen bei Betriebsstätten keine zivilrechtlichen Leistungsverhältnisse, die zum Anknüpfungspunkt der Besteuerung gemacht werden könnten.941 Die ganz herrschende Meinung schließt aus diesem Grund die Möglichkeit interner Darlehensverhältnisse

________________________ 939 Siehe Andresen, Betriebsstättengewinnermittlung im engeren Sinne, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz (Hrsg), Betriebsstätten Handbuch, 2006, S. 31 ff., 114 ff. 940 Siehe dazu ausführlich Schild/Eisele, Anwendung des § 8a KStG bei beschränkter Steuerpflicht – zwischen Treaty Override und Gemeinschaftsrechtswidrigkeit?, IStR 2005, S. 217 ff.; zu den verbleibenden europarechtlichen Problemen des § 8a KStG n. F. vgl. Spengel/Braunagel, EU-Recht und Harmonisierung der Konzernbesteuerung in Europa, StuW 2006, S. 34 ff., 36 f. 941 Vgl. bereits zur Gewinnabgrenzung 5. Teil; B; I und 5. Teil; B; III.

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aus.942 Nach Auffassung der OECD ist zwar für Zwecke der Gewinnabgrenzung eine Ausnahme möglich, soweit einem Unternehmensteil eine sog. „treasury function“943 auf Grundlage der im „Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments“ beschriebenen Funktionsanalyse zugeschrieben werden kann. Diese Funktion ist allerdings so umschrieben, dass in der Regel nur bei Kreditinstituten eine interne Darlehensgewährung möglich sein wird. Jedenfalls scheint die Möglichkeit bloßer Rechnungsposten ohne korrespondierenden Außenumsatz auch nach der Maßgabe des OECDReports nicht möglich.944 Nach hier vertretener Auffassung führt auch der Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit nicht dazu, dass bei Betriebsstätten interne Darlehensverhältnisse fingiert werden können. Insoweit fehlt es Betriebsstätten und Tochtergesellschaften an der Vergleichbarkeit für Zwecke der Finanzierung, da die (Un)möglichkeit interner Darlehensverträge unmittelbar an die zivilrechtlichen Unterschiede beider Niederlassungsformen anknüpft; die Möglichkeit, interne Darlehensverhältnisse im Einheitsunternehmen zu fingieren, übersteigt den Vergleich zwischen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften. Entscheidend ist, dass die Gewähr von Darlehen gegen Zinszahlung zwischen Teilen einer juristischen Person keinen Sinn macht, da die Zinszahlungen bei Gewähr eines Darlehens die Bonität des Schuldners reflektieren. Dieser entgilt dem Gläubiger die Übernahme des Ausfallrisikos. Dies ist innerhalb eines Unternehmens mit einer einheitlichen Haftungs- und Bonitätsstruktur nicht denkbar. Anders als im Fall interner Nutzungsüberlassungen, Dienstleistungen oder ähnlicher fingierter interner Leistungsbeziehungen kann damit die Funktion „Übernahme des Ausfallrisikos“ nicht fingiert und zum Gegenstand der Besteuerung gemacht werden. Die Situation unterscheidet sich damit von der Akzeptanz interner Leistungsverhältnisse im Rahmen der Gewinnabgrenzung.945 Für Zwecke der Gewährung „interner Darlehen“ sind Betriebsstätten und Tochtergesellschaften im Ergebnis daher nicht vergleichbar. Da die Rechtsformwahlfreiheit nicht zur Anerkennung interner Darlehensverhältnisse bei Betriebsstätten zwingt, besteht die Finanzierungsfreiheit im ________________________ 942 Siehe nur „Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze“ (BMF-Schreiben vom 24.12. 1999; IV B 4 – S 1300 – 111/99); Rn. 2.5; Andresen, Betriebsstättengewinnermittlung im engeren Sinne, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz (Hrsg), Betriebsstätten Handbuch, 2006, S. 31 ff., 104. 943 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, Dezember 2006; Part I, Rn. 184 ff.; Part II, Rn. 162 ff. 944 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, Dezember 2006; Part I, Rn. 184 ff.; Part II, Rn. 162 ff.; siehe auch Schön, Analyzing the OECD Report on PEs and the OECD 2006 Report, Tax Notes International 2007, S. 1059 ff. 945 Dazu 5. Teil; B; III; 2.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

Einheitsunternehmen (allein) darin, die Höhe des Dotationskapitals und die Zuordnung von Fremdkapital zur Betriebsstätte zu bestimmen.946 2. Anwendung von Gesellschafterfremdfinanzierungsregeln auf Betriebsstätten Neben der unmittelbaren Anwendung der Gesellschafterfremdfinanzierungsregeln wie § 8a KStG a. F. auf die einer Betriebsstätte zuzuordnenden Gesellschafterdarlehen des Stammhauses wurde in der Literatur erwogen, die Ratio, also das zulässige Verhältnis von Eigen- zu Gesellschafterfremdkapital, von Gesellschafterfremdfinanzierungsregeln wie § 8a KStG a. F. auf das Verhältnis von Dotationskapital und (zugeordnetem) Fremdkapital der Betriebsstätte zu übertragen. Dies wäre aus Sicht des Steuerpflichtigen soweit eine wünschenswerte Auswirkung der Rechtsformwahlfreiheit, als damit bis zu der Quote des § 8a KStG a. F. oder vergleichbarer Gesellschafterfremdfinanzierungsregeln die Zuordnung von Eigen- und Fremdkapital akzeptiert werden würde, wie dies im Rahmen des „Safe haven“ geschieht. Damit wäre eine Umqualifizierung von Fremd- und Dotationskapital aufgrund eines Drittvergleichs insoweit nicht möglich.947 Eine Anwendung der „Safe-haven“-Quote von Gesellschafterfremdfinanzierungsregeln wie § 8a KStG a. F. hätte dann zugleich die nachteilige Konsequenz, dass sie einen Maßstab für ein „angemessenes“ Dotationskapital darstellen würde, mit der Folge einer Umqualifizierung von Verbindlichkeiten, wenn sich das Verhältnis von Fremdkapital und Eigenkapital außerhalb des „Safe haven“ bewegt.948 ________________________

946 Siehe Andresen, Betriebsstättengewinnermittlung im engeren Sinne, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz (Hrsg), Betriebsstätten Handbuch, 2006, S. 31 ff., 114 ff. 947 So Schönfeld, Betriebsstättenbesteuerung und Gemeinschaftsrecht, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz (Hrsg), Betriebsstättengewinnermittlung, 2006, S. 577 ff., 636 f. (Rn. 11.32); Brück, Gemeinschaftsrecht und Betriebsstättenbesteuerung, in: Löwenstein/Looks (Hrsg), Betriebsstättenbesteuerung, 2003, S. 373 ff., 395 (Rn. 1017). 948 Siehe dazu Körner, § 8a KStG n. F. – Darstellung, Gestaltungsmöglichkeiten, Europarechtskonformität – Teil II, IStR 2004, S. 253 ff., 256. Das „Eigenkapital der Betriebsstätte“ im Sinne von § 8a Abs. 2 KStG ist der Saldo von positiven und negativen Wirtschaftsgütern, also das Dotationskapital. Soweit die Betriebsstätte die Voraussetzungen einer Zweigniederlassung nach §§ 13d ff. HGB erfüllt und daher zur Aufstellung einer Handelsbilanz verpflichtet ist, sind die handelsrechtlichen Werte zugrundezulegen. Ist dies nicht der Fall, gilt § 8a Abs. 2 Satz 5 KStG mit der Folge, dass auf die steuerrechtlichen Größen der Wirtschaftsgüter abgestellt werden muss, vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 914 f. Vgl. zum Streit, ob wegen der Verweisung auf die Sätze 1 bis 4 die handelsbilanziellen oder wegen des Wortlauts „Wirtschaftsgut“ die steuerrechlichen Werte maßgebend sein sollen Schild/Eisele, Anwendung des § 8a KStG bei beschränkter Steuerpflicht – zwischen Treaty Override und Gemeinschaftsrechtswidrigkeit?, IStR 2005, S. 217 ff., 219.

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Finanzierung

Eine Anwendung der Gesellschafterfremdfinanzierungsregeln auf Betriebsstätten kann allerdings nur in vergleichbarem Maße erfolgen wie bei Tochtergesellschaften und sich daher nur auf Verbindlichkeiten beziehen, die von wesentlichen Anteilseignern des Stammhauses gewährt und der Betriebsstätte zugeordnet werden.949 Die Wertung einer Gesellschafterfremdfinanzierungsquote auf die Quote von Dotationskapital und Verbindlichkeiten einer Betriebsstätte passt nicht, da auch eine Tochtergesellschaft mit Verbindlichkeiten gegenüber Dritten ohne Einschränkung von Gesellschafterfremdfinanzierungsregeln finanziert werden kann.950 Gesellschafterfremdfinanzierungsregeln treffen schlicht keine Aussage zum Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital im Allgemeinen, sondern nur in Bezug auf Gesellschafterfremdkapital. Soweit allerdings das Verhältnis von der Betriebsstätte zugeordnetem Gesellschafter-Fremdkapital und Dotationskapital außerhalb der Grenzen von Gesellschafterfremdfinanzierungsregeln wie § 8a KStG liegt, kommt es zur Umqualifizierung der überschießenden Zinszahlungen. Eine über die unmittelbare Anwendung auf Gesellschafterdarlehen des Stammhauses, die der Betriebsstätte zugeordnet werden, hinausgehende Bedeutung können Gesellschafterfremdfinanzierungsregelungen mangels „interner Darlehen“ nicht bekommen, da eine Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften insoweit nicht besteht. 3. Einschränkungen der Finanzierungsfreiheit Die Fremdfinanzierung einer Tochtergesellschaft unterliegt außerhalb der Grenzen von Gesellschafterfremdfinanzierungsregeln keiner Beschränkung, d. h. es gibt kein „angemessenes“ Verhältnis von Eigenkapital zu Fremdkapital. Bei Betriebsstätten wird die „Angemessenheit“ des Dotationskapitals, wenngleich nur im Ausnahmefall, überprüft.951 ________________________ 949 Vgl. etwas unklar Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 915. 950 Dies verkennt scheinbar Andresen, Betriebsstättengewinnermittlung im engeren Sinne, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz (Hrsg), Betriebsstätten Handbuch, 2006, S. 31 ff., 116 (Rn. 2.116); Körner, § 8a KStG n. F. – Darstellung, Gestaltungsmöglichkeiten, Europarechtskonformität – Teil II, IStR 2004, S. 253 ff., 256, der sogar davon ausgeht, § 8a Abs. 5(?) KStG verdränge die Grundsätze der Bestimmung des Betriebsstättenerlasses, „da diese in ihrer Wirkung § 8a KStG stark ähneln“. Das ist nicht korrekt, denn bei der Frage der Zuordnung von Eigenkapital und Fremdkapital kann es sogar ausschließlich um Verbindlichkeiten gehen, die das Einheitsunternehmen gegenüber Dritten hat. § 8a KStG hat dann überhaupt keinen Anwendungsbereich. Ebenso Schild/Eisele, Anwendung des § 8a KStG bei beschränkter Steuerpflicht – zwischen Treaty Override und Gemeinschaftsrechtswidrigkeit?, IStR 2005, S. 217 ff., 219. 951 Zu den Methoden siehe 5. Teil; C; II; 2.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

In der zivilrechtlichen Unterschiedlichkeit beider Niederlassungsformen sind allerdings keine Gründe erkennbar, die insoweit einer Vergleichbarkeit für Zwecke der Finanzierungsfreiheit entgegenstehen, da bei beiden Niederlassungsformen die Zuordnungen von Fremd- und bzw. oder Eigenkapital erforderlich ist. Der Unterschied, dass bei Tochtergesellschaften dieser Zuordnung zivilrechtliche Vereinbarungen zugrunde liegen, ist nicht erheblich, da auch ohne diese bei Betriebsstätten eine Zuordnung nicht entbehrlich ist. Daher muss die bei Tochtergesellschaften – außerhalb der Gesellschafterfremdfinanzierung und „Zinsschranke“ – gewährte freie Wahl zwischen Eigen- und Fremdkapitalausstattung auch bei der Kapitalausstattung einer Betriebsstätte gewährt werden. Auch für die Finanzstruktur einer Betriebsstätte ist daher kein Fremdvergleich, sondern die Finanzierungsentscheidung des Steuerpflichtigen maßgeblich. Nach dem Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit genießt der Steuerpflichtige daher hinsichtlich der Bestimmung des Dotationskapitals und hinsichtlich der Zuordnung von Fremdkapital Finanzierungsfreiheit. 4. Zwischenergebnis Aus der zivilrechtlichen Unterschiedlichkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften folgt, dass bei Betriebsstätten anders als bei Tochtergesellschaften keine Darlehensgewährung möglich ist. Die Finanzierung der Betriebsstätte erfolgt allein über die Zuordnung von Fremddarlehen, die durch die Tätigkeit der Betriebsstätte veranlasst sind, und die Bestimmung von Dotationskapital. Gesellschafterfremdfinanzierungsregeln sind nur anwendbar, soweit es um Darlehen geht, die dem Stammhaus von wesentlichen Gesellschaftern gewährt werden. Eine Einschränkung der Finanzierungsfreiheit durch die Kontrolle eines „angemessenen“ Dotationskapitals bei Betriebsstätten ist nicht zulässig.

IV. Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit auf den Abzug von Finanzierungsaufwand Neben der fehlenden Möglichkeit interner Fremdfinanzierung bei Betriebsstätten stellt der Abzug von Finanzierungsaufwand ein wesentliches Problem im Zusammenhang mit der Finanzierung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften dar.952 Dabei geht es namentlich um die Frage, ob, und wenn ja, in welchem Staat der Finanzierungsaufwand einer Muttergesellschaft für den Erwerb oder die Förderung der Tätigkeit von ausländischen Tochtergesellschaften abgezogen werden kann. Im Folgenden ist aus________________________

952 Vgl. aktuell Körner, Europarecht und Beteiligungsaufwendungen, IStR 2006, S. 376 ff.; Körner, Das „Bosal“-Urteil des EuGH – Vorgaben für die Abzugsfähigkeit der Finanzierungsaufwendungen des Beteiligungserwerbs, BB 2003, S. 2436 ff.

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Finanzierung

gehend von einer Darstellung der Grundsätze des Abzugs von Finanzierungsaufwand bei Betriebsstätten und Tochtergesellschaften auf die Entscheidungen des EuGH in „Bosal“ 953 und „Keller Holding“ 954 einzugehen, da diese die aktuelle Rechtslage für Tochtergesellschaften wesentlich geprägt haben. Im Anschluss wird darauf aufbauend auf die Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke des Abzugs von Finanzierungsaufwand eingegangen, um herauszuarbeiten, welche Auswirkungen die Rechtsformwahlfreiheit für diese Fragestellung hat. 1. Grundsätze des Abzugs von Finanzierungsaufwand nach „Bosal“ Bei Betriebsstätten ist der Finanzierungsaufwand, soweit er durch die Tätigkeit der Betriebsstätte veranlasst ist, dieser zuzuordnen und mindert folglich im Quellenstaat den Betriebsstättengewinn.955 Bei Tochtergesellschaften ist der Finanzierungsaufwand im Grundsatz bei der Muttergesellschaft abzuziehen, da es um ihre Betriebsausgaben geht. Problematisch ist dieser Abzug im Staat der Muttergesellschaft, wenn die korrespondierenden Gewinne der Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat besteuert werden und zusätzlich die Dividenden von einer Besteuerung im Sitzstaat der Muttergesellschaft (etwa gemäß § 8b Abs. 1 KStG) vollständig ausgenommen sind.956 Aus Sicht des Sitzstaats der Muttergesellschaft stellt sich daher die Frage, ob die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen von einer Steuerbarkeit der korrespondierenden Gewinne der Tochtergesellschaft abhängig gemacht werden kann. In Deutschland sind die Beteiligungsaufwendungen unabhängig von einer Vorbelastung der korrespondierenden Gewinne mit deutscher Körperschaftsteuer nach Maßgabe von § 8b Abs. 5 Satz 2 KStG vollständig abziehbar. Allerdings werden nach § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG 5 % der steuerfreien Einkünfte als nichtabziehbare Betriebsausgaben fingiert.957 Die Frage, ob es dem Sitzstaat der Muttergesellschaft erlaubt ist, den Abzug von Finanzierungsaufwendungen einer Muttergesellschaft für eine Tochtergesellschaft an die Steuerbarkeit der Gewinne der Tochtergesellschaft im Inland oder zumindest an die Steuerbarkeit der ausgeschütteten Dividenden ________________________

953 EuGH-Urteil vom 28.9.2003 – Rs. C-168/01 („Bosal“), EuGHE 2003, I-09409. 954 EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-471/04 („Keller Holding“), EuGHE 2006, I-2107. 955 Wassermeyer, Einführung, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz (Hrsg), Betriebsstätten Handbuch, 2006, S. 1 ff., 24. 956 Siehe Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 der Mutter-Tochter-Richtlinie. 957 Vgl. zur Entwicklung Heinicke, in: Schmidt (Hrsg.), EStG, § 3c, Rn. 16; Körner, Europarecht und Beteiligungsaufwendungen, IStR 2006, S. 376 ff.; Schön, Die Abzugsschranken des § 3c EStG zwischen Verfassungs- und Europarecht, FR 2001, S. 381 ff.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

zu knüpfen, war Gegenstand zweier EuGH-Entscheidungen. In der bereits erwähnten958 Entscheidung „Bosal“ 959 ging es um die Abzugsfähigkeit von Finanzierungsaufwendungen für eine im Ausland ansässige und dort steuerpflichtige Tochtergesellschaft, deren Dividenden im Sitzstaat der Muttergesellschaft von der Besteuerung ausgenommen waren. Der Sitzstaat der Muttergesellschaft knüpfte die Abzugsfähigkeit des Finanzierungsaufwands an die Steuerbarkeit der korrespondierenden Gewinne der Tochtergesellschaft, sodass für ausländische Tochtergesellschaften in der Regel kein Abzug möglich war. Eine Rechtfertigung aus Gründen der Kohärenz der Regelung lehnte der EuGH ab, da mangels Subjektidentität von Mutter- und Tochtergesellschaft ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Vorteil der Abziehbarkeit des Finanzierungsaufwands und dem Nachteil der Besteuerung der korrespondierenden Gewinne fehle.960 In der Rechtssache „Keller Holding“ 961 bekräftigte der EuGH diese Rechtsprechung:962 Es ging um die Abzugsfähigkeit von Finanzierungsaufwand, der sich auf die Dividenden einer über eine inländische Tochtergesellschaft gehaltenen Enkel________________________ 958 Vgl. 2. Teil; A; VI. 959 EuGH-Urteil vom 28.9.2003 – Rs. C-168/01 („Bosal“), EuGHE 2003, I-09409; dazu ausführlich schon im 2. Teil. 960 EuGH-Urteil vom 28.9.2003 – Rs. C-168/01 („Bosal“), EuGHE 2003, I-09409, Rn. 39; so auch schon Generalanwalt Alber, Schlussantrag vom 24.09.2002 – Rs. C-168/01 („Bosal“), EuGHE 2003, I 9411, Rn. 64 ff. Siehe zur Rechtfertigung nach dem Territorialitätsprinzip nach der Entscheidung in der Sache „Bosal“ auch Schnitger, Teilweise Aufgabe des Territorialitätsprinzips als europarechtlicher Rechtfertigungsgrund?- Die Entscheidung des EuGH in der Rs. Bosal, FR 2003, S. 1149 ff. Schnitger nimmt unter Verweis auf Rn. 38 des „Bosal“-Urteils an, dass der EuGH das Territorialitätsprinzip als Rechtfertigung bei Beschränkungen der sekundären Niederlassungsfreiheit als ungeeignet ansieht. Dies ist aber dem Urteil nicht zu entnehmen, sondern der EuGH verweist gerade auf EuGH-Urteil vom 15.5.1997 – Rs. C-250/95 („Futura“), EuGHE 1997, I-2492, in dem es auch um einen Fall der sekundären Niederlassungsfreiheit ging. Was Schnitger vermutlich sagen wollte ist, dass der EuGH nach seiner Einschätzung das Territorialitätsprinzip nur bei Ausübung der sekundären Niederlassungsfreiheit durch Gründung einer Betriebsstätte anwenden will, weil der EuGH nur in diesem Fällen nach dem „Bosal“-Maßstab einen „unmittelbaren Zusammenhang“ annahm, vgl. dazu 4. Teil; B; I; 3. 961 EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-471/04 („Keller Holding“), EuGHE 2006, I-2107. 962 Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die EuGH-Entscheidungen in den Rechtssachen „Bosal“ und „Keller Holding“ schloss sich der BFH in zwei aktuellen Entscheidungen dieser Linie an: Er entschied, dass § 8b Abs. 5 KStG 1999/KStG 2002 bzw. § 8b Abs. 7 KStG gegen die Niederlassungsfreiheit verstoßen, weil sie 5 % der steuerfreien Dividenden aus unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungen – nur – an ausländischen Kapitalgesellschaften als nicht abziehbare Betriebsausgaben behandeln, vgl. BFH-Urteil vom 9.8.2006 – I R 50/05; DStR 2007, 154.

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Finanzierung

gesellschaft bezog. Nach damaligen Recht kam für diese ausländischen Dividenden § 3c EStG, also der Ausschluss des Aufwandabzugs, zur Anwendung, weil die Dividenden nach Art. 15 des einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommens freigestellt und daher im Inland steuerfrei waren. Im nationalen Rahmen galt dagegen das Anrechnungsverfahren, sodass zwar wie im Fall der Freistellung eine Entlastung von der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung erreicht wurde, aber auf Ebene der Muttergesellschaft die Dividenden unter Anrechnung der Körperschaftsteuer der Tochtergesellschaft dennoch der Besteuerung unterlagen. Für den Inlandsfall galt daher § 3c EStG nicht. Der EuGH lehnt eine Rechtfertigung der Regelung aus Gründen der Kohärenz aus zwei Gründen ab: Zum einen stellt er auf die Belastung der Dividenden ab, die im grenzüberschreitenden Fall durch die Freistellung ebenso wenig belastet seien wie im inländischen Fall der Anrechnung. Die Regelung des Abzugs der Finanzierungsaufwendungen könne daher nicht kohärent mit der Besteuerung der Dividenden verbunden sein.963 Zum anderen stellt er auf die Vorbelastung mit Körperschaftsteuer auf Ebene der Tochtergesellschaft ab und stellt fest, dass § 3c EStG keine Verbindung zwischen der Abzugsfähigkeit des Finanzierungsaufwands der Muttergesellschaft und den bei der (mittelbaren) Tochtergesellschaft zu besteuernden Gewinnen herstelle.964 Im Ergebnis entspricht die aktuelle Rechtslage des § 8b Abs. 5 KStG, die einen vollständigen Abzug des Finanzierungsaufwands bei Fiktion eines nicht-abziehbaren Aufwands in Höhe von 5 % der Dividenden vorsieht, den Vorgaben des EuGH: Unabhängig von der Möglichkeit zur Besteuerung der korrespondierenden Gewinne der Tochtergesellschaft muss der Staat der Muttergesellschaft bei dieser den Abzug des Finanzierungsaufwands zulassen. 2. Vereinbarkeit der „Bosal“-Grundsätze mit der Rechtsformwahlfreiheit Nach den dargestellten Grundsätzen des Abzugs von Finanzierungsaufwand nach der „Bosal“-Entscheidung des EuGH ergibt sich eine Divergenz zwischen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften, da bei Betriebsstätten der Finanzierungsaufwand der Betriebsstätte zugeordnet wird und daher im Quellenstaat abziehbar ist und bei Tochtergesellschaften der Abzug im Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft erfolgt. ________________________ 963 EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-471/04 („Keller Holding“), EuGHE 2006, I-2107, Rn. 37 ff. 964 EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-471/04 („Keller Holding“), EuGHE 2006, I-2107, Rn. 43.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

In der Literatur wird daher vertreten, die „Bosal“-Entscheidung sei Ausdruck einer Ablehnung der Rechtsformwahlfreiheit in Wegzugsfällen, da sie eine Ungleichbehandlung beider Niederlassungsformen begründe.965 An anderer Stelle966 wurde aber bereits darauf hingewiesen, dass zwar eine Ungleichbehandlung von Einheitsunternehmen und Konzernen nach der Entscheidung des EuGH verbleibt. Allerdings war Ausgangspunkt der Entscheidung die bis dahin geltende Rechtslage, nach der Finanzierungsaufwand einer Muttergesellschaft für ihre Tochtergesellschaften überhaupt nicht abzugsfähig war: Der Sitzstaat der Muttergesellschaft knüpfte, wie dargestellt, die Abzugsfähigkeit an die Möglichkeit zur Besteuerung der korrespondierenden Gewinne der Tochtergesellschaft. Der Sitzstaat der Tochtergesellschaft wiederum ließ den Finanzierungsaufwand der Muttergesellschaft nicht zum Abzug zu, da es sich um Aufwand einer anderen juristischen Person handelte. Es lag mithin ein „negativer Kompetenzkonflikt“967 vor, weil sich beide Staaten als unzuständig für den Abzug des Finanzierungsaufwands betrachteten. Vor diesem Hintergrund erscheint die Entscheidung „Bosal“ gerade auch mit Blick auf die Anforderungen der Rechtsformwahlfreiheit in anderem Licht: Unterstellt man, dass eine Zuordnung des Finanzierungsaufwands zur Tochtergesellschaft wegen des Trennungsprinzips nicht möglich war, realisiert die Abziehbarkeit auf Ebene der Muttergesellschaft größtmögliche Vergleichbarkeit zum Einheitsunternehmen, da nur so der Abzug überhaupt möglich ist. Bei Nichtabziehbarkeit hätte der Konzern gegenüber dem Einheitsunternehmen insgesamt schlechter gestanden. Im konkreten Verfahren gegen den Sitzstaat der Muttergesellschaft hatte der EuGH nur die Wahl, entweder den Abzug des Finanzierungsaufwands in diesem Staat, also bei der Muttergesellschaft, zuzulassen oder abzulehnen. Mit der Entscheidung für einen Abzug auf Ebene der Muttergesellschaft gewährleistete der EuGH mithin, dass Einheitsunternehmen und Konzerne zumindest in der Gesamtbelastung gleich behandelt werden. Sieht man die Entscheidung des EuGH für einen Abzug des Finanzierungsaufwands im Sitzstaat der Muttergesellschaft ohne eine Möglichkeit zur Besteuerung der korrespondierenden Gewinne der Tochtergesellschaft in diesem Licht, könnte auch die Regelung des § 8b Abs. 5 KStG, soweit sie die ________________________ 965 So die Wertung von Aarnio, Treatment of permanent establishments and subsidiaries under EC law: towards a uniform concept of secondary establishment in European tax law?, EC Tax Review 2006, S. 18 ff., 24; vgl. auch Terra/Wattel, European Tax Law, 2005; siehe dazu ausführlich oben im 2. Teil; A; VI. 966 Vgl. 2. Teil; A; VI; 4. 967 Schön, Die Abzugsschranken des § 3c EStG zwischen Verfassungs- und Europarecht, FR 2001, S. 381 ff.

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Fiktion nicht-abziehbarer Betriebsausgaben enthält, als kohärenter Bestandteil der vollständigen Abziehbarkeit des tatsächlichen Aufwands eine andere Bedeutung bekommen: Obwohl sie auf den ersten Blick eine Schlechterstellung gegenüber Betriebsstätten beinhaltet, bei denen diese Fiktion nicht besteht, könnte man sie aus Sicht des Sitzstaats der Muttergesellschaft als kohärente Regelung einstufen, da sie diesen als Ausgleich für die Verpflichtung zum Abzug des Finanzierungsaufwands ohne korrespondierende Besteuerungsmöglichkeit der Gewinne der Tochtergesellschaft mit einem pauschalen Besteuerungsrecht kompensiert.968 Daher wird auch in Art. 4 Abs. 2 der Mutter-Tochter-Richtlinie die Fiktion von 5 % der Dividenden als Betriebsausgaben ermöglicht. Die systematisch richtige Lösung besteht allerdings nicht in einer sachlich nicht begründbaren Pauschalierung969, sondern in einem vollständigen Abzugsverbot der tatsächlichen Aufwendungen, soweit die Dividenden im Inland nicht besteuert werden können.970 Im Folgenden ist allerdings der Frage nachzugehen, ob die vom EuGH in den beiden konkreten Entscheidungen getroffene Zuordnung des Finanzierungsaufwands zum Sitzstaat der Muttergesellschaft und die daraus resultierende Ungleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften mit der Rechtsformwahlfreiheit tatsächlich vereinbar ist oder über die Lösung des EuGH hinausgehend der Aufwand auch im gleichen Staat, im Quellenstaat, abzugsfähig ist. 3. Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke des Abzugs des Finanzierungsaufwands Eine vollständige Gleichbehandlung des Finanzierungsaufwands bei Betriebsstätten und Tochtergesellschaften würde zu einem Abzug des Finanzierungsaufwands einer Muttergesellschaft im Sitzstaat der Tochtergesellschaft führen, da die Zuordnung zum Quellenstaat wie bei Betriebsstätten wegen ________________________ 968 Vgl. zur Kritik und vermeindlichen Verfassungswidrigkeit von § 8b Abs. 5 KStG wegen eines Verstoßes gegen das objektive Nettoprinzip Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 511 ff.; Beck, Die Besteuerung von Beteiligungen an körperschaftsteuerpflichtigen Steuersubjekten im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 2004, S. 225 f. 969 Zur berechtigten Kritik an der Pauschalierung vgl. Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 511 ff.; Beck, Die Besteuerung von Beteiligungen an körperschaftsteuerpflichtigen Steuersubjekten im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 2004, S. 225 f. Es besteht schlicht kein typischerweise bestehender Zusammenhang zwischen der Höhe des Dividendenbezugs und dem Finanzierungsaufwand; erst recht besteht kein Zusammenhang, der eine Höhe von 5 % der Dividenden als (nichtabziehbaren) Finanzierungsaufwand begründen könnte. 970 Vgl. dazu ausführlich sogleich unter 5. Teil; C; IV; 3; a; ebenso Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 515 f.

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der Besteuerung der korrespondierenden Gewinne der Sekundärniederlassung sachnäher ist. Die Untersuchung der Frage, ob ein Abzug des Finanzierungsaufwands im Sitzstaat der Muttergesellschaft aus der Rechtsformwahlfreiheit geboten ist, setzt ein zweistufiges Vorgehen voraus. Im ersten Schritt muss die Frage beantwortet werden, wie aus Sicht des Sitzstaats die aus einer solchen Lösung resultierende Ungleichbehandlung zum Inlandsfall gerechtfertigt werden könnte: Da der Aufwand einer Muttergesellschaft für die Beteiligung an einer inländischen Tochtergesellschaft im (gemeinsamen) Sitzstaat von Mutter- und Tochtergesellschaft abziehbar ist, käme es bei Zuordnung des Aufwands zu ausländischen Tochtergesellschaften aus Sicht der Muttergesellschaft in ihrem Sitzstaat zu einer Ungleichbehandlung. Im zweiten Schritt ist dann die Frage zu beantworten, ob Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke des Abzugs von Finanzierungsaufwand vergleichbar sind, mit der Folge, dass dieser jeweils im Quellenstaat abgezogen werden kann. a) Rechtfertigung der Ungleichbehandlung zum Inlandssachverhalt Die Frage, ob eine Ungleichbehandlung zum Inlandssachverhalt gerechtfertigt werden kann, kann anhand der angesprochenen Entscheidungen „Bosal“ und „Keller Holding“ erläutert werden, in denen der EuGH jeweils eine Rechtfertigung der Diskriminierung nach der Ansässigkeit der Tochtergesellschaft ablehnte.971 Nach hier vertretener Ansicht ist in Wahrheit eine Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung von Finanzierungsaufwand für die Beteiligung an inländischen und ausländischen Tochtergesellschaften aus Gründen der Kohärenz der entsprechenden Abzugstatbestände gegeben: Die Ablehnung des EuGH, einen unmittelbaren Zusammenhang von Abziehbarkeit bei der Muttergesellschaft und Steuerbarkeit der Gewinne der Tochtergesellschaften anzunehmen, weil es sich um zwei Steuersubjekte handelt, beruht auf der Ablehnung einer Gesamtbetrachtung von Mutter- und Tochtergesellschaften. Wie an anderer Stelle ausgeführt und in jüngerer Rechtsprechung auch vom EuGH bestätigt, kann aber nur eine subjekt- und jurisdiktionsübergreifende Gesamtbetrachtung von Mutter- und Tochtergesellschaft den Anforderungen eines vollkommenen-föderalen Binnenmarkts gerecht werden.972 Der EuGH hätte bei einer Gesamtbetrachtung von Mutter- und Tochtergesellschaft durchaus die Besteuerung auf Ebene der Tochtergesellschaft mit der Abziehbarkeit des Finanzierungsaufwands auf Ebene der Muttergesellschaft verknüpfen können. Da dieser Zusammenhang nur im Inlandssachverhalt ________________________

971 Vgl. 5. Teil; C; IV; 1. 972 Siehe dazu ausführlich unter 4. Teil; B; I; 3.

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gewahrt werden kann, hätte die Kohärenz der Regelung nach hier vertretener Auffassung einen Ausschluss der Abziehbarkeit bei ausländischen Tochtergesellschaften rechtfertigen können.973 In „Keller Holding“ schloss der EuGH nicht aus, dass eine Verbindung zwischen der Abzugsfähigkeit der Finanzierungsaufwendungen der Muttergesellschaft mit den zu besteuernden Gewinnen der (mittelbaren) Tochtergesellschaft hergestellt werden könne, nahm dies aber für die konkrete Regelung, § 3c Abs. 2 EStG, nicht an.974 Allerdings stellt in Wahrheit die steuerliche Vorbelastung der Gewinne einer Tochtergesellschaft sachlich eine Vorbelastung der ausgeschütteten Dividenden dar. Dies gilt im Anrechnungsverfahren, wie auch vom EuGH angenommen, genauso wie bei Freistellung der Dividenden. Daher ist die weitgehende Freistellung von Dividenden durch § 8b Abs. 1 KStG die folgerichtige Umsetzung dieser Erkenntnis.975 Da der unmittelbare Vorteil der Abziehbarkeit des Finanzierungsaufwands bei der Muttergesellschaft mit dem Nachteil der Besteuerung auf Ebene der Tochtergesellschaft nur bei Ansässigkeit beider Gesellschaften in einem Staat gegeben ist, hätte der EuGH auch in der Entscheidung „Keller Holding“ eine Rechtfertigung aus Gründen der Kohärenz begründen können. Dieser Argumentation könnte auf den ersten Blick entgegengehalten werden, dass die Kohärenz der Regelung bei einer subjekt- und jurisdiktionsübergreifenden Gesamtbetrachtung auch gewahrt sei, wenn überhaupt eine Vorbelastung der Gewinne der Tochtergesellschaften vorliege, sodass es keinen Unterschied machen würde, in welchem Staat dies erfolgt.976 Die Folge dieser Argumentation wäre, wie vom EuGH im Ergebnis angenommen, dass der Abzug des Finanzierungsaufwands auch dann möglich ist, wenn die Gewinne der Tochtergesellschaften in einem anderen Staat besteuert werden. Für diese Sicht ließen sich die Entscheidungen des EuGH zur Dividendenbesteuerung in „Manninen“ 977 und „Meilicke“ 978 anführen, in ________________________ 973 Ebenso Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 515 f.; vgl. auch Schön, Die Abzugsschranken des § 3c EStG zwischen Verfassungs- und Europarecht, FR 2001, S. 381 ff., 389; Schön, Besteuerung im Binnenmarkt – die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, IStR 2004, S. 289 ff., 299. 974 EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-471/04 („Keller Holding“), EuGHE 2006, I-2107, Rn. 36 ff. 975 Schön, Perspektiven der Konzernbesteuerung, ZHR 171 (2007), S. 409 ff., 419. 976 So könnte man auch den Hinweis des EuGH im EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-471/04 („Keller Holding“), EuGHE 2006, I-2107, Rn. 43 verstehen, dass bei einer gleichartigen Körperschaftsteuerpflicht der Gewinne der Tochtergesellschaft der Ort der Niederlassung keine Rolle spiele. 977 EuGH-Urteil vom 7.9.2004 – Rs. C-319/02 („Manninen“), EuGHE I-7477; siehe dazu unter 4. Teil; B; I; 3. 978 EuGH-Urteil vom 6.3.2007 – Rs. C-292/04 („Meilicke“), EuGHE 2007, I-1835; siehe dazu unter 4. Teil; B; I; 3.

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denen dieser den Staat der Muttergesellschaft zur Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer verpflichtet hat, da es im Binnenmarkt keine Rolle spielen könne, wo die Vorbelastung der Tochtergesellschaft erfolgt ist. Allerdings würde eine solche Argumentation, insbesondere der Vergleich mit den Entscheidungen zur Dividendenbesteuerung, verkennen, dass ein Abzug des Finanzierungsaufwands bei der Muttergesellschaft ohne die Möglichkeit zur Besteuerung der korrespondierenden Gewinne der Tochtergesellschaft die Aufteilung der Steuerbefugnisse unter den Mitgliedstaaten verletzt, was bei Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer einer Tochtergesellschaft auf die Dividendenbesteuerung der Muttergesellschaft nicht der Fall ist: Im Fall der Anrechnung geht es um die Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung der Gewinne. Diese kann nur durch den Staat des Dividendenempfängers erfolgen und ist erforderlich, um überhaupt die Kohärenz des Anrechnungsverfahrens zu wahren, also eine Doppelbelastung der Gewinne zu verhindern.979 Die Verpflichtung zur Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer führt „nur“ zu einer geringeren, zusätzlichen Besteuerung der Dividenden bei der Muttergesellschaft. Bei der Abziehbarkeit von Finanzierungsaufwand reduziert sich nicht die Doppelbelastung des Gewinns, sondern bei Abzug auf Ebene der Muttergesellschaft führt dies zu einer einseitigen und nicht durch eine entsprechende Besteuerungsbefugnis kompensierte Benachteiligung des Sitzstaats der Muttergesellschaft. Aus Sicht des Staats der Muttergesellschaft kommt es zu einem strukturellen „Minusgeschäft“, weil sie den Aufwand steuermindernd berücksichtigen muss, aber den korrespondierenden Ertrag nicht besteuern kann. Auch im Rahmen der grundsätzlich erforderlichen jurisdiktionsübergreifenden Gesamtbetrachtung ist daher für jede Besteuerungskonstellation konkret zu ermitteln, ob die Kohärenz der Regelung eine Beschränkung auf den Inlandssachverhalt erfordert. Im Ergebnis hätte der EuGH nach hier vertretener Auffassung die Nicht-Abziehbarkeit der Finanzierungsaufwendungen mit dem Argument der Wahrung der Kohärenz der betreffenden Regelungen rechtfertigen können. b) Zuordnung des Finanzierungsaufwands zum Quellenstaat bei Betriebsstätten und Tochtergesellschaften Zwar wurde herausgearbeitet, dass der EuGH in der konkreten Entscheidungssituation in der Rechtssache „Bosal“, also der Frage nach der Verpflichtung des Sitzstaats der Muttergesellschaft zum Abzug des Finanzie________________________ 979 Höchst bedenklich allerdings die Hinnahme einer juristischen Doppelbesteuerung in EuGH-Urteil vom 14.11.2006 – Rs. C-513/04 („Kerckhaert/Morses“), EuGHE 2006, I-10967.

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rungsaufwands, die weitestgehend mögliche Gleichbehandlung von Einheitsunternehmen und Konzernen hinsichtlich des Abzugs von Finanzierungsaufwand sichergestellt hat, weil er erreichte, dass überhaupt in beiden Fällen ein Abzug möglich war. Ein völliger Gleichlauf beider Niederlassungsformen dahingehend, dass auch bei Tochtergesellschaften der Finanzierungsaufwand an der Quelle, d. h. im Sitzstaat der Tochtergesellschaft, abgezogen werden kann, war aber dem EuGH im „Bosal“-Fall nicht möglich. Dazu hätte es einer Vorlage gegen den Sitzstaat der Tochtergesellschaft bedurft. Die Frage, ob über die Lösung des EuGH in „Bosal“ hinausgehend der Finanzierungsaufwand aufgrund der Rechtsformwahlfreiheit auch bei Tochtergesellschaften im Quellenstaat zu berücksichtigen ist, ist damit weiter offen. Nach den in dieser Arbeit entwickelten Grundsätzen wäre dies der Fall, wenn Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke des Abzugs von Finanzierungsaufwand vergleichbar sind. Eine Vergleichbarkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn die steuerrechtlichen Regelungen, also hier die Regeln über den Abzug des Finanzierungsaufwands, nicht sachlogisch an die zivilrechtlichen Unterschiede beider Rechtsformen anknüpfen. Es ist daher die Sachlogik des Abzugstatbestandes herauszuarbeiten und daraufhin zu untersuchen, ob für diesen die juristische Separierung von Mutter- und Tochtergesellschaft im Gegensatz zur zivilrechtlichen Einheit von Stammhaus und Betriebsstätte eine Ungleichbehandlung erfordert, oder ob eine Gleichbehandlung möglich ist, ohne die Systematik der Regelung zu durchbrechen.980 Auf den ersten Blick spricht vieles für eine sachlogische Anknüpfung des Abzugs von Finanzierungsaufwand an die zivilrechtlichen Unterschiede beider Rechtsformen: Die Sphärentrennung von Mutter- und Tochtergesellschaft führt zu einem personellen und zwischenstaatlichen Auseinanderfallen von Aufwand und korrespondierendem Ertrag innerhalb der wirtschaftlichen Einheit des Konzerns.981 Bei Einheitsunternehmen ist dagegen ohne diese Trennung eine Zuordnung nach Veranlassungsgesichtspunkten möglich. Bei näherer Betrachtung ist nach hier vertretener Auffassung aber eine Zuordnung der Finanzierungsaufwendungen zum Quellenstaat auch im Konzern als Konsequenz der Rechtsformwahlfreiheit geboten, da die zivilrecht________________________ 980 Siehe zur Zulässigkeit der sachlichen Anknüpfung an die zivilrechtlichen Unterschiede und zum Maßstab der Vergleichbarkeit für Zwecke der Besteuerung ausführlich im 4. Teil; C; I; 1. 981 Schön, Perspektiven der Konzernbesteuerung, ZHR 171 (2007), S. 409 ff., 419.

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lichen Unterschiede auf den zweiten Blick keine sachliche Rechtfertigung für eine ungleiche steuerliche Behandlung darstellen.982 Nach dem oben definierten Maßstab wäre für eine Ungleichbehandlung erforderlich, dass im Falle des Auseinanderfallens von wirtschaftlicher Veranlassung (bei der Tochtergesellschaft) und zivilrechtlicher Zuordnung (zur Muttergesellschaft) ein sachlich zwingender Grund besteht, den Finanzierungsaufwand bei der zivilrechtlich verpflichteten Konzerngesellschaft zum Abzug zu bringen. Die Sachlogik des Abzugs von Finanzierungsaufwand spricht gegen einen solchen Grund: Steuerrechtlich ist die Abziehbarkeit von Aufwand Ausdruck des Prinzips einer (objektiven) Nettobesteuerung, d. h. als Gewinn soll nur besteuert werden, was dem Steuerpflichtigen nach Abzug der Aufwendungen, die zur Erzielung dieses Ertrags erforderlich waren, vom Ertrag verbleibt. Es besteht daher sachlich ein Korrespondenzverhältnis von Ertrag und Aufwand. Organisiert sich der Steuerpflichtige in der Form zivilrechtlich selbstständiger Gesellschaften, kann es zum Auseinanderfallen von Ertrag und korrespondierendem Aufwand kommen, ohne dass die wirtschaftliche Verknüpfung fehlt, da die wirtschaftliche Verknüpfung innerhalb der Gruppe gerade über die zivilrechtlichen Grenzen hinweg besteht. Da der sachliche Grund für die Abzugsfähigkeit des Aufwands aber gerade die wirtschaftliche Verknüpfung zum korrespondierenden Ertrag ist, spricht die innere Rechtfertigung des Aufwandsabzugs in einem solchem Fall dafür, den Abzug auch dort zuzulassen, wo im Rahmen einer wirtschaftlichen Einheit der Ertrag durch eine andere, zivilrechtlich selbstständige Einheit erzielt wird. Dabei kann im grenzüberschreitenden Fall nichts anderes gelten. Steuerrechtlich besteht dann freilich das Problem, dass die Tochtergesellschaft den Aufwand einer anderen Person abziehen können muss. Da dies grundsätzlich auch bei wirtschaftlicher Zuordnung nicht möglich ist, bedarf es einer normativen Begründung für das Recht der Tochtergesellschaft auf Abzug fremden Aufwands. Die Rechtsformwahlfreiheit stellt diesen Rechtsgrund dar, da sie eine Gleichbehandlung beider Niederlassungsformen verlangt, es sei denn, die Sachlogik der steuerlichen Regelung knüpft an die zivilrechtlichen Unterschiede an. Dies ist vorliegend nicht der Fall, weil, wie ________________________ 982 Siehe auch Terra/Wattel, European Tax Law, 2005, S. 508 ff.; 120 ff.; 130 ff.; 148 ff. Siehe auch Schön, Besteuerung im Binnenmarkt – die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, IStR 2004, S. 289 ff.; Schön, Die Abzugsschranken des § 3c EStG zwischen Verfassungs- und Europarecht, FR 2001, S. 381 ff., 389 f.; dagegen, allerdings ohne Berücksichtigung der Rechtsformwahlfreiheit, Menck in: Blümich (Hrsg.), KStG, § 8b, Rn. 58 a. E. („EG-rechtlich ist dies allerdings kurzfristig nicht realisierbar“).

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dargestellt, die Sachlogik auf der wirtschaftlichen Verknüpfung von Aufwand und Ertrag aufbaut und nicht auf der zivilrechtlichen Zuordnung. Dass innerhalb von Konzernen eine Zuordnung von Aufwand über die zivilrechtlichen Grenzen hinweg nach wirtschaftlicher Veranlassung möglich ist, hat der EuGH an anderer Stelle entschieden: In der Rechtssache „Société Baxter“ ermöglichte der EuGH, dass eine Tochtergesellschaft den Forschungsaufwand ihrer ausländischen Muttergesellschaft abziehen konnte, der sich auf die von der Tochtergesellschaft vertriebenen Produkte bezog.983 Auch in diesem Fall korrespondierten die Betriebsausgaben der Muttergesellschaften mit den durch eine andere, juristisch selbstständige Tochtergesellschaft erzielten Erträgen. Diese Wertung dürfte zudem auch Art. 4 Abs. 2 der Mutter-Tochter-Richtlinie zugrunde liegen, der einen Ausschluss der Abziehbarkeit des Finanzierungsaufwands auf Ebene der Muttergesellschaft zulässt: Da wirtschaftlich die Dividenden aus (bei der Tochtergesellschaft) besteuerten Gewinnen stammen, müssen die mit diesen Gewinnen korrespondierenden Aufwendungen auch abziehbar sein. Wenn dies nicht auf Ebene der Muttergesellschaft geschieht, kann die Richtlinie nur einen Abzug auf Ebene der Tochtergesellschaft voraussetzen, obwohl sie diesen nicht selber regelt.984 Im Ergebnis gebietet daher der Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit nach dem Vorbild der Betriebsstätte in Durchbrechung der zivilrechtlichen Trennung von Mutter- und Tochtergesellschaften einen Abzug der Finanzie________________________ 983 EuGH-Urteil vom 8.7.1999 – Rs. C-254/97 („Société Baxter“), EuGHE 1999, I-4809. Die Formulierung der Entscheidung ist verwirrend, weil der EuGH einerseits von Tochtergesellschaft spricht (Rn. 4), andererseits von Zweigniederlasssungen (Rn. 13); es handelt sich aber offenbar um ein Übersetzungproblem, da die englische Version von „secondary places of business“, also von Zweit- (nicht: Zweig-)niederlassungen spricht. Die Klägerin hatte im Übrigen die Rechtsform einer „SA“, sodass tatsächlich eine selbstständige Tochtergesellschaft betroffen war; siehe dazu auch Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 662 ff., der ausdrücklich auch eine Zuordnung von Aufwand über die zivilrechtlichen Grenzen hinweg in einer Gruppe für möglich hält, sowie Schön, Die Abzugsschranken des § 3c EStG zwischen Verfassungs- und Europarecht, FR 2001, S. 381 ff., 389 f. 984 Es besteht allerdings auch die Möglichkeit, dass der Europäische (wie der deutsche) Gesetzgeber verkannt hat, dass die steuerfreie Vereinnahmung von Dividenden durch eine Muttergesellschaft nicht bedeutet, dass steuerfreie Einkünfte vorliegen, sondern dass die Körperschaftsteuer bereits auf diesen Dividenden lastet, vgl. dazu ausführlich Schön, Die Abzugsschranken des § 3c EStG zwischen Verfassungs- und Europarecht, FR 2001, S. 381 ff. Dann würde der Europäische Gesetzgeber von der vollständigen Nicht-Abziehbarkeit des Finanzierungsaufwands ausgehen.

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rungsaufwendungen der Muttergesellschaft „an der Quelle“, also auf Ebene und im Sitzstaat der Tochtergesellschaft.985 c) Zwischenergebnis Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass die gegenwärtige Regelung des Abzugs von Finanzierungsaufwand bei Betriebsstätten und Tochtergesellschaften eine Gleichbehandlung beider Niederlassungsformen zumindest insofern gewährleistet, als der Abzug überhaupt bei beiden Niederlassungsformen möglich ist, wenngleich eine Ungleichbehandlung in Bezug auf den Ort des Abzugs erfolgt. Indem der Sitzstaat der Muttergesellschaft verpflichtet wird, den auf eine ausländische Tochtergesellschaft bezogenen Aufwand abzuziehen, wird allerdings in Kauf genommen, dass keine Korrespondenz der Besteuerung von Ertrag und zugehörigem Aufwand gewährleistet wird. Nach hier vertretener Auffassung ist darüber hinausgehend ein Abzug des Finanzierungsaufwands bei der Tochtergesellschaft möglich, da die zivilrechtlichen Unterschiede beider Niederlassungsformen bei näherer Betrachtung kein sachlogischer Anknüpfungspunkt für die Differenzierung sind.

D. Veräußerungsgewinne Auch die Besteuerung der Gewinne aus der Veräußerung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften wirft vor dem Hintergrund der Rechtsformwahlfreiheit die Frage auf, inwieweit der Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit eine steuerliche Gleichbehandlung von Einheitsunternehmen und Konzernen in Fällen der (teilweisen986) Veräußerung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften verlangt. Einleitend werden dafür die Grundzüge der Besteuerung im Veräußerungsfall dargestellt.987

________________________ 985 Ebenso Terra/Wattel, European Tax Law, 2005, S. 510 f.; im Ergebnis ebenso Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 515 f. 986 Wenn im Folgenden von Veräußerung der Sekundärniederlassung gesprochen wird bezieht, dies auch die teilweise Veräußerung mit ein. 987 Zum Überblick siehe Schumacher, Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, in: Schaumburg/Piltz (Hrsg), Veräußerungsgewinne im Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 1 ff. Vgl. zur Rechtslage in Österreich aktuell Eberhartinger/ Pummerer, Tochterkapitalgesellschaft, Betriebsstätte und österreichische Gruppenbesteuerung, StuW 2007, S. 64 ff.

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I. Veräußerungsgewinne bei Tochtergesellschaften Im Grundsatz ist unmittelbare Folge einer Veräußerung des Anteils an einer Tochtergesellschaft eine Gewinnrealisierung beim Veräußerer durch Aufdeckung stiller Reserven.988 1. Ansässigkeitsstaat Nach deutschem Recht ist die Veräußerung der Anteile an einer ausländischen Tochtergesellschaft im Fall einer Mutter-Kapitalgesellschaft nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei. Grundlage dieses sog. Schachtelprivilegs ist Art. 4 Abs. 1 der Mutter-Tochter-Richtlinie. Eine steuerliche Berücksichtigung von Veräußerungsverlusten und Teilwertabschreibungen erfolgt nur im Rahmen von § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG. Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 werden 5 % des Veräußerungsgewinns als nicht-abziehbare Veräußerungskosten fingiert; die tatsächlichen Veräußerungskosten sind aber gemäß § 8b Abs. 3 Satz 2 KStG vollständig abzugsfähig. Wird die Beteiligung mittelbar über eine Personengesellschaft gehalten, kommt eine entsprechende Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 6 Satz 1 i. V. m. § 8b Abs. 2 KStG zur Anwendung. Der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer ausländischen Tochtergesellschaft durch ein inländisches Einzelunternehmen oder eine inländische Personengesellschaft unterliegt gemäß § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG dem Teileinkünfteverfahren. Das Doppelbesteuerungsrecht regelt die Frage, welchem Vertragsstaat das Besteuerungsrecht für den Veräußerungsgewinn des Anteilseigners zugewiesen wird. Nach Art. 13 Abs. 5 OECD-Musterabkommen hat der Staat, in dem die Anteilseigner ansässig sind, das Besteuerungsrecht für den Veräußerungsgewinn, es sei denn, der Anteil ist einer Betriebsstätte zuzurechnen, vgl. Art. 13 Abs. 2 OECD-Musterabkommen. 2. Quellenstaat § 8b Abs. 2 KStG gilt auch für beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften mit der Folge, dass die Veräußerung einer direkt gehaltenen inländischen Tochtergesellschaft durch eine ausländische Muttergesellschaft steuerfrei ist. Bei Veräußerung von Anteilen an einer inländischen Tochtergesellschaft durch eine ausländische Kapitalgesellschaft oder ein ausländisches Einzelunternehmen oder eine ausländische Personengesellschaft kann sich eine beschränkte Steuerpflicht aus § 49 Abs. 1 Nr. 2a EStG ergeben, wenn die Anteile einer inländischen Betriebsstätte zugerechnet werden. Für ________________________ 988 Vgl. hierzu Schumacher, Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, in: Schaumburg/Piltz (Hrsg), Veräußerungsgewinne im Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 1 ff., 2.

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beschränkt steuerpflichtige Einzelunternehmen und Personengesellschaften gilt ebenfalls das Teileinkünfteverfahren gemäß § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG. Nur im Fall, dass die Anteile an einer deutschen Tochtergesellschaft einer Betriebsstätte in Deutschland zugerechnet werden und sich die beschränkte Steuerpflicht der ausländischen Muttergesellschaft daher aus § 49 Abs. 1 Nr. 2a EStG, ggf. i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG, ergibt, weisen die deutschen Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland das Besteuerungsrecht zu.989 Im Übrigen liegt das Besteuerungsrecht bei Veräußerung einer Tochtergesellschaft beim Sitzstaat des Veräußerers, also der Muttergesellschaft, vgl. Art. 13 Abs. 5 OECD-Musterabkommen. Vereinfachend zusammengefasst ist daher die (anteilige) Veräußerung einer Tochtergesellschaft bei körperschaftsteuerpflichtigen Muttergesellschaften im Geltungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie steuerfrei. Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften unterliegt die Veräußerung einer ausländischen Betriebsstätte dem Teileinkünfteverfahren. Doppelbesteuerungsrechtlich ist das Besteuerungsrecht dem Sitzstaat der Muttergesellschaft zugewiesen.

II. Veräußerungsgewinne bei Betriebsstätten Bei der Veräußerung einer Betriebsstätte ist der Erlös grundsätzlich als Teil des Betriebsstättengewinns dem Betriebsstättenstaat zugewiesen. 1. Ansässigkeitsstaat Die Gewinne aus der Veräußerung einer ausländischen Betriebsstätte unterliegen wie laufende Gewinne nach dem Welteinkommensprinzip zwar der deutschen Besteuerung nach § 1 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 1 Abs. 1 und 2, § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Eine Doppelbesteuerung der ausländischen Einkünfte (§ 34d Nr. 2 Buchst. a EStG; § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG) wird aber unilateral durch Steueranrechnung (§ 34c Abs. 1 EStG, § 26 Abs. 1 KStG) oder Steuerabzug (§ 34c Abs. 2 EStG, § 26 Abs. 6 KStG) vermieden. Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften wird unter den Voraussetzungen des § 16 EStG (namentlich, wenn die Betriebsstätte einen Teilbetrieb i. d. S. darstellt) der Veräußerungsgewinn privilegiert behandelt. Gehören zum Betriebsstättenvermögen, das veräußert wird, Kapitalgesellschafts________________________ 989 Vgl. Schumacher, Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, in: Schaumburg/Piltz (Hrsg), Veräußerungsgewinne im Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 1 ff., 24.

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anteile, so gilt anteilig für auf diese entfallende Veräußerungsgewinne das Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 Buchst. a, § 3 Nr. 40 Buchst. b EStG bzw. die Freistellung nach § 8b Abs. 2 KStG. Sofern ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, gilt das Betriebsstättenprinzip: Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-Musterabkommen werden die einer Betriebsstätte zuzurechnenden Gewinne im Betriebsstättenstaat besteuert. Gemäß Art. 13 Abs. 2 OECD-Musterabkommen gilt dieses Betriebsstättenprinzip auch für die Gewinne aus der Veräußerung der Betriebsstätte selbst sowie aus der Veräußerung einzelner Vermögensgegenstände der Betriebsstätte. Im Ansässigkeitsstaat sind die Gewinne zumeist unter Progressionsvorbehalt freigestellt, vgl. Art. 23A OECD-Musterabkommen (siehe § 32b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 2 EStG). Der Progressionsvorbehalt ist nur bei Einzelunternehmen oder Personengesellschaften als Veräußerer relevant, da ansonsten der lineare Tarif gilt (vgl. § 23 Abs. 1 KStG). 2. Quellenstaat Gewinne aus der Veräußerung einer inländischen Betriebsstätte durch ein ausländisches Unternehmen unterliegen grundsätzlich im Betriebsstättenstaat der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer, siehe § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG (ggf. i. V. m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG). Besteuert werden die stillen Reserven, da sich der Veräußerungsgewinn aus der Differenz von Veräußerungserlös und steuerlichem Kapital ergibt.990 Das steuerliche Kapital ergibt sich aus den Buchwerten der betriebsstättenzugehörigen Vermögensgegenstände abzüglich der Schulden, die der Betriebsstätte zuzuordnen sind. Vereinfachend zusammengefasst ist die Veräußerung einer Betriebsstätte steuerpflichtig. Doppelbesteuerungsrechtlich ist die Besteuerungsbefugnis dem Betriebsstättenstaat zugewiesen.

III. Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit auf die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen Damit ergibt sich bei Veräußerung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ein dreifacher Unterschied zwischen den Niederlassungsformen: Erstens sind die Veräußerungsgewinne bei der Veräußerung einer Tochtergesellschaft durch eine körperschaftsteuerpflichtige Muttergesellschaft steuerbefreit; die Veräußerungsgewinne bei Veräußerung einer Betriebs________________________ 990 Fischer, Veräußerung von Betriebsstätten und Mitunternehmeranteilen, in: Schaumburg/Piltz (Hrsg), Veräußerungsgewinne im Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 29 ff., 51.

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stätte sind es nicht.991 Daraus folgt, zweitens, zugleich ein zeitlicher Aufschub der Besteuerung der in den Wirtschaftsgütern einer Tochtergesellschaft liegenden stillen Reserven, da eine Besteuerung erst bei Realisierung auf Ebene der Tochtergesellschaft erfolgt. Drittens sind die Veräußerungsgewinne auf den ersten Blick jeweils unterschiedlichen Staaten zugewiesen: Im Fall der Veräußerung einer Tochtergesellschaft ist der Sitzstaat der Muttergesellschaft im Grundsatz steuerberechtigt, auch wenn im Fall von körperschaftsteuerlichen Muttergesellschaften in der Regel ein Schachtelprivileg gilt. Im Fall der Veräußerung einer Betriebsstätte ist der Veräußerungsgewinn als Teil des Betriebsstättengewinns dagegen dem Quellenstaat zugewiesen und in der Regel (nach den deutschen Doppelbesteuerungsabkommen) im Ansässigkeitsstaat freigestellt.992 Damit stellt sich die Frage, ob die Veräußerung einer Betriebstätte und die Veräußerung einer Tochtergesellschaft für Zwecke der Besteuerung des Veräußerungsgewinns vergleichbar sind. Dies ist der Fall, wenn die unterschiedliche Besteuerung nicht sachlogisch an die unterschiedliche zivilrechtliche Ausgestaltung beider Niederlassungsformen anknüpft.993 1. Steuerbarkeit des Veräußerungsgewinns Sinn und Zweck der Steuerfreiheit von Gewinnen im Fall der Veräußerung einer Tochtergesellschaft ist es, die Vorbelastung der im Veräußerungsgewinn (u. a.) repräsentierten thesaurierten Gewinne mit Körperschaftsteuer zu berücksichtigen. Es soll eine Doppel- oder Mehrfachbelastung auf Körperschaftsebene verhindert werden. Die Steuerfreiheit der Veräußerungsgewinne (wie die der Dividenden nach § 8b Abs. 1 EStG) berücksichtigt seit der Umstellung vom Anrechnungs- auf das Halb- und nun Teileinkünfteverfahren die Belastung der Tochtergesellschaft mit 15 % gemäß § 23 KStG und die Belastung auf Ebene der natürlichen Personen als Anteilseigner im Fall der endgültigen Ausschüttung der Gewinne (gemäß § 3 Nr. 40 EStG). Ohne die Steuerbefreiung käme es durch die Definitivbelastung der Körperschaft zu einem Kaskadeneffekt in der Beteiligungskette.994 ________________________ 991 In diesem Unterschied wird ein wesentlicher Nachteil der Betriebsstätte bei der Rechtsformwahl gesehen; vgl. Fischer, Veräußerung von Betriebsstätten und Mitunternehmeranteilen, in: Schaumburg/Piltz (Hrsg), Veräußerungsgewinne im Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 29 ff., 55. 992 Vgl. zur Besteuerung von Veräußerungsgewinnen und dem ökonomischen Postulat der Rechtsformneutralität Sureth, Die Besteuerung von Beteiligungsveräußerungen und Rechtsformneutralität, ZfB 2003, S. 793 ff. 993 Siehe zur Zulässigkeit der sachlichen Anknüpfung an die zivilrechtlichen Unterschiede und zum Maßstab der Vergleichbarkeit für Zwecke der Besteuerung ausführlich im 4. Teil; C; I; 1. 994 Adrian/Gröbl, in: Erle/Sauter (Hrsg.), Körperschaftsteuergesetz, 2006, § 8b, Rn. 14.

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Dies gilt bei genauer Betrachtung allerdings nur, soweit der Veräußerungsgewinn sich auf vorbelastete Gewinne bezieht. Dies sind nur thesaurierte Gewinne (offene Rücklagen), nicht jedoch die im Veräußerungspreis ebenfalls erfassten stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern der Tochtergesellschaft.995 Insoweit unterscheidet sich die Freistellung von Veräußerungsgewinnen von der Freistellung der Dividenden, bei denen stets eine Vorbelastung besteht. Dennoch ist die Steuerfreistellung systematisch richtig, da die stillen Reserven weiterhin bei der Körperschaft steuerverhaftet sind. Bei Realisierung auf Ebene der Tochtergesellschaft kommt es zur Besteuerung. Ohne die vorherige Steuerfreiheit käme es in diesem Fall zu einer systemwidrigen Doppelbesteuerung. Damit ist die Steuerfreiheit der Veräußerungsgewinne bei Veräußerung einer Tochtergesellschaft systembedingt im deutschen Halbeinkünfteverfahren.996 Das Gleiche gilt aber auch für andere Systeme zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbelastung der Gewinne einer Körperschaft: Die definitive Belastung mit Körperschaftsteuer auf Ebene der Tochtergesellschaft ist eine Vorbelastung der Gewinne der unmittelbaren und mittelbaren Anteilseigner. Die endgültige Belastung ergibt sich durch die zusätzliche Belastung der Dividenden bei Ausschüttung an die (mittelbar) hinter der Körperschaft stehenden natürlichen Personen, ggf. unter Anrechnung der Steuern auf Ebene der Körperschaft bzw. Tochtergesellschaft. Sofern im Fall der Veräußerung einer Tochtergesellschaft durch eine Muttergesellschaft eine zusätzliche Besteuerung der bereits auf Ebene der Tochtergesellschaft belasteten Gewinne erfolgen würde, käme es zu einer Doppel- oder Mehrfachbelastung desselben Gewinns. Bei Betriebsstätten ist die Situation anders, da eine Thesaurierung von Gewinnen grundsätzlich nicht möglich ist.997 Der Veräußerungsgewinn bezieht sich damit allein auf die stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern, die der Betriebsstätte zugerechnet werden. Anders als im Fall der Tochtergesellschaft bleiben die stillen Reserven nicht steuerverhaftet, sondern werden mit der Veräußerung realisiert; der Erwerber hat sie mit den Anschaffungskosten anzusetzen. Der Veräußerungsgewinn bezieht sich damit im Fall der Betriebsstätte nur auf die stillen Reserven der Sekundärniederlassung, und diese werden, anders als bei der Tochtergesellschaft, nicht durch das Rechtskleid „Anteil“ oder „Tochtergesellschaft“ abgeschirmt. Vielmehr ist die Ver________________________ 995 Gosch, in: Gosch (Hrsg.), Körperschaftsteuergesetz, 2005, § 8b, Rn. 3. 996 Schön, Die Abzugsschranken des § 3c EStG zwischen Verfassungs- und Europarecht, FR 2001, S. 381 ff., 384. 997 Die Regelung zur Begünstigung von nicht entnommenen Gewinnen bei der Besteuerung von Personengesellschaften nach § 34a EStG hat allerdings eine vergleichbare Privilegierung zum Ziel, wie sie sich bei Thesaurierung bei Körperschaften ergibt. Eine zivilrechtliche „Abschirmung“ nicht entnommener Gewinne besteht bei Gesamthandsvermögen aber naturgemäß nicht.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

äußerung einer Betriebsstätte eigentlich die (anteilige) Veräußerung der Wirtschaftsgüter selbst, die der Betriebsstätte zugerechnet werden. Die Steuerfreiheit des Gewinns aus der Veräußerung einer Tochtergesellschaft ist daher nicht vergleichbar mit der steuerlichen Behandlung des Gewinns aus der Veräußerung einer Betriebsstätte, soweit sie sich auf thesaurierte Gewinne bezieht, da es diese bei der Betriebsstätte nicht gibt. Und sie ist zudem auch in Bezug auf die stillen Reserven nicht vergleichbar, da diese bei der Tochtergesellschaft steuerverhaftet bleiben und auf Ebene der Tochtergesellschaft im Fall der Realisierung durch diese besteuert werden; bei der Betriebsstätte erfolgt gerade eben diese Realisierung durch die Veräußerung. Im Hinblick auf die aus der zivilrechtlichen Unterschiedlichkeit folgende Grundsystematik der Besteuerung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften, also der Besteuerung der Betriebsstättengewinne (ggf.) durch zwei Staaten auf Ebene des Stammhauses und dem doppelten Zugriff auf Ebene der Tochter- und Muttergesellschaft, liegt folglich für Zwecke der Besteuerung des Veräußerungsgewinns keine Vergleichbarkeit der beiden Sekundärniederlassungsformen vor, da die Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns bei Tochtergesellschaften diesen systematischen Unterschied konsequent fortführt. Die unterschiedliche Besteuerung der Veräußerungsgewinne stellt mithin keine Beschränkung der Rechtsformwahlfreiheit dar. 2. Zeitpunkt der Gewinnrealisierung Aus der Gegenüberstellung der Veräußerung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften folgt neben der soeben dargestellten Unterscheidung hinsichtlich der Steuerbarkeit der Veräußerungsgewinne mittelbar ein weiterer Unterschied: Die stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern, die der Betriebsstätte zugerechnet werden, unterliegen zum Zeitpunkt der Veräußerung der Betriebsstätte der Besteuerung. Sofern im Anteil an der Tochtergesellschaft zum Zeitpunkt der Veräußerung stille Reserven enthalten sind, werden diese steuerfrei veräußert, wenn Anteilseigner eine Körperschaft ist. Eine Besteuerung der stillen Reserven erfolgt faktisch zeitlich verzögert, wenn eine Realisierung auf Ebene der Tochtergesellschaft erfolgt, beispielsweise bei Veräußerung der die stillen Reserven tragenden Wirtschaftsgüter durch die Tochtergesellschaft. Daraus resultiert bei Tochtergesellschaften ein Steuerstundungseffekt. Die zeitliche Verzögerung der Besteuerung der stillen Reserven bei Tochtergesellschaften hat, wie die Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns, ihre Ursache in der Abschirmwirkung der Tochtergesellschaft, die zivil- und steuerrechtlich selbstständig ist. Eine Besteuerung der in den Wirtschafts276

Veräußerungsgewinne

gütern der Tochtergesellschaft liegenden stillen Reserven soll daher nur und erst dann erfolgen, wenn sie auf Ebene der Tochtergesellschaft realisiert werden. Soweit die Bewertung des Anteils an der Tochtergesellschaft bei Veräußerung neben den thesaurierten Gewinnen die stillen Reserven der Tochtergesellschaft berücksichtigt, werden diese daher steuerlich nicht belastet. Damit ist die zivilrechtliche Unterschiedlichkeit der beiden Rechtsformen, wie bei der Steuerfreiheit der Veräußerungsgewinne, der sachlogische Anknüpfungspunkt: Die unterschiedliche Besteuerung resultiert aus der nur bei Tochtergesellschaften gegebenen Möglichkeit zur Begründung eigenen Vermögens. Die damit verbundene Abschirmwirkung kann das Steuerrecht respektieren. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit liegt damit nicht vor. 3. Zwischenstaatliche Zuweisung des Besteuerungsrechts Die Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung einer Tochtergesellschaft weist Art. 13 Abs. 5 OECD-Musterabkommen, ebenso wie Dividenden nach Art. 10 Abs. 1 OECD-Musterabkommen, dem Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners zu. Die Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung einer Betriebsstätte hingegen weist Art. 13 Abs. 2 OECD-Musterabkommen, ebenso wie die Betriebsstättengewinne nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECDMusterabkommen, dem Betriebsstättenstaat zu. Damit liegt eine unterschiedliche Zuweisung des Besteuerungsrechts hinsichtlich der Veräußerungsgewinne vor, die infolge unterschiedlicher Besteuerungsniveaus in den Mitgliedstaaten zu einer vorteilhaften Besteuerung einer Niederlassungsform führen kann. Die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse durch Doppelbesteuerungsabkommen ist allerdings dem Anwendungsbereich der Grundfreiheiten nach ständiger Rechtsprechung des EuGH entzogen.998 Daher kann die Zuweisung der Besteuerungsbefugnisse von vornherein nicht zur einer Beschränkung führen, auch wenn dadurch bei unterschiedlichem Steuerniveau der ________________________ 998 Siehe dazu ausführlich oben unter 3. Teil; B; IV; 3; c. Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass hier keine Parallele zur Gewinnabgrenzung vorliegt, bei der eine gleichartige Allokation des Gewinns aus der Rechtsformwahlfreiheit folgt: Im Rahmen der Gewinnabgrenzung erfolgt die Gewinnabgrenzung auf der Basis einer Funktionsanalyse und es wurde daher argumentiert, dass, soweit Betriebsstätten und Tochtergesellschaften funktional gleichwertig seien, sie auch in gleicher Weise bei der Gewinnabgrenzung behandelt werden müssen. Für die Frage der Allokation der Besteuerungsbefugnis bezüglich der Veräußerungsgewinne erfolgt die Verteilung nicht auf Basis einer Funktionsanalyse, sondern es geht um die Verteilung des Besteuerungszugriffs auf einen bereits allozierten Gewinn.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

beiden Staaten wirtschaftlich die Veräußerung der einen Niederlassungsform gegenüber der anderen vorteilhaft ist. Darüber hinaus lässt sich die unterschiedliche Zuweisung der Besteuerungsrechte aber auch sachlich erklären. Die Besteuerung der laufenden Gewinne der Tochtergesellschaft auf Ebene der Tochtergesellschaft korrespondiert mit der Besteuerung der laufenden Gewinne der Betriebsstätte im Quellenstaat: Der laufende Ertrag wird jeweils im Quellenstaat besteuert. Daneben kann bei der Betriebsstätte unmittelbar, unter Anrechnung der Quellensteuern, zusätzlich eine Besteuerung im Ansässigkeitsstaat erfolgen; in der Regel ist der Betriebsstättengewinn aber im Ansässigkeitsstaat freigestellt. Bei der Tochtergesellschaft besteht diese Möglichkeit der zusätzlichen Besteuerung durch den Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft nur, soweit die Gewinne ausgeschüttet werden; Art. 4 Abs. 2 der Mutter-Tochter-Richtlinie erlaubt auch insoweit entweder eine zusätzliche Besteuerung der Gewinne unter Anrechnung der Körperschaftsteuer oder eine Freistellung der ausgeschütteten Gewinne. Daraus folgt, dass für die im Veräußerungserlös bei der Tochtergesellschaft repräsentierten thesaurierten Gewinne für den Sitzstaat der Muttergesellschaft, anders als im Fall der Betriebsstätte, noch keine Möglichkeit zur Besteuerung bestand. Daher wird der Veräußerungsgewinn, soweit er sich auf thesaurierte Gewinne bezieht, dem Sitzstaat der Muttergesellschaft zugewiesen. Soweit sich der Gewinn auf die in den Wirtschaftsgütern der Tochtergesellschaft liegenden stillen Reserven bezieht, hat zwar der Sitzstaat der Muttergesellschaft ebenfalls ein Besteuerungsrecht. Die stillen Reserven verbleiben aber zugleich auf Ebene der Tochtergesellschaft im Quellenstaat steuerverhaftet, sodass sie auch dort bei Realisierung auf Ebene der Tochtergesellschaft versteuert werden. Europarechtlich ist die daraus resultierende Doppelbesteuerung durch den Sitzstaat der Muttergesellschaft zu verhindern, wie Art. 4 Abs. 1 Mutter-Tochter-Richtlinie festlegt. Damit entspricht auch insoweit die Allokation der Besteuerungsbefugnisse (endgültige Besteuerung der stillen Reserven durch den Quellenstaat) der Rechtslage bei Betriebsstätten. Denn soweit bei der Veräußerung der Betriebsstätte durch eine Realisierung der stillen Reserven ein Veräußerungsgewinn erzielt wird, wird das Ergebnis auch im Betriebsstättenstaat besteuert. Gleichzeitig ist dieser Gewinn grundsätzlich als Teil des Welteinkommens im Ansässigkeitsstaat steuerbar. Durch Doppelbesteuerungsabkommen wird die Besteuerung aber ebenfalls dem Quellenstaat zugewiesen. Damit liegt bei näherer Betrachtung im Ergebnis keine unterschiedliche Allokation der Besteuerungsbefugnisse bei Veräußerung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften vor: Die in den Wirtschaftsgütern der Sekundärniederlassung liegenden stillen Reserven werden bei Realisierung im Quel278

Vermeidung von Doppelbesteuerung

lenstaat besteuert. Die Besteuerung des die thesaurierten Gewinne reflektierenden Veräußerungsgewinns im Fall der Tochtergesellschaft durch den Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft korrespondiert mit der bei der Betriebsstätte mangels Thesaurierungsmöglichkeit fortlaufend grundsätzlich gegebenen Besteuerungsbefugnis durch den Ansässigkeitsstaat des Stammhauses. Doppelbesteuerungsrechtlich bzw. durch die Mutter-Tochter-Richtlinie kommt es auch insoweit regelmäßig zur gleichmäßigen Freistellung der Gewinne im Ansässigkeitsstaat von Stammhaus bzw. Muttergesellschaft oder zu einer Anrechnung von Quellensteuer bzw. Körperschaftsteuer. Im Ergebnis ist damit die scheinbar unterschiedliche Zuweisung des Besteuerungsrechts auf die Veräußerungsgewinne durch Doppelbesteuerungsabkommen mit der Rechtsformwahlfreiheit auch in der Sache vereinbar.

E. Vermeidung von Doppelbesteuerung Eine bislang, soweit ersichtlich, kaum diskutierte Frage in Bezug auf die Gleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ist, ob die Vermeidung einer Doppelbesteuerung des Gewinns der Sekundärniederlassung durch Quellen- und Ansässigkeitsstaat durch die Wahl derselben Vermeidungsmethode vorgenommen werden muss.999 Wie an anderer Stelle ausgeführt, kommt es im Fall einer Betriebsstätte infolge des Nebeneinanders von Besteuerung des Welteinkommens durch den Ansässigkeitsstaat und der Besteuerung des Betriebsstättenergebnisses durch den Quellenstaat zu einer juristischen Doppelbesteuerung, also einer Besteuerung desselben Besteuerungssubstrats bei demselben Steuerpflichtigen durch zwei Staaten.1000 Bei Tochtergesellschaften kommt es dagegen zu einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung, da der Gewinn der Tochtergesellschaft auf Ebene der Tochter- und Muttergesellschaft, also bei verschiedenen Steuersubjekten, besteuert wird.1001 ________________________ 999 Dagegen allerdings auf Basis eines sehr eingeschränkten Verständnisses von Rechtsformneutralität Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 237. 1000 Vgl. dazu 1. Teil; C; II; 2. 1001 Vgl. 1. Teil; C; III; 2. Daneben kommt es im Fall der Ausschüttung denkbar zu einer juristischen Doppelbesteuerung der Dividenden: Sofern eine Kapitalertragsteuer an der Quelle erhoben wird, ist die Muttergesellschaft im Ansässigkeitsstaat der Tochter quellensteuerpflichtig. Vgl. einführend insbesondere zur nicht einheitlichen Handhabung der Begriffe „Doppelbesteuerung“ und „Doppelbelastung“ Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 3 ff.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

In beiden Fällen kommt es folglich zu einer zweifachen steuerlichen Belastung des Gewinns der Sekundärniederlassung durch zwei Staaten.1002 Um dies (teilweise) zu vermeiden, existieren für beide Konstellationen seit jeher Methoden, die strukturell zumindest ähnlich sind. Es stellt sich die Frage, ob der Steuerpflichtige eine Vermeidung der Doppelbesteuerung nach der für ihn vorteilhafteren Methode verlangen kann, sofern im Einzelfall für beide Niederlassungsformen unterschiedliche Methoden anwendbar sind. Die Beantwortung dieser Frage setzt eine zweistufige Untersuchung voraus. In einem ersten Schritt ist festzustellen, ob die Vermeidung der juristischen Doppelbesteuerung bei Einheitsunternehmen und die Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung im Konzern überhaupt strukturell vergleichbar sind oder ob zivilrechtliche Unterschiede eine Vergleichbarkeit der Vorgänge ausschließen.1003 In einem zweiten Schritt ist dann ggf. zu klären, ob die Entscheidung für eine Methode tatsächlich grundfreiheitlich bedeutsam ist, weil im Vergleich zur anderen Methode eine relevante Benachteiligung entstehen kann.

I. Strukturelle Vergleichbarkeit der Methoden zur Vermeidung der juristischen und wirtschaftlichen Doppelbesteuerung Ausgangspunkt ist eine Darstellung der Grundlagen der Methoden zur Vermeidung juristischer und wirtschaftlicher Doppelbesteuerung.1004

________________________ 1002 Der EuGH sieht in der juristischen und wirtschaftlichen Doppelbesteuerung dasselbe Problem, vgl. EuGH-Urteil vom 12.5.1998 – Rs. C-336/96 („Gilly“), EuGHE 1998 I-2793, Rn. 23 ff.; vgl. Vanistendael, The ECJ at the Crossroads: Balancing Tax Sovereignty against the Imperatives of the Single Market, EC Tax Review 2006, S. 413 ff., 418 f. 1003 Siehe zur Zulässigkeit der sachlichen Anknüpfung an die zivilrechtlichen Unterschiede und zum Maßstab der Vergleichbarkeit für Zwecke der Besteuerung ausführlich im 4. Teil; C; I; 1. 1004 Eine einheitliche Betrachtung stellt auch Generalanwalt Mengozzi, Schlussantrag vom 29.3.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451, Rn. 5 an.; a. A. Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 908, allerdings auf Basis einer isolierten Betrachtung von Mutter- und Tochtergesellschaft, vgl. dazu 4. Teil; B; I; 3. In der ökonomischen Literatur werden die Methoden zur Vermeidung von Doppelbesteuerung und Doppelbelastung völlig selbstverständlich einheitlich betrachtet; eine Differenzierung erfolgt übergreifend zwischen Anrechnungs- und Freistellungsmethode, vgl. ausführlich zu den Methoden und deren Wirkungen Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 18 ff.; 60 ff.; 236 ff.

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Vermeidung von Doppelbesteuerung

1. Vermeidung der Doppelbesteuerung von Betriebsstättengewinnen Zur Vermeidung der juristischen Doppelbesteuerung existieren im Grundsatz die Anrechnungs- und die Freistellungsmethode, wie sie in Art. 23A und Art. 23B OECD-Musterabkommen niedergelegt sind.1005 Die Anrechnungsmethode sieht vor, dass der Steuerbetrag des Quellenstaats auf die Steuerlast im Ansässigkeitsstaat angerechnet wird: Die Bemessungsgrundlage des im Ansässigkeitsstaat unbeschränkt steuerpflichtigen Unternehmens ist das Welteinkommen. Zum Ausgleich für die Einbeziehung ausländischer Einkünfte in die Bemessungsgrundlage mindert die im Ausland gezahlte Einkommensteuer die inländische Steuerschuld.1006 Bei der Freistellungsmethode werden dagegen von der Bemessungsgrundlage des unbeschränkt steuerpflichtigen Einheitsunternehmens die ausländischen Einkünfte ausgenommen und allein im Quellenstaat (ggf. unter Progressionsvorbehalt) besteuert. Trotz unbeschränkter Steuerpflicht sind folglich nur die inländischen Einkünfte Gegenstand der Bemessungsgrundlage. Im Ergebnis wird bei Wahl der Anrechnungsmethode das Betriebsstättenergebnis stets nach Maßgabe des Ansässigkeitsstaats belastet (Kapitalexportneutralität). Liegt das Steuerniveau im Ansässigkeitsstaat über dem des Betriebsstättenstaats, kommt es zu einer „Heraufschleusung“ der Besteuerung auf dieses Niveau, sodass die Vorteile der niedrigen Besteuerung im Quellenstaat verloren gehen. Steuerlich steht der Wirtschaftsteilnehmer bei einer Inlandsinvestition wie bei einer Auslandsinvestition. Bei Freistellung der Gewinne durch den Ansässigkeitsstaat richtet sich dagegen die Belastung allein nach der Steuerordnung des Quellenstaats, sodass im Ergebnis Kapitalimportneutralität hergestellt wird.1007 ________________________ 1005 Jeweils lassen sich diese Methoden nochmals weiter differenzieren: Bei unbegrenzter Anrechnung kann es zu einer Erstattung ausländischer Steuern im Ansässigkeitsstaat kommen, wenn die Belastung im Quellenstaat höher ist; im Fall der (üblichen) begrenzten Anrechnung kommt es zu Anrechnungsüberhängen, weil die Anrechnung auf die Steuerbelastung im Ansässigkeitsstaat begrenzt ist; die Freistellung unter Progressionsvorbehalt führt zu einer Anwendung des Steuersatzes, der sich für das Einkommen unter Einbeziehung der freigestellten Einkünfte ergeben würde. Daneben existieren weitere Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, vgl. dazu ausführlich Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007; speziell zu den Strukturen der Systeme zur Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 87 ff. 1006 Scheffler, Besteuerung der grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit, 2002, S. 13. 1007 Grundlegend zur Bedeutung von Kapitalexport- und Kapitalimportneutralität Gandenberger, Kapitalexportneutralität versus Kapitalimportneutralität – Allokative Überlegungen zu einer Grundfrage der internationalen Besteuerung, Aufsätze zur Wirtschaftspolitik Nr. 7 1983, S. 1 ff.; Vogel, Worldwide vs. source taxation of

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

2. Vermeidung der Doppelbesteuerung von Gewinnen einer Tochtergesellschaft Kommt es zu keiner Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung, spricht man vom klassischen Körperschaftsteuersystem: Die Gewinne einer Körperschaft werden auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene voll besteuert.1008 Auch für Tochtergesellschaften besteht im Ausgangspunkt ein zweifacher Ansatz zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbelastung.1009 Dies zeigt sich insbesondere in Art. 4 Abs. 1 der Mutter-Tochter-Richtlinie, der im ersten Spiegelstrich eine Freistellung der Dividenden im Sitzstaat der Muttergesellschaft anordnet. Alternativ besteht nach Art. 4 Abs. 1 2. Spiegelstrich die Möglichkeit zur Anrechnung der Steuerschuld der Tochtergesellschaft auf die Steuerbelastung der Dividenden.1010 Wie im Fall der Betriebsstätte kann die (wirtschaftliche) Doppelbesteuerung im grenzüberschreitenden Konzern also durch Nichtbesteuerung der Dividenden oder durch Anrechnung der von der Tochtergesellschaft geschuldeten Steuer auf die Steuerschuld der Muttergesellschaft vermieden werden. In Deutschland sind die Dividenden nach § 8b Abs. 1 KStG von der Besteuerung ausgenommen, wenn Anteilseigner eine Kapitalgesellschaft ist. Für beide Sekundärniederlassungsformen einer Kapitalgesellschaft gilt damit unter der üblicherweise in deutschen Doppelbesteuerungsabkommen vereinbarten Freistellungsmethode, dass der Gewinn einmal abschließend im Quellenstaat besteuert wird.1011 Ist der Wirtschaftsteilnehmer allerdings ein Einzelunternehmer oder eine Personengesellschaft, kann er im deutschen Recht durch die Wahl der ________________________

1008 1009 1010 1011

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income – A review and re-evalutation of arguments (Part I), Intertax 1988, S. 216 ff.; Vogel, Worldwide vs. source taxation of income – A review and reevalutation of arguments (Part II), Intertax 1988, S. 310 ff.; Vogel, Worldwide vs. source taxation of income – A review and re-evalutation of arguments (Part III), Intertax 1988, S. 393 ff.; Vogel, Harmonisierung des Internationalen Steuerrechts in Europa als Alternative zur Harmonisierung des (materiellen) Körperschaftsteuerrechts, StuW 1993, S. 380 ff.; vgl. auch Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung zwischen Steuerwettbewerb und Europäischen Grundfreiheiten, StuW 2005, S. 158 ff. Siehe Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 86 ff. Vgl. Hermann, Das europäische Schachtelprivileg, Die Aktiengesellschaft 1971, S. 38 ff. Siehe zur genauen Ausgestaltung und zur Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 155 ff. Siehe allerdings § 8b Abs. 5 KStG, der, wenngleich tatsächlich eine Einschränkung der Steuerfreiheit der Dividenden angeordnet wird, dogmatisch auf Ebene des Abzugs des korrespondierenden Aufwands relevant wird.

Vermeidung von Doppelbesteuerung

Rechtsform zwischen den Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung wählen: Entscheidet er sich für eine Betriebsstätte, gilt (in der Regel) die Freistellungsmethode; die Dividenden einer Tochtergesellschaft hingegen werden nach dem Halbeinkünfteverfahren besteuert. Das Halbeinkünfteverfahren ist in den Kategorien zur Vermeidung der Doppelbelastung zwischen Freistellung und Anrechnung zu verorten: Es handelt sich um ein sog. Shareholder-Relief-Verfahren, das die im klassischen System hingenommene wirtschaftliche Doppelbesteuerung nur teilweise vermeidet, indem die Dividenden nur zum Teil der Besteuerung auf Anteilseignerebene unterworfen werden. Im grenzüberschreitenden Kontext realisiert es allerdings eher wie das Anrechnungsverfahren Kapitalexportneutralität, da über die endgültige Belastung der Gewinne erst im Ansässigkeitsstaat entschieden wird.1012 3. Schlussfolgerung Die Methoden zur Vermeidung einer juristischen Doppelbesteuerung bei Betriebsstätten und einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung bei Tochtergesellschaften unterscheiden sich insoweit, als sich das Problem der juristischen Doppelbesteuerung nur im internationalen Kontext stellt, weil es um den Zugriff zweier Staaten auf dieselbe Person geht. Die wirtschaftliche Doppelbesteuerung ist hingegen auch innerstaatlich bei Ausschüttung der Gewinne einer Körperschaft relevant. Daher sind die Regelungen zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung zum Teil, insbesondere das Anrechnungsverfahren, nicht auf die zusätzlichen Probleme im grenzüberschreitenden Fall ausgerichtet, soweit nur eine Anrechnung für die Körperschaftsteuer inländischer Tochtergesellschaften gewährt wird.1013 In der Sache liegt aber im hier relevanten Bereich grenzüberschreitender Niederlassungsvorgänge ein strukturell einheitliches Problem vor: Niederlassungssubjekt und Niederlassungsobjekt sind Anknüpfungspunkt für die Besteuerung des Staates, in dem sie sich befinden. Die doppelte Belastung desselben Gewinns muss zur Vermeidung allokativer Fehlanreize verhindert werden. Der EuGH hat festgestellt, dass der zivilrechtliche Umstand, dass der Gewinn im Fall der Tochtergesellschaft durch eine „förmliche Entscheidung“ ________________________ 1012 Siehe zu dieser Wahlmöglichkeit zwischen Kapitalimportneutralität und Kapitalexportneutralität kritisch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 27 f. 1013 Siehe zur Europarechtswidrigkeit des früheren deutschen Anrechnungssystems aus diesem Grund EuGH-Urteil vom 6.3.2007 – Rs. C-292/04 („Meilicke“), EuGHE 2007, I-1835; siehe bereits 1993 zur Kompabilität des Anrechnungsverfahrens mit den Anforderungen des Europäischen Binnenmarkts grundlegend Grotherr, Die Eignung des körperschaftsteuerlichen Vollanrechnungssystems als Modell für den Europäischen Binnenmarkt unter internationalem Blickwinkel, IStR 1993, S. 1 ff.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

der Muttergesellschaft zur Verfügung gestellt wird, hingegen bei der Betriebsstätte unmittelbar Zugriff besteht, kein beachtlicher Unterschied ist.1014 Diese Wertung des EuGH entspricht der ökonomischen Realität: Kern der Unterscheidung zwischen juristischer und wirtschaftlicher Doppelbelastung ist die Verteilung des Besteuerungszugriffs auf ein bzw. zwei Steuerpflichtige, also das Transparenzprinzip auf der einen und das Trennungsprinzip auf der anderen. In der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre wird diese Unterscheidung in Frage gestellt, weil es ohne Bedeutung sei, wer rechtlich Steuerschuldner sei. Entscheidend sei allein, dass dasselbe Besteuerungsgut einer zweifachen oder mehrfachen Besteuerung unterliegt.1015 Folglich sind auch juristische Doppelbesteuerung und wirtschaftliche Doppelbelastung ökonomisch gleich zu bewerten. Die strukturelle Vergleichbarkeit von juristischer und wirtschaftlicher Doppelbesteuerung zeigt sich auch, wenn man die Belastung mit Körperschaftsteuer im Anrechnungssystem als Vorauszahlung auf die persönliche Steuerschuld des Anteilseigners betrachtet.1016 Denn auch im Fall der Anrechnungsmethode für Betriebsstättengewinne kann die Steuerlast im Quellenstaat als „Anzahlung“ auf die endgültige Steuerlast im Ansässigkeitsstaat aufgefasst werden.1017 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung stellt sich demnach die Frage, ob es zulässig ist, zwischen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften insoweit zu differenzieren, als beispielsweise im Fall der Betriebsstätte die Anrechnungsmethode gewählt wird, obwohl für Tochtergesellschaften die Rechtslage im Binnenmarkt durch Freistellung der Dividenden und Veräußerungsgewinne der Freistellungsmethode entspricht. Diese Differenzierung könnte deshalb problematisch sein, weil die Anrechnungsmethode für den Steuerpflichtigen mit Nachteilen verbunden sein kann.1018 Namentlich ________________________

1014 EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831, Rn. 23. 1015 Siehe Scheffler, Besteuerung der grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit, 2002, S. 9. 1016 Vgl. Cordewener, Körperschaftsteueranrechnung für Gebietsfremde versus Kapitalverkehrsfreiheit – Zum Gutachten des EFTA-Gerichtshofs in Sachen Fokus Bank ASA, FR 2005, S. 345 ff., 355 f. 1017 Auch Generalanwalt Mengozzi, Schlussantrag vom 29.3.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451, Rn. 5 geht von einer strukturellen Vergleichbarkeit von juristischer und wirtschaftlicher Doppelbesteuerung aus. 1018 Ob im Binnenmarkt die Vermeidung von Doppelbesteuerung durch Freistellungsoder Anrechnungsmethode zu erfolgen hat, welchen Raum für die Anrechnungsmethode die Rechtsprechung des EuGH lässt und insbesondere ob Kapitalimportoder Kapitalexportneutralität dem Ziel effizienter Allokation der Produktionsfaktoren zu dienen geeignet ist, gehört zu den meist umstrittenen Fragen des Europäischen Steuerrechts. Vgl. dazu nur Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und

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Vermeidung von Doppelbesteuerung

kann dem Wirtschaftsteilnehmer die Möglichkeit genommen werden, durch Begründung einer Sekundärniederlassung im Ausland in den Genuss eines geringeren Steuerniveaus zu gelangen, weil durch den Heraufschleusungseffekt der Anrechnungsmethode dieser Vorteil nivelliert wird. Im Folgenden ist daher zu untersuchen, ob die Rechtsformwahlfreiheit gebietet, die Vermeidung der Doppelbesteuerung im Gleichlauf mit der Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung vorzunehmen.

II. Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit auf die Wahl der Methoden zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung Die konkrete Frage nach der Wahl der gleichen Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Gewinns einer Sekundärniederlassung wurde wissenschaftlich bislang, soweit ersichtlich, nicht betrachtet. Diskutiert wird aber die Vereinbarkeit sog. „Switch-over“-Klauseln, die einen Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode vorsehen, mit der Niederlassungsfreiheit. Daher wird eingangs auf diese vergleichbare Problematik eingegangen. Im Anschluss daran wird die Frage untersucht, ob sich die Vermeidungsmethoden zueinander neutral verhalten, oder ob aus der Wahl der einen statt der anderen Methode eine Beschränkung der Grundfreiheiten resultieren kann. Eine Differenzierung zwischen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften bei Wahl der Vermeidungsmethode ist dabei nicht schon deshalb mit der Rechtsformwahlfreiheit vereinbar, weil Art. 4 Abs. 1 Mutter-Tochter-Richtlinie, wie Art. 23 OECD-Musterabkommen, den Mitgliedstaaten die freie Wahl der Vermeidungsmethoden lässt, da der EuGH zu Recht entschieden hat, dass die Ausübung sekundärrechtlicher Wahlrechte unter Wahrung des Primärrechts zu erfolgen hat.1019 Daher kann die Wahl zwischen den Vermeidungsmethoden nicht in diskriminierender oder beschränkender Weise ausgeübt werden. 1. Beschränkung durch „Switch-over“-Klauseln Das Verhältnis von Freistellungs- und Anrechnungsmethode wird insbesondere im Hinblick auf die Zulässigkeit von sog. „Switch-over“-Klauseln ________________________ Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 175 ff. m. w. N.; Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung zwischen Steuerwettbewerb und Europäischen Grundfreiheiten, StuW 2005, S. 158 ff.; grundlegend dazu kürzlich auch Shaheen, International Tax Neutrality: Reconsiderations, Virginia Tax Review 2007, S. 203 ff. 1019 Zuletzt EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-471/04 („Keller Holding“), EuGHE 2006, I-2107, Rn. 45; kritisch Forsthoff, Die eigenständige Bedeutung des sekundären Gemeinschaftsrechts, IStR 2006, S. 698 ff.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

diskutiert. Diese sehen, wie beispielsweise § 20 Abs. 2 AStG, für Betriebsstätten in sog. Niedrigsteuerländern einen unilateralen Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode vor. Vor dem Hintergrund eines vermeintlichen Meistbegünstigungsgrundsatzes wird vertreten, dass der Wechsel von einer im Doppelbesteuerungsabkommen vorgesehenen Freistellungsmethode zur Anrechnungsmethode im Fall sog. passiver Einkünfte gegen EG-Recht verstoße.1020 Eine solche „Switch-over“-Klausel (§ 20 Abs. 2 und 3 AStG)1021 war Gegenstand einer aktuellen Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „Columbus Container“.1022 § 20 Abs. 2 AStG sieht eine Anwendung des Anrechnungsverfahrens vor, wenn ausländische Betriebsstätteneinkünfte, wären sie durch eine Tochtergesellschaft erzielt worden, als Zwischeneinkünfte steuerpflichtig wären. Dies war zum maßgeblichen Zeitpunkt bei Einkünften mit „Kapitalanlagecharakter“ i. S. v. § 10 Abs. 6 Satz 2 AStG der Fall, wenn sie einem niedrigen Steuersatz i. S. v. § 8 Abs. 3 AStG (30 %) unterfielen und nicht aus einer „aktiven“ Tätigkeit resultierten. Der Gesetzgeber wollte folglich verhindern, dass Steuerpflichtige durch Zwischengesellschaften (Tochtergesellschaften) oder Betriebsstätten mit Freistellung ausländische Gewinne abgeschirmt in Niedrigsteuerländern versteuerten. Zudem sollte eine Gleichstellung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften erreicht werden.1023 Unter den Voraussetzungen der „Switch-over“Klausel sollte daher eine „Nachversteuerung“ nach deutschem Recht unter Anrechnung der ausländischen Steuer erfolgen. Das Gleiche galt nach § 20 Abs. 3 AStG für ausländisches Vermögen.1024 Ausgangspunkt der Untersuchung des Generalanwalts Mengozzi ist die Feststellung, dass den Mitgliedstaaten grundsätzlich die freie Wahl der Methode ________________________ 1020 Vgl. Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2006, S. 358; explizit für die Annahme einer „Diskriminierung bzw. Beschränkung“, wenn die Vermeidungsmethode für die gleiche Einkunftsart aus verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich gewählt wird Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 237 f. 1021 § 20 Abs. 3 AStG, der sich auf die Vermögensteuerpflicht bezog, wurde zwischenzeitlich aufgehoben. 1022 Generalanwalt Mengozzi, Schlussantrag vom 29.3.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451; kritisch dazu Franck, § 20 Abs. 2 AStG auf dem Prüfstand der Grundfreiheiten – Anmerkung zu den Schlussanträgen des Generalanwalts Mengozzi in der Rechtssache C-298/06 (Columbus), EuGHE 2007, I-10451. 1023 Generalanwalt Mengozzi, Schlussantrag vom 29.3.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451, Rn. 35. 1024 § 20 Abs. 3 AStG ist mangels Vermögensteuerpflicht abgeschafft.

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Vermeidung von Doppelbesteuerung

zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bleibe.1025 Beide durch das OECDMusterabkommen und durch die Mutter-Tochter-Richtlinie offerierten Methoden seien europarechtlich zulässig. Für die Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung ist nach Auffassung des EuGH in der Rechtssache „FII“ sogar eine Differenzierung zwischen inländischen und ausländischen Dividenden möglich: Die Anwendung der Dividenden-Freistellungsmethode im Inlandsfall und die Anwendung der Anrechnungsmethode im grenzüberschreitenden Fall sei nicht zu beanstanden, wenn beide Dividenden in Deutschland im Ergebnis der gleichen steuerlichen Belastung unterliegen.1026 Dies wird in der Regel der Fall sein: Die Formulierung des EuGH kann sich nicht technisch auf die „Dividenden“ beziehen, weil sie dann für den Fall einer Freistellung der Dividenden keinen Sinn machen würde, da auf diese selbst gerade keine Steuer erhoben wird.1027 Vielmehr dürfte damit für den Inlandsfall die Besteuerung der inländischen Tochtergesellschaft zum normalen Körperschaftsteuersatz gemeint sein. Diese Belastung entspricht der Belastung der Gewinne, die an eine inländische Muttergesellschaft durch ihre ausländische Tochtergesellschaft ausgeschüttet werden, mit der inländischen Körperschaftsteuer, auf die die im Ausland von der ausländischen Tochtergesellschaft geleistete Körperschaftsteuer bis zur Höhe der inländischen Steuer angerechnet wird. Im Ergebnis macht der EuGH damit eine wichtige Einschränkung für die Anwendung unterschiedlicher Vermeidungsmethoden im grenzüberschreitenden und im inländischen Sachverhalt: In beiden Fällen muss die Belastung auf Ebene der Mutter- und Tochtergesellschaft zusammen gleich sein.1028 Generalanwalt Mengozzi schließt sich dem an und sieht in der Anwendung der Freistellungsmethode im Inlandssachverhalt und der Anrechnungsmethode im grenzüberschreitenden Sachverhalt als Folge der „Switch-over“-Klausel unter diesen Voraussetzungen keine Diskriminierung.1029 ________________________ 1025 Generalanwalt Mengozzi, Schlussantrag vom 29.3.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451, Rn. 85. 1026 EuGH-Urteil vom 12.12.2006 – Rs. C-446/04 („Test Claimants in the FII Group Litigation“), EuGHE 2006, I-11753, Rn. 47 ff.; so auch Generalanwalt Mengozzi, Schlussantrag vom 29.3.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451. 1027 Das allerdings vermutet tatsächlich Rainer, Columbus Container: EG-Rechtswidrigkeit von § 20 Abs. 2 AStG – Anmerkung zum Schlussantrag vom 29.3.2007 – C-298/05 (Columbus Container), IStR 2007, S. 299 ff. 1028 Eventuelle Anrechnungsüberhänge infolge eines höheren Steuerniveaus im Ausland sind hier außer Betracht gelassen. 1029 Generalanwalt Mengozzi, Schlussantrag vom 29.3.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451, Rn. 107.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

Zu einem anderen Ergebnis kommt der Generalanwalt allerdings bei dem Vergleich zweier grenzüberschreitender Sachverhalte: Im Vergleich zur Vereinbarung der Freistellungsmethode durch Doppelbesteuerungsabkommen führe der unilaterale Wechsel zur Anrechnungsmethode zu einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. Die Analyse des Generalanwalts zur Regelung des „Switch-over“ nach § 20 Abs. 2 AStG basiert auf der zutreffenden Feststellung, dass die Anrechnungsmethode eine Heraufschleusung des Steuerniveaus des Quellenstaats bewirkt. Die Vorteile eines niedrigen ausländischen Steuerniveaus werden dadurch „neutralisiert“.1030 Der EuGH ist dieser Einschätzung nicht gefolgt.1031 Die Vertreter der deutschen Regierung hatten zur Verteidigung der Regelung eingewendet, dass keine Benachteiligung durch den Wechsel von der einen zur anderen Vermeidungsmethode eintreten könne, weil beide Methoden ihrem Zweck gemäß eine Doppelbesteuerung der ausländischen Einkünfte verhinderten.1032 Diesem Einwand trat der Generalanwalt mit dem Hinweis entgegen, dass Steuerpflichtige gleichwohl in der Wahl ihres Niederlassungsortes beeinflusst würden, wenn in dem einen Fall eine „Heraufschleusung“ auf das deutsche Niveau drohe und im anderen Fall nicht. Da dies, anders als bei Vereinbarungen in Doppelbesteuerungsabkommen, eine einseitige Maßnahme sei, läge eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vor.1033 Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass jedenfalls nach Auffassung der Literatur und des Generalanwalts Mengozzi die Anwendung der Anrechnungsmethode statt der Freistellungsmethode zu einer Beschränkung führen kann, wenn und weil sie zu einer vergleichsweise höheren Steuerbelastung des grenzüberschreitenden Sachverhalts führt. Auch die Argumentation des EuGH in der Rechtssache „FII“ lässt auf diese Auffassung schließen, da der EuGH die Annahme eines neutralen Verhältnisses auf die Fälle beschränkt,

________________________ 1030 Generalanwalt Mengozzi, Schlussantrag vom 29.3.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451, Rn. 131. 1031 Siehe EuGH-Urteil vom 6.12.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451, Rn. 51, dessen Ausführungen zur Ablehnung einer Beschränkung nicht überzeugen, da sie an der Kernfrage, ob eine unilaterale Differenzierung zwischen zwei Niederlassungsorten eine Beschränkung ist, vorbeigehen; vgl. dazu ausführlich bereits 3. Teil; B; III; 3; b; bb. 1032 Vgl. Generalanwalt Mengozzi, Schlussantrag vom 29.3.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451, Rn. 147. 1033 Vgl. Generalanwalt Mengozzi, Schlussantrag vom 29.3.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451, Rn. 148 f.

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Vermeidung von Doppelbesteuerung

in denen aus Sicht des Ansässigkeitsstaates beide Methoden zur gleichen Steuerbelastung führen.1034 Im Folgenden sind diese Annahmen genauer zu betrachten, um die Frage beantworten zu können, ob eine Differenzierung bei Wahl der Vermeidungsmethoden zwischen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften mit der Rechtsformwahlfreiheit vereinbar ist. 2. Relative Beschränkung durch die Anrechnungsmethode Aus Sicht des Wirtschaftsteilnehmers ist zunächst nicht von der Hand zu weisen, dass die Anrechnungsmethode gegenüber der Freistellungsmethode den Nachteil einer „Heraufschleusung“ hat und die Möglichkeit, ein niedrigeres Steuerniveau im Quellenstaat zu nutzen, verbaut wird. Zugleich ist ebenso wenig von der Hand zu weisen, dass beide Vermeidungsmethoden im Hinblick auf ihre Zweckrichtung, die Vermeidung einer (juristischen oder wirtschaftlichen) Doppelbesteuerung, neutral sind, da sie diesen Zweck jeweils erfüllen. Der Nachteil aus Sicht des Steuerpflichtigen resultiert (nur) daraus, dass er im Fall der Anrechnung dem Steuerniveau seines Ansässigkeitsstaats unterliegt, während er, wie bereits dargestellt, im Fall der Freistellung in den Genuss eines niedrigeren Niveaus im Quellenstaat gelangen kann. Für die Frage, ob es mit der Rechtsformwahlfreiheit vereinbar ist, wenn bei der einen Niederlassungsform eine Freistellung der Quelleneinkünfte und bei der anderen eine Anrechnung der Quellensteuer gewählt wird, lassen sich damit zwei Positionen einnehmen. Einerseits könnte man diese Frage als außerhalb der Reichweite der Grundfreiheiten liegend bezeichnen: Wenn die Wahl einer Vermeidungsmethode allein den relativen Nachteil hat, dass die Gewinne auf dem Niveau des Ansässigkeitsstaats statt auf dem des Quellenstaats besteuert werden, muss dieses in einem föderalen Binnenmarkt, der die Besteuerungshoheiten der Mitgliedstaaten wahrt, akzeptiert werden. Der Steuerpflichtige hat keinen Anspruch auf ein bestimmtes Steuerniveau1035; er hat ferner keinen Anspruch auf Nivellierung der Divergenzen der Steuerrechtsordnungen1036 und

________________________ 1034 EuGH-Urteil vom 12.12.2006 – Rs. C-446/04 („Test Claimants in the FII Group Litigation“), EuGHE 2006, I-11753. 1035 Vgl. zum Konzept eines föderalen Binnenmarkts 3. Teil; A; II; 3. 1036 Vgl. zur Herausnahme von Disparitäten aus dem Beschränkungstatbestand 3. Teil; B; IV; 3; c.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

grundsätzlich wird die Anrechnungsmethode überwiegend als grundsätzlich mit den Grundfreiheiten vereinbar akzeptiert.1037 Andererseits könnte man allein auf den Vergleich der Niederlassungsformen abstellen: Die Entscheidung zwischen den Rechtsformen wird faktisch beeinflusst, wenn die eine im Ergebnis höher besteuert wird als die andere, weil neben die Steuer im Quellenstaat noch (unter Anrechnung dieser) die Steuer des Ansässigkeitsstaats tritt. Da für beide Rechtsformen vergleichbare Entlastungsmechanismen bestehen, kann die zivilrechtliche Unterschiedlichkeit nicht als Differenzierungsgrund herhalten. Ebenso wie die Wahl zwischen zwei Mitgliedstaaten unilateral beeinflusst wird, wenn in Abhängigkeit vom Steuersatz nur in einem Fall die Freistellungs- durch die Anrechnungsmethode ersetzt wird, wie in „Columbus Container“ vor dem EuGH angegriffen, so wird die Wahl zwischen den Sekundärniederlassungsformen beeinflusst, wenn nur bei einer Niederlassungsform die Anrechnungsmethode gewählt wird. Dies gilt nur dann nicht, wenn das Besteuerungsniveau des Quellenstaats, gleiches Niveau für Betriebsstätten und Tochtergesellschaften unterstellt, über dem des Ansässigkeitsstaates liegt: In diesem Fall erfolgt bei beiden Rechtsformen keine „Heraufschleusung“ im Ansässigkeitsstaat. Nach hier vertretener Auffassung folgt aus der Rechtsformwahlfreiheit, dass die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch den Ansässigkeitsstaat durch die gleiche Methode zu erfolgen hat.1038 Beide Methoden sind aus der maßgeblichen Sicht des Wirtschaftsteilnehmers nicht neutral, sondern die Anrechnungsmethode führt bei einem im Vergleich zum Ansässigkeitsstaat niedrigeren Steuerniveau im Quellenstaat stets zu einer insgesamt höheren Besteuerung. Dem Umstand allein, dass beide Vermeidungsmethoden die Doppelbesteuerung im Grundsatz gleichermaßen vermeiden, kann daher kein Gewicht zugewiesen werden. Die unterschiedliche Besteuerung ist auch nicht bloße Folge der fortbestehenden und zu akzeptierenden Dispari________________________ 1037 Schön, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, DB 2001, S. 940 ff., 945 f.; kritisch Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 176 ff.; vgl. Vogel, Die Besteuerung von Auslandseinkünften, DStJG 8 (1985), S. 26 ff.; Gandenberger, Der Einfluß der Einkommen- und Körperschaftsteuer auf die internationalen Wirtschaftsströme, DStJG 8 (1985), S. 44 ff. 1038 Auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 238 nimmt eine Beschränkung an, wenn ein Mitgliedstaat hinsichtlich einer Einkunftsart zwischen zwei Staaten differenziert. Ebenso Tumpel, Europarechtliche Besteuerungsmaßstäbe für die grenzüberschreitende Organisation und Finanzierung von Unternehmen, DStJG 23 (2000), S. 321 ff., 348; siehe Lang, Kapitalverkehrsfreiheit und Doppelbesteuerungsabkommen, in: Lechner/Staringer/Tumpel (Hrsg), Kapitalverkehrsfreiheit und Steuerrecht, 2000, S. 181 ff., 195 f.

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Vermeidung von Doppelbesteuerung

täten im Binnenmarkt: Zwar kann der Wirtschaftsteilnehmer in der Tat nicht verlangen, dass die Besteuerung einem konkreten Staat zwischenstaatlich zugewiesen wird. Auch kann er nicht verlangen, dass bei Zuweisung zu einem Staat nur dieser besteuert. Er kann vielleicht nicht einmal verlangen, dass die Gewinne von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften gleichermaßen zwischenstaatlich alloziert werden.1039 Bei einer unterschiedlichen Wahl der Vermeidungsmethode durch den Ansässigkeitsstaat liegt aber die gleiche zwischenstaatliche Allokation zum Quellenstaat vor: Dieser besteuert das Betriebsstättenergebnis und die Tochtergesellschaft. Es geht allein darum, ob daneben auch der Ansässigkeitsstaat noch besteuert. Diese Zusatzbelastung kann absolut gesehen nicht beanstandet werden.1040 Relativ gesehen verstößt sie aber gegen das Gebot der Gleichbehandlung der Rechtsformen, da die zivilrechtlichen Unterschiede für diese Differenzierung sachlich ohne Belang sind. 3. Unzulässigkeit des „klassischen Systems“ und von „ShareholderRelief-Systemen“ Aus der voranstehenden Argumentation für ein Gebot der gleichartigen Vermeidung von juristischer und wirtschaftlicher Doppelbesteuerung folgt zwingend zugleich, dass Systeme zur Verringerung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung oder das klassische System, also Systeme, die nicht einmal eine vollständige Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung erreichen, nicht mit der Rechtsformwahlfreiheit vereinbar sind: In solchen Fällen liegt erst recht eine Schlechterstellung einer Niederlassungsform, der Tochtergesellschaft, vor, deren Gewinn nicht nur (ggf.) höher, sondern insbesondere (teilweise) doppelt besteuert wird.1041 ________________________

1039 Dagegen allerdings die hier vertretene Auffassung vgl. 5. Teil; B; III; 1; a. 1040 Nur wenige vertreten, dass die Anrechnungsmethode im Binnenmarkt europarechtlich nicht zulässig ist, vielfach wird sie aber als für den Binnenmarkt inadäquat eingestuft. Vgl. ausführlich zu dieser Diskussion Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 18 ff.; kritisch Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 176 ff.; vgl. Vogel, Die Besteuerung von Auslandseinkünften, DStJG 8 (1985), S. 26 ff.; Gandenberger, Der Einfluß der Einkommen- und Körperschaftsteuer auf die internationalen Wirtschaftsströme, DStJG 8 (1985), S. 44 ff. 1041 So auch ausdrücklich und aus gleichen Gründen Herzig, Körperschaftsteuersystem und Europäischer Binnenmarkt, in: Schön (Hrsg), Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, 1997, S. 627 ff., 633 f.; Tumpel, Harmonisierung der direkten Unternehmensbesteuerung in der EU, 1994, S. 269 ff.; kritisch auch Hey, Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in Europa, 1997, S. 272 ff., allerdings mit der zutreffenden Einschränkung, dass es genau betrachtet nicht das klassische System als solches ist, das zu einem Verstoß gegen das Gebot der Rechtsformneutralität führt, sondern die Divergenz zur Rechtslage bei Betriebsstätten, für die allerdings der Übergang zu einem klassischen System nicht naheliegend ist.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

Die Differenzierung im deutschen Recht für Einzelunternehmen und Personengesellschaften mit einer ausländischen Betriebsstätte oder Tochtergesellschaft zwischen Freistellung der Betriebsstättengewinne auf der einen und Teileinkünfteverfahren auf der anderen Seite ist daher nach hier vertretener Auffassung mit der Rechtsformwahlfreiheit nicht zu vereinbaren. 4. Zwischenergebnis Im Ergebnis verlangt die Rechtsformwahlfreiheit daher, dass die Doppelbesteuerung von Gewinnen einer Betriebsstätte und einer Tochtergesellschaft nach der gleichen Methode vorgenommen wird, da die juristische und wirtschaftliche Doppelbesteuerung strukturell vergleichbar eine doppelte Belastung des ökonomisch gleichen Gewinns der Sekundärniederlassung bezeichnen und sich die beiden Methoden zur Vermeidung der juristischen und wirtschaftlichen Doppelbesteuerung nicht neutral zueinander verhalten. Allerdings ist aus Sicht des Wirtschaftsteilnehmers die Anrechnungsmethode in der Regel nachteilig, sodass es bei unterschiedlicher Wahl der Vermeidungsmethode zu einer Ungleichbehandlung beider Niederlassungsformen kommt, die ohne Bezug zur zivilrechtlichen Unterschiedlichkeit ist.

F. Gewinnbesteuerung Besonders augenscheinlich wird eine Ungleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften bei Anwendung unterschiedlicher Steuersätze durch den Quellenstaat. Zu einer Anwendung unterschiedlicher Steuersätze kann es insbesondere dann kommen, wenn ein Mitgliedstaat Wirtschaftsteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten, die mit einer Betriebsstätte beschränkt steuerpflichtig sind, einem eigenen Betriebsstättensteuersatz (ggf. mit abgeltender Wirkung) unterwirft. Dies war die Konstellation in der eingangs ausführlich besprochenen Rechtssache „CLT-UFA“, bei der nach deutschem Recht eine Betriebsstätte einer ausländischen Körperschaft einem eigenen Steuersatz unterfiel und nicht in den Genuss des niedrigeren Ausschüttungssteuersatzes kam, der nur unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaften, insbesondere auch Tochtergesellschaften, offenstand.1042 Nach aktueller Rechtslage bestehen, wie sogleich einleitend näher ausgeführt wird, für Sekundärniederlassungen eines Einzelunternehmens oder einer Personengesellschaft erhebliche Unterschiede in der Gewinnbesteuerung, je nachdem, welche Rechtsform die Sekundärniederlassung hat. Bei Sekundär________________________ 1042 Siehe zu dieser Entscheidung (EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-253/03 („CLTUFA“), EuGHE 2006, I-1831) bereits eingehend 2. Teil; A; V; vgl. zur Bedeutung für die Frage, ob es überhaupt einen eigenständigen Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit gibt, 2. Teil; A; V.

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Gewinnbesteuerung

niederlassungen von Körperschaften gibt es keine Unterschiede mehr. Anknüpfend an die einleitende Darstellung der Gewinnbesteuerung für Betriebsstätten und Tochtergesellschaften von Körperschaften auf der einen und Einzelunternehmen bzw. Personengesellschaften auf der anderen Seite wird anschließend die Auswirkung der Rechtsformwahlfreiheit auf die Gewinnbesteuerung analysiert.

I. Gewinnbesteuerung bei Betriebsstätten Wegen der Transparenz der Betriebsstätte ist für die beschränkte Steuerpflicht eines ausländischen Wirtschaftsteilnehmers nach der Rechtsform des Einheitsunternehmens zu unterscheiden. 1. Ausländische Körperschaft als Niederlassungssubjekt Erzielt eine ausländische Kapitalgesellschaft über eine Betriebsstätte in Deutschland Einkünfte, ist sie mit dieser gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2a EStG i. V. m. § 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1 KStG beschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Der Steuersatz beträgt nach § 23 Abs. 1 KStG n. F. 15 % zzgl. Solidaritätszuschlag. Zusätzlich ist der Gewinn der Betriebsstätte grundsätzlich gewerbesteuerpflichtig nach § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG.1043 Im Ansässigkeitsstaat der ausländischen Kapitalgesellschaft wird die Quellensteuer entweder angerechnet oder die Betriebsstätteneinkünfte werden freigestellt (Art. 23A und Art. 23B OECD-Musterabkommen). 2. Ausländisches Einzelunternehmen oder ausländische Personengesellschaft als Niederlassungssubjekt Mit einer Betriebsstätte in Deutschland gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2a EStG i. V. m. § 1 Abs. 4 EStG beschränkt einkommensteuerpflichtige Einzelunternehmen und Personengesellschaften1044 unterliegen gemäß § 50 Abs. 3 Satz 1 EStG i. V. m. § 32a Abs. 1 EStG dem normalen progressiven Tarif. Es besteht ein Mindeststeuersatz von 25 % gemäß § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG, der allerdings bei EU-Staatsangehörigen bzw. EU-Ansässigen nicht zur Anwendung gelangt, wenn der progressive Tarif günstiger ist.1045 § 34a EStG n. F. sieht die Möglichkeit einer Begünstigung nicht-entnommener Gewinne vor, indem auf Antrag ein ermäßigter starrer Einkommensteuersatz von 28,25 % ________________________ 1043 Zur nahezu gleichgewichtigen Bedeutung der Gewerbesteuer nach der Unternehmensteuerreform 2008 vgl. Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, DStR Beihefter zu Heft 40 2007, S. 2 ff. 1044 Genau genommen der Gesellschafter der Personengesellschaften. 1045 Siehe dazu BMF-Schreiben vom 10.9.2004, IV A 5 – S 2301 – 10/04, BStBl. 2004 I, S. 860.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

zzgl. Solidaritätszuschlag zur Anwendung kommt. Bei Entnahme werden die entnommenen Gewinne zu einem Steuersatz von 25 % nachversteuert.1046 Neben die Einkommensteuer tritt auch insoweit die Gewerbesteuer gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG zzgl. Solidaritätszuschlag. Die Gewerbesteuer wird im Rahmen der Einkommensteuer nach Maßgabe von § 35 EStG angerechnet. Im Ansässigkeitsstaat des ausländischen Einzelunternehmens oder der ausländischen Personengesellschaft wird die Quellensteuer entweder angerechnet oder die Betriebsstätteneinkünfte werden freigestellt (Art. 23A und Art. 23B OECD-Musterabkommen).

II. Gewinnbesteuerung bei Tochtergesellschaften 1. Ausländische Körperschaft als Niederlassungssubjekt Eine inländische Tochtergesellschaft einer ausländischen Körperschaft wird im Inland ebenfalls mit 15 % gemäß § 23 Abs. 1 KStG n. F. zzgl. Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG) besteuert. Aus § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG i. V. m. § 2 Abs. 1, § 8 Abs. 1 KStG folgt, dass eine ausländische Muttergesellschaft mit den ausgeschütteten Dividendengewinnen beschränkt steuerpflichtig ist. Nach § 8b Abs. 1 KStG sind auch bei beschränkt Steuerpflichtigen Dividendeneinkünfte steuerfrei. Allerdings wird dennoch im Grundsatz gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 43 Abs. 1 Satz 3 EStG Kapitalertragsteuer erhoben, die allerdings auf Antrag im Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie nach § 43b EStG nicht erhoben wird. Die Freistellung wird verfahrensrechtlich durch § 50d Abs. 2 EStG abgesichert. Im Ergebnis ist daher keine Quellensteuererhebung bei Mutterkapitalgesellschaften möglich. Nach Maßgabe von Art. 4 Abs. 1 der Mutter-Tochter-Richtlinie entlastet der Sitzstaat der Muttergesellschaft die ausgeschütteten Gewinne durch Freistellung oder Anrechnung. 2. Ausländisches Einzelunternehmen oder ausländische Personengesellschaft als Niederlassungssubjekt Die Tochtergesellschaft eines Einzelunternehmens oder einer Personengesellschaft wird im Inland ebenfalls mit 15 % gemäß § 23 Abs. 1 KStG n. F. zzgl. Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG) besteuert. ________________________ 1046 Zu den Einzelheiten der Unternehmensteuerreform 2008 siehe ausführlich Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, DStR Beihefter zu Heft 40 2007, S. 2 ff.

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Gewinnbesteuerung

Aus § 49 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 1 Abs. 4 EStG folgt, dass ausländische Einzelunternehmen und ausländische Personengesellschaften mit den ausgeschütteten Dividendengewinnen beschränkt steuerpflichtig sind. Nach § 3 Nr. 40 d) i. V. m. § 3 Nr. 40 Satz 2, § 20 Abs. 8 EStG gilt insoweit an sich das Teileinkünfteverfahren. Allerdings wird gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 43 Abs. 1 Satz 3 EStG eine Kapitalertragsteuer mit abgeltender Wirkung (§ 50 Abs. 5 Satz 1 EStG) ohne Rücksicht auf die teilweise Steuerfreiheit erhoben. Der Steuersatz beträgt gemäß § 43a Abs. 1 EStG 20 % bzw. 25 %, je nachdem, wer Schuldner der Steuer ist. Die Befreiung von der Kapitalertragsteuer gemäß § 43b EStG gilt für ausländische Einzelunternehmen und Personengesellschaften nicht. Es besteht lediglich die Möglichkeit, bei durch Doppelbesteuerungsabkommen reduzierten Quellensteuern (vgl. Art. 10 Abs. 2 OECD-Musterabkommen) die zu viel geleistete Kapitalertragsteuer gemäß § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG erstattet zu bekommen. Für die zusätzliche Belastung bzw. Entlastung auf Ebene des Mutterhauses existiert keine Art. 4 Abs. 1 der Mutter-Tochter-Richtlinie vergleichbare Norm.

III. Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit auf die Gewinnbesteuerung Wie dargestellt, besteht im Hinblick auf ausländische Körperschaften als Niederlassungssubjekt keine Differenzierung mehr: Betriebsstätten und Tochtergesellschaften werden in Deutschland mit einem einheitlichen Steuersatz besteuert. Dazu kommen der Solidaritätszuschlag und die Gewerbesteuer. Da eine Kapitalertragsteuer bei Ausschüttung der Gewinne der Tochtergesellschaft nicht erhoben wird und im Sitzstaat von Stammhaus und Mutterhaus die Betriebsstättengewinne in der Regel freigestellt sowie die Dividenden der Tochtergesellschaft in der Regel steuerfrei sind, kommt es grundsätzlich zu einer gleichen Belastung beider Niederlassungsformen.1047 Für ausländische Einzelunternehmen und Personengesellschaften kommt es dagegen zu einer Differenzierung zwischen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften. Zum einen unterliegen sie unterschiedlichen Steuerarten mit unterschiedlichen Steuertarifen: Eine Tochtergesellschaft ist stets körperschaftsteuerpflichtig und unterliegt daher der (relativ niedrigen) Körperschaftsteuer zzgl. Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag. Daneben tritt, in Ermangelung einer der Mutter-Tochter-Richtlinie vergleichbaren Regelung, die Besteuerung mit Kapitalertragsteuer auf Ebene des Mutterhauses bei ________________________ 1047 Zu den Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit auf die Vermeidung der Doppelbesteuerung vgl. 5. Teil; E.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

Ausschüttung der Gewinne.1048 Mit einer Betriebsstätte ist ein ausländisches Einzelunternehmen und eine ausländische Personengesellschaft hingegen einkommensteuerpflichtig. Es erfolgt im Quellenstaat nur ein einmaliger Zugriff auf das Betriebsstättenergebnis, der mit dem normalen progressiven Tarif zzgl. anrechenbarer Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag besteuert wird.1049 Der Kern der Unterschiedlichkeit liegt insoweit im doppelten Zugriff des Quellenstaats bei Tochtergesellschaften im Gegensatz zum einfachen Zugriff bei Betriebsstätten sowie in der Anwendung eines progressiven Tarifs bei Betriebsstätten im Gegensatz zu linearen Tarifen in der Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Kapitalertragsteuer bei Tochtergesellschaften.1050 Zum anderen kann sich eine Ungleichbehandlung aus einer unterschiedlichen Behandlung der Gewinne der Sekundärniederlassung im Ansässigkeitsstaat von Stammhaus und Mutterhaus ergeben. Während in der Regel die Betriebsstättengewinne freigestellt werden, ist bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften, in Ermangelung einer der Mutter-TochterRichtlinie vergleichbaren Regelung, die Besteuerung der Dividenden (unter Anrechnung der Kapitalertragsteuer) die Regel.1051 Es wurde an anderer Stelle allerdings bereits herausgearbeitet, dass die Ansässigkeitsstaaten die Vermeidung der Doppelbesteuerung der Gewinne einer Sekundärniederlassung einheitlich vornehmen müssen. Insbesondere schließt dies auch die Anwendung des klassischen Körperschaftsteuersystems und eines ShareholderRelief-Systems für grenzüberschreitende Sachverhalte aus, weil es damit systematisch zu einer Mehrbelastung der ausgeschütteten Gewinne einer ausländischen Tochtergesellschaft im Vergleich zu den Gewinnen einer aus________________________ 1048 Vgl. zur Beschränkung der Mutter-Tochter-Richtlinie auf Körperschaften Art. 2 Abs. 1 c) der Richtlinie sowie § 43b Abs. 2 EStG. 1049 Der Betriebsstättengewinn unterliegt bei einer Gesamtentnahme insgesamt der Betriebsstättenbesteuerung in Deutschland zum normalen Einkommensteuertarif oder gestaffelt dem Begünstigungstarif zzgl. Nachversteuerung, vgl. dazu näher Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, DStR Beihefter zu Heft 40 2007, S. 2 ff., 4 (Fn. 16). 1050 Die Gesamtbelastung beider Niederlassungsformen ist allerdings im Inlandsfall idealtypisch annährend gleich. Dies gilt sowohl, wenn man eine Vollausschüttung bzw. Gesamtentnahme (ggf. einschließlich Nachversteuerung) der Gewinne unterstellt, als auch annährend bei Thesaurierung bzw. Nicht-Entnahme; siehe den Belastungsvergleich bei Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, DStR Beihefter zu Heft 40 2007, S. 2 ff., 5. 1051 Siehe zur grundsätzlichen Zuweisung der Besteuerungsbefugnis hinsichtlich der Dividenden an den Ansässigkeitsstaat des Mutterhauses Art. 10 Abs. 1 OECDMusterabkommen.

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Gewinnbesteuerung

ländischen Betriebsstätte durch den Ansässigkeitsstaat kommt. Im Folgenden wird daher allein die Besteuerung im Quellenstaat betrachtet.1052 Die Höhe der Steuersätze kann ferner nicht ohne Berücksichtigung der zusätzlichen Belastung mit der Gewerbesteuer betrachtet werden, da die verhältnismäßig geringe Belastung durch die Körperschaftsteuer nach der Unternehmensteuerreform 2008 (zuvor 25 %) auch mit der seit der Reform fehlenden Abzugsmöglichkeit der Gewerbesteuer (§ 4 Abs. 5a EStG) als Betriebsausgabe zusammenhängt, sodass nunmehr beide Steuerarten nebeneinander stehen. Bei der Einkommensteuer wird die Gewerbesteuer nach § 35 Abs. 1 EStG im Grundsatz pauschaliert von der Einkommensteuer abgezogen. Sie ist damit aus Sicht des Steuerpflichtigen faktisch eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuer. Diese unterschiedliche Belastung durch die Gewerbesteuer, insbesondere auch als Folge kommunaler Hebesatzdifferenzen, wirkt sich bei den unterschiedlichen „Integrationsmechanismen“ im Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerrecht unterschiedlich stark aus.1053 1. Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der Gewinnbesteuerung Für die vorliegende Untersuchung stellt sich damit die Frage, ob die Erhebung von unterschiedlichen Steuern mit unterschiedlichen Steuersätzen auf die Gewinne von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften von Personengesellschaften oder Einzelunternehmen mit dem Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit vereinbar ist. Eine unterschiedliche Gewinnbesteuerung ist soweit mit der Rechtsformwahlfreiheit vereinbar, als die zivilrechtlichen Unterschiede einer Vergleichbarkeit für Zwecke der Gewinnbesteuerung entgegenstehen.1054 Ausgehend von den Vorgaben des EuGH in der Rechtssache „CLT-UFA“, die für Mutterkapitalgesellschaften zu einer unterschiedlichen Gewinnbesteuerung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften erging, wird zur Beantwortung dieser Frage zunächst die Teilfrage nach der Anwendung unterschiedlicher Steuerarten beantwortet, bevor dann die Höhe des Steuersatzes und die Art des Besteuerungszugriffs untersucht werden kann. Im Anschluss wird auf den Zusammenhang der gefundenen Ergebnisse mit den ________________________ 1052 Vgl. zur Vermeidung der Doppelbesteuerung durch den Ansässigkeitsstaat bereits 5. Teil; E; II; 4 sowie sogleich unter 5. Teil; F; III; 2. 1053 Vgl. zur Übersicht Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, DStR Beihefter zu Heft 40 2007, S. 2 ff. 1054 Siehe zur Zulässigkeit der sachlichen Anknüpfung an die zivilrechtlichen Unterschiede und zum Maßstab der Vergleichbarkeit für Zwecke der Besteuerung ausführlich im 4. Teil; C; I; 1.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

Anforderungen an den Sitzstaat des Mutterhauses hinsichtlich der Vermeidung der Doppelbesteuerung hingewiesen, da nur beide Seiten des Niederlassungsvorgangs zusammen ein konsistentes Bild ergeben. Die Auswirkungen eines Verstoßes gegen die Rechtsformwahlfreiheit wären gravierend: Könnte grenzüberschreitend stets die Anwendung des jeweils günstigeren Tarifs verlangt werden, könnte dies mittelbar auch zu Anpassungsdruck für den Gesetzgeber im nationalen Rahmen führen, Körperschaften und Einzelunternehmen bzw. Personengesellschaften gleich zu besteuern. a) Europarechtliche Anforderungen durch die Entscheidung „CLT-UFA“ Der EuGH hat in der bereits dargestellten Rechtssache „CLT-UFA“ für den Fall einer ausländischen Kapitalgesellschaft entschieden, dass die Anwendung unterschiedlicher Steuersätze auf Betriebsstätten und Tochtergesellschaften gegen den Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit verstößt.1055 Sofern im Quellenstaat eine Kapitalertragsteuer auf ausgeschüttete Dividenden erhoben wird, habe sich der Betriebsstättensteuersatz an der Belastung der Gewinne einer Tochtergesellschaft „insgesamt“ zu orientieren.1056 Damit ist nach der Rechtsprechung des EuGH eine Differenzierung zwischen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften von Körperschaften, also innerhalb einer Steuerart wie der Körperschaftsteuer, fortan nicht mehr möglich.1057 ________________________

1055 Vgl. zum EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831 2. Teil; A; V. 1056 EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831, Rn. 15; 31; 33; 37; zur Gleichbehandlung ebenso bereits 1993 unter Verweis auf die Entscheidung EuGH-Urteil vom 28.1.1986 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 285 Grotherr, Die Eignung des körperschaftsteuerlichen Vollanrechnungssystems als Modell für den Europäischen Binnenmarkt unter internationalem Blickwinkel, IStR 1993, S. 1 ff., 6; vgl. Tromp/Nagler, Konzernbesteuerung: Quellenbesteuerung bei Ausschüttung von Dividenden durch gebietsansässige Tochtergesellschaft an gebietsfremde Muttergesellschaft – Kommentar zum EuGH-Urteil v. 14.12.2006 – Rs. C-170/05 („Denkavit“), EuGHE 2006, I-11949, die die Folgeentscheidung des BFH vom 9.8.2006 – I R 31/01, GmbHR 2006, 1334, den Betriebsstättensteuersatz unter Berücksichtigung der Kapitalertragsteuer (5 %) auf 33,5 % herabzusetzen, mit Verweis auf das EuGH-Urteil vom 14.12.2006 – Rs. C-170/05 („Denkavit“), IStR 2007, 62 als überholt ansehen, da dieser dort die Erhebung einer Quellensteuer nur im Fall beschränkt Steuerpflichtiger als unzulässig beurteilt hat. 1057 Auf die Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit für die Gleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften von Körperschaften als Niederlassungssubjekt wird in dieser Untersuchung nicht mehr eingangen, weil die EuGH-Entscheidung so klare Vorgaben macht und ganz einheitlich anerkannt wird. Siehe auch schon EuGH-Urteil vom 29.4.1999 – Rs. C-311/97 („Royal Bank of Scot-

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Gewinnbesteuerung

Für die Frage, ob eine Differenzierung möglich ist, wenn Betriebsstätten und Tochtergesellschaften unterschiedlichen Steuerarten unterliegen, weil das Niederlassungssubjekt ein Einzelunternehmen oder eine Personengesellschaft ist, kann hingegen unmittelbar aus der Entscheidung nichts abgelesen werden. Zwar hat der EuGH in seiner Prüfung auch in der Sache auf den Vergleich der Rechtsformen der Sekundärniederlassung abgestellt und an sich keinen Spielraum gelassen, im Fall einer anderen Rechtsform der Muttergesellschaft eine Differenzierung zwischen den Rechtsformen der Sekundärniederlassung zuzulassen. Entschieden wurde diese Konstellation allerdings nicht.1058 In der Literatur wird überwiegend abgelehnt, dass die Rechtsformwahlfreiheit eine Unterscheidung von Körperschaftsteuersatz für eine Tochtergesellschaft und Einkommensteuertarif für eine Betriebsstätte untersagt. „Steuerartspezifische“ Unterschiede zwischen den Rechtsformen stünden einer Vergleichbarkeit entgegen.1059 b) Anwendung unterschiedlicher Steuerarten Ausgangspunkt der unterschiedlichen Steuersätze von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften von Einzelunternehmen und Personengesellschaften ist die Anwendung verschiedener Steuerarten, weil die Betriebsstätte nach Maßgabe der Rechtsform des Einheitsunternehmens einkommensteuerpflichtig ist. Eine Tochtergesellschaft ist wegen des Trennungsprinzips ohne Rücksicht auf die Rechtsform der Muttergesellschaft stets körperschaftsteuerpflichtig. Die ausgeschütteten Dividenden werden zudem eigenständig der Kapitalertragsteuer unterworfen. Die Anknüpfung einer eigenen Steuerart an die juristisch unabhängige Person einer Tochtergesellschaft, also die Existenz einer eigenen Steuersubjek________________________ land“), EuGHE 1999, I-2651. Zu den Folgen der EuGH-Entscheidung in „CLTUFA“ siehe auch das BFH-Urteil vom 9.8.2006 – I R 31/01, IStR 2006, 826 sowie das BMF-Schreiben vom 17.10.2007 – IV B 7 – S 2800/07/0001 – DOK 2007/ 0449388, Der Konzern 2007, 1231 ff. zur Berechnung des Betriebsstättensteuersatzes, der sich aus dem Ausschüttungssteuersatz zzgl. Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag ergibt. 1058 Siehe zu den Schlussfolgerungen aus „CLT-UFA“ 2. Teil; A; V; 4 und 2. Teil; A; XI. 1059 Dörr, Die Rechtssache CLT-UFA: Ein Medienkonzern im Rampenlicht des EuGH – Oder: Wieviel Rechtsformneutralität fordert der europäische Binnenmarkt?, Der Konzern 2005, S. 576 ff., 580; ähnlich Schnitger, Die Grenzen der Einwirkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrags auf das Ertragsteuerrecht, 2006, S. 289; offengelassen bei Schön, Freie Wahl zwischen Zweigniederlassung und Tochtergesellschaft – ein Grundsatz des Europäischen Unternehmensrechts, EWS 2000, S. 281 ff., 289 f.; dafür allerdings Dautzenberg, Das EG-rechtliche Gleichbehandlungsgebot für Betriebsstätten und Tochtergesellschaften, EWS 2001, S. 270 ff., 273 ff.

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tivität von Kapitalgesellschaften auch im Verbund, ist mit der Rechtsformwahlfreiheit nach hier vertretener Auffassung vereinbar: Der wesentliche zivilrechtliche Unterschied zwischen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ist die Rechtspersönlichkeit der Tochtergesellschaft, also die Sphärentrennung von Mutter- und Tochtergesellschaften, sodass nur diese auch eigenes Steuersubjekt sein kann.1060 Die Grundentscheidung, im Steuerrecht hinsichtlich der Steuerart zwischen Körperschaften und transparenten Rechtsformen zu unterscheiden, ist daher von der bei den Mitgliedstaaten verbleibenden Steuerhoheit erfasst. Die Anknüpfung einer eigenen Steuerart an die Steuersubjektivität der Tochtergesellschaft ist für sich auch nicht geeignet, die Wirtschaftsteilnehmer in ihrer Wahl der Rechtsform zu beeinträchtigen. Vielmehr sind die aus dieser Grundentscheidung des Gesetzgebers möglicherweise folgenden Beeinträchtigungen konkret in den Blick zu nehmen. Das gleiche gilt für die Erhebung der Gewerbesteuer und ihre Verknüpfung mit den Ertragsteuern: Diese Grundsatzfrage des nationalen Steuerrechts ist dem Anwendungsbereich der Grundfreiheiten entzogen. Am Maßstab der Grundfreiheiten können nur die konkreten Folgen der Besteuerung gemessen werden, soweit diese zu einer Diskriminierung oder Beschränkung grenzüberschreitender Wirtschaftsvorgänge führen. Die Frage, welche Steuerart an welche Rechtsform anknüpft, ist für sich nicht geeignet, zu einer solchen Beschränkung zu führen und damit nicht grundfreiheitsrelevant. Im Grundsatz steht die Rechtsformwahlfreiheit daher einer Anknüpfung einer eigenständigen Steuerart an die Niederlassungsform der Tochtergesellschaft nicht entgegen, da der Grund gerade die unterschiedliche zivilrechtliche Ausgestaltung der Rechtsformen ist und die Unterschiedlichkeit der Anknüpfung der Besteuerung auch für sich nicht geeignet ist, eine der beiden Niederlassungsformen zu benachteiligen. c) Anwendung unterschiedlicher Steuersätze und unterschiedlicher Formen des Besteuerungszugriffs Die Einordnung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften von Einzelunternehmen und Personengesellschaften in unterschiedliche Steuerarten rechtfertigt für sich allerdings noch keine unterschiedlichen Steuersätze und keine unterschiedliche Form des Besteuerungszugriffs, da es grundsätzlich möglich wäre, auf Betriebsstätten und Tochtergesellschaften einheitlich auch nach Maßgabe verschiedener Steuerarten denselben Steuersatz anzu________________________ 1060 Siehe dazu schon im 4. Teil; C; I; 1.

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Gewinnbesteuerung

wenden und nur einmal auf den Gewinn zuzugreifen.1061 Daher sind die möglichen Gründe für eine unterschiedliche Gewinnbesteuerung darauf zu untersuchen, ob die zivilrechtlichen Unterschiede von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften sachlogischer Anknüpfungspunkt für die steuerrechtliche Differenzierung sind. aa) Doppelter Besteuerungszugriff bei Tochtergesellschaften Wesentlicher Grund für die Anwendung eines geringeren Steuersatzes auf die Gewinne einer Tochtergesellschaft ist die aus der zivilrechtlichen Unterschiedlichkeit folgende Möglichkeit eines geteilten Zugriffs auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene. Die steuerrechtliche Anknüpfung an die Person der Tochtergesellschaft und die daraus folgende Möglichkeit eines zweifachen Besteuerungszugriffs sind mit der Rechtsformwahlfreiheit als solche nach hier vertretener Auffassung vereinbar: Insoweit ist die Sphärentrennung bei Mutterhaus und Tochtergesellschaft ein tauglicher Anknüpfungspunkt für eine Ungleichbehandlung, da die nur juristische Selbstständigkeit der Tochtergesellschaft die Möglichkeit eröffnet, diese zu einem separaten Steuersubjekt zu machen und so die Gesamtbelastung der Gewinne einer Tochtergesellschaft durch eine Besteuerung bei dieser und auf Ebene der Muttergesellschaft herzustellen. Die Möglichkeit eines doppelten Zugriffs knüpft zwar sachlich an die zivilrechtlichen Unterschiede an; ein doppelter Besteuerungszugriff ist allerdings keine sachlogische Folge dieser Unterschiede. Die Mitgliedstaaten sind daher frei, zwischen einem doppelten und einem einfachen Zugriff auf die Gewinne einer Tochtergesellschaft zu wählen.1062 Der Maßstab für einen Verstoß gegen die Rechtsformwahlfreiheit ist daher die Gesamtbelastung der Gewinne der Sekundärniederlassung durch den Quellenstaat, nicht die Art des Besteuerungszugriffs. Entscheidend ist, dass die Belastung einer Betriebsstätte und die Gesamtbelastung von Mutter- und Tochtergesellschaft im Quellenstaat nur insoweit divergieren, als dies sachlogisch aus der zivilrechtlichen Unterschiedlichkeit folgt. Aus der Anerkennung eines zweifachen Besteuerungszugriffs auf die Gewinne einer Toch________________________ 1061 Die Angleichung der Belastung von Einzelunternehmen und Personengesellschaften an Kapitalgesellschaften ist im nationalen Kontext erklärtes Ziel der Unternehmensteuerreform 2008; die Unterwerfung unter unterschiedliche Steuerarten soll im Belastungsergebnis gerade keine Rolle spielen, vgl. Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, DStR Beihefter zu Heft 40 2007, S. 2 ff., 3. 1062 Vgl. konkret zum Nebeneinander von Kapitalertragsteuer und Körperschaftsteuer sogleich im 5. Teil; F; III; 1; c; aa; (1); zum doppelten Zugriff im Rahmen eines Anrechnungssystems vgl. 5. Teil; F; III; 1; c; aa; (3); zu einem Freistellungssystem mit einfachem Zugriff dagegen vgl. 5. Teil; F; III; 1; c; aa; (2).

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

tergesellschaft folgt damit, dass die Rechtsformwahlfreiheit keinen einheitlichen Steuersatz für Betriebsstätten und Tochtergesellschaften verlangt, sondern allein eine gleiche Belastung der Betriebsstättengewinne und der Gewinne einer Tochtergesellschaft bei Tochter- und Muttergesellschaft insgesamt. Im Folgenden werden drei Möglichkeiten einer Gewinnbesteuerung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften auf ihre Vereinbarkeit mit der Rechtsformwahlfreiheit untersucht, die jeweils auf der eigenständigen Besteuerung der Tochtergesellschaft basieren.1063 Es wird sich zeigen, dass die zivilrechtlichen Unterschiede zwar die Erhebung unterschiedlicher Steuerarten und einen unterschiedlichen Besteuerungszugriff begründen können, aber dennoch eine gleiche Belastung beider Niederlassungsformen ohne systematischen Bruch erreicht werden kann. Eine unterschiedlich hohe Belastung der Gewinne von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ist daher mit der Rechtsformwahlfreiheit nicht vereinbar.1064 (1) Klassisches System Zunächst ist ausgehend von der aktuellen Rechtslage zu untersuchen, ob ein Nebeneinander von Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer, also ein klassisches Körperschaftsteuersystem, auf die ausgeschütteten Gewinne von Tochtergesellschaften angesichts der Einmalbesteuerung von Betriebsstättengewinnen mit der Rechtsformwahlfreiheit vereinbar ist. Die Ungleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften nach aktuellem Recht resultiert nicht nur aus dem doppelten Zugriff auf die Gewinne der Tochtergesellschaft durch Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer, sondern auch aus dem progressiven Tarif der Betriebsstättenbesteuerung bei einkommensteuerpflichtigen ausländischen Einzelunternehmen und Personengesellschaften. Eine gleich hohe Belastung resultiert bei dieser unterschiedlichen Belastungssystematik nur im Einzelfall, wenn die Gesamtbelastung der Gewinne der Tochtergesellschaft dem konkret-individuellen Tarif der Betriebsstättenbesteuerung entspricht. ________________________ 1063 Grundlegend zu den Systemen einer Unternehmensbesteuerung im Europäischen Binnenmarkt Hey, Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in Europa, 1997, S. 241 ff.; 280 ff. 1064 A. A. offenbar Schnitger, Die Grenzen der Einwirkung der Grundfreiheiten des EGVertrags auf das Ertragsteuerrecht, 2006, S. 289 f.; Schnitger, The CLT-UFA Case and the „Principle of Neutrality of Legal Form“, European Taxation 2004, S. 522 ff., 526; wie hier im Ergebnis Dautzenberg, Das EG-rechtliche Gleichbehandlungsgebot für Betriebsstätten und Tochtergesellschaften, EWS 2001, S. 270 ff., 273 ff.; vgl. auch Dautzenberg, Kapitalertragsteuer auf deutsche Dividenden an ausländische Kapitalgesellschaften EG-rechtswidrig?, BB 2001, S. 2137 ff.

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Gewinnbesteuerung

Orientiert der Gesetzgeber den Betriebsstättensteuersatz allerdings durch Wahl eines linearen Tarifs, wie bei Kapitalgesellschaften, an der Gesamtbelastung der Gewinne von Tochtergesellschaften, reduziert sich die Ungleichbehandlung auf die Art des Zugriffs; die Höhe der Steuerbelastung kann bei unterstellter Vollausschüttung angeglichen werden.1065 Die wirtschaftliche Doppelbesteuerung der Gewinne einer Tochtergesellschaft mit Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie Kapitalertragsteuer ist angesichts der Sphärentrennung von Mutter- und Tochtergesellschaft auch nach hier vertretener Auffassung als solche mit der Rechtsformwahlfreiheit zu vereinbaren: Zwar existieren auch Systeme wie das Freistellungs- oder Anrechnungssystems, die die eigenständige Besteuerung von Tochtergesellschaften in eine Gesamtbelastung der Gewinne integrieren und eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung vollständig vermeiden.1066 Doch liegt in einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung der Gewinne durch eine Kapitalertragsteuer für sich noch keine Schlechterstellung der Tochtergesellschaften, soweit der lineare Tarif auf die Gewinne einer Betriebsstätte zur gleichen Belastung wie die Gesamtbelastung der Gewinne einer Tochtergesellschaft führt.1067 Der Unterschied in der Art des Zugriffs resultiert, wie die Möglichkeit einer eigenen Steuerart und die Möglichkeit eines doppelten Besteuerungszugriffs, aus der zivilrechtlichen Unterschiedlichkeit der Niederlassungsformen und ist als solcher, wie ausgeführt, mit der Rechtsformwahlfreiheit zu vereinbaren, soweit die Gesamtbelastung im Quellenstaat identisch ist.1068 Dies entspricht der Lösung des EuGH in „CLT-UFA“.1069 ________________________ 1065 Vgl. BMF-Schreiben vom 17.10.2007 – IV B 7 – S 2800/07/0001 – DOK 2007/ 0449388, Der Konzern 2007, 1231 ff. 1066 Siehe dazu sogleich unter 5. Teil; F; III; 2 sowie aus Sicht des Ansässigkeitsstaats von Stammhaus und Mutterhaus bereits 5. Teil; E; II; 3. 1067 Diese Betrachtung gilt allerdings nur isoliert für den Quellenstaat. Ein klassiches System für Dividenden ausländischer Gesellschaften durch den Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft wurde an anderer Stelle als unvereinbar mit der Rechtsformwahlfreiheit eingestuft, da es systematisch zu einer Mehrbelastung der Gewinne einer Tochtergesellschaft führt, vgl. 5. Teil; E; II; 3. Im Ergebnis ist damit zwar ein klassisches System im Quellenstaat möglich, aber nicht praktikabel, da eine Unterscheidung von inländischen und ausländischen Dividenden nicht hinnehmbar ist. 1068 Strenger allerdings Herzig, Körperschaftsteuersystem und Europäischer Binnenmarkt, in: Schön (Hrsg), Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, 1997, S. 627 ff., 634, der eine eigenständige Besteuerung der ausgeschütteten Dividenden nur im Rahmen einer rechtsformunabhängigen Betriebssteuer hinnehmen will, bei der auch bei Betriebsstätten zwischen entnommenen und nicht entnommenen Gewinnen unterschieden wird und die Kapitalertragsteuer mit einer Besteuerung der Gesellschafter des Einheitsunternehmens bei Entnahme der Gewinne korrespondiert. Eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung lehnt er im Übrigen ab. 1069 Vgl. zu den europarechtlichen Anforderungen durch EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831 bereits 5. Teil; F; III; 1; a.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

Nicht miteinander zu vereinbaren sind damit die wirtschaftliche Doppelbesteuerung durch eine Kapitalertragsteuer und der progressive Tarif für Betriebsstätten nach geltendem Recht, da sie in der Regel zu einer unterschiedlich hohen Belastung der Gewinne beider Sekundärniederlassungen führen. Der progressive Tarif bei Betriebsstätten von Einzelunternehmen und Personengesellschaften knüpft nicht sachlogisch an die Rechtsform der Betriebsstätte an, weil auch ohne systematischen Bruch ein linearer Tarif denkbar ist. Dies zeigt schon die aktuelle Rechtslage bei Tochtergesellschaften, bei denen im Rahmen der Kapitalertragsteuer ebenfalls ein linearer Tarif gilt. Die Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse der Einzelunternehmer und Personengesellschafter wird damit dem Ansässigkeitsstaat überlassen. Die Abstimmung der Betriebsstättenbesteuerung mit der Besteuerung der Tochtergesellschaften bei Erhebung einer Kapitalertragsteuer auf die ausgeschütteten Gewinne kann in zweifacher Weise erfolgen: Denkbar ist einerseits ein linearer Betriebsstättensteuersatz in Höhe der tariflichen Gesamtbelastung von Mutter- und Tochtergesellschaft auf alle Betriebsstättengewinne. Denkbar ist andererseits aber auch, korrespondierend mit der Besteuerung der Gewinne einer Tochtergesellschaft, zwischen nicht entnommenen Gewinne und einer Nachbelastung der entnommenen Gewinne zu differenzieren. Für nicht entnommene Gewinne würde, nach dem Vorbild einer Betriebssteuer, der gleiche Tarif angewendet wie für Tochtergesellschaften. Auf die entnommenen Gewinne wiederum würde ein Tarif angewendet, der dem Tarif der Kapitalertragsteuer entspricht.1070 Auf diese Weise würde eine weitgehend gleiche Gewinnbesteuerung beider Niederlassungsformen unter Beibehaltung des Nebeneinanders von Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer erreicht.1071 (2) Freistellungssystem Neben der Möglichkeit eines Nebeneinander von Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer besteht die Möglichkeit, die Dividenden von Tochtergesellschaften von der Kapitalertragsteuer zu befreien, sodass auf die Gewinne von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften im Quellenstaat jeweils nur einmal zugegriffen wird. Auch für Tochtergesellschaften von Einzelunternehmen und Personengesellschaften lässt sich also eine gleiche Besteuerung beider Niederlassungsformen gewährleisten, ohne dass dies zu ________________________ 1070 Dies würde dann zu einer sog. „Branch Profit Tax“ führen, vgl. dazu mit Blick auf die amerikanische Rechtslage Bohnert, US-Steuerreform und deutsch-amerikanisches Doppelbesteuerungsabkommen, RIW 1987, S. 37 ff. 1071 Dafür Herzig, Körperschaftsteuersystem und Europäischer Binnenmarkt, in: Schön (Hrsg), Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, 1997, S. 627 ff., 634.

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Gewinnbesteuerung

systematischen Verwerfungen führt, da die wirtschaftliche Doppelbelastung der Gewinne einer Tochtergesellschaft nicht sachlogisch aus der Sphärentrennung von Mutter- und Tochtergesellschaft folgt, sondern nur durch diese ermöglicht wird.1072 Eine Freistellung der Dividenden einer Tochtergesellschaft allein führt allerdings nicht zu einer Gleichbehandlung der Gewinne von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften von Einzelunternehmen und Personengesellschaften, soweit für Wirtschaftsteilnehmer, die mit einer Betriebsstätte beschränkt steuerpflichtig sind, der progressive Tarif gilt. Ein progressiver Tarif auf die Gewinne einer Betriebsstätte ist allerdings, wie dargestellt, auch bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften keine sachlogische Konsequenz der zivilrechtlichen Ausgestaltung. Denkbar ist auch ein linearer Betriebsstättensteuersatz in gleicher Höhe wie der Körperschaftsteuersatz. Die Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse der Einzelunternehmer und der Personengesellschafter würde dann – ebenso wie hinsichtlich der ausgeschütteten Dividenden – ggf. dem Ansässigkeitsstaat überlassen. Dies entspricht der Rechtslage bei Tochtergesellschaften im Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie.1073 Ein solches Freistellungssystem in Verbindung mit einem linearen Betriebsstättensteuersatz erscheint vor dem Hintergrund der Rechtsformwahlfreiheit als ideale Lösung, da es neben einer Gleichbehandlung hinsichtlich der Höhe der Belastung auch zu einer weitgehenden Gleichheit des Belastungszugriffs führt.1074 Es ist die einzige Option, um zu einem einheitlichen Steuersatz von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften von Einzelunternehmen und Personengesellschaften zu gelangen. Mittelbar könnte dieses System allerdings auch einen linearen Einkommensteuertarif bei Personengesellschaften im Inland zur Folge haben, weil es andernfalls zu einer Ungleichbehandlung von ausländischen und inländischen Gesellschaftern einer inländischen Personengesellschaft kommen würde. Dies wäre allerdings keine rechtliche Konsequenz, die sich aus der Niederlassungsfreiheit begründen ließe. Die Grundfreiheiten verbieten nach allgemeiner Auffassung keine „Inländerdiskriminierung“. Jedenfalls rechtspolitisch dürfte aber eine ________________________ 1072 A. A. offenbar Schnitger, Die Grenzen der Einwirkung der Grundfreiheiten des EGVertrags auf das Ertragsteuerrecht, 2006, S. 289 f. 1073 Vgl. Schön, Freie Wahl zwischen Zweigniederlassung und Tochtergesellschaft – ein Grundsatz des Europäischen Unternehmensrechts, EWS 2000, S. 281 ff., 289 f. mit Frage, ob die Rechtsformwahlfreiheit den Norminhalt der Mutter-Tochter-Richtlinie für Einzelunternehmen und Personengesellschaft anordnet. 1074 Ausdrücklich mit Verweis auf die Rechtsformwahlfreiheit so auch Tumpel, Harmonisierung der direkten Unternehmensbesteuerung in der EU, 1994, S. 269 ff.; Schwarz, Cross-Border Corporate Structures and Financing: The Impact of European Court Decisions on Tax Discrimination, IBFD Bulletin 2000, S. 113 ff.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

solche Schlechterstellung des inländischen Sachverhalts kaum Bestand haben. Eine Lösung, die rechtsformneutral auch eine Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Einzelunternehmers bzw. der Personengesellschafter durch einen progressiven Tarif ermöglicht, liegt in einem Anrechnungssystem.1075 (3) Anrechnungssystem Wie dargestellt, folgt aus der Sphärentrennung nach hier vertretener Auffassung die Möglichkeit eines zweifachen Zugriffs auf die Gewinne einer Tochtergesellschaft, soweit dieser zu keiner unterschiedlichen Gesamtbelastung der Gewinne von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften führt. Dies ist bei Erhebung einer Kapitalertragsteuer neben der Körperschaftsteuer der Fall, soweit für Betriebsstätten, wie nach aktuellem Recht, ein progressiver Tarif gilt, da dann nur idealtypisch die Gesamtbelastung von Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer genauso hoch ist wie die Belastung der Betriebsstätte. Etwas anderes gilt allerdings, wenn an die Stelle der Kapitalertragsteuer eine Belastung des Mutterhauses unter vollständiger Anrechnung der Körperschaftsteuer der Tochtergesellschaft tritt und auf die ausgeschütteten Gewinne derselbe Tarif erhoben wird, wie er für Betriebsstättengewinne gilt. Ein solches Anrechnungssystem kann eine Mehrbelastung der Gewinne einer Tochtergesellschaft im Vergleich zur Betriebsstätte vollständig vermeiden und ermöglicht zugleich den Zugriff bei Mutter- und Tochtergesellschaft. Ausländische Personengesellschaften würden dann im Hinblick auf ihre Gewinne aus einer inländischen Betriebsstätte und im Hinblick auf die ausgeschütteten Gewinne einer inländischen Tochtergesellschaft im Ergebnis gleich besteuert; im Fall der Tochtergesellschaft erfolgt die Belastung allerdings auf zwei Ebenen, nämlich der Körperschaftbesteuerung der Tochtergesellschaft und der Besteuerung der ausgeschütteten Gewinne beim Mutterhaus unter Anrechnung der Körperschaftsteuer.1076 Die Belastung der ________________________ 1075 Für die Fragen, die sich im Rahmen eines Anrechnungssystems aus dem Diskriminierungsverbot hinsichtlich der Gleichbehandlung von Dividenden aus dem In- und Ausland ergeben, wird stellvertretend für viele auf Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 324 ff. verwiesen. 1076 Für Herzig, Körperschaftsteuersystem und Europäischer Binnenmarkt, in: Schön (Hrsg), Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, 1997, S. 627 ff., 634 stellt ein solches Anrechnungssystem die einzige Möglichkeit dar, eine eigenständige Körperschaftsteuer auf die Gewinne einer Tochtergesellschaft mit der Rechtsformwahlfreiheit zu vereinbaren. Insoweit zustimmend auch Hey, Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in Europa, 1997, S. 282 ff.

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Gewinnbesteuerung

Tochtergesellschaft stellt dann wirtschaftlich eine Vorauszahlung auf die Belastung des Gewinns auf Ebene des Mutterhauses dar. (4) Zwischenergebnis Die Anknüpfung einer eigenständigen Besteuerung an die Rechtsform der Tochtergesellschaft ist mit der Rechtsformwahlfreiheit vereinbar, weil sie sachlich an die juristische Selbstständigkeit der Tochtergesellschaft anknüpft. Daher ist im Grundsatz ein doppelter Besteuerungszugriff auf die Gewinne von Tochtergesellschaften möglich. Es bestehen im Ergebnis drei mit der Rechtsformwahlfreiheit vereinbare Möglichkeiten, die Besteuerung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften auszugestalten, von denen nur eine zu einer Vereinheitlichung der Steuersätze führt: Eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung der Gewinne einer Tochtergesellschaft mit Körperschaftsteuer und einer eigenständigen Kapitalertragsteuer ist mit der Rechtsformwahlfreiheit vereinbar, soweit der Betriebsstättensteuersatz linear ist und in der Höhe der Gesamtbelastung der Gewinne der Tochtergesellschaft entspricht. Dabei kann bei der Belastung der Betriebsstätte wiederum differenziert werden zwischen einem einmaligen Zugriff und einer Differenzierung zwischen der Belastung der nicht entnommenen Gewinne (in Höhe des Steuersatzes auf die Gewinne der Tochtergesellschaft) und der Nachbelastung der Gewinne bei Entnahme (in Höhe des Steuersatzes auf die ausgeschütteten Gewinne der Tochtergesellschaft). Die zweite Möglichkeit, die eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung der Gewinne der Tochtergesellschaft vermeidet, ist die Freistellung der Dividenden in Verbindung mit einem linearen Tarif auf die Betriebsstättengewinne. Die dritte Möglichkeit, die allein eine progressive Besteuerung der Betriebsstättengewinne ermöglicht, ist ein Anrechnungssystem hinsichtlich der Gewinne der Tochtergesellschaft dergestalt, dass an die Stelle einer pauschalen Kapitalertragsteuer eine Besteuerung der ausgeschütteten Dividenden tritt, die in der Höhe mit dem Betriebsstättensteuersatz identisch ist, und auf die die Körperschaftsteuer der Tochtergesellschaft vollständig angerechnet wird. bb) Begünstigung thesaurierter Gewinne Wie dargestellt, kann eine geringere Belastung der Gewinne einer Tochtergesellschaft im Vergleich zur Belastung von Betriebsstättengewinnen nicht mit der wirtschaftlichen Zusatzbelastung durch die Belastung der Muttergesellschaft begründet werden, da sowohl bei Erhebung einer eigenständigen Kapitalertragsteuer als auch durch Einführung eines Freistellungs- oder eines Anrechnungssystems eine gleiche Belastung gewährleistet werden kann.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

Ein im Vergleich zum Betriebsstättensteuersatz niedrigerer Körperschaftsteuersatz könnte aber damit gerechtfertigt werden, thesaurierte Gewinne gegenüber konsumierten Gewinnen zu begünstigen. Dieser Gedanke setzt ebenfalls an der zivilrechtlichen Unterschiedlichkeit an, weil nur die juristische Separierung eine klare Trennung zwischen den Vermögen von Tochtergesellschaft und Muttergesellschaft ermöglicht. Unterstellt man dann, dass thesaurierte Gewinne förderungswürdiger sind, weil sie so dem Unternehmen als produktives Kapital erhalten bleiben, würde dies für einen geringeren Steuersatz für Körperschaften im Vergleich zu Betriebsstätten von Einzelunternehmen und Personengesellschaften sprechen.1077 Diese an die Rechtsform der Körperschaft anknüpfende Begründung eines geringeren Körperschaftsteuersatzes überzeugt allerdings bei näherer Betrachtung nicht: Dabei kann noch dahinstehen, ob eine unterschiedliche Besteuerung von thesaurierten und ausgeschütteten Gewinnen gegenüber einem verwendungsneutralen Steuerrecht wirklich ökonomisch sinnvoller ist, denn jedenfalls offenbart für das deutsche Recht die Regelung des § 34a EStG, dass die Anknüpfung an die Rechtsform der Kapitalgesellschaft nicht zur Förderung von Gewinnen erforderlich ist, die im Unternehmen verbleiben. Der Gesetzgeber geht vielmehr davon aus, dass auch bei transparenten Rechtsformen eine Separierung entnommener und nicht entnommener Gewinne möglich ist. Folglich könnte eine geringere Besteuerung der Tochtergesellschaft nicht mit der Begünstigung thesaurierter Gewinne begründet werden.1078 cc) Berücksichtigung kommunaler Steuern Setzt sich die Belastung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften von Einzelunternehmen und Personengesellschaften nicht nur aus unterschiedlichen Ertragsteuern zusammen, sondern tritt neben diese auch noch die Belastung mit kommunalen Steuern bei unterschiedlicher Abstimmung mit der jeweiligen Ertragsteuer, kommt es auch insoweit zu Differenzen in der Gesamtbelastung beider Sekundärniederlassungsformen im Quellenstaat. Dies gilt umso mehr, wenn, wie im Fall der Gewerbesteuer, diese infolge kommunaler Hebesätze variabel ist und eine Veränderung des Hebesatzes in der ________________________ 1077 Vgl. Schön, Freie Wahl zwischen Zweigniederlassung und Tochtergesellschaft – ein Grundsatz des Europäischen Unternehmensrechts, EWS 2000, S. 281 ff., 289 f. 1078 Im nationalen Kontext ist daher ja auch gerade eine ungefähre Gleichbelastung von thesaurierten Körperschaftsgewinnen und nicht entnommenen Gewinnen einer Personengesellschaft angestrebt, vgl. Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, DStR Beihefter zu Heft 40 2007, S. 2 ff., 3 ff.

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Gewinnbesteuerung

Belastung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften unterschiedliche Auswirkungen hat.1079 Inwieweit Unterschiede in der steuerlichen Belastung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften aus dem Zusammenwirken von Ertrag- und kommunalen Steuern mit der Rechtsformwahlfreiheit zu vereinbaren sind, bedarf einer differenzierenden Betrachtung: In den Bereich der den Mitgliedstaaten verbleibenden Besteuerungshoheit fällt die Erhebung unterschiedlicher Steuerarten. Die Existenz einer kommunalen Steuer kann vorbehaltlich diskriminierungs- und beschränkungsfreier Ausgestaltung als solche nicht an den Grundfreiheiten gemessen werden. Auch die Abstimmung verschiedener Steuerarten auf denselben Gewinn fällt mit dieser Einschränkung unter die Besteuerungshoheit der Mitgliedstaaten. Maßgeblich ist im Hinblick auf die Rechtsformwahlfreiheit, dass die Gesamtbelastung im Quellenstaat für beide Rechtsformen gleich ist. Unterschiede, die sich aus einer unterschiedlichen Abstimmung der Ertragsteuern mit der kommunalen Steuer aus kommunalen Differenzen ergeben, sind dabei nicht schädlich: Dem nationalen Gesetzgeber ist das Recht auf eine typisierende Ausgestaltung der Rechtsordnung zuzugestehen. Stellt er realitätsnah eine typischerweise gleiche Belastung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften sicher, können sich Unterschiede, die sich aus der Ausübung kommunaler Hoheiten ergeben, nicht als Verstoß gegen die Grundfreiheiten betrachtet werden, weil diese Unterschiede unmittelbarer Ausfluss der nationalen Besteuerungshoheit sind. 2. Zusammenhang mit den Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung durch den Ansässigkeitsstaat Die bisherigen Ausführungen haben nur die Besteuerung im Quellenstaat in den Blick genommen. Es stellt sich allerdings die Frage, welche Bedeutung die Abstimmung mit einer zusätzlichen Belastung des Gewinns im Ansässigkeitsstaat des Einheitsunternehmens oder des Mutterhauses hat. Einer Vergleichbarkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften von Einzelunternehmen und Personengesellschaften wird insbesondere auch entgegengehalten, die geringere Belastung der Tochtergesellschaft rechtfertige sich aus der zusätzlichen Besteuerung der Dividenden, welche auch im Ansässigkeitsstaat erfolgt.1080

________________________ 1079 Zu Beispielen und Einzelheiten vgl. Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, DStR Beihefter zu Heft 40 2007, S. 2 ff. 1080 Vgl. Schnitger, Die Grenzen der Einwirkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrags auf das Ertragsteuerrecht, 2006, S. 289.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

a) Jurisdiktionsübergreifende Gesamtbetrachtung Auch nach hier vertretener Auffassung könnte eine isoliert betrachtet rechtsformneutrale Ausgestaltung der Steuersätze im Quellenstaat im Binnenmarkt nicht gerechtfertigt werden, wenn daraus bei einer jurisdiktionsübergreifenden Gesamtbetrachtung eine Ungleichbehandlung eines der beiden Niederlassungsvorgänge resultiert.1081 Dies wäre allerdings der Fall, wenn regelmäßig die Gewinne einer Betriebsstätte im Ansässigkeitsstaat des Stammhauses freigestellt würden, bei Tochtergesellschaften aber eine zusätzliche Belastung der Dividenden erfolgte. An anderer Stelle wurde jedoch begründet, dass den Ansässigkeitsstaat von Muttergesellschaft und Einheitsunternehmen die Verpflichtung trifft, die Wahl der Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung gleich zu treffen und dass zugleich Methoden, die die wirtschaftliche Doppelbesteuerung nicht oder nur teilweise vermeiden, unzulässig sind.1082 b) Keine Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse Der Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit richtet sich also an beide beteiligten Mitgliedstaaten, sodass mit der Gleichbehandlung der Niederlassungsobjekte im Quellenstaat eine Gleichbehandlung der Niederlassungssubjekte im Ansässigkeitsstaat korrespondiert. Wie die Aufteilung unter den beteiligten Staaten erfolgt, ist freilich der Kontrolle anhand der Grundfreiheiten entzogen. Daraus kann allerdings nicht gefolgert werden, dass es gerade Konsequenz dieser Aufteilung der Steuerungsbefugnisse ist, dass bei Kapitalgesellschaften das Besteuerungsrecht der Dividenden dem Ansässigkeitsstaat der Anteilseigner zugewiesen ist. Zwar spricht für diese Sicht auf den ersten Blick die Vereinbarung von Doppelbesteuerungsabkommen nach dem Vorbild des OECD-Musterabkommens, das in Art. 10 Abs. 1 OECDMusterabkommen die Besteuerung der Dividenden dem Ansässigkeitsstaat der Dividendenempfänger zuweist. Bei näherer Betrachtung liegt aber keine unterschiedliche Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse bei Betriebsstätten und Tochtergesellschaft durch Doppelbesteuerungsabkommen nach dem Vorbild des OECD-Musterabkommens vor: Sowohl der Gewinn einer Tochtergesellschaft als auch der Gewinn einer Betriebsstätte wird insgesamt im Quellenstaat nach Maßgabe von Art. 7 Abs. 1 OECD-Musterabkommen besteuert. Daneben weist Art. 10 Abs. 1 des OECD-Musterabkommens dem Staat der Anteilseigner noch ein Besteuerungsrecht auf die Dividenden zu. Das OECD-Musterabkommen basiert also auf dem klassischen Körperschaftsteuersystem, das ________________________ 1081 Vgl. zur Gesamtbetrachtung 4. Teil; B; I; 3. 1082 Vgl. 5. Teil; E; II.

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Gewinnbesteuerung

eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung in Kauf nimmt.1083 Für Betriebsstätten hingegen führt ein Abkommen nach dem Vorbild von Art. 23A und Art. 23B OECD-Musterabkommen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung. Damit kommt es bei einer Ausübung der Besteuerungsbefugnisse nach dem Vorbild des OECD-Musterabkommens bei jurisdiktionsübergreifender Gesamtbetrachtung stets zu einer Ungleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften, wenn die Belastung im Quellenstaat gleich ist. Für Körperschaften als Muttergesellschaft hat die Mutter-Tochter-Richtlinie diese Ungleichheit im Binnenmarkt aufgehoben und eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung ausgeschlossen: Die Mitgliedstaaten sind nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie verpflichtet, Gewinne einer Tochtergesellschaft durch Freistellung oder Anrechnung der Körperschaftsteuer nicht wirtschaftlich doppelt zu besteuern. Dies gilt nach hier vertretener Auffassung vor dem Hintergrund der Rechtsformwahlfreiheit auch für Einzelunternehmen und Personengesellschaften, deren Sekundärniederlassungen nicht nur im Quellenstaat der gleichen Belastung unterworfen werden müssen, sondern die auch im Ansässigkeitsstaat gleich behandelt werden müssen, sodass insbesondere eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung unzulässig ist.1084 Aus der Verpflichtung der Mitgliedstaaten als Ansässigkeitsstaat, die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch die Wahl der gleichen Methode vorzunehmen, folgt zugleich, dass die isoliert betrachtet bestehende Möglichkeit eines klassischen Systems als Quellenstaat ausgeschlossen ist, da andernfalls inländische und ausländische Dividenden ungleich behandelt würden. Im Ergebnis folgt aus der Rechtsformwahlfreiheit damit, dass die Mitgliedstaaten nach dem Vorbild der Mutter-Tochter-Richtlinie auch außerhalb ihres Anwendungsbereichs die Besteuerung von Dividenden einer Tochtergesellschaften im Rahmen eines Freistellungs- oder Anrechnungssystems vornehmen müssen. 3. Ergebnis Im Ergebnis sind die Gewinne von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften daher im Quellenstaat in gleicher Höhe zu besteuern. Dies kann geschehen durch Freistellung der Dividenden einer Tochtergesellschaft und einen einheitlichem Tarif für Tochtergesellschaften und Betriebsstätten. Dies kann auch durch einen eigenen Tarif für Tochtergesellschaften erreicht werden, wenn das Mutterhaus zusätzlich unter vollständiger Anrechnung der Körperschaftsteuer mit einem dem Tarif für Betriebsstätten entsprechenden Tarif bei Ausschüttung der Dividenden besteuert wird. Auch die Erhebung einer ________________________ 1083 Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 200. 1084 Vgl. Schön, Freie Wahl zwischen Zweigniederlassung und Tochtergesellschaft – ein Grundsatz des Europäischen Unternehmensrechts, EWS 2000, S. 281 ff., 290.

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Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

Kapitalertragsteuer mit der Folge einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung der Gewinne der Tochtergesellschaft ist mit der Rechtsformwahlfreiheit vereinbar, soweit die Gesamtbelastung der Gewinne der Belastung der Betriebsstättengewinne mit einem linearen Tarif entspricht. Dieses Ergebnis korrespondiert mit der Verpflichtung des Ansässigkeitsstaats, die Gewinne einer Sekundärniederlassung durch eine einheitliche Wahl der Freistellungs- oder Anrechnungsmethode nach dem Vorbild von Art. 4 Abs. 1 der Mutter-Tochter-Richtlinie auch bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften zu verhindern.

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6. Teil Zusammenfassung und Ausblick A. Fragestellung Anlass für diese Untersuchung war eine ständige Rechtsprechung des EuGH, die den Wirtschaftsteilnehmern die „freie Wahl der Rechtsform“ einräumt. Die Bedeutung dieser Rechtsprechung und ihr dogmatisches Fundament in der Niederlassungsfreiheit des EG-Vertrags waren bislang ungeklärt. Im Kern lassen sich zwei Interpretationen unterscheiden: Überwiegend wurde angenommen, der EuGH verlange lediglich eine steuerrechtliche Gleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften, soweit die Betriebsstätte als Teil eines ausländischen Unternehmens gegenüber einer im Inland ansässigen Tochtergesellschaft benachteiligt wird. Damit wäre die Rechtsformwahlfreiheit ein Anwendungsfall des Verbots der Diskriminierung nach der Ansässigkeit. Wenige sahen in der Rechtsformwahlfreiheit ein eigenständiges Recht darauf, dass grundsätzlich die Wahl zwischen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften nicht durch eine unterschiedliche Besteuerung beeinflusst wird.

B. Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit Eine umfassende Analyse der Rechtsprechung des EuGH zur Rechtsformwahlfreiheit ergab, dass bislang ein eigenständiger Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit nicht entscheidungserheblich war. Allerdings konnte auch nachgewiesen werden, dass der EuGH einen solch eigenständigen Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit voraussetzt. Dies ergibt sich daraus, dass in einigen Entscheidungen der EuGH einen Verstoß gegen die Rechtsformwahlfreiheit annahm, ohne dass eine Besserstellung der Tochtergesellschaft aufgrund ihrer Inlandsansässigkeit erheblich war. Zudem ergab sich, dass der EuGH keine Ausführungen über das dogmatische Fundament und die inhaltliche Reichweite des Grundsatzes gemacht hat.

C. Gemeinschaftsrechtlicher Rahmen der Rechtsformwahlfreiheit Um den Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit in die Kategorien des Diskriminierungs- und Beschränkungsverbots der Niederlassungsfreiheit einordnen zu können und davon ausgehend die inhaltliche Reichweite zu bestimmen, bedurfte es einer grundlegenden Untersuchung des gemeinschafts313

Zusammenfassung und Ausblick

rechtlichen Rahmens der Rechtsformwahlfreiheit. Da ein eigenständiger Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit auf dem Vergleich zweier grenzüberschreitender Sachverhalte basiert, setzt er voraus, dass die Grundfreiheiten Beeinträchtigungen des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs erfassen, die sich aus einem solchen Vergleich mit einem anderen grenzüberschreitenden Sachverhalt ergeben. Damit warf die Frage nach einem eigenständigen Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit eine der Kernfragen des Europäischen Rechts auf, nämlich, ob die Grundfreiheiten ein echtes Beschränkungsverbot enthalten, das über die Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts hinaus Beeinträchtigungen grenzüberschreitender Wirtschaftstätigkeit schützt. Vor dem Hintergrund des Binnenmarktziels als Auslegungsmaxime konnte in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH herausgearbeitet werden, dass die Grundfreiheiten ein solches echtes Beschränkungsverbot erfassen: Nach den Vorgaben des EG-Vertrags soll die Errichtung eines Binnenmarkts nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen zur Gewährleistung einer effizienten Ressourcenallokation erfolgen und so zu einer wirtschaftlichen Verflechtung der nationalen Märkte führen. Das Marktprinzip des Binnenmarkts hat seinen historischen Ursprung in der funktionalen Ausrichtung des Binnenmarkts auf eine ökonomische und politische Integration der Mitgliedstaaten. Wirtschaftstheoretisch beruht der Binnenmarkt auf einer liberalen Wirtschaftsordnung, die auf die ökonomische Vernunft der Wirtschaftsteilnehmer setzt. Zentrale Voraussetzung für die Verwirklichung des Europäischen Binnenmarkts ist der ungehinderte Zugang zu allen Teilen des einheitlichen Wirtschaftsraums. Im Europäischen Binnenmarkt folgt aus dem Marktprinzip die Zielvorstellung eines vollkommenen-föderalen Binnenmarkts. Zentral für die Gestaltung des Binnenmarkts sind die Grundfreiheiten. Es besteht eine dynamische Wechselwirkung zwischen der Entwicklung des Binnenmarktkonzepts und der Interpretation der Grundfreiheiten, die auf eine sich stetig vertiefende Integration ausgerichtet ist. Für die Verwirklichung des Binnenmarkts kommt den Grundfreiheiten neben der Beseitigung grenzspezifischer Hindernisse die Funktion zu, eine Intensivierung der ökonomischen Integration durch den Schutz der wirtschaftlichen Vernunft der Wirtschaftsteilnehmer zu gewährleisten. Dieser Schutz realisiert sich insbesondere durch den Schutz ökonomischer Wahlfreiheit. Aufbauend auf der Vorgabe des Binnenmarktziels als Auslegungsmaxime der Grundfreiheiten ergab eine Analyse der Rechtsprechung des EuGH, dass dieser den Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten von einem Verbot der Diskriminierung des grenzüberschreitenden Sachverhalts zu einem echten Beschränkungsverbot weiterentwickelt hat. Dieses erfasst ohne Rücksicht auf den vergleichbaren Inlandsfall absolute Beschränkungen des grenzüberschreitenden Wirtschaftsvorgangs und Beeinträchtigungen, die sich aus dem 314

Begründung und Reichweite der Rechtsformwahlfreiheit

Vergleich zu einem anderen grenzüberschreitenden Sachverhalt ergeben. Das für den EuGH maßgebliche Kriterium für eine Beschränkung ist dabei die Beeinträchtigung der Entscheidung über den Marktzugang. Diese Auslegung des EuGH wurde durch eine teleologische Auslegung der Grundfreiheiten bestätigt. Diese ergab, dass die wechselseitige Integration der nationalen Märkte zu einem echten Binnenmarkt verlangt, Hindernisse des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs auch dann zu beseitigen, wenn keine Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts gegenüber dem vergleichbaren inländischen Sachverhalt vorliegt. Maßgebliches Kriterium für das Vorliegen einer grundfreiheitsrechtlichen Beschränkung ist die Auswirkung einer Regelung auf den Marktzugang in einem erweiterten Sinne: Eine Beschränkung in diesem Sinne liegt vor, wenn die Ressourcenallokation des Wirtschaftsteilnehmers bei der Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ einer grenzüberschreitenden Tätigkeit beeinträchtigt wird. Dies ist der Fall, wenn die konkrete Ausgestaltung bei Aufnahme der grundfreiheitlich geschützten Tätigkeit beeinflusst wird. Auszunehmen sind solche Beeinträchtigungen des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs, die aus der bloßen Unterschiedlichkeit nationaler Regelungen erwachsen, und Regelungen, die die Modalitäten der Ausübung einer Tätigkeit regeln, ohne die Marktzugangsentscheidung als solche zu beeinflussen. Im Ergebnis konnte damit festgestellt werden, dass vom Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten auch Beeinträchtigungen eines grenzüberschreitenden Wirtschaftsvorgangs erfasst sind, die sich aus dem Vergleich zu einem anderen grenzüberschreitenden Wirtschaftsvorgang ergeben.

D. Begründung und Reichweite der Rechtsformwahlfreiheit Auf der Erkenntnis aufbauend, dass die Grundfreiheiten ein echtes Beschränkungsverbot enthalten, das insbesondere auch vor Beeinträchtigungen schützt, die sich im Vergleich zweier grenzüberschreitender Sachverhalte ergeben, konnte die dogmatische Verankerung der Rechtsformwahlfreiheit im Beschränkungsverbot der Niederlassungsfreiheit erfolgen und die inhaltliche Reichweite wie folgt herausgearbeitet werden: Die Niederlassungsfreiheit schützt die Mobilität und Organisation von Unternehmen. Diese Mobilität und Organisation erfolgt durch eine veränderte Zuordnung von materiellen und immateriellen Vermögensgegenständen, die Wahl eines Rechtsrahmens als Gerüst für die gesellschaftsvertraglichen Beziehungen der Unternehmensbeteiligten und die Wahl einer betrieblichen Organisation. Das Kernelement der Niederlassungsfreiheit ist das Prinzip der Wahlfreiheit in Bezug auf diese Parameter. Ob die Niederlassungsfrei315

Zusammenfassung und Ausblick

heit beschränkt wird, ist in einer jurisdiktions- und bei Tochtergesellschaften auch subjektübergreifenden Gesamtbetrachtung zu ermitteln. Der Schutz der Rechtsformwahlfreiheit durch die Niederlassungsfreiheit kann eingeordnet werden in ein umfassendes Konzept der Wahlfreiheit in der Rechtsprechung des EuGH. Der Schutz der Wahlfreiheit ermöglicht den Wirtschaftsteilnehmern, die Organisation der wirtschaftlichen Betätigung nach der individuellen ökonomischen Vernunft zu gestalten. Auf verschiedenen Ebenen schützen die Grundfreiheiten nach dem Verständnis des EuGH vor Verzerrungen der Organisationsentscheidungen der Wirtschaftsteilnehmer durch einfachgesetzliche Differenzierungen zwischen wirtschaftlich vergleichbaren Sachverhalten. Die freie Wahl zwischen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften erweist sich als konsequenter Bestandteil dieses Konzepts. Auch die Begründung von Sekundärniederlassungen ist Ausdruck der Mobilität und Organisation von Unternehmen als Folge unternehmerischer Wahlentscheidungen. Die Wahl zwischen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften hat für die Allokation der Vermögensgegenstände, die Wahl der vertraglichen und gesetzlichen Verfasstheit sowie die Wahl einer bestimmten Organisation der betrieblichen Ressourcen unterschiedliche Auswirkungen, sodass die Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ des Marktzugangs wesentlich von der Rechtsformwahl bestimmt ist. Diese Entscheidung wird daher durch eine differenzierende Besteuerung beeinflusst. Daher liegt in der differenzierenden Besteuerung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften grundsätzlich eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. Ein Verstoß gegen die Rechtsformwahlfreiheit liegt jedoch nicht vor, soweit die Besteuerung sachlogisch an die zivilrechtliche Unterschiedlichkeit der Rechtsformen anknüpft, also für Zwecke des Steuerrechts keine Vergleichbarkeit beider Rechtsformen besteht. Dies ist der Fall, soweit für den konkreten Besteuerungstatbestand sachlogisch erheblich ist, dass die Tochtergesellschaft eine von der Muttergesellschaft zu unterscheidende juristische Person ist, die im eigenen Namen am rechtsgeschäftlichen Verkehr teilnehmen kann, eigenes Vermögen hat und eigene Rechte und Pflichten begründen kann. In diesen Fällen ist die unterschiedliche Besteuerung bloße Folge der Wahlentscheidung der Wirtschaftsteilnehmer und keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit.

E. Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit In einem letzten Teil wurden die Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit auf das Internationale Steuerrecht exemplarisch anhand zentraler Besteuerungskonstellationen untersucht, in denen nach gegenwärtiger Rechtslage Betriebsstätten und Tochtergesellschaften unterschiedlich behandelt werden. 316

Auswirkungen der Rechtsformwahlfreiheit

Für die Frage einer grenzüberschreitenden Verlustberücksichtigung ergab sich, dass im Grundsatz die zivilrechtlichen Unterschiede eine unterschiedliche Verlustberücksichtigung bei Betriebsstätten und Tochtergesellschaften rechtfertigen. Die unterschiedliche Haftung von Muttergesellschaft und Stammhaus ist sachlogischer Anknüpfungspunkt für die Verlustberücksichtigung. Soweit die Haftungsunterschiede durch vertragliche Gestaltungen oder gesetzliche Regelungen aufgehoben werden, sind Betriebsstätten und Tochtergesellschaften für Zwecke der Verlustberücksichtigung allerdings vergleichbar, sodass dann die Rechtsformwahlfreiheit eine Gleichbehandlung erfordert. Für die Frage einer grenzüberschreitenden Gewinnabgrenzung ergab sich, dass der Grundsatz der Rechtsformwahlfreiheit weitgehend eine gleichartige Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten und Tochtergesellschaften fordert, da beide Rechtsformen für Zwecke der Gewinnabgrenzung in weiten Teilen vergleichbar, allerdings auch Unterschiede feststellbar sind. Insbesondere können auch bei Betriebsstätten interne Leistungsverhältnisse zum Zwecke der Gewinnabgrenzung fingiert werden. Diese können auch einen Gewinnanteil berücksichtigen, soweit die zugrunde liegende Zuweisung von Risiken auf Grundlage einer Funktionsanalyse erfolgt. Grenzen der Gleichbehandlung bestehen bei rein fiktiver Risikoübernahme ohne korrespondierende Funktionsausübung. Für die Frage der Finanzierung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ergab sich aus der zivilrechtlichen Unterschiedlichkeit von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften, dass bei Betriebsstätten anders als bei Tochtergesellschaften keine interne Darlehensgewährung möglich ist. Eine Einschränkung der Finanzierungsfreiheit durch die Kontrolle eines „angemessenen“ Dotationskapitals bei Betriebsstätten ist nicht zulässig. Hinsichtlich der Abziehbarkeit von Finanzierungsaufwand bei Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ergab sich, dass auch bei Tochtergesellschaften der Abzug des Finanzierungsaufwands der Muttergesellschaft im Quellenstaat möglich ist. Für die Frage nach der Besteuerung der Gewinne aus der Veräußerung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ergab sich, dass die unterschiedliche Besteuerung der Veräußerungsgewinne keinen Verstoß gegen die Rechtsformwahlfreiheit darstellt. Aus der juristischen Selbstständigkeit der Tochtergesellschaft folgt, dass die Besteuerung thesaurierter Gewinne erst bei Realisierung auf Ebene der Tochtergesellschaft erfolgt. Die Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns bei Tochtergesellschaften greift diesen Unterschied sachlogisch auf. Für die Frage der Vermeidung der Doppelbesteuerung von Gewinnen einer Betriebsstätte und einer Tochtergesellschaft ergab sich, dass die Vermei317

Zusammenfassung und Ausblick

dung durch den Ansässigkeitsstaat des Mutterhauses nach der gleichen Methode vorgenommen werden muss. Die juristische und wirtschaftliche Doppelbesteuerung bedeuten strukturell vergleichbar eine doppelte Belastung des ökonomisch gleichen Gewinns der Sekundärniederlassung, und aus Sicht des Wirtschaftsteilnehmers ist die Anrechnungsmethode in der Regel nachteilig, sodass es bei unterschiedlicher Wahl der Vermeidungsmethode zu einer Ungleichbehandlung beider Niederlassungsformen kommt. Auch eine zusätzliche Besteuerung von Gewinnen einer ausländischen Tochtergesellschaft, etwa im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens, ist bei gleichzeitiger Freistellung von Betriebsstättengewinnen ausgeschlossen. Für die Frage der Besteuerung der Gewinne von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ergab sich, dass die Sphärentrennung von Mutter- und Tochtergesellschaft für Zwecke der Gewinnbesteuerung einen relevanten Unterschied zur Einheitlichkeit von Betriebsstätte und Stammhaus bedeutet, sodass die Anknüpfung einer eigenständigen Besteuerung an die Rechtsform der Tochtergesellschaft mit der Rechtsformwahlfreiheit vereinbar ist. Daher ist grundsätzlich ein doppelter Besteuerungszugriff des Quellenstaats auf die Gewinne von Tochtergesellschaften möglich. Soweit die Gesamtbelastung der Gewinne einer Tochtergesellschaft durch den Quellenstaat der Belastung der Gewinne einer Betriebsstätte entspricht, ist eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung der Gewinne einer Tochtergesellschaft durch den Quellenstaat mit der Rechtsformwahlfreiheit vereinbar. Daneben besteht die Möglichkeit einer Freistellung der Dividenden in Verbindung mit einem linearen Tarif auf die Betriebsstättengewinne sowie die Möglichkeit eines Anrechnungssystems, bei dem an die Stelle einer pauschalen Kapitalertragsteuer eine Besteuerung der ausgeschütteten Dividenden tritt, die in der Höhe mit dem Betriebsstättensteuersatz identisch ist, und auf die die Körperschaftsteuer der Tochtergesellschaft vollständig angerechnet wird.

F. Ausblick Zusammenfassend hat die Untersuchung damit ergeben, dass das Beschränkungsverbot der Niederlassungsfreiheit des EG-Vertrags im Grundsatz eine steuerrechtliche Gleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften erfordert. In zentralen Besteuerungskonstellation konnten die Auswirkungen auf das Internationale Steuerrecht herausgearbeitet und gezeigt werden, dass die Rechtsformwahlfreiheit den nationalen Gesetzgeber in zentralen Bereichen zu Anpassungen der steuerrechtlichen Behandlung beider Niederlassungsformen zwingt. Soweit eine Gleichbehandlung der Niederlassungsformen erforderlich wird, sollte sich diese an der steuerrechtlichen Behandlung von Betriebsstätten ausrichten, da für Zwecke der Besteuerung die

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Ausblick

wirtschaftliche Einheit im Vordergrund steht.1085 Insgesamt sollte die freie Wahl der Rechtsform, die die Niederlassungsfreiheit des EG-Vertrags den Wirtschaftsteilnehmern einräumt, daher als Auftrag verstanden werden, ein Unternehmensteuerrecht zu schaffen, das den Anforderungen eines auf wirtschaftlichen Fortschritt ausgerichteten Binnenmarkts gerecht wird. Mit dem Konzept einer gemeinsamen konsolidierten KörperschaftsteuerBemessungsgrundlage wird auf Ebene der Europäischen Union zur Zeit ein Vorhaben in Angriff genommen, das viele der erforderlichen Anpassungen durch den nationalen Gesetzgeber überflüssig machen würde.1086 Eine solche einheitliche Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage würde insbesondere im Rahmen der Verlustberücksichtigung, der Gewinnabgrenzung, der Finanzierung und der Gewinnbesteuerung zu einer Annäherung der Konzernbesteuerung an die Besteuerung von Einheitsunternehmen führen.1087

________________________ 1085 Vgl. Schön, Perspektiven der Konzernbesteuerung, ZHR 171 (2007), S. 409 ff., 426. 1086 Vgl. zum aktuellen Stand der Diskussion um eine GKKB seitens der EU-Kommission die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss vom 2.5.2007, KOM(2007) 223 endgültig, „Umsetzung des Programms der Gemeinschaft für mehr Wachstum und Beschäftigung und eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von EU-Unternehmen: Weitere Fortschritte im Jahr 2006 und nächste Schritte zu einem Vorschlag einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB). 1087 Vgl. Schön, Perspektiven der Konzernbesteuerung, ZHR 171 (2007), S. 409 ff., 427 f.

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B. Entscheidungen des EuGH EuGH-Urteil vom 10.5.1995 – Rs. C-384/93 („Alpine Investments“), EuGHE 1995, I-01141 EuGH-Urteil vom 7.2.1979 – Rs. 136/78 („Auer“), EuGHE 1979, 437 EuGH-Urteil vom 28.01.1986 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 285 EuGH-Urteil vom 14.9.2006 – Rs. C-158/04 und 159/04 („Bake-Off“), EuGHE 2006, I-8135 346

Entscheidungen des EuGH

EuGH-Urteil vom 28.9.2003 – Rs. C-168/01 („Bosal“), EuGHE 2003, I-09409 EuGH-Urteil vom 15.12.1995 – Rs. C-415/93 („Bosman“), EuGHE 1995, I-04921 EuGH-Urteil vom 12.9.2006 – Rs. C-196/04 („Cadbury Schweppes“), EuGHE 2006, I-7995 EuGH-Urteil vom 20.2.1979 – Rs. 120/78 („Cassis de Dijon“), EuGHE 1979, 64 ff. EuGH-Urteil vom 9.3.1999 – Rs. C-212/97 („Centros“), EuGHE 1999, I-1459 EuGH-Urteil vom 5.12.2006 – Rs. C-94/04 und C-202/04 („Cipolla“), 2007, I-11421 EuGH-Urteil vom 23.02.2006 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831 EuGH-Urteil vom 6.12.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451 EuGH-Urteil vom 13.07.1993 – Rs. C-330/91 („Commerzbank“), EuGHE 1993, I-4038 EuGH-Urteil vom 21.09.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de SaintGobain“), EuGHE 1999, I-6161 EuGH-Urteil vom 15.7.1964 – Rs. 6/64 („Costa/ENEL“), EuGHE 1964, 1251 EuGH-Urteil vom 5.7.2005 – Rs. C-376/03 („D“), EuGHE 2005, I-5821 EuGH-Urteil vom 11.7.1974 – Rs. 8/74 („Dassonville“), EuGHE 1974, 837 EuGH-Urteil vom 29.11.2001 – Rs. C-17/00 („De Coster“), EuGHE 2001, I-9445 EuGH-Urteil vom 11.4.2000 – Rs. 191/97 („Deliège“), EuGHE 2000, I-2549 EuGH-Urteil vom 14.12.2006 – Rs. C-170/05 („Denkavit“), EuGHE 2006, I-11949 EuGH-Urteil vom 11.12.2003 – Rs. C-322/01 („DocMorris“), EuGHE 2003, I-14887 EuGH-Urteil vom 25.1.2007 – Rs. C-370/05 („Festersen“), EuGHE 2007, I-1135 EFTA-Gerichtshof-Urteil vom 23.11.2004 – Rs. E-1/04 („Fokus Bank“), IStR 2005, 55 EuGH-Urteil vom 15.05.1997 – Rs. C-250/95 („Futura“), EuGHE 1997, I-2492 EuGH-Urteil vom 5.5.1982 – Rs. 15/81 („Gaston Schul“), EuGHE 1982, 1409 EuGH-Urteil vom 30.11.1995 – Rs. C-55/94 („Gebhard“), EuGHE 1995, I-4165

347

Literaturverzeichnis

EuGH-Urteil vom 12.5.1998 – Rs. C-336/96 („Gilly“), EuGHE 1998 I-2793 EuGH-Urteil vom 4.6.2002 – Rs. C-503/99 („Goldene Aktien – Belgien“), EuGHE 2002, I-4809 EuGH-Urteil vom 23.10.2007 – Rs. C-112/05 („Goldene Aktien – Deutschland“), EuGHE 2007, I-8995 EuGH-Urteil vom 4.6.2002 – Rs. C-483/99 („Goldene Aktien – Frankreich“), EuGHE 2002, I-4781 EuGH-Urteil vom 2.6.2005 – Rs. C-174/04 („Goldene Aktien – Italien“), EuGHE 2005, I-4933 EuGH-Urteil vom 28.9.2006 – Rs. C-282/04 und C-283/04 („Goldene Aktien – Niederlande“), EuGHE 2006, I-9141 EuGH-Urteil vom 13.5.2003 – Rs. C-463/00 („Goldene Aktien – Spanien“), EuGHE 2003, I-4581 EuGH-Urteil vom 13.5.2001 – Rs. C-98/01 („Goldene Aktien – Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland“), EuGHE 2003, I-4641 EuGH-Urteil vom 27.1.2000 – Rs. C-190/98 („Graf“), EuGHE 2000, I-0493 EuGH-Urteil vom 13.5.1971 – Rs. 41-44/70 („International Fruit Company“), EuGHE 1971, 411 EuGH-Urteil vom 4.6.2009 – Rs. 439/07 und C-499/07 („KBC“), DStRE 2009, 1181 EuGH-Urteil vom 23.2.2006 – Rs. C-471/04 („Keller Holding“), EuGHE 2006, I-2107 EuGH-Urteil vom 14.11.2006 – Rs. C-513/04 („Kerckhaert/Morses“), EuGHE 2006, I-10967 EuGH-Urteil vom 12.7.1984 – Rs. 107/83 („Klopp“), EuGHE 1984, 297 EuGH-Urteil vom 12.7.1984 – Rs. 107/83 („Klopp“), EuGHE 1984, 2971 EuGH-Urteil vom 14.12.1961 – Rs. 2 und 3/62 („Kommission/Belgien“), EuGHE 1962, 873 EuGH-Urteil vom 15.9.2005 – Rs. C-464/02 („Kommission/Dänemark“), EuGHE 2005, I-7929 EuGH-Urteil vom 4.12.1984 – Rs. 250/84 („Kommission/Deutschland“), EuGHE 1986, 3755 EuGH-Urteil vom 14.10.2004 – Rs. C-299/02 („Kommission/Niederlande“), EuGHE 2004, I-9761 EuGH-Urteil vom 31.3.1993 – Rs. C-19/92 („Kraus“), EuGHE 1993, I-1663 EuGH-Urteil vom 11.3.2004 – Rs. C-9/02 („Lasteyrie du Saillant“), EuGHE 2004, I-2409 EuGH-Urteil vom 13.4.2000 – Rs. C-176/96 („Lehtonen“), EuGHE 2000, I-2681

348

Entscheidungen des EuGH

EuGH-Urteil vom 7.9.2004 – Rs. C-319/02 („Manninen“), EuGHE 2004, I-7477 EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10857 EuGH-Urteil vom 6.3.2007 – Rs. C-292/04 („Meilicke“), EuGHE 2007, I-1835 EuGH-Urteil vom 7.9.2006 – Rs. C-470/04 („N“), EuGHE 2006, I-7409 EuGH-Urteil vom 21.4.2005 – Rs. C-140/03 („Optiker“), EuGHE 2005, I-3177 EuGH-Urteil vom 18.7.2007 – Rs. C-231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373 EuGH-Urteil vom 14.7.1994 – Rs. C-379/92 („Peralta“), EuGHE 1994, I-3499 EuGH-Urteil vom 29.4.2004 – Rs. C-171/02 („Private Sicherheitsdienste – Portugal“), EuGHE 2004, I-5645 EuGH-Urteil vom 26.1.2006 – Rs. C-514/03 („Private Sicherheitsdienste – Spanien“), EuGHE 2006, I-963 EuGH-Urteil vom 29.3.2007 – Rs. C-347/04 („REWE“), EuGHE 2007, I-2647 EuGH-Urteil vom 21.2.2006 – Rs. C-152/03 („Ritter-Coulais“), EuGHE 2006, I-1711 EuGH-Urteil vom 29.04.1999 – Rs. C-311/97 („Royal Bank of Scotland“), EuGHE 1999, I-2651 EuGH-Urteil vom 25.7.1991 – Rs. C-76/90 („Säger“), EuGHE 1991, I-4221 EuGH-Urteil vom 14.10.1999 – Rs. C-439/97 („Sandoz“), EuGHE 1999, I-7066 EuGH-Urteil vom 14.2.1995 – Rs. C-279/93 („Schumacker“), EuGH 1995, I-225 EuGH-Urteil vom 20.6.1996 – Rs. C-418 bis C-421/93 („Semeraro Casa Uno“), EuGHE 1996, I-2975 EuGH-Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-411/03 („Sevic“), EuGHE 2005, I-10805 EuGH-Urteil vom 8.7.1999 – Rs. C-254/97 („Société Baxter“), EuGHE 1999, I-4809 EuGH-Urteil vom 12.2.1974 – Rs. 152/73 („Sotgui“), EuGHE 1974, 153 EuGH-Urteil vom 28.1.1992 – Rs. C-332/90 („Steen“), EuGHE 1992, I-341 EuGH-Urteil vom 12.12.2006 – Rs. C-446/04 („Test Claimants in the FII Group Litigation“), EuGHE 2006, I-11753 EuGH-Urteil vom 13.3.2007 – Rs. C-524/04 („Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation“), EuGHE 2007, I-2107

349

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EuGH-Urteil vom 12.12.2006 – Rs. C-374/04 („Test Claiments in Class IV of the ACT Group Litigation“), EuGHE 2006, I-11673 EuGH-Urteil vom 5.11.2002 – Rs. C-208/00 („Überseering“), EuGHE 2002, I-9919 EuGH-Urteil vom 5.2.1963 – Rs. 26/62 („Van Gend & Loos“), EuGHE 1963, 1 ff. EuGHE-Urteil vom 7.5.1991 – Rs. C-340/89 („Vlassopoulou“), EuGHE 1991, I-02357 EuGH-Urteil vom 25.07.1991 – Rs. C-221/89 („Factortame“), EuGHE 1991, I-3905 EuGH-Urteil vom 24.11.1993 – Rs. C-267/91 und C-268/91 („Keck“), EuGHE 1993, I-6097

C. Stellungnahmen der Generalanwälte Generalanwalt Alber, Siegbert, Schlussantrag vom 16.9.2003 – Rs. C-171/ 02 („Private Sicherheitsdienste – Portugal“), EuGHE 2004, I-05648 Generalanwalt Alber, Siegbert, Schlussantrag vom 19.10.1998 – Rs. C-311/ 97 („Royal Bank of Scotland“), EuGHE 1999, I-02652 Generalanwalt Alber, Siegbert, Schlussantrag vom 24.09.2002 – Rs. C-168/ 01 („Bosal“), EuGHE 2003, I 9411 Generalanwalt Darmon, Marco, Schlussantrag vom 17.3.1993 – Rs. C-330/ 91 („Commerzbank“), EuGHE 1993, I 4028 Generalanwalt Geelhoed, Leendert A., Schlussantrag vom 06.04.2006 – Rs. C-513/04 („Kerckhaert/Morres“), EuGHE 2006, I-10969 Generalanwalt Geelhoed, Leender. A., Schlussantrag vom 29.06.2006 – Rs. C-524/04 („Test Claimants in the Thin Cap Group Lititgation“), EuGHE 2007, I-2107 Generalanwalt Geelhoed, Leendert A., Schlussantrag vom 23.2.2006 – Rs. C-374/04 („Test Claiments in Class IV of the ACT Group Litigation“), EuGHE 2006, I-11676 Generalanwalt Jacobs, Schlussantrag vom 26.1.1995 – Rs. C-384/93 („Alpine Investments“), EuGHE 1995, I-1144 Generalanwältin Kokott, Juliane, Schlussantrag vom 3.3.2005 – Rs. C-174/ 04 („Goldene Aktien – Italien“), EuGHE 2005, I-04935 Generalanwältin Kokott, Juliane, Schlussantrag vom 7.7.2005 – Rs. C-514/ 03 („Private Sicherheitsdienste – Spanien“), EuGHE 2006, I-00965 Generalanwältin Kokott, Juliane, Schlussantrag vom 12.09.2006 – Rs. C-231/05 („Oy AA“), EuGHE 2007, I-6373 Generalanwältin Kokott, Juliane, Schlussantrag vom 18.3.2004 – Rs. C-319/02 („Manninen“), EuGHE 2004, I-7480 350

Stellungnahmen der Generalanwälte

Generalanwalt La Pergola, Schlussantrag vom 16.7.1998 – Rs. C-212/97 („Centros“), EuGHE 1999, I-1461 ff. Generalanwalt Léger, Philippe, Schlussantrag vom 2. Mai 2006 – Rs. C-196/04 („Cadbury Schweppes“), EuGHE 2006, I-7995 Generalanwalt Léger, Philippe, Schlussantrag vom 14.04.2005 – Rs. C-253/03 („CLT-UFA“), EuGHE 2006, I-1831 Generalanwalt Léger, Philippe, Schlussantrag vom 20.1.1995 – Rs. C-55/94 („Gebhard“), EuGHE 1995, I-4168 Generalanwalt Léger, Philippe, Schlussantrag vom 20.5.1999 – Rs. C-439/ 97 („Sandoz“), EuGHE 1999, I-07043 Generalanwalt Lenz, Carl-Otto, Schlussantrag vom 5.11.1996 – Rs. C-250/ 95 („Futura“), EuGHE 1997, I-02473 Generalanwalt Lenz, Carl-Otto, Schlussantrag vom 15.12.1995 – Rs. C-415/ 93 („Bosman“), EuGHE 1995, 4930 Generalanwalt Maduro, M. Poiares, Schlussantrag vom 1.2.2006 – Rs. C-94/04 („Cipolla“), EuGHE 2006, I-11421 Generalanwalt Maduro, M. Poiares, Schlussantrag vom 07.04.2005 – Rs. C-446/03 („Marks & Spencer“), EuGHE 2005, I-10845 Generalanwalt Maduro, M. Poiares, Schlussantrag vom 20.3.2006 – Rs. C-158/04 und C-159/04 („Bake-Off“), EuGHE 2006, I-08135 Generalanwalt Mancini, G. Frederico, Schlussantrag vom 16.10.1985 – Rs. 270/83 („Avoir Fiscal“), EuGHE 1986, 275 Generalanwalt Mengozzi, Paolo, Schlussantrag vom 29.03.2007 – Rs. C-298/05 („Columbus Container“), EuGHE 2007, I-10451 Generalanwalt Mischo, Jean, Schlussantrag vom 2.03.1999 – Rs. C-307/97 („Compagnie de Saint-Gobain“), EuGHE 1999 I-06163 Generalanwalt Tizzano, Antonio, Schlussantrag vom 7.7.2005 – Rs. C-411/ 03 („Sevic“), EuGHE 2005, I-10815 Generalanwältin Stix-Hackl, Christine, Schlussantrag vom 11.3.2003 – Rs. C-322/01 („DocMorris“), EuGHE 2003, I-14890

351

.

Stichwortverzeichnis Anrechnungsmethode 46, 122, 207, 281, 284, 285, 287, 288, 289, 290, 291, 292, 312, 318 Anrechnungssystem 284, 306, 307 Äquivalenzprinzip 212, 245, 246, 247, 248 Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse 209, 211, 214, 237, 239, 277, 310 Binnenmarktkonzept 53, 74, 176 Binnenmarktziel 20, 53, 56, 58, 59, 60, 63, 64, 68, 69, 71, 76, 184, 335 Disparitäten 114, 133, 135, 136, 289, 291 Doppelregulierung 90, 116 echte Beschränkungen 86, 106, 129, 130 echtes Beschränkungsverbot 88, 91, 108, 115, 116, 124, 125, 126, 127, 128, 130, 139, 144, 159, 184, 194, 314, 315 Finanzierung 65, 110, 113, 125, 149, 150, 151, 155, 156, 159, 160, 187, 248, 249, 250, 252, 254, 255, 258, 290, 317, 319, 339, 341, 344 Finanzierungsaufwand 35, 258, 259, 260, 261, 262, 263, 264, 266, 267, 268, 270, 317 Finanzierungsfreiheit 249, 250, 251, 252, 253, 254, 255, 257, 258, 317 Freiheitsrecht 70, 75, 78, 79, 84, 87, 95, 117, 125, 129, 132, 333

Freistellungsmethode 47, 205, 206, 207, 280, 281, 282, 283, 284, 286, 287, 288, 289, 321 Freistellungssystem 301, 304, 305 Funktionsanalyse 228, 229, 238, 240, 243, 248, 252, 255, 277, 317 Gedanke der Wahlfreiheit 72, 73, 74, 134, 173 Gesamtbetrachtung 28, 29, 32, 33, 35, 68, 75, 91, 163, 164, 165, 167, 168, 264, 265, 266, 310, 311, 316 Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten 5, 51, 53, 57, 70, 73, 74, 75, 77, 78, 80, 88, 101, 126, 130, 139, 314, 315 Gewinnabgrenzung 9, 149, 160, 187, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 229, 230, 231, 232, 233, 234, 235, 236, 237, 238, 239, 240, 241, 242, 243, 244, 245, 246, 248, 249, 254, 255, 277, 317, 319, 324, 326, 328, 340 Gewinnbesteuerung 204, 210, 292, 293, 294, 295, 297, 301, 302, 304, 318, 319 Gleichheitsrecht 87 Goldene Aktien 101, 102, 103, 348, 350 Inländergleichbehandlung 19, 22, 50, 76, 77, 80, 81, 82, 113, 122, 192, 194 Konzept der Wahlfreiheit 159, 168, 170, 175, 176, 185, 316 Marktprinzip

53, 56, 58, 74, 314

353

Stichwortverzeichnis

Marktzugang 77, 84, 85, 93, 95, 102, 103, 104, 106, 107, 108, 131, 133, 136, 138, 139, 159, 176, 177, 178, 185, 189, 191, 315 Marktzugangsbeschränkung 103, 131 Mobilität 58, 62, 76, 80, 95, 107, 125, 126, 127, 129, 134, 139, 152, 159, 161, 167, 168, 174, 176, 181, 185, 194, 315, 316, 328, 336 Mobilität und Organisation 152, 159, 161, 167, 168, 174, 176, 181, 185, 194, 315, 316 Organisationsentscheidung Prinzip der Wahlfreiheit 315

177 162, 168,

Rechtsformneutralität 30, 39, 87, 141, 144, 146, 147, 148, 149, 150, 151, 152, 153, 154, 155, 156, 157, 161, 163, 178, 182, 183, 189, 190, 191, 192, 274, 279, 291, 299, 324, 325, 328, 329, 333, 336, 338, 339, 342, 343, 345, 346 relative Beschränkungen 86, 139, 144 Ressourcenallokation 61, 67, 73, 74, 76, 101, 128, 134, 145, 148, 152, 154, 156, 158, 168, 174, 182, 208, 314, 315

354

Steuerautonomie 46, 113, 136, 138 Trennungsprinzip 10, 11, 12, 47, 120, 199, 206, 216, 284 Unterschiedlichkeit der Rechtsformen 195, 316 unterschiedslos anwendbare Maßnahmen 92 Veräußerungsgewinn 271, 272, 273, 274, 275, 278 Vergleichbarkeit beider Rechtsformen 195, 316 Vergleichbarkeit der Niederlassungsformen 186, 241 Verlustberücksichtigung 4, 37, 42, 67, 87, 144, 187, 197, 198, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 205, 206, 207, 209, 210, 211, 213, 214, 215, 217, 218, 219, 220, 221, 317, 319, 323, 324, 325, 336, 337, 338, 346 Vermeidung der Doppelbesteuerung 11, 280, 281, 282, 283, 285, 287, 290, 295, 296, 297, 298, 309, 310, 311, 317 vollkommenen-föderalen Binnenmarkt 65, 68, 208 Wirkebenen der Grundfreiheiten 68, 71, 72, 88, 144