Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht 9783504387778

Aufgrund der veränderten steuerlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen sowie der internationalen Unternehmens-Mobilität

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Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht
 9783504387778

Table of contents :
Vorwort zur 2. Auflage
Aus dem Vorwort zur 1. Auflage
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Gesamtliteraturverzeichnis
1. Teil Grundlagen
Kapitel 1 Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen
Einleitung
A. Wirtschaftsreale Bedeutung von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug
B. Steuerliche Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug
C. Gestaltungsgrenzen für Umstrukturierungen mit Auslandsbezug
D. Zusammenfassende Beratungserkenntnisse für Umstrukturierungen mit Auslandsbezug
Kapitel 2 Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht
Einleitung
A. Einleitung
B. Rechtliche Rahmenbedingungen und Grundlagen
C. Umstrukturierungsmöglichkeiten im Einzelnen
D. Zusammenfassung
Kapitel 3 Auswirkung des Unionsrechts auf das deutsche Umwandlungssteuerrecht
Einleitung
A. Einführung
B. Die ertragsteuerliche Fusionsrichtlinie
C. Die Grundfreiheiten als primärrechtliche Grundlage eines Europäischen Umwandlungssteuerrechts
D. Spannungsfelder zwischen Europarecht und deutschem Umwandlungssteuerrecht
E. Verfahrensfragen und Rechtsschutz im Europäischen Umwandlungssteuerrecht
F. Ausblick
Kapitel 4 Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsvergleichung für das Steuerrecht
Vorwort
A. Einleitung
B. Allgemeiner Teil: Vergleichbarkeitsanforderungen für ausländische Umwandlungsvorgänge nach dem deutschen UmwStG
C. Länderanalyse: Prüfung der Vergleichbarkeit einzelner Umwandlungsvorgänge in ausgewählten EU-Mitgliedstaaten
D. Drittstaatenverschmelzungen
E. Ergebnis
Kapitel 5 Abkommensrechtliche Grundfragen bei internationalen Umstrukturierungen
Einleitung
A. Gegenstand des Kapitels
B. Abkommensrechtliches Normengefüge
C. Abkommensrechtliches Prüfungsschema für Umstrukturierungen
D. Abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte aus Umstrukturierungen
E. Vorbehaltsklauseln bei DBA-Freistellung
F. Rückwirkungsfiktionen
G. Zusammenfassung
Kapitel 6 Gestaltungsgrenzen internationaler Umstrukturierungen: angestrebte Statusverbesserungen und Abwehrmaßnahmen gegen „weiße Einkünfte“
Einleitung
A. Überblick: Typisierte Missbrauchsabwehr gegen Erlangung umstrukturierungsbedingter Steuervorteile
B. Umwandlungssteuerrechtliche Gestaltungsgrenzen bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen
C. Allgemeine Gestaltungsgrenzen bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen
D. Zusammenfassendes Ergebnis
Kapitel 7 Erfahrungsberichte mit internationalen Umwandlungen
Einleitung
A. Einleitung: Praxiserfahrungen mit internationalen Verschmelzungen im Mittelpunkt
B. Steuerlicher Vergleichbarkeitstest
C. Entstrickung bei grenzüberschreitender Hinausverschmelzung
D. Einheitlichkeitsgebot vs. Verstrickung bei Hereinverschmelzung
E. Ermittlung der Buchwerte bei Hereinverschmelzung
F. Ermittlung des Einlagenbestands bei Hereinverschmelzung
G. Steuerliche Rückwirkung
H. Verlustnutzung
I. Praxiserprobte Absicherungsmöglichkeiten
2. Teil Auslandsbezogene Umstrukturierungen im Einzelnen
Kapitel 8 Umwandlungen von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften
Vorwort
A. Einleitung
B. Grundsätze der Besteuerung der Umwandlung einer Kapital- in eine Personengesellschaft nach dem UmwStG (Inlandssachverhalte
C. Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug
D. Auslandsumwandlungen mit Inlandsbezug nach dem UmwStG
E. Grenzüberschreitende Umwandlungen
Kapitel 9 Umwandlungen von Personengesellschaften in Kapitalgesellschaften
Vorwort
A. Einleitung
B. Einbringung einer deutschen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) in eine deutsche Kapitalgesellschaft mit Auslandsgesellschafter oder -vermögen
C. Einbringung einer deutschen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) in eine ausländische Kapitalgesellschaft
D. Einbringung einer ausländischen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) in eine deutsche Kapitalgesellschaft
E. Einbringung einer ausländischen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) in eine ausländische Kapitalgesellschaft
F. Fiktiver Formwechsel durch Option zur Körperschaftsbesteuerung
Kapitel 10 Umwandlungen von Kapitalgesellschaften
Vorwort
A. Einleitung
B. Anwendungsbereich des UmwStG
C. Steuerrechtliche Rückbeziehung
D. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug
E. Ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug
F. Hinausumwandlung
G. Hereinumwandlung
H. Anteilstausch
Kapitel 11 Umwandlungen von transparent besteuerten Personengesellschaften
Einleitung
A. Grundfragen der internationalen Umstrukturierung von Personengesellschaften
B. § 24 UmwStG als umstrukturierungsbezogene Grundnorm mit globalem Anwendungsbereich
C. Grenzüberschreitende Einbringung/Verschmelzung von Personengesellschaften
D. Grenzüberschreitende Sitzverlegung einer Personengesellschaft
E. Besondere Umstrukturierungsgefahren internationaler Umwandlungen durch Sonderbetriebsvermögen
F. Ergebnis
Kapitel 12 Wegzug und Zuzug
Vorwort
A. Einleitung
B. Wegzugskonstellationen
C. Zuzugskonstellationen
D. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Kapitel 13 Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im Internationalen Steuerrecht
Vorwort
A. Einführung
B. Transfer eines Einzelwirtschaftsguts vom Inland in eine ausländische Betriebsstätte
C. Transfer eines Einzelwirtschaftsguts vom Ausland in das inländische Stammhaus oder eine inländische Betriebsstätte
D. Sonderfälle der steuerlichen Entstrickung und Verstrickung
E. Überführungen und Übertragungen auf Personengesellschaften gem. § 6 Abs. 5 Satz 1 bis 3 EStG
F. Zusammenfassung
3. Teil Praxisrelevante Einzelaspekte
Kapitel 14 Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte
Vorwort
A. Einleitung
B. Maßgeblichkeit und handelsbilanzielle Bezüge bei Umwandlungen
C. Verschmelzung von Kapital- auf Personengesellschaften (§§ 3–10 UmwStG)
D. Verschmelzung von Kapital- auf Kapitalgesellschaften (§§ 11–13 UmwStG)
E. Ab- und Aufspaltung von Kapitalgesellschaften
F. Einbringung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft
G. Anteilstausch
H. Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Personengesellschaft (§ 24 UmwStG)
Kapitel 15 Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu Betriebsstätten und Einkünfteabgrenzung
Vorwort
A. Einführung
B. Bedeutung der Betriebsstättenzuordnung bei internationalen Umwandlungen
C. Grundsätze der Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu Betriebsstätten
D. Anwendungsbeispiele: Grenzüberschreitende Hinausverschmelzung von Kapitalgesellschaften
Kapitel 16 Funktionsverlagerungen
Vorwort
A. Grenzüberschreitende Umstrukturierungen multinationaler Unternehmen durch Funktionsverlagerungen
B. Anwendungsrahmen der Regelungen zur Funktionsverlagerung
C. OECD Entwicklungen bei der Einordnung von Funktionsverlagerungen
D. Funktionsverlagerungsregelungen im nationalen Recht
E. Fazit
Kapitel 17 Absicherung von grenzüberschreitenden Umstrukturierungen/Gestaltungen
Vorwort
A. Einleitung
B. Absicherung durch Abstimmung mit Finanzbehörden oder Beratern
C. Vertragliche und sonstige Sicherungsinstrumente
D. Zusammenfassung
Kapitel 18 Doppelt ansässige Gesellschaften
Vorwort
A. Einführung
B. Ausgewählte laufende steuerliche Aspekte
C. Ausgewählte Aspekte im Zusammenhang mit Umwandlungen
D. Zusammenfassung
Kapitel 19 Hybride Gesellschaften
Vorwort
A. Einführung
B. Begriff und Arten der hybriden Gesellschaften
C. Laufende Besteuerung hybrider Gesellschaften
D. Nutzung hybrider Gesellschaften bei internationalen Umwandlungen
Kapitel 20 Option von Personengesellschaften zur Körperschaftsbesteuerung (§ 1a KStG)
Einleitung
A. Bedeutung der Körperschaftsteueroption im Internationalen Umwandlungssteuerrecht
B. Die Körperschaftsteueroption als Alternative zum heterogenen (typusändernden) Formwechsel im Internationalen Steuerrecht
C. Grenzüberschreitende Umwandlungen vor Ausübung der Körperschaftsteueroption
D. Grenzüberschreitende Umwandlungen nach Ausübung der Körperschaftsteueroption
E. Zusammenfassung
Kapitel 21 Gewerbesteuerliche Aspekte
Vorwort
A. Einführung
B. Überblick über die Gewerbesteuer
C. Unmittelbare Auswirkungen einer Umwandlung oder Umstrukturierung auf die Besteuerung mit Gewerbesteuer
D. Mittelbare Auswirkungen einer Umstrukturierung auf die laufende Besteuerung mit Gewerbesteuer
E. Zusammenfassung
Kapitel 22 Grenzüberschreitende Liquidationen
Vorwort
A. Einführung
B. Begriffsklärung
C. Besteuerung von Liquidationen im Überblick
D. Inbound-Sachverhalte
E. Outbound-Sachverhalte
F. Zusammenfassung
Stichwortverzeichnis

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Prinz . Desens Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht

.

Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht herausgegeben von

Prof. Dr. Ulrich Prinz Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Köln

Prof. Dr. Marc Desens Universität Leipzig

2. Auflage

2023

.

Bearbeitet von Dr. Stefanie Beinert, LL.M. (Chicago) Rechtsanwältin, Steuerberaterin, Frankfurt a.M.

Dr. Matthias Korff Steuerberater, München

Dr. Elmar Bindl Steuerberater, München

Marion Leherpeur Master in Management, EDHEC Business School, München

Julia Braun, M.Sc. Stuttgart

Dr. Sebastian Leidel Rechtsanwalt, München

Prof. Dr. Marc Desens Universitätsprofessor, Universität Leipzig

Cornelius Link Regierungsdirektor, Bundesministerium der Finanzen, Berlin

Prof. Dr. Florian Drinhausen Rechtsanwalt, Frankfurt a.M. Dr. Benjamin Engel Steuerberater, Stuttgart Emanuel Engelmann, LL.M. Steuerberater, Frankfurt a.M. Elias Erdem München Dr. Arne von Freeden, LL.M. (NYU) Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater, Bonn Dr. Johannes Frey, LL.M. (Georgetown) Rechtsanwalt, Frankfurt a.M.

Dr. Christian Pitzal Rechtsanwalt, Steuerberater, Hamburg Prof. Dr. Ulrich Prinz Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Köln Prof. Dr. Stephan Rasch, EMBA (Quantic) Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, München Dr. Lisa Riedel, M.Sc. Rechtsanwältin, Steuerberaterin, Bonn Dr. Matthias Scheifele Rechtsanwalt, Steuerberater, München

Dr. Andreas Gerten, LL.M. (NYU) Richter, Finanzgericht Berlin-Brandenburg

Dr. Helder Schnittker, LL.M. taxation Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Berlin

Dr. Harald Gesell Rechtsanwalt, Köln

Kevin Schümmer Rechtsanwalt, Düsseldorf

Gerd Goller Steuerberater, München

Dr. Frank-M. Schwarz Rechtsanwalt, Steuerberater, Frankfurt a.M.

Alexander Haller, LL.M. Steuerberater, München

Dr. Jan Sedemund, LL.M. taxation (USA) Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Köln

Prof. Dr. Dirk Jäschke Ministerialrat, Sächsisches Staatsministerium der Finanzen, Dresden

Dr. Rainer Stadler Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, München

Astrid Keinath Rechtsanwältin, Frankfurt a.M.

Ingo Sterner Rechtsanwalt, Steuerberater, Köln

Zitiervorschlag: Autorin/Autor in Prinz/Desens, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl., Köln 2023

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-26028-6 © 2023 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: PMGi – Agentur für intelligente Medien GmbH, Hamm Druck und Verarbeitung: Beltz, Bad Langensalza Printed in Germany

Vorwort zur 2. Auflage Wir freuen uns sehr, die 2. Auflage des Handbuchs „Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht“ in grundlegend überarbeiteter Gestalt, aktuell und kompakt, auf „der Höhe der Zeit“ vorlegen zu können. 10 Jahre sind seit der Erstauflage im Jahr 2013 vergangen. Die Internationalität des Wirtschaftens mit all ihren Vorzügen, aber auch Problemen – man denke an gestörte Lieferketten wegen der Corona-Pandemie und die dramatische Energieverteuerung durch den Ukraine-Krieg – ist seit 2013 deutlich vorangeschritten. Die grenzüberschreitende Mobilität von Unternehmen, gleich welcher Größe und Rechtsform, ist enorm gestiegen. Internationale Umstrukturierungen mit ihrem Variantenreichtum in Form von Verschmelzungen, Spaltungen, Formwechsel, Anwachsungen und Asset Deals haben in der Praxis mittlerweile zunehmende Bedeutung. Dies betrifft nicht nur die Konzerne, sondern auch den Mittelstand. Das nationale Umwandlungsrecht wurde mit Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie 2019 mit Wirkung ab 1.3.2023 europäisiert. EU/EWR-weite grenzüberschreitende Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechsel bei Körperschaften sind nun legislativ abgesichert. Drittstaatenvorgänge bleiben weiterhin außen vor, „unsere“ Personengesellschaften mit ihrem Auslandsbezug werden umwandlungsrechtlich vernachlässigt. Das flankierende Umwandlungssteuergesetz wurde zuletzt durch das KöMoG vom 25.6.2021 in Verschmelzungs-, Spaltungs- und Formwechselfällen mit Körperschaften globalisiert. Die grenzüberschreitende Einbringung in Kapitalgesellschaften ist dagegen wegen vermeintlicher „Entstrickungslücken“ auf europäischem Standard verblieben. Die BEPS (= Base Erosion Profit Shifting) – Initiativen des „International Framework der OECD-G20-Staaten“ mit ihren europäischen Richtlinien – Folgeumsetzungen hinterlassen auch im Umwandlungs- und Umwandlungssteuerrecht deutliche Spuren. Schließlich ist auch die EuGH-Rechtsprechung mittlerweile erkennbar ausdifferenzierter. Kurzum: Das Internationale Umwandlungssteuerrecht hat sich seit der Erstauflage im Jahre 2013 enorm verändert und weiterentwickelt. Das in 2. Auflage rundum erneuerte Handbuch zum Internationalen Umwandlungssteuerrecht versucht, diesen vielschichtigen Entwicklungen personell und inhaltlich Rechnung zu tragen, ohne dabei in der Erstauflage Bewährtes „über Bord“ zu werfen. Zum Ersten wurde der Herausgeberkreis um Professor Dr. Marc Desens erweitert, der neben den Gründungsherausgeber Professor Dr. Ulrich Prinz tritt und zudem das neue Kapitel 20 mit den internationalen Anwendungsfragen der Option von Personenhandelsgesellschaften zur Körperschaftsteuer gem. § 1a KStG übernommen hat. Steuerbetriebswirtschaftliche und steuerjuristische Umstrukturierungskompetenz werden im Prinz/Desens gebündelt und interdisziplinär vernetzt. Zum Zweiten sind einige Autoren der Erstauflage ausgeschieden, neue Autoren und Co-Autorenschaften aus Beratungspraxis, Finanzverwaltung, Richterschaft und Wissenschaft, sind mit neuen Kompetenzen und Sichtweisen hinzugetreten. Neben den beiden Herausgebern mit ihrer eigenen Autorenschaft haben insgesamt 29 Persönlichkeiten ihren Erfahrungsschatz in das Handbuch eingebracht. Allen Autoren gilt unser großer Dank für die übernommenen Mühen und die Disziplin bei der Bearbeitung ihrer Kapitel. Insgesamt liegt nun die 2. Auflage eines vielschichtigen Kompendiums zum In| VII

Vorwort zur 2. Auflage

ternationalen Umwandlungssteuerrecht vor, das den eingeschlagenen Weg der Erstauflage weiter vertieft, modernisiert und in seinem ganzen Facettenreichtum aufscheinen lässt. Dessen ungeachtet ist ein Werk „aus einem Guss“ entstanden. Die Dreiteilung des Handbuchs in Grundlagen (1. Teil), auslandsbezogene Umstrukturierungen im Einzelnen (2. Teil) sowie praxisrelevanten Einzelaspekten (3. Teil) hat sich bewährt und wurde beibehalten. Das Handbuch befindet sich insgesamt auf dem Rechtsstand Februar/März 2023. Die Nutzer des Buches sowie der digitalen Zugangsmöglichkeiten in den Online-Modulen des Otto Schmidt Verlags oder von juris sollten zu „ihrem Umstrukturierungsproblem“ stets verlässliche Hinweise zu Rechtsprechung, Finanzverwaltungsauffassung und offenen Rechtsfragen finden. Neben Kapitel 20 zu den grenzüberschreitenden Umstrukturierungsfragen der § 1a KStG Option wurden drei weitere neue Kapitel konzipiert. Neben der Ausleuchtung der „Gestaltungsgrenzen internationaler Umstrukturierungen“ von Lisa Riedel (Kapitel 6) sind dies die „Erfahrungsberichte mit internationalen Umwandlungen“ von Alexander Haller und Gerd Goller (Kapitel 7) sowie die Überlegungen von Johannes Frey und Frank Schwarz zur „Absicherung von grenzüberschreitenden Umstrukturierungen/Gestaltungen“ (Kapitel 17). Einzelne bereits bestehende Kapitel des Handbuchs wurden von neuen Autoren übernommen oder teils neu zugeschnitten und geschrieben. Auch wurden mehrere Co-Autorenschaften in Bearbeiter-Teams neugestaltet. Dies alles hat der Buntheit und dem Gedankenreichtum des Handbuchs gutgetan. Zum Schluss und nicht zu vergessen geht ein „großes Dankeschön“ an die zuständigen Mitarbeiter des Otto Schmidt Verlags sowie das Lektorat unseres Handbuchs, die mit Geduld und nie nachlassender Akribie unser Werk stets positiv betreut haben. Ohne deren unermüdlichen Einsatz hätte unser Werk nicht fertiggestellt werden können. Namentlich und besonders möchten wir Herrn RA Dr. Wolfgang Lingemann danken, der sogar an Samstagen und Sonntagen ein Ohr für die Herausgeberund Autorennöte hatte. Des Weiteren geht ein Dank an Herrn Thomas Fischer für die umsichtige Betreuung unseres Werks. Wir hoffen, dass auch die 2. Auflage des Handbuchs in der Steuercommunity eine positive Aufnahme finden wird. Anregungen und Kritik sind Herausgeber und Verlag stets willkommen. Köln/Leipzig im März 2023

VIII |

Prof. Dr. Ulrich Prinz Prof. Dr. Marc Desens

Aus dem Vorwort zur 1. Auflage Die Wirtschaftsrealität der Unternehmen weist zunehmend internationale Verflechtungen auf. Dies gilt über die multinational aufgestellten Konzerne hinaus mittlerweile auch für große Teile des Mittelstands. Deutschland als exportorientierte Nation und bedeutender Teil des europäischen Wirtschaftsraums ist ein internationaler Wirtschaftsstandort mit großer Attraktivität für Inbound- und Outbound-Investitionen. Internationale Mobilität der Unternehmen im EU-Raum, aber auch weltweit, Strukturveränderungen hinein nach und heraus aus Deutschland dürfen dabei nicht durch Rechts- und Steuernachteile behindert werden. Ein nicht immer leichtes Unterfangen – stellen sich doch bei jeglicher internationaler Umstrukturierung Mehrstaatenprobleme. Denn die Rechtsstrukturen der betroffenen Länder sind trotz Harmonisierungsbemühungen in Europa und im DBA-Recht oft allenfalls begrenzt aufeinander abgestimmt. Internationale Umwandlungen bedürfen stets eingehender Planung und Begleitung durch Steuer- und Rechtsexperten. Ein allumfassendes Gesetzbuch zum „Internationalen Umwandlungssteuerrecht“ existiert aber nicht. Das vorliegende Handbuch „Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht“ will Orientierung und Detailhilfe in diesem äußerst komplexen und schnelllebigen Rechtsgebiet geben. Das Ziel, umwandlungssteuerliches Know-how mit internationalem Steuerrecht zu kombinieren, stellt dabei eine „doppelte Herausforderung“ dar, die es zu bewältigen gilt. Das Buch ordnet dazu die vielschichtigen Themen in drei Teilbereiche ein. Sie werden durch namhafte Experten aus Rechtsprechung, Wissenschaft, Finanzverwaltung und Beraterschaft bearbeitet. Das Steuerrecht steht bei der jeweiligen Bearbeitung im Mittelpunkt. Gesellschaftsrechtliche und bilanzielle Aspekte werden flankierend aufgenommen. Dieser integrierte Ansatz ist neu und füllt eine Lücke im bisherigen Schrifttum. Das Werk befindet sich auf dem Rechtsstand Oktober 2012. In Teil 1 des Handbuchs werden die Grundfragen internationaler Umwandlungen aus steuerrechtlicher und gesellschaftsrechtlicher Sicht bearbeitet. Dabei wird den EU- und abkommensrechtlichen Grundfragen und dem Thema der gesellschaftsrechtlichen Rechtsvergleichung im Steuerrecht besonderer Raum gegeben. Teil 2 des Handbuchs befasst sich im Detail mit den verschiedenen Varianten auslandsbezogener Umwandlungen. Der grenzüberschreitende Rechtsformwechsel aus der Kapitalin eine Personengesellschaft und innerhalb von Kapital- und Personengesellschaften wird dabei ebenso behandelt wie ihr Weg- und Zuzug sowie Umstrukturierungen durch Transfers von Einzelwirtschaftsgütern. Teil 3 widmet sich schließlich diversen hoch spezialisierten Einzelfragen aus dem internationalen Umstrukturierungsrecht. Behandelt werden z.B. doppelt ansässige und hybride Gesellschaften mit ihren umstrukturierungsbezogenen Besonderheiten oder die grenzüberschreitende Liquidation im umwandlungsbezogenen Kontext. Auch die verfahrensrechtlichen Absicherungsmöglichkeiten zur Risikominimierung bei internationalen Umwandlungen werden erläutert.

| IX

Aus dem Vorwort zur 1. Auflage

Autoren und Verlag gebührt unser großer Dank. Auch danken Verlag und Herausgeber Herrn Steuerberater Georg Seitz für seine fachkundige Begleitung des Werks. Der Weg von der Idee zu einem solchen Handbuch bis zu seiner Realisation war nicht immer ganz leicht. Schriftstellerische Tätigkeit lässt sich stets nur mit Verzicht auf Freizeit bewerkstelligen und bedarf nachhaltigen Einsatzes. Wir hoffen sehr, dass unser Handbuch eine gute Aufnahme im Fachpublikum finden wird. [...] Köln, im November 2012

X |

Der Herausgeber Prof. Dr. Ulrich Prinz

Inhaltsübersicht Vorwort zur 2. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Seite VII

Aus dem Vorwort zur 1. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXI

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

LXXI

Gesamtliteraturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XCI

1. Teil Grundlagen Kapitel 1 Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen (Prinz) A. Wirtschaftsreale Bedeutung von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite 1.1

4

B. Steuerliche Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.6

7

C. Gestaltungsgrenzen für Umstrukturierungen mit Auslandsbezug . .

1.54

56

D. Zusammenfassende Beratungserkenntnisse für Umstrukturierungen mit Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.83

79

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.1

84

B. Rechtliche Rahmenbedingungen und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . .

2.2

84

C. Umstrukturierungsmöglichkeiten im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . .

2.34

99

D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.159

134

Kapitel 2 Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht (Gesell)

XI

Inhaltsübersicht

Kapitel 3 Auswirkung des Unionsrechts auf das deutsche Umwandlungssteuerrecht (Sedemund) A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite 3.1 140

B. Die ertragsteuerliche Fusionsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.37

153

C. Die Grundfreiheiten als primärrechtliche Grundlage eines Europäischen Umwandlungssteuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.104

173

D. Spannungsfelder zwischen Europarecht und deutschem Umwandlungssteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.165

192

E. Verfahrensfragen und Rechtsschutz im Europäischen Umwandlungssteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.199

200

F. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.221

206

Kapitel 4 Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsvergleichung für das Steuerrecht (Drinhausen/Keinath) A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.1

208

B. Allgemeiner Teil: Vergleichbarkeitsanforderungen für ausländische Umwandlungsvorgänge nach dem deutschen UmwStG . . . .

4.2

208

C. Länderanalyse: Prüfung der Vergleichbarkeit einzelner Umwandlungsvorgänge in ausgewählten EU-Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . .

4.49

231

D. Drittstaatenverschmelzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.87

243

E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.91

244

A. Gegenstand des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.1

248

B. Abkommensrechtliches Normengefüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.3

248

C. Abkommensrechtliches Prüfungsschema für Umstrukturierungen .

5.28

262

Kapitel 5 Abkommensrechtliche Grundfragen bei internationalen Umstrukturierungen (Engel/Engelmann)

XII

Inhaltsübersicht Rz. Seite

D. Abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte aus Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.29

263

E. Vorbehaltsklauseln bei DBA-Freistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.71

287

F. Rückwirkungsfiktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.91

298

G. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.107

304

Kapitel 6 Gestaltungsgrenzen internationaler Umstrukturierungen: angestrebte Statusverbesserungen und Abwehrmaßnahmen gegen „weiße Einkünfte“ (Riedel) A. Überblick: Typisierte Missbrauchsabwehr gegen Erlangung umstrukturierungsbedingter Steuervorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6.1

306

B. Umwandlungssteuerrechtliche Gestaltungsgrenzen bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6.2

307

C. Allgemeine Gestaltungsgrenzen bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6.27

321

D. Zusammenfassendes Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6.35

325

A. Einleitung: Praxiserfahrungen mit internationalen Verschmelzungen im Mittelpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7.1

328

B. Steuerlicher Vergleichbarkeitstest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7.2

328

C. Entstrickung bei grenzüberschreitender Hinausverschmelzung . . .

7.10

333

D. Einheitlichkeitsgebot vs. Verstrickung bei Hereinverschmelzung . .

7.17

337

E. Ermittlung der Buchwerte bei Hereinverschmelzung . . . . . . . . . . . .

7.23

340

F. Ermittlung des Einlagenbestands bei Hereinverschmelzung . . . . . .

7.25

341

G. Steuerliche Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7.28

343

H. Verlustnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7.32

346

I. Praxiserprobte Absicherungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7.36

348

Kapitel 7 Erfahrungsberichte mit internationalen Umwandlungen (Haller/Goller)

XIII

Inhaltsübersicht

2. Teil Auslandsbezogene Umstrukturierungen im Einzelnen Kapitel 8 Umwandlungen von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften (Jäschke/Link) A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite 8.1 357

B. Grundsätze der Besteuerung der Umwandlung einer Kapital- in eine Personengesellschaft nach dem UmwStG (Inlandssachverhalte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8.33

380

C. Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8.56

395

D. Auslandsumwandlungen mit Inlandsbezug nach dem UmwStG . . .

8.100

418

E. Grenzüberschreitende Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8.168

450

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9.1

472

B. Einbringung einer deutschen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) in eine deutsche Kapitalgesellschaft mit Auslandsgesellschafter oder -vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9.23

482

C. Einbringung einer deutschen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) in eine ausländische Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . .

9.126

506

D. Einbringung einer ausländischen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) in eine deutsche Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . .

9.199

525

E. Einbringung einer ausländischen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) in eine ausländische Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . .

9.250

538

F. Fiktiver Formwechsel durch Option zur Körperschaftsbesteuerung

9.288

547

Kapitel 9 Umwandlungen von Personengesellschaften in Kapitalgesellschaften (Sterner)

XIV

Inhaltsübersicht

Kapitel 10 Umwandlungen von Kapitalgesellschaften (Beinert/Scheifele) A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite 10.1 558

B. Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10.25

564

C. Steuerrechtliche Rückbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10.34

568

D. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . .

10.46

573

E. Ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.136

613

F. Hinausumwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.214

642

G. Hereinumwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.267

664

H. Anteilstausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.295

673

Kapitel 11 Umwandlungen von transparent besteuerten Personengesellschaften (Prinz) A. Grundfragen der internationalen Umstrukturierung von Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11.1

693

B. § 24 UmwStG als umstrukturierungsbezogene Grundnorm mit globalem Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11.11

704

C. Grenzüberschreitende Einbringung/Verschmelzung von Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11.19

710

D. Grenzüberschreitende Sitzverlegung einer Personengesellschaft . . .

11.29

716

E. Besondere Umstrukturierungsgefahren internationaler Umwandlungen durch Sonderbetriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11.32

717

F. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11.36

719

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12.1

726

B. Wegzugskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12.6

728

C. Zuzugskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12.93

769

D. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.156

794

Kapitel 12 Wegzug und Zuzug (Schnittker/Schümmer/Pitzal)

XV

Inhaltsübersicht

Kapitel 13 Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im Internationalen Steuerrecht (Gerten) A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Transfer eines Einzelwirtschaftsguts vom Inland in eine ausländische Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite 13.1 804 13.38

822

C. Transfer eines Einzelwirtschaftsguts vom Ausland in das inländische Stammhaus oder eine inländische Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . 13.154

876

D. Sonderfälle der steuerlichen Entstrickung und Verstrickung . . . . . . 13.171

883

E. Überführungen und Übertragungen auf Personengesellschaften gem. § 6 Abs. 5 Satz 1 bis 3 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.189

891

F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.226

906

3. Teil Praxisrelevante Einzelaspekte Kapitel 14 Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte (Braun) A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14.1

918

B. Maßgeblichkeit und handelsbilanzielle Bezüge bei Umwandlungen

14.6

920

C. Verschmelzung von Kapital- auf Personengesellschaften (§§ 3–10 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14.13

924

D. Verschmelzung von Kapital- auf Kapitalgesellschaften (§§ 11–13 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.100

974

E. Ab- und Aufspaltung von Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 14.119

985

F. Einbringung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft . . . . . . . . . 14.138

998

G. Anteilstausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.192 1032 H. Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Personengesellschaft (§ 24 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . 14.206 1039

XVI

Inhaltsübersicht

Kapitel 15 Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu Betriebsstätten und Einkünfteabgrenzung (Korff/Erdem) A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite 15.1 1050

B. Bedeutung der Betriebsstättenzuordnung bei internationalen Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15.5 1053

C. Grundsätze der Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu Betriebsstätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15.39 1072

D. Anwendungsbeispiele: Grenzüberschreitende Hinausverschmelzung von Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15.92 1112

Kapitel 16 Funktionsverlagerungen (Rasch/Leherpeur) A. Grenzüberschreitende Umstrukturierungen multinationaler Unternehmen durch Funktionsverlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16.1 1124

B. Anwendungsrahmen der Regelungen zur Funktionsverlagerung . .

16.8 1131

C. OECD Entwicklungen bei der Einordnung von Funktionsverlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16.15 1134

D. Funktionsverlagerungsregelungen im nationalen Recht . . . . . . . . . .

16.23 1144

E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16.83 1178

Kapitel 17 Absicherung von grenzüberschreitenden Umstrukturierungen/Gestaltungen (J. Frey/F.-M. Schwarz) A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17.1 1180

B. Absicherung durch Abstimmung mit Finanzbehörden oder Beratern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17.7 1184

C. Vertragliche und sonstige Sicherungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . .

17.55 1200

D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17.68 1205

XVII

Inhaltsübersicht

Kapitel 18 Doppelt ansässige Gesellschaften (Bindl/Stadler) A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite 18.1 1209

B. Ausgewählte laufende steuerliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18.23 1222

C. Ausgewählte Aspekte im Zusammenhang mit Umwandlungen . . .

18.66 1246

D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18.93 1257

Kapitel 19 Hybride Gesellschaften (Sterner) A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19.1 1262

B. Begriff und Arten der hybriden Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . .

19.2 1262

C. Laufende Besteuerung hybrider Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . .

19.18 1271

D. Nutzung hybrider Gesellschaften bei internationalen Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19.34 1281

Kapitel 20 Option von Personengesellschaften zur Körperschaftsbesteuerung (§ 1a KStG) (Desens) A. Bedeutung der Körperschaftsteueroption im Internationalen Umwandlungssteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20.1 1298

B. Die Körperschaftsteueroption als Alternative zum heterogenen (typusändernden) Formwechsel im Internationalen Steuerrecht . . . . .

20.9 1303

C. Grenzüberschreitende Umwandlungen vor Ausübung der Körperschaftsteueroption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.152 1380 D. Grenzüberschreitende Umwandlungen nach Ausübung der Körperschaftsteueroption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.162 1385 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.174 1392

XVIII

Inhaltsübersicht

Kapitel 21 Gewerbesteuerliche Aspekte (von Freeden) A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite 21.1 1395

B. Überblick über die Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21.2 1395

C. Unmittelbare Auswirkungen einer Umwandlung oder Umstrukturierung auf die Besteuerung mit Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . .

21.27 1408

D. Mittelbare Auswirkungen einer Umstrukturierung auf die laufende Besteuerung mit Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21.69 1422

E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21.83 1430

Kapitel 22 Grenzüberschreitende Liquidationen (Leidel) A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22.1 1432

B. Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22.3 1433

C. Besteuerung von Liquidationen im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22.10 1436

D. Inbound-Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22.16 1438

E. Outbound-Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22.55 1460

F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22.82 1470

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1473

XIX

XX

Inhaltsverzeichnis Vorwort zur 2. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Seite VII

Aus dem Vorwort zur 1. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

LXXI

Gesamtliteraturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XCI

1. Teil Grundlagen Kapitel 1 Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen (Prinz) A. Wirtschaftsreale Bedeutung von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Steuerliche Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriffsklärung und Gestaltungsformen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Terminologisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umstrukturierungsbezogene Grundkonstellationen . . . . . 3. Vertikale Detaillierung auslandsbezogener Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Klassische steuerliche Problemfelder bei Umstrukturierungen mit Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Systematik der Umstrukturierungen mit Auslandsberührung 1. Entwicklung eines steuerlichen Prüfungsschemas . . . . . . . 2. Rechtsformunterschiede (PersGes, KapGes, hybride Strukturen, Typenvergleich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inlandsumstrukturierungen mit Auslandsberührung . . . . 4. Auslandsumstrukturierungen mit Inlandsberührung . . . . 5. Grenzüberschreitende Umstrukturierungen: Hinausumstrukturierungen, Hereinumstrukturierungen, Transfer von Einzelwirtschaftsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Wegzug/Teilwegzug/Zuzug, grenzüberschreitende Sitzverlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite 1.1

4

1.6

7

1.6 1.6 1.8

7 7 8

1.9

9

1.10 1.11 1.11

14 15 15

1.13 1.19 1.20

17 20 23

1.21

26

1.23

28 XXI

Inhaltsverzeichnis III. Internationalsteuerliche Grundfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Betriebsstättenzuordnung mit Selbstständigkeitsfiktion; Zentralfunktion des Stammhauses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Realisationsfragen für stille Reserven bei (rechtlicher/tatsächlicher) Entstrickung/Verstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Vergleichbarkeitstest“ für ausländische Umwandlungen . 4. Europäischer Teilbetriebsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Quellensteuerfragen bei Umstrukturierungen mit Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Sonderfragen der grenzüberschreitenden Verschmelzung/Sitzverlegung einer SE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Verluste in grenzüberschreitenden Umstrukturierungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Grenzüberschreitende Kettenumstrukturierungen . . . . . . 9. Umstrukturierungen doppelt ansässiger Gesellschaften . . C. Gestaltungsgrenzen für Umstrukturierungen mit Auslandsbezug . . I. Ermittlung und Evaluation von steuerlichen Inlands- und Auslandsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Missbrauchstest des § 42 AO, steuerschädlicher Gesamtplan. III. Rückwirkungs- und Rückbeziehungsfragen zur Vermeidung weißer Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Instrumentarium des Treaty Override . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Hinzurechnungsbesteuerung bei ausländischen Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Grenzüberschreitende Korrespondenzregelungen und Qualifikationsverkettungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Postumstrukturierungsbezogene Maßnahmen mit Steuerbezug: Sperrfristen, Finanzierung, Organschaft, Rechtsformwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. EU-/DBA-rechtlicher Diskriminierungsschutz bei Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Internationale Absicherung grenzüberschreitender Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassende Beratungserkenntnisse für Umstrukturierungen mit Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXII

Rz. Seite 1.26 30 1.26

30

1.31 1.35 1.38

34 39 42

1.44

46

1.46

48

1.48 1.50 1.51

50 52 54

1.54

56

1.54 1.57

56 57

1.61 1.67

60 63

1.70

66

1.71

67

1.73

69

1.78

73

1.80

75

1.83

79

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 2 Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht (Gesell) A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Rechtliche Rahmenbedingungen und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . I. Deutsches Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Überlagerung des deutschen Rechts durch europäisches Recht bei EU-Bezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. EU-Vertragsrecht und Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Richtlinien, Verordnungen und Reformvorhaben . . . . . . . 3. Europäische Gesellschaftsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anwendung der Regeln der Europäischen Union auf die Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) . . . . . . . IV. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Vereinigte Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. BRIC-Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Weitere Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Umstrukturierungsmöglichkeiten im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verlegung des Verwaltungssitzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuzug nach Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aus der EU/dem EWR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aus der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aus Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Aus den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Aus den BRIC-Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Aus dem Rest der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wegzug aus Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) In die EU/den EWR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) In die Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nach Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) In die USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) In die BRIC-Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) In den Rest der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verlegung des Satzungssitzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hereinverschmelzung nach Deutschland . . . . . . . . . . . . . . a) Aus der EU/dem EWR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aus der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aus Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis d) e) f) g)

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Aus den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aus den BRIC-Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aus dem Rest der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: „Synthetische“ Verschmelzung über eine DLC-Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hinausverschmelzungen aus Deutschland . . . . . . . . . . . . . a) In die EU/den EWR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) In die Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nach Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) In die USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) In die BRIC-Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) In den Rest der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Spaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hereinspaltung nach Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aus der EU/dem EWR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aus der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aus Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Aus den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Aus den BRIC-Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Aus dem Rest der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hinausspaltung aus Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) In die EU/den EWR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) In die Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nach Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) In die USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) In die BRIC-Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) In den Rest der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nach Deutschland herein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aus der EU/dem EWR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aus der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aus Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Aus den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Aus den BRIC-Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Aus dem Rest der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aus Deutschland hinaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) In die EU/den EWR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) In die Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nach Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) In die USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) In die BRIC-Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) In den Rest der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.93 2.94 2.94 2.107 2.108 2.109 2.110 2.112 2.113 2.114 2.114 2.121 2.122 2.123 2.124 2.125 2.126 2.126 2.130 2.131 2.132 2.134 2.135 2.136 2.136 2.138 2.138 2.144 2.145 2.146 2.147 2.149 2.150 2.150 2.153 2.154 2.155 2.156 2.158

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D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.159

134

XXIV

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 3 Auswirkung des Unionsrechts auf das deutsche Umwandlungssteuerrecht (Sedemund) A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kompetenzgrundlagen für ein Europäisches Umwandlungssteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Primärrechtliche Kompetenzgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . 3. Sekundärrechtliche Kompetenzgrundlagen . . . . . . . . . . . . III. Rechtsquellen des Europäischen Umwandlungssteuerrechts . 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die ertragsteuerliche Fusionsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Weitere Europäische Rechtsquellen im Kontext von Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Verhältnis der europäischen Rechtsquellen zum nationalen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorrangprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis zu nationalem Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . a) Die Sichtweise des EuGH: Unbedingtes Vorrangprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfassungsrechtliche Schranken nach Meinung des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis für das Internationale Umwandlungssteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Rechtsverbindlichkeit der Entscheidungen des EuGH – Rechtsetzung durch Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die ertragsteuerliche Fusionsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundidee: Steuerneutralität grenzüberschreitender Umwandlungen und Sitzverlegungen von SE und SCE . . . . . . 3. Begünstigte Rechtsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erfasste Steuerarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Räumlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3.37 3.37 3.38 3.45 3.46 3.51 3.51

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Inhaltsverzeichnis 6. Begünstigte Vorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Spaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abspaltungen von Teilbetrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Einbringung von Unternehmensteilen . . . . . . . . . . . . . f) Austausch von Anteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Sitzverlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Besteuerung eines Veräußerungsgewinns auf Ebene des übertragenden Rechtsträgers bei Fusionen, Spaltungen und Abspaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Besteuerung eines Übernahmegewinns . . . . . . . c) Steuerfreiheit eines Veräußerungsgewinns auf Ebene der Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Sonderregelungen bei Einbringung einer Betriebsstätte . . 9. Sonderregelungen für hybride Gesellschaften . . . . . . . . . . 10. Missbrauchsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Umsetzungsfristen und unmittelbare Anwendbarkeit . . . 12. Europarechtswidrigkeit der Fusionsrichtlinie? . . . . . . . . . C. Die Grundfreiheiten als primärrechtliche Grundlage eines Europäischen Umwandlungssteuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die unmittelbare Wirkung der Grundfreiheiten im Internationalen Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auslegung der Grundfreiheiten durch den EuGH . . . . . . . . . IV. Vom allgemeinen Diskriminierungsverbot zu Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit als für das Internationale Umwandlungssteuerrecht maßgebliche Grundfreiheiten . . . . V. Der Aufbau der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzung eines grenzüberschreitenden Bezugs . . . . . 2. Schutzbereich und Normenkonkurrenz zwischen Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Direkter Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit . . . b) Direkter Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit . . . c) Abgrenzung und Normenkonkurrenz . . . . . . . . . . . . . d) Erweiterungen des Schutzbereichs der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVI

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Inhaltsverzeichnis VI. Auswirkungen eines Verstoßes gegen die Grundfreiheiten im Internationalen Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zeitlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundsätzlicher Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Versetzte Wirkung für später beigetretene Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beschränkte Rückwirkung der Grundfreiheiten nur im Ausnahmefall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Spannungsfelder zwischen Europarecht und deutschem Umwandlungssteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. § 1 UmwStG: Beschränkter Katalog begünstigter Vorgänge . III. § 2 Abs. 1 UmwStG: Steuerliche Rückwirkung . . . . . . . . . . . . IV. § 3 Abs. 2 UmwStG: Erfordernis der Steuerverstrickung . . . . V. § 11 Abs. 1 UmwStG: Kein Buchwertprivileg bei Abwärtsverschmelzung mit ausländischer Anteilseignerin? . . . . . . . . . VI. § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG: Erfordernis der Steuerverstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. § 11 Abs. Abs. 2 Sätze 2 und 3 UmwStG: Beteiligungskorrekturgewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. § 11 Abs. 3 UmwStG: Antragsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. § 12 Abs. 1 Satz 1 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. § 12 Abs. 1 Satz 2 UmwStG: Beteiligungskorrekturgewinn . . XI. § 12 Abs. 2 UmwStG: Außerbilanzielle Hinzurechnung von 5 % des steuerfreien Übernahmegewinns . . . . . . . . . . . . . . . . . XII. § 12 Abs. 3 UmwStG: Insbesondere Untergang von Verlustvorträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII. § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG: Erfordernis der Steuerverstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV. § 15 Abs. 1 Satz 2 UmwStG: Teilbetriebserfordernis und neutrales Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV. § 15 Abs. 2 UmwStG: Haltefristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVI. § 20 Abs. 1: Erfordernis neuer Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII. § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG: Steuerverstrickung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVIII. § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG: Antragsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX. § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG: Unzulässigkeit der Doppelten Buchwertverknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3.188

198 XXVII

Inhaltsverzeichnis XX. § 20 Abs. 6 Satz 4 UmwStG: Untergang insbesondere von Verlustvorträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI. 20 Abs. 9 UmwStG: Untergang von Zinsvortrag und EBITDA-Vortrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXII. § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG: Erfordernis neuer Anteile . . . . . XXIII. § 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG: Unzulässigkeit der Doppelten Buchwertverknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIV. § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG: Ausschließliche Begünstigung des qualifizierten Anteilstauschs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXV. § 22 Abs. 1 UmwStG: Besteuerung des Einbringungsgewinns I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVI. § 22 Abs. 2 UmwStG: Besteuerung des Einbringungsgewinns II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVII. § 22 Abs. 3 UmwStG: Nachweispflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVIII. § 24 Abs. 2 UmwStG: Erfordernis der Steuerverstrickung im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Verfahrensfragen und Rechtsschutz im Europäischen Umwandlungssteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die grundsätzliche Bindung an das Verfahrensrecht der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Europarechtliche Vorgaben für das Steuerverfahren . . . . . . . 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Effektivitätsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Äquivalenzgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der Weg des Steuerpflichtigen zum EuGH . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Überblick über die relevanten Verfahrensarten . . . . . . . . . 3. Das Vorabentscheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundsätzliches Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorlagerecht und Vorlagepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtswirkung der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXVIII

Rz. Seite 3.189

198

3.190 3.191

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200 200

3.200 3.203 3.203 3.204 3.206 3.207 3.207 3.208 3.212 3.212 3.213 3.216 3.218

201 201 201 201 202 202 202 203 204 204 204 205 205

3.221

206

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 4 Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsvergleichung für das Steuerrecht (Drinhausen/Keinath) A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Allgemeiner Teil: Vergleichbarkeitsanforderungen für ausländische Umwandlungsvorgänge nach dem deutschen UmwStG . . . . I. Gesetzliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begriff des ausländischen Umwandlungsvorgangs . . . . . . . . . III. Vergleichbarkeit ausländischer Umwandlungsvorgänge . . . . 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umwandlungsfähigkeit der beteiligten Rechtsträger . . . . . 3. Vergleichbarkeit der Strukturmerkmale des Umwandlungsvorgangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aufspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sonstige Vergleichbarkeitskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Umwandlungen von SE und grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umwandlung von SE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grenzüberschreitende Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Spaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anwachsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Länderanalyse: Prüfung der Vergleichbarkeit einzelner Umwandlungsvorgänge in ausgewählten EU-Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite 4.1 208

4.2 4.2 4.12 4.15 4.15 4.19

208 208 212 215 215 217

4.20 4.20 4.22 4.28 4.32 4.35 4.36

218 218 218 222 223 224 224

4.38 4.38 4.41 4.41 4.42 4.45 4.46 4.48

225 225 226 226 226 228 229 230

4.49 4.49 4.50 4.50 4.54 4.58 4.59 4.60 4.60 4.67 4.69 4.71

231 231 231 231 232 232 233 234 234 236 237 237 XXIX

Inhaltsverzeichnis IV. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite 4.73 238 4.73 238 4.79 240 4.84 241 4.86 242

D. Drittstaatenverschmelzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.87

243

E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.91

244

A. Gegenstand des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.1

248

B. Abkommensrechtliches Normengefüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einkünftequalifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Unilaterale Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.3 5.3 5.9 5.10 5.24 5.27

248 248 252 252 260 262

C. Abkommensrechtliches Prüfungsschema für Umstrukturierungen .

5.28

262

5.29

263

5.29 5.29 5.29 5.30 5.31 5.32 5.34 5.35 5.36 5.38

263 263 263 264 264 265 267 268 268 270

5.39 5.39 5.39 5.40 5.41

270 270 270 271 272

Kapitel 5 Abkommensrechtliche Grundfragen bei internationalen Umstrukturierungen (Engel/Engelmann)

D. Abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte aus Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umwandlungen im Anwendungsbereich des UmwStG . . a) Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einkünfte auf Gesellschafts- und Anteilseignerebene . c) Übertragungsgewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Übernahmegewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Beteiligungskorrekturgewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Übernahmefolgegewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Fiktive Ausschüttung gem. § 7 UmwStG . . . . . . . . . . . 2. Umwandlungen außerhalb des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . II. Umwandlung von Personengesellschaften in Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umwandlungen im Anwendungsbereich des UmwStG . . a) Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einkünfte auf Gesellschafts- und Anteilseignerebene . c) Einbringungsgewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXX

Inhaltsverzeichnis d) Einbringungsfolgegewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Einbringungsgewinn I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Einbringungsgewinn II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umwandlungen außerhalb des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . III. Umwandlung von Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umwandlungen im Anwendungsbereich des UmwStG . . a) Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einkünfte auf Gesellschafts- und Anteilseignerebene . c) Übertragungsgewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Übernahmegewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Beteiligungskorrekturgewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Übernahmefolgegewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Veräußerungsgewinne auf Anteilseignerebene . . . . . . 2. Umwandlungen außerhalb des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . IV. Umstrukturierung von Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . 1. Umwandlungen im Anwendungsbereich des UmwStG . . a) Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einkünfte auf Gesellschafts- und Anteilseignerebene . c) Einbringungsgewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einbringungsfolgegewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Einbringungsgewinn II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umwandlungen außerhalb des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . V. Einbringung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft . . . . . 1. Umwandlungen im Anwendungsbereich des UmwStG . . a) Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einkünfte auf Gesellschafts- und Anteilseignerebene . c) Einbringungsgewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einbringungsgewinn II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umwandlungen außerhalb des UmwStG . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite 5.44 274 5.45 274 5.47 275 5.48 276 5.49 277 5.49 277 5.49 277 5.50 277 5.51 277 5.52 278 5.54 280 5.55 280 5.56 280 5.57 281 5.59 282 5.59 282 5.59 282 5.60 282 5.61 283 5.63 284 5.64 284 5.65 284 5.66 285 5.66 285 5.66 285 5.67 285 5.68 286 5.69 286 5.70 287

E. Vorbehaltsklauseln bei DBA-Freistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick und Begriffsabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Divergierende Wahlrechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Divergenzen bei der Einkünftequalifikation sowie der Einordnung von Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.71 5.71 5.82

287 287 294

5.85

296

F. Rückwirkungsfiktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.91

298

G. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.107

304

XXXI

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 6 Gestaltungsgrenzen internationaler Umstrukturierungen: angestrebte Statusverbesserungen und Abwehrmaßnahmen gegen „weiße Einkünfte“ (Riedel) A. Überblick: Typisierte Missbrauchsabwehr gegen Erlangung umstrukturierungsbedingter Steuervorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Umwandlungssteuerrechtliche Gestaltungsgrenzen bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verhinderung sog. weißer Einkünfte im Rückwirkungszeitraum (§§ 2 Abs. 3, 20 Abs. 6 Satz 4, 24 Abs. 4 UmwStG) . . . . 1. Voraussetzungen und Rechtsfolgen von § 2 Abs. 3 UmwStG 2. Vorprüfung: Anwendung der Rückwirkungsregelungen dem Grunde nach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestimmung des Umwandlungsstichtags i.S.d. § 2 Abs. 1 UmwStG bei Umstrukturierungen mit Auslandsbezug . . . 4. Reduzierung des Risikos der Anwendung von § 2 Abs. 3 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einschränkungen bei der Berücksichtigung von Übernahmeverlusten (§ 4 Abs. 6 Satz 6 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grenzen bei Spaltungsvorgängen i.S.d. § 15 UmwStG . . . . . . 1. Schaffung der Teilbetriebsvoraussetzungen bei Spaltungsvorgängen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachspaltungsveräußerungssperre (§ 15 Abs. 2 Satz 2 bis 4 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vorbehaltensfrist bei der Trennung von Gesellschafterstämmen (§ 15 Abs. 2 Satz 5 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verhinderung einer gewerbesteuerfreien Betriebsbeendigung im Anschluss an Umstrukturierungen (§ 18 Abs. 3 UmwStG) VI. Verhinderung von Statusverbesserungen durch Einbringungen (Einbringungsgewinn I und II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Verhinderung von Statusverbesserungen bei der Umstrukturierung von Mitunternehmerschaften (§ 6 Abs. 5 Sätze 5 und 6 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) als Sonderfall im umwandlungssteuerlichen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Allgemeine Gestaltungsgrenzen bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Mißbrauchsabwehr im Zusammenhang mit Kapitalertragsteuer bei grenzüberschreitenden Strukturen (§ 50d Abs. 3 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXII

Rz. Seite 6.1

306

6.2

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6.2 6.2

307 307

6.4

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6.6

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6.7

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6.9 6.10

311 311

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6.24

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6.26

320

6.27

321

6.27

321

Inhaltsverzeichnis II. Verhinderung von abgeschirmten Auslandseinkünften bei Niedrigbesteuerung (§§ 7 ff. AStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grenzen der Gewerbesteuerfreiheit bei ausländischen Inlandsimmobiliengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Grenzen der Anwendung des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite 6.29

322

6.31

323

6.32

324

6.35

325

A. Einleitung: Praxiserfahrungen mit internationalen Verschmelzungen im Mittelpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7.1

328

B. Steuerlicher Vergleichbarkeitstest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7.2

328

C. Entstrickung bei grenzüberschreitender Hinausverschmelzung . . .

7.10

333

D. Einheitlichkeitsgebot vs. Verstrickung bei Hereinverschmelzung . .

7.17

337

E. Ermittlung der Buchwerte bei Hereinverschmelzung . . . . . . . . . . . .

7.23

340

F. Ermittlung des Einlagenbestands bei Hereinverschmelzung . . . . . .

7.25

341

G. Steuerliche Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7.28

343

H. Verlustnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7.32

346

I. Praxiserprobte Absicherungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7.36

348

8.1 8.1

357 357

8.5

363

D. Zusammenfassendes Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Kapitel 7 Erfahrungsberichte mit internationalen Umwandlungen (Haller/Goller)

2. Teil Auslandsbezogene Umstrukturierungen im Einzelnen Kapitel 8 Umwandlungen von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften (Jäschke/Link) A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Motivation für eine Umwandlung, optimale Steuerstruktur . II. Arten der Umwandlung von Kapital- in Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXXIII

Inhaltsverzeichnis III. Anwendungsbereich des Zweiten Teils des UmwStG . . . . . . . 1. Inländische Umwandlungen von Kapital- in Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug, grenzüberschreitende Umwandlungen und ausländische Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerliche Rückwirkung bei Umwandlung von Kapitalin Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. DBA-Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abkommensrechtliche Behandlung des Übertragungsgewinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abkommensrechtliche Behandlung der steuerlichen Effekte aus einer Umwandlung nach §§ 3 ff. UmwStG auf Anteilseignerebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen und § 5 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abkommensrechtliche Zuordnung von Wirtschaftsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Abkommensrechtliche Behandlung von Beteiligungen an Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fusionsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Grundsätze der Besteuerung der Umwandlung einer Kapital- in eine Personengesellschaft nach dem UmwStG (Inlandssachverhalte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Besteuerungsthemen (Überblick) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verschmelzung, Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abspaltung, Aufspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausgliederung und andere Formen der Einbringung . . . . II. Teilbetriebserfordernis bei Spaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Besteuerung der übertragenden Kapitalgesellschaft . . . . . . . . 1. Wertansatz in der steuerlichen Schlussbilanz . . . . . . . . . . . 2. Antrag nach § 3 Abs. 2 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besteuerung des Übertragungsgewinns . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Steuerliche Folgen für die übernehmende Personengesellschaft (Ermittlung der Einkünfte) und Besteuerung der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines, Ausgangsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ermittlung des Übernahmeergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besteuerung der offenen Rücklagen, Kapitalertragsteuereinbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gewerbesteuerliche Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis C. Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Mögliche Konstellationen (Überblick) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuerliche Besonderheiten bei Verschmelzung, Formwechsel, Auf- und Abspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beteiligung einer ausländischem Gesellschaftsstatut unterliegenden Gesellschaft: Persönlicher Anwendungsbereich des UmwStG und vergleichbarer ausländischer Vorgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesellschafterbezogene Prüfung des § 3 Abs. 2 Satz 1 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Betriebsvermögen beim übernehmenden Rechtsträger, § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 1 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . 4. Sicherstellen der Besteuerung, § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 2 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kein Ausschluss oder Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts, § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG . . . . . . 6. Auswirkungen der BFH-Rechtsprechung zum Verständnis des Besteuerungsrechts bei Neuzuordnung von Wirtschaftsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Vereinbarkeit mit Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Einlagefiktion des § 5 Abs. 2 UmwStG bei beschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Überführungsfiktion für betriebliche Anteile, § 5 Abs. 3 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.Besteuerung der offenen Rücklagen, Kapitalertragsteuereinbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.Ausländische Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.Zuschlag für neutrales Vermögen, § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.Verlustabzug bei Auslandsbetriebsstätten . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassendes Beispiel zu einer Umwandlung mit Auslandsberührung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Steuerliche Besonderheiten bei Ausgliederung und anderen Formen der Einbringung gem. § 24 UmwStG . . . . . . . . . . . . . 1. Persönlicher Anwendungsbereich des § 24 UmwStG . . . . 2. Vergleichbarer ausländischer Vorgang, § 1 Abs. 4 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerliche Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Antragsrecht auf Buch- oder Zwischenwertansatz – kein Ausschluss bzw. keine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts, § 24 Abs. 2 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . D. Auslandsumwandlungen mit Inlandsbezug nach dem UmwStG . . . I. Mögliche Konstellationen (Überblick) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis II. Steuerliche Besonderheiten bei Verschmelzung, Formwechsel, Auf- und Abspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Persönlicher Anwendungsbereich der §§ 3 ff., 16 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vergleichbarer ausländischer Vorgang, § 1 Abs. 1 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mängel der Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Steuerliche Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Antragsrecht auf Buch- oder Zwischenwertansatz, § 3 Abs. 2 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Kein Ausschluss bzw. keine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts, § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG . . . . 7. Steuerliche Schlussbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Erklärungspflicht, Antragspflicht, zuständiges Finanzamt 9. Erstmalige Steuerverstrickung von Wirtschaftsgütern in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Zuschlag für neutrales Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassendes Beispiel zu einer Auslandsumwandlung mit Inlandsbezug (Formwechsel im europäischen Ausland) . 1. Beispiel: Formwechsel in Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendbarkeit des deutschen UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rückwirkungszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsfolgen beim neuen Rechtsträger (polnische Personengesellschaft), §§ 4, 6, 8 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsfolgen beim deutschen Anteilseigner . . . . . . . . . . . . 6. Verhältnis zwischen § 3 UmwStG und § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Steuerliche Besonderheiten bei Ausgliederung und anderen Einbringungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Persönlicher Anwendungsbereich des § 24 UmwStG . . . . 2. Vergleichbarer ausländischer Vorgang, § 1 Abs. 4 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerliche Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Antragsrecht auf Buch- oder Zwischenwertansatz – kein Ausschluss bzw. keine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts, § 24 Abs. 2 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . V. Umwandlungen außerhalb des UmwStG mit inländischem Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umwandlungen als tauschähnliche Vorgänge . . . . . . . . . . 2. Umwandlung einer Kapitalgesellschaft außerhalb des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verschmelzung auf eine Personengesellschaft . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 4. Formwechsel in eine Personengesellschaft außerhalb des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Hinzurechnungsbesteuerung bei der Umwandlung ausländischer Kapitalgesellschaften? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Grenzüberschreitende Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Hinausverschmelzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zivilrechtliche Grundlagen, mögliche Konstellationen . . . 2. Steuerliche Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fallkonstellation Hinausverschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . II. Hereinverschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mögliche Konstellationen (Überblick) . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerliche Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grenzüberschreitender Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Grenzüberschreitender Spaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 9 Umwandlungen von Personengesellschaften in Kapitalgesellschaften (Sterner) A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Besonderheiten deutscher Personengesellschaftsbesteuerung mit Umwandlungsrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inländische Steuerrechtsaspekte für Personengesellschaftsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausländische Steuerrechtsaspekte für Personengesellschaftsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Praxiserprobte Vorgehensweise bei Umwandlung einer Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erste Stufe: Laufender Belastungsvergleich, Exitszenario . 2. Zweite Stufe: Ermittlung der umwandlungsbezogenen Steuerbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Einbringung einer deutschen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) in eine deutsche Kapitalgesellschaft mit Auslandsgesellschafter oder -vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Deutsche Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) . 2. Deutsche Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Umwandlung (oder Einbringung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. (Keine) steuerpflichtige Aufdeckung stiller Reserven . . . .

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Inhaltsverzeichnis II. Buchwertansatz für den Einbringungsvorgang . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendbarkeit des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausländisches Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausländische Gesellschafter (natürliche Personen oder Kapitalgesellschaften) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umwandlung bzw. Einbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einbringungsgegenstand: Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil i.S.d. § 20 Abs. 1 UmwStG . . . . c) Übernehmende Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Antrag (§ 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sperrfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rückbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ausländische Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erfordernis der Prüfung ausländischer Steuerrechtsfolgen 2. Umwandlung (bzw. Einbringung) zu deutschen steuerlichen Buchwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umwandlung (bzw. Einbringung) zu deutschen steuerlichen gemeinen Werten oder Zwischenwerten . . . . . . . . . . C. Einbringung einer deutschen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) in eine ausländische Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Deutsche Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) . 2. Ausländische Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Umwandlung (oder Einbringung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. (Keine) steuerpflichtige Aufdeckung steuerlicher stiller Reserven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Buchwertansatz für den Einbringungsvorgang . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendbarkeit des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats der EU oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, gegründete Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sitz und Ort der Geschäftsleitung innerhalb des Hoheitsgebiets eines EU- oder EWR-Staates . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 3. Umwandlung bzw. Einbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einbringungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Übernehmende Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Buchwertansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sicherstellung, dass das Betriebsvermögen später bei der übernehmenden Körperschaft der Besteuerung mit Körperschaftsteuer unterliegt . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Passivposten des eingebrachten Betriebsvermögens die Aktivposten nicht übersteigen . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Begründung eines unbeschränkten oder beschränkten deutschen Besteuerungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Antrag (§ 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Sperrfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rückbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ausländische Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erfordernis zur Prüfung ausländischer Rechtsfolgen . . . . . 2. Umwandlung (bzw. Einbringung) zu deutschen steuerlichen Buchwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umwandlung (bzw. Einbringung) zu deutschen steuerlichen gemeinen Werten oder Zwischenwerten . . . . . . . . . . D. Einbringung einer ausländischen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) in eine deutsche Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausländische Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutsche Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Umwandlung (oder Einbringung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. (Keine) steuerpflichtige Aufdeckung steuerlicher stiller Reserven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Buchwertansatz für den Einbringungsvorgang . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendbarkeit des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umwandlung bzw. Einbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Begründung eines deutschen Besteuerungsrechts . . . . . . . 5. Fiktive Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer bei Einbringung einer ausländischen Personengesellschaft (§ 20 Abs. 8 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sperrfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rückbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite 9.163 516 9.163 516 9.164 517 9.165 517 9.166 517 9.173 519 9.174

519

9.177

519

9.182 9.185 9.186 9.187 9.188 9.188

521 522 522 522 522 522

9.192

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9.199 9.199

525 525

9.199 9.203 9.204 9.206

525 526 526 527

9.210 9.218 9.218 9.219 9.223 9.226

528 530 530 531 532 533

9.229 9.231 9.232

533 534 534

XXXIX

Inhaltsverzeichnis V. Ausländische Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ebene der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aus der Sicht des ausländischen Staates intransparente Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aus der Sicht des ausländischen Staates transparente Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ebene der ausländischen Personengesellschaft . . . . . . . . . . a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aus der Sicht des ausländischen Staates intransparente Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aus der Sicht des ausländischen Staates transparente Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wechselwirkungen zwischen deutschen und ausländischen steuerlichen Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Umwandlung (bzw. Einbringung) zu deutschen steuerlichen Buchwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umwandlung (bzw. Einbringung) zu deutschen steuerlichen gemeinen Werten oder Zwischenwerten . . . . E. Einbringung einer ausländischen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) in eine ausländische Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausländische Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausländische Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Umwandlung (oder Einbringung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. (Keine) steuerpflichtige Aufdeckung steuerlicher stiller Reserven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Buchwertansatz für den Einbringungsvorgang . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendbarkeit des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umwandlung bzw. Einbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Buchwertansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Antrag (§ 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Sperrfrist, Rückbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ausländische Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Fiktiver Formwechsel durch Option zur Körperschaftsbesteuerung I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XL

Rz. Seite 9.233 535 9.233 535 9.234 535 9.234 535 9.235

535

9.236 9.238 9.238

535 536 536

9.239

536

9.241

536

9.242

536

9.242

536

9.246

537

9.250 9.250 9.251

538 538 539

9.251 9.254 9.255 9.258

539 540 540 540

9.260 9.265 9.265 9.266 9.274 9.277 9.282 9.283 9.284

541 542 542 542 544 545 546 546 546

9.288 9.288 9.291

547 547 548

Inhaltsverzeichnis III. Buchwertansatz für den Einbringungsvorgang . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen der Buchwertfortführung . . . . . . . . . . . . IV. Gestaltungshinweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 10 Umwandlungen von Kapitalgesellschaften (Beinert/Scheifele) A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Inhalt und Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Internationale Bezüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesellschaftsrechtliches versus steuerrechtliches Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Im Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Außerhalb des Anwendungsbereichs des UmwStG . . . . . .

10.1 10.1 10.1 10.2 10.5 10.6 10.6

558 558 558 558 558 558 558

10.7 10.18 10.22 10.22 10.23 10.24

559 563 563 563 563 564

B. Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umwandlungen i.S.v. §§ 2, 123 Abs. 1, 2 UmwG . . . . . . . . 3. Vergleichbare ausländische Vorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . .

10.25 10.25 10.27 10.29 10.29 10.30 10.31

564 564 565 566 566 566 567

C. Steuerrechtliche Rückbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . II. Ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug . . . . . . . . . . . . III. Hinausumwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Hereinumwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Anteilstausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10.34 10.34 10.36 10.37 10.44 10.45

568 568 569 569 572 573

D. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10.46 10.46 10.47

573 573 573 XLI

Inhaltsverzeichnis III. Im Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auslandsbezug durch ausländische Anteilseigner . . . . . . . a) Begriff und Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übertragende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Übernehmende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Inländische Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ausländische Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auslandsbezug durch ausländisches Vermögen . . . . . . . . . a) Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestehen eines deutschen Besteuerungsrechts . . . . . . . c) Übertragende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Übernehmende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Außerhalb des Anwendungsbereichs des UmwStG . . . . . . . . 1. Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übertragende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gewinnrealisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Berücksichtigung ausländischer Steuer . . . . . . . . . . . . . 4. Übernehmende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zugangsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übernahmeergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine Rechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Inländische Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Veräußerung (Tausch, tauschähnlicher Vorgang) . . . . c) Sachausschüttung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Liquidationsauskehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Steuerneutralität für Kleingesellschafter (§ 20 Abs. 4a EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ausländische Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Im Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendbarkeit der §§ 11 ff. bzw. § 15 UmwStG . . . . . . . . 2. Inlandsbezug durch im Inland steuerverstrickte Anteile . . a) Arten des Inlandsbezugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übertragende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Übernehmende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Inländische Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ausländische Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XLII

Rz. Seite 10.48 574 10.48 574 10.49 574 10.49 574 10.50 576 10.59 583 10.61 583 10.62 583 10.74 588 10.74 588 10.75 588 10.83 591 10.101 600 10.103 601 10.104 601 10.104 601 10.105 601 10.108 603 10.108 603 10.111 605 10.112 605 10.112 605 10.114 605 10.115 606 10.116 606 10.116 606 10.118 606 10.119 607 10.123 608 10.127 10.132

609 611

10.136 10.136 10.137 10.138 10.138 10.139 10.139 10.141 10.144 10.145 10.164

613 613 613 613 613 614 614 614 615 615 625

Inhaltsverzeichnis 3. Inlandsbezug durch inländisches Vermögen . . . . . . . . . . . a) Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übertragende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Übernehmende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Inländische/ausländische Anteilseigner . . . . . . . . . . . . IV. Außerhalb des Anwendungsbereichs des UmwStG . . . . . . . . 1. Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inlandsbezug durch im Inland steuerverstrickte Anteile . . a) Inländischer Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausländische Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inlandsbezug durch inländisches Vermögen . . . . . . . . . . . a) Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übertragende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Übernehmende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite 10.166 628 10.166 628 10.167 629 10.183 634 10.188 635 10.189 635 10.189 635 10.191 636 10.191 636 10.204 640 10.207 640 10.207 640 10.208 641 10.211 642

F. Hinausumwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entstrickungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendung der Entstrickungsregelungen . . . . . . . . . . 2. Europarechtskonformität der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umwandlungssteuerrechtliche („passive“) Entstrickung . a) Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zu einzelnen Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aktive Entstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Hinausverschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hinausverschmelzung in EU-/EWR-Raum . . . . . . . . . . . . a) Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . c) Übertragende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Übernehmende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Inländische/ausländische Anteilseigner . . . . . . . . . . . . 2. Hinausverschmelzung in Drittstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Hinausspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10.214 10.214 10.215 10.215 10.215 10.222

642 642 642 642 642 645

10.233 10.236 10.236 10.238 10.241 10.244 10.244 10.244 10.245 10.249 10.250 10.254 10.259 10.260

651 652 652 654 655 656 656 656 657 658 658 659 661 662

G. Hereinumwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Entstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Hereinverschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hereinverschmelzung aus EU-/EWR-Raum . . . . . . . . . . . a) Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10.267 10.267 10.268 10.275 10.276 10.276 10.276

664 664 664 667 668 668 668 XLIII

Inhaltsverzeichnis b) Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . c) Übertragende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Übernehmende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Inländische/ausländische Anteilseigner . . . . . . . . . . . . 2. Hereinverschmelzung aus Drittstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Hereinspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Anteilstausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendbarkeit des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Außerhalb des Anwendungsbereichs des UmwStG . . . . . . III. Anteilstausch nach § 21 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Arten des internationalen Bezugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausländischer Einbringender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übernehmende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einbringender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übernehmende Gesellschaft im Ausland ansässig . . . . . . . a) Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übernehmende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einbringender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausländische erworbene Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Mitteilungspflicht nach DAC6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Außerhalb des Anwendungsbereichs des UmwStG . . . . . . . .

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11.6

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11.9

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11.11 11.11

704 704

Kapitel 11 Umwandlungen von transparent besteuerten Personengesellschaften (Prinz) A. Grundfragen der internationalen Umstrukturierung von Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Deutsche Personengesellschaftbesteuerung im Umbruch mit Folgen für internationale Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . II. Internationale Konzeptvielfalt bei der PersonengesellschaftsBesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Internationale Umstrukturierungskonstellationen für Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. § 24 UmwStG als umstrukturierungsbezogene Grundnorm mit globalem Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen des § 24 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XLIV

Inhaltsverzeichnis II. Internationale Anwendung des § 24 UmwStG . . . . . . . . . . . . C. Grenzüberschreitende Einbringung/Verschmelzung von Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Unterschiedliche Gestaltungswege für Herein- und HinausUmstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ertragsteuerfolgen einer „Hinausverschmelzung“ . . . . . . . . . . III. Ertragsteuerfolgen einer „Hereinverschmelzung“ . . . . . . . . . .

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D. Grenzüberschreitende Sitzverlegung einer Personengesellschaft . . .

11.29

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E. Besondere Umstrukturierungsgefahren internationaler Umwandlungen durch Sonderbetriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11.32

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F. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11.36

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A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12.1

726

B. Wegzugskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeine gesellschafts- und kollisionsrechtliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nationales Sachrecht/Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) International unterschiedliche Anknüpfungskriterien: Sitz-/Gründungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Deutsches Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bisheriger Rechtsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Grenzüberschreitender Formwechsel nach der GesR-RL . 5. Zusammenfassung der Wegzugsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Folgen der Wegzugsfälle für das Gesellschaftsvermögen . . II. Steuerliche Rahmenbedingungen des Wegzugs . . . . . . . . . . . . 1. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft vom Inland in einen EU-/EWR-Staat (Fallgruppe KapG 1) a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12.6

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12.6 12.6 12.6 12.7 12.8 12.11 12.11

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12.31 12.32

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Kapitel 12 Wegzug und Zuzug (Schnittker/Schümmer/Pitzal)

XLV

Inhaltsverzeichnis 2. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Personengesellschaft vom Inland in einen EU-/EWR-Staat (Fallgruppe PersG 1.1 und PersG 1.2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft vom Inland in einen Drittstaat mit Gründungstheorie (Fallgruppe KapG 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Personengesellschaft vom Inland in einen Drittstaat mit Gründungstheorie (Fallgruppen PersG 1.1 und 1.2) . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft vom Inland in einen Drittstaat mit Sitztheorie (Fallgruppe KapG 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Personengesellschaft vom Inland in einen Drittstaat mit Sitztheorie (Fallgruppe PersG 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Grenzüberschreitender Formwechsel einer Kapitalgesellschaft (Fallgruppe KapG 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Europäische Gesellschaft (SE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Grenzüberschreitender Formwechsel einer Personengesellschaft (Fallgruppe PersG 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XLVI

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Inhaltsverzeichnis b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zuzugskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeine gesellschafts- und kollisionsrechtliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nationales Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Internationales Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Grenzüberschreitender Hereinformwechsel . . . . . . . . . . . . a) Bisheriger Rechtsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsrahmen nach der GesR-RL . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zusammenfassung der Zuzugsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Rechtliche Einordnung der Transformationsphase . . . . . . II. Steuerliche Rahmenbedingungen des Zuzugs . . . . . . . . . . . . . 1. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft aus einem EU-/EWR-Staat mit Gründungstheorie ins Inland (Fallgruppe KapG 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Personengesellschaft aus einem EU-/EWR-Staat mit Gründungstheorie ins Inland (Fallgruppe PersG 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ertragsteuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft aus einem Drittstaat mit Gründungstheorie ins Inland (Fallgruppe KapG 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Personengesellschaft aus einem Drittstaat mit Gründungstheorie ins Inland (Fallgruppe PersG 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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785 785 XLVII

Inhaltsverzeichnis 5. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft aus einem den Wegzug nicht gestattenden EU/EWRStaat ins Inland (Fallgruppe KapG 1 – Umkehrschluss) . . a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Personengesellschaft aus einem den Wegzug nicht gestattenden EU-/ EWR-Staat ins Inland (Fallgruppe PersG 1 – Umkehrschluss) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Grenzüberschreitender Formwechsel einer Kapitalgesellschaft (Fallgruppe KapG 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Grenzüberschreitender Formwechsel einer Personengesellschaft (Fallgruppe PersG 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wegzugsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesellschaftsrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Identitätswahrende Wegzugsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Identitätsändernde Wegzugsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zuzugsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesellschaftsrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Identitätswahrende Zuzugsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Identitätsändernde Zuzugsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XLVIII

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 13 Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im Internationalen Steuerrecht (Gerten) A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Realisationsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstrickung und Verstrickung von Wirtschaftsgütern . . . 3. Nutzungsentstrickung und Nutzungsverstrickung . . . . . . III. Bestehender Rechtsrahmen steuerlicher Entstrickungs- und Verstrickungsregelungen im betrieblichen Bereich . . . . . . . . . 1. Allgemeines Entstrickungs- und Verstrickungskonzept für Einzelwirtschaftsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstrickungs- und Verstrickungsregelungen bei Sachund Funktionsgesamtheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Spezielle Regelungen zur internationalen Vermögensund Erfolgsabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anforderungen des höherrangigen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Primäres Unionsrecht (Grundfreiheiten) . . . . . . . . . . . . . . a) National Grid Indus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) DMC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verder Lab Tec . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sekundäres Unionsrecht (Anti-Tax-Avoidance-Directives – ATAD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Transfer eines Einzelwirtschaftsguts vom Inland in eine ausländische Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsentwicklung der Entstrickungsbesteuerung . . . . . . . . . 1. Von der finalen Entnahmetheorie mit aufgeschobener Gewinnrealisierung zum allgemeinen Entstrickungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Finaler Entnahmebegriff der Rechtsprechung . . . . . . . b) Finanzverwaltung: Entnahme mit aufgeschobener Gewinnrealisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Überführungen in ausländische Nicht-DBA- und DBA-Anrechnungsbetriebsstätten . . . . . . . . . . . . . . . . d) Aufgabe des finalen Entnahmebegriffs durch den BFH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einführung eines allgemeinen Entstrickungskonzepts durch das SEStEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundzüge des Entstrickungskonzepts . . . . . . . . . . . . .

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XLIX

Inhaltsverzeichnis b) Leerlaufen der Entstrickungsbesteuerung nach dem BFH-Urteil v. 17.7.2008 – I R 77/06 . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einführung der § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG mit echter Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Entstrickungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rückwirkende Bestätigung und Verschärfung der Rechtslage durch das SEStEG und das JStG 2010 . . . . b) Stellungnahme zur Verfassungsmäßigkeit der Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis für Überführungen bis Ende 2010 . . . . . . . . . 5. Anpassung der Entstrickungsregelungen an das Unionsrecht durch das ATADUmsG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verhältnis der Entstrickungstatbestände zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verhältnis der Entstrickungstatbestände zu § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtslage vor Einführung der Entstrickungsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtslage nach Einführung der Entstrickungsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Überführung von Wirtschaftsgütern in ausländische Gesamthands- und Sonderbetriebsvermögen . . . . . . . 2. Verhältnis der Entstrickungstatbestände zu § 1 Abs. 5 AStG (AOA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundkonzeption des AOA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendbarkeit der allgemeinen Entstrickungstatbestände bei Neuzuordnung von Wirtschaftsgütern infolge Umsetzung des AOA (passive Entstrickung) . . c) Aufdeckung stiller Reserven als Folge der (anzunehmenden) Innentransaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis der Entstrickungstatbestände zu § 1 Abs. 3b AStG (Funktionsverlagerung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verhältnis der Entstrickungstatbestände zu § 1 Abs. 3c AStG (DEMPE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Tatbestandliche Voraussetzungen der Entstrickungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundtatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG/§ 12 Abs. 1 Satz 1 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestehen eines inländischen Besteuerungsrechts . . . . . b) Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder Nutzung eines Wirtschaftsguts . . . c) Ausschluss oder Beschränkung des inländischen Besteuerungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . L

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Inhaltsverzeichnis 2. Regelbeispiel in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG (Ausschluss oder Beschränkung des Besteuerungsrechts bei Zuordnungswechsel des Wirtschaftsguts). a) Anforderungen an einen Zuordnungswechsel i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG/§ 12 Abs. 1 Satz 2 KStG . . . . . . b) Zuordnungswechsel allein nicht ausreichend, um Entstrickung auszulösen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendung der Entstrickungsregelungen auf Personengesellschaften als Unternehmensträger . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überführung eines Wirtschaftsguts aus dem inländischen Stammhaus einer Personengesellschaft in deren ausländische Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entgeltliche Übertragungen auf eine ausländische Personengesellschaft außerhalb des § 6 Abs. 5 EStG . . c) Wegzug einzelner Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anwendung der Entstrickungsregelungen auf Kapitalgesellschaften als Unternehmensträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsfolgen der Entstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Behandlung der Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte in der Gewinnermittlung a) Kein Abgang des Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ansatz des gemeinen Werts aufgrund der Entstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zuordnung des erhöhten Abschreibungsaufwands zum Ergebnis der ausländischen Betriebsstätte . . . . . . 2. Behandlung der Nutzungsentstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wirkung der Entstrickung in anderen Vorschriften . . . . . V. Der Ausgleichsposten gem. § 4g EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt des Wahlrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auflösung des Ausgleichspostens nach § 4g EStG . . . . . . . 3. Rückführung des Wirtschaftsguts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Transfer eines Einzelwirtschaftsguts vom Ausland in das inländische Stammhaus oder eine inländische Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . I. Rechtsentwicklung der Verstrickungsregelungen . . . . . . . . . . 1. Vom finalen Einlagebegriff zum allgemeinen Verstrickungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einführung eines allgemeinen Verstrickungskonzepts durch das SEStEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anpassung der Verstrickungsregelungen an das Unionsrecht durch das ATADUmsG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verhältnis der Verstrickungsregelungen zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis III. Tatbestandliche Voraussetzungen der Verstrickungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begründung des deutschen Besteuerungsrechts . . . . . . . . . 3. Verstärkung des deutschen Besteuerungsrechts . . . . . . . . . IV. Rechtsfolgen der Verstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begründung des deutschen Besteuerungsrechts . . . . . . . . . 2. Verstärkung des deutschen Besteuerungsrechts . . . . . . . . . D. Sonderfälle der steuerlichen Entstrickung und Verstrickung . . . . . . I. Überführungen bei unbeschränkter Steuerpflicht im Inland . 1. Überführungen im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wegzug aus dem Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Überführungen bei beschränkter Steuerpflicht im Inland . . . 1. Überführungen aus inländischer Betriebsstätte in das Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Überführungen aus dem Ausland in eine inländische Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Entstrickung und Verstrickung ohne zurechenbares Verhalten des Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zulässigkeit der passiven Entstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonderfall: Änderung von Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zum Abkommensverständnis gewerblich geprägter Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zulässigkeit der passiven Verstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . E. Überführungen und Übertragungen auf Personengesellschaften gem. § 6 Abs. 5 Satz 1 bis 3 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abgrenzung der Betriebsstätten von Gesellschaft und Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Überführung in das SBV bei einer ausländischen Personengesellschaft (§ 6 Abs. 5 Satz 2 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überführung ist Realisationstatbestand vor und nach 2006 a) Ansicht der Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigene Ansicht: Nur Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendbarkeit des § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG bei Überführungen in ausländisches SBV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendbarkeit des § 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG auf grenzüberschreitende Überführungen . . . . . . . . . . . . . b) Behandlung nach dem Ansatz der Verwaltung . . . . . . c) Behandlung bei Annahme einer Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfassungs- und unionsrechtliche Bedenken . . . . . . . . . . LII

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Inhaltsverzeichnis III. Übertragungen in das Gesamthandsvermögen einer ausländischen Personengesellschaft (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG) . 1. Unentgeltliche und entgeltliche Übertragungen mit Rechtsträgerwechsel gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG . . . . . . . . 2. Übertragungen aus einem inländischen Betriebs- in ein ausländisches Gesamthandsvermögen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG) . . a) Vorrang der Veräußerung vor der fiktiven Entnahme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sicherstellung der stillen Reserven i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unentgeltliche Übertragungen aus einem inländischen Betriebsvermögen in ein ausländisches Gesamthandsvermögen (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Übertragungen aus einem inländischen SBV in ein ausländisches Gesamthandsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verfassungs- und unionsrechtliche Bedenken . . . . . . . . . . IV. Übertragungen zwischen ausländischen SBV und/oder ausländischem Gesamthandsvermögen (§ 6 Abs. 5 Satz 1 und Satz 3 Nr. 2 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorrang der Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG vor der Entstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Buchwertansatz gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG möglich . . . . V. Übertragungen zwischen den ausländischen SBV verschiedener Mitunternehmer (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 EStG) . . . . . . . .

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F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.226

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3. Teil Praxisrelevante Einzelaspekte Kapitel 14 Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte (Braun) A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Maßgeblichkeit und handelsbilanzielle Bezüge bei Umwandlungen

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C. Verschmelzung von Kapital- auf Personengesellschaften (§§ 3–10 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wertansätze und Gewinnermittlung bei der übertragenden Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

LIII

Inhaltsverzeichnis 1. Gewinnermittlungsgrundsätze für die umwandlungssteuerliche Schlussbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundregel des § 3 Abs. 1 UmwStG: Ansatz zum gemeinen Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Antragswahlrecht zum Ansatz von Buch- oder Zwischenwerten (§ 3 Abs. 2 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Steuerliche Konsequenzen des Wertansatzes . . . . . . . . . . . II. Wertansätze und Gewinnermittlung bei der übernehmenden Personengesellschaft oder natürlichen Person . . . . . . . . . . . . . 1. Wertverknüpfung von Übertragungs- und Übernahmebilanz (§ 4 Abs. 1 Satz 1 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beteiligungskorrekturgewinn (§ 4 Abs. 1 Satz 2, 3 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eintritt in die Rechtsstellung des Überträgers/Fußstapfentheorie (§ 4 Abs. 2, 3 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Übernahmefolgegewinn (§ 6 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . III. Behandlung der Anteile der Anteilseigner der übertragenden Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Besonderheiten beim Formwechsel von einer Kapital- in eine Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Verschmelzung von Kapital- auf Kapitalgesellschaften (§§ 11–13 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wertansätze und Gewinnermittlung bei der übertragenden Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wertansätze und Gewinnermittlung bei der übernehmenden Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Behandlung der Anteile der Anteilseigner der übertragenden Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich und Grundsatz des Ansatzes zum gemeinen Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Antragswahlrecht zum Ansatz des Buchwertes (§ 13 Abs. 2 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fußstapfentheorie auf Anteilseignerebene . . . . . . . . . . . . . E. Ab- und Aufspaltung von Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ab- und Aufspaltung von Kapital- auf Kapitalgesellschaften (§ 15 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zivilrechtliche Zulässigkeit und Rückgriff auf §§ 11–13 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übertragungs- und Übernahmebilanz im Spaltungsfall . . 3. Teilbetriebserfordernis als Voraussetzung zum Buchwertansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Missbrauchsvorschriften des § 15 Abs. 2 UmwStG . . . . . . LIV

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14.126 14.133

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Inhaltsverzeichnis Rz. Seite II. Ab- und Aufspaltung von Kapital- auf Personengesellschaften (§ 16 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.137 997 F. Einbringung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft . . . . . . . . . I. Wertansätze und Gewinnermittlung bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelbewertung zum gemeinen Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auf Antrag Bewertung mit dem Buchwert bzw. Zwischenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis zum Handelsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einbringungsfolgegewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wertansätze und Gewinnermittlung beim Einbringenden . . . 1. Einbringungsgewinn und Wertverknüpfung . . . . . . . . . . . 2. Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile . . . . . . . . . . . . III. Besonderheiten bei Pensionszusagen zugunsten von einbringenden Mitunternehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bilanzierung von Pensionszusagen bei Mitunternehmerschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fall 1: Pensionszusage als steuerlich unbeachtliche Gewinnverteilungsabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fall 2: Bildung einer Pensionsrückstellung und einer korrespondierenden Forderung nur beim begünstigten Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fall 3: Bildung einer Pensionsrückstellung und einer quotalen Forderung bei allen Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . IV. Gewinnermittlung im Rahmen der rückwirkenden Besteuerung des Anteilseigners nach § 22 Abs. 1 UmwStG . . . . . . . . 1. Einbringungsgewinn I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachträgliche Anschaffungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Antrag auf Buchwertaufstockung bei der übernehmenden Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Besonderheiten beim Formwechsel von einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Anteilstausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wertansatz und Gewinnermittlung bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelbewertung zum gemeinen Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewertungswahlrecht beim qualifizierten Anteilstausch . . II. Wertansatz und Gewinnermittlung beim Einbringenden . . . 1. Veräußerungspreis der eingebrachten Anteile und Wertansatz der erhaltenen Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14.138

998

14.138 14.138

998 998

14.143 14.162 14.163 14.164 14.164 14.170

1004 1016 1016 1017 1017 1019

14.173 1020 14.173 1020 14.175 1022 14.176 1022 14.177 1023 14.178 1023 14.178 1023 14.183 1026 14.184 1026 14.190 1029 14.192 1032 14.192 14.192 14.194 14.197

1032 1032 1032 1034

14.197 1034

LV

Inhaltsverzeichnis 2. Einbringungsgewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerliche Rechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rückwirkende Besteuerung beim Anteilstausch und der Miteinbringung von Anteilen an Kapitalgesellschaften bei Sacheinlage (§ 22 Abs. 2 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einbringungsgewinn II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachträgliche Anschaffungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite 14.201 1036 14.202 1036 14.203 1037 14.203 1037 14.205 1038

H. Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Personengesellschaft (§ 24 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . 14.206 1039 I. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.218 1045

Kapitel 15 Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu Betriebsstätten und Einkünfteabgrenzung (Korff/Erdem) A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Bedeutung der Betriebsstättenzuordnung bei internationalen Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutung für die Entstrickung im Kontext internationaler Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Systematik der Entstrickungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlegung: Zwei Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtliche Entstrickung (UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . c) Tatsächliche Entstrickung (EStG/KStG/AStG) . . . . . . 2. Gemeinsames Tatbestandsmerkmal: Ausschluss und Beschränkung des Besteuerungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedeutung der Betriebsstättenzuordnung für die umwandlungsbedingte Entstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Methoden der Betriebsstättenzuordnung . . . . . . . . . . . c) Gewinnzuordnung oder Wirtschaftsgüterzuordnung? II. Bedeutung für die Verstrickung im Kontext internationaler Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bedeutung für die Besteuerung der umwandlungsbedingten Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Einkünfteabgrenzung im Rückwirkungszeitraum . . . . . . . . . . C. Grundsätze der Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu Betriebsstätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . LVI

15.1 1050 15.5 1053 15.5 15.5 15.5 15.8 15.12

1053 1053 1053 1055 1057

15.14 1058 15.25 15.25 15.27 15.28

1063 1063 1064 1066

15.33 1069 15.36 1071 15.37 1071 15.39 1072 15.39 1072

Inhaltsverzeichnis II. Zuordnung nach nationalem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuordnungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Veranlassungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonderfall: Zentralfunktion des Stammhauses (FinVerw) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Relevanz von § 1 Abs. 5 AStG (AOA) und BsGaV . . . III. Zuordnung nach Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art. 13 OECD-MA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Art. 7 OECD-MA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zuordnung ausgewählter Wirtschaftsgüter . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unbewegliche Wirtschaftsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewegliche Wirtschaftsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beteiligungen (Holdingbetriebsstätte) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Immaterielle Wirtschaftsgüter (inkl. Goodwill, Knowhow) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sonstige Bilanzpositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. 15.41 15.41 15.43 15.43

Seite 1073 1073 1073 1073

15.52 15.59 15.68 15.68 15.70 15.72 15.75 15.76 15.76 15.78 15.80

1080 1083 1093 1093 1094 1095 1097 1098 1098 1098 1100

15.86 1106 15.88 1109

D. Anwendungsbeispiele: Grenzüberschreitende Hinausverschmelzung von Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.92 I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.92 II. Kein Zurückbleiben einer inländischen Betriebsstätte . . . . . . 15.93 III. Zurückbleiben einer inländischen Produktionsbetriebsstätte . 15.95 IV. Zurückbleiben einer inländischen geschäftsleitenden Holdingbetriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.96 V. Zurückbleiben einer inländischen Beratungsbetriebsstätte . . 15.97 VI. Zurückbleiben einer inländischen Vertriebsbetriebsstätte . . . 15.98 VII. Zurückbleiben einer inländischen Produktionsbetriebsstätte und spätere Einstellung der Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.99 VIII. Zurückbleiben einer personallosen Betriebsstätte . . . . . . . . . . 15.100

1112 1112 1112 1115 1117 1118 1119 1120 1121

Kapitel 16 Funktionsverlagerungen (Rasch/Leherpeur) A. Grenzüberschreitende Umstrukturierungen multinationaler Unternehmen durch Funktionsverlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesetzliche Grundlagen der Funktionsverlagerung . . . . . . . .

16.1 1124 16.1 1124 16.2 1125 LVII

Inhaltsverzeichnis Rz. Seite

III. Rechtsentwicklung der nationalen Funktionsverlagerungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16.5 1128

B. Anwendungsrahmen der Regelungen zur Funktionsverlagerung . .

16.8 1131

C. OECD Entwicklungen bei der Einordnung von Funktionsverlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Hintergrund der OECD Arbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Überarbeitung durch das BEPS Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassender Überblick über Kapitel IX OECD-Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Übereinstimmung/Widersprüche zwischen den OECD-Leitlinien und dem innerstaatlichen Recht zur Funktionsverlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Funktionsverlagerungsregelungen im nationalen Recht . . . . . . . . . . I. Der Funktionsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Definition der Funktionsverlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tatbestandsmerkmal einer Funktionsverlagerung . . . . . . . 2. Kategorisierung von Verlagerungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . 3. Negativabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Funktionsverdoppelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Begriff des Transferpakets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bewertung des Transferpakets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bewertungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gewinnpotentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kapitalisierungszins und -zeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ermittlung des Einigungsbereichs und Mittelwertvermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ausnahmen von der Transferpaketbewertung . . . . . . . . . . . . 1. Vermutung einer Nutzungsüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Escape-Klauseln des § 1 Abs. 3b Sätze 2 und 3 AStG . . . . . 3. Altes Recht: Escape-Klauseln des § 1 Abs. 3 S. 10 AStG a.F. 4. Schadenersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche (§ 7 FVerlV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Preisanpassungsklausel des § 1a AStG (= § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG a.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

LVIII

16.15 1134 1134 16.16 1135 16.17 1137 16.20 1139 16.23 16.23 16.30 16.30 16.32 16.40 16.44 16.47 16.49 16.49 16.52 16.59

1144 1144 1148 1148 1150 1154 1155 1158 1159 1159 1160 1163

16.63 16.70 16.70 16.73 16.74

1164 1168 1168 1170 1172

16.75 1173 16.77 1174 16.83 1178

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 17 Absicherung von grenzüberschreitenden Umstrukturierungen/Gestaltungen (J. Frey/F.-M. Schwarz) A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Absicherung durch Abstimmung mit Finanzbehörden oder Beratern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verbindliche Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines; Beispielsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gebührenpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Weitere Problemfelder für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geringe Angleichung an internationale Standards . . . b) Divergierende Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ablehnung durch Ermessensausübung . . . . . . . . . . . . . 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Lohnsteuerliche Anrufungsauskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausgewählte Problemkreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Umfang der klärungsfähigen Fragen nach § 19a Abs. 5 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Gebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antragstellung bereits vor Gewährung der Aktienoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Eigene Ermittlungen seitens der Finanzverwaltung . . . e) Formale Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unverbindliche Zusagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausgewählte Problemkreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Schlichte“ Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unverbindliche Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Opinions, Strukturpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite 17.1 1180 17.7 17.7 17.7 17.8 17.9 17.13 17.20 17.20 17.24 17.25 17.27 17.28 17.28 17.30

1184 1184 1184 1184 1185 1186 1188 1188 1189 1189 1190 1191 1191 1192

17.30 1192 17.32 1192 17.33 17.36 17.37 17.42 17.43 17.43 17.44 17.44 17.48 17.52

1192 1194 1194 1195 1196 1196 1196 1196 1198 1199

C. Vertragliche und sonstige Sicherungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . I. Freistellungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sprechklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Versicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Advance Pricing Agreements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17.55 17.55 17.60 17.61 17.65

1200 1200 1201 1202 1202

D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17.68 1205

LIX

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 18 Doppelt ansässige Gesellschaften (Bindl/Stadler) A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Doppelt ansässige Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Satzungssitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ort der Geschäftsleitung bzw. Verwaltungssitz . . . . . . 2. Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verlegung des Satzungssitzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verlegung des Verwaltungssitzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ausgewählte laufende steuerliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Persönliche Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sachliche Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Innerstaatliches Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausschüttungen einer doppelt ansässigen Kapitalgesellschaft 1. Innerstaatliche steuerliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Besteuerung auf Ebene der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . b) Besteuerung auf Ebene der Anteilseigner . . . . . . . . . . . 2. Abkommensrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vermeidung bzw. Abmilderung der steuerlichen Mehrfachbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kapitalgesellschaft mit Satzungssitz in Deutschland und Geschäftsleitung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kapitalgesellschaft mit Satzungssitz im Ausland und Geschäftsleitung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer doppelt ansässigen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ausschüttungen an eine doppelt ansässige Gesellschaft . . . . . 1. Innerstaatliche steuerliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abkommensrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kapitalgesellschaft mit Satzungssitz in Deutschland und Geschäftsleitung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kapitalgesellschaft mit Satzungssitz im Ausland und Geschäftsleitung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Gewinne einer doppelt ansässigen Gesellschaft aus der Veräußerung von Anteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . LX

Rz. 18.1 18.1 18.5 18.5 18.5 18.6 18.9 18.16 18.17 18.19 18.21

Seite 1209 1209 1211 1211 1211 1212 1213 1216 1218 1219 1220

18.23 18.24 18.27 18.27 18.28 18.30 18.30 18.30 18.31 18.36

1222 1222 1223 1223 1223 1224 1224 1224 1225 1227

18.36 1227 18.37 1228 18.38 1229 18.39 18.41 18.41 18.43 18.43

1230 1231 1231 1232 1232

18.44 1232 18.45 1233 18.46 1234

Inhaltsverzeichnis VII. Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zulässigkeit als Organträgerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausländische Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inländische Kapitalgesellschaft mit Ort der Geschäftsleitung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine doppelte Verlustnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zulässigkeit als Organgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausländische Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inländische Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Innerstaatliches Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dreiecksfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite 18.48 1235 18.48 1235 18.48 1235 18.50 1237 18.51 1237 18.52 1238 18.52 1238 18.55 18.57 18.57 18.60 18.61 18.62 18.63

1240 1241 1241 1242 1243 1243 1244

C. Ausgewählte Aspekte im Zusammenhang mit Umwandlungen . . . I. Anwendung des UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Implikationen für doppelt ansässige Kapitalgesellschaften a) Inländische Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausländische Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendung des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wesentliche weitere Prüfungsschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fall 1: Verschmelzung zweier niederländischer B.V. mit Verwaltungssitz im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fall 2: Hinausverschmelzung einer doppelt ansässigen Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fall 3: Formwechsel einer niederländischen B.V. mit Verwaltungssitz im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18.66 18.66 18.66 18.66 18.67 18.70

1246 1246 1246 1246 1247 1248

D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18.93 1257

18.70 1248 18.72 18.73 18.73 18.79 18.83 18.84

1249 1249 1249 1251 1252 1253

18.84 1253 18.87 1254 18.90 1255

LXI

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 19 Hybride Gesellschaften (Sterner) A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite 19.1 1262

B. Begriff und Arten der hybriden Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtstypenvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verschiedene Arten von Hybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Originäre Hybride . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hybride durch Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Hybride Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Deutscher (originärer) Hybrid: Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19.2 19.2 19.4 19.8 19.9 19.10 19.14

C. Laufende Besteuerung hybrider Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Switch-over-Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Besteuerung im Veräußerungsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Exkurs: Besteuerung von Schachteldividenden bei der KGaA

19.18 19.18 19.22 19.24 19.28 19.31

1271 1271 1275 1277 1278 1280

19.34 19.34 19.35 19.37

1281 1281 1281 1283

19.37 19.39 19.42 19.46 19.47 19.47 19.52 19.54 19.56

1283 1283 1284 1286 1286 1286 1289 1289 1290

D. Nutzung hybrider Gesellschaften bei internationalen Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausgangsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grenzüberschreitende Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umwandlungsvarianten und Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Qualifizierung der hybriden Grundeinheit . . . . . . . . . . . . . 3. Fusionsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Umsetzung ins UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Umwandlungsvorgänge im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . a) (Hinaus-)Verschmelzung durch Neugründung . . . . . . b) (Hinaus-)Abspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausgliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Exkurs: Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

LXII

1262 1262 1263 1266 1266 1268 1269

19.17 1271

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 20 Option von Personengesellschaften zur Körperschaftsbesteuerung (§ 1a KStG) (Desens) A. Bedeutung der Körperschaftsteueroption im Internationalen Umwandlungssteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Körperschaftsteueroption als Alternative zum heterogenen (typusändernden) Formwechsel im Internationalen Steuerrecht . . . . . I. Wirksame Ausübung der Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirksame Ausübung der Inlandsoption mit Auslandsbezug (Grundkonstellation 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaft . . . . b) Kein Investmentfonds i.S.d. Investmentsteuergesetzes c) Antragsteller und Zustimmung der Gesellschafter . . . d) Form und Frist des Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Richtiges Finanzamt als Antragsadressat . . . . . . . . . . . 3. Wirksame Ausübung der Auslandsoption mit Inlandsbezug (Grundkonstellation 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Optionsberechtigung einer vergleichbaren ausländischen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besondere Voraussetzung: unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht im Staat der Geschäftsleitung . . . . c) Zustimmung der Gesellschafter einer vergleichbaren ausländischen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Richtiges Finanzamt als Antragsadressat . . . . . . . . . . . 4. Wirksame Optionsausübung bei doppelt ansässigen Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Doppelansässigkeit durch Geschäftsleitung im Inland und Vertragssitz im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Doppelansässigkeit durch Geschäftsleitung im Ausland und Vertragssitz im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuerliche Behandlung der wirksamen Optionsausübung . . 1. Die Option als fingierter Formwechsel einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ertragsteuerliche Qualifikation der Rechtsnatur der Option als fingierter Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ertragsteuerliche Bewertung der Option als fingierter Formwechsel nach allgemeinen Bewertungsregeln . . . . . . a) Ertragsteuerliche Bewertung der Option einer mitunternehmerischen Personengesellschaft nach allgemeinen Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite 20.1 1298 20.9 1303 20.9 1303 20.9 1303 20.13 20.13 20.16 20.17 20.18 20.19

1304 1304 1306 1306 1307 1307

20.21 1308 20.21 1308 20.25 1309 20.26 1310 20.27 1310 20.29 1311 20.29 1311 20.30 1311 20.31 1311 20.31 1311 20.32 1312 20.33 1312 20.33 1312

LXIII

Inhaltsverzeichnis b) Ertragsteuerliche Bewertung der Option einer vermögensverwaltenden Personenhandelsgesellschaft nach allgemeinen Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ertragsteuerliche Bewertung der Option als fingierter Formwechsel im Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . a) Gemeinsame Regeln für die Option von mitunternehmerischen und von vermögensverwaltenden Personen(handels)gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Option einer Mitunternehmerschaft (§ 25 S. 1 i.V.m. § 20 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Option einer vermögensverwaltenden Personenhandelsgesellschaft (§ 21 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Grundkonstellation 1: steuerliche Besonderheiten bei der Inlandsoption einer mitunternehmerischen Personengesellschafft durch den Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Steuerneutralität der Option für DrittstaatenGesellschafter nach Maßgabe des § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zurückbehaltenes Sonderbetriebsvermögen von im Ausland ansässigen Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . d) Neutralisierung der mittelbaren Verstrickung von stillen Reserven im Anteil der optierenden Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verstrickung durch den Zwang zur einheitlichen Wahlrechtsausübung bei Option einer Mitunternehmerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Grundkonstellation 2: Steuerliche Besonderheiten bei Auslandsoptionen von mitunternehmerischen Personengesellschaften durch den Inlandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausschluss der Steuerneutralität bei inländischen Gesellschaftern und ausländischen Anrechnungsbetriebsstätten (§ 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 UmwStG) . . . . . c) Keine Steuerneutralität für Drittstaaten-Gesellschafter nach Maßgabe des § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Keine Steuerneutralität für Gesellschafter einer Drittstaaten-Gesellschaft nach Maßgabe des § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Steuerliche Besonderheiten bei der Option doppelt ansässiger Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Steuerliche Behandlung der optierenden Gesellschaft und ihrer Anteilseigner während der Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . LXIV

Rz. Seite 20.35 1314 20.36 1314 20.36 1314 20.39 1316 20.56 1329 20.64 1334 20.64 1334 20.65 1334 20.71 1338 20.74 1340 20.76 1341 20.79 1342 20.79 1342 20.80 1343 20.83 1344 20.85 1345 20.87 1346 20.88 1346 20.88 1346

Inhaltsverzeichnis a) Besteuerung der optierenden Gesellschaft . . . . . . . . . . b) Beteiligung an der optierenden Gesellschaft . . . . . . . . . 2. Persönliche Körperschaftsteuerpflicht, DBA-Berechtigung und DBA-Ansässigkeit der optierenden Gesellschaft 3. Gewinnausschüttungen der optierenden Gesellschaft . . . . a) Zeitpunkt der Gewinnverwendung und Entrichtung von Kapitalertragsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Steuerfreie Einlagenrückgewähr im ersten Optionsjahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grenzüberschreitende Gewinnausschüttung von einer inländischen optierenden Gesellschaft an einen ausländischen Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Grenzüberschreitende Gewinnausschüttung von einer ausländischen optierenden Gesellschaft an einen inländischen Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Veräußerung von Anteilen an der optierenden Gesellschaft durch deren Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Steuerliche Bewertung von Rechtsbeziehungen zwischen optierender Gesellschaft und ihren Gesellschaftern . . . . . . 6. Vereinnahmung von Gewinnausschüttungen durch die optierende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Veräußerung von Kapitalanteilen durch die optierende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Grenzüberschreitende Sitzverlegungen der optierenden Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Wegzug des Gesellschafters einer optierenden Gesellschaft ins Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Besondere Nachweis- und Meldepflichten während der Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Besondere Nachweis- und Meldepflichten für die optierende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besondere Nachweis- und Meldepflichten für Gesellschafter nach einer steuerneutralen Option durch sperrfristbehaftete Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Zuständiges Finanzamt für die optierende Gesellschaft . . IV. Beendigung der Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beendigung der Option auf Antrag (§ 1a Abs. 4 S. 1 KStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwangsweise Beendigung der Option (§ 1a Abs. 4 S. 4 KStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen der Beendigung der Option . . . . . . . . . . . . . . a) Grundinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regel-Rechtsfolge: fingierter Formwechsel einer Kapital- in eine Personengesellschaft (§ 1a Abs. 4 S. 2 KStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite 20.88 1346 20.93 1350 20.94 1350 20.98 1352 20.98 1352 20.103 1354 20.104 1355 20.107 1357 20.110 1358 20.113 1359 20.115 1360 20.120 1362 20.121 1362 20.126 1364 20.128 1366 20.128 1366 20.129 1366 20.131 1367 20.132 1368 20.132 1368 20.133 1368 20.134 1370 20.134 1370 20.136 1370 LXV

Inhaltsverzeichnis Rz. Seite c) Besondere Rechtsfolgen bei Erlöschen durch Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters (§ 1a Abs. 4 S. 5 und 6 KStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.144 1377 d) Besondere Rechtsfolgen bei Erlöschen durch zivilrechtliche Umwandlung (§ 1a Abs. 4 S. 7 KStG) . . . . . 20.146 1378 e) Sperrfristverletzung (§ 22 Abs. 1 UmwStG) durch Beendigung der Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.149 1379 C. Grenzüberschreitende Umwandlungen vor Ausübung der Körperschaftsteueroption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.152 1380 I. Grundinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.152 1380 II. Sperrfristverletzungen durch Ausübung der Option . . . . . . . . 20.153 1380 D. Grenzüberschreitende Umwandlungen nach Ausübung der Körperschaftsteueroption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsgrundlagen bei Umstrukturierung einer optierenden Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendung der Fusionsrichtlinie bei Umwandlungen von und mit optierenden Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sperrfristbegründungen durch die Option . . . . . . . . . . . . . . . .

20.162 1385 20.162 1385 20.166 1389 20.168 1390

E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.174 1392

Kapitel 21 Gewerbesteuerliche Aspekte (von Freeden) A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21.1 1395

B. Überblick über die Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Steuergegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bemessungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gewerbeertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine gewerbesteuerliche Entstrickungsbesteuerung . . . . . 3. Gewinnmodifizierung durch Hinzurechnungen und Kürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hinzurechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ermittlung der Gewerbesteuer, Anrechnung der Steuer bei natürlichen Personen nach § 35 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21.2 21.2 21.3 21.3 21.5

1395 1395 1397 1397 1397

21.6 21.6 21.7 21.15

1398 1398 1399 1402

LXVI

21.25 1407

Inhaltsverzeichnis C. Unmittelbare Auswirkungen einer Umwandlung oder Umstrukturierung auf die Besteuerung mit Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Umwandlungen nach UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umwandlung von Kapital- in Personengesellschaft . . . . . a) Formen der Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ermittlung des Gewerbeertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fünfjährige Aufgabe- und Veräußerungssperrfrist nach Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umwandlung von Personen- in Kapitalgesellschaft . . . . . 4. Umwandlung von Kapital- in Kapitalgesellschaft . . . . . . . a) Formen der Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ermittlung des Gewerbeertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besteuerung der Anteilseigner der übertragenden Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Untergang gewerbesteuerlicher Verluste . . . . . . . . . . . 5. Umwandlung von Personen- in Personengesellschaft . . . . III. Umstrukturierungen außerhalb des UmwStG . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verlegung der Geschäftsleitung oder des Sitzes einer Kapitalgesellschaft vom Inland in das Ausland . . . . . . . . . . . . 3. Transfer eines Wirtschaftsguts von einer Inlands- in eine Auslandsbetriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Mittelbare Auswirkungen einer Umstrukturierung auf die laufende Besteuerung mit Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inlandsgesellschaft mit Aktivität im Ausland . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vermeidung einer Besteuerung mit Gewerbesteuer aufgrund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Freistellung von Einkünften einer Auslandsbetriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Freistellung von Schachteldividenden . . . . . . . . . . . . . . d) Keine Anrechnung ausländischer Steuer auf Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung einer Besteuerung mit Gewerbesteuer aufgrund unilateraler Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gewerbesteuerliche Auswirkungen des Außensteuergesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite 21.27 21.27 21.28 21.28 21.30 21.30 21.31

1408 1408 1409 1409 1410 1410 1410

21.41 21.43 21.49 21.49 21.50

1414 1415 1418 1418 1418

21.56 21.57 21.60 21.65 21.65

1419 1419 1420 1421 1421

21.67 1421 21.68 1422 21.69 21.69 21.70 21.70

1422 1422 1423 1423

21.71 1423 21.71 1423 21.72 1424 21.74 1425 21.75 1426 21.76 1426 21.77 1427

LXVII

Inhaltsverzeichnis III. Auslandsgesellschaft mit Aktivität im Inland . . . . . . . . . . . . . 1. Auslandsgesellschaft mit Geschäftsleitung in einem Abkommensstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auslandsgesellschaft mit Geschäftsleitung in einem Staat, mit dem kein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung besteht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grenzüberschreitende gewerbesteuerliche Organschaft . . E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite 21.78 1427 21.78 1427 21.81 1428 21.82 1429 21.83 1430

Kapitel 22 Grenzüberschreitende Liquidationen (Leidel) A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22.1 1432

B. Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22.3 1433

C. Besteuerung von Liquidationen im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Deutsches innerstaatliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Internationales Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22.10 1436 22.10 1436 22.14 1437

D. Inbound-Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Liquidation einer inländischen Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . 1. Fallkonstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ebene der zu liquidierenden inländischen Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ebene der ausländischen Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . II. Liquidation einer inländischen Personengesellschaft . . . . . . . 1. Fallkonstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ebene der zu liquidierenden inländischen Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ebene der ausländischen Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . III. Liquidation einer inländischen Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . 1. Fallkonstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ebene der zu liquidierenden inländischen Betriebsstätte . 3. Ebene des ausländischen Betriebsstätteninhabers . . . . . . .

22.16 1438 22.16 1438 22.16 1438

E. Outbound-Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Liquidation einer ausländischen Kapitalgesellschaft . . . . . . . . 1. Fallkonstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ebene der zu liquidierenden ausländischen Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ebene der inländischen Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . .

22.55 1460 22.55 1460 22.55 1460

LXVIII

22.17 22.22 22.29 22.29

1439 1441 1448 1448

22.30 22.33 22.44 22.44 22.45 22.47

1449 1450 1456 1456 1456 1458

22.56 1461 22.58 1461

Inhaltsverzeichnis II. Ausländische Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fallkonstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ebene der zu liquidierenden ausländischen Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ebene der inländischen Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . III. Liquidation einer ausländischen Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . 1. Fallkonstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ebene der zu liquidierenden ausländischen Betriebsstätte. 3. Ebene des inländischen Betriebsstätteninhabers . . . . . . . . F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite 22.67 1466 22.67 1466 22.68 22.69 22.76 22.76 22.77 22.79

1466 1466 1469 1469 1469 1470

22.82 1470 1473

LXIX

LXX

Abkürzungsverzeichnis

a.A. a.a.O. AB abl. ABl. EG ABl. EU Abs. Abschn. abw. AbzStEntlModG abzgl. AcP a.E. AEAO AEUV a.F. AfA A/F/F AG AktG allg. Alt. a.M. amtl. AmtshilfeRLUmsG Anh. Anm. AO AOA AöR APA Art.

andere(r) Ansicht am angegebenen Ort Ausführungsbestimmung(en) ablehnend Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (bis Januar 2003) Amtsblatt der Europäischen Union (ab Februar 2003) Absatz Abschnitt abweichend Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz abzüglich Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) am Ende Anwendungserlass zur Abgabenordnung Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Absetzung für Abnutzung Arndt/Fischer/Fetzer, Europarecht Aktiengesellschaft; auch „Die Aktiengesellschaft“ (Zeitschrift) Aktiengesetz allgemein Alternative anderer Meinung amtlich Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz Anhang Anmerkung Abgabenordnung Authorised OECD Approach Archiv für öffentliches Recht (Zeitschrift) advance princing agreements Artikel LXXI

Abkürzungsverzeichnis

ASA AStG ATAD-UmsG Aufl. ausl. AuslInvG AVR AWD AWG Az. BaFin BAnz. BAO BayObLG BayVBl. BayVerfGH BB BBK Bd. BdF BDI BeckO Begr. Bem. BEPS bes. Beschl. bestr. betr. BewG BfF BFH BFHE BFH/NV LXXII

Archiv für Schweizerisches Abgabenrecht (Zeitschrift) Außensteuergesetz ATAD-Umsetzungsgesetz, Gesetz zur Umsetzung der AntiSteuervermeidungsrichtlinie Auflage ausländisch Auslandsinvestitionsgesetz Archiv für Völkerrecht (Zeitschrift) Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters (Zeitschrift) Außenwirtschaftsgesetz Aktenzeichen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesanzeiger Bundesabgabenordnung (Österreich) Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) Bayerischer Verfassungsgerichtshof Betriebs-Berater (Zeitschrift) Buchführung, Bilanz, Kostenrechnung, Zeitschrift für das gesamte Rechnungswesen Band Bundesminister der Finanzen Bundesverband der Deutschen Industrie Beck Online Begründung Bemerkung(en) Base Erosion and Profit Shifting besonders Beschluss bestritten betreffend Bewertungsgesetz Bundesamt für Finanzen Bundesfinanzhof Entscheidungssammlung des BFH, amtliche Sammlung Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis

BFuP B/G BG BGB BGBl. BGE BGH BGHSt BGHZ BIFD BilMoG BilStRecht B/K/L/M/R BMF BMWi. Bp BpO BR BRD BR-Drucks. BsGaV Bsp. bspw. BStBK BStBl. BT BT-Drucks. BTR Buchst. BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG

Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift) Bunjes/Geist, UStG Bundesgericht (Schweiz) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Teil I oder II Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bulletin for International Fiscal Documentation Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Bilanzsteuerrecht Brezing/Krabbe/Lempenau/Mössner/Runge, Kommentar zum Außensteuerrecht Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium für Wirtschaft Betriebsprüfung Betriebsprüfungsordnung Bundesrat Bundesrepublik Deutschland Drucksachen des Bundesrates Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung Beispiel beispielsweise Bundessteuerberaterkammer Bundessteuerblatt Teil I, II oder III Bundestag Drucksachen des Bundestages British Tax Review (Zeitschrift) Buchstabe Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht LXXIII

Abkürzungsverzeichnis

BVerwGE BW bzgl. BZSt bzgl. bzw. CbC-Reporting C-Corp CDFI CFC CGI CIR CMR

Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Baden-Württemberg bezüglich Bundeszentralamt für Steuern bezüglich beziehungsweise

Corp C/R CV

Country by Country Reporting Subchapter C Corporation Cahiers de Droit Fiscal International Controlled Foreign Companies Général des impôts Code des impôts sur les revenus Convention relative au contrat de transport international de marchandises par route Corporation Callies/Ruffert, EUV und AEUV Commanditaire Vennootschap

DB DBA DBA-VG DBW DEMPE DepotG ders. dgl. DFGT d.h. d.i. dies. DIHT Diss. D/J/P/W DJT DK

Der Betrieb (Zeitschrift) Doppelbesteuerungsabkommen DBA-Verwaltungsgrundsätze Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift) Development, Enhancement, Maintenance, Protection, Exploitation Depotgesetz derselbe dergleichen Deutscher Finanzgerichtstag (Tagungsband) das heißt das ist dieselbe(n) Deutscher Industrie- und Handelstag Dissertation Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer Deutscher Juristentag Der Konzern (Zeitschrift)

LXXIV

Abkürzungsverzeichnis

DNotZ Dok. DÖV Drucks. D/P/M D/P/P/M DStG DStJG DStR DStRE DStZ DStZ A und B dt. DSWR D/W DV (DVO) DVBl. DVR € -E EAG EAS EC Tax Review EDV EFG e.G. EG EGAO EGBGB EGHGB EGKS EG-RL EGV

Deutsche Notar-Zeitschrift Dokument, Dokumentation Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Drucksache Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht Deutsche Steuergewerkschaft Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V. (Tagungsbände) Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht – Entscheidungsdienst (Zeitschrift) Deutsche Steuer-Zeitung (seit 1980) Deutsche Steuer-Zeitung Ausgabe A (bis 1979) und B (bis 1979) deutsch Datenverarbeitung in Steuer, Wirtschaft und Recht (Zeitschrift) Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung Durchführungsverordnung Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau (Zeitschrift) Euro (Gesetzes-) Entwurf Europäische Atomgemeinschaft Express-Antwort-Service des BMF (Österreich) European Communities Tax Review (Zeitschrift) Elektronische Datenverarbeitung Entscheidungssammlung der Finanzgerichte (Zeitschrift) eingetragene Genossenschaft Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zur Abgabenordung Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung des Vertrages von Lissabon LXXV

Abkürzungsverzeichnis

Einf. Einl. einschl. EK Entsch. entspr. EntwLStG EntwHStG ErbSt ErbStG Erl. ESt EStB EStDV EStG EStH EStR EStZ ET EU EUAHiG EuGH EuGHE EuGH-URep EuR EU-SchU EUStBV EuStZ EuZW e.V. evtl. EWG EWGV LXXVI

Einführung Einleitung einschließlich (verwendbares) Eigenkapital Entscheidung entsprechend Entwicklungsländer-Steuergesetz Entwicklungshilfe-Steuergesetz Erbschaftsteuer Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz Erlass Einkommensteuer Einkommensteuer-Berater (Zeitschrift) Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Einkommensteuergesetz Einkommensteuer-Hinweise Einkommensteuer-Richtlinien Europäische Steuer-Zeitung European Taxation (Zeitschrift) Europäische Union EU-Amtshilfegesetz, Gesetz über die Durchführung der gegenseitigen Amtshilfe in Steuersachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union Europäischer Gerichtshof Sammlung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs EuGH-Umsatzsteuerreport Europarecht (Zeitschrift) Europäisches Schiedsübereinkommen (Schiedsverfahrenskonvention) Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung Europäische Steuerzeitung Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) eingetragener Verein eventuell Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG-Vertrag

Abkürzungsverzeichnis

EWIV EWIV-AG

EWR EWS

Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Gesetz zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Verordnung über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift)

f. FA FamRZ ff. FFM FG FGO Fifo Fin.Arch. FinMin. FinSen. FinVerw. F/M Fn. FN-IdW FR FRL FS FuSt FVerlV FVG F/W/B F/W/K

folgende (eine Seite) Finanzamt Zeitschrift für das gesamte Famillienrecht fortfolgende (mehrere Seiten) Frankfurt am Main Finanzgericht Finanzgerichtsordnung First in – first out Finanzarchiv (Zeitschrift) Finanzministerium Finanzsenator Finanzverwaltung Frotscher/Maas Fußnote Fachnachrichten des Instituts der Wirtschaftsprüfer (Zeitschrift) FinanzRundschau Ertragsteuerrecht (Zeitschrift) Fusions-Richtlinie Festschrift Finanzen und Steuern Funktionsverlagerungsverordnung Gesetz über die Finanzverwaltung Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA Deutschland-Schweiz

G GA GAV GATS

Gesetz Generalanwalt Gewinnabführungsvertrag General Agreement on Trade and Services

EWIV-VO

LXXVII

Abkürzungsverzeichnis

GATT GAufzVO GbR gem. GemVO GenG GewArch. GewStDV GewStG GewStR GG ggf. G/H GKG G/K/G GKKB gl.A. GmbH GmbHG GmbHR GmbH-StB GlE GloBE GoB GoS Gr. GrEStG Grds. GrS GS GS GStB GuV GVBl. GVG LXXVIII

General Agreement on Tarifs and Trade Gewinnaufzeichnungsverordnung Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes gemäß Gemeinnützigkeitsverordnung Genossenschaftsgesetz Gewerbearchiv (Zeitschrift) Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung Gewerbesteuergesetz Gewerbesteuer-Richtlinien Grundgesetz gegebenenfalls Grabitz/Hilf, Kommentar zur EU Gerichtskostengesetz Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage gleicher Ansicht Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betr. die GmbH GmbH-Rundschau (Zeitschrift) GmbH-Steuerberater (Zeitschrift) Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder Global Anti-Base Erosion Proposal Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung Grundsätze ordnungsmäßiger Speicherbuchführung Gruppe Grunderwerbsteuergesetz grundsätzlich Großer Senat Gesetzessammlung Gedächtnisschrift Gestaltende Steuerberatung (Zeitschrift) Gewinn- und Verlustrechnung Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz

Abkürzungsverzeichnis

H Halbs., HS HB Hdb. Hess. HFA HFA des IdW HFR HGB HGrG H/H H/H/R

Hifo h.L. h.M. H/M/B Hrsg. HZB

Hinweis(e) Halbsatz Handelsbilanz Handbuch Hessen Hauptfachausschuss Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (Zeitschrift) Handelsgesetzbuch Haushaltsgrundsätzegesetz Haase/Hruschka, Umwandlungssteuergesetz, Praxiskommentar Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung Highest in – first out herrschende Lehre herrschende Meinung Haritz/Menner/Bilitewski, Umwandlungssteuergesetz Herausgeber, herausgegeben Hinzurechnungsbetrag

i.a. IAS IBFD i.d.F. i.d.R. i.d.S. i.e.S. ifst i.R.d. i.S.d. i.S.v. IdW i.e. i.e.S.

im Allgemeinen International Accounting Standard International Bureau of Fiscal Documentation in der Fassung in der Regel in dem Sinne im engeren Sinne Institut Finanzen und Steuern im Rahmen der/des im Sinne des/der im Sinne von Institut der Wirtschaftsprüfer im einzelnen im engeren Sinne

H/H/Sp

LXXIX

Abkürzungsverzeichnis

IFA IFRS IGH i.H.v. Inc. INF InfAustAbk inl. insb. InsO Inst.FuSt intern. Intertax InvG InvStG InvZulG IPO IPR IPrax I.R.C. IRG IRS i.S. IStR ITA ITJ ITPJ i.V. IWB i.w.S. i.Z.m.

International Fiscal Association International Financial Reporting Standard Internationaler Gerichtshof in Höhe von Incorporated Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (Zeitschrift) Informationsaustauschabkommen inländisch Insbesondere Insolvenzordnung Institut „Finanzen und Steuern“ international International Tax Review (Zeitschrift) Investmentgesetz Investmentsteuergesetz Investitionszulagengesetz Initial Public Offering Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) Internal Revenue Code Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen Internal Revenue Service im Sinne Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) Income Tax Act The international Tax Journal (Zeitschrift) International Transfer Pricing Journal (Zeitschrift) in Verbindung Internationale Wirtschafts-Briefe im weiteren Sinne im Zusammenhang mit

JA Jb. JbFStR

Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Jahrbuch Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht

LXXX

Abkürzungsverzeichnis

JBl. Jg. JöR Jura JuS JStG JZ

Juristische Blätter (Zeitschrift) Jahrgang Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Jahressteuergesetz Juristenzeitung (Zeitschrift)

KAG Kap. KapErhG

KÖSDI krit. K/S/M Kj. KSt KStDV KStG KStR KStG KWG

Kommunalabgabengesetz Kapitel Gesetz über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln Gesetz über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln Kapitalertragsteuer Kapitalertragsteuer-Durchführungsverordnung Kommentierte Finanzrechtsprechung Kapitalgesellschaft Kraftfahrzeug Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Körperschaftsteuermodernisierungsgesetz, Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts Kölner Steuerdialog (Zeitschrift) kritisch Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kalenderjahr Körperschaftsteuer Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Richtlinien Kommunale Steuer-Zeitschrift Gesetz über das Kreditwesen

LB L/B/P

Lehrbuch Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht

KapErhStG KapErtrSt KapErtrStDV KFR KapGes. Kfz. KG KGaA KöMoG

LXXXI

Abkürzungsverzeichnis

LG Lifo lit. li.Sp. Ltd. LLC LLLP LLP LP LStDV lt. LuF

Landgericht Last in – first out Buchstabe linke Spalte Private Company Limited by Shares, Limited Limited Liability Company Limited Liability Limited Partnership Limited Liability Partnership Limited Partnership Lohnsteuer-Durchführungsverordnung laut Land- und Forstwirtschaft

MA m.a.W. m. Anm. MDR m.E. Mio. MinöStG MLI MoPeG MoMiG

Musterabkommen mit anderen Worten mit Anmerkung(en) Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) meines Erachtens Million(en) Mineralölsteuergesetz Multilaterates Instrument Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen mit Recht Menschenrechtskonvention Mutter-Tochter-Richtlinie Münchner Handbuch zum Gesellschaftsrecht Münchner Kommentar Münchner Kommentar Mitunternehmeranteil mit weiteren Nachweisen Mehrwertsteuer Mehrwertsteuersystemrichtlinie

MoRaKG m.R. MRR MTR MüHdb/GesR MüKo MünchKomm MUAnteil m.w.N. MwSt MwStSystRL LXXXII

Abkürzungsverzeichnis

MZK

Modernisierter Zollkodex

Nds. n.F. NJW NL Nr. nrkr. NRW, NW NSt NV NVwZ NW NWB NZG

Niedersachsen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Niederlande Nummer nicht rechtskräftig Nordrhein-Westfalen Neues Steuerrecht von A-Z (Zeitschrift) Namenloze Vennotschap (Niederlande) Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfalen Neue Wirtschafts-Briefe Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

o.Ä. OECD OECD-MA

oder Ähnliches Organization for Economic Cooperation and Development OECD-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen OECD-Musterkommentar Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (Vorgängerorganisation der OECD) Oberfinanzdirektion(en) oben genannt Österreichische Steuerzeitung Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht Oberster Finanzgerichtshof offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht schweizerisches Obligationenrecht Geschäfte ohne Rechnung Oberverwaltungsgericht Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Entscheidungen des preuß. OVG in Staatssteuersachen Ordnungswidrigkeitengesetz

OECD-MK OEEC OFD o.g. ÖStZ ÖZöffR,ÖZöR OFH OHG OLG OR OR-Geschäfte OVG OVGE OVGSt OWiG

LXXXIII

Abkürzungsverzeichnis

p.a. PartGG PersGes PIStB plc Pkw Preuß.(pr.) Prot.

per annum Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Personengesellschaft Praxis Internationale Steuerberatung (Zeitschrift) Public Limited Company Personenkraftwagen preußisch Protokoll

R RabelZ

Richtlinie Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Zeitschrift) Rechnungsabgrenzungsposten Reichtsabgabenordnung Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz Rechtsverordnung Referentenentwurf Regierungsbegründung Real Estate Investment Trust rechte Spalte Revision Reichsfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Reichsgesetzblatt Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Revue des Jurisprudence Fiscale (Zeitschrift) Reiß/Kraeusel/Langer, Umsatzsteuergesetz rechtskräftig Richtlinie Rechtssache Rechtsprechung Reichstag

RAP RAO R/D RechtsVO RefE Reg.-Begr. REIT re.Sp. Rev. RFH RFHE RGBl. RGZ R/H/vL RIW RJF R/K/L rkr. RL Rs. Rspr. RT

LXXXIV

Abkürzungsverzeichnis

RWP Rz.

Rechts- und Wirtschafts-Praxis (Zeitschrift) Randzahl

s. S. S-Corp S.A. Sàrl S/B/B SC SCA SCE Schl.-Holst. Schr. SE sec. SE-VO SEStEG

siehe Seite Subchapter S Corporation Société anonyme; Sociéta a accomandita Société à responsabilité limitée Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen Sociedad en comandita Société en Commandite par Actions Europäische Genossenschaft Schleswig-Holstein Schreiben Societas Europea, Europäische Aktiengesellschaft section Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften Schweizer Franken Sozialgesetzbuch Sozialgerichtsgesetz Schmitt/Hörtnagl, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz Société d'investissement à capital fixe Société d'investissement en capital à risque Société d’investissement à capital variable Strunk/Kaminski/Köhler, AStG und OECD-MA Amtliche Sammlung der EuGH Entscheidungen Société en nom collectif Sölch/Ringleb, Umsatzsteuergesetz Schneider/Ruoff/Sistermann, Umwandlungssteuer-Erlass 2011 siehe oben so genannt Solidaritätszuschlaggesetz

sfr. SGB SGG S/H SICAF SICAR-Status SICAV S/K/K Slg. SNC S/R S/R/S s.o. sog. SolZG

LXXXV

Abkürzungsverzeichnis

SonderBV Sp. SP SpA SparPG SrC SRÜ st. St ST StAbwV StÄndG StAuskV StandOG StAnpG StB Stbg StbJb StbKongrRep StBp StEK StGB StJ StLex StPO StQ str. StR StRev. StRK StSäumG StStud StuB StuW StVergAbG StVj. LXXXVI

Sonderbetriebsvermögen Spalte Schlussprotokoll Societa per Azioni Sparprämiengesetz Sociedad regular colecitva Seerechtsübereinkommen ständig Steuer Der Schweizer Treuhänder (Zeitschrift) Steueroasen-Abwehrverordnung Steueränderungsgesetz Steuer-Auskunftsverordnung Standortsicherungsgesetz Steueranpassungsgesetz Der Steuerberater (Zeitschrift) Die Steuerberatung (Zeitschrift) Steuerberater-Jahrbuch Steuerberaterkongress-Report (Zeitschrift seit 1977) Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift) Felix/Carlé, Steuererlasse in Karteiform, Datenbank Strafgesetzbuch Steuerjournal (Zeitschrift) Steuer-Lexikon Strafprozessordnung Quintessenz des Steuerrechts (Zeitschrift) strittig Steuerrecht Steuer-Revue (Zeitschrift) Steuerrechtskartei Steuersäumnisgesetz Steuer und Studium (Zeitschrift Steuern und Bilanzen (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Steuervergünstigungsabbaugesetz Steuerliche Vierteljahresschrift (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis

StWa s.u. SWI

Steuer-Warte (Zeitschrift) siehe unten Steuer & Wirtschaft International (Zeitschrift)

T/G/J TIEA T/K TLR TMTP TNI TNMM TPIR Tz.

Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuergesetz Tax Information Exchange Agreements Tipke/Kruse, Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung Tax Law Review (Zeitschrift) Tax Management Transfer Pricing (Zeitschrift) Tax Notes International (Zeitschrift) Transactional net margin method Tax Planning International Review (Zeitschrift) Teilziffer

u. u.a. u.a.m. u.ä. Ubg Übers. udgl. u.E. UmwG UmwR UN UmwStG UR UrhG Urt. USA USt USt-IdNr. UStAE UStDV UStG USt-IdNr.

und und andere, unter anderem und andere(s) mehr und Ähnliches Die Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift) Übersicht und dergleichen unseres Erachtens Umwandlungsgesetz Umwandlungsrecht United Nations Umwandlungssteuergesetz Umsatzsteuer-Rundschau (Zeitschrift) Urheberrechtsgesetz Urteil Vereinigte Staaten von Amerika Umsatzsteuer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer Umsatzsteuer-Anwendungserlass Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung Umsatzsteuergesetz Umsatzsteuer-Identifikationsnummer LXXXVII

Abkürzungsverzeichnis

UStKongrBericht UStR usw. u.U. UVR UWG

Umsatzsteuerkongress-Bericht

v. VAG VAT v.E. VermBG VersR

vom, von Versicherungsaufsichtsgesetz Value added Tax verdeckte Einlage Vermögensbildungsgesetz Versicherungsrecht, Juristische Rundschau für die Individualversicherung Versicherungsteuergesetz Verwaltungsarchiv (Zeitschrift Verfügung verdeckte Gewinnausschüttung Verwaltungsgerichtshof vergleiche Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen vom Hundert Verordnung Volume Vorbemerkung Vermögensteuer Vermögensteuer-Durchführungsverordnung Vermögensteuergesetz Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungszustellungsgesetz

VersStG VerwArch. Vfg. vGA VGH vgl. V/L v.H. VO Vol. Vorb. VSt VStDV VStG VVaG VVDStRL VWG BsGa VwGO VwVfG VwZG LXXXVIII

Umsatzsteuer-Richtlinien und so weiter unter Umständen Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht (Zeitschrift) Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

Abkürzungsverzeichnis

W W/A/D WEG WiB WiRO WiSt wistra WiVerw Wj. WPg WKBG WKV WM W/M WPg W/R/S W/S/G WÜD WÜK WÜRV WVK

ZaöRV z.B. ZErb ZEV ZfB ZfbF ZfgK ZfV ZfZ ZG ZGB

Wassermeyer, Doppelbesteuerung: DBA, Kommentar Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstättenhandbuch Wohnungseigentumsgesetz Wirtschaftliche Beratung (Zeitschrift) Wirtschaft und Recht in Osteuropa (Zeitschrift) Wirtschaftswissenschaftliches Studium (Zeitschrift) Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht Wirtschaftsverwaltung (Zeitschrift) Wirtschaftsjahr Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) Gesetz zur Förderung von Wagniskapitalbeteiligungen Wiener Vertragsrechtskonvention Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift) Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht Wöhrle/Schelle/Gross, Außensteuergesetz Wiener Übereinkommen für Diplomaten Wiener Übereinkommen für Konsuln Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge Wiener Konvention über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen und zwischen internationalen Organisationen Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Betriebswirtschaft Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für das gesamte Krediwesen Zeitschrift für Völkerrecht Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern Zollgesetz Schweizerisches Zivilgesetzbuch LXXXIX

Abkürzungsverzeichnis

ZGR ZHR Ziff. zit. ZiLiRL ZIP ZIV ZK ZPO ZRP z.T. zutr. ZVglRWiss z.Zt.

XC

Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer zitiert, Zitat Zins- und Lizenz-Richtlinie Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis Zinsinformationsverordnung Zollkodex Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik zum Teil zutreffend Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft einschließlich des Rechts der Entwicklungsländer und der ethnologischen Rechtsforschung zurzeit

Gesamtliteraturverzeichnis Bamberger/Roth, Bürgerlichen Gesetzbuch: BGB, Kommentar, 5. Aufl., München 2022–2023 Baumbach/Hopt, HGB, Kommentar, 41. Aufl., München 2022 Baumbach/Noack, GmbHG, Kommentar, 23. Aufl., München 2022 Becker, Die atypisch stille Gesellschaft als Outbound-Finanzierungsalternative, Düsseldorf 2005 Beck´scher Bilanzkommentar, Handels- und Steuerbilanz, 13. Aufl., München 2022 Beck’scher Online-Kommentar, Außensteuergesetz, München, Beck-Online Beck’scher Online-Kommentar, Umwandlungssteuergesetz, München, Beck-Online Birk, Handbuch des europäischen Abgaben- und Steuerrechts, Herne/Berlin 2000 Birk (Hrsg.), Transaktionen, Vermögen, Pro Bono, Festschrift zum zehnjährigen Bestehen von P+P Pöllath + Partners, München 2008 Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, Losebl., Köln Blaurock, Handbuch Stille Gesellschaft, 9. Aufl., Köln 2020 Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl., Köln/Berlin 1997 Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, München 2007 Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union, 7. Aufl., Stuttgart 2020 Bordewin/Brandt, EStG, Kommentar, Losebl., Heidelberg Bott/Walter, KStG, Kommentar, Losebl., Bonn Brähler/Krenzin, Umwandlungssteuerrecht, 11. Aufl., Berlin/Wiesbaden 2020 Brandis/Heuermann, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, München, Losebl., vormals Blümich Bunjes, Umsatzsteuergesetz, 21. Aufl., München 2022 Callies/Ruffert, EUV und AEUV, Kommentar, 6. Aufl., München 2022 Chwolik-Landfermann, Grundrechtsschutz in der Europäischen Union, 1994 Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht: ‚Konvergenz‘ des Gemeinschaftsrechts und ‚Kohärenz‘ der direkten Steuern in der Rechtsprechung des EuGH, 2002 Dauses/Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Losebl., München Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Kommentar zu allen deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, Losebl., München Deloitte (Hrsg.), GewStG, Kommentar, Herne 2009 Deubert/Förschle/Störk, Sonderbilanzen, 6. Aufl., München 2021 Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, Berlin 2004 Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, Kommentar, Losebl., Stuttgart Ebenroth/Boujong/Jost/Strohn, HGB, Kommentar, 4. Aufl., München 2020 Eller, Liquidation der GmbH, 4. Aufl., München 2021 Engl/Fox/Traßl, Formularbuch Umwandlungen, 5. Aufl., München 2020 Erle/Sauter, KStG, Kommentar, 3. Aufl., Heidelberg 2010

| XCI

Gesamtliteraturverzeichnis Erman, BGB, 16. Aufl., Köln 2020 Ernst & Young, KStG, Kommentar, Losebl., Bonn Ettinger/Schmitz, Umstrukturierungen im Bereich mittelständischer Unternehmen, 6. Aufl., Herne/Berlin 2023 Festschrift für Gerd Krieger s. Hoffmann-Becking Festschrift für Wienand Meilicke s. Herlinghaus FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, Erläuterungen aus Unternehmens- und Beratungspraxis, Bonn 2012 Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, Kommentar, Losebl., Köln, Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA Deutschland–Schweiz, Kommentar, Losebl., Köln Frotscher, Internationales Steuerrecht, 5. Aufl., München 2020 Frotscher/Geurts, Kommentar zum EStG, Losebl., Freiburg Frotscher/Drüen, Kommentar zum Körperschaft-, Gewerbe- und Umwandlungssteuergesetz, Losebl., Freiburg Fuhrmann/Goerts/Nientimp/Wilmanns, AStG, Kommentar, 4. Aufl., Herne 2023 Geiger/Khan/Kotzur/Kirchmair, EUV/AEUV, 7. Aufl., München 2023 Glanegger/Güroff, GewStG, Kommentar, 10. Aufl., München 2021 Goebel/Ungemach, Praktiker-Kommentar Umwandlung von Unternehmen: Praxisnahe Kommentierung der relevanten zivil- und steuerrechtlichen Vorschriften (inklusive der internationalen Aspekte des UmwStG), HDS Verlag, Weil im Schönbuch 2013 Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, Kommentar, Losebl., Bonn Gosch, KStG, Kommentar, 4. Aufl., München 2020 Gosch/Grotherr/Bergmann, Steuerplanung und Compliance, Bd. II, Losebl., Herne Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Kommentar, Losebl., Herne/Berlin Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, Losebl., München GrEStG – eKommentar, hrsg. von Griesar, Jochum, Bonn Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung, 3. Aufl., Herne 2011 Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, vormals Palandt Haase, Außensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, 3. Aufl., Heidelberg 2016 Haase/Hofacker, UmwStG, Praxiskommentar, 3. Aufl., Berlin 2021 Haase/Hruschka, UmwStG, Praxiskommentar, 2. Aufl., Berlin 2017 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., München 2019 Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, Kommentar, 3. Aufl., München 2019 Habersack/Drinhausen, SE-Recht, 3. Aufl, München 2022 Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2019 Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht, Kommentar, 3. Aufl., Köln 2022 Hallerbach/Nacke/Rehfeld, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 2020 Haritz/Menner/Bilitewski, Umwandlungssteuergesetz: UmwStG, Kommentar, 5. Aufl., München 2019 Hausmann/Odersky, IPR in der Notar- und Gestaltungspraxis, 4. Aufl., München 2021

XCII |

Gesamtliteraturverzeichnis Herlinghaus/Hirte/Hüttemann/Heidel (Hrsg.), Festschrift für Wienand Meilicke, Baden-Baden 2010 Herrler, Gesellschaftsrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 2. Aufl., München 2021 Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Losebl., Köln Heymann, HGB, Kommentar, 2. Aufl., 1999 Hilser, Grenzüberschreitende Rechtsformwechsel in der Europäischen Union, Diss. Berlin 2022 Hoffmann-Becking/Hommelhoff, FS für Gerd Krieger, München 2020 Hopt/Wiedemann, AktG, Kommentar, 4. Aufl., Berlin 2021 Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Kommentar, Losebl., Köln Hüffer/Koch, AktG, Kommentar, 15. Aufl., München 2021 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl., München 2016 Jung/Krebs/Stiegler, Gesellschaftsrecht in Europa, Baden-Baden, 2019 Kallmeyer, UmwG, 7. Aufl, Köln 2020 Kalss, Verschmelzung Spaltung Umwandlung, 2. Aufl., Wien 2010 Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht, Wien, 2010 Kellersmann/Treisch/Lampert/Heinemann, Europäische Unternehmensbesteuerung, 2. Aufl., Cham 2013 Kessler/Kröhner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 3. Aufl., München 2018 Kirchhof/Seer, EStG, Kommentar, 21. Aufl., Köln 2022 Kirchhof/Kulosa/Ratschow, EStG, Kommentar, München 2020 Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Losebl., Heidelberg Klein, AO, Kommentar, 16. Aufl., München 2022 Klingebiel/Patt/Krause, Umwandlungssteuerrecht, 5. Aufl., Stuttgart 2020 Kluge, Das Internationale Steuerrecht, 4. Aufl., München 2000 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., Köln 1993 Korn, EStG, Losebl., Bonn Kraft, Außensteuergesetz, Kommentar, 2. Aufl., München 2019 Kraft/Edelmann/Bron, UmwStG, Kommentar, 2. Aufl., Heidelberg 2019 Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Losebl., Köln Kühn/von Wedelstädt, AO, Kommentar, Online, Stuttgart Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, Einzelabschluss, Kommentar, Losebl., Stuttgart Lademann, EStG, Kommentar, Losebl., Stuttgart Lademann, UmwStG, Handkommentar, 3. Aufl., Stuttgart 2022 Leidel, Die ‚gewerbliche Prägung‘ im Internationalen Steuerrecht, Berlin 2016 Lenski/Steinberg, GewStG, Kommentar, Losebl., Köln Lenz/Borchardt, EU-Verträge, 6. Aufl., Wien 2012 Liebchen, Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften: Steuerliche Gewinnermittlung und Einkunftsabgrenzung, Berlin 2008 Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, Losebl., Stuttgart

| XCIII

Gesamtliteraturverzeichnis Locher, Einführung in das Internationale Steuerrecht der Schweiz, 4. Aufl., Bern 2019 Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung, 3. Aufl., München 2017 Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung, 3. Aufl., München 2017 Lübbehüsen/Kahle, Brennpunkte der Besteuerung von Betriebsstätten, 2. Aufl., Herne 2019 Lüdicke, Jochen/Sistermann, Unternehmensteuerrecht, 2. Aufl., München 2018 Lüdicke, Jürgen, Besteuerung von Unternehmen im Wandel (Forum der Internationalen Besteuerung, Band 32), Köln 2007 Lüdicke, Jürgen, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, Baden-Baden 2008 Lüdicke, Jürgen, Zurechnung von Wirtschaftsgütern im Internationalen Steuerrecht, 2000 Lutter, UmwG, Kommentar, 6. Aufl., Köln 2019 Lutter, Verschmelzung, Spaltung, Formwechsel nach neuem Umwandlungsrecht und Umwandlungssteuerrecht – Kölner Umwandlungsrechtstage, Köln 1995 Lutter/Bayer, Holding-Handbuch, 6. Aufl., Köln 2020 Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl., Berlin 2018 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Kommentar, 21. Aufl., Köln 2022 Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Kommentar, 2. Aufl., Köln 2015 Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, 3. Aufl., Baden-Baden 2019 Maulbetsch/Klumpp/Rose, UmwG, Kommentar, 2. Aufl., Heidelberg 2017 Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, Losebl., Herne Michalski, GmbHG, Kommentar, Band II, 3. Aufl., München 2017 Mössner/Lampert u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 5. Aufl., Köln 2018 Mössner/Oellerich/Valta, KStG, Kommentar, 5. Aufl., Herne 2021 Momsen/Grützner, Witschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., München 2020 Müller/Detmering/Lieber, Die Organschaft, 12. Aufl., Herne 2022 Gummert, Münchener Anwaltshandbuch Personengesellschaftsrecht, 3. Aufl., München 2019 Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 6: Internationales Gesellschaftsrecht, Grenzüberschreitende Umwandlungen, 5. Aufl., München 2022 Münchener Kommentar zum AktG, Band 1, 5. Aufl., München 2019 Münchener Kommentar zum AktG, Band 7, 5. Aufl., München 2021 Münchener Kommentar zum BGB, Band 13: Internationales Wirtschaftsrecht, 8. Aufl., München 2021 Münchener Kommentar zum GmbH-Gesetz, 4. Aufl., München 2022 Münchener Kommentar zum HGB, Band 1, 5. Aufl., München 2021 Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, UmwStG, 2. Aufl., München 2022 Noack/Servatius/Haas, GmbHG, Kommentar, 23. Aufl., München 2022 Nowotny, Betriebsstättengewinnermittlung, Wien 2004 Oetker, HGB, Kommentar, 7. Aufl., München 2021 OECD, Verrechnungspreisleitlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen, 2017 Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 4. Aufl., München 2009 Patt/Rupp/Aßmann, Der neue Umwandlungssteuererlass, Weil im Schönbuch 2011

XCIV |

Gesamtliteraturverzeichnis PriceWaterhouseCoopers, Reform des Umwandlungssteuerrechts, Stuttgart 2007 Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht, 4. Aufl., Herne 2021 Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2. Aufl., Köln 2019 Pyszka/Brauer, Ausländische Personengesellschaften im Unternehmenssteuerrecht, Herne 2011 Rau/Dürrwächter, UStG, Losebl., Köln Raupach/Pohl/Ditz/Spatschek/Weggenmann, Praxis des Internationalen Steuerrechts, 2012 Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Kommentar, Losebl., Bonn Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, Kommentar, 3. Aufl., Köln 2019 Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, Kommentar, Köln 2015 Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, Kommentar, 5. Aufl., Köln 2019 Römermann, GmbH-Recht, 3. Aufl., München 2014 Rowedder/Pentz, GmbH-Gesetz, 7. Aufl., München 2022 Rupp/Knies/Faust, Internationales Steuerrecht, 5. Aufl., Stuttgart 2022 Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 5. Aufl., München 2017 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 5. Aufl., Köln 2023 Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht (Forum der Internationalen Besteuerung, Band 11), Köln 1997 Schaumburg/Rödder, UmwG/UmwStG, Kommentar, Köln 1995 Schmidt, Karsten, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., Köln 2020 Schmidt, EStG, Kommentar, 41. Aufl., München 2022 Schmidt/Lutter, AktG, Kommentar, 4. Aufl., Köln 2020 Schmitt/Hecht/Schlossmacher, Der Umwandlungsfall, München 2011 Schmitt/Hörtnagl, UmwG, UmwStG, Kommentar, 9. Aufl., München 2020 Schneider/Ruoff/Sistermann, Umwandlungssteuererlass 2011, Kurzkommentierung mit Beraterhinweisen, Köln 2012 Schmitt/Schlossmacher, Umwandlungssteuererlass 2011, München 2011 Schnittker/Bank, Die LLP in der Praxis, 2008 Schönfeld/Ditz, Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), Kommentar, 2. Aufl., Köln 2019 Scholz, GmbHG, Kommentar, 13. Aufl., Köln 2022 Schreiber/Kahle/Ruf, Besteuerung der Unternehmen, 5. Aufl., Berlin/Wiesbaden 2021 Schwarz/Pahlke, Kommentar zur AO, Losebl., Freiburg Schwarz, SE-VO, Kommentar, München 2006 Schwedhelm, Die Unternehmensumwandlung, 9. Aufl., Köln 2019 Sedemund, Europäisches Ertragsteuerrecht, 2008 Semler/Stengel/Leonard, UmwG, Kommentar, 5. Aufl., München 2021 Sölch/Ringleb, Umsatzsteuergesetz, Losebl., München Sonnenberger, Vorschläge und Berichte zur Reform des europäischen und deutschen internationalen Gesellschaftsrechts, 2007 Stadie, UStG, 3. Aufl., Köln 2015 Staringer, Besteuerung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, Wien 1999

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Gesamtliteraturverzeichnis Staudinger, Kommentar zum BGB, Internationales Gesellschaftsrecht, Neubearbeitung 1998, Berlin Stenger/Loose, Bewertungsrecht, BewG, ErbStG, GrStG, Kommentar, Losebl., Köln Streck, Körperschaftsteuergesetz, 10. Aufl., München 2022 Streinz, EUV/EGV, 3. Aufl., München 2018 Strunk/Kaminski/Köhler, Außensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, Losebl., Bonn Terra/Wattel, European Tax Law, 6. Aufl. 2018 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I, 2. Aufl., Köln 2000; Band II, 2. Aufl., Köln 2003; Band III, Köln 1993 Tipke/Kruse, AO/FGO, Kommentar, Losebl., Köln Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl., Köln 2020 Vogel/Lehner, DBA, Kommentar, 7. Aufl., München 2021 Vögele/Borstell/Engler, Handbuch der Verrechnungspreise, 5. Aufl., München 2020 von der Groeben/Schwarze/Hatje, Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 7. Aufl., Baden-Baden 2015 Wäger, UStG, Kommentar, 2. Aufl., Köln 2022 Wassermeyer, Doppelbesteuerung: DBA, München Loseblatt Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebstätten-Handbuch, 2. Aufl., Köln 2018 Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl., Köln 2015 Wegen/Spahlinger/Barth, Gesellschaftsrecht des Auslands, München, Losebl. Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, Kommentar, 2. Aufl., Köln 2022 Widmann/Bauschatz, UmwStG, Kommentar, Bonn 2022 Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Kommentar, Losebl., Bonn WKGT/BDI, Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts, 2. Aufl., Bonn 2022 Wilke/Weber, Internationales Steuerrecht, 16. Aufl., Herne 2022 Winkeljohann/Fuhrmann, Handbuch Umwandlungssteuerrecht, Düsseldorf 2007 Wöhrle/Schelle/Gross, AStG-Kommentar, Losebl., Stuttgart Ziemons/Binnewies, Handbuch Aktiengesellschaft, Losebl., Köln Zöllner/Noack, Kölner Kommentar zum AktG, Band 1, 4. Aufl. 2020

XCVI |

1. Teil Grundlagen

Kapitel 1 Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen A. Wirtschaftsreale Bedeutung von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 B. Steuerliche Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug I. Begriffsklärung und Gestaltungsformen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug 1. Terminologisches . . . . . . . . . . . 1.6 2. Umstrukturierungsbezogene Grundkonstellationen . . . . . . . 1.8 3. Vertikale Detaillierung auslandsbezogener Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.9 4. Klassische steuerliche Problemfelder bei Umstrukturierungen mit Auslandsbezug . . . . . . . . . 1.10 II. Systematik der Umstrukturierungen mit Auslandsberührung 1. Entwicklung eines steuerlichen Prüfungsschemas . . . . . . . . . . . 1.11 2. Rechtsformunterschiede (PersGes, KapGes, hybride Strukturen, Typenvergleich) . . . . . . . . 1.13 3. Inlandsumstrukturierungen mit Auslandsberührung . . . . . 1.19 4. Auslandsumstrukturierungen mit Inlandsberührung . . . . . . . 1.20 5. Grenzüberschreitende Umstrukturierungen: Hinausumstrukturierungen, Hereinumstrukturierungen, Transfer von Einzelwirtschaftsgütern . . 1.21 6. Wegzug/Teilwegzug/Zuzug, grenzüberschreitende Sitzverlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.23

III. Internationalsteuerliche Grundfragen 1. Betriebsstättenzuordnung mit Selbstständigkeitsfiktion; Zentralfunktion des Stammhauses 1.26 2. Realisationsfragen für stille Reserven bei (rechtlicher/tatsächlicher) Entstrickung/Verstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.31 3. „Vergleichbarkeitstest“ für ausländische Umwandlungen . . . 1.35 4. Europäischer Teilbetriebsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.38 5. Quellensteuerfragen bei Umstrukturierungen mit Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . 1.44 6. Sonderfragen der grenzüberschreitenden Verschmelzung/ Sitzverlegung einer SE . . . . . . . 1.46 7. Verluste in grenzüberschreitenden Umstrukturierungsfällen 1.48 8. Grenzüberschreitende Kettenumstrukturierungen . . . . . . . . 1.50 9. Umstrukturierungen doppelt ansässiger Gesellschaften . . . . 1.51 C. Gestaltungsgrenzen für Umstrukturierungen mit Auslandsbezug I. Ermittlung und Evaluation von steuerlichen Inlands- und Auslandsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.54 II. Missbrauchstest des § 42 AO, steuerschädlicher Gesamtplan . . . . . . . 1.57 III. Rückwirkungs- und Rückbeziehungsfragen zur Vermeidung weißer Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.61 IV. Instrumentarium des Treaty Override . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.67

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Kap. 1 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen V. Hinzurechnungsbesteuerung bei ausländischen Umwandlungen . . 1.70 VI. Grenzüberschreitende Korrespondenzregelungen und Qualifikationsverkettungen . . . . . . . . . . . . . . . 1.71 VII. Postumstrukturierungsbezogene Maßnahmen mit Steuerbezug: Sperrfristen, Finanzierung, Organschaft, Rechtsformwechsel . . . . . . 1.73

VIII. EU-/DBA-rechtlicher Diskriminierungsschutz bei Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.78 IX. Internationale Absicherung grenzüberschreitender Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.80 D. Zusammenfassende Beratungserkenntnisse für Umstrukturierungen mit Auslandsbezug . . . . 1.83

Literatur: Bachmann/Gebhardt/Seifert, Transitional CbCR Safe Harbour – Die erhoffte Erleichterung bei der Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung?, DB 2023, 476; Baldamus, Neues zur Betriebsstättengewinnermittlung, IStR 2012, 317; Becker/Kempf/Schwarz, Neue Steuerfallen im internationalen Steuerrecht, DB 2008, 370; Beinert/Benecke, Internationale Aspekte der Umstrukturierung von Unternehmen, FR 2010, 1009, 1120; Benecke, Anwendungsbereich des UmwStG und Rückwirkung nach dem UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 113; Benecke, Ausländische Umstrukturierungen mit Inlandsbezug, in DStJG 43 (2020), 623-654; Benz/Böhmer, Das Steueroasen-Abwehrgesetz, DB 2021, 1630; Brähler/Heerdt, Steuerneutralität bei grenzüberschreitender Verschmelzung unter Beteiligung hybrider Gesellschaften, StuW 2007, 260; Buchholz/Nitzschke, Das materielle Korrespondenzprinzip bei Gewinnauschüttungen und Einlagen, in Festschrift für Jürgen Lüdicke, 2019, 75 – 86; Burger/Kälberer, Rechtsund Planungssicherheit im Zeichen einer neuen Weltsteuerordnung, IStR 2020, 411; Cordes/ Geißler/Leonhardt, Deutsch – steuerliche Implikationen der Umwandlung einer österreichischen GmbH in eine Personengesellschaft, IStR 2019, 744; Desens, Paradigmenwechsel in der Entstrickungsbesteuerung?, DStR 2022, 1588; Desens, Der Leistungsfähigkeitsgedanke und die Entstrickung im Spiegel der europäischen Freiheitsrechte, FR 2022, 681; Ditz/Seibert, Das neue Steueroasen-Abwehrgesetz (StAbwG) – Darstellung und kritische Würdigung, FR 2021, 813; Eglmaier, Anrechnung ausländischer Quellensteuer auf die deutsche Gewerbesteuer, IStR 2011, 951; Ehret/Lausterer, Einleitende Erläuterungen des Umwandlungssteuererlasses und Anwendungsbereich, DB Beilage 1 2012, 5; Ettinger/Königer, Steuerliche Rückwirkung bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungsvorgängen, GmbHR 2009, 590; Euler/Maier/ Schanz, Der Regierungsentwurf des Steueroasen-Abwehrgesetzes, DStR 2021, 1257; Feldgen, Der Teilbetrieb im Steuerrecht, Ubg 2012, 459; Förster, Steuerneutrale Umstrukturierung von grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaftskonzernen, BFuP 2014, 1; Förster, Steuerbegünstigte Umstrukturierung von grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaftskonzernen, Festschrift für Jürgen Lüdicke, 2019, 129; Förster, Grenzüberschreitende Umstrukturierungen, DStR 2020, 865; Girlich/Philipp, Entstrickungsaspekte bei der Hinausverschmelzung von Kapitalgesellschaften, Ubg 2012, 150; Greil, Ein neues Teilbetriebsverständnis im Steuerrecht, StuW 2011, 84; Hahn, Treaty Overriding sine ira et studio, IStR 2011, 863; Heckschen/Knaier, Größte Reform des Umwandlungsrechts – nicht nur Richtlinienumsetzung!, GmbHR 2022, 501 (Teil I) und 613 (Teil II); Heckschen/Hilser, Grenzüberschreitender Gesellschaftszuzug aus Drittstaaten nach Deutschland am Praxisbeispiel einer Schweizer Aktiengesellschaft, DStR 2022, 1005 und 1053; Hruschka, Umwandlungen mit Auslandsberührungen, StuB 2011, 540; Jacobsen, Vorschlag zur vollständigen Globalisierung des Umwandlungssteuerrechts, DStZ 2021, 490; Jacobsen/Happel, Steuerplanung grenzüberschreitender Umwandlungen von Kapital- auf Kapitalgesellschaften unter Berücksichtigung des anderen Staates, DStZ 2022, 787; Käshammer/Schümmer, Fiktive Veräußerungsgewinnbesteuerung (Entstrickung) bei Anteilen an deutschen Kapitalgesellschaften – „Vorsicht Falle“ oder „keine Panik“?, IStR 2012, 362;

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Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen | Kap. 1 Kahle, Zur Ertragsbesteuerung der Personengesellschaften nach MoPeG und KöMoG, StuB 2022, 881; Kahle/Mödinger, Erfolgs- und Vermögensabgrenzung bei ausländischen Betriebsstätten, DB 2011, 2338; Kahle/Ziegler, Betriebsstättenbegriff – Grundfragen und aktuelle Entwicklungen, DStZ 2009, 834; Kaminski, Aktuelle Entwicklungen bei der Betriebsstättenbesteuerung, Stbg 2012, 354; Klingberg/Nitzschke, Grenzüberschreitende Umwandlungen am Beispiel grenzüberschreitender Verschmelzungen, Ubg 2011, 451; Kollruss, (Nicht-) Anrechnung ausländischer Steuern auf die Gewerbesteuer?, IStR 2022, 384; Köhler/Käshammer, Umwandlung von Kapitalgesellschaften mit ausländischen Anteilseignern in Personengesellschaften nach dem UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 301; Körner, Ent- und Verstrickung, IStR 2009, 741; Kraft, Gewerbesteuerliches Gestaltungspotenzial und Gewerbesteuerfallen bei Umwandlungen im Kontext von Inbound-Investments, IStR 2012, 528; Kraft/Gebhardt, Das Postulat der Kapitalinhaberschaftsneutralität im Kontext der EuGH-Judikatur zu National Grid Indus, FR 2012, 403; Kröner/Momen, Neuerungen des UmwSt-Erlasses 2011 – Ein Überblick, DB 2012, 71; Kußmaul/Ruiner, Zur Umsetzung des OECD Functionally Separate Entity Approach in nationales Recht, BB 2012, 2025; von der Laage, Besteuerungsbedürfnis versus Europarechtskonformität beim Wegzug einer Europäischen Aktiengesellschaft, StuW 2012, 182; Lehner, Treaty override im Anwendungsbereich des § 50d EStG, IStR 2012, 389; Lehner, Neue Regelungsebenen und Kompetenzen im Internationalen Steuerrecht, IStR 2019, 277; Maywald/Reiter, Verschmelzung einer US-LLC auf ihre Schwester US-LLC – Verlustabzug bei Körperschaften, IWB 2012, 408; Micker, Die neuen Entstrickungsregeln und das alte Problem der Rückwirkung, IWB 2011, 714; Micker/Uphues, Die Auslegung des Teilbetriebsbegriffs im Steuerrecht, Ubg 2021, 320; Middendorf/Strothenke, Umwandlungen mit internationalem Bezug, StuB 2012, 305; Mitschke, Das EuGH-Urteil „National Grid Indus“ vom 29.11.2011 – Eine Bestandsaufnahme und eine Bewertung aus Sicht der Finanzverwaltung, DStR 2012, 629; Mitschke, Das Treaty Override zur Verhinderung einer Keinmalbesteuerung aus Sicht der Finanzverwaltung, DStR 2011, 2221; Mitschke, Konkretisierung der gesetzlichen Entstrickungsregelungen und Kodifizierung der finalen Betriebsaufgabetheorie durch das JStG 2010, Ubg 2011, 328; Pohl, Ausgewählte internationale Aspekte des neuen Umwandlungssteuererlasses, IWB 2012, 177; Prinz, Grundlagen zum internationalen Umwandlungssteuerrecht, DB 2012, 820; Prinz, Steuerliches Entstrickungskonzept – gelungen oder reparaturbedürftig?, GmbHR 2012, 195; Prinz, Zinsschranke unter „partiellem Verfassungsverdacht“, FR 2012, 541; Prinz, Inländische Umstrukturierung von GmbHs mit Auslandsbezug, GmbHR 2020, 625; Prinz, Globalisierung des deutschen Umwandlungssteuerrechts durch das KöMoG – Begrüßenswert, aber unvollständig, FR 2021, 561; Prinz, Internationales Unternehmenssteuerrecht – Unternehmensinteressen zwischen Steuermoral, Steuervermeidung und „überkomplexer“ Steuergesetzgebung, DB 2022, 1730; Prinz, Internationale Personengesellschaften: Option gem. § 1a KStG bei ausländischen Mitunternehmern, FR 2023, 1; Pyszka/Jüngling, Steuerfalle: Umwandlung von EU-Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften, GmbHR 2012, 327; Reckzeh, Anrechnung oder Abzug von Quellensteuern unter Berücksichtigung der Gewerbesteuer, Ubg. 2022, 307; Reiter, Entstrickung durch Abschluss oder Revision eines DBA, IStR 2012, 357; Rieck/Fehling, Neues zur effektiven Mindestbesteuerung in der EU – die Umsetzung von Säule 2 nimmt Gestalt an, IStR 2023, 77; Risse, Steuerliches Risikomanagement, Ubg 2012, 169; Rosen/Hütig, Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Zinsschranke – Anmerkungen zum BFH-Beschluss vom 13.3.2012 – I B 111/11, StuB 2012, 475; Schaumburg, Steuerliche Restriktionen bei internationalen Umwandlungen, GmbHR 2010, 1341; Schell, Internationale Bezüge bei Verschmelzungen zwischen Körperschaften, FR 2012, 101; Schell/Krohn, Ausgewählte praxisrelevante „Fallstricke“ des UmwSt-Erlasses 2011, DB 2012, 1057, 1119, 1172; Schmid/Mertgen, Organschaft, Zinsschranke und § 8c KStG bei unterjährigem Beteiligungserwerb – eine Steuerfalle, DB 2012, 1830; Schön, Grenzüberschreitende Umstrukturierungen von Unternehmen zwischen deutschem, internationalem und Europäischem Steuerrecht, in DStJG 43 (2020), 563-621; Schönfeld, Praxisfragen der grenzüberschreitenden Organschaft – dargestellt anhand von Fallbeispielen, IStR 2012, 368; Schönfeld, Ausgewählte internationale Aspekte des

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Kap. 1 Rz. 1.1 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen neuen Umwandlungssteuererlasses, IStR 2011, 497; Schönfeld/Häck, Verfassungsrechtliche Zulässigkeit „unecht“ rückwirkender Steuergesetze, DStR 2012, 1725; Schulz-Trieglaff, Keine Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Gruppenbesteuerung? – Nichtanwendungserlass des BMF zum BFH-Urteil vom 9.2.2011 – I R 54, 55/10, StuB 2012, 191; Schwemmer, Der Rechtstypenvergleich im Internationalen Steuerrecht, StuW 2023, 82; Schwenke, Treaty override und kein Ende?, FR 2012, 443; Spengel u.a., Die globale Mindeststeuer – Kosten und Nutzen aus deutscher Sicht, DB Beilage Nr. 1/2023; Thömmes, Verzinsung und Sicherheitsleistung in Entstrickungsfällen im Unionsrecht, IWB 2012, 515; Thömmes, Zulässigkeit einer identitätswahrenden Sitzverlegung von Gesellschaften in der EU, IWB 2012, 571; Thömmes/Linn, Verzinsung und Sicherheitsleistung bei aufgeschobener Fälligkeit von Steuern im Wegzugsfall, IStR 2012, 282; Uphues, Der nationale und der europäische Teilbetriebsbegriff im Vergleich, DStR 2022, 2521 und 2584; Wissenschaftlicher Beirat des Fachbereichs Steuern der Ernst & Young AG, Notwendige Reform der Verlustverrechnung, DB 2012, 1704.

A. Wirtschaftsreale Bedeutung von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug 1.1 Die unternehmerische Tätigkeit deutscher Unternehmen ist heute in vielen Fällen nicht mehr auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland beschränkt. Großkonzerne, aber auch Mittelständler und zunehmend kleinere Unternehmen verfügen über Betriebsstätten und Tochtergesellschaften im Ausland. Europäische Länder, aber auch Drittstaaten – wie die USA, Kanada, Brasilien, Indien, Japan und China – sind beliebte Auslandsstandorte für deutsche Unternehmen. Umgekehrt sind Auslandsunternehmen intensiv über Legaleinheiten und Betriebsstätten auch in Deutschland tätig. Kurz gesagt: Deutschland als größter Wirtschaftsraum in Europa ist ein bedeutsamer Investitionsstandort für Steuerausländer. Globalisierung der Märkte und weltweit tätige Unternehmen in Inbound- und Outboundstrukturen sind heute vielfach gelebte Wirtschaftsrealität.1 Die internationale Mobilität von Unternehmen hat in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen. Im Zeitraum der Jahre 2000 bis einschließlich 2020 fanden innerhalb der Europäischen Union mit steigender Tendenz rd. 13 000 grenzüberschreitende Transaktionen statt, wobei grenzüberschreitende Verschmelzungen überwogen. Deutschland war dabei sowohl Aufnahme- als auch Wegzugsstaat.2

1 Die wirtschaftliche Bedeutung internationaler Unternehmensverflechtungen wird deutlich an folgenden statistischen Zahlen (vgl. Statistisches Jahrbuch 2019). Zur Inbound-Perspektive für die Jahre 2016/2017: In Deutschland existieren rd. 41 820 Tochtergesellschaften, die durch ausländische Mutterunternehmen kontrolliert werden. Neben europäischen Muttergesellschaften (rd. 76 %) sind nord- und mittelamerikanische Investoren (rd. 14,5 %) gefolgt von asiatischen Unternehmen (8,5 %) mit Tochtergesellschaften in Deutschland tätig. Zur Outbound-Perspektive für das Jahr 2019: Deutsche Muttergesellschaften kontrollieren im Ausland rd. 30 500 Tochtergesellschaften, davon rd. 15 200 in den 27 EU-Staaten (vgl. Foreign Affiliates Statistics – FATS). 2 Vgl. Bungert, Gastkommentar DB 7/2022 mit Hinweisen auf eine aktuelle Studie des ITEM/ICGI (Report Cross-border Corporate Mobility in the EU).

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A. Wirtschaftsreale Bedeutung von Umstrukt. mit Auslandsbezug | Rz. 1.4 Kap. 1

Die Aufrechterhaltung internationaler Wettbewerbsfähigkeit derartiger Unternehmen hat Umstrukturierungen mit Auslandsbezug zur Folge, die äußerst vielgestaltig sind. So können etwa ausländische Betriebsstätten geschlossen oder in eine Auslandstochter eingebracht werden; zwei ausländische Einheiten mit einer Inlandsbetriebsstätte werden im Ausland verschmolzen oder gespalten; eine deutsche Aktiengesellschaft verlegt ihren Verwaltungssitz ins Ausland, der inländische Satzungssitz bleibt erhalten; eine inländische SE (= Societas Europaea) zieht komplett (gleichzeitig mit Satzungs- und Verwaltungssitz) in einen anderen EU-Staat. Viele Beispiele mehr sind vorstellbar. Umstrukturierungen mit Auslandsbezug lösen stets komplexe und mehrere Steuerhoheiten betreffende Fragen aus. Ausländisches, nationales und internationales Recht trifft – trotz diverser Harmonisierungsbemühungen insb. in Europa – mit all seiner Unabgestimmtheit und Wertungswidersprüchen aufeinander.

1.2

Nachhaltige umwandlungsbedingte Steuerbelastungen können prohibitiv wirken, sinnvolle unternehmensorganisatorische Anpassungen verhindern. Sie sind daher ein wichtiges „Machbarkeitskriterium“ für Art und Form der Umstrukturierung. Vor allem auch die internationalen Großkonzerne müssen – ganz unabhängig von territorialen Besteuerungshoheiten – Mobilitätsschranken abbauen, um flexibel auf Marktneuerungen und organisatorische Veränderungen reagieren zu können. Häufig orientiert sich dabei der Strukturaufbau einer Unternehmensgruppe an den Vorgaben des lokalen Gesellschafts- und Steuerrechts; die betriebswirtschaftlichen und organisatorischen Notwendigkeiten weichen häufig von den formalen Rechtsstrukturen ab.

1.3

Um derart facettenreiche Steuerfragen bei Umstrukturierungen mit Auslandsbezug soll es im Weiteren gehen. Dabei treten mehrere „Problemdimensionen“ auf, die dem steuerlichen Umgang mit derartigen Umstrukturierungen eine besondere Komplexität verleihen. Während „nationale Umstrukturierungen“ bereits zu den als besonders schwierig geltenden Rechtsgebieten zählen, gilt dies für internationale Umstrukturierungen im besonderen Maße. Auch das internationale Steuerrecht mit seinen stets mehrere Jurisdiktionen betreffenden Doppelbesteuerungs- und Nichtbesteuerungsszenarien gilt gemeinhin als ein höchst anspruchsvolles Rechtsgebiet. Die durch den sog. BREXIT – Austritt des Vereinigten Königreichs (Großbritannien/Nordirland) aus der EU – zum 31.1.2020 ausgelösten disruptiven Steuerfolgen bedurften in vielen Praxisfällen besonderer Beachtung und wurden durch diverse Übergangsregelungen „abgefedert“. Dies verdeutlicht die besonderen steuerspezifischen Herausforderungen, die Umstrukturierungen mit Auslandsbezug beinhalten. Hinzu kommt: Durch das seit vielen Jahren intensiv diskutierte BEPS- Aktionsprogramm der OECD-/G20-Staaten zur Beseitigung/Reduzierung „aggressiver Steuergestaltungen“ besteht eine atemberaubende Änderungsdynamik im Grundverständnis internationaler Besteuerungskompetenzen, die die Mobilitätsbedürfnisse für international tätige Unternehmen deutlich erhöht. Es ist – flankiert durch diverse Maßnahmen der EU – eine Art neue „globale Weltsteuerordnung“ mit internationaler Koordination fairer Besteuerungsansprüche der Staaten in Diskussion und Planung. Fiskalinteressengeleitete Sonderwege einzelner Staaten schließt dies nicht aus. Die Rede ist von den Großprojekten Pillar I – Neuordnung der Besteuerungsrechte der Marktstaaten – und Pillar II – Globale Mindestbesteuerung mit einer effektiven Mindeststeuerbelastung von 15 % auf Basis eines harmonisierten maßgeblichen steuerlichen Gewinns. Pillar 2

1.4

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Kap. 1 Rz. 1.4 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

wurde kürzlich in Europa (einschl. EWR-Raum) legislativ durch die „Richtlinie (EU) des Rates vom 14.12.2022 zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union“ eingeführt und ist bis zum 31.12.2023 in nationales Recht umzusetzen.1 Sämtliche internationalen Umstrukturierungen stehen deshalb gerade in aktueller Zeit unter hoher Unsicherheit hinsichtlich der Rechtsgrundlagen und bedürfen deshalb flexibler Planung und Handhabung. Für die steuerliche Anerkennung notwendige Substanz- und Funktionserfordernisse werden steuerpolitisch und in konkreten Anwendungsfällen kontrovers diskutiert.2 Für grenzüberschreitende Steuergestaltungen besteht eine europäisch koordinierte Anzeigepflicht (sog. DAC 6-Richtlinie), die im internationalen Umstrukturierungsbereich allerdings nur Ausnahmefälle betreffen sollte.3 Größtmögliche Flexibilität der Unternehmensstrukturen ist mittlerweile Kernnotwendigkeit jeglicher grenzüberschreitender Umstrukturierungsszenarien.

1.5 Zur Einführung in die „internationale Umstrukturierungswelt“ und als systematischer Wegbereiter der weiteren Teile und Kapitel des Handbuches sollen zunächst – ohne zu tief in die rechtstechnischen Details zu gehen – die steuerlichen Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug dargelegt werden (s. B.). Dies beinhaltet einige Begriffsklärungen (B.I.), die Entwicklung einer Systematik der Umstrukturierungen mit Auslandsbezug (B.II.) und schließlich die Beschreibung zentraler internationalsteuerlicher Grundfragen, die in der Praxis bei den vielfältigen Gestaltungen in unterschiedlicher Intensität zu beobachten sind. Anschließend werden einige Gestaltungsgrenzen für Umstrukturierungen mit Auslandsbezug aus steuersystematischer und besteuerungspraktischer Sicht exemplarisch aufgezeigt (s. C.). Die Einführung schließt mit zusammenfassenden Beratungserkenntnissen für Planung und Durchführung von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug (s. D.). Die Darstellung erfolgt im Wesentlichen aus deutscher Steuerperspektive, mit den umstrukturierenden Unternehmen und ihren Gesellschaftern im Mittelpunkt. 1 Zur Einordnung der bedeutsamen internationalen Entwicklungslinien vgl. Schön, IStR 2022, 181 und in FS für den BFH, Band I, 2018, 923–947 mit einer Analyse der Internationalisierung des Internationalen Steuerrechts hinsichtlich seiner normativen Grundlagen, Auslegungsmethoden, Inhalte und Institutionen; Fehling/Koch, IStR 2021, 561 zum sog. Zwei-Säulen-Projekt und Valta, Ubg 2022, 300; Fehling, FR 2022, 482 mit Hinweisen zu Erscheinungsformen und Regelungszweck eines steuerpolitisch neuartigen „Steuerlichen Abwehrrechts“; Lehner, IStR 2019, 277 zu neuen Regelungsebenen und Kompetenzen im internationalen Steuerrecht und dem sog. MLI (= Multilaterales Instrument). Zu deutschen Interessen im Steuerwettbewerb vgl. Hey, DB 2018, 2951 und aus Unternehmenssicht Prinz, DB 2022, 1730: Zur Entwicklung eines „Weltsteuerrechts“ s. Valta in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Kapitel 3, Rz. 3.150–3.187: Zur globalen Mindeststeuer und den angestrebten Vereinfachungen (= Safe Harbour) s. Spengel u.a. DB Beilage Nr. 1/ 2023; Rieck/Fehling, IStR 2023, 77; Bachmann/Gebhardt/Seifert, DB 2023, 476. 2 Zum neuen Richtlinienentwurf der EU-Kommission zur Verhinderung der steuermissbräuchlichen Nutzung von Briefkastenfirmen vgl. als Überblick Benz/Böhmer, DB 2022, 1028–1037. 3 Vgl. als Überblick Federmann/Bischoff, BB 2021, 791; Adrian/Heinsen, WPg. 2020, 232. Aus Sicht der FinVerw. BMF v. 29.3.2021 – IV A 3 - S 0304/19/10006 :010 (2021/0289747), BStBl. I 2021, 582.

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B. Stl. Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.7 Kap. 1

B. Steuerliche Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug I. Begriffsklärung und Gestaltungsformen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug 1. Terminologisches Um eine Grundsystematik und einen Bezugsrahmen für Umstrukturierungen mit Auslandsbezug zu schaffen, ist eine typisierende Einordnung vorzunehmen. Abhängig von der betroffenen Umstrukturierungskonstellation ergeben sich jeweils typische steuerliche Problembereiche. Dabei beinhalten Umstrukturierungen mit Auslandsbezug aus steuerlicher Sicht stets ein Mehrstaatenproblem, was naturgemäß wirtschaftliche Doppelbesteuerungsprobleme und möglicherweise auch „Nichtbesteuerungssituationen“ nach sich zieht. Es können zwei, drei oder mehr Jurisdiktionen betroffen sein. Meist besteht ein „Zusammenarbeitungsbedarf“ nationaler und internationaler Steuerfachleute, der durch gesellschaftsrechtliche und rechnungslegungsbezogene Expertise ergänzt werden sollte. Bei derartigen Umstrukturierungen kann es sich entweder um gesellschaftsrechtlich ausdrücklich kodifizierte grenzüberschreitende Umwandlungen (wie etwa Verschmelzungen, Spaltungen oder Formwechsel) nach Maßgabe des mit Wirkung ab 1.2.2023 für EU/EWR-Fälle geltenden „Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG)“ (§§ 305 – 355 UmwG n.F.) oder um anderweitige Umstrukturierungen und Reorganisationen (bspw. mit Einzelrechtsnachfolge) handeln. Dabei ist das vorliegende Werk „Umwandlungen im internationalen Steuerrecht“ im Schwerpunkt aus deutscher steuerlicher Sicht angelegt. Mitunter wird für Einzelfragen auf ausländische Rechtsordnungen rekurriert, wobei der deutsche Berater dafür normalerweise keine originäre Fachkompetenz besitzt. Dies macht die Hinzuziehung ausländischer Steuerfachleute – und ggf. auch entsprechender Gesellschafts- und Bilanzrechtler – erforderlich. Bei den betroffenen Rechtsnormen handelt es sich im Wesentlichen um nationale oder internationale Regelungen (wie DBA- und EU-Recht oder multilaterale Rechtsquellen).

1.6

Terminologisch wird im Weiteren von „Umstrukturierungen mit Auslandsbezug“ gesprochen. Diese Formulierung ist offen für gesellschafts-, gesellschafter- oder anderweitigen sachbezogenen Auslandsbezug der Umstrukturierung. Der Auslandsbezug kann EU/EWR-Staaten oder Drittstaaten mit oder ohne DBA betreffen; Steueroasenländer weisen Besonderheiten auf.1 Umstrukturierungen können gesellschaftsrechtliche Umwandlungen mit Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge und Einbringungen von Sachgesamtheiten erfassen – insoweit bietet sich die Bezeichnung „Internationales Umwandlungssteuerrecht“2 an. Es kann sich aber auch um auf Einzelwirtschaftsgüter bezogene umwandlungsähnliche Reorganisationen handeln. Rechtsformwah-

1.7

1 Zum „Steueroasen-Abwehrgesetz (StAbwG)“ v. 25.6.2021, BStBl. I 2021, 895 sowie der „Steueroasen-Abwehrverordnung – StAbwV“ v. 20.12.2021, BStBl. I 2022, 3 vgl. Ditz/Seibert, FR 2021, 813; Benz/Böhmer, DB 2021, 1630; Euler/Maier/Schanz, DStR 2021, 1257. 2 Vgl. Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Kap. 20, Rz. 20.4-20.10.

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Kap. 1 Rz. 1.7 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

rende oder rechtsformwechselnde Sitzverlegungen (Satzungssitz/Verwaltungssitz) in Gestalt eines „grenzüberschreitenden Formwechsels“, Wegzug oder Liquidation/Neugründung mit grenzüberschreitender Richtung sind als Sonderfälle ebenfalls erfasst. Im Kern handelt es sich meist um Einmalvorgänge mit großer rechtlicher und wirtschaftlicher Bedeutung, keine Dauersachverhalte. In der Praxis kann man aber vor allem bei Konzernen nicht zuletzt im Hinblick auf gestiegene Mobilitätserfordernisse „Umstrukturierungen in Permanenz“ beobachten. 2. Umstrukturierungsbezogene Grundkonstellationen

1.8 Aus Systematisierungsgründen können unterschieden werden:1 – Inlandsumstrukturierung mit Auslandsbezug (Grundkonstellation 1). Im Ausgangspunkt liegt ein reiner Inlandsfall vor, der als Verschmelzung, Spaltung, Einbringung oder Formwechsel ausgestaltet sein kann. Der Auslandsbezug kann sich einerseits ergeben im Hinblick auf ausländische Anteilseigner des Überträgers/ Übernehmers/formwechselnden Rechtsträgers oder durch ausländisches Betriebsvermögen, das durch die Umstrukturierung berührt wird. Beides tritt in der Besteuerungsrealität häufig zusammen auf. Vornehmlich stellen sich DBA-Anwendungsfragen, die die lokale Zuordnung des Besteuerungsrechts sowie die Abmilderung/Beseitigung steuerlicher Mehrfachbelastungen betreffen. Steuerliche Entstrickungsfragen können hinzutreten. – Auslandsumstrukturierung mit Inlandsbezug (Grundkonstellation 2). Hier ist zunächst nur die ausländische Rechtsordnung durch die Umstrukturierung betroffen. Ein Inlandsbezug kann sich dabei ergeben durch inländische Anteilseigner der Überträgerin/Übernehmerin und/oder inländisches Betriebsvermögen, das im Zuge des Umstrukturierungsvorgangs berührt wird. Ein Beispiel für eine solche Grundkonstellation 2 ist die Verschmelzung einer ausländischen Kapitalgesellschaft auf einen anderen ausländischen Rechtsträger mit inländischen Anteilseignern. Insoweit sind auch grenzüberschreitende Auslandsvorgänge möglich. Zentrale Steuerfrage ist die Vergleichbarkeit des Auslandsvorgangs mit einer inländischen Umstrukturierung. Daneben stellen sich Realisationsfragen beim Inlandsgesellschafter und beim inländischen Betriebsvermögen. In Einzelfällen ist die außensteuergesetzliche Hinzurechnungsbesteuerung zu beachten; auch kommt u.U. die materielle Korrespondenzregelung des § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG zur Anwendung oder es stellen sich Fragen zu Besteuerungsinkongruenzen gem. § 4k EStG bei hybriden Strukturen. – Grenzüberschreitende Umstrukturierungen (Grundkonstellation 3). Es sind zwei Grundrichtungen im Ausgangspunkt denkbar. Die grenzüberschreitende 1 Vgl. zu diesem bewährten Ordnungsrahmen für internationale Umstrukturierungen Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.4; Förster, DStR 2020, 865, 866 und in FS für Jürgen Lüdicke, 2019, 129/139; Herzig/Förster, StuW 1998, 99; Prinz, DB 2012, 820 und speziell zu inländischen Umstrukturierungen mit Auslandsbezug GmbHR 2020, 625. Zu einem steuerlichen Prüfschema und weiteren konkretisierenden Hinweisen s. Gliederungspunkt B.II., Rz. 1.11 ff.

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B. Stl. Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.9 Kap. 1

Umstrukturierung kann zum einen erfolgen „hinaus aus Deutschland“, etwa durch Hinausverschmelzung oder -spaltung (sog. Outbound-Umstrukturierung). Es stellen sich rechtliche und tatsächliche Entstrickungsfragen. Zum anderen kann die Umstrukturierung aber auch „herein nach Deutschland“ stattfinden (sog. Inbound-Umstrukturierung). Dies ist der Verstrickungsfall. In diesem Zusammenhang sind auch grenzüberschreitende „Umwandlungen“ von Kapital- in Kapitaloder Personengesellschaften in Form von Spaltungen, Formwechseln oder Sitzverlegungen anzutreffen, für die – basierend auf der EU-Mobilitätsrichtlinie 2019 – auch nach dem „Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG)“ v. 22.2.2023 mit Wirkung ab 1.3.2023 weiterhin nur bruchstückhafte gesellschaftsrechtliche Grundlagen – begrenzt auf Umstrukturierungen von EU/EWR-Kapitalgesellschaften – bestehen. 3. Vertikale Detaillierung auslandsbezogener Umstrukturierungen

1.9

Innerhalb der drei Grundkonstellationen ist jeweils zu unterscheiden: – Qualität des Auslandsbezugs. Hinsichtlich der Qualität des Auslandsbezugs bei grenzüberschreitenden Umwandlungen enthalten das Umwandlungsrecht und das Umwandlungssteuerrecht unterschiedliche Begrenzungen, die in Terminologie und Aufbau in vielerlei Hinsicht nicht aufeinander abgestimmt sind,1 und in der Praxis jeweils im Detail geprüft werden müssen. Dabei ist im Zeitablauf eine Ausweitung der kodifizierten Möglichkeiten einer grenzüberschreitenden Umwandlung zu beobachten, wobei im Umwandlungssteuerrecht eine Teilglobalisierung erfolgt ist, während im Umwandlungsrecht ausschließlich EU/EWR-Körperschaften einbezogen sind. Im Hinblick auf den zum 31.1.2020 erfolgten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU (sog. BREXIT) gelten übergangsweise Sonderbestimmungen, die Rechtsnachteile aus dem UK-Status als Drittstaat abmildern sollen.2 Eine nach den Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs Großbritannien/Nordirland gegründete Kapitalgesellschaft erfüllt nach dem 31.12.2020 nicht mehr die Voraussetzungen einer EU-Körperschaft.; sie wird wie eine Drittstaaten-Kapitalgesellschaft behandelt.3 Als aktuelle Bestandsaufnahme lässt sich festhalten: – Europäisiertes Umwandlungsrecht. Die grenzüberschreitende Verschmelzung von EU/EWR-Kapitalgesellschaften per Gesamtrechtsnachfolge wurde in Umsetzung der Vorgaben der europäischen Fusionsrichtlinie mit Wirkung ab 1.1.2006 in 1 Vgl. Schaumburg, GmbHR 2010, 1341. 2 Vgl. insb. das „Brexit-Steuerbegleitgesetz“ – Brexit-StBG v. 25.3.2019, BStBl. I 2019, 223; zuverfahrensrechtlichen Fragen s. BMF v. 30.12.2020 – IV A 3 - S 0284/20/10006 :003 (2020/1363474), BStBl. I 2021, 46. Vgl. ergänzend Schneider/Stoffels, Ubg 2019, 1; Link, NWB 2019, 866; Richter/Schlücke, IStR 2019, 51; Zöller/Steffens, IStR 2019, 286. Zur Anerkennung der Beteiligtenfähigkeit einer britischen Limited nach dem Brexit gem. FGO vgl. BFH, Beschl. v. 13.10.2021 – I B 31/21, DStR 2022, 250; zur Einordnung Levedag, GmbHR 2022, 488. 3 Vgl. etwa FinMin. Schleswig-Holstein, Kurzinfo KSt 2021 Nr. 10 v. 7.5.2021, DB 2021, 1236.

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Kap. 1 Rz. 1.9 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

den §§ 122a ff. UmwG kodifiziert.1 Seit dem 1.1.2019 sind die deutschen umwandlungsrechtlichen Vorschriften bei grenzüberschreitenden EU-Verschmelzungen auch auf inländische Personenhandelsgesellschaften als aufnehmende Rechtsträger anwendbar, um insbesondere die Brexit-Rechtsfolgen mit dem Ausscheidensstichtag 31.1.2020 für nach britischem Recht begründete Ltds. „abzufedern“. Zu diesem Zweck wurde § 122a Abs. 2 Satz 2 UmwG für Inbound-HineinverschmelzungsStrukturen auf Personenhandelsgesellschaften eingeführt (Viertes Gesetz zur Änderung des UmwG vom 19.12.2018). Die übernehmende Personengesellschaft soll – zur Verhinderung einer Umgehung mitbestimmungsrechtlicher Vorschriften – i.d.R. nicht mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen (§ 122b Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Erst mit der sog. Mobilitätsrichtlinie vom 27.11.2019 (EU-Mobilitätsrichtlinie 2019) sind grenzüberschreitende Umwandlungen von Körperschaften gesellschaftsrechtlich umfassend und vereinheitlicht für alle Umwandlungsformen im EU/EWR-Bereich zugelassen worden (Richtlinie EU – 2019/2121 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.11.2019). Die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften wird damit erweitert im Hinblick auf grenzüberschreitende Formwechsel, Sitzverlegungen und Spaltungen, und zwar konkret in Gestalt von Abspaltung, Aufspaltung und Ausgliederung zur Neugründung. Es erfolgt zudem eine Rechtsangleichung der Schutzinstrumente für Gläubiger, Minderheitsgesellschafter und Arbeitnehmer (einschließlich deutscher Mitbestimmung). Es wird ein sog. Vorabbescheinigungsverfahren eingeführt, in welchem die zuständigen Behörden im Wegzugsstaat die ordnungsmäßige Berücksichtigung aller einschlägigen Voraussetzungen/Formalitäten für die grenzüberschreitende Umwandlung bestätigen. Die Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen Mobilitätsrichtlinie in nationales Recht musste bis spätestens 31.1.2023 erfolgt sein (mit anschließender Evaluation durch die Kommission bis spätestens 1.2.2027). Mit dem nationalen „Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Gesetze“ v. 22.2.2023 sind die europäischen Vorgaben der Mobilitätsrichtlinie mit Wirkung ab 1.3.2023 in das deutsche Umwandlungsrecht transformiert worden, um die europäische Mobilität von Körperschaften im Binnenmarkt nicht zuletzt zur Stärkung der im Unionsrecht garantierten Niederlassungsfreiheit zu fördern.2 Die grenzüberschreitende Umwandlung von EU/EWR-Kapitalgesellschaften 1 Es handelt sich um die Richtlinie 2005/56 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedsstaaten. Die sekundärrechtlichen Vorgaben wurden später in die sog. Gesellschaftsrechtsrichtlinie – dies ist konkret die Richtlinie EU 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.6.2017 – überführt. 2 Verkürzt wird vom „UmRUG“ gesprochen, das am 28.2.2023 im BGBl. I 2023 Nr. 51 verkündet wurde und am Tag nach seiner Verkündung in Kraft tritt. Da die EU-Mobilitätsrichtlinie 2019 spätestens zum 31.1.2023 in nationales Recht umzusetzen war, ist eine um einen Monat verspätete Umsetzung erfolgt. Für diese Interimszeit sollte sich der Einzelne (zu seinen Gunsten) auf eine unmittelbare Wirkung der EU-Mobilitätsrichtlinie, die insoweit hinreichend bestimmt ist, berufen können, so auch Heckschen/Knaier, GmbHR 2023, 317 (322). Das „Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie“ wird flankiert durch ein „Gesetz zur Umsetzung der Bestimmungen der Umwandlungsrichtlinie über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, Verschmel-

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B. Stl. Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.9 Kap. 1

ist seitdem im Sechsten Buch des UmwG zusammenfassend normiert. Grenzüberschreitende Umstrukturierungen von Körperschaften unter Beteiligung von Drittstaaten bleiben dagegen auch zukünftig umwandlungsrechtlich ungeregelt.1 Dies stellt eine bedeutsame praxisschädliche „legislative Umwandlungslücke“ dar. Gleiches gilt für die grenzüberschreitende Umwandlung von Personengesellschaften, die in der europäischen Mobilitätsrichtlinie 2019 nicht angesprochen sind. Insoweit dürfte auch eine analoge Anwendung der in Umsetzung der Mobilitätsrichtlinie normierten nationalen Vorschriften des Umwandlungsrechts auf Personenhandelsgesellschaften mangels planwidriger Regelungslücke ausscheiden.2 Nur der grenzüberschreitende Hineinverschmelzungsfall auf eine deutsche Personenhandelsgesellschaft mit in der Regel nicht mehr als 500 Arbeitnehmern ist – vor allem im Hinblick auf Brexit-Erfordernisse – zugelassen (ursprünglich in §§ 122a Abs. 2, 122b Abs. 1 Nr. 2 UmwG; aktuell durch §§ 305 Abs. 2, 306 Abs. 1 Nr. 2 UmwG i.d.F. des UmRUG). Im Übrigen wird die Umsetzung der europäischen Mobilitätsrichtlinie in nationales Recht als „größte Reform des Umwandlungsrechts“ charakterisiert.3 Für die SE/SCE als europäische Rechtsform bestehen Besonderheiten.4 – Europäisiertes und teilglobalisiertes Umwandlungssteuerrecht. In Umsetzung der „steuerlichen“ Fusionsrichtlinie vom 23.7.1990 hat der nationale Gesetzgeber das für Umwandlungsfälle heranzuziehende Umwandlungssteuerrecht durch das sog. SEStEG vom 7.12.2006 in weiten Bereichen europäisiert. Dies bedeutet: Der Anwendungsbereich der körperschaftsbezogenen Verschmelzungs-, Spaltungs-, Formwechsel und Einbringungsfälle mit Buchwertverknüpfungswahlrecht – also ohne die Aufdeckung stiller Reserven – ist für EU/EWR-Rechtsträger und dort ansässige Personen zulässig. Das UmwStG verfolgt dabei das Grundkonzept einer Umstrukturierung zum gemeinen Wert – abgesehen von § 6a EStG für Pensionsrückstellungen – mit der wahlweisen Möglichkeit einer Buchwertverknüpfung oder eines Zwischenwerts. Die komplexen Kernregelungen zur Europäisierung des steuerlichen Umstrukturierungsrechts durch das SEStEG finden sich in § 1 Abs. 1–4 UmwStG. Nur für Einbringungsfälle in eine Personengesellschaft gem.

1 2 3

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zungen und Spaltungen (UmRUGMitbestG)“ sowie ein „Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitenden Spaltungen (MgFSG)“. Zudem wurde das Spruchverfahrensgesetz reformiert. Die grenzüberschreitenden Umwandlungen werden mit Wirkung ab 1.3.2023 rechtstechnisch neu sortiert: §§ 305–319 UmwG für grenzüberschreitende Verschmelzungen, §§ 320–332 UmwG für grenzüberschreitende Spaltungen und §§ 333–345 UmwG für grenzüberschreitende Formwechsel. Vgl. kritisch Heckschen/Knaier, GmbHR 2022, 613, 622–624. Vgl. dazu Lieder/Hilser, ZHR 2021, 471 (503/504); Drinhausen/Keinath, BB 2022, 1346; J. Schmidt, NZG 2022, 579; kritisch auch Prinz, Gastkommentar DB 25/2022, M4; Heckschen/Knaier, GmbHR Report 24/2022, R376 (§78). Vgl. Heckschen/Knaier, GmbHR 2022, 501 und 621; Bungert/Reidt, DB 2022, 1369. Zum grenzüberschreitenden Formwechsel Reers/Kraut, DK 2022, 357; Kablitz, GmbHR 2022, 721. Zu den Aspekten des Rechtsmissbrauchs im Europäischen Umwandlungsrecht vgl. Teichmann, ZGR 2022, 376. Vgl. Bungert/Reidt, DB 2022, 311.

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Kap. 1 Rz. 1.9 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

§ 24 UmwStG besteht seit jeher ein globaler Anwendungsbereich, so dass insoweit auch Drittstaaten Einbringungen möglich sind (§ 1 Abs. 4 Satz 2 UmwStG). Im Übrigen ist bis Ende 2021 eine steuerliche Buchwertknüpfung in Drittstaatenfällen mit Inlandsbezug nur begrenzt erlaubt (insbesondere gem. § 12 Abs. 2 KStG). Durch das KöMoG vom 25.6.2021 ist mit Wirkung für steuerliche Umwandlungsstichtage nach dem 31.12.2021 eine Globalisierung der für die Umwandlung von Körperschaften maßgeblichen Teile des Umwandlungssteuergesetzes – konkret im Anwendungsbereich der §§ 3–19 UmwStG (= 2. bis 5. Teil des UmwStG) – erfolgt. Rechtstechnisch ist § 1 Abs. 2 UmwStG mit Wirkung ab 2022 ersatzlos aufgehoben worden. Dort war bislang die Anwendung des zweiten bis fünften Teils des UmwStG ausschließlich auf EU/EWR-Gesellschaften und Personen als Überträger, Übernehmer und formwechselnder Rechtsträger begrenzt. Damit ist das Umwandlungssteuerrecht mit der Möglichkeit zum Verzicht auf die Realisierung und Sofortbesteuerung stiller Reserven bei internationalen Umwandlungen von Körperschaften umfassend globalisiert worden. Die umwandlungsrelevanten Spezialregelungen in § 12 Abs. 2 KStG wurden folgerichtig mit letztmaliger Anwendung für den VZ 2021 aufgehoben. Die Globalisierung der körperschaftsbezogenen Regelungen des Umwandlungssteuerrechts betrifft die gesamte Breite internationaler Umstrukturierungen gleichermaßen, so dass etwa Auf- und Abspaltungen von Drittstaatengesellschaften sowie grenzüberschreitende Verschmelzungen und Formwechsel von Körperschaften außerhalb des EU/EWR-Raums – also etwa Umstrukturierungsvorgänge mit Deutschlandbezug bei US- oder asiatischen Gesellschaften – aus deutscher steuerlicher Sicht zu Buchwerten ermöglicht werden. Dazu müssen allerdings die restriktiven Rahmenbedingungen insbesondere in Gestalt des sog. Vergleichbarkeitstests sowie der Einhaltung der inländischen Steuerverstrickung stiller Reserven Beachtung finden. Zu einer Globalisierung der Einbringungs- und Anteilstauschfälle in Kapitalgesellschaften gem. §§ 20–23 UmwStG ist es allerdings auch im KöMoG vom 25.6.2021 nicht gekommen. Vielmehr werden insoweit die bisherigen EU/EWR-Kriterien für übertragende/übernehmende Rechtsträger und natürliche Personen auch zukünftig eingehalten werden müssen.1 Dies gilt auch für Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft gem. § 25 UmwStG, die mit Wirkung ab 1.1.2022 um einen „fiktiven Formwechsel“ per Option gem. § 1a KStG erweitert wurden. Danach können Personenhandelsgesellschaften auf Antrag als Körperschaften mit Geltung des Trennungsprinzips gegenüber ihren Gesellschaftern behandelt werden; dies hat auch für grenzüberschreitende fiktive Formwechsel Bedeutung.2 Für die Praxis ist wichtig, dass auch zukünftig im Zuge von grenzüberschreitenden Umwandlungsmaßnahmen auf der einen Seite EU/EWR-Fälle von Drittstaatenkonstellationen unterschieden werden müssen. Hinzukommt eine Differenzierung dahingehend, ob die betroffenen Auslandsjurisdiktionen DBA-Staaten oder Nicht-

1 Vgl. dazu eingehender Prinz, FR 2021, 561; Holle/Krüger/Weiss, IStR 2021, 489; Jacobsen, DStZ 2021, 490. 2 Vgl. dazu eingehender Kapitel 20. Als Überblick auch Prinz, FR 2023, 1.

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B. Stl. Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.9 Kap. 1

DBA-Staaten (etwa Hongkong, Andorra, Monaco) sind. Dies spielt für die Zulässigkeit von grenzüberschreitenden Buchwertverknüpfungen eine besondere Rolle. Hinzu kommt, dass eine grenzüberschreitende Umwandlung von Personengesellschaften im Umwandlungsgesetz nur für den Hereinverschmelzungsfall einer EU/ EWR-KapGes. auf eine inländische Personenhandelsgesellschaft – also einer Brexit-Konstellation – zugelassen ist (§ 306 Abs. 1 Nr. 2 UmwG i.d.F. des UmRUG). Ungeachtet dessen ist aber im Hinblick auf die Qualität des Auslandsbezugs gerade in Zuzugs- und Wegzugskonstellationen besonders zu prüfen, ob das nationale Recht eine Unterscheidung von Satzungs- und Verwaltungssitz erlaubt. So hat beispielsweise der deutsche Gesetzgeber trotz Weitergeltung der sog. Sitztheorie zur Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit einer GmbH mit § 4a GmbHG den „Export“ von GmbHs durch Verwaltungssitzverlegung ins Ausland (vor allem in EU/EWR-Staaten) unter Beibehaltung des inländischen Satzungssitzes freigegeben. Dies gilt ähnlich gem. § 5 AktG für die AG. Der ausländische Zuzugsstaat muss dies allerdings zulassen. Mit Wirkung ab 1.1.2024 sieht das MoPeG vom 10.8.2021 eine Unterscheidung von inländischem Satzungssitz und ausländischem Verwaltungssitz auch für Personenhandelsgesellschaften – sowie insb. insbesondere die registerlich erfasste GbR – vor. Dies alles steigert die gesellschaftsrechtliche Mobilität von Unternehmen unterschiedlicher Rechtsform in Europa und in Drittstaaten. – Qualität des Transferobjekts. Es kann sich um qualifizierte Gesamtheiten (üblicherweise mit Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge) oder um Einzelwirtschaftsgüter (mit Einzelrechtsnachfolge) handeln, die Gegenstand der Umstrukturierung mit Auslandsbezug sind. Nur qualifizierte Gesamtheiten, wie Betriebe und Teilbetriebe, werden vom Umwandlungssteuerrecht erfasst. Wegen der Besonderheiten der transparenten Mitunternehmerbesteuerung in Deutschland (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG) treten Mitunternehmeranteile und Teile von MUAnteilen hinzu. Das Bestehen von „Betrieben/Teilbetrieben“ muss steuersystematisch von deren Übertragung unterschieden werden. Wegen der steuerrechtlichen Grundunterscheidung von Trennungs- und Transparenzprinzip, die dem Dualismus deutscher Unternehmensbesteuerung zugrunde liegt und nur der Kapitalgesellschaft oder der optierten Personenhandelsgesellschaft (§ 1a KStG) eine Abschirmwirkung gegenüber dem Gesellschafter zumisst, müssen vor allem bei „Umstrukturierungen von Gesamteinheiten“ Rechtsformunterschiede Beachtung finden. Deshalb sind auslandsbezogene Umstrukturierungen innerhalb von Kapitalgesellschaften, innerhalb von transparent besteuerten Personengesellschaften und rechtsformübergreifend – Kapitalgesellschaft in Personengesellschaft und umgekehrt – zu unterscheiden. Hybride Rechtsformen, die zudem auch grenzüberschreitende Qualifikationskonflikte auslösen können, weisen erfahrungsgemäß besondere Schwierigkeiten auf. Der von der Rechtsprechung entwickelte rechtsförmliche inlandsbezogene Typusvergleich ist Maßstab der Zuordnung. Sonderfälle bei Umstrukturierungen mit Auslandsbezug sind die grenzüberschreitende Sitzverlegung, der Wegzug und die entsprechende Liquidation.

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Kap. 1 Rz. 1.10 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

4. Klassische steuerliche Problemfelder bei Umstrukturierungen mit Auslandsbezug

1.10 Es besteht eine Vielzahl von Problemen, die sich wie folgt grob zuordnen lassen: – Erfassung stiller Reserven zum Umstrukturierungszeitpunkt. Kernfrage wird üblicherweise sein, ob die Umstrukturierung mit Auslandsbezug bei den betroffenen Beteiligten (Überträger, Übernehmer und Anteilseigner) eine Realisation der stillen Reserven (gemeiner Wert abzgl. Buchwert, § 1 Abs. 5 Nr. 4 UmwStG) erfordert oder ein Besteuerungsaufschub bzw. eine Steuerstreckung erreichbar ist (etwa durch Buchwertverknüpfungen, Anwendung des § 4g EStG oder § 36 Abs. 5 EStG, für privat gehaltene KapGes.-Anteile § 6 AStG). Ein letztmaliger Zugriff der nationalen Besteuerungshoheit bei betrieblicher Entstrickung/Wegzug muss – auch bei Beachtung unionsrechtlichen Diskriminierungsschutzes – gewährleistet sein. In der Folge stellt sich die Frage, wann eine solche umwandlungsbedingte Aufdeckung stiller Reserven steuerlich zu berücksichtigen ist. Die Sicherstellung der Erfassung stiller Reserven in der deutschen Besteuerungshoheit, Entstrickungsund Verstrickungsfragen – letztere ergeben sich bei Hereinumstrukturierungen nach Deutschland – sind deshalb zentral. Insoweit stellen sich vielfältige Einzelfragen: etwa Vergleichbarkeit der Umwandlungstypen, Rückbeziehungsmöglichkeiten, die Bedeutung der Zentralfunktion des Stammhauses, Konkretisierung des Entstrickungs-/Verstrickungszeitpunkts, Höhe/zeitliche Streckung der Entstrickungssteuer, Höhe des Step-Ups bei Verstrickung und mögliche Werteverknüpfung mit dem Ausland. Die deutschen Entstrickungs- und Verstrickungsregeln wurden – unter Einschluss des § 4g EStG – durch das ATADUmsG v. 25.6.2021 im Detail verändert, das Grundkonzept ist allerdings – abgesehen vom Verstrickungsfall mit Werteverknüpfung zum Ausland – erhalten geblieben.1 Lässt sich eine Umstrukturierung mit Auslandsbezug nur unter Aufdeckung erheblicher stiller Reserven durchführen, kann man in der Praxis des Öfteren ein Ausweichen auf virtuelle Strukturen beobachten (etwa internationale Lizenzierungsmodelle oder Ähnliches). Ggf. muss von der geplanten Umstrukturierung ganz Abstand genommen werden. – Nationale, europarechtliche und DBA-rechtliche Vergünstigungen bei der Besteuerung stiller Reserven. Hier kann es um Fragen grenzüberschreitender Steueranrechnung, einen Besteuerungsaufschub nach § 4g EStG, § 36 Abs. 5 EStG oder § 6 AStG – in wichtigen Punkten geändert durch das ATADUmsG v. 25.6.2021 mit Wirkung ab 1.1.2022 – gehen. Unter Europarechtsaspekten wird man die stillen Reserven zum Umstrukturierungszeitpunkt zumindest festhalten müssen; die Versteuerung erfolgt dann mitunter erst bei Durchführung einer tatsächlichen Realisation oder bei realisationsentsprechenden Sondertatbeständen.

1 Zu einer anschaulichen Darstellung der Entstrickungs-/Verstrickungsregelungen und ihrer Anpassung durch die ATAD-Richtlinien vgl. Kahle in Prinz/Kanzler, Handbuch BilStRecht4, Teil A Kap. XX Rz. 2963–3037; ergänzend Böhmer/Schewe/Schlücke, FR 2021, 765; zu den ab 2022 geltenden Neuerungen bei § 6 AStG vgl. Lüdicke, BB 2022, 1239.

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B. Stl. Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.11 Kap. 1

– Missbrauchsabwehr bei internationalen Umstrukturierungen. Insoweit kann bspw. die außensteuergesetzliche Hinzurechnungsbesteuerung bei in eine Umwandlung einbezogenen niedrig besteuerten Auslandsgesellschaften mit passiven Einkünften bedeutsam sein (§§ 7–3 AStG, § 20 Abs. 2 AStG, modifiziert durch das ATADUmsG v. 25.6.2021). Aus Fiskalzwecken sollen „weiße Einkünfte“ vermieden werden, was bspw. die Regelung in § 2 Abs. 3 UmwStG hervorgebracht hat. Danach ist die nationalstaatlich übliche 8-monatige Rückbeziehungsmöglichkeit bei bestimmten Umwandlungsformen – für die Corona-Jahre 2020/2021 wurde die Rückbeziehungszeit auf 12 Monate erweitert – nicht zulässig, falls damit Einkünfte der Besteuerung entzogen werden. In diesem Zusammenhang spielen auch Fragen eines nationalstaatlichen treaty override eine besondere Rolle. II. Systematik der Umstrukturierungen mit Auslandsberührung 1. Entwicklung eines steuerlichen Prüfungsschemas Bei internationalen Umwandlungen in seinen drei Grundkonstellationen, für die die Anwendung des UmwStG – meist verbunden mit dem Ziel einer antragsgebundenen Buchwertknüpfung (= Verzicht auf die Aufdeckung stiller Reserven, Besteuerungsaufschub trotz Realisationsakts) – in Betracht kommt, gelangt folgendes Prüfungsschema zur Anwendung:1 – Beteiligtentest. Der subjektbezogene steuerliche Auslandsbezug der Umstrukturierung kann beim übertragenden, übernehmenden bzw. formwechselnden Rechtsträger oder bei deren Anteilseignern ansetzen; ggf. können auch Unternehmensteile den Auslandsbezug begründen (etwa eine ausländische Betriebsstätte). Es ist zu prüfen, ob der persönliche Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3, 4 UmwStG für die betroffenen Steuerausländer eröffnet ist. Für körperschaftsbezogene Verschmelzungs- und Spaltungsfälle gem. §§ 3–19 UmwStG gilt ab 2022 ein globaler Anwendungsbereich, der durch das KöMoG v. 25.6.2021 geschaffen wurde. Die internationale Umwandlung von Körperschaften wurde umfassend globalisiert, § 12 Abs. 2 KStG für spezielle Drittstaatenverschmelzungsfälle konnte deshalb mit Wirkung ab 2022 aufgehoben werden. Für Einbringungen von Unternehmensteilen in eine Kapitalgesellschaft und beim Anteilstausch besteht – unverändert durch das KöMoG v. 25.6.2021 – das Erfordernis eines EU/EWR-Bezugs (§§ 20–23 UmwStG i.V.m. § 1 Abs. 3, 4 UmwStG). Entsprechendes gilt für die tatsächlichen/fiktiven identitätswahrenden Formwechselfälle des § 25 UmwStG. Dies bedeutet konkret: Bei natürlichen Personen ist Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt oder DBArechtliche Ansässigkeit in einem EU/EWR-Staat erforderlich; bei Personen- und Kapitalgesellschaften müssen EU/EWR-Gründungs- und Ansässigkeitsvoraussetzungen vorliegen. – Im Ergebnis kommt eine Öffnung für Drittstaatler und Drittstaatengesellschaften, also eine Globalisierung im Hinblick auf die Vermeidung der Aufdeckung stiller

1 Vgl. Hruschka, StuB 2011, 540; Mayer, PIStB 2009, 137. § 1a KStG-Konstellationen bleiben im Folgenden außer Betracht.

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1.11

Kap. 1 Rz. 1.11 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

Reserven – neben den körperschaftsbezogenen Verschmelzungs- und Spaltungsfällen der §§ 3–19 UmwStG – nur in Betracht – beim Anteilstausch (§ 1 Abs. 3 Nr. 5 UmwStG); Einbringender kann jede Person, also auch ein Drittstaatler, sein; die eingebrachte Gesellschaft (= Anteile) darf ihren Sitz außerhalb des EU/EWR-Raumes haben, – bei Einbringungen in eine Personengesellschaft gem. § 24 UmwStG (§ 1 Abs. 4 Satz 2 UmwStG mit vollständig globalem Anwendungsbereich) sowie – bei Vorgängen gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1–4 UmwStG (etwa eine Betriebseinbringung durch einen Drittstaatler), wenn die stillen Reserven in den erhaltenen Anteilen (= Veräußerungsgewinn) nach Durchführung der Umwandlung in Deutschland uneingeschränkt besteuert werden können (§ 1 Abs. 4 Nr. 2b UmwStG).1 – Vergleichbarkeitstest. Der Umwandlungsvorgang mit Auslandsbezug, sei es als grenzüberschreitende Verschmelzung, Spaltung, Einbringung oder Formwechsel, sei es als reiner Auslandsvorgang mit Inlandsbezug, muss zur Erlangung der „Vergünstigungen“ des UmwStG einem deutschen Umwandlungsvorgang vergleichbar sein. Das heißt: Es müssen die strukturellen Wesensmerkmale einer inländischen Umwandlung vorliegen (zu Details s. II.3.c). – Steuersubstrat- und Entstrickungstest. Das UmwStG verlangt für eine antragsgebundene Buchwertverknüpfung durchgängig, dass die Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der gehaltenen Anteile, des eingebrachten Betriebsvermögens oder der übertragenen Wirtschaftsgüter in der Bundesrepublik Deutschland „nicht ausgeschlossen oder beschränkt“ sein darf (so § 1 Abs. 4 Nr. 2b, § 3 Abs. 2 Nr. 2, § 11 Abs. 2 Nr. 2, § 20 Abs. 2 Nr. 3, § 21 Abs. 2 Nr. 1, § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Hier liegt das zentrale Streitthema der umwandlungssteuerlichen Entstrickung. Bestand gar kein deutsches Besteuerungsrecht (etwa bei einer DBAFreistellungsbetriebsstätte), stellt sich die Entstrickungsproblematik nicht. Die Sicherstellung der Besteuerung erfordert im Regelfall die Zuordnung des von der Umwandlung betroffenen Wirtschaftsgutes zu einer inländischen Betriebsstätte. Das Verständnis der Finanzverwaltung ist restriktiv und deshalb sehr umstritten. Es sollen auch diejenigen stillen Reserven in Deutschland steuerpflichtig bleiben, die sich zeitlich erst nach Durchführung der Umwandlung gebildet haben. Im Übrigen sind die Regelungen des Umwandlungssteuerrechts und die Einzelentstrickungsnormen (§ 4 Abs. 1 Satz 3, 4 EStG, § 12 Abs. 1 KStG, § 4g EStG) nach Meinung der Finanzverwaltung – abhängig von der Festlegung des Entstrickungszeitpunkts nach tatsächlichen/rechtlichen Maßstäben – parallel anwendbar. Verstrickungsregelungen – parallel zu § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG für den Transfer eines ausländischen Wirtschaftsgutes in eine inländische Betriebsstätte – enthält das UmwStG nicht ausdrücklich; allerdings ist der Zuzug nach Deutschland zu gemeinen Werten möglich. Ganz unabhängig von allen Detailfragen stellt sich für den EU/EWR-Wirtschaftsraum die Frage, ob durch das umwandlungsbezogene 1 Zur EU-Rechtsproblematik im Hinblick auf die DMC-Entscheidung des EuGH v. 23.1.2014 vgl. Prinz, FR 2021, 561 (563) und Prinz, FR 2023, 1 (6).

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B. Stl. Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.13 Kap. 1

Entstrickungsgebot die unionsrechtlichen Grundfreiheiten unverhältnismäßig verletzt werden. Spätestens aufgrund der National-Grid-Indus-Entscheidung des EuGH1 vom 29.11.2011 sowie dem DMC-Judikat des EuGH v. 23.1.2014 dürfte sich insoweit gesetzgeberischer Nachbesserungsbedarf ergeben. – Besteuerungslückentest. Schließlich dürfen – und dies ist in einem 4. Schritt zu prüfen – umwandlungsbedingt keine „weißen“ Einkünfte entstehen (weder inländische noch ausländische Besteuerung). Dies betrifft vor allem die in Deutschland für die meisten Umwandlungsvorgänge mögliche 8- und für die „Corona-Jahre 2020/2021“ 12-monatige-Rückbeziehungszeit, die in Konkurrenz zu anderen ausländischen Regelungen treten kann (unterschiedliche Rückwirkungszeiträume, abweichende Ausgestaltung der Rückwirkungsregelungen). § 2 Abs. 3 UmwStG sieht die Nichtanwendbarkeit der 8-/12-monatigen-Rückbeziehung vor, soweit Einkünfte dadurch „in einem anderen Staat der Besteuerung entzogen werden“. Tatsächliche Vorgänge bleiben davon unberührt, sie sind einer Rückwirkung nicht zugänglich. Sofern das Umwandlungssteuerrecht auf die konkrete Umwandlung mit Auslandsbezug nicht anwendbar ist (etwa mangels Teilbetriebseigenschaft) oder durch anderweitige Regelungen überlagert wird, müssen die einschlägigen Einzelnormen geprüft werden, die über mehrere Gesetze verteilt sind. Dies betrifft etwa: Bildung und Auflösung von Ausgleichsposten gem. § 4g EStG in Entstrickungsfällen (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 Abs. 1 KStG); den besonderen entstrickungsbezogenen Aufgabetatbestand des § 16 Abs. 3a EStG i.V.m. § 36 Abs. 5 EStG oder die steuerneutrale Sitzverlegung einer SE gem. § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG mit Sicherstellung der Besteuerung stiller Reserven im Anteilsbesitz durch § 15 Abs. 1a EStG; unilaterale und doppelbesteuerungsrechtliche Anwendungsfragen zur Anrechnung ausländischer Steuern, bspw. im Hinblick auf die Vermeidung von Anrechnungsüberhängen (§§ 34c, 34d, 50d Abs. 3 EStG; § 26 KStG).2

1.12

2. Rechtsformunterschiede (PersGes, KapGes, hybride Strukturen, Typenvergleich) Der sachliche Anwendungsbereich des UmwStG (§ 1 Abs. 1 und 3) bestimmt sich – entsprechend der Maßgeblichkeit des Gesellschaftsrechts – und abgesehen von den zugelassenen Konstellationen der Einzelrechtsnachfolge – abschließend nach den inländischen Umwandlungsmöglichkeiten (§ 1 UmwG) und den damit vergleichbaren ausländischen Vorgängen (mit EU/EWR oder auch Drittstaaten-Bezug).3 Mit der umwandlungssteuerlich in Bezug genommenen Formulierung „Sitz im Inland“ (§ 1 1 EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, DStR 2011, 2334 mit Anm. Hruschka; EuGH v. 23.1.2014 – C-164/12 – DMC, FR 2014, 466 mit Anm. Musil. 2 Zur streitigen Diskussion um die Anrechnung ausländischer Quellensteuer auf die GewSt s. Kessler/Dietrich, IStR 2011, 108 und 953 mit Repliken von Eglmaier, IStR 2011, 951 und 955; Becker/Loose, IStR 2012, 57.; Kollruss, IStR 2022, 384; Reckzeh, Ubg 2022, 307. Aus der Judikatur auch FG Hessen v. 26.8.2020 – 8 K 1860/16, Ubg 2020, 346 mit Anm. Vogel/Töben/Weißgerber; AZ beim BFH I R 8/21. Zur Einordnung Schulz-Trieglaff, IStR 2021, 589. 3 Zum sog. Vergleichbarkeitstest s. Rz. 1.35 ff.

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1.13

Kap. 1 Rz. 1.13 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

Abs. 1 UmwG) ist der registerliche Satzungssitz gemeint. Dies schließt inländische Rechtsträger mit ausländischen Verwaltungssitzen ein. Es werden die Rechtswirkungen beschränkt auf inländische Rechtsträger festgelegt, nicht aber grenzüberschreitende Umwandlungen ausgeschlossen.

1.14 Rechtsformdifferenzierte Umwandlungsmöglichkeiten/Rechtstypenvergleich. Die Umwandlungsmöglichkeiten für Rechtsträger mit Sitz im Inland, die Grundlage des Vergleichbarkeitstests sind, betreffen im Wesentlichen: – Verschmelzungen (§ 2 UmwG) von Körperschaften auf Körperschaften (§§ 11 ff. UmwStG), Personengesellschaften oder eine natürliche Person (§§ 3 ff. UmwStG); – Spaltungen: zum einen als Aufspaltung/Abspaltung (§ 123 Abs. 1, 2 UmwG) von Körperschaften auf Körperschaften (§ 15 UmwStG) oder Personengesellschaften (§ 16 UmwStG), zum anderen als Ausgliederung (§ 123 Abs. 3 UmwG) auf Kapitalgesellschaften/Personengesellschaften (§§ 20, 24 UmwStG, sog. Einbringungen); – Formwechsel (§ 190 UmwG) einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft (§ 9 UmwStG) und umgekehrt (§ 25 UmwStG); und schließlich – den Austausch von Anteilen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (§ 124 Abs. 1 Alt. 2 UmwG) oder im Wege der Einzelrechtsnachfolge (Sacheinlage/Sachkapitalerhöhung) gem. § 21 UmwStG.

1.15 Weitere Umstrukturierungskonstellationen können zur Anwendbarkeit allgemeiner ertragsteuerlicher Grundsätze führen (etwa § 6 Abs. 3, 5 EStG oder Realteilungsvorgänge des § 16 Abs. 3 EStG). Nur ausnahmsweise sind Sonderfälle im UmwSt-Erlass 2011 angesprochen (etwa die einfache/erweiterte Anwachsung in Rz. 01.44, 24.06). Besonderheiten gelten für die SE/SCE als supranationale Rechtsformen (zu Details s. Rz. 1.46 f.). Aus steuerlicher Sicht wird erkennbar: Der vom BVerfG bislang akzeptierte „Dualismus der Unternehmensbesteuerung“ – Trennungsprinzip für Körperschaften, Transparenzprinzip für Personengesellschaften in Gestalt der differenzierten Mitunternehmerbesteuerung (mit Sonder- und Ergänzungsbilanzen) – spiegelt sich auch in den umwandlungssteuerlichen Regelungen wider. Das UmwStG ist insofern durch deutliche Rechtsformunterschiede geprägt. Die typologischen Schwierigkeiten bei der Einordnung ausländischer Rechtsträger (KapGes, PersGes oder Betriebsstätte) werden über den sog. Rechtstypenvergleich als Bestandteil des Vergleichbarkeitstests gelöst. Ein grenzüberschreitender Statuswechsel – inländische Kapitalgesellschaft wird beispielsweise in den Typus einer ausländischen Kapitalgesellschaft/Personengesellschaft identitätswahrend formgewechselt – bereitet besondere Schwierigkeiten, ist aber durch die Mobilitätsrichtlinie 2019 mit Wirkung ab 1.3.2023 als grenzüberschreitender typuswahrender Formwechsel im „Kapitalgesellschaftskleid“ zugelassen worden. Der vom deutschen Gesetzgeber mit Wirkung ab 2013 in § 1 Abs. 4, 5 AStG eingeführte „Authorized OECD Approach (AOA)“ mit einer Selbständigkeitsfiktion für Betriebsstätten (sog. anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen, dealings)1 und die 1 Zu Recht kritisch zur Gleichbehandlung von Betriebsstätten und Tochtergesellschaften Schön, StuW 2012, 213 (220 f.). Zu weiteren Erläuterungen s. Rz. 1.27.

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B. Stl. Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.18 Kap. 1

ab 2022 bestehende Optionsmöglichkeit zur Körperschaftbesteuerung von Personenhandelsgesellschaften und vergleichbaren ausländischen Rechtsgebilden (1a KStG) führt zu einer „Einebnung“ der Rechtsformunterschiede. Hybride Strukturen bei ausländischen Umwandlungsvorgängen kommen in vielfältiger Ausgestaltung vor. Die dabei zu lösenden Steuerfragen sind vor allem wegen auftretender Qualifikationskonflikte stets komplex. Soll etwa eine deutsche GmbH, an der ein fremder Dritter atypisch still beteiligt ist (Mitunternehmerschaft), auf eine EU-Kapitalgesellschaft hinaus verschmolzen werden, so stellt sich die Frage der Anwendung der §§ 11–13 UmwStG. Der UmwSt-Erlass 2011 enthält keinerlei Ausführungen zum steuerlichen „Schicksal“ der atypisch stillen Beteiligung. U.E. sollte sich die Mitunternehmerschaft an der EU-Kapitalgesellschaft als übernehmendem Rechtsträger fortsetzen. Dies würde dem früheren Verständnis der Finanzverwaltung im UmwSt-Erlass 1998 entsprechen.1 Weiterhin fehlen im UmwSt-Erlass 2011 Ausführungen zu der steuerlich hybriden Rechtsform der KGaA (§ 278 AktG). Zu grenzüberschreitenden Umwandlungen von § 1a KStG-Personenhandelsgesellschaften vgl. Kapitel 20 Rz. 20.162 ff.

1.16

Statutenänderung. Die Einordnung ausländischer Rechtsträger, die von einer Umstrukturierung berührt werden, in die Kategorien „Kapitalgesellschaft, Personengesellschaft oder Betriebsstätte“ richtet sich nach dem sog. Typenvergleich, der neben den gesellschaftsrechtlich bestehenden Unterscheidungskriterien letztlich auf die konkrete Satzung des ausländischen Rechtsträgers rekurriert. Erfolgt nun im Ausland eine gesellschaftsrechtliche Satzungsänderung, die dort keinerlei rechtliche und steuerliche Konsequenzen hat und den ausländischen Rechtsträger in seiner Zivilrechtsstruktur unverändert belässt, so kann sich aus deutscher steuerlicher Sicht eine neue Einordnung in den Rechtstypenvergleich ergeben. Folge wäre ein steuerlicher Statuswechsel mit erheblichen Konsequenzen, obgleich im Ausland keinerlei Vermögensübertragung (Realisationsakt oder realisationsähnlicher Tatbestand) erfolgt. Aus einer Kapitalgesellschaft wird „statuswechselnd“ eine Personengesellschaft und umgekehrt.

1.17

Beispiel: Eine US-amerikanische -LLP, an der ein deutscher Anteilseigner beteiligt ist, wird nach dem Rechtstypenvergleich für deutsch-steuerliche Zwecke als Kapitalgesellschaft qualifiziert. In den USA erfolgt eine Änderung des Gesellschaftsvertrages, die dort keinerlei Auswirkungen hat. Der zivilrechtliche Rechtsträger im Ausland bleibt erhalten; eine Umwandlung erfolgt dort nicht.

Der UmwSt-Erlass 2011 enthält dazu keine Aussagen. Fraglich erscheint, ob die bloße gesellschaftsvertragliche Änderung im Ausland vollständig ohne steuerliche Konsequenzen im Inland bleiben kann. Dies dürfte letztlich wohl nicht in Betracht kommen, da das rechtsformdifferenzierte nationale Unternehmenssteuerrecht eine sachgerechte Einordnung aus deutscher steuerlicher Perspektive erfordert. M.E. sollten daher die steuerlichen Formwechselgrundsätze – zumindest analog – anwendbar 1 So Ehret/Lausterer, DB Beilage 1/2012, 7; vgl. auch Haritz, GmbHR 2009, 1194; grundlegend Brähler/Heerdt, StuW 2007, 260.

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Kap. 1 Rz. 1.18 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

sein, was voraussetzt, dass der bloße ausländische Statutenwechsel als ein einem Formwechsel „vergleichbarer Vorgang“ qualifiziert wird.1 Dies gilt für beide „Formwechselrichtungen“, also aus der Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft und umgekehrt. Darüber hinaus stellen sich aus deutscher Sicht Fragen der Erkennbarkeit einer steuerrelevanten ausländischen Statutenänderung (mögliches besteuerungspraktisches Vollzugsdefizit). 3. Inlandsumstrukturierungen mit Auslandsberührung

1.19 Dies ist Grundkonstellation 1 der Umstrukturierungen mit Auslandsbezug. Wesensmerkmal ist: Die Umstrukturierung findet im Kern im Inland statt, eine Auslandsberührung ergibt sich durch einzelne oder sämtliche Anteilseigner im Ausland (DBA-Staat, Nicht-DBA-Staat) und/oder ausländisches Betriebsvermögen der Inlandseinheit (etwa eine ausländische DBA-Betriebsstätte). Es sind vielfältige Erscheinungsformen möglich, wobei § 1a KStG-Konstellationen im Folgenden außer Betracht bleiben. Steuerliche Kernfrage wird stets sein, ob wegen des ausländischen Anteilseigners das ursprünglich bestehende Besteuerungsrecht durch den Umstrukturierungsvorgang fortgilt oder ausgeschlossen bzw. beschränkt wird und wann ein (möglicher) Entstrickungszeitpunkt (mit oder ohne Rückwirkung) vorliegt. Zentrales Steuerthema sind insoweit Entstrickungsfragen. Werden Zuzahlungen und/oder Gegenleistungen außerhalb von Gesellschaftsrechten gewährt, stellen sich besondere Teilgewinnrealisierungsfragen. Beispiel 1: Typusändernder Formwechsel mit ausl. Anteilseigner Der umwandlungsrechtliche Formwechsel einer nach dem Trennungsprinzip besteuerten inländischen Kapitalgesellschaft in eine transparent besteuerte inländische Personengesellschaft setzt für Zwecke der Buchwertverknüpfung u.a. voraus, dass das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter bei den Gesellschaftern (= Mitunternehmern) der übernehmenden Personengesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 9 i.V.m. § 3 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG). Sind nun an einer formzuwechselnden inländischen Kapitalgesellschaft (unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht mit Welteinkommensprinzip) ausländische Anteilseigner beteiligt (Wohnsitz/gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland) und unterhält die Kapitalgesellschaft eine ausländische Betriebsstätte in einem Nicht-DBA-Staat (mit Steueranrechnung in Deutschland) oder einer DBA-Anrechnungsbetriebsstätte, so geht das deutsche Besteuerungsrecht durch den Formwechsel im Hinblick auf die Gewinne der ausländischen Betriebsstätte nach Maßgabe einer wirtschaftsgut- und gesellschafterbezogenen Prüfung im Regelfall verloren. Denn die früheren Anteilseigner der Kapitalgesellschaft, die durch den Formwechsel zu Mitunternehmern i.S.d, § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG werden, unterliegen mit ihren (mittelbaren) ausländischen Betriebsstätteneinkünften nicht der beschränkten Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2a EStG. Für die Prüfung des Ausschlusses des deutschen Besteuerungsrechts ist dabei auf die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des steuerlichen Übertragungsstichtags abzustellen.2 Die stillen Reserven müssen deshalb beim Formwechsel der Kapitalgesellschaft (m.E. rückwirkend auf den Übertragungsstichtag) aufgelöst und körperschaftsteuerlich erfasst wer1 Vgl. dazu eingehender Benecke/Schnittker, FR 2010, 555; Schönfeld, IStR 2011, 497 (502); Benecke/Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im intern. Steuerrecht2, Rz. 13.180 ff. 2 So Rz. 03.19, 02.15 UmwSt-Erlass 2011, BStBl. I 2011, 1314.

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B. Stl. Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.19 Kap. 1 den (ohne gewerbesteuerliche Folgen, § 9 Nr. 3 GewStG). Es handelt sich insgesamt um einen inländischen Vorgang; ein Vergleichbarkeitstest ist nicht erforderlich. Ob der inländische Formwechsel, der zu einer Steuerstatusänderung bei den Auslandsgesellschaftern – aus Kapitalgesellschaftern werden Mitunternehmer – führt, zu einer inländischen Entstrickung berechtigt, ist in der Literatur umstritten.1 Erfolgt der Formwechsel des inländischen Rechtsträgers (KapGes in PersGes) bei Vorhandensein einer ausländischen DBA-Freistellungsbetriebsstätte, so ist bei der Übernahmegewinnermittlung (§ 4 Abs. 4 Satz 2 f. UmwStG) u.U. ein „Zuschlag für Auslandsvermögen“ wegen des Wegfalls mittelbar über die Kapitalgesellschaftsanteile verstrickter stiller Reserven„ in Ansatz zu bringen (so Rz. 04.29 UmwSt-Erlass 2011)2. Bei einer umgekehrten inländischen Formwechselkonstellation (aus PersGes in KapGes) mit ausländischen Gesellschaftern stellen sich vor allem DBA-bezogene Entstrickungsfragen (Zuweisung des Besteuerungsrechts an Sitzstaat der KapGes oder des Gesellschafters). Gestalterisch empfiehlt sich möglicherweise der Einsatz einer „abschirmenden“ Holdingpersonengesellschaft (keine reine Gepräge-PersGes).

1 Vgl. Stadler/Elser/Bindl, DB Beilage 1/2012, 14 (18); Schell, IStR 2011, 704 (707–709); Köhler/Käshammer, GmbHR 2012, 301. 2 Zum steuersystematischen Hintergrund vgl. Desens in Musil/Weber-Grellet, UmwStG2, § 4 Rz. 5.

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Kap. 1 Rz. 1.19 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen Beispiel 2: Down-stream-Verschmelzung mit ausl. Anteilseigner

Wird in einem reinen Inlandsfall die Mutter-Kapitalgesellschaft auf ihre Tochter-Kapitalgesellschaft (Down-stream) verschmolzen, ist auf Antrag der übertragenden Mutter-Gesellschaft eine Buchwertansatz hinsichtlich der „übergehenden Wirtschaftsgüter“ möglich (§ 11 Abs. 2 UmwStG). Die Möglichkeit der Buchwertverknüpfung hinsichtlich der Anteile an der (übernehmenden) Tochter-Gesellschaft besteht nach (derzeitiger) Meinung der Finanzverwaltung unabhänging davon, ob Anteilseigner der Muttergesellschaft Kapitalgesellschaften, natürliche Personen oder Personengesellschaften sind.1 Im reinen Inlandsfall bleibt deshalb die Besteuerung der Wirtschaftsgüter der Muttergesellschaft sowie der untergehenden und zu tauschenden Anteile an der Muttergesellschaft nach den üblichen Regeln (§ 8b KStG einerseits, Teileinkünftebesteuerung andererseits) sichergestellt. Ist allerdings ein ausländisches Rechtssubjekt (Wohnsitz oder Sitz/Geschäftsleitung im Ausland) Anteilseigner einer inländischen Mutter-Kapitalgesellschaft, stellt sich die Frage, ob auch insoweit eine Buchwertverknüpfung hinsichtlich der per Down-stream-Verschmelzung zu „tauschenden Anteile“ möglich ist. Der BFH lehnt dies in seinen beiden Judikaten vom 30.5.20182 übereinstimmend mit der Finanzverwaltung und entgegen zahlreicher Stimmen in

1 Vgl. dazu kritisch Breier, StuB 2019, 278 (282 f.); daran anknüpfend Micker/Kühn, Ubg 2020, 196-202, die insoweit eine Gesetzesänderung anregen. 2 Vgl. zum Ersten BFH v. 30.5.2018 – I R 31/16, BStBl. II 2019, 136, wobei übernehmende Tochtergesellschaft eine luxemburgische Kapitalgesellschaft ist. Zum Zweiten BFH v. 30.11.2018 – I R 35/16, BFH/NV 2019, 46. Dies betrifft den Fall einer deutschen GmbH als übernehmender Rechtsträger. Vgl. zu den Judikaten ergänzend Ludwig/Leidel, IStR 2019, 433; Breier, StuB 2019, 278; Schulz-Trieglaff, IStR 2019, 362; Krüger und Gebhardt/

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B. Stl. Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.20 Kap. 1 der Literatur für den „Normalfall“ ab. Dabei stellt der BFH zunächst heraus, dass die Downstream-Verschmelzung einer inländischen Mutter-Kapitalgesellschaft, deren Anteilseigner im Ausland ansässig sind, nur dann ohne Aufdeckung stiller Reserven vollzogen werden kann, „wenn die Besteuerung der stillen Reserven der Mutter-Gesellschaft sichergestellt ist“. Dies bedeutet: Sofern der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters der Muttergesellschaft nach seinem nationalen Recht und laut DBA – entsprechend Art. 13 Abs. 5 OECD-MA – besteuerungsberechtigt ist, „wandert“ das Besteuerungsrecht an den Anteilen der übernehmenden Tochtergesellschaft von der bisherigen Inlandserfassung ins Ausland. Deshalb ist die Besteuerung der stillen Reserven der Muttergesellschaftsanteile in Deutschland nicht mehr sichergestellt. Eine Buchwertverknüpfung scheidet nach Meinung des BFH deshalb aus. Dabei ordnet der BFH die „Beteiligung an der Tochtergesellschaft“ m.E. konsequent den „übergehenden Wirtschaftsgütern“ gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG zu.1 Dem Gedanken, das Wirtschaftsgut „Beteiligung an der Tochtergesellschaft“ repräsentiere das Vermögen der Tochter selbst und bleibe bei einer Inlandsgesellschaft in Deutschland steuerverhaftet, erteilt der BFH – steuersystematisch nachvollziehbar – eine Absage. Er beruft sich dabei auf das Trennungsprinzip und die jeweilige Steuerrechtssubjektivität von Mutter- und Tochtergesellschaft; deshalb betreffen die Besteuerung des Gesellschafters und die Besteuerung der Gesellschaft zwei unterschiedliche Zurechnungssubjekte. Der Down-stream-merger hat als Konsequenz in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Mutter-Kapitalgesellschaft gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG einen Auflösungsgewinn an den Tochtergesellschaftsanteilen zur Folge, der mit 5 % in Deutschland steuerpflichtig ist. Dies gilt unabhängig davon, ob er sich bei dem ausländischen Anteilseigner der inländischen Muttergesellschaft um ein Körperschaftsteuersubjekt oder – systematsich wohl eher problematisch – um eine ausländsansässige natürliche Person oder Personengesellschaft handelt.2 Der typisierten Erfassung nicht abziehbarer Betriebsausgaben i.H.v. 5 % des Auflösungsgewinns gem. 8b Abs. 5 KStG im Kapitalgesellschaftsfall stehen nach Meinung des BFH weder DBA-rechtliche Diskiminierungsverbote, noch die Fusionsrichtlinie und die unionsrechtlichen Grundfreiheiten entgegen. Nur wenn der ausländische Anteilseigner in einem Nicht-DBA-Staat ansässig ist oder das DBA (ausnahmsweise) das Besteuerungsrecht für Anteilsveräußerungen dem Inland zuweist (bspw. bei sog. Immobilengesellschaften oder nach dem DBA Tschechien), kommt eine Buchwertverknüpfung in Betracht, weil die Besteuerung der stillen Reserven der Muttergesellschaft an den Anteilen der Tochtergesellschaft in Deutschland auch nach dem Down-stream-merger sichergestellt bleibt. Etwaige ausländische Steuerrechtsfolgen des Down-stream-mergers sind gesondert zu betrachten. Aus Gestaltungssicht ist im Einzelfall zu prüfen, ob Umstrukturierungsmaßnahmen einem ins Auge gefassten Down-stream-merger bei ausländischen Anteilseignern der Muttergesellschaft vorgeschaltet werden sollten. Insoweit ist an die Zwischenschaltung einer inländischen Holding-Kapitalgesellschaft oder eine vorgezogene Einbringung in eine inländische Mitunternehmerschaft mit Betriebsstättenvermögen zu denken. Dies wird man im Einzelfall auch im Hinblick auf etwaige Sperrfristen, Missbrauchsaspekte und ähnliches prüfen müssen.3

4. Auslandsumstrukturierungen mit Inlandsberührung Kern der Grundkonstellation 2 sind im Ausland stattfindende Umstrukturierungen (in einem einzigen Land oder grenzüberschreitend; DBA- oder Nicht-DBA-Staat), Trossen/Kusch, Ubg 2019, 114; Nicker/Kühn, Ubg 2020, 196; Kollruss, WPg 2020, 183; Prinz, GmbHR 2020, 625; Kühn, IStR 2022, 906. 1 Vgl. kritisch dazu Desens in Musil/Weber-Grellet, UmwStG2, § 11 Rz. 18 ff. 2 Vgl. dazu auch Ludwig/Leidel, IStR 2019, 433 (436). 3 Vgl. dazu auch Ludiwig/Leidel, IStR 2019, 433 (437 f.).

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Kap. 1 Rz. 1.20 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

die einen Inlandsbezug über einzelne oder sämtliche Anteilseigner und/oder inländisches Betriebsvermögen des ausländischen Rechtsträgers haben. Auch insoweit treten vielfältige Erscheinungsformen auf. Kernfrage unter steuerlichen Realisationsaspekten ist, ob bei dem betroffenen Inlandsgesellschafter ein zwangszurealisierender Anteilstausch erfolgt (Anwendung von § 13 UmwStG) oder inländisches Betriebsvermögen zu entstricken ist. Im Einzelfall können sich Fragen der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung stellen (§ 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG). Beispiel 1 mit Inlandsgesellschafter: Die inländische M-AG hat zwei österreichische Tochtergesellschaften in der Rechtsform der GesmbH, die in Österreich miteinander verschmolzen werden sollen. Da es sich um einen der inländischen Verschmelzung vergleichbaren ausländischen Vorgang handelt, greift § 13 UmwStG für die M-AG als Anteilseigner der übertragenden Körperschaft ein (so auch Rz. 13.08 UmwSt-Erlass 2011). Das deutsche Besteuerungsrecht bleibt für die M-AG bezogen auf die Anteile erhalten, so dass eine antragsweise Buchwertübertragung für die inländische M-AG möglich ist, und zwar unabhängig von etwaigen Wahlrechtsausübungen im Ausland. Dies gilt auch dann, wenn die österreichische GesmbH 1 nach mit Deutschland vergleichbaren Regeln grenzüberschreitend auf eine andere EU-Kapitalgesellschaft verschmolzen wird (§ 13 Abs. 2 UmwStG i.V.m. Art. 8 Fusionsrichtlinie; treaty override). Des Weiteren gilt: Fusionieren zwei Drittstaaten-Kapitalgesellschaften (im gleichen Staat nach dem Typus einer Inlandsverschmelzung, so besteht seit Globalisierung der Verschmelzungsregelungen von Körperschaften durch das KöMoG v. 25.6.2021 mit Wirkung ab 2022 ebenfalls eine Buchwertverküpfungsmöglichkeit gem. § 13 UmwStG. Bei Sicherstellung des Besteuerungsrechts in Deutschland für die neu entstehenden Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft ist daher bei der M-AG eine antragsgebundene Buchwertfortführung möglich. Bis einschl. dem Jahre 2021 wurde dies gleichermaßen durch § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG mit entsprechender Anwendung des § 13 UmwStG zugelassen. Allerdings sollte § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG wegen des Verweises auf Satz 1 der Rechtsnorm wortlautgemäß nur für Auslandsverschmelzungen in demselben Drittstaat gelten, was jedoch der damaligen Gesetzesbegründung entgegenstand und deshalb streitig war. Mit Globalisierung der Verschmelzungsvorschriften ab 2022 sollte dies rechtssicher möglich sein. Für Auslandsumwandlungen mit Inlandsbezug hat die Globalisierung des 2. bis 5. Teils des UmwStG deutliche Verbesserungen gebracht.1

1 Vgl. Holle/Krüger/Weiss, IStR 2021, 489 (494).

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B. Stl. Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.20 Kap. 1

Beispiel 2 mit Inlandsbetriebsstätte: Wird eine Drittstaaten-Kapitalgesellschaft mit inländischer Betriebsstätte auf eine andere, im gleichen Staat ansässige Drittstaaten-Kapitalgesellschaft verschmolzen (etwa eine US-amerikanische oder kanadische Kapitalgesellschaft) so sah § 12 Abs. 2 Satz 1 KStG – also außerhalb des UmwStG – bis einschl. 2021 trotz Rechtsträgerwechsels eine inländische Buchwertfortführung in der Betriebsstätte (beschränkte Körperschaftsteuerpflicht) vor. Ab dem Jahre 2022 gelten die §§ 11 bis 13 UmwStG auch für die Verschmelzung von in Deutschland beschränkt steuerpflichtigen Drittstaatenkapitalgesellschaften unmittelbar (Globalisierung durch KöMoG v. 25.6.2021). Materielle Änderungen ergeben sich daraus nicht. Denn für den (zwangsweisen, kein Wahlrecht) Verzicht auf die Aufdeckung der in einer inländischen Betriebsstätte ruhenden stillen Reserven wird im Wesentlichen vorausgesetzt: Der Übertragungsakt nach ausländischem Recht muss vom Typus her mit einer inländischen Verschmelzung vergleichbar sein; das deutsche Besteuerungsrecht wird hinsichtlich der Betriebsstätte nicht beschränkt; es wird keine Gegenleistung, außer Gesellschaftsrechten, gewährt. Dies gilt zumindest ab dem Jahr 2022 aber nicht nur für Verschmelzungen innerhalb desselben ausländischen Drittstaates, sondern auch bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen zwischen unterschiedlichen Drittstaaten sowie Drittstaatenspaltungen. Die Öffnung der körperschaftsbezogenen Verschmelzungs- und Spaltungserleichterungen auch für Drittstaaten ist aus steuersystematischer und steuerpraktischer Sicht deshalb sehr zu begrüßen. Drittstaatenumstrukturierungen mit Inlandsbezug werden damit deutlich rechtssicherer ausgestaltbar.

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Kap. 1 Rz. 1.20 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

5. Grenzüberschreitende Umstrukturierungen: Hinausumstrukturierungen, Hereinumstrukturierungen, Transfer von Einzelwirtschaftsgütern

1.21 Kern der Grundkonstellation 3 sind grenzüberschreitende Vorgänge, die entweder aus Deutschland hinaus (mit steuerlichen Entstrickungsfragen) oder nach Deutschland herein (mit steuerlichen Verstrickungsfragen) auftreten. Grundfall ist eine EU/ EWR-bezogene Verschmelzung, die bis 31.1.2023 auf Basis der Fusionsrichtlinie in §§ 122a-122l UmwG geregelt ist. Sie bildet das „Paradebeispiel“ eines vergleichbaren ausländischen Vorgangs. Im Hinausverschmelzungsfall treten vor allem die Fragen der Zentralfunktion einer Geschäftsleitungsbetriebsstätte auf, die insb. das sog. „ungebundene Vermögen“ – wie etwa nicht betriebsstättenspezifische Beteiligungen, immaterielle Werte, freie Finanzmittel sowie den Geschäfts- oder Firmenwert – betreffen können. Auch andere Formen grenzüberschreitender Umstrukturierungen – wie etwa eine grenzüberschreitende Abspaltung oder Aufspaltung – sind denkbar und mit nationaler Umsetzung der europäischen Mobilitätsrichtlinie 2019 durch das „Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG)“ ab 1.2.2023 rechtssicher möglich. Neben den inländischen Steuerfolgen ergeben sich stets auch ausländische Besteuerungswirkungen, die zu analysieren sind. Beispiel 1: Hinausverschmelzung Die A-GmbH (Geschäftsleitung und Sitz im Inland) soll auf eine EU-Kapitalgesellschaft (übernehmender ausländischer Rechtsträger) grenzüberschreitend verschmolzen werden. Es besteht eine inländische Produktionsbetriebsstätte. Gesellschaftsrechtlich wird der Vorgang

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B. Stl. Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.21 Kap. 1 bis 31.1.2023 nach den §§ 122a-122l UmwG, seitdem gem. §§ 305–318 UmwG i.d.F. des UmRUG abgewickelt. Kernregelung für eine antragsgebundene Buchwertverknüpfung beim übertragenden inländischen Rechtsträger ist § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG. Ein Buchwertansatz erfordert deshalb ein sichergestelltes inländisches Besteuerungsrecht in der Form, dass die Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter bei der übernehmenden Körperschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (so Rz. 11.09 mit Verweis auf Rz. 03.1803.20 UmwSt-Erlass 2011). Die Betriebsstättenzuordnung der Wirtschaftsgüter bleibt im Grundsatz von der grenzüberschreitenden Verschmelzung unberührt (Rz. 03.20 UmwSt-Erlass 2011). Abgestellt wird für die Entstrickungsfrage auf die tatsächlichen Verhältnisse zum steuerlichen Übertragungsstichtag (so Rz. 02.15 UmwSt-Erlass 2011). Eine rückwirkende Fiktion zum Vorliegen eines Besteuerungsrechts ist danach nicht zulässig. Fraglich ist allerdings, ob durch die sog. Zentralfunktion des Stammhauses das sog. ungebundene Vermögen mit seinen stillen Reserven „zwangszuentstricken“ ist (Verlagerung in die ausländische Geschäftsleitungsbetriebsstätte). Dies ist streitig, wird aber von der Finanzverwaltung in der Praxis meist unterstellt (zu Details vgl. Rz. 1.31 ff.). Trotz des Gebots einheitlicher Antragstellung für den Buchwert (ggf. auch einen Zwischenwert) – die frühere Stufentheorie gilt nicht mehr – lässt die Finanzverwaltung den Ansatz des gemeinen Werts für mit dem Stammhaus „wegwandernde Wirtschaftsgüter“ in der Schlussbilanz zu (so Rz. 11.06 i.V.m. Rz. 03.13 UmwSt-Erlass 2011).1 Eine partielle Sofortrealisation der stillen Reserven ohne die Möglichkeit eines Antrags auf Besteuerungsaufschub gem. § 4g EStG dürfte bei rechtlicher Entstrickung nach Maßgabe des Umwandlungsstichtags unionsrechtswidrig sein. Beispiel 2: Hereinverschmelzung Eine EU-Kapitalgesellschaft (bspw. Sitz und Geschäftsleitung in Italien) mit Betriebsstätte im Sitzstaat, in Deutschland sowie in einem Drittstaat ohne DBA wird auf die inländische AGmbH mit Wirkung zum steuerlichen Übertragungsstichtag verschmolzen. In sämtlichen Betriebsstätten befinden sich stille Reserven. Gesellschaftsrechtlich ist dies für EU/EWR-Fälle seit Umsetzung der Verschmelzungsrichtlinie zulässig. Eine Drittstaatenöffnung ist allerdings auch durch Umsetzung der europäischen Mobilitätsrichtlinie 2019 durch das „Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG)“ nicht erfolgt. Zunächst muss die (ausländische) EU-Kapitalgesellschaft eine steuerliche Schlussbilanz auf den steuerlichen Übertragungsstichtag unter Zugrundelegung des deutschen Steuerrechts aufstellen (so Rz. 11.02 i.V.m. Rz. 03.01 UmwSt-Erlass 2011). Die A-GmbH als inländischer übernehmender Rechtsträger ist gem. § 12 Abs. 1 UmwStG an diese Werte gebunden (zur Wertverknüpfung auch Rz. 12.01 UmwSt-Erlass 2011). Da das inländische Besteuerungsrecht in einem solchen Fall nur bei den Wirtschaftsgütern sichergestellt ist, die der in Deutschland befindlichen Betriebsstätte funktional zugeordnet werden, kommt nur insoweit eine Antragstellung auf Buchwertverknüpfung in Betracht. Der UmwSt-Erlass 2011 sieht allerdings keine Ausnahmeregelung zum Gebot einheitlicher Wahlrechtsausübung vor. Deshalb ist streitig, ob auch bei den nicht der inländischen Betriebsstätte zuzuordnenden Wirtschaftsgütern nur die Buchwerte, also nicht die eigentlich unter Verstrickungsüberlegungen – außerhalb der Werteverknüpfung bei ausländischer Entstrickungsbesteuerung –anzusetzenden gemeinen Werte (für die italienische Betriebsstätte sowie die Nicht-DBA-Drittstaatenbetriebsstätte), zu berücksichtigen sind. Zur Anpassung der Verstrickungsregelungen durch das ATAD-UmsG v. 25.6.2021 s. Rz. 1.31. Bei einem einheitlichen Buchwertansatz ergeben sich Doppelbesteue-

1 Vgl. dazu auch Dörr/Loose/Motz, NWB 7/2012, 566 (578).

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Kap. 1 Rz. 1.21 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen rungsprobleme.1 M.E. ist es sachgerecht, die nicht auf die inländische Betriebsstätte entfallenden Wirtschaftsgüter mit ihren gemeinen Werten anzusetzen. Im Übrigen würde die von der Finanzverwaltung unterstellte Zentralfunktion des Stammhauses möglicherweise auch eine Verstrickung ungebundenen Vermögens in Deutschland erforderlich machen.

1.22 Außerhalb einer Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge sind grenzüberschreitende Umstrukturierungen in beiden Richtungen (hinein nach Deutschland, heraus aus Deutschland) auch durch Transfer von Einzelwirtschaftsgütern denkbar. Das UmwStG kommt insoweit nicht zur Anwendung. Es stellen sich die im EStG, vereinzelt auch im KStG geregelten Entstrickungsfolgen. 6. Wegzug/Teilwegzug/Zuzug, grenzüberschreitende Sitzverlegung

1.23 Der Wegzug von Unternehmen ins Ausland (EU/EWR-Raum, Drittstaaten, Länder mit oder ohne DBA-Schutz) kann unterschiedliche Intensitätsgrade aufweisen und ist im Detail höchst variantenreich. Entsprechendes gilt für die verschiedenen Zuzugsvarianten. Zu unterscheiden sind: – Ein „Teilwegzug“ meint typisierend die Verlagerung von betrieblichen Aktivitäten in eine ausländische Betriebsstätte bei Beibehaltung der wesentlichen inländischen Hauptfunktionen. – Ein „Vollwegzug“ liegt dagegen vor bei Beendigung der wesentlichen inländischen Hauptfunktionen, wobei möglicherweise Betriebsstättenaktivitäten im Inland zurückbleiben können.2 Grenzüberschreitende Sitzverlegungen mit simultanem Satzungs- und Verwaltungssitztransfer und beibehaltener wirtschaftlicher Kontinuität kommen als Alternativen für eine grenzüberschreitende Verschmelzung in Betracht und sind in der Praxis bei Kapitalgesellschaften durchaus nicht selten zu beobachten.3 Der (identitätswahrende) grenzüberschreitende Formwechsel im EU/EWR-Raum wurde für Kapitalgesellschaften mit Umsetzung der europäischen Mobilitätsrichtlinie zum 1.3.2023 im „Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG)“ als formales Verfahren ausdrücklich zugelassen, war aber auch bereits davor – gestützt insb. auf die europäische Niederlassungsfreiheit – in bestimmten Konstellationen möglich (Formwechsel auch im Inland zugelassen, Beibehaltung der Rechtspersönlichkeit im Zuzugsstaat). Bei einer SE/SCE als supranationaler Rechtsform war eine grenzüberschreitende Sitzverlegung schon immer möglich. Einen grenzüberschreitenden Formwechsel in Drittstaaten sieht die Mobilitätsrichtlinie 2019 und in der Folge auch deutsches Umwandlungsrecht nicht vor; dies bedarf auch weiterhin speziell „maßgeschneiderter Konzepte“.

1 Vgl. Dörr/Loose/Motz, NWB 7/2012, 566 (578–580); Schaflitzl/Götz, DB Beilage 1/2012, 25–27; Schell, FR 2012, 101 (107–108); Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (456–458); Kraft/Poley, StStud 2012, 542 (545–548). 2 Vgl. zu den gesellschaftsrechtlichen Grundlagen eingehender Thömmes, StbJb 2009/2010, 219 (221-224). 3 Vgl. mit empirischen Daten Heckschen/Knaier, GmbHR 2022, 613 (617).

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B. Stl. Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.24 Kap. 1

Steuerliche Bedeutung von Sitz-/Gründungstheorie. Nach der in Deutschland und anderen kontinentaleuropäischen Ländern traditionell geltenden Sitztheorie richtet sich das bei einem Wegzug/Zuzug anzuwendende Gesellschaftsrecht nach dem Verwaltungssitz (= tatsächliche Geschäftsleitung) der Gesellschaft. Die Gründungstheorie dagegen, die insbesondere in angelsächsischen Ländern, aber auch in der Schweiz oder den Niederlanden gilt, knüpft an den Satzungssitz (= statutarischer Sitz) der Gesellschaft nach Maßgabe ihrer Gründung an. Durch das MoMiG vom 23.10.2008 wurde trotz Weitergeltung der Sitztheorie eine Verlegung des Verwaltungssitzes bei beibehaltenem Satzungssitz in das europäische Ausland, einen Drittstaat, der der Gründungstheorie folgt, oder in einen Staat, mit dem spezielle staatsvertragliche Regelungen gelten (z.B. das Freundschaftsabkommen mit den USA aus 1954), ermöglicht.1 Auch eine Gesellschaftsgründung mit ausländischem Verwaltungssitz ist zulässig. Ein ausländischer Satzungssitz einer AG, GmbH oder KGaA ist dagegen nach deutschem Gesellschaftsrecht auch weiterhin unzulässig. Gleiches gilt im Normalfall für Doppelsatzungssitze von GmbH/AG (nur ausnahmsweise zulässig); mehrere Verwaltungssitze sind dagegen denkbar (sog. polyzentrische Geschäftsleitung). Nach traditionellem deutschen Gesellschaftsrecht wurde deshalb vor Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie 2019 im „Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG)“ zum 31.1.2023 diskutiert, ob die registerliche Sitzverlegung ins Ausland eine Zwangsauflösung der (inländischen) AG/GmbH zur Folge haben muss. Der EuGH hat allerdings bereits in seinem Urteil vom 12.7.2012 in der Rs. VALE eine simultane identitätswahrende Sitzverlegung einer italienischen SRL in eine ungarische GmbH (Èpitèsi Kft.) anerkannt.2 Sofern der Aufnahmemitgliedstaat entsprechende Inlandsvorgänge anerkennt, darf er der zuziehenden Gesellschaft ihre Identitätswahrung, gestützt auf eine Art grenzüberschreitende Gesamtrechtsnachfolge, nicht versagen. Es ist deshalb in EU/EWR-Fällen weder eine Liquidation im Herkunftsstaat noch eine Neugründung im Aufnahmestaat erforderlich. Damit wird im Ergebnis eine identitätswahrende grenzüberschreitende Sitzverlegung bei aktiv und passiv tätigen Kapitalgesellschaften auch bereits vor Umsetzung der Mobilitätsrichtlinie 2019 – gestützt auf den unionsrechtlichen Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz – möglich. Das Ertragsteuerrecht muss dem zwingend bei sichergestellten stillen Reserven in Deutschland und bei Gewährung eines sachgerechten Besteuerungsaufschubes Rechnung tragen. Entsprechendes gilt spätestens ab 1.1.2024 für registerlich erfasste Personengesellschaften. Denn das MoPeG v. 10.8.2021 lässt in § 706 BGB bei einer in einem Register erfassten GbR die Begründung/Innehabung eines ausländischen Verwal-

1 Dies ergibt sich aus den durch das MoMiG vorgenommenen Änderungen des § 4a GmbHG und § 5 AktG und hat keine Bedeutung für Zuzugsfälle. Es handelt sich um inländische materiell-rechtliche Regelungen mit kollisionsrechtlichem Gehalt. Die Änderungen im MoMiG wurden ausgelöst durch mehrere EuGH-Entscheidungen, konkret in Sachen Überseering, Inspire-Art, Sevic und Cartesio (EuGH v. 16.12.2008 – C-210/06, Slg. 2008, I-09641, Wegzug einer ungarischen Personengesellschaft nach Italien). Im Übrigen gilt die sog. Vereinigungstheorie. Danach sind bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungsvorgängen stets die Jurisdiktionen aller beteiligten Rechtsträger zu beachten. Das strengere Rechtssystem setzt sich jeweils durch. 2 EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10 – VALE, DB 2012, 1614.

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1.24

Kap. 1 Rz. 1.24 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

tungssitzes zu; für Personenhandelsgesellschaften gilt dies gleichermaßen.1 Kapitalund Personengesellschaften werden insoweit gleichbehandelt.

1.25 Satzungs- oder Verwaltungssitzverlegung. Wird dagegen nur der Satzungs- oder der Verwaltungssitz grenzüberschreitend verlagert, bleibt die unbeschränkte Steuerpflicht im Herkunftsstaat bestehen. Da auch der Zuzugsstaat im Regelfall eine unbeschränkte Steuerpflicht wegen des Verwaltungssitzes annehmen wird, entstehen Doppelbesteuerungsprobleme für solchermaßen begründete „doppelt ansässige Gesellschaften“, die üblicherweise in Abhängigkeit von der tatsächlichen Feststellung einer Geschäftsleitungsbetriebsstätte gelöst werden. Art. 4 Abs. 3 OECD-MA sieht für deratige Fälle ein „Bemühen“ der zuständigen Behörden der Vertragsstaaten um Verständigung zur Beseitigung der Doppelbesteuerung vor. Die nach Einzelkriterien spezifizierte Tie Breaker Rule des Art. 4 Abs. 2 OECD-MA kommt nur für natürliche Personen zur Anwendung. Für DBA-Verteilungszwecke ist deshalb im Ergebnis auf den im Regelfall einvernehmlich zu bestimmenden Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft abzustellen. Aus der Sicht von Drittstaaten erfolgt bei Geltung der Sitztheorie im Ausland u.U. ein separat zu würdigender Statutenwechsel. III. Internationalsteuerliche Grundfragen 1. Betriebsstättenzuordnung mit Selbstständigkeitsfiktion; Zentralfunktion des Stammhauses

1.26 Bei vom Inland her ausgelösten Umstrukturierungen mit Auslandsbezug lässt sich die Aufdeckung stiller Reserven nur vermeiden, wenn die betroffenen Wirtschaftsgüter einer inländischen Betriebsstätte nach Maßgabe funktionaler/veranlassungsgeprägter Maßstäbe zugeordnet werden können und damit der inländische Steuerzugriff sichergestellt bleibt. Ansonsten erfolgt eine sog. Steuerentstrickung durch Ausschluss oder Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts (zu Details vgl. Rz. 1.31 ff.). Auch im Verstrickungsfall bei „Hereinumstrukturierungen“ ist – mit „umgekehrten Vorzeichen“ – eine inländische Betriebsstättenzuordnung erforderlich. Entsprechende Allokationsfragen stellen sich für Umstrukturierungen bezogen auf ausländische Betriebsstätten. Betriebsstättenfragen mit ihren zahlreichen Zuordnungs- und Abgrenzungsfacetten sind daher bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen „hinein und heraus aus Deutschland“ von zentraler Bedeutung. Allerdings wird um das Vorliegen der Kriterien einer Betriebsstätte seit längerem eine intensive international-steuerpolitische Diskussion geführt, um eine „faire Aufteilung“ des internationalen Steuersubstrats zu erreichen. Gerade bei digitalisiert tätigen Unternehmen ist eine Loslösung von der physischen Präsenz hin zu einer Art Marktstättenprinzip zu beobachten.2 Konzeptionell müssen für in- und ausländischen Betriebsstätten spiegelbildlich identische Abgrenzungs- und Zuordnungskriterien gelten.

1 Zu den durch das MoPeG begründeten Rechtsänderungen vgl. Kapitel 2, Rz 2.4. 2 Vgl. Hidien/Versin, FR 2020, 10; Schön, IStR 2019, 647; Fehling, IStR 2020, 438 mit Bezug auf die internationale BEPS-Diskussion.

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B. Stl. Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.27 Kap. 1

Begriffskern der Betriebsstätte. In- und ausländische Betriebsstätten sind in ihrem zivilrechtlichen Grundverständnis unselbstständiger Bestandteil eines Stammhauses. Eine Betriebsstätte ist rechtlich nicht verselbstständigt. Besonderheiten gelten aus international-steuerlicher Sicht für in- oder ausländische Personengesellschaften, die trotz einheitlicher Tätigkeit im Unternehmensverbund als anteilige Betriebsstätten der Gesellschafter gelten. Die zivilrechtliche Unselbstständigkeit der Betriebsstätte ist der tiefere Grund für die zahlreichen Abgrenzungsfragen. Zum Begriff selbst: Der innerstaatliche Betriebsstättenbegriff ist in § 12 AO definiert als „jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient“. Es werden exemplarisch Betriebsstättentypen aufgezählt, wie Geschäftsleitungsbetriebsstätte, Zweigniederlassung, Bau- und Montageausführungen und Ähnliches. Der doppelbesteuerungsrechtliche Betriebsstättenbegriff des Art. 5 OECD-Musterabkommen ist für Verteilungszwecke ergänzend hinzuzuziehen; üblicherweise ergeben sich Einschränkungen zum inländischen Betriebsstättenbegriff. Sonderregelungen bestehen für sog. Vertreterbetriebsstätten. Die Erfolgs- und Vermögenszuordnung zu einer Betriebsstätte in Abgrenzung zum Stammhaus folgte früher meist der sog. direkten Methode nach Maßgabe des sog. Dealing at arm’s lengthGrundsatzes, spätestens seit 2013 üblicherweise dem in deutsches Recht umgesetzten AOA-Konzept. Zur Abgrenzung von Stammhaus und Betriebsstätte: Im Gegensatz zur zivilrechtlichen Unselbständigkeit einer Betriebsstätte hat die OECD in ihrer Abkommenspolitik seit Jahren eine (mehr oder weniger) komplette Selbständigkeitsfiktion einer Betriebsstätte verfolgt. Die Rede ist vom sog. Authorized OECD Approach, AOA, bei dem fremdüblich ausgestaltete Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte als sog. dealings anerkannt werden. Durch das AmtshilfeRLUmsG vom 26.6.2013 wurde der AOA in § 1 Abs. 4–6 AStG in deutsches Recht mit erstmaliger Wirkung für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2012 beginnen, umgesetzt. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG sieht dabei vor, dass „Geschäftsvorfälle zwischen einem Unternehmen eines Steuerpflichtigen und seiner in einem anderen Staat gelegenen Betriebsstätte (anzunehmende schuldrechtliche Beziehung)“ zu den Geschäftsbeziehungen im Sinne dieser Vorschrift gehören. Interne Vorgänge zwischen Stammhaus und Betriebsstätte werden für Zwecke der internationalen Gewinnabgrenzung damit wie Geschäftsbeziehungen zwischen fremden Dritten behandelt. Ergänzend ordnet § 1 Abs. 5 AStG an, die Betriebsstätte wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln. Nach Maßgabe der BsGaV vom 13.10.2014 – Ermächtigungsgrundlage ist § 1 Abs. 6 AStG – sind dem „Unternehmen dabei Personalfunktionen (significant people functions), Vermögenswerte (insb. auch immaterielle Wirtschaftsgüter), Chancen und Risiken und ein Dotationskapital zuzuordnen. Im Anschluss an diese Funktions- und Risikoanalyse werden auf die fingierten Geschäftsbeziehungen die entsprechenden fremdüblichen Verrechnungspreise angewandt. Präzisierend verlangt § 2 Abs. 3 Satz 1 BsGAV „eigenes Personal des Unternehmens“. Der AOA ist nach Meinung des Gesetzgebers selbst bei einem abweichenden DBA anwendbar (§ 1 Abs. 5 Satz 8 AStG mit einer Art treaty override), was rechtsstaatlich u.E. problematisch ist.

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1.27

Kap. 1 Rz. 1.28 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

1.28 Funktionale Zuordnung zu einer Betriebsstätte. Dem in- oder ausländischen Betriebsstättenvermögen werden bei Anwendung der sog. direkten Methode zur Abgrenzung von Stammhaus/Betriebsstätte nur solche aktiven und passiven Wirtschaftsgüter zugeordnet, die der betrieblichen Funktion der Betriebsstätte, ihrer Zweckerfüllung dienen. Man spricht von der sog. funktionalen Betrachtungsweise. Die funktionale Ausstattung der Betriebsstätte mit Wirtschaftsgütern muss dabei angemessen sein, die Erfolgsabgrenzung (Aufwendungen/Erträge der Betriebsstätte) folgt dem Veranlassungsprinzip. Mit Umsetzung des AOA in innerstaatliches Recht (§ 1 Abs. 4,5 AStG), der zur Anwendung des Fremdvergleichs für Betriebsstätten geschaffenen BsGaV v. 13.10.2014 sowie den durch das ATAD-UmsG v. 25.6.2021 eingeführten Detailregelungen für fremdübliche Finanzierungsbeziehungen und Preisanpassungsklauseln kommt der Funktions- und Risikoanalyse der Geschäftstätigkeit der fiktiv selbstständigen Betriebsstätte und dem Zuordnungsmaßstab der Personalfunktion (§ 4 BsGaV) erhöhte Bedeutung zu. Der BFH relativiert die Bedeutung der Personalfunktion in einem Aussetzungsbeschluss v. 24.11.2021 allerdings für sog. personallose Betriebsstätten (wie etwa beim inländischen Betrieb eines Windparks). Jedenfalls insoweit ist eine nutzungsbezogene Zuordnung von materiellen Wirtschaftsgütern nicht ausgeschlossen, der BFH lehnt im Aussetzungsverfahren eine sog. passive Entstrickung mit Gewinnrealisationsfolgen ab.1 1.29 Sonderproblem der Zentralfunktion des Stammhauses. Die Finanzverwaltung geht im (alten) Betriebsstättenerlass2 davon aus, dass nicht betriebsstättenspezifische Beteiligungen, immaterielle Wirtschaftsgüter, allgemeine Finanzmittel und der Geschäfts- oder Firmenwert (sog. neutrales oder ungebundenes Vermögen) dem sog. Stammhaus eines Unternehmens zugeordnet werden. In Rz. 03.20 UmwSt-Erlass 2011 wird darauf – unverändert nach Umsetzung des AOA in § 1 Abs. 4 und 5 AStG durch das AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013 – Bezug genommen. Das Stammhaus wird dabei verstanden als eine Art Geschäftsleitungsbetriebsstätte, die automatische Änderungen der funktionalen Zuordnung des „ungebundenen Vermögens“ nach sich zieht (Attraktivkraft der Geschäftsleitungsbetriebsstätte). Dies bedeutet: Wird eine inländische Kapitalgesellschaft, die Holding-, Finanzierungs- und Lizenzgeberfunktionen ausübt, bspw. auf eine andere EU-Kapitalgesellschaft „hinausverschmolzen“, so „wandern“ nach Meinung der Finanzverwaltung spätestens zum Zeitpunkt der tatsächlichen Geschäftsleitungsverlagerung automatisch die dem Gesamtunternehmen dienenden Beteiligungen, Finanzmittel, immateriellen Wirtschaftsgüter (wie Patente und gewerbliche Schutzrechte) sowie der originäre Geschäfts- oder Firmenwert ins Ausland; es erfolgt eine Zwangsgewinnrealisation zum gemeinen Wert (zu Details des maßgebenden Zuordnungszeitpunkt s. unten). Dies stellt eine erhebliche praktische „Mobilitätsbremse“ für Hinausumwandlungen dar. Die Details des zentralfunktionsbegründeten Zuordnungsgebots zum Stammhaus sind seit langem umstritten. Das Gesamtkonzept der Zentralfunktion des Stammhauses ist deutlich zu pauschal 1 Vgl. BFH v. 24.11.2021 – I B 44/21 (AdV), BStBl. II 2022, 431. Zur Einordnung Busch, DB 2022, 908; Blumers, BB 2022, 990; kritisch dazu Desens, DStR 2022, 1588 (1590). 2 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076; zuletzt geändert durch BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888.

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B. Stl. Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.29 Kap. 1

und spätestens seit Umsetzung des AOA in deutsches Recht mit einer „verselbständigten Betriebsstätte“ nicht mehr sachgerecht. Es ist vielmehr sowohl besteuerungssystematisch als auch praktisch vorstellbar, dass trotz Geschäftsleitungsverlagerung ins Ausland bestimmte betriebliche Einzelfunktionen (wie etwa die Finanzierungsoder Lizenzgeberfunktion) nach Maßgabe funktionaler Zuordnung und Veranlassung sowie der BsGaV v. 13.10.2014 (Anwendung der Personalfunktion in §§ 4–11) bei der inländischen Betriebsstätte verbleiben. Allerdings werden insoweit besondere Dokumentations- und Nachweispflichten bestehen. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass die FinVerw. auch weiterhin dem Grundgedanken der Zentralfunktionsthese vereinfachend folgt. Die konkreten Zuordnungen werden sich im Einzelfall auch bei wertenden Veranlassungsüberlegungen meist ohnehin nicht signifikant unterscheiden. Ggf. wird man sich im Rechtsbehelfswege gegen eine pauschalierende Anwendung des Zentralfunktionsgedankens durch die FinVerw. wehren müssen.1 Hinzu kommt: Auch wenn die Umsetzung des AOA als einseitige Korrekturnorm aus Fiskalsicht zur Generierung von Mehreinnahmen dienen soll, bietet die „Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte“ insbesondere bei Umstrukturierungen „hinaus aus Deutschland“ Chancen zur Abwehr der Zentralfunktionsthese. Insoweit bestehen verbesserte Möglichkeiten zur Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer verselbständigten Betriebsstätte – beispielswese gestützt auf das Konzept der Personalfunktion als Zuordnungsmaßstab – mit der Folge einer möglichen Vermeidung einer Entstrickungsbesteuerung. Während materielle Wirtschaftsgüter auch bisher verhältnismäßig unkritisch dem Ort der Nutzung zugeordnet werden konnten – dies ist kürzlich durch den BFH in einem Aussetzungsbeschluss für personallose Betriebsstätten bestärkt worden – wurden immaterielle Wirtschaftsgüter in der Regel beim Stammhaus allokiert. Nach den AOA sollten „Marketing intangibles“ wie Marken und Warenzeichen danach zugeordnet werden, wer über die Strategie des Schutzes und ihre Weiterentwicklung entscheidet. „Trade intangibles“ wie Patente sollten nach der alleinigen Entscheidungsverantwortung für ihre Entwicklung und den damit verbundenen Risiken zugeordnet werden. Der FinVerw. ist unseres Erachtens zu empfehlen, den Umwandlungssteuererlass 2011 im Hinblick auf das Zuordnungskonzept anzupassen, weil bislang über den Verweis auf den überholten Betriebsstättenerlass die Zentralfunktionsthese für die Zuordnungsentscheidung zugrunde gelegt wird. Erforderlich ist eine Differenzierung nach DBA. Besteht ein neues DBA mit Umsetzung des AOA-Konzepts, ist diese Zuordnungsvorschrift im konkreten Einzelfall zu beachten. Andernfalls kann möglicherweise weiterhin die Zentralfunktionsthese zur Anwendung gebracht werden. Da Deutschland in verschiedenen neueren DBA den AOA umsetzt, wird er – ungeachtet seiner innerstaatlichen Grundlage als treaty override – an Bedeutung gewinnen.2 1 Kritisch zur Zentralfunktion des Stammhauses etwa Kahle/Mödinger, DB 2011, 2338 (2339); Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1015–1017); Schneider/Ruoff/Sistermann, FR 2012, 3 f.; Breuninger in FS Schaumburg, 2010, 587; Blumenberg in FS Schaumburg, 2012, 559 (572–577); Stadler/Elser/Bindl, DB Beilage 1/2012, 14 (18 f.). 2 So wurde der AOA z.B. im DBA Lichtenstein vom 17.11.2011 (in Kraft getreten am 19.12.2012, anwendbar ab 1.1.2013) und im DBA Niederlande vom 12.4.2012 umgesetzt.

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Kap. 1 Rz. 1.30 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

1.30 Maßgebender Zuordnungszeitpunkt. Gemäß Rz. 02.15 UmwSt-Erlass 2011 ist für die Prüfung des Ausschlusses oder der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts in Bezug auf Veräußerungsgewinn oder Nutzung betriebsstättenrelevanter Wirtschaftsgüter „auf die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des steuerlichen Übertragungsstichtages“ abzustellen. Der steuerliche Übertragungsstichtag liegt üblicherweise bis zu 8 Monate – coronabedingt in den Jahren 2020/2021 bis zu 12 Monate – zurück. Eine „rückwirkende Fiktion“ zum Vorliegen eines Besteuerungsrechts ist danach nicht zulässig, was für die faktische Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer in- oder ausländischen Betriebsstätte zutreffend ist. Dies bedeutet: Zum Rückwirkungszeitpunkt besteht an den von der Umstrukturierung betroffenen Wirtschaftsgütern gemeinhin noch das volle inländische Besteuerungsrecht. Zum steuerlichen Übertragungszeitpunkt sollte deshalb keine Entstrickung erfolgen. Eine steuerliche Entstrickung kann vielmehr erst in dem Moment stattfinden, in dem bspw. die Geschäftsleitung bei einer Hinausverschmelzung ins Ausland verlagert wird und die funktionale Zuordnung der übergehenden Wirtschaftsgüter in eine Auslandsbetriebsstätte wechselt. Insoweit sind bei Kapitalgesellschaften u.U. die Entstrickungsvorschriften des § 12 Abs. 1 KStG anwendbar, verbunden mit dem Wahlrecht für einen Besteuerungsaufschub gem. § 4g EStG nach dem Ausgleichspostenkonzept. Ansonsten können ggf. § 4 Abs. 1 Satz 3, § 16 Abs. 3a EStG eingreifen. Bei der von der FinVerw. noch immer vertretenen Zentralfunktionsthese mit der Zuordnungsautomatik zu einer Geschäftsleitungsbetriebsstätte bestehen insoweit allerdings Auslegungsschwierigkeiten.1 Insoweit ist auch das Zusammenspiel zwischen rechtlicher und tatsächlicher Entstrickung bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen problematisch. Ggf. können im Einzelfall passive – also durch Rechtssetzungsakt erfolgende – Entstrickungen hinzutreten.2 2. Realisationsfragen für stille Reserven bei (rechtlicher/tatsächlicher) Entstrickung/Verstrickung

1.31 Der Begriff „Entstrickung“ meint einen grenzüberschreitenden Vorgang, durch den stille Reserven eines Wirtschaftsgutes der deutschen Besteuerung bei einem Steuerpflichtigen entzogen werden. Grundtatbestand der Entstrickung mit dem Gebot einer Zwangsgewinnrealisierung bei Ausschluss oder Beschränkung des inländischen Besteuerungsrechts ist § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG (fiktive Entnahme des Wirtschaftsguts, einschl. Nutzungsentnahme); die Bewertung erfolgt mit dem gemeinen Wert. Ergänzend wurde durch den Gesetzgeber ein Regelbeispiel zur Entstrickung (Überführung eines inl. Wirtschaftsguts in eine ausl. DBA-Betriebsstätte) in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG eingeführt. Im Hinblick auf die Unionsrechtskompatibilität einer Entstrickung hat 1 Dazu auch Schneider/Ruoff/Sistermann, FR 2012, 4; Desens in Musil/Weber-Grellet, UmwStG2, § 3 Rz. 15 f. 2 Zur Frage einer passiven Entstrickung durch Umsetzung des AOA in § 1 Abs. 5 AStG vgl. im vorläufigen Rechtsschutz BFH, Beschl. v. 24.11.2021 – I B 44/21 (AdV), BStBl. II 2022, 431. Ergänzend dazu spricht von einer „passiven Entstrickung“ durch Änderung/Abschluss eines DBA das FG Münster v. 10.8.2022 – 13 K 559/19 G F, DStR 2022, 2413 – Rev. I R 41/22; zu Erläuterungen Schneider, DB 2022, 2828. Rechtliche und tatsächliche Entstrickungen dürften im Regelfall „aktive Entstrickungsakte“ sein.

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B. Stl. Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.31 Kap. 1

der Gesetzgeber zudem mit der Ausgleichspostenlösung des § 4g EStG ein Verteilungswahlrecht geschaffen, um die Belastungswirkung der Entstrickungsbesteuerung mit Blick auf erhöhte Abschreibungen im Verstrickungsstaat „abzufedern“. Insoweit soll eine faire Territorialitätszuordnung der Versteuerung stiller Reserven sichergestellt werden, die per Typisierung eine diskriminierungsfreie Verteilung der Besteuerungsrechte vornimmt. Für Körperschaften wurde mit § 12 Abs. 1 KStG eine entsprechende Veräußerungsfiktion verknüpft mit dem Verteilungswahlrecht des § 4g EStG geschaffen. Spiegelbildlich dazu: Der Begriff „Verstrickung“ bezeichnet den umgekehrten Fall der Zuführung stiller Reserven eines Wirtschaftsgutes, die bislang nicht der inländischen Besteuerung unterlegen haben, durch den Steuerpflichtigen in ein inländisches Betriebsvermögen. Grundtatbestand der Verstrickung ist § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG, der – vor Umsetzung von ATAD I und II – durchgängig eine Bewertung zum gemeinen Wert verlangte (§ 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG, im Ausgangspunkt unabhängig vom ausländischen Wertansatz). Zwar ist der Gesetzgeber im SEStEG vom 7.12.2006 mit dem Ziel „angetreten“, aufeinander abgestimmte allgemeine Grundtatbestände über Entstrickung/Verstrickung von betrieblichen Einzelwirtschaftsgütern, betrieblichen Einheiten und Gesellschaften einzuführen. Ein solches Entstrickungskonzept „aus einem Guss“ ist ihm aber nicht gelungen.1 Ungeachtet dessen sind Entstrickungs- und Verstrickungsfragen bei Umwandlungen mit Auslandsbezug zentral. Für die Wegzugsfälle des § 6 AStG mit im Privatvermögen gehaltenen KapGes.-Anteilen von mindestens 1 % gelten eigenständige Entstrickungsregelungen, die durch das ATAD-UmsG v. 25.6.2021 neujustiert wurden mit in der Tendenz steuerverschärfender Wirkung.2 Um den in ATAD I und II unionsrechtlich vorgegebenen Mindeststandard bei den ertragsteuerlichen Entstrickungs- und Verstrickungsregelungen einzuhalten, hat der deutsche Gesetzgeber bei Beibehaltung des Grundkonzepts der Entstrickung/Verstrickung im ATAD- UmsG v. 25.6.2021 zahlreiche Details mit Wirkung ab 1.1.2020 geändert. Dies bedeutet im Wesentlichen: – Für Entstrickungen: Das ursprünglich nur für unbeschränkt Steuerpflichtige geltende Wahlrecht für eine Ausgleichspostenlösung gem. § 4g EStG gilt in allen offenen Fällen auch für beschränkt Steuerpflichtige, erstreckt sich neben den Anlagevermögen auch auf das Umlaufvermögen und kann zudem für Betriebsstätten im EWR in Anspruch genommen werden, sofern ein der Amtshilfe- und Beitreibungsrichtlinie vergleichbares Abkommen besteht. Auch bei sog. passiver Entstrickung (Abschluss neuer DBA oder Änderung von DBA) soll der Ausgleichsposten möglich sein. Zudem werden die besonderen Auflösungsgründe für gebildete 1 Vgl. dazu Schwenke, DStZ 2007, 235 (242 ff.); Prinz, GmbHR 2012, 195; ergänzend auch Benecke, NWB 37/2007, 3231; Brähler/Bensmann, DStZ 2011, 702; zur Aufgabe der finalen Entnahmelehre s. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 sowie BFH v. 28.10.2009 – I R 99/08, BStBl. II 2011, 1019; dazu auch BMF v. 18.11.2011 – IV C 6 - S 2134/10/10004, BStBl. I 2011, 1278. Einen besonderen Veräußerungsvorgang fingiert § 17 Abs. 5 EStG bei Verlegung von Sitz/Geschäftsleitung einer KapGes. ins Ausland mit Unionsrechtsschutz durch die Fusionsrichtlinie. 2 Vgl. Lüdicke, BB 2022, 1239. Ergänzend BFH v. 8.12.2021 – I R 30/19, BStBl. II 2022, 763.

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Kap. 1 Rz. 1.31 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

Rücklagen einheitlich und in etwas erweiterter Form in § 36 Abs. 5 EStG geregelt. Damit soll eine Harmonisierung mit den Regelungen für eine komplette Betriebsverlegung ins Ausland (ähnlich einer Betriebsaufgabe) gem. § 16 Abs. 3a EStG hergestellt werden. Des Weiteren gilt als Regelungstechnik: Fällt die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts weg – beispielsweise bei Verstärkung einer Inlandsverstrickung durch Rücküberführung des Wirtschaftsguts ins Inland –, sieht § 4g Abs. 1 Satz 3 EStG ein neues Antragsrecht für Entnahmen und Einlagen vor; etwaige Doppelbesteuerung werden durch Steueranrechnung gem. § 34c EStG beseitigt. Für Körperschaften gelten entsprechende Regelungen gem. § 12 Abs. 1a KStG. – Für Verstrickungen: Während bis zum Jahr 2019 eine Steuerverstrickung zum gemeinen Wert einen inländischen Step-up unabhängig von ausländischen Werten geschaffen hat, ist ab 1.1.2020 für die Begründung – und mit gewissen Modifikationen auch für die Verstärkung – eines deutschen Besteuerungsrechts (vereinfacht) eine grenzüberschreitende Wertverknüpfung vorgesehen, wonach Deutschland als Verstrickungsstaat die ausländischen Wertansätze bei Entstrickung zum Marktwert übernehmen muss (§ 6 Abs. 1 Nr. 5b EStG). Sofern im Ausland keine Entstrickung erfolgt, gilt weiterhin der Ansatz zum gemeinen Wert. Dadurch soll die Schaffung neuen Abschreibungspotentials in Deutschland in unionsrechtlich harmonisierter Form sachgerecht beschränkt werden. Zudem ist für Körperschaften in § 12 Abs. 1a KStG geregelt, dass die Entstrickungs- und Verstrickungsregelungen auch für Wirtschaftsgüter der außerbetrieblichen Sphäre einer Körperschaft entsprechend gelten.1

1.32 Problematisches umwandlungssteuerliches Entstrickungskonzept. Das SEStEG vom 7.12.2006 hat bei der Neufassung des UmwStG – seit 2022 allerdings für die körperschaftsbezogenen Verschmelzung-, Spaltungs- und Formwechselfälle über Europa hinaus in globalisierter Form – eine doppelte Zielsetzung verfolgt, die letztlich ambivalent wirkt. Zum einen wurden steuerliche Hemmnisse für die als Folge der zunehmenden internationalen Verflechtungen immer wichtiger werdenden grenzüberschreitenden Umstrukturierungen von Unternehmen zunächst in Europa, dann global beseitigt; die unionsrechtlichen Grundfreiheiten, die Fusionsrichtlinie sowie die SE/SCE-Verordnungen haben dies erforderlich gemacht. Daraus resultiert die Möglichkeit eines antragsgebundenen Buchwertansatzes (ggf. auch eines Zwischenwerts) auch bei grenzüberschreitenden Vorgängen. Zum anderen sollen im Rahmen der Vorgaben des primären und sekundären Unionsrechts konsequent deutsche Besteuerungsrechte gesichert werden, um steuermindernde Gestaltungen – vor allem aufgrund fehlender Harmonisierung der direkten Besteuerung innerhalb des EU/ EWR-Raums – zu verhindern. Das im UmwStG umgesetzte Entstrickungskonzept will dieser doppelten Zielsetzung genügen, löst sich dabei auch konzeptionell von den in anderen Entstrickungsbereichen eingeführten Stundungs- bzw. Steuerstreckungsmöglichkeiten (§ 6 AStG, § 4g EStG, § 16 Abs. 3a EStG). So wird im UmwStG 1 Zu Details der Rechtsänderungen im Entstrickungs- und Verstrickungsbereich vgl. Kahle in Prinz/Kanzler (Hrsg.), Handbuch Bilanzsteuerrecht4, Teil A Kap. XX Rz. 3023-3024/5 sowie 3036. Kritisch zur Regelungstechnik Desens, DStR 2022, 1588 (1591–1593).

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B. Stl. Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.33 Kap. 1

für diverse grenzüberschreitende Vorgänge eine Buchwertverknüpfung unter weiteren Voraussetzungen nur für den Fall zugelassen, dass „das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter“ beim Übernehmer weder ausgeschlossen noch beschränkt wird. Dies erfordert im Regelfall eine funktionale Zuordnung der betroffenen Wirtschaftsgüter zu einer inländischen Betriebsstätte. In Rz. 03.20 UmwSt-Erlass 2011 findet sich dazu als Grundsatz: Eine grenzüberschreitende Umwandlung ändert nicht die abkommensrechtliche Zuordnung der Wirtschaftsgüter zu einer in- oder ausländischen Betriebsstätte (Ausnahmen: Zentralfunktion des Stammhauses, tatsächliche Entstrickung). Abgestellt wird üblicherweise auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des steuerlichen Übertragungsstichtags. Erfolgt bei Umstrukturierungen mit Auslandsbezug eine solche inländische Steuersubstratsicherung nicht, ist eine Zwangsrealisation ohne jegliche Stundungsmöglichkeit geboten. Hier stellt sich zumindest für EU/EWR-Fälle seit langem die Frage der Unionsrechtskonformität.1 Ungeachtet dessen hat der Gesetzgeber im ATAD-UmsG v. 25.6.2021 für Entstrickungsfälle des UmwStG keine Anpassungen vorgenommen. Allein der Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts für Gewerbesteuerzwecke stellt keine entstrickungsrelevante Beschränkung dar. Eine rein gewerbesteuerliche Entstrickung ist daher unschädlich.2 Trotz Verlustes des inländischen Besteuerungsrechts verzichtet der Gesetzgeber in Ausnahmefällen auf die umwandlungssteuerliche Entstrickung, wenn stattdessen das erhaltene Wirtschaftsgut im Inland steuerverstrickt bleibt. Dies ist etwa bei grenzüberschreitenden Einbringungen in eine ausländische Kapitalgesellschaft gem. § 21 Abs. 2 Satz 2 UmwStG der Fall. Das Gebot einer „Buchwertverknüpfung über die Grenze“ besteht deshalb insoweit nicht mehr.3 Für die Einbringungsfälle des § 24 UmwStG besteht seit jeher ein globaler Anwendungsbereich, der gleichermaßen die Sicherstellung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland beim eingebrachten Betriebsvermögen voraussetzt. Entstrickungsformen/Entstrickungskonkurrenzen. Durch Rechtsakte ausgelöste Entstrickungen (etwa die Hinausverschmelzung eines inländischen Rechtsträgers auf eine ausländische Körperschaft ohne zurückbleibende Betriebsstätte) müssen von faktischen Entstrickungsvorgängen (bspw. durch Überführung eines bislang inländischen Wirtschaftsgutes in eine ausländische DBA-Betriebsstätte) unterschieden werden. Man spricht auch von aktiver oder passiver Entstrickung.4 Die Finanzverwaltung geht im Grundsatz von einem Nebeneinander der Entstrickungsregeln des UmwStG und des EStG/KStG aus, was etwa aus Rz. 03.20 des UmwSt-Erlasses 2011 herausgelesen werden kann.5 Der Rechtsakt der Umwandlung mit seiner Gesamtoder Sonderrechtsnachfolge muss dabei von zusätzlichen tatsächlichen Verbrin1 Vgl. Desens, DStR 2022, 1588 (1595 f.). 2 So ausdrücklich Rz. 03.18 des UmwSt-Erlasses v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314; Erläuterungen dazu bei Stadler/Elser/Bindl, DB Beilage 1/2012, 14 (19); Kraft, IStR 2012, 528. 3 Vgl. dazu Kaeser, DStR Beihefter zu Heft 2/2012, 16; s. auch § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b UmwStG. 4 Vgl. Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1014). 5 Vgl. dazu auch Hruschka, StuB 2011, 540 (543).

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Kap. 1 Rz. 1.33 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

gungshandlungen begleitet sein. Diese Unterscheidung hat gerade in EU/EWR-Fällen besondere Bedeutung, da Ausgleichsposten gem. § 4g EStG nicht bei rein umwandlungssteuerlichen Entstrickungsvorgängen zulässig sind. Hinzu kommen auch zeitliche Besteuerungsunterschiede: Für entstrickende Umwandlungsmaßnahmen wird üblicherweise und mit Rückwirkung auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des steuerlichen Übertragungsstichtags abgestellt, ansonsten sind die tatsächlichen Entnahmeoder Veräußerungshandlungen für die Besteuerungsabschnittszuordnung entscheidend.1 Allerdings ist die Finanzverwaltungsauffassung streitig. Teile der Literatur sehen die umwandlungssteuerlichen Regelungen als vorrangig (lex specialis) an. Der BFH hat über die Frage, ob auch eine passive Entstrickung möglich ist, bislang noch nicht entschieden.2 M.E. sollte durch Neuabschluss oder Änderung eines DBA keine Ent- oder Verstrickung erfolgen; die FinVerw. sieht dies möglicherweise anders.

1.34 Gesetzlicher Änderungsbedarf im umwandlungssteuerlichen Entstrickungskonzept? Der EuGH hat sich in den vergangenen Jahren in einer Reihe von Fällen mit Einzelfragen der Entstrickungsbesteuerung befasst und dabei im Grundsatz dem „Wegzugsstaat“ ein an besondere Stundungsregeln gebundenes abschließendes Besteuerungsrecht für die in seinem Hoheitsgebiet gebildeten stillen Reserven unionsrechtsgestützt zugebilligt. Dabei ist zunächst die „National Grid Indus“-Entscheidung des EuGH vom 29.11.2011 zu nennen.3 Der EuGH hat sich dabei mit einer nach niederländischem Recht errichteten B.V. – vergleichbar einer deutschen GmbH – befasst, die unter Beibehaltung ihres Satzungssitzes den Verwaltungssitz nach Großbritannien verlegt hat, ohne dabei die niederländische Rechtsfähigkeit zu verlieren. Die vom niederländischen Fiskus daraufhin eingeforderte Wegzugsbesteuerung wurde vom EuGH als Verstoß gegen Unionsrecht – konkret gegen die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49 AEUV – qualifiziert. Dabei stellt der EuGH (vereinfacht betrachtet) als Leitlinie fest: Der Wegzugsstaat darf zwar die zum Wegzugszeitpunkt in seiner Steuerhoheit entstandenen stillen Reserven einer Gesellschaft festsetzen (auch ohne spätere Wertminderungen/Wertzuwächse), aber auf die Einziehung der festgesetzten Steuerschuld muss er bis zum Zeitpunkt einer tatsächlichen Realisation der stillen Reserven verzichten oder zumindest deren angemessene Stundung gewähren. Der EuGH postuliert insoweit also für Verwaltungssitzverlegungen eine aufgeschobene Besteuerung mit einem Wahlrecht zur Sofortbesteuerung durch das betroffene Unternehmen. Zur Sicherstellung des Besteuerungsrechts des Wegzugsstaats hält der EuGH das Erfordernis einer Sicherheitsleistung in begründeten Risikofällen für möglich. Eine zwangsweise sofortige Besteuerung stiller Reserven, wie sie in Entstrickungsfällen des UmwStG vorgesehen ist, würde daher gegen Unionsrecht verstoßen. In einem Urteil vom 6.9.20124 im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Portugal verfeinert der EuGH seine Rechtsauffassung. Auch in diesem Fall hältt der EuGH die sofortige Versteuerung der in den übergehenden Wirtschaftsgütern befindlichen stillen Reserven bei Überführung in eine portugiesische EU/EWR-Be1 2 3 4

Vgl. dazu auch Stadler/Elser/Bindl, DB Beilage 1/2012, 19 f. Vgl. BFH, Beschl. v. 24.11.2021 – I B 44/21 (AdV), DStR 2022, 399 Rz. 29. EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10, DStR 2011, 2334. EuGH v. 6.9.2012 – C-38/10, BFH/NV 2012, 1757.

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B. Stl. Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.35 Kap. 1

triebsstätte für unionrechtswidrig. Er nennt dabei als weniger beeinträchtigende Maßnahme eine Regelung mit der Wahl zwischen einer sofortigen Zahlung des Steuerbetrags einerseits und einer Aufschiebung der Zahlung (ggf. zzgl. Zinsen) andererseits. Auch eine möglicherweise persönliche Haftung des Anteilseigners als Sicherstellung bei durch den Wegzug gefährdeten Steuerpositionen wird durch den EuGH in Betracht gezogen. Schließlich setzt sich der EuGH auch in seiner DMC-Entscheidung vom 23.1.20141 mit der deutschen Einbringungsregelung des § 20 Abs. 3, 4 UmwStG a.F. und der in der Folge geltenden ratierlichen Stundung bei fiktiver entstrickungsbedingter Anteilsveräußerung auseinander und problematisiert die „doppelte“ Steuerverhaftung der gewährten Anteile/eingebrachten Wirtschaftsgüter. Bei Analyse dieser EuGH-Judikatur wird deutlich, dass der Gesetzgeber auch bei den umwandlungssteuerlichen Entstrickungsregelungen mildernde Stundungen bzw. Steuerstreckungen zulassen sollte. Dies gilt aktuell insbesondere auch für den fiktiven Formwechsel einer inländischen Personen-Handelsgesellschaft mit ausländischen Gesellschaftern gem. § 1a KStG in eine optierte Körperschaftsteuerpflicht.2 3. „Vergleichbarkeitstest“ für ausländische Umwandlungen Die Vergünstigungen des UmwStG – etwa in Form einer antragsgebundenen Buchwertverknüpfung oder einer Rückwirkungsmöglichkeit – kommen für Umstrukturierungen mit EU/EWR-Auslandsbezug und in verschiedenen gesetzlich zugelassenen Drittstaatensachverhalten nur in Betracht, wenn es sich um mit einer inländischen Umwandlung „vergleichbare ausländische Vorgänge“ handelt.3 So gelten etwa die umwandlungssteuerlichen Verschmelzungs- und Spaltungsregelungen (§§ 11–13, § 15 UmwStG) nur für Vorgänge gem. §§ 2, 123 Abs. 1 und 2 UmwG sowie damit vergleichbare ausländische Vorgänge (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwStG); nach Umsetzung der Mobilitätsrichtlinie 2019 mit Wirkung ab 1.2.2023 durch das „Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG)“ sind sämtliche grenzüberschreitende Umwandlungen von Körperschaften europäisiert worden (§§ 305–355 UmwG i.d.F. des UmRUG). Grenzüberschreitende Drittstaatenumwandlungen sind weiterhin gesellschaftsrechtlich nicht zugelassen. Der Vergleichbarkeitstest gilt für umwandlungssteuerliche Einbringungsfälle (§ 1 Abs. 3 Nr. 1–3 UmwStG) entsprechend. Für ausländische Drittstaatenverschmelzungen von Körperschaften mit inländischem Anteilseigner ist gleichermaßen die „Vergleichbarkeit“ mit einer Inlandsverschmelzung zu prüfen. Man spricht insoweit vom „Grundsatz der Maßgeblichkeit des Gesellschaftsrechts“ im UmwStG, was im Einzelfall eine steuerorientierte Auseinanderset1 Vgl. EuGH v. 23.1.2014 – C-164/12, IStR 2014, 106. Wegen der Nachfolgeentscheidung s. BFH v. 30.9.2015 – I B 66/15, DStR 2015, 2603. Ergänzend auch EuGH v. 21.5.2015 – C657/13 – Verder Lab-Tec, DStR 2015, 1166. 2 Vgl. dazu mit Hinweis auf Rz. 26 des BMF-Schreibens v. 10.11.2021 – IV C 2-S 2707/21/ 10001 :004 (2021/1162290), BStBl. I 2021, 2212, Prinz, FR 2022, 61 (63); Prinz, FR 2023, 1 (5). 3 In den frühen Gesetzesentwürfen zum SEStEG wurde dagegen noch die Formulierung „auf Grund vergleichbarer ausländischer Vorschriften“ verwendet. Diese Formulierung wurde dann allerdings letztlich vom Gesetzgeber als zu eng angesehen und durch „vergleichbare ausländische Vorgänge“ ersetzt.

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Kap. 1 Rz. 1.35 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

zung mit ausländischem Gesellschaftsrecht erfordert.1 Wie der „Vergleichbarkeitstest“ zu führen ist, sagt das Gesetz nicht. Die Sicht der Finanzverwaltung zur Anwendung des zweiten bis fünften Teils des UmwStG ist dokumentiert in Rz. 01.20-01.41 UmwSt-Erlass 2011; dies wird an diversen anderen Stellen im UmwSt-Erlass 2011 ergänzt (s. etwa Rz. 01.48 für Einbringungen i.S.d. § 24 UmwStG. Es muss (vereinfacht) eine wesensmäßige Entsprechung zwischen inländischem und ausländischem Umwandlungsvorgang bestehen. Die Details dazu sind umstritten. Insgesamt sollte eine typusmäßige Gesamtbetrachtung erfolgen; eine Identität des betroffenen Rechtsträgers vor und nach ausländischem Umwandlungsvorgang erfordert das Gesetz dagegen nicht. Letztlich ist das Verständnis der Finanzverwaltung zum Vergleichbarkeitstest allerdings recht eng; eine Gewichtung der Strukturmerkmale wird nicht zugelassen.2 Über Durchführung und Bestehen des Vergleichbarkeitstests entscheidet die im Einzelfall zuständige inländische Finanzbehörde. Der Vergleichbarkeitstest selbst ist für die Praxis sehr bedeutsam und bereitet erfahrungsgemäß vor allem in den nicht gängigen Jurisdiktionen und Ländern mit abweichenden umwandlungsrechtlichen Grundkonzepten (etwa Großbritannien) erhebliche Schwierigkeiten.3 In der Praxis kann man mitunter ein Ausweichen auf Umweggestaltungen beobachten.

1.36 Abgrenzung ausländischer Umwandlungen. Rein inländische Umwandlungen, für die das UmwG gilt, sind von ausländischen oder grenzüberschreitenden Umwandlungsvorgängen mit der Notwendigkeit zur Durchführung des Vergleichbarkeitstests abzugrenzen. Ein Auslandsvorgang liegt gemäß Rz. 01.20 UmwSt-Erlass 2011 nur dann vor, wenn das deutsche UmwG kollisionsrechtlich keine Anwendung findet. Abzustellen ist dabei auf das Gesellschaftsstatut des Staates, in dem der jeweilige Rechtsträger in ein öffentliches Register eingetragen oder – subsidiär – nach dem er organisiert ist. Selbst bei unbeschränkter deutscher Körperschaftsteuerpflicht zweier Gesellschaften englischen Rechts (mit Sitz in Großbritannien, effektivem Verwaltungssitz im Inland), die zu einer entsprechenden Gesellschaft englischen Rechts verschmolzen werden sollen, liegt nach Meinung der Finanzverwaltung ein den Vergleichbarkeitstest auslösender ausländischer Vorgang vor (so Rz. 01.22 UmwSt-Erlass 2011 vor Geltung des Brexits); dies dürfte für die Zeit nach Geltung des Brexits und Umqualifizierung einer EU-KapGes. zu einer „Drittstaaten-KapGes. weitergelten. Dies ist zutreffend, denn bezogen auf den inländischen Anteilseigner erfolgt keinerlei 1 So etwa Rz. 01.23 UmwSt-Erlass 2011; eingehender dazu Benecke, GmbHR 2012, 113 (116–123). 2 Vgl. Benecke, GmbHR 2012, 120. 3 Zu einer Übersicht über die Vergleichbarkeit ausländischer Umwandlungsvorgänge für ausgewählte Jurisdiktionen s. Ehret/Lausterer, DB Beilage 1/2012, 12 f. Von „schwierigen Nachweisfragen“ sprechen Holle/Krüger/Weiss, IStR 2021, 489 (496). Zum typusorientierten Begriff der Abspaltung in § 20 Abs.4a Satz 7 EStG ohne Relevanz für den Vergleichbarkeitstest vgl. BFH v. 1.7.2021 – VIII R 9/19, BStBl. II 2022, 359; BFH v. 1.7.2021 – VIII R 15/20, BStBl. II 2022, 363 sowie BMF v. 19.5.2022 – IV C 2 - S 1978-b/20/10005 :004 (2022/0206627), BStBl. I 2022, 844; zur weiteren Differenzierung s. BFH v. 19.10.2021 – VIII R 7/20, BStBl. II 2022, 366 sowie BFH v. 14.2.2022 – VIII R 44/18, BStBl. II 2022, 636 zur Verschmelzung einer US-amerikanischen Kapitalgesellschaft mit Spitzen- und Barausgleich.

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B. Stl. Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.37 Kap. 1

Steuersubstratentzug. Im Übrigen ist stets die konkrete rechtliche Ausgestaltung des ausländischen Umwandlungsvorgangs zu prüfen, das „ausländische Umwandlungsrecht“ als solches ist irrelevant. D.h. konkret: Auch wenn das ausländische Umwandlungsrecht bspw. eine bare Zuzahlung von 30 % zulässt, ist die Vergleichbarkeit für umwandlungssteuerliche Zwecke zu bejahen, wenn im konkreten Fall bare Zuzahlungen von bis zu 10 % geleistet werden (Vergleichbarkeit mit § 54 Abs. 4 UmwG).1 Durchführung des Vergleichbarkeitstests. Die für den Vergleichbarkeitstest nach Auffassung der Finanzverwaltung durchzuführenden Prüfschritte sehen wie folgt aus: – Zivilrechtliche Wirksamkeit nach ausländischem Recht (Rz. 01.23 UmwSt-Erlass 2011). Der ausländische Umstrukturierungsvorgang muss zulässig und wirksam sein. Die Entscheidung der ausländischen Registerbehörde ist normalerweise ausschlaggebend. Die Finanzverwaltung schränkt dies allerdings – entsprechend den inländischen Umwandlungsvorgängen – für den Fall ein, dass die Umwandlung an „gravierenden Mängeln“ leidet. Besteuerungspraktisch sollte dies ein absoluter Ausnahmefall sein (s. auch die Schutzregel des § 20 Abs. 2 UmwG); letztlich wird es sich nur um „Nichtigkeitsfälle“ (nach ausländischem Gesellschaftsrecht) handeln können. Das zivilrechtliche ausländische Wirksamkeitserfordernis kann im Einzelfall Umweggestaltungen notwendig machen. Beispiel: Geplant ist die Umwandlung einer belgischen Betriebsstätte einer deutschen StammhausGmbH in eine belgische SPRL. Eine direkte Abspaltung der in der belgischen Betriebsstätte befindlichen Aktiva und Passiva funktioniert vor Umsetzung der Mobilitätsrichtlinie 2019 gesellschaftsrechtlich nicht. Deshalb erfolgt ein zweistufiges Vorgehen. In Schritt 1 wird die belgische Betriebsstätte in eine deutsche OpCo abgespalten; anschließend erfolgt die Hinausverschmelzung der deutschen OpCo auf die belgische SPRL.2

– Umwandlungsfähigkeit der beteiligten Rechtsträger (Rz. 01.21-01.28 UmwSt-Erlass 2011). Sämtliche an der konkreten Umwandlung beteiligten Rechtsträger müssen hinsichtlich der betroffenen Gesellschaftsstatute nach Maßgabe des in der Rechtsprechung anerkannten Rechtstypenvergleichs geprüft werden. Dabei muss der ausländische Rechtsträger mit einem umwandlungsfähigen Rechtsträger inländischen Rechts vergleichbar sein. Abgestellt wird dabei auf das gesetzliche Leitbild der ausländischen Gesellschaft, subsidiär ist die Prüfung anhand der rechtlichen Gegebenheiten des Einzelfalls durchzuführen. In der Besteuerungspraxis erfolgt üblicherweise ein Rückgriff auf die finanzverwaltungsseitigen Einordnungstabellen im Betriebsstättenerlass; ggf. sind die Prüfungskriterien im sog. LLC-Schreiben anzuwenden.3 1 So ausdrücklich Rz. 01.25 sowie 01.40 (Indiz) UmwSt-Erlass 2011. 2 Zu weiteren Details vgl. Ehret/Lausterer, DB Beilage 1/2012, 8 Fn. 19. 3 BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411. Aus der aktuellen Rechtsprechung vgl. BFH v. 18.5.2021 – I R 12/18 sowie I B 75/20, FR 2021, 1067 und 1072 mit Anm. Knittel. Zur notwendigen Fortentwicklung des Rechtstypenvergleichs s. Röder, IStR 2021, 795; Linn/Maywald, IStR 2021, 825; Schwemmer, StuW 2023, 82; eher zurückhaltend Möhlenbrock/Haubner, FR 2022, 53 (55).

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1.37

Kap. 1 Rz. 1.37 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

– Prüfung der Strukturmerkmale (Rechtsnatur, Rechtsfolgen) des ausländischen Umwandlungsvorgangs (Rz. 01.29–01.39 UmwSt-Erlass 2011). Die wesentlichen Inlandsmerkmale einer Verschmelzung, Spaltung oder eines Formwechsels müssen auch bei dem ausländischen Umstrukturierungsvorgang vorliegen. Wichtig ist dabei vor allem die gesetzlich vorgesehene Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge; der übernehmende Rechtsträger tritt damit „in die Fußstapfen“ des übertragenden Rechtsträgers ohne Liquidationsfolgen. So erkennt die Finanzverwaltung bspw. die Umwandlung einer österreichischen GesmbH mit inländischen Anteilseignern im Wege einer errichtenden Umwandlung in eine österreichische KG als einen der Verschmelzung ähnlichen Auslandsvorgang an (Rz. 01.39 UmwSt-Erlass 2011). Der Fall einer Satzungsänderung mit strukturverändernder Wirkung wird von der Finanzverwaltung im UmwSt-Erlass 2011 nicht erwähnt. Vermutlich wird durch Umsetzung der europäischen Mobilitätsrichtlinie 2019 eine weitere gesellschaftsrechtliche Rechtsangleichung bei grenzüberschreitender Verschmelzung, grenzüberschreitender Spaltung und grenzüberschreitendem Formwechsel von Körperschaften im EU/EWR-Raum zu erwarten sein. – Sonstige Vergleichskriterien (Rz. 01.40, 01.41 UmwSt-Erlass 2011). In diesem Zusammenhang erwähnt die Finanzverwaltung die vertraglich vereinbarten Zuzahlungen als besonderes Indiz beim Vergleichbarkeitstest. Die inländische 10 %Grenze des § 54 Abs. 4 UmwG darf insoweit im konkreten Einzelfall nicht überschritten werden. Hingegen stellt die Dauer einer gesellschaftsrechtlichen Rückbeziehungsmöglichkeit des Umwandlungsvorgangs kein Vergleichbarkeitskriterium dar. 4. Europäischer Teilbetriebsbegriff

1.38 Die antragsgebundene Möglichkeit einer Buchwertverknüpfung erfordert in Spaltungskonstellationen und Einbringungsfällen – alternativ zur Betriebs- oder Mitunternehmeranteilsübertragung – das gegenständliche Vorliegen eines sog. Teilbetriebs. Umwandlungsrechtlich dagegen besteht kein Teilbetriebsgebot (§ 123 Abs. 1 u. 2 UmwG). Betroffen sind – Aufspaltungs-, Abspaltungs- und Teilübertragungsvorgänge gem. § 15 Abs. 1 UmwStG zwischen Körperschaften und entsprechende Spaltungsvorgänge auf Personengesellschaften (§ 16 UmwStG); – Einbringungen in eine Kapitalgesellschaft gem. § 20 UmwStG; – Einbringungen in eine Personengesellschaft gem. § 24 UmwStG, unter Einschluss entsprechender Verschmelzungs- und Spaltungsvorgänge. Die Regelungen gelten im Grundsatz auch für entsprechende Umstrukturierungen mit Auslandsbezug. Mit Inkrafttreten des „Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie“ v. 22.2.2023 mit Wirkung ab 1.3.2023 haben vor allem auch grenzüberschreitende Spaltungen von Kapitalgesellschaften eine legislative Grundlage. Bislang hat die Praxis häufig nach Ausweichgestaltungen suchen müssen.

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B. Stl. Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.39 Kap. 1

Faktischer und fiktiver Teilbetrieb. Man unterscheidet aus steuerlicher Sicht den faktischen Teilbetrieb mit organisatorisch abgrenzbaren aktiven und passiven Wirtschaftsgütern vom sog. fiktiven Teilbetrieb, womit die das gesamte Nennkapital umfassende Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (100 %-Beteiligung), mitunter auch ein Mitunternehmeranteil/Teil eines Mitunternehmeranteils (einschl. anteiligem Sonderbetriebsvermögen) gemeint ist (etwa § 15 Abs. 1 Satz 3 UmwStG). In § 24 UmwStG dagegen wird der Mitunternehmeranteil neben dem Teilbetrieb erwähnt. Gemäß Rz. 24.02 UmwSt-Erlass 2011 gilt eine 100%ige Kapitalgesellschaftsbeteiligung entgegen der Rechtsprechung1 auch in Einbringungsfällen als Teilbetrieb. Eine Definition des (faktischen) Teilbetriebsbegriffs enthält das UmwStG nicht.2 Die Finanzverwaltung stellt durchweg, also auch für reine Inlandsfälle, auf den europäischen Teilbetriebsbegriff ab (s. Rz. 15.02 UmwSt-Erlass 2011) und rekurriert – jedenfalls im Ausgangspunkt – auf die europäische Fusionsrichtlinie (mit dazu bislang nur sehr bruchstückhafter Rechtsprechung)3. Wegen des im UmwSt-Erlass 2011 geänderten Verwaltungsverständnisses existiert eine bestandsschützende Übergangsregelung bis zum 31.12.2011 (Rz. S. 05 UmwSt-Erlass 2011). Das Vorliegen der Teilbetriebsvoraussetzung ist in der Besteuerungspraxis häufig das Kernproblem der Umstrukturierung. Dessen Konturen versucht man zur Erlangung erhöhter Planungssicherheit durch (üblicherweise gebührenpflichtige) verbindliche Auskünfte abzusichern. Das Vorliegen eines Teilbetriebs sollte dabei eine „auskunftsfähige Rechtsfrage“ sein.4 Das durchgängige europäische Teilbetriebsverständnis der Finanzverwaltung wird in der Literatur nach wie vor streitig diskutiert.5 Teils wird eine Anwendungsbegrenzung auf grenzüberschreitende Vorgänge verlangt, ansonsten soll der nationale Teilbetriebsbegriff weitergelten. Teils wird eine „Meistbegünstigung“ zugunsten des Rechtsanwenders gefordert, wonach der für den Steuerpflichtigen jeweils günstigere Teilbetriebsbegriff anzuwenden ist. In der Besteuerungspraxis wird sicherlich zunächst einmal das Verständnis der Finanzverwaltung zugrunde gelegt.

1 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 2 Dies gilt auch für § 16 Abs. 1 EStG, wo der Teilbetriebsbegriff ebenfalls verwendet, aber nicht definiert wird. 3 Vgl. vor allem in der Rechtssache Andersen, EuGH v. 15.1.2002 – C-43-00, DStRE 2002, 456; vgl. ergänzend auch BFH v. 7.4.2010 – I R 96/08, BStBl. II 2011, 467: Es sei nicht ersichtlich, dass Art. 2 Buchst. i FRL ein gegenüber dem nationalen Verständnis abweichender Begriff des Teilbetriebs zugrunde liegt. 4 So zutreffend Schneider, StbJb 2019/2020, 226-228. 5 Vgl. aktuell Micker/Uphues, Ubg 2021, 320; Desens in Musil/Weber-Grellet, UmwStG2, § 15 Rz. 21 ff.; Uphues, DStR 2022, 2521, 2584 und Rödder, JbFSt 2016/2017, 67 (68–78) in Diskussion mit Brandis, Möhlenbrock und Drüen. Des Weiteren Schneider/Ruoff/Sistermann, FR 2002, 1 (4–8); Kotyrba/Scheunemann, BB 2012, 223 (224–226); Kröner/Momen, DB 2012, 71 (74–76); Schaflitzl/Götz, DB Beilage 1/2012, 25 (32–35); Sistermann, DStR Beihefter zu 2/2012, 9 (11–13); Neumann, GmbHR 2012, 141–147; Schumacher/Bier in FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011, 270–280; Feldgen, Ubg 2012, 459; Heurung/Engel/Schröder, GmbHR 2012, 273–277; Schumacher/Neitz-Hackstein, Ubg 2011, 409 (415–418); Greil, StuW 2011, 84; Blumers, DB 2011, 2204; Schmitt, DStR 2011, 1108; Kessler/Philipp, DStR 2011, 1065; Schumacher/Neumann, DStR 2008, 325–329; speziell zu Grundstücksfragen Hageböke, DK 2016, 65.

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Kap. 1 Rz. 1.40 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

1.40 Differenziertes Teilbetriebsverständnis. Grundlage der Diskussion um den Teilbetriebsbegriff ist die steuerliche Spaltungsvorschrift des § 15 Abs. 1 UmwStG. Zum einen muss das im Wege der Spaltung übergehende Vermögen Teilbetriebsqualität haben, zum anderen muss bei der Abspaltung (und auch der Teilübertragung) das zurückbleibende Vermögen ebenfalls zu einem Teilbetrieb gehören. Man spricht bei den praktisch bedeutsamen Abspaltungsfällen von einem „doppelten Teilbetriebserfordernis“, das nach Meinung der Finanzverwaltung (streitig) nicht zuordenbare verbleibende Wirtschaftsgüter ausschließt.1 Der Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 2 UmwStG verlangt dagegen nur, dass „ ... bei der übertragenden Körperschaft ein Teilbetrieb verbleibt“. Der verbleibende Teilbetrieb ist daher nur im Sinne eines Mindesterfordernisses zu verstehen. Die Finanzverwaltung definiert den Teilbetrieb mit seinen inhaltlichen und zeitlichen Erfordernissen im Übrigen für körperschaftsteuerliche Spaltungsfälle in Rz. 15.01–15.13 UmwSt-Erlass 2011; für die anderen Umwandlungsvarianten mit Teilbetriebserfordernissen wird darauf verwiesen (s. Rz. 16.02, 20.06 und 24.01, 24.02 UmwSt-Erlass 2011). Ist das Teilbetriebserfordernis nicht erfüllt, sind die stillen Reserven im transferierten Vermögen aufzudecken. Beim Anteilseigner gilt im Regelfall eine vollständige oder (bei der Abspaltung) verhältnismäßige Veräußerungsfiktion zum gemeinen Wert; eine Sachdividende liegt nicht vor.2 Im Hinblick auf die Nachspaltungsveräußerungssperre des § 15 Abs. 2 S. 3 und 4 UmwStG hat der BFH in seinem Urteil v. 11.8.2021 entschieden, dass es sich um eine einheitliche Missbrauchsvermeidungsvorschrift handelt; die Veräußerungsvermutung des § 15 Abs. 2 Sätze 3, 4 UmwStG ist deshalb kein eigenständiger Ausschlussgrund für die Buchwertfortführung. Zudem ist damit eine Anwendung der allgemeinen Missbrauchsregelung des § 42 AO sondergesetzlich ausgeschlossen.3 1.41 Inhalt des (europäischen) Teilbetriebsbegriffs. Die Finanzverwaltung übernimmt – jedenfalls im Ausgangspunkt – in Rz. 15.02 UmwSt-Erlass 2011 die Teilbetriebsdefinition der Fusionsrichtlinie (Art. 2 Buchst. j), die teils weiter, teils enger als das nationale Teilbetriebsverständnis4 ist. Besteuerungspraktisch wirkt die Europäisierung des Teilbetriebsbegriffs im Ergebnis steuerverschärfend. Ein Teilbetrieb ist danach 1 Vgl. zu dem sog. Ausschließlichkeitsgebot Schneider/Ruoff/Sistermann, FR 2012, 1 (5); Neumann, GmbHR 2012, 141 (142). 2 Zu Details s. Rz. 15.12 UmwSt-Erlass 2011: bei Anteilen im Privatvermögen soll wegen der Abgeltungsteuer die Vereinfachungsregelung des § 20 Abs. 4a EStG gelten; vgl. Neumann, GmbHR 2012, 147; ausführlich Beinert, GmbHR 2012, 291. Zur typusorientierten Auslegung des Begriffs der „Abspaltung“ in § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG vgl. unter Bezugnahme auf die BFH-Rechtsprechung BMF v. 19.5.2022, BStBl. I 2022, 855; zu Einzelfragen der Abgeltungsteuer vgl. BMF v. 15.6.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10028 :018 (2022/0615922), BStBl. I 2022, 943. 3 Vgl. BFH v. 11.8.2021 – I R 39/18, DStR 2022, 41. Zur Einordnung vgl. Schumacher, FR 2022, 218; Binnewies/Cleve, GmbHR 2022, 272; Graw/Weißgerber/Kölbl, Ubg 2022, 159– 167. 4 In Anlehnung an § 16 EStG wurde der Teilbetrieb durch die Rechtsprechung üblicherweise definiert als „ein mit einer gewissen Selbstständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebs, der für sich betrachtet alle Merkmale eines Betriebs im Sinne des Einkommensteuergesetzes aufweist und für sich allein funktions- bzw. lebensfähig“ ist, so Rz. 15.02 UmwSt-Erlass 1998.

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B. Stl. Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.42 Kap. 1 „die Gesamtheit der in einem Unternehmensteil einer Gesellschaft vorhandenen aktiven und passiven Wirtschaftsgüter, die in organisatorischer Hinsicht einen selbstständigen Betrieb, d.h. eine aus eigenen Mitteln funktionsfähige Einheit darstellen.“

Es ist die Perspektive des übertragenden Rechtsträgers einzunehmen, wobei sämtliche funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen (ggf. unter Einschluss einer 100% igen Kapitalgesellschaftsbeteiligung) und darüber hinaus nach wirtschaftlichem Zusammenhang zuordenbare Wirtschaftsgüter (einschl. Verbindlichkeiten) Teilbetriebsbestandteil sein müssen (funktionelle Selbstständigkeit). Versehentliche Fehlzuordnungen oder -übertragungen sollten unter Verhältnismäßigkeitsaspekten unschädlich sein, jedenfalls nicht zu einer Gesamtrealisation der stillen Reserven im Teilbetrieb führen. Der Teilbetrieb sollte darüber hinaus konzeptionell auch über finanzielle Unabhängigkeit verfügen, also im Ergebnis ein absehbar positives Ertragspotential beinhalten (finanzielle Selbstständigkeit).1 Nur sog. neutrales Vermögen, welches weder eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage darstellt noch wirtschaftlich zuordenbare Wirtschaftsgüter beinhaltet, ist bis zum Spaltungsbeschluss frei den Teilbetrieben zuordenbar; insoweit sind begrenzte Wertanpassungen möglich.2 Im Zweifel ist auf wirtschaftliches Eigentum abzustellen; eine bloße Nutzungsüberlassung reicht – abweichend zum eigentlichen europäischen Teilbetriebsverständnis – nicht aus.3 Rz. 15.08 UmwSt-Erlass 2011 erwähnt besonders sog. Spaltungshindernisse, deren Vorliegen zur Aufdeckung stiller Reserven im gesamten Teilbetrieb führt. Steuerschädlich ist vor allem die Nutzung funktional wesentlicher Betriebsgrundlagen durch mehrere Teilbetriebe, insoweit müssen in der Praxis zivilrechtliche Trennungen, Mehrfachanschaffungen oder anderweitige vorbereitende Maßnahmen getroffen werden. Die Mehrfachnutzung von wirtschaftlich zuordenbaren Wirtschaftsgütern ohne funktionale Wesentlichkeit ist allerdings wohl unschädlich. Für Grundstücke lässt die Finanzverwaltung billigkeitsbezogene Erleichterungen zu (etwa die Bildung von Bruchteilseigentum); vor allem für immaterielle Wirtschaftsgüter (etwa Patente und gewerbliche Schutzrechte) und Vertragsverhältnisse dagegen gilt das strenge Mehrfachnutzungsverbot. Schließlich enthält Rz. 15.10 UmwSt-Erlass 2011 Detailhinweise zur Zuordnung von Pensionsrückstellungen. In Abspaltungsvorgängen gilt dies alles auch für den verbleibenden (zweiten) Teilbetrieb (s. das Beispiel in Rz. 15.02 UmwSt-Erlass 2011). Ein sog. Teilbetrieb im Aufbau stellt nach Meinung der Finanzverwaltung – entgegen der früheren Handhabung – keinen steuerlich anzuerkennenden Teilbetrieb mehr dar (Rz. 15.03 UmwSt-Erlass 2011). Dies wirkt in der Praxis deutlich steuerverschärfend, da eine zeitlich gestreckte Vollausprägung teilbetriebskonstituierender Merkmale nicht zulässig ist. Besonderheiten bei fiktiven Teilbetrieben. Die 100%ige Kapitalgesellschaftsbeteiligung verliert ihre fiktive Teilbetriebsqualität, wenn sie einem faktischen Teilbetrieb als wesentliche Betriebsgrundlage dient (so Rz. 15.06 UmwSt-Erlass 2011). Dies ist 1 So zutreffend Schneider/Ruoff/Sistermann, FR 2012, 1 (5). 2 Vgl. Rz. 15.09 UmwSt-Erlass 2011 mit Billigkeitsregelungen. 3 Vgl. Rz. 15.07 UmwSt-Erlass 2011 mit Hinweis auf BFH v. 7.4.2010 – I R 96/08, BStBl. II 2011, 467.

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Kap. 1 Rz. 1.42 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

Tatfrage und sollte letztlich stets vor Durchführung des Umstrukturierungsvorgangs mit der Finanzverwaltung abgestimmt werden. Sofern die 100%ige Kapitalgesellschaftsbeteiligung in einem solchen Fall isoliert übertragen wird, stellen die zurückbleibenden Wirtschaftsgüter keinen Teilbetrieb mehr dar. Dies löst Gewinnrealisationsfolgen aus. Mitunternehmeranteile sind dagegen – auch nach Meinung der Finanzverwaltung – stets selbstständig zu beurteilen. Einer 100 %-Beteiligung oder einem Mitunternehmeranteil können nur solche positiven und negativen Wirtschaftsgüter zugeordnet werden, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen.1

1.43 Zeitpunkt des Teilbetriebsvorliegens. Rz. 15.03 (i.V.m. 02.14) UmwSt-Erlass 2011 verlangt das Vorliegen der Teilbetriebsvoraussetzungen „zum steuerlichen Übertragungsstichtag“. Dies gilt auch für fiktive Teilbetriebe und die Zuordnung von Aufwendungen/Erträgen im Rückwirkungszeitraum nach wirtschaftlichen Zusammenhängen (Rz. 02.13 UmwSt-Erlass 2011). Vor Geltung des UmwSt-Erlasse 2011 konnte auf den späteren Zeitpunkt des Umwandlungsbeschlusses abgestellt werden (bspw. den Spaltungsbeschluss). Die vom Gesetzgeber mit der 8-Monatsfrist zugelassene Rückwirkung von Spaltungen wird damit für die Praxis „entwertet“. Das strenge „Stichtagserforderniss“ wird in vielen Fällen ein Vorziehen teilbetriebsgenerierender Maßnahmen erforderlich machen. In Rz. S.04 UmwSt-Erlass 2011 ist eine bestandsschützende Übergangsregelung bis zum 31.12.2011 vorgesehen. Ggf. wird gerichtlich zu klären sein, ob die steuerliche Rückwirkungsfiktion auch für das Vorliegen eines Teilbetriebs gilt. 5. Quellensteuerfragen bei Umstrukturierungen mit Auslandsbezug

1.44 Bei Umstrukturierungen mit Auslandsbezug stellen sich eine Reihe nationalstaatlicher und DBA-rechtlicher Quellensteuerfragen. Dies betrifft in der Praxis vor allem Verschmelzungs- oder Formwechselkonstellationen einer inländischen Kapitalgesellschaft in eine inländische Personengesellschaft mit ausländischen Anteilseignern (DBA-/Nicht-DBA-Fall). Grund dafür ist: Das Trennungsprinzip mit der Folge einer kapitalertragsteuerpflichtigen Dividendenbesteuerung sowie der Erfassung von Anteilsveräußerungsgewinnen (Art. 10, 13 OECD-Musterabkommen) endet, das Transparenzprinzip nach Maßgabe der Mitunternehmerbesteuerung (Art. 7 OECD-Musterabkommen) beginnt. § 7 UmwStG fingiert eine umwandlungsbedingte „Totalausschüttung“ an die Anteilseigner der Kapitalgesellschaft, die allerdings nicht der Gewerbesteuer unterliegt (§ 18 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Mit Wirkung ab 2022 erstrecken sich die Fallvarianten über Europa hinaus auch auf Drittstaatensachverhalte. Bei einer Auskehrung von Einlagen gem. § 27 KStG erfolgt kein Kapitalertragsteuerabzug. 1.45 Bei ausländischen Anteilseignern der rechtsformwechselnden Kapitalgesellschaft stellen sich vor allem zwei Fragen mit Quellensteuerbezug:

1 In Rz. 15.11 werden als Beispiel die für die Verwaltung der 100 %-Beteiligung erforderlichen Wirtschaftsgüter, wie Erträgniskonten und Einrichtungen, genannt.

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B. Stl. Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.45 Kap. 1

– Quellensteuerbehaftete Ausschüttungsfiktion für offene Rücklagen gem. § 7 UmwStG. Da die Besteuerungsebene der Körperschaft umwandlungsbedingt wegfällt, wird eine (letztmalige) Vollausschüttung der offenen Rücklagen fingiert, und zwar unabhängig davon, ob für die betroffenen Anteilseigner ein Übernahmeergebnis zu ermitteln ist oder nicht (§ 7 Satz 2 UmwStG). Bezogen werden fiktive Dividenden entsprechend dem anteiligen ausschüttungsfähigen Eigenkapital. Für ausländische Anteilseigner findet auf solche § 7 UmwStG-Bezüge „in der Regel eine dem Art. 10 OECD-Musterabkommen entsprechende Vorschrift in einem DBA Anwendung“ (Rz. 07.02 Satz 2 UmwSt-Erlass 2011). Der fiktive Dividendenzufluss erfolgt mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags (also üblicherweise rückwirkend) und wird in die einheitliche und gesonderte Feststellung der „entstehenden“ Personengesellschaft einbezogen (so Rz. 04.23 UmwSt-Erlass 2011). Für den Inlandsfall hat der BFH dies durch Urteil v. 11.4.2019 für einen Investitionsabzugs-Betrag nach § 7g EStG bestätigt: Die Besteuerung der offenen Rücklagen der KapGes. nach § 7 UmwStG bei nach § 5 UmwStG fiktiv als eingelegt behandelten Anteilen erfolgt als Gewinn der Gesamthand und nicht als Sondergewinn des bisherigen Anteilseigners.1 Gemäß Rz. 07.08 UmwSt-Erlass 2011 erfolgt ein inländischer Kapitalertragsteuerabzug (§ 43 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 6 EStG), der allerdings erst zum Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Umwandlung entsteht. Anmeldung und Abführung der Kapitalertragsteuer erfolgen durch den übernehmenden Rechtsträger als steuerlichen Rechtsnachfolger der übertragenden Körperschaft; ggf. wird die Anmeldung auch durch die die Kapitalerträge auszahlende Stelle durchgeführt. Deutschland steht damit für die Ausschüttungsfiktion des § 7 UmwStG in DBA-Fällen ein begrenztes Quellenbesteuerungsrecht zu (Art. 10 Abs. 3 OECD-Musterabkommen; 5 % bzw. 15 %).2 Eine Quellensteuerermäßigung auf 0 % entsprechend der Mutter-Tochter-Richtlinie ist allerdings nicht möglich (§ 43b Abs. 1 Satz 4 EStG Rz. 07.09 UmwSt-Erlass 2011). – Abgeltungswirkung einbehaltener Quellensteuer für Steuerausländer? Während bei einem inländischen Anteilseigner der rechtsformwechselnden Körperschaft abhängig von dessen Steuerstatus die Abgeltungsteuer, das Teileinkünfteverfahren (gewerbliche Einkünfte einschl. § 17 EStG-Anteile) oder § 8b KStG – unter Einschluss der Regelung für Portfoliodividenden – gelten (Rz. 07.07 UmwSt-Erlass 2011), sind die Rechtsfolgen bei ausländischen Anteilseignern unklar.3 Dies hängt vor allem mit der Reichweite der Einlagen- und Überführungsfiktion für die Anteilseigner der übertragenden Körperschaft gem. § 5 Abs. 2, 3 UmwStG zusammen. Der UmwSt-Erlass 2011 ist insoweit nicht ganz klar. Da für ausländische Anteilseigner mit Betriebsstätteneinkünften oder § 17 EStG-Anteilen die Einlagefikti-

1 Vgl. BFH v. 11.4.2019 – IV R 1/17, BStBl. II 2019 501. Zu Erläuterungen vgl. Mayer, DStR 2019, 1789. 2 Vgl. übereinstimmend Stadler/Elser/Bindl, DB Beilage 1/2012, 14 (24); Stimpel, GmbHR 2012, 123 (130–132); Köhler/Käshammer, GmbHR 2012, 301 (304-308); Benecke/Beinert, FR 2010, 1120-1122. 3 Vgl. zur Diskussion der unterschiedlichen Positionen Stimpel, GmbHR 2012, 123 (129 f.).

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Kap. 1 Rz. 1.45 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

on gem. § 5 Abs. 2 UmwStG gilt,1 sollten insoweit gewerbliche Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2a EStG vorliegen mit der Folge einer Anrechnung bzw. Erstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer. Für das Übernahmeergebnis selbst liegt das Besteuerungsrecht gem. Art. 13 Abs. 5 OECD-Musterabkommen üblicherweise im Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners mit inländischer Freistellung; insoweit erfolgt – m.E. zu Recht – auch keine Einbeziehung in die einheitliche und gesonderte Feststellung gem. § 180 AO (Rz. 04.23 UmwSt-Erlass 2011). Bei einem steuerausländischen Gesellschafter dagegen, der die Anteile außerhalb von § 17 EStG in seinem Privatvermögen hält, greift die beschränkte Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 5a EStG; die einzubehaltende Kapitalertragsteuer hat insoweit abgeltende Wirkung. In EU-Fällen hat sich dabei für beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften die Frage gestellt, ob ein solcher definitiver Kapitalertragsteuereinbehalt (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG) unionsrechtkonform ist. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 20.10.2011 insoweit einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit erkannt. Dies hatte zur Folge, dass der deutsche Gesetzgeber durch das „Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils v. 20.11.2011 in der Rechtssache C-284/09“ v. 21.3.2013 für Portfoliodividenden von weniger als 10 % eine volle Steuerpflicht mit Kapitalertragsteuer-Abzug eingeführt hat.2 6. Sonderfragen der grenzüberschreitenden Verschmelzung/Sitzverlegung einer SE

1.46 Die europäische Aktiengesellschaft (= SE, Sociétas Europaea) ist als supranationale Rechtsform im EU/EWR-Raum vor allem für europaweit tätige Unternehmen prädestiniert.3 Die Schaffung eines grenzüberschreitenden Unternehmens- und Konzernaufbaus wird dadurch erleichtert. Aus deutscher gesellschaftsrechtlicher Sicht hat die SE insb. Vorteile im Hinblick auf die Mitbestimmung. Zum 30.6.2021 gab es über 750 SEs in Deutschland und rd. 3 400 SEs in der EU.4

1 Gemäß Rz. 05.07 UmwSt-Erlass 2011 gilt die Einlagefiktion unabhängig davon, ob eine Veräußerung dieser Anteile bei dem Anteilseigner nach Maßgabe der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht zu erfassen oder ob ein inländisches Besteuerungsrecht aufgrund eines DBA ausgeschlossen ist. Dabei soll sich die Zuordnung einer Beteiligung zum Betriebs- oder Privatvermögen nach deutschem Steuerrecht bestimmen. 2 EuGH v. 20.10.2011 – C-284/09 – Kommission/Deutschland, IStR 2011, 840; dazu auch Gosch, BFH-PR 12/2011, 454; Schnitger, DB 2012, 305. Siehe auch BFH v. 11.1.2012 – I R 25/10, BFH/NV 2012, 871. Vgl. Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Anm. 4, 126. 3 Rechtsgrundlage ist die SE-Verordnung Nr. 2157/2001 v. 8.10.2001 sowie das SE-Ausführungsgesetz v. 22.12.2004, wobei zahlreiche Verweise auf nationale Rechtsvorschriften erfolgen. In der Grundausgestaltung kann eine SE dem dualistischen System (Trennung von Leitung, Aufsicht und Hauptversammlung nach deutschem Vorbild) oder dem monistischen System (Verwaltungsrat und Hauptversammlung, in Common-Law-Ländern üblich) folgen. Zu den gesellschaftsrechtlichen Grundlagen der SE vgl. Marsch-Barner/Wilk in Kallmeyer, 7. Aufl. 2020, Anhang I, 1689-1753. Zur SE als Instrument zur Einschränkung der Mitbestimmung vgl. Werner, NZG 2022, 541. 4 Vgl. zu weiteren Details Bungert/Reidt, DB 2022, 311.

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B. Stl. Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.47 Kap. 1

Gesellschaftsrecht. Bezogen auf Umstrukturierungen mit Auslandsbezug sind zwei gesellschaftsrechtliche Aspekte besonders bedeutsam: – Grenzüberschreitende Gründung/Verschmelzung. Eine SE kann bei Einhaltung einer Reihe weiterer Voraussetzungen im Wege einer grenzüberschreitenden Verschmelzung gegründet werden (zur Neugründung oder durch Aufnahme, Art. 17 SE-VO). In Betracht kommt beispielsweise eine Holding-SE oder eine Tochter-SE. Auch ein grenzüberschreitender Formwechsel ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Die grenzüberschreitende Gründung von Holding- und Tochtergesellschaften unter Einschaltung einer SE ist daher gesellschaftsrechtlich attraktiv. – Grenzüberschreitende Sitzverlegung. Nach Art. 8 SE-VO ist eine identitätswahrende (gleichzeitige) Verlegung von Satzungs- und Verwaltungssitz innerhalb des EU/EWR-Raums ohne Liquidations- und Neugründungsfolgen möglich. Bei einer normalen „Kapitalgesellschaft“ – wie einer AG oder GmbH – ist ein kompletter Wegzug aus Deutschland derzeit nur mit Liquidationsfolgen durchführbar. Wegen ihrer sekundärrechtlichen Sonderstellung wird die SE mitunter als Gestaltungsvehikel für grenzüberschreitende Maßnahmen verwendet. Ähnliche Wirkungen lassen sich bei einer europäischen Genossenschaft (SCE) erreichen; wegen der Besonderheiten der Genossenschaft ist ihr praktischer Anwendungsbereich aber kleiner. Steuerrecht. Unter steuerlichen Aspekten sind beim grenzüberschreitenden Wegzug einer SE zwei Konstellationen zu unterscheiden: – Entstrickung des SE-Vermögens. Die grenzüberschreitende Verschmelzung einer SE fällt in den sachlichen Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 UmwStG (so auch Rz. 01.42 UmwSt-Erlass 2011). Die entsprechende Sitzverlegung folgt den Regeln des § 12 Abs. 1 KStG. Die Vermeidung einer entstrickenden Gewinnrealisierung lässt sich nach Meinung der Finanzverwaltung daher nur insoweit vermeiden, als die betroffenen aktiven und passiven Wirtschaftsgüter einer inländischen Betriebsstätte funktional zugeordnet bleiben. Bei einer Beteiligungsentstrickung ist die Steuerfreistellung des § 8b Abs. 2, 3 KStG (wegen veräußerungsgleichen Tatbestands) zu beachten. Das von der Finanzverwaltung angenommene Entstrickungsgebot dürfte dem unionsrechtlich verbürgten Grundsatz der Niederlassungsfreiheit widersprechen (zu Details vgl. Rz. 1.31 ff.).1 – Keine Entstrickung der SE-Anteile. Nach Maßgabe der europäischen Fusionsrichtlinie gilt der Entstrickungstatbestand bei einer grenzüberschreitenden identitätswahrenden Sitzverlegung einer SE (oder einer SCE) nicht für den entsprechenden Anteilsbesitz. Der deutsche Gesetzgeber hat die entsprechenden Vorgaben der Fusionsrichtlinie in § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG, § 15 Abs. 1a EStG, § 17 Abs. 5 EStG sowie § 12 Abs. 1 KStG umgesetzt. Entsprechendes gilt als Wahlrecht bei EU/ EWR-grenzüberschreitender Verschmelzung oder Anteilstausch einer SE (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG, § 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 UmwStG). Die Besteuerung wird im Rahmen eines nationalen treaty override (unabhängig von bestehenden DBA) 1 Siehe ergänzend auch FG Rh.-Pf. v. 7.1.2011 – 1 V 1217/10, IStR 2011, 308.

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Kap. 1 Rz. 1.47 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

nachgeholt, und zwar in Fällen der späteren Veräußerung der Anteile im Ausland so, als hätte keine vorherige Sitzverlegung/Verschmelzung stattgefunden. Insoweit können sich Doppelbesteuerungsfragen ergeben, sofern die stillen Reserven seit Sitzverlegung/Verschmelzung zusätzlich im Ausland entstanden sind. 7. Verluste in grenzüberschreitenden Umstrukturierungsfällen

1.48 Steuerliche Verluste – vor allem für Körperschaft- und Gewerbesteuerzwecke – bedürfen bei nationalen und internationalen Umstrukturierungen besonderer Beachtung. Die Steuerquote (cash-Steuern, latente Steuern) der von der Umstrukturierung betroffenen Unternehmensgruppe wird durch Nichtnutzung von Verlusten negativ beeinflusst. Obgleich unter Leistungsfähigkeitsaspekten im Grundsatz eine steuerliche Gleichbehandlung von Gewinnen und Verlusten erfolgen müsste, finden sich im deutschen Steuerrecht, aber auch in der internationalen Steuerwelt eine Reihe von (äußerst streitigen) Normen, die den Verlustabzug aus Gründen tatsächlicher/behaupteter Fiskalnotwendigkeit ausschließen, wirkungsmäßig begrenzen oder zeitlich strecken (etwa § 8c KStG, ergänzt durch den „Fortführungsgeborenen Verlustvortrag“ gem. § 8d KStG mit Wirkung ab 1.1.2016, § 10a GewStG ohne die Möglichkeit eines Verlustrücktrags, § 10d Abs. 1 und 2 EStG mit der Mindestbesteuerung und den coronabedingen Erweiterungen des Verlustrücktrags für die Jahre 2020 bis 2023).1 Die steuerlichen Verlustnutzungsregeln gelten in Deutschland entsprechend für sog. Zinsvorträge nach Maßgabe der Zinsschranke sowie den EBITDA-Vortrag (bspw. § 8a Abs. 1 Satz 3 KStG). Der UmwSt-Erlass 2011 enthält in Anlehnung an das UmwStG (z.B. § 4 Abs. 2 Satz 2, § 23 Abs. 5) an verschiedenen Stellen Hinweise auf Verlustnutzungsregeln (s. etwa Rz. 04.12, 23.02, 23.03, 23.22). Üblicherweise werden steuerliche Verlustabzüge durch Umstrukturierungen „beschädigt“. 1.49 Als typische Bereiche für umstrukturierungsbedingte Verlustnutzungsfragen lassen sich nennen: – Zuordnung von Verlusten in Entstrickungs-/Verstrickungsfällen. Der EuGH hat in seiner National-Grid-Indus-Entscheidung vom 29.11.20112 für den Wegzug einer Körperschaft durch Verwaltungssitzverlegung entschieden, dass für die Entstrickungsbesteuerung möglicherweise später eintretende Wertminderungen oder Wertzuwächse nicht zu berücksichtigen sind. In der Praxis geht es häufig um 1 Zur Diskussion s. Lang, GmbHR 2012, 57; Kube, DStR 2011, 1781; Röder, StuW 2012, 18; Wissenschaftlicher Beirat des Fachbereichs Steuern der Ernst & Young AG, DB 2012, 1704; ergänzend auch Ernst, Neuordnung der Verlustnutzung nach Anteilseignerwechsel – Reformbedarf und haushaltspolitische Bedeutung des § 8c KStG, IFSt Schrift Nr. 470, April 2011. Zur Verlustnutzung während der Corona Krise vgl. konzeptionell Hey, DStR 2020, 2041; Bergan/Horlemann, DStR 2020, 1401; zu den konkreten Rechtsänderungen durch die diversen Corona Steuerhilfegesetze vgl. Schmidt/Heinicke, EStG41, § 10d Rz. 20–29. Zu einer speziellen § 8c-Anwendungsfrage bei Verschmelzung von zwei US-LLC s. Maywald/ Reiter, IWB 2012, 408. 2 EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, DStR 2011, 2334 mit Anm. Hruschka. Vgl. auch das Vertragsverletzungsverfahren Europäische Kommission./. Portugal, C-38/10; dazu Thömmes, IWB 2012, 515.

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B. Stl. Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.49 Kap. 1

Währungsverluste (etwa des inländischen Stammhauses an einer ausl. Betriebsstätte), die möglicherweise umstrukturierungsbedingt zu „vagabundierendem Aufwand“ führen können, der letztlich in keiner steuerlichen Jurisdiktion abziehbar ist.1 Derartige Situationen sollten gestalterisch möglichst vermieden werden. Durch das KöMoG v. 25.6.2021 wurden mit Wirkung ab VZ 2022 Währungskursverluste im Zusammenhang mit Kapitalgesellschaftsanteilen aus dem Abzugsverbot des § 8b Abs. 3 KStG herausgenommen. – Verlustnutzung vor Durchführung der Umstrukturierung. Unmittelbare und mittelbare Anteilstransaktionen innerhalb einer 5-jährigen Zeitspanne können bei einem schädlichen Beteiligungserwerb nach § 8c Abs. 1 KStG zu einer vollständigen Verlustzerstörung führen, wobei Sanierungsklausel, stille Reserven-Klausel und Konzern-Klausel – neben dem sog. fortführungsgebundenen Verlustvortrag gem. § 8d KStG – einen zumindest partiellen Verlusterhalt bewirken können. Aus diesem Grund wird man häufig erst eine Verlustnutzung anstreben, bevor mit der Umstrukturierungsmaßnahme begonnen wird. Evtl. sind im Rahmen der Grundsätze der Mindestbesteuerung auch Gewinnrealisationsschritte anlässlich der Umstrukturierung sinnvoll. Einer Analyse der Umstrukturierungsszenarien sollte daher in der Praxis stets eine „Verlustinventur“ vorgeschaltet werden. – Verlustnutzung durch postakquisitorische Umstrukturierungen. In Einzelfällen können Umstrukturierungen im Nachgang zu Akquisitionsvorgängen zu einer steuerlichen Verlustoptimierung genutzt werden. Ist etwa im Rahmen eines share deals ein Kaufpreis gezahlt worden, der unter dem bilanziellen Eigenkapital des erworbenen Unternehmens liegt, so ist denkbar, dass durch eine nachgeschaltete Ausgliederung eines Betriebs oder Teilbetriebs ein sog. step down erfolgt. Wird eine solche Maßnahme in einem grenzüberschreitenden Umfeld durchgeführt, so sind Mehrfachnutzungen von Verlusten vorstellbar (sog. double dips), die allerdings stets auf eine intensive Prüfung durch die Finanzverwaltung stoßen werden. – Nutzung finaler Auslandsverluste nach Umstrukturierung. Gestützt auf die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit hat der EuGH in der Rechtssache „Lidl Belgium“ vom 15.5.2008 für Verluste einer DBA-Betriebsstätte in einem EU/EWRStaat unter Bezug auf das Marks & Spencer-Judikat vom 13.12.2005 entschieden:2 Wenn die Verluste im Betriebsstättenstaat „endgültig nicht genutzt“ werden können, ist ein Verlustimport in das Inland unionsrechtlich geboten. EuGH und BFH haben im Anschluss die Finalitätsrechtsprechung zur Endgültigkeit ausländischer Betriebsstättenverluste weiter ausgeformt. Allerdings ist eine abschließende Klärung der Rechtslage durch den EuGH und in der Folge den BFH zunächst nicht erfolgt (Bedeutung des Rechtfertigungsgrunds „Wahrung des territorialen Besteue-

1 Vgl. EuGH v. 28.2.2008 – C-293/06 – Deutsche Shell GmbH, BStBl. II 2009, 976, wonach umrechnungsbedingte Währungsverluste am Dotationskapital einer ausländischen Betriebsstätte jedenfalls im Liquidationsfall beim inländischen Stammhaus zu berücksichtigen sind; zur Diskussion s. Ditz/Schönfeld, DB 2008, 1458; Hruschka, IStR 2008, 499. 2 EuGH v. 15.5.2008 – C-414/06 – Lidl Belgium, IStR 2008, 400; zur Marks & Spencer-Entscheidung s. EuGH v. 13.12.2005 – C-446/03, GmbHR 2006, 153.

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Kap. 1 Rz. 1.49 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

rungsregimes“).1 Die Rechtsprechung ist vielmehr durch ein langjähriges „Hinund Her“ gekennzeichnet.2 Zuletzt hat nun der EuGH durch Urteil v. 22.9.2022 klarstellend entschieden, dass ein Abzug finaler ausländischer Verluste aus einer DBA-Freistellungsbetriebsstätte aus Gründen der symmetrischen Behandlung von Gewinnen/Verlusten ohne Diskriminierungsverstoß versagt werden kann.3 Damit dürfte die Nutzung finaler Auslandsverluste bei Betriebsstätten jedenfalls im Grundfall gestützt auf die europäische Niederlassungsfreiheit nicht mehr geboten sein; möglicherweise noch „offen“ ist die Behandlung von Verlusten aus DBA- Anrechnungsbetriebsstätten und bei Berücksichtigung eines negativen Progressionsvorbehalts. Eine Regelung finaler Verluste durch den Gesetzgeber selbst ist trotz denkbarer „massiver Steuerausfälle“ und mehrerer „Anlaufversuche“ in der Vergangenheit nicht erfolgt. Nach der jüngeren EuGH-Rechtsprechung sollte eine legislative Beschränkung finaler Auslandsverluste nicht mehr erforderlich sein. 8. Grenzüberschreitende Kettenumstrukturierungen

1.50 Umstrukturierungen mit Auslandsbezug erfolgen meist aus betriebswirtschaftlichen Gründen, um etwa Produktions-, Absatz-, Finanzierungs- oder Administrationsvorgänge in europa- oder weltweit optimierter Form durchführen zu können. Der Reorganisationsbedarf ist mitunter völlig von Rechtsstrukturen gelöst. Steuerliche Belastungsaspekte sind – zumindest als Nebenbedingung für die geplante Umstrukturierung – zu beachten.4 Die geplante Zielstruktur wird häufig nicht durch einen einzigen Umstrukturierungsschritt erreicht, vielmehr sind „Umstrukturierungskaskaden“ oder Kettenumwandlungen nötig.5 Zur Verdeutlichung zwei Praxisbeispiele: – Ersatzwege für fehlende zivilrechtliche Grundlagen. Die grenzüberschreitende Hinausverschmelzung einer inländischen Kapitalgesellschaft auf eine ausländische Personengesellschaft oder ein entsprechender grenzüberschreitender Formwechsel sind gesellschaftsrechtlich auch nach Umsetzung der Mobilitätsrichtlinie 2019 weiterhin als „formaler Rechtsakt“ ungeregelt. Will man sich im EU/EWR-Raum nicht auf die entsprechende „Rechtsdurchsetzung“ der Niederlassungsfreiheit (gegenüber den Registergerichten und der Finanzverwaltung) verlassen, so sind „Ersatzwege“ zu verfolgen, die jeweils mehrere Umstrukturierungsschritte erfordern und ggf. zu steueroptimieren sind. Dies kann wie folgt aussehen: Gründung einer 1 Vgl. insbesondere BFH v. 17.7.2008 – I R 84/04, BStBl. II 2009, 630; v. 9.6.2010 – I R 107/ 09, BFH/NV 2010, 1744; v. 9.6.2010 – I R 100/09, BStBl. II 2010, 1065; BFH v. 22.2.2017 – I R 2/15, BStBl. II 2017, 709. Aus der umfangreichen Literatur vgl. Musil, DB 2011, 2451; Rublack, Berücksichtigung finaler Auslandsverluste, IFSt Schrift 472, Juni 2011; Gosch/Heckerodt, GmbHR 2021, 1248. 2 Gosch/Heckerodt, GmbHR 2021, 1248, sprechen plakativ von einer „unendlichen Geschichte“ der finalen Verluste. 3 Vgl. EuGH v. 22.9.2022 – C-538/20 – W, FR 2022, 989 mit Anm. Dautzenberg und Ismer, IStR 2022, 1996. Des Weiteren Schulz-Trieglaff, StuB 2022, 865; Retzer/Bernhardt, Ubg 2022, 601; Kollruss/Brylka/El-Eblesch, RIW 2022, 728. 4 Die nationalen und internationalen Steuerfolgen können sich dabei als „Deal breaker“ für die Umstrukturierung erweisen. 5 Zur gesellschaftsrechtlichen Unterscheidung von Mehrfach- und Kettenumwandlungen s. grundlegend Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, 2003, 141–197.

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B. Stl. Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.50 Kap. 1

ausländischen Personengesellschaft durch die inländische Kapitalgesellschaft; grenzüberschreitende Einbringung ihres Betriebs durch die inländische Kapitalgesellschaft in die ausländische Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten (Anwendung des „globalisierten“ § 24 UmwStG);1 schließlich Liquidation der inländischen Kapitalgesellschaft mit Sachauskehrung der Personengesellschaftsanteile an die Gesellschafter.2 Spätestens beim Liquidationsschritt dürften Realisationsfolgen kaum zu vermeiden sein, was faktisch eine erhebliche Einschränkung der „unternehmerischen Mobilität“ bedeutet. – Komplexe Zielstruktur erfordert mehrere Umwandlungsschritte. Eine deutsche Mutter-AG möchte eine Inlands-GmbH, die aus einer zeitnah erfolgenden Teilbetriebseinbringung stammt, mit einer Auslandsbeteiligung verschmelzen. Die beiden Kapitalgesellschaftsbeteiligungen befinden sich allerdings auf verschiedenen Konzernstufen. Es ergibt sich als Schrittfolge:3 Im ersten Schritt bringt die Mutter-AG ihren inländischen Teilbetrieb im Wege der Ausgliederung in die T1GmbH ein. Anschließend erfolgt in Schritt 2 die Einbringung der T1-GmbH in die T2-GmbH als übernehmender Rechtsträger, T2-GmbH ist gleichzeitig Anteilseignerin einer EU-Kapitalgesellschaft. Schließlich erfolgt in Schritt 3 der Side-stream-merger der inländischen T1-GmbH auf die ausländische EU-KapGes.

1 Bei Einbringung in eine Personengesellschaft ist § 24 UmwStG global anwendbar, d.h., es kann sich um eine inländische oder ausländische Personengesellschaft (mit oder ohne EU/ EWR-Status) handeln. Dies ergibt sich aus § 1 Abs. 4 Satz 2 UmwStG, wonach die subjektive Beschränkung auf EU/EWR-Rechtsträger nicht gilt. Darüber hinaus gilt § 24 UmwStG auch bei aus Drittstaaten eingebrachtem Betriebsvermögen, vgl. Trossen in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 1 UmwStG3, Rz. 286 f. Eingehend dazu Kapitel 11 Rz. 11.17. 2 Vgl. zu derartigen Ersatzkonstruktionen einer typuswechselnden Hinausverschmelzung von Kapital- auf Personengesellschaften Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.78/20.29. 3 Vgl. zu derartigen Ketteneinbringungen mit Side-stream-Verschmelzung bezogen auf inländische Rechtsträger Benz/Rosenberg, DB Beilage 1/2012, 38 (51); zu inländischen Kettenabspaltungen, Up-stream- und Side-stream-Abspaltungen Hageböke, Ubg 2009, 105.

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Kap. 1 Rz. 1.50 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

Derartige Kettenumstrukturierungen werfen besonders komplexe rechtliche und steuerliche Fragestellungen auf, die jeweils einer sorgsamen Einzelanalyse bedürfen. Zu nennen sind: Die zeitliche Reihenfolge der Maßnahmen ist häufig für die registerliche Anerkennung und die Steuerfolgen entscheidend. Die gesellschaftsrechtliche Wirksamkeit (Eintragung im Handelsregister, ggf. bei mehreren Rechtsträgern) ist mit handelsbilanziellen und steuerlichen Rückwirkungsfiktionen abzustimmen. Teils wird die „juristische Sekunde“ des Jahreswechsels (31.12., 24:00 Uhr/1.1., 0:00 Uhr) für mehrere Rechtsakte genutzt (wichtig etwa für die Vermeidung von Organschaftslücken). Die Reihenfolge der Umstrukturierungsakte sollte dabei stets vertraglich klar definiert sein. Darüber hinaus sollten nachfolgende Sperrfristen, Fragen von Statusveränderungen und daran anknüpfende verwaltungsseitige Billigkeitsregelungen Beachtung finden. Neben den Ertragsteuerfolgen sind auch Wirkungen im Hinblick auf Grunderwerbsteuer, Verlustnutzung usw. zu beachten. In Einzelfällen wird die Finanzverwaltung einen Missbrauchstest (§ 42 AO, schädlicher Gesamtplan) durchführen. Etwaige ausländische Steuerfolgen sind in den Blick zu nehmen. Deshalb ist stets eine sorgsame Dokumentation der Einzelschritte sinnvoll, dabei sollten auch die Umstrukturierungsgründe festgehalten werden. Am Ende sollte stets auch eine „Gesamtschau“ der Steuerwirkungen erfolgen. In vielen Fällen empfiehlt sich eine Absicherung der Umstrukturierung durch verbindliche Auskunft und Nutzung ausländischer Absicherungsinstrumente (s. dazu Rz. 1.80 ff.). 9. Umstrukturierungen doppelt ansässiger Gesellschaften

1.51 Für Umstrukturierungen, die in irgendeiner Weise doppelt ansässige Gesellschaften berühren, sind Besonderheiten zu beachten. Insoweit ist stets ein Auslandsbezug gegeben, für den hoch differenzierte Regelungen gelten.1 Doppelt ansässige Gesellschaften sind dadurch charakterisiert, dass sie in zwei Staaten der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen. Dies kann bereits bei Gründung der Gesellschaft so vorgesehen sein oder sich erst durch Wegzug oder eine andere Umstrukturierung später ergeben. Verfügt etwa eine deutsche GmbH (zwingend) über einen inländischen Geschäftssitz (Geltung der Sitztheorie), hat sie aber ihre Geschäftsleitung (= Verwaltungssitz) im Ausland, so wird sie sowohl im Inland wie auch im Ausland üblicherweise als unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtiges Rechtssubjekt behandelt. Umgekehrt kann etwa eine niederländische BV (Geltung der Gründungstheorie) ihre Geschäftsleitung in Deutschland haben (beschränkte Körperschaftsteuerpflicht der niederländischen BV). Bei deutschen Personengesellschaften ist die Rechtslage bislang umstritten; üblicherweise wird auf den Hauptverwaltungssitz abgestellt, der vom Satzungssitz abweichen kann. Durch das MoPeG v. 10.8.2021 ist auch bei Personengesellschaften spätestens mit Wirkung ab 1.1.2024 die Trennung von inländischem Satzungssitz und ausländischer Geschäftsleitung zulässig.2 Befindet sich die doppelt ansässige Gesellschaft in zwei DBA-Staaten, so ergeben sich doppelbesteuerungsrechtliche Zuordnungsfragen hinsichtlich der „primären“ Besteuerungsbefugnis: Der Staat, in dem 1 Zu doppelt ansässigen Gesellschaften weiterführend Kapitel 18. 2 Vgl. zur Diskussion und Rechtslage im Gesellschaftsrecht der Pesonengesellschaften eingehend Kapitel 2, Rz. 2.52 ff.

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B. Stl. Grundlagen von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.53 Kap. 1

sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung1 befindet – jedenfalls im bilateralen Verhältnis – gilt als vorrangig besteuerungsberechtigter Ansässigkeitsstaat (= Vertragsstaat); der andere Staat ist Quellenstaat mit verbleibendem nachrangigen Besteuerungsrecht. Der Ansässigkeitsstaat ist so etwa für die Unternehmensgewinnbesteuerung (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-Musterabkommen) sowie für sog. Drittstaateneinkünfte (Art. 21 OECD-Musterabkommen) zuständig. Die DBA-rechtlichen Zuordnungsregeln für die beiden betroffenen DBA-Staaten ist aber für den Drittstaat, falls insoweit ebenfalls DBAs bestehen, nicht bindend; insoweit bestehende DBAs stehen vielmehr grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander und sind jeweils autonom und unabhängig voneinander auszulegen.2 Kollisionsregeln bestehen insoweit üblicherweise nicht, so dass Doppelbesteuerungssituationen nur über Verständigungs-, Konsultations- oder Schiedsverfahren unterschiedlicher Art gelöst werden können.3 Sofern natürliche Personen im Zusammenhang mit einer doppelt ansässigen Personengesellschaft abkommensberechtigt sind, erfolgt gem. Art. 4 Abs. 2 OECD-Musterabkommen eine abgestufte Festlegung der Primärzuständigkeit im Rahmen einer sog. Tie Breaker-Rule (mit üblicherweise fünf Kollisionsstufen). Nationalstaatliche Besonderheiten für doppelt ansässige Gesellschaften. Zu beachten sind insbesondere die Organschaftsregelungen, die im Zusammenhang mit Umstrukturierungen häufig besondere Bedeutung haben. So ist eine doppelt ansässige Gesellschaft beispielsweise nur dann organträgerfähig, wenn der Beteiligungsbesitz und die abzuführenden Einkünfte der Organgesellschaft einer inländischen Betriebsstätte (§ 12 AO, Art. 5 OECD-MA) des doppelt ansässigen oder komplett ausländischen Organträgers funktional zuzurechnen sind (§14 Abs. 1 Nr. 2 Sätze 4–7 KStG). Für Organgesellschaften fordert § 14 Abs. 1 KStG einen EWU/EWR- Sitz bei inländischer Geschäftsleitung. Der Abschluss eines wirksamen Gewinnabführungsvertrags macht in derartigen Konstellationen besondere Schwierigkeiten.4

1.52

Besonderheiten bei Umstrukturierungen. Nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit des Gesellschaftsrechts sind Umwandlungen und Einbringungen nur dann als inländische Vorgänge zu qualifizieren, wenn sie nach dem Umwandlungsgesetz zivilrechtlich zulässig und wirksam sind. Dabei setzt § 1 Abs. 1 UmwG a.F. voraus, dass es um Rechtsträger mit „Sitz im Inland“ geht, wobei üblicherweise auf den statutarischen Sitz der von der Umwandlung betroffenen Gesellschaft abgestellt wird. Rz. 01.03 UmwSt-Erlass 2011 fordert für inländische Umwandlungen darüber hinaus, dass die Vorschriften des UmwG auf sämtliche an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger Anwendung finden müssen. Dies dürfte rechtssystematisch betrachtet durchaus problematisch sein. Ungeachtet dessen: Ist an einer Umstrukturierung mit Auslandsbezug bspw. eine doppelt ansässige Gesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung,

1.53

1 Dies ist der Ort, an dem die grundlegenden Leitungs- und kaufmännischen Entscheidungen, die für die Führung der Geschäfte der Gesellschaft notwendig sind, im Wesentlichen getroffen werden; vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 342 mit Hinweis auf den OECD-Kommentar. 2 Vgl. BFH v. 1.6.2022 – I R 30/18, DStR 2022, 2090. 3 Vgl.Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 19.88–19.123. 4 Vgl. als Überblick mit zahlreichen Nachweisen Prinz, DB 2022, 8 (13-15).

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Kap. 1 Rz. 1.53 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

aber ausländischem Satzungssitz beteiligt (bspw. eine in den Niederlanden gegründete BV), so liegt ein „ausländischer Vorgang“ mit der Notwendigkeit zur Durchführung eines Vergleichbarkeitstests vor. Entsprechend sind gem. Rz. 01.20 UmwSt-Erlass 2011 bereits solche Umwandlungen, bei denen für mindestens einen an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger ein ausländisches Gesellschaftsstatut maßgebend ist, ausländische Vorgänge. Deshalb stellt bspw. auch eine grenzüberschreitende Verschmelzung gem. §§ 305–319 UmwG i.d.F. des UmRUG einen ausländischen Umwandlungsvorgang dar; Entsprechendes gilt für grenzüberschreitende Spaltungen und Formwechsel nach Umsetzung der Mobilitätsrichtlinie in Deutschland mit Wirkung zum 1.2.2023 §§ 320–355 UmwG i.d.F. des UmRUG).

C. Gestaltungsgrenzen für Umstrukturierungen mit Auslandsbezug I. Ermittlung und Evaluation von steuerlichen Inlands- und Auslandsrisiken

1.54 Umstrukturierungen sind bei auf globalen Märkten tätigen Unternehmen – unabhängig von deren Rechtsform – ein betriebswirtschaftliches Mobilitätserfordernis. Die Steuerwirkungen sind dabei stets nur ein Aspekt der Umstrukturierungsplanung, die neben vielfältigen anderen Gesichtspunkten (etwa der Mitbestimmung, bilanziellen Aspekten oder Abfindungsfragen für Minderheitsgesellschafter) zu berücksichtigen sind. Am Anfang einer steuerorientierten Umstrukturierungsplanung muss eine sorgfältige Analyse, Ermittlung und Evaluation von steuerlichen Inlands- und Auslandsrisiken stehen. Konkret wird es sich im Regelfall um eine durch die Umstrukturierung ausgelöste steuerliche Mehrbelastung handeln. Steuerrechtsbeurteilungs- und Steuerrechtsanwendungsrisiken der inländischen/ausländischen Rechtslage treten hinzu.1 Die bestmögliche Eingrenzung von erkennbaren Steuerrisiken ist eine komplexe Aufgabe, bei der in- und ausländisches Steuer-Know-how – gepaart mit gesellschaftsrechtlichen und bilanziellen Gesichtspunkten – zusammengeführt werden muss. Üblicherweise wird eine best-case-/worst-case-Betrachtung durchgeführt. Steueroptimierende Wege müssen unter den gewünschten betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen gesucht und ggf. abgesichert werden. Üblicherweise werden internationale, interdisziplinäre Teams aus dem betroffenen Unternehmen, ggf. unter Einschaltung externer Berater, gebildet. Besondere Probleme bestehen vor allen Dingen dann, wenn die Umstrukturierung mit Auslandsbezug in strukturelle Unsicherheitsbereiche fällt. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die höchstrichterliche Rechtsprechung einer gegenteiligen stabilen Finanzverwaltungsauffassung gegenübersteht (etwa bei Beurteilungen grenzüberschreitender Personengesellschaften oder hybrider Gesellschaften). Langwierige Rechtsstreite sind dann mitunter „vorprogrammiert“. Im Übrigen stehen grenzüberschreitend nutzbare Instrumente zur Erlangung von Rechts- und Planungssicherheit derzeit nur begrenzt zur Verfügung (s. Rz. 1.80-1.83). 1 Zum steuerlichen Risikomanagement s. Risse, Ubg 2012, 169. Zum Begriff „Steuerrisiko“ vgl. Mach, Vermeidung von Steuerrisiken bei der grenzüberschreitenden Übertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen in Gosch/Grotherr/Bergmann, Steuerplanung und Compliance, Rz. 11–16.

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C. Gestaltungsgrenzen für Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.57 Kap. 1

Evaluatorische Aspekte für umstrukturierungsbedingte Steuerrisiken sind etwa:

1.55

– Volumen und Gefährdungsgrad für die Aufdeckung stiller Reserven bei der Umstrukturierung. Häufig sind etwa im Zusammenhang mit Teilbetriebsfragen extrem hohe stille Reserven betroffen, deren ungewollte Auflösung existenzvernichtende Folgen haben könnte. Ggf. ist zur Volumenabschätzung die Einholung von Wertgutachten erforderlich. In Einzelfällen kann es auch um die Nutzung „stiller Lasten“ im Rahmen von Umstrukturierungen gehen. – Identifizierung von Restrisiken und Zweifelsfragen, die mit einem Wahrscheinlichkeitsszenario ihres Eintretens unterlegt werden müssen; – Prüfung der möglichen Verletzung von Sperrfristen, nachlaufenden Veräußerungsbeschränkungen usw., die für eine Vielzahl von Anwendungsfällen gesetzlich kodifiziert sind; – etwaige „Zerstörung“ von ansonsten nutzbaren steuerlichen Verlustabzügen; es sollten vorab Gegenstrategien zur vorherigen Nutzung von Verlustabzügen ins Auge gefasst werden. – Auswirkungen auf die Steuerquote (effectiv tax rate), die unter Einschluss aktiver und passiver Steuerlatenzen ermittelt wird. Dies ist gerade bei kapitalmarktorientierten Unternehmen ein wichtiger Benchmark-Faktor, der auch unter kapitalmarktrelevanten Kommunikationsgesichtspunkten hohe Bedeutung hat.1 – Einhaltung gesellschaftsrechtlicher und bilanzieller Nebenbedingungen. Risikobewertung der Steuerposition. Sofern im Ergebnis hohe Steuerrisiken durch den Umstrukturierungsvorgang ausgelöst werden, die nicht vollständig „beherrschbar“ sind, muss von der Maßnahme Abstand genommen oder es können möglicherweise nur Teilschritte der eigentlich geplanten Reorganisation durchgeführt werden. Ggf. sollte das Unternehmen seine inländische Steuerposition über verbindliche Auskünfte (gebührenpflichtig) absichern; ergänzende Absicherungsmaßnahmen für Auslandssteuerrisiken sollten hinzutreten.

1.56

II. Missbrauchstest des § 42 AO, steuerschädlicher Gesamtplan Inländische und auslandsbezogene Umstrukturierungen sind in der Regel Ausfluss betriebswirtschaftlicher Reorganisationsmaßnahmen. Rein „steuergetriebene“ Umstrukturierungsvorgänge ohne echten wirtschaftlichen Hintergrund und mit tatsächlichen/behaupteten „künstlichen Gestaltungsschritten“ sind Ausnahmefälle. Dennoch wird man in der Praxis mit der finanzverwaltungsseitigen Anwendung des § 42 AO (Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten) und einem „steuerschädlichen Gesamtplan“ konfrontiert, auch wenn der BFH in den letzten Jahren die

1 Zur Steuerquote als Performanceindikator und ihrer Einbindung in ein unternehmerisches Steuercontrolling s. Risse, Steuercontrolling- und Reporting, 2010, 80 ff.; Herzig, Ubg 2008, 288; zum Steuermanagement bei globalisierten Unternehmen Müller, IStR 1996, 452.

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1.57

Kap. 1 Rz. 1.57 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

Anwendung der Missbrauchsnorm des § 42 AO durchaus eigegrenzt hat.1 Nur wenn in umwandlungsbezogenen Einzelnormen in Tatbestand/Rechtsfolge keine Missbrauchsverhinderungsregelungen enthalten sind, kommt die Anwendung des § 42 AO in Betracht.

1.58 Anwendung des § 42 AO nur in Sonderfällen. Das Umwandlungssteuergesetz enthält eine Vielzahl (zumindest vermeintlicher) missbrauchsverhindernder Regelungen, die mitunter tatbestandsmäßig „überbordend“ formuliert sind. Dies gilt auch für internationale Umstrukturierungen. Zu nennen sind als exemplarische Rechtsgrundlagen: Die Beschränkung der steuerlichen Rückwirkung zur Verhinderung weißer Einkünfte (§ 2 Abs. 3 UmwStG), und für Verlustnutzungszwecke für übernehmende und übertragende Rechtsträger (§ 2 Abs. 4 UmwStG); Verlustverrechnung für „künstliche“ Wertverluste von Finanzinstrumenten und Kapitalgesellschaftsanteilen (§ 2 Abs. 5 UmwStG); die „umstrukturierungsbremsenden“ Nachspaltungs- und Veräußerungsfristen des § 15 Abs. 2 UmwStG;2 die Schaffung sperrfristbehafteter Anteile nach Einbringungsvorgängen mit nachträglichen Realisationsakten in Veräußerungsund veräußerungsähnlichen Fällen (§ 22 Abs. 1, 2 UmwStG). Dies macht deutlich: Für eine breite Anwendung des § 42 AO ist in Umstrukturierungsfällen kein Raum. Für die „Nachspaltungsveräußerungssperre“ des § 15 Abs. 2 Sätze 3 und 4 UmwStG hat der BFH ausdrücklich und zu Recht die Anwendung des § 42 AO ausgeschlossen. Allenfalls bei künstlichen Gestaltungen, bei denen funktions- und substanzlose Rechtsvehikel eingesetzt werden, wird man einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten ernsthaft prüfen können.3 Dennoch tut die Praxis gut daran, vor allem in Kettenumwandlungsfällen und bei Umstrukturierungskaskaden komplexerer Art stets einen Missbrauchstest in die Planungsüberlegungen einzubeziehen. Zur Missbrauchsabwehr sollte eine sachgerechte Dokumentation geschaffen werden, die dann der Betriebsprüfung vorgelegt werden kann.

1 Vgl. insb. BFH v. 18.12.2013 – I R 25/12, BFH/NV 2014, 904; BFH v. 17.11.2020 – I R 2/ 18, BStBl. II 2021, 580; BFH v. 11.8.2021 – I R 39/18, DStR 2022, 41 sowie BFH v. 9.6.2021 – I R 52/17, DStRE 2022, 151. Als Überblick zum Anwendungsbereich des § 42 AO bei Umstrukturierungen/Spaltungen vgl. Eilers/Roderburg, ISR 2022, 303. Zu den vielfältigen Aspekten einer Steuerumgehung bei DBA vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 19.124–19.168. 2 Vgl. BFH v. 11.8.2021 – I R 39/18, DStR 2022, 41 zur „Nachspaltungsveräußerungssperre“. 3 Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts erfordert dabei: (1) Wahl einer unangemessenen Gestaltung, (2) die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt, (3) wobei der Steuerpflichtige dafür keine außersteuerlichen Gründe nachweisen kann, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind. Zur Auslegung und Anwendung des § 42 AO s. auch Drüen, Ubg 2008, 31; Rödder, Steuergestaltung aus der Sicht der Beratungspraxis, DStJG 33 (2010), 93–106; Link, Umstrukturierung und Missbrauchsabwehr, DStJG 43 (2020), 391–419.

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C. Gestaltungsgrenzen für Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.60 Kap. 1 Beispiel: Die AB-GmbH besteht aus zwei Teilbetrieben. A und B sind ursprünglich zu jeweils 50 % beteiligt. Kurz nachdem C von A und B eine geringfügige Beteiligung an der AB-GmbH erworben hat, wird ein Teilbetrieb quotenentsprechend auf die neugegründete C-GmbH abgespalten. Nach der Spaltung erwirbt C von A und B die restliche Beteiligung an der C-GmbH. Äußerlich betrachtet sind die spaltungsspezifischen Missbrauchsverhinderungsregelungen des § 15 Abs. 2 Sätze 3–5 UmwStG nicht erfüllt. Denn C war bereits vor der Spaltung an der ABGmbH beteiligt, eine Veräußerung an eine außenstehende Person liegt ebenfalls nicht vor. Die Anwendung des § 11 Abs. 2 UmwStG wäre somit möglich. In einem solchem Fall könnte eine Prüfung des § 42 AO in Betracht kommen.1

Keine Anwendung des § 42 AO. In Rz. 02.11 UmwSt-Erlass 2011 lässt die Finanzverwaltung entsprechend der üblichen Gestaltungspraxis die umwandlungssteuerlichen Rückwirkungsfiktionen auch dann zu, falls der übernehmende Rechtsträger zum steuerlichen Übertragungsstichtag zivilrechtlich noch gar nicht bestanden hat. So ist beispielsweise eine rückwirkende Verschmelzung durch Aufnahme auch dann möglich, wenn die aufnehmende Gesellschaft erst während des Rückwirkungszeitraums zivilrechtlich gegründet wurde.2 Ein Gestaltungsmissbrauch ist darin nicht zu sehen.

1.59

Steuerschädlicher Gesamtplan. Neben § 42 AO verwendet die Finanzverwaltung seit Jahren und weitgehend ungeachtet der „Eingrenzungen“ durch die BFH-Rechtsprechung – Anwendung nur bei Tarifermäßigungsfragen der §§ 16, 34 EStG – den „steuerschädlichen Gesamtplan“ als Abwehrinstrument vor unliebsamen Gestaltungen, wenngleich seine „Rechtsgrundlagen“ im Dunkeln liegen.3 Es geht um die Ergründung des „wirklichen wirtschaftlichen Gehalts“ rechtlich getrennter, aber ineinandergreifender Rechtsgeschäfte, durch die üblicherweise steuergünstige Effekte erreicht werden sollen. In Umstrukturierungsfällen werden im Zusammenhang mit der Gesamtplanrechtsprechung meist Vorgänge aufgegriffen, bei denen Einzelwirtschaftsgüter vorab übertragen werden und die Möglichkeit einer Buchwertverknüpfung die Gesamtübertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen voraussetzt. Ein Beispiel für anerkennungsgefährdete Einbringungen enthält Rz. 20.07 UmwSt-Erlass 2011:

1.60

1 Vgl. Hörtnagl in S/H9, § 15 UmwStG Rz. 231/232. 2 Schneider, NWB 6/2012, 484 (487), weist insoweit auf eine „Lücke“ im UmwSt-Erlass 2011 hin. Nicht geregelt ist der Fall, dass eine ausländische Gesellschaft übernehmender Rechtsträger ist und dort eine gesellschaftsrechtliche Rückbeziehungsmöglichkeit fehlt. Im Interesse einer Gleichbehandlung von Inlands- und Auslandsfällen sowie Vereinfachungsgesichtspunkten sollte dies m.E. möglich sein. 3 Die Gesamtplanrechtsprechung geht zurück auf BFH v. 6.9.2000 – IV R 18/99, BStBl. II 2001, 229 im Zusammenhang mit einer Tarifermäßigung für die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils. Zur Eingrenzung vgl. BFH v. 22.10.2013 – X R 14/11, DStR 2014, 80. Vgl. weiterführend Crezelius, FR 2003, 537; Förster/Schmidtmann, StuW 2003, 114; Förster, Die Gesamtplanrechtsprechung im Steuerrecht – Reichweite, Risiken und Chancen, FS Korn, 2005, 3; Herlinghaus, FR 2014, 441; Kempelmann, StuW 2016, 385; Link in DStJG 43 (2020), 400-402. Mitunter hört man aus steuerpolitischen Kreisen, es solle eine Kodifikation der Gesamtplanrechtsprechung ins Auge gefasst werden.

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Kap. 1 Rz. 1.60 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen „Werden z.B. funktional wesentliche Betriebsgrundlagen oder nach wirtschaftlichen Zusammenhängen zuordenbare Wirtschaftsgüter im zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Einbringung eines Teilbetriebs in ein anderes Betriebsvermögen überführt oder übertragen, ist die Anwendung der Gesamtplanrechtsprechung zu prüfen ...“1

Eine Konkretisierung des zeitlichen Zusammenhangs erfolgt nicht. Angesprochen werden ersichtlich nur vorangehende Buchwertübertragungen; bei gewinnrealisierenden Übertragungsakten dürfte dagegen keine Steuerschädlichkeit vorliegen.2 Nach Meinung des BFH findet die Gesamtplanrechtsprechung ausdrücklich keine Anwendung, wenn sich der Steuerpflichtige bewusst für die Übertragung von Wirtschaftsgütern in Einzelakten entscheidet und sich diese Schritte zur Erreichung des „Gesamtziels“ als notwendig erweisen. Dies gilt auch dann, wenn dem Ganzen ein vorab erstelltes Konzept zugrunde liegt und die Übertragungen in unmittelbarer zeitlicher Nähe zueinander erfolgen.3 Insb. im Anwendungsbereich des § 6 Abs. 3 EStG hat die FinVerw. die Anwendung von Gesamtplanüberlegungen mittlerweile weitgehend aufgegeben.4 III. Rückwirkungs- und Rückbeziehungsfragen zur Vermeidung weißer Einkünfte

1.61 Die steuerliche Rückwirkung von Umwandlungsvorgängen ist ein wichtiges Gestaltungsinstrument der Praxis, das die Abwicklung von Umwandlungen erleichtern soll. Dies gilt für inländische und ausländische Umwandlungsvorgänge gleichermaßen. 1.62 Grundlagen steuerlicher Rückwirkung. § 2 Abs. 1 UmwStG sieht eine bis zu 8-monatige Rückwirkungsmöglichkeit für die (ganz oder teilweise) ertragsteuerliche Einkommens- und Vermögenszurechnung der übertragenden Körperschaft auf den übernehmenden Rechtsträger nach Maßgabe des „steuerlichen Übertragungsstichtags“ vor. Für die „Corona-Jahre“ 2020 und 2021 bestand eine auf 12 Monate erwei1 Die Finanzverwaltung verweist an dieser Stelle auf BFH v. 11.12.2001 – VIII R 23/01, BStBl. II 2004, 474 sowie BFH v. 25.2.2010 – IV R 49/08, BStBl. II 2010, 726. Beide Judikate erstrecken sich allerdings nicht auf Einbringungsfälle; vgl. ergänzend auch Rz. 22.23 UmwSt-Erlass 2011, wo zur Anwendung einer Billigkeitsregelung geprüft werden soll, ob die Umwandlung „in einer Gesamtschau“ letztlich der Veräußerung des eingebrachten Vermögens dienen soll. Vgl. ergänzend auch Rz. 35 des BMF-Schreibens v. 10.11.2021 – IV C 2 – S 2707/21/10001: 004 (2021/1162290), BStBl. I 2021, 2212 zur Option zur Körperschaftsbesteuerung gem. § 1a KStG. 2 So auch Schneider/Ruoff/Sistermann, FR 2012, 9. Klassische Gestaltungsmittel zur Vermeidung der Vorhaltung eines steuerschädlichen Gesamtplans durch die Finanzverwaltung sind: „Zeitliche Entzerrung“ der Transaktion, wobei der Zeitfaktor allenfalls einen Gesamtplan indiziert; zwingende Zeitgrenzen bestehen wohl nicht. Dokumentation eines fehlenden einheitlichen Willensentschlusses für die Einzelschritte. Im Einzelfall kann die Gesamtplanrechtsprechung auch zugunsten des Steuerpflichtigen wirken. 3 Vgl. BFH v. 22.10.2013 – X R 14/11, BStBl. II 2014, 158 im Zusammenhang mit der Beendigung einer Betriebsaufspaltung. 4 Vgl. BMF v. 5.5.2021 – IV C 6 - S 2240/19/10003 :017 (2021/0450777), BStBl. I 2021, 696 unter Bezugnahme auf BFH v. 10.9.2020 – IV R 14/18, BStBl. II 2021, 367.

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C. Gestaltungsgrenzen für Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.64 Kap. 1

terte Frist. Betroffen sind zunächst die im zweiten bis fünften Teil des Umwandlungssteuergesetzes aufgeführten Verschmelzungs-, Spaltungs- und Formwechselvarianten. Ist übernehmender Rechtsträger eine Personengesellschaft, gilt die steuerliche Rückwirkungsfiktion gesellschafterbezogen (§ 2 Abs. 2 UmwStG). Steuerlicher Übertragungsstichtag ist der Stichtag der Schlussbilanz, die dem Vermögensübergang zugrunde liegt. Besteuerungspraktisch ist dies meist der Stichtag der „normalen“ Steuerbilanz des übertragenden Rechtsträgers (31.12. bei kalendergleichem Wirtschaftsjahr); davon abweichende Stichtage werden vermieden. Davon zu unterscheiden ist der handelsrechtliche Umwandlungsstichtag (Grundlage: § 17 Abs. 2 UmwG), der in Verschmelzungs- und Spaltungsfällen dem steuerlichen Übertragungsstichtag unmittelbar nachfolgt (zu Beispielen Rz. 02.02-02.04 UmwSt-Erlass 2011). Die Rückwirkung beim (identitätswahrenden) Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft ist in § 9 Satz 3 UmwStG geregelt,1 in den umgekehrten Formwechselfällen (Personengesellschaft in Kapitalgesellschaft) wird auf diese Regelung verwiesen (§ 25 Satz 2 UmwStG). All dies gilt für vergleichbare ausländische Verschmelzungs-, Spaltungs- und Formwechselvorgänge mit Körperschaften als Ausgangspunkt entsprechend (Rz. 02.07 f. UmwSt-Erlass 2011). Nach Maßgabe des ausländischen Umstrukturierungsrechts ist auch ein die acht Monate übersteigender Rückwirkungszeitraum möglich.2 Für die Einbringung von Unternehmensteilen (Betrieb, Teilbetrieb und Mitunternehmeranteil) in eine Kapitalgesellschaft gelten für die als Wahlrecht ausgestaltete Rückwirkung Besonderheiten (§ 20 Abs. 5, 6 UmwStG). Für Einbringungsvorgänge in eine Personengesellschaft gilt die Rückwirkungsfiktion nur bei Gesamtrechtsnachfolge (§ 24 Abs. 4 UmwStG). Für vergleichbare Einbringungsvorgänge mit Auslandsbezug gilt Entsprechendes. Der Anteilstausch (§ 21 UmwStG) dagegen ist ebenso wie die Einzelrechtsübertragung von Wirtschaftsgütern oder (jedenfalls isoliert ausgestaltete) Anwachsungen (Rz. 24.06 UmwSt-Erlass 2011) keiner Rückwirkung zugänglich. Rückwirkende Verlustnutzungskonzepte sind gem. § 2 Abs. 4 UmwStG generell nur in engen Grenzen möglich (s. auch § 8c Abs. 1 Satz 8KStG). Durch das AbzStEntlModG v. 2.6.2021 wurde mit § 2 Abs. 5 UmwStG eine weitere Abzugsbeschränkung für Verluste aus im Zuge von Umwandlungen übergehenden stillen Lasten bei Finanzinstrumenten oder Anteilen an einer Körperschaft eingeführt (zur zeitlichen Geltung § 27 Abs. 16 UmwStG).

1.63

Die Finanzverwaltung hat ihr Verständnis der Rückwirkungsfiktion in Rz. 02.09– 02.19 des UmwSt-Erlass 2011 dokumentiert und verlangt bspw. das Vorliegen des Teilbetriebserfordernisses zum steuerlichen Übertragungsstichtag, an Stelle des Stichtags des Umwandlungsbeschlusses. Einzelheiten der Rechtsauffassung der FinVerw. sind stark umstritten, sollten aber dessen ungeachtet für Gestaltungszwecke beachtet

1.64

1 Beim Formwechsel fehlt es an einem handelsrechtlichen Übertragungsvorgang. Daher wird eine eigenständige steuerliche Rückwirkungsregelung benötigt. 2 Vgl. Kröner/Momen, DB 2012, 71 (72); Benecke, GmbHR 2012, 113 (122). Dies liegt darin begründet, dass sich die 8-Monatsfrist nicht unmittelbar aus § 2 Abs. 1 UmwStG ergibt; sie ergibt sich vielmehr allein aus dem Zusammenspiel mit dem Gesellschaftsrecht. § 9 Satz 3 UmwStG dagegen nennt die 8-Monatsfrist ausdrücklich.

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Kap. 1 Rz. 1.64 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

werden.1 Besondere Rückwirkungsfragen ergeben sich im Hinblick auf das finanzielle Eingliederungserfordernis bei ertragsteuerlichen Organschaften.

1.65 Missbrauchsgeleitete Besonderheiten bei grenzüberschreitenden Umwandlungen. Eine spezielle Missbrauchsregelung zur Rückwirkung bei grenzüberschreitenden Umwandlungen im Hinblick auf etwaige unversteuerte Einkünfte enthält § 2 Abs. 3 UmwStG. Danach sind Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechsel mit einer Kapitalgesellschaft als Ausgangspunkt nach Maßgabe des zweiten bis fünften Teils des UmwStG (§ 1 Abs. 1 UmwStG) nicht mit 8-monatiger Rückwirkung möglich, „soweit Einkünfte aufgrund abweichender Regelungen zur Rückbeziehung ... in einem anderen Staat der Besteuerung entzogen werden.“

Rz. 02.38 UmwSt-Erlass 2011 weist – recht spärlich – auf zwei Gesichtspunkte hin: Zum einen soll die Vorschrift die Nichtbesteuerung von Einkünften aufgrund abweichender Rückwirkungsregelungen vermeiden (keine Entstehung weißer Einkünfte per Rückwirkungsfiktion); eine umwandlungsbedingte steuerliche Entstrickung wird dabei vorausgesetzt (ansonsten bleibt deutsches Besteuerungsrecht ohnehin erhalten). Zum anderen werden die abweichenden ausländischen Rückwirkungsregelungen dahingehend präzisiert, dass es sich entweder um unterschiedliche Rückwirkungszeiträume oder um eine unterschiedliche Ausgestaltung der Rückwirkungsregelungen handeln kann. Beispiel: Eine Inlands-GmbH, deren Vermögen ausschließlich aus Patenten besteht, soll rückwirkend auf den 31.12.2001 auf eine EU-Kapitalgesellschaft hinausverschmolzen werden, wobei das ausländische Umwandlungsrecht die Gesamtrechtsnachfolge steuerlich erst auf den 1.4.2002 wirksam werden lässt. Zur Vermeidung einer denkbaren Besteuerungslücke in der Zeit vom 1.1. bis 31.3.2002 ist eine Rückwirkung insoweit ausgeschlossen (Verschiebung des steuerlichen Übertragungsstichtags).2 Ein Rückbeziehungsgegenstand ist etwa dann betroffen, falls das ausländische Umwandlungsrecht Ausschüttungen von der Rückwirkung ausnimmt (so etwa § 2 Abs. 4 Österreichisches UmGrStG); dies gilt dann auch für inländische Rückwirkungszwecke.

1.66 Welche Rechtsfolgen sich bei einer durch die steuerliche Rückwirkung verursachten Doppelbesteuerung (etwa durch einen ausländischen Übertragungsstichtag, der vor dem inländischen Rückwirkungszeitpunkt liegt) ergeben, wird weder in § 2 UmwStG noch im UmwSt-Erlass 2011 angesprochen. Es sind vor allem DBA-rechtliche Regelungen (Freistellung, Anrechnung) zu prüfen, die zumindest eine Steueranrechnung 1 So Rz. 02.14 UmwSt-Erlass 2011. Auch besteht die abstrakte Steuerpflicht des übertragenden Rechtsträgers bei Verschmelzung und Spaltung bis zum zivilrechtlichen Untergang „fort“, lediglich das Einkommen und Vermögen wird dem übertragenden Rechtsträger rückwirkend nicht mehr zugerechnet. 2 Zu weiteren Einzelheiten vgl. van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, § 2 Rz. 150–161; Ettinger/Königer, GmbHR 2009, 590; Widmann in Widmann/Mayer, § 2 UmwStG SEStEG Rz. 117–119; kritisch zu dem Beispiel wegen der Unterscheidung rechtliche/tatsächliche inlandsbezogene Entstrickung/auslandsbezogene Verstrickung vgl. Desens in Musil/Weber-Grellet, UmwStG2, § 2 Rz. 2.

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C. Gestaltungsgrenzen für Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.68 Kap. 1

im Inland erlauben sollten. Ggf. sind Verständigungs-, Konsultations- oder Schiedsverfahren einzuleiten.1 IV. Instrumentarium des Treaty Override DBA-Anwendungsfragen spielen bei Umstrukturierungen mit Auslandsbezug in seinen drei Grundkonstellationen eine erhebliche Rolle. Bezogen auf ausländische Anteilseigner und/oder ausländisches Betriebsvermögen finden sich im UmwSt-Erlass 2011 vielfältige DBA-Hinweise (s. beispielhaft Rz. 04.12, 04.23, 23.22), die in ihrer Wirkung in Teilen umstritten sind. Stets geht es um eine völkervertraglich vereinbarte Zuordnung und Verteilung von Besteuerungsrechten zwischen Deutschland und einem ausländischen Staat zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung (deklaratorische Bedeutung des § 2 AO).2 Erstreckt sich der Auslandsbezug der Umstrukturierung dagegen auf Nicht-DBA-Staaten, so bleibt das deutsche Besteuerungsrecht stets vollumfänglich erhalten; es gelten die unilateralen Abmilderungsregelungen für Doppelbesteuerungssituationen (insb. § 26 KStG i.V.m. § 34c EStG). In DBA-Fällen sind von zentraler Bedeutung die Betriebsstättenregelungen (Art. 7 OECD-Musterabkommen: Unternehmensgewinne), der Dividendenartikel mit der Beschränkung des Quellenbesteuerungsrechts (Art. 10 OECD-Musterabkommen) sowie die Regelung zur Zuordnung des Besteuerungsrechts bei capital-gains-Vorgängen (Art. 13 OECDMusterabkommen), jeweils im Zusammenspiel mit den Methodenartikeln zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Art. 23A: Befreiungsmethode, Art. 23B: Anrechnungsmethode) sowie etwaigen Missbrauchsklauseln (etwa in Gestalt eines SwitchOver von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode).

1.67

Rechtsproblematik eines treaty override. Zur gesetzlichen Absicherung des inländischen Besteuerungsrechts, mitunter auch zur „fiskalischen Klarstellung“ finden sich seit Jahrzehnten – zuletzt mit zunehmender Tendenz – in Deutschland, aber auch in anderen Jurisdiktionen (ausgehend von den USA) sog. treaty-override-Regelungen.3 Danach wird in bestimmten Konfliktfällen den innerstaatlichen Regelungen ausdrücklich Vorrang vor entgegenstehenden DBA-Regelungen eingeräumt. Soweit ein DBA selbst Regelungen zur Missbrauchsverhinderung oder zum Umgang mit „Keinmal“-Besteuerungssituationen enthält, bedarf es eines „nationalstaatlichen Überschreibens“ des DBA nicht. Deutschland „okkupiert“ damit ein ihm nach DBA-Recht eigentlich gar nicht zustehendes Besteuerungsrecht.4 Derartige treaty-override-Rege-

1.68

1 Vgl. Kaeser, DStR Beihefter zu 2/2012, 3 (4); van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Rz. 150-161. 2 Zur Funktion von DBA vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 19.1 ff.; Haase, StuB 2020, 347. Seit 2013 gibt es eine „Deutsche Verhandlungsgrundlage für DBA“, die deren rechtspolitische Grundsatzpositionen beschreibt und bei aktuellem Bedarf fortgeschrieben wird. Vgl. dazu im Ausgangspunkt Lüdicke, IStR-Beihefter 10/2013. 3 Vgl. allgemein zum Rang völkerrechtlicher Verträge in der Normenhierarchie Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 3.23–3.26; zu den Rechtsgrundlagen und Grenzen eines treaty overide vgl. Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 2 Rz. 5–5b (Stand: Mai 2022). 4 So für die Korrespondenzregelung des § 8b Abs. 1 Satz 3 KStG Gosch, KStG4, § 8bRz. 149h.

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Kap. 1 Rz. 1.68 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

lungen stellen zwar einen Bruch des Völkervertragsrechts dar (faktische Außerkraftsetzung eines DBA), werden bislang aber aus nationalstaatlicher Sicht von der herrschenden Meinung als meist unproblematisch angesehen, sofern sie im Gesetz ausreichend kenntlich gemacht sind. So hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 15.12.20151 in einem Verfahren der konkreten Normenkontrolle (zu § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG) in einem „DBA-Türkei-Fall aus 1985“ entschieden: Die Überschreibung eines Doppelbesteuerungsabkommens durch innerstaatliches Gesetz ist verfassungsrechtlich zulässig. Gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG kommt völkerrechtlichen Verträgen nach Meinung des BVerfG – jedenfalls außerhalb des Geltungsbereichs spezieller Öffnungsklauseln (Art. 23–25 GG) – innerstaatlich der Rang eines einfachen Bundesgesetzes zu. Das Demokratieprinzip verlangt dabei, dass spätere Gesetzgeber die Rechtssetzungsakte früherer Gesetzgeber innerhalb vom Grundgesetz vorgegebenen Grenzen revidieren können. Etwas anderes lässt sich weder aus dem Rechtsstaatsprinzip noch unter Rückgriff auf den ungeschriebenen Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG ableiten. Zwar hat der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes Verfassungsrang. Eine verfassungsrechtliche Pflicht zur uneingeschränkten Befolgung aller völkerrechtlichen Normen beinhaltet dieser Grundsatz aber nicht. Das BVerfG ist mit seiner Entscheidung damit dem Vorlagebeschluss des I. Senats beim BFH vom 10.1.20122 nicht gefolgt. Zusammengefasst: Für die Besteuerungspraxis muss nach dem BVerfG-Beschluss – jedenfalls vereinfacht betrachtet – von der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Treaty-Overrides im Regelfall ausgegangen werden. In Einzelfällen wird man dies aber in Abhängigkeit von der konkreten Art des Treaty-Overrides noch einmal verfassungsrechtlich eingehender prüfen müssen. Beim BVerfG sind insoweit weitere Verfahren anhängig, die möglicherweise zu einer Verfeinerung der problematischen Anwendungsfälle führen könnten.3

1.69 Beispiele für umstrukturierungsbezogenen Treaty Override. Bei Umstrukturierungen mit Auslandsbezug sind folgende treaty-override-Regelungen (nicht abschließend) in den Blick zu nehmen, die letztlich wohl verfassungsgemäß sein dürften: – § 15 Abs. 1a EStG (Rechtsverweis für Körperschaften mit teils eigenständigen treaty overrides in § 12 Abs. 1 KStG, § 13 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG, § 21 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG) enthält eine auf die Fusionsrichtlinie gestützte Sonderregelung zur Sicherstellung des SE/SCE-Anteilsbesteuerungsrechts in Deutschland trotz grenz1 Vgl. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12 BVerfGE 141, 1-56. Zu Erläuterungen vgl. Mitschke, DStR 2016, 376; Lehner, IStR 2016, 217; Valta/Stendel, StuW 2019, 340; zu aktuellen noch anhängigen Verfahren Fehn/Fehn, Stbg 2022, 161-173. Zu dem BVerfG-Beschluss besteht ein Sondervotum der Richterin König. 2 Vgl. BFH v. 10.1.2012 – I R 66/09, BFHE 236, 304. Der Vorlagebeschluss wurde durch die BFH-Entscheidung v. 10.6.2015 – I R 66/06 im Hinblick auf Zulässigkeitsbedenken des BVerfG ergänzt. 3 Dies gilt etwa für das Verfahren 2 BvL 15/14 zum Vorlagebeschluss des BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13 im Hinblick auf die spezielle Sondervergütungsregelung für grenzüberschreitende Mitunternehmerschaften gem. § 50d Abs. 10 EStG.

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C. Gestaltungsgrenzen für Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.69 Kap. 1

überschreitender Sitzverlegung (s. Art. 14 Fusionsrichtlinie v. 19.10.2009). Die Anteile an einer SE/SCE bleiben danach unabhängig von DBAs bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung oder der veräußerungsähnlichen Tatbestände in Deutschland steuerverstrickt. Im Hinblick auf die Erfassung zukünftiger, also nach dem Zeitpunkt der Sitzverlegung entstehender stiller Reserven dürfte die Sonderverstrickungsregelung unionsrechtlich mit Blick auf die Niederlassungsfreiheit des AEUV nicht unproblematisch sein.1 – Die materielle Korrespondenznorm für vGA – Steuerfreiheit beim Empfänger nur, wenn kein Aufwendungsabzug beim Leistenden erfolgt – gilt gem. § 8b Abs. 1 Satz 3 KStG ungeachtet etwaiger DBA-Regelungen. Es sollen „unbotmäßige Steuervorteile“ wegen unabgestimmter inländischer/ausländischer Steuerregeln (sog. Besteuerungsinkongruenzen durch hybride Strukturen) verhindert werden. Die durch das ATAD-UmsG v. 25.6.2021 mit Wirkung ab 1.1.2020 eingeführte Regelung des § 4k EStG – Betriebsausgabenabzug bei Besteuerungsinkongruenzen – enthält in Abs. 7 ebenfalls einen ausdrücklichen treaty override. In Bezug auf die Korrespondenzregelung des § 8b KStG wird diskutiert, ob steuerlich zulässige buchwertverknüpfte Transaktionen im Ausland sinnwidrig als Sachausschüttung beim Anteilseigner einer vollen Steuerpflicht ähnlich einer deutschen Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen. Dies sollte im Hinblick auf § 13 UmwStG und spätestens seit Globalisierung der körperschaftsbezogenen Verschmelzungsregelungen ab 1.1.2022 auch für Drittstaatenfälle nicht der Fall sein. (vgl. eingehender Rz. 1.71 f.). – § 50d EStG enthält nationalstaatliche Sonderregelungen – teils mit treaty-override-Charakter – in Fällen der DBA-Anwendung, die auch in auslandsbezogenen Umstrukturierungsfällen Bedeutung haben können. Dies gilt zum einen für die treaty-shopping-Regelung des § 50d Abs. 3 EStG, die – vereinfacht formuliert – verhindern soll, dass eine „an sich“ fehlende Quellensteuerentlastung bei beschränkt Steuerpflichtigen durch Zwischenschaltung weitgehend substanz- und funktionsloser ausländischer Gesellschafter, die durch DBA/EU-Recht geschützt sind, erlangt werden kann. Die Regelung wurde in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach angepasst und zuletzt durch das AbzStEntlModG v. 2.6.2021 wegen neuerer EuGH Rechtsprechung für alle offenen Fälle erweitert und verschärft.2 § 50d Abs. 3 EStG lässt für EU-Fälle mit ausreichendem Substanznachweis Ausnahmen zu. Auch im Hinblick auf die durch den Gesetzgeber geänderten Rahmenbedingungen bestehen fortgesetzte Unionsrechtszweifel.3 Zum anderen enthält § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG eine unilaterale switch-over-Klausel, die eine doppelte Steuerfreistellung auch in Umwandlungsfällen verhindern soll. Diese Regelung ist vom BFH als zumindest ernstlich zweifelhaft qualifiziert worden. Ergän1 Zur Diskussion vgl. differenzierend Stapperfend in H/H/R, § 15 EStG Anm. 972 (Stand: April 2022). 2 Zur Rechtsentwicklung vgl. Schönfeld/Erdem in FWBS, § 50d Abs. 3 EStG Rz. 1–6. 3 Vgl. zu einer umfangreichen Analyse Stangl/Greinert/Siebing, Ubg 2021, 446-468. Ergänzend mit Hinweis auf eine geltungserhaltende Reduzierung in sog. Mäanderstrukturen vgl. BFH v. 9.6.2021 – I B 60/20, ISR 2022, 247–249 mit Anm. Oppel/N. Schmidt, sowie BFH v. 10.11.2021 – I R 27/19, HFR 2022, 646 mit Anm. Liebl.

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Kap. 1 Rz. 1.69 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

zend ist auch die grenzüberschreitende Sondervergütungsregelung des § 50d Abs. 10 EStG zu nennen.1 – Schließlich enthält § 20 Abs. 2 AStG eine unilaterale switch-over-Klausel für passive ausländische Betriebsstätteneinkünfte, wobei der Substanztest des § 8 Abs. 2–4 AStG n.F. bei Hinzurechnungseinkünften ausgeschlossen ist Die nach Abkommensrecht für Betriebsstätten mit hinzurechnungspflichtigen Zwischeneinkünften (etwa mit Kapitalanlagecharakter) geltende Steuerfreistellung wird insoweit durch eine Steueranrechnung ersetzt.2 V. Hinzurechnungsbesteuerung bei ausländischen Umwandlungen

1.70 Ungeachtet der fortgesetzt bestehenden Unionsrechtsproblematik etlicher Einzelnormen der traditionellen Hinzurechnungsbesteuerung und insb. auch im Hinblick auf den Motivtest des § 8 Abs. 2–4 AStG n.F.3 sind in Einzelfällen die komplexen Regelungen der §§ 7–13 AStG bei Auslandsumwandlungen mit Inlandsbezug zu beachten. Wichtig ist: Im ATAD-UmsG v. 25.6.2021 wurde die Hinzurechnungsbesteuerung mit Wirkung ab 2022 in etlichen Details „reformiert“ mit dem Ziel einer zeitgemäßen und rechtssicheren Ausgestaltung zur Stärkung des Steuerstandorts Deutschland.4 Die 25 %-Niedrigbesteuerungsgrenze wurde dabei allerdings – rechtssystematisch und -praktisch kaum nachvollziehbar – beibehalten (§ 8 Abs. 5 AStG); das Konzept nachgeschalteter Zwischengesellschaften wurde aufgegeben. In Rede für grenzüberschreitende Umstrukturierungen stehen vor allem Verschmelzungen/Spaltungen/Formwechsel von Körperschaften nach ausländischem Recht (ausländische Zwischengesellschaften), die von inländischen Steuerpflichtigen allein oder gemeinsam mit nahestehenden Personen unmittelbar oder mittelbar beherrscht sind (etwa einer deutschen Muttergesellschaft) und mit ihren passiven Einkünften im Vergleich zu einer umwandlungsbezogenen inländischen Gewinnrealisierung einer niedrigen Besteuerung im Ausland von unter 25 % unterliegen. Folge wäre eine Inlandsbesteuerung der ausländischen Umwandlungsvorgänge nach Maßgabe der außensteuergesetzlichen Hinzurechnungstatbestände.5 Für EU/EWR-Kapitalgesellschaften ist aller1 Vgl. dazu mit weiteren Nachweisen Prinz, JbFSt 2011/2012, 469–481; Prinz zu Hohenlohe/ Rautenstrauch/Wittmann, BB 2012, 357 (359 ff.); Pohl, IWB 2012, 120. 2 Siehe dazu auch die Columbus-Container-Services-Entscheidung des BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, DStR 2010, 37. Dazu auch Prinz, FR 2010, 378. 3 Vgl. dazu die Übersicht bei Kessler/Spengel, DB Beilage 1/2022, 34/35. Als Überblick zu Entwicklungen des Europäischen Steuerrechts vgl. ergänzend Weber-Grellet, DB 2022, 1344–1349. 4 Zu Einzelheiten der Rechtsänderungen in der Hinzurechnungsbesteuerung vgl. kritisch Ditz/Quilitzsch, Ubg 2021, 485–495. Umfassend zur Hinzurechnungsbesteuerung auch Oppel in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 13.1–13.245; Oppel/Wittling, BB 2022, 1495; zu Details beim hinzurechnungssteuerlichen Substanztest vgl. Kraft, IStR 2022, 481. 5 In der Literatur wird beispielhaft der Fall genannt, dass eine deutsche Kapitalgesellschaft sämtliche Anteile an einer österreichischen GesmbH hält, die wiederum zu jeweils 100 % an zwei schweizerischen AGs beteiligt ist, die nach schweizerischem Recht steuerneutral verschmolzen werden. Eine der beiden Schweizer AGs erzielt ausschließlich Kapitalanlage-

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C. Gestaltungsgrenzen für Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.71 Kap. 1

dings die Ausnahme des § 8 Abs. 2–4 AStG (sog. Aktivitätstest im Hinblick auf „wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit“ ohne Outsourcing auf Dienstleistungsgesellschaften und bestehendem zwischenstaatlichen Informationsaustausch) zu beachten; für sog. Kapitalanlageeinkünfte gilt ein erweiterter Escape auch für Drittstaatengesellschaften (§ 13 Abs. 4 AStG). Im Zuge der Europäisierung des Umwandlungssteuerrechts durch das SEStEG vom 7.12.2006 wurden zwei außensteuergesetzliche Regelungen eingeführt, die ausländische Umstrukturierungen von der Hinzurechnungsbesteuerung im Grundsatz ausnehmen sollen und durch das ATAD-UmsG v. 25.6.2021 in Teilen modifiziert wurden:1 – „Aktive“ Veräußerungsgewinne: Im Aktivitätskatalog des § 8 Abs. 1 AStG für ausländische Zwischengesellschaften werden in Nr. 8 Veräußerungsgewinne oder entsprechende Auflösungsgewinne aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft aufgeführt. Derartige Veräußerungsgewinne sind korrespondierend mit der Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG für Gewinnausschüttungen grundsätzlich als aktiv einzustufen. Anteilsveräußerungsgewinne sind allerdings passive Einkünfte, wenn die Veräußerungsgewinne bei der ausländischen Gesellschaft nach § 8b Abs. 7 KStG – also der Sonderregelung für bestimmte Finanzinstitute – nicht steuerbefreit wären, wenn diese der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegen würden. Diese Einordnung als passive Einkünfte gilt auch bereits dann, wenn der entsprechende Veräußerungsgewinn funktional einer aktiven Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG zugeordnet werden kann. – „Aktive“ Umwandlungsgewinne: Gemeint ist im Aktivitätskatalog für Zwischengesellschaften die Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG. Umwandlungsgewinne stellen danach auf der Ebene der Auslandsgesellschaften im Interesse einer Gleichbehandlung mit Inlandsvorgängen grundsätzlich aktive, also nicht der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegende Einkünfte dar. Abgestellt wird darauf, ob der Auslandsvorgang ungeachtet der personellen Besonderheiten des § 1 Abs. 4 UmwStG – also auch für Drittstaatenfälle – „im Inland“ zu Buchwerten erfolgen könnte (sog. Inlandsthese). Die abstrakte Möglichkeit einer Buchwertfortführung als vergleichbarer ausländischer Vorgang gem. § 1 Abs. 4 UmwStG reicht allerdings nicht aus; im Ausland müssen tatsächlich die Buchwerte fortgeführt werden. In einem solchen Fall ist es nicht schädlich, dass die relevanten Einkünfte aus passive Tätigkeit stammen. Die Hinzurechnungsbesteuerung greift dann ein. VI. Grenzüberschreitende Korrespondenzregelungen und Qualifikationsverkettungen Im JStG 2007 (vom 13.12.2006) hat der deutsche Steuergesetzgeber für nationale und internationale Sachverhalte sog. materielle Korrespondenzregelungen eingeführt, nach denen die steuerliche Behandlung einer vGA (§ 8b Abs. 1 Sätze 2–4 KStG), eieinkünfte; vgl. Rödder/Schumacher, DStR 2007, 369 (370); Rödder in Rödder/Herlinghaus/ van Lishaut, UmwStG3, Einführung Rz. 1333; Ritzer in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 7 Rz. 48. 1 Vgl. Oppel in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 13.147–13.150.

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Kap. 1 Rz. 1.71 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

ner verdeckten Einlage und der entsprechenden Dreiecksgeschäfte (§ 8 Abs. 3 Satz 4 ff. KStG) bei einer Körperschaft von der korrespondierenden Behandlung beim Anteilseigner (ggf. auch einer Tochter-/Schwestergesellschaft) abhängig gemacht wird. Die steuersystematisch getrennten Ebenen von Körperschaft und Anteilseigner werden dadurch im Interesse einer Schließung von Besteuerungslücken und zur Verhinderung einer „Überbesteuerung“ insb. bei sog. hybriden Strukturen miteinander verknüpft.1 Verkürzt gesagt, können vGA und verdeckte Einlage nur dann erfolgsneutral behandelt werden, sofern sie nicht aus steuerrelevanten Erwerbsaufwendungen bzw. Erwerbsbezügen bei dem anderen Rechtsträger „gespeist“ werden. Die materielle wird durch eine formelle Korrespondenz ergänzt (§ 32a KStG). Entsprechende Qualifikationsverkettungen sind auch im DBA-Recht zu beobachten (etwa Art. 10 Abs. 3 OECD-Musterabkommen für grenzüberschreitende Gesellschafter-Fremdfinanzierungen). Die materielle Korrespondenz ist vor allem bei grenzüberschreitenden Vorgängen, die letztlich auf divergierenden Steuersystemen beruhen, problematisch und streitig. Durch das ATAD-UmsG v. 25.6.2021 wurde zudem durch § 4k EStG der Betriebsausgabenabzug bei Besteuerungsinkongruenzen mit Wirkung ab 2022 eingeschränkt, um Gestaltungsmissbräuche zur Schaffung verschiedener Konstellationen sog. weißer Einkünfte zu verhindern.2 Bei international aufgestellten Mitunternehmerschaften ist im Grundsatz ab VZ 2017 zudem das Sonderbetriebsausgabenabzugsverbot des § 4i EStG zu beachten. In der Besteuerungspraxis sind mitunter bei der Grundkonstellation 2, also den Auslandsumstrukturierungen mit Inlandsbezug, Sachverhalte zu beobachten, die wegen der Regeln zur materiellen Korrespondenz zu problematischen inländischen Steuerwirkungen führen, die letztlich nicht sachgerecht sind. Beispiel für ausländische Buchwerttransaktionen: Die A-GmbH ist an zwei britischen Kapitalgesellschaften (Limited 1, Limited 2) zu 100 % beteiligt. Limited 1 veräußert einen kompletten Unternehmensbereich zu Buchwerten – der gemeine Wert liegt über dem Buchwert – an Limited 2; die britische Finanzverwaltung nimmt wegen des capital gains tax release keinerlei Einkommenskorrekturen vor.3 Ähnliches ergibt sich, wenn die Buchwertveräußerung eines Betriebs- oder Unternehmensteils zwischen zwei unter die amerikanische Steuerkonsolidierung (Gruppenbesteuerung) fallenden Gesellschaften erfolgt. In einem solchen Fall wird die Intercompany Transaktion in den USA für Ertragsteuerzwecke eliminiert.4

1.72 In beiden Fällen stellt sich die Frage, ob die nach ausländischem Steuerrecht zulässige Buchwerttransaktion wegen einer verhinderten Vermögensmehrung beim Verkäufer bei Zugrundelegung deutscher Beurteilungsgrundsätze zu einer vGA bei der jeweili1 Vgl. Becker/Kempf/Schwarz, DB 2008, 370 mit Hinweis auf die Begründung des Gesetzentwurfs; Buchholz/Nitzschke in FS für Jürgen Lüdicke, 2019, 75-86; Rüsch, Ubg 2019, 565; Birker/Schänzle, Ubg 2016, 320. 2 Vgl. Müller-Gatermann/Strüder/Ludwig, FR 2020, 303 mit konzeptioneller Kritik an der Regelungsmethodik des § 4k EStG; Middendorf/Eberhardt, StuB 2021, 693; Mühlenstädt/ Rehberg, DB 2021, 1637. 3 Vgl. Becker/Kempf/Schwarz, DB 2008, 370 (375); Frase, DB 2008, 2713. 4 Vgl. Hauck, Zur Reichweite des internationalen Korrespondenzprinzips, in FS Schaumburg, 741–749.

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C. Gestaltungsgrenzen für Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.73 Kap. 1

gen inländischen Muttergesellschaft führt, die wegen des materiellen Korrespondenzprinzips steuerpflichtig ist. Bei einer streng wortlautgemäßen Auslegung des § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG könnte auch die verhinderte Vermögensmehrung als ausländische Einkommensminderung zu verstehen sein mit der Folge einer inländischen Steuerpflicht der vGA mit anschließender Erhöhung des Beteiligungsbuchwertes durch eine verdeckte Einlage in die ausländische Schwesterkapitalgesellschaft. Ein solches Rechtsergebnis ist deshalb problematisch, weil im Ausland entstandene stille Reserven im Inland als vGA versteuert werden, obwohl Deutschland nach den Betriebsstättengrundsätzen der DBA „eigentlich“ kein Besteuerungsrecht zusteht. Deshalb sollte der Normkomplex der materiellen Korrespondenz im Wege einer teleologischen Auslegung nur restriktiv bei Auslandsumstrukturierungen mit Inlandsbezug angewandt werden. Denkbar wäre insoweit auch eine analoge Anwendung des § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG auf einen solchen Sachverhalt. In EU/EWR-Fällen stellen sich ergänzend Diskriminierungsfragen. Unabhängig von den auftretenden Rechtsfragen sollten bei Gestaltungen u.U. Vorsorgemaßnahmen getroffen werden, wie etwa die Zwischenschaltung einer Auslandsholding, um die inländische Steuerpflicht einer buchwerttransaktionsbegründeten vGA zu vermeiden. VII. Postumstrukturierungsbezogene Maßnahmen mit Steuerbezug: Sperrfristen, Finanzierung, Organschaft, Rechtsformwechsel Steuersensible Sperrfristen. Das auch für bestimmte ausländische Umstrukturierungen zugängliche deutsche Umwandlungssteuerrecht ist durchzogen mit einer Reihe von Regelungen, die im Interesse einer steuersubstratabsichernden Missbrauchsabwehr nachlaufende Vorgänge und Maßnahmen mit steuerschädlicher Wirkung versehen. Es gelten unterschiedliche Ingangsetzungsbestimmungen und zeitliche Fristen, die zur Sicherstellung der antragsgebundenen Buchwertverknüpfung (oder eines Zwischenwertansatzes) beachtet werden müssen. Folgemaßnahmen im Anschluss an buchwertverknüpfende Umstrukturierungsmaßnahmen haben deshalb hohe Steuersensibilität. Als besonders bedeutsame Einzelregelungen sind zu nennen: Die Nachspaltungs- und Veräußerungsbeschränkungen des § 15 Abs. 2 UmwStG, die insoweit eine antragsgebundene Buchwertübertragung (ggf. rückwirkend) ausschließen; die in § 22 UmwStG kodifizierten sieben Jahre nachlaufenden Realisationstatbestände bei Einbringungs- und Anteilstauschvorgängen mit der Entstehung eines Einbringungsgewinns I (für unter dem gemeinen Wert liegende Einbringungen gem. § 20 Abs. 1 UmwStG) und eines Einbringungsgewinns II (für unter dem gemeinen Wert liegende Anteilstauschvorgänge insb. nach § 21 UmwStG) mit mitunternehmerschaftlichen Ergänzungsregelungen in § 25 Abs. 5 UmwStG.1 Bei der nachträglichen Realisation sperrfristbehafteter Anteile erfolgt eine partielle oder vollständige „Nachversteuerung“ der Buchwertübertragung zum Einbringungszeitpunkt (Abschmelzung über 7 Jahre). Die Detailregelungen dazu sind sehr subtil und streitig. Auch nachlaufende Umwandlungen und Einbringungen – wie Verschmelzungen, Auf- oder Abspaltungen sowie Formwechsel – gelten nach Rz. 22.07 UmwSt-Erlass 2011 als nachträglich realisierende „Übertragung gegen Entgelt“. Die Finanzverwaltung lässt inso1 Vgl. als Überblick Prinz, DB 2021, 1903.

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1.73

Kap. 1 Rz. 1.73 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

weit allerdings wegen der überschießenden Wirkung der Nachversteuerung restriktive Billigkeitsmaßnahmen zu (insb. Rz. 22.23 UmwSt-Erlass 2011). Dabei setzt die Steuerneutralität der nachlaufenden Umstrukturierung eine schriftlich abgegebene, übereinstimmende Einverständniserklärung der am Umwandlungsvorgang Beteiligten voraus.1 Buchwertverknüpfte Einbringungen in eine Personengesellschaft (§ 24 UmwStG) sollen allerdings stets steuerschädlich sein (m.E. problematisch). Besonderheiten bestehen für eine etwaige verschmelzungsbedingte Auflösung früherer organschaftlicher Ausgleichsposten beim OT (Rz. Org.05 UmwSt-Erlass 2011). Im KöMoG v. 25.6.2021 wurde die Ausgleichspostenlösung des § 14 Abs. 4 KStG durch die Einlagelösung mit diversen Übergangsbestimmungen ersetzt.2 Bei einer rückwirkenden Einbringungsgewinnbesteuerung sind Folgewirkungen beim übernehmenden Rechtsträger gem. § 23 UmwStG zu beachten. Im Übrigen wird die Verfolgung sperrfristbehafteter Anteile durch spezielle Nachweis- und Meldepflichten ergänzt (etwa § 22 Abs. 3 UmwStG). Die genannten Rahmenbedingungen sollten bei der Planung von Umstrukturierungen mit Auslandsbezug beachtet werden.

1.74 Finanzierung. Bei auslandsbezogenen Umstrukturierungen sind im Einzelfall Auswirkungen auf die finanzierungsbezogene Zinsschranke gem. § 4h EStG, § 8a KStG in Betracht zu ziehen. Die Anpassung der deutschen Zinsschrankenregelung an Art. 4 ATAD II v. 12.7.2016 muss – falls erforderlich – bis 31.12.2023 umgesetzt werden.3 Die Umstrukturierungsplanung sollte in derartigen Fällen eine eingehende Zinsschrankenanalyse durchführen. Betroffen sind zum einen Umstrukturierungen, die den Zinsvortrag bzw. EBITDA-Vortrag ganz oder teilweise zerstören (etwa §-8cKStG-Vorgänge oder Betriebsübertragungen).4 Als Aufgabe eines Teilbetriebs mit partieller „Zerstörungswirkung“ gilt nach Meinung der Finanzverwaltung auch das Ausscheiden einer OG (etwa durch Hinausverschmelzung) aus dem Organkreis. Dies erscheint mir letztlich nicht sachgerecht, da der Gesetzeswortlaut (§ 4h Abs. 5 EStG) eine solche Rechtsverschärfung nicht trägt. Zum anderen sind Zinsschrankenverbesserungen oder -beeinträchtigungen durch auslandsbezogene Umstrukturierungen denkbar. Führt etwa der Umstrukturierungsvorgang zu einer „Neueinbindung“ einer Gesellschaft in einen Organkreis, so sind die Wirkungen des § 15 Satz 1 Nr. 3 KStG zu prüfen; denn der Organkreis gilt für Zwecke der Zinsschranke als „ein Betrieb“, so 1 Zur materiell- und verfahrensrechtlichen Fragwürdigkeit derartiger Billigkeitsmaßnahmen, die auch für Verschmelzungen auf und Einbringungen in Organgesellschaften gelten sollen (Rz. 11.08 sowie Rz. 20.19 UmwSt-Erlass 2011), s. Drüen, DStR Beihefter zu Heft 2/ 2012, 22–24 sowie Kaeser, DStR Beihefter zu Heft 2/2012, 16 f.; ergänzend Hageböke/ Stangl, GmbHR 2011, 744. 2 Zu den Rechtsänderungen bei innerorganschaftlichen Ausgleichsposten vgl. Liedgens/Himmer, DStR 2022, 801 und mit aktuellen Hinweisen zu den Änderungen im JStG 2022 s. Prinz, DB 2023, 8 (11 f.). 3 Zur Vorlage der Zinsschrankenregelung des § 4h EStG im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens an das BVerfG vgl. BFH v. 14.10.2015 – I R 20/15, BStBl. II 2017, 1240 für einen Inlandsfall einer konzernzugehörigen Immobiliengesellschaft. Das AZ beim BVerfG lautet: 2 BvL 1/16. 4 Vgl. dazu auch Schmid/Mertgen, DB 2012, 1830; FinMin. Schleswig-Holstein v. 27.1.2012, DStR 2012, 1555; Prinz, DB 2012, 2367.

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C. Gestaltungsgrenzen für Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.75 Kap. 1

dass einerseits sämtliche innerorganschaftlichen Zinsbeziehungen eliminiert werden, andererseits die 3-Mio.-Euro-Freigrenze nur einmal zur Anwendung kommen kann. Auch ist vorstellbar, dass durch eine Umstrukturierung ein eigenständiger „Betrieb“ zur Nutzung der 3-Mio.-Euro-Freigrenze geschaffen wird. Schließlich sind gerade auch bei auslandsbezogenen Umstrukturierungen die besonderen Gesellschafterfremdfinanzierungsregelungen des § 8a Abs. 3 KStG (Einhaltung der 10 % Grenze für nicht voll konsolidierte in- und ausländische Gesellschaften) zu beachten. Wegen der weltweit dauerhaften Niedrigzinsphase der letzten Jahre bis etwa 2021/2022 ist die Zinsschranke in der Praxis in vielen Fällen etwas „aus dem Blickfeld“ geraten, was sich aber vermutlich bei derzeit wieder ansteigendem Zinsniveau ändern wird. Organschaft. Die ertragsteuerliche Organschaft mit dem Erfordernis eines auf mind. fünf Jahre abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrages erstreckt sich üblicherweise auf einen inländischen Organkreis (§§ 14–19 KStG, § 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG). Allerdings hat der Gesetzgeber mit der sog. Kleinen Organschaftsreform1 vom 20.2.2013 eine begrenzte internationale Ausweitung des ertragsteuerlichen Organkreises vorgenommen. Dies betrifft mehrere Aspekte. – EU/EWR Kapitalgesellschaften, die über eine inländische Geschäftsleitung verfügen, sind als Organgesellschaften anzuerkennen, sofern ein grenzüberschreitender Gewinnabführungsvertrag zu der abhängigen EU/EWR Kapitalgesellschaft abgeschlossen werden kann und von der Finanzverwaltung anerkannt wird. Drittstaatenkapitalgesellschaften sind trotz inländischer Geschäftsleitung nicht „organschaftsfähig“. Auch eine inländische Kapitalgesellschaft, die über eine Geschäftsleitung in einem EU/EWR Mitgliedsstaat verfügt, kommt als Organgesellschaft nicht in Betracht. Dies alles wirft Fragen einer unions- oder DBA-rechtlich diskriminierungsfreien Ausgestaltung auf. – Auch ausländische Personen und Körperschaften sind als ertragsteuerliche Organträger anzuerkennen, sofern sie über eine inländische Betriebsstätte verfügen, der die Anteile an den Tochtergesellschaften während der gesamten Dauer der Organschaft ebenso wie die daraus resultierenden Einkünfte zuzurechnen sind. Die Kriterien des § 12 AO sowie des DBA-rechtlichen Betriebsstättenbegriffs müssen gemeinsam erfüllt sein (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 Sätze 4–7 KStG). – Schließlich wurde durch die Kleine Organschaftsreform vom 20.2.2013 die „Dual Consolidated Loss Regelung“ des § 14 Abs. 1 Nr. 5 KStG ausgeweitet, nach der negative Einkünfte im Organkreis, die in einem ausländischen Staat berücksichtigt werden, für den Inlandsabzug ausscheiden. Nach Meinung des BFH ist dabei auf die „konsolidierten Einkünfte“ des Organträgers abzustellen, was die Finanzverwaltung allerdings nicht anerkennt.2 1 Vgl. als Überblick zu den Rechtsänderungen Schneider, StbJb 2012/2013, 93; Prinz/Ludwig, DB 2020, 1022; Prinz in Prinz/Witt (Hrsg.), Steuerliche Organschaft2, Kapitel 1 Rz. 1.5– 1.8. Zu aktuellen Entwicklungen vgl. Prinz, DB 2023, 8. 2 Vgl. BMF v. 14.1.2022 – IV C 2 - S 2770/20/10001 :001 (2022/0048244), BStBl. I 2022, 160. Darin wird die „Nichtanwendung“ des BFH-Urteils v. 12.10.2016 – I R 92/12, BStBl. II 2022, 123 verfügt.

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Kap. 1 Rz. 1.75 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

Trotz intensiver Diskussionen in der Vergangenheit konnte sich der Gesetzgeber bislang nicht auf ein modernisiertes Gruppenbesteuerungskonzept verständigen, bei dem auf den unternehmensvertraglichen Gewinnabführungsvertrag nicht zuletzt wegen seiner internationalen Unüblichkeit verzichtet wird. Gerade im Bereich von nationalen und grenzüberschreitenden Umstrukturierungen spielen Organschaftsfragen in der Praxis eine große Rolle.

1.76 Organschaftsfragen im Zusammenhang mit auslandsbezogenen Umstrukturierungen stehen daher nur an, wenn und soweit ein inländischer oder ausländischer Rechtsträger (OT oder OG) umstrukturierungsbedingt in einen inländischen Organkreis einbezogen werden kann (etwa durch Zuzug/Hereinverschmelzung) oder aus der Organschaft ausscheidet (etwa durch einen Wegzug aus Deutschland oder eine Hinausverschmelzung). Es stellen sich organschaftsbezogene Begründungs- und Beendigungsfragen. Der Festlegung des Umwandlungsstichtages kommt im Hinblick auf die Vermeidung einer etwaigen „Organschaftspause“ besondere Bedeutung zu; denn die finanzielle Eingliederung (verstanden als Mehrheit der Stimmrechte) der OG in den OT muss stets vom Beginn ihres Wirtschaftsjahres an und dann durchgängig bestehen. Die betroffenen Konstellationen sind vielfältig, Rz. Org.01-Org.34 UmwSt-Erlass 2011 enthalten Einzelheiten. – Begründung der Organschaft. Bei umstrukturierungsbezogener Neubegründung einer Organschaft (etwa nach einem Anteilstausch oder einer Betriebseinbringung) erfolgt die Einkommenszurechnung an den OT erstmals für das Kalenderjahr, in welchem der Gewinnabführungsvertrag durch Registereintragung wirksam wird (§ 14 Abs. 1 Satz 2 KStG). Im Übrigen ist unklar, ob und ggf. inwieweit das Merkmal der finanziellen Eingliederung der 8-monatigen – coronabedingt für die Jahre 2020/2021 12-monatigen – Rückwirkungsfiktion unterliegt. Gestützt auf die Rechtsprechung erkennt die Finanzverwaltung eine „rückwirkende Zurechnung“ nach Maßgabe des steuerlichen Übertragungsstichtages der bestehenden finanziellen Eingliederung bei einer Verschmelzung des bisherigen OT beim übernehmenden Rechtsträger an, sofern dem „neuen OT“ die OG-Beteiligung bereits mit Beginn des Wirtschaftsjahres zuzurechnen ist.1 Dies ergibt sich aus der in § 12 Abs. 3 UmwStG geregelten Gesamtrechtsnachfolge. Entsprechendes gilt, wenn in Rahmen einer Auf- bzw. Abspaltung die Beteiligung an einer OG auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht (Rz. Org.06 sowie Org.07 UmwSt-Erlass 2011). Im Hereinverschmelzungs-, Hereinspaltungs- und sonstigen Zuzugsfällen werden derartige Konstellationen wegen des Inlandbezugs der Organschaft nur selten vorkommen. Wird schließlich ein Teilbetrieb in eine neu gegründete Tochterkapitalgesellschaft eingebracht, so kann zwischen dem einbringenden Rechtsträger und der neu gegründeten Tochtergesellschaft eine Organschaft – nach Maßgabe der allgemeinen Inlandsvoraussetzungen – steuerlich auf den Übertragungsstichtag 1 So Rz. Org.02 UmwSt-Erlass 2011 unter Bezug auf BFH v. 28.7.2010 – I R 89/09, BStBl. II 2011, 528. Das Zusatzkriterium führt dazu, dass vor allem unterjährige OT-Verschmelzungen bei kalendergleichen Wj der OG zu einer Organschaftspause führen. Dies erscheint nicht sachgerecht. Vgl. auch Dötsch, GmbHR 2012, 175 (176); Schneider/Ruoff/Sistermann, FR 2012, 1 (11).

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C. Gestaltungsgrenzen für Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.78 Kap. 1

zurückbezogen werden, sofern der GAV bis zum Ende des betreffenden Wirtschaftsjahres der Organschaft wirksam wird. In den Fällen eines Anteilstausches ist dagegen keine Rückwirkung möglich. Unter Umständen bieten sich für eine Auslandsgesellschaft „überspringende“ Gewinnabführungsverträge an, die bspw. unmittelbar zwischen Mutter- und Enkelgesellschaft abgeschlossen werden. – Ausscheiden aus der Organschaft. Erfolgt eine umstrukturierungsbedingte Beendigung des Gewinnabführungsvertrages bei OT oder OG vor Ablauf von fünf Jahren, sollte dies als wichtiger Grund i.S.d. § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 KStG anerkannt werden und die vorangegangenen Organschaftsjahre unberührt lassen (R 14.5 Abs. 6 KStR 2022). Explizit erkennt die FinVerw. einen „wichtigen Grund“ bei einer Einbringung der Organbeteiligung durch den Organträger oder einer Verschmelzung/Spaltung von OT/OG an. Eine rückwirkende „Beschädigung“ der gesamten Organschaftszeit erfolgt deshalb nicht. Allerdings wird eine unterjährige Kündigung oder Aufhebung des Gewinnabführungsvertrages stets auf den Beginn dieses Wirtschaftsjahres zurückbezogen. Auch die Beendigung der Organschaft durch Abwärtsverschmelzung des OT wird als wichtiger Grund anerkannt (Rz. Org.04 UmwSt-Erlass 2011).1 Rechtsformwechsel als postakquisitorisches Umwandlungshindernis. Wurde eine inländische Kapitalgesellschaft im Wege einer Unternehmenstransaktion zu einem über dem bilanziellen Eigenkapital liegenden Kaufpreis erworben, so scheidet eine postakquisitorische Umwandlung in eine Personengesellschaft nach §§ 3–9 UmwStG unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten regelmäßig aus, da es auf der Anteilseignerebene infolge der weitgehenden Nichtabziehbarkeit von Übernahmeverlusten zu einer definitiven Vernichtung von Anschaffungskosten kommt.2 In solchen Konstellationen sollte vor Durchführung der Transaktion geprüft werden, ob nicht anstelle eines share deals ein asset deal vorzugswürdiger ist.

1.77

VIII. EU-/DBA-rechtlicher Diskriminierungsschutz bei Umstrukturierungen Die EU/EWR-rechtlichen Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote – vor allem in Gestalt der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) und der auch Drittstaateninvestments schützenden Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV, erga-omnes-Wirkung bei Beachtung der Stand-Still-Klausel des Art. 64 AEUV) – sind in den letzten Jahrzehnten vom EuGH und in der Folge auch vom BFH – mit durchaus unterschiedlichen Akzenten – ausgeformt worden. Der BFH hat dabei – zumindest in der Vergangenheit – die unionsrechtliche acte-claire-Doktrin3 offensiv angewandt. Insoweit besteht ein durchaus praxistaugliches Gleichbehandlungsgebot inländischer mit EU/EWR-ausländischen Engagements; Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung werden von der Rechtsprechung nur unter engen Voraussetzungen berücksichtigt (etwa bei zwingenden Gründen des Gemeinwohls, der Abwehr von Steuer1 So BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001 (2008/0336202), BStBl. I 2008, 718 Rz. 47. 2 Zu weiter differenzierenden Folgewirkungen vgl. Desens, DStJG 43 (2020), 73 (131–138). 3 Vgl. Gosch, Ubg 2009, 73 (75 f.).

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1.78

Kap. 1 Rz. 1.78 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

umgehungen sowie Verhältnismäßigkeitsüberlegungen).1 Der Schutz durch die sog. Fusionsrichtlinie als europäisches Sekundärrecht tritt hinzu. Auch die DBA-rechtlichen Diskriminierungsverbote (Art. 24 OECD-Musterabkommen), die territorial über den EU/EWR-Raum hinaus sämtliche DBA-Staaten betreffen, wurden in den letzten Jahren durch die BFH-Rechtsprechung „ausgeweitet“.2 Der völkerrechtliche Diskriminierungsschutz wirkt „umfassend und uneingeschränkt“. Rechtfertigungsgründe – so wie sie bei den EU/EWR-Grundfreiheiten zur Anwendung gelangen können – sind nicht möglich.3 Dessen ungeachtet bestehen zwischen unionsrechtlichen und DBA-rechtlichen Diskriminierungsverboten tatbestandliche Überschneidungen vor allem hinsichtlich des Vergleichsmaßstabs, die wechselweise Verschränkungen – trotz parallel bestehender Rechtskreise – bewirken. Eine Verpflichtung zur Einhaltung des objektiven Nettoprinzips lässt sich allerdings aus den Diskriminierungsverboten nicht herleiten. Argumente zum Diskriminierungsschutz werden von den betroffenen Unternehmen üblicherweise erst im Rahmen „steuerlicher Abwehrberatung“ vorgetragen.

1.79 Bei Umstrukturierungen mit Auslandsbezug sind eine Reihe von Regelungsbereichen „diskriminierungsverdächtig“. Dies bedarf einer differenzierten Einzelfallanalyse und betrifft etwa:4 – Die spezielle Auslandsrückwirkungsfiktion des § 2 Abs. 3 UmwStG könnte gegen die Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen, auch wenn sicherlich starke Rechtfertigungsgründe im Hinblick auf die Verhinderung „weißer Einkünfte“ bestehen dürften. – Ein Verstoß gegen eine fehlerfreie Umsetzung der Fusionsrichtlinie kommt in Betracht für die Ausgestaltung des Teilbetriebserfordernisses in Spaltungs- und Einbringungsfällen (§ 15 Abs. 1, § 20 Abs. 1, § 24 Abs. 1 UmwStG), die Spaltungssperren des § 15 Abs. 2 UmwStG sowie das rückwirkende Besteuerungsgebot des § 22 UmwStG bei Einbringung und Anteilstausch.5 1 Siehe als Überblick zu den unionsrechtlichen Grundfreiheiten Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht6, 342 ff. 2 Vgl. etwa BFH v. 8.9.2010 – I R 6/09, FR 2011, 127 betreffend DBA-Diskriminierungsschutz für grenzüberschreitende Zinszahlungen; s. ergänzend auch zu einschlägigen Organschaftsfragen BFH v. 29.1.2003 – I R 6/99, BStBl. II 2004, 1043 sowie BFH v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, DStR 2011, 762, welches mit einem Nichtanwendungsschreiben des BMF v. 27.12.2011 – IV C 2 - S 2770/11/10002 (2011/0965132), IStR 2012, 78, belegt wurde. 3 Vgl. eingehender Gosch, DStR 2007, 1553 (1560); Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 4.1 ff.; Prinz, FR 2011, 131. 4 Vgl. dazu auch die Checkliste potentiell EU-rechtswidriger Normen des deutschen direkten Steuerrechts von Kessler/Spengel, DB Beilage 1/2022, 1–38 mit zahlreichen weiterführenden Nachweisen. Als Überblick zur Entwicklung des Europäischen Steuerrechts auch Weber-Grellet, DB 2022,1344. Eingehend zu potenziellen Unionsrechtsverstößen unter steuersystematischen Aspekten s. Desens in Musil/Weber-Grellet, UmwStG2, Einf. Rz. 31– 73. 5 Zu einem „Problemaufriss“ hinsichtlich der Anwendung der Fusionsrichtlinie bei der Besteuerung des Einbringungsgewinns II vgl. BFH v. 18.11.2020 – I R 24/18, DStRE 2021, 929. Zu Erläuterungen s. Wacker, DStR 2021, 1354; Prinz, DB 2021, 1903 (1906).

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C. Gestaltungsgrenzen für Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.80 Kap. 1

– Eine Steuerentstrickung mit Sofortrealisation der zum Wegzugszeitpunkt entstandenen stillen Reserven ohne Steuerstreckung über mindestens 5 Jahre dürfte nach der National-Grid-Indus-Entscheidung des EuGH v. 29.11.2011 gegen die Niederlassungsfreiheit verstoßen. Unionsrechtproblematisch könnten des Weiteren insb. sein: § 11 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG in Hinausverschmelzungs- und Hinausspaltungsfällen sowie § 24 Abs. 2 UmwStG bei Einbringungen in eine ausländische Personengesellschaft. – Ausländische Buchwerttransaktionen mit inlandsbezogenen Steuerwirkungen aufgrund der materiellen Korrespondenz des § 8b Abs. 1 Sätze 2–4 und KStG könnten im Ergebnis ebenfalls diskriminierend wirken. IX. Internationale Absicherung grenzüberschreitender Umstrukturierungen

Wegen der üblicherweise erheblichen stillen Reserven, die durch den Umstrukturierungsvorgang steuerrelevant werden könnten, ist eine möglichst weitreichende Schaffung von Rechtssicherheit für die Durchführung der Umstrukturierung essenziell. Bei grenzüberschreitenden Vorgängen sind allerdings mehrere Judikaturen betroffen, was Absicherungsnotwendigkeiten weiter erschwert. Diese müssen inhaltlich und zeitlich koordiniert werden. Neben den „klassischen“, nur national wirkenden verbindlichen Auskünften sind „Steuervereinbarungen“ im Vorfeld von Gestaltungen – sog. Tax Rulings – nicht oder nur begrenzt zulässig. Als „Faustformel“ für Absicherungsstrategien lässt sich festhalten: Am Anfang muss eine sorgsame Analyse der gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Grundlagen im In- und Ausland nach Maßgabe von Rechtsprechung, Finanzverwaltungsmeinung und Literatur erfolgen. Zur Erlangung von Rechts- und Planungssicherheit spielen – jedenfalls aus inländischer Perspektive – die einschlägige BFH-Judikatur sowie der UmwSt-Erlass 2011 mit seinen zahlreichen Detailregelungen und Billigkeitsmaßnahmen eine bedeutsame Rolle. Abhängig vom Risikovolumen und der Risikoneigung der betroffenen Unternehmen sollten üblicherweise zumindest belastbare rechtliche und steuerliche Einschätzungen von Experten eingeholt werden (Rechtsgutachten, first- und second-Opinion). Auch unter Haftungsaspekten der Geschäftsführung/des Vorstandes erscheint dies sinnvoll (Business Judgement Rule). Schließlich sollte an die Einholung (gebührenpflichtiger) verbindlicher Auskünfte, ggf. auch an den Abschluss einer tatsächlichen Verständigung (dies setzt einen realisierten Sachverhalt voraus) gedacht werden, wobei im Einzelfall inländische und ausländische Auskunftsersuche in abgestimmter Form gestellt werden sollten. Dabei sind allerdings „Steuerspargestaltungen“, die in der Praxis bei Konzernen und Mittelständlern selten auftauchen dürften, und reine Sachverhaltsfragen nicht „verauskunftungsfähig“. In „steuersparverdächtigen Fällen“ könnte sich zudem eine Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen gem. §§ 138d–138k AO für Nutzer/Intermediäre gegenüber der Finanzverwaltung ergeben.1 Zusammen1 Zu Details vgl. BMF v. 29.3.2021 – IV A 3 - S 0304/19/10006 :010 (2021/0289747), BStBl. I 2021, 582; ergänzend dazu BMF v. 23.1.2023 – IV A 3 - S 0304/19/10006 :013, IV B 1 - S 1317/19/10058 :011 – (2022/1304104), BStBl. I 2023, 183 = FR 2023, 139. Ergänzend Hirschvogel/Kölbl/Steiner/Ullmann, IStR 2022, 877. In steuerpolitischen Kreisen wird seit längerem eine Ausweitung der Meldepflicht auf inländische Gestaltungen erwogen.

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1.80

Kap. 1 Rz. 1.80 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

gefasst sind die steuerlichen Absicherungsmöglichkeiten für internationale Strukturen begrenzt. Absolute Rechtssicherheit ist ohnehin nicht erreichbar.

1.81 Absicherung inländischer Steuerrisiken. Sofern man auf bloße „informelle Abstimmung“ mit der Finanzverwaltung nicht vertrauen möchte – in Konzernen kann man eine solche Absicherungsstrategie des Öfteren mit „ständig im Unternehmen befindlichen“ Betriebsprüfern beobachten –, wird man zeitkritisch vor Durchführung der Umstrukturierung eine verbindliche Auskunft einholen müssen (§ 89 Abs. 2–5 AO). Der Sachverhalt muss dabei komplett geschildert werden, Vertragsentwürfe werden häufig mit vorgelegt. Die anfallenden Gebühren sind nach Meinung der Finanzverwaltung nicht abziehbar. Darüber hinaus müssen die in Rede stehenden Rechtsfragen benannt und unter Heranziehung einschlägiger Quellen sachgerecht gelöst werden. Auch Zuständigkeitsfragen können für den Verbindlichkeitscharakter eine bedeutsame Rolle spielen. In der Praxis ist die Einholung einer verbindlichen Auskunft vor allem unter zeitlichen Aspekten des Öfteren eine „Gratwanderung“: Startet man mit dem Auskunftsersuchen zu früh, so kann sich der tatsächliche Sachverhalt im Verlaufe der Diskussionszeit noch deutlich verändern; ein zu später Start dagegen kann zu Verzögerungen in der Umstrukturierung führen, geplante Umwandlungsstichtage gefährden usw. Abzusichernde Rechtsfragen sind häufig: Die funktionale Zuordnung von Wirtschaftsgütern bei Hinausverschmelzungen und sonstige Entstrickungsfragen, Teilbetriebsausgliederungen mit funktionalen Wirtschaftsgutzurechnungen, Gegenleistungsfragen mit Bewertungskonsequenzen für einzelne Wirtschaftsgüter, Funktionsverlagerungen und umwandlungsbezogene Folgefragen für Verrechnungspreise usw. Auch im Hinblick auf die diversen im UmwSt-Erlass 2011 angesprochenen Billigkeitsmaßnahmen könnte die Einholung einer verbindlichen Auskunft im Vorhinein sinnvoll sein. 1.82 Absicherung ausländischer und grenzüberschreitender Steuerrisiken. Auch auf der jeweils betroffenen ausländischen Seite des Umstrukturierungsszenarios sollte eine Absicherung des Steuerkonzepts erfolgen. Die Regelungen dazu in den verschiedenen Jurisdiktionen sind durchaus heterogen. Die Erlangung von „Tax Certainty“ spielt gerade im Zusammenhang mit geplanten grenzüberschreitenden Umstrukturierungen von Unternehmen in der Praxis eine große Rolle. Betroffene Gesellschaften müssen nicht zuletzt wegen der mittlerweile sehr umfangreichen Verpflichtungen zur Einhaltung von Compliance-Vorgaben möglichst abgesicherte Umstrukturierungswege wählen. Die Finanzverwaltung der betroffenen Jurisdiktionen – angesprochen ist aus deutscher Sicht insbesondere das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) – ist meist auch an weitreichender vorsorgender Rechtssicherheit interessiert, um langwierige Rechtsstreitigkeiten mit hohen Steuerausfallrisiken einzugrenzen, ohne aber „steuersparenden Gestaltungen“ den Weg zu ebnen. In den letzten Jahren wird in Fachkreisen intensiv die Fortentwicklung der klassischen Betriebsprüfung hin zu einer „kooperativen Tax Compliance“ diskutiert, was Bedeutung auch für die bislang nur eingeschränkt mögliche Absicherung grenz-

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C. Gestaltungsgrenzen für Umstrukturierungen mit Auslandsbezug | Rz. 1.82 Kap. 1

überschreitender Umstrukturierungen hat.1 Neben den „nachsorgenden Instrumenten“ zur Beseitigung von Doppelbesteuerungssituationen im Nachgang von Betriebsprüfungen etwa durch Verständigungs- und Schiedsverfahren und die durch den Gesetzgeber zwischenzeitlich in nationales Recht umgesetzte EU-Streitbeilegungsrichtlinie2 bestehen zumindest perspektivisch eine Reihe von weiteren Möglichkeiten, um etwaige Risiken grenzüberschreitender Umstrukturierungen bereits proaktiv – also vor Verwirklichung des Sachverhalts – abzusichern. Dabei können genannt werden: – Schaffung von Joint Audits3 mit anschließenden Absprachen zur zukünftigen Behandlung von Dauersachverhalten: Bei grenzüberschreitend tätigen Unternehmen sind in der Praxis zunehmend sog. Joint Audits (gemeinsame Prüfungen) zu beobachten, bei denen zwei oder mehr EU-Steuerbehörden gemeinsam und zeitgleich eine Außenprüfung durchführen, wobei wechselweise Kompetenzen der jeweiligen Steuerbeamten auch im anderen Staat bestehen. Rechtsgrundlage dafür sind die §§ 10, 11 EUAHiG. Mit der sog. DAC 7-Richtlinie (Directive on Adminstrative Cooperation) erfolgt eine „Weiterentwicklung“ von Joint Audits. Die DAC 7Richtlinie wurde mit „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22. März 2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts“ v. 20.12.2022 in nationales Recht umgesetzt mit (vereinfacht) Wirkung ab 1.1.2023. Die deutsche Finanzverwaltung hat in einem ausführlichen Merkblatt vom 9.1.20174 praxisnahe Hinweise zur Funktion des BZSt als „zentralem Verbindungsbüro“ sowie aktiven und passiven Prüfungsrechten der jeweiligen Finanzbediensteten gegeben, das ggf. wegen der jüngsten Gesetzesänderungen ergänzt werden sollte. Zudem sind Joint Audits auch bei Drittstaaten – gestützt auf Art. 26 OECD-Musterabkommen oder z.B. Art. 8, 9 Amtshilfeabkommen mit der Schweiz – möglich. Den betroffenen Unternehmen kommt bei Joint Audits – anders als bei den verschiedenen Formen von nachsorgenden Verständigungs- und Streitbeilegungsverfahren – eine durchaus aktive Rolle zu, die auch für vorsorgende Gestaltungen im Rahmen geplanter Umstrukturierungen genutzt werden kann. Der Vorteil eines sich auf bereits verwirklichte Sachverhalte erstreckenden Joint Audits ist die gemeinsame entscheidungserhebliche Feststellung eines Sachverhalts. Bei „Nichteinigung“ im Rahmen eines Joint 1 Vgl. Wagner/Oldenbusch, FR 2021, 1123; zu einem aktuellen Überblick praktischer Erfahrungen im Hinblick auf Vermeidung und Beseitigung von Doppelbesteuerung vgl. den Tagungsbericht von Asseburg-Wietfeldt, IWB 2021, 697. Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung im Rahmen des Pillar 2 (Globale Mindestbesteuerung)-Projekts vgl. Schnorberger/Dust/Sakuth/Etzig, BB 2023, 151. S. aktuell mit Bezugnahme auf sog. Steuerkontrollsysteme im Unternehmen Art. 5 § 38 Erprobung alternativer Prüfungsmethoden, BStBl. I 2023, 82. 2 Dies ist das EU-DBA-Streitbeilegungsgesetz vom 10.12.2019. Zu dem Instrumentenkasten der nachsorgenden Beseitigung von Doppelbesteuerungen vgl. Lehner, IStR 2019, 277; Burger/Kälberer, IStR 2020, 411; Ismer/Piotrowski, IStR 2019, 845. 3 Vgl. als Überblick Prinz, DB 2021, 820; Bauhöfer/Eymann, StBp. 2022, 396; van der Ham/ Mank, IStR 2022, 891. Zu ersten Erfahrungen vgl. Reislhuber in FS Kroppen, 2020, 347 ff. 4 BMF v. 9.1.2017 – IV B 6 - S 1315/16/10016 :002 (2016/0996151), BStBl. I 2017, 89.

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Kap. 1 Rz. 1.82 | Internationalsteuerliche Aspekte bei Umstrukturierungen

Audits sind anschließende Verständigungs- und Schiedsverfahren weiter möglich. Es ist durchaus denkbar, dass Erfahrungen mit derartigen Joint Audits auch für Abstimmungen mit ausländischen Finanzbehörden im Rahmen anstehender Umstrukturierungen genutzt werden können.1 – Advance Pricing Agreements (APAs) gem. § 89a AO2: Der nationale Gesetzgeber hat im ATAD-Umsetzungsgesetz vom 10.12.2019 mit § 89a AO eine gesetzliche Grundlage für die Durchführung von APAs geschaffen, die erstmals auf Anträge anzuwenden ist, die nach dem 8.6.2021 bei der zuständigen Behörde eingegangen sind (Art. 97, § 34 EG-AO). Vorausgesetzt wird, dass es sich um einen DBA-Staat handelt, bei dem eine dem Art. 25 OECD-Musterabkommen nachgebildete Regelung besteht. Die Möglichkeit zur Beantragung eines Vorabverständigungsverfahrens erstreckt sich auf sämtliche grenzüberschreitende DBA-relevante Sachverhalte, so dass auch Fragen der Begründung einer Betriebsstätte, des Orts der Geschäftsleitung, der Zuordnung von Wirtschaftsgütern oder Quellensteuerfragen einer Vorabauskunft zugänglich sind. Das Verständigungsverfahren ist antragsgebunden, erstreckt sich nur auf noch nicht verwirklichte grenzüberschreitende Sachverhalte für einen bestimmten Geltungszeitraum und ist gebührenpflichtig. Steuervermeidung – etwa in Gestalt doppelter Nichtbesteuerung – darf kein erkennbares Motiv für den Antrag auf Vorabverständigung sein. Die Durchführung des Verfahrens setzt einen Rechtsbehelfsverzicht der betroffenen Antragsteller voraus. Es wird sich noch in der Praxis erweisen müssen, ob und in welchem Umfang APAs für die Absicherung grenzüberschreitender Umstrukturierungen genutzt werden können. – ICAP-Initiativen (= International Compliance Assurance Program)3: Die OECD ist seit etwa 2018 im Rahmen der sog. ICAP-Initiative mit einem Pilotprojekt für insbesondere multinationale Unternehmen befasst, um im Rahmen einer mehr konsensualen Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Finanzbehörden und im Interesse einer zeitnäheren Kontrolle der Unternehmen Risikoprofile für Steuerpflichtige zu entwickeln, die Grundlage für die Prüfungsintensität der Finanzverwaltung sein sollen. Dieses Projekt befindet sich derzeit in der zweiten Pilotphase (unter Beteiligung auch von „deutschen Unternehmen“) und soll letztlich auch dazu dienen, mehr Rechtssicherheit für die Unternehmen im Rahmen von laufenden Gestaltungen zu erlangen. Es ist deshalb durchaus vorstellbar, dass eine begrenzte Absicherung von anstehenden grenzüberschreitenden Umstrukturierungen auch durch derartige ICAP-Projekte hergestellt werden kann, ohne dass letztlich der Absicherungsgrad einer förmlichen verbindlichen Auskunft besteht. Praktische Erfahrungen mit diesem Projekt bestehen derzeit noch nicht. 1 Zu derartigen Abstimmungen vgl. auch BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 (2014/0599097), BStBl. I 2014, 1258 Rz. 6.3. Wegen aktueller Entwicklungen der internationalen Verwaltungszusammenarbeit im Bereich der Unternehmensbesteuerung vgl. Greil, IStR 2022, 373 und ergänzend Petkova/Fehling, IStR 2022, 409. 2 Vgl. zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen des § 89a AO eingehend Flüchter, ISR 2021, 338; Rasch, IWB 2021, 441 (445–453); Ditz/Bärsch/Engelen/Quilitzsch, DStR 2020, 73 (80 f.). 3 Vgl. als Überblick Prinz/Ludwig, DB 2018, 477; Richter/Völk, IWB 2021, 728.

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D. Zusammenfassende Beratungserkenntnisse | Rz. 1.83 Kap. 1

D. Zusammenfassende Beratungserkenntnisse für Umstrukturierungen mit Auslandsbezug Umstrukturierungen mit Auslandsbezug sind komplexe Vorgänge, bei denen mehrere Jurisdiktionen gesellschaftsrechtlich und steuerlich mit ihren Qualifikationserfordernissen und Beurteilungskriterien ineinandergreifen. Konzeption und Durchführung der umstrukturierungsbezogenen Transaktionen ziehen sich meist über einen längeren Zeitraum hin. Deshalb ist in der Praxis ein effizientes Steuermanagement für grenzüberschreitende Umstrukturierungsvorgänge gefragt. Ein solcher Prozess muss in mehrere Zeitphasen unterteilt werden, die immer wieder an die aktuellen Erfordernisse anzupassen sind. Zeitliches Abwicklungsprocedere. Im Grundsatz müssen drei Phasen unterschieden werden: – Phase I beinhaltet die umfassende Konzeptionierung der geplanten Umstrukturierung mit Auslandsbezug. Wichtige Aspekte dabei sind – Entwicklung und Vergleich mehrerer Umstrukturierungsszenarien zur optimalen Zielerreichung (häufig ist nicht nur ein Weg zur Zielerreichung gangbar, sondern es bestehen Alternativmöglichkeiten). Mögliche „Dealbreaker“ der Transaktion („red flag“) sollten frühzeitig identifiziert werden; – Teambildung von in- und ausländischen Experten zur Begleitung des Umstrukturierungsprojekts; – Einbeziehung der bilanziellen Folgen der Umstrukturierung im In- und Ausland; – Begleitung der Umstrukturierungsmaßnahme durch die gesellschaftsrechtlich gebotenen Gremienvorbehalte, Zustimmungserfordernisse usw.; – Ermittlung und Evaluation der entstehenden Inlands- und Auslandsrisiken; – Absicherung des Konzepts durch verbindliche Auskunft, APAs, grenzüberschreitende Abstimmungen etwa im Gefolge von Joint Audits usw. – Phase II beinhaltet die Durchführung der Umstrukturierungsmaßnahme. Dabei ist auf eine sorgsame vertragsgemäße Dokumentation zu achten (s. auch § 90 Abs. 3 AO), die für sämtliche betroffenen Jurisdiktionen verwendbar sein sollte. Falls sich in der Praxis Abweichungsnotwendigkeiten zu den ursprünglichen Plänen herausstellen, muss über erneute steuerliche Absicherungen oder „Nachbesserungen“ im Einzelfall nachgedacht werden. – Phase III schließlich beinhaltet eine zeitlich nachlaufende Überwachung der Umstrukturierung (Monitoring-Phase), die üblicherweise durch den Einsatz digitaler Tools bewerkstelligt wird. Die inhaltliche und zeitliche Überwachung ist insbesondere wichtig für durch die Umstrukturierung ausgelöste Sperrfristen, Nachspaltungsverbote, steuerlich „infizierte Anteile“ (tainted shares) u.Ä. Die Zeitphasen dabei sind unterschiedlich. Nach den deutschen Rechtsregeln sind Fristen zwischen drei und üblicherweise sieben Jahren zu beachten. Prinz | 79

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Kapitel 2 Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Rechtliche Rahmenbedingungen und Grundlagen I. Deutsches Gesellschaftsrecht . . II. Überlagerung des deutschen Rechts durch europäisches Recht bei EU-Bezug 1. EU-Vertragsrecht und Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs . . . . . . . . 2. Richtlinien, Verordnungen und Reformvorhaben . . . . . . 3. Europäische Gesellschaftsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anwendung der Regeln der Europäischen Union auf die Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) . . . . . . . . . . IV. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . VI. Vereinigte Staaten von Amerika VII. BRIC-Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Weitere Staaten . . . . . . . . . . . . . . C. Umstrukturierungsmöglichkeiten im Einzelnen I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . II. Verlegung des Verwaltungssitzes 1. Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuzug nach Deutschland a) Aus der EU/dem EWR . . . b) Aus der Schweiz . . . . . . . . c) Aus Großbritannien . . . . . d) Aus den USA . . . . . . . . . . . e) Aus den BRIC-Staaten . . . f) Aus dem Rest der Welt . . . 3. Wegzug aus Deutschland a) In die EU/den EWR b) In die Schweiz . . . . . . . . . . c) Nach Großbritannien . . . . d) In die USA . . . . . . . . . . . . . e) In die BRIC-Staaten . . . . . f) In den Rest der Welt . . . . . III. Verlegung des Satzungssitzes . .

2.1 2.2

2.5 2.15 2.16

2.17 2.18 2.19 2.21 2.28 2.33 2.34 2.35 2.36 2.38 2.40 2.41 2.42 2.46 2.55 2.56 2.57 2.58 2.62 2.63

IV. Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . 2.66 1. Hereinverschmelzung nach Deutschland a) Aus der EU/dem EWR b) Aus der Schweiz . . . . . . . . 2.83 c) Aus Großbritannien . . . . . 2.84 d) Aus den USA . . . . . . . . . . . 2.85 e) Aus den BRIC-Staaten . . . 2.88 f) Aus dem Rest der Welt . . 2.92 g) Exkurs: „Synthetische“ Verschmelzung über eine DLC-Struktur . . . . . . . . . . 2.93 2. Hinausverschmelzungen aus Deutschland a) In die EU/den EWR b) In die Schweiz . . . . . . . . . . 2.107 c) Nach Großbritannien . . . . 2.108 d) In die USA . . . . . . . . . . . . . 2.109 e) In die BRIC-Staaten . . . . . 2.110 f) In den Rest der Welt . . . . . 2.112 V. Spaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.113 1. Hereinspaltung nach Deutschland a) Aus der EU/dem EWR b) Aus der Schweiz . . . . . . . . 2.121 c) Aus Großbritannien . . . . . 2.122 d) Aus den USA . . . . . . . . . . . 2.123 e) Aus den BRIC-Staaten . . . 2.124 f) Aus dem Rest der Welt . . 2.125 2. Hinausspaltung aus Deutschland a) In die EU/den EWR b) In die Schweiz . . . . . . . . . . 2.130 c) Nach Großbritannien . . . . 2.131 d) In die USA . . . . . . . . . . . . . 2.132 e) In die BRIC-Staaten . . . . . 2.134 f) In den Rest der Welt . . . . . 2.135 VI. Formwechsel 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . 2.136 2. Nach Deutschland herein a) Aus der EU/dem EWR b) Aus der Schweiz . . . . . . . . 2.144 c) Aus Großbritannien . . . . . 2.145 d) Aus den USA . . . . . . . . . . . 2.146 e) Aus den BRIC-Staaten . . . 2.147

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Kap. 2 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht f) Aus dem Rest der Welt . . 3. Aus Deutschland hinaus a) In die EU/den EWR b) In die Schweiz . . . . . . . . . . c) Nach Großbritannien . . . d) In die USA . . . . . . . . . . . . .

2.149 2.153 2.154 2.155

e) In die BRIC-Staaten . . . . . 2.156 f) In den Rest der Welt . . . . 2.158 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . 2.159

Literatur: Bayer/Schmidt, Das Vale-Urteil des EuGH: Die endgültige Bestätigung der Niederlassungsfreiheit als „Formwechselfreiheit“, ZIP 2012, 1481; Bayer/Schmidt, Grenzüberschreitende Sitzverlegung und grenzüberschreitende Restrukturierungen nach MoMiG, Cartesio und Trabrennbahn, ZHR 173 (2009), 735; Bayer/Schmidt, Grenzüberschreitende Mobilität von Gesellschaften: Formwechsel durch isolierte Satzungssitzverlegung, ZIP 2017, 2225; Beitzke, Internationalrechtliches zur Gesellschaftsfusion, FS für W. Hallstein, 1966, 14; Behme, Europäisches Umwandlungsrecht – Stand und Perspektiven, ZHR 182 (2018), 32; Binge/Thölke, „Everything goes!“? – Das deutsche Internationale Gesellschaftsrecht nach „Inspire Art“, DNotZ 2004, 21; Braun/Schonard, Der neue deutsch-chinesische Investitionsförderungs- und -schutzvertrag – Eine Darstellung des Abkommens und seine Würdigung im Lichte der Entwicklung des völkerrechtlichen Investitionsschutzes, RIW 2007, 561; Brehm/Schümmer, Grenzüberschreitende Umwandlungen nach der neuen Richtlinie über grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen, NZG 2020, 538; Bungert, Grenzüberschreitende Verschmelzungsmobilität – Anmerkung zur SEVIC-Entscheidung des EuGH, BB 2006, 53; Butterstein, Modernisierung des EU-Gesellschaftsrechts zur Stärkung der grenzüberschreitenden Mobilität von Gesellschaften, EuZW 2018, 838; Däubler/Heuschmid, Cartesio und MoMiG – Sitzverlagerung ins Ausland und Unternehmensmitbestimmung, NZG 2009, 493; Ebenroth/Bippu, Führen bilaterale Investitionsförderungsverträge zu einer Abkehr vom Sitzprinzip?, RIW 1988, 336; Ebke, Gesellschaften aus Delaware auf dem Vormarsch – Der BGH macht es möglich, RiW 2004, 470; Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 1. Auflage 2004; Feldhaus, Das Erfordernis wirtschaftlicher Inlandstätigkeit beim grenzüberschreitenden (Herein-) Formwechsel nach „Polbud“, BB 2017, 2819; Fingerhuth/Rumpf, MoMiG und die grenzüberschreitende Sitzverlegung – die Sitztheorie ein (lebendes) Fossil?, IPrax 2008, 90; Förster, Grenzüberschreitende Umstrukturierungen, DStR 2020, 865; Franz, Internationales Gesellschaftsrecht und deutsche Kapitalgesellschaften im In- und Ausland, BB 2009, 1250; Frenzel/Axer, EG-Mitgliedstaat durch die Hintertür?, RiW 2007, 47; Geyrhalter/Weber, Transnationale Verschmelzungen – im Spannungsfeld zwischen SEVIC Systems und der Verschmelzungsrichtlinie, DStR 2006, 146; Gottschalk, Beschränkungen für schweizerische Aktiengesellschaften mit Sitz in Deutschland gelten fort, ZIP 2009, 948; Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, 5. Auflage 2019; Heckschen/Hilser, Grenzüberschreitender Gesellschaftszuzug aus Drittstaaten nach Deutschland am Praxisbeispiel einer Schweizer Aktiengesellschaft – Teil I, DStR 2022, 1005; Herrler, Gewährleistung des Wegzugs von Gesellschaften durch Art. 43, 48 EG nur in Form der Herausumwandlung – Anmerkungen zum Urt. des EuGH vom 16.12.2008 – Rs. C-210/06 (Cartesio), DNotZ 2009, 484; Hoffmann, Die grenzüberschreitende Verschmelzung auf eine deutsche Personengesellschaft, NZG 2019, 1208; Hoger/Lieder, Die grenzüberschreitende Anwachsung, ZHR 180 (2016), 613; Hushahn, Der isolierte grenzüberschreitende Formwechsel – Zugleich Anmerkung zum Urteil des EuGH v. 25.10.2017 in der Rechtssache Polbud –, RNotZ 2018, 23; Jochum/Hemmelrath, Der grenzüberschreitende Hinausformwechsel in Europa, IStR 2019, 517; Klett, Das Vierte Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes, NZG 2019, 292; Kieninger, Niederlassungsfreiheit als Freiheit der nachträglichen Rechtswahl, NJW 2017, 3624; Kindler, Internationales Gesellschaftsrecht 2009: MoMiG, Trabrennbahn, Cartesio und die Folgen, IPrax 2009, 189; Kindler, Unternehmensmobilität nach „Polbud“: Der grenzüberschreitende Formwechsel in Gestal-

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Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht | Kap. 2 tungspraxis und Rechtspolitik, NZG 2018, 1; Kovács, Der grenzüberschreitende (Herein-) Formwechsel in der Praxis nach dem Polbud-Urteil des EuGH, ZIP 2018, 253; Leible, Niederlassungsfreiheit und Sitzverlegungsrichtlinie, ZGR 2004, 531; Leible/Hoffmann, Cartesio – fortgeltende Sitztheorie, grenzüberschreitender Formwechsel und Verbot materiellrechtlicher Wegzugsbeschränkungen, BB 2009, 58; Leible/Hoffmann, Grenzüberschreitende Verschmelzungen im Binnenmarkt nach SEVIC, RiW 2006, 161; Leitzen, Die GmbH mit Verwaltungssitz im Ausland, NZG 2009, 728; Luy, Grenzüberschreitende Umwandlung nach dem Company Law Package, NJW 2019, 1905; Luy, Grenzüberschreitende Umwandlungen und Brexit, DNotZ 2019, 484; Kallmeyer/Kappes, Grenzüberschreitende Verschmelzungen und Spaltungen nach SEVIC-Systems und der EU-Verschmelzungsrichtlinie, AG 2006, 224; Kiem, Die Regelung der grenzüberschreitenden Verschmelzung im deutschen Umwandlungsgesetz, WM 2006, 1091; Koch, Freie Sitzwahl für Personengesellschaften, ZHR 173 (2009), 101; Krause/ Kulpa, Grenzüberschreitende Verschmelzungen, ZHR 171 (2007), 38; Kuntz, Internationales Umwandlungsrecht – zugleich eine Besprechung des Urteils „Sevic Systems“, IStR 2006, 224; Mörsdorf, Nun also doch! – Die überraschende Umdeutung der Niederlassungsfreiheit zur Rechtswahlfreiheit durch den EuGH im Urteil Polbud, ZIP 2017, 2381; Neumayer, Betrachtungen zum internationalen Konzernrecht, ZVglRWiss 83 (1984), 129; Oechsler, Die Polbud-Entscheidung und die Sitzverlegung der SE, ZIP 2018, 1269; Omlor, Europäische Stiftungsmobilität: Gründungstheorie im Internationalen Stiftungsrecht, DStR 2021, 2644; Otte/Rieschel, Freifahrschein für den grenzüberschreitenden Rechtsformwechsel nach „Cartesio“?, GmbHR 2009, 983; Peters, Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes der GmbH ins Ausland, GmbHR 2008, 245; Paefgen, „Deutsche“ Corporations im System des Gesellschaftsrechts, DZWiR 2003, 441; Paefgen, „Cartesio“: Niederlassungsfreiheit minderer Güte, WM 2009, 526; Samson/Flindt, Internationale Unternehmenszusammenschlüsse, NZG 2006, 290; Punte/Klemens, Gesellschaftsrechtlicher Brexit: Viertes Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes, GWR 2019, 41; Prinz, Globalisierung des deutschen Umwandlungssteuerrechts durch das KöMoG – Begrüßenswert, aber unvollständig, FR 2021, 561; Prinz, Grenzüberschreitende Mobilität von Personengesellschaften – ein vergessenes „Rechtskapitel“?, Gastkommentar DB 25/ 2022; Rubner/Leuering, Die grenzüberschreitende Verschmelzung auf eine OHG oder KG, NJW-Spezial 2019, 335; Schall, Der grenzüberschreitende Formwechsel in Europa nach Polbud, ZfPW 2018, 176; Schmidt, Grenzüberschreitender Formwechsel in der EU Eckpunkte des Rechtsrahmens und Herausforderungen bei der Umsetzung, ZEuP 2020, 565; Schall, Grenzüberschreitende Umwandlung der Limited (UK) mit deutschem Verwaltungssitz – Optionen für den Fall des Brexit, ZfPW 2016, 407; Schmidt, Der UmRUG-Referentenentwurf: grenzüberschreitende Umwandlungen 2.0 – und vieles mehr, NZG 2022, 579; Schnittker/Benecke, Wegzug und Zuzug von Personengesellschaften, FR 2010, 565; Schollmeyer, Von der Niederlassungsfreiheit zur Rechtswahlfreiheit, ZGR 2018, 186; Stieger, Grenzüberschreitender Formwechsel: Zulässigkeit eines Herausformwechsels, AG 2017, 846; Spahlinger/Wegen, Deutsche Gesellschaften in grenzüberschreitenden Umwandlungen nach „SEVIC“ und der Verschmelzungsrichtlinie in der Praxis, NZG 2006, 721; v. Spindler, Wanderungen gewerblicher Körperschaften von Staat zu Staat als Problem des internen und des internationalen Privatrechts, 1932; Stelmaszczyk, Grenzüberschreitender Formwechsel durch isolierte Verlegung des Satzungssitzes – EuGH präzisiert den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit, EuZW 2017, 890; Stiegler, Grenzüberschreitende Mobilität von Personengesellschaften, ZGR 2017, 312; Stöber, Grenzüberschreitende Umwandlungen und ihre Besteuerung im Lichte der Niederlassungsfreiheit, ZIP 2012, 1273; Teichmann, Der grenzüberschreitende Formwechsel ist spruchreif: das Urteil des EuGH in der Rs. Vale, DB 2012, 2085; Teichmann, Cartesio: Die Freiheit zum formwechselnden Wegzug, ZIP 2009, 393; Teichmann, Binnenmarktmobilität von Gesellschaften nach SEVIC, ZIP 2006, 355; Teichmann/Knaier, Grenzüberschreitender Formwechsel nach „Polbud“, GmbHR 2017, 1314; Thümmel/Hack, Die grenzüberschreitende Verschmelzung von Personengesellschaften, Der Konzern 2009, 1; Weiss/Wolhlert, Die SEVICEntscheidung des EuGH – „sudden death“ für Societas Europaea und Richtlinie zur grenzüber-

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Kap. 2 Rz. 2.1 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht schreitenden Verschmelzung und Wegbereiter für grenzüberschreitende Spaltung?, WM 2007, 580; Wicke, Mobilität europäischer Kapitalgesellschaften am Vorabend der 14. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie über die grenzüberschreitende Sitzverlegung, GPR 2010, 283; Zimmer/ Naendrup, Das Cartesio-Urteil des EuGH: Rück- oder Fortschritt für das internationale Gesellschaftsrecht?, NJW 2009, 545.

A. Einleitung 2.1 Trotz der großen wirtschaftlichen Bedeutung sind die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit grenzüberschreitender Umwandlungen und das anzuwendende Verfahren bislang nur teilweise geregelt.1 Am größten ist die Regelungsdichte, wo ausschließlich Kapitalgesellschaften involviert sind und wo Umwandlungen zwischen Gesellschaften aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten der EU bzw. des EWR stattfinden. Deutlich geringer ist die Regelungsdichte bei Bezug zu Drittstaaten und bei der Beteiligung von Personengesellschaften. Neben einigen völkerrechtlichen Verträgen existieren hier kaum einschlägige Vorschriften oder Gerichtsurteile, die als Richtschnur dienen können. Allerdings wurden in den letzten Jahren – insbesondere auf europäischer, aber auch auf nationaler Ebene – eine Reihe z.T. bahnbrechender Gerichtsentscheidungen erlassen und Rechtsnormen geschaffen, die grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge zum Gegenstand haben. Das hat auch Bewegung in die rechtswissenschaftliche Diskussion gebracht, die die Ergebnisse insbesondere der Rechtsprechung im Hinblick auf noch nicht entschiedene Fallgestaltungen weiterentwickelt und so ein steigendes Maß an Transaktionssicherheit schafft. Ziel der nachfolgenden Ausführungen ist es, für den Praktiker klar erkennbar zu machen, welche Umstrukturierungsmöglichkeit aus gesellschaftsrechtlicher Sicht sicher funktioniert, welche richtigerweise funktionieren sollte (aber im Vorfeld mit den beteiligten Registergerichten und etwaigen weiteren Rechtsträgern abgestimmt werden muss) und was (zumindest derzeit) noch nicht zulässig ist.

B. Rechtliche Rahmenbedingungen und Grundlagen I. Deutsches Gesellschaftsrecht

2.2 Umwandlungsformen. Das deutsche Recht regelt die zur Verfügung stehenden Umwandlungsformen im Umwandlungsgesetz. Als denkbare Umwandlungsmaßnahmen kommen neben der Verschmelzung die Spaltung, die Vermögensübertragung und der Formwechsel infrage. Dieser Katalog ist abschließend; es existieren keine weiteren Umwandlungsmethoden im engeren Sinne (numerus clausus). Daneben werden regelmäßig die Verlegung des Verwaltungs- und des Satzungssitzes als Umwandlungsbzw. Restrukturierungsmaßnahmen im weiteren Sinne angesehen, so dass auch sie im Folgenden behandelt werden. Das Umwandlungsgesetz ist jedoch grundsätzlich 1 Der Autor dankt Herrn Jan Kaminski und Herrn Dr. Matthias Klefisch für die wertvolle Unterstützung bei der Überarbeitung des Manuskripts für die zweite Auflage dieses Kapitels.

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B. Rechtliche Rahmenbedingungen und Grundlagen | Rz. 2.4 Kap. 2

nur auf Rechtsträger mit Sitz im Inland anwendbar, § 1 Abs. 1 UmwG. Als Ausnahme hiervon sind seit 2007 Verschmelzungen und ab 1.3.2023 auch Spaltungen und Formwechsel von deutschen Kapitalgesellschaften und, in beschränktem Umfang, von Personenhandelsgesellschaften mit grenzüberschreitendem Bezug in den oder aus dem EU-und EWR-Raum gesetzlich geregelt (§§ 305 ff. UmwG1). Umwandlungsmaßnahmen anderer Gesellschaftstypen oder mit Bezug zu anderen Jurisdiktionen sind hingegen nicht von diesem Gesetz umfasst.2 Für ertragsteuerliche Umwandlungszwecke mit dem Wahlrecht zur Erlangung einer antragegebundenen Buchwertverknüpfung statt Realisation stiller Reserven gilt das UmwStG, das allerdings in weiten Bereichen nicht mit dem UmwG abgestimmt ist.3 Sitztheorie. Im Hinblick auf das internationale Gesellschafts- und Umwandlungsrecht wird von deutschen Gerichten seit jeher die gesetzlich zwar nicht kodifizierte, aber gewohnheitsrechtlich anerkannte Sitztheorie vertreten. Sie besagt, dass eine Gesellschaft, die ihren Verwaltungssitz in Deutschland hat, hier nur dann als rechtsfähig anerkannt wird, wenn sie nach den Vorschriften des deutschen Rechts gegründet wurde.4 Es kommt nicht auf den Sitz an, der in der Satzung bestimmt ist, sondern auf den tatsächlichen Geschäfts- und Verwaltungssitz. Will also beispielsweise eine japanische Aktiengesellschaft ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegen, so muss sie dabei die Gründungsvorschriften für eine Gesellschaft deutschen Rechts erfüllen. Die japanische Gesellschaftsform wird nicht akzeptiert. Diese Theorie fußt auf dem Gedanken, dass Gläubiger und Minderheitsgesellschafter davor geschützt werden sollen, durch Gesellschaften aus Ländern mit niedrigerem Schutzniveau geschädigt zu werden.5 Letztlich soll zudem auch ein sog. „race to the bottom“ verhindert werden, also ein Wettbewerb der Länder, der zu immer niedrigeren Regelungsstandards führt. Die Kehrseite der Medaille liegt in der mobilitätshemmenden Wirkung der Sitztheorie. Sie lässt es nur sehr eingeschränkt zu, dass sich Gesellschaften – aus welchen Gründen auch immer – durch entsprechende Sitzverlegung geographisch umorientieren.

2.3

Die Sitztheorie ist daher immer wieder in die Kritik geraten, vor allem vor dem Hintergrund europarechtlicher Vorgaben (dazu sogleich). Dennoch scheiterte im Jahr 2008 ein Regierungsentwurf zur Abschaffung der Sitz- und Einführung der sog. Gründungstheorie6 am Widerstand von Politik und Gewerkschaften. Eine gewisse

2.4

1 Im Folgenden werden die einschlägigen Regelungen des Umwandlungsgesetzes in der ab 1.2.2023 geltenden Nummerierung (§§ 305 ff.) angegeben und die etwaige frühere Nummerierung der §§ 122a ff. in den Fußnoten genannt. 2 Vgl. hierzu BT-Drucks. 20/3822, 109. 3 Vgl. Prinz, Gastkommentar DB 25/2022; Prinz, FR 2021, 561; Holle/Krüger/Weiss, IStR 2021, 489; Jacobsen, DStZ 2021, 490. 4 BGH v. 1.7.2002 – II ZR 380/00, BB 2002, 2031 (2032); Kindler in MünchKomm/BGB8, Band 13, Internationales Wirtschaftsrecht, Rz. 423 ff. 5 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4, § 1 II S. 27 m.w.N. 6 RefE für ein Gesetz zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen v. 7.1.2008, https://rsw.beck.de/docs/librariesprovider5/rsw-dokumente/ Referentenentwurf-IGR.

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Kap. 2 Rz. 2.4 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht

Einschränkung hat die Sitztheorie jedoch im selben Jahr durch das MoMiG1 erfahren: Mit der Änderung der §§ 4a GmbHG und 5 AktG ist es seitdem Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften sowie Kapitalgesellschaften auf Aktien erlaubt, ihren Verwaltungssitz ins Ausland zu verlagern. Für alle übrigen Fallgestaltungen hält die Rechtsprechung aber an der Sitztheorie fest, was ein massives Hindernis für grenzüberschreitende Umwandlungsmaßnahmen darstellt. Ab 1.1.2024, mit Inkrafttreten des MoPeG2, wird sich das aber für die meisten Personengesellschaftsformen ändern: § 706 Satz 2 BGB n.F. gewährt dann den Gesellschaftern einer im Gesellschaftsregister eingetragenen rechtsfähigen BGB-Gesellschaft die Möglichkeit, den Sitz der Gesellschaft vertraglich im Inland festzulegen, während der Verwaltungssitz im Ausland (sei es ein EU-Mitgliedstaat oder ein Drittland) liegt.3 Gleiches gilt aufgrund der gesetzlichen Verweise auch für die Personenhandelsgesellschaften und die Partnerschaftsgesellschaft. II. Überlagerung des deutschen Rechts durch europäisches Recht bei EUBezug 1. EU-Vertragsrecht und Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs

2.5 Niederlassungsfreiheit. Sofern eine Umwandlungsmaßnahme einen Bezug zu anderen Mitgliedstaaten der EU aufweist, wird das deutsche Gesellschaftsrecht durch europarechtliche Vorgaben überlagert.4 Ausgangspunkt ist die in den Art. 49 und 54 AEUV5 festgelegte Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit. Verboten ist danach jede unmittelbare oder mittelbare, bewusste oder unbewusste Beschränkung der Freiheit, sich in einem Land der Europäischen Union niederzulassen, soweit nicht zwingende Gründe des Allgemeinwohls eine solche Beschränkung rechtfertigen, die Beschränkung in nicht diskriminierender Weise erfolgt und die eingesetzten Mittel geeignet und erforderlich sind, um dieses Ziel zu erreichen.6 2.6 Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einer Reihe richtungweisender Entscheidungen die Auswirkungen dieser Grundfreiheiten auf Umwandlungen innerhalb der EU konkretisiert, nationale Restriktionen auf diesem Gebiet aufgebrochen und so den Weg für einzelne Formen der Umwandlung geebnet. Die Kenntnis des wesentlichen Inhalts dieser Urteile ist für das weitere Verständnis von wesentlicher Bedeutung, weshalb die Kernaussagen im Folgenden erläutert werden.7 1 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), BGBl. I 2008, 2026. 2 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436, 3438. 3 Vgl. die Gesetzesbegründung zum MoPeG, BT-Drucks. 19/27635, 126. 4 J. Schmidt, EuZW 2021, 613 (614). 5 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EU Nr. C 115, 47. 6 Vgl. zuletzt EuGH v. 25.10.2017 – C-106/16 – Polbud, NJW 2017, 3639; s. hierzu ausführlich Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht5, 1 ff.; Behme, ZHR 182 (2018), 32 (54). 7 Eine ausführliche Darstellung der Urteile und Konsequenzen finden sich in Habersack/ Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht5, 34 ff.

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B. Rechtliche Rahmenbedingungen und Grundlagen | Rz. 2.9 Kap. 2

„Daily Mail“1. In der „Daily-Mail“-Entscheidung ging es um eine englische Holdinggesellschaft, die aus steuerlichen Gründen ihren Verwaltungssitz in die Niederlande verlegen wollte. Die hierfür nach englischem Recht erforderliche behördliche Genehmigung wurde verweigert. Die Klage hiergegen hatte keinen Erfolg. Der EuGH führte aus, dass Gesellschaften auf der Basis der jeweiligen nationalen Rechtsordnung errichtet würden und folglich auch deren Existenz zur Disposition dieser Rechtsordnung stünde. Jenseits der Landesgrenzen besäßen sie daher keine vorgegebene Rechtsfähigkeit (sog. „Geschöpftheorie“). Daher stehe es jedem Mitgliedstaat frei, innerhalb seiner Rechtsordnung sowohl den Wegzug als auch den Zuzug von Gesellschaften zu untersagen. Ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit sei darin nicht zu sehen.

2.7

„Centros“2 „Überseering“3 und „Inspire Art“4. In diesen drei Entscheidungen hat der EuGH seine Rechtsprechungslinie aus der „Daily-Mail“-Entscheidung in der Weise aufgegeben, dass jedenfalls der Zuzug von Gesellschaften aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union unter die Niederlassungsfreiheit fällt. Der Rechtssache „Centros“ lag der Sachverhalt zugrunde, dass eine in England gegründete Gesellschaft dort nur eine Briefkastenfirma war und tatsächlich von Dänemark aus betrieben wurde, wo der Verwaltungssitz lag. Der Antrag auf Eintragung einer Zweigniederlassung in Dänemark wurde von den dortigen Behörden indes verweigert. In dieser Weigerung erblickte der EuGH eine nicht zu rechtfertigende Diskriminierung und einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit. Quintessenz dieser Entscheidung war, dass fortan Gesellschaften, die in einem Staat der EU wirksam gegründet worden waren, von nun an ihren Verwaltungssitz in andere Staaten der EU verlegen konnten, sofern das Recht des Wegzugsstaates dies gestattete. Der Zuzugsstaat hatte folglich die Rechtsfähigkeit der zugezogenen Gesellschaft zu akzeptieren, weshalb erste Zweifel an der Vereinbarkeit der Sitztheorie mit Europarecht aufkamen. Der EuGH hat sich zu dieser Frage allerdings nie klar positioniert, sondern vielmehr in den Entscheidungen „Überseering“ und „Inspire Art“ seine Rechtsprechung weiter gefestigt. In der „Überseering“-Entscheidung war eine niederländische B.V., die ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt hatte, Partei eines Rechtsstreits. Der EuGH urteilte, dass deutsche Gerichte der B.V. weder die Rechts- noch die Parteifähigkeit absprechen dürften. In der „Inspire Art“-Entscheidung beabsichtigte ein niederländisches Registergericht, eine Zweigniederlassung einer englischen Limited nur dann einzutragen, wenn diese den Zusatz „formal ausländische Gesellschaft“ tragen würde. Auch dies hielt der EuGH für eine nicht zu rechtfertigende Diskriminierung und somit für einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit.

2.8

„SEVIC“5. Die SEVIC-Entscheidung stellt eine stringente Fortführung der vorgenannten Urteile dar. Im zugrunde liegenden Sachverhalt sollte eine luxemburgische Aktiengesellschaft auf eine deutsche verschmolzen werden. Das deutsche Registerge-

2.9

1 2 3 4 5

EuGH v. 27.9.1988 – C-81/87 – Daily Mail, Slg. 1988, 5505 = NJW 1989, 2186. EuGH v. 9.3.1999 – C-212/97 – Centros, Slg. 1999, I-1459 = NJW 1999, 2027. EuGH v. 5.11.2002 – C-208/00 – Überseering, Slg. 2002, I-9919 = NZG 2002, 1164. EuGH v. 30.9.2003 – C-167/01 – Inspire Art, Slg. 2003, I-10155. EuGH v. 13.12.2005 – C-411/03 – SEVIC, Slg. I-10805 = NJW 2006, 425.

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Kap. 2 Rz. 2.9 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht

richt verweigerte die Eintragung der Verschmelzung. Der EuGH führt an, dass auch grenzüberschreitende Verschmelzungen als Ausprägung der Niederlassungsfreiheit zu verstehen seien: „Sie stellen besondere, für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes wichtige Modalitäten der Ausübung der Niederlassungsfreiheit dar und gehören damit zu den wirtschaftlichen Tätigkeiten, hinsichtlich derer die Mitgliedstaaten die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV beachten müssen.“1 Die Verweigerung der Eintragung einer solchen Verschmelzung sei nicht zu rechtfertigen. Die Tatsache, dass das deutsche Recht nur inländischen Gesellschaften die Verschmelzung als Umwandlung zur Verfügung stelle, sie ausländischen Gesellschaften aus der EU jedoch verweigere, sei nicht zu rechtfertigen, so dass die Mitgliedstaaten der EU es nicht verhindern dürften, dass Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten auf solche des eigenen Staates verschmolzen würden.

2.10 „Cartesio“2. In der „Cartesio“-Entscheidung hat der EuGH die „Daily-Mail“-Entscheidung erneut aufgegriffen und bestätigt, dass es den Mitgliedstaaten unbenommen sei, durch entsprechende gesellschaftsrechtliche Regelungen die identitätswahrende Mitnahme des Gesellschaftsstatuts in ein anderes Land zu verhindern. Der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit sei hiervon noch nicht erfasst. Er beginne erst, sobald das nationale Gesellschaftsrecht die Verlegung des Verwaltungssitzes erlaube. Eine ungarische Kommanditgesellschaft hatte beim ungarischen Registergericht beantragt einzutragen, dass sie in der Folge ihren Verwaltungssitz nach Italien verlegen werde. Dies wurde abgelehnt, da das ungarische Recht – basierend auf der Sitztheorie – eine Verlegung des Verwaltungssitzes nicht gestattete. Wesentlich bedeutsamer allerdings war das obiter dictum der Entscheidung. Obgleich nicht entscheidungserheblich, gab das Gericht an, dass ein Mitgliedstaat die Verlegung/den Umzug allerdings nicht verhindern dürfe, wenn eine wegziehende Gesellschaft ihren Sitz dergestalt verändert, dass sie das Recht und das Gesellschaftsstatut des Zuzugsstaates akzeptiert und in eine dort zur Verfügung stehende Rechtsform wechselt, sofern nicht zwingende Gründe des Allgemeinwohls dies erfordern und soweit dies nach dem Recht des Zuzugsstaates möglich ist. Somit können Staaten dem Grunde nach nur den statutswahrenden, jedoch nicht den statutsändernden Umzug in einen anderen Mitgliedstaat verhindern. 2.11 „VALE“3. Die Rechtssache „VALE“ betrifft im weiteren Sinne die Zulässigkeit eines grenzüberschreitenden Formwechsels bzw. einer „grenzüberschreitenden Umwandlung“. Im zugrunde liegenden Sachverhalt beabsichtigte eine italienische Gesellschaft, ihren Sitz und ihre Tätigkeit nach Ungarn zu verlegen und ihre Tätigkeit in Italien einzustellen. Beim italienischen Registergericht wurde daraufhin auf entsprechenden Antrag unter dem Vermerk „Die Gesellschaft hat ihren Sitz nach Ungarn verlegt“ aus dem italienischen Handelsregister gelöscht. Einige Monate später wurde eine ungarische Gesellschaft zum ungarischen Handelsregister angemeldet. Im Rahmen der An1 EuGH v. 13.12.2005 – C-411/03 – SEVIC, Slg. I-10805 = NJW 2006, 425 a.E. 2 EuGH v. 16.12.2008 – C-210/06 – Cartesio, Slg. 2008, I-9641 = NJW 2009, 569; bestätigt durch EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, ZIP 2012, 169 (171). 3 EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10 – VALE, BB 2012, 1614, ZIP 2012, 1394 m. Anm. Mörsdorf/Jopen; Bayer/Schmidt, ZIP 2012, 1481.

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B. Rechtliche Rahmenbedingungen und Grundlagen | Rz. 2.12 Kap. 2

meldung zum Handelsregister wurde als „Rechtsvorgängerin“ der ungarischen Gesellschaft die italienische Gesellschaft angegeben.1 Das Registergericht lehnte die Anmeldung ab, weil eine italienische Gesellschaft ihren Sitz nicht nach Ungarn verlegen und dort als Rechtsvorgängerin einer ungarischen Gesellschaft eingetragen werden könne. Eine solche Umwandlung stehe nur ungarischen Gesellschaften zur Verfügung. Der EuGH urteilte – parallel zur „SEVIC“-Entscheidung –, dass es einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit darstellt, wenn das nationale Recht eines Mitgliedstaates seinen Gesellschaften eine Umwandlung ermöglicht, dies aber Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten generell verwehrt. Unbenommen bleibt es dem Aufnahmestaat aber, die für die jeweilige Umwandlung maßgebenden Vorschriften festzulegen und auch im Falle einer grenzüberschreitenden Umwandlung auf der Einhaltung dieser Vorschriften zu beharren, sofern diese nicht ausländische Gesellschaften ungünstiger behandeln als inländische Gesellschaften und den ausländischen Gesellschaften die Ausübung der Niederlassungsfreiheit nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren. „Polbud“2. Mit dieser Entscheidung rundete der EuGH seine Ausführungen in der Rechtssache „VALE“ ab und stellte klar, dass auch eine isolierte Verlegung des Satzungssitzes ins EU-Ausland, verbunden mit einem Wechsel in eine Rechtsform des Zuzugsstaats aber ohne gleichzeitige Verlegung auch des Verwaltungssitzes, von der Niederlassungsfreiheit geschützt ist. Eine polnische GmbH (sp. z o.o.) hatte aufgrund eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses ihren Satzungssitz nach Luxemburg verlegt und war im dortigen Handelsregister als luxemburgische GmbH (S.à r.l) eingetragen worden. Die abschließende Löschung im polnischen Register wurde vom dortigen Registergericht aber abgelehnt, weil die nach polnischem Recht erforderlichen Nachweise über den Abschluss des Liquidationsverfahrens nicht eingereicht worden seien. Der EuGH stellte klar, dass es die Niederlassungsfreiheit der betroffenen Gesellschaft verletzt, wenn das polnische Recht als Voraussetzung für eine identitätswahrende Verlegung des Satzungssitzes aus Polen hinaus verlangt, dass die polnischen Vorschriften für eine Liquidation der Gesellschaft einzuhalten seien. Zudem sei es vom Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit umfasst, wenn eine Gesellschaft, wie im zu entscheidenden Fall, alleine ihren Satzungssitz ins Ausland verlege, nicht aber ihren Verwaltungssitz oder ihre Geschäftstätigkeit im Wegzugsstaat.

1 Unzutreffenden Übersetzungen ist es geschuldet, dass zum Teil von „grenzüberschreitender Neugründung“ die Rede ist (englisch: „cross-border conversion“). Jedoch handelt es sich bei dem zugrunde liegenden Fall um einen Formwechsel, bei dem es gerade nicht um die Auflösung und Neugründung einer Gesellschaft, sondern um die identitätswahrende Umwandlung geht; vgl. Bayer/Schmidt, ZIP 2012, 1481 (1484) m.w.N. 2 EuGH v. 25.10.2017 – C-106/16 – Polbud, NJW 2017, 3639; dazu Bayer/Schmidt, ZIP 2017, 2225; Feldhaus, BB 2017, 2819; Behme, ZHR 182 (2018), 32; Hushahn, RNotZ 2018, 23; Kieninger, NJW 2017, 3624; Kindler, NZG 2018, 1; Kovács, ZIP 2018, 253; Jochum/ Hemmelrath, IStR 2019, 517 (519 f.); Mörsdorf, ZIP 2017, 2381; Oechsler, ZIP 2018, 1269; Schall, ZfPW 2018, 176; Schollmeyer, ZGR 2018, 186; Stelmaszczyk, EuZW 2017, 890; Stieger, AG 2017, 846; Teichmann/Knaier, GmbHR 2017, 1314.

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2.12

Kap. 2 Rz. 2.13 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht

2.13 Primäre und sekundäre Niederlassungsfreiheit. Aus den vorgenannten Urteilen wurden Grundsätze für die Rechte von Gesellschaften in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit abgeleitet,1 wobei man begrifflich zwischen primärer und sekundärer Niederlassungsfreiheit differenziert. Die primäre Niederlassungsfreiheit verpflichtet staatliche Organe aller Mitgliedstaaten, Gesellschaften, die in einem Mitgliedstaat wirksam gegründet wurden, ihren Satzungssitz dort haben und ihrer Rechtsfähigkeit nicht durch die Verlegung ihres Verwaltungssitzes in einen anderen Mitgliedstaat verlustig wurden, als rechts- und parteifähig anzuerkennen.2 Die sekundäre Niederlassungsfreiheit beinhaltet das Recht, in anderen Mitgliedstaaten Zweigniederlassungen zu errichten, ohne aber dem dortigen Gesellschaftsrecht bzgl. Gründungsvoraussetzungen, Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften unterworfen zu sein.3 2.14 Gründungstheorie bei Sachverhalten mit Bezug zur EU. Im Anschluss an die Entscheidungen „Centros“, „Inspire Art“ und „Überseering“ hat der BGH in der Folgezeit die Sitztheorie in den Fällen aufgegeben, in denen die jeweilige Maßnahme unter die europäische Niederlassungsfreiheit fällt.4 Nur dann wendet er die sog. „Gründungstheorie“ bei Sachverhalten mit Bezug zur EU an.5 Sie knüpft das Gesellschaftsstatut nicht an den jeweiligen Verwaltungssitz der Gesellschaft an, sondern an den Ort der Gründung.6 2. Richtlinien, Verordnungen und Reformvorhaben

2.15 Über die Jahre hat die Europäische Kommission diverse Richtlinien und Verordnungen erlassen, die dazu beigetragen haben, nationale Umwandlungsvorschriften aufeinander abzustimmen und zu vereinheitlichen.7 Die meisten dieser Vorschriften regeln indes nur die innerstaatliche Ebene und haben daher kaum dazu beigetragen, grenzüberschreitende Umwandlungen zu vereinfachen.8 Erste Ausnahme war die europäische Verschmelzungsrichtlinie9, die im Jahre 2007 in den §§ 122a ff. UmwG a.F. 1 Förster, DStR 2020, 865 (867). 2 EuGH v. 5.11.2002 – C-208/00 – Überseering, Slg. 2002, I-9919 = NZG 2002, 1164 (1169); Kindler in MünchKomm/BGB8, Band 13, Internationales Wirtschaftsrecht, Rz. 142. 3 Kindler in MünchKomm/BGB8, Band 13, Internationales Wirtschaftsrecht, Rz. 142. 4 BGH v. 12.7.2011 – II ZR 28/10, NJW 2011, 3372 (3373); v. 13.3.2003 – VII ZR 370/98, NJW 2003, 1461; v. 14.3.2005 – II ZR 5/03, NJW 2005, 1648; v. 19.9.2005 – II ZR 372/03, NJW 2005, 3351; v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, NJW 2009, 289; Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht5, 24 f. 5 J. Schmidt, EuZW 2021, 613 (614). 6 J. Schmidt, EuZW 2021, 613; Omlor, DStR 2021, 2644. 7 Vgl. hier insbesondere die Verschmelzungsrichtlinie Nr. 78/855/EG (ABl. EU 1978 L 296, 36), die Spaltungsrichtlinie Nr. 82/891/EG (ABl. EU 1982 L 378, 47) und die Übernahmerichtlinie Nr. 2004/25/EG (ABl. EU 2004 L 142, 12). 8 Vgl. zu den einzelnen Richtlinien auch Kindler in MünchKomm/BGB8, Band 13, Internationales Wirtschaftsrecht, Rz. 28 ff. 9 Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.10.2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, ABl. EU Nr. L 310/1, geändert ABl. EU Nr. L 28/40.

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B. Rechtliche Rahmenbedingungen und Grundlagen | Rz. 2.17 Kap. 2

in deutsches Recht umgesetzt wurde und für grenzüberschreitende Verschmelzungen unter ausschließlicher Beteiligung von Kapitalgesellschaften Anwendung fand. Es folgten die Gesellschaftsrechts-Richtlinie1, die durch die Umwandlungs-Richtlinie2 modifiziert wurde. 3. Europäische Gesellschaftsformen SE, EWIV und SCE. Das internationale Gesellschaftsrecht wurde besonders durch die Schaffung europäischer Gesellschaftsformen, namentlich der Societas Europaea (SE), der europäischen Genossenschaft sowie der Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) beeinflusst. Während die europäische Genossenschaft und die EWIV in wirtschaftlicher Hinsicht ein Schattendasein führen, erfreut sich die SE größerer Beliebtheit, sowohl im Bereich börsennotierter Unternehmen als auch bei familiengeführten Holdinggesellschaften. Dies liegt vor allem daran, dass sie der deutschen Aktiengesellschaft in vielen Bereichen stark angenähert ist, jedoch in einigen Punkten deutlich flexiblere Gestaltungsmöglichkeiten aufweist. Hervorzuheben ist insbesondere die Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Gestaltung der Geschäftsführung und der besonderen Mitbestimmungsregeln.3 Darüber hinaus weist sie einige Besonderheiten auf, die gerade auch im Hinblick auf grenzüberschreitende Umwandlungen zum Tragen kommen (Rz. 2.70, Rz. 2.143).

2.16

III. Anwendung der Regeln der Europäischen Union auf die Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) Anwendung der EU-Vorschriften. Die Staaten des EWR haben sich völkerrechtlich verpflichtet, die Vorschriften der EU einschließlich der Rechtsprechung des EuGH (acquis communautaire) in identischer Weise anzuwenden, wenn Gesellschaften aus dem Raum des EWR in Umwandlungsmaßnahmen involviert sind.4 Hierzu zählt insbesondere die Niederlassungsfreiheit der Art. 49, 54 AEUV. Der EuGH hat hierzu festgestellt, dass die Art. 31, 34 EWR dem Grunde nach hiermit inhaltlich übereinstimmen.5 Folglich gilt auch für Norwegen, Liechtenstein und Island die Niederlas1 Richtlinie 2017/1132/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.6.2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts, ABl. EU Nr. L 169/46. 2 Richtlinie 2019/2525/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.11.2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen, ABl. EU Nr. L 321/1; dazu Luy, NJW 2019, 1905. 3 Zu der rechtlichen Ausgestaltung der SE vgl. den Kommentar von Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE3; Gesell/Berjasevic in Gesellschaftsrecht in Europa Teil 2, § 4 Europäische Aktiengesellschaft SE (SE – Societas Europaea). 4 Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, ABl. EU 1994 Nr. L 1, 3.; BGH v. 19.9.2005 – II ZR 372/03, NJW 2005, 3351; v. 8.10.2009 – IX ZR 227/06, GmbHR 2010, 211; Bayer/Schmidt, ZHR 173 (2009), 735 (738). 5 EuGH v. 23.10.2008 – C-157/07 – Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, IStR 2008, 769 (770); EuGH v. 5.7.2007 – C-522/04 – Kommission ./. Belgien, Slg. 2007, I05701, abrufbar über juris; EuGH v. 18.1.2007 – C-104/06 – Kommission ./. Schweden, Slg. 2007, I-671; EuGH v. 26.10.2006 – C-345/05 – Kommission ./. Portugal, Slg. 2006, I10633.

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2.17

Kap. 2 Rz. 2.17 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht

sungsfreiheit der EU. Daraus resultiert, dass grenzüberschreitende Umwandlungen mit Bezug zu EWR-Staaten gleich behandelt werden, wie bei einem Bezug zu EUStaaten.1 IV. Schweiz

2.18 Die Schweiz ist der einzige Staat der Europäischen Freihandelszone (EFTA), der dem EWR nicht beigetreten ist. Daraus folgt, dass die Vorschriften der EU und des EWR einschließlich der Urteile des EuGH nicht, auch nicht analog, auf Umwandlungsmaßnahmen zwischen deutschen und Schweizer Gesellschaften anwendbar sind.2 Zwar hat die Schweiz in verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen Teile des acquis communautaire übernommen, aber nicht die das Gesellschaftsrecht betreffenden Regelungen. Daher sieht der BGH keinen Anlass, von der Sitztheorie in Bezug auf die Schweiz abzuweichen.3 Im Schweizer Recht ist dagegen die Gründungstheorie verankert.4 Daraus folgt, dass im Ausland wirksam errichtete Gesellschaften, die nach dem Gesellschaftsstatut ihres Herkunftslandes ihren Verwaltungssitz zulässiger Weise in die Schweiz verlegen, dort in ihrer ursprünglichen nichtschweizerischen Rechtsform als rechtsfähig behandelt werden. V. Großbritannien

2.19 Brexit, EU-UK Handels- und Kooperationsabkommen. Mit Wirkung ab dem 1.1.2021 wurde der zum 1.2.2020 wirksam gewordene Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union vollzogen. Seitdem finden auf Gesellschaften, die nach dem Recht des Vereinigten Königreichs gegründet wurden, weder der EU-Vertrag noch die dort normierten Grundfreiheiten unmittelbare Anwendung. Stattdessen richtet sich die rechtliche Behandlung dieser Gesellschaften in der EU und die Möglichkeit von Umwandlungsmaßnahmen zwischen britischen Gesellschaften und solchen der EU nach dem sog. EU-UK Handels- und Kooperationsabkommen vom 24.12.2020, das am 1.5.2021 formal in Kraft getreten ist.5 Das Abkommen sieht die Geltung der Niederlassungsfreiheit nicht ausdrücklich vor. Zwar wird die Gleichbehandlung mit Inländern und das Meistbegünstigungsprinzip in Bezug auf den Handel mit Waren und Dienstleistungen geregelt.6 Aber das Abkommen enthält auch die ausdrückliche „Klarstellung“, dass für die EU mit der Verpflichtung zur Inländerbehandlung nicht die Anforderung verbunden ist, juristischen Personen des Vereinigten Königreichs 1 BGH v. 19.9.2005 – II ZR 372/03, NJW 2005, 3351 m.w.N.; Sagasser in Sagasser/Bula/ Brünger, § 2 Rz. 41. 2 BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, NJW 2009, 289 (sog. „Trabrennbahn-Urteil“). 3 BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, NJW 2009, 289 (290 f.); vgl. hierzu Gottschalk, ZIP 2009, 948 ff. 4 Art. 154 Abs. 1 Schweizer IPR-Gesetz. 5 Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft einerseits und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland andererseits, ABl. EU 2020 Nr. L 444, 14 ff. („EU-UK Handels- und Kooperationsabkommen“). 6 EU-UK Handels- und Kooperationsabkommen, Art. SERVIN.2.3 Abs. 1, Art. SERVIN.2.4 Abs. 1 f.

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B. Rechtliche Rahmenbedingungen und Grundlagen | Rz. 2.21 Kap. 2

die gleiche Behandlung zu gewähren, die in einem EU-Mitgliedstaat aufgrund des AEUV juristischen Personen gewährt wird, die dem Recht eines anderen EU-Mitgliedstaats unterliegen.1 Der BGH2 hat im Februar 2021, nach Verkündung des EU-UK Handels- und Kooperationsabkommens, entschieden, dass Gesellschaften, die nach dem Recht des Vereinigten Königreichs bestehen, seit dem Brexit keine Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49, 54 AEUV mehr genießen. Das OLG München3 hat sich dieser Ansicht angeschlossen und dabei ausdrücklich formuliert, dass für diese Gesellschaften auch aus dem EU-UK Handels- und Kooperationsabkommen keine Geltung der Niederlassungsfreiheit folgt. Zwar gibt es auch gegenteilige Stimmen in der juristischen Literatur,4 aber angesichts der klaren Positionierung der Rechtsprechung haben sie wenig praktische Relevanz.

2.20

VI. Vereinigte Staaten von Amerika Freundschaftsvertrag. Für Umwandlungen zwischen deutschen und US-amerikanischen Gesellschaften existieren dem Grunde nach keine expliziten gesetzlichen Vorgaben. Für die Frage nach der Zulässigkeit einer speziellen Umwandlungsmaßnahme ist es zunächst erforderlich zu wissen, dass die USA im Gegensatz zu Deutschland die Gründungstheorie vertritt.5 Aus deutscher Sicht wiederum ist nach Ansicht des BGH bei der Frage nach der Anerkennung in Bezug auf deutsche und US-amerikanische Gesellschaften ebenfalls die Gründungstheorie anzuwenden.6 Hergeleitet wird dies aus dem „Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika“ vom 29.10.1954 (Freundschaftsvertrag).7 In Art. XXV Abs. 5 Satz 2 des Vertrages heißt es: „Gesellschaften, die gemäß den Gesetzen und sonstigen Vorschriften des einen Vertragsteils in dessen Gebiet errichtet sind, gelten als Gesellschaften dieses Vertragsteils; ihr rechtlicher Status wird in dem Gebiet des anderen Vertragsteils anerkannt.“ Aus dieser Vorschrift in Verbindung mit der Meistbegünstigungsklausel in Art. VII Abs. 4 des Vertrages8 und der Präambel, wonach der Vertrag auf den Grundsätzen der gegenseitig gewährten Inländerbehandlung und der unbedingten Meistbegünstigung beruht, zieht der BGH den Schluss, dass abweichend vom ansonsten geltenden deut1 2 3 4 5

EU-UK Handels- und Kooperationsabkommen, Annex SERVIN-1 Nr. 10. BGH, NZG 2021, 702. OLG München, NZG 2021, 1497. Schmidt, EuZW 2021, 613; Zwirlein-Forschner, IPRax 2021, 357. Hupka in MünchKomm/GmbHG, § 4a Rz. 31; Fingerhuth/Rumpf, IPrax 2008, 90 (91); Göthel, RiW 2006, 41 mit einer Auflistung zahlreicher Entscheidungen. 6 BGH v. 29.1.2003 – VIII ZR 155/02, BGHZ 153, 353 = NJW 2003, 1607; v. 5.7.2004 – II ZR 389/02, NZG 2004, 1001; v. 25.10.2006 – VII ZB 24/06, NJW-RR 2007, 574 (575); BGH v. 13.12.2012 – I ZR 150/11, GRUR 2013, 294; BeckRS 2022, 16981; Samson/Flindt, NZG 2006, 290 (292). Siehe auch BayObLG v. 28.6.2022 – 101 Sch 120/21. 7 BGBl. II 1956, 487. 8 Art. VII Abs. 4 lautet: „Den Staatsangehörigen und Gesellschaften jedes Vertragsteils sowie den von ihnen kontrollierten Unternehmen wird für die in diesem Artikel behandelten Angelegenheiten mindestens Meistbegünstigung gewährt.“

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2.21

Kap. 2 Rz. 2.21 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht

schen Internationalen Gesellschaftsrecht die Sitztheorie nicht anwendbar ist.1 Folglich hat der BGH die Sitztheorie also nicht nur gegenüber den Mitgliedstaaten der EU und des EWR aufgegeben, sondern auch gegenüber den USA.

2.22 Umwandlungsmaßnahmen. Bislang ungeklärt ist jedoch die Frage, ob grenzüberschreitende Umwandlungsmaßnahmen zwischen US-amerikanischen Gesellschaften und deutschen Gesellschaften zulässig sind. Anknüpfungspunkt kann auch hier nur der Freundschaftsvertrag sein. Der Vertrag ist anhand der Auslegungsgrundsätze der Art. 31–34 des Wiener Übereinkommens über die Verträge (Wiener Vertragsrechtskonvention, WVK) auszulegen, die zwar – da das WVK erst später geschlossen und ratifiziert wurde und die USA dieses Abkommen nicht ratifiziert haben – nicht unmittelbar gelten, aber gewohnheitsrechtlich seit langem anerkannte Grundsätze dokumentieren.2 Nach Art. 31 Abs. 1 WVK ist ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Ziels und Zwecks auszulegen. Für die Auslegung des Vertrages sind dabei vor allem der Wortlaut samt Präambel und Anlagen heranzuziehen. Darüber hinaus spielen auch spätere Veränderungen und außerhalb des Vertrages liegende Umstände (z.B. die spätere Übung, spätere Übereinkünfte) eine gewichtige Rolle. Daraus folgt, dass völkerrechtliche Verträge nicht streng am Wortlaut auszulegen sind, sondern vielmehr dynamisch, an veränderte Gegebenheiten angepasst. Dies ist auch im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, da der Vertrag zwischen Deutschland und den USA im Jahre 1954 geschlossen wurde. 2.23 Teilweise wird der Vertrag dahingehend interpretiert, dass er US-amerikanischen Gesellschaften nicht mehr Rechte gewähre, als dass sie in Deutschland in ihrer Rechtsform anerkannt werden. Die in Art. VII normierte Niederlassungsfreiheit rechtfertige darüber hinaus keine Gleichstellung mit Gesellschaften aus EU/EWR-Mitgliedstaaten, da dort Umwandlungsmaßnahmen – wie etwa die Verschmelzung – nicht explizit aufgelistet seien.3 Dies erscheint jedoch nicht zwingend. Zwar wird in Art. VII Abs. 1 Satz 3 nur z.B. die Errichtung und Unterhaltung von Zweigstellen, Büros und Fabriken sowie die Gründung von Gesellschaften des anderen Vertragsstaates explizit aufgeführt. Zugleich schreibt Art. VII Abs. 1 Satz 1 aber auch vor, dass Gesellschaften jedes Vertragsteils in dem Gebiet des anderen Vertragsteils Inländerbehandlung hinsichtlich der Ausübung jeder Art von geschäftlicher, industrieller, finanzieller oder sonstiger gegen Entgelt vorgenommener Tätigkeit gewährt wird. Die vorstehende Aufzählung ist daher nicht abschließend.4 Vielmehr kommt darin ein weites Verständnis der Niederlassungsfreiheit zum Ausdruck.5 Zudem ist entsprechend der ein1 BGH v. 13.10.2004 – I ZR 245/01, DStR 2004, 2113, m. Anm. Goette, DStR 2004, 2113. 2 BGH v. 13.5.1997 – 5 StR 596/98, NStZ 1998, 149 (151); BSG v. 12.1.2011 – B 12 KR 17/ 09 R, BSGE 107, 185; FG Düsseldorf v. 25.6.2021 – 2 K 622/18 G. 3 Ablehnend: Dostal in Römermann, GmbH-Recht3, § 26 Rz. 318; Kindler in MünchKomm/ BGB8, Band 13, Internationales Wirtschaftsrecht, Rz. 871; Simon/Rubner in KölnKomm zum UmwG, Vor §§ 122a ff., Rz. 41 ff.; Frenzel/Axer, RiW 2007, 47 ff. Offen: Hupka in MünchKomm/GmbHG, § 4a Rz. 97. 4 Frenzel/Axer, RiW 2007, 47 (49). 5 Paefgen, DZWiR 2003, 441 (443).

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B. Rechtliche Rahmenbedingungen und Grundlagen | Rz. 2.24 Kap. 2

gangs dargelegten Auslegungsgrundsätze zu beachten, dass völkerrechtliche Verträge einer dynamischen Auslegung zugänglich sind. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages im Jahre 1954 waren, bis auf die Verschmelzung von Aktiengesellschaften mit Genossenschaften und GmbHs (mit sehr geringer wirtschaftlicher Bedeutung), Umwandlungsmaßnahmen im deutschen Recht noch nicht geregelt.1 Es kann daher nicht verwundern, dass eine ausdrückliche Nennung von Umwandlungsmaßnahmen damals nicht erfolgte. Dass heute hingegen derartige Gestaltungsmaßnahmen einen großen wirtschaftlichen Stellenwert genießen, spricht für ihre Einbeziehung in Art. VII Abs. 1. Dieses weite Verständnis zeigt sich auch darin, dass nach Art. VII Abs. 4 den Gesellschaften des anderen Vertragsteils mindestens Meistbegünstigung gewährt wird.2 Auch der BGH legt diese Niederlassungsfreiheit im Lichte der EuGHRechtsprechung aus und zieht die Parallele zu Art. 49 AEUV.3 Der Begriff der Niederlassungsfreiheit im Freundschaftsvertrag ist daher dahingehend auszulegen, dass auch grenzüberschreitende Umwandlungsmaßnahmen zulässig sein müssen.4 Ob darüber hinaus die Meistbegünstigungsklausel des Art. VII Abs. 4 dahingehend ausgelegt werden kann, dass alle europarechtlichen Vorgaben, insbesondere der AEUV und die EuGH-Rechtsprechung, auch direkte Anwendung gegenüber USamerikanischen Gesellschaften finden, ist fraglich und bislang ungeklärt.5 Durch die Meistbegünstigungsklausel ist ein Staat dazu verpflichtet, den anderen Staat, dessen Staatsangehörige und Gesellschaften bzgl. aller Rechts- und Verwaltungsvorschriften ebenso zu behandeln, wie es der günstigsten Behandlung entspricht, die ein Drittstaat erfährt, Art. XXV Abs. 4. Sofern das deutsche Recht nunmehr aufgrund europarechtlicher Vorgaben Gesellschaften aus EU-/EWR-Mitgliedstaaten die Möglichkeit verschiedener Umwandlungsformen gewährt, wäre die Meistbegünstigungsklausel vom Wortlaut her erfüllt. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung geht jedoch einheitlich davon aus, dass das Gemeinschaftsrecht der EU/des EWR nicht unter die Meistbegünstigungsklausel fällt.6 Vor dem Hintergrund, dass die Europäische Union 1 Siehe hierzu ausführlich Bayer in Lutter, UmwG6, Einl. I Rz. 5; bis 1922 konnten nur Aktiengesellschaft untereinander verschmolzen werden, in Schritten von 1922, 1937 und 1965 konnten Aktiengesellschaften auch mit Genossenschaften und GmbHs verschmolzen werden. Andere Verschmelzungen gab es zur damaligen Zeit nicht. 2 Frenzel/Axer, RiW 2007, 47 (54 f.). 3 BGH v. 29.1.2003 – VIII ZR 155/02, NJW 2003, 1607 (1608) unter Verweis auf die Überseering-Entscheidung des EuGH; v. 5.7.2004 – II ZR 389/02, NZG 2004, 1001 (1002): „Insofern gilt hier Ähnliches ...“; BGH v. 13.10.2004 – I ZR 245/01, DStR 2004, 2113, m. Anm. Goette, DStR 2004, 2113. 4 Kiem in Habersack/Drinhausen3, § 122b UmwG Rz. 12; Prinz in Beck’sches HdB GmbH, § 16 Rz. 7; Drinhausen/Keinath, RiW 2006, 81 (87); Hoffmann, NZG 1999, 1077 (1082 f.); Kiem, WM 2006, 1091 (1093); Kuntz, IStR 2006, 224 (228); Samson/Flindt, NZG 2006, 209 (293); a.A.: Heckschen in W/M, § 122b UmwG Rz. 81 (Stand: Juli 2019); Binge/Thölke, DNotZ 2004, 21 (24). 5 Ausführlich hierzu Frenzel/Axer, RiW 2007, 47 (50) m.w.N. 6 BVerwG v. 29.4.1971 – I C 7/69, NJW 1971, 2141 (2142); BVerwG v. 5.4.2005 – 6 B 2/05, abrufbar über juris; ausdrücklich zu Art. VII Abs. 4 OVG NW v. 30.9.2004 – 14 A 1937/ 99, BRAK-Mitt 2005, 44; offengelassen BSG v. 12.1.2011 – B 12 KR 17/09 R, BSGE 107, 185 (196 f.).

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2.24

Kap. 2 Rz. 2.24 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht

einen besonderen Zusammenschluss von Staaten darstellt, erscheint es in der Tat angebracht, das eigens für diesen supranationalen Zusammenschluss entwickelte Rechtssystem nicht in den Anwendungsbereich einer Meistbegünstigungsklausel mit einzubeziehen.1

2.25 Zur Begründung der Zulässigkeit grenzüberschreitender Umwandlungsmaßnahmen kann darüber hinaus der Grundsatz der Inländerbehandlung herangezogen werden. Er besagt, dass Gesellschaften des einen Vertragsteils im Vertragsgebiet des anderen Vertragsteils unter den gleichen Voraussetzungen nicht weniger günstig behandelt werden dürfen als die dortigen Gesellschaften, Art. XXV Abs. 1. Deutschen Gesellschaften ist die Verschmelzung miteinander möglich. Wenn dagegen einer US-amerikanischen Gesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland die Verschmelzung mit einer deutschen GmbH untersagt würde, läge darin ersichtlich eine Ungleichbehandlung gegenüber inländischen, deutschen Gesellschaften und damit eine Verletzung des Inländergleichbehandlungsgrundsatzes.2 2.26 Auch wenn sich also gute Gründe für die Zulässigkeit grenzüberschreitender Umwandlungsmaßnahmen zwischen deutschen und US-amerikanischen Gesellschaften anführen lassen, ist die Rechtslage, auch mangels höchstrichterlicher Rechtsprechung zu diesem Punkt, noch nicht geklärt. In jedem Fall sollte daher eine Vorabstimmung mit dem zuständigen Registergericht erfolgen, bevor eine derartige Umwandlungsmaßnahme konkret angegangen wird. 2.27 Ob eine spezifische Umwandlungsmaßnahme zulässig ist, hängt zudem auch davon ab, ob der jeweilige US-Bundesstaat eine solche vorsieht und insbesondere auf grenzüberschreitender Ebene für zulässig erachtet. Es ist also stets für den einzelnen USBundesstaat gesondert zu untersuchen, inwieweit er die angestrebte Umwandlungsmaßnahme zulässt. VII. BRIC-Staaten

2.28 Global operierende Unternehmen sind längst nicht mehr nur in Europa und NordAmerika mit Konzerngesellschaften vertreten, sondern ebenso in Schwellenländern. Unter diesen sind von besonderer Bedeutung die sog. „BRIC-Staaten“: Brasilien, Russland, Indien und China. Im internationalen Gesellschaftsrecht spiegelt sich diese Entwicklung bislang nur unzureichend wider. Angesichts der teilweise lückenhaften und einander widersprechenden Aussagen in der deutschen gesellschaftsrechtlichen 1 So auch Bay. VGH v. 8.11.2011 – 10 ZB 11.1149, abrufbar über juris, Rz. 10; VG Hannover v. 11.1.2010 – 7 B 3473/09, abrufbar über juris, Rz. 28. 2 Die Gegenansicht von Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, 2004, § 4 Rz. 98, eine solche amerikanisch-deutsche Verschmelzung erfolge nicht „unter gleichen Voraussetzungen“, weil hierfür kein entsprechendes Regelungssystem vorhanden sei und derartige Umwandlungen daher schwieriger durchzuführen seien, vermag nicht zu überzeugen. Der Grundsatz der Inländergleichbehandlung gilt ersichtlich gerade für solche Fälle, in denen nur der reine Inländersachverhalt geregelt ist, nicht aber der grenzüberschreitende Sachverhalt. Wäre Letzterer ebenfalls gesetzlich geregelt, bedürfte es des Inländergleichbehandlungsgrundsatzes gerade nicht.

96 | Gesell

B. Rechtliche Rahmenbedingungen und Grundlagen | Rz. 2.31 Kap. 2

Literatur und Rechtsprechung beruhen die nachfolgenden Ausführungen zum Teil auf Auskünften erfahrener Praktiker aus der jeweiligen Jurisdiktion und ihrer Interpretation der einschlägigen lokalen Vorschriften.1 Brasilien. In Brasilien gilt nach h.M. die Gründungstheorie,2 jedoch modifiziert um Elemente der Sitztheorie. So muss eine brasilianische Gesellschaft ihren Verwaltungssitz in Brasilien haben,3 und für eine deutsche Gesellschaft wird nur so lange das deutsche Gesellschaftsstatut anerkannt, wie sie ihren Verwaltungssitz nicht nach Brasilien verlegt (Rz. 2.58). Zwischen Deutschland und Brasilien existiert ein Kapitalschutzabkommen, welches aber – obgleich schon seit langem unterzeichnet – noch nicht in Kraft getreten ist.4

2.29

Russland. In Russland gilt nach gesicherter Auffassung die Gründungstheorie.5 Demgemäß gilt für russische Gesellschaften auch dann das russische Gesellschaftsstatut, wenn sie ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlegen. In gleicher Weise wird eine ausländische Gesellschaft, die ihren Verwaltungssitz nach Russland verlegt, in ihrer ausländischen Rechtsform anerkannt. Es existiert zwar ein Abkommen zur Förderung und dem gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen zwischen Deutschland und der ehemaligen UdSSR,6 dieses hat jedoch keine Auswirkungen auf das Internationale Gesellschaftsrecht.

2.30

Indien. In Indien gilt ebenfalls die Gründungstheorie.7 Eine indische Gesellschaft muss lediglich ihr registered office innerhalb Indiens haben,8 auf den Ort des Verwaltungssitzes kommt es nicht an. Ausländische Gesellschaften, die ihren Geschäftssitz nach Indien verlegen, werden gemäß ihrer ausländischen Rechtsform behandelt; werden 50 % oder mehr ihres Kapitals von indischen natürlichen Personen oder Gesell-

2.31

1 Der Autor dankt insbesondere José Orlando de Almeida de Arrochela Lobo, Valdo de Rizzo und Daniel André Salgado (Lobo & de Rizzo Advogados, Sao Paulo), Rabindra Jhunjhunwala und Niren Patel (Khaitan & Co, Mumbai) und Zhu Honglan (Grandall Law Firm, Nanjing) für ihre wertvolle Unterstützung. 2 Art. 11 Lei da Introdução ão Código Civil v. 4.9.1942 i.d.F. des Änderungsgesetzes v. 18.5.1995; Lemgruber, Cahiers de droit fiscal international, Vol. LXXIIa, 245; Neumayer, ZVglRWiss 83 (1984), 129 (134); Spahlinger/Wegen, Internationales Gesellschaftsrecht, Kap. E. Rz. 1462; Heckschen in W/M, § 1 Rz. 297.1 (Stand: Februar 2017); a.A. OLG Oldenburg v. 13.6.2007 – 4 U 65/00, Rz. 490. 3 Lemgruber, Cahiers de droit fiscal international, Vol. LXXIIa, 245. Vgl. Rz. 2.120 zur Frage einer formwechselnden Verlegung des Geschäftssitzes. 4 BGBl. II 1998, 602; Kindler in MünchKomm/BGB8, Band 13, Internationales Wirtschaftsrecht, Rz. 333. 5 Art. 1202 f. ZGB, abgedruckt in IPrax 2002, 327; Kindler in MünchKomm/BGB8, Band 13, Internationales Wirtschaftsrecht, Rz. 513; Wegen/Spahlinger/Barth, Gesellschaftsrecht des Auslands, Russland, Rz. 287. 6 BGBl. II 1990, 606; vgl. Kindler in MünchKomm/BGB8, Band 13, Internationales Wirtschaftsrecht, Rz. 333. 7 Spahlinger/Wegen, Internationales Gesellschaftsrecht, Kap. E. Rz. 1462. 8 Section 12 sub-section (1) Companies Act 2013 (https://www.mca.gov.in/Ministry/pdf/ CompaniesAct2013.pdf) i.V.m. General Clauses Act 1897 (https://legislative.gov.in/sites/ default/files/A1897-10.pdf).

Gesell | 97

Kap. 2 Rz. 2.31 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht

schafften gehalten, müssen sie eine Zweitregistrierung in Indien vornehmen.1 Zwischen Indien und Deutschland besteht ein Kapitalschutzabkommen, aufgrund dessen Deutschland zur Anerkennung indischer Gesellschaften verpflichtet ist, solange diese ihren Sitz außerhalb Deutschlands haben.2

2.32 China. Auch die Volksrepublik China vertritt grundsätzlich die Gründungstheorie in Bezug auf ausländische Gesellschaften.3 Diese müssen allerdings registriert werden, um die Erlaubnis zu erhalten, in China geschäftlich tätig zu werden.4 In Bezug auf inländische Gesellschaften wird ein Mix aus Gründungs- und Sitztheorie vertreten. Nach chinesischem Gesellschaftsrecht hat der Verwaltungssitz dem Ort des Satzungssitzes zu entsprechen.5 Wenn eine chinesische Gesellschaft ihren Sitz ins Ausland verlegt, wird sie jedoch nicht automatisch aufgelöst. Vielmehr bedarf es hierzu entweder eines Auflösungsbeschlusses der Gesellschafter oder einer Auflösung von Amts wegen. Zwischen Deutschland und China existiert ein Kapitalschutzabkommen, aufgrund dessen Deutschland zur Anerkennung chinesischer Gesellschaften verpflichtet ist, solange diese ihren Sitz außerhalb Deutschlands haben.6 VIII. Weitere Staaten

2.33 Relevanz völkerrechtlicher Verträge. In welchem Rahmen Umwandlungsmaßnahmen mit weiteren Staaten rechtlich zulässig sind, hängt im Wesentlichen vom Bestehen und Inhalt etwaiger völkerrechtlicher Verträge zwischen Deutschland und dem jeweiligen Land ab.7 Sollte ein solcher Vertrag ähnliche Vorschriften hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften beinhalten, wie etwa der Freundschaftsvertrag mit den USA (Rz. 2.21 ff.), so könnte man hieraus Argumente für die Zulässigkeit bestimmter Umwandlungsmaßnahmen herleiten. Mit einigen Staaten existieren daneben sog. Kapitalschutzabkommen. Diesen ist gemein, dass der jeweilige Ver1 Sections 2 sub-section (42), 379 Companies Act 2013 (F. 70) i.V.m. General Clauses Act 1897 (F. 70). 2 Art. 1 Buchst. a Doppelbuchst. ii, 4 Kapitalschutzabkommen v. 10.7.1985, BGBl. II 1998, 619; Kindler in MünchKomm/BGB8, Band 13, Internationales Wirtschaftsrecht, Rz. 332. 3 Art. 184 Supreme People’s Court’s Interpretation on the Implementation of the General Principles of Civil Law (1988) (abrufbar über http://scholarship.law.duke.edu); ebenso Süß, RiW 1989, 788; Kindler in MünchKomm/BGB8, Band 13, Internationales Wirtschaftsrecht, Rz. 513. 4 Art. 2 ff. Administrative Measures on the Registration of Enterprises of Foreign Countries (Regions) Engaging in Production and Operation Activities within the Territory of China (Revised in 2020). 5 Art. 10, 23, 76 Companies Law of the People’s Republic of China (2018) (Quelle: http:// mg.mofcom.gov.cn/article/policy/201910/20191002905610.shtml) und Art. 12 Regulations of the People’s Republic of China on Administration of Registration of Companies (1994) (Quelle: http://asianlii.org/cn/legis/cen/laws/rotprocoaoroc833). 6 Art. 1 Nr. 2 Buchst. b, Art. 3 Abs. 2 des deutsch-chinesischen Investitionsförderungs- und -schutzvertrages v. 1.12.2003, BGBl. II 2005, 732, BT-Drucks. 15/4983, 5362; BGBl. II 2006, 119; vgl. hierzu Braun/Schonard, RiW 2007, 561 ff. 7 Vgl. die umfassende Auflistung bei Kindler in MünchKomm/BGB8, Band 13, Internationales Wirtschaftsrecht, Rz. 333.

98 | Gesell

C. Umstrukturierungsmöglichkeiten im Einzelnen | Rz. 2.35 Kap. 2

tragspartner die Gesellschaften des anderen Staates anzuerkennen hat. Sie haben eine begrenzte kollisionsrechtliche Wirkung, die jedoch für umwandlungsrechtliche Sachverhalte ohne Bedeutung ist. Für deutsche Gesellschaften bleibt nach wie vor die Sitztheorie maßgeblich, weil die Kapitalschutzabkommen eine „deutsche Gesellschaft“ als eine Gesellschaft mit (Verwaltungs-)Sitz in Deutschland definieren. In Bezug auf Gesellschaften des Vertragspartners gibt Deutschland in aller Regel die Sitztheorie nicht auf. Allerdings hat Deutschland die Gesellschaften des Vertragspartners als rechtsfähig anzuerkennen, wenn diese ihren Verwaltungssitz (irgendwo) im Ausland haben. Es spielt insbesondere keine Rolle, ob der Staat, in dem der Verwaltungssitz belegen ist, die Sitz- oder Gründungstheorie vertritt.1

C. Umstrukturierungsmöglichkeiten im Einzelnen I. Vorbemerkung Im Folgenden werden die einzelnen Umstrukturierungsmethoden und ihre gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit erörtert. Neben der Verlegung des Verwaltungs- und des Satzungssitzes sind insbesondere die grenzüberschreitende Verschmelzung und Spaltung sowie der grenzüberschreitende Formwechsel von hoher praktischer Bedeutung. Bei vielen der nachfolgend erläuterten Umstrukturierungsmöglichkeiten ist es derzeit noch nicht abschließend geklärt, ob sie rechtlich zulässig sind. Daher sollten derartige Maßnahmen stets im Vorfeld mit der zuständigen Stelle vor Ort abgeklärt werden. Hinsichtlich der Zuständigkeiten bestehen von Land zu Land Unterschiede. Während in Deutschland das Registergericht zuständig ist, hängt etwa in den Niederlanden die Wirksamkeit der Umwandlungsmaßnahme davon ab, dass der Notar das Vorliegen aller rechtlichen Voraussetzungen urkundlich feststellt. Sofern im Folgenden vom „Registergericht“ gesprochen wird, ist die jeweils zuständige Stelle gemeint.

2.34

II. Verlegung des Verwaltungssitzes 1. Begriffe Von einer grenzüberschreitenden Verlegung (nur) des Verwaltungssitzes spricht man, wenn eine Gesellschaft zwar ihren inländischen Satzungssitz beibehält, aber den Ort, an welchem die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden,2 ins Ausland verlegt. In welchen Grenzen dies gesellschaftsrechtlich zulässig ist, wird nachfolgend erörtert.

1 Liste der bestehenden Kapitalschutzabkommen bei Kindler in MünchKomm/BGB8, Band 13, Internationales Wirtschaftsrecht, Rz. 332; vgl. ausführlich zur kollisionsrechtlichen Wirkung Ebenroth/Bippus, RiW 1988, 336. 2 Sog. Sandrock’sche Formel: Sandrock, FS Beitzke, 1979, 669 (683); BGH v. 21.3.1986 – V ZR 10/85, NJW 1986, 2194; v. 10.3.2009 – VIII ZB 105/07, NJW 2009, 1610 Rz. 11; Hupka in MünchKomm/GmbHG, § 4a Rz. 11.

Gesell | 99

2.35

Kap. 2 Rz. 2.36 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht

2. Zuzug nach Deutschland a) Aus der EU/dem EWR

2.36 Die Verlegung des Verwaltungssitzes einer Gesellschaft aus einem Mitgliedstaat der EU bzw. des EWR nach Deutschland ist unter der Prämisse, dass das Herkunftsland dies gestattet (Daily Mail, Rz. 2.7), nach allgemeiner und gesicherter Auffassung heute gesellschaftsrechtlich zulässig, ohne dass damit eine Auflösung der Gesellschaft im ursprünglichen Mitgliedstaat einhergehen würde.1 Dabei spielt es keine Rolle, ob die gegründete Gesellschaft ihre Geschäftstätigkeit zunächst in dem Gründungsstaat ausgeübt hatte oder als reine Briefkastenfirma gegründet worden war. Darin liegt nach Auffassung des EuGH kein Missbrauch der Niederlassungsfreiheit (Centros/Überseering/Inspire Art, Rz. 2.8).2 Diese Sichtweise wurde durch die „Cadbury-Schweppes“Entscheidung untermauert, in welcher der EuGH es für zulässig erachtet, dass eine Gesellschaft rein aus steuerlichen Erwägungen in einem anderen Mitgliedstaat gegründet wird.3 Hierin liegt alleine noch keine missbräuchliche Berufung auf die Niederlassungsfreiheit. 2.37 Ob ein Staat die Verlegung des Verwaltungssitzes gestattet, hängt maßgeblich davon ab, ob er die Gründungstheorie verfolgt. Im EU/EWR-Raum wenden Liechtenstein, Bulgarien und die Tschechische Republik (in Bezug auf Kapitalgesellschaften) die Gründungstheorie an.4 Bei ihnen ist eine Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland möglich. Wie das Beispiel Deutschland zeigt, ist es daneben aber auch möglich, dass ein Staat grundsätzlich die Sitztheorie vertritt, jedoch gleichwohl manchen seiner nationalen Gesellschaftsformen die Verlegung des Verwaltungssitzes gestattet. Dies ist im Einzelfall zu untersuchen. b) Aus der Schweiz

2.38 Schweizer Gesellschaften ist die rechtsformwahrende Verlegung ihres Verwaltungssitzes nach Deutschland nicht möglich. Mangels abweichender völkerrechtlicher Vereinbarungen findet auf Schweizer Gesellschaften, die ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegen, die Sitztheorie Anwendung. Konsequenz ist, dass sie nach deutschem Recht nicht in ihrer Schweizer Rechtsform anerkannt werden, sondern in einer deutschen Rechtsform (häufig als „modifizierte Sitztheorie“ bezeichnet).5 Da sie die Gründungsvoraussetzungen einer deutschen Kapitalgesellschaft oder Kommanditgesellschaft typischerweise nicht einhalten (alleine schon mangels Eintragung ins deutsche Handelsregister), werden sie als Gesellschaft bürgerlichen Rechts bzw. 1 EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, ZIP 2012, 169 (171); BGH v. 12.7.2011 – II ZR 28/10, NJW 2011, 3372 (3373); v. 13.3.2003 – VII ZR 370/98, NJW 2003, 1461; v. 14.3.2005 – II ZR 5/03, NJW 2005, 1648; v. 19.9.2005 – II ZR 372/03, NJW 2005, 3351; v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, NJW 2009, 289; Stiegler in Gesellschaftsrecht in Europa, § 10 Rz. 43. 2 EuGH v. 9.3.1999 – C-212/97 – Centros, Slg. 1999, I-1459 = NJW 1999, 2027 (2028). 3 EuGH v. 12.9.2006 – C-196/04 – Cadbury Schweppes, NZG 2006, 835 (837). 4 Kindler in MünchKomm/BGB8, Band 13, Internationales Wirtschaftsrecht, Rz. 512. 5 Schall, ZfPW 2016, 407, 409.

100 | Gesell

C. Umstrukturierungsmöglichkeiten im Einzelnen | Rz. 2.39 Kap. 2

als offene Handelsgesellschaft behandelt,1 Einpersonengesellschaften sogar als Nullum, deren Rechte und Pflichten – vor allem deren Verbindlichkeiten – unmittelbar ihrem Alleingesellschafter zugeordnet werden. Dies ist nach deutschem Internationalen Gesellschaftsrecht die logische Konsequenz, wird jedoch zu Recht in der Literatur kritisiert. Insbesondere hat diese Sichtweise die unerwünschte Folge, dass die beschränkte Haftung entfällt und die Gesellschafter unbeschränkt (mehrere Gesellschafter als Gesamtschuldner) für alle Gesellschaftsschulden mit ihrem Privatvermögen haften. Daraus ergeben sich diverse Folgeprobleme, denn nach Schweizer Recht wird die Schweizer Gesellschaft nach wie vor als in ihrer Schweizer Rechtsform bestehend angesehen.2 Es kommt somit zu einer Statutenverdoppelung. Wenn z.B. eine Schweizer Aktiengesellschaft (mit mehr als einem Aktionär), die als Eigentümerin eines deutschen Grundstücks im hiesigen Grundbuch eingetragen ist, ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt, wird demnach das Grundbuch unrichtig, und es muss die deutsche GbR oder OHG als Eigentümerin eingetragen werden. Als OHG kann sie dies unter ihrer Firma tun (§ 124 Abs. 1 HGB), als GbR ist hingegen die Angabe aller Gesellschafter erforderlich (§ 47 Abs. 2 Satz 1 GBO). Zugleich wandelt sich das Eigentum der Gesellschaft in Gesamthandseigentum ihrer Gesellschafter.3 Ebenso werden Forderungen der Gesellschaft, sofern sie nach Sitzverlegung in Deutschland geltend gemacht werden, als Gesamthandsforderungen zu behandeln sein.4 Konsequenterweise wird man für das in Deutschland belegene Vermögen der Gesellschaft deren deutsche Auffangrechtsform, also die GbR bzw. OHG, als Inhabe-

1 BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, NJW 2009, 289 (291) („Trabrennbahn“); BGH v. 1.7.2002 – II ZR 380/00, BB 2002, 2031 (2032); Hupka in MünchKomm/GmbHG, § 4a Rz. 39; vgl. zu den Folgen dieser Theorie Gottschalk, ZIP 2009, 948 ff. 2 Lieder/Kliebisch, BB 2009, 340 (341); Luy, DNotZ 2019, 484 (487); Weller, IPrax 2009, 202 (208). 3 Ab 1.1.2024, mit Inkrafttreten des MoPeG (Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG), BGBl. I 2021, 3436), ist die GbR selbst, statt ihrer Gesellschafter, ins Grundbuch einzutragen und eigenständige Trägerin der Rechte und Pflichten, insbesondere des Eigentums am Gesellschaftsvermögen. 4 Walden, EWS 2001, 256 (259); Binz/Mayer, BB 2005, 2361 (2363 ff.); Lieder/Kliebisch, BB 2009, 340 (341) sehen hier eine Gefahr von Doppeltitulierungen, wenn etwa eine Forderung von der AG in der Schweiz und von der GbR/OHG in Deutschland eingeklagt würde. Dies dürfte aber unbegründet sein, da in beiden Fällen derselbe Rechtsträger den Anspruch geltend machen würde, so dass das zeitlich spätere Verfahren auszusetzen wäre (vgl. Art. 27 LugÜ). Doppeltitulierungen drohen aber, wenn sich der Sachverhalt mit Gesellschaften aus anderen Staaten abspielt, bei denen die Verlegung des Verwaltungssitzes nach Deutschland herein dieselben Folgen hat wie für eine schweizerische Gesellschaft. Wenn der jeweilige Staat keine dem Art. 27 LugÜ, 27 EuGVVO entsprechende Vorschrift kennt, so könnte eine Doppeltitulierung erfolgen. Eine Anerkennung des ausländischen Titels und somit eine Vollstreckung in Deutschland würde aber wegen § 328 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht möglich sein. Ab 1.1.2024, mit Inkrafttreten des MoPeG (Fn. zuvor), ist die GbR selbst, statt ihrer Gesellschafter, Inhaberin dieser Forderungen.

Gesell | 101

2.39

Kap. 2 Rz. 2.39 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht

rin der Rechte und Pflichten ansehen müssen.1 Darüber hinaus sind zahlreiche gesellschaftsrechtliche Fragen ungeklärt, z.B. nach welchen Vorschriften die Mitgliedschaft übertragen wird, wie die Vertretung der Gesellschaft ausgestaltet ist und welche Rechte den Gesellschaftern zustehen. Diese im Einzelnen zu erörtern, würde jedoch den vorliegenden Rahmen sprengen.2 c) Aus Großbritannien

2.40 Gesellschaften unter dem Recht des Vereinigten Königreichs ist die rechtsformwahrende Verlegung ihres Verwaltungssitzes nach Deutschland nach gegenwärtiger Rechtslage nicht möglich. Auch das EU-UK Handels- und Kooperationsabkommen ändert nichts an dieser Bewertung (Rz. 2.19). Es findet die Sitztheorie Anwendung, und das zur Schweiz Gesagte (Rz. 2.38 f.) gilt entsprechend. d) Aus den USA

2.41 Gesellschaften, die in den USA gegründet wurden und ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegen, werden hier in ihrer US-Rechtsform als voll rechtsfähig anerkannt.3 Dies folgt aus der Anwendung der Gründungstheorie auf amerikanische Gesellschaften sowie aus Art. XXV Abs. 5 Satz 2 des Freundschaftsvertrags (Rz. 2.21). Ob die Rechtsfähigkeit allerdings auch dann anerkannt wird, wenn in den USA eine sog. Briefkastenfirma errichtet wurde, die keinerlei geschäftlichen Bezug zu den USA aufweist, hat der BGH bislang offengelassen.4 Teilweise wird dagegen argumentiert, in diesen Fällen handele es sich um Scheinauslandsgesellschaften, die keinen tatsächlichen Bezug zu diesem Land aufweisen, so dass ihnen aufgrund des völkerrechtlich anerkannten „genuine-link“-Grundsatzes die Anerkennung als amerikanische Rechtsform zu versagen sei.5 Dieser Grundsatz dient als Korrektiv zur Verhinderung von Missbrauch und kann dazu führen, dass entgegen staatsvertraglich festgelegter Anerkennung eine Gesellschaft dennoch nicht als rechtsfähig angesehen wird, wenn sie keinerlei tatsächliche oder effektive Beziehung zum Gründungsstaat aufweist. Der 1 So auch Weller, IPRax 2009, 202 (208); Weller in MünchKomm/GmbHG1, Einl. Rz. 399; Behrens, IPrax 2003, 193 (200), unter Berufung auf die Rechtsprechung zum Enteignungsrecht (BGH v. 4.6.2002 – XI ZR 301/01, IPrax 200, 447 (448 ff.) m.w.N.), die die Gesellschaft in Deutschland wie einen abgespaltenen Rechtsträger mit eigenem „Rechtsformleben“ behandeln wollen; Schall, ZfPW 2016, 407 (411). 2 Vgl. hierzu Weller in MünchKomm/GmbHG, Einl. Rz. 350; Hellgardt/Illmer, NZG 2009, 94 ff.; Binz/Mayer, BB 2005, 2361 (2363 ff.). 3 BGH v. 29.1.2003 – VIII ZR 155/02, BGHZ 153, 353 = NJW 2003, 1607; Kindler in MünchKomm/BGB8, Band 13, Internationales Wirtschaftsrecht, Rz. 342. 4 BGH v. 5.7.2004 – II ZR 289/02, NZG 2004, 1001; vgl. hierzu Ebke, RiW 2004, 740 ff. Siehe auch BayObLG v. 28.6.2022 – 101 Sch 120/21. 5 OLG Düsseldorf v. 15.12.1994 – 6 U 59/94, GmbHR 1995, 595; OLG Naumburg v. 19.12.1995 – 7 U 146/95, abrufbar über juris; Kindler in MünchKomm/BGB8, Band 13, Internationales Wirtschaftsrecht, Rz. 345 m.w.N.; s. auch BGH v. 29.1.2003 – VIII ZR 155/ 02, NJW 2003, 1607, der die Entscheidung des OLG Düsseldorf zustimmend zitiert; a.A. OLG Koblenz v. 16.10.2003 – 2 U 55/99, OLGR 2004, 161 (163); Ebke, RiW 2004, 740 (743); Paefgen, DZWiR 2003, 441 (442 f.).

102 | Gesell

C. Umstrukturierungsmöglichkeiten im Einzelnen | Rz. 2.46 Kap. 2

BGH begrenzt diesen Grundsatz auf extreme Einzelfälle und bejaht einen „genuine link“ bereits dann, wenn auch nur eine geringe wirtschaftliche oder werbende Tätigkeit im Gründungsstaat ausgeübt wird.1 Die Parallele zur „Centros“-Rechtsprechung des EuGH, wonach es keinen Missbrauch der Niederlassungsfreiheit darstellt, wenn eine Gesellschaft in einem Staat gegründet wird und gleich von Beginn an ihre geschäftliche Tätigkeit in einem anderen Staat aufnimmt, spricht aber dafür, die Gesellschaft auch in einem solchen Fall in ihrer amerikanischen Rechtsform anzuerkennen (Rz. 2.8). e) Aus den BRIC-Staaten Brasilien. Brasilianischen Gesellschaften ist die rechtsformwahrende Verlegung ihres Verwaltungssitzes ins Ausland nicht möglich (Rz. 2.29) der Wegzug muss mit dem Wechsel des Gesellschaftsstatuts und damit der Rechtsform verbunden werden (Rz. 2.156). Unabhängig davon wenden deutsche Gerichte auch bei brasilianischen Gesellschaften die Sitztheorie an,2 so dass eine brasilianische Gesellschaft, die ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt, hier nicht in ihrer brasilianischen Rechtsform anerkannt wird. Die Situation ist insoweit vergleichbar dem zur Schweiz Gesagten (Rz. 2.38 f.).

2.42

Russland. Russischen Gesellschaften ist die Verlegung ihres Verwaltungssitzes ins Ausland grundsätzlich möglich (Rz. 2.30). Verlegt eine russische Gesellschaft ihren Verwaltungssitz aber nach Deutschland, wird sie von deutschen Gerichten unter Anwendung der Sitztheorie nicht in ihrer russischen Rechtsform anerkannt.3 Die Situation ist insoweit vergleichbar dem zur Schweiz Gesagten (Rz. 2.38 f.).

2.43

Indien. Das zu Russland Gesagte gilt entsprechend: Indischen Gesellschaften wird von ihrem Heimatrecht die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland gestattet (Rz. 2.31), sie würden von deutschen Gerichten aber nicht in ihrer indischen Rechtsform anerkannt.4

2.44

China. Chinesischen Gesellschaften wird von ihrem Heimatrecht die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland nicht gestattet (Rz. 2.32). Zudem würden sie von deutschen Gerichten nicht in ihrer chinesischen Rechtsform anerkannt.5

2.45

f) Aus dem Rest der Welt Bezüglich sonstiger Staaten ist zunächst zu prüfen, ob (i) die Rechtsordnung des Wegzugsstaats die identitätswahrende Verlegung des Geschäftssitzes ins Ausland erlaubt (was regelmäßig der Fall sein wird, wenn im Wegzugsstaat die Gründungstheo1 BGH v. 13.10.2004 – I ZR 245/01, NZG 2005, 44 (45). 2 OLG Oldenburg v. 13.6.2007 – 4 U 65/00, OLG-R 2008, 591, wo auf eine Gesellschaft mit Sitz in Rio de Janeiro brasilianisches Gesellschaftsstatut angenommen wurde. 3 Hupka in MünchKomm/GmbHG4, § 4a GmbHG Rz. 53. 4 Hupka in MünchKomm/GmbHG4, § 4a GmbHG Rz. 53. 5 Hupka in MünchKomm/GmbHG4, § 4a GmbHG Rz. 53.

Gesell | 103

2.46

Kap. 2 Rz. 2.46 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht

rie gilt) und ob (ii) ein völkerrechtlicher Vertrag mit diesem Land besteht, aus welchem sich die Anwendung der Niederlassungsfreiheit auf die jeweilige Gesellschaft herleiten lässt. Selbst wenn ein derartiger Vertrag besteht, ist jedoch nicht gesagt, dass die deutsche Rechtsprechung diesen zwingend im Sinne der Niederlassungsfreiheit interpretieren wird.1 Daher ist der Zuzug einer Gesellschaft in einem solchen Fall stets mit einer gewissen Unsicherheit behaftet. Sollte es – was der Regelfall ist – keinen völkerrechtlichen Vertrag zwischen dem Drittstaat und Deutschland geben, aus dem sich die rechtliche Anerkennung für Gesellschaften aus dem jeweiligen Drittstaat auch im Falle der Verwaltungssitzverlegung nach Deutschland herleiten ließe, so ist eine Verlegung des Verwaltungssitzes unter Beibehaltung bzw. Anerkennung der gesellschaftlichen Rechtsform wegen der in Deutschland geltenden Sitztheorie nicht möglich.2 Es gilt dann das zur Schweiz Gesagte (Rz. 2.38 f.) entsprechend. 3. Wegzug aus Deutschland a) In die EU/den EWR aa) Vorbemerkung

2.47 Die Verlegung des Verwaltungssitzes einer deutschen Gesellschaft in ein anderes Land war bis zum Jahre 2008 generell nicht möglich. Dies änderte sich durch das MoMiG.3 Seitdem ist zwischen Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften zu unterscheiden. bb) Kapitalgesellschaften

2.48 Zulässigkeit nach deutschem Recht. Gemäß §§ 4a GmbHG und 5 AktG ist für die GmbH, AG und KGaA nur vorgeschrieben, dass sich deren Satzungssitz im Inland befinden muss. Nach deutschem materiellem Gesellschaftsrecht ist daher eine Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland immer zulässig.4 2.49 Anerkennung im Zuzugsstaat. Auch wenn die Verlegung des Verwaltungssitzes aus Deutschland hinaus nach deutschem Recht zulässig ist, ist die Sitzverlegung aber nur dann wirksam, wenn auch der Zuzugsstaat sie (d.h. das Auseinanderfallen von Ver1 Vgl. z.B. die Vorinstanz OLG Hamm, NJOZ 2002, 2723 zu BGH v. 29.1.2003 – VIII ZR 155/02, BGHZ 153, 353 = NJW 2003, 1607, die die Niederlassungsfreiheit im „Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika“ abgelehnt hat. 2 Servatius in Noack/Servatius/Haas, GmbHG23, § 4a Rz. 13 m.w.N.; Thorn in Grüneberg, BGB81, Anh. zu EGBGB 12 (IPR) Rz. 13; vgl. etwa OLG Hamburg v. 30.3.2007 – 11 U 231/ 04, NZG 2007, 597, in dem eine Limited ihren Verwaltungssitz aus der Isle of Man nach Deutschland verlegte. 3 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), BGBl. I 2008, 2026. 4 Hupka in MünchKomm/GmbHG4, § 4a Rz. 100; Fingerhuth/Rumpf, IPrax 2008, 90 (92); Bayer/Schmidt, ZHR 173 (2009), 735 (746); Peters, GmbHR 2008, 245 (249); Kindler, IPrax 2009, 189 (198).

104 | Gesell

C. Umstrukturierungsmöglichkeiten im Einzelnen | Rz. 2.52 Kap. 2

waltungs- und Satzungssitz) anerkennt. Das ist auf Ebene der EU und des EWR kein Problem, weil der Zuzugsstaat aufgrund der EuGH-Rechtsprechung die deutsche Gesellschaft als rechtsfähig anzuerkennen hat, unabhängig von der Frage, ob er ansonsten die Sitz- oder Gründungstheorie vertritt (Rz. 2.8). Demnach ist die Verlegung des Verwaltungssitzes in die EU und den EWR immer zulässig.1 Deutsche „Briefkasten-Gesellschaft“. Seit der Polbud-Entscheidung des EuGH (Rz. 2.10) ist auch die früher umstrittene Zulässigkeit der Gründung einer deutschen Kapitalgesellschaft mit anfänglichem Verwaltungssitz im EU-/EWR-Raum geklärt.2

2.50

SE. Nicht möglich ist die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland für eine deutsche SE. Da nach Art. 7 SE-VO3 eine SE ihren Verwaltungssitz stets im selben Land haben muss wie ihren Satzungssitz, kann sie nur beides zusammen ins Ausland verlegen (Rz. 2.143).

2.51

cc) Personengesellschaften Zulässigkeit nach deutschem Recht. Bei Personengesellschaften gestaltet sich die Rechtslage noch bis zum 1.1.2024 schwieriger. Hier fehlt es an einer vergleichbaren Entscheidung des Gesetzgebers wie zu den §§ 4a GmbHG, 5 AktG, so dass es bei der Anwendbarkeit der Sitztheorie bleibt. Daraus folgt grundsätzlich, dass eine deutsche Personengesellschaft, die ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlegt, damit aufgelöst wird und abgewickelt werden muss.4 In der Literatur wird eine derartige Sitzverlegung teilweise für möglich erachtet, da bei Personengesellschaften die Notwendigkeit staatlicher Kontrolle deutlicher geringer sei als bei Kapitalgesellschaften und daher keine Gründe ersichtlich seien, eine Verlegung des Verwaltungssitzes zu untersagen.5 Diese Argumentation erscheint jedoch nicht zwingend. Ab dem 1.1.2024 können dann im Gesellschaftsregister eingetragene rechtsfähige BGB-Gesellschaften, Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften ihren Verwaltungssitz im Ausland haben, sofern ein Ort im Inland gesellschaftsvertraglich als Sitz vereinbart ist (Rz. 2.4).

1 Leitzen, NZG 2009, 728; Paefgen, WM 2009, 529 (531); Gesell in Rowedder/Pentz, GmbHG7, § 60 Rz. 49; Fingerhuth/Rumpf, IPrax 2008, 90 (92); Bayer/Schmidt, ZHR 173 (2009), 735 (746); Peters, GmbHR 2008, 245 (249); Kindler, IPrax 2009, 189 (198); J. Schmidt in Michalski3, § 4a GmbHG Rz. 15. 2 Bejahend schon die Vorauflage, Rz. 2.52, m.w.N. 3 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates v. 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. EU Nr. L 294, 1; s.a. Gesell/Berjasevic, in Gesellschaftsrecht in Europa, Teil 2 § 4 Europäische Aktiengesellschaft SE Rz. 222. 4 Kindler in MünchKomm/BGB8, Band 13, Internationales Wirtschaftsrecht, Rz. 831; Leitzen, NZG 2009, 728 (729); König/Bormann, DNotZ 2008, 652 (658); Stiegler, ZGR 2017, 312; offengelassen von BGH v. 25.5.2009 – II ZR 60/08, NZG 2009, 1106; kritisch Koch, ZHR 173 (2009), 101 (113) mit Nachweisen zur h.M. 5 Schnittker/Benecke, FR 2010, 565 (567); Zimmer/Naendrup, NJW 2009, 545 (548); ähnlich Teichmann, ZIP 2009, 393 (402); Fingerhuth/Rumpf, IPrax 2008, 90 (94); ähnlich Paefgen, WM 2009, 529 (531).

Gesell | 105

2.52

Kap. 2 Rz. 2.53 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht

2.53 Praktisch bedeutsam dürfte diese Frage (bis zum 1.1.2024) letztlich nur in Bezug auf die KG (auch die GmbH & Co. KG) sein, da jeder Mitgliedstaat eine der GbR oder OHG vergleichbare Rechtsform bereithält und es daher einfacher sein dürfte, eine solche vor Ort zu gründen. Ab 2024 besteht die gesetzliche Ungleichbehandlung von GmbH und GmbH & Co. KG dann nicht mehr. 2.54 Anerkennung im Zuzugsstaat. Ist danach der Wegzug zulässig, so ist der Zuzugsstaat aus dem Bereich der EU/des EWR – wie auch bei der Sitzverlegung einer deutschen Kapitalgesellschaft (Rz. 2.8) – europarechtlich verpflichtet, die Personengesellschaft in ihrer deutschen Rechtsform anzuerkennen. b) In die Schweiz

2.55 Die Verlegung des Verwaltungssitzes einer deutschen Gesellschaft in die Schweiz ist in gleicher Weise möglich wie der Wegzug in ein Land der EU oder des EWR, da in der Schweiz die Gründungstheorie gilt (Rz. 2.18). Daher bestehen keine Bedenken gegen die Verlegung des Verwaltungssitzes einer deutschen GmbH, AG oder KGaA (Rz. 2.48 ff.). Eine deutsche SE kann hingegen ihren Verwaltungssitz wegen Art. 7 SE-VO nicht in die Schweiz verlegen (Rz. 2.51); eine gleichzeitige Verlegung auch des Satzungssitzes in die Schweiz ist zudem nicht möglich, da in der Schweiz (anders als in EU und EWR) die SE-VO nicht gilt. Ob auch eine deutsche Personengesellschaft ihren Verwaltungssitz in die Schweiz verlegen kann, ist, wie beim Wegzug in jedes andere Land, bis zum 1.1.2024 noch unsicher, danach aber für die meisten Personengesellschaftsformen gesetzlich zulässig (Rz. 2.52). c) Nach Großbritannien

2.56 Da das Vereinigte Königreich der Gründungstheorie folgt, ist eine Verlegung des Verwaltungssitzes in das Vereinigte Königreich in gleicher Weise möglich wie der Wegzug in die Schweiz. Die Verlegung des Verwaltungssitzes kann eine Registrierung beim „Companies House“ als „overseas company“ erforderlich machen. Die entsprechende Website der Regierung des Vereinigten Königreichs1 hält insofern aufschlussreiche Anleitungen, Formulare und Links bereit. d) In die USA

2.57 Da die USA deutsche Gesellschaften nach der Gründungstheorie behandeln (Art. XXV Abs. 5 Satz 2 Freundschaftsvertrag, Rz. 2.21), kann eine deutsche Gesellschaft in gleicher Weise ihren Verwaltungssitz in die USA verlegen wie in einen anderen Mitgliedstaat der EU oder des EWR. Demnach ist ein Wegzug von Deutschland in die USA bei GmbH, AG und KGaA zulässig (Rz. 2.48), bei einer deutschen SE hingegen nicht (Rz. 2.51). Bei der Verlegung des Verwaltungssitzes einer deutschen Per1 https://www.gov.uk/register-as-an-overseas-company; https://www.gov.uk/government/ collections/companies-house-guidance-for-limited-companies-partnerships-and-othercompany-types.

106 | Gesell

C. Umstrukturierungsmöglichkeiten im Einzelnen | Rz. 2.62 Kap. 2

sonengesellschaft in die USA stellt sich bis zum 1.1.2024 die noch nicht abschließend geklärte Frage, ob das deutsche Recht den Wegzug einer Personengesellschaft überhaupt gestattet, danach ist dies für die meisten Personengesellschaftsformen gesetzlich zulässig (Rz. 2.52). e) In die BRIC-Staaten Brasilien. Da nach brasilianischem Recht eine Gesellschaft ihren Verwaltungssitz in ihrem Gründungsstaat haben muss (Rz. 2.29) wird eine deutsche Gesellschaft, die ihren Verwaltungssitz nach Brasilien verlegt, von den dortigen Gerichten dem brasilianischen Gesellschaftsstatut unterstellt. Zudem kann die Gesellschaft nach brasilianischem Recht den Wechsel vom deutschen zum brasilianischen Gesellschaftsstatut auch formell beantragen (Rz. 2.156).

2.58

Russland. Da in Russland die Gründungstheorie gilt (Rz. 2.30), gilt das zur Schweiz Gesagte (Rz. 2.55) entsprechend.

2.59

Indien. Da in Indien die Gründungstheorie gilt (Rz. 2.31), gilt das zur Schweiz Gesagte (Rz. 2.55) entsprechend.

2.60

China. Eine grenzüberschreitende Verlegung des Verwaltungs- oder Satzungssitzes nach China ist nicht vorgesehen.1 Die Ausübung einer operativen Tätigkeit in China erfordert somit die Gründung einer chinesischen Tochtergesellschaft.2 Die Errichtung einer Repräsentanz in China ermöglicht lediglich eine nicht unternehmerische Tätigkeit.3

2.61

f) In den Rest der Welt Das oben zur Verwaltungssitzverlegung in die Schweiz Gesagte (Rz. 2.55) gilt in gleicher Weise für den Wegzug einer deutschen Gesellschaft in ein anderes Land außerhalb der EU/des EWR, sofern im Zuzugsstaat die Gründungstheorie vertreten wird. Dies sind etwa Kanada, Südafrika und Mexiko.4 Sofern hingegen der Zuzugsstaat die Sitztheorie vertritt (wie z.B. die Türkei) und keine spezielle staatsvertragliche Anerkennungspflicht (wie z.B. für die USA) besteht, wird die Gesellschaft dort aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in ihrer deutschen Rechtsform anerkannt. Infolgedessen dürfte die jeweilige Gesellschaft dort entweder als nichtig angesehen werden, oder 1 Barth/Lock in Wegen/Spahlinger/Barth, Gesellschaftsrecht des Auslands, Werkstand: 5. EL Februar 2022, China, Rz. 356; Heckschen in W/M, Umwandlungsrecht, 162. Lieferung (Feb. 2017), § 1 Rz. 297.3. 2 Barth/Lock in Wegen/Spahlinger/Barth, Gesellschaftsrecht des Auslands, Werkstand: 5. EL Februar 2022, China, Rz. 356; Heckschen in W/M, Umwandlungsrecht, 162. Lieferung (Feb. 2017), § 1 Rz. 297.3. 3 Barth/Lock in Wegen/Spahlinger/Barth, Gesellschaftsrecht des Auslands, Werkstand: 5. EL Februar 2022, China, Rz. 356; Heckschen in W/M, Umwandlungsrecht, 162. Lieferung (Feb. 2017), § 1 Rz. 297.3. 4 Nachweise bei Kindler in MünchKomm/BGB8, Band 13, Internationales Wirtschaftsrecht, Rz. 513 und Bayer/Schmidt, ZHR 173 (2009), 735 (752 f.).

Gesell | 107

2.62

Kap. 2 Rz. 2.62 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht

aber – entsprechend der deutschen Lösung – als eine Personengesellschaft nach dem Recht des Zuzugsstaates, so dass etwaige Haftungsbeschränkungen der Gesellschafter entfielen. Ungeklärt ist hierbei jedoch, wie das deutsche Recht eine Gesellschaft behandelt, die ihren Verwaltungssitz in einen Sitztheoriestaat verlegt und dort als nichtig angesehen wird. Die in der Literatur intensiv diskutierte Frage, ob den §§ 4a GmbH, 5 AktG eine kollisionsrechtliche Bedeutung zukommt, ist nur in diesem Fall von Bedeutung. Wenn man mit einem Teil der Literatur eine kollisionsrechtliche Wirkung verneint,1 muss man die deutsche Kapitalgesellschaft auch nach deutschem Recht als aufgelöst behandeln.2 Mit der Gegenansicht ist aber eine kollisionsrechtliche Wirkung zu bejahen, weil nur dies dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers entspricht, so dass die Gesellschaft nach deutschem Recht in ihrer bisherigen Form weiter existiert.3 Gleiches sollte für den ab 1.1.2024 geltenden § 706 Satz 2 BGB n.F. (Rz. 2.4, Rz. 2.52) gelten. III. Verlegung des Satzungssitzes

2.63 Keine statuswahrende grenzüberschreitende Satzungssitzverlegung. Der Begriff der „grenzüberschreitenden Satzungssitzverlegung“ ist zweideutig. Er umfasst sowohl die statuswahrende Sitzverlegung (Bsp.: eine deutsche GmbH will ihren Satzungssitz von Köln nach Paris verlegen und in dem dortigen Handelsregister [registre du commerce et des sociétés] eingetragen werden, aber ihre Rechtsform als deutsche GmbH beibehalten) als auch die formwechselnde Sitzverlegung (Bsp.: in dem genannten Beispielsfall soll die vormals deutsche GmbH nach Verlegung des Satzungssitzes als französische GmbH [société à responsabilité limitée, s.à r.l.] fortbestehen). Eine statuswahrende Satzungssitzverlegung über die Grenze ist nach derzeitiger Rechtslage für keine Gesellschaft möglich. Für deutsche Kapitalgesellschaften ergibt sich bereits aus §§ 4a GmbHG, 5 AktG, dass sich der Satzungssitz zwingend im Inland befinden muss.4 Aufgrund dessen ist es wohl allgemeine Meinung, dass eine statuswahrende Verlegung des Satzungssitzes über die Grenze nicht möglich ist.5 Entsprechendes gilt für die Verlegung des Satzungssitzes nach Deutschland herein. Selbst wenn der Weg1 Weller in MünchKomm/GmbHG, Einl. Rz. 416; Peters, GmbHR 2008, 245 (249); Preuß, GmbHR 2007, 57 (62); Kindler, IPrax 2009, 189 (198); Franz/Laeger, BB 2008, 678 (681 f.); Franz, BB 2009, 1250 (1251); Hirte, NZG 2008, 761 (766); Leitzen, NZG 2009, 728 (729); Lieder/Kliebisch, BB 2009, 340 (343); kritisch auch Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG19, § 4a Rz. 10. 2 Dieser Standpunkt hat sich für Kapitalgesellschaften mit Neufassung der § 4a GmbHG, § 5 AktG durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026) erledigt. Danach darf der Verwaltungssitz frei gewählt werden, und zwar im In- oder Ausland, Kindler in MünchKomm/BGB8, Band 13, Internationales Wirtschaftsrecht, Teil 10, Rz. 830. 3 So auch Hupka in MünchKomm/GmbHG1, § 4a Rz. 107; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG20, § 4a Rz. 14; Thorn in Grüneberg, Anh. zu EGBGB 12 (IPR) Rz. 2; Bayer/ Schmidt, ZHR 173 (2009), 735 (748 ff.); Tebben, RNotZ 2008, 441 (446 f.); Herrler, DNotZ 2009, 484 (489); Hoffmann, ZIP 2007, 1581 (1585 ff.); Leible/Hoffmann, BB 2009, 58 (62). 4 Schmidt, ZEuP 2020, 565 (567). 5 OLG München v. 4.10.2007 – 31 Wx 36/07, NZG 2007, 915; OLG Brandenburg v. 30.11.2004 – 6 Wx 4/04, GmbHR 2005, 484; Bayer in Lutter/Hommelhoff20, § 4a GmbHG Rz. 16; Servatius in Noack/Servatius/Haas23, § 4a GmbHG Rz. 9, jeweils m.w.N.

108 | Gesell

C. Umstrukturierungsmöglichkeiten im Einzelnen | Rz. 2.66 Kap. 2

zugsstaat überhaupt den statuswahrenden Wegzug erlaubt, müsste die Gesellschaft auch alle Erfordernisse nach deutschem Recht erfüllen, was einer faktischen Neugründung gleichkommt.1 Zudem würde sie im deutschen Handelsregister nicht mit ihrer bisherigen ausländischen, sondern mit der entsprechenden deutschen Rechtsform eingetragen. Auch die Art. 49 und 54 AEUV führen zu keinem anderen Ergebnis. Formwechselnde Sitzverlegung. Eine Verlegung des Satzungssitzes geht daher zwingend mit dem Wechsel der Rechtsform einher. Deshalb wird in diesem Kapitel der Begriff des „grenzüberschreitenden Formwechsels“ verwendet und bezüglich der Zulässigkeit auf die Rz. 2.136 ff. verwiesen.

2.64

SE, SCE, EWIV. Auch europäische Gesellschaften können ihren Satzungssitz nicht unter Wahrung ihrer Rechtsform im engeren Sinne verlegen. Die Societas Europaea (SE), Europäische Genossenschaft (SCE) und die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) dürfen zwar kraft Gesetzes ihren Satzungssitz innerhalb der Europäischen Union an jeden beliebigen Ort verlegen, Art. 8 SE-VO, Art. 7 SCE-VO, Art. 13 EWIV-VO, wodurch ihnen in diesem Bereich scheinbar eine Flexibilität zukommt, die keine andere Gesellschaftsform aufweisen kann. Allerdings führt auch in diesem Fall eine grenzüberschreitende Satzungssitzverlegung zu einem Formwechsel. So wird etwa eine SE, die bislang ihren Satzungssitz in Wien hatte und ihn nach Köln verlegt, damit von einer SE österreichischen Rechts zu einer SE deutschen Rechts, da die SE-Verordnung hinsichtlich der auf die SE anwendbaren Vorschriften weitgehend auf das nationale Aktienrecht verweist. Die SE wechselt mit der Verlegung ihres Satzungssitzes über die Grenze also ihr Gesellschaftsstatut. Wegen der weitgehenden Harmonisierung des Aktienrechts in EU und EWR führt dies aber im Ergebnis nur zu geringen Abweichungen.

2.65

IV. Verschmelzung Von einer grenzüberschreitenden Verschmelzung spricht man, wenn wenigstens einer der beteiligten Rechtsträger dem Recht eines anderen Staates unterliegt. Das ist unproblematisch der Fall bei der Verschmelzung durch Aufnahme. Bei der Verschmelzung durch Neugründung ist zu differenzieren, ob die übertragenden Rechtsträger bereits dem Recht verschiedener Staaten unterliegen oder aber nur die neu gegründete Gesellschaft dem Recht eines anderen Staates unterliegen soll, während die übertragenden Rechtsträger aus demselben Staat kommen. Im letzteren Fall ist umstritten, ob eine solche Verschmelzung zulässig ist.

1 BGH v. 21.3.1986 – V ZR 10/85, NJW 1986, 2194; Servatius in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, Internationales Gesellschaftsrecht Rz. 14; Servatius in Noack/Servatius/ Haas23, § 4a GmbHG Rz. 12; Bayer in Lutter/Hommelhoff20, § 4a GmbHG Rz. 17.

Gesell | 109

2.66

Kap. 2 Rz. 2.67 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht

1. Hereinverschmelzung nach Deutschland a) Aus der EU/dem EWR aa) Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Kapitalgesellschaften oder auf Personenhandelsgesellschaften mit in der Regel nicht mehr als 500 Arbeitnehmern

2.67 §§ 305 ff. UmwG1. Seit der Umsetzung der Verschmelzungsrichtlinie2 im Jahre 2007 sind grenzüberschreitende Verschmelzungen zwischen einer deutschen und einer dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegenden Kapitalgesellschaft ausdrücklich gesetzlich geregelt. Hiervon ausgeschlossen sind lediglich Genossenschaften (auch die SCE) und Organismen, die der gemeinsamen Anlage von Wertpapieren (OGAW) dienen, § 306 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UmwG3. Seit dem Jahr 2019 sind zudem auch Personenhandelsgesellschaften mit in der Regel nicht mehr als 500 Arbeitnehmern als übernehmende oder neue Gesellschaft umfasst. 2.68 Verschmelzungsbericht. Nach § 309 Abs. 1 UmwG haben die Vertretungsorgane der Beteiligten Gesellschaften einen Verschmelzungsbericht zu erstellen, in welchem neben den rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekten auch die Auswirkungen auf die Arbeitnehmer zu erläutern sind. Der notwendige Inhalt wird in § 309 Abs. 2 bis 6 weiter konkretisiert. Im Anschluss ist der Verschmelzungsbericht nach § 310 UmwG den Beteiligten zugänglich zu machen. Ein Verschmelzungsprüfer prüft nach §§ 311 i.V.m. 9 bis 12 UmwG den Verschmelzungsplan. 2.69 Anmeldung und Eintragung der grenzüberschreitenden Hereinverschmelzung. Die Anmeldung der Verschmelzung ist durch das Vertretungsorgan der übernehmenden Gesellschaft oder im Falle der Verschmelzung durch Neugründung durch die Vertretungsorgane der übertragenden Gesellschaft(en) zur Eintragung ins Handelsregister am Sitz der übernehmenden oder neuen Gesellschaft anzumelden. Das Registergericht prüft das Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen, die die übernehmende oder neue Gesellschaft treffen, und trägt die Verschmelzung bei Vorliegen aller Voraussetzungen ein. Die Eintragung darf aber erst erfolgen, wenn die über das Europäische System der Registervernetzung (BRIS) übermittelte Verschmelzungsbescheinigung vorliegt. Die Verschmelzungsbescheinigung erbringt den Nachweis über die ordnungsgemäße Erledigung der vorangehenden Verfahren und Formalitäten nach dem Recht desjenigen Staates, dem die übertragende Gesellschaft unterliegt. 2.70 Verschmelzung zur SE-Gründung. Für den Sonderfall einer Verschmelzung einer oder mehrerer Aktiengesellschaften aus anderen EU-/EWR-Mitgliedstaaten auf eine deutsche AG besteht zudem die Möglichkeit der Gründung einer SE gem. Art. 2, 17 ff. SE-VO sowie §§ 5 ff. SE-Ausführungsgesetz (SE-AG). Die an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften haben die Wahl zwischen der Verschmelzung durch Neu1 §§ 122a ff. UmwG a.F. 2 Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.10.2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, ABl. EU Nr. L 310/1, geändert ABl. EU Nr. L 28/40. 3 § 122b Abs. 2 Nr. 1 und 2 UmwG a.F.

110 | Gesell

C. Umstrukturierungsmöglichkeiten im Einzelnen | Rz. 2.73 Kap. 2

gründung einer Gesellschaft, auf die beide verschmolzen werden, und der Verschmelzung durch Aufnahme, bei der die aufnehmende Gesellschaft ihre Rechtsform in eine SE ändert, Art. 17 Abs. 2 SE-VO.1 bb) Verschmelzung unter Beteiligung anderer Gesellschaftsformen (1) Vorbemerkung §§ 305 ff. UmwG2. Das Umwandlungsgesetz regelt, wie dargestellt, nur einen Teil der möglichen Konstellationen für grenzüberschreitende Verschmelzungen nach Deutschland herein, lässt aber die Verschmelzung ausländischer Kapitalgesellschaften auf deutsche Personengesellschaften (mit Ausnahme von Personenhandelsgesellschaften mit in der Regel nicht mehr als 500 Arbeitnehmern) ebenso ungeregelt wie die Verschmelzung ausländischer Personengesellschaften auf deutsche Gesellschaften jeglicher Rechtsform.

2.71

SEVIC-Entscheidung. Dennoch besteht weitestgehend Einigkeit darüber, dass auch diese Verschmelzungen zulässig sind. Dies ergibt sich aus der „SEVIC“-Entscheidung des EuGH (Rz. 2.9), wonach die Verschmelzung mit einer Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat der EU der Niederlassungsfreiheit unterfällt und daher zulässig sein muss. Die Entscheidung erging, noch bevor die Verschmelzungsrichtlinie und die Umwandlungsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt wurden. Bemerkenswerterweise hat der EuGH nicht hinsichtlich der Gesellschaftsformen differenziert, sondern ganz allgemein festgehalten, dass Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten dieser Weg zugänglich sein müsse, wenn das nationale Recht ihn inländischen Gesellschaften anbiete. Daraus wird von der ganz herrschenden Meinung in der Literatur geschlossen, dass das Institut der grenzüberschreitenden Verschmelzung nicht nur Kapitalgesellschaften zur Verfügung steht.3 Aus der „SEVIC“-Entscheidung lässt sich klar ableiten, dass das deutsche Recht, da es die innerstaatliche Verschmelzung auch von Personengesellschaften zulässt, diese Möglichkeit auch Gesellschaften aus EU/ EWR-Mitgliedstaaten zugestehen muss, wenn diese auf eine deutsche Gesellschaft verschmolzen werden sollen.

2.72

Gleichwohl ist eine grenzüberschreitende Verschmelzung à la SEVIC unter Beteiligung von Personengesellschaften dann nicht möglich, wenn das Recht des Wegzugsstaates auch eine innerstaatliche Verschmelzung in dieser Konstellation nicht zulässt, wie z.B. das österreichische Umwandlungsrecht; die Verschmelzung einer öster-

2.73

1 Vgl. zu den Einzelheiten Schröder in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE3, Art. 17 Rz. 11 ff.; Gesell/Berjasevic in Gesellschaftsrecht in Europa, Teil 2 § 4 Europäische Aktiengesellschaft SE Rz. 19 ff. 2 §§ 122a ff. UmwG a.F. 3 Stöber, ZIP 2012, 1273 (1274); Bayer in Lutter, UmwG6, § 122a UmwG Rz. 12; Habersack/ Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht5, 377 f.; Krause/Kulpa, ZHR 171 (2007), 38 (48); Thümmel/Hack, Der Konzern 2009, 1 ff.; Kallmeyer/Kappes, AG 2006, 224 ff.; Weiss/Wöhlert, WM 2007, 580 (581); Bayer/Schmidt, ZHR 173 (2009), 735 (768 ff.); Krause/Kulpa, ZHR 171 (2007), 38 (45); Bungert/Wansleben, DB 2019, 49; Hoffmann, NZG 2019, 1208; a.A. Leible/Hoffmann, RiW 2006, 161 (165).

Gesell | 111

Kap. 2 Rz. 2.73 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht

reichischen Personengesellschaft auf eine deutsche Personen- oder Kapitalgesellschaft ist daher nach derzeitiger Rechtslage nicht auf der Grundlage des Umwandlungsrechts1 möglich. Der EuGH stellt in der „SEVIC“-Entscheidung (wenn auch beim Zuzugsstaat) entscheidend darauf ab, dass das nationale Recht eine innerstaatliche Verschmelzung zulasse und nur darin eine Beschränkung zu sehen sei, dass es diese Möglichkeit Gesellschaften aus der EU/dem EWR verweigere.2 Solange aber die Rechtsordnung der jeweiligen Gesellschaft ein Recht zur Verschmelzung nicht gewährt, kann auch die Niederlassungsfreiheit darüber nicht hinweghelfen.3

2.74 Hinausverschmelzung der ausländischen Gesellschaft. Die meisten anderen Rechtsordnungen in Europa erkennen zwar die Verschmelzung unter Beteiligung von Personengesellschaften an, häufig jedoch nur unter der Beschränkung auf innerstaatliche Verschmelzungen. Ob die EU-/EWR-Mitgliedstaaten gleichwohl eine Hinausverschmelzung in einen anderen Mitgliedstaat zulassen müssen, weil auch diese von der Niederlassungsfreiheit erfasst wird, ist in der Literatur umstritten. Nach der „Daily-Mail“-Entscheidung des EuGH steht es den Mitgliedstaaten frei, durch nationale Regelungen den Wegzug ihrer Gesellschaften zu verhindern. Dies wurde in der „Cartesio“-Entscheidung so bestätigt. Demnach gehen Teile der Literatur davon aus, dass eine Hinausverschmelzung einer Verlegung des Satzungssitzes gleichkomme und daher unzulässig sei.4 Der Vergleich mit der Verlegung des Satzungssitzes hinkt indes. Bei der Verschmelzung machen nicht nur eine Gesellschaft, sondern zwei Gesellschaften aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch, so dass ein Verbot einer Hinausverschmelzung gegenüber einer Gesellschaft aus der eigenen Jurisdiktion zugleich auch das Verbot einer Hereinverschmelzung auf die Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat zur Folge hätte. Die mittlerweile ganz h.M. in der Literatur sieht unter Verweis auf die „SEVIC“-Entscheidung daher auch Hinausverschmelzungen als vom Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit erfasst an.5 Zwar hat der EuGH in dieser Entscheidung letztlich nur Ausführungen hinsichtlich der Hereinverschmelzung gemacht. Teilweise spricht er jedoch auch ganz 1 Alternativ besteht aber die Möglichkeit, ebenso wie im deutschen Recht das Vermögen der übertragenden Personengesellschaft im Wege der Anwachsung auf einen verbleibenden deutschen Alleingesellschafter zu übertragen. Zu den Einzelheiten vgl. die Kommentierungen zu § 142 des österreichischen UGB von Jabornegg/Artmann, Kommentar zum UGB (2010); Koppensteiner/Auer in Straube, UGB (2009); Krejci in Krejci, RK UGB (2007). 2 EuGH v. 13.12.2005 – C-411/03 – SEVIC, Slg. 2005, I-10805 = NJW 2006, 425 (426) Rz. 23. Siehe auch Heckschen in W/M, § 122b UmwG Rz. 13 (Stand: Juli 2019). 3 Krause/Kulpa, ZHR 171 (2007), 38 (43); Dauner-Lieb in KölnKomm zum UmwG, § 1 Rz. 28; Weiss/Wöhlert, WM 2007, 580 (581 f.); Teichmann, ZIP 2009, 393 (402); Ego in MünchKomm/AktG5, Band 7, Europäische Niederlassungsfreiheit, Rz. 92 ff. zur allgemeinen Meinung. 4 Kindler in MünchKomm/BGB8, Band 13, Internationales Gesellschaftsrecht, Teil 10, Rz. 853 ff. m.w.N.; Leible/Hoffmann, RiW 2006, 161 (165 f.). 5 Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard, UmwG5, Einl. C. Rz. 31 mit zahlreichen Nachweisen zur mittlerweile kaum mehr überschaubaren Literatur; Bayer/Schmidt, ZHR 173 (2009), 735 (765); Krause/Kulpa, ZHR 171 (2007), 38 (44 f.); Teichmann, ZIP 2006, 355 (357 f.); Kallmeyer/Kappes, AG 2006, 224 (226); Geyrhalter/Weber, DStR 2006, 146 (150); Thümmel/Hack, Der Konzern 2009, 1 (2 f.); Stöber, ZIP 2012, 1273 (1276).

112 | Gesell

C. Umstrukturierungsmöglichkeiten im Einzelnen | Rz. 2.76 Kap. 2

allgemein davon, dass „grenzüberschreitende Verschmelzungen den Zusammenarbeits- und Umgestaltungsbedürfnissen von Gesellschaften mit Sitz in verschiedenen Mitgliedstaaten entsprechen und dass sie für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes wichtige Modalitäten darstellen“.1 Eine Einschränkung auf die Gesellschaft, auf die verschmolzen werden soll, und somit auf Hereinverschmelzungen ist darin nicht zu erkennen. Entsprechend hat auch das AG Amsterdam entschieden, dass eine Hinausverschmelzung einer niederländischen Gesellschaft auf eine deutsche Gesellschaft ebenso in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit fällt und damit entsprechend der „SEVIC“-Entscheidung zulässig ist.2 Zu beachten ist auch, dass der EuGH in der „Cartesio“-Entscheidung (wenngleich in einem obiter dictum) entschieden hat, dass ein Mitgliedstaat es nicht untersagen dürfe, wenn eine Gesellschaft unter Änderung des Gesellschaftsstatuts in eine Rechtsform eines anderen Mitgliedstaates wechselt. Es wäre in sich widersprüchlich, würde man den Fall, dass eine Gesellschaft, die ihre Rechtsform in die eines anderen Mitgliedstaates wechselt und sich anschließend nach nationalem Recht dort verschmilzt, anders behandeln als eine direkte Verschmelzung. Sofern also das nationale Recht des Wegzugsstaates die Verschmelzung unter Beteiligung von Personengesellschaften kennt, muss es unter Zugrundelegung der „SEVIC“-Entscheidung auch die Verschmelzung auf eine deutsche Kapital- oder Personengesellschaft zulassen. Dementsprechend gilt für die verschiedenen denkbaren Szenarien einer Hereinverschmelzung nach Deutschland unter Einbeziehung einer Personengesellschaft Folgendes: (2) Ausländische Kapitalgesellschaft auf deutsche Personengesellschaft Die Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft aus dem EU/EWR-Raum auf eine deutsche Personengesellschaft ist zulässig. Auf der Seite des Wegzugsstaates gestattet infolge der Umsetzung der Verschmelzungsrichtlinie das nationale Recht die grenzüberschreitende Verschmelzung in einen anderen Mitgliedstaat. Auf deutscher Seite gestattet § 306 Abs. 1 Nr. 2 UmwG3 eine Verschmelzung einer ausländischen Kapitalgesellschaft auf eine deutsche Personenhandelsgesellschaft mit nicht mehr als 500 Arbeitnehmern. Entsprechend den Grundsätzen des „SEVIC“-Urteils müsste das deutsche Recht Kapitalgesellschaften aus dem EU/EWR-Raum eine derartige Verschmelzung auch auf andere Personengesellschaften ermöglichen.

2.75

Verschmelzende Umwandlung einer österreichischen Kapitalgesellschaft. Eine Gestaltungsalternative für österreichisch-deutsche Verschmelzungsvorgänge bietet das österreichische Umwandlungsrecht: Gemäß § 2 öUmwG kann eine österreichische Kapitalgesellschaft im Wege der sog. verschmelzenden Umwandlung auf ihren Hauptgesellschafter übertragen werden. Der Hauptgesellschafter muss nicht Österreicher oder eine österreichische Gesellschaft sein, lediglich Kapitalgesellschaften mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat sind von der Regelung ausgenommen, da für deren

2.76

1 EuGH v. 13.12.2005 – C-411/03 – SEVIC, Slg. 2005, I-10805 = NJW 2006, 425 (426) Rz. 19. 2 AG Amsterdam (Kantongerecht) v. 29.1.2007 – EA 06-3338 166, DB 2007, 677 ff. m. Anm. Gesell; s. auch Gesell/Riemer, ECFR 2007, 308 ff. 3 § 122b Abs. 1 Nr. 2 UmwG a.F.

Gesell | 113

Kap. 2 Rz. 2.76 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht

Verschmelzung mit österreichischen Kapitalgesellschaften Spezialregelungen in Umsetzung der Verschmelzungsrichtlinie (Rz. 2.12) gelten. Die verschmelzende Umwandlung einer österreichischen Kapitalgesellschaft auf eine deutsche Personengesellschaft ist hingegen möglich. Voraussetzung ist, dass die deutsche Gesellschaft mindestens 90 % des Grund- oder Stammkapitals der österreichischen Kapitalgesellschaft hält. Die Minderheitsgesellschafter scheiden gegen Barabfindung aus, ihnen ist keine Beteiligung an der übernehmenden Rechtsträgerin einzuräumen.1 Im wirtschaftlichen Ergebnis handelt es sich also um eine Kombination aus Verschmelzung und Squeeze-out, ähnlich dem verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out nach § 62 Abs. 5 des deutschen Umwandlungsgesetzes. (3) Ausländische Personengesellschaft auf deutsche Kapitalgesellschaft

2.77 Ob eine Personengesellschaft aus dem EU/EWR-Raum auf eine deutsche Kapitalgesellschaft verschmolzen werden kann, hängt davon ab, ob das Recht des Wegzugsstaates die innerstaatliche Verschmelzung unter Beteiligung von Personengesellschaften zulässt (anders als beispielsweise das österreichische Recht). Ist dies der Fall, so schützt die „SEVIC“-Entscheidung richtigerweise auch die Möglichkeit, die Gesellschaft aus dem Wegzugsstaat hinaus zu verschmelzen (Rz. 2.74). Auf deutscher Seite bestehen gegen eine solche Verschmelzung keine Bedenken, da das deutsche Umwandlungsrecht die Verschmelzung einer Personen- auf eine Kapitalgesellschaft zulässt und dies entsprechend der „SEVIC“-Entscheidung auch Gesellschaften aus Mitgliedstaaten offenstehen muss. 2.78 Als alternatives Gestaltungsinstrument ist stets die Möglichkeit einer Anwachsung der ausländischen Personengesellschaft auf die deutsche Kapitalgesellschaft als letzte verbleibende Gesellschafterin zu prüfen, wie sie z.B. in Österreich möglich ist (s. Rz. 2.103 zum umgekehrten Fall der Anwachsung einer deutschen Personengesellschaft). (4) Ausländische Personengesellschaft auf deutsche Personengesellschaft

2.79 Hinsichtlich der Zulässigkeit der Verschmelzung einer Personengesellschaft aus einem EU/EWR-Mitgliedstaat auf eine deutsche Personengesellschaft gilt das zu (3) Gesagte (Rz. 2.77 ff.) entsprechend. (5) Anwendbare Verfahrensregeln

2.80 Kollisionsrechtliche Vereinigungstheorie. Das Verfahren einer grenzüberschreitenden Verschmelzung unter Beteiligung von Personengesellschaften, die nicht unter § 306 Abs. 1 Nr. 2 UmwG fallen, richtet sich grundsätzlich nach den Bestimmungen der beteiligten Mitgliedstaaten für entsprechende innerstaatliche Verschmelzungsvor1 Zu den Einzelheiten vgl. Helbich/Wiesner/Bruckner, Handbuch der Umgründungen (ab 2002), Art. II Umwandlung-Handelsrecht; Kalss, Verschmelzung, Spaltung, Umwandlung (2010), §§ 1 ff. UmwG, 1165; Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht (2008), Rz. 3/1032.

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C. Umstrukturierungsmöglichkeiten im Einzelnen | Rz. 2.81 Kap. 2

gänge. Im Falle von Abweichungen (z.B. hinsichtlich der Form des Verschmelzungsvertrages) gilt nach der kollisionsrechtlichen Vereinigungstheorie1 jeweils die strengere Bestimmung.2 Nach anderer Ansicht sollen die innerstaatlichen Bestimmungen für Verschmelzungen mit einer Analogie zu Teilen der §§ 305 ff. UmwG3 kombiniert werden.4 Im Hinblick auf die Frage, ob Gesellschaftern der übernehmenden deutschen Gesellschaft, die der Verschmelzung widersprochen haben, ein Abfindungsangebot zu unterbreiten ist, ist allerdings sowohl für die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften, nicht aber für die Verschmelzung sonstiger Gesellschaftsformen stets § 29 UmwG einschlägig, da § 313 UmwG5 ausweislich der Gesetzesbegründung nur für übertragende Gesellschaften gilt, die dem deutschen Recht unterliegen.6 Die Verfahrensvorschriften sollten daher immer vorab mit den zuständigen Registergerichten abgestimmt werden. cc) Sonderfall: Verschmelzung ausländischer Rechtsträger durch Neugründung einer deutschen Gesellschaft Es ist umstritten, ob eine Verschmelzung zur Neugründung, bei der die übertragenden Rechtsträger aus demselben Mitgliedstaat stammen und nur die neu gegründete Gesellschaft dem Recht eines anderen Mitgliedstaates unterliegen soll, zulässig ist. Das wäre z.B. der Fall, wenn zwei französische s.à r.l. auf eine durch die Verschmelzung neu zu gründende deutsche GmbH verschmolzen werden sollen. Dieser Fall wird nach teilweise vertretener Ansicht in der Literatur von der Verschmelzungsrichtlinie nicht erfasst.7 Daher ist jedenfalls nicht gesichert, dass in jedem Mitgliedstaat der EU/des EWR überhaupt eine Verschmelzung zur Neugründung in einen anderen Mitgliedstaat vorgesehen ist (ob die §§ 305 ff. UmwG8 diesen Fall erfassen, ist umstritten, dazu Rz. 2.106). Sollte dies der Fall sein, ist noch ungesichert, ob das deutsche Recht diese Verschmelzung akzeptieren müsste. Nach zutreffender Ansicht unterfällt aber auch eine derartige Verschmelzung der Niederlassungsfreiheit der Art. 49 AEUV und ist unter Zugrundelegung der „SEVIC“-Entscheidung zulässig.9

1 Entwickelt von Beitzke, FS Hallstein, 14 (20 ff.); früher bereits v. Spindler, Wanderungen gewerblicher Körperschaften (1932), 78; aktuelle Darstellung bei Geyrhalter/Weber, DStR 2006, 146 (148 ff.); Kindler in MünchKomm/BGB8, Band 13, Internationales Wirtschaftsrecht, Rz. 803 ff., 850. 2 Bayer in Lutter, UmwG6, § 122a Rz. 13, § 1 Rz. 44; Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard, UmwG5, Einl. C. Rz. 16, 36; Kindler in MünchKomm/BGB8, Band 13, Internationales Wirtschaftsrecht, Rz. 803. 3 §§ 122a ff. UmwG a.F. 4 Bayer/Schmidt, ZHR 173 (2009), 735 (767). 5 § 122i UmwG a.F. 6 BT-Drucks. 20/3822, 95. 7 Heckschen in W/M, § 122a UmwG Rz. 6 (Stand: Juli 2019).; Frenzel, RiW 2008, 12 (14); Frenzel, RIW 2008, 12 (14); Spahlinger/Wegen, NZG 2006, 721 (722); Oechsler, NZG 2006, 161 (166); Winter, Der Konzern 2007, 24 (27). 8 §§ 122a ff. UmwG a.F. 9 Bayer in Lutter, UmwG6, § 122a Rz. 25; Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht5, 377.

Gesell | 115

2.81

Kap. 2 Rz. 2.81 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht

Da das deutsche Recht eine Verschmelzung zur Neugründung kennt, müsste es demnach auch Gesellschaften aus Mitgliedstaaten diese Möglichkeit bereitstellen. Eine vorherige Abstimmung mit den Registergerichten ist aber auch hier noch unerlässlich.

2.82 Zu beachten ist, dass im Falle der Hereinverschmelzung sowohl auf eine deutsche Kapitalgesellschaft als auch zur Gründung einer deutschen SE das jeweilige nationale Recht vorschreiben kann, dass den bisherigen Gesellschaftern ein Abfindungsangebot zu unterbreiten ist. b) Aus der Schweiz

2.83 Hereinverschmelzungen von Gesellschaften aus der Schweiz nach Deutschland sind nicht möglich. Hierzu fehlen jegliche Rechtsgrundlagen, die eine derartige Umwandlungsmaßnahme gestatten würden. Das UmwG ist dem Grunde nach nur auf Rechtsträger mit Sitz im Inland anwendbar, § 1 Abs. 1 UmwG. Die Vorschriften der §§ 305 ff. UmwG1 und der AEUV sind weder direkt noch in irgendeiner Weise analog auf die Schweiz anwendbar.2 c) Aus Großbritannien

2.84 Hereinverschmelzungen von Gesellschaften aus dem Vereinigten Königreich nach Deutschland sind seit 1.1.2021 (Rz. 2.19) nicht mehr möglich. Daher gilt das zur Schweiz Gesagte (Rz. 2.83) entsprechend. Der deutsche Gesetzgeber hat allerdings mit § 319 UmwG3 eine Rechtsgrundlage geschaffen, die Altfällen Bestandschutz gewährt. d) Aus den USA

2.85 Sowohl das deutsche als auch das amerikanische Recht kennen das Institut der Verschmelzung (sog. mergers). Jedoch existiert keine Rechtsgrundlage zwischen den beiden Ländern, die eine derartige grenzüberschreitende Verschmelzung erfasst. 2.86 Auf US-rechtlicher Seite ist auf den jeweiligen Bundesstaat abzustellen. So ist etwa eine grenzüberschreitende Verschmelzung in dem Bundesstaat Delaware möglich, wenn das ausländische Recht sie ebenfalls gestattet, § 252 (a) Satz 3 des Delaware General Corporation Law.4 Auf deutscher Ebene existiert eine derartige Vorschrift nicht. Allerdings ist auch hier in Anlehnung an den Freundschaftsvertrag (Rz. 2.21 ff.) die Zulässigkeit einer Verschmelzung einer US-amerikanischen Gesellschaft auf eine

1 §§ 122a ff. UmwG a.F. 2 Zur Schweiz s. BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, NJW 2009, 289; Heckschen/Hilser, DStR 2022, 1005 (1008). 3 § 122m UmwG a.F. 4 Kuntz, IStR 2006, 224 (228); Frenzel/Axer, RiW 2007, 47; allerdings kann nicht jede Rechtsform daran beteiligt sein.

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C. Umstrukturierungsmöglichkeiten im Einzelnen | Rz. 2.90 Kap. 2

deutsche Gesellschaft sehr wohl denkbar, wenn auch bis dato ungeklärt.1 Ob man die Zulässigkeit einer Verschmelzung bejaht, hängt letztlich davon ab, in welcher Weise man die Niederlassungsfreiheit des Art. VII Abs. 1 Satz 1 i.V.m. der Meistbegünstigungsklausel des Art. VII Abs. 4 und dem Gebot der Inländerbehandlung auslegt (Rz. 2.19 ff.). Gute Argumente sprechen für die Zulässigkeit einer solchen Verschmelzung. Keine Anwendung finden hingegen nach h.M. die §§ 305 ff. UmwG.2 Vielmehr wären auch hier entsprechend der kollisionsrechtlichen Vereinigungstheorie (Rz. 2.80) die Verschmelzungsvorschriften beider Länder zu erfüllen. Da es zu dieser Umwandlungsmethode aktuell noch keine Rechtsprechung gibt, ist hier eine Abstimmung des Verfahrens mit den Registergerichten beider Länder zwingend erforderlich, um die Wirksamkeit zu gewährleisten.

2.87

e) Aus den BRIC-Staaten Brasilien. Das brasilianische Recht untersagt zwar grundsätzlich Hinausverschmelzungen brasilianischer Gesellschaften ins Ausland nicht,3 aber mangels einer entsprechenden völkerrechtlichen Vereinbarung erkennt das deutsche Recht eine derartige Hereinverschmelzung einer brasilianischen auf eine deutsche Gesellschaft nicht an. Insoweit gilt das zur Schweiz Gesagte (Rz. 2.83) entsprechend.

2.88

Russland. Das russische Recht kennt zwar Rechtsinstitute, die der Verschmelzung durch Neugründung bzw. der Verschmelzung durch Aufnahme nach deutschem Umwandlungsgesetz entsprechen,4 regelt dies aber nur für innerstaatliche Verschmelzungsvorgänge. Unabhängig davon erkennt auch das deutsche Recht eine Hereinverschmelzung aus Russland nach Deutschland nicht an.5 Das zur Schweiz Gesagte (Rz. 2.83) gilt entsprechend.

2.89

Indien. Nach indischem Recht ist die Hinausverschmelzung einer indischen Gesellschaft ins Ausland zulässig.6 Allerdings wird das deutsche Recht mangels anderwei-

2.90

1 Samson/Flindt, NZG 2006, 299 (293); Hoffmann, NZG 1999, 1077 (1082 f.); Kiem, WM 2006, 1091 (1093); generell eher ablehnend Drinhausen in Semler/Stengel, UmwG3, Einl. C. Rz. 32. 2 §§ 122a ff. UmwG a.F.; Bayer in Lutter, UmwG6, § 122b Rz. 11; Heckschen in W/M, § 122b UmwG Rz. 89 (Stand: Juli 2019); Bayer/Schmidt, ZHR 173 (2009), 735 (765); a.A. Kiem, WM 2006, 1091 (1093). 3 Art. 227 f. Brazilian Corporate Law (Lei n° 6404/1976). 4 Sparfeld/Vladimirow in W/M, Anh. 3 Rz. RUS 67 ff. (Stand: Mai 2009). 5 Barth/Kurochkin in Wegen/Spahlinger/Barth, Gesellschaftsrecht des Auslands, Werkstand: 5. EL Februar 2022, Russland, Rz. 290; Heckschen in W/M, Umwandlungsrecht,162. Lieferung (Feb. 2017), § 1 Rz. 307.2. 6 Section 234 Companies Act 2013 (F. 70) i.V.m. den Companies (Compromises, Arrangements and Amalgamations) Rules 2016 (https://www.mca.gov.in/Ministry/pdf/compromisesrules2016_15122016.pdf) und den Foreign Exchange Management (Cross Border Merger) Regulations 2018 (https://rbidocs.rbi.org.in/rdocs/notification/PDFs/ CBM28031838E18A1D866A47F8A20201D6518E468E.pdf).

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Kap. 2 Rz. 2.90 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht

tiger völkerrechtlicher Vereinbarung die Hereinverschmelzung einer indischen auf eine deutsche Gesellschaft nicht anerkennen.1

2.91 China. Auch das chinesische Recht kennt zwar die Verschmelzung als Gestaltungsinstrument für innerchinesische Umwandlungsvorgänge, erlaubt aber nicht die Hinausverschmelzung einer chinesischen Gesellschaft ins Ausland.2 Unabhängig davon erkennt aber auch das deutsche Recht eine Hereinverschmelzung chinesischer auf deutsche Gesellschaften nicht an, das zur Schweiz Gesagte gilt entsprechend (Rz. 2.83). f) Aus dem Rest der Welt

2.92 Das zur Schweiz Gesagte (Rz. 2.83) gilt entsprechend, sofern nicht ausnahmsweise ein entsprechendes völkerrechtliches Abkommen zwischen Deutschland und dem betreffenden Staat besteht. g) Exkurs: „Synthetische“ Verschmelzung über eine DLC-Struktur

2.93 Aufgrund der Schwierigkeiten, die sich in der Vergangenheit bei grenzüberschreitenden Unternehmenszusammenschlüssen gestellt haben, hat die Praxis Lösungen entwickelt, die zwar in materiell-rechtlicher Hinsicht keine Verschmelzung darstellen, wirtschaftlich aber zumindest ähnliche Effekte erzielen, sog. synthetische Unternehmenszusammenschlüsse. Die Vereinigung zweier Unternehmen wird dabei allein durch vertragliche Regelungen bewirkt, durch die die Anteilsinhaber der beiden Gesellschaften untereinander gleichgestellt werden, sog. „Equalisation Agreements“.3 Die beteiligten Gesellschaften verlieren nicht ihre rechtliche Selbstständigkeit, sondern leiten im Regelfall als Konzerndoppelspitze die gemeinsamen unternehmerischen Aktivitäten im Sinne einer Holding. Daraus hat sich der Begriff der „dualheaded company“ oder, für börsennotierte Unternehmen, „dual-listed company“ entwickelt. Die Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen solcher DLC-Strukturen sind mannigfaltig. Für die sog. „combined group structure“ ist es charakteristisch, dass die beteiligten Gesellschaften ihre Aktiva und Beteiligungen an Tochtergesellschaften in eine gemeinsame Tochtergesellschaft einbringen. An der Beteiligungsstruktur der beiden Gesellschaften ändert sich nichts. Bei einer „separate entity structure“ übertragen die Gesellschaften nicht einmal ihre Vermögenswerte und Beteiligungen. Hierbei entsteht ein rein auf schuldrechtlicher Ebene basierender Zusammenschluss. Bei der „twinned shares structure“ wird der Zusammenschluss dadurch erreicht, dass jeder Gesellschafter zugleich an beiden beteiligten Gesellschaften Anteile hält, die untrennbar miteinander verbunden sind.4 1 Heckschen in W/M, Umwandlungsrecht, 162. Lieferung (Feb. 2017), § 1 Rz. 301; Wegen/ Oza in Wegen/Spahlinger/Barth, Gesellschaftsrecht des Auslands, Werkstand: 5. EL Februar 2022, Indien, Rz. 342. 2 Art. 173 ff. i.V.m. Art. 2 Companies Law of the Peoples Republic of China (2018) (Quelle: http://mg.mofcom.gov.cn/article/policy/201910/20191002905610.shtml); Heckschen in W/ M, Umwandlungsrecht, 162. Lieferung (Feb. 2017), § 1 Rz. 297.3. 3 Reichert, FS Hüffer, 805 (807); Gutkès in S/B/B5, § 12 Rz. 6. 4 Samson/Flindt, NZG 2006, 290 (295 f.); Harbarth, AG 2004, 573 ff.

118 | Gesell

C. Umstrukturierungsmöglichkeiten im Einzelnen | Rz. 2.99 Kap. 2

2. Hinausverschmelzungen aus Deutschland a) In die EU/den EWR aa) Verschmelzung ausschließlich von Kapitalgesellschaften Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten der EU/des EWR können gem. §§ 305 ff. UmwG1 miteinander verschmolzen werden. Zudem kann eine deutsche Aktiengesellschaft auf eine Aktiengesellschaft aus dem EU-/EWR-Raum verschmolzen werden, um auf diesem Wege eine SE zu gründen (Rz. 2.66 f.).

2.94

Wie stets im deutschen Recht wird ein Aktionär davor geschützt, dass er gegen seinen Willen Anteilsinhaber einer ausländischen Gesellschaft wird. Deshalb ist jedem Gesellschafter, der gegen den Verschmelzungsbeschluss Widerspruch erhebt, ein Abfindungsangebot zu machen, § 313 UmwG2 bzw. § 7 SEAG.

2.95

Anmeldung der Hinausverschmelzung. Das Vertretungsorgan der übertragenden deutschen Gesellschaft hat das Vorliegen der diese Gesellschaft betreffenden Voraussetzungen für die grenzüberschreitende Hinausverschmelzung zur Eintragung bei dem Register des Sitzes dieser Gesellschaft anzumelden. Zudem haben die Vertretungsorgane bestimmte Versicherungen zu den zu leistenden Sicherheiten, Arbeitnehmerrechten und dem Nichtvorliegen von Insolvenztatbeständen abzugeben.

2.96

Verschmelzungsbescheinigung. Das Registergericht stellt sodann von Amts wegen eine Verschmelzungsbescheinigung aus. Sie wird über das Europäische System der Registervernetzung (BRIS) dem Registergericht des Zuzugsstaates übermittelt und der Allgemeinheit zugänglich gemacht.

2.97

Missbrauchskontrolle. Beim Vorliegen von Anhaltspunkten prüft das Registergericht, ob die grenzüberschreitende Verschmelzung zu missbräuchlichen, betrügerischen oder kriminellen Zwecken vorgenommen werden soll. Die Erwägungsgründe 35 und 36 der Umwandlungsrichtlinie legen nahe, dass „missbräuchliche Zwecke“ insbesondere zu Lasten des Rechtsverkehrs, namentlich der Gläubiger der beteiligten Gesellschaften, sowie der in den beteiligten Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verfolgt werden. Sofern der Gesetzentwurf des MgFSG3 ohne Änderungen in Kraft tritt, wird gem. § 36 MgFSG die Vermeidung von Arbeitnehmermitbestimmung als missbräuchlicher Zweck angesehen werden.4

2.98

bb) Verschmelzung unter Beteiligung anderer Gesellschaftsformen (1) Vorbemerkung Die §§ 305 ff. UmwG5 regeln nur den Fall der Hinausverschmelzung einer deutschen Kapitalgesellschaft auf eine ausländische Kapitalgesellschaft. Für die Verschmelzung 1 §§ 122a ff. UmwG a.F. 2 § 122i UmwG a.F. 3 Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung, BT-Drucks. 20/3817. 4 BT-Drucks. 20/3817; ebenso BT-Drucks. 20/3822, S. 104. 5 §§ 122a ff. UmwG a.F.

Gesell | 119

2.99

Kap. 2 Rz. 2.99 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht

einer deutschen Kapitalgesellschaft auf eine ausländische Personengesellschaft, für die Verschmelzung einer deutschen Personengesellschaft auf eine ausländische Kapitalgesellschaft und für die Verschmelzung einer deutschen Personengesellschaft auf eine ausländische Personengesellschaft besteht hingegen in Deutschland keine gesetzliche Regelung. In diesen Fällen ist wiederum auf die „SEVIC“-Entscheidung des EuGH zurückzugreifen, wonach grenzüberschreitende Verschmelzungen unter die Niederlassungsfreiheit fallen (Rz. 2.7).

2.100 Wie bereits bei der Hereinverschmelzung – diesmal aber aus deutscher Sicht – ist nicht abschließend geklärt, ob aus der Niederlassungsfreiheit auch die Zulässigkeit der Hinausverschmelzung aus Deutschland abzuleiten ist. Die h.M. bejaht dies zu Recht (Rz. 2.72). (2) Die verschiedenen Varianten im Einzelnen (a) Deutsche Kapitalgesellschaft auf ausländische Personengesellschaft

2.101 Sofern man richtigerweise davon ausgeht, dass auch Hinausverschmelzungen von der Niederlassungsfreiheit gedeckt sind, bestehen von deutscher Seite keine Bedenken gegen eine Verschmelzung auf eine Personengesellschaft im EU-/EWR-Raum. Der Zuzugsstaat muss allerdings die innerstaatliche Verschmelzung für Personengesellschaften zulassen. Tut er dies nicht, wie etwa Österreich, so ist eine Verschmelzung auf eine Personengesellschaft, die dem Recht dieses Staates unterliegt, nicht möglich. Das „SEVIC“-Urteil hilft dann nicht weiter, da eine Diskriminierung und damit ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit voraussetzen würden, dass inländische und ausländische Gesellschaften unterschiedlich behandelt werden. Dies ist aber nicht der Fall, wenn das nationale Recht bereits die Verschmelzung von inländischen Personengesellschaften nicht erlaubt. Gestattet der Zuzugsstaat hingegen auch die Verschmelzung von Personengesellschaften, so hat er entsprechend der „SEVIC“-Entscheidung diese Möglichkeit auch Gesellschaften aus anderen EU-/EWR-Mitgliedstaaten zu eröffnen. (b) Deutsche Personengesellschaft auf ausländische Kapitalgesellschaft

2.102 Umwandlungsmodell. Unter der Prämisse, dass Hinausverschmelzungen der Niederlassungsfreiheit unterfallen, ist die Verschmelzung einer deutschen Personengesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft aus dem EU-/EWR-Raum zulässig, da auf deutscher Seite das UmwG die Verschmelzung von Personengesellschaften zulässt und der Zuzugsstaat nach der Umsetzung der Verschmelzungsrichtlinie die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften vorsehen muss. 2.103 Anwachsungsmodell.1 Alternativ zu einer Verschmelzung auf Grundlage der „SEVIC“-Entscheidung und des deutschen Umwandlungsgesetzes kann eine deutsche Personengesellschaft auch im Wege einer Anwachsung ihr Vermögen als Ganzes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf einen ausländischen Rechtsträger übertragen. 1 Vgl. zum Ganzen: Hoger/Lieder, ZHR 180 (2016), 613.

120 | Gesell

C. Umstrukturierungsmöglichkeiten im Einzelnen | Rz. 2.106 Kap. 2

In diesem Fall ist der ausländische übernehmende Rechtsträger Gesellschafter der deutschen Personengesellschaft und die übrigen Gesellschafter treten entweder aus oder übertragen ihre Anteile auf den übernehmenden Rechtsträger. Mit Ausscheiden der übrigen Gesellschafter erlischt die Personengesellschaft und ihr Vermögen wächst gem. § 738 BGB (ggf. i.V.m. §§ 105 Abs. 2 und 161 Abs. 2 HGB) bei dem letzten verbliebenen Gesellschafter an.1 Die Anwachsung erfolgt unabhängig davon, ob der übernehmende Gesellschafter In- oder Ausländer ist. (c) Deutsche Personengesellschaft auf ausländische Personengesellschaft Hinsichtlich der deutschen Seite wird auf (Rz. 2.102) verwiesen. Die aufnehmende Rechtsordnung muss, sofern sie die Verschmelzung von Personengesellschaften kennt, dies zulassen. In diesem Fall ist entsprechend der „SEVIC“-Entscheidung eine Verschmelzung zulässig. Alternativ kommt eine Verschmelzung im Wege der Anwachsung (Rz. 2.103) in Betracht.

2.104

(d) Anwendbare Verfahrensregeln

2.105

Das zur Hereinverschmelzung Gesagte (Rz. 2.80) gilt entsprechend. cc) Sonderfall: Verschmelzung allein deutscher Gesellschaften durch Neugründung einer ausländischen Gesellschaft

Wie bereits oben erläutert, ist eine Verschmelzung, bei der die übertragenden Gesellschaften dem Recht desselben Mitgliedstaates angehören und nur die neu zu gründende Gesellschaft dem Recht eines anderen Mitgliedstaates unterliegen soll, nicht von der Verschmelzungsrichtlinie erfasst. Es ist jedoch mittlerweile h.M., dass § 305 Abs. 1 UmwG2 auch diesen Fall regelt und damit für deutsche Gesellschaften möglich macht.3 Nach § 305 Abs. 1 UmwG4 liegt nämlich eine grenzüberschreitende Verschmelzung schon dann vor, wenn eine der beteiligten Gesellschaften dem Recht eines anderen Mitgliedstaates unterliegt. Wie sich etwa aus § 306 Abs. 1 UmwG5 ergibt, ist die im Zuge der Neugründung zu errichtende Gesellschaft eine derartig beteiligte Gesellschaft. Für die Zulässigkeit der Maßnahme kommt es zudem darauf an, ob die andere beteiligte Rechtsordnung diese Form der Verschmelzung zulässt.6 Die Verschmelzung sollte in jedem Fall vorab auch mit dem deutschen Registergericht abgestimmt werden. 1 BGH v. 7.7.2008 – II ZR 37/07, ZIP 2008, 1677; v. 15.2.2004 – II ZR 247/01, ZIP 2004, 1047, jeweils m.w.N. 2 § 122a Abs. 1 UmwG a.F. 3 Simon/Rubner in KölnKomm zum UmwG, § 122a Rz. 13 ff.; Bayer in Lutter, UmwG6, § 122a Rz. 26; Drinhausen in Semler/Stengel, UmwG3, § 122a Rz. 10; Frenzel, RiW 2008, 12 (14); Marsch-Barner/Wilk in Kallmeyer, UmwG4, § 122a Rz. 4; Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht5, 377; a.A. Heckschen in W/M, § 122a UmwG Rz. 6 (Stand: Juli 2019). 4 § 122a Abs. 1 UmwG a.F. 5 § 122b Abs. 1 UmwG a.F. 6 Bayer in Lutter, UmwG6, § 122a Rz. 26; Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG4, § 122a Rz. 4.

Gesell | 121

2.106

Kap. 2 Rz. 2.107 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht

b) In die Schweiz

2.107 Eine Verschmelzung einer deutschen Gesellschaft auf eine Schweizer Gesellschaft ist nach aktueller Rechtslage nicht möglich. Dies liegt primär am deutschen Recht. Das Schweizer Recht steht einer Verschmelzung nicht generell ablehnend gegenüber,1 aber das deutsche Recht sieht eine derartige Verschmelzung nicht vor. Auch ist der Rechtsgedanke der „SEVIC“-Rechtsprechung des EuGH (Rz. 2.7) hier nicht anwendbar, da die Niederlassungsfreiheit des Art. 49 AEUV, auf die der EuGH abstellt, im Verhältnis Deutschlands zur Schweiz nicht gilt. Für deutsche Personengesellschaften kommt aber eine Verschmelzung im Wege der Anwachsung (Rz. 2.78) in Betracht. c) Nach Großbritannien

2.108 Eine Verschmelzung einer deutschen Gesellschaft auf eine Gesellschaft des Vereinigten Königreichs ist seit 1.1.2021 (Rz. 2.19) nicht mehr möglich. Daher gilt das zur Schweiz Gesagte (Rz. 2.107) entsprechend. d) In die USA

2.109 Sofern in einem Bundesstaat eine Regelung existiert, die grenzüberschreitende Verschmelzungen zulässt (z.B. Delaware), bestehen auf US-amerikanischer Seite keine Bedenken gegen eine Verschmelzung einer deutschen auf eine amerikanische Gesellschaft. Das deutsche Recht sieht eine Hinausverschmelzung einer deutschen Gesellschaft auf eine US-amerikanische Gesellschaft nicht vor. Daher stellt sich die Frage, ob auch in einem solchen Fall die Niederlassungsfreiheit nach Art. VII Abs. 1 i.V.m. der Meistbegünstigungsklausel des Art. VII Abs. 4 und dem Grundsatz der Inländerbehandlung aus dem Freundschaftsvertrag (Rz. 2.21 ff.) dahingehend ausgelegt werden kann, dass sie deutschen Gesellschaften das Recht gewährt, auf US-amerikanische Gesellschaften verschmolzen zu werden. Hinsichtlich der Durchführung kann nicht auf die §§ 305 ff. UmwG2 zurückgegriffen werden, so dass wiederum die kollisionsrechtliche Vereinigungstheorie (Rz. 2.80) Anwendung findet. Die Zulässigkeit einer solchen Verschmelzung ist bislang noch nicht gesichert. In jedem Falle sollte daher vorab die Zulässigkeit und die Verfahrensweise mit dem zuständigen Registergericht abgeklärt werden. Für deutsche Personengesellschaften kommt aber eine Verschmelzung im Wege der Anwachsung (Rz. 2.103) in Betracht. e) In die BRIC-Staaten

2.110 Indien. Nach indischem Recht ist die Hereinverschmelzung einer ausländischen Gesellschaft auf eine indische Gesellschaft grundsätzlich zulässig.3 Allerdings wird das

1 Heckschen in W/M, § 1 UmwG Rz. 307.5 (Stand: Februar 2017). 2 §§ 122a ff. UmwG a.F. 3 Heckschen in W/M, Umwandlungsrecht, 162. Lieferung (Feb. 2017), § 1 Rz. 301; Wegen/ Oza in Wegen/Spahlinger/Barth, Gesellschaftsrecht des Auslands, Werkstand: 5. EL Februar 2022, Indien, Rz. 342.

122 | Gesell

C. Umstrukturierungsmöglichkeiten im Einzelnen | Rz. 2.113 Kap. 2

deutsche Recht mangels anderweitiger völkerrechtlicher Vereinbarung die Hinausverschmelzung einer deutschen auf eine indische Gesellschaft nicht anerkennen. Brasilien/Russland/China. Für Hinausverschmelzungen deutscher Gesellschaften nach Brasilien, Russland, Indien oder China gilt das zur Schweiz Gesagte (Rz. 2.107) entsprechend. Eine Verschmelzung ist daher bereits aus Gründen des deutschen Rechts nicht zulässig, die Anwachsung einer deutschen Personengesellschaft über die Grenze (Rz. 2.103) ist dagegen möglich.

2.111

f) In den Rest der Welt Für Hinausverschmelzungen deutscher Gesellschaften in andere Staaten gilt das zur Schweiz Gesagte (Rz. 2.107) entsprechend, sofern nicht ausnahmsweise ein völkerrechtliches Abkommen zwischen Deutschland und dem Drittstaat existiert, woraus sich der Schutz der Niederlassungsfreiheit herleiten ließe. Aber auch dann wäre es – entsprechend der Rechtslage zu den USA – dringend anzuraten, die Verschmelzung zuvor mit der zuständigen Registerstelle abzuklären.

2.112

V. Spaltung Die grenzüberschreitende Spaltung war bislang, verglichen mit der Verschmelzung, im Internationalen Gesellschaftsrecht nur marginal geregelt und daher nicht leicht zu handhaben. So war schon die (innerstaatliche) Spaltung als Umwandlungsform in vielen EU-/EWR-Mitgliedstaaten nicht bekannt; in Deutschland wurde sie erst im Jahr 1994 eingeführt, mit Erlass des Umwandlungsgesetzes, in Umsetzung der EUSpaltungsrichtlinie von 19821. Zudem kannte die Spaltungsrichtlinie nur die Aufund Abspaltung, wohingegen der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung zusätzlich noch die Ausgliederung eingefügt hat.2 Zudem bezog sich die Richtlinie lediglich auf die Spaltung von Aktiengesellschaften.3 Aufgrund dessen war es keine Seltenheit, dass der Praktiker die Spaltungsmöglichkeiten, die das deutsche Recht für andere Gesellschaftstypen kennt, nicht in anderen Staaten wiederfand. Dies ändert sich aufgrund der Umwandlungsrichtlinie4, deren Regelungen zu grenzüberschreitenden Spaltungen von Kapitalgesellschaften alle Mitgliedstaaten der EU und des EWR bis 1.2.2023 in nationales Recht umsetzen mussten.

1 Vgl. hier insbesondere die Verschmelzungsrichtlinie Nr. 78/855/EG (ABl. EU 1978 L 296, 36), die Spaltungsrichtlinie Nr. 82/891/EG (ABl. EU 1982 L 378, 47) und die Übernahmerichtlinie Nr. 2004/25/EG (ABl. EU 2004 L 142, 12).. 2 Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht5, 366. 3 Butterstein, EuZW 2018, 838 (840). 4 Richtlinie 2019/2525/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.11.2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen, ABl. EU Nr. L 321/1; dazu Luy, NJW 2019, 1905.

Gesell | 123

2.113

Kap. 2 Rz. 2.114 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht

1. Hereinspaltung nach Deutschland a) Aus der EU/dem EWR aa) Spaltung unter ausschließlicher Beteiligung von Kapitalgesellschaften

2.114 Spaltung zur Neugründung. Entsprechend den Vorgaben der Umwandlungsrichtlinie regelt das deutsche Umwandlungsgesetz in den §§ 320 ff. UmwG zunächst nur die grenzüberschreitende Aufspaltung, Abspaltung und Ausgliederung zur Neugründung. Zudem sind diese Vorschriften nur auf Kapitalgesellschaften i.S.d. Anhang II der Gesellschaftsrechtsrichtlinie1 (d.h. auf AG, KGaA und GmbH und deren Pendants in den anderen EU-/EWR-Mitgliedstaaten) als übertragende oder neue Gesellschaften anwendbar. 2.115 Spaltung zur Aufnahme. Hinsichtlich der Spaltung zur Aufnahme, die von der Umwandlungsrichtlinie nicht erfasst ist, gelten gem. § 332 UmwG die Vorschriften der § 320 ff. UmwG entsprechend. Da es insoweit aber an einer unionsweiten Harmonisierung fehlt, setzt die grenzüberschreitende Hereinspaltung einer ausländischen zur Aufnahme auf eine bestehende deutsche Gesellschaft voraus, dass das Recht des Mitgliedstaates der übertragenden Gesellschaft die grenzüberschreitende Hinausspaltung kennt.2 Eine Spaltung zur Aufnahme ist zudem nur möglich, wenn die übertragende und die aufnehmende Gesellschaft innerhalb der letzten sechs Monate vor Bekanntmachung des Spaltungsplans weniger als 400 Arbeitnehmer beschäftigt hat bzw. weniger als 4/5 der Arbeitnehmerzahl, die nach dem Recht des jeweiligen Staates für eine Mitbestimmung maßgeblich ist. 2.116 Verfahren. Hinsichtlich des gem. § 322 Abs. 1 UmwG aufzustellenden Spaltungsplans gelten grundsätzlich die Vorschriften zum Verschmelzungsplan gem. § 307 Abs. 2 UmwG ergänzt um Angaben gem. § 322 Abs. 2 UmwG, welche den Besonderheiten der Spaltung gegenüber der Verschmelzung, z.B. der Notwendigkeit einer Aufteilung der Aktiva und Passiva gem. § 322 Abs. 2 Nr. 3 UmwG, Rechnung tragen. Zudem ist gem. § 322 Abs. 4 UmwG die notarielle Beurkundung des Spaltungsplans erforderlich. Hinsichtlich der Bekanntmachung des Spaltungsplans gem. § 323 UmwG und des Spaltungsberichts gem. § 324 UmwG geltend weitestgehend die Vorschriften zur grenzüberschreitenden Verschmelzung (Rz. 2.68). 2.117 Anmeldung und Eintragung der grenzüberschreitenden Hereinspaltung. Für die Anmeldung gilt das zur Anmeldung der Hereinverschmelzung (Rz. 2.69) Gesagte entsprechend, da weitestgehend die Vorschriften der §§ 315 bis 317 UmwG Anwendung finden. Vor der Eintragung der neuen Gesellschaft ist durch Vorlage einer Spaltungsbescheinigung nachzuweisen, dass die Voraussetzung der grenzüberschreitenden Spaltung auf Seiten des übertragenden Rechtsträgers vorliegen, vergleichbar der Verschmelzungsbescheinigung. Der Zeitpunkt der Wirksamkeit der grenzüberschreitenden Hereinspaltung bestimmt sich nach dem Recht des Mitgliedstaates, dem die übertragende Gesellschaft unterliegt. Die Eintragung des Wirksamwerdens der He1 Richtlinie 2017/1132/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.6.2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts, ABl. EU Nr. L 169/46. 2 BT-Drucks. 20/3822, 114.

124 | Gesell

C. Umstrukturierungsmöglichkeiten im Einzelnen | Rz. 2.120 Kap. 2

reinspaltung im Register am Sitz der neuen Gesellschaft erfolgt nach vorheriger gegenseitiger Mitteilung zwischen den beiden Registern am Sitz der übertragenden und der neuen Gesellschaft. bb) Spaltung unter Beteiligung anderer Gesellschaftsformen Die neu eingeführten Vorschriften zur Spaltung von Kapitalgesellschaften sollen nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht für andere Gesellschaftsformen gelten.1 Daher kann die Hereinspaltung einer Personengesellschaft nicht auf §§ 320 ff. UmwG gestützt werden. Zwischenzeitlich hat sich die Auffassung in der Literatur gefestigt, dass eine grenzüberschreitende Spaltung einer Gesellschaft aus der EU/dem EWR nach Deutschland herein generell zulässig ist.2 Unter Anwendung der Grundsätze der „SEVIC“- und der „VALE“-Entscheidung des EuGH (Rz. 2.7 und 2.9) wird mit Recht argumentiert, dass letztlich vor dem Hintergrund der Niederlassungsfreiheit kein anerkennenswerter Grund besteht, der Spaltung die Zulässigkeit zu versagen; dem Grunde nach können also auch Personengesellschaften Beteiligte einer Spaltung sein.

2.118

Voraussetzung ist jedoch, dass die beteiligte Rechtsordnung der übertragenden Gesellschaft die Spaltung als Rechtsinstitut für „ihre“ Rechtsform überhaupt kennt. Da das deutsche Recht auch die (nicht grenzüberschreitende) Spaltung von diversen anderen Gesellschaftsformen als Kapitalgesellschaften, insbesondere von Personenhandelsgesellschaften, zulässt, würde die Niederlassungsfreiheit einer entsprechenden Gesellschaft ausländischer Rechtsform verletzt, wenn man ihr die Spaltung auf eine deutsche Gesellschaft verweigerte. Das anzuwendende Verfahren ergibt sich gemäß der kollisionsrechtlichen Vereinigungstheorie (Rz. 2.80) aus dem Zusammenspiel der beteiligten Rechtsordnung: die jeweiligen zwingenden und strengsten nationalen Vorschriften (für Deutschland also die §§ 123 ff. UmwG) sind einzuhalten, um so die rechtliche Anerkennung der Umwandlungsmaßnahme in den beteiligten Staaten zu gewährleisten.3 Eine Abstimmung mit den beteiligten Registergerichten im Vorfeld bleibt weiterhin ratsam.

2.119

Es ist daher zu prüfen, ob sich das mit der Transaktion bezweckte Ergebnis nicht ggf. auch durch eine Kombination anderer Umwandlungsmethoden erzielen lässt. Denkbar wäre z.B. die Spaltung einer französischen GmbH (S.à r.l.) zur Aufnahme auf eine deutsche Kommanditgesellschaft in zwei Schritten durchzuführen: (i) als grenzüberschreitende Abspaltung der S.à r.l. auf eine neu zu gründende deutsche GmbH,

2.120

1 BT-Drucks. 20/3822, S. 109. 2 Bayer/Schmidt, ZHR 173 (2009), 735 (768); Bungert, BB 2006, 53 (55); Geyrhalter/Weber, DStR 2006, 146 (150); Herrler, DNotZ 2009, 484 (488, 490 f.); Leible/Hoffmann, RIW 2006, 161 (165); Krause/Kulpa, ZHR 171 (2007), 38 (46 f.); Weiss/Wöhlert, WM 2007, 580 (584 f.); Drinhausen in Semler/Stengel, UmwG3, Einl. C. Rz. 29 f.; Hörtnagl in Schmitt/ Hörtnagl, UmwG9, § 1 Rz. 51, 54; Drygala in Lutter, UmwG6, § 1 Rz. 19; Kuntz, IStR 2006, 224 (225 f.); a.A. generell Kindler in MünchKomm/BGB5, Band 11, Internationales Gesellschaftsrecht, Rz. 911. 3 Vgl. zu den Möglichkeiten Kallmeyer/Kappes, AG 2006, 224 (234 f.); Drinhausen in Semler/Stengel, UmwG3, Einl. C. Rz. 36 ff.

Gesell | 125

Kap. 2 Rz. 2.120 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht

verbunden mit (ii) einer innerdeutschen Verschmelzung der GmbH auf die KG. Allerdings führt dies zwangsläufig zu höheren Transaktionskosten, Zeitverzögerungen und u.U. zu Änderungen der steuerlichen Bewertung. b) Aus der Schweiz

2.121 Die Spaltung einer Schweizer auf eine deutsche Gesellschaft wird aller Voraussicht nach nicht von deutschen Registergerichten akzeptiert werden. In Ermangelung völkerrechtlicher Vereinbarungen zwischen Deutschland und der Schweiz zu diesem Thema oder auch nur zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften im Allgemeinen ist ein solches Vorgehen derzeit noch nicht möglich. c) Aus Großbritannien

2.122 Die Spaltung einer Gesellschaft aus dem Vereinigten Königreich auf eine deutsche Gesellschaft ist seit 1.1.2021 (Rz. 2.19) nicht mehr möglich. Daher gilt das zur Schweiz Gesagte (Rz. 2.121) entsprechend. d) Aus den USA

2.123 Ungesichert ist weiter, ob die Spaltung einer US-amerikanischen Gesellschaft nach Deutschland (spin-off oder splitting) von deutschen Registergerichten akzeptiert würde. Es gibt bislang keine expliziten rechtlichen Regelungen, aus denen man die Zulässigkeit sicher bejahen könnte. Vielmehr muss man hier die gleichen Argumentationsmuster heranziehen, wie im Bereich der EU/des EWR. Sofern man der hier vertretenen Auffassung folgt, ist die Niederlassungsfreiheit gem. Art. VII Abs. 1 des Freundschaftsvertrags (Rz. 2.21) ebenso weit auszulegen wie Art. 49 AEUV, so dass man hieraus entsprechend der „SEVIC“-Entscheidung zur Zulässigkeit grenzüberschreitender Spaltungen US-amerikanischer Gesellschaften nach Deutschland herein käme. Bezüglich des Verfahrens sollte zunächst eine vorherige Abstimmung mit dem Registergericht stattfinden. Die Verfahrensvorschriften selbst ergeben sich – mangels einschlägiger Regelungen für die grenzüberschreitende Spaltung – aus der kollisionsrechtlichen Vereinigungstheorie (Rz. 2.80). e) Aus den BRIC-Staaten

2.124 Die Spaltung einer brasilianischen, russischen, indischen oder chinesischen Gesellschaft auf eine deutsche Gesellschaft ist mangels entsprechender völkerrechtlicher Vereinbarungen derzeit nicht möglich. Insofern gilt das zur Schweiz Gesagte (Rz. 2.121) entsprechend. f) Aus dem Rest der Welt

2.125 Das zur Schweiz Gesagte (Rz. 2.121) gilt entsprechend, sofern nicht ausnahmsweise ein entsprechendes völkerrechtliches Abkommen zwischen Deutschland und dem betreffenden Staat besteht. 126 | Gesell

C. Umstrukturierungsmöglichkeiten im Einzelnen | Rz. 2.130 Kap. 2

2. Hinausspaltung aus Deutschland a) In die EU/den EWR aa) Spaltung unter ausschließlicher Beteiligung von Kapitalgesellschaften Auch die Hinausspaltung aus Deutschland ist von den §§ 320 ff. UmwG umfasst. Das zur Hereinspaltung Gesagte (Rz. 2.114–Rz. 2.116) gilt entsprechend.

2.126

Spaltungsbescheinigung und Eintragung der grenzüberschreitenden Hinausspaltung. Für die Anmeldung der grenzüberschreitenden Hinausspaltung im Register der neuen ausländischen Gesellschaft gilt das zur Anmeldung der Hinausverschmelzung (Rz. 2.96) und für die Erteilung der Spaltungsbescheinigung das zur Erteilung der Verschmelzungsbescheinigung (Rz. 2.97) Gesagte entsprechend, da gem. § 329 UmwG im Wesentlichen die Vorschriften der §§ 315 bis 317 UmwG Anwendung finden. Die grenzüberschreitende Hinausspaltung darf erst in das Handelsregister am Sitz der übertragenden deutschen Gesellschaft eingetragen werden, nachdem jede der neuen Gesellschaften in das für sie zuständige Register eingetragen worden ist.

2.127

bb) Spaltung unter Beteiligung anderer Gesellschaftsformen Die Zulässigkeit der Spaltung einer deutschen Gesellschaft auf einen Rechtsträger in einem anderen Mitgliedstaat der EU/des EWR, bei der mindestens eine der beteiligten Gesellschaften keine Kapitalgesellschaft i.S.d. Umwandlungsrichtlinie ist, richtet sich grundsätzlich nach den gleichen Voraussetzungen wie die Zulässigkeit der grenzüberschreitenden Hereinspaltung von anderen Gesellschaftsformen als Kapitalgesellschaften (Rz. 2.118 ff.). Da das deutsche Recht auch die Spaltung anderer Gesellschaftsformen, insbesondere von Personenhandelsgesellschaften, kennt, kommt es für die Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Spaltung auf einen ausländischen Rechtsträger darauf an, ob dessen Rechtsordnung die Spaltung seiner Rechtsform kennt. Alternativ zur Hinausspaltung auf eine ausländische Personengesellschaft kommt ab 1.1.2024 auch eine Spaltung auf eine deutsche Personengesellschaft in Frage, die ihren Verwaltungssitz im Ausland hat oder nach der Spaltung ins Ausland verlegt (Rz. 2.4, Rz. 2.52).

2.128

Auch hier stellt sich aber bis zur Verabschiedung einer gesetzlichen Regelung die Frage, ob die Transaktion nicht besser in zwei Schritten durchgeführt werden sollte, bei denen die rechtliche Zulässigkeit gesichert ist (vgl. Rz. 2.120). Hier ist es notwendig, vorab mit den zuständigen Registergerichten zu sprechen und abzuwägen, inwieweit die sichere Transaktion zugleich höhere Transaktionskosten, mögliche Zeitverzögerungen und steuerrechtliche Änderungen rechtfertigen kann.

2.129

b) In die Schweiz Das zur Hereinspaltung aus der Schweiz Gesagte (vgl. Rz. 2.121) gilt entsprechend. Ein Spaltungsbeschluss der deutschen Gesellschaft würde aller Voraussicht nach als nichtig angesehen.

Gesell | 127

2.130

Kap. 2 Rz. 2.131 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht

c) Nach Großbritannien

2.131 Die Spaltung einer deutschen Gesellschaft auf eine Gesellschaft des Vereinigten Königreichs ist seit 1.1.2021 (Rz. 2.19) nicht mehr möglich. Daher gilt das zur Schweiz Gesagte (Rz. 2.130) entsprechend. d) In die USA

2.132 Ob eine deutsche Gesellschaft eine grenzüberschreitende Spaltung in die USA durchführen kann, ist bislang ungeklärt. Den USA ist die Spaltung nicht fremd. Durch die Anwendung der Gründungstheorie würde eine deutsche Gesellschaft auch als rechtsfähig anerkannt. Gleichwohl existiert auch hier keine Vorschrift, die eine derartige Umwandlungsmaßnahme vorsehen würde, so dass das zur Hereinspaltung aus den USA Gesagte (Rz. 2.123) entsprechend gilt. 2.133 Zwar ist es sehr gut vertretbar, von der Zulässigkeit einer derartigen Maßnahme auszugehen. Nichtsdestotrotz bieten sich Möglichkeiten an, die aktuell leichter handhabbar sind und zumindest zu ähnlichen Ergebnissen führen können (z.B. innerstaatliche Abspaltung und Verlegung des Verwaltungssitzes). e) In die BRIC-Staaten

2.134 Das zur Hereinspaltung Gesagte (Rz. 2.124) gilt entsprechend. f) In den Rest der Welt

2.135 Das zur Hereinspaltung Gesagte (Rz. 2.125) gilt entsprechend. VI. Formwechsel 1. Vorbemerkung

2.136 Beim grenzüberschreitenden Wechsel der Rechtsform bleibt die Identität des Rechtsträgers erhalten; er erhält lediglich ein neues „Rechtskleid“. Anders als bei einem Formwechsel nach §§ 190 ff. UmwG unterliegt die neue Rechtsform aber nicht derselben Rechtsordnung wie die bisherige, sondern der Rechtsordnung eines anderen Staates. Typischerweise, aber nicht zwingend, wird dies einhergehen mit einer Verlegung des Satzungssitzes in den Geltungsbereich der Jurisdiktion der neuen Rechtsform. 2.137 Wie die Spaltung, war auch der Rechtsformwechsel lange Zeit nicht gesetzlich geregelt, und wurde erstmals mit Erlass des Umwandlungsgesetzes im Jahre 1994 zumindest für innerstaatliche Sachverhalte umfassend normiert. Dass auch ein grenzüberschreitender Rechtsformwechsel innerhalb der EU und des EWR möglich ist, war aus der „SEVIC“-Entscheidung des EuGH (Rz. 2.9), gefolgert und von diesem selbst dann in den Rechtsachen „Cartesio“, „VALE“ und „Polbud“ (Rz. 2.10–Rz. 2.12) entschieden worden. Dennoch fehlte es lange an ausdrücklichen einzelstaatliche Gesetzesregelungen in den Mitgliedstaaten und damit an einem rechtssicheren Verfahren. 128 | Gesell

C. Umstrukturierungsmöglichkeiten im Einzelnen | Rz. 2.141 Kap. 2

Erst aufgrund der Umwandlungsrichtlinie1, deren Regelungen zu grenzüberschreitenden Formwechseln bis 1.2.2023 in nationales Recht umzusetzen waren, wurde erstmals ein rechtssicheres Verfahren geschaffen, zumindest für den grenzüberschreitenden Rechtsformwechsel von Kapitalgesellschaften. 2. Nach Deutschland herein a) Aus der EU/dem EWR aa) Formwechsel unter ausschließlicher Beteiligung von Kapitalgesellschaften Nach § 334 UmwG ist können Kapitalgesellschaften i.S.d. Anhang II der Gesellschaftsrechtsrichtlinie2 (d.h. AG, KGaA und GmbH und deren Pendants in den anderen EU-/EWR-Mitgliedstaaten) ihre Rechtsform in eine entsprechende Kapitalgesellschaftsform eines anderen Mitgliedstaats der EU/des EWR wechseln, unter gleichzeitiger Verlegung ihres Satzungssitzes in diesen anderen Mitgliedstaat. Von einer darüber hinausgehenden Regelung grenzüberschreitender Formwechsel zwischen anderen Rechtsformen hat der deutsche Gesetzgeber in Ermangelung einer EU-sekundärrechtlichen Grundlage abgesehen.3 Zudem sind nach §§ 334 S. 2, 306 Abs. 2 Nr. 2 UmwG vermögensverwaltende Gesellschaften, insbesondere OGAW, vom Anwendungsbereich ausgenommen. Für grenzüberschreitende Formwechsel von Kapitalgesellschaften i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 UmwG gelten nach § 333 Abs. 2 UmwG die allgemeinen Vorschriften für inländische Formwechsel, ergänzt durch die §§ 335 ff. UmwG.

2.138

Formwechselplan. Die Mindestanforderungen an den vor dem Formwechsel aufzustellenden Formwechselplan ergeben sich aus § 335 UmwG. Der Plan ist notariell zu beurkunden in gleicher Weise wir ein Verschmelzungsplan gem. § 308 Abs. 1 UmwG bekanntzumachen.

2.139

Barabfindung. Anteilsinhabern der formwechselnden Gesellschaft, die dem Formwechsel widersprechen, ist eine Barabfindung anzubieten, um sie davor zu schützen, gegen ihren Willen Gesellschafter einer ausländischen Gesellschaft anderer Rechtsform zu werden. Da die Norm strukturell gleich mit § 313 UmwG ist, gilt das zur Verschmelzung Gesagte (Rz. 2.95) entsprechend.

2.140

bb) Formwechsel unter Beteiligung anderer Gesellschaftsformen als Kapitalgesellschaften Aufgrund der Rechtsprechung des EuGH (Rz. 2.6 ff.) ist heute gesichert, dass ein grenzüberschreitender Formwechsel generell zulässig ist, wenn das nationale Recht 1 Richtlinie 2019/2525/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.11.2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen, ABl. EU Nr. L 321/1; dazu Luy, NJW 2019, 1905. 2 Richtlinie 2017/1132/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.6.2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts, ABl. EU Nr. L 169/46. 3 BT-Drucks. 20/3822, 118.

Gesell | 129

2.141

Kap. 2 Rz. 2.141 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht

einen Formwechsel zwischen Gesellschaftsformen der eigenen Jurisdiktion anerkennt. In einem obiter dictum der „Cartesio“-Entscheidung (Rz. 2.10) hatte der EuGH klargestellt, dass der Wegzugstaat, sofern nicht zwingende Gründe des Allgemeinwohls dies erfordern, es nicht verhindern darf, wenn eine wegziehende Gesellschaft ihren Sitz dergestalt verändert, dass sie das Recht und das Gesellschaftsstatut des Zuzugsstaates akzeptiert und in eine dort zur Verfügung stehende Rechtsform wechselt, soweit dies nach dem Recht des Zuzugsstaates möglich ist. Die Einschränkung im letzten Halbsatz – „soweit dies nach dem Recht des Zuzugsstaates möglich ist“ – stellt dabei keine Einschränkung dahingehend dar, dass im nationalen Recht des Zuzugsstaates ein grenzüberschreitender Formwechsel vorgesehen sein muss, wie der EuGH in der „VALE“-Entscheidung ausdrücklich klargestellt hat.1

2.142 Da das deutsche Recht den Formwechsel deutschen Gesellschaften ermöglicht, muss es diese Möglichkeit demnach auch Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten gewähren.2 In der „VALE“-Entscheidung hat der EuGH zugleich entschieden, dass mangels einheitlicher europaweiter Vorschriften für einen solchen grenzüberschreitenden Formwechsel den Vorschriften beider an der Maßnahme beteiligten Rechtsordnungen genüge getan werden müsse. Insbesondere der Zuzugsstaat könne verlangen, dass die jeweiligen nationalen Vorschriften sowohl für die Gründung der Gesellschaft als auch für den Formwechsel als solchen eingehalten werden. Diese dürften allerdings nicht ungünstiger sein als diejenigen, die für innerstaatliche Sachverhalte gelten. Da die Praxis der Gerichte zu den Anforderungen uneinheitlich ist,3 sollte im konkreten Fall eine vorherige Abstimmung mit dem Registergericht erfolgen. Dabei ist zudem abzuklären, welche Dokumente vonseiten des Wegzugsstaates beim deutschen Registergericht einzureichen sind. 2.143 SE, SCE, EWIV. Daneben bietet auch die grenzüberschreitende Verlegung des Satzungssitzes der europäischen Gesellschaftsform Societas Europaea (SE), Europäische Genossenschaft (SCE) und Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) Transaktionssicherheit. Diese Gesellschaften dieser Rechtsformen dürfen ihren Satzungssitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen. Auch wenn sie dabei ihren Rechtstyp (z.B. als SE) beibehalten, handelt es sich im Ergebnis um einen Rechtsformwechsel, weil sich Wesen und Inhalt der Rechtsform dann nicht mehr nach dem Recht des Wegzugsstaates richten, sondern nach dem des Zuzugsstaates (Rz. 2.63).

1 Anders noch das OLG Nürnberg v. 13.2.2012 – 12 W 2361/11, BB 2012, 988 = ZIP 2012, 572; Leibe/Hoffmann, BB 2009, 58 (60). 2 So schon zuvor Otte/Rieschel, GmbHR 2009, 983 (984 f.); Teichmann, ZIP 2009, 393 (402); Zimmer/Naendrup, NJW 2009, 545 (549); Bayer/Schmidt, ZHR 173 (2009), 735 (759 f.); Thiermann, EuZW 2012, 209 (212). 3 Vgl. z.B. OLG Nürnberg v. 13.2.2012 – 12 W 2361/11, BB 2012, 988, ZIP 2012, 572, das – vor Einführung der §§ 333 ff. UmwG – die analoge Anwendung des Art. 8 SE-VO und der §§ 122a ff. UmwG verlangte.

130 | Gesell

C. Umstrukturierungsmöglichkeiten im Einzelnen | Rz. 2.147 Kap. 2

b) Aus der Schweiz Da im Verhältnis zur Schweiz weder die Grundfreiheiten des AEUV gelten, noch vergleichbare bilaterale völkerrechtliche Vereinbarungen bestehen, kann eine Schweizer Gesellschaft nicht identitätswahrend ihren Satzungssitz nach Deutschland verlegen und hier als deutsche Gesellschaft fortbestehen. Ein solcher Vorgang würde nach deutschem Recht vielmehr als Neugründung einer deutschen Gesellschaft behandelt werden, mit der Folge, dass jegliche Vermögensgegenstände, Verbindlichkeiten, Rechtsverhältnisse o.Ä. der bisherigen Schweizer Gesellschaft im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf die neue deutsche Gesellschaft übertragen werden müssten.

2.144

c) Aus Großbritannien Der Formwechsel einer Gesellschaft aus dem Vereinigten Königreich in eine deutsche Gesellschaft ist seit 1.1.2021 (Rz. 2.19) nicht mehr möglich. Daher gilt das zur Schweiz Gesagte (Rz. 2.144) entsprechend.

2.145

d) Aus den USA Neben Gesellschaften aus den Mitgliedstaaten der EU/des EWR könnten möglicherweise auch US-amerikanische Gesellschaften einen derartigen grenzüberschreitenden Formwechsel vollziehen. Ob dies von deutschen Registergerichten akzeptiert würde, ist weiter ungesichert. Es gibt bislang keine expliziten rechtlichen Regelungen, aus denen man die Zulässigkeit sicher bejahen könnte. Legt man jedoch die Niederlassungsfreiheit gem. Art. VII Abs. 1 des Freundschaftsvertrags entsprechend der europäischen Niederlassungsfreiheit weit aus (Rz. 2.23) könnte man die Argumentation entsprechend der Rechtsprechung des EuGH (Rz. 2.8) auch auf Sachverhalte zwischen den USA und Deutschland übertragen. Bezüglich des Verfahrens sollte zunächst eine vorherige Abstimmung mit dem Registergericht stattfinden. Die Verfahrensvorschriften selbst ergeben sich – mangels einschlägiger Regelungen für diese Fälle des grenzüberschreitenden Formwechsels – aus der kollisionsrechtlichen Vereinigungstheorie (Rz. 2.80).1

2.146

e) Aus den BRIC-Staaten Brasilien. Nach brasilianischem Recht ist es grundsätzlich zulässig, dass eine brasilianische Gesellschaft ihr Gesellschaftsstatut durch einstimmigen Gesellschafterbeschluss ändert,2 verbunden mit der Verlegung ihres Geschäftssitzes der Gesellschaft aus Brasilien hinaus.3 Sollte auf diesem Weg eine brasilianische Gesellschaft ihren Sitz nach Deutschland verlegen, würde dies nach deutschem Recht aber nicht als identitätswahrender Formwechsel über die Grenze anerkannt, sondern als Neugründung einer deutschen Gesellschaft behandelt. Insbesondere müssten jegliche Vermögensgegenstände, Verbindlichkeiten, Rechtsverhältnisse etc. der brasilianischen 1 Vgl. Marsch-Barner/Wilk in Kallmeyer7, Vorbemerkung zu §§ 122a-122m Rz. 16. 2 Art. 72 Decreto Lei n° 2627 v. 26.9.1940. 3 Lemgruber, Cahiers de droit fiscal international, Vol. LXXIIa 245 (253).

Gesell | 131

2.147

Kap. 2 Rz. 2.147 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht

Gesellschaft im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf die deutsche Gesellschaft übertragen werden.

2.148 Russland/Indien/China. Das zur Schweiz Gesagte (Rz. 2.144) gilt entsprechend. f) Aus dem Rest der Welt

2.149 Das zur Schweiz Gesagte (Rz. 2.144) gilt entsprechend. 3. Aus Deutschland hinaus a) In die EU/den EWR aa) Formwechsel unter ausschließlicher Beteiligung von Kapitalgesellschaften

2.150 Da die Einführung der Umwandlungsrichtlinie hinsichtlich des grenzüberschreitenden Formwechsels von Kapitalgesellschaften verpflichtend ist, müssen andere EU/ EWR Mitgliedstaaten deutschen Gesellschaften, deren Rechtsformen in Anhang II der Gesellschaftsrechtsrichtlinie1 genannt sind (d.h. AG, KGaA und GmbH) die Möglichkeit des grenzüberschreitenden Formwechsels in deren Pendants in dem jeweiligen Mitgliedstaat eröffnen. 2.151 Anmeldung und Formwechselbescheinigung. Die Anmeldung des Hinausformwechsels richtet sich nach § 342 UmwG, der im Wesentlichen § 315 UmwG entspricht. Es wird daher auf die entsprechenden Ausführungen zur Anmeldung der Hinausverschmelzung (Rz. 2.96) verwiesen. Die Erteilung der Formwechselbescheinigung richtet sich nach § 343 UmwG, der im Wesentlichen § 316 UmwG entspricht. Es wird daher auf die entsprechenden Ausführungen zur Erteilung der Verschmelzungsbescheinigung (Rz. 2.97) verwiesen. bb) Formwechsel unter Beteiligung von Gesellschaften anderer Rechtsformen

2.152 Das oben zum Formwechsel nach Deutschland herein Gesagte (Rz. 2.141 ff.) gilt entsprechend. Dem Grunde nach handelt es sich bei dem grenzüberschreitenden Formwechsel einer deutschen Gesellschaft in eine Gesellschaft eines anderen Mitgliedstaates um eine sichere Transaktion. Aufgrund der „Cartesio“-Entscheidung des EuGH darf das deutsche Recht den Wegzug der deutschen Gesellschaft grundsätzlich nicht verhindern. Aufseiten des Zuzugsstaates müssen entsprechend der „VALE“-Entscheidung die nationalen Vorschriften über die Gründung der jeweiligen Gesellschaft sowie den Formwechsel eingehalten werden. Einige Länder der Europäischen Union – namentlich Belgien, Spanien, Portugal, Italien, Luxemburg und Frankreich – sehen in ihren Rechtsordnungen spezielle Vorschriften über den grenzüberschreitenden Formwechsel vor.2 Auch bei einem Formwechsel aus Deutschland hinaus sollte aber 1 Richtlinie 2017/1132/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.6.2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts, ABl. EU Nr. L 169/46. 2 Otte/Rietschel, GmbHR 2009, 983 (984) unter Verweis auf Wymeersch, CMLR 2003, 661 (671); Stöber, ZIP 2012, 1273 (1276).

132 | Gesell

C. Umstrukturierungsmöglichkeiten im Einzelnen | Rz. 2.156 Kap. 2

in jedem Fall zur Absicherung stets eine Abstimmung mit den jeweiligen Registergerichten, insbesondere dem des Zuzugsstaates, erfolgen, um zu klären, welche Vorschriften einzuhalten und welche Dokumente des jeweils anderen Mitgliedstaates in Bezug auf die Gesellschaft einzureichen sind. b) In die Schweiz Das zum Formwechsel nach Deutschland herein Gesagte (Rz. 2.144) gilt entsprechend.

2.153

c) Nach Großbritannien Der Formwechsel einer deutschen Gesellschaft in eine Gesellschaft nach dem Recht des Vereinigten Königreichs ist seit 1.1.2021 (Rz. 2.19) nicht mehr möglich. Daher gilt das zur Schweiz Gesagte (Rz. 2.153) entsprechend.

2.154

d) In die USA Zunächst ist zu untersuchen, ob der jeweilige Bundesstaat der USA einen derartigen Formwechsel vorsieht. Sollte dies der Fall sein, gilt das zum Formwechsel nach Deutschland herein Gesagte (Rz. 2.146) grundsätzlich entsprechend.

2.155

e) In die BRIC-Staaten Brasilien. Das brasilianische Recht erlaubt es ausländischen Gesellschaften, die eine staatliche Erlaubnis haben, in Brasilien tätig zu werden, durch eine entsprechende Genehmigung der brasilianischen Regierung und gleichzeitige Verlegung ihres Geschäftssitzes nach Brasilien ihr Gesellschaftsstatut zu wechseln und künftig brasilianischem Recht zu unterliegen.1 Da dieses Verfahren nicht mit dem deutschen Recht harmonisiert ist, sind die Auswirkungen eines derartigen in Brasilien vorgenommenen Statutenwechsels im deutschen Recht schwer einzuordnen. Sofern der Transaktion ein entsprechender Gesellschafterbeschluss zugrunde liegt (wovon in der Regel auszugehen ist), wird dieser nach deutschem Recht als Auflösungsbeschluss behandelt werden müssen, da die Grundsätze der „Cartesio“-Entscheidung des EuGH (Rz. 2.10) im Verhältnis zwischen Deutschland und Brasilien nicht gelten. Die Gesellschaft wäre dann in Deutschland abzuwickeln. Die Verpflichtung der Liquidatoren nach deutschem Recht, die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu begleichen, ihr Vermögen zu realisieren und den Restbetrag an die Gesellschafter auszukehren, lässt sich kaum vereinbaren mit dem Gedanken einer identitätswahrenden Fortsetzung der Gesellschaft als werbendes Unternehmen nach brasilianischem Recht. Insofern wäre es ratsam, den Wegzug mit einer sofortigen, liquidationslosen Auflösung der Gesellschaft in Deutschland zu verbinden, etwa durch Formwechsel in eine Personengesellschaft mit anschließender Anwachsung über die Grenze nach Brasilien. 1 Art. 71 Decreto Lei n° 2627 v. 26.9.1940; Lemgruber, Cahiers de droit fiscal international, Vol. LXXIIa 245 (253).

Gesell | 133

2.156

Kap. 2 Rz. 2.157 | Internationale Aspekte im Gesellschaftsrecht

2.157 Russland/Indien/China. Das zum Formwechsel nach Deutschland herein Gesagte (Rz. 2.148) gilt entsprechend. f) In den Rest der Welt

2.158 Das zum Formwechsel nach Deutschland herein Gesagte (Rz. 2.149) gilt entsprechend.

D. Zusammenfassung 2.159 Verlegung des Verwaltungssitzes nach Deutschland herein. Innerhalb der EU und des EWR können Gesellschaften dann ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegen, wenn ihnen ihr jeweiliges nationales Recht dies gestattet. Eine Verlegung des Verwaltungssitzes amerikanischer Gesellschaften nach Deutschland ist stets zulässig. Bei Gesellschaften aus anderen Staaten ist die Verlegung (sofern nicht ausnahmsweise ein völkerrechtlicher Vertrag besteht, der Deutschland zur Anerkennung verpflichtet) nicht möglich, da das deutsche Recht in Anwendung der Sitztheorie die jeweilige Gesellschaft nicht in ihrer ausländischen Rechtsform anerkennt. Dies gilt insbesondere für die Schweiz, Großbritannien, Brasilien, Russland, Indien und China. 2.160 Verlegung des Verwaltungssitzes aus Deutschland hinaus. Deutsche Kapitalgesellschaften können ihren Verwaltungssitz jederzeit in einen Mitgliedstaat der EU oder des EWR verlegen. Ob dies auch bei einer Gründung einer Kapitalgesellschaft mit anfänglichem Verwaltungssitz in einem Mitgliedstaat der EU und des EWR gilt, ist umstritten. Jedenfalls dann, wenn der Zuzugsstaat die Gründungstheorie verfolgt, ist eine solche Gründung immer zulässig, richtigerweise aber auch dann, wenn dort die Sitztheorie gilt. Zudem ist die Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft in Staaten außerhalb der EU und des EWR, die der Gründungstheorie folgen, grundsätzlich zulässig (z.B. USA, Schweiz, Großbritannien, Russland, Indien, China). In manchen Staaten, wie z.B. Brasilien, gilt zwar nominell die Gründungstheorie, allerdings mit starken Abweichungen, so dass eine Verwaltungssitzverlegung dorthin unzulässig ist. Bei deutschen Personengesellschaften (mit Ausnahme der nichtrechtsfähigen BGB-Gesellschaft) ist die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland ab dem 1.1.2024 zulässig, vorher hingegen nach wohl herrschender Meinung nicht. Hier müsste bis dahin eine vorherige Abstimmung mit den Registergerichten erfolgen oder vorab ein Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft vorgenommen werden. 2.161 Verschmelzung. Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften sind innerhalb der EU und des EWR gesetzlich zulässig und das hierbei anzuwendende Verfahren ist ausdrücklich normiert. Gleiches gilt für die Hereinverschmelzung einer Kapitalgesellschaft aus dem EU-/EWR-Raum auf eine deutsche Personenhandelsgesellschaft mit weniger als 500 Arbeitnehmern. Zulässig sind grundsätzlich auch grenzüberschreitende Verschmelzungen unter Beteiligungen von anderen Personengesellschaften, sofern die jeweiligen nationalen Rechtsordnungen eine solche für innerstaatliche Sachverhalte kennen. Jedoch müssen hier die Verfahrensregeln aller beteiligten Rechtsordnungen für innerstaatliche Verschmelzungen erfüllt werden; eine vorherige Abstim134 | Gesell

D. Zusammenfassung | Rz. 2.163 Kap. 2

mung mit den Registergerichten ist daher sinnvoll. Eine Verschmelzung von US-amerikanischen auf deutsche Gesellschaften ist nach hier vertretener Auffassung zulässig, aber noch nicht höchstrichterlich geklärt, und erfordert eine vorherige Abstimmung mit den Registergerichten. Gesellschaften aus allen übrigen Staaten können nicht mit deutschen Gesellschaften verschmolzen werden, weil das deutsche Umwandlungsrecht eine solche Verschmelzung nicht anerkennt. Alternativ kann aber – sofern die jeweilige Rechtsordnung es kennt – auf das Modell der Anwachsung von Personengesellschaften zurückgegriffen werden. Daneben sehen ausländische Rechtsordnungen vereinzelt Spezialregelungen vor, wie z.B. die verschmelzende Umwandlung einer inländischen Kapital- auf eine ausländische Personengesellschaft nach österreichischem Recht. Spaltung. Grenzüberschreitende Spaltungen von Kapitalgesellschaften, die dem Recht eines Mitgliedstaates der EU (oder dem EWR) unterliegen, sind gesetzlich zulässig und das hierbei anzuwendende Verfahren für Spaltungen zur Neugründung muss spätestens ab dem 1.2.2023 in allen Mitgliedstaaten gesetzlich normiert sein. Zulässig sind grundsätzlich auch grenzüberschreitende Spaltungen von Kapitalgesellschaften zur Aufnahme und jegliche Spaltungen unter Beteiligungen von Personengesellschaften, sofern die jeweiligen nationalen Rechtsordnungen dies jeweils für innerstaatliche Sachverhalte kennen. Ob Spaltungen US-amerikanischer Gesellschaften nach Deutschland herein und umgekehrt zulässig sind, ist bislang ungeklärt und erfordert zwingend eine vorherige Abstimmung mit den Registergerichten. Eine grenzüberschreitende Spaltung mit Bezug zu jeglicher sonstigen Jurisdiktion ist im Regelfall nicht durchführbar, da zumindest das deutsche Umwandlungsrecht dies nicht gestattet.

2.162

Sitzverlegung/Formwechsel. Die grenzüberschreitende Verlegung des Satzungssitzes ist nur dergestalt möglich, dass zugleich in eine Gesellschaftsform des Zuzugsstaates gewechselt, also ein grenzüberschreitender Formwechsel durchgeführt wird. Dies gilt auch für europäische Gesellschaftsformen, wie z.B. die SE. Ein grenzüberschreitender Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaftsform ist innerhalb der EU und des EWR gesetzlich zulässig, und das hierbei anzuwendende Verfahren muss spätestens ab dem 1.2.2023 in allen Mitgliedstaaten gesetzlich normiert sein. Zulässig sind grundsätzlich auch grenzüberschreitende Formwechsel aus einer oder in eine Personengesellschaft, sofern die jeweiligen nationalen Rechtsordnungen dies auch für innerstaatliche Sachverhalte kennen. Ob ein Formwechsel auch im Verhältnis Deutschland-USA möglich ist, ist ungeklärt und umstritten und erfordert die Abstimmung mit den Registergerichten. Im Verhältnis zu allen übrigen Staaten ist ein Formwechsel im Regelfall nicht zulässig. Dies gilt in jedem Fall für einen Formwechsel nach Deutschland herein, da hier in jedem Fall eine Neugründung erforderlich ist. Es gilt aber auch für den Formwechsel aus Deutschland hinaus, da selbst dann, wenn das ausländische Recht (z.B. Brasilien) einen solchen Formwechsel gestattet, das deutsche Recht bei einem solchen Vorgehen die deutsche Gesellschaft als aufgelöst behandeln wird.

2.163

Gesell | 135

136 | Gesell

Kapitel 3 Auswirkung des Unionsrechts auf das deutsche Umwandlungssteuerrecht A. Einführung I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . II. Kompetenzgrundlagen für ein Europäisches Umwandlungssteuerrecht 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . 2. Primärrechtliche Kompetenzgrundlagen . . . . . . . . 3. Sekundärrechtliche Kompetenzgrundlagen . . . . . . . . III. Rechtsquellen des Europäischen Umwandlungssteuerrechts 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . 2. Grundfreiheiten . . . . . . . . . . 3. Die ertragsteuerliche Fusionsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . 4. Weitere Europäische Rechtsquellen im Kontext von Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . IV. Das Verhältnis der europäischen Rechtsquellen zum nationalen Recht 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . 2. Vorrangprinzip . . . . . . . . . . 3. Verhältnis zu nationalem Verfassungsrecht . . . . . . . . . a) Die Sichtweise des EuGH: Unbedingtes Vorrangprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfassungsrechtliche Schranken nach Meinung des BVerfG . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis für das Internationale Umwandlungssteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Rechtsverbindlichkeit der Entscheidungen des EuGH – Rechtsetzung durch Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die ertragsteuerliche Fusionsrichtlinie I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . .

3.1

3.2 3.3 3.6

3.11 3.12 3.13 3.14

3.22 3.23 3.25 3.26 3.29 3.33

3.35 3.37

II. Entstehungsgeschichte . . . . . . III. Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . IV. Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Regelungsinhalt 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . 2. Grundidee: Steuerneutralität grenzüberschreitender Umwandlungen und Sitzverlegungen von SE und SCE . 3. Begünstigte Rechtsformen . 4. Erfasste Steuerarten . . . . . . 5. Räumlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Begünstigte Vorgänge a) Vorbemerkung . . . . . . . . . b) Fusion . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Spaltung . . . . . . . . . . . . . . . d) Abspaltungen von Teilbetrieben . . . . . . . . . . . . . . e) Einbringung von Unternehmensteilen . . . . . . . . . . f) Austausch von Anteilen . . g) Sitzverlegung . . . . . . . . . . . 7. Rechtsfolgen a) Keine Besteuerung eines Veräußerungsgewinns auf Ebene des übertragenden Rechtsträgers bei Fusionen, Spaltungen und Abspaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Besteuerung eines Übernahmegewinns . . . . . c) Steuerfreiheit eines Veräußerungsgewinns auf Ebene der Anteilseigner . . 8. Sonderregelungen bei Einbringung einer Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Sonderregelungen für hybride Gesellschaften . . . . . . . . 10. Missbrauchsvorschriften . . 11. Umsetzungsfristen und unmittelbare Anwendbarkeit .

3.38 3.45 3.46 3.51

3.52 3.53 3.56 3.58 3.60 3.61 3.65 3.67 3.70 3.72 3.73

3.74 3.79 3.81 3.88 3.91 3.93 3.95

Sedemund | 137

Kap. 3 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR 12. Europarechtswidrigkeit der Fusionsrichtlinie? . . . . . . . . 3.100 C. Die Grundfreiheiten als primärrechtliche Grundlage eines Europäischen Umwandlungssteuerrechts I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . 3.104 II. Die unmittelbare Wirkung der Grundfreiheiten im Internationalen Steuerrecht . . . . . . . . . . . . 3.105 III. Auslegung der Grundfreiheiten durch den EuGH . . . . . . . . . . . . 3.107 IV. Vom allgemeinen Diskriminierungsverbot zu Niederlassungsund Kapitalverkehrsfreiheit als für das Internationale Umwandlungssteuerrecht maßgebliche Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . 3.112 V. Der Aufbau der Grundfreiheiten 1. Voraussetzung eines grenzüberschreitenden Bezugs . . 3.118 2. Schutzbereich und Normenkonkurrenz zwischen Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit a) Direkter Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit . . . 3.120 b) Direkter Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit . . 3.123 c) Abgrenzung und Normenkonkurrenz . . . . . . . . . . . . 3.125 d) Erweiterungen des Schutzbereichs der Grundfreiheiten 3. Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.137 4. Rechtfertigung a) Vorbemerkung . . . . . . . . . 3.141 b) Legitimer Zweck c) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . 3.150 VI. Auswirkungen eines Verstoßes gegen die Grundfreiheiten im Internationalen Steuerrecht . . . 3.151 VII. Zeitlicher Geltungsbereich 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . 3.153 2. Grundsätzlicher Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Grundfreiheiten . . . . . . . . . 3.154

138 | Sedemund

3. Versetzte Wirkung für später beigetretene Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.159 4. Beschränkte Rückwirkung der Grundfreiheiten nur im Ausnahmefall . . . . . . . . . . . 3.160 D. Spannungsfelder zwischen Europarecht und deutschem Umwandlungssteuerrecht I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . 3.165 II. § 1 UmwStG: Beschränkter Katalog begünstigter Vorgänge . . 3.168 III. § 2 Abs. 1 UmwStG: Steuerliche Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . 3.170 IV. § 3 Abs. 2 UmwStG: Erfordernis der Steuerverstrickung . . . . . . . 3.171 V. § 11 Abs. 1 UmwStG: Kein Buchwertprivileg bei Abwärtsverschmelzung mit ausländischer Anteilseignerin? . . . . . . 3.172 VI. § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG: Erfordernis der Steuerverstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.173 VII. § 11 Abs. Abs. 2 Sätze 2 und 3 UmwStG: Beteiligungskorrekturgewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.174 VIII. § 11 Abs. 3 UmwStG: Antragsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.175 IX. § 12 Abs. 1 Satz 1 UmwStG . . . 3.176 X. § 12 Abs. 1 Satz 2 UmwStG: Beteiligungskorrekturgewinn . . . 3.177 XI. § 12 Abs. 2 UmwStG: Außerbilanzielle Hinzurechnung von 5 % des steuerfreien Übernahmegewinns . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.178 XII. § 12 Abs. 3 UmwStG: Insbesondere Untergang von Verlustvorträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.179 XIII. § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG: Erfordernis der Steuerverstrickung . . . . . . . . . . . . . . 3.181 XIV. § 15 Abs. 1 Satz 2 UmwStG: Teilbetriebserfordernis und neutrales Vermögen . . . . . . . . . . . . 3.182 XV. § 15 Abs. 2 UmwStG: Haltefristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.184 XVI. § 20 Abs. 1: Erfordernis neuer Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.185

Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR | Kap. 3 XVII. § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG: Steuerverstrickung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . 3.186 XVIII. § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG: Antragsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.187 XIX. § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG: Unzulässigkeit der Doppelten Buchwertverknüpfung . . . . . . . . 3.188 XX. § 20 Abs. 6 Satz 4 UmwStG: Untergang insbesondere von Verlustvorträgen . . . . . . . . . . . . . . . . 3.189 XXI. § 20 Abs. 9 UmwStG: Untergang von Zinsvortrag und EBITDAVortrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.190 XXII. § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG: Erfordernis neuer Anteile . . . . . . . 3.191 XXIII. § 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG: Unzulässigkeit der Doppelten Buchwertverknüpfung . . . . . . . . 3.192 XXIV. § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG: Ausschließliche Begünstigung des qualifizierten Anteilstauschs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.193 XXV. § 22 Abs. 1 UmwStG: Besteuerung des Einbringungsgewinns I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.194 XXVI. § 22 Abs. 2 UmwStG: Besteuerung des Einbringungsgewinns II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.196 XXVII. § 22 Abs. 3 UmwStG: Nachweispflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.197

XXVIII. § 24 Abs. 2 UmwStG: Erfordernis der Steuerverstrickung im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.198 E. Verfahrensfragen und Rechtsschutz im Europäischen Umwandlungssteuerrecht I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . 3.199 II. Die grundsätzliche Bindung an das Verfahrensrecht der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . 3.200 III. Europarechtliche Vorgaben für das Steuerverfahren 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . 3.203 2. Effektivitätsgebot . . . . . . . 3.204 3. Äquivalenzgrundsatz . . . 3.206 IV. Der Weg des Steuerpflichtigen zum EuGH 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . 3.207 2. Überblick über die relevanten Verfahrensarten . 3.208 3. Das Vorabentscheidungsverfahren a) Vorbemerkung . . . . . . . . . 3.212 b) Grundsätzliches Verfahren 3.213 c) Vorlagerecht und Vorlagepflicht . . . . . . . . . . . . . . 3.216 d) Rechtswirkung der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . 3.218 F. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.221

Literatur: Bährwaldt/Hoefling, Grenzüberschreitender Formwechsel: Das Urteil des EuGH in der Rs. „Polbud“ in der praktischen Anwendung, DB 2017, 3051; Blumers/Kinzl, Änderungen der Fusionsrichtlinie: Warten auf den EuGH – Oder: Wie Sekundärrecht gegen Primärrecht verstößt, BB 2005, 971; Bungert/Wansleben, Die grenzüberschreitende Verschmelzung auf Personengesellschaften ist Wirklichkeit, DB 2019, 49; Dörfler/Rautenstrauch/Adrian, Verlustnutzung bei Verschmelzung von Körperschaften vor und nach Änderung des § 12 Abs. 3 UmwStG durch das SEStEG, BB 2006, 1657; Ebenroth/Eyles, Die innereuropäische Verlegung des Gesellschaftssitzes als Ausfluss der Niederlassungsfreiheit? (Teil 1) – Die Mobilität von Unternehmen im Spannungsfeld von Harmonisierungsbestrebungen und der Anerkennung divergierender Rechtsstandards, DB 1989, 363; Förster, Internationale Aspekte der Option zur Körperschaftsteuerpflicht von Personenhandelsgesellschaften (Teil I), IStR 2022, 109; Förster, Grenzüberschreitende Umstrukturierungen, DStR 2020, 865; Forsthoff, EuGH versus Europäischer Gesetzgeber – oder Freiheiten über alles?, IStR 2006, 222; Frenz/Distelrath, Eigene Unionsteuer nach dem Lissabon-Vertrag?, DStZ 2010, 246; Graw, Zur Europarechtswidrigkeit des § 22 UmwStG 2006, FR 2009, 837; Heckschen/Knaier, Größte Reform des Umwandlungsrechts – nicht nur Richtlinienumsetzung!, GmbHR 2022, 501; Hennrichs, Grundlagen und Grenzen der ertragsteuerlichen Neutralität von Umstrukturierungen, DStJG 43 (2020), 145; Holle/Krü-

Sedemund | 139

Kap. 3 Rz. 3.1 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR ger/Weiss, Die geplante Erweiterung der persönlichen Anwendbarkeit des UmwStG durch das KöMoG – Globalisierung des UmwStG?, IStR 2021, 489; Hey, Vorrecht des Quellenstaates und binnenmarktkonforme Besteuerung von Kapitalgesellschaften in der Europäischen Union, in Spindler/Tipke/Rödder(Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS Schaumburg, Köln 2009, 767; Jochum/Hemmelrath, Der grenzüberschreitende Hinausformwechsel in Europa, IStR 2019, 517; Kempf, Zur Umsetzung von Art. 7 Abs. 1 der EU-Fusionsrichtlinie in deutsches Recht, IStR 2021, 496; Kempf/Nitzschke, Überlegungen zur Abwärtsverschmelzung bei ausländischen Anteilseignern, IStR 2022, 73; Kessler/Philipp/Egelhof, Anwendbarkeit der Mutter-Tochter-Richtlinie und der Fusionsrichtlinie auf Gibraltar-Gesellschaften, IWB 17/2012, 641; Kirchhof, Der Europäische Gerichtshof als gesetzlicher Richter im Sinne des GG, DStR 1989, 551; Lange, Zur Niederlassungsfreiheit im Zusammenhang mit der Eintragung einer inländischen Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft, DNotZ 1999, 599; Lehner, Der Einfluss des Europarechts auf die Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2001, 329; Louven, Optionen grenzüberschreitender Verschmelzungen innerhalb der EU – gesellschafts- und steuerrechtliche Grundlagen, BB Beilage 2006, Nr. 13, 1; Jürgen Lüdicke/Hummel, Zum Primat des primären Gemeinschaftsrechts, IStR 2006, 694; Maiterth/Müller, Abschaffung der Verlustübernahme bei Verschmelzung von Körperschaften – steuersystematisch geboten oder fiskalisch motiviert?, DStR 2006, 1861; Pfeiffer, Richtlinienkonforme Auslegung gegen den Wortlaut des nationalen Gesetzes – Die Quelle-Folgeentscheidung des BGH, NJW 2009, 412; Polatzky/Michelberger, Steuerliche Aspekte bei Börsengängen deutscher Unternehmen im Ausland, IStR 2022, 21; Prinz, Aktuelles Beratungs-Know-how zum umwandlungssteuerlichen Einbringungsgewinn I und II; DB 2021, 1903; Rauch/Schanz, Die Umsetzung der Fusionsrichtlinie in deutsches Recht und einhergehende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht, SteuerStud 2009, 4; Schnitger/Gebhardt, Pillar Two: Anwendungsbereich und Erhebungsnormen der Sog. GloBE Rules, IStR 2023, 113; Schnitger, Vereinbarkeit der Vorschläge zur Einführung von GloBE-Regelungen mit den Grundfreiheiten des AEUV, IStR 2022, 741; Sedemund, EU: Der Vertrag von Lissabon – Auswirkungen auf die direkten Steuern, IStR Beihefter, Länderbericht zu Nr. 3/2010, 9; Sedemund, EU-weite Verschmelzungen: Gesellschaftsrechtliche Vorgaben und steuerliche Implikationen des SEVIC-Urteils des EuGH vom 13.12.2005, BB 2006, 519; Schulte, Grenzüberschreitende Umwandlungen und Spaltungen, GmbHR 2020, 139; Steimaszczyk, Die neue Umwandlungsrichtlinie – harmonisierte Verfahren für grenzüberschreitende Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechsel, GmbHR 2020, 61; Tomuschat, Die Europäische Gemeinschaft unter Aufsicht des Bundesverfassungsgerichts, EuGRZ 1993, 489; Wacker, Zur praktischen Konkordanz von Grundfreiheiten und EU-Richtlinienrecht auf dem Gebiet der direkten Steuern, in Drüen/Hey/Mellinghoff, Festschrift für den BFH, Köln 2018, 781.

A. Einführung I. Vorbemerkung

3.1 Umwandlungssteuerrecht ist in erster Linie Ertragsteuerrecht;1 auf dieses Gebiet des Steuerrechts beschränken sich die nachfolgenden Ausführungen. Prima facie überrascht, dass hier das Europarecht2 Einfluss nimmt. Denn nach offizieller Verlaut1 Das deutsche UmwStG behandelt nur die ertragsteuerlichen Folgen von Umwandlungen. Spezifische, aber nicht abschließend systematische Regelungen finden sich noch in § 6a GrEStG und § 1 Abs. 1a UStG. 2 Europarecht wird hier und im Folgenden, soweit nicht anders gekennzeichnet, als Europarecht in einem engeren Sinne als das Recht der Europäischen Union und deren Vorgängerorganisationen verstanden.

140 | Sedemund

A. Einführung | Rz. 3.5 Kap. 3

barung der EU sind allein die Mitgliedstaaten zuständig für die auf Privateinkommen und Unternehmensgewinne erhobenen direkten Steuern.1 Diese Aussage wird der aktuellen Rechtslage offensichtlich nicht gerecht, wenn man sich die Fülle der Vorschriften allein des deutschen Steuerrechts vor Augen führt, die aufgrund EU-rechtlicher Vorgaben abgeschafft oder angepasst werden mussten. Umgekehrt wird zutreffend darauf hingewiesen, dass es – noch – kein eigentliches europäisches Steuerrecht gibt. Den nachfolgenden Ausführungen vorwegnehmend ist festzuhalten, dass für das Umwandlungssteuerrecht zwei wesentliche Rechtsquellen bestehen. Die steuerliche Fusionsrichtlinie gibt explizite Vorgaben bezüglich grenzüberschreitender Umwandlungsvorgänge. Daneben stehen die Grundfreiheiten des AEUV, die auch in den Bereich des Umwandlungssteuerrechts hineinwirken. II. Kompetenzgrundlagen für ein Europäisches Umwandlungssteuerrecht 1. Vorbemerkung Die Setzung von Umwandlungssteuerrecht im Sinne eines rechtsverbindlichen Rechtsanwendungsbefehls setzt eine hinreichende Kompetenzgrundlage des europäischen Gesetzgebers voraus. Zu unterscheiden ist dabei zwischen dem so genannten Primär- und Sekundärrecht.

3.2

2. Primärrechtliche Kompetenzgrundlagen Nach allgemeinem Verständnis besteht das Primärecht aus den Gründungsverträgen (heute von Relevanz nur noch EUV und AEUV) sowie den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und dem gemeinschaftsrechtlichem Gewohnheitsrecht.2

3.3

Legitimation aus deutscher und EU Sicht. Aus EU-rechtlicher Sicht ist es im Rahmen der begrenzten Einzelermächtigung und des Subsidiaritätsprinzips nach Art. 5 EUV grundsätzlich ohne weiteres möglich, im AEUV Regelungen über ein europäisches Umwandlungssteuerrecht zu etablieren. Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ihre verbliebenen – also nicht an die EU – delegierten Kompetenzen unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben. Gemeint sind damit insbesondere die Grundfreiheiten. Soweit sich danach verbindliche Vorgaben für das (deutsche) Umwandlungssteuerrecht ergeben, bedarf es aus EU-Sicht keiner weiteren besonderen Legitimation. Aus deutscher Sicht ist eine solche besondere Legitimation mit Blick auf die Schaffung in Deutschland verbindlichen EU-Rechts aus verfassungsrechtlichen Gründen sehr wohl erforderlich. Die entsprechende Kompetenzgrundlage beinhaltet heute Art. 23 GG. Die wichtigste Schranke einer Kompetenzverlagerung ergibt sich aus der Bezugnahme auf die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 GG.

3.4

Da bis dato keine Bestrebungen auf primärrechtlicher Ebene existieren, Normen zu schaffen, die sich mit einem europäischen Umwandlungssteuerrecht befassen, erscheint die Frage nach einer primärrechtlichen Kompetenzgrundlage prima facie

3.5

1 Vgl. http://europa.eu/pol/tax/index_de.htm. 2 Vgl. A/F/F, Rz. 42 ff.

Sedemund | 141

Kap. 3 Rz. 3.5 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

akademisch. Allerdings nimmt das Primärrecht auf das Umwandlungssteuerrecht mittelbar über die Grundfreiheiten des AEUV einen erheblichen Einfluss, da die Grundfreiheiten des AEUV in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbares Recht sind und auch im Bereich des Umwandlungssteuerrechts verbindliche Rahmenbedingungen aufzeigen.1 Danach fallen insbesondere die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, diese müssen – trotz des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung – aber die Vorgaben der Grundfreiheiten beachten, die seit Ablauf der Übergangszeit in den Mitgliedstaaten geltendes Recht sind. Die Rechtspraxis hat bis dato noch keinen Verstoß gegen verfassungsrechtliche Kompetenzgrundlagen abgeleitet, soweit sich die Einflussnahme auf die Auslegung der Grundfreiheiten im Sinne von Diskriminierungsverboten beschränkt.2 In der Literatur thematisieren kritische Stimmen allerdings bereits eine Kompetenzüberschreitung von EU-Organen im Bereich der direkten Steuern. Dass diese Thematik praktische Relevanz erlangen kann, belegt die Entscheidung des BVerfG vom 5.5.2020,3 die davon ausgeht, dass EU-Organe sehr wohl ihre Kompetenzen überschreiten können und dies auch bei anderer Sichtweise des EuGH dann einen aus deutscher Sicht unzulässigen Verstoß gegen das Kompetenzgefüge des Grundgesetzes beinhalten kann. 3. Sekundärrechtliche Kompetenzgrundlagen

3.6 Das sekundäre Gemeinschaftsrecht umfasst das von den Organen der EU auf Grundlage des Primärrechts geschaffene Recht. Auch hier darf der europäische Gesetzgeber nicht beliebig tätig werden, sondern ist an das sogenannte Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung gebunden: 3.7 Keine genuine Gesetzgebungskompetenz der EU. Im Rahmen der Gründungsverträge (und deren Änderungen) haben die Mitgliedstaaten Kompetenzen und im Rahmen dieser Kompetenzen auch Rechtsetzungsbefugnisse auf die EU übertragen. Die EU hat jedoch nicht den Charakter eines selbstständigen Staates. Zwangsläufige Folge ist, dass die EU keine genuine Gesetzgebungskompetenz besitzt, wie diese Wesensmerkmal eines selbstständigen Staates ist. Die Kompetenz der EU ist vielmehr abgeleitet. Die Kompetenzen sind in den Gründungsverträgen abschließend festgelegt und dürfen nur in diesem Rahmen von den Gemeinschaftsorganen ausgeübt werden. Nur insoweit dürfen die zuständigen Organe der EU nach Maßgabe des primärrechtlichen Verfahrensrechts Sekundärrecht4 setzen. Grenze dieser Rechtsetzung ist die Kompetenz, die in den Gründungsverträgen ausdrücklich zugestanden wurde.

1 2 3 4

Dazu genauer unten Rz. 3.12 ff. Vgl. hierzu auch Kokott/Ost, EuZW 2011, 496 ff.; Frenz/Distelrath, DStZ 2010, 246 ff. BVerfG v. 5.5.2020 – 2 BvR 859/15, BVerfGE 154, 17 = NJW 2020, 1647. Seit dem Vertrag von Lissabon ist zwischen den Rechtsakten, die als Gesetzgebungsakte im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens zu Stande gekommen sind (Art. 289 Abs. 3 AEUV) und sonstigen Rechtsakten zu unterscheiden. Praktische Relevanz besitzen die Rechtsakte, auf die Art. 288 EUV Bezug nimmt, nämlich Verordnungen, Richtlinien und Beschlüsse. Da Empfehlungen und Stellungnahmen per definitionem keine Rechtsbindung entfalten, ist ihre Bedeutung peripher.

142 | Sedemund

A. Einführung | Rz. 3.10 Kap. 3

Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung. Dieses Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung fand sich früher etwas versteckt an verschiedenen Stellen des Primärrechts und hat nach dem Vertrag von Lissabon in Art 5 Abs. 1 EUV eine explizite Regelung gefunden. Ergänzt wird dieser Grundsatz durch Strukturprinzipien, die bereits von der Bezeichnung aber auch von Wortlaut und Inhalt stark an die ausschließlichen und konkurrierenden Gesetzgebungskompetenzen nach Art. 70 ff. Grundgesetz erinnern. Nach Art. 2 Abs. 1 AEUV kann die Union gesetzgeberisch nur tätig werden und verbindliche Rechtsakte erlassen, wenn die Verträge der Union für einen bestimmten Bereich eine ausschließliche Zuständigkeit übertragen; die Mitgliedstaaten dürfen in einem solchen Fall nur tätig werden, wenn sie von der Union hierzu ermächtigt werden, oder um Rechtsakte der Union durchzuführen. Übertragen die Verträge der Union für einen bestimmten Bereich eine mit den Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit, so können die Union und die Mitgliedstaaten in diesem Bereich gesetzgeberisch tätig werden und verbindliche Rechtsakte erlassen.

3.8

Differenzierung zwischen Zielen und Kompetenzen der EU. Ziele und Kompetenzen der EU sind nicht notwendig deckungsgleich. Eine erweiternde Kompetenzzuweisung, die zu einem Gleichlauf von Auftrag und Kompetenz zu führen scheint, deutet der Wortlaut des Art. 352 AEUV an. Danach kann der Rat, wenn ein Tätigwerden der Gemeinschaft erforderlich erscheint, um eines ihrer Ziele zu erreichen, die geeigneten Vorschriften erlassen. Die Vorschrift ist im Kontext des gesamten Primärrechts zu verstehen.1 Die Zuweisung einer neuen Kompetenz wäre eine Vertragsänderung, welche nur im Rahmen der vorgeschriebenen Verfahren möglich ist und der Ratifizierung durch sämtliche Mitgliedstaaten bedarf. Art. 352 AEUV ist daher in dem Sinne zu interpretieren, dass er eine grundsätzliche Gemeinschaftszuständigkeit bereits voraussetzt und lediglich ergänzende Funktion hat.

3.9

Keine explizite Kompetenzgrundlage für das Umwandlungssteuerrecht. Für den Bereich des Umwandlungssteuerrechts findet sich keine explizite Kompetenzgrundlage im AEUV. Entsprechend wurden sekundärrechtliche Regelungen mit steuerlichem Bezug bisher nicht auf steuerliche Vorschriften des EG-Vertrags, sondern auf allgemeine Harmonisierungsvorschriften in Art. 94 und 96 EG gestützt. Art. 293 EG schließlich enthielt eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Verhandlung über die Beseitigung der Doppelbesteuerung in den Mitgliedstaaten. Den in der Literatur geäußerten Gedanken, der Vorschrift sei ein gemeinschaftsrechtliches Verbot der Doppelbesteuerung zu entnehmen,2 hat der EuGH in ständiger Rechtsprechung abgelehnt.3 Art. 293 EG wurde im Rahmen des Vertrags von Lissabon ersatzlos aufgehoben. Unklar ist, ob mit dieser Gesetzesänderung der neuen Rechtsprechung des EuGH gefolgt werden soll, nach der eine Doppelbesteuerung, die sich aus der Aus-

3.10

1 A/F/F, Rz. 224. 2 Vgl. dazu Kellersmann/Treisch/Lampert/Heinemann, Europäische Unternehmensbesteuerung2, 23. 3 Vgl. EuGH v. 14.11.2006 – C-513/04, ECLI:EU:C:2006:713 – Kerckhaert und Morres, ABl. EU 2006 Nr. C 326, 6; Urt. v. 12.2.2009 – C-67/08, ECLI:EU:C:2009:92 – Block, ABl. EU 2009 Nr. 82, 6.

Sedemund | 143

Kap. 3 Rz. 3.10 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

übung von Besteuerungsbefugnissen in mehreren Mitgliedstaaten ergibt, zulässig ist.1 Immerhin wurde Art. 94 EG durch Art. 115 AEUV ersetzt, so dass man diese Vorschrift im gleichen Umfang wie den Vorgänger als sekundärrechtliche Kompetenzgrundlage für europäisches Umwandlungssteuerrecht einstufen können wird. III. Rechtsquellen des Europäischen Umwandlungssteuerrechts 1. Vorbemerkung

3.11 Hinsichtlich der Rechtsquellen des Europäischen Umwandlungssteuerrechts ist zwischen primärrechtlichen und sekundärrechtlichen Grundlagen zu trennen. 2. Grundfreiheiten

3.12 Das Primärrecht regelt das Umwandlungssteuerrecht zwar wie ausgeführt nicht unmittelbar, ganz allgemein fallen die direkten Steuern nach ständiger Rechtsprechung in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Diese müssen ihre Befugnisse aber unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben.2 Dieses Gemeinschaftsrecht umfasst auch die Grundfreiheiten, die seit Ablauf der Übergangszeit grundsätzlich unmittelbare Wirkung in den Mitgliedstaaten entfalten, also geltendes Recht sind. Der Einfluss des Europarechts auf die direkten Steuern – und damit auch auf das Umwandlungssteuerrecht – ist enorm und rechtfertigt eine gesonderte Darstellung. 3. Die ertragsteuerliche Fusionsrichtlinie

3.13 Die ertragsteuerliche Fusionsrichtlinie stammt ursprünglich aus dem Jahre 1990 und wurde im Laufe der Jahre mehrfach modifiziert und ergänzt, 2009 offiziell kodifiziert und zuletzt redaktionell aufgrund des EU-Beitritts im Jahre 2013 geändert.3 4. Weitere Europäische Rechtsquellen im Kontext von Umwandlungen

3.14 Weitere europarechtliche Rechtsquellen im Kontext von Umwandlungen haben zwar nicht notwendigerweise einen direkten steuerlichen Bezug, aufgrund der enthaltenen gesellschaftsrechtlichen Wertung können sie gleichwohl steuerliche Relevanz entfalten. Namentlich vier Rechtsquellen sind in diesem Kontext zu nennen. 3.15 Einzelrechtsprechung des EuGH. Neben den Diskriminierungsverboten, die Einfluss auf die steuerlichen Rahmenbedingungen von Umwandlungen im internationalen Kontext nehmen, können sich aus einzelnen Entscheidungen noch weitergehende 1 Sedemund, IStR Beihefter, Länderbericht zu Nr. 3/2010, 9. 2 Vgl. aktuell EuGH v. 18.6.2009 – C-303/07, ECLI:EU:C:2009:377 – Aberdeen Property Fininvest Alpha, ABl. EU 2009 Nr. C 180, 5, Rz. 24; Urt. v. 13.12.2005 – C-446/03, ECLI:EU: C:2005:763 – Marks & Spencer, ABl. EU 2006 Nr. C 36, 5, Rz. 29; v. 12.9.2006 – C-196/04, ECLI:EU:C:2006:544 – Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, ABl. EU 2006 Nr. C 281, 5, Rz. 40; v. 12.12.2006 – C-374/04, ECLI:EU:C:2006:773 – Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, ABl. EU 2006 Nr. C 331, 3, Rz. 36; v. 8.11.2007 – C-379/05, ECLI:EU:C:2007:655 – Amurta, ABl. EU 2007 Nr. C 315, 8, Rz. 16. 3 Richtlinie 2013/13/EU, ABl. EU Nr. L 141/30.

144 | Sedemund

A. Einführung | Rz. 3.19 Kap. 3

Rechte ergeben. Grundsätzlich hat der EuGH mit dem Urteil „Sevic“1 die generelle Möglichkeit grenzüberschreitender Umwandlungen angenommen.2 Bestätigt wurde diese Rechtsprechung durch die Entscheidung „VALE Építési kft“.3 Gesellschaftsrechtliche Fusionsrichtlinie. Konkretere Vorgaben enthält die Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten,4 die so genannte Gesellschaftsrechtliche Fusionsrichtlinie. Der deutsche Gesetzgeber setzte die Vorgaben der Richtlinie in den §§ 122a ff. UmwG um.

3.16

SE Verordnung. Des Weiteren enthält die Verordnung Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) („SE Verordnung“)5 Vorschriften mit umwandlungsrechtlichem Bezug.6 Die SE-Verordnung entfaltet als Verordnung i.S.v. Art. 288 Abs. 2 AEUV (ex Art. 249 EG) allgemeine Geltung, ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Anders als grundsätzlich bei einer Richtlinie wie etwa der Fusionsrichtlinie bedarf es also keines innerstaatlichen Umsetzungsaktes mehr. Prima Facie regelt die SE-Verordnung nur die Vorschriften, welche die Rechtsform der SE betreffen. Da eine SE aber auch durch Umwandlungen – insbesondere Verschmelzung und Formwechsel – gegründet werden kann, ist der umwandlungsrechtliche Bezug nicht zu übersehen. Die deutsche Finanzverwaltung wendet auf entsprechende Umwandlungen das UmwStG an.7

3.17

SCE Verordnung. Mutatis Mutandis gelten die Ausführungen für die SCE. Die Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft („SCE Verordnung“)8 ermöglicht nach ihrem Art. 2 Abs. 1 seit dem 18.8.2006 ähnlich der SE Verordnung die Gründung der Europäischen Genossenschaft durch umwandlungsrechtliche Vorgänge.

3.18

Umwandungsrichtlinie. Die Umwandlungsrichtlinie vom 27.11.20199 schaffte erstmals einen gesellschaftsrechtlichen Rahmen für den grenzüberschreitenden Formwechsel sowie für grenzüberschreitende Aufspaltungen, Abspaltungen und Ausglie-

3.19

1 EuGH v. 13.12.2005 – C-411/03, ECLI:EU:C:2005:762 – SEVIC Systems, ABl. EU 2006 Nr. C 36, 5. 2 Vgl. dazu Möhlenbrock in D/J/P/W, Einführung Rz. 13 ff. Zu den steuerlichen Implikationen Sedemund, BB 2006, 520 ff. 3 EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10, ECLI:EU:C:2012:440 – VALE Építési, ABl. EU 2012 Nr. C 287, 3. 4 Richtlinie 2005/56/EG, ABl. EU Nr. L 310/1. 5 ABl. EG 2001 Nr. L 294, 1. 6 Grundlegend Louven, BB Beilage 2006, Nr. 13, 1 (7 ff.). 7 Vgl. Rz. 01.42 des UmwSt-Erlasses 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/ 10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314. 8 ABl. EU 2003 Nr. L 207, 1. 9 Richtlinie (EU) 2019/2121 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen, ABl. EU Nr. L 321, 1.

Sedemund | 145

Kap. 3 Rz. 3.19 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

derungen zur Neugründung innerhalb der EU.1 Dies war bis dahin nach der Rechtsprechung des EuGH nur in Einzelfällen aufgrund der Grundfreiheiten geboten. Die Umsetzung in Deutschland erfolgte durch zwei verschiedene Umsetzungsgesetze: Das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG) sowie das Gesetz zur Umsetzung der Bestimmungen der Umwandlungsrichtlinie über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen.2 Im Ergebnis wird damit die nach den §§ 122a–122m UmwG bereits seit 2006 mögliche grenzüberschreitende Verschmelzung von Körperschaften erweitert auf Formwechsel, Sitzverlegungen und Spaltungen. Prinz3 weist zutreffend darauf hin, dass hiermit zwar die grenzüberschreitende Mobilität von Kapitalgesellschaften verstärkt, wegen der europäischen Ausrichtung die durch das KöMoG erfolgte Globalisierung des Umwandlungssteuergesetzes aber insoweit nicht erreicht wird.

3.20 Anti-Tax-Avoidance-Directive („ATAD“). Die Richtlinie vom 12.7.2016 sieht in ihrem Art. 5 Abs. 1 im Falle der grenzüberschreitenden Übertragung von Vermögenswerten oder Geschäftstätigkeiten aus einem EU-Mitgliedstaat oder der grenzüberschreitenden Sitzverlegung einer Körperschaft die Aufdeckung stiller Reserven und Lasten vor, soweit der bisherige Mitgliedstaat sein Besteuerungsrecht an betroffenen Vermögenswerten verliert. In EU/EWR-Fällen steht dem Steuerpflichtigen allerdings das Recht zu, einen ratierlichen Steueraufschub über 5 Jahre zu beantragen (Art. 5 Abs. 2 ATAD).4 Die Richtlinie orientiert sich in der Wirkungsweise an der jüngsten Rechtsprechung des EuGH zur Entstrickungsbesteuerung. Ob die Konformität mit den Grundfreiheiten damit in jedem Fall gewährleistet ist, bleibt abzuwarten. 3.21 Pillar 2. Nachdem sich auf Ebene der OECD die Erkenntnis durchgesetzt hatte, dass eine isolierte Besteuerung der so genannten Digitalen Wirtschaft wie nach den Action Points ursprünglich geplant nicht zielführend ist, fokussierten sich die Bemühungen auf ein neues Konzept: Zwei Säulen („Pillar 1 und 2“) sollen die (steuerliche) Antwort auf die Herausforderungen der Digitalen Wirtschaft geben – bemerkenswerter Weise ist der Wirkungsmechanismus der beiden Säulen ohne spezifischen Bezug auf digitale Geschäftsmodelle konzipiert: Während Pillar 1 die Umverteilung von Besteuerungsrechten zwischen Ansässigkeits- und Marktstaaten bei sehr großen und hoch profitablen Konzernen vorsieht, soll durch Pillar 2 eine globale Mindestbesteuerung vorgesehen werden. Der Anwendungsbereich ist beschränkt auf multinationale Unternehmensgruppen mit einem konsolidierten Konzernumsatz von mindestens 750 Millionen Euro pro Jahr. Die Gewinnermittlung folgt einer eigenen Berechnungslogik und soll im Ergebnis dafür Sorge tragen, dass die betroffenen Unternehmen in jedem Land eine Mindeststeuer von 15% zahlen. Indirekt können auch Umwandlungen betroffen sein, da diese nach dem Pillar 2 Konzept nur dann von der Mindestbesteuerung ausgenommen sind, wenn sie die Anforderungen einer so genannten „GLOBE-Reorganization“ erfüllen. Die Vereinbarkeit mit den Grundfreihei1 2 3 4

Förster, DB 2020, 865 (867). Gesetz v 4.1.2023, BGBl. I 2023 Nr. 10 v. 13.1.2023. DB 2022, M4-M5. Förster, DB 2020, 865 (867).

146 | Sedemund

A. Einführung | Rz. 3.24 Kap. 3

ten erscheint zweifelhaft.1 Trotzdem ist innerhalb der EU die Umsetzung durch eine Richtlinie vorgesehen: Nachdem die OECD am 20.12.2021 unverbindliche Modes Rules zur Umsetzung von Pillar 2 veröffentlicht hatte, zog die EU am 22.12.2021 mit einem Richtlinienentwurf nach. Nachdem sich die inhaltlichen Fragen zum Richtlinienentwurf mehrten, zeichnete sich in der ECOFIN Sitzung vom 15.3.2022 zunächst eine Tendenz zu einer Verschiebung der Implementierung ab. In der Folgezeit blockierten zunächst Polen und in der ECOFIN Sitzung vom 17.6.2022 überraschend Ungarn die Verabschiedung, erst am 14.12.2022 konnte die Richtlinie in leicht abgeänderter Fassung unter Enthaltung von Ungarn einstimmig beschlossen und am 22.12.2022 im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden.2 Nach ihrem Art. 56 ist die Richtlinie grundsätzlich bis zum 31.12.2023 umzusetzen und auf Geschäftsjahre anzuwenden, die ab dem 31.12.2023 beginnen. Mit den Artt. 12, 13 und 14 finden entscheidende Vorschriften allerdings er auf Geschäftsjahre Anwendung, die ab dem 31.12.2024 beginnen.3 IV. Das Verhältnis der europäischen Rechtsquellen zum nationalen Recht 1. Vorbemerkung Es liegt nahe, europäische Rechtsquellen gegenüber nationalem Recht als übergeordnet einzustufen. Im Grundsatz verfolgen sowohl der EuGH als auch das BVerfG diesen Ansatz. Divergierende Sichtweisen bestehen bezüglich der Beurteilung eines Konfliktes zwischen nationalem Verfassungsrecht und Europarecht.

3.22

2. Vorrangprinzip Vorrangige Anwendung von Primär- und Sekundärrecht. Sowohl der EuGH4 als auch das BVerfG5 und diesen folgend die oberste deutsche Finanzrechtsprechung6 gehen davon aus, dass unmittelbar in den Mitgliedstaaten geltende Bestimmungen des EU-Rechts grundsätzlich vorrangig gegenüber innerstaatlichem Recht anzuwenden sind. Insbesondere Vorschriften des primären Gemeinschaftsrechts, aber auch sekundäres Gemeinschaftsrecht wie die Fusionsrichtlinie gehen deshalb einfachgesetzlichen nationalen Regelungen – und damit insbesondere dem Umwandlungssteuerrecht – vor.

3.23

Anwendungsvorrang. Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts bedeutet in diesem Zusammenhang einen Anwendungsvorrang.7 Im Gegensatz zu einem Geltungsvorrang, nach dem gegenläufige Normen insgesamt aufzuheben wären, wird das nationale

3.24

1 In diesem Sinne auch Schnitger, IStR 2022, 741. 2 ABl. 2022 L 328, 1. 3 Einen guten Überblick über den Wirkungsmechanismus bieten Schnitger/Gebhardt, IStR 2023, 113. 4 Ständige Rechtsprechung seit EuGH v. 15.7.1964 – 6/64, ECLI:EU:C:1964:66 – Costa/E.N. E.L. 5 BVerfG v. 9.6.1971 – 2 BvR 225/69, BVerfGE 31, 145 (174). 6 BFH v. 20.4.1988 – I R 219/82, DB 1988, 2438 (2439). 7 Ebke, ZGR 1987, 245 (249).

Sedemund | 147

Kap. 3 Rz. 3.24 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

Recht nicht nichtig, sondern nur im Geltungsbereich des EU-Rechts unanwendbar.1 Wenn beispielsweise eine steuerliche Vorschrift einen Verstoß gegen die Grundfreiheit der Niederlassungsfreiheit beinhaltet, bedeutet dies, dass diese Vorschrift im Verhältnis zum diskriminierten EU-Bürger unanwendbar ist. Die Norm wäre gleichwohl auf einen rein nationalen Sachverhalt anwendbar und dürfte – aus europarechtlicher Sicht – auch eine Person aus einem Drittstaat, also beispielsweise eine US-amerikanische Kapitalgesellschaft diskriminieren. 3. Verhältnis zu nationalem Verfassungsrecht

3.25 Kein Konsens besteht bei der Frage, wie zu entscheiden ist, wenn europarechtliche Normen nicht im Einklang mit einer nationalen Verfassungsordnung stehen. Sofern einzelne europarechtliche Vorschriften gegen das Grundgesetz verstoßen, unterscheiden sich konsequenterweise die Ansichten darüber, ob die europarechtlichen Vorgaben auch in dieser Konstellation noch Rechtswirkung in Deutschland entfalten. a) Die Sichtweise des EuGH: Unbedingtes Vorrangprinzip

3.26 Vorrang auch gegenüber Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten. Der EuGH geht von einem uneingeschränkten Vorrang des Gemeinschaftsrechts aus, wenn und soweit gleiche Regelungsinhalte betroffen sind.2 Das Gericht folgert aus diesem Vorrang, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, nur gemeinschaftskonformes innerstaatliches Recht zu erlassen.3 Dieser Anwendungsvorrang gilt nach Ansicht des EuGH selbst im Verhältnis zu den nationalen Verfassungen. Dementsprechend könne es die Geltung einer Gemeinschaftshandlung in einem Mitgliedstaat nicht berühren, wenn geltend gemacht werde, dass „Grundrechte in der ihnen von der Verfassung dieses Staates gegebenen Gestalt oder die Strukturprinzipien der nationalen Verfassung ... verletzt“ seien.4 3.27 EU Recht als autonome Rechtsordnung. Dogmatisch begründet der EuGH seine Ansicht damit, dass es sich bei diesem Gemeinschaftsrecht um eine „autonome Rechtsordnung“ handele, „die bewußt von den Mitgliedstaaten unter Aufgabe bestimmter Souveränitätsrechte“ geschaffen worden sei.5 Durch die Übertragung dieser Hoheitsrechte sei eine von der Staatsgewalt der Mitgliedstaaten deutlich unterschiedene supranationale öffentliche Gewalt entstanden. Diese Eigenständigkeit der gemeinschaftlichen Ordnung ist nach Auffassung des EuGH ein gegenüber den einzelnen Verfassungen höherrangiges Prinzip. Da dieses Prinzip unmittelbar gelte, müsse 1 A/F/F, 75. 2 Grundlegend EuGH v. 15.7.1964 – 6/64, ECLI:EU:C:1964:66 – Costa/E.N.E.L.; v. 9.3.1978 – C-106/77, ECLI:EU:C:1978:49 – Amministrazione delle finanze dello Stato/Simmenthal, DB 1978, 2108. 3 EuGH v. 9.3.1978 – C-106/77, ECLI:EU:C:1978:49 – Amministrazione delle finanze dello Stato/Simmenthal, DB 1978, 2108. 4 EuGH v. 17.12.1970 – C-11/70, ECLI:EU:C:1970:114 – Internationale Handelsgesellschaft mbH/Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel, 1. Leitsatz. 5 EuGH v. 15.7.1964 – 6/64, ECLI:EU:C:1964:66 – Costa/E.N.E.L.

148 | Sedemund

A. Einführung | Rz. 3.29 Kap. 3

es auch entgegenstehendes Verfassungsrecht verdrängen. Andernfalls negiere man den Charakter als Gemeinschaftsrecht, der notwendig voraussetze, dass es in allen Mitgliedstaaten einheitlich gelte. Ein solches Verständnis stelle die Rechtsgrundlage und Funktionsfähigkeit der Gemeinschaft in Frage und gefährde damit die Verwirklichung der verbindlich vorgegebenen Ziele. Für das deutsche Verfassungsrecht bedeutet diese Auffassung, dass insbesondere die Grundrechte im Kollisionsfall verdrängt würden. Selbst die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 GG hätte keinen Bestand, wenn eine europäische Vorschrift ein anderes Ergebnis verlangte. Anwendungsvorrang. Nach der Rechtsprechung des EuGH geht das Gemeinschaftsrecht auch dem nationalem Verfassungsrecht lediglich vor. Es handelt sich demnach nicht um eine Rangfrage, sondern um eine einfache Kollisionsregel.1 Im Kollisionsfall haben Gerichte dem Gemeinschaftsrecht den Vorzug zu geben, es besteht also ein Anwendungsvorrang gegenüber dem nationalen Recht. Dies führt im Ergebnis dazu, dass die Norm des innerstaatlichen Rechts trotz ihres Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht weiter angewendet werden kann, wenn ihre Anwendung keinen Gemeinschaftsbezug hat, so etwa im Verhältnis zu Drittstaaten. Das gilt auch bei rein inländischen Sachverhalten, die nicht in den Anwendungsbereich des EU oder AEUV fallen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass seit dem Urteil in der Rechtssache „Asscher“2 ein EU-Bürger sich auch gegenüber seinem Heimatstaat auf den uneingeschränkten Schutz des Unionsrechts berufen kann.3 Voraussetzung für den Vorrang des Gemeinschaftsrechts ist dessen unmittelbare Anwendbarkeit. Diese liegt vor, wenn sich EU-Bürger vor nationalen Gerichten und Behörden auf eine Norm des EU-Rechts berufen können, selbst wenn sie nicht unbedingt Normadressat sind. Dazu muss die betreffende Vorschrift des Gemeinschaftsrechts der Sache nach abschließend, vollständig und rechtlich perfekt sein, es darf also zu ihrer Anwendbarkeit keiner weiteren Ausführungsakte bedürfen.4 Eine unmittelbare Anwendbarkeit hat der EuGH insbesondere auch im Hinblick auf die Grundfreiheiten des EG (heute AEUV) frühzeitig anerkannt.5

3.28

b) Verfassungsrechtliche Schranken nach Meinung des BVerfG Erfordernis der formell und materiell einwandfreien Kompetenzübertragung. Das BVerfG beurteilt das Verhältnis von EU-Recht und Grundgesetz differenzierter. Dogmatischer Ansatzpunkt ist ebenfalls die Annahme, dass das Gemeinschaftsrecht eine eigenständige Rechtsordnung mit unmittelbarer innerstaatlicher Wirkung ist.6 Aufgrund der in Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG erteilten Ermächtigung können auch zwi1 Vgl. Bleckmann6, Europarecht, 379. 2 Vgl. EuGH v. 27.6.1996 – C-107/94, ECLI:EU:C:1996:251 – Asscher/Staatssecretaris van Financiën, DB 1996, 1604. 3 Vgl. Dautzenberg, IStR 1998, 306. 4 Vgl. EuGH v. 5.2.1963 – C-26/62, ECLI:EU:C:1963:1 – Van Gend en Loos/Administratie der Belastingen. 5 Vgl. EuGH v. 12.12.1974 – C-36/74, ECLI:EU:C:1974:140 – Walrave und Koch/Association Union Cycliste Internationale u.a., EuGHE 1974, 1405 (1419). 6 Kirchhof, DStR 1989, 551 (551).

Sedemund | 149

3.29

Kap. 3 Rz. 3.29 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

schenstaatliche Organe Rechtsakte mit Durchgriffswirkung setzen.1 Dies setzt aber voraus, dass diese Hoheitsrechte ordnungsgemäß übertragen worden sind. Der Begriff der Übertragung ist dabei nicht wörtlich zu verstehen. Gemeint ist vielmehr eine Öffnung der nationalen Rechtsordnung in der Weise, dass der ausschließliche Herrschaftsanspruch der Bundesrepublik im Geltungsbereich des Grundgesetzes zurückgenommen und der unmittelbaren Anwendbarkeit eines Rechts aus anderer Quelle Raum gelassen wird.2 Die ordnungsgemäße Übertragung verlangt in formeller Hinsicht, dass durch ein wirksames Zustimmungsgesetz der innerstaatliche Rechtsanwendungsbefehl erteilt wurde; dieser ist Geltungsgrund für das Europarecht.3 Materiell muss sich die Ermächtigung in den von Art. 23 GG gesetzten Grenzen bewegen. Diese berühren als nationale Regelungen zwar nicht die Gültigkeit europarechtlicher Vorschriften. Doch kann nach Ansicht des BVerfG unter Umständen die Rechtswirkung für das deutsche Staatsgebiet ausgeschlossen sein. Nicht die Gründungsverträge der EG (heute EU), wohl aber deren deutsche Zustimmungsgesetze können danach Gegenstand einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung sein. Sofern die deutsche Legislative gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG einer Kompetenzübertragung zustimmt, deren Reichweite sich als unvereinbar mit der Gewährleistung des Art. 79 GG erweist, gilt nach dieser Auffassung die gemeinschaftsrechtliche Bestimmung infolge der Nichtigkeit der Zustimmungsgesetzes nicht innerhalb der deutschen Rechtsordnung.

3.30 Verzicht auf Überprüfung, solange gleichwertiger Schutz durch EuGH besteht. Hinsichtlich der Grundrechte verzichtet das BVerfG auf die Überprüfung der EURechtsakte am Maßstab des Grundgesetzes, solange der in der EU gewährte Schutz als im Wesentlichen gleich zu erachten ist.4 Danach erkennen in Deutschland die Gerichte bis hin zum BVerfG den Vorrang des Gemeinschaftsrechts grundsätzlich an.5 Das BVerfG hat zum Vorranganspruch des Gemeinschaftsrechts in seinem „Solange II“-Beschluss6 darauf hingewiesen, dass „im Hoheitsbereich der Europäischen Gemeinschaften ein Maß an Grundrechtsschutz erwachsen ist, das nach Konzeption, Inhalt und Wirkungsweise dem Grundrechtsstandard des Grundgesetzes im Wesentlichen gleich zu achten ist.“ Deshalb verzichtet das BVerfG darauf, seine Gerichtsbarkeit über das Gemeinschaftsrecht auszuüben und dieses auch nicht mehr am Maßstab des Grundgesetzes zu messen. Im Gegensatz zum EuGH begründet das BVerfG in seinen neueren Entscheidungen7 den höheren Rang des Gemeinschaftsrechts allerdings nicht mit der Eigenständigkeit der Gemeinschaftsrechtsordnung,8 sondern leitet ihn aus dem nationalem Recht ab (Art. 24 Abs. 1 GG a.F.; heute: Art. 23 Abs. 1 GG). 1 2 3 4 5 6 7 8

Chwolik-Landfermann, Grundrechtsschutz in der Europäischen Union, 37. BVerfG v. 29.5.1974 – 2 BvL 52/71 – Solange I, BVerfGE 37, 271 (280). Kirchhof, JbFSt 94/95, 27 (33). BVerfG v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339 (387). Vgl. BVerfGE 22, 293 (296); 31, 145 (173 f.); BFHE 93, 102 (111). Vgl. BVerfGE 73, 339 (378) (Solange II). Vgl. BVerfGE 75, 223 (244); 73, 339 (378). So hatte sich das BVerfG noch in BVerfGE 22, 293 (296) auf das Gemeinschaftsrecht als autonome Rechtsquelle berufen.

150 | Sedemund

A. Einführung | Rz. 3.32 Kap. 3

Prüfungsvorbehalt hinsichtlich Überschreitung Kompetenznorm. Das BVerfG behält sich jedoch ausdrücklich die Prüfung vor, ob Rechtsakte von EU-Organen sich in den Grenzen der ihnen eingeräumten Hoheitsrechte bewegen.1 Das BVerfG vertritt deshalb die Auffassung, dass eine kompetenzwidrige vertragserweiternde Auslegung von Befugnisnormen durch EU-Organe für Deutschland keine Bindungswirkung entfalten würde.2 Es geht von einem „Kooperationsverhältnis“3 zwischen deutschen und europäischen Organen in dem Sinne aus, dass die Auslegung und die Anwendung von EUV und AEUV in der Zuständigkeit des EuGH liegen, die Vertragserweiterung aber den Mitgliedstaaten vorbehalten bleibt. In seinem „Maastricht“-Urteil4 hat das BVerfG aufgrund einer Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zum Vertrag über die Europäische Union zu der Frage des Grundrechtsschutzes erneut Stellung genommen und dabei ausgeführt, dass das BVerfG „seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht in Deutschland in einem Kooperationsverhältnis“ zum EuGH ausübt, „in dem der Europäische Gerichtshof den Grundrechtsschutz in jedem Einzelfall für das gesamte Gebiet der Europäischen Gemeinschaften garantiert, das Bundesverfassungsgericht sich deshalb auf eine generelle Gewährleistung der unabdingbaren Grundrechtsstandards (vgl. BVerfGE 73, 339 [387]) beschränken kann.“ Nach h.M. hat das BVerfG damit an der „Solange II“Rechtsprechung festgehalten, sie jedoch um die Feststellung modifiziert, dass es seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht wieder – wenn auch in einem Kooperationsverhältnis zum EuGH – ausübe. Allerdings hatte das BVerfG damit offen gelassen, welche Auswirkung seine Rechtsprechung auf die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde oder einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG analog hat. Damit ist eine Rechtsfortbildung ohne weiteres möglich, nicht jedoch eine erweiternde Vertragsauslegung.5

3.31

Präzisierung durch Rechtsprechung des BVerfG. In seinem „Bananenmarktordnung“-Beschluss6 hat das BVerfG die sich bietende Gelegenheit zu einer Konfrontation mit dem EuGH nicht genutzt und ist zu seiner restriktiveren Linie von „Solange II“ zurückgekehrt. Das BVerfG widerspricht hier der Interpretation durch die herrschende Lehre, dass es in seinem „Maastricht“-Urteil überhaupt davon abgerückt sei. Gleichzeitig macht das Gericht klar, dass das zuvor angesprochene Generalitätsmerkmal nur erfüllt sei, „wenn die europäische Rechtsentwicklung einschließlich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nach Ergehen der „Solange II“ unter den erforderlichen Grundrechtsstandard abgesunken“ ist.7 Damit sieht das BVerfG nunmehr die Voraussetzungen noch strenger als die bislang herrschende Lehre.

3.32

1 BVerfG v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134, 2 BvR 2159/92 – Maastricht, BVerfGE 89, 155 (156), Leitsatz 5, zweiter Absatz: „Das Bundesverfassungsgericht prüft, ob Rechtsakte der europäischen Einrichtungen und Organe sich in den Grenzen der ihnen eingeräumten Hoheitsrechte halten oder aus ihnen ausbrechen.“. 2 BVerfG v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339 (387), Leitsatz 6. 3 Tomuschat, EuGRZ 1993, 489 (495). 4 BVerfG v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155. 5 Kirchhof, JbFSt 94/95, 27 (35). 6 BVerfG v. 7.6.2000 – 2 BvL 1/97, BVerfGE 102, 147. 7 BVerfG v. 7.6.2000 – 2 BvL 1/97, BVerfGE 102, 147.

Sedemund | 151

Kap. 3 Rz. 3.32 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

Auch in seinem „Lissabon“-Urteil1 hält das BVerfG an den Kernaussagen fest: Ausdrücklich behält sich das Gericht die Überprüfung vor, „ob Rechtsakte der europäischen Organe und Einrichtungen sich ... in den Grenzen der ihnen im Wege der begrenzten Einzelermächtigung eingeräumten Hoheitsrechte halten. ... Darüber hinaus prüft das BVerfG, ob der unantastbare Kerngehalt der Verfassungsidentität des Grundgesetzes nach Art. 23 Abs. 1 S. 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 Grundgesetz gewahrt ist“. Entscheidend ist weiterhin die Konkretisierung des Gesetzesvorbehalts. Jede Übertragung von Hoheitsrechten – also auch insbesondere Änderungen des Primärrechts im vereinfachten Änderungsverfahren – bedürfen nach deutschem Verständnis der Ermächtigung in Form eines formellen Gesetzes. Eine neue Dynamik hat die Entwicklung durch die Entscheidung des BVerfG vom 5.5.20202 erhalten, nach der das Gericht – gegen die ausdrückliche Meinung des EuGH – entschieden hat, dass Beschlüsse der EZB zum Staatsanleihekaufprogramm kompetenzwidrig sein können. Die Streitfrage ist damit zum ersten Mal nicht mehr akademisch. c) Ergebnis für das Internationale Umwandlungssteuerrecht

3.33 Bisher kein entschiedener Konfliktfall. Nach § 31 BVerfG binden die Entscheidungen des BVerfG die Legislative sowie alle Gerichte und Behörden der Bundesrepublik. Umgekehrt entscheidet der EuGH über die Auslegung des primären Gemeinschaftsrechts und damit auch über Kompetenzgrundlagen verbindlich.3 Ein Konflikt zwischen gemeinschafts- und verfassungsrechtlicher Bindung erscheint in dem oben beschriebenen Rahmen also durchaus möglich. In aller Regel dürften EUV und AEUV und das Sekundärrecht in diesem Sinne jedoch grundrechtskonform sein. Auch die vom BVerfG vorgegebenen Procedere dürften eingehalten werden, der Kerngehalt des Grundgesetzes ist bis dato nicht berührt. Für die weiteren Ausführungen kann deshalb unterstellt werden, dass der Meinungsstreit zwischen BVerfG und EuGH bis dato im internationalen Steuerrecht nicht rechtspraktisch virulent geworden ist. Abzuwarten bleibt, welche Konflikte sich aus den aktuellen Bestrebungen insbesondere zu Pillar 2 ergeben können. Dies dürfte jedoch die Fusionsrichtlinie, die den Steuerpflichtigen in erster Linie Optionen bietet, rechtspraktisch nicht tangieren. 3.34 Konfliktpotential mit Blick auf Reichweite der Grundfreiheiten. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der Vorrang des Gemeinschaftsrechts soweit geht, dass nach Auffassung des EuGH die Mitgliedstaaten ihre Rechtsetzungsbefugnis z.B. im Bereich der direkten Steuern „unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben müssen und deshalb jede offensichtliche oder versteckte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit unterlassen“.4 Andernfalls wäre das widersprechende mitgliedstaatli1 BVerfG v. 30.6.2009 – 2 BvE 2/08, BVerfGE 123, 267. 2 BVerfG v. 5.5.2020 – 2 BvR 859/15, 2 BvR 1651/15, 2 BvR 2006/15, 2 BvR 980/16, BVerfGE 154, 17. 3 Streinz, Jura 1995, 6 (13). 4 Vgl. EuGH v. 14.2.1995 – C-279/93, ECLI:EU:C:1995:31 – Finanzamt Köln-Altstadt/ Schumacker, ABl. EG 1995 Nr. C 74, 1, Rz. 21 und 26; v. 11.8.1995 – C-80/94, ECLI:EU: C:1995:271 – Wielockx/Inspecteur der directe belastingen, DB 1995, 2147, Rz. 16; v. 27.6.1996 – C-107/94, ECLI:EU:C:1996:251 – Asscher/Staatssecretaris van Financiën, DB 1996, 1604, Rz. 36.

152 | Sedemund

B. Die ertragsteuerliche Fusionsrichtlinie | Rz. 3.38 Kap. 3

che Recht nicht anwendbar im Sinne des Anwendungsvorrangs. Daraus geht hervor, dass der mitgliedstaatliche Gesetzgeber sowohl das allgemeine Diskriminierungsverbot als auch die Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechts bei seiner Gesetzgebungstätigkeit zu berücksichtigen hat. Ob sich hieraus Konflikte ergeben werden, bleibt abzuwarten. V. Die Rechtsverbindlichkeit der Entscheidungen des EuGH – Rechtsetzung durch Rechtsprechung Erfordernis der Rechtsfortbildung durch Richterrecht. Die Grundfreiheiten sind verhältnismäßig kurz und allgemein gehaltene Vorschriften. Auch die Fusionsrichtlinie regelt nicht jede Frage, die sich im Kontext internationaler Umwandlungen ergibt. Notwendige Folge ist, dass das internationale Umwandlungssteuerrecht Konturen erst durch richterliche Auslegung gewinnt. Dies geschieht durch Rechtsfortbildung im Rahmen der Rechtsprechung des EuGH.1 Die Befugnis hierzu wird unmittelbar aus der Stellung des EuGH als Verfassungsorgan der EU abgeleitet.2 Im Grundsatz wird diese Rechtsauffassung auch vom BVerfG anerkannt.3

3.35

Grenzen der Rechtsfortbildung. Die Rechtsfortbildung durch den EuGH ist denkbar weit angelegt, was angesichts eines unvollkommenen Regelungsbestandes im EURecht nachvollziehbar erscheint. Da die Gründungsverträge dynamisch angelegt sind, muss sich auch die Rechtsprechung einer Rechtsentwicklung anpassen. Grenzen findet die Rechtsfortbildung durch den EuGH in dem allgemeinen Kompetenzrahmen der EU.4 Der EuGH darf also nicht entgegen dem Prinzip der beschränkten Einzelermächtigung europäisches Recht schaffen. Die Grenzen sind hier fließend, da auch die Frage danach, welche Kompetenzen übertragen wurden, der Auslegung bedarf.

3.36

B. Die ertragsteuerliche Fusionsrichtlinie I. Vorbemerkung Das Anliegen der Richtlinie ist es, auf europäischer Ebene die steuerneutrale Fusion, Spaltung, Einbringung von Unternehmensanteilen und den Austausch von Anteilen über die Grenze zu ermöglichen. Grundvoraussetzung der Anwendung ist der grenzüberschreitende Charakter der Transaktion, in anderen Worten die Beteiligung von Gesellschaften aus zwei oder mehr Mitgliedstaaten.

3.37

II. Entstehungsgeschichte Erste Initiative. Schon 1969 schlug die Kommission – damals der Europäischen Gemeinschaften – eine Richtlinie über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, 1 2 3 4

Zu den verfahrensrechtlichen Fragen ausführlich unten Rz. 3.199 ff. Borchardt in Lenz4, Art. 220 EGV Rz. 22. Borchardt in Lenz4, Art. 220 EGV Rz. 24. Borchardt in Lenz4, Art. 220 EGV Rz. 24.

Sedemund | 153

3.38

Kap. 3 Rz. 3.38 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

Spaltungen und die Einbringung von Unternehmensteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, vor.1

3.39 Urfassung. Erst am 23.7.1990 verabschiedete der Rat die erste Fassung der Fusionsrichtlinie.2 Gemäß Art. 12 der Richtlinie a.F. waren die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Regelungen bis zum 31.12.1991 in nationales Recht umzusetzen. Deutschland kam dieser Verpflichtung mit dem Steueränderungsgesetz 19923 partiell nach. Insbesondere die nach der Richtlinie vorgesehene Möglichkeit der steuerneutralen grenzüberschreitenden Verschmelzung wurde nicht umgesetzt. Das Gesetz trat zwar erst am 29.2.1992 in Kraft, statuierte hinsichtlich der Vorschriften des Umwandlungssteuergesetzes, welche die Umsetzung der Richtlinie betrafen, aber eine Rückwirkung zum 1.1.1992. 3.40 Änderungen infolge von Beitritten. Bereits 1994 musste die Fusionsrichtlinie infolge des Beitritts von Finnland, Norwegen, Österreich und Schwedens angepasst werden.4 Entsprechend verfahren wurde 2003 mit dem Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik.5 3.41 Inhaltliche Änderungen 2005. Nach verschiedenen Anläufen der Kommission beschloss der Rat am 17.2.2005 die Änderung der Fusionsrichtlinie. Dem Beschluss zugrunde lag der Entwurf einer Änderungsrichtlinie der EU-Kommission vom 17.10.2003.6 Der Beschluss blieb zwar hinter dem Änderungsvorschlag der Kommission in wesentlichen Punkten zurück,7 enthielt jedoch signifikante Neuerungen: Zunächst wurde der Anwendungsbereich erweitert. Nunmehr waren Umwandlungen von Zweigniederlassungen in Tochtergesellschaften und Abspaltungen möglich. Des Weiteren wurde die Liste der Gesellschaften, die von der Richtlinie erfasst werden, um die Europäische Aktiengesellschaft (SE), die Europäische Genossenschaft (SCE) sowie weitere Rechtsträger ergänzt. Die signifikanteste Neuerung wurde mit der Möglichkeit der steuerneutralen Sitzverlegung der SE und der SCE implementiert. Hintergrund war die Annahme der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 über das Statut 1 Vorschlag einer Richtlinie des Rates über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen und die Einbringung von Unternehmensteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen v. 22.3.1969, ABl. EG 1969 Nr. C 39, 1 ff. 2 Richtlinie 90/434/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, ABl. EG 1990 Nr. L 225, 1. 3 BGBl. I 1992, 297. 4 Vgl. Beitrittsakte von 1994 Anhang I Nr. XI.B.I.2, ABl. EG 1994 Nr. C 241, 196. 5 Vgl. Beitrittsakte von 2003 Anhang II Nr. 9.7, ABl. EG 2003 Nr. L 236, 559. 6 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 90/434/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, KOM/2003/0613. 7 Vgl. im Einzelnen Blumers/Kinzl, BB 2005, 971 ff.

154 | Sedemund

B. Die ertragsteuerliche Fusionsrichtlinie | Rz. 3.43 Kap. 3

der Europäischen Gesellschaft und die Richtlinie 2001/86/EG zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer durch den Rat am 8.10.2001.1 Am 22.7.2003 hat der Rat die Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE) und die Richtlinie 2003/72/EG zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Genossenschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer angenommen.2 Diese Rechtsakte zeichneten sich dadurch aus, dass seitdem sowohl die SE als auch die SCE ohne Auflösung und Abwicklung ihren Sitz von einem Mitgliedstaat in einen anderen verlegen können. Die geänderte Fusionsrichtlinie sollte das steuerliche Pendant zu diesen gesellschaftsrechtlichen Regelungen bilden. Allerdings beschränkt sich die Steuerneutralität der Sitzverlegung auf den Fall, dass im Gründungsstaat zumindest eine Betriebsstätte erhalten bleibt. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch, dass die ergänzte Liste so genannte hybride Gesellschaftsformen erfasst. Für diese Gesellschaften bestehen jedoch Sonderregelungen, die es den Mitgliedstaaten frei stellen, die diesbezüglichen Bestimmungen der Richtlinie bei der Besteuerung eines mittelbaren oder unmittelbaren Gesellschafters dieser Gesellschaften nicht anzuwenden. Im Übrigen sollten durch die Änderungen Anwendungsunklarheiten beseitigt werden. Erneute Anpassung infolge von Beitritten. Anlässlich des Beitritts Bulgariens und Rumäniens wurde die Fusionsrichtlinie durch die Richtlinie 2006/98/EG des Rates vom 20.11.2006 abermals angepasst.3 Eine Umsetzung der Änderungen durch den deutschen Gesetzgeber erfolgte erst mit dem Inkrafttreten des SEStEG zum 13.12.2007, obwohl eine Implementierungspflicht bezüglich der Regelungen betreffend die SE und die SCE zum 1.1.2006 bestand. Die Übrigen Änderungen waren bis zum 1.1.2007 umzusetzen.

3.42

Kodifizierung 2009. Mit der Richtlinie des Rates 2009/133/EG vom 19. Oktober 2009 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, Abspaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, sowie für die Verlegung des Sitzes einer Europäischen Gesellschaft oder einer Europäischen Genossenschaft von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat4 wurde die Fusionsrichtlinie kodifiziert. Hintergrund der Kodifizierung ist ein formaler und kein materieller Aspekt: Mit dem Beschluss KOM(87) 868 PV vom 1.4.1987 hatte die Kommission ihre Dienststellen angewiesen, alle Rechtsakte spätestens nach der zehnten Änderung zu kodifizieren. Da an den zu kodifizierenden Rechtsakten keine materiell-inhaltlichen Änderungen vorgenommen werden dürfen, einigten sich das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission in einer Interinstitutionellen Vereinbarung vom 20.12.1994 auf ein beschleunigtes Verfahren für die rasche Annahme kodifizierter Rechtsakte. Im Ergebnis ersetzt die neue, kodifizierte Richtlinie die verschiedenen Rechtsakte, die Gegenstand der Kodifizierung sind – bezüglich der Fusionsrichtlinie

3.43

1 2 3 4

ABl. EU 2001 Nr. L 294, 1. ABl. EU 2003 Nr. L 207, 1. ABl. EU 2006 Nr. L 363, 129. ABl. EU 2009 Nr. L 310, 34 ff.

Sedemund | 155

Kap. 3 Rz. 3.43 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

also die ursprüngliche Fassung mit den folgenden Änderungen. Eine inhaltliche Änderung ist mit der Kodifizierung dagegen nicht verbunden.1

3.44 Redaktionelle Anpassung nach dem Beitritt Kroatiens. Kroatien trat erst nach der Kodifizierung der Richtlinie der Europäischen Union bei. Deshalb wurde eine redaktionelle Anpassung betreffend die Gesellschaften und die Steuern dieses Mitgliedstaats erforderlich. Dies erfolgte durch die Richtlinie des Rates 2013/13/EU vom 13.5.2013.2 III. Rechtsgrundlage

3.45 Die ursprüngliche Fassung der Fusionsrichtlinie wurde auf Art. 100 EGV gestützt, die folgenden Änderungen auf die Nachfolgevorschrift Art. 94 EG. Die kodifizierte Fassung von 2009 nimmt ebenfalls Bezug auf Art. 94 EG, an dessen Stelle ist heute Art 115 AEUV getreten. Aufgrund der Deckungsgleiche hat sich die Kompetenzgrundlage damit materiell nicht geändert.3 IV. Auslegung

3.46 Die Auslegungskriterien der Fusionsrichtlinie sind dem klassischen deutschen Auslegungskanon prima facie nicht unähnlich, unterscheiden sich aber an einigen Stellen. 3.47 Semantik. Erster Ansatz ist stets der Wortlaut der jeweiligen Vorschrift, wobei die Schwierigkeit besteht, dass das Gemeinschaftsrecht in aller Regel in allen Amtssprachen verbindlich ist. Konsequenz ist, dass der EuGH den objektiven Wortsinn durch spezifisch europarechtlich ausgerichtete Auslegung von Rechtsbegriffen ermittelt.4 Gerade im umwandlungssteuerlichen Bereich ist dies für den Praktiker nicht ungefährlich, wenn etwa der Begriff „Teilbetrieb“ europarechtlich einen anderen Sinn hat als nach nationalem Steuerrecht.5 3.48 Weitere Auslegungskriterien. Oftmals greift der EuGH bei seinen Entscheidungen auf rechtssystematische Überlegungen zurück, die genetische Auslegung ist dem Grunde nach dagegen schwierig. Dies liegt daran, dass bei Richtlinien die einzig erkennbaren Leitmotive des europäischen Gesetzgebers in der Regel in der Präambel der jeweiligen Richtlinie enthalten sind. Auf diese Begründungserwägungen nimmt der EuGH in seinen Entscheidungen auch regelmäßig Bezug. Diese sind – verglichen mit einer echten Gesetzesbegründung – jedoch häufig recht kurz und allgemein gehalten. Im Ergebnis argumentiert der EuGH daher – auch wenn die Rechtsgeschichte und die Motive des Gesetzgebers eine Rolle spielen – rechtspraktisch sehr häufig objektiv-teleologisch bezüglich der Interpretation von sekundärem Gemeinschaftsrecht.

1 2 3 4 5

So zutreffend Bilitewski in H/M/B5, Nachtrag, 45. ABl. EU 2013 Nr. L 141, 30. Vgl. dazu oben Rz. 3.13. Pieper in Birk, Handbuch des europäischen Abgaben- und Steuerrechts, 97. Vgl. dazu ausführlich unten Rz. 3.67 ff.

156 | Sedemund

B. Die ertragsteuerliche Fusionsrichtlinie | Rz. 3.50 Kap. 3

Grundfreiheitenkonforme Auslegung. Ein Spezifikum ist die grundfreiheitenkonforme Auslegung von Richtlinien, die den Vorrang des Gemeinschaftsrechts zum Ausdruck bringt. Im steuerlichen Bereich ist hier die „Bosal“-Entscheidung1 richtungsweisend, in der es um die Umsetzung der Mutter-Tochter-Richtlinie2 ging. Danach kann sich direkt aus den Grundfreiheiten ergeben, dass einer Richtlinie – u.U. sogar gegen ihren Wortlaut – ein spezifischer Bedeutungsinhalt beizumessen ist. In der „Bosal“-Entscheidung hält der EuGH unter Absatz 25 der Urteilsbegründung zunächst ausdrücklich fest, dass die streitgegenständliche nationale Steuervorschrift mit der Richtlinie vereinbar sei. Sodann betont das Gericht jedoch, dass von den Möglichkeiten, die sich aus der Richtlinie ergeben, „nur unter Wahrung der grundlegenden Bestimmungen des Vertrages“ Gebrauch gemacht werden darf. Im konkreten Fall meinte der EuGH die Niederlassungsfreiheit. Grundsätzlich seien alle Richtlinien im „Lichte der Grundfreiheiten“ auszulegen. Für die Entscheidung bedeutete dies, dass die Mutter-Tochter-Richtlinie – entgegen ihrem eindeutigen Wortlaut – der streitgegenständlichen nationalen Vorschrift entgegenstand. Dieses fundamentale Prinzip ist bei der Auslegung und Umsetzung der Fusionsrichtlinie stets im Auge zu behalten und kann u.U. eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung erforderlich machen.3 Zu beachten ist in diesem Kontext die Rechtsprechung des EuGH,4 nach der Sekundärrecht – also insbesondere eine Richtlinie – eine Sperrwirkung für das Primärrecht – und damit auch für die Grundfreiheiten entfalten kann.5 Hoch umstritten ist, wieweit diese Sperrwirkung reicht und inwieweit das Sekundärecht selber an den Grundfreiheiten zu messen ist.6

3.49

Richtigerweise ist m.E. danach zu differenzieren, welche Wirkungsrichtung das Sekundärecht hat. Immer dann, wenn es durch die Grundfreiheiten gewährte Rechte einschränkt, muss der Maßstab das höherrangige Recht – also die betroffene Grundfreiheit sein. Eine Sperrwirkung kann das Sekundärrecht nur dann haben, wenn es die Grundfreiheit im Wirkungsbereich präzisiert. Praktische Auswirkungen dürfte die Diskussion für den Bereich des Umwandlungssteuerrechts nicht haben, da der EuGH hierzu entschieden hat, dass dieser Bereich nicht abschließend harmonisiert ist und damit die Grundfreiheiten weiter gelten.7 Vorgaben der Fusionsrichtlinie als Mindeststandard. In diesem Kontext ist auch darauf hinzuweisen, dass die Fusionsrichtlinie nur einen Mindeststandard statuiert. Selbst wenn die Grundfreiheiten dies nicht gebieten, bleibt es dem nationalen Gesetzgeber vorbehalten, über den Regelungsinhalt der Fusionsrichtlinie hinausgehende Begünstigungen für internationale Umstrukturierungen zu erlassen. 1 EuGH v. 18.9.2003 – C-168/01, ECLI:EU:C:2003:479 – Bosal, DB 2003, 2097. 2 Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, ABl. EG 1990 Nr. L 225, 1. 3 So aktuell Schnitger, IStR 2022, 741 (743) unter Hinweis auf die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtsache Memira Holding. 4 EuGH v. 16.7.2015 – C 95/14, ABl. EU 2014, Nr. C 245, 2. 5 Zu der Thematik ausführlich Wacker in FS BFH, 2018, 781 (784 ff.). 6 Vgl. insbesondere Forsthoff, IStR 2006, 222 versus Lüdicke/Hummel, IStR 2006, 694. 7 EuGH v. 8.3.2017 – C-14/16 – Euro Park Service, EuZW 2017, 429.

Sedemund | 157

3.50

Kap. 3 Rz. 3.51 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

V. Regelungsinhalt 1. Vorbemerkung

3.51 Die Fusionsrichtlinie fokussiert sich gleichermaßen auf grenzüberschreitende Umwandlungen und Sitzverlegungen von SE und SCE. Nur der erste Regelungsbereich berührt das internationale Umwandlungssteuerrecht im eigentlichen Sinne, da die Sitzverlegung identitätswahrend erfolgt. Hierauf fokussieren sich die folgenden Ausführungen. 2. Grundidee: Steuerneutralität grenzüberschreitender Umwandlungen und Sitzverlegungen von SE und SCE

3.52 Kernanliegen der Fusionsrichtlinie ist zunächst die Beseitigung von Hindernissen bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, bei denen in zwei oder mehr Mitgliedstaaten ansässige Unternehmen beteiligt sind. Der Regelungsmechanismus sieht keine endgültige Steuerbefreiung, sondern einen Steueraufschub vor. Nur spezifische Gesellschaftsformen sollen begünstigt werden. Mit der gesellschaftsrechtlichen Einführung der Rechtsformen der SE und SCE ist als steuerliche Flankiermaßnahme die Möglichkeit der steuerneutralen Sitzverlegung dieser Gesellschaften in die Fusionsrichtlinie aufgenommen worden. 3. Begünstigte Rechtsformen

3.53 Katalog begünstigter Rechtsformen. Die steuerliche Fusionsrichtlinie begünstigt nicht jede grenzüberschreitende Umwandlung, sondern nur solche, die im Anhang I Teil A aufgelistet sind, vgl. Art. 3 Buchst. a. Auf den ersten Blick ist der Anwendungsbereich damit klar definiert, in Abhängigkeit von den Anwendungsvorschriften des Primärrechts bestehen Rechtsunsicherheiten insbesondere mit Blick auf die sogenannten Gibraltar-Gesellschaften. Nach Absatz 4 des Art. 227 des EG-Vertrags galt dieser in Gibraltar vorbehaltlich der Ausnahmen gemäß Art. 28 der Beitrittsakte von 1972, zu denen die direkten Steuern gehören. Die Kommission1 ging entsprechend davon aus, dass „dort [scil. In Malta] sämtliche Vorschriften der Richtlinie 90/434/ EWG vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen zwischen Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten [gelten].“ Die tatsächliche Handhabe in einigen Mitgliedstaaten ist jedoch anders.2 3.54 Ansässigkeitserfordernisse. Jede dem Grund nach begünstigte Gesellschaft muss in einem Mitgliedstaat – auch bei Anwendung eines DBA – steuerlich ansässig (= unbeschränkt steuerpflichtig) sein. Schließlich muss die entsprechende Gesellschaft einer der in Anhang I Teil B der Richtlinie aufgeführten Steuern unterfallen, alternativ irgendeiner Steuer, die eine dieser Steuern ersetzt. In der Sache wird damit eine unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht in der EU vorausgesetzt.3 1 ABl. EG 1999 Nr. C 348, 93. 2 Vgl. hierzu ausführlich Kessler/Philipp/Egelhof, 17/2012, 641. 3 Insoweit zweifelnd Dautzenberg in H/M/B5, Einf. C, Rz. 189, der wohl auch eine beschränkte Steuerpflicht als mit dem Wortlaut vereinbar erachtet.

158 | Sedemund

B. Die ertragsteuerliche Fusionsrichtlinie | Rz. 3.58 Kap. 3

Erweiterter Anwendungsbereich infolge grundfreiheitenkonformer Auslegung. Auch an dieser Stelle soll nochmals wiederholt werden, dass eine grundrechtskonforme Auslegung der Fusionsrichtlinie ergeben kann, dass auch anderen Gesellschaftsformen die entsprechende steuerliche Vergünstigung zu gewähren ist.

3.55

4. Erfasste Steuerarten Ertragsteuern. Die Anwendung der Fusionsrichtlinie setzt voraus, dass die entsprechende Gesellschaft in der EU unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist und zielt damit primär offensichtlich auf das Ertragsteuerrecht ab.

3.56

Nach EuGH keine Erfassung weiterer Steuerarten. Allerdings liegt es auf der Hand, dass (internationale) Umwandlungsvorgänge nicht nur durch ertragsteuerliche Belastungen, sondern auch durch sonstige Steuern erheblich erschwert werden können. Der Gedanke liegt damit nahe, dass die entsprechende Erhebung etwa von Verkehrssteuern europarechtlich unzulässig ist, da das Anliegen der Fusionsrichtlinie konterkariert wird. Der EuGH ist dieser Sichtweise leider nicht gefolgt. In aktueller Rechtsprechung1 gelangt das Gericht vielmehr zu der Erkenntnis, „dass nur die in der Richtlinie ... ausdrücklich genannten Steuern von den dort vorgesehenen Vergünstigungen erfasst werden sollen und somit in den Geltungsbereich der Ausnahme nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie fallen können. Im Rahmen der vorgesehenen Vergünstigungen bezieht sich die Richtlinie ..., auch wenn sie der Besteuerung von Wertzuwächsen einen besonderen Platz einräumt, aber im Wesentlichen auf die Körperschaftsteuer und auf die von den Anteilseignern von Gesellschaften zu zahlenden Steuern“.2 Aus den Grundfreiheiten wurde in der Entscheidung keine andere Wertung gezogen. Für den entschiedenen Fall bedeutete dies, dass jedenfalls die Grunderwerbsteuer unter die Steuerhoheit der Mitgliedstaaten fällt und sich eine europafreundliche Anwendung an dieser Stelle auch nicht aus den Grundfreiheiten ergibt. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass sich eine andere Wertung dann ergeben kann, wenn sich aus anderen Steuern eine diskriminierende Belastung ergibt, also grenzüberschreitende Sachverhalte schlechter behandelt werden als der reine Inlandsfall.3

3.57

5. Räumlicher Anwendungsbereich Bereits aus der Liste der begünstigten Gesellschaften ergibt sich, dass der räumliche Anwendungsbereich der Fusionsrichtlinie auf das Gebiet der EU beschränkt ist. Isoliert betrachtet konsequent weist dementsprechend etwa das FG Köln4 darauf hin, 1 EuGH v. 20.5.2010 – C-352/08, ECLI:EU:C:2010:282 – Modehuis A. Zwijnenburg, ABl. EU 2010 Nr. C 179, 5. 2 EuGH v. 18.9.2003 – C-168/01, ECLI:EU:C:2003:479 – Bosal, DB 2003, 2097, Abs. 51 f. der Entscheidungsgründe. 3 In diesem Sinne wohl auch Dautzenberg in H/M/B5, Einf. C, Rz. 142. Zu der Thematik ausführlich unten Rz. 3.100 ff. 4 FG Köln v. 21.6.2006 – 14 K 506/03, juris, Abs. 39 der Entscheidungsgründe zum Teilbetriebsbegriff im Anschluss an BFH v. 16.11.2005 – X R 17/03, BFH/NV 2006, 532.

Sedemund | 159

3.58

Kap. 3 Rz. 3.58 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

dass die spezifischen Begriffe und Definitionen der Fusionsrichtlinie auch nur für den räumlichen Anwendungsbereich gelten und sich für nicht erfasste Sachverhalte eine andere Wertung ergeben kann. Allerdings können die Grundfreiheiten eine räumliche Ausdehnung des Anwendungsbereichs erforderlich machen.1 In aktueller Rechtsprechung dehnt der EuGH2 die Vorschriften der Fusionsrichtlinie auf den EWR Raum aus.3 Danach findet die Fusionsrichtlinie zwar keine direkte Anwendung. Allerdings sind nach Auffassung des EuGH die Niederlassungsfreiheit nach EWR Abkommen und AEUV inhaltlich identisch, was im entschiedenen Fall dazu führt, dass eine grenzüberschreitende Fusion entsprechend möglich sein muss, um eine Verletzung dieser Grundfreiheiten zu verhindern.

3.59 Umgekehrt greift die Fusionsrichtlinie damit eigentlich nicht, wenn rein nationale Sachverhalte betroffen sind. Der EuGH überprüft dann auch nicht die Vereinbarkeit der Umsetzungsvorschriften mit den Vorgaben der Richtlinie. Allerdings macht das Gericht hier dann eine Ausnahme, wenn die Vorschriften des Unionsrechts identisch auch für rein nationale Sachverhalte gelten. Denn in solchen Fällen bestehe ein klares Interesse der Union daran, dass die aus dem Unionsrecht übernommenen Bestimmungen oder Begriffe unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen sie angewandt werden sollen, einheitlich ausgelegt werden, um künftige Auslegungsunterschiede zu vermeiden.4 6. Begünstigte Vorgänge a) Vorbemerkung

3.60 Abschließender Katalog. Die Fusionsrichtlinie enthält einen abschließenden Katalog der (Rechts)-vorgänge, die ihrem Anwendungsbereich unterfallen. Art. 1 deutet die rechtssystematische Unterscheidung zwischen der Sitzverlegung einer SE (geregelt in Buchst. b) und sonstigen Vorgängen (geregelt in Buchst. a) an. Diese Differenzierung erscheint nachvollziehbar, greift aber mit Blick auf die insgesamt erfassten sonstigen Vorgänge zu kurz. Da die Sitzverlegung keinen eigenen umwandlungsrechtlichen Bezug hat, beschränken sich die folgenden Ausführungen auf die sonstigen Vorgänge. b) Fusion

3.61 Erfassung von drei Vorgängen. Die in Art. 2 geregelte Fusion erfasst drei Vorgänge, nämlich die Übertragung des gesamten Vermögens gegen Gewährung von Anteilen am Gesellschaftskapital, – mindestens einer Gesellschaft auf eine bereits bestehende Gesellschaft, – zwei oder mehrerer Gesellschaften auf eine neu gegründete Gesellschaft sowie – auf die Gesellschaft, die sämtliche Anteile an ihrem Gesellschaftskapital besitzt. 1 2 3 4

So zutreffend Dautzenberg in H/M/B5, Einf. C, Rz. 150. EuGH v. 19.7.2012 – C-48/11, ECLI:EU:C:2012:485 – A, BB 2012, 1889. Zu der dahinter stehenden Dogmatik ausführlich unten Rz. 3.130 ff. So ausdrücklich EuGH v. 22.3.2018 – C-327/16, C-421/16, ECLI:EU:C:2018:210 – Jacob und Lassus, IStR 2018, 316, Rz. 34.

160 | Sedemund

B. Die ertragsteuerliche Fusionsrichtlinie | Rz. 3.65 Kap. 3

Pendant in der gesellschaftsrechtlichen Fusionsrichtlinie. Die begünstigten Fusionen finden ihr gesellschaftsrechtliches Pendant in der gesellschaftsrechtlichen Fusionsrichtlinie, welche in ihrem Art. 2 Nr. 2 die identischen Vorgänge identifiziert. Der hier verwendete Oberbegriff „Verschmelzung“ entspricht dem deutschen Sprachverständnis, inhaltliche Unterschiede bestehen nicht. Der erste Vorgang ist damit nach deutschem Verständnis den Verschmelzungen zur Aufnahme zuzuordnen, der zweite Vorgang der Verschmelzung durch Neugründung, der dritte Vorgang erfasst den so genannten Up Stream Merger, der nach deutschem Verständnis einen Unterfall der Verschmelzung zur Aufnahme darstellt, für den gesellschaftsrechtlich Spezialvorschriften und Vereinfachungen gelten.1

3.62

Möglichkeit der Baraufgabe. Im Fall des Up Stream Mergers ist eine Zuzahlung denklogisch ausgeschlossen, die Ausgabe neuer Anteile sogar gesetzlich verboten.2 Die beiden anderen von der Fusionsrichtlinie beschriebenen Vorgänge verlangen zwingend die Ausgabe neuer Anteile, wobei die bare Zuzahlung (so genanntes „boot“) 10% des Nennwertes oder – bei Fehlen eines solchen – des rechnerischen Werts der ausgegebenen Anteile nicht überschreiten darf. Dabei hat der EuGH ein sehr enges Verständnis der baren Zuzahlungen. Nach seiner Einschätzung3 bezieht sich der Begriff „bare Zuzahlung“ ausschließlich auf Geldleistungen, „die den Charakter einer echten Gegenleistung im Erwerbsvorgang haben, nämlich Leistungen, die verbindlich zusätzlich zur Zuteilung von Anteilen am Gesellschaftskapital der erwerbenden Gesellschaft vereinbart worden sind, und zwar unabhängig von den etwaigen dem Vorgang zugrunde liegenden Motiven.“

3.63

Weiter steuerlicher Fusionsbegriff. Hinzuweisen ist darauf, dass der steuerliche Fusionsbegriff denkbar weit zu verstehen ist und eine Anknüpfung – trotz teilweise überschneidender Tatbestandsvoraussetzungen – an gesellschaftsrechtlichen Vorgaben nicht besteht.4

3.64

c) Spaltung Definition. Nach Art. 2 Buchst. b der Richtlinie ist unter der Spaltung der Vorgang zu verstehen, durch den eine Gesellschaft zum Zeitpunkt ihrer Auflösung ohne Abwicklung ihr gesamtes Vermögen auf zwei oder mehr bereits bestehende oder neu gegründete Gesellschaften gegen Gewährung von Anteilen am Gesellschaftskapital der übernehmenden Gesellschaften an ihre eigenen Gesellschafter, und gegebenenfalls einer baren Zuzahlung, anteilig überträgt. Auch hier darf die Zuzahlung 10 % des Nennwerts oder – bei Fehlen eines solchen – des rechnerischen Werts dieser Anteile nicht überschreiten, auf die Ausführungen oben Rz. 3.61 kann sinngemäß verwiesen werden. 1 Vgl. insbesondere §§ 50, 62 Abs. 4 UmwG. 2 Vgl. § 50 UmwG. 3 EuGH v. 5.7.2007 – C-321/05, ECLI:EU:C:2007:408 – Kofoed, GmbHR 2007, 880, Abs. 28 der Entscheidungsgründe. Die Entscheidung betrifft die insoweit wortidentische Voraussetzung nach Art. 2 Buchst. d der Fusionsrichtlinie. 4 In diesem Sinne wohl auch Dautzenberg in H/M/B5, Rz. 157.

Sedemund | 161

3.65

Kap. 3 Rz. 3.66 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

3.66 Kein Teilbetriebserfordernis. Im Unterschied zu Art. 2 Buchst. c der Richtlinie, der die sogleich behandelte Abspaltung regelt, erfordert der Wortlaut der Richtlinie bezüglich der Spaltung nicht, dass Teilbetriebe übertragen werden müssen. Gesellschaftsrechtlich ist für eine Spaltung nicht erforderlich, dass jeweils mindestens ein Teilbetrieb übertragen wird. Eine steuersystematische Rechtfertigung für das Teilbetriebserfordernis ist nicht erkennbar. Der klare Wortlaut der Richtlinie lässt daher nur den Schluss zu, dass für Aufspaltungen der Teilbetriebsbegriff irrelevant ist.1 d) Abspaltungen von Teilbetrieben

3.67 Definition. Im Unterschied zur Spaltung setzt die in Art 2 Buchst. c definierte Abspaltung voraus, dass die übertragende Gesellschaft bestehen bleibt und einen oder mehrere Teilbetriebe auf eine oder mehrere bereits bestehende oder neu gegründete Gesellschaften gegen Gewährung von Anteilen am Gesellschaftskapital der übernehmenden Gesellschaften an ihre eigenen Gesellschafter anteilig überträgt. Explizit wird verlangt, dass mindestens ein Teilbetrieb in der einbringenden Gesellschaft verbleiben muss; die Zuzahlung darf wie im Fall der Spaltung 10 % des Nennwerts oder – bei Fehlen eines solchen – des rechnerischen Werts dieser Anteile nicht überschreiten, erneut kann insoweit auf die Ausführungen oben Rz. 3.61 verwiesen werden. 3.68 Europarechtlicher Teilbetriebsbegriff. Von entscheidender Bedeutung wird damit der – europarechtliche – Begriff des Teilbetriebs.2 Art. 2 Buchst. j definiert den Teilbetrieb als die Gesamtheit der in einem Unternehmensteil einer Gesellschaft vorhandenen aktiven und passiven Wirtschaftsgüter, die in organisatorischer Hinsicht einen selbständigen Betrieb, d.h. eine aus eigenen Mitteln funktionsfähige Einheit, darstellen. Nach Auffassung des EuGH3 ist das selbstständige Funktionieren des Betriebes in erster Linie unter einem funktionellen Aspekt zu beurteilen. Entscheidend ist nach Auffassung des Gerichts, dass die übertragenen Unternehmensteile als selbstständiges Unternehmen funktionsfähig sein müssen, ohne dass sie hierfür zusätzlicher Investitionen oder Einbringungen bedürfen. Dass eine übernehmende Gesellschaft zu normalen Marktbedingungen einen Bankkredit aufnehme, schlösse allein noch nicht aus, dass der eingebrachte Betrieb selbstständig ist, selbst wenn das Darlehen von den Aktionären der übernehmenden Gesellschaft gesichert wird, die ihre Aktien an dieser Gesellschaft als Sicherheit für das gewährte Darlehen stellen. Allerdings hält der EuGH4 eine abweichende Beurteilung für möglich, wenn die finanzielle Lage der 1 A.A. Desens in Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, § 15 UmwStG Rz. 32, der zwar selbst einräumt, dass die Vorschrift „nicht unmittelbar voraus[setzt], dass jeder Übernehmende einen Teilbetrieb erhalten muss.“ Das Teilbetriebserfordernis ergebe sich aber mittelbar aus Art. 2f und g der Richtlinie. Da der Wortlaut dieser Vorschrift darauf abstellt, dass „Aktiv- und Passivvermögen“ oder ein oder mehrere Teilbetriebe übertragen werden, überzeugt dieses Argument nicht. 2 Hierzu ausführlich Herlinghaus in FS Meilicke, 159 ff. 3 EuGH v. 15.1.2002 – C-43/00, ECLI:EU:C:2002:15 – Andersen og Jensen, FR 2002, 298, Abs. 35 der Entscheidungsgründe. 4 EuGH v. 15.1.2002 – C-43/00, ECLI:EU:C:2002:15 – Andersen og Jensen, FR 2002, 298, Abs. 36 der Entscheidungsgründe.

162 | Sedemund

B. Die ertragsteuerliche Fusionsrichtlinie | Rz. 3.72 Kap. 3

übernehmenden Gesellschaft insgesamt den Schluss aufdrängt, dass sie sehr wahrscheinlich nicht aus eigenen Mitteln lebensfähig sein kann. Dies könne der Fall sein, wenn die Einkünfte der übernehmenden Gesellschaft im Verhältnis zu den Zinsen und Tilgungsraten der aufgenommenen Schulden unzureichend erscheinen Konsequenzen des funktionellen Teilbetriebsverständnisses. Diese funktionelle Sichtweise bedingt, dass Aktive und korrespondierende Passiva einheitlich zuzuordnen sind. Es ist danach beispielsweise für die Teilbetriebseigenschaft schädlich, eine Darlehensverbindlichkeit zu übertragen, die entsprechende ausgezahlte Valuta aber zurückzubehalten.1 Im Ergebnis wird aus den Vorgaben des EuGH wohl zutreffend geschlossen, dass alle wesentlichen Wirtschaftsgüter übertragen werden müssen.2 Die Zurückbehaltung „neutraler“ Wirtschaftsgüter, die einem Teilbetrieb nicht zugeordnet werden können, erachtet der EuGH dagegen als unschädlich.3

3.69

e) Einbringung von Unternehmensteilen Definition. Die Einbringung von Unternehmensteilen wird von Art. 2 Buchst. d definiert als der Vorgang, durch den eine Gesellschaft, ohne aufgelöst zu werden, ihren Betrieb insgesamt oder einen oder mehrere Teilbetriebe in eine andere Gesellschaft gegen Gewährung von Anteilen am Gesellschaftskapital der übernehmenden Gesellschaft einbringt. Zum Teilbetrieb kann auf die obigen Ausführungen Rz. 3.67 verwiesen werden. Der BFH4 betont in diesem Zusammenhang, dass die Fusionsrichtlinie die Gewährung „von Anteilen am Gesellschaftskapital“ ausreichen lässt. Im Rahmen der Fusionsrichtlinie sei demnach auch die Einbringung gegen die Gewährung bereits bestehender (eigener) Geschäftsanteile der Gesellschaft möglich. Eine unentgeltliche Zuführung in das Eigenkapital (verdeckte Einlage) oder eine Zahlung in die Kapitalrücklage reicht dagegen nicht aus.

3.70

Keine weiteren Vorgaben. Die Fusionsrichtlinie statuiert keine weiteren Vorgaben, insbesondere erfolgt keine Anknüpfung an spezifische handelsrechtliche Vorgänge.

3.71

f) Austausch von Anteilen Nach Art. 2 Buchst. d ist der Austausch von Anteilen der Vorgang, durch den eine Gesellschaft am Gesellschaftskapital einer anderen Gesellschaft eine Beteiligung, die ihr die Mehrheit der Stimmrechte verleiht, oder – sofern sie die Mehrheit der Stimmrechte bereits hält – eine weitere Beteiligung dadurch erwirbt, dass die Gesellschafter der anderen Gesellschaft im Austausch für ihre Anteile am Gesellschaftskapital der 1 EuGH v. 15.1.2002 – C-43/00, ECLI:EU:C:2002:15 – Andersen og Jensen, FR 2002, 298, Abs. 26 der Entscheidungsgründe. 2 BFH v. 7.4.2010 – I R 96/08, BStBl. II 2011, 467; Hörtnagl in S/H/S5, § 15 UmwStG Rz. 71; Schumacher in R/H/vL, § 15 UmwStG Rz. 145; Frotscher in F/M, § 15 UmwStG Rz. 61 (Stand: Juli 2012). 3 EuGH v. 15.1.2002 – C-43/00, ECLI:EU:C:2002:15 – Andersen og Jensen, FR 2002, 298, Abs. 28 der Entscheidungsgründe. 4 BFH v. 1.12.2011 – I B 127/11, BFH/NV 2012, 1015 Rz. 10.

Sedemund | 163

3.72

Kap. 3 Rz. 3.72 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

erwerbenden Gesellschaft beteiligt werden und gegebenenfalls eine bare Zuzahlung erhalten. Auch in dieser Variante darf die bare Zuzahlung 10 % des Nennwerts oder – bei Fehlen eines Nennwerts – des rechnerischen Werts der im Zuge des Austauschs ausgegebenen Anteile nicht überschreiten. Der Anteilstausch knüpft – wie die Bezeichnung impliziert – an die Übertragung von Anteilen an. Nach Ansicht des EuGH1 ist eine von vornherein beschlossene Gewinnausschüttung dabei nicht als Barausschüttung im Sinne der Vorschrift zu begreifen. g) Sitzverlegung

3.73 Wie einleitend beschrieben hat die Sitzverlegung keinen originären umwandlungsrechtlichen Bezug. Weitere Ausführungen erübrigen sich. 7. Rechtsfolgen a) Keine Besteuerung eines Veräußerungsgewinns auf Ebene des übertragenden Rechtsträgers bei Fusionen, Spaltungen und Abspaltungen

3.74 Realisationsgrundsatz. Nach allgemeinen steuerlichen Grundsätzen beinhaltet die Übertragung von Wirtschaftsgütern einen Realisationstatbestand, der grundsätzlich zur Aufdeckung der in den betreffenden Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven oder stillen Lasten führt. Dabei werden als Realisationstatbestand nicht nur Veräußerungsgeschäfte gewertet, sondern insbesondere auch Umwandlungen. 3.75 Suspendierung durch die Fusionsrichtlinie. Von diesen Grundsätzen suspendiert die Fusionsrichtlinie in ihrem Art. 4. Abs. 1. Die Fusion, Spaltung oder Abspaltung darf keine Besteuerung des Veräußerungsgewinns auslösen, der sich aus dem Unterschied zwischen dem tatsächlichen Wert des übertragenen Aktiv- und Passivvermögens und dessen steuerlichem Wert ergibt. Dabei ist nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. a „steuerlicher Wert“ der Wert, auf dessen Grundlage ein etwaiger Gewinn oder Verlust für die Zwecke der Besteuerung des Veräußerungsgewinns der einbringenden Gesellschaft ermittelt worden wäre, wenn das Aktiv- und Passivvermögen gleichzeitig mit der Fusion, Spaltung oder Abspaltung, aber unabhängig davon, veräußert worden wäre. Die Fusionsrichtlinie nimmt nicht explizit Bezug auf stille Reserven oder Lasten. Die Definition des steuerlichen Wertes suggeriert jedoch, dass eine Gesamtbetrachtung angelegt werden soll. Eine Aussage zu der Möglichkeit von Zwischenwertansätzen wird nicht getroffen. 3.76 Vermeidung der Entstrickung. Um eine Entstrickung des übertragenen Vermögens aus dem Steuerzugriff des Ansässigkeitsstaates zu vermeiden, definiert Art. 4 Abs. 2 Buchst. b „übertragenes Aktiv- und Passivvermögen“ als das Aktiv- und Passivvermögen der einbringenden Gesellschaft, das nach der Fusion, Spaltung oder Abspaltung tatsächlich einer Betriebsstätte der übernehmenden Gesellschaft im Mitglied1 EuGH v. 5.7.2007 – C-321/05, ECLI:EU:C:2007:408 – Kofoed, GmbHR 2007, 880 zur Vorfassung nach Art. 2 Buchst. d, 8 und 11 der Richtlinie 90/434/EWG des Rates vom 23.7.1990, ABl. EG 1990 Nr. L 225, 1.

164 | Sedemund

B. Die ertragsteuerliche Fusionsrichtlinie | Rz. 3.79 Kap. 3

staat der einbringenden Gesellschaft zugerechnet wird und zur Erzielung des steuerlich zu berücksichtigenden Ergebnisses dieser Betriebsstätte beiträgt. Ein Steueraufschub wird damit im Ergebnis nicht mehr gewährt, wenn es zur Steuerentstrickung im Mitgliedstaat der übertragenden Gesellschaft kommt. Im Zuge von Umwandlungen regelt sich zwar regelmäßig die rechtliche Zuordnung von Wirtschaftsgütern, nicht aber die wirtschaftliche und tatsächliche Zuordnung der in der Betriebsstätte verhafteten Wirtschaftsgüter; das Besteuerungsrecht des Betriebsstättenstaates bleibt erhalten; sofern sich ausnahmsweise das Besteuerungsrecht ändert, soll dem Mitgliedstaat der steuerliche Zugriff erlaubt bleiben, um seine berechtigten fiskalen Interessen zu wahren.1 Regelung für hybride Gesellschaften. Art. 4 Abs. 3 stellt sicher, dass auch dann, wenn ein Mitgliedstaat die einbringende Gesellschaft als transparent betrachtet, die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns vermieden wird.

3.77

Buchwertverknüpfung. Nach Art. 4 Abs. 4 ist weiter Voraussetzung, dass die Gesellschaft, welche das übertragene Vermögen übernimmt, die Buchwerte fortführt. Auch neue Abschreibungen und spätere Wertsteigerungen oder Wertminderungen der übertragenen Wirtschaftsgüter müssen so berechnet werden, wie die einbringende Gesellschaft sie berechnet hätte. Sofern rechtlich zulässig von diesem Fortschreibungsprinzip abgewichen wird, erlaubt Abs. 5 die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns, der auf diejenigen Wirtschaftsgüter entfällt, für die eine Abweichung erfolgt. Zulässigerweise gebildete Rückstellungen oder Rücklagen können – soweit sie nicht von Betriebsstätten im Ausland stammen – unter den gleichen Voraussetzungen von den im Mitgliedstaat der einbringenden Gesellschaft gelegenen Betriebsstätten der übernehmenden Gesellschaft ausgewiesen werden, wobei die übernehmende Gesellschaft in die Rechte und Pflichten der einbringenden Gesellschaft eintritt. Die Formulierung legt nahe, dass insofern ein Wahlrecht besteht, von dem der Steuerpflichtige nach seinem Gusto abweichen kann.

3.78

b) Keine Besteuerung eines Übernahmegewinns Steuerfreistellung von Wertsteigerungen. Nach Art. 7 Abs. 1 unterliegen im Falle der Beteiligung der übernehmenden Gesellschaft an der übertragenen Gesellschaft die bei der übernehmenden Gesellschaft möglicherweise entstehenden Wertsteigerungen beim Untergang ihrer Beteiligung am Kapital der einbringenden Gesellschaft keiner Besteuerung. Auf diese Weise soll die Besteuerung eines sogenannten Übernahmegewinns vermieden werden, der entsteht, wenn die Buchwerte der untergehenden Beteiligung unterhalb der Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter liegen. Klassischer Fall ist der Up-Stream Merger, bei dem der Beteiligungsbuchwert komplett durch die übernommenen Wirtschaftsgüter der verschmolzenen Tochtergesellschaft ersetzt wird. Erfasst werden aber auch Verschmelzungen von Gesellschaften, an denen geringere Beteiligungen bestehen. Ab 1.1.2009 muss jedoch eine Mindestbeteiligung von 10 % bestehen. 1 Vgl. dazu anschaulich Louven, BB Beilage 2006, Nr. 13, 1 (6).

Sedemund | 165

3.79

Kap. 3 Rz. 3.80 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

3.80 Ermittlung nicht geregelt. Art. 7 erläutert nicht, wie der – steuerfreie – Veräußerungsgewinn zu ermitteln ist. Eine begriffliche Anknüpfung an die Definition des steuerlichen oder tatsächlichen Werts in Art. 4 enthält die Vorschrift nicht. Die Behandlung eines Veräußerungsverlustes wird gar nicht geregelt. c) Steuerfreiheit eines Veräußerungsgewinns auf Ebene der Anteilseigner

3.81 Ausnahme vom Realisationsprinzip. Nach Art. 8 Abs. 1 darf die Zuteilung von Anteilen am Gesellschaftskapital der übernehmenden oder erwerbenden Gesellschaft an einen Gesellschafter der einbringenden oder erworbenen Gesellschaft gegen Anteile an deren Gesellschaftskapital aufgrund einer Fusion, einer Spaltung oder des Austauschs von Anteilen für sich allein keine Besteuerung des Veräußerungsgewinns dieses Gesellschafters auslösen. Abgestellt wird auf den steuerlichen Wert als der Bezugsgröße, auf dessen Grundlage ein etwaiger Gewinn oder Verlust für die Zwecke der Besteuerung des Veräußerungsgewinns eines Gesellschafters ermittelt würde, vgl. Art. 8 Abs. 7. Art. 8 enthält damit eine allgemeine Ausnahme vom Realisationsprinzip, nachdem der Untergang der Anteile der einbringenden Gesellschaft bzw. die Übertragung der Anteile an der erworbenen Gesellschaft auf Ebene des Alt-Gesellschafters zur Aufdeckung der stillen Reserven in diesen Anteilen führte. 3.82 Die entsprechende Regelung für Abspaltungen enthält Abs. 2: Die Zuteilung von Anteilen am Gesellschaftskapital der übernehmenden Gesellschaft an einen Gesellschafter der einbringenden Gesellschaft aufgrund einer Abspaltung darf für sich allein keine Besteuerung des Veräußerungsgewinns dieses Gesellschafters auslösen. Abs. 3 stellt sicher, dass es auch dann nicht zu einer Gewinnrealisierung kommt, wenn ein Mitgliedstaat einen Gesellschafter als steuerlich transparent betrachtet. 3.83 Wertverknüpfung. Die Steuerneutralität des Veräußerungsgewinns steht nach Abs. 4 unter der Prämisse, dass der Gesellschafter den erworbenen Anteilen keinen höheren steuerlichen Wert beimisst, als den in Tausch gegebenen Anteilen unmittelbar vor der Fusion, der Spaltung oder dem Austausch der Anteile beigemessen war. Für den Spezialfall der Abspaltung verlangt Abs. 5, dass der Gesellschafter der Summe der erworbenen Anteile und seiner Anteile an der einbringenden Gesellschaft keinen höheren steuerlichen Wert beimisst, als den Anteilen an der einbringenden Gesellschaft unmittelbar vor der Abspaltung beigemessen war. Wie der Wert zwischen Alt- und Neuanteilen aufzuteilen ist, regelt die Richtlinie nicht. Im Ergebnis macht die Fusionsrichtlinie die Steuerneutralität auf Ebene des Anteilseigners von der Fortführung der Buchwerte abhängig. 3.84 Steueraufschub. Es handelt sich um einen Steueraufschub, denn Art. 8 Abs. 7 stellt klar, dass die Mitgliedstaaten nicht gehindert sind, den Gewinn aus einer späteren Veräußerung der erworbenen Anteile in gleicher Weise zu besteuern wie den Gewinn aus einer Veräußerung der vor dem Erwerb vorhandenen Anteile. Der Wortlaut der Richtlinie ist hinsichtlich der Ermittlung eines etwaigen nachzuholenden Veräußerungsgewinns nicht eindeutig. Denkbar ist einerseits, auf den Wertzuwachs abzustellen, der im Zeitpunkt des Untergangs der alten Anteile bzw. der Zuteilung der neuen Anteile in den stillen Reserven enthalten ist. Alternativ könnte auf den tatsächlich 166 | Sedemund

B. Die ertragsteuerliche Fusionsrichtlinie | Rz. 3.87 Kap. 3

erzielten Gewinn abzustellen sein. M.E. ergibt sich aus Sinn und Zweck der Fusionsrichtlinie, dass nur der Gewinn besteuert werden darf, der im Umwandlungszeitpunkt vorhanden war.1 Denn nur dies ist der Gewinn, der bei Anwendung der allgemeinen Grundsätze hätte besteuert werden können. Ein etwaiger Wertzuwachs, der später entsteht, ist in diesem Sinne „entstrickt“. Wenn man diese m.E. zutreffende Sichtweise anlegt, stellt sich die Frage, ob der im Umwandlungszeitpunkt vorhandene Gewinn bei einer tatsächlichen späteren Veräußerung auf den dann tatsächlich erzielten Gewinn gedeckelt ist. Davon wird man konsequenter Weise ausgehen müssen, da ansonsten das Prinzip der Steuersuspension vom Realisationsprinzip konterkariert würde. Der EuGH2 hat hierzu explizit festgehalten, dass spätere eingeführte steuerliche Begünstigungen für einen Veräußerungsgewinn Anwendung finden. Bereits 20183 hatte der EuGH entschieden, dass die Mitgliedstaaten unter Beachtung des Unionsrechts über einen gewissen Gestaltungsspielraum für die Durchführung einer nachgelagerten Besteuerung verfügen. Der entscheidende Zeitpunkt ist in den entschiedenen Fällen allerdings der der Einbringung. Dass dann in der Regel kein Besteuerungsrecht für den Veräußerungsgewinn mehr aus der eigentlichen Veräußerung erfolgt, ergibt sich aus der Natur der Sache. Eine Doppelbesteuerung dürfte hieraus in der Regel nicht folgen, da als „Buchwert“ für die Besteuerung des Veräußerungsgewinns der Wert bei „Entstrickung“ anzusetzen ist. Keine Doppelte Buchwertverknüpfung. Eine doppelte Buchwertverknüpfung fordert die Fusionsrichtlinie dagegen nicht. Nach Auffassung des EuGH4 steht die Richtlinie vielmehr einer Regelung entgegen, nach der die Steuerneutralität zusätzlich davon abhängig gemacht wird, dass nicht nur die Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter fortgeführt werden, sondern auch der historische Buchwert der eingebrachten Anteile in der Steuerbilanz angesetzt werden muss.

3.85

Abweichendes Wahlrecht. Wählt ein Gesellschafter zulässigerweise eine abweichende steuerliche Behandlung, so suspendiert die Fusionsrichtlinie nach Art. 8 Abs. 8 insoweit von der Verpflichtung zum Steueraufschub. Die Formulierung „insoweit“ impliziert, dass der Steuerpflichtige ein Wahlrecht hat. Da gleichzeitig aber die Zulässigkeit des abweichenden Ansatzes vom Recht der Mitgliedstaaten abhängig gemacht wird, lassen sich keine originären Wahlrechte aus der Fusionsrichtlinie ableiten.

3.86

Besteuerung barer Zuzahlung. Nach Art. 8 Abs. 9 darf eine bare Zuzahlung besteuert werden, wie sich der anteilige Veräußerungsgewinn ermittelt, lässt die Fusionsrichtlinie offen.

3.87

1 Anders offensichtlich Schroer in H/M/B5, § 13 UmwStG Rz. 48. 2 EuGH v. 18.9.2019 – C-662/18, ECLI:EU:C:2019:750 – Ministre de l'Action und des Comptes publics, FR 2019, 1097, Rz. 40 der Entscheidungsgründe unter Hinweis auf EuGH v. 22.3.2018 – C-327/16, C-421/16, ECLI:EU:C:2018:210 – Jacob und Lassus, IStR 2018, 316. 3 EuGH v. 22.3.2018 – C-327/16, C-421/16, IStR 2018, 316. 4 EuGH v. 11.12.2008 – C-285/07, ECLI:EU:C:2008:705 – A.T., BStBl. II 2009, 940, Leitsatz und folgende Abs. 25 ff. der Entscheidung.

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Kap. 3 Rz. 3.88 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

8. Sonderregelungen bei Einbringung einer Betriebsstätte

3.88 Endgültiger Besteuerungsverzicht. Wenn sich unter den bei einer Fusion, Spaltung, Abspaltung oder Einbringung von Unternehmensteilen eingebrachten Wirtschaftsgütern eine in einem anderen Mitgliedstaat als dem der einbringenden Gesellschaft liegende Betriebsstätte befindet, so verzichtet nach Art. 10 Abs. 1 der Mitgliedstaat der einbringenden Gesellschaft endgültig auf seine Rechte zur Besteuerung der Betriebsstätte. Diese Regelung hat einen geringen praktischen Anwendungsbereich, da nach der in der Praxis weit verbreiteten Freistellungsmethode das Besteuerungsrecht an den Einkünften einer Betriebsstätte ohnehin dem Belegenheitsstaat zusteht. Allerdings erlaubt die Fusionsrichtlinie dem Mitgliedstaat der einbringenden Gesellschaft bei der Ermittlung des steuerbaren Gewinns dieser Gesellschaft frühere Verluste dieser Betriebsstätte, die von dem in diesem Mitgliedstaat steuerbaren Gewinn der Gesellschaft abgezogen wurden und noch nicht ausgeglichen worden sind, hinzurechnen, sogenanntes „recapture“. Diese Prinzipien gelten nach der Richtlinie ausdrücklich auch dann, wenn die Betriebsstätte in dem Mitgliedstaat gelegen ist, in dem die übernehmende Gesellschaft ansässig ist. 3.89 Fiktive Steueranrechnung. Sofern der Mitgliedstaat der einbringenden Gesellschaft keine Betriebsstättenfreistellung, sondern ein System der Weltgewinnbesteuerung anwendet, bleibt er abweichend vom Grundprinzip berechtigt, die durch die Fusion, Spaltung, Abspaltung oder Einbringung von Unternehmensteilen entstehenden Veräußerungsgewinne der Betriebsstätte zu besteuern. In diesem Fall besteht aber die Verpflichtung zur Anrechnung der Steuer, die ohne die Bestimmungen dieser Richtlinie auf diese Veräußerungsgewinne im Staat der Betriebsstätte erhoben worden wäre, in gleicher Weise und mit dem gleichen Betrag, wie wenn diese Steuer tatsächlich erhoben worden wäre. Unterstellt wird für diese Variante also die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns im Belegenheitsstaat der Betriebsstätte. Die entsprechende fiktive Steuer ist anzurechnen. 3.90 Konkrete Betrachtungsweise. Die Richtlinie regelt nicht explizit, ob hinsichtlich des Prinzips der Weltgewinnbesteuerung auf eine abstrakte oder konkrete Sichtweise abzustellen ist. Abstrakt kennt das deutsche Steuerrecht das Welteinkommensprinzip, konkret wird es durch DBA, im Regelfall durch die Anwendung der Betriebsstättenfreistellung modifiziert. Da die entsprechenden ratifizierten und in Kraft getretenen DBA Bestandteil der deutschen Rechtsordnung sind, ist für den Praktiker eine konkrete Sichtweise zwingend. Diese Sichtweise verfolgt offensichtlich auch der deutsche Gesetzgeber. 9. Sonderregelungen für hybride Gesellschaften

3.91 Wahlrecht bei hybriden Gesellschaften. Betrachtet ein Mitgliedstaat eine gebietsfremde einbringende oder erworbene Gesellschaft aufgrund seiner Beurteilung ihrer juristischen Merkmale, die sich aus dem Recht, nach dem sie gegründet wurde, ergeben, als steuerlich transparent, so ist er nach Art. 11 Abs. 1 berechtigt, die Bestimmungen dieser Richtlinie bei der Besteuerung der Veräußerungsgewinne eines unmittelbaren oder mittelbaren Gesellschafters dieser Gesellschaft nicht anzuwenden. Korrespondierend erlaubt Abs. 3 einem Mitgliedstaat, der eine gebietsfremde über168 | Sedemund

B. Die ertragsteuerliche Fusionsrichtlinie | Rz. 3.94 Kap. 3

nehmende oder erwerbende Gesellschaft aufgrund seiner Beurteilung ihrer juristischen Merkmale, die sich aus dem Recht, nach dem sie gegründet wurde, ergeben, als steuerlich transparent behandelt, Art. 8 Abs. 1, 2 und 3 nicht anzuwenden. Allerdings kann nach Abs. 4 ein Mitgliedstaat jedem unmittelbaren oder mittelbaren Gesellschafter einer entsprechenden Gesellschaft die gleiche steuerliche Behandlung zuteilwerden lassen, wie wenn die übernehmende Gesellschaft in seinem Gebiet ansässig wäre. Der eindeutige Wortlaut des Gesetzes statuiert für den jeweiligen Mitgliedstaat ein Wahlrecht, die Regelung ist explizit nicht verpflichtend. Offensichtlich bestand bei Abfassung der Richtlinie die Befürchtung, dass aufgrund der steuerlichen Behandlung einer Gesellschaft als transparent weitere Personen – insbesondere in Drittstaaten ansässige Gesellschaften – über eine entsprechende Gestaltung in den Genuss der Privilegien der Richtlinie kommen könnten. Bei Wahlrechtsausübung Verpflichtung zur Steueranrechnung. Macht ein Mitgliedstaat von seinem Recht nach § 11 Abs. 1 Gebrauch, so ist er nach Abs. 2 verpflichtet, die Steuer anzurechnen, die ohne die Bestimmungen dieser Richtlinie auf die Veräußerungsgewinne der steuerlich transparenten Gesellschaft erhoben worden wäre, in gleicher Weise und mit dem gleichen Betrag, wie wenn diese Steuer tatsächlich erhoben worden wäre. Ob die entsprechende Steuer tatsächlich erhoben wird, ist irrelevant, im Ergebnis wird eine fiktive Steuer angerechnet.

3.92

10. Missbrauchsvorschriften Steuermissbrauch als Hauptbeweggrund. Nach Art. 15 Abs. 1 kann ein Mitgliedstaat die Anwendung der Art. 4 bis 14 ganz oder teilweise versagen oder rückgängig machen, wenn einer der in Art. 1 genannten Vorgänge als hauptsächlichen Beweggrund oder als einen der hauptsächlichen Beweggründe die Steuerhinterziehung oder -umgehung hat; vom Vorliegen eines solchen Beweggrundes kann ausgegangen werden, wenn der Vorgang nicht auf vernünftigen wirtschaftlichen Gründen – insbesondere der Umstrukturierung oder der Rationalisierung der beteiligten Gesellschaften – beruht. Daneben wird als selbstständiger – außersteuerlicher – Missbrauchsgrund eine Gestaltung angeführt, die dazu führt, dass eine an dem Vorgang beteiligte Gesellschaft oder eine an dem Vorgang nicht beteiligte Gesellschaft die Voraussetzungen für die bis zu dem Vorgang bestehende Vertretung der Arbeitnehmer in den Organen der Gesellschaft nicht mehr erfüllt. Diese Regelung ist so lange und so weit anwendbar, wie auf die von der Richtlinie erfassten Gesellschaften keine Vorschriften des Gemeinschaftsrechts anwendbar sind, die gleichwertige Bestimmungen über die Vertretung der Arbeitnehmer in den Gesellschaftsorganen enthalten. Der Steuermissbrauch muss sich nach Ansicht des EuGH1 auf die in der Richtlinie geregelten Ertragsteuern beziehen, die Vermeidung von Verkehrssteuern liefert keinen Rechtfertigungsgrund für die Versagung der Vergünstigungen.

3.93

Erfordernis der Einzelfallprüfung. In der Praxis hat bis jetzt allein die Versagung der Vergünstigung der Richtlinie unter steuerlichen Missbrauchsgesichtspunkten

3.94

1 EuGH v. 20.5.2010 – C-352/08 – Modehuis A. Zwijnenburg, Slg. 2010, I-4303.

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Kap. 3 Rz. 3.94 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

eine Rolle gespielt. Entscheidend ist dabei die Ansicht des EuGH,1 nach der sich bei der Prüfung, ob eine von der Fusionsrichtlinie privilegierte Umwandlung missbräuchliche Motive hat, nicht darauf beschränken kann, vorgegebene allgemeine Kriterien anzuwenden. Erforderlich ist vielmehr eine gerichtlich überprüfbare Untersuchung jedes Einzelfalls. Diese bedeutet, dass jede nationale Steuervorschrift, welche zumindest auch dem Steuermissbrauch vorbeugen soll, gegen die Fusionsrichtlinie verstößt, soweit die betroffenen Gesellschaften nicht im Einzelfall die Möglichkeit der Exculpation besitzen. Für die Praxis nicht geklärt ist in diesem Kontext die Frage, wer insoweit die Beweislast trägt. 11. Umsetzungsfristen und unmittelbare Anwendbarkeit

3.95 Umsetzungsfristen nach der Richtlinie. Die ursprüngliche Fassung der Fusionsrichtlinie 90/434/EWG war bis zum 31.12.1991 umzusetzen. Die Änderungen durch die Richtlinie 2005/19/EG bis zum 1.1.2006 bzw. bis zum 1.1.2007. Nach Art. 18 der am 25.11.2009 veröffentlichten kodifizierten Fassung trat diese am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. Gleichzeitig wird die alte Richtlinie nach Art. 17 aufgehoben. 3.96 Grundsätzlich keine unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinien. Anders als Verordnungen wirken Richtlinien grundsätzlich nicht als unmittelbar anwendbares Recht in den Mitgliedstaaten. Nach Art. 288 Abs. 3 AEUV ist die Richtlinie vielmehr für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen Form und Mittel. Zu ihrer Umsetzung ist also grundsätzlich ein Rechtsakt nach dem jeweiligen Recht der Mitgliedstaaten erforderlich. Rechtstechnisch ist die Rechtsetzung mittels Richtlinie als zweistufiges Verfahren ausgestaltet. Den ersten Schritt bildet der Erlass der Richtlinie. Den zweiten Schritt bildet die Umsetzung der Richtlinie. Dabei müssen die durchzuführenden Vorschriften rangmäßig denjenigen entsprechen, welche die betreffende Materie bis dahin geregelt haben. 3.97 Unmittelbare Anwendbarkeit der Fusionsrichtlinie. In der Praxis kommt es nun durchaus vor, dass ein Mitgliedstaat Richtlinien unzureichend, unvollständig oder nicht in der vorgesehenen Frist umsetzt. Gerade die durch die Richtlinie 2005/19/EG des Rates vom 17.2.2005 erweiterte Fusionsrichtlinie wurde nicht rechtzeitig umgesetzt. Als Sanktionsmöglichkeit für den Fall, dass ein Mitgliedstaat seiner Richtlinienumsetzungspflicht nicht nachkommt, ist im AEUV ein Vertragsverletzungsverfahren angelegt, das allerdings langwierig sein kann und oftmals keinen effektiven Schutz vor Umsetzungsdefiziten gewährt. Insbesondere dann, wenn die Richtlinie unmittelbare Rechte für Unionsbürger begründen soll, ist dieses Verfahren deshalb wenig geeignet, den Berechtigten kurzfristig zur Durchsetzung eines ihnen zustehenden Rechtsanspruchs zu verhelfen. Deshalb hat der EuGH bereits in den 70er Jahren

1 Vgl. insbesondere EuGH v. 17.7.1996 – C 28/95, ECLI:EU:C:1997:369 – Leur-Bloem/Inspecteur der Belastingdienst/Ondernemingen Amsterdam 2, FR 1997, 685. EuGH v. 10.11.2011 – C-126/10 –Foggia-SGPS, Slg. 2011, I-10923.

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B. Die ertragsteuerliche Fusionsrichtlinie | Rz. 3.100 Kap. 3

die Rechtsfigur der unmittelbaren Wirkung der Richtlinie entwickelt.1 Diese ist nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung2 anzunehmen, wenn – die Bestimmungen der Richtlinie inhaltlich unbedingt und – hinreichend genau sind – und die Umsetzungsfrist abgelaufen ist. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist eine Bestimmung unbedingt, wenn sie eine Verpflichtung begründet, die weder an eine Bedingung geknüpft ist noch zu ihrer Erfüllung und Wirksamkeit einer Maßnahme der Gemeinschaftsorgane oder der Mitgliedstaaten bedarf.3 Eine Bestimmung ist hinreichend genau, wenn sie eine eindeutige Verpflichtung begründet.4 Dies bedeutet zunächst, dass die Inanspruchnahme des Rechts an keine Bedingungen oder Auflagen geknüpft sein darf und setzt ferner voraus, dass dem jeweiligen nationalen Gesetzgeber bei der inhaltlichen Gestaltung des Rechts kein Ermessensspielraum mehr verbleibt. Die unmittelbare Anwendbarkeit der Fusionsrichtlinie ist in der Rechtsprechung anerkannt.5 Unmittelbare Wirkung der Fusionsrichtlinie ab dem 31.12.1991. Im Ergebnis galt die Fusionsrichtlinie damit ab dem 31.12.1991 in ihrer jeweiligen Fassung unmittelbar in den Mitgliedstaaten, soweit diese die Richtlinie nicht oder nicht hinreichend umgesetzt hatten.6

3.98

Fusionsrichtlinie als Mindeststandard. Die Richtlinie legt nur Mindeststandards fest. Sie hindert deshalb den einzelnen Mitgliedstaat – vorbehaltlich der Vereinbarkeit mit höherrangigem EU-Recht – nicht, über den Regelungsgedanken hinauszugehen. Der deutsche Gesetzgeber könnte also beispielsweise auch andere Gesellschaftsformen entsprechend der Regelung der Fusionsrichtlinie privilegieren oder noch weitergehend auf Besteuerungsmöglichkeiten verzichten.

3.99

12. Europarechtswidrigkeit der Fusionsrichtlinie? Auslegung unter Berücksichtigung der Grundfreiheiten auch gegen den Wortlaut. Wie gerade ausgeführt wurde, etabliert die Fusionsrichtlinie verbindliche Mindest1 Erstmals wohl EuGH v. 4.12.1974 – C-41/74, ECLI:EU:C:1974:133 – Van Duyn/Home Office. 2 Vgl. insbesondere EuGH v. 19.1.1982 – C-8/81, ECLI:EU:C:1982:7 – Becker; v. 22.6.1989 – C-103/88, ECLI:EU:C:1989:256 – Fratelli Costanzo/Comune di Milano; v. 23.2.1994 – C236/92, ECLI:EU:C:1994:60 – Comitato di coordinamento per la difesa della Cava u.a./Regione Lombardia u.a., ABl. EG 1994 Nr. C 120, 1. 3 EuGH v. 3.4.1968 – C-28/67, ECLI:EU:C:1968:17 – Molkerei Zentrale Westfalen-Lippe/ Hauptzollamt Paderborn. 4 EuGH v. 26.2.1986 – C-152/84, ECLI:EU:C:1986:84 – Marshall/Southampton and SouthWest Hampshire Area Health Authority; v. 4.12.1986 – C-71/85, ECLI:EU:C:1986:465 – Niederlande/Federatie Nederlandse Vakbeweging. 5 FG Köln v. 14.8.2010 – 13 K 3592/04, EFG 2008, 1854, Abs. 26 der Entscheidungsgründe mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung. 6 Vgl. hierzu ausführlich auch Rauch/Schanz, SteuerStud 2009, 4 (5).

Sedemund | 171

3.100

Kap. 3 Rz. 3.100 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

standards für bestimmte Umwandlungsvorgänge. Dabei ist stets zu beachten, dass die Grundfreiheiten als höherrangiges Recht unmittelbaren Einfluss auf die Fusionsrichtlinie nehmen. Resultat kann eine Auslegung gegen den Wortlaut sein, um einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten zu vermeiden.1 Auf diese Weise wird gewährleistet, dass die Fusionsrichtlinie nicht ihrerseits einen europarechtswidrigen Inhalt bekommt.

3.101 Ausweitung auf den EWR Raum. Mit Blick auf die aktuelle Rechtsprechung des EuGH2 ist in dieser Hinsicht zu bemerken, dass für die Mitgliedstaaten des EWR3 die gleichen steuerlichen Vergünstigungen anzuwenden sind, wie sie sich aus der Fusionsrichtlinie oder aus nationalen Steuervorschriften für andere Umwandlungen ergeben. Resultat ist die steuerliche Begünstigung von Umwandlungen, die nicht nur den Anwendungsbereich der Fusionsrichtlinie auf den EWR Raum erstreckt, sondern auch grenzüberschreitend soweit reicht, wie das nationale Steuerrecht es für nationale Umwandlungsvorgänge erlaubt. 3.102 Problematik der Entstrickungsbesteuerung. Entsprechend ist dem BFH4 beizupflichten, wenn 2008 die Theorie der finalen Entnahme mit der Begründung aufgegeben wird, dass hierin ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit zu sehen ist. Durch die EuGH-Entscheidung „National Grit“5 hat diese Sichtweise aktuell Rechtfertigung erfahren. Entscheidend ist dabei für den BFH, dass sich eine Entstrickungsbesteuerung auf Ebene einer ausländischen Personengesellschaft nicht damit rechtfertigen lässt, dass diese nicht in den Anwendungsbereich der Fusionsrichtlinie fällt. Dabei betont das Gericht zu Recht: „Die Fusionsrichtlinie als EU-Sekundärrecht schränkt die Grundfreiheiten des EG [heute AEUV] weder ein noch gibt sie den Anwendungsbereich etwa der Niederlassungsfreiheit vor; vielmehr muss sich das EUSekundärrecht seinerseits an den Grundfreiheiten des EG messen lassen ... . Wenn ein Sachverhalt nicht von der Fusionsrichtlinie umfasst ist, kann somit nicht darauf geschlossen werden, dass die Niederlassungsfreiheit nicht verletzt sein kann.“ 3.103 Im Ergebnis sind damit neben und gegebenenfalls vorgehend zur Fusionsrichtlinie immer auch die Grundfreiheiten zu prüfen. Dies kann dazu führen, dass die Vorgaben der Fusionsrichtlinie nicht weit genug reichen, um die Diskriminierung grenzüberschreitender Sachverhalte zu vermeiden. In diesem Fall ergeben sich – zu Gunsten des Steuerpflichtigen – Rechtsfolgen über den Wortlaut der Fusionsrichtlinie hinaus. So hat der EuGH6 etwa zu Art. 10 Abs. 2 der Fusionsrichtlinie entschieden, dass die Niederlassungsfreiheit der sofortigen Besteuerung stiller Reserven entgegenstehen kann, wenn eine gebietsansässige Gesellschaft im Rahmen der Einbringung von Unternehmensteilen eine gebietsfremde Betriebsstätte an eine ebenfalls gebietsfremde Gesellschaft überträgt, obwohl diese nach den Vorgaben der Fusionsrichtlinie 1 2 3 4 5 6

Vgl. dazu oben Rz. 3.6. EuGH v. 19.7.2012 – C-48/11, ECLI:EU:C:2012:485 – A, BB 2012, 1889, Tenor. Dazu ausführlich unten Rz. 3.130. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10, ECLI:EU:C:2011:785 – National Grid Indus, FR 2012, 25. EuGH v. 23.11.2017 – C-292/16, ECLI:EU:C:2017:888 – A, EuZW 2018, 80.

172 | Sedemund

C. Die Grundfreiheiten als primärrechtliche Grundlage | Rz. 3.105 Kap. 3

möglich wäre. Entsprechend hat der EuGH im Fall der Verschmelzung zur alten Fassung entschieden.1

C. Die Grundfreiheiten als primärrechtliche Grundlage eines Europäischen Umwandlungssteuerrechts I. Vorbemerkung Trotz der fehlenden originären Gesetzgebungskompetenz der EU müssen jedoch die Mitgliedstaaten ihre verbliebenen Befugnisse nach ständiger Rechtsprechung des EuGH unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben.2 Diese Rechtsprechung betrifft in der Rechtspraxis die Grundfreiheiten, die damit für das nationale Recht eine verbindliche Messlatte bilden.

3.104

II. Die unmittelbare Wirkung der Grundfreiheiten im Internationalen Steuerrecht Unmittelbare Wirkung der Grundfreiheiten. Art. 8 EWGV3 regelte für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft die dreistufige Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes, die am 31.12.1969 mit Vollendung der dritten Stufe endete. Der Ablauf der Übergangszeit war nach Art. 8 Abs. 7 Euratom der Endtermin für das Wirksamwerden aller Maßnahmen, die zur Errichtung des Gemeinsamen Marktes gehörten. Dazu gehörte insbesondere die Herstellung der vier Grundfreiheiten.4 Erstmals in der „Van gend en Loos“-Entscheidung5 aus dem Jahre 1963, und damit noch vor Ablauf der Frist des Euratom, bejahte der EuGH den „effect direct“ einer Grundfreiheit.6 Heute ist die Möglichkeit der unmittelbaren Wirkung in den Mitgliedstaaten anerkannt. Dies gilt nach einer Grundsatzentscheidung des EuGH7 auch für die Kapitalverkehrsfreiheit.8 Seit dem Grundsatzurteil9 „Avoir Fiscal“10 aus dem Jahre 1986 ist dies auch für den Bereich der direkten Steuern anerkannt und gilt auch für den Bereich des Internationalen Umwandlungssteuerrechts.

1 EuGH v. 8.3.2017 – C 14/16, ECLI:EU:C:2017:177 – Euro Park Service, EuZW 2017, 429. 2 St. Rspr. des EuGH, vgl. etwa: EuGH v. 6.6.2000 – C-35/98, ECLI:EU:C:2000:294 – Verkooijen, FR 2000, 720, Rz. 32; v. 26.10.1999 – C-294/97, ECLI:EU:C:1999:524 – Eurowings Luftverkehr, FR 1999, 1327, Rz. 32. 3 Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25.3.1957. 4 Vgl. Art. 3 Buchst. a und c EWGV. 5 EuGH v. 5.2.1963 – C-26/62, ECLI:EU:C:1963:1 – Van Gend en Loos/Administratie der Belastingen, 3. 6 Damals noch EWGV. 7 EuGH v. 23.2.1995 – C-358/93, C-416/93, ECLI:EU:C:1995:54 – Bordessa und Mari Mellado, JZ 1995, 1007, Rz. 17 und 35. 8 Vgl. dazu im Einzelnen Sedemund, Europäisches Ertragsteuerrecht, 61 ff. 9 Hey in FS Schaumburg, 767 (777). 10 EuGH v. 28.1.1986 – C-270/83, ECLI:EU:C:1986:37 – Kommission/Frankreich, NJW 1987, 569.

Sedemund | 173

3.105

Kap. 3 Rz. 3.106 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

3.106 Wirkung im Bereich der direkten Steuern trotz Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Noch heute scheint der EuGH allerdings eine besondere Rechtfertigung seiner Rechtsprechung im Bereich der direkten Steuern für nötig zu halten, da er in aktuellen Entscheidungen stets formelhaft betont, dass nach ständiger Rechtsprechung die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, diese ihre Befugnisse aber unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben müssen.1 III. Auslegung der Grundfreiheiten durch den EuGH

3.107 Semantik. Wie bei den Richtlinien ist auch bei den Grundfreiheiten als primärrechtlicher Rechtsquelle Ausgangspunkt, dass der Gesetzestext zunächst aus sich selbst heraus auszulegen ist. 3.108 Systematik. Sofern die wörtliche Auslegung noch nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt, ist aus dem systematischen Zusammenhang auf den Inhalt einer Norm zu schließen. 3.109 Telos. Des Weiteren bedient sich der EuGH auch der objektiv-teleologischen Auslegung.2 Dementsprechend mit dem objektivierten Gesetzeszweck zur arbeiten, lässt angesichts der Unbestimmtheit vieler Vorschriften des AEUV eine vielschichtige Interpretation zu. 3.110 Gesetzeshistorie. Im Übrigen greift der EuGH gelegentlich ebenfalls auf die Entstehungsgeschichte einer Norm als Auslegungshilfe3 zurück. Nach übereinstimmender Ansicht hat der historische Wille des Gesetzgebers jedoch auch im Kontext der Grundfreiheiten nur eine geringe Bedeutung.4 Denn auch hier mangelt es schlicht an einem schriftlich fixierten Willen des Gesetzgebers. 3.111 Richterrecht und Rechtsgrundsätze. Zwangsläufige Konsequenz der inhaltlich oftmals nicht sehr ausführlichen Bestimmungen ist die Konkretisierung und Fortbildung des europäischen Rechts durch den EuGH. Ausschlaggebend in der Rechtsprechung sind dabei die vom EuGH selbst entwickelten Rechtsgrundsätze, auf die dieser in weiteren Entscheidungen sehr oft Bezug nimmt. Diese Rechtsgrundsätze beziehen sich sowohl auf formelle Prüfungsschemata als auch auf inhaltliche Präzisierungen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu betonen, dass der EuGH an eine „Doctri1 Vgl. aktuell EuGH v. 18.6.2009 – C-303/07, ECLI:EU:C:2009:377 – Aberdeen Property Fininvest Alpha, ABl. EU 2009 Nr. C 180, 5, Rz. 24. 2 Vgl. exemplarisch EuGH v. 23.3.1982 – C-53/81, ECLI:EU:C:1982:105 – Levin/Staatssecretaris van Justitie, Rz. 9: „Ihre Bedeutung (sc. von Tatbestandsmerkmalen des EGV) muß deshalb (sc. wegen mangelnder Eindeutigkeit des Gesetzeswortlauts) unter Rückgriff auf die allgemein erkannten Auslegungsgrundsätze, und zwar ausgehend vom gewöhnlichen Sinn der Begriffe in ihrem Kontext und im Licht der Ziele des Vertrages, ermittelt werden.“. 3 Vgl. etwa EuGH v. 28.3.1996 – C-468/93, ECLI:EU:C:1996:139 – Gemeente Emmen/Belastingdienst Grote Ondernemingen, BB 1996, 2129, Rz. 21; v. C-144/94, ECLI:EU: C:1995:355 – Ufficio IVA di Trapani/Italittica, ABl. EG 1995 Nr. C 333, 5. 4 Wegener in C/R4, 1708, Rz. 8; Oppermann in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, 257 Rz. 687.

174 | Sedemund

C. Die Grundfreiheiten als primärrechtliche Grundlage | Rz. 3.116 Kap. 3

ne of Stare Decisis“ zumindest im engeren Sinne nicht gebunden ist. Er kann demnach von entwickelten Rechtsgrundsätzen abweichen. Die bisherige Praxis zeigt jedoch im Regelfall ein Beibehalten von entwickelten Positionen. IV. Vom allgemeinen Diskriminierungsverbot zu Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit als für das Internationale Umwandlungssteuerrecht maßgebliche Grundfreiheiten Die Grundfreiheiten als leges speciales. Ausgangspunkt für einen Gemeinsamen Markt frei von Diskriminierung war das allgemeine Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit nach Art. 12 Abs. 1 EG (heute Art. 18 AEUV). Allerdings war diese Regelung nur anwendbar, wenn keine der speziellen Grundfreiheiten eingreift. Im Ergebnis kommen damit die Freiheit des Warenverkehrs (Art. 34 – 37 AEUV), die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 45 – 48 AEUV), die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 – 55 AEUV), die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 – 62 AEUV) und die Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs (Art. 63 AEUV) als lex specialis in Betracht.

3.112

Freier Warenverkehr. Der freie Warenverkehr verlangt, dass alle Waren innerhalb des Gemeinsamen Marktes ohne Beschränkung grenzüberschreitend gehandelt werden können. Die Umsetzung erfolgt insbesondere durch die Zollunion. Für das Internationale Umwandlungssteuerrecht spielt diese Grundfreiheit keine Rolle.

3.113

Freizügigkeit. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Niederlassungsfreiheit bilden den freien Personenverkehr. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist als Gegenpart zur Niederlassungsfreiheit, die selbstständige Tätigkeiten schützt, im Rahmen der Personenverkehrsfreiheiten darauf ausgerichtet, jeden abhängigen Beschäftigten zu schützen, der ein Entgelt erhält, das nicht als völlig unwesentlich bezeichnet werden kann.1 Für internationale Umwandlungen kommt ihr keine Bedeutung zu.

3.114

Kapitalverkehrsfreiheit. Die Kapitalverkehrsfreiheit hat in der aktuellen Rechtspraxis große Bedeutung erlangt, da ihr als einziger Grundfreiheit ein originärer Anwendungsbereich auf Drittstaatenkonstellationen zugesprochen wird.2 Ihr Anwendungsbereich ist nicht auf das Staatsgebiet der EU und der Staatsangehörigen und Gesellschaftsformen der Mitgliedstaaten begrenzt. Da sie auch Direktinvestitionen in Form von Beteiligungen schützt, kann sie auch im Kontext von internationalen Umwandlungen eine Rolle spielen.

3.115

Dienstleistungsfreiheit. Auf den freien Dienstleistungsverkehr hat der EuGH nur in relativ wenigen Entscheidungen3 abgestellt. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass diese Vorschrift gegenüber der Personenverkehrs- und Kapitalverkehrsfreiheit subsidiär ist.

3.116

1 A/F/F, 171. 2 Dazu sogleich ausführlich unter Rz. 3.120. 3 Exemplarisch die Entscheidung EuGH v. 3.10.2006 – C-290/04, ECLI:EU:C:2006:630 – FKP Scorpio Konzertproduktionen, DB 2007, 1168.

Sedemund | 175

Kap. 3 Rz. 3.117 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

3.117 Im Ergebnis spielen damit die Niederlassungs- und die Kapitalverkehrsfreiheit die entscheidende Rolle für das Internationale Umwandlungssteuerrecht. Auf die genaue inhaltliche Abgrenzung wird unten bei der Darstellung der Schutzbereiche intensiv eingegangen. V. Der Aufbau der Grundfreiheiten 1. Voraussetzung eines grenzüberschreitenden Bezugs

3.118 Nach wohl allgemeiner Ansicht1 ist Voraussetzung der Anwendbarkeit der Grundfreiheiten das Vorliegen eines grenzüberschreitenden Sachverhalts. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des EuGH sind sowohl für den Inbound als auch für den Outbound Fall insoweit nur sehr geringe Anforderungen zu stellen. In der Entscheidung „van Hilten“2 aus dem Jahre 2006 hält der EuGH unter Abs. 40 der Urteilsbegründung fest, dass ein grenzüberschreitender Vorgang bereits dann anzunehmen ist, wenn ein wesentliches Element über die Grenze eines Mitgliedstaates hinausweist. Im entschiedenen Fall erachtete der EuGH ausländisches Vermögen als ausreichend. Nur dann, wenn der Sachverhalt keinen grenzüberschreitenden Bezug hat und umgekehrt EU-Ausländer möglicherweise sogar aufgrund der Grundfreiheiten bevorzugt zu behandeln sind, sieht der EuGH keine Veranlassung, denselben Schutz den eigenen Staatsangehörigen des jeweiligen Mitgliedstaates zu gewähren (so genannte „Inländerdiskriminierung“).3 3.119 Im Falle der grenzüberschreitenden Umwandlung stellt sich das Problem nicht, da begriffsimmanent von einem grenzüberschreitenden Bezug auszugehen ist. 2. Schutzbereich und Normenkonkurrenz zwischen Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit a) Direkter Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit

3.120 Sachlicher Schutzbereich: Primäre und sekundäre Niederlassungsfreiheit. Die Niederlassungsfreiheit schützt die Aufnahme und Ausübung selbstständiger Tätigkeit im Geltungsbereich des AEUV. Grundgedanke ist die Gewährleistung der freien Standortwahl innerhalb der EU.4 Ursprünglich wurde die Niederlassungsfreiheit als bloßes Gebot der Inländergleichbehandlung interpretiert.5 Später setzte sich die Sichtweise durch, dass die Niederlassungsfreiheit auch ein Verbot rechtlicher und tatsächlicher Beschränkungen enthalte.6 In der Literatur7 wird die Niederlassungsfreiheit daher teilweise auch als Schutznorm verstanden, die auch jede nicht diskriminie1 Vgl. A/F/F, 143 m.w.N. 2 EuGH v. 23.2.2006 – C-513/03, ECLI:EU:C:2006:131 – van Hilten-van der Heijden, BFH/ NV 2006, Beilage 3, 229. Im Ergebnis bestätigt durch v. 17.1.2008 – C-256/06, ECLI:EU: C:2008:20 – Jäger, BFH/NV 2008, Beilage 2, 120. 3 Vgl. dazu im Einzelnen Sedemund, Europäisches Ertragsteuerrecht, 40 ff. 4 Oppermann in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht4, 667 Rz. 1584. 5 Lange, DNotZ 1999, 599 (602). 6 Knobbe-Keuk, DB 1990, 2573 (2573). 7 Weiß, EuZW 1999, 493 (496).

176 | Sedemund

C. Die Grundfreiheiten als primärrechtliche Grundlage | Rz. 3.123 Kap. 3

rende tatsächliche Behinderung der freien Niederlassung verbietet. Begrifflich wird in der Literatur teilweise zwischen primärer und sekundärer Niederlassungsfreiheit unterschieden.1 Während die primäre Niederlassungsfreiheit sich auf die Verlegung oder Neubegründung einer Hauptniederlassung in einem Mitgliedstaat bezieht, umfasst die sekundäre Niederlassungsfreiheit die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH2 verbietet die Niederlassungsfreiheit auch, dass der Herkunftsmitgliedstaat die Niederlassung eines seiner Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat behindert. Im Ergebnis soll sich die primäre Niederlassungsfreiheit auf Konstellationen beziehen, in denen allenfalls eine Niederlassung von untergeordneter Bedeutung im Herkunftsland verbleibt und der Betriebs- oder Geschäftsmittelpunkt des Gesamtunternehmens in einen anderen Mitgliedstaat verlagert wird. Dagegen erfasse die sekundäre Niederlassungsfreiheit die Sachverhalte, in denen lediglich Hilfsstützpunkte errichtet werden, sei es über formalrechtlich selbstständige Tochtergesellschaften oder bloße Niederlassungen.3 Insbesondere aus dem „Centros“-Urteil4 des EuGH ist ersichtlich, dass der EuGH hinsichtlich der Reichweite des Schutzbereiches nicht zwischen primärer und sekundärer Niederlassungsfreiheit differenziert. Räumlicher Schutzbereich. Der unmittelbare räumliche Schutzbereich beschränkt sich auf das Staatsgebiet der Mitgliedstaaten.

3.121

Personeller Schutzbereich. Träger der Niederlassungsfreiheit sind ausweislich des Normtextes zunächst alle natürlichen Personen, welche die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaates besitzen. Daneben werden Gesellschaften geschützt, die nach den Vorschriften eines EU-Mitgliedstaates gegründet sind und innerhalb der EU satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung haben. Nach Art. 54 Abs. 2 AEUV gelten als Gesellschaften die Gesellschaften des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts einschließlich der Genossenschaften und die sonstigen juristischen Personen des öffentlichen und privaten Rechts mit Ausnahme derjenigen, die keinen Erwerbszweck verfolgen. Geschützt werden demnach nicht nur Kapitalgesellschaften, sondern insbesondere auch gewerbliche Personengesellschaften.

3.122

b) Direkter Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit Sachlicher Schutzbereich. Die Regelungen zur Kapitalverkehrsfreiheit finden sich heute in den Art. 63 ff. AEUV. Wie der EuGH in aktueller Rechtsprechung5 selbst 1 Eicker, IWB 1999, 759 (761). 2 Vgl. EuGH v. 13.12.2005 – C-446/03, ECLI:EU:C:2005:763 – Marks & Spencer, ABl. EU 2006 Nr. C 36, 5, Abs. 31 der Entscheidungsgründe; v. 12.9.2006 – C-196/04, ECLI:EU: C:2006:544 – Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, ABl. EU 2006 Nr. C 281, 5, Abs. 42 der Entscheidungsgründe, jeweils m.w.N. 3 Ebenroth/Eyles, DB 1989, 363 (364). 4 EuGH v. 9.3.1999 – C-212/97, ECLI:EU:C:1999:126 – Centros, FR 1999, 449. 5 Vgl. EuGH v. 23.2.2006 – C-513/03, ECLI:EU:C:2006:131 – van Hilten-van der Heijden, BFH/NV 2006, Beilage 3, 229, Rz. 39.

Sedemund | 177

3.123

Kap. 3 Rz. 3.123 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

betont, enthält der EG keine Definition der Begriffe des Kapital- und des Zahlungsverkehrs. Entscheidend für die Verwirklichung des Kapitalverkehrs wurde jedoch die Richtlinie 88/361/EWG,1 die in ihrem Anhang eine ausdrücklich nicht abschließende Aufzählung der Vorgänge enthält, die unter den Kapitalverkehr fallen. Die Richtlinie bezog sich auf Art. 67 Euratom. Der EuGH2 greift auf das in der Nomenklatur zum Ausdruck gebrachte Verständnis jedoch auch heute noch zurück. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH3 hat der „Art. 73b EG-Vertrag [die primärrechtliche Folgevorschrift] im Wesentlichen den Inhalt des Art. 1 der Richtlinie 88/361 übernommen“. Geschützt werden nach der Richtlinie insbesondere auch Direktinvestitionen, z.B. Gründungen von und Beteiligungen an Unternehmen.4 Denn aus dem Anhang 1 zur Richtlinie ergibt sich, dass der freie Kapitalverkehr auch für Direktinvestitionen unter Einschluss der Beteiligung an neuen oder bereits bestehenden Unternehmen gilt.

3.124 Kongruenter Inhalt. Unstreitig ist, dass Art. 73b Abs. 1 EGV in Art. 57 Abs. 1 EG und heute in Art. 64 AEUV einen Nachfolger mit identischem Bedeutungsgehalt gefunden hat. Problematisch ist prima facie, dass heute Art. 64 AEUV wie zuvor Art. 57 Abs. 1 EG und Art. 73c EGV eine Einschränkung erlaubt. Nach der Vorschrift berührt Art. 63 AEUV als Zentralvorschrift der Kapitalverkehrsfreiheit nicht die Anwendung derjenigen Beschränkungen auf dritte Länder, die am 31.12.1993 aufgrund einzelstaatlicher oder gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten bestehen. Diskriminierungen nach Neuvorschriften sind dagegen unzulässig. c) Abgrenzung und Normenkonkurrenz

3.125 Nach Wortlaut Idealkonkurrenz. Der Gesetzeswortlaut lässt an sich den Schluss zu, dass die Niederlassungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit nicht in einem Exklusivitätsverhältnis stehen. Denn nach Art. 65 Abs. 2 AEUV (zuvor Art. 58 Abs. 2 EG) werden Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit nicht durch die Vorschriften über die Kapitalverkehrsfreiheit berührt. Die Aussage der Vorschrift ist offensichtlich: Wenn sich die Niederlassungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit überschneiden, dann sollen die Grenzen der Niederlassungsfreiheit gelten, sofern diese enger sind. Eine solche Regelung ergibt denklogisch nur Sinn, wenn sich die Schutzbereiche überschneiden. Diesem Verständnis entspricht es, wenn nach der Nomenklatur der Kapitalverkehrsrichtlinie auch die Gründung von Gesellschaften explizit geschützt ist, was zum Kernbereich des Niederlassungsrechts zählt. Damit liegt Idealkonkur1 Richtlinie 88/361/EWG, ABl. EG 1988 Nr. L 178, 5. 2 EuGH v. 16.3.1999 – C-222/97, ECLI:EU:C:1999:143 – Trummer und Mayer, ZIP 1999, 1301, Rz. 21. 3 Vgl. in diesem Sinne u.a. EuGH v. 16.3.1999 – C-222/97, ECLI:EU:C:1999:143 – Trummer und Mayer, ZIP 1999, 1301, Rz. 21; v. 5.3.2002 – C-515/99, C-519/99 bis C-524/99 und C526/99 bis C-540/99, ECLI:EU:C:2002:135 – Reisch u.a., EuZW 2002, 249, Rz. 30. 4 Vgl. insbesondere Ress/Ukrow in G/H, Art. 73b Rz. 23 (Stand: Oktober 1999).

178 | Sedemund

C. Die Grundfreiheiten als primärrechtliche Grundlage | Rz. 3.128 Kap. 3

renz nahe, für dieses Verständnis sprechen noch die Entscheidungen „X AB & Y AB“1 aus dem Jahre 1999, „Barbier“2 aus dem Jahre 2003 und „Bouanich“3 aus dem Jahre 2014. Abgrenzung nach aktueller EuGH-Rechtsprechung. Ausgehend von der Entscheidung, „Cadbury Schweppes“4 hat der EuGH eine Linie entwickelt, nach der die Niederlassungsfreiheit die Kapitalverkehrsfreiheit verdrängen kann, wenn eine wesentliche Beteiligung betroffen ist, die es ermöglicht, „einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen.“

3.126

Damit stellen sich für die Praxis zwei wesentliche Anschlussfragen:

3.127

1. Ist die Frage, ob eine wesentliche Beteiligung betroffen ist, normbezogen-abstrakt oder konkret fallbezogen zu lösen? 2. Wo liegt die Beteiligungsgrenze, ab der von einer wesentlichen Beteiligung auszugehen ist? Normbezogene versus Konkrete Betrachtungsweise. Die Linie des EuGH zu der ersten Richtungsfrage ist uneindeutig. In der Entscheidung „Marianne Scheunemann“5 scheint der EuGH normbezogen darauf abzustellen, ob sich aus dem nationalen Rechtsrahmen eine Einflussmöglichkeit ergibt. Die Entscheidung verwirrt besonders, da es um eine Beteiligungsschwelle nach § 13a ErbStG ging, der EuGH aber auf die Sperrminorität nach deutschem Gesellschaftsrecht abstellt – mit der Begründung könnte man im Übrigen bei entsprechender Flexibilität des Gesellschaftsrechts auch eine 1%-Beteiligung als wesentlich einstufen. Im Anschluss an die normbezogene Begründung stellt der EuGH den Anwendungsvorrang der Niederlassungsfreiheit mit dem Hinweis darauf fest, dass im entschiedenen Fall konkret eine Beteiligung von 100% betroffen war. In eine ähnliche Richtung ging bereits die Entscheidung, „Lasertec“.6 Anders ging der EuGH in der Entscheidung, „Stahlwerk Ergste Westig GmbH“7 nicht auf die Wesentlichkeitsregelung der nationalen Regelung, sondern nur auf die Beteiligungshöhe als solche ein, ebenso in der Entscheidung „Itelcar“.8 In der Entscheidung „Grønfeldt“9 prüft der EuGH nur die Kapitalverkehrsfreiheit, obwohl es um eine nach § 17 EStG „wesentliche Beteiligung“ ging. Rein normbezogen 1 EuGH v. 18.11.1999 – C-200/98, ECLI:EU:C:1999:566 – X und Y, FR 2000, 63, Rz. 30. 2 EuGH v. 11.12.2003 – C-364/01, ECLI:EU:C:2003:665 – Barbier, BFH/NV 2004, Beilage 2, 105. 3 EuGH v. 13.3.2014 – C-375/12, ECLI:EU:C:2014:138 – Bouanich, RIW 2014, 312, Rz. 88. 4 EuGH v. 12.9.2006 – C-196/04, ECLI:EU:C:2006:544 – Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, ABl. EU 2006 Nr. C 281, 5, Abs. 31 ff. der Entscheidungsgründe. 5 EuGH v. 19.7.2012 – C-31/11, ECLI:EU:C:2012:481 – Scheunemann, DB 2012, 1963. 6 EuGH v. 10.5.2007 – C-492/04, ECLI:EU:C:2007:273 – Lasertec, FR 2007, 692. 7 EuGH, Beschl. v. 6.11.2007 – C-415/06, ECLI:EU:C:2007:651 – Stahlwerk Ergste Westig, GmbHR 2008, 154, Abs. 16 der Entscheidungsgründe. 8 EuGH v. 3.10.2013 – C-282/12, ECLI:EU:C:2013:629 – Itelcar, GmbHR 2013, 1232, Abs. 15 ff. der Entscheidungsgründe. 9 EuGH v. 18.12.2007 – C-436/06, ECLI:EU:C:2007:820 – Grønfeldt, BFH/NV 2008, Beilage 2, 112.

Sedemund | 179

3.128

Kap. 3 Rz. 3.128 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

grenzt die 1. Kammer des EuGH wieder in der Entscheidung „Kronos International“1 ab. In der Entscheidung „Bouanich“2 deutet sich nach der 5. Kammer eines sachverhaltsbezogene Abgrenzung an: Entscheidend sei die tatsächliche Beherrschungsmöglichkeit im konkreten Sachverhalt. Insbesondere der BFH3 schließt aus „Kronos International“, dass bei Drittstaaten nur die normenbezogene Abgrenzung erfolgen soll. Noch weitergehend wird in der Literatur4 vertreten, dass die Abgrenzungsfrage in der Weise geklärt sei, dass im EU Sachverhalt zunächst eine normbezogene Prüfung und – wenn offen – dann beteiligungsbezogen durchzuführen sei. Im Drittstaatenfall sei nach einer normbezogenen Prüfung die Anwendung von Art. 63 AEUV möglich, wenn beteiligungsbezogen ein sicherer Einfluss besteht. M.E. ist bei derartigen Interpretation Vorsicht geboten, solange sich der EuGH nicht eindeutig im Plenum positioniert hat. Diese Erfahrung musste der BFH beispielsweise machen, als er 20175 mit Urteil v. 22.2.2017 – I R 2/15 auf die Rechtsprechung des EuGH zu finalen Verlusten reagierte, um schon 2018 in der von der Großen Kammer gefällten „Bevola“-Entscheidung zu erfahren, dass der EuGH seine vermeintliche Ansicht doch sehr einschränkend verstanden wissen möchte.6

3.129 Beherrschende Beteiligung. Auch nicht abschließend geklärt ist die zweite Frage, wann eine beherrschende Beteiligung vorliegt: In der Entscheidung „STEKO Industriemontage GmbH“7 prüfte der EuGH nur die Kapitalverkehrsfreiheit hinsichtlich eines Sachverhalts, bei dem die anzuwendende nationale Norm – hier nämlich der am 14.9.2000 geänderte § 8b KStG – eine Beteiligungsschwelle von 10 % etablierte und die tatsächliche streitgegenständliche Beteiligung auch nur bei unter 10 % lag. Es bleibt zu hoffen, dass der EuGH hier eine klare Linie finden wird, ein Ausweg könnte sein, eine in diesem Sinne wesentliche Beteiligung dann anzunehmen, wenn eine Vollkonsolidierung nach IFRS möglich ist.8 Nach der vorzitierten Entscheidung „Kronos International“ reichen 10 % noch nicht, 15 % nach der Entscheidung „EV“9 nicht zwingend. Selbst 20% bedeuten nicht zwangsläufig einen sicheren Einfluss.10 Generell ist davon auszugehen, dass es darauf ankommt, welche Einflussrechte im Einzelfall das einschlägige Recht vorsieht.11

1 EuGH v. 11.9.2014 – C-47/12 – ECLI:EU:C:2014:2200 – Kronos International, ISR 2014, 337. 2 EuGH v. 13.3.2014 – C-375/12, ECLI:EU:C:2014:138 – Bouanich, RIW 2014, 312. 3 BFH v. 24.7.2018 – I R 75/16, BStBl. II 2019, 806. 4 Desens in Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, § 1 UmwStG, Rz. 32. 5 BFH v. 22.2.2017 – I R 2/15, BStBl. II 2017, 709. 6 EuGH v. 12.6.2018 – C-650/16 – Bevola, Abl. EU 2018, Nr. C 276, 3 = FR 2018, 643 m. Anm. Schlücke. 7 EuGH v. 22.1.2009 – C-377/07, ECLI:EU:C:2009:29 – STEKO Industriemontage, BStBl. II 2011, 95. 8 Vgl. dazu im Einzelnen Sedemund/Laboranowitsch, DStZ 2008, 414. 9 EuGH v. 20.9.2018 – C-685/16, ECLI:EU:C:2018:743 – EV, Ubg 2018, 590; ähnlich v. 20.12.2017 – C-504/16, ECLI:EU:C:2017:1009 – Deister Holding, DStR 2018, 119. 10 EuGH v. 7.9.2017 – C-6/16 – Eqiom und Enka, BB 2017, 2340, Rz. 41. 11 Desens in Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, § 1 UmwStG, Rz. 34.

180 | Sedemund

C. Die Grundfreiheiten als primärrechtliche Grundlage | Rz. 3.132 Kap. 3

d) Erweiterungen des Schutzbereichs der Grundfreiheiten aa) Vorbemerkung Abgesehen von der Kapitalverkehrsfreiheit beschränkt sich die direkte Reichweite der Grundfreiheiten auf die EU. Häufig wird mit Blick auf die Schranke des Art. 63 Abs. 1 AEUV die Anwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit auf Drittstaatensachverhalte zweifelhaft sein. Es liegt daher nahe, nach einer Ausweitung der Rechtswirkung der Grundfreiheiten auf andere Art und Weise zu suchen. Hier bieten sich von ihrer Rechtsnatur und Wirkungsweise ganz unterschiedliche Regelungen an.

3.130

bb) Im Primärrecht angelegte direkte Ausdehnung des Schutzbereichs Die im Primärrecht direkte angelegte Ausdehnung des Schutzbereichs wurde insbesondere im Zusammenhang mit der Niederlassungsfreiheit bereits angesprochen: Unabhängig von der Zusammensetzung der Anteilseigner/Gesellschafter besteht eine selbstständige Grundfreiheitenberechtigung für europäische Gesellschaften. Investoren aus Drittstaaten bietet sich daher die Gründung solcher Rechtsformen an, um dadurch im Ergebnis selbst von den Grundfreiheiten profitieren zu können. Dogmatisch scheint sich die Frage anzuschließen, ob eine solche Gesellschaft in derselben Situation ist wie eine Rechtsform, die von in der EU ansässigen Personen gehalten wird. Wäre diese Frage zu verneinen, wäre a priori eine Diskriminierung mangels Vergleichbarkeit kein Eingriff. Davon auszugehen, dass die Zusammensetzung der Anteilseigner ein legitimes Differenzierungskriterium ist, welches eine Ungleichbehandlung rechtfertigt, wäre jedoch dogmatisch verfehlt. Denn unter Zugrundelegung dieser – verfehlten – Prämisse könnte eine Gesellschaft mit in Drittstaaten ansässigen Anteilseignern materiell niemals in den Genuss der Grundfreiheiten kommen, obwohl dies nach dem eindeutigen Wortlaut – insbesondere der Niederlassungsfreiheit – der Fall sein muss. Diese Erkenntnis lässt nur den Schluss zu, dass eine Gesellschaft mit Anteilseignern aus Drittstaaten denselben Schutz genießen muss wie die identische Rechtsform mit Anteilseignern, die in einem Mitgliedstaat ansässig sind. Eine andere Frage ist, ob eine EU-ausländische mit einer inländischen Rechtsform in einer vergleichbaren Lage ist. Diese Frage ist entscheidend dafür, ob eine unzulässige Diskriminierung vorliegt. Dies hat jedoch nichts mit der Zusammensetzung der Anteilseigner zu tun, sondern ist vielmehr eine Frage des Einzelfalls und wurde vom EuGH beispielsweise in der „Manninen“-Entscheidung1 für den Outbound Fall angenommen.

3.131

cc) Erstreckung auf den EWR Das EWR Abkommen. Am 2.5.1992 wurde zwischen der EG und der European Free Trade Association (EFTA) der Vertrag über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) geschlossen. Zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens am 1.1.1994 betraf das EWR Abkommen die damals zwölf Mitgliedsstaaten der EU und die EFTA Staaten Österreich, Finnland, Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz. Da die 1 EuGH v. 7.9.2004 – C-319/02, ECLI:EU:C:2004:484 – Manninen, GmbHR 2004, 1346.

Sedemund | 181

3.132

Kap. 3 Rz. 3.132 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

Schweiz das Abkommen bis heute nicht ratifizierte und Liechtenstein, Österreich, Finnland sowie Schweden der EU am 1.1.1995 beitraten, sind heute auf Seiten der EFTA nur noch Norwegen, Liechtenstein und Island betroffen.

3.133 Die EWR Grundfreiheiten. Das EFTA-Abkommen enthält Grundfreiheiten, die denen des AEUV entsprechend ausgestaltet sind. Der EuGH geht davon aus, dass diese Grundfreiheiten weitgehend denen des AEUV entsprechen und dehnt in aktueller Rechtsprechung1 den Schutz der Grundfreiheiten damit auf den EWR Raum aus. Ein vergleichbarer Schutzstandard wird allerdings nur erreicht, wenn der Amtshilferichtlinie vergleichbare Abkommen bestehen, da der EuGH ansonsten Eingriffe im weiteren Umfang aus Missbrauchserwägungen für zulässig hält. dd) Mittelbare Wirkung im Zusammenspiel mit DBA

3.134 Keine Meistbegünstigung. Eine mittelbare Wirkung der Grundfreiheiten kann sich auch aus einer Art Zusammenspiel von DBA und Grundfreiheiten ergeben. Die einfachste Lösung wäre, die Grundfreiheiten so zu interpretieren, dass steuerliche Privilegierungen, die sich aus einem bestimmten DBA ergeben, Wirkung für alle EU-Mitgliedstaaten entfalten. Leider hat der EuGH einem solchen Meistbegünstigungsverständnis in der Entscheidung „D“2 eine gründliche Absage erteilt. 3.135 Kein inhaltlicher Einfluss der Grundfreiheiten auf DBA. Eine andere Möglichkeit wäre, darauf abzustellen, dass EU-rechtliche Normen die DBA inhaltlich direkt beeinflussen.3 Der europarechtliche Bezug liegt in diesem Ansatz selbst. Allerdings können insoweit keine direkten Rechte für Staatsangehörige von Nicht-EU-Mitgliedstaaten abgeleitet werden, der Ansatz ist damit für die räumliche Schutzbereichsausdehnung nicht zielführend. Ohnehin verfolgt der EuGH diesen Ansatz nicht. 3.136 Einfluss über Antidiskriminierungsvorschriften im Einzelfall. Für die Praxis bleibt damit die Überlegung, ob aus DBA, die mit Drittstaaten abgeschlossen worden sind, mittelbar ein den Grundfreiheiten entsprechender Schutzstandard abgeleitet werden kann. Diesen Ansatz hat der BFH in der Tat in der „Delaware“-Entscheidung4 gewählt. In der Sache ging es um die Frage, ob eine doppelansässige deutsch-US amerikanische Kapitalgesellschaft Organträgerin sein konnte. Hier half dem BFH ein Verweis auf Art. 24 Abs. 4 DBA-USA, der Unternehmen, die von Anteilseignern im anderen Vertragsstaat beherrscht werden, die gleiche Behandlung zuspricht, wie solchen, deren Anteile Inländern gehören. Die Überlegung war vereinfacht,5 dass dann, wenn eine deutsche Tochtergesellschaft mit EU-ausländischer Muttergesellschaft sich auf die Grundfreiheiten des AEUV berufen kann, für eine deutsche Tochtergesellschaft einer US-amerikanischen Gesellschaft aufgrund des DBA-Diskriminierungs1 Vgl. EuGH v. 19.7.2012 – C-48/11, ECLI:EU:C:2012:485 – A, BB 2012, 1889, Abs. 15 der Entscheidungsgründe. 2 EuGH v. 5.7.2005 – C-376/03, ECLI:EU:C:2005:424 – D., BFH/NV 2005, Beilage 4, 337. 3 Dazu instruktiv Lehner, IStR 2001, 329 ff. 4 BFH v. 29.1.2003 – I R 6/99, BStBl. II 2004, 1043, GmbHR 2003, 722, FR 2003, 912. 5 Zu dem dogmatischen Hintergrund vgl. Sedemund, Europäisches Ertragsteuerrecht, 59.

182 | Sedemund

C. Die Grundfreiheiten als primärrechtliche Grundlage | Rz. 3.138 Kap. 3

schutzes nach Art. 24 Abs. 4 DBA-USA dasselbe gilt. Es ergab sich mittelbar derselbe Schutzstandard wie aufgrund der direkten Anwendbarkeit der Grundfreiheiten. Die Hoffnung, der BFH würde aus dem Diskriminierungsverbot nach DBA ganz allgemein den Grundsatz der Gleichbehandlung von Gesellschaften aus Drittländern mit EU-Gesellschaften folgern, hat sich nicht bestätigt. In einer noch in 2003 ergangenen Entscheidung1 hielt der BFH fest, dass weder das DBA-USA noch der Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen Deutschland und den USA ein (allgemeines) Meistbegünstigungsgebot des Inhalts enthalten, dass in den USA ansässige Personen unter ansonsten vergleichbaren Umständen nicht höher besteuert werden dürfen als in Deutschland oder im Gebiet der Europäischen Union Ansässige. Für die Praxis bedeutet dies, dass sich aus einer konkreten DBA-Norm die mittelbare Wirkung der Grundfreiheiten ergeben muss. 3. Eingriff Eingriff als Diskriminierung. Im Bereich der Grundfreiheiten setzt ein Verstoß gegen das Europarecht einen Eingriff voraus. Ein Eingriff liegt immer dann vor, wenn eine nationale Maßnahme EG-Ausländer im jeweiligen spezifischen Schutzbereich direkt benachteiligt.2 Auch versteckte oder mittelbare Diskriminierungen sind unzulässig.3 Diese sind anzunehmen, wenn das Differenzierungskriterium, auf dem die Ungleichbehandlung beruht, formalrechtlich nicht an die Staatsangehörigkeit anknüpft, in aller Regel jedoch nur bei Inländern erfüllt sein wird. Auch eine Diskriminierung ausländischer Niederlassungen eigener Staatsangehöriger durch den Herkunftsstaat oder einer nach dessen Recht gegründeten Gesellschaft wird als unvereinbar mit den Grundfreiheiten bewertet.4

3.137

Uneinheitliche Terminologie. Bezüglich der Voraussetzungen an einen Eingriff verwendet der EuGH keine einheitliche Terminologie. So spricht das Gericht etwa von einer Verletzung,5 Behinderung,6 Erschwernis7 oder Beschränkung8 der oder einem Verstoß9 gegen die Grundfreiheiten. Gemeint ist damit zunächst jede offene oder

3.138

1 BFH v. 19.11.2003 – I R 22/02, BStBl. II 2004, 560. 2 Vgl. etwa EuGH v. 14.2.1995 – C-279/93, ECLI:EU:C:1995:31 – Finanzamt Köln-Altstadt/ Schumacker, ABl. EG 1995 Nr. C 74, 1, Rz. 22. 3 EuGH v. 12.4.1994 – C-1/93, ECLI:EU:C:1994:127 – Halliburton Services/Staatssecretaris van Financiën, ABl. EG 1994 Nr. C 132, 1, Rz. 15. 4 EuGH v. 13.4.2000 – C-251/98, ECLI:EU:C:2000:205 – Baars, Rz. 28. 5 EuGH v. 8.5.1990 – C-175/88, ECLI:EU:C:1990 – Biehl/Administration des contributions, EuZW 1990, 284. 6 EuGH v. 15.12.1995 – C-415/93, ECLI:EU:C:1995:463 – Union royale belge des sociétés de football association u.a./Bosman u.a., NJW 1996, 505. 7 EuGH v. 28.4.1998 – C-118/96, ECLI:EU:C:1998:170 – Safir/Skattemyndigheten i Dalarnas län, FR 1998, 514, Rz. 23. 8 EuGH v. 28.1.1986 – C-270/83, ECLI:EU:C:1986:37 – Kommission/Frankreich, NJW 1987, 569, Rz. 14 für die Niederlassungsfreiheit; v. 28.1.1992 – C-204/90, ECLI:EU:C:1992:35 – Bachmann/Belgischer Staat, EuZW 1992, 215, Rz. 10 für die Arbeitnehmerfreizügigkeit. 9 EuGH v. 30.9.2003 – C-167-01, ECLI:EU:C:2003:512 – Inspire Art, GmbHR 2003, 1260, Rz. 62.

Sedemund | 183

Kap. 3 Rz. 3.138 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

versteckte Diskriminierung, die immer dann gegeben ist, wenn auf vergleichbare Sachverhalte unterschiedliche Regelungen Anwendung finden oder gleiche Regeln auf unterschiedliche Situationen.1 Entscheidend ist danach, ob die betroffene Konstellation sich von dem rein inländischen Sachverhalt im Tatbestand signifikant unterscheidet, mit anderen Worten objektive Unterschiede bestehen, die eine Andersbehandlung rechtfertigen.2

3.139 Beschränkung nicht ausreichend. In der Literatur3 wird darauf hingewiesen, dass alle Grundfreiheiten auch ein Beschränkungsverbot enthalten, welches eine unterschiedslose – also nicht diskriminierende – rechtliche oder tatsächliche Behinderung der Ausübung der Grundfreiheiten verbietet. Diese Sichtweise mag außerhalb des Steuerrechts ihre Berechtigung haben, im Bereich der direkten Steuern ist keine einzige Entscheidung ersichtlich, die bezüglich eines Eingriffs nicht auf eine Diskriminierung abstellt.4 3.140 Diskriminierungsbegriff. Wie eingangs bereits erwähnt wurde, ist der EuGH allerdings bei der Annahme einer Diskriminierung großzügig und sieht in der Regel die Situation ausländischer und inländischer Betriebsstätten und ausländischer und inländischer Tochtergesellschaften von inländischen oder umgekehrt ausländischen Muttergesellschaften als vergleichbar an.5 Doch auch hier gibt es keinesfalls Rechtsicherheit, nachdem der EuGH in den aktuellen Entscheidungen „Truck Center SA“6 und „Burda“7 unerwartet befunden hat, dass eine deutsche Gesellschaft mit ausländischer Muttergesellschaft sich nicht notwendigerweise in der gleichen Lage wie eine deutsche Gesellschaft mit inländischer Muttergesellschaft befindet.

1 EuGH v. 11.8.1995 – C-80/94, ECLI:EU:C:1995:271 – Wielockx/Inspecteur der directe belastingen, DB 1995, 2147, Rz. 17. 2 Vgl. EuGH v. 14.12.2000 – C-141/99 – ECLI:EU:C:2000:696 – AMID, BFH/NV 2001, Beilage 1, 1, Rz. 30. 3 Vgl. exemplarisch für das Gebiet des Steuerrechts Terra/Wattel, European Tax Law5, 33. 4 Vgl. im Einzelnen Sedemund, Europäisches Ertragsteuerrecht, 75 ff. 5 Vgl. exemplarisch EuGH v. 23.10.2008 – C-157/07, ECLI:EU:C:2008:588 – Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, BStBl. II 2009, 566, Rz. 29; v. 16.7.1998 – C-264/ 96, ECLI:EU:C:1998:370 – Imperial Chemical Industries/Colmer, IStR 1998, 467, Rz. 21; v. 6.12.2007 – C-298/05, ECLI:EU:C:2007:754 – Columbus Container Services, BFH/NV 2008, Beilage 2, 100, Rz. 33. In einem auf den ersten Blick merkwürdigen Kontrast hierzu steht lediglich das Urt. v. 22.12.2008 – C-282/07, ECLI:EU:C:2008:762 – Truck Center, Ubg 2009, 757, nach dem die Lage einer Tochtergesellschaft, die Dividenden an eine inländische Muttergesellschaft ausschüttet, nicht mit der Situation mit einer Tochtergesellschaft mit ausländischen Anteilseignern vergleichbar ist. Der Grund für diese Sichtweise ist wohl in der neuen dogmatischen Situation des EuGH zu sehen, dazu genauer unten Rz. 3.149 ff. 6 EuGH v. 22.12.2008 – C-282/07, ECLI:EU:C:2008:762 – Truck Center, Ubg 2009, 757. 7 EuGH v. 26.6.2008 – C-284/06, ECLI:EU:C:2008:365 – Burda, GmbHR 2008, 824, Abs. 83 der Entscheidungsgründe.

184 | Sedemund

C. Die Grundfreiheiten als primärrechtliche Grundlage | Rz. 3.144 Kap. 3

4. Rechtfertigung a) Vorbemerkung

3.141

Eingriffe in die Grundfreiheiten können gerechtfertigt sein. b) Legitimer Zweck aa) Vorbemerkung Explizite und implizite Rechtfertigungsaspekte. Erstes Rechtfertigungserfordernis eines Eingriffs ist stets das Vorliegen eines legitimen Zwecks. Der EuGH stellte schon in der wegweisenden Entscheidung „Cassis de Dijon“ fest, dass keine Beeinträchtigung vorliegt, wenn die einzelstaatliche Regelung notwendig sei, um „zwingenden Erfordernissen“ gerecht zu werden.1 Für den Bereich der Niederlassungsfreiheit enthält Art. 46 EG sogar eine positiv-rechtliche Schrankenregelung. Die Vorschrift sieht ausdrücklich vor, dass ausländische natürliche oder juristische Personen, welche von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen, Vorschriften des Gaststaates zu beachten haben, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit erforderlich sind. Zusammengefasst kann ein Eingriff immer dann gerechtfertigt sein, wenn ein legitimer Zweck verfolgt wird.

3.142

Steuerspezifische Rechtfertigungsaspekte. Im Steuerrecht existieren einige spezifische Rechtfertigungsaspekte,2 auf die der EuGH häufiger zurückgreift und die deshalb nachfolgend kurz vorgestellt werden sollen. Seit der Entscheidung „Lidl Belgium“3 dürfte feststehen, dass ein Rechtfertigungsgrund ausreichend ist und nicht mehrere übergeordnete Interessen parallel vorliegen müssen.4 Nachdem die Praxis hinsichtlich der inhaltlichen Reichweite der Rechtfertigungsaspekte schon Grundprinzipien erkannt zu haben glaubte, haben jüngere Entscheidungen des EuGH hier vermeintliche feste Rechtsgrundsätze aufgerissen.5 Im Folgenden soll – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – ein kurzer Überblick über die im Bereich der Steuern wesentlichen Rechtfertigungsgründe gegeben werden:

3.143

bb) Die gerechte Aufteilung des Steueraufkommens Erstmals in der Entscheidung „Marks & Spencer“6 wurde dieser Rechtfertigungsaspekt in den Fokus des Interesses der Praktiker gerückt. Nach bis dahin ständiger Rechtsprechung des EuGH waren fiskalische Interessen der Mitgliedstaaten unerheb1 EuGH v. 20.2.1979 – C-120/78, ECLI:EU:C:1979:42 – Rewe/Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, NJW 1979, 1766, Rz. 8. 2 Zu spezifischen steuerlichen Rechtfertigungsaspekten vgl. ausführlich Sedemund, Europäisches Ertragsteuerrecht, 79 ff. 3 EuGH v. 15.5.2008 – C-414/06, ECLI:EU:C:2008:278 – Lidl Belgium, FR 2008, 831. 4 Ebenso Weber-Grellet, DStR 2009, 1229 (1230). 5 Wagner, Der Konzern 2009, 235 bezeichnet die diesbezügliche EuGH-Rechtsprechung zu Recht als verwirrend. 6 EuGH v. 13.12.2005 – C-446/03, ECLI:EU:C:2005:763 – Marks & Spencer, ABl. EU 2006 Nr. C 36, 5.

Sedemund | 185

3.144

Kap. 3 Rz. 3.144 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

lich.1 Es ist jedoch schwerlich denkbar, dass andere Interessen bei einer Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse betroffen sind. In der faktischen Auswirkung muss daher von nun an davon ausgegangen werden, dass der EuGH fiskalische Interessen zumindest dann akzeptieren wird, wenn es zu einer systeminkongruenten Verschiebung von Steuerbefugnissen kommt. Letztlich hat der EuGH in der Entscheidung „Marks & Spencer“ die Rechtfertigung des Eingriffs auf Ebene der Verhältnismäßigkeit scheitern lassen, diese Tendenz hat sich in weiteren Entscheidungen fortgesetzt. cc) Verhinderung von Missbrauch und Steuerflucht

3.145 Auch hier ist die Terminologie nicht einheitlich. Erörtert werden als Rechtfertigungsaspekte in diesem Kontext die Verhinderung missbräuchlicher Steuergestaltungen, die Bekämpfung der Steuerumgehung, die mehrfache Inanspruchnahme von Steuervorteilen und die Steuerfluchtgefahr.2 In diesem Zusammenhang zu nennen ist auch das Ziel, der Gefahr einer doppelten Verlustberücksichtigung („Double Dip“) vorzubeugen.3 3.146 Standortwahl. Zu beachten ist, dass nach Auffassung des EuGH die bewusste auch steuerlich motivierte Standortwahl innerhalb Europas keinen Missbrauch darstellt. So ist nach Auffassung des EuGH4 etwa eine Hinzurechnungsbesteuerung nur dann gemeinschaftskonform, wenn sie sich auf reine Briefkastengesellschaften beschränkt, die keine wirtschaftliche Funktion haben. Wo hier genau die Grenzen verlaufen, ist derzeit nicht abschließend geklärt. dd) Streben nach Wirksamkeit steuerlicher Kontrolle

3.147 Wagner5 weist zu Recht darauf hin, dass dieser Rechtfertigungsaspekt vom EuGH seit Langem anerkannt, aber praktisch als Rechtfertigungsaspekt nicht brauchbar war. Denn der EuGH hatte in diesbezüglichen Entscheidungen stets auf die Amtshilferichtlinie verwiesen und befunden, dass selbst dann, wenn nationale Vorschriften einer Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Sinne der Richtlinie entgegenstehen (was nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie zulässig ist), ein Eingriff aufgrund des Bestrebens nach effektiver steuerlicher Kontrolle nicht gerechtfertigt sei.6 Nach Meinung des Gerichts hindere die entsprechenden Behörden nichts daran, von dem Betroffenen die wie in einem vergleichbaren Inlandssachverhalt für erforderlich gehaltenen Belege zu verlangen und von dieser Vorlage die Inanspruchnahme der Vergünstigung abhängig zu machen. In aktueller Rechtsprechung vollzieht der EuGH jedoch eine 1 Vgl. zuletzt ausdrücklich EuGH v. 7.9.2004 – C-319/02, ECLI:EU:C:2004:484 – Manninen, GmbHR 2004, 1346, Rz. 49. 2 Vgl. Weber-Grellet, DStR 2009, 1229 (1234). 3 Vgl. Musil, DB 2009, 1037 (1042). 4 EuGH v. 12.9.2006 – C-196/04, ECLI:EU:C:2006:544 – Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, ABl. EU 2006 Nr. C 281, 5, Rz. 65. 5 Wagner, Der Konzern 2009, 235 (236). 6 EuGH v. 28.1.1992 – C-300/90, ECLI:EU:C:1992:37 – Kommission/Belgien, EuZW 1992, 217 (218 f.), Rz. 13.

186 | Sedemund

C. Die Grundfreiheiten als primärrechtliche Grundlage | Rz. 3.149 Kap. 3

180-Grad-Wende und kommt nunmehr zu dem Ergebnis, dass eine Diskriminierung aufgrund der Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle zulässig sein kann, weil „ein Mitgliedstaat unbeschadet gegebenenfalls anwendbarer gemeinschaftsrechtlicher Harmonisierungsvorschriften nicht verpflichtet werden kann, seine Regelung der steuerlichen Überwachung je nach der speziellen Situation in jedem einzelnen anderen Mitgliedstaat oder Drittstaat auszurichten.“1 ee) Steuerliche Kohärenz, Territorialitätsprinzip und Symmetrieerwägungen Das Prinzip der steuerlichen Kohärenz bedeutet in seinem ursprünglichen Bedeutungsgehalt nichts anderes als eine im Gesamtergebnis steuerliche Gleichbehandlung von Steuerinländern und Steuerausländern im Rahmen einer homogenen Steuerordnung. Als Rechtfertigungsaspekt wurde das Prinzip der steuerlichen Kohärenz erstmals ausführlich in zwei Entscheidungen des EuGH aus dem Jahre 19922 behandelt. Im Laufe der Jahre hat sich als Kernprinzip herausgeprägt, dass die Versagung einer steuerlichen Vergünstigung nur dann gerechtfertigt werden kann, wenn der Betroffene aufgrund eines korrelierenden Effekts entlastet wird. Dies kann entweder in der Weise geschehen, dass ihm an einer anderen Stelle der Steuerordnung ein expliziter Vorteil gewährt wird. Denkbar ist auch, ein kompensierendes Regulativ dadurch herzustellen, dass der Betroffene nicht unter den Tatbestand einer zusammenhängenden Belastungsregelung fällt. Weiter ist erforderlich, dass zwischen belastendem Effekt und ausgleichendem Vorteil ein enger und unmittelbarer Zusammenhang besteht.3 Weber-Grellet4 ist darin zuzustimmen, dass das so genannte Korrespondenz- und Symmetrieprinzip und der Territorialitätsgrundsatz letztlich ein Ausdruck der steuerlichen Kohärenz sind und damit kein eigentlich eigenständiger Rechtfertigungsaspekt.

3.148

Als Rechtfertigungsaspekt hatte die steuerliche Kohärenz fast schon ausgelebt. Eine unerwartete Renaissance erlebte sie mit der Entscheidung „Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt GmbH“.5 Vereinfacht ausgedrückt ging es in dieser Entscheidung um die Wirkung von § 2a Abs. 3 EStG respektive dessen Vorläufernorm. Der EuGH befand hierzu, dass die vorgesehene Hinzurechnung der Verluste nicht von der vorangegangenen Berücksichtigung dieser Verluste getrennt werden dürfe. Diese Hinzurechnung folge nämlich einer spiegelbildlichen Logik. Somit bestehe ein direkter, persönlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen den beiden Komponenten der im Ausgangsverfahren streitigen Steuerregelung. Folglich sei die

3.149

1 So ausdrücklich EuGH v. 11.6.2009 – C-155/08 und C-157/08, ECLI:EU:C:2009:368 – X und Passenheim-van Schoot, BFH/NV 2009, 1352. 2 EuGH v. 28.1.1992 – C-204/90, ECLI:EU:C:1992:35 – Bachmann/Belgischer Staat, EuZW 1992, 215; Urt. v. 28.1.1992 – C-300/90, ECLI:EU:C:1992:37 – Kommission/Belgien, EuZW 1992, 217. 3 So noch EuGH v. 22.1.2009 – C-377/07, ECLI:EU:C:2009:29 – STEKO Industriemontage, BStBl. II 2011, 95. 4 Weber-Grellet, DStR 2009, 1229 (1231). 5 EuGH v. 23.10.2008 – C-157/07, ECLI:EU:C:2008:588 – Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, BStBl. II 2009, 566.

Sedemund | 187

Kap. 3 Rz. 3.149 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

Beschränkung, die sich aus dieser Hinzurechnung ergibt, durch das Erfordernis, die Kohärenz des deutschen Steuersystems zu gewährleisten, gerechtfertigt. Ohne nähere Begründung sah der EuGH auch das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit gewahrt, der Kläger des Ausgangsverfahrens musste damit die doppelte Besteuerung seiner Einkünfte hinnehmen, die zugrunde liegende tiefergehende Dogmatik der Entscheidung wird sogleich erörtert. c) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

3.150 Als Schranken-Schranke gilt nach der Rechtsprechung des EuGH1 ähnlich wie im deutschen Verfassungsrecht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Ein Eingriff kann danach nur gerechtfertigt sein, wenn er geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne ist. VI. Auswirkungen eines Verstoßes gegen die Grundfreiheiten im Internationalen Steuerrecht

3.151 Auslegungshoheit bezüglich nationaler Vorschriften. Soweit eine nationale Norm unbestimmte Begriffe auf der Tatbestandsebene oder Ermessensspielräume auf der Rechtsfolgenseite enthält, bleibt zunächst offen, ob sie EU-konform sind. Einen Inhalt, der gegen die Grundfreiheiten verstößt, bekommt die Vorschrift erst durch Auslegung. Die Auslegung nationaler Vorschriften ist grundsätzlich Sache der nationalen Gerichte. Daher entscheidet der EuGH im Vorabentscheidungsverfahren auch darüber, ob eine Norm in der Interpretation durch die nationalen Gerichte gegen die Verträge verstößt. Soweit dies der Fall ist, setzt aber nicht als zwangsläufige Folge der oben erwähnte Verdrängungsmechanismus ein. Der elegantere Weg ist der der „EUkonformen Auslegung“ des nationalen Rechts. Dies bedeutet nichts anderes, als Inhalte und Wertungen des Gemeinschaftsrechts – und damit auch die inhaltsausfüllenden Entscheidungen des EuGH – bei der Norminterpretation vorrangig anzuwenden. Vice versa ist eine nationale Vorschrift, soweit sie inhaltlich einen Interpretationsspielraum eröffnet, so auszulegen, dass sie EU-Recht entspricht. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die aktuelle Rechtsprechung des BGH, nach der der Wortlaut von Umsetzungsvorschriften keine starre Grenze der richtlinienkonformen Auslegung bildet;2 danach ist eine denkbar weite europarechtskonforme Auslegung möglich – offensichtlich auch gegen den Wortlaut der Norm. 3.152 Unanwendbarkeit EU-widriger Vorschriften. Soweit eine nationale Vorschrift nicht EU-konform interpretiert werden kann, und daher mit den Grundfreiheiten nicht vereinbar ist, kommt eine Anwendung dieser Vorschrift nicht in Betracht. Für den Geltungsbereich des EU-Rechts ist die Anwendung der Vorschrift aufgrund der vom EuGH festgestellten Unvereinbarkeit mit den Grundfreiheiten ausgeschlossen. Diese Wirkung der Grundfreiheiten darf nicht im Sinne einer Verwerfungskompetenz des EuGH hinsichtlich nationaler Rechtsvorschriften missverstanden werden. Der EuGH 1 Vgl. für die Niederlassungsfreiheit EuGH v. 12.7.1984 – C 107/83, ECLI:EU:C:1984:270 – Ordre des avocats au barreau de Paris/Klopp. 2 BGH v. 26.11.2008 – VIII ZR 200/05, NJW 2009, 427, dazu Pfeiffer, NJW 2009, 402.

188 | Sedemund

C. Die Grundfreiheiten als primärrechtliche Grundlage | Rz. 3.155 Kap. 3

kann also keine Normen des nationalen Rechts außer Kraft setzen.1 Anders als nach der Systematik des deutschen Verfassungsrechts, nach der eine Norm, die gegen höherrangiges Recht verstößt, nichtig ist, wird die EU-inkompatible nationale Vorschrift für den Geltungsbereich des AEUV lediglich verdrängt. Damit bleibt sie – vorbehaltlich der Vereinbarkeit mit anderweitigem höherrangigem oder speziellerem Recht – auf Sachverhalte, die keinen EU-rechtlichen Bezug haben, grundsätzlich anwendbar. VII. Zeitlicher Geltungsbereich 1. Vorbemerkung Ex-Tunc Wirkung von EuGH Urteilen. Grundsätzlich beschränkt sich die Auslegung einer Vorschrift durch den EuGH darauf, zu erläutern und zu verdeutlichen, in welchem Sinne und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre. Daraus folgt, dass die Gerichte die Vorschrift in dieser Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse, die vor Erlass des auf das Ersuchen um Auslegung ergangenen Urteils entstanden sind, anwenden können und müssen, wenn alle sonstigen Voraussetzungen für die Anrufung der zuständigen Gerichte in einem die Anwendung dieser Vorschrift betreffenden Streit vorliegen. Dies bedeutet, dass die Entscheidungen des EuGH, die im Ergebnis ja nur die Grundfreiheiten auslegen, auf alle Zeiträume Anwendung finden, für welche die Grundfreiheiten gelten. Abzugrenzen ist daher zunächst, ab wann die jeweilige Grundfreiheit in welcher Form Anwendung findet. Darüber hinaus beschränkt der EuGH die zeitliche Wirkung der Grundfreiheiten in bestimmten Fällen.

3.153

2. Grundsätzlicher Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Grundfreiheiten Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes. Wie oben Rz. 3.105 bereits ausgeführt wurde, regelte Art. 8 EWGV2 für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft die dreistufige Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes, die am 31.12.1969 mit Vollendung der dritten Stufe endete. Der Ablauf der Übergangszeit war nach Art. 8 Abs. 7 EWGV der Endtermin für das Wirksamwerden aller Maßnahmen, die zur Errichtung des Gemeinsamen Marktes gehörten. Dazu gehörte insbesondere die Herstellung der vier Grundfreiheiten – bereits damals war dies der freie Waren-, Personen, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr.3

3.154

Regelung der Grundfreiheiten. Die Grundfreiheiten waren zunächst im EWGV geregelt, ab dem 1.1.1994 im EGV enthalten und haben nach der Neunummerierung durch den ab dem 1.5.1999 geltenden Amsterdamer Vertrag im EG ihre jetzige Fassung durch den Vertrag von Lissabon gefunden.4

3.155

1 Thömmes, StBJb 1998/99, 173 (177). 2 EWGV steht für Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft v. 25.3.1957. 3 Vgl. Art. 3 Buchst. a und c EWGV. 4 Vgl. im Einzelnen zur Historie oben Rz. 3.11 ff.

Sedemund | 189

Kap. 3 Rz. 3.156 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

3.156 Bedeutungskongruenz der Grundfreiheiten. Zumindest auf den ersten Blick könnte man unter Bezug auf den teilweise im Laufe der Zeit leicht modifizierten Wortlaut überlegen, ob sich die Grundfreiheiten in allen drei Vertragsvarianten immer inhaltlich entsprochen haben. Andernfalls würde für den jeweiligen Geltungszeitraum die spezifische Grundfreiheit mit einem spezifischen Bedeutungsinhalt gelten. Bis auf die Kapitalverkehrsfreiheit geht der EuGH jedoch davon aus, dass die Grundfreiheiten stets den identischen Bedeutungsinhalt hatten. 3.157 Versetzte Wirksamkeit der Kapitalverkehrsfreiheit. Die unmittelbare Wirkung der Kapitalverkehrsfreiheit wurde dagegen nur schrittweise anerkannt. Die Ursprungsfassung in Art. 67 Abs. 1 EWGV wurde zunächst als bloßer Programmsatz begriffen.1 Mit der Einheitlichen Europäischen Akte vom 28.2.19862 wurde ein neuer Art. 8a EWGV eingeführt, der die Realisierung des Binnenmarktes bis zum 31.12.1992 vorsah. In diesem Zusammenhang ist die Kapitalverkehrsrichtlinie aus dem Jahre 19883 zu sehen. Diese Richtlinie erfasst mit dem erklärten Ziel, die Verwirklichung des freien Kapitalverkehrs zu erleichtern, in ihrem Anhang I eine nicht abschließende Nomenklatur für den Kapitalverkehr. Diese Nomenklatur enthält dreizehn Rubriken. Im Jahre 1995 befand der EuGH die Richtlinie für unmittelbar anwendbar und folgerte daraus eine völlige Liberalisierung des Kapitalverkehrs,4 was rechtslogisch die unmittelbare Anwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit bedeutete. Nach ihrem Art. 6 hatten die Mitgliedstaaten die Richtlinie bis zum 1.6.1990 umzusetzen. Daraus wird man den Schluss ziehen dürfen, dass ab diesem Datum eine unmittelbare Geltung der Kapitalverkehrsfreiheit anzunehmen ist. Soweit Personen aus Drittstaaten betroffen sind, enthält die Kapitalverkehrsfreiheit seit Art. 57 Abs. 1 EG eine eigene zeitliche Schranke. 3.158 Als Ergebnis wird man festhalten dürfen, dass die Kapitalverkehrsfreiheit seit Inkrafttreten der Kapitalverkehrsrichtlinie materiell identisch unmittelbare Wirkung entfaltet. Der personelle und räumliche Schutzbereich entfaltet – insbesondere mit Blick auf Drittstaaten – möglicherweise jedoch erst ab dem 1.1.1994 volle Wirkung. 3. Versetzte Wirkung für später beigetretene Mitgliedstaaten

3.159 Nur aus Gründen der Vollständigkeit soll erwähnt werden, dass eine Wirkung der Grundfreiheiten in den Mitgliedstaaten erst mit Beitritt zur EU einsetzt. Eine retroaktive Wirkung der Grundfreiheiten wird – soweit ersichtlich – nicht erörtert. Ein polnischer Staatsbürger könnte sich demnach nicht gegenüber dem Staat Polen für einen Fall auf die Niederlassungsfreiheit berufen, dem ein Sachverhalt aus dem Jahr 2000 zugrunde liegt, also vor dem Beitritt Polens zur EU.

1 2 3 4

Vgl. insbesondere Ress/Ukrow in G/H, Art. 73b Rz. 23 (Stand: Oktober 1999). ABl. EG 1987 Nr. L 169, 1. Richtlinie 8/361/EWG v. 24.6.1988, ABl. EG 1988 Nr. L 178, 5. EuGH v. 23.2.1995 – C-358/93, C-416/93, ECLI:EU:C:1995:54 – Bordessa und Mari Mellado, JZ 1995, 1007, Rz. 17 und 35.

190 | Sedemund

C. Die Grundfreiheiten als primärrechtliche Grundlage | Rz. 3.164 Kap. 3

4. Beschränkte Rückwirkung der Grundfreiheiten nur im Ausnahmefall

Beschränkte Rückwirkung. Obwohl die Grundfreiheiten grundsätzlich für alle Sachverhalte gelten, die zeitlich nach dem Inkrafttreten der Grundfreiheiten liegen, nimmt der EuGH unter gewissen Umständen eine zeitlich beschränkte Wirkung seiner Urteile an. Das bedeutet im Ergebnis, dass die Wirkungen, die sich aufgrund der Grundfreiheiten eigentlich spätestens ab Ablauf der Übergangsfrist ergeben müssten, nicht für alle Schutzberechtigten ab diesem Zeitpunkt gelten. Die bisherige Rechtsprechung des EuGH ist bei der Annahme einer solchen zeitlichen Begrenzung von Urteilen sehr zurückhaltend und geht jedenfalls davon aus, dass für alle Fälle, die nach der Verkündung des entsprechenden Urteils liegen, eine unmittelbare Wirkung einsetzt. Der EuGH kennt also keine Umsetzungsfristen, wie sie das BVerfG gerade im steuerlichen Bereich zur Beseitigung verfassungswidriger Steuerfristen zunehmend häufiger statuiert.

3.160

Anordnung der beschränkten Rückwirkung. Um an dieser Stelle einem möglichen dogmatischen Missverständnis vorzubeugen, sei auf folgenden Umstand hingewiesen: Die hier beschriebene zeitlich begrenzte Wirkung der Grundfreiheiten ist eine originär europarechtliche, die in der jeweiligen Entscheidung des EuGH explizit angeordnet wird. Schweigt die Entscheidung zu dieser Thematik, ist ohne Weiteres davon auszugehen, dass eine zeitliche Beschränkung nicht eingreift.

3.161

Ausschlussfristen nach nationalem Verfahrensrecht. Davon ist die verfahrensrechtliche Situation in Deutschland zu trennen, aus der sich ebenfalls ergeben kann, dass die Grundfreiheiten aus formellen Gründen (Fristversäumnis etc.) nicht geltend gemacht werden können.

3.162

Nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH kommt eine zeitlich beschränkte Wirkung nur dann in Betracht, wenn ein Mitgliedstaat darauf vertrauen durfte, dass eine bestimmte nationale Rechtsvorschrift nicht gegen die Grundfreiheiten verstößt. Des Weiteren ist eine Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen für den betroffenen Mitgliedstaat erforderlich. Die Entscheidung „Bidar“1 verdeutlicht, dass der EuGH hier sehr hohe Anforderungen stellt und die Beweislast eindeutig beim Mitgliedstaat sieht.

3.163

Objektive und bedeutende Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite der Gemeinschaftsbestimmungen. Des Weiteren muss eine objektive und bedeutende Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite der Gemeinschaftsbestimmungen bestanden haben, welche die nationalen Behörden zu einem mit der Gemeinschaftsregelung unvereinbaren Verhalten veranlasst hat. Gemeint ist damit, dass EU-Organe zurechenbar den Rechtsschein gesetzt haben müssen, dass ein objektiv EG-rechtswidriges Verhalten eines Mitgliedstaates mit den Grundrechten vereinbar ist. Nach dem EuGH ist eine beschränkte Rückwirkung also nur zulässig, wenn der Mitgliedstaat auf die EU-Verträglichkeit seiner nationalen Regelung vertrauen durfte. Deutlich wird diese Sichtweise in der Entscheidung „Meilicke“.2

3.164

1 EuGH v. 15.3.2005 – C-209/03, ECLI:EU:C:2005:169 – Bidar. 2 Vgl. dazu Meilicke/Sedemund, DB 2005, 2040 und Sedemund, IStR 2005, 814 sowie Balmes/Ribbrock, BB 2006, 17 ff.

Sedemund | 191

Kap. 3 Rz. 3.165 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

D. Spannungsfelder zwischen Europarecht und deutschem Umwandlungssteuerrecht I. Vorbemerkung

3.165 Diskriminierungsverbot der Grundfreiheiten. Die Wirkungsweise der Grundfreiheiten besteht im Ergebnis in einem Diskriminierungsverbot. Wann immer sich eine entsprechende Schlechterstellung internationaler Sachverhalte im deutschen Umwandlungssteuerrecht identifizieren lässt, liegt ein Verstoß gegen Europarecht nahe. 3.166 Verbindliche Vorgaben der Fusionsrichtlinie. Die Wirkungen der Fusionsrichtlinie gehen noch weiter, da die entsprechenden Vorschriften über ein Diskriminierungsverbot hinaus verbindlich festlegen, welche internationalen Umwandlungen steuerlich zu privilegieren sind. Für die Tragweite der Fusionsrichtlinie ist dabei wichtig, dass nach Auffassung des EuGH grundsätzlich kein Spielraum dafür besteht, die von der Fusionsrichtlinie geschützten Vorgänge von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig zu machen.1 Entscheidend ist für den EuGH das Ziel, steuerliche Hindernisse für grenzüberschreitende Unternehmensumstrukturierungen zu beseitigen, indem sichergestellt wird, dass etwaige Wertzuwächse von Anteilen nicht vor ihrer tatsächlichen Realisierung besteuert werden.2 In diesem Kontext ist zu betonen, dass nach Ansicht des EuGH nicht die Möglichkeit besteht, erschwerende Anforderungen im nationalen Steuerrecht mit der Verhinderung von steuerlichem Missbrauch zu begründen. Denn bei der Prüfung, ob der beabsichtigte Vorgang einen solchen Beweggrund hat, können sich die zuständigen nationalen Behörden nicht darauf beschränken, vorgegebene allgemeine Kriterien anzuwenden; sie müssen vielmehr eine globale Untersuchung jedes Einzelfalls vornehmen.3 Im Ergebnis können damit erschwerende Anforderungen nicht pauschal als allgemeine steuerliche Vorschrift eingeführt werden. 3.167 Im Folgenden werden daher – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – wesentliche Vorschriften beleuchtet, deren Vereinbarkeit mit europarechtlichen Vorgaben nicht unkritisch erscheint. II. § 1 UmwStG: Beschränkter Katalog begünstigter Vorgänge

3.168 § 1 UmwStG enthält eine abschließende Aufzählung der vom UmwStG erfassten Umwandlungsarten und verweist dabei in Abs. 1 Nr. 1 und 2 sowie Abs. 3 Nr. 1, 2 und 3 auch auf „vergleichbare ausländische Vorgänge“. Da der steuerliche Fusionsbegriff wie ausgeführt insbesondere unter Berücksichtigung der Grundfreiheiten denkbar weit zu verstehen ist4 und eine Anknüpfung – trotz teilweise überschneidender Tatbestandsvoraussetzungen – an gesellschaftsrechtlichen Vorgaben nicht besteht, muss 1 EuGH v. 11.12.2008 – C-285/07, ECLI:EU:C:2008:705 – A.T., BStBl. II 2009, 940, Leitsatz und folgende Abs. 26 der Entscheidungsgründe. 2 EuGH v. 5.7.2007 – C-321/05, ECLI:EU:C:2007:408 – Kofoed, GmbHR 2007, 880, Rz. 32. 3 EuGH v. 17.7.1996 – C 28/95, ECLI:EU:C:1997:369 – Leur-Bloem/Inspecteur der Belastingdienst/Ondernemingen Amsterdam 2, FR 1997, 685, Rz. 40. 4 Vgl. oben Rz. 3.100 ff.

192 | Sedemund

D. Spannungsfelder Europarecht vs. dt. UmwStR | Rz. 3.171 Kap. 3

auch § 1 UmwStG entsprechend weit verstanden werden, um mit den europäischen Vorgaben vereinbar zu sein. Die explizite und über den Wortlaut der Fusionsrichtlinie hinausgehende Erweiterung auf den EWR-Raum in Abs. 3 deutet ein großzügiges Verständnis an, die weitere Entwicklung bleibt insbesondere mit Blick auf Drittstaatenkonstellation allerdings abzuwarten.1 Die bisherige räumliche Begrenzung in § 1 Abs. 2 UmwStG für die §§ 3-19 UmwStG auf EU/EWR-ansässige Gesellschaften wurde diesem Gedanken Rechnung tragend durch das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts vom 25.6.20212 ersatzlos gestrichen. Die persönliche Anwendbarkeit des UmwStG für die §§ 3-19 UmwStG wurde damit auch auf Gesellschaften sowie natürliche Personen – als übernehmende Rechtsträger – mit Ansässigkeit in einem Drittstaat ausgedehnt. Die Rechtslage ist insoweit vergleichbar derjenigen bei Einbringungen in Personengesellschaften nach § 24 UmwStG, bei denen bereits heute keinerlei Einschränkungen bei der persönlichen Anwendbarkeit besteht.3 Mit Blick auf die Fusionsrichtlinie kritisch zu sehen ist, dass Abs. 4 die Begünstigungen nach Abs. 3 davon abhängig macht, dass kumulativ Sitz und Ort der Geschäftsleitung innerhalb des Hoheitsgebiets liegen müssen.4 Denn Art. 3 der Fusionsrichtlinie setzt lediglich die steuerliche Ansässigkeit in einem Mitgliedstaat der EU voraus.

3.169

III. § 2 Abs. 1 UmwStG: Steuerliche Rückwirkung § 2 Abs. 1 UmwStG erlaubt eine steuerliche Rückwirkung, die im Interesse des Steuerpflichtigen ist und damit prinzipiell europarechtlich keinen Bedenken begegnet. Als europarechtlich bedenklich erweist sich die Vorschrift nur dann, wenn sie in der Weise interpretiert wird, dass zum Rückwirkungsstichtag bestimmte Attribute, insbesondere etwa ein zu übertragender Teilbetrieb, vorliegen müssen.5 Denn dieses Erfordernis lässt sich der Fusionsrichtlinie nicht entnehmen.6

3.170

IV. § 3 Abs. 2 UmwStG: Erfordernis der Steuerverstrickung § 3 Abs. 2 UmwStG macht die Steuerneutralität der Vermögensübertragung abhängig von der Steuerverhaftung in Deutschland. Der EuGH7 hat – insbesondere im Kontext 1 Vgl. hierzu auch Birkemeyer in R/H/vL, § 3 UmwStG Rz. 13, der zutreffend darauf hinweist, dass mit Blick auf die Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit weitere Anforderungen – wie etwa ein Typenvergleich – nicht gestellt werden dürfen. Der Typenvergleich ist jedoch zulässigerweise durchzuführen für die Frage, welcher Teil des UmwStG auf die Umwandlung anzuwenden ist. Ähnlich auch Hahn, Ubg 2012, 738. 2 BGBl. I 2021, 2050. Hierzu ausführlich Holle/Krüger/Weiss, IStR 2021, 489. 3 So zutreffend Holle/Krüger/Weiss, IStR 2021, 489. 4 Vgl. Mückl in BeckOK UmwStG, § 1 UmwStG, Rz. 342 m.w.N. (Stand: 1.10.2022). 5 So etwa UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 20.14 für die Einbringung nach § 20 UmwStG. 6 A.A. Desens in Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, § 2 mit dem Argument, dass sich der Richtlinie kein Hinweis auf eine Rückwirkung befände und der nationale Gesetzgeber hinsichtlich der Anforderungen damit Spielraum habe. 7 Vgl. EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10, ECLI:EU:C:2011:785 – National Grid Indus, FR 2012, 25.

Sedemund | 193

3.171

Kap. 3 Rz. 3.171 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

außensteuerlicher Vorschriften – betont, dass auch im Fall der Steuerentstrickung eine sofortige Besteuerung ohne Realisationsvorgang einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten enthalten kann. Diesen Gedanken kann man ohne Weiteres auf das Erfordernis des § 3 Abs. 2 übertragen: Unabhängig von den Vorgaben der Fusionsrichtlinie erscheint es bedenklich, die Steuerneutralität einer Verschmelzung von der Verstrickung der übertragenen Wirtschaftsgüter in Deutschland abhängig zu machen.1 Ein milderes Mittel ist die Steuerstundung und Besteuerung bei einer tatsächlichen späteren Veräußerung. V. § 11 Abs. 1 UmwStG: Kein Buchwertprivileg bei Abwärtsverschmelzung mit ausländischer Anteilseignerin?

3.172 Nach Auffassung des BFH2 kann die Verschmelzung einer Mutterkapitalgesellschaft, deren Anteilseignerin im Ausland ansässig ist, auf ihre Tochtergesellschaft (Abwärtsverschmelzung) nur dann ohne Aufdeckung stiller Reserven vollzogen werden, wenn die Besteuerung der stillen Reserven der Muttergesellschaft sichergestellt ist. Denn die Fusionsrichtlinie vermittele keine Schutzwirkung gegen eine Besteuerung der stillen Reserven in den Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft. Dies kann im Ergebnis wohl offen gelassen werden, da zu Recht darauf hingewiesen wird,3 dass darin jedenfalls ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten vorläge. Der EuGH hat sich – soweit ersichtlich – mit dieser Frage noch nicht befasst. VI. § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG: Erfordernis der Steuerverstrickung

3.173 Auf die Ausführungen oben zu § 3 Abs. 2 UmwStG kann verwiesen werden. Unabhängig von den Vorgaben der Fusionsrichtlinie erscheint es bedenklich, die Steuerneutralität einer Verschmelzung von der Verstrickung der übertragenen Wirtschaftsgüter in Deutschland abhängig zu machen. VII. § 11 Abs. Abs. 2 Sätze 2 und 3 UmwStG: Beteiligungskorrekturgewinn

3.174 § 11 Abs. 2 Sätze 2 und 3 UmwStG betreffen den Fall des Down-Stream-Mergers. In der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Muttergesellschaft sind die Anteile an der übernehmenden Tochtergesellschaft ausgehend vom Buchwert erhöht um steuerwirksame Abschreibungen und Abzüge nach § 6b EStG und um ähnliche Abzüge, höchstens jedoch mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Auf einen sich daraus ergebenden Gewinn finden § 8b Abs. 2 Sätze 4 und 5 KStG mit der Folge Anwendung, dass eine Steuerbefreiung des so ermittelten Gewinns nicht eintritt.4 Das Anliegen der Vorschrift erscheint aus Sicht des deutschen Fiskus nachvollziehbar, allein die Fusionsrichtlinie gibt die angestrebte Rechtsfolge nicht her.

1 So zu Recht bereits Louven, BB Beilage 2006 Nr. 13, 1 (6). 2 BFH v. 30.5.2018 – I R 31/16, FR 2019, 81, anders noch die Vorinstanz FG Düsseldorf v. 22.4.2016 – 6 K 1947/14, GmbHR 2016, 1216. 3 Kempf/Nitzschke, IStR 2022, 73 (78). 4 Dötsch in D/J/P/W, § 11 UmwStG Rz. 81 (Stand: September 2012).

194 | Sedemund

D. Spannungsfelder Europarecht vs. dt. UmwStR | Rz. 3.178 Kap. 3

VIII. § 11 Abs. 3 UmwStG: Antragsfrist Der Antrag auf Ansatz eines unter dem gemeinen Wert liegenden Werts ist nach § 11 Abs. 3 i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 2 UmwStG spätestens bis zur erstmaligen Abgabe der steuerlichen Schlussbilanz bei dem für die Besteuerung der übertragenden Körperschaft zuständigen Finanzamt zu stellen. Ein entsprechendes Erfordernis ist der Fusionsrichtlinie nicht zu entnehmen. Nach Auffassung des EuGH steht die Fusionsrichtlinie dagegen einer nationalen Regelung nicht entgegen, die die Gewährung von Steuervergünstigungen bei einer Spaltung gemäß den Vorschriften dieser Richtlinie an die Voraussetzung knüpft, dass der entsprechende Antrag innerhalb einer bestimmten Frist gestellt wird. Es ist jedoch Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die Modalitäten der Anwendung dieser Frist, insbesondere die Bestimmung des Fristbeginns, hinreichend genau, klar und vorhersehbar sind, damit der Steuerpflichtige seine Rechte kennen und die nach dieser Richtlinie vorgesehenen Steuervergünstigungen erhalten kann.1 M.E. geht das zu weit. Europarechtlich zulässig wird man ein Antragserfordernis innerhalb der Festsetzungsverjährungsfrist fordern können.

3.175

IX. § 12 Abs. 1 Satz 1 UmwStG Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 UmwStG hat die übernehmende Körperschaft die auf sie übergegangenen Wirtschaftsgüter mit dem in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft enthaltenen Wert i.S.d. § 11 UmwStG zu übernehmen. In der Literatur wird hierzu vertreten, dass Art. 7 Abs. 1 der Fusionsrichtlinie insoweit nicht zutreffend in deutsches Recht umgesetzt worden sei und tatsächlich angefallene Verschmelzungskosten den steuerfrei zu stellenden Übernahmegewinn nicht mindern dürften.2 Danach verstößt § 12 Abs. 1 Satz 1 UmwStG gegen EU-Recht.

3.176

X. § 12 Abs. 1 Satz 2 UmwStG: Beteiligungskorrekturgewinn § 12 Abs. 1 Satz 2 UmwStG ordnet die entsprechende Geltung der § 4 Abs. 1 Sätze 2 und 3 UmwStG an. Entsprechend sind bei dem übernehmenden Rechtsträger dessen Anteile an der übertragenen Körperschaft mindestens mit dem Buchwerten, erhöht um in früheren Jahren steuerwirksam vorgenommene Abschreibungen sowie um Abzüge nach § 6b EStG und ähnliche Abzüge, höchstens jedoch mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Diese Einschränkung dürfte gegen die Fusionsrichtlinie verstoßen.

3.177

XI. § 12 Abs. 2 UmwStG: Außerbilanzielle Hinzurechnung von 5 % des steuerfreien Übernahmegewinns Nach der Vorschrift bleibt bei der übernehmenden Körperschaft ein Übernahmegewinn oder -verlust außer Ansatz, allerdings ordnet Satz 2 die Anwendung von § 8b KStG an. Für den Fall der grenzüberschreitenden innergemeinschaftlichen Aufwärtsverschmelzungen von Tochter-Kapitalgesellschaften auf ihre 100%ige inländische Mutter-Kapitalgesellschaft mindern danach die tatsächlich angefallenen Kosten des 1 EuGH v. 18.10.2012 – C-603/10, ECLI:EU:C:2012:639 – Pelati, Ubg 2013, 262, Leitsatz. 2 Kempf, IStR 2021, 496 (499).

Sedemund | 195

3.178

Kap. 3 Rz. 3.178 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

Vermögensübergangs den steuerfrei zu stellenden Übernahmegewinn, während 5 % des Übernahmegewinns als nichtabziehbare Betriebsausgaben dem Steuerbilanzgewinn der Mutter-Kapitalgesellschaft außerbilanziell wieder hinzuzurechnen sind. Das FG Schleswig Holstein1 sieht hierin keinen Verstoß gegen die Vorgaben in Art. 7 Abs. 1 Fusionsrichtlinie. Diese Ansicht ist höchst umstritten und die Revision derzeit am BFH2 anhängig. XII. § 12 Abs. 3 UmwStG: Insbesondere Untergang von Verlustvorträgen

3.179 Die aktuelle Fassung des § 12 Abs. 3 zieht durch den Verweis auf § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG den Untergang verrechenbarer Verluste, verbleibender Verlustvorträge, vom übertragenden Rechtsträger nicht ausgeglichener negativer Einkünfte, eines Zinsvortrags nach § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG und eines EBITDA-Vortrags nach § 4h Abs. 1 Satz 3 EStG nach sich.3 Dieser Mechanismus wird in der Literatur als europarechtswidrig eingestuft.4 Als entscheidende Überlegung wird angeführt,5 dass nach den Begründungserwägungen der Fusionsrichtlinie die erfassten Vorgänge nicht durch besondere Beschränkungen, Benachteiligungen oder Verfälschungen aufgrund von steuerlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten behindert werden dürfen. Selbst wenn man die Fusionsrichtlinie eng auslegt und auf Ertragsteuern beschränkt, wird man das Erfordernis der Steuerneutralität bezüglich der Ertragsteuern weit verstehen müssen und insbesondere fordern können, dass für die Besteuerung wesentliche Attribute zumindest beim übernehmenden Rechtsträger nicht untergehen. 3.180 Gegen ein derartiges Verständnis könnte allerdings Art. 6 der Fusionsrichtlinie sprechen, der einen Verlusterhalt nur dann verlangt, wenn ansonsten eine Diskriminierung gegenüber einem inländischen Sachverhalt bestünde. In diesem Kontext kritisch zu sehen ist auch die EuGH-Entscheidung Galeria Parque Nascente,6 nach der die Richtlinie einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die dazu führt, dass bei der übernehmenden Gesellschaft Kosten als nicht abzugsfähig gelten, die für die übernommene Gesellschaft vor der Fusion dieser Gesellschaften steuerlich abzugsfähig waren und es ohne die Fusion weiterhin wären.7 XIII. § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG: Erfordernis der Steuerverstrickung

3.181 Nach § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG kommt ein Ansatz der Buchwerte der übernehmenden Körperschaft mit den Buchwerten der übertragenden Körperschaft nur in Betracht, wenn das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Be1 2 3 4

FG Schleswig-Holstein v. 24.3.2022 – 1 K 181/19, EFG 2022, 979. AZ BFH I R 17/22. Dötsch in D/J/P/W, § 12 UmwStG Rz. 61 (Stand: September 2012). Vgl. Dörfler/Rautenstrauch/Adrian, BB 2006, 1657 und Maiterth/Müller, DStR 2006, 1861; grundlegend zu den europarechtlichen Aspekten Sedemund/Fischenich, BB 2008, 535. 5 Drüen, GmbHR 2012, 253. 6 EuGH v. 15.7.2019 – C-438/18, ECLI:EU:C:2019:619 – Galeria Parque Nascente, ABl. EU 2019, Nr. C 319, 20. 7 A.A. Desens in Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, § 2.

196 | Sedemund

D. Spannungsfelder Europarecht vs. dt. UmwStR | Rz. 3.185 Kap. 3

steuerung des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Körperschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. In medias res geht es also um die Vermeidung eines steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns auf Ebene des Anteilseigners. Mutatis mutandis kann auf die Ausführungen oben verwiesen werden. Das Erfordernis der Steuerverstrickung dürfte unverhältnismäßig sein. XIV. § 15 Abs. 1 Satz 2 UmwStG: Teilbetriebserfordernis und neutrales Vermögen Eine steuerneutrale Aufspaltung, Abspaltung oder Vermögensübertragung ist nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UmwStG nur möglich, wenn auf die Übernehmerinnen ein Teilbetrieb übertragen wird und im Falle der Abspaltung oder Teilübertragung bei der übertragenden Körperschaft ein Teilbetrieb verbleibt. Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Fusionsrichtlinie bezüglich der Spaltung weder auf der Seite der übertragenden noch auf Seite der übernehmenden Gesellschaft einen Teilbetrieb erfordert. Das entsprechende Erfordernis nach § 15 Abs. 1 UmwStG ist europarechtswidrig.

3.182

Insbesondere mit Blick auf den Umwandlungssteuererlass 20111 wird diskutiert, ob eine Abspaltung zu Buchwerten auch dann möglich ist, wenn neben einem oder mehreren Teilbetrieben noch weitere Wirtschaftsgüter abgespalten werden bzw. bei der übertragenden Körperschaft verbleiben. Europarechtlich muss „Neutrales Vermögen“, das neben einem Teilbetrieb eingebracht oder zurückbehalten wird, möglich sein. Denn der EuGH erachtet die Zurückbehaltung „neutraler“ Wirtschaftsgüter, die einem Teilbetrieb nicht zugeordnet werden können, als unschädlich.2 Vice Versa muss dies auch für die Einbringung gelten.

3.183

XV. § 15 Abs. 2 UmwStG: Haltefristen § 15 Abs. 2 UmwStG statuiert im Ergebnis pauschale Haltefristen, um Missbräuchen vorzubeugen. Dies erscheint unzulässig. Wie ausgeführt muss jede Missbrauchsvorschrift unabhängig von Fristen den individuellen Entlastungsnachweis ermöglichen und darf jedenfalls nicht unverhältnismäßig sein.

3.184

XVI. § 20 Abs. 1: Erfordernis neuer Anteile Die Steuerneutralität der Sacheinlage erfordert die Ausgabe neuer Anteile. Art. 2 Buchst. e der Fusionsrichtlinie sieht jedoch lediglich vor, dass einer Gesellschaft für die Einbringung ihres Betriebs oder Teilbetriebs in eine andere Gesellschaft Anteile am Gesellschaftskapital dieser Gesellschaft gewährt werden. Damit dürfte ein Verstoß gegen die Fusionsrichtlinie vorliegen.3 1 Vgl. insbesondere BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.02 u. 15.07 ff. 2 EuGH v. 20.5.2010 – C-352/08, ECLI:EU:C:2010:282 – Modehuis A. Zwijnenburg, ABl. EU 2010 Nr. C 179, 5, Abs. 28 der Entscheidungsgründe. 3 Ebenso Dürrschmidt in BeckOK UmwStG, § 21 UmwStG Rz. 873 (Stand: 1.10.2022).

Sedemund | 197

3.185

Kap. 3 Rz. 3.186 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

XVII. § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG: Steuerverstrickung in Deutschland

3.186 Im Fall der Einbringung eines Teilbetriebs setzt § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 UmwStG für die Steuerneutralität voraus, dass das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens bei der übernehmenden Gesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Auf die Ausführungen oben Rz. 3.171 kann sinngemäß verwiesen werden. Dieses Erfordernis dürfte unverhältnismäßig sein. XVIII. § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG: Antragsfrist

3.187 Nach § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG ist der Antrag auf Buchwertfortführung spätestens bis zur erstmaligen Abgabe der steuerlichen Schlussbilanz bei dem für die Besteuerung der übernehmenden Gesellschaft zuständigen Finanzamt zu stellen. Ein entsprechendes Erfordernis ist der Fusionsrichtlinie nicht zu entnehmen. Mit Blick auf die aktuelle EuGH Rechtsprechung (vgl. oben Rz. 3.175) steht jedoch zu befürchten, dass diese Bestimmung von der Rechtsprechung als angemessen angesehen würde. XIX. § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG: Unzulässigkeit der Doppelten Buchwertverknüpfung

3.188 Nach § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG gilt der Wert, mit dem die übernehmende Gesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen ansetzt, für den Einbringenden als Veräußerungspreis und als Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile. Die Vorschrift enthält damit das Erfordernis der doppelten Buchwertverknüpfung, die Steuerneutralität der Einbringung kostet die Verdoppelung der stillen Reserven. Dieser Mechanismus ist europarechtswidrig. Denn der EuGH1 hat für die auch hier einschlägigen Art. 8 Abs. 1 und 2 der Fusionsrichtlinie jedenfalls für den Anteilsaustausch entschieden, dass diese einer Regelung entgegenstehen, nach der ein Umwandlungsvorgang dazu führt, dass bei den Gesellschaftern der erworbenen Gesellschaft der Einbringungsgewinn in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den ursprünglichen Anschaffungskosten der eingebrachten Anteile und ihrem Verkehrswert besteuert wird, sofern die erwerbende Gesellschaft nicht den historischen Buchwert der eingebrachten Anteile in ihrer eigenen Steuerbilanz ansetzt. XX. § 20 Abs. 6 Satz 4 UmwStG: Untergang insbesondere von Verlustvorträgen

3.189 Auf die Ausführungen oben wird verwiesen. XXI. § 20 Abs. 9 UmwStG: Untergang von Zinsvortrag und EBITDA-Vortrag

3.190 Auf die Ausführungen oben Rz. 3.171 kann sinngemäß verwiesen werden.

1 EuGH v. 11.12.2008 – C-285/07, ECLI:EU:C:2008:705 – A.T., BStBl. II 2009, 940, Tenor der Entscheidung.

198 | Sedemund

D. Spannungsfelder Europarecht vs. dt. UmwStR | Rz. 3.195 Kap. 3

XXII. § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG: Erfordernis neuer Anteile Auf die Ausführungen oben zu § 20 Abs. 1 UmwStG kann verwiesen werden. Das Erfordernis der Ausgabe neuer Anteile dürfte gegen die Fusionsrichtlinie verstoßen.1

3.191

XXIII. § 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG: Unzulässigkeit der Doppelten Buchwertverknüpfung Nach § 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG gilt der Wert, mit dem die übernehmende Gesellschaft die eingebrachten Anteile ansetzt, für den Einbringenden als Veräußerungspreis der eingebrachten Anteile und als Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile. Auch hier kommt es wie bei der Einbringung nach § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG zu einer Verdoppelung der stillen Reserven. Dieser Effekt ist nach der Rechtsprechung des EuGH2 unzulässig.

3.192

XXIV. § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG: Ausschließliche Begünstigung des qualifizierten Anteilstauschs Ist das Besteuerungsrecht Deutschland nach einem Anteilsaustausch ausgeschlossen oder beschränkt, so ist der qualifizierte Anteilstausch nur dann noch zum Buchoder Zwischenwert möglich, wenn die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Buchst. e, Art. 3 der Fusionsrichtlinie vorliegen.3 Diese Einschränkung ist zu weitgehend, da nach Auffassung des EuGH4 die Grundfreiheiten bei EWR Ansässigkeit einen der Fusionsrichtlinie entsprechenden Anwendungsbereich eröffnen

3.193

XXV. § 22 Abs. 1 UmwStG: Besteuerung des Einbringungsgewinns I § 22 Abs. 1 UmwStG regelt die Besteuerung des so genannten Einbringungsgewinns I. Sofern der Einbringende innerhalb von sieben Jahren die im Zuge einer Einbringung erhaltenen Anteile veräußert oder bestimmte Ersatztatbestände realisiert, werden die im Zeitpunkt der Einbringung in den eingebrachten Wirtschaftsgütern vorhandenen stillen Reserven rückwirkend im Wirtschaftsjahr der Einbringung als Gewinn des Einbringenden versteuert. Der zu ermittelnde Einbringungsgewinn I wird für jedes abgelaufene Jahr seit der Einbringung um ein Siebtel abgeschmolzen.

3.194

Im Fall der Einbringung durch Kapitalgesellschaften verstößt diese Regelung gegen die Fusionsrichtlinie.5 Dabei kann offenbleiben, ob die Vorschrift als Missbrauchsvorschrift zu verstehen ist. Denn nach Auffassung des EuGH6 sind generell über die Anforderungen der Fusionsrichtlinie hinausgehende Voraussetzungen unzulässig. Soweit dagegen ein Missbrauch verhindert werden soll, genügt die Regelung europa-

3.195

1 Ebenso Dürrschmidt in BeckOK UmwStG, § 21 UmwStG Rz. 873 (Stand: 1.10.2022). 2 EuGH v. 11.12.2008 – C-285/07, ECLI:EU:C:2008:705 – A.T., BStBl. II 2009, 940, Tenor der Entscheidung. 3 Vgl. im Einzelnen Schulz in S/R/S, § 21 Rz. 21.33. 4 Vgl. oben Rz. 3.53 und Rz. 3.100. 5 Ebenso Förster, IStR 2022, 109 (113). 6 Vgl. oben Rz. 3.165.

Sedemund | 199

Kap. 3 Rz. 3.195 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

rechtlichen Anforderungen nicht, da sie eine pauschale und nicht einzelfallbezogene Fallbehandlung vornimmt.1 Sofern eine Rechtfertigung in Art. 15 Buchst. a der Fusionsrichtlinie gesucht werden sollte, ist dem entgegen zu halten, dass jedenfalls eine typisierende Betrachtung von 7 Jahren zu lang wäre.2 XXVI. § 22 Abs. 2 UmwStG: Besteuerung des Einbringungsgewinns II

3.196 § 22 Abs. 2 UmwStG behandelt die Veräußerung der im Rahmen einer Sacheinlage oder eines Anteilstauschs unter dem gemeinen Wert eingebrachten Anteile durch die aufnehmende Gesellschaft oder den Eintritt eines Ersatzrealisationstatbestands. Auch in diesem Fall soll innerhalb eines Siebenjahreszeitraums eine rückwirkende Besteuerung einsetzen. Graw3 äußert in diesem Kontext europarechtliche Bedenken mit Blick auf die Fusionsrichtlinie. Auch der BFH scheint dies in einem aktuellen Obiter Dictum4 für möglich zu halten. Anzumerken ist hierzu, dass sich ein Verstoß gegen Europarecht wegen der Gleichbehandlung von in- und ausländischem Sachverhalt nicht unmittelbar aus den Grundfreiheiten ergeben kann. Einen Verstoß gegen die Fusionsrichtlinie wird man vermeiden können, wenn man § 22 Abs. 2 entsprechend dem Wortlaut so versteht, dass Einbringungen durch Kapitalgesellschaften ohnehin nicht erfasst werden. XXVII. § 22 Abs. 3 UmwStG: Nachweispflichten

3.197 Nach § 22 Abs. 3 UmwStG hat der Einbringende in den dem Einbringungszeitpunkt folgenden sieben Jahren jährlich spätestens bis zum 31.5. den Nachweis zu führen, wem die erhaltenen bzw. eingebrachten Anteile zuzurechnen sind. Der Wortlaut der Fusionsrichtlinie gibt ein derartiges einengendes Erfordernis mit starrer Fristbindung nicht her. XXVIII. § 24 Abs. 2 UmwStG: Erfordernis der Steuerverstrickung im Inland

3.198 Auf die Ausführungen oben Rz. 3.171 kann sinngemäß verwiesen werden.

E. Verfahrensfragen und Rechtsschutz im Europäischen Umwandlungssteuerrecht I. Vorbemerkung

3.199 Kein abschließendes Verfahrensrecht auf EU Ebene. Die EU verfügt nicht über ein eigenes abschließendes Verwaltungsverfahrensrecht. Eigene Klagearten sind dagegen im AEUV geregelt, wobei der Steuerpflichtige auch bei der gerichtlichen Durchsetzung seiner europäischen Steuerrechte auf das nationale Verfahrensrecht angewiesen ist. 1 2 3 4

So im Ergebnis wohl auch Graw, FR 2009, 837 (838 u. 843). So explizit Dürrschmidt in BeckOK UmwStG, § 22 UmwStG Rz. 330 (Stand: 1.10.2022). Graw, FR 2009, 837 (838 u. 843). BFH v. 18.11.2020 – I R 24/18, GmbHR 2021, 1232, Rz. 17.

200 | Sedemund

E. Verfahrensfragen und Rechtsschutz | Rz. 3.204 Kap. 3

II. Die grundsätzliche Bindung an das Verfahrensrecht der Mitgliedstaaten Indirekter Verwaltungsvollzug. Im Rahmen des Verwaltungsvollzugs werden EU Organe nur in Teilbereichen direkt tätig. In aller Regel führen die Verwaltungen der Mitgliedstaaten das von den Organen der EU gesetzte Recht aus, sogenannter indirekter Verwaltungsvollzug.1 Für die direkten Steuern besteht keine originäre Kompetenz der EU und damit auch kein entsprechender Verwaltungsapparat. Der Steuerpflichtige sieht sich damit für den Bereich des Internationalen Umwandlungssteuerrechts notwendig mit dem indirekten Verwaltungsvollzug konfrontiert.

3.200

Keine Weisungsgebundenheit. Im Bereich des indirekten Verwaltungsvollzugs sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, für einen geordneten Verwaltungsvollzug des Gemeinschaftsrechts zu sorgen. Hier handeln die Mitgliedstaaten im eigenen Namen und entscheiden über den zuständigen Verwaltungsträger und das jeweilige Verfahren. Weisungsgebundenheit besteht insoweit regelmäßig nicht.

3.201

Geltung nationalen Verfahrensrechts. Zu unterscheiden ist hier zwischen dem Vollzug unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts, insbesondere Verordnungen, und dem Vollzug mittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts, also insbesondere Richtlinien. In beiden Varianten gilt im Ergebnis nationales Verfahrensrecht. In Teilbereichen des unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts – beispielsweise im Zollrecht – bestehen jedoch eigene EU-rechtliche Vorschriften für den Verwaltungsvollzug. Im Bereich der direkten Steuern ist dies nicht der Fall, für das Internationale Umwandlungssteuerrecht gilt damit bezüglich der verfahrensrechtlichen Vorschriften die AO.

3.202

III. Europarechtliche Vorgaben für das Steuerverfahren 1. Vorbemerkung Grundsätzlich ist der Unionsbürger danach im Rahmen des nationalen Verfahrensrechts an Ausschlussfristen und sonstige Voraussetzungen gebunden. Der EuGH behält sich jedoch eine Überprüfung vor und verlangt insbesondere, dass diese Modalitäten nicht ungünstiger sein dürfen als für gleichartige Verfahren, die das innerstaatliche Recht betreffen, und nicht so ausgestaltet sind, dass sie die Ausübung der Rechte, die die Gemeinschaftsrechtsordnung einräumt, praktisch unmöglich machen. Diese Prinzipien kommen auch im Prozessverfahrensrecht zu Anwendung.

3.203

2. Effektivitätsgebot Das Effektivitätsgebot kommt insbesondere bei der Umsetzung von Richtlinien zum Tragen. Es enthält – wie die Bezeichnung impliziert – das Erfordernis, dass dem Einzelnen die effektive Durchsetzung seiner europäischen Rechte möglich sein muss. Danach genügt die Festsetzung angemessener Fristen, nach deren Ablauf Klagen nicht mehr zulässig sind, grundsätzlich den Voraussetzungen, die an das nationale

1 Vgl. Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union4, Rz. 382 m.w.N.

Sedemund | 201

3.204

Kap. 3 Rz. 3.204 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

Verfahrensrecht aus EU Sicht zu stellen sind. Allgemein wird man die deutschen Rechtsbehelfsfristen als ausreichend ansehen müssen.

3.205 Solange jedoch beispielsweise eine Richtlinie nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt wurde, sind nach Auffassung des EuGH die einzelnen Berechtigten nicht in die Lage versetzt worden, in vollem Umfang von ihren Rechten Kenntnis zu erlangen. Dieser Zustand der Unsicherheit für die Einzelnen dauert nach Auffassung des Gerichts auch nach dem Erlass eines Urteils an, in dem der Gerichtshof die Ansicht vertreten hat, dass der betroffene Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen aus der Richtlinie nicht nachgekommen ist, selbst wenn der Gerichtshof festgestellt hat, dass die eine oder andere Bestimmung der Richtlinie hinreichend genau und unbedingt ist, um vor den nationalen Gerichten in Anspruch genommen werden zu können. Nur die ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie beendet diesen Zustand der Unsicherheit, und erst mit dieser Umsetzung wird die Rechtssicherheit geschaffen, die erforderlich ist, um von den Einzelnen verlangen zu können, dass sie ihre Rechte geltend machen. Hieraus folgt, dass sich der säumige Mitgliedstaat bis zum Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Umsetzung der Richtlinie nicht auf die Verspätung einer Klage berufen kann, die ein Einzelner zum Schutz der ihm durch die Bestimmungen dieser Richtlinie verliehenen Rechte gegen ihn erhoben hat, und dass eine Klagefrist des nationalen Rechts erst zu diesem Zeitpunkt beginnen kann. Mit anderen Worten beginnt nach Auffassung des EuGH im Fall der Nichtumsetzung einer Richtlinie und darauf gestützter steuerlicher Rechte die Rechtsbehelfsfrist des nationalen Verfahrens nicht vor Umsetzung der Richtlinie zu laufen. 3. Äquivalenzgrundsatz

3.206 Der Äquivalenzgrundsatz verlangt, dass die verfahrensrechtlichen Anforderungen, die für die Geltendmachung europäischer Rechte Anwendung finden, nicht ungünstiger sein dürfen als für gleichartige Verfahren, die das innerstaatliche Recht betreffen. Beispielsweise in der Einführung des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO mit der Verabschiedung des Gesetzes vom 9.12.20041 sah der EuGH einen Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip.2 IV. Der Weg des Steuerpflichtigen zum EuGH 1. Vorbemerkung

3.207 Keine Direktklage zum EuGH. Um den entscheidenden Aspekt vorwegzunehmen: Grundsätzlich hat der Steuerpflichtige, der sich gegen europarechtswidriges Steuerrecht wehren möchte, keine Möglichkeit, sich direkt an den EuGH zu wenden. Das ist auf den ersten Blick nicht ungewöhnlich, da auch nach nationalem Recht der Weg zu den höheren Instanzen erst die Klage vor den Instanzgerichten voraussetzt und auch das BVerfG gegebenenfalls erst angerufen werden kann, wenn der Rechtsweg erschöpft ist. Doch auch dann, wenn der Steuerpflichtige die Instanzen ausgeschöpft 1 BGBl. I 2004, 3310. 2 Zu diesem Aspekt der Entscheidung ausführlich Hahn, IStR 2005, 145.

202 | Sedemund

E. Verfahrensfragen und Rechtsschutz | Rz. 3.210 Kap. 3

hat, kann er sich nicht direkt an den EuGH wenden. Die nachfolgenden Ausführungen geben zunächst einen kurzen Überblick über die im Steuerrecht relevanten Verfahrensarten und gehen dann ausführlicher auf das für die Praxis bedeutsame Vorabentscheidungsverfahren ein. 2. Überblick über die relevanten Verfahrensarten

Indirekt stehen dem Steuerpflichtigen zwei Verfahren zur Verfügung, eine Überprüfung durch den EuGH herbeizuführen, nämlich das Vorabentscheidungsverfahren und das Vertragsverletzungsverfahren. In beiden Fällen hat der Unionsbürger als Kläger zwar kein Initiativrecht in dem Sinne, dass auf seine Veranlassung der Fall dem EuGH vorgelegt wird. Er kann jedoch auf das Verfahren einen gewissen Einfluss nehmen.

3.208

Vorabentscheidungsverfahren. So hat er im nationalen Verfahren die Möglichkeit, ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV bereits in der ersten Instanz anzuregen. Prozessual kann der Kläger die Vorlage jedoch in diesem Fall nicht durchsetzen. Legt die letzte Instanz im nationalen Recht eine nach Ansicht des Klägers europarechtswidrige Norm nicht dem EuGH vor und entscheidet sie auch nicht zugunsten des Klägers, ist das „reguläre“ Verfahren zu Ende. Zu diesem Verfahren wird als dem für die steuerliche Rechtspraxis Bedeutendsten unter Rz. 3.212 ff. ausführlich Stellung genommen.

3.209

Vertragsverletzungsverfahren. Das in Art. 258, 259 AEUV angelegte Vertragsverletzungsverfahren dient der Beseitigung von Vertragsverletzungen durch die Mitgliedstaaten. Hier agiert die Kommission als „Hüterin der Verträge“. Klagebefugt sind neben der Kommission nur noch die Mitgliedstaaten. Die Klagebefugnis der Mitgliedstaaten hat jedoch nur eine sehr geringe praktische Bedeutung. Rechtstechnisch bietet das Vertragsverletzungsverfahren – obwohl es sich um eine direkte Klage handelt – keinen Individualschutz, sondern wird in der Praxis als Mittel der objektiven Rechtskontrolle von der Kommission initiiert. Das Vertragsverletzungsverfahren ist zweistufig ausgestaltet. In einer ersten, außergerichtlichen Verfahrensphase, richtet sich die Kommission direkt an den betreffenden Mitgliedstaat. Nach Gelegenheit zur Äußerung durch den Mitgliedstaat ergeht eine offizielle Stellungnahme der Kommission mit einer genauen Darlegung des Vorwurfs und einer Beseitigungsfrist. Nach Fristablauf kann die Kommission Klage beim EuGH erheben, welcher die strittige nationale Norm dann „abstrakt“ auf ihre EU-Rechtskonformität prüft. Die Kommission kann aus Eigeninitiative oder aufgrund einer Beschwerde von Mitgliedstaaten oder einzelnen Marktbürgern oder Unternehmen tätig werden, die potenziellen EURechtsverstöße mitteilen. Während die Mitgliedstaaten formell das Recht haben, den Gerichtshof wegen einer Vertragsverletzung anzurufen, handelt es sich bei einer Beschwerde von Marktbürgern nicht um ein eigenständiges Verfahren mit Rechtsbehelfsmöglichkeiten, sondern nur um eine informelle Mitteilung ohne Rechtsanspruch auf ein bestimmtes Tätigwerden.1 Die EU-Kommission muss zwar die

3.210

1 Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht: ‚Konvergenz‘ des Gemeinschaftsrechts und ‚Kohärenz‘ der direkten Steuern in der Rechtsprechung des EuGH, 11.

Sedemund | 203

Kap. 3 Rz. 3.210 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

Sach- und Rechtslage überprüfen, besitzt aber anerkanntermaßen einen Ermessensspielraum im Hinblick auf die tatsächliche Verfahrenseinleitung.

3.211 Amtshaftungsklage. Theoretisch – Fälle aus der Praxis sind nicht bekannt – hat der Unionsbürger eine weitere indirekte Möglichkeit, die Kommission zum Tätigwerden zu veranlassen. Über die Amtshaftungsklage könnte er vortragen, die Kommission hätte rechtzeitig im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens eingreifen können, um ihn vor Schaden zu bewahren. Da Tatbestandsvoraussetzung nur das rechtswidrige Handeln des EU-Organs ist, das kausal zum Schaden beim Kläger führen muss, kommt es auf den Schutzweck der Norm nicht weiter an. Dass die Untätigkeitsklage keine subjektiven Rechte verleiht und nur ein Instrument der objektiven Rechtskontrolle ist, spielt also keine Rolle. Die im Verhältnis zu anderen nationalen Schutzformen bestehende Subsidiarität der Amtshaftungsklage steht ebenfalls nicht entgegen, da der Kläger gerade keine andere Möglichkeit hat, nach Abschluss des nationalen Verfahrens eine nationale Norm auf ihre Europarechtswidrigkeit überprüfen zu lassen. 3. Das Vorabentscheidungsverfahren a) Vorbemerkung

3.212 Das Vorabentscheidungsverfahren steht nach Art. 267 AEUV als indirekte Klageart zur Verfügung. Der EuGH entscheidet auf Anrufung eines Gerichtes eines Mitgliedstaates im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung von EUV und AEUV sowie über die Gültigkeit und die Auslegung von Sekundärrecht. Die Entscheidungen sind für die Gerichte der Mitgliedstaaten bindend. Das Vorabentscheidungsverfahren soll die Einheitlichkeit der Rechtsprechung der Gerichte der Mitgliedstaaten im Hinblick auf das EU-Recht gewährleisten. b) Grundsätzliches Verfahren

3.213 Vorlageberechtigung. Berechtigt zur Vorlage an den EuGH sind nur mitgliedstaatliche Gerichte. Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Vorlage ist, dass bei dem vorlegenden Gericht ein konkreter Fall mit einer europarechtlichen Frage anhängig ist, die für den Ausgang des Rechtsstreits entscheidungserheblich ist und daher vom Gericht nicht offen gelassen werden kann. Darüber hinaus erfordert das Vorlagerecht, dass das vorlegende Gericht Zweifel an der Gültigkeit oder Auslegung einer gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung hat und es die Klärung dieser Zweifel zum Erlass einer Entscheidung für erforderlich hält. 3.214 EuGH Verfahrensordnung. Problematisch wirkt sich hierbei aus, dass EUV und AEUV kein eigenes Verfahrensrecht kennen, das für alle Rechtssuchenden einheitlich die Durchsetzung ihrer gemeinschaftsrechtlichen Rechte regelt. Notwendigerweise richtet sich damit deren Geltendmachung nach innerstaatlichem Verfahrensrecht. Das anschließende Verfahren vor dem EuGH ist in der Satzung und der Verfahrensordnung des Gerichtshofs geregelt. Es gilt der Grundsatz der öffentlichen Verhandlung. Die beteiligten Staaten und Organe werden durch einen Bevollmächtigten vertreten, die Parteien müssen sich durch einen Anwalt vertreten lassen. 204 | Sedemund

E. Verfahrensfragen und Rechtsschutz | Rz. 3.218 Kap. 3

Aussetzungsbeschluss (national). In Deutschland erfolgt zunächst der Aussetzungsbeschluss nach nationalen Verfahrensvorschriften, sodann die Vorlage an den EuGH. Verfahrensbeteiligte sind nicht nur die Parteien des Ausgangsverfahrens, sondern auch die Mitgliedstaaten, die Kommission und gegebenenfalls die Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union, von denen die Handlung, deren Gültigkeit oder Auslegung streitig ist, ausgegangen ist. Alle Beteiligten haben die Gelegenheit, innerhalb von zwei Monaten, nachdem ihnen die Entscheidung des nationalen Gerichts durch den Kanzler des EuGH zugestellt worden ist, zu der Vorlagefrage einmal abschließend Stellung zu nehmen. Eine schriftliche Erwiderung zum Vortrag anderer Beteiligter findet nicht statt. In der Praxis ist zu konstatieren, dass sich insbesondere die Mitgliedstaaten abstimmen, was gelegentlich zu einem Ungleichgewicht führen kann. Deutlich wird dies insbesondere in der mündlichen Verhandlung, in der jedem Beteiligten nur ein begrenztes Rederecht zusteht.

3.215

c) Vorlagerecht und Vorlagepflicht Vorlageermessen. Jedes nationale Gericht, das sich mit einer europarechtlich relevanten Streitfrage befasst, ist befugt, diese Frage dem EuGH vorzulegen. Dabei können die Instanzgerichte im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens entscheiden, ob sie dem EuGH eine gemeinschaftsrechtliche Frage vorlegen oder nicht. Eine Pflicht zur Vorlage besteht nur in den Fällen, in denen das Vorlageermessen „auf Null reduziert“ ist, so etwa mangels Verwerfungskompetenz, wenn das Gericht einen Gemeinschaftsrechtsakt für nichtig hält. Eine Vorlagepflicht besteht dagegen für das letztinstanzliche1 nationale Gericht.

3.216

Entfall der Vorlagepflicht. Nach der Auffassung des EuGH entfällt eine Vorlagepflicht, wenn eine bereits gesicherte Rechtsprechung des EuGH besteht,2 die strittige Frage nicht entscheidungserheblich3 ist oder „die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass keinerlei Raum für vernünftige Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bleibt“.4

3.217

d) Rechtswirkung der Entscheidung Keine Verwerfungskompetenz. Der EuGH ist weder befugt, nationales Recht auszulegen noch dieses zu verwerfen, das Gericht kann lediglich abstrakt eine nationale Regelung auf ihre Vereinbarkeit mit dem Europarecht hin überprüfen. Insofern fra1 Welche mitgliedstaatlichen Gerichte als letztinstanzlich gelten, ist Gegenstand einer weitreichenden Diskussion. Der EuGH hat hierzu nicht eindeutig Stellung bezogen. Insbesondere in EuGH v. 15.7.1964 – 6/64, ECLI:EU:C:1964:66 – Costa/E.N.E.L., deutet sich an, dass der EuGH dazu tendiert, darauf abzustellen, dass die Entscheidung rein tatsächlich nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts anfechtbar ist, sogenannte konkrete Theorie. 2 Vgl. EuGH v. 6.10.1982 – C-283/81, ECLI:EU:C:1982:335 – CILFIT/Ministero della Sanità. 3 Die Beurteilung der Erheblichkeit obliegt allein dem nationalen Gericht, da der EuGH nationales Recht nicht auslegen darf. 4 Vgl. EuGH v. 6.10.1982 – C-283/81, ECLI:EU:C:1982:335 – CILFIT/Ministero della Sanità.

Sedemund | 205

3.218

Kap. 3 Rz. 3.218 | Auswirkung des Unionsrechts auf dt. UmwStR

gen Gerichte oftmals, ob eine Regelung, die sie für streitwesentlich erachten, mit Europarecht vereinbar ist. Der EuGH entscheidet entsprechend, dass eine nationale Vorschrift in einer bestimmten Auslegung europarechtswidrig oder -konform ist.

3.219 Formelle Rechtswirkung inter partes. Das jeweilige Urteil entfaltet zunächst Rechtswirkung nur für den konkreten Streitfall. 3.220 Faktische Bindungswirkung. Rechtspraktisch wirken die Entscheidungen ex tunc und legen rechtsverbindlich den Inhalt europarechtlicher Vorschriften fest. Mitgliedstaatliche Institutionen (Gerichte, aber auch die Exekutive) haben die in Frage stehende gemeinschaftsrechtliche Vorschrift in der vom EuGH gefundenen Auslegung anzuwenden, auch wenn das streitbefangene Rechtsverhältnis vor Erlass des Urteils begründet worden war. Diese Bindungswirkung hindert die Gerichte jedoch nicht, den EuGH erneut anzurufen, um eine weitere Klärung der für sie relevanten gemeinschaftsrechtlichen Fragen herbeizuführen. Eine neuerliche Vorlage kommt dann in Betracht, wenn das nationale Gericht bei der Anwendung des Urteils Schwierigkeiten hat, wenn es dem EuGH eine weitere Rechtsfrage stellt oder wenn es ihm neue Gesichtspunkte unterbreitet, die den EuGH veranlassen könnten, eine Frage, über die er bereits entschieden hat, anders zu entscheiden. Nicht abschließend geklärt ist, welche Wirkung dem Vorabentscheidungsurteil für nicht mit dem Ausgangsverfahren identische Rechtsstreitigkeiten zukommt. Handelt es sich um ein Auslegungsurteil, so kann man als gesichert ansehen, dass die mitgliedstaatlichen Gerichte jedenfalls berechtigt sind, eine von dem EuGH in einem anderen Verfahren gefundene Auslegung der von ihnen zu treffenden Entscheidung zugrunde zu legen.

F. Ausblick 3.221 Das Internationale Steuerrecht ist ständig in Bewegung. Für die EU gilt dies im besonderen Maße infolge der Rechtsprechung des EuGH. Diese Rechtsprechung bezieht sich in erster Linie auf die Grundfreiheiten. Eine zielgerichtete Fortentwicklung des internationalen Umwandlungssteuerrechts kann aus der entsprechenden Kasuistik prima facie nicht resultieren. Trotzdem ergeben sich aus den Entscheidungen des EuGH immer wieder Denkanstöße, die nur leider nicht immer durch die Mitgliedstaaten in der notwendigen Konsequenz umgesetzt werden. Ganz neue Fragestellungen zeichnen sich durch die aktuellen Entwicklungen zu Pillar 1 und 2 ab. Unabhängig von der Umsetzung deuten sich insbesondere Konflikte mit den Grundfreiheiten an.

206 | Sedemund

Kapitel 4 Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsvergleichung für das Steuerrecht A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 B. Allgemeiner Teil: Vergleichbarkeitsanforderungen für ausländische Umwandlungsvorgänge nach dem deutschen UmwStG I. Gesetzliche Grundlagen . . . . . . . . . 4.2 II. Begriff des ausländischen Umwandlungsvorgangs . . . . . . . . . . . . . 4.12 III. Vergleichbarkeit ausländischer Umwandlungsvorgänge 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . 4.15 2. Umwandlungsfähigkeit der beteiligten Rechtsträger . . . . . . . . . 4.19 3. Vergleichbarkeit der Strukturmerkmale des Umwandlungsvorgangs a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . 4.20 b) Verschmelzung . . . . . . . . . . 4.22 c) Aufspaltung . . . . . . . . . . . . . 4.28 d) Abspaltung . . . . . . . . . . . . . . 4.32 e) Formwechsel . . . . . . . . . . . . 4.35 4. Sonstige Vergleichbarkeitskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.36 IV. Umwandlungen von SE und grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge 1. Umwandlung von SE . . . . . . . . . 4.38 2. Grenzüberschreitende Umwandlungen a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . 4.41

b) Verschmelzung . . . . . . . . . . c) Spaltung . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anwachsung . . . . . . . . . . . . e) Formwechsel . . . . . . . . . . . . C. Länderanalyse: Prüfung der Vergleichbarkeit einzelner Umwandlungsvorgänge in ausgewählten EU-Mitgliedstaaten I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Frankreich 1. Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . III. Niederlande 1. Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Österreich 1. Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . D. Drittstaatenverschmelzungen . . . . E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.42 4.45 4.46 4.48

4.49 4.50 4.54 4.58 4.59 4.60 4.67 4.69 4.71 4.73 4.79 4.84 4.86 4.87 4.91

Literatur: Bayer/J. Schmidt, Das Vale-Urteil des EuGH: Die endgültige Bestätigung der Niederlassungsfreiheit als „Formwechselfreiheit“, ZIP 2012, 1481; Benecke, Anwendungsbereich des UmwStG und Rückwirkung nach dem UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 113; Benecke/ Schnitger, Neuregelung des UmwStG und der Entstrickungsnormen durch das SEStEG, IStR 2006, 765; Benecke/Schnittker, Umwandlung von Personengesellschaften als Veräußerungstatbestand? – Ein Diskussionsbeitrag, FR 2010, 555 ff.; Dötsch/Pung, SEStEG: Die Änderungen des UmwStG, DB 2006, 2705; Ehret/Lausterer, Einleitende Erläuterungen des Umwandlungssteuererlasses und Anwendungsbereich, Beilage Nr. 1 zu DB Heft 2 vom 13.1.2012, 5; Holle/ Krüger/Weiss, Die geplante Erweiterung der persönlichen Anwendbarkeit des UmwStG durch das KöMoG – Globalisierung des UmwStG?, IStR 2021, 489, Käbisch/Bunzeck, Grenzüber-

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Kap. 4 Rz. 4.1 | Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsvergleichung schreitende Umstrukturierungen nach dem Erlassentwurf zum UmwStG vom 2.5.2011, IWB 2011, 392; Oplustil/Schneider, Zur Stellung der Europäischen Aktiengesellschaft im Umwandlungsrecht, NZG 2003, 13; Prinz, Grundlagen zum internationalen Umwandlungssteuerrecht, DB 2012, 820; Prinz, Globalisierung des deutschen Umwandlungssteuerrechts durch das KöMoG – Begrüßenswert, aber unvollständig, FR 2021, 561; Ronge/Perroulaz, Umwandlungen in der Schweiz und ihre steuerlichen Folgen in Deutschland nach dem SEStEG, IStR 2007, 422; Schönfeld, Ausgewählte Internationale Aspekte des neuen Umwandlungssteuererlasses, IStR 2011, 497; Weiler, Grenzen des Verzichts auf die Anteilsgewährung im Umwandlungsrecht – Kritische Betrachtung der §§ 54 Abs. 1 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 3 UmwG n.F. und mögliche Mechanismen zum Schutz von Minderheitsgesellschaftern, NZG 2008, 527.

A. Einleitung 4.1 Die Bedeutung internationaler Umwandlungen für die beratende Praxis steigt seit Jahren kontinuierlich an. Derartige Vorgänge sind besonders dadurch gekennzeichnet, dass der jeweilige Umwandlungsvorgang Rechtsordnungen mehrerer Staaten betrifft. Naturgemäß geht damit zugleich eine höhere Komplexität einher. Das UmwStG findet gem. § 1 sachlich auch Anwendung auf bestimmte ausländische Umwandlungsvorgänge, vorausgesetzt, diese sind mit einem Umwandlungsvorgang deutschen Rechts vergleichbar. Das nachfolgende Kapitel stellt die sich aus diesem Grundsatz ergebenden Anforderungen dar und geht zugleich auf das Umwandlungsrecht einiger ausgewählter EU-Staaten ein. Die jüngste Erweiterung des Anwendungsbereichs des UmwStG auf Gesellschaften, die dem Recht von Nicht-EU-Staaten (Drittstaaten) unterliegen, soll dabei nur am Rande thematisiert werden.

B. Allgemeiner Teil: Vergleichbarkeitsanforderungen für ausländische Umwandlungsvorgänge nach dem deutschen UmwStG I. Gesetzliche Grundlagen

4.2 Terminologie. Der Begriff der Umwandlung wird in der Terminologie des deutschen Gesellschaftsrechts als Oberbegriff für strukturelle Veränderungen von Gesellschaften in Form der Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung und Formwechsel gebraucht (vgl. § 1 Abs. 1 UmwG).1 Gesellschaftsrechtliche Grundlagen für Umwandlungsvorgänge sind in erster Linie nationale Gesetze, wie z.B. das deutsche Umwandlungsgesetz für Umwandlungsvorgänge unter Beteiligung von Gesellschaften, die deutschem Gesellschaftsrecht unterliegen. 4.3 EU-Richtlinien. Das deutsche Umwandlungsgesetz und entsprechende Regelungen zu Umwandlungsvorgängen nach den Rechten anderer Mitgliedstaaten der EU und des Abkommens über den EWR beruhen dabei in weiten Teilen auf europäischen Richtlinien, deren Vorgaben die entsprechenden Umwandlungsvorgänge in den Mitgliedstaaten harmonisieren. Rechtsgrundlage für die Aktivitäten der Europäischen 1 Vgl. Stengel in Semler/Stengel/Leonard5, UmwG, Einleitung A Rz. 2 f.

208 | Drinhausen/Keinath

B. Vergleichbarkeitsanforderungen für ausländische Umwandlungen | Rz. 4.6 Kap. 4

Union im Bereich des Gesellschaftsrechts ist die Sicherung der Niederlassungsfreiheit, die Gesellschaften in der Europäischen Union – wie natürlichen Personen auch – als Grundfreiheit in Art. 49 AEUV (ehemals Art. 43 EGV) zugesichert ist. Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der entsprechenden Richtlinien ist insbesondere Art. 50 Abs. 2 Buchst. g AEUV (ehemals Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EGV). Verschmelzungsrichtlinie. Die sog. Nationale Fusionsrichtlinie oder Verschmelzungsrichtlinie datiert aus dem Jahr 1978 (78/855/EWG)1 und befasst sich mit der Verschmelzung – also der Übertragung des gesamten Vermögens im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ohne Abwicklung – von Aktiengesellschaften, die im Jahr 1978 bei Weitem noch nicht in allen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der EU bekannt war. Nachdem sie zunächst im Jahr 2011 durch die Richtlinie 2011/35/EU2 aufgehoben und inhaltlich ersetzt wurde, finden sich ihre Bestimmungen nunmehr in der Richtlinie 2017/1132/EU3 (sog. Gesellschaftsrechtsrichtlinie) wieder.

4.4

Von den Richtlinienvorgaben zur innerstaatlichen Verschmelzung erfasst sind weiterhin nationale Aktiengesellschaften; in Deutschland also die Aktiengesellschaft sowie deren Entsprechungen in den übrigen EU-Mitgliedstaaten (etwa in Frankreich die société anonyme, in Italien die società per azioni, in Spanien die sociedad anónima, in den Niederlanden die naamloze vennootschap, in Belgien die société anonyme/ naamloze vennootschap, in Luxemburg die société anonyme sowie in Österreich die Aktiengesellschaft.) Spaltungsrichtlinie. Ungefähr vier Jahre nach der Verschmelzungsrichtlinie folgte die sog. Spaltungsrichtlinie (82/891/EWG),4 die den actus contrarius zur Verschmelzung, die Aufspaltung einer Gesellschaft in zwei oder mehr Gesellschaften ohne Liquidation im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge, regelt. Für die Bundesrepublik Deutschland erfasst die Spaltungsrichtlinie Gesellschaften in der Rechtsform der Aktiengesellschaft. Die Regelungen zur Spaltung sind hierbei parallel zu denen der Verschmelzung ausgestaltet. Die Richtlinie wurde gleichfalls aufgehoben und die entsprechenden Regelungen in der Gesellschaftsrechtsrichtlinie übernommen.

4.5

Wie die Verschmelzungsrichtlinie enthielt die Spaltungsrichtlinie nur Vorgaben für innerstaatliche Spaltungen und bot keine Rechtsgrundlage für nationale Vorschriften über grenzüberschreitende Spaltungen.

Europäische Umwandlungsrichtlinie. Im Jahr 2005 folgte sodann die Grenzüberschreitende-Verschmelzungs-Richtlinie (2005/56/EG),5 welche die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten regelte. Die Bestimmungen wurden ebenfalls in der Gesellschaftsrechtsrichtlinie übernommen. Schließlich wurden 2019 durch die Europäische Umwandlungsrichtlinie (2019/2121/ 1 Dritte Gesellschaftsrechtliche Richtlinie v. 9.10.1978, ABl. EG Nr. L 295, 36. 2 ABI. EU Nr. L 110, 1. 3 Richtlinie über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts v. 14.6.2017, ABl. EU Nr. L 169/ 46. 4 Sechste Gesellschaftsrechtliche Richtlinie v. 17.12.1982, ABl. EG Nr. L 378, 47. 5 ABl. EG Nr. L 310, 1.

Drinhausen/Keinath | 209

4.6

Kap. 4 Rz. 4.6 | Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsvergleichung

EU),1 die die Gesellschaftsrechtsrichtlinie entsprechend änderte, erstmals Regelungen zu grenzüberschreitender Spaltung und grenzüberschreitendem Formwechsel von Kapitalgesellschaften in die Gesellschaftsrechtsrichtlinie eingeführt. Die Europäische Umwandlungsrichtlinie änderte auch die vorhandenen Vorgaben zur grenzüberschreitenden Verschmelzung und führte insbesondere harmonisierte Vorgaben zum Schutz von Gläubigern und Gesellschaftern der an der jeweiligen Umwandlungsmaßnahme beteiligten Gesellschaften ein. Die Vorgaben der Europäischen Umwandlungsrichtlinie mussten von den Mitgliedstaaten bis zum 31.1.2023 umgesetzt sein. Dies ist durch das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie v. 22.2.2023 geschehen.2

4.7 Umsetzung in Deutschland. In Deutschland sind die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben der Gesellschaftsrechtsrichtlinie bzw. deren Vorgängerregelungen insgesamt durch das Umwandlungsgesetz (UmwG) umgesetzt. Dieses geht jedoch in seinem Anwendungsbereich über die Vorgaben der genannten Richtlinien hinaus, indem es u.a. nicht nur Aktiengesellschaften, sondern auch Gesellschaften anderer Rechtsform als beteiligungsfähige Rechtsträger bei Verschmelzungen und Spaltungen zulässt. Die mitbestimmungsrechtlichen Vorgaben der Gesellschaftsrechtsrichtlinie in Bezug auf grenzüberschreitende Verschmelzungen sind im deutschen Recht durch das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (MgVG)3 umgesetzt. Die Mitbestimmungsvorgaben für grenzüberschreitende Spaltungen und Formwechsel sind in einem gesonderten Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung (MgFSG) umgesetzt worden.4 4.8 Nationale Änderungen des Umwandlungsgesetzes. Durch eine Änderung des Umwandlungsgesetzes wurde die Möglichkeit grenzüberschreitender Hineinverschmelzungen von Kapitalgesellschaften auf deutsche Personengesellschaften ergänzt.5 Mit dieser Anpassung wollte Deutschland eigenständig den Auswirkungen des Brexits begegnen, indem britischen Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland eine zusätzliche Möglichkeit der Umwandlung zur Verfügung gestellt wurde.6 Durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts7 werden ab dem 1.1.2024 auch innerstaatliche Umwandlungen unter Beteiligung von Gesellschaften bürgerlichen Rechts möglich sein.8 Die §§ 305 ff. UmwG n.F. sind von dieser Gesetzesänderung indes nicht betroffen. Grenzüberschreitende Verschmelzungen deutscher Personengesellschaften bleiben also auch weiterhin im deutschen Um1 Richtlinie zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen v. 27.11.2019, ABl. EU Nr. L 321,1. 2 BGBl. I 2023 Nr. 51 v. 28.2.2023. 3 Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (MgVG) vom 21.12.2006, BGBl. I 2006, 3332. 4 Gesetz v. 22.2.2023, BGBl. I 2023, Nr. 51 v. 28.2.2023. 5 Viertes Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes v. 19.12.2018, BGBl. I 2018, 2694. 6 Siehe BT-Drucks. 19/5463, 1f. 7 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 8 Siehe die entsprechenden Änderungen des UmwG durch Art. 60 des MoPeG.

210 | Drinhausen/Keinath

B. Vergleichbarkeitsanforderungen für ausländische Umwandlungen | Rz. 4.10 Kap. 4

wandlungsrecht ungeregelt. Im Regierungsentwurf zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie wird diesbezüglich explizit auf die große Rechtsunsicherheit hingewiesen, „die selbst durch eine nationale Regelung nicht vollständig behoben werden könnte“, weil die Bindungswirkung einer Vorabbescheinigung in diesen Fällen bereits zweifelhaft wäre.1 Die durchaus weitgreifenden Änderungen treten jedoch, gem. Art. 137 MoPeG, erst zum 1.1.2024 in Kraft. In den nachfolgenden Ausführungen werden die Änderungen daher nicht aufgegriffen. SE-VO und SCE-VO. Bestimmte Umwandlungsvorgänge unterliegen demgegenüber supranationalen Rechtsakten wie der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) vom 8.10.2001,2. Die Gründung einer SE kann nach den Vorgaben der Verordnung u.a. durch Verschmelzung und durch Rechtsformwechsel erfolgen. Das nationale Umwandlungsrecht der Gründungsgesellschaften kann bei diesen Umwandlungsvorgängen nur zur Anwendung gelangen, soweit die Verordnung es ausdrücklich für anwendbar erklärt3 oder Regelungslücken enthält.4 Entsprechendes gilt für die Gründung einer Europäischen Genossenschaft (SCE) im Wege der Verschmelzung oder des Rechtsformwechsels nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22.7.2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE).5

4.9

Steuerliche Regelung durch das SEStEG. Das Umwandlungssteuergesetz wurde durch das SEStEG6 umfassend und grundlegend mit dem Ziel erneuert, eine Öffnung dieser steuerlichen Bestimmungen für grenzüberschreitende Umstrukturierungen – flankierend zur erforderlichen Europäisierung des Gesellschafts- und Steuerrechts – zu erreichen. Das UmwStG knüpft für inländische Umwandlungen unmittelbar an Vorgänge des UmwG (Maßgeblichkeit des Gesellschaftsrechts) an und bezieht ausdrücklich „vergleichbare ausländische Vorgänge“ in den sachlichen Anwendungsbereich einiger Umwandlungen ein.7 Was ein vergleichbarer ausländischer Vorgang

4.10

1 Siehe BT-Drucks. 19/27635, 264. 2 ABl. EG Nr. L 294, 1. 3 Siehe etwa die Verweise auf nationales Verschmelzungsrecht in Art. 15, 18, 24 Abs. 1 und 25 Abs. 1 SE-VO. 4 Inwieweit Regelungslücken zunächst auf Ebene der Verordnung selbst zu schließen sind, bevor nationales Umwandlungsrecht angewandt werden kann, ist im Einzelnen umstritten, s. etwa C. Schäfer in MünchKomm/AktG3, Art. 9 SE-VO Rz. 12-14, Art. 18 SE-VO Rz. 4 sowie Art. 37 Rz. 4 zur Gründung durch Formwechsel; Keinath in Habersack/Drinhausen, SE-Recht3, Art. 18 SE-VO Rz. 3; Bücker in Habersack/Drinhausen, SE-Recht3, Art. 37 Rz. 4. 5 ABl. EG Nr. L 207, 1. 6 Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782, berichtigt durch BGBl. I 2007, 68. 7 § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (Verschmelzung, Aufspaltung und Abspaltung von Körperschaften), Nr. 2 (Formwechsel einer Kapital- in eine Personengesellschaft), Abs. 3 Nr. 1 (Verschmelzung, Aufspaltung und Abspaltung von Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften), Nr. 2 (Ausgliederung von Vermögensteilen), Nr. 3 (Formwechsel einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft) UmwStG.

Drinhausen/Keinath | 211

Kap. 4 Rz. 4.10 | Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsvergleichung

ist, sagt das Gesetz jedoch nicht. Gegenstand des Vergleichs ist nicht das ausländische Umwandlungsrecht selbst, sondern der ausländische Vorgang.1 Es ist daher für die Vergleichbarkeit unschädlich, wenn das ausländische Umwandlungsrecht zwar Möglichkeiten bietet, die das UmwG nicht kennt, diese aber bei dem konkreten Vorgang nicht genutzt werden. Nach den Gesetzesmaterialien muss der Vorgang seinem Wesen nach einer der Umwandlungsarten des UmwG entsprechen; die Vergleichbarkeitsprüfung soll sowohl die Rechtsfolgen des Umwandlungsvorgangs (z.B. Auflösung ohne Abwicklung, Gesamtrechtsnachfolge) als auch die beteiligten Rechtsträger (Typenvergleich) umfassen, und Regelungen zu baren Zuzahlungen sind auch zu berücksichtigen.2

4.11 Erweiterung durch das KöMoG. Ferner ist seit dem 1.1.2022 durch das KöMoG3 die Beschränkung des § 1 Abs. 2 UmwStG auf Umwandlungen nach dem Recht eines EU-Mitgliedsstaates oder eines Staates, auf den das EWR-Abkommen Anwendung findet, aufgehoben. Die Öffnung der Vorschriften für Umstrukturierungen mit Drittstaatenbezug für Kapitalgesellschaftsfählle bewirkt eine weitestgehende Globalisierung des UmwStG. Die Einbringung von Betrieb, Teilbetrieb und Mitunternehmeranteil in eine Kapitalgesellschaft, der Anteilstausch sowie der entsprechenden Formwechsel bleiben für Buchwertverknüfungsfälle „nur“ europäisch zugelassen (§ 1 Abs. 3, 4 UmwStG sowie §§ 20–23, 25 UmwStG). II. Begriff des ausländischen Umwandlungsvorgangs

4.12 Definition nach UmwSt-Erlass. Als ausländischen Umwandlungsvorgang qualifiziert der UmwSt-Erlass4 „Umwandlungen, bei denen auf den übertragenden Rechtsträger oder auf den übernehmenden Rechtsträger bzw. beim Formwechsel auf den umwandelnden Rechtsträger das UmwG nach den allgemeinen Grundsätzen kollisionsrechtlich keine Anwendung findet“.5 Weiter führt der UmwSt-Erlass allerdings aus, dass das für die Umwandlung maßgebende Recht sich regelmäßig nach dem Gesellschaftsstatut des Staates richte, in dem der jeweilige Rechtsträger in ein öffentliches Register eingetragen sei. Sei er nicht oder noch nicht in ein öffentliches Register eingetragen, sei das Gesellschaftsstatut des Staates maßgeblich, nach dem er organisiert sei. Als ausländischer Umwandlungsvorgang wird dabei ausdrücklich auch die grenzüberschreitende Verschmelzung nach Maßgabe der §§ 305 ff. UmwG angesehen, wobei bei dieser die Vergleichbarkeit grundsätzlich gegeben sein soll.6 1 Im Entwurf zum SEStEG, BR-Drucks. 542/06, 15, BT-Drucks. 16/2710, 12, fand sich die Formulierung „aufgrund vergleichbarer ausländischer Vorschriften“, die letztlich jedoch als zu eng angesehen wurde und im Finanzausschuss des Bundestags durch „vergleichbare ausländische Vorgänge“ ersetzt wurde, BT-Drucks. 16/3315, 26, BT-Drucks. 16/3369, 9. 2 Siehe BT-Drucks. 16/2710, 35. 3 Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050. 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 („UmwSt-Erlass“). 5 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.20. 6 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.21.

212 | Drinhausen/Keinath

B. Vergleichbarkeitsanforderungen für ausländische Umwandlungen | Rz. 4.13 Kap. 4

Eine Sonderregelung zum Brexit findet sich noch in § 319 UmwG, wonach als grenzüberschreitende Verschmelzung auch eine solche gilt, an der eine übertragende Gesellschaft beteiligt ist, die dem Recht des Vereinigten Königreichs unterliegt, sofern der Verschmelzungsplan vor dem Ausscheiden zum 31.1.2020 notariell beurkundet worden ist und die Verschmelzung binnen zwei Jahren nach diesem Zeitpunkt zur Registeranmeldung eingetragen wird. Zu diesem Zweck fingierte die nunmehr im Rahmen des KöMoG weggefallene Vorschrift des § 1 Abs. 2 Satz 3 UmwStG, für eine dies betreffende Gesellschaft, den Status einer europäischen Gesellschaft.1 Gesellschaftsrechtliche Vorgaben. Kollisionsrechtlich bestimmt sich das auf die an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger anwendbare Recht nach ihrem jeweiligen Gesellschaftsstatut, also dem Gesellschaftsrecht, welchem der jeweilige Rechtsträger unterliegt.2 Das Gesellschaftsstatut wiederum bestimmt sich nach deutschem Internationalem Privatrecht herkömmlich nach dem Verwaltungssitz des Rechtsträgers (sog. Sitztheorie).3 Die Sitztheorie hat allerdings durch die Rechtsprechung des EuGH sowie in deren Folge den deutschen Gesetzgeber in den vergangenen Jahren Einschränkungen erfahren.4 Danach gebietet die in Art. 54, 49 AEUV festgeschriebene Niederlassungsfreiheit, dass jeder EU-Mitgliedstaat die Rechtsfähigkeit von Gesellschaften anerkennt, die diesen nach dem Recht eines anderen EU-Mitgliedstaats zuerkannt wird. Eine Gesellschaft, die nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaats gegründet wurde und ihren Verwaltungssitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt, ist daher auch nach dieser Sitzverlegung vom Zuzugsstaat als Gesellschaft ihres Gründungsstaats anzuerkennen, es sei denn, der Gründungsstaat selbst untersagt den Wegzug.5 Verlegt also eine Gesellschaft, die nach dem Recht eines anderen EU- oder EWR-Mitgliedstaats6 gegründet wurde, in zulässiger Weise ihren Verwaltungssitz 1 Loose in Brandis/Heuermann (vormals Blümich), § 1 UmwStG, Rz. 18. 2 Siehe dazu näher Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard5, UmwG, Einleitung C Rz. 4 ff. 3 Vgl. etwa BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, NZG 2009, 68 (69); ferner Großfeld in Staudinger, IntGesR (1998), Rz. 26 ff. mit umfangreichen Nachweisen. 4 Siehe dazu die drei ursprünglichen Grundsatzentscheidungen des EuGH v. 9.3.1999 – C212/97 – Centros, NJW 1999, 2027; v. 5.11.2002 – C-208/00 – Überseering, NJW 2002, 3614; und v. 30.9.2003 – C-167/01 – Inspire Art, BB 2003, 2195 sowie die Folgeentscheidungen v. 13.12.2005 – C-411/03 – SEVIC, NZG 2006, 112 (grenzüberschreitende HereinVerschmelzung einer Luxemburger Gesellschaft auf eine deutsche Gesellschaft); v. 16.12.2008 – C-210/06 – CARTESIO, NJW 2009, 569 (grenzüberschreitende Satzungssitzverlegung einer ungarischen Gesellschaft nach Italien unter Beibehaltung der ungarischen Rechtsform); v. 12.7.2012 – C-378/10 – VALE, NJW 2012, 2715 (grenzüberschreitender Formwechsel einer ungarischen Gesellschaft in eine italienische Gesellschaft unter gleichzeitiger Verlegung des Verwaltungssitzes) und v. 25.10.2017 – C-106/16 – Polbud, NJW 2017, 3639 (grenzüberschreitender Formwechsel einer polnischen Gesellschaft in eine Luxemburger Gesellschaft ohne entsprechende Verlegung des Verwaltungssitzes). 5 Siehe dazu EuGH v. 27.9.1988 – Rs. 81/87 – Daily Mail, NJW 1989, 2186. Zum Ganzen ausführlich Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard5, UmwG, Einleitung C Rz. 7 ff. 6 Die Niederlassungsfreiheit aus Art. 54, 49 AEUV gilt gem. Art. 31, 34 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (ABl. EG 1994 Nr. L 1, 1) auch für Gesellschaften, die nach dem Recht eines EFTA-Mitgliedstaats (mit Ausnahme der Schweiz) gegründet wurden.

Drinhausen/Keinath | 213

4.13

Kap. 4 Rz. 4.13 | Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsvergleichung

nach Deutschland, unterliegt sie grundsätzlich weiterhin dem Gesellschaftsrecht ihres Gründungsstaats. Entsprechendes gilt für Rechtsträger, die nach dem Recht eines Drittstaats außerhalb der EU und des EWR gegründet wurden und denen in Deutschland Niederlassungsfreiheit oder vergleichbare Rechte aufgrund von Staatsverträgen gewährt werden.1 Darüber hinaus hat der EuGH zuletzt gar entschieden, dass ein grenzüberschreitender Formwechsel auch bei Verbleib des Verwaltungssitzes unter die Niederlassungsfreiheit fällt und der Wegzugsstaat die isolierte Verlegung des Satzungssitzes unter entsprechendem Rechtsformwechsel nicht verbieten darf.2 Die Sitztheorie kann daher nur noch zur Bestimmung des Gesellschaftsstatuts von Gesellschaften angewendet werden, die nach dem Recht eines Drittstaats gegründet wurden, mit dem keine Niederlassungsfreiheit oder vergleichbare Rechte staatsvertraglich vereinbart wurden.3 Auf nach deutschem Recht gegründete Rechtsträger in der Rechtsform der AG und der GmbH ist die Sitztheorie nach entsprechender Änderung des AktG und des GmbHG4 ebenfalls nicht anwendbar. Aufgrund der Änderung durch das MoPEG findet die Sitztheorie auch auf Personengesellschaften keine Anwendung mehr. Nach § 706 BGB n.F. ist eine Trennung des Verwaltungs- von dem sog. Vertragssitz (also des im Gesellschaftsvertrag bestimmten Sitzes) unter bestimmten Voraussetzungen – insbesondere der Eintragung der Gesellschaft im Register – möglich.5

4.14 Unterschiede zwischen UmwSt-Erlass und Gesellschaftsrecht. Die Kriterien, nach denen der UmwSt-Erlass das Vorliegen eines ausländischen Umwandlungsvorgangs bzw. eines Umwandlungsvorgangs mit Auslandsbezug bestimmt, weichen also teilweise von den gesellschaftsrechtlichen Kriterien ab. Daher kann im Einzelfall ein Umwandlungsvorgang, der aus gesellschaftsrechtlicher Sicht als grenzüberschreitend angesehen würde, aus steuerlicher Sicht als inländischer Vorgang angesehen werden und umgekehrt. Praktische Auswirkungen haben sich bisher kaum daraus ergeben. Denn ein Rechtsträger, welcher in einem Register eines anderen EU- oder EWR-Mitgliedstaats eingetragen ist, ist vom deutschen Recht grundsätzlich weiterhin als Rechtsträger mit Gesellschaftsstatut dieses Staates anzuerkennen, auch wenn er – in 1 In Betracht kommt dies etwa für Gesellschaften, die nach dem Recht eines US-Bundesstaats gegründet wurden, aufgrund des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags v. 29.10.1954 (BGBl. II 1956, 487). 2 Mit dieser Entscheidung in der Rechtssache Polbud (EuGH v. 25.10.2017 – C-106/16 – Polbud, NJW 2017, 3639) hat der EuGH eine umfassende Umwandlungsfreiheit bestätigt. Siehe dazu näher Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard, UmwG, Einleitung C Rz. 26. 3 So hat der BGH etwa in seiner „Trabrennbahn“-Entscheidung eine nach Schweizer Recht gegründete AG mit Verwaltungssitz in Deutschland nach ausführlicher Prüfung staatsvertraglicher Abkommen zwischen Deutschland und der Schweiz deutschem Gesellschaftsrecht unterstellt und als rechtsfähige Personengesellschaft deutschen Rechts behandelt (BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, NZG 2009, 68 ff.). 4 Durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v. 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026 ff.) wurden § 4a Abs. 2 GmbHG und § 5 Abs. 2 AktG gestrichen, die Vorgaben, dass der Satzungssitz dem inländischen Verwaltungssitz entsprechen muss. 5 Siehe BT-Drucks. 19/27635, 126.

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B. Vergleichbarkeitsanforderungen für ausländische Umwandlungen | Rz. 4.15 Kap. 4

nach diesem Recht zulässiger Weise – seinen Verwaltungssitz in Deutschland hat. Ein Umwandlungsvorgang unter Beteiligung dieses Rechtsträgers wäre also sowohl aus gesellschaftsrechtlicher wie aus steuerlicher Sicht als Umwandlungsvorgang mit Auslandsbezug zu qualifizieren. Ist ein Rechtsträger mit Verwaltungssitz in Deutschland allerdings im Register eines Drittstaats eingetragen und genießt er keine Niederlassungsfreiheit oder vergleichbare Anerkennungsrechte in Deutschland, wäre er nach der Rechtsprechung des BGH als Personengesellschaft deutschen Rechts zu behandeln (Beispiel: AG Schweizer Rechts mit Verwaltungssitz in Deutschland).1 Konsequenterweise müsste er sich als OHG oder GbR deutschen Rechts aus gesellschaftsrechtlicher Sicht an allen innerstaatlichen Umwandlungsmaßnahmen beteiligen können, die das UmwG für diese Rechtsformen zulässt.2 Gesellschaftsrechtlich würde es sich bei der betreffenden Umwandlungsmaßnahme um einen rein innerstaatlichen Vorgang handeln. Aus Sicht des UmwSt-Erlasses wäre die Umwandlungsmaßnahme hingegen als ausländische zu beurteilen gewesen, da der Rechtsträger in einem ausländischen Register eingetragen ist. Etwas anderes dürfte nach der Öffnung des Anwendungsbereichs des UmwStG für Umwandlungen mit Drittstaatenbezug gelten,3 was durch den UmwSt-Erlass noch nicht antizipiert werden konnte. Umwandlungen unter Beteiligung von Drittstaaten, deren Gesellschaften aufgrund bilateraler Abkommen gegenseitige Rechte vergleichbar einer Niederlassungsfreiheit zustehen, sind nunmehr aus steuerlicher und gesellschaftsrechtlicher Perspektive gleichsam als Vorgänge mit Auslandsbezug zu qualifizieren.4 III. Vergleichbarkeit ausländischer Umwandlungsvorgänge 1. Vorbemerkung Erfasste Umwandlungsarten. Das UmwStG sieht in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 vor, dass das UmwStG sachlich auch Anwendung auf bestimmte ausländische Umwandlungsvorgänge findet, wenn diese mit einem Umwandlungsvorgang deutschen Rechts vergleichbar sind. Dies gilt jedoch nur für Umwandlungen in Form der Verschmelzung, der Auf- und Abspaltung sowie des Formwechsels einer Kapital- in eine Personengesellschaft; das gibt auch Rz. 01.20 des UmwSt-Erlasses wieder. An dieser Stelle nicht genannt ist die Ausgliederung, die nach dem deutschen Umwandlungsrecht eine Unterart der Spaltung darstellt, § 123 Abs. 3 UmwG. Allerdings fallen nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 UmwStG auch die Ausgliederung von Vermögensteilen nach § 123 Abs. 3 UmwG und vergleichbare ausländische Vorgänge in den sachlichen Anwendungsbereich des UmwStG.

1 So BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06 (Trabrennbahn), NZG 2009, 68 ff. 2 Die GbR kann allerdings bislang nur Zielrechtsform eines Formwechsels sein (§ 191 Abs. 2 Nr. 1 UmwG); einer als GbR qualifizierten Gesellschaft stehen daher keine Umwandlungsmöglichkeiten nach deutschem UmwG zur Verfügung; Decher in Lutter4, § 191 UmwG Rz. 3. Dies ändert sich erst mit Inkrafttreten des MoPeG zum 1.1.2024 (s. oben Rz. 4.8). 3 Siehe oben Rz. 4.14. 4 So etwa Umwandlungsvorgänge mit Beteiligung einer amerikanischen Gesellschaft aufgrund des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags v. 29.10.1954 (BGBl. II 1956, 487).

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4.15

Kap. 4 Rz. 4.16 | Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsvergleichung

4.16 Einbringung. Der UmwSt-Erlass befasst sich insbesondere in Rz. 01.20 bis Rz. 01.41 mit der Vergleichbarkeit ausländischer Umwandungsvorgänge, soweit sie in den sachlichen Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 UmwStG fallen, für den der Zweite bis Fünfte Teil des UmwStG gilt. Auf die Vergleichbarkeit ausländischer Umwandlungsvorgänge nach Rz. 01.20 ff. des UmwSt-Erlasses verweist auch Rz. 01.45 des UmwStErlasses für die Einbringung in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft (§ 20 UmwStG) und Rz. 01.48 des UmwSt-Erlasses für die Einbringung in eine Personengesellschaft (§ 24 UmwStG), d.h., ausländische Umwandlungsvorgänge, die in den sachlichen Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 UmwStG fallen, für den der Sechste bis Achte Teil des UmwStG gilt. 4.17 Maßgeblichkeit des Gesellschaftsrechts. Für ausländische Vorgänge soll nach Rz. 01.23 des UmwSt-Erlasses der Grundsatz der Maßgeblichkeit des Gesellschaftsrechts gelten, d.h., der ausländische Umwandlungsvorgang fällt a priori nur dann in den sachlichen Anwendungsbereich des UmwStG, wenn er gesellschaftsrechtlich zulässig und wirksam ist. Dafür soll regelmäßig die Entscheidung der zuständigen ausländischen Registerbehörden maßgeblich sein, was allerdings nicht bei gravierenden Mängeln der Umwandlung gelten soll. Für inländische Umwandlungen ist nach Rz. 01.06 des UmwSt-Erlasses dann nicht von der Maßgeblichkeit der registerrechtlichen Entscheidung auszugehen, wenn sie trotz rechtlich gravierender Mängel erfolgte. Sofern eine eigenständige Prüfung durch die Finanzbehörde zu einer von der registerrechtlichen Entscheidung abweichenden Beurteilung der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Umwandlung käme, würde dies zu einem schwer erträglichen Wertungswiderspruch führen, namentlich, wenn bei inländischen Umwandlungen Mängel die Wirkungen der registerrechtlichen Eintragung unberührt lassen, § 20 Abs. 2, § 131 Abs. 2, § 202 Abs. 3 UmwG. Die bestandsschützende Wirkung muss daher auch für die Anwendung des UmwStG gelten, so dass als gravierende Mängel allenfalls solche in Betracht kommen, nach denen die Umwandlung als nichtig anzusehen ist (s. Rz. 8.107). Entsprechendes muss für ausländische Umwandlungsvorgänge gelten, da sie mit inländischen Vorgängen vergleichbar sein sollen. Eine Befugnis der Finanzbehörde zu einer weiter gehenden Prüfung und Beurteilung der Zulässigkeit und Wirksamkeit bei ausländischen Umwandlungsvorgängen lässt sich kaum begründen. Die Beurteilung der Schwere des Mangels kann daher auch bei ausländischen Umwandlungsvorgängen nicht im Ermessen der im Einzelfall zuständigen Finanzbehörde stehen, sondern muss anhand der bestandsschützenden Wirkung einer Eintragung nach ausländischem Recht (oder eines sonstigen nach dem betreffenden ausländischen Recht zum Wirksamwerden der Umwandlungsmaßnahme führenden Rechtsakts) erfolgen. Der Mangel muss daher so gravierend sein, dass der Umwandlungsvorgang nach dem jeweiligen ausländischen Recht als nichtig anzusehen ist.1 Der Mindestbestandsschutz ist durch das Sekundärrecht im jeweiligen Anwendungsbereich gewährleistet.2 Diese Grenzen können auch im Übrigen als Richtschnur gelten. 1 Vgl. Benecke, GmbHR 2012, 113 (117). 2 Für innerstaatliche Verschmelzungen Art. 108, für innerstaatliche Spaltungen Art. 153, für grenzüberschreitende Verschmelzungen Art. 134, für den grenzüberschreitenden Formwechsel Art. 86t und für grenzüberschreitende Spaltungen Art. 160u der Gesellschaftsrechtsrichtlinie (2017/1132/EU).

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B. Vergleichbarkeitsanforderungen für ausländische Umwandlungen | Rz. 4.19 Kap. 4

Vergleichbarkeitsmaßstab. Vergleichbarkeit ist gemäß Rz. 01.24 des UmwSt-Erlasses gegeben, wenn der ausländische Umwandlungsvorgang seinem Wesen nach einem Umwandlungsvorgang nach dem deutschen Umwandlungsgesetz entspricht.1 Für die Beurteilung der wesensmäßigen Entsprechung sind die Umwandlungsfähigkeit der beteiligten Rechtsträger, die Strukturmerkmale des Umwandlungsvorgangs (Rechtsnatur bzw. Rechtsfolgen) und sonstige Vergleichskriterien des jeweiligen ausländischen Umwandlungsvorgangs zu prüfen.2 Zudem ist der ausländische Umwandlungsvorgang in seiner konkreten rechtlichen Ausgestaltung und nicht das ausländische Umwandlungsrecht als solches zu prüfen (Rz. 01.25 des UmwSt-Erlasses). Der UmwSt-Erlass verdeutlicht das anhand des Beispiels einer Verschmelzung zweier Gesellschaften ausländischer Rechtsform, für die das ausländische Umwandlungsrecht keine § 54 Abs. 4 UmwG vergleichbare Beschränkung barer Zuzahlungen vorsieht. Wird im Verschmelzungsvertrag eine bare Zuzahlung von 50 % des Gesamtnennbetrags der gewährten Anteile vereinbart, sei dies schädlich für die Vergleichbarkeit. Wäre eine bare Zuzahlung von maximal 10 % vereinbart worden, stünde die fehlende gesetzliche Beschränkung barer Zuzahlungen im ausländischen Umwandlungsrecht der Vergleichbarkeit des ausländischen Umwandlungsvorgangs hingegen nicht entgegen. Die in Rz. 01.24 und 01.25 des UmwSt-Erlasses wiedergegebenen Kriterien für die Prüfung der Vergleichbarkeit lassen sich unmittelbar auf die Begründung und den Wortlaut des Gesetzes stützen; sie werden in Rz. 01.26 ff. des UmwSt-Erlasses im Einzelnen durch die Finanzverwaltung ausgelegt.

4.18

2. Umwandlungsfähigkeit der beteiligten Rechtsträger Rechtstypenvergleich. Die Prüfung der Umwandlungsfähigkeit der beteiligten Rechtsträger muss nach Rz. 01.26 des UmwSt-Erlasses für die jeweilige Umwandlungsart und für sämtliche betroffenen Gesellschaftsstatute der beteiligten Rechtsträger erfolgen. Für die Umwandlungsfähigkeit ist es nicht ausreichend, dass der jeweilige Rechtsträger als Körperschaft oder Personengesellschaft für steuerliche Zwecke eingeordnet wird, vielmehr muss der ausländische Rechtsträger im Rahmen eines Rechtstypenvergleichs einem vergleichbaren umwandlungsfähigen Rechtsträger inländischen Rechts entsprechen (vgl. Rz. 01.27 des UmwSt-Erlasses). Der Vergleich soll grundsätzlich anhand des gesetzlichen Leitbilds der ausländischen Gesellschaft erfolgen. Für die Frage des Rechtstypenvergleichs ausgewählter ausländischer Rechtsformen kann auf die Tabellen 1 und 2 im Anhang zu den Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätzen3 sowie die Prüfungskriterien im sog. LLC-Schreiben4 zurückgegrif1 So auch die Formulierung der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 1 UmwStG, BT-Drucks. 16/2710, 35. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.24; das entspricht der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 1 UmwStG, BT-Drucks. 16/ 2710, 35. 3 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Grundsätze der Verwaltung für die Prüfung der Aufteilung der Einkünfte bei Betriebsstätten international tätiger Unternehmen („Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze“). 4 BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA – 22/04, BStBl. I 2004, 411 zur steuerlichen Einordnung einer Limited Liability Company (LLC), sog. „LLC-Schreiben“.

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4.19

Kap. 4 Rz. 4.19 | Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsvergleichung

fen werden. Unklar bleibt insoweit jedoch, ob insbesondere die in Tabellen 1 und 2 der Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze genannten Rechtsformen per se als umwandlungsfähige Rechtsträger qualifizieren oder ob für die dort genannten Rechtsformen dennoch ein Rechtstypenvergleich durchzuführen ist. Unabhängig hiervon wäre eine Aktualisierung dieser Tabellen oder eine separate, aktualisierte Aufzählung der umwandlungsfähigen ausländischen Rechtsträger, für die keine weitere Vergleichsprüfung durchzuführen ist, wünschenswert.1 3. Vergleichbarkeit der Strukturmerkmale des Umwandlungsvorgangs a) Vorbemerkung

4.20 Vergleichbarkeitskriterien. Der UmwSt-Erlass listet bestimmte Strukturmerkmale auf,2 bei deren Vorliegen ein ausländischer Umwandlungsvorgang als mit einer Verschmelzung, Aufspaltung, Abspaltung oder einem Formwechsel deutschen Rechts vergleichbar anzusehen ist.3 4.21 Vergleichbarkeitskriterien sind bei allen genannten Umwandlungsvorgängen die an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger, die Rechtsnatur sowie die Rechtsfolgen des Umwandlungsvorgangs. Je nach Umwandlungsvorgang können sonstige Vergleichskriterien hinzukommen.4 Diese werden nachfolgend für die Verschmelzung, Aufspaltung, Abspaltung und den Formwechsel dargestellt. b) Verschmelzung

4.22 Maßgebliche Strukturmerkmale. Eine ausländischem Recht unterliegende Verschmelzung genügt gemäß Rz. 01.30 ff. des UmwSt-Erlasses den Anforderungen an die Vergleichbarkeit, wenn die aus den §§ 2 ff. UmwG ableitbaren Strukturmerkmale einer Verschmelzung nach deutschem Recht erfüllt sind. Als charakteristische Merkmale der Verschmelzung nennt der UmwSt-Erlass (i) die Übertragung des gesamten Aktiv- und Passivvermögens eines oder mehrerer übertragender auf einen übernehmenden Rechtsträger (ii) aufgrund eines Rechtsgeschäfts (iii) kraft Gesetzes (iv) gegen Gewährung von Anteilen am übernehmenden Rechtsträger an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers (v) unter Auflösung ohne Abwicklung des oder der übertragenden Rechtsträger(s).

1 Die Tabellen 1 und 2 der Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze enthalten zwar eine Vergleichbarkeitseinstufung vieler Rechtsformen gängiger Jurisdiktionen, werden aber der Rechtstatsächlichkeit nach über einem Jahrzehnt nicht mehr gerecht, so ist z.B. die französische Société par actions simplifiée (S.A.S. – kleine bzw. einfache AG) nicht aufgeführt. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.29 ff. 3 Siehe BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.20. 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.24.

218 | Drinhausen/Keinath

B. Vergleichbarkeitsanforderungen für ausländische Umwandlungen | Rz. 4.24 Kap. 4

EU-weite Harmonisierung. Die (innerstaatliche) Verschmelzung von Aktiengesellschaften wurde innerhalb von EU und EWR durch die Richtlinie 78/855/EWG betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften1 (Verschmelzungsrichtlinie) erstmals harmonisiert.2 Die Vorgaben der Verschmelzungsrichtlinie (die sich nunmehr in der Gesellschaftsrechtsrichtlinie wiederfinden) sind in Deutschland im UmwG umgesetzt, wobei die entsprechenden Regelungen nicht nur die Verschmelzung von Aktiengesellschaften regeln, sondern auch von Rechtsträgern anderer Rechtsformen, denen gem. § 3 UmwG die Teilnahme an einer Verschmelzung gestattet ist (zum Erfordernis der Vergleichbarkeit der umwandlungsfähigen Rechtsträger s. Rz. 4.19).

4.23

Rechtsgeschäft. Als der Verschmelzung zugrunde liegendes Rechtsgeschäft sieht der UmwSt-Erlass zunächst einen Verschmelzungsvertrag (wie in § 4 UmwG für eine innerstaatliche Verschmelzung deutschen Rechts) vor, wobei dessen Inhalt mindestens den Vorgaben der Gesellschaftsrechtsrichtlinie (Art. 91 Abs. 2) genügen muss.3 Für die Vergleichbarkeit unschädlich ist es danach, wenn das ausländische Verschmelzungsrecht Angaben fordert, die über die Vorgaben der Verschmelzungsrichtlinie hinausgehen. Ebenfalls als der Verschmelzung zugrunde liegendes Rechtsgeschäft anerkannt ist ein Verschmelzungsplan. Dies erklärt sich daraus, dass die Gesellschaftsrechtsrichtlinie selbst in Art. 91 (bzw. in Art. 122 für grenzüberschreitende Verschmelzungen) von einem Verschmelzungsplan ausgeht, der von den Verwaltungsoder Leitungsorganen der an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften erstellt wird. Das Konzept des Abschlusses eines Verschmelzungsvertrags zwischen den verschmelzenden Rechtsträgern ist eine Besonderheit der deutschen Umsetzung der Richtlinienvorgaben.4 Daher sehen die Verschmelzungsrechte der meisten EU- und EWR-Mitgliedstaaten, die die Richtlinie umgesetzt haben, die Erstellung eines Verschmelzungsplans als der Verschmelzung zugrunde liegenden Organisationsakt und nicht den Abschluss eines Verschmelzungsvertrags mit schuldrechtlichen Elementen vor. Keine Voraussetzung der Vergleichbarkeit kann folglich die Begründung gegenseitiger schuldrechtlicher Rechte und Pflichten der verschmelzenden Rechtsträger5

4.24

1 Dritte Richtlinie 78/855/EWG des Rates v. 9.10.1978 (ABl. EG Nr. L 295, 36). Diese Richtlinie ist zwischenzeitlich durch die Richtlinie 2011/35/EU und schließlich durch die Richtlinie 2017/1132/EU (Gesellschaftsrechtsrichtlinie) ersetzt worden, die die Bestimmungen der Richtlinie 78/855/EWG und deren späterer Änderungen zusammenfasst. Die Regelungen über den Mindestinhalt von Verschmelzungsplan (bzw. Verschmelzungsvertrag) in Art. 91 (früher Art. 5) der Richtlinien sind jedoch identisch. Die Vorgaben für die Verschmelzung sind im deutschen Recht in § 5 UmwG umgesetzt. 2 Die Gesellschaftsrechtsrichtlinie regelt auch die grenzüberschreitende Verschmelzung von Aktiengesellschaften und sonstigen Kapitalgesellschaften und ersetzt damit die Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.10.2005 (ABl. EU Nr. L 310, 1). 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.31. 4 Einen Verschmelzungsvertrag statt eines Verschmelzungsplans sieht beispielsweise auch das österreichische Recht vor, vgl. § 220 Abs. 1 des österreichischen Aktiengesetzes. Zu weiteren Rechtsordnungen s. auch Rz. 4.50 ff. 5 Zu den schuldrechtlichen Wirkungen des Verschmelzungsvertrags etwa Schröer/Greitemann in Semler/Stengel/Leonard5, § 4 UmwG Rz. 5.

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Kap. 4 Rz. 4.24 | Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsvergleichung

sein. Das Konzept des Verschmelzungsplans ist im Übrigen mittlerweile auch dem deutschen Umwandlungsrecht bekannt, da sowohl bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung nach §§ 305 ff. UmwG als auch bei der Verschmelzung zur Gründung einer Europäischen Gesellschaft (SE) nach der SE-Verordnung und bei der Gründung einer Europäischen Genossenschaft (SCE) statt eines Verschmelzungsvertrags ein Verschmelzungsplan aufzustellen ist.1

4.25 Rechtswirkungen. Ferner müssen die Rechtswirkungen der Verschmelzung gemäß Rz. 01.31 des UmwSt-Erlasses den Vorgaben von Art. 105 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie (früherer Art. 19 der Verschmelzungsrichtlinie) entsprechen;2 insbesondere der Übergang des Vermögens muss kraft (partieller) Gesamtrechtsnachfolge3 und nicht durch Einzelrechtsnachfolge erfolgen.4 Zu berücksichtigen ist aber, dass gem. Art. 105 Abs. 3 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie (früherer Art. 19 Abs. 3 der Verschmelzungsrichtlinie) mitgliedstaatliche Rechtsvorschriften, die die Wirkung der Übertragung einzelner Vermögensgegenstände im Verhältnis zu Dritten von der Erfüllung bestimmter Förmlichkeiten abhängig machen, unberührt bleiben. Knüpft also das betreffende ausländische Recht zwar die materiell-rechtliche Zuordnung des jeweiligen Vermögensgegenstands zum übernehmenden Rechtsträger an die Wirksamkeit der Verschmelzung, verlangt aber für die Geltendmachung gegenüber Dritten die Erfüllung bestimmter Formalien – etwa, wie im deutschen Recht, einer Umschreibung im Grundbuch oder Einreichung einer neuen Gesellschafterliste für eine Tochtergesellschaft zum Handelsregister –, steht dies der Vergleichbarkeit des ausländischen Verschmelzungsvorgangs nicht entgegen.5 4.26 Anteilsgewährung. Hinsichtlich des Erfordernisses der Gewährung von Anteilen am übernehmenden Rechtsträger sind schließlich Kapitalerhöhungsverbote und Kapitalerhöhungswahlrechte des ausländischen Umwandlungsrechts „zu berücksichtigen“. Derartige Wahlrechte und Verbote sind im deutschen Umwandlungsrecht in § 54

1 Siehe § 307 UmwG für die grenzüberschreitende Verschmelzung, Art. 20 SE-VO für die Verschmelzung zur Gründung einer SE und Art. 22 SCE-VO für die Verschmelzung zur Gründung einer SCE. Zur umstrittenen Frage, ob diese Verschmelzungspläne auch schuldrechtliche Elemente beinhalten, s. näher Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard5, § 122c UmwG Rz. 6 m.w.N. 2 Art. 19 der Verschmelzungsrichtlinie, der im UmwSt-Erlass genannt ist, wurde durch den nahezu identischen Art. 105 Abs. 2 der Verschmelzungsrichtlinie ersetzt. 3 Maetz, in W/M, § 1 UmwStG Rz. 50 (Stand: Mai 2020), wendet sich gegen die Heranziehung des Merkmals der Gesamtrechtsnachfolge als maßgebliches Strukturmerkmal; Verschmelzungen und Spaltungen nach dem Recht Großbritanniens und Irlands seien vergleichbare Vorgänge, obwohl ihnen keine Gesamtrechtsnachfolge zugrunde liegt. 4 Diese Vorgaben sind im deutschen Recht in § 20 UmwG umgesetzt. Gegen das Erfordernis der Gesamtrechtsnachfolge kraft Gesetzes als Voraussetzung der Vergleichbarkeit Maetz in W/M, § 1 UmwStG Rz. 17 f. (Stand: Mai 2020); s. dazu auch Ehret/Lausterer, Beilage Nr. 1 zu DB 2012 Heft 2, 5 (9). 5 Eine Art. 105 Abs. 3 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie entsprechende Regelung enthält auch der bei Verschmelzungen zur Gründung einer Europäischen Gesellschaft (SE) unmittelbar anwendbare Art. 29 Abs. 3 SE-VO.

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B. Vergleichbarkeitsanforderungen für ausländische Umwandlungen | Rz. 4.27 Kap. 4

(für die GmbH) und § 68 (für die AG) UmwG vorgesehen.1 Kapitalerhöhungsverbote sind für die Verschmelzung von Aktiengesellschaften innerhalb der EU in Art. 105 Abs. 2 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie vorgegeben. Danach darf eine übernehmende Aktiengesellschaft keine neuen Aktien im Umtausch für Anteile an der übertragenden Gesellschaft ausgeben, die von der übernehmenden Gesellschaft oder einer für deren Rechnung handelnden Person gehalten werden. Diese Vorgabe ist in § 68 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 UmwG für Verschmelzungen unter Beteiligung von Aktiengesellschaften und in § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 UmwG für die Verschmelzung unter Beteiligung von GmbHs umgesetzt. Ebenso darf eine Kapitalerhöhung bei der übernehmenden Gesellschaft nicht stattfinden, soweit die übertragende Gesellschaft selbst oder für deren Rechnung handelnde Personen eigene Anteile an der übertragenden Gesellschaft halten (im deutschen Verschmelzungsrecht umgesetzt in § 68 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 UmwG und § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 UmwG). Über diese Vorgaben der Verschmelzungsrichtlinie hinaus sieht das deutsche Verschmelzungsrecht ein weiteres Kapitalerhöhungsverbot vor, soweit die übertragende Gesellschaft oder eine für deren Rechnung handelnde Person Anteile an der übernehmenden hält, auf die die Einlage nicht vollständig geleistet ist (§ 68 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 UmwG für die AG, § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 UmwG für die GmbH). Ferner sind Kapitalerhöhungswahlrechte in § 68 Abs. 1 Satz 2 UmwG (für die AG) und § 54 Abs. 1 Satz 2 UmwG (für die GmbH) vorgesehen, die ebenfalls nicht auf die Verschmelzungsrichtlinie zurückgehen. Schließlich erlauben § 68 Abs. 1 Satz 3 UmwG und § 54 Abs. 1 Satz 3 UmwG auch das Absehen von einer Kapitalerhöhung, wenn alle Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers auf die Gewährung von Anteilen am übernehmenden Rechtsträger verzichten – auch dies ist in der Verschmelzungsrichtlinie nicht vorgesehen.2 Da somit das deutsche Verschmelzungsrecht selbst über die Vorgaben der Verschmelzungsrichtlinie hinausgehende Ausnahmen von der Kapitalerhöhung beim übernehmenden Rechtsträger und der Anteilsgewährungspflicht als solcher vorsieht, sollten die Anforderungen an das ausländische Verschmelzungsrecht nicht überspannt werden. Der Vergleichbarkeit kann es daher nicht entgegenstehen, wenn das ausländische Recht weitere oder andere Kapitalerhöhungsverbote oder Kapitalerhöhungswahlrechte vorsieht als das deutsche Recht. Ebenso sollte es unschädlich sein, wenn das ausländische Verschmelzungsrecht weitere oder andere Ausnahmen von der Anteilsgewährungspflicht durch den übernehmenden Rechtsträger zulässt. Anzahl übertragender Rechtsträger. Ausdrücklich nicht erforderlich für die Vergleichbarkeit ist hingegen die Beteiligung mehrerer übertragender Rechtsträger an einer Verschmelzung durch Neugründung, auch wenn dies für eine Verschmelzung durch Neugründung nach deutschem Recht gem. § 2 Nr. 2 UmwG notwendig ist.3 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.32. 2 Teilweise wird die Zulassung des Verzichts auf die Anteilsausgabe als richtlinienwidrig angesehen, s. dazu (und zu weiteren Kritikpunkten) etwa Weiler, NZG 2008, 527 (528) m.w.N. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.39.

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4.27

Kap. 4 Rz. 4.28 | Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsvergleichung

c) Aufspaltung

4.28 Maßgebliche Strukturmerkmale. Eine nach ausländischem Recht durchgeführte Aufspaltung sieht der UmwSt-Erlass als vergleichbar an, wenn die wesentlichen Merkmale einer Aufspaltung nach deutschem Recht (§ 123 Abs. 1 UmwG) erfüllt sind. Erforderlich ist danach (i) die Übertragung des gesamten Aktiv- und Passivvermögens eines übertragenden Rechtsträgers auf mindestens zwei übernehmende Rechtsträger, (ii) aufgrund Rechtsgeschäfts (iii) kraft Gesetzes (iv) gegen Gewährung von Anteilen an den übernehmenden Rechtsträgern an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers (v) unter Auflösung ohne Abwicklung des übertragenden Rechtsträgers.1 4.29 EU-weite Harmonisierung. Ebenso wie die Verschmelzung ist die Spaltung von Aktiengesellschaften aufgrund einer Richtlinie (Spaltungsrichtlinie)2 innerhalb der EU harmonisiert. Wie bei der Verschmelzung geht das deutsche UmwG aber wiederum über die Spaltungsrichtlinie hinaus und erlaubt Rechtsträgern aller Rechtsformen, die sich gem. § 3 Abs. 1 UmwG auch an einer (innerstaatlichen) Verschmelzung beteiligen könnten, die Beteiligung an einer Spaltung; zusätzlich können wirtschaftliche Vereine als übertragender Rechtsträger beteiligt sein (§ 124 Abs. 1 UmwG; zum Erfordernis der Vergleichbarkeit der umwandlungsfähigen Rechtsträger s. Rz. 4.19). 4.30 Rechtsgeschäft. Der Aufspaltung zugrunde liegendes Rechtsgeschäft kann ein Spaltungs- und Übernahmevertrag oder ein Spaltungsplan sein, dessen Inhalt den Vorgaben der Spaltungsrichtlinie (heutige Art. 135 ff. der Gesellschaftsrechtsrichtlinie) entsprechen muss.3 Das deutsche Spaltungsrecht sieht für alle Arten der Spaltung zur Aufnahme durch bereits bestehende Rechtsträger den Abschluss eines Spaltungsund Übernahmevertrags vor. Nur bei der Spaltung zur Neugründung eines Rechtsträgers ist stattdessen ein Spaltungsplan aufzustellen (§ 136 UmwG). Ebenso wie für die Verschmelzung kennen die Richtlinienvorgaben auch für die Spaltung nur den Spaltungsplan und sehen kein Vertragskonzept vor. Daher muss es für die Vergleichbarkeit stets genügen, wenn der ausländische Spaltungsvorgang auf einem Spaltungsplan beruht, auch wenn es sich um eine Aufspaltung zur Aufnahme handelt, für die nach deutschem Recht ein Spaltungs- und Übernahmevertrag abzuschließen wäre. 4.31 Anteilsgewährung. Ebenso wie bei der Verschmelzung sind bei der Prüfung des Erfordernisses der Anteilsgewährung auch bei der Aufspaltung Kapitalerhöhungsverbote und -wahlrechte zu berücksichtigen.4 Die Kapitalerhöhungsverbote und -wahlrechte bei einer Aufspaltung nach deutschem Recht entsprechen denen bei der Verschmelzung (s. § 125 Satz 1 UmwG, wonach u.a. die §§ 68 und 54 UmwG anwendbar 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.33. 2 Der Inhalt der Spaltungsrichtlinie wurde in Art. 135 ff. der Gesellschaftsrechtsrichtlinie übernommen. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.34. 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.35.

222 | Drinhausen/Keinath

B. Vergleichbarkeitsanforderungen für ausländische Umwandlungen | Rz. 4.34 Kap. 4

sind); auch die diesbezüglichen Vorgaben in Art. 151 Abs. 2 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie (früher Art. 17 Abs. 2 der Spaltungsrichtlinie) entsprechen den Vorgaben in Art. 105 Abs. 2 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie (früher Art. 19 Abs. 2 der Verschmelzungsrichtlinie). Daher kann auf die obigen Ausführungen zur Verschmelzung (Rz. 4.26) verwiesen werden. d) Abspaltung Maßgebliche Strukturmerkmale. Als Kriterien für die Vergleichbarkeit einer nach ausländischem Recht durchgeführten Abspaltung listet der UmwSt-Erlass die Merkmale einer Abspaltung gem. § 123 Abs. 2 UmwG auf, die – ebenso wie die Merkmale der Aufspaltung (s. dazu Rz. 4.28) – auf der Spaltungsrichtlinie beruhen. Eine ausländische Abspaltung ist danach der inländischen vergleichbar, wenn sie (i) zur Übertragung eines Teils oder mehrerer Teile eines Rechtsträgers auf einen oder mehrere übernehmende Rechtsträger führt und (ii) aufgrund eines Rechtsgeschäfts (iii) kraft Gesetzes (iv) gegen Gewährung von Anteilen am übernehmenden Rechtsträger oder an den übernehmenden Rechtsträgern an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers (v) ohne Auflösung des übertragenden Rechtsträgers erfolgt.1 Im Gegensatz zu Verschmelzung und Aufspaltung von Aktiengesellschaften ist die Abspaltung nicht durch eine EU-Richtlinie harmonisiert.2

4.32

Rechtsgeschäft. Wie bei der Aufspaltung kann das zugrunde liegende Rechtsgeschäft sowohl ein Spaltungs- und Übernahmevertrag als auch ein Spaltungsplan sein.3 Nach deutschem Umwandlungsrecht ist ein Spaltungsplan auch bei der Abspaltung nur zu erstellen, wenn sie zur Neugründung eines Rechtsträgers führt (§ 136 UmwG); bei der Abspaltung zur Aufnahme durch einen bereits existierenden Rechtsträger hat dieser hingegen mit dem oder den übertragenden Rechtsträger(n) einen Spaltungs- und Übernahmevertrag abzuschließen (s. § 126 UmwG). Da der UmwStErlass diesbezüglich keine Differenzierung vornimmt, wird man jedoch annehmen dürfen, dass es der Vergleichbarkeit nicht entgegensteht, wenn das ausländische Spaltungsrecht auch für eine Abspaltung zur Aufnahme durch einen bereits existierenden Rechtsträger die Aufstellung eines Spaltungsplans vorsieht. Inhaltlich muss der Spaltungsplan oder Spaltungs- und Übernahmevertrag den Vorgaben von § 126 UmwG entsprechen;4 da diese Vorschrift auch für die Aufspaltung gilt, entspricht ihr Inhalt aber wiederum den Vorgaben aus Art. 137 Abs. 2 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie.

4.33

Anteilsgewährung. Auch wenn der UmwSt-Erlass dies im Zusammenhang mit der Abspaltung – anders als bei der Verschmelzung und der Aufspaltung – nicht er-

4.34

1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.36. 2 Die Gesellschaftsrechtsrichtlinie enthält gemäß der Definition in ihrem Art. 136 nur Vorgaben für die Aufspaltung. 3 Siehe BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.37. 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.37.

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Kap. 4 Rz. 4.34 | Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsvergleichung

wähnt, ist davon auszugehen, dass Kapitalerhöhungsverbote und -wahlrechte des ausländischen Spaltungsrechts bei der Prüfung des Erfordernisses der Anteilsgewährung zu berücksichtigen sind. Da die Kapitalerhöhungsverbote und -wahlrechte bei einer Abspaltung nach dem UmwG denen bei der Verschmelzung und Aufspaltung entsprechen, kann auf Rz. 4.26 verwiesen werden. e) Formwechsel

4.35 Maßgebliche Strukturmerkmale. Maßgeblich für die Vergleichbarkeit eines Formwechsels ausländischen Rechts ist nach dem UmwSt-Erlass die Änderung der rechtlichen Organisation unter Kontinuität des Rechtsträgers.1 Keine Vergleichbarkeit liegt daher vor, wenn der Rechtsträger infolge des Umwandlungsvorgangs aufgelöst wird.2 4. Sonstige Vergleichbarkeitskriterien

4.36 Bare Zuzahlungen. Als weitere Kriterien für die Vergleichbarkeit nennt der UmwStErlass die Höhe vertraglich vereinbarter Zuzahlungen, die grundsätzlich den Vorgaben des UmwG entsprechen müssen. Die Höhe barer Zuzahlungen ist bei Verschmelzungen unter Beteiligung von Aktiengesellschaften (s. § 68 Abs. 3 UmwG) und GmbHs (§ 54 Abs. 4 UmwG) auf maximal 10 % des Nennbetrags bzw. anteiligen Betrags am Grundkapital der von dem übernehmendem Rechtsträger an die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers gewährten Anteile begrenzt. Nach dem UmwSt-Erlass sind im Rahmen des ausländischen Umwandlungsvorgangs gewährte Zuzahlungen, die diesen Rahmen „deutlich“ überschreiten, als Indiz gegen eine Vergleichbarkeit zu werten.3 4.37 Rückwirkung. Bei der Prüfung der Vergleichbarkeit unerheblich ist hingegen die Dauer einer gesellschaftsrechtlichen Rückbeziehungsmöglichkeit des Umwandlungsvorgangs.4

1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.39. 2 Der UmwSt-Erlass enthält keine Ausführungen zu dem Fall, dass eine Satzungsänderung einer ausländischen Gesellschaft ggf. zu einer anderweitigen steuerlichen Einordnung der ausländischen Gesellschaft nach deutschem Verständnis führt (Wechsel des Besteuerungsregimes, wie etwa von einer Körperschaft in eine PersGes. und umgekehrt); vgl. hierzu insbesondere die Ausführungen von Käbisch/Bunzeck, IWB 2011, 392 ff.; Schönfeld, IStR 2011, 497 ff. sowie Benecke/Schnittker, FR 2010, 555 ff. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.40; diese Rz. verweist auf das Beispiel in Rz. 01.25 des UmwSt-Erlasses. In der Zusammenschau erscheinen beide nicht aufeinander abgestimmt. Während Rz. 01.40 einem deutlichen Überschreiten eine Indizwirkung beimisst, ziehen die Lösungshinweise im Beispiel in Rz. 01.25 eine scharfe Grenze („mehr als 10 %“/„max. 10 %“), wobei das Beispiel eine „bare Zuzahlung i.H.v. 50 %“ angibt, die man als deutliches Überschreiten sehen kann, aber nach Rz. 01.40 nur als Indiz wirkt. 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.41.

224 | Drinhausen/Keinath

B. Vergleichbarkeitsanforderungen für ausländische Umwandlungen | Rz. 4.40 Kap. 4

IV. Umwandlungen von SE und grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge 1. Umwandlung von SE Umwandlungsfähigkeit. Die Umwandlungsfähigkeit einer SE wird vom UmwSt-Erlass der Umwandlungsfähigkeit einer Aktiengesellschaft gleichgesetzt.1 Der UmwStErlass verweist dabei auf Art. 9 SE-VO, nach dessen Abs. 1 Buchst. c Doppelbuchst. ii die SE dem nationalen Aktienrecht ihres Sitzstaats unterliegt, soweit die SE-VO keine speziellen Vorgaben enthält.

4.38

Anwendung des UmwG und der SE-VO. Die Sichtweise des UmwSt-Erlasses entspricht damit weitgehend der gesellschaftsrechtlichen Wertung: Die SE-VO enthält keine Regelungen zu Verschmelzung oder Spaltung einer bestehenden SE. Eine SE mit Sitz in Deutschland kann sich daher nach überwiegender Ansicht wie eine deutsche Aktiengesellschaft an Verschmelzungen und Spaltungen beteiligen.2 Dabei gelten grundsätzlich dieselben Vorschriften des deutschen Umwandlungsgesetzes, die auch für die Verschmelzung oder Spaltung einer deutschen Aktiengesellschaft anwendbar sind. Geht die SE allerdings infolge der Umwandlungsmaßnahme unter – etwa durch Beteiligung als übertragender Rechtsträger an einer Verschmelzung oder Aufspaltung –, ist nach überwiegender Ansicht die Sperrfrist des Art. 66 Abs. 1 Satz 2 SE-VO zu beachten.3 Diese Vorschrift bestimmt, dass die „Rückumwandlung“ einer SE im Wege des Formwechsels in eine Aktiengesellschaft ihres Sitzstaats erst zwei Jahre nach Eintragung der SE oder nach Genehmigung der ersten beiden Jahresabschlüsse zulässig ist.

4.39

Formwechsel. Nach inzwischen ganz überwiegender Ansicht in der deutschen Literatur ist die SE auch für den Formwechsel in eine andere Rechtsform gem. Art. 9 Abs. 1 Buchst. c Doppelbuchst. ii, Art. 10 SE-VO wie eine nationale Aktiengesellschaft ihres Sitzstaats zu behandeln. Der Formwechsel der SE ist zwar partiell in Art. 66 SE-VO geregelt, wonach die SE den Rechtsformwechsel in eine Aktiengesellschaft ihres Sitzstaats vollziehen kann. Jedoch geht die heute herrschende Meinung davon aus, dass eine in Deutschland ansässige SE darüber hinaus den Formwechsel in jede Rechtsform vollziehen kann, in die sich auch eine deutsche Aktiengesellschaft nach den §§ 190 ff. UmwG umwandeln dürfte.4

4.40

1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.05. 2 Dazu näher Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard5, UmwG, Einleitung C Rz. 55 ff. m.w.N. 3 Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard5, UmwG, Einleitung C Rz. 57; Marsch-Barner/Wilk in Kallmeyer6, UmwG, Anh. 1 Rz. 128, 135; Oplustil/Schneider, NZG 2003, 13 (16 f.); Schröder in Manz/Mayer/Schröder2, Art. 66 SE-VO Rz. 9; Schwarz, SE-VO, Art. 66 SE-VO Rz. 31; J. Schmidt in Lutter/Hommelhoff/Teichmann, Art. 66 SE-VO Rz. 4 i.V.m. 10 u. 20. 4 Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard5, UmwG, Einleitung C Rz. 63 m.w.N., zum aktuellen Meinungsstand in Rz. 62.

Drinhausen/Keinath | 225

Kap. 4 Rz. 4.41 | Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsvergleichung

2. Grenzüberschreitende Umwandlungen a) Vorbemerkung

4.41 Erfasste Umwandlungsvorgänge. Der UmwSt-Erlass betrachtet grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge unter Beteiligung eines dem deutschen Recht unterliegenden Rechtsträgers insgesamt als ausländische Umwandlungsvorgänge, auch wenn dabei – neben dem Umwandlungsrecht, welches für die beteiligten Rechtsträger ausländischen Rechts gilt – deutsches Umwandlungsrecht Anwendung findet.1 Grenzüberschreitende Verschmelzungen nach den §§ 305 ff. UmwG (und den entsprechenden ausländischen Regelungen zur Umsetzung der Grenzüberschreitende-Verschmelzungs-Richtlinie) gelten daher ebenso als ausländische Umwandlungsvorgänge wie grenzüberschreitende Spaltungen und Formwechsel unter Beteiligung von Rechtsträgern deutschen Rechts, soweit diese gesellschaftsrechtlich durchführbar sind (dazu sogleich), und wie grenzüberschreitende Anwachsungen. Daher ist für jeden solchen Umwandlungsvorgang zu prüfen, ob er den Kriterien des UmwSt-Erlasses für die Vergleichbarkeit mit einer entsprechenden innerstaatlichen Umwandlung genügt. b) Verschmelzung

4.42 Beteiligung von Kapitalgesellschaften. Die grenzüberschreitende Verschmelzung unter Beteiligung von Rechtsträgern, die deutschem Recht unterliegen, ist gesellschaftsrechtlich in den §§ 305 ff. UmwG geregelt, die ihrerseits die Vorgaben der Grenzüberschreitende-Verschmelzungs-Richtlinie (heutige Art. 118 ff. der Gesellschaftsrechtsrichtlinie) umsetzen.2 Der Kreis der an einer grenzüberschreitenden Verschmelzung beteiligungsfähigen Rechtsträger ist gem. § 306 UmwG gegenüber dem bei der innerstaatlichen Verschmelzung (s. § 3 UmwG) stark eingeschränkt: § 306 Abs. 1 Nr. 1 UmwG erlaubt die Beteiligung an einer grenzüberschreitenden Verschmelzung ausdrücklich nur Kapitalgesellschaften des deutschen Rechts,3 also AG, GmbH und KGaA.4 Erfasst sind ferner SE mit Sitz in Deutschland, die aber nicht Zielrechtsträger einer grenzüberschreitenden Verschmelzung durch Neugründung sein können, da die Gründung der SE abschließend in der vorrangigen SE-Verord-

1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.21. Zur kumulativen Anwendung der Umwandlungsrechte aller beteiligten Rechtsträger in diesen Fällen nach der sog. Vereinigungstheorie Drinhausen in Semler/Stengel/ Leonard5, UmwG, Einleitung C Rz. 15 ff. 2 Die mitbestimmungsrechtlichen Vorgaben des Art. 133 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie (früher Art. 16 der Grenzüberschreitende-Verschmelzungs-Richtlinie) sind im Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung von Kapitalgesellschaften (MgVG), BGBl. I 2006, 3332 ff., geregelt. In der Umwandlungsrichtlinie finden sich entsprechende Vorgaben in Art. 86l bzw. 160l für grenzüberschreitende Formwechsel und Spaltungen. 3 Auch in Anhang II der Gesellschaftsrechtsrichtlinie, auf den über § 306 Abs. 1 UmwG und Art. 119 Nr. 1 Buchst. a der Gesellschaftsrechtsrichtlinie verwiesen wird, sind nur die drei folgenden Gesellschaftsformen genannt. 4 Siehe zu Vorgängervorschrift § 122b Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard5, § 122b UmwG Rz. 4.

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B. Vergleichbarkeitsanforderungen für ausländische Umwandlungen | Rz. 4.43 Kap. 4

nung geregelt ist.1 Diese Kapitalgesellschaften können sich gem. § 306 UmwG wiederum nur dann an der grenzüberschreitenden Verschmelzung beteiligen, wenn die beteiligten ausländischen Rechtsträger ebenfalls Kapitalgesellschaften sind und in einem anderen Mitgliedstaat der EU bzw. des EWR gegründet wurden und ihren Sitz in einem solchen haben.2 Grenzüberschreitende Verschmelzungen gemäß den §§ 305 ff. UmwG dürften stets den Anforderungen des UmwSt-Erlasses an die Vergleichbarkeit genügen, da die zusätzlich anzuwendenden ausländischen Vorschriften ebenso wie die §§ 305 ff. UmwG auf der Grenzüberschreitende-VerschmelzungsRichtlinie (bzw. heutigen Art. 118 ff. der Gesellschaftsrechtsrichtlinie) beruhen. Die Richtlinienvorgaben sehen wiederum dieselben wesentlichen Strukturmerkmale vor wie die Verschmelzungsrichtlinie (heute Art. 87 ff. der Gesellschaftsrechtsrichtlinie)3 und weichen strukturell nur insoweit von dieser ab, als es erforderlich ist, um dem grenzüberschreitenden Element der Verschmelzung gerecht zu werden.4 Vergleichbarkeit dürfte auch regelmäßig bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen ausländischer Kapitalgesellschaften ohne Beteiligung deutscher Rechtsträger vorliegen, wenn diese auf Basis der Richtlinien-Umsetzungsvorschriften durchgeführt werden. Beteiligung von Personengesellschaften. Bisher stand den Personen- und Personenhandelsgesellschaften deutschen Rechts (also GbR, KG und OHG) die grenzüberschreitende Verschmelzung nach den §§ 305 ff. UmwG nicht offen; ebenso wenig galten die §§ 305 ff. UmwG für eine grenzüberschreitende Verschmelzung mit einer ausländischen Personen- oder Personenhandelsgesellschaft. Im Zuge der oben bereits angesprochenen Änderung des Umwandlungsgesetzes anlässlich des Brexits wurde in § 306 Abs. 1 Nr. 2 UmwG5 eine mögliche Beteiligung von Personenhandelsgesellschaften mit in der Regel nicht mehr als 500 Arbeitnehmern als übernehmende oder neue Gesellschaften einer grenzüberschreitenden Verschmelzung ergänzt. Dies ermöglicht auch die Verschmelzung einer EU- bzw. EWR-Auslandsgesellschaft auf eine OHG bzw. KG mit einer Kapitalgesellschaft als Komplementär auf rechtssicherer Grundlage.6 Auch nicht unter die gesetzliche Normierung fallende grenzüberschreitende Verschmelzungen unter Beteiligung von Personen(handels)gesellschaften sind auf Basis der EuGH-Rechtsprechung zum Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Umwandlungsvorgängen 1 Siehe zu Vorgängervorschrift § 122b Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard5, § 122b UmwG Rz. 5. 2 Siehe zu Vorgängervorschrift § 122b Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard5, § 122b UmwG Rz. 7 f. 3 Siehe etwa die Anordnung des Vermögensübergangs durch Gesamtrechtsnachfolge kraft Gesetzes in Art. 131 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie, der im Wesentlichen Art. 105 der Gesellschaftsrichtlinie entspricht, oder den in Art. 122 Gesellschaftsrechtsrichtlinie vorgegeben Mindestinhalt des Verschmelzungsplans, der im Wesentlichen den Vorgaben von Art. 91 Abs. 2 der Gesellschaftsrichtlinie entspricht. 4 Von der grundsätzlichen Vergleichbarkeit geht das BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/ 08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.21 auch ausdrücklich aus. 5 Die Vorschrift wurde auch im Regierungsentwurf zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie beibehalten (§ 306 Abs. 1 Nr. 2 UmwG). 6 Siehe zu Vorgängervorschrift § 122b Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard5, § 122b UmwG Rz. 6a m.w.N.

Drinhausen/Keinath | 227

4.43

Kap. 4 Rz. 4.43 | Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsvergleichung

zwischen Gesellschaften des deutschen Rechts und solchen, die dem Recht eines anderen EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats unterliegen, zulässig.1 Unsicher sind in diesen Fällen allerdings die Einzelheiten der Durchführung, insbesondere die Frage, ob – was eigentlich naheliegend wäre – die Regelungen zur grenzüberschreitenden Verschmelzung von Kapitalgesellschaften entsprechend angewendet werden dürfen.2 Auch derartige grenzüberschreitende Verschmelzungen dürften grundsätzlich den Vergleichbarkeitsanforderungen genügen, soweit sie unter (entsprechender) Anwendung der mitgliedstaatlichen Vorschriften erfolgen, die die europäischen Richtlinienvorgaben umsetzen. Soweit sie auf der Grundlage spezieller Regelungen durchgeführt werden, die von den Vorgaben der Richtlinien abweichen, ist die Vergleichbarkeit jeweils im Einzelfall zu prüfen.

4.44 Beteiligung von Drittstaaten-Gesellschaften. Nach wie vor nach deutschem Umwandlungsrecht unzulässig sind grenzüberschreitende Verschmelzungen deutscher Rechtsträger mit Rechtsträgern, die dem Recht von Drittstaaten außerhalb von EU und EWR unterliegen: Solche Verschmelzungen sind weder durch die §§ 305 ff. UmwG gestattet, noch kann ihre Zulässigkeit auf die durch Art. 49 AEUV gewährte Niederlassungsfreiheit gestützt werden, da diese nur für Gesellschaften gilt, die dem Recht eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats unterliegen.3 Grenzüberschreitende Verschmelzungen deutscher Rechtsträger mit Drittstaaten-Gesellschaften werden daher bereits aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Hindernisse regelmäßig nicht durchführbar sein. Sofern eine solche Verschmelzung ausnahmsweise doch zugelassen wird (etwa aufgrund der durch ein bilaterales Abkommen gewährten Gleichbehandlung)4, dürfte Vergleichbarkeit mit einer inländischen Verschmelzung stets gegeben sein, wenn – was gesellschaftsrechtlich stets erforderlich sein wird – die Vorschriften des UmwG für die inländische Verschmelzung beachtet werden. Ob grenzüberschreitende Verschmelzungen zwischen ausländischen Gesellschaften ohne Beteiligung einer deutschen Gesellschaft den Vergleichbarkeitsanforderungen genügen, ist hingegen jeweils im konkreten Einzelfall zu prüfen. c) Spaltung

4.45 Vergleichbarkeitskriterien. Auf Grundlage der Vorgaben in Art. 160 ff. der Gesellschaftsrechtsrichtlinie sind in den neuen §§ 320 ff. UmwG nunmehr zumindest Regelungen für grenzüberschreitende Spaltungen von Kapitalgesellschaften deutschen Rechts unter Beteiligung von Kapitalgesellschaftsformen anderer EU- bzw. EWR1 Siehe dazu Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard5, UmwG, Einleitung C Rz. 26 ff. m.w.N. 2 Siehe zur Vorgängervorschrift § 122b Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard5, § 122b UmwG Rz. 36 ff. 3 Ausnahmen können allenfalls für Gesellschaften gelten, die dem Recht eines Staates unterliegen, mit dem die Bundesrepublik ein bilaterales Abkommen abgeschlossen hat, welches Niederlassungsfreiheit oder Gleichbehandlung mit Gesellschaften deutschen Rechts gewährt (z.B. Art. XXV Abs. 5 Satz 2 des deutsch amerikanischen Freundschafts-, Handelsund Schifffahrtsvertrags, BGBl. II 1956, 487), dazu Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard5, UmwG, Einleitung C Rz. 32. 4 Siehe S. 227, Fn. 4.

228 | Drinhausen/Keinath

B. Vergleichbarkeitsanforderungen für ausländische Umwandlungen | Rz. 4.47 Kap. 4

Rechtsordnungen enthalten. Auf Basis der EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit war die grenzüberschreitende Spaltung von Rechtsträgern deutschen Rechts unter Beteiligung von Rechtsträgern, die dem Recht eines anderen EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats unterliegen, jedoch schon bisher grundsätzlich im gleichen Umfang zulässig wie die innerstaatliche Spaltung;1 dies gilt auch künftig für von den Neuregelungen nicht erfasste grenzüberschreitende Spaltungen (also Spaltungsvorgänge unter Beteiligung deutscher oder EU- bzw. EWR-ausländischer Personen(handels)gesellschaften). Unsicher ist jedoch in Bezug auf solche grenzüberschreitenden Spaltungen, auf Basis welcher gesellschaftsrechtlichen Regelungen sie durchzuführen sind, insbesondere, ob die Vorgaben für grenzüberschreitende Spaltungen entsprechend anwendbar sind.2 Soweit grenzüberschreitende Spaltungen unter (entsprechender) Anwendung der künftigen Vorschriften des UmwG für die (grenzüberschreitende) Spaltung durchgeführt werden, dürfte die Vergleichbarkeit mit einer innerstaatlichen Spaltung stets vorliegen. Dasselbe gilt für Spaltungen zwischen ausländischen Rechtsträgern, soweit diese unter Anwendung nationaler Umsetzungsvorschriften zur Gesellschaftsrechtsrichtlinie erfolgen. Wird eine Spaltung hingegen unter Anwendung sonstiger Vorschriften durchgeführt, ist im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Anforderungen des UmwSt-Erlasses an die Vergleichbarkeit mit einer inländischen Spaltung erfüllt sind. d) Anwachsung Anwachsung auf ausländischen Gesellschafter. Eine grenzüberschreitende Anwachsung kann dadurch ausgelöst werden, dass bei einer GbR, OHG oder KG deutschen Rechts alle Gesellschafter bis auf einen im Ausland ansässigen Gesellschafter ausscheiden. Da die Personengesellschaft mit nur einem Gesellschafter nicht fortbestehen kann, würde sie ohne Abwicklung erlöschen und ihr Vermögen zwingend dem verbleibenden ausländischen Alleingesellschafter durch Gesamtrechtsnachfolge anwachsen, unabhängig davon, ob es sich bei diesem um eine natürliche oder eine juristische Person handelt (s. § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB und § 712a BGB n.F.).3 Die Anwachsung würde dabei allein dem deutschen Recht folgen, so dass sich die Frage nach einer Vergleichbarkeit nicht stellt.

4.46

Anwachsung auf deutschen Gesellschafter. Im umgekehrten Fall der Anwachsung des Vermögens einer ohne Abwicklung aufgelösten ausländischen Personengesellschaft auf einen deutschen Gesellschafter wäre die Vergleichbarkeit im jeweiligen Einzelfall anhand der Strukturmerkmale des ausländischen Anwachsungsvorgangs zu prüfen. Vergleichbarkeit dürfte dabei, unabhängig von dem gesellschaftsrechtlichen Verfahren im Einzelnen, stets gegeben sein, wenn die Personengesellschaft ohne Abwicklung erlöschen würde und die Anwachsung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erfolgt.

4.47

1 So auch die inzwischen h.M. in der gesellschaftsrechtlichen Literatur, s. dazu Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard5, UmwG, Einleitung C Rz. 28 m.w.N. 2 Dazu Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard5, UmwG, Einleitung C Rz. 36 ff. 3 Siehe zum Ganzen etwa Sagasser/Bula/Abele in S/B/B4, § 29 Rz. 5 f.

Drinhausen/Keinath | 229

Kap. 4 Rz. 4.48 | Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsvergleichung

e) Formwechsel

4.48 Vergleichbarkeitskriterien. Ein grenzüberschreitender Formwechsel, also der Formwechsel aus einer Rechtsform ausländischen Rechts in eine Rechtsform des deutschen Rechts und umgekehrt, ist für Kapitalgesellschaften deutschen und EU- bzw. EWR-ausländischen Rechts als Ausgangs- und Zielrechtsform nunmehr in den §§ 333 ff UmwG n.F. geregelt. Für den Formwechsel außerhalb dieser Regelungen gilt hingegen weiterhin im Wesentlichen dasselbe wie für die grenzüberschreitende Verschmelzung und Spaltung außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinien-Umsetzungsgesetze: Auf Basis der EuGH-Entscheidungen in den Rechtssachen „Cartesio“,1 „Vale“2 und „Polbud“ ist der grenzüberschreitende Formwechsel aus einer deutschen Rechtsform als Ausgangsrechtsträger in eine Rechtsform, die dem Recht eines anderen EU- bzw. EWRMitgliedstaats unterliegt, und umgekehrt im Grundsatz zuzulassen, soweit das betroffene ausländische Recht das Institut des Formwechsels kennt und für die im konkreten Fall beteiligten Rechtsformen (bzw. die korrespondierenden Rechtsformen seines Rechts) zumindest innerstaatlich zur Verfügung stellt.3 Auf Basis der „Vale“-Entscheidung des EuGH wird man davon ausgehen dürfen, dass auf einen solchen grenzüberschreitenden Formwechsel das deutsche Formwechselrecht sowie das entsprechende ausländische Formwechselrecht kumulativ Anwendung finden.4 Ist also eine Rechtsform des deutschen Rechts Ausgangs- oder Zielrechtsträger eines grenzüberschreitenden Formwechsels, wird die Vergleichbarkeit mit dem innerstaatlichen Formwechsel – deren maßgebliches Kriterium gemäß Rz. 01.39 des UmwSt-Erlasses die rechtliche Kontinuität des Rechtsträgers ohne Auflösung und Abwicklung ist – in der Regel vorliegen. Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn die beteiligte ausländische Rechtsordnung diese Kontinuität beim Formwechsel nicht vorsehen sollte, sondern diesen wie eine Auflösung und Neugründung behandelt. Von vornherein gesellschaftsrechtlich unzulässig sind hingegen Formwechsel zwischen deutschen Rechtsformen und Rechtsformen nach dem Recht von Drittstaaten außerhalb der EU und des EWR, so dass sich die Frage der Vergleichbarkeit aus steuerlicher Sicht gar nicht stellt.5 Bei Formwechseln von einer ausländischen Rechtsordnung in eine weitere ausländische Rechtsordnung wird jeweils im konkreten Einzelfall zu prüfen sein, ob die Anforderungen an die Vergleichbarkeit erfüllt sind, insbesondere, ob der Formwechsel unter Wahrung der rechtlichen Identität des Rechtsträgers erfolgt.

1 2 3 4 5

EuGH v. 16.12.2008 – C-210/06 – Cartesio, BB 2009, 11 ff. m. Anm. Behme/Nohlen. EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10 – VALE, NZG 2012, 871 ff. Siehe zum Ganzen ausführlich Bayer/J. Schmidt, ZIP 2012, 1481 ff. Siehe EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10 – VALE, Rz. 37, 44 u. 47, NZG 2012, 871 (874). Daran ändert auch die persönliche Anwendbarkeit des UmwStG auf Umwandlungen mit Drittstaatenbezug nichts. Eine Ausnahme kann auch hier allenfalls in Bezug auf Staaten gelten, mit denen ein bilaterales Abkommen besteht, kraft dessen Gesellschaften wechselseitig Niederlassungsfreiheit oder ein Anspruch auf Gleichbehandlung eingeräumt wird. In diesen Fällen käme ein grenzüberschreitender Formwechsel in Betracht, wenn und soweit auch die beteiligte ausländische Rechtsordnung zumindest einen innerstaatlichen Formwechsel zulässt. Die Vergleichbarkeit wäre dann im konkreten Einzelfall zu prüfen.

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C. Vergleichbarkeit der Umwandlungsvorgänge in EU-Staaten | Rz. 4.51 Kap. 4

C. Länderanalyse: Prüfung der Vergleichbarkeit einzelner Umwandlungsvorgänge in ausgewählten EU-Mitgliedstaaten I. Einleitung Nachfolgend wird die Vergleichbarkeit von Umwandlungsvorgängen nach dem Recht ausgewählter EU-Mitgliedstaaten nach den oben besprochenen Maßstäben des UmwSt-Erlasses dargestellt.1

4.49

II. Frankreich 1. Verschmelzung Vermögensübertragung. Die Verschmelzung nach französischem Recht sollte in der Regel den Anforderungen an die Vergleichbarkeit genügen: Bei der Verschmelzung nach französischem Umwandlungsrecht, die in den Artikeln L.236-1 ff. des Code de commerce geregelt ist und grundsätzlich allen französischen Gesellschaftsformen offensteht,2 kommt es wie bei der Verschmelzung nach dem UmwG zu einer Übertragung des gesamten Aktiv- und Passivvermögens eines oder mehrerer übertragender Rechtsträger(s) auf einen übernehmenden Rechtsträger, der entweder durch die Verschmelzung neu gegründet wird oder bereits zuvor besteht. Die Vermögensübertragung erfolgt durch Gesamtrechtsnachfolge kraft Gesetzes (Art. L.236-3 des Code de commerce). Bestimmte Rechtsverhältnisse können durch Gesetz oder vertragliche Vereinbarung von der Gesamtrechtsnachfolge ausgenommen sein. Dies kann der Vergleichbarkeit aber grundsätzlich nicht entgegenstehen, da auch bei einer Verschmelzung nach deutschem Recht bestimmte Rechtsverhältnisse nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen (z.B. höchstpersönliche Rechtsverhältnisse bzw. solche, die auf einer besonderen Vertrauensgrundlage beruhen; ebenso höchstpersönliche behördliche Genehmigungen oder solche, die an die Rechtsform des übertragenden Rechtsträgers geknüpft sind, wenn der übernehmende in einer anderen Rechtsform organisiert ist).3

4.50

Verschmelzungsvertrag. Der Verschmelzung liegt, ebenso wie im deutschen Recht, ein Verschmelzungsvertrag zugrunde, den die Geschäftsleitungen der verschmelzenden Gesellschaften abschließen und dem die Anteilseigner in einer Versammlung zustimmen müssen. Der Inhalt des Verschmelzungsvertrags ist in Art. R.236-1 des

4.51

1 Die nachstehend dargestellten Rechtsordnungen wurden anhand der praktischen Erfahrungen der Autoren ausgewählt. Zu Umwandlungsvorgängen nach weiteren Rechtsordnungen s. Ngatsing in W/M, Anh. 3. 2 Für Verschmelzungen unter Beteiligung von Gesellschaften in der Rechtsform der société anonyme gelten zusätzlich die Regelungen der Art. L.236-8 ff. und bei Beteiligung von Gesellschaften in der Rechtsform der société à responsibilité limiteé die Regelungen des Art. L.236-23 des Code de commerce. Zu Beschränkungen der Verschmelzungsfähigkeit bei besonderen Rechtsformen, etwa bei Immobilienanlagegesellschaften (Société civile de placements immobiliers), s. Ngatsing in W/M, Anh. 3 Rz. F 122 (Stand: Februar 2014). 3 Vgl. Marsch-Barner/Wilk in Kallmeyer6, § 20 UmwG Rz. 10, 26.

Drinhausen/Keinath | 231

Kap. 4 Rz. 4.51 | Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsvergleichung

Code commerce geregelt und entspricht den Vorgaben von Art. 91 Abs. 2 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie.

4.52 Anteilsgewährung. Als Gegenleistung werden den Anteilseignern des oder der übertragenden Rechtsträger(s) Anteile am übernehmenden Rechtsträger gewährt; die Möglichkeit eines Verzichts auf die Anteilsgewährung ist im französischen Recht grundsätzlich nicht vorgesehen. Wie im deutschen Verschmelzungsrecht für Kapitalgesellschaften darf auch nach französischem Recht die Höhe einer baren Zuzahlung 10 % des Nennbetrags der im Zuge der Verschmelzung an die Anteilseigner des oder der übertragenden Rechtsträger(s) gewährten Anteile am übernehmenden Rechtsträger nicht überschreiten (s. Art. L.236-1 des Code de commerce). 4.53 Erlöschen ohne Auflösung. Schließlich führt die Verschmelzung nach französischen Recht ebenfalls zum Erlöschen des oder der übertragenden Rechtsträger(s) ohne Auflösung. 2. Aufspaltung

4.54 Vermögensübertragung. Auch die Aufspaltung nach französischem Recht sollte in der Regel den Vergleichbarkeitsanforderungen des UmwSt-Erlasses genügen: Wie die Verschmelzung führt die Aufspaltung nach französischem Recht – ebenfalls geregelt in den Artikeln L.236-1 ff. des Code de commerce – zum Übergang sämtlicher Aktiva und Passiva des übertragenden Rechtsträgers durch Gesamtrechtsnachfolge kraft Gesetzes auf mindestens zwei übernehmende Rechtsträger, die entweder bereits existieren oder durch die Aufspaltung neu gegründet werden.1 Ausnahmen von der Gesamtrechtsnachfolge bestehen auch bei der Aufspaltung für bestimmte Rechtsverhältnisse, was der Vergleichbarkeit aber nicht entgegenstehen kann (s. dazu Rz. 4.50). 4.55 Spaltungsvertrag. Der Aufspaltung liegt ein entsprechender Spaltungsvertrag zugrunde, der von den Geschäftsleitungen der beteiligten Rechtsträger abgeschlossen wird und der Zustimmung der Anteilseigner unterliegt. 4.56 Anteilsgewährung. Die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers erhalten als Gegenleistung Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger; eine Verzichtsmöglichkeit sieht das französische Recht grundsätzlich nicht vor. Bare Zuzahlungen dürfen wie bei der Verschmelzung 10 % des Nennbetrags der insgesamt im Zuge der Aufspaltung gewährten Anteile nicht übersteigen. 4.57 Erlöschen ohne Auflösung. Infolge der Aufspaltung erlischt der übertragende Rechtsträger ohne Auflösung. 3. Abspaltung

4.58 Keine vergleichbare Anteilsgewährung. Die Abspaltung von Vermögensteilen unter dem französischen Regime für Spaltungen („apport partiel d´actif soumis au regime des scissions“), die der société anonyme und der société à responsibilité limiteé offen1 Siehe zu Einzelheiten Ngatsing in W/M, Anh. 3 Rz. F 118 ff. (Stand: Februar 2014).

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C. Vergleichbarkeit der Umwandlungsvorgänge in EU-Staaten | Rz. 4.59 Kap. 4

steht, entspricht zwar in Bezug auf den Vermögensübergang kraft Gesetzes durch Gesamtrechtsnachfolge aufgrund eines Spaltungsvertrags und ohne Auflösung des übertragenden Rechtsträgers den Vergleichbarkeitskriterien.1 Jedoch sieht das französische Recht als Ausgleich die Gewährung von Anteilen an dem oder den übernehmenden Rechtsträger(n) nicht an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers vor, sondern an den übertragenden Rechtsträger selbst. Diese Anteile können von dem übertragenden Rechtsträger zwar anschließend im Wege der Sachdividende an dessen Anteilseigner weiter übertragen werden. Da die Anteile aber direkt nur an den übertragenden Rechtsträger ausgegeben werden können, entspricht der Vorgang nicht der Abspaltung nach Maßgabe von § 123 Abs. 2 UmwG, sondern der Ausgliederung gem. § 123 Abs. 3 UmwG.2 4. Formwechsel Identitätswahrender Rechtsformwechsel. Der Rechtsformwechsel nach französischem Recht sollte den vom UmwSt-Erlass aufgestellten Anforderungen der Vergleichbarkeit mit einem Formwechsel nach deutschem Recht grundsätzlich genügen: Wie im deutschen Umwandlungsrecht führt der Formwechsel nach französischem Recht grundsätzlich zur identitätswahrenden Änderung der Rechtsform der formwechselnden Gesellschaft, ohne dass damit eine Auflösung oder Liquidation verbunden wäre (Art. 1844-3 des Code civil).3 Der Rechtsformwechsel erfolgt durch entsprechende Änderung der Satzung des Rechtsträgers und Erfüllung etwaiger weiterer Anforderungen, die die Vorschriften über den Formwechsel oder das Recht der neuen Rechtsform vorsehen (etwa Werthaltigkeitsprüfungen oder Aufbringung des für die neue Rechtsform vorgeschriebenen Mindesthaftkapitals).4 Im Gegensatz zum Formwechsel nach den §§ 190 ff. UmwG ist die Fassung eines Umwandlungsbeschlusses, der inhaltlich den Anforderungen des § 194 Abs. 1 UmwG entspricht, nicht erforderlich. Auch die Erstellung eines Umwandlungsberichts wie in § 192 UmwG ist nicht vorgesehen. Dies sollte der Vergleichbarkeit des Formwechsels nach Maßgabe des UmwSt-Erlasses aber nicht entgegenstehen, da für die Vergleichbarkeit des Formwechsels allein auf die Kontinuität des Rechtsträgers unter Änderung der Rechtsform abzustellen ist.5

1 Ngatsing in W/M, Anh. 3 Rz. F 163 (Stand: Februar 2014). 2 So auch BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.38. 3 Nicht möglich ist allerdings der identitätswahrende Formwechsel einer Handelsgesellschaft in eine wirtschaftliche Interessenvereinigung (groupement d’intérêt économique), vgl. Ngatsing in W/M, Anh. 3 Rz. F 100 (Stand: Februar 2014). 4 Siehe dazu Ngatsing in W/M, Anh. 3 Rz. F 101 und F 105 ff. (Stand: Februar 2014). 5 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.39.

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4.59

Kap. 4 Rz. 4.60 | Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsvergleichung

III. Niederlande 1. Verschmelzung

4.60 Verschmelzungsfähige Gesellschaften. Die Verschmelzung ist im Siebten Abschnitt des Zweiten Buches des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs (Burgerlijk Wetboek [„BW“]) in den Art. 308 ff. geregelt und sollte den Anforderungen des UmwStErlasses an die Vergleichbarkeit mit der Verschmelzung nach deutschem Recht grundsätzlich genügen: Das niederländische Recht eröffnet die Verschmelzung grundsätzlich allen Rechtsträgern, die als sog. Rechtspersonen oder juristische Personen qualifizieren, namentlich Aktiengesellschaften (naamloze vennootschappen [„NV“]), Gesellschaften mit beschränkter Haftung (besloten vennootschappen [„BV“]), Stiftungen (stichtingen), Vereinen (verenigingen), Genossenschaften (coöperaties) und Versicherungsgesellschaften (onderling waarborgmaatschappijen).1 Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung sowie Europäische Genossenschaften (SCE) mit Sitz in den Niederlanden können ferner mit Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften verschmelzen, die dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der EU oder des EWR unterliegen.2 Eine Verschmelzung ist grundsätzlich nur zwischen juristischen Personen der gleichen Rechtsform möglich, wobei die NV und BV insoweit als juristische Personen gleicher Rechtsform gelten.3 4.61 Vermögensübertragung. Wie im deutschen Verschmelzungsrecht kann die Verschmelzung durch Neugründung eines Rechtsträgers oder durch Aufnahme seitens eines bereits bestehenden Rechtsträgers erfolgen. Sie führt zur Übertragung des gesamten Vermögens des oder der übertragenden Rechtsträger(s) auf den übernehmenden Rechtsträger im Wege der Gesamtrechtsnachfolge kraft Gesetzes.4 4.62 Verschmelzungsplan. Die Verschmelzung erfolgt auf der Grundlage eines Verschmelzungsplans, den die Geschäftsleitungen der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger aufstellen.5 Wie bereits oben unter Rz. 4.24 ausgeführt, sieht die Gesellschaftsrechtsrichtlinie das Konzept des Verschmelzungsplans und nicht eines Verschmelzungsvertrags vor, so dass der Verschmelzungsplan anstelle eines Vertrags der Vergleichbarkeit nicht entgegensteht. Der Verschmelzungsplan muss mindestens die in Art. 91 Abs. 2 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie vorgegebenen Angaben enthalten;6 darüber hinaus muss er die gültige Satzung des übernehmenden/neu gegründeten Rechtsträgers sowie die nach der Verschmelzung geltende Fassung von dessen Satzung, Vorschläge über die Zusammensetzung von Geschäftsleitung und (ggf.) Auf1 Art. 308 Zweites Buch BW; s. auch de Vries/Viergever in W/M; Anh. 3 Rz. NL 1, 36 (Stand: August 2015). 2 Art. 308 Abs. 3 Zweites Buch BW. 3 de Vries/Viergever in W/M, Anh. 3 Rz. NL 36. 4 Siehe Art. 309 Zweites Buch BW, Übersetzung bei de Vries/Viergever in W/M, Anh. 3 Rz. NL 36 (Stand: August 2015). 5 Art. 312 Abs. 1 Zweites Buch BW, s. dazu de Vries/Viergever in W/M, Anh. 3 Rz. NL 37 (Stand: August 2015). 6 Siehe Art. 312 Abs. 1 Zweites Buch BW; bei der Beteiligung einer NV oder BV ist Art. 326 Zweites Buch BW zu beachten.

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C. Vergleichbarkeit der Umwandlungsvorgänge in EU-Staaten | Rz. 4.64 Kap. 4

sichtsrat des übernehmenden/neu gegründeten Rechtsträgers, Vorschläge bezüglich der Fortsetzung oder Einstellung des Geschäftsbetriebs, Personen, die dem Verschmelzungsplan zustimmen müssen (z.B. Gesellschafter, deren Zustimmung aufgrund eines satzungsmäßigen Sonderrechts erforderlich ist), und den Einfluss der Verschmelzung auf die Größe des Goodwills und die ausschüttbaren Reserven des übernehmenden Rechtsträgers angeben.1 Die über die erforderlichen Mindestangaben nach deutschem Recht hinausgehenden Angabepflichten sind für die Vergleichbarkeit aber unschädlich. Anteilsgewährung. Den Anteilseignern des übertragenden Rechtsträgers sind im Zuge der Verschmelzung grundsätzlich Anteile an dem oder den übernehmenden Rechtsträger(n) zu gewähren. Eine Ausnahme von der Anteilsgewährungspflicht besteht, ebenso wie im deutschen Verschmelzungsrecht, wenn der übernehmende Rechtsträger alleiniger Anteilsinhaber des oder der übertragenden Rechtsträger ist. Ferner sind keine Anteile zu gewähren, wenn sowohl die übertragenden als auch der übernehmende Rechtsträger von demselben Alleingesellschafter gehalten werden.2 Schließlich braucht der übernehmende Rechtsträger keine Anteile zu gewähren, wenn die Anteilsinhaber des oder der übertragenden Rechtsträger stattdessen Anteile an einer Konzerngesellschaft des übernehmenden Rechtsträgers erhalten (Triangular Merger). Das Unterbleiben der Anteilsgewährung bei Verschmelzung auf den Alleingesellschafter steht der Vergleichbarkeit nicht entgegen, da dies der Rechtslage im deutschen Verschmelzungsrecht entspricht (s. §§ 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 68 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwG). Auch das Unterbleiben der Anteilsgewährung beim „Sidestream Merger“ dürfte der Vergleichbarkeit nicht entgegenstehen, da bei einer entsprechenden deutschen Verschmelzung in diesem Fall in der Regel von der in §§ 54 Abs. 1 Satz 3 bzw. 68 Abs. 1 Satz 3 UmwG eröffneten Möglichkeit des Anteilsverzichts Gebrauch gemacht werden wird oder dies zumindest möglich wäre, so dass die Anteilsgewährung auch nach deutschem Recht im Ergebnis unterbleiben könnte. Auf den ersten Blick zweifelhaft erscheint hingegen die Vergleichbarkeit beim im deutschen Recht unbekannten „Triangular Merger“. Im Ergebnis könnte man diesen jedoch auch im deutschen Recht bewirken, indem die Anteilseigner des oder der übertragenden Rechtsträger(s) gem. §§ 54 Abs. 1 Satz 3 bzw. 68 Abs. 1 Satz 3 UmwG auf die Gewährung von Anteilen am übernehmenden Rechtsträger verzichten und sich stattdessen von einem Dritten Anteile gewähren lassen – dies könnte etwa durch eine freiwillige zusätzliche Vereinbarung mit dem Dritten (ggf. auch im Verschmelzungsvertrag, dem dieser dann beitreten müsste) erfolgen. Dies spricht dafür, auch im Fall des niederländischen „Triangular Merger“ eine Vergleichbarkeit anzunehmen.

4.63

Bare Zuzahlungen. Etwaige bare Zuzahlungen, die den Anteilsinhabern des bzw. der übertragenden Rechtsträger(s) gewährt werden, dürfen wie im deutschen Recht 10 % des Nennbetrags der im Zuge der Verschmelzung gewährten Anteile nicht übersteigen.

4.64

1 de Vries/Viergever in W/M, Anh. 3 Rz. NL 37. 2 Siehe Art. 333 Abs. 2 Zweites Buch BW, wonach im Fall des Sidestream Merger unter Beteiligung von NV oder BV die Abschlussprüfung nach Art. 328 Abs. 1 Zweites Buch BW erlassen wird.

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Kap. 4 Rz. 4.65 | Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsvergleichung

4.65 Verschmelzungsbeschluss. Die Anteilseigner der verschmelzenden Rechtsträger müssen jeweils in einer Versammlung einen Verschmelzungsbeschluss fassen, wobei im Fall einer Stiftung an die Stelle der Hauptversammlung das zur Satzungsänderung befugte Organ bzw. die Geschäftsleitung der Stiftung tritt.1 Soweit die Satzung nichts anderes bestimmt, kann die Geschäftsleitung des übernehmenden Rechtsträgers und – wenn dieser der alleinige Anteilsinhaber ist – die des übertragenden Rechtsträgers den Verschmelzungsbeschluss fassen.2 4.66 Erlöschen ohne Auflösung. Die Verschmelzung, die durch einen Notariatsakt wirksam wird,3 führt zum Erlöschen des oder der übertragenden Rechtsträger ohne Auflösung.4 2. Aufspaltung

4.67 Vergleichbare Strukturmerkmale. Auch die Aufspaltung nach niederländischem Recht (Splitsing) wird in der Regel den Anforderungen an die Vergleichbarkeit nach Maßgabe des UmwSt-Erlasses genügen: Wie an der Verschmelzung können auch an der Aufspaltung als übertragende und übernehmende Rechtsträger nur „Rechtspersonen“ bzw. juristische Personen5 des niederländischen Rechts teilnehmen (s. die Auflistung der beteiligungsfähigen Rechtsträger unter Rz. 4.60). Sie ist in Form der Auf- und Abspaltung in den Art. 334a ff. des Zweiten Buches des BW geregelt und führt zum Übergang eines Teils des Vermögens des übertragenden Rechtsträgers auf mehrere übernehmende Rechtsträger im Wege der Gesamtrechtsnachfolge kraft Gesetzes. Übernehmende Rechtsträger können bereits bestehende Rechtsträger sein (Aufspaltung zur Aufnahme) oder durch die Aufspaltung neu gegründete (Aufspaltung zur Neugründung). Bei der Aufspaltung erlischt der übertragende Rechtsträger ohne Auflösung. Die Aufspaltung beruht auf einem Spaltungsplan, den die Geschäftsleitungen der an der Aufspaltung beteiligten Rechtsträger aufstellen (Art. 334f Abs. 2 des Zweiten Buches des BW). Der Mindestinhalt des Spaltungsplans gem. Art. 334f Abs. 2 und – soweit eine NV oder BV beteiligt ist – Art. 334y des Zweiten Buches des BW entspricht den Vorgaben in Art. 3 Abs. 2 der Spaltungsrichtlinie. 4.68 Anteilsgewährung. Die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers erhalten infolge der Aufspaltung grundsätzlich alle Anteile an den übernehmenden Rechtsträgern. Allerdings ist es nicht erforderlich, dass jeder übernehmende Rechtsträger jedem Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers Anteile an sich gewährt. Der Spaltungsplan kann vorsehen, dass einzelnen Anteilseignern Anteile an einem be1 de Vries/Viergever in W/M; Anh. 3 Rz. NL 40. 2 Art. 331 Abs. 1 und 4 Zweites Buch BW bei der Beteiligung einer NV oder BV; vgl. dazu de Vries/Viergever in W/M; Anh. 3 Rz. NL 40. 3 de Vries/Viergever in W/M; Anh. 3 Rz. NL 42; die Wirkungen der Verschmelzung treten am auf die Erstellung der notariellen Verschmelzungsurkunde folgenden Tag, um 0:00 Uhr, in Kraft. 4 Vgl. de Vries/Viergever in W/M; Anh. 3 Rz. NL 43 (Stand: August 2015). 5 Das Erfordernis der gleichen Rechtsform der an der Spaltung beteiligten juristischen Personen folgt hier aus Art. 334b Abs. 1 Zweites Buch BW.

236 | Drinhausen/Keinath

C. Vergleichbarkeit der Umwandlungsvorgänge in EU-Staaten | Rz. 4.72 Kap. 4

stimmten übernehmenden Rechtsträger gewährt werden.1 Ausnahmen von der Anteilsgewährungspflicht bestehen grundsätzlich2 in denselben Fällen wie bei der Verschmelzung (s. dazu Rz. 4.61), welche jedoch nach hier vertretener Ansicht der Vergleichbarkeit nicht entgegenstehen können. Eventuelle Barzuzahlungen dürfen 10 % des Nennbetrags der insgesamt im Zuge der Aufspaltung gewährten Anteile nicht übersteigen. 3. Abspaltung Vergleichbare Strukturmerkmale. Die Abspaltung nach niederländischem Recht (Afsplitsing) sollte in der Regel den Anforderungen an die Vergleichbarkeit mit der Abspaltung nach deutschem Recht genügen: Sie folgt – wie im deutschen Recht – im Wesentlichen den gleichen Regeln wie die Aufspaltung und unterscheidet sich von dieser dadurch, dass der übertragende Rechtsträger bestehen bleibt und lediglich ein Teil seines Vermögens durch Gesamtrechtsnachfolge kraft Gesetzes übertragen wird; die Abspaltung kann auf einen oder auf mehrere übernehmende Rechtsträger erfolgen. Beteiligungsfähig als übertragende und übernehmende Rechtsträger sind dieselben wie bei der Aufspaltung. Wie der Aufspaltung liegt auch der Abspaltung ein Spaltungsplan zugrunde, dessen Inhalt dem Spaltungsplan bei der Aufspaltung entspricht.

4.69

Anteilsgewährung. Die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers erhalten im Zuge der Abspaltung grundsätzlich alle Anteile an dem oder den übernehmenden Rechtsträger(n). Hinsichtlich möglicher Ausnahmen gelten die Ausführungen zur Aufspaltung (Rz. 4.68) und Verschmelzung (Rz. 4.63).

4.70

4. Formwechsel Beteiligungsfähigkeit. Ausgangs- und Zielrechtsform eines Formwechsels nach niederländischem Recht (omzetting) können, wie bei der Verschmelzung, nur Rechtsträger sein, die als juristische Personen qualifiziert werden.3

4.71

Identitätswahrender Rechtsformwechsel. Der Formwechsel zwischen diesen Rechtsformen führt, wie im deutschen Recht, zum Fortbestand des Rechtsträgers in der neuen Rechtsform ohne Auflösung,4 so dass das nach dem UmwSt-Erlass maßgebliche Kriterium der Vergleichbarkeit mit einem Formwechsel nach deutschem Recht erfüllt ist.

4.72

1 Siehe Art. 334c Zweites Buch BW, der im Falle der Beteiligung einer BV oder NV Anwendung findet. 2 Zu beachten sind die für die Spaltung besonderen Ausnahmeregelungen in Art. 334e Abs. 2 und 3 Zweites Buch BW. 3 Siehe die Auflistung der beteiligungsfähigen Rechtsträger unter Rz. 4.60 sowie bei de Vries/Viergever in W/M; Anh. 3 Rz. NL 28 (Stand: August 2015). 4 Siehe de Vries/Viergever in W/M; Anh. 3 Rz. NL 37 (Stand: August 2015).

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Kap. 4 Rz. 4.73 | Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsvergleichung

IV. Österreich 1. Verschmelzung

4.73 Verschmelzungsfähigkeit. Die Verschmelzung nach österreichischem Recht sollte den Anforderungen an die Vergleichbarkeit nach den Vorgaben des UmwSt-Erlasses genügen: Das österreichische Recht ermöglicht die innerstaatliche Verschmelzung für Gesellschaften in der Rechtsform der Aktiengesellschaft (§§ 219 ff. des österreichischen Aktiengesetzes1 [„öAktG“]) und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (§§ 96 ff. des österreichischen GmbH-Gesetzes [„öGmbHG“]2 i.V.m. §§ 220 ff. öAktG und §§ 234 ff. öAktG i.V.m. §§ 97 bis 101 öGmbHG für die Verschmelzung von GmbH mit einer Aktiengesellschaft).3 Ferner können Genossenschaften mit Genossenschaften verschmolzen werden (Genossenschaftsverschmelzungsgesetz)4, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit mit Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit (§ 60 Versicherungsaufsichtsgesetz)5 sowie Sparkassen mit Sparkassen (§ 27c Sparkassengesetz)6; Mischverschmelzungen dieser Rechtsformen mit anderen Rechtsformen sind nicht zulässig. 4.74 Vermögensübertragung. Ebenso wie die Verschmelzung nach deutschem Recht führt die Verschmelzung nach österreichischem Recht zur Übertragung des gesamten Vermögens der übertragenden Gesellschaft(en) auf die übernehmende; die Verschmelzung kann entweder durch Aufnahme auf eine bereits existierende Gesellschaft erfolgen oder durch Neugründung auf eine durch die Verschmelzung entstehende Gesellschaft (s. § 219 öAktG und § 96 öGmbHG). Die Vermögensübertragung erfolgt im Wege der Gesamtrechtsnachfolge kraft Gesetzes ohne Abwicklung der übertragenden Gesellschaft(en), § 219 öAktG bzw. § 96 öGmbHG. Bestimmte Rechtsverhältnisse, etwa solche höchstpersönlicher Natur, können von der Gesamtrechtsnachfolge ausgenommen sein.7 Dies steht der Vergleichbarkeit aber nicht entgegen, da es der Rechtslage bei der Verschmelzung nach deutschem Recht entspricht. 4.75 Verschmelzungsvertrag. Die wesentlichen Punkte der Verschmelzung sind, wie im deutschen Verschmelzungsrecht, in einem Verschmelzungsvertrag festzuhalten, den die Geschäftsleitungen der an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften abschließen (§ 220 Abs. 1 öAktG) und dem ihre Hauptversammlungen (bei der Aktiengesellschaft) bzw. Generalversammlungen (bei der GmbH) zustimmen müssen (§ 221 Abs. 1 öAktG). Wie im deutschen Recht (§ 6 UmwG) ist der Verschmelzungsvertrag notariell zu beurkunden (§ 222 öAktG). Der in § 220 Abs. 2 öAktG vorgeschriebene Mindestinhalt des Verschmelzungsvertrags entspricht den Vorgaben des Art. 91 1 BGBl. I Nr. 98/1965, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 35/2012. 2 RGBl. Nr. 58/1906, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 53/2011. 3 Verschmolzen werden können Aktiengesellschaften mit anderen Aktiengesellschaften, GmbHs mit anderen GmbHs sowie Aktiengesellschaften mit GmbHs. 4 BGBl. Nr. 223/1980, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 304/1996. 5 BGBl. Nr. 569/1978, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 74/2022. 6 BGBl. Nr. 64/1979, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 107/2017. 7 Eingehend Kalss, Verschmelzung Spaltung Umwandlung, 2. Aufl. (2010), § 225a AktG Rz. 41 ff.

238 | Drinhausen/Keinath

C. Vergleichbarkeit der Umwandlungsvorgänge in EU-Staaten | Rz. 4.76 Kap. 4

Abs. 2 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie.1 Über die Richtlinienvorgaben hinaus muss der Verschmelzungsvertrag gem. § 220 Abs. 2 Nr. 2 öAktG eine Vereinbarung der sich verschmelzenden Gesellschaften über die Übertragung des Vermögens jeder übertragenden Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Gesellschaft enthalten; diese Regelung entspricht § 5 Abs. 1 Nr. 2 UmwG für die innerstaatliche Verschmelzung nach deutschem Recht.2 Anteilsgewährung. Grundsätzlich sind den Anteilseignern des bzw. der übertragenden Gesellschaft(en) im Zuge der Verschmelzung Anteile an der übernehmenden Gesellschaft zu gewähren.3 § 224 Abs. 1 öAktG verbietet die Gewährung von Aktien (auch eigener Aktien)4 im Zuge der Verschmelzung in denselben Fällen, in denen dies auch bei einer Verschmelzung nach deutschem Recht gem. § 68 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 UmwG verboten ist. Ebenso wie das deutsche Verschmelzungsrecht (§ 54 Abs. 1 Satz 3 UmwG für die GmbH-Verschmelzung, § 68 Abs. 1 Satz 3 UmwG für die Verschmelzung von Aktiengesellschaften) erlaubt auch das österreichische Verschmelzungsrecht den Verzicht auf eine Anteilsgewährung (§ 224 Abs. 2 Nr. 2 öAktG). Anders als das deutsche Verschmelzungsrecht eröffnet § 224 Abs. 2 Nr. 1 öAktG ein Anteilsgewährungswahlrecht aber auch, wenn „die Gesellschafter sowohl an der übernehmenden als auch an der übertragenden Gesellschaft im gleichen Verhältnis unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind, es sei denn, daß dies dem Verbot der Rückgewähr der Einlagen oder der Befreiung von Einlageverpflichtungen widerspricht“. Die Tatsache, dass das deutsche Verschmelzungsrecht ein solches Wahlrecht nicht vorsieht, sollte der Vergleichbarkeit eines österreichischen Verschmelzungsvorgangs unter Inanspruchnahme dieses Wahlrechts aber nicht entgegenstehen. Denn das deutsche Recht eröffnet selbst Kapitalerhöhungsverbote und -wahlrechte, die in der Gesellschaftsrechtsrichtlinie nicht vorgesehen sind, und muss daher im Grundsatz anerkennen, wenn eine ausländische Rechtsordnung insoweit ebenfalls über die Richtlinie hinausgeht und dabei nicht exakt dasselbe vorsieht wie das deutsche Recht (s. dazu Rz. 4.26). 1 In Abweichung von Art. 91 Abs. 2 Buchst. a sieht § 220 Abs. 2 öAktG allerdings nicht ausdrücklich die Angabe der Rechtsform der verschmelzenden Gesellschaften vor. Dies ist für die Vergleichbarkeit aber unschädlich, da § 5 Abs. 1 UmwG dies für die Verschmelzung nach deutschem Recht ebenfalls nicht vorsieht. 2 Bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung ist eine solche Vereinbarung nicht erforderlich (s. § 307 UmwG), da bei dieser über die Vorgaben des Art. 5 der Grenzüberschreitende-Verschmelzungs-Richtlinie (heute Art. 122 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie) hinausgehende Anforderungen nur freiwillig durch die verschmelzenden Gesellschaften, nicht aber durch die Umsetzungsgesetze der Mitgliedstaaten aufgestellt werden dürfen (s. hierzu auch zur Vorgängervorschrift § 122c Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard3, § 122c UmwG Rz. 6 u. 38). 3 Hügel in W/M, Anh. 3 Rz. A 11 (Stand: Juni 2000). 4 Anders als die deutschen Parallelvorschriften regelt § 224 öAktG nicht die Zulässigkeit der Kapitalerhöhung zur Schaffung von Aktien, die an die Gesellschaften der übertragenden Gesellschaft gewährt werden, sondern die Zulässigkeit unmittelbar der Gewährung der – wie auch immer geschaffenen – Aktien. Die Beschränkungen gelten daher auch für die Gewährung eigener Aktien oder solcher Aktien, die im Zuge der Verschmelzung auf die übernehmende Gesellschaft übergehen.

Drinhausen/Keinath | 239

4.76

Kap. 4 Rz. 4.77 | Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsvergleichung

4.77 Bare Zuzahlungen. Etwaige bare Zuzahlungen dürfen, wie im deutschen Recht, auch nach österreichischem Verschmelzungsrecht 10 % des auf die gewährten Aktien der übernehmenden Gesellschaft entfallenden anteiligen Betrages ihres Grundkapitals nicht übersteigen, § 224 Abs. 5 öAktG. 4.78 Erlöschen ohne Auflösung. Die Verschmelzung führt zum Erlöschen des oder der übertragenden Gesellschaft(en) ohne Abwicklung (§ 225a Abs. 3 Nr. 2 öAktG, s. auch § 219 Satz 1 öAktG). 2. Aufspaltung

4.79 Vergleichbare Strukturmerkmale. Die Aufspaltung ist im österreichischen Recht im Spaltungsgesetz („SpaltG“)1 geregelt und genügt den Anforderungen an die Vergleichbarkeit mit einer Aufspaltung nach deutschem Recht: Übertragende und übernehmende Rechtsträger einer Aufspaltung können gem. § 1 Abs. 1 und Abs. 2 SpaltG nur Kapitalgesellschaften (also Aktiengesellschaften und GmbH)2 sein.3 Da diese auch nach deutschem Recht spaltungsfähig sind, ist die Aufspaltung österreichischer Aktiengesellschaften und GmbH mit der Aufspaltung entsprechender Kapitalgesellschaften nach deutschem Recht vergleichbar. Die Aufspaltung führt gem. § 1 Abs. 2 SpaltG zur Übertragung sämtlicher Vermögensteile (Vermögensgegenstände, Schulden und Rechtsverhältnisse) der übertragenden Gesellschaft durch Gesamtrechtsnachfolge kraft Gesetzes auf zwei oder mehr übernehmende Gesellschaften, die bereits existieren (Aufspaltung zur Aufnahme) oder durch die Aufspaltung neu gegründet werden (Aufspaltung zur Neugründung).4 4.80 Spaltungsplan. Die Aufspaltung erfolgt bei der Spaltung zur Neugründung auf der Grundlage eines Spaltungsplans, der von der Geschäftsleitung der übertragenden Gesellschaft aufzustellen ist (§ 2 Abs. 1 SpaltG). Bei der Spaltung zur Aufnahme durch eine bereits existierende Gesellschaft schließen die Geschäftsleitungen der beteiligten Gesellschaften hingegen einen Spaltungs- und Übernahmsvertrag ab (§ 17 SpaltG). Der (Mindest-)Inhalt des Spaltungsplans gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 SpaltG bzw. Spal1 BGBl. Nr. 304/1996, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 107/2017. 2 Für andere Rechtsformen hält das österreichische Gesellschaftsrecht keine Spaltungsregelungen bereit. Das Umgründungssteuergesetz (BGBl. Nr. 699/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2022) sieht indessen in seinen §§ 38a ff. Steuererleichterungen für sog. „Steuerspaltungen“ vor. Dabei handelt es sich um mehraktige Übertragungsvorgänge, bestehend aus Einbringungs-, Kapitalherabsetzungs-, Liquidations- und/oder Anteilstauschvorgängen, mit denen spaltungsähnliche Übertragungen ohne Gesamtrechtsnachfolge verwirklicht werden können. Auch grenzüberschreitende Spaltungsvorgänge fallen unter diese Steuervorschriften. An einer Steuerspaltung können Kapitalgesellschaften, Genossenschaften und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit beteiligt sein. 3 Möglich ist die Aufspaltung auch, wenn die übertragende Gesellschaft eine andere Rechtsform hat als eine oder mehrere der übernehmenden Gesellschaften (sog. rechtsformübergreifende Spaltung, § 11 SpaltG). 4 Gemäß § 1 Abs. 3 SpaltG kann die aufgespaltene Gesellschaft auch zugleich Teile ihres Vermögens auf eine oder mehrere bereits bestehende Gesellschaften und andere Teile auf eine oder mehrere neu gegründete Gesellschaften übertragen.

240 | Drinhausen/Keinath

C. Vergleichbarkeit der Umwandlungsvorgänge in EU-Staaten | Rz. 4.85 Kap. 4

tungs- und Übernahmsvertrags gem. §§ 17, 2 SpaltG entspricht den Vorgaben von Art. 137 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie bzw. geht – ebenso wie § 126 Abs. 1 UmwG bei der Aufspaltung nach deutschem Recht – über diese hinaus.1 Spaltungsbeschluss. Die Aufspaltung erfordert ferner einen Spaltungsbeschluss durch die Versammlung der Anteilseigner (§ 8 SpaltG).

4.81

Anteilsgewährung. Die Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft erhalten grundsätzlich als Gegenleistung Anteile an der übernehmenden Gesellschaft. Bei der Spaltung zur Aufnahme unterbleibt die Anteilsgewährung in den gleichen Fällen wie bei der Verschmelzung; auch ein Verzicht auf die Anteilsgewährung ist somit zulässig (§ 17 Nr. 5 SpaltG i.V.m. § 224 öAktG). Die Anteilsinhaber können einer sog. nicht verhältniswahrenden Spaltung zustimmen, bei der die ihnen im Zuge der Spaltung gewährten Anteile an der übernehmenden Gesellschaft nicht ihrer Beteiligung an der übertragenden entsprechen (s. §§ 8 Abs. 3 Satz 1, 2 Abs. 1 Nr. 13 SpaltG). In diesem Fall ist den nicht zustimmenden Gesellschaftern der Austritt gegen Barabfindung anzubieten (§§ 2 Abs. 1 Nr. 13, 19 Abs. 1 SpaltG).

4.82

Erlöschen ohne Auflösung. Mit Eintragung der Aufspaltung im Firmenbuch erlischt die übertragende Gesellschaft ohne Auflösung (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 SpaltG).

4.83

3. Abspaltung Vergleichbare Strukturmerkmale. Wie das deutsche Umwandlungsrecht kennt auch das österreichische Recht neben der durch die Spaltungsrichtlinie vorgegebenen Aufspaltung unter Erlöschen der übertragenden Gesellschaft die Abspaltung eines Teils des Vermögens der übertragenden Gesellschaft unter deren Fortbestand (s. § 1 Abs. 1 Nr. 2 des SpaltG).

4.84

Die Abspaltung kann wie die Aufspaltung zur Aufnahme durch eine bereits bestehende Gesellschaft oder zur Neugründung erfolgen. Wie die Abspaltung nach deutschem Recht, mit der sie vergleichbar ist, folgt die Abspaltung nach österreichischem Recht mit Ausnahme des Fortbestands der übertragenden Gesellschaft den gleichen Regeln wie die Aufspaltung; sie ist mit dieser zusammen in den §§ 1 ff. SpaltG geregelt. Zu Einzelheiten kann auf Rz. 4.79 ff. verwiesen werden.

4.85

1 Wie bei der Verschmelzung ist bei der Aufspaltung nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 SpaltG vorgesehen, dass der Spaltungsplan bzw. -vertrag eine Erklärung über die Übertragung der Vermögensteile der übertragenden Gesellschaft jeweils im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gegen Gewährung von Anteilen enthält. Ferner muss der Spaltungsplan oder Spaltungsund Übernahmsvertrag (als Anlagen) die Schlussbilanz der übertragenden Gesellschaft, Eröffnungsbilanzen der neuen Gesellschaften und bei der Abspaltung eine Spaltungsbilanz, die das der übertragenden Gesellschaft verbleibende Vermögen ausweist, enthalten (§ 2 Abs. 1 Nr. 12 SpaltG), ferner bei einer nicht verhältniswahrenden Spaltung oder einer rechtsformübergreifenden Spaltung ein Barabfindungsangebot (§ 2 Abs. 1 Nr. 13 SpaltG). Nicht aufgenommen wurde allerdings die Vorgabe aus Art. 137 Abs. 2 Buchst. a der Gesellschaftsrechtsrichtlinie, wonach die Rechtsform der beteiligten Gesellschaften anzugeben ist. Dies ist jedoch für die Vergleichbarkeit mit der Aufspaltung nach deutschem Recht unschädlich, da die Vorgabe in § 126 Abs. 1 Nr. 1 UmwG ebenfalls fehlt.

Drinhausen/Keinath | 241

Kap. 4 Rz. 4.86 | Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsvergleichung

4. Formwechsel

4.86 Identitätswahrender Rechtsformwechsel. Das österreichische Recht eröffnet den Formwechsel für die Aktiengesellschaft, die sich gem. § 239 öAktG in eine GmbH umwandeln kann, und für die GmbH, die sich gem. § 245 öAktG in eine Aktiengesellschaft umwandeln kann. Die Umwandlung erfolgt unter Wahrung der Identität der Gesellschaft, also ohne Auflösung und Neugründung des Rechtsträgers (s. §§ 241 und 250 öAktG, wonach ab Eintragung der Umwandlung im Firmenbuch die Aktiengesellschaft als GmbH bzw. die GmbH als Aktiengesellschaft weiterbesteht), so dass den vom UmwSt-Erlass aufgestellten Anforderungen an eine Vergleichbarkeit mit dem Formwechsel nach deutschem Recht genügt ist. Eine Kapitalgesellschaft kann aber nicht in eine Nicht-Kapitalgesellschaft, etwa eine Genossenschaft, umgewandelt werden. Solche Rechtsträger können auch nicht in Kapitalgesellschaften umgewandelt werden. Zulässig ist allerdings die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft unter gleichzeitiger Errichtung einer eingetragenen Personengesellschaft. Nachfolgerechtsträger kann eine offene Gesellschaft (§§ 105 ff. Unternehmensgesetzbuch)1 oder eine Kommanditgesellschaft (§§ 161 ff. Unternehmensgesetzbuch) sein. Die Umwandlung ist in § 5 Umwandlungsgesetz2 („öUmwG“) geregelt. Diese errichtende Umwandlung ist zivilrechtlich nicht als identitätswahrender Formwechsel konstruiert; vielmehr statuiert das Gesetz, dass die übertragende Kapitalgesellschaft ohne Liquidation erlischt und das Gesellschaftsvermögen durch Gesamtrechtsnachfolge auf die gleichzeitig entstehende Personengesellschaft übergeht (§ 5 Abs. 5 öUmwG i.V.m. § 2 Abs. 3 öUmwG i.V.m. § 221a öAktG).3 Ungeachtet der Unterschiede in der zivilrechtlichen Konstruktion führt die errichtende Umwandlung wie der identitätswahrende Formwechsel dazu, dass das Gesellschaftsvermögen im Zeitpunkt der Firmenbucheintragung dem Nachfolgerechtsträger zusteht. An der Vergleichbarkeit mit dem Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft nach deutschem Recht ist daher nicht zu zweifeln.4 Allerdings setzt § 5 Abs. 1 öUmwG fest, dass an der Personengesellschaft nur Personen beteiligt sein müssen, denen mindestens neun Zehntel des Grundkapitals (Stammkapitals) der umgewandelten Kapitalgesellschaft zusteht; somit ist der Ausschluss einer Minderheit von maximal 10 % des Grundkapitals (Stammkapitals) möglich. In diesem Fall ist die Vergleichbarkeit mit dem Formwechsel nach deutschem Recht zu verneinen. Die Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft ist im österreichischen Gesellschaftsrecht nicht vorgesehen. In der Gestaltungspraxis wird ein derartiger Rechtsformwechsel durch eine Einbringung, häufig im Wege des Anwachsungsmodells mit Gesamtrechtsnachfolge,5 verwirklicht.

1 BGBl. I Nr. 120/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 107/2017. 2 BGBl. Nr. 304/1996, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 71/2009. 3 Zum dogmenhistorischen Hintergrund dieser auf das deutsche Umwandlungsgesetz 1934 zurückgehenden Konstruktion vgl. Hügel, Verschmelzung und Einbringung, (1993), 532 f. 4 A.A. Jäschke/Link, Rz. 8.103a mit Verweis auf BStBl. I 2011, 1314, Rz. 01.39: Vergleichbarkeit mit der Verschmelzung nach deutschem Recht). 5 Dazu Grünwald in Helbich/Wiesner/Bruckner, Handbuch der Umgründungen (Loseblattausgabe), Art. III Einbringung Rz. 118 ff.

242 | Drinhausen/Keinath

D. Drittstaatenverschmelzungen | Rz. 4.88 Kap. 4

D. Drittstaatenverschmelzungen Entstrickung. Der im Rahmen des SEStEG neu gefasste § 12 Abs. 1 KStG enthält einen allgemeinen umfassenden Entstrickungstatbestand für Wirtschaftsgüter von Körperschaften, Vermögensmassen oder Personenvereinigungen, wenn das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder auch nur eingeschränkt wird, insbesondere, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte eines solchen Körperschaftsteuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte dieses Körperschaftsteuerpflichtigen zuzuordnen ist. Rechtsfolge der Entstrickung ist die Sofortbesteuerung zum gemeinen Wert, nur unter den engen Voraussetzungen des § 4g EStG eine aufgeschobene Besteuerung. Speziellere Regelungen gehen dem allgemeinen Entstrickungstatbestand des § 12 Abs. 1 KStG vor, so die Regelungen für Umwandlungen nach dem UmwStG, sofern dessen sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich eröffnet ist. Für Verschmelzungen zwischen Körperschaften ohne Sitz und Ort der Geschäftsleitung in einem EU- bzw. EWR-Staat oder Körperschaften, die nicht in einem EU- bzw. EWR-Staat gegründet wurden und nicht in der Rechtsform einer SE oder SCE geführt werden, ging die speziellere Regelung des § 12 Abs. 2 KStG bislang einer Besteuerung der stillen Reserven nach § 12 Abs. 1 KStG vor. Dies führte u.a. zwingend zu einer Buchwertfortführung. Mit der Streichung von § 12 Abs. 2 KStG und des § 1 Abs. 2 UmwStG im Rahmen des KöMoG entfällt das Erfordernis, dass Verschmelzungen zwischen Körperschaften desselben Drittstaates stattfinden müssen. Die Umwandlung von Körperschaften ist fortan einheitlich im UmwStG angesiedelt.

4.87

Vergleichbarkeitskriterien. Die Öffnung des persönlichen Anwendungsbereichs des UmwStG ändert nichts an den Anforderungen, die bezüglich des sachlichen Anwendungsbereichs zu stellen sind. Die in Rz. 01.20–01.41 statuierten Vorgaben des UmwSt-Erlasses dürften für die Vergleichbarkeit von Umwandlungen mit Drittstaatenbezug ebenfalls maßgebend sein.1 Hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Vermögensübertragung mit einer Verschmelzung i.S.d. § 2 UmwG wird man auf die Vergleichbarkeitsprüfung i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG zurückgreifen können (s. Rz. 4.20 ff.). Für die Drittstaatenverschmelzung gilt auch die Maßgeblichkeit des Gesellschaftsrechts, d.h., der Verschmelzungsvorgang muss nach dem Recht des Drittstaats zulässig und wirksam sein. Hierfür ist in Anlehnung an Rz. 01.23 des UmwSt-Erlasses die Entscheidung der ausländischen Registerbehörde von großer Bedeutung.2 Für die Vergleichbarkeit der Drittstaatenverschmelzung3 kommt es somit auf (i) die Übertragung des gesamten Aktiv- und Passivvermögens einer übertragenden auf eine übernehmende Körperschaft (ii) aufgrund eines Rechtsgeschäfts (iii) kraft Gesetzes (iv) gegen Gewährung von Anteilen am übernehmenden Rechtsträger an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers (v) unter Auflösung ohne Abwicklung der übertragenden Körperschaft an.

4.88

1 Siehe dazu Prinz, FR 2021, 561 (562). 2 Vgl. Benecke in D/J/P/W, § 12 KStG Rz. 174. 3 Zu Umwandlungen in der Schweiz und ihren steuerlichen Folgen in Deutschland nach dem SEStEG Ronge/Perroulaz, IStR 2007, 422.

Drinhausen/Keinath | 243

Kap. 4 Rz. 4.89 | Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsvergleichung

4.89 Sonstige Kriterien. Anders als bei der Vergleichbarkeitsprüfung i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG waren bare Zuzahlungen nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut (§ 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 KStG) bisher schädlich. 4.90 Unklar ist, ob im Übrigen keine zu hohen Anforderungen an die Vergleichbarkeit gestellt werden dürfen, so dass z.B. die im ausländischen Recht oftmals unbekannte Übertragungsform „Gesamtrechtsnachfolge“ kein absolutes Kriterium darstellt, wenn unabhängig von der rechtstechnischen Grundlage effektiv das gesamte Aktivund Passivvermögen übergeht.1 Mangels ergangener Rechtsprechung oder eines neuen Umwandlungssteuer-Erlasses bedarf es einer grundlegenden Bereitschaft, die Vergleichbarkeit ausländischer Vorgänge aus Drittstaaten auch in der Praxis anzuerkennen.2

E. Ergebnis 4.91 Anknüpfung an Umwandlungsvorgang. Die in § 1 UmwStG vorgesehene Anwendung der Vorschriften des UmwStG auf ausländische Umwandlungsvorgänge hat eine kontinuierlich steigende praktische Bedeutung. Das hierfür vorgesehene Kriterium der Vergleichbarkeit ausländischer Vorgänge erfordert eine detaillierte Analyse jedes Einzelfalls. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers knüpft die Vergleichbarkeit an den konkret zu beurteilenden ausländischen Vorgang und nicht etwa an das abstrakte ausländische Recht an. Angesichts der auch in ausländischen Rechten vielfältig bestehenden Gestaltungsspielräume ist damit eine detaillierte Analyse des jeweils zu beurteilenden Verschmelzungsvorgangs unumgänglich. Diese vom Gesetz gewählte Anknüpfung ist aber zugleich eine Chance, Gestaltungsspielräume ausländischer Rechte so zu nutzen, dass der konkrete Vorgang mit einer Maßnahme nach dem deutschen UmwG vergleichbar ist. 4.92 Lückenhafte EU-Harmonisierung. Angesichts der bereits weit fortgeschrittenen Vereinheitlichung nationaler Umwandlungsrechte durch europäische Richtlinien besteht für Verschmelzung, Spaltung und – eingeschränkt auch – Formwechsel nach EU- bzw. EWR-ausländischem Recht die Vermutung der Vergleichbarkeit mit einem entsprechenden Umwandlungsvorgang nach deutschen Vorschriften. Auch grenzüberschreitende Verschmelzungen sowie grenzüberschreitende Spaltungen und Formwechsel können in diesen Kreis eingeordnet werden. Für Umwandlungsvorgänge mit Drittstaatenbezug sowie für Umwandlungsvorgänge unter Beteiligung von Personen(handels)gesellschaften beanspruchen die EU-Richtlinien im Übrigen keine Geltung. Es bleibt vorerst fraglich, inwieweit die Öffnung des Anwendungsbereichs des UmwStG zur Rechtssicherheit in diesen Fällen beitragen kann.

1 So Hackemann in Ernst & Young, § 12 KStG Rz. 47 u. 48 (Stand: September 2021); Lenz in Erle/Sauter3, § 12 KStG Rz. 73; a.A. Frotscher in F/M, § 12 KStG Rz. 140; Benecke/ Schnitger, IStR 2006, 765 (777); Dötsch/Pung, DB 2006, 2705. 2 Siehe dazu Holle/Krüger/Weiss, IStR 2021, 489 (492).

244 | Drinhausen/Keinath

Kapitel 5 Abkommensrechtliche Grundfragen bei internationalen Umstrukturierungen A. Gegenstand des Kapitels . . . . . . . . B. Abkommensrechtliches Normengefüge I. Persönlicher Anwendungsbereich II. Sachlicher Anwendungsbereich . III. Einkünftequalifikation . . . . . . . . . IV. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Unilaterale Regelungen . . . . . . . . . C. Abkommensrechtliches Prüfungsschema für Umstrukturierungen D. Abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte aus Umstrukturierungen I. Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften 1. Umwandlungen im Anwendungsbereich des UmwStG a) Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . b) Einkünfte auf Gesellschafts- und Anteilseignerebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Übertragungsgewinn . . . . d) Übernahmegewinn . . . . . . e) Beteiligungskorrekturgewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Übernahmefolgegewinn . g) Fiktive Ausschüttung gem. § 7 UmwStG . . . . . . . . . . . . 2. Umwandlungen außerhalb des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Umwandlung von Personengesellschaften in Kapitalgesellschaften 1. Umwandlungen im Anwendungsbereich des UmwStG a) Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . b) Einkünfte auf Gesellschafts- und Anteilseignerebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einbringungsgewinn . . . .

5.1 5.3 5.9 5.10 5.24 5.27 5.28

5.29 5.30 5.31 5.32 5.34 5.35 5.36 5.38

5.39 5.40 5.41

d) Einbringungsfolgegewinn e) Einbringungsgewinn I . . . f) Einbringungsgewinn II . . 2. Umwandlungen außerhalb des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Umwandlung von Kapitalgesellschaften 1. Umwandlungen im Anwendungsbereich des UmwStG a) Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . b) Einkünfte auf Gesellschafts- und Anteilseignerebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Übertragungsgewinn . . . . d) Übernahmegewinn . . . . . . e) Beteiligungskorrekturgewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Übernahmefolgegewinn . g) Veräußerungsgewinne auf Anteilseignerebene . . . . . . 2. Umwandlungen außerhalb des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Umstrukturierung von Personengesellschaften 1. Umwandlungen im Anwendungsbereich des UmwStG a) Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . b) Einkünfte auf Gesellschafts- und Anteilseignerebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einbringungsgewinn . . . . d) Einbringungsfolgegewinn e) Einbringungsgewinn II . . 2. Umwandlungen außerhalb des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Einbringung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft 1. Umwandlungen im Anwendungsbereich des UmwStG a) Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . .

5.44 5.45 5.47 5.48

5.49 5.50 5.51 5.52 5.54 5.55 5.56 5.57

5.59 5.60 5.61 5.63 5.64 5.65

5.66

Engel/Engelmann | 245

Kap. 5 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen b) Einkünfte auf Gesellschafts- und Anteilseignerebene . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einbringungsgewinn . . . . d) Einbringungsgewinn II . . 2. Umwandlungen außerhalb des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Vorbehaltsklauseln bei DBA-Freistellung I. Überblick und Begriffsabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.67 5.68 5.69 5.70

II. Divergierende Wahlrechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Divergenzen bei der Einkünftequalifikation sowie der Einordnung von Umstrukturierungen . F. Rückwirkungsfiktionen . . . . . . . . G. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . .

5.82 5.85 5.91 5.107

5.71

Literatur: Behrendt/Heeg, Die abkommensrechtliche Behandlung des Einbringungsgewinns I i.S.d. § 22 Abs. 1 UmwStG, RIW 2008, 56; Benecke/Beinert, Internationale Aspekte der Umstrukturierung von Unternehmen (Teil II), FR 2010, 1120; Bogenschütz, Umwandlung von Kapital- in Personengesellschaften, Ubg 2011, 393; Brähler/Mayer, Abkommensberechtigung von Personengesellschaften – zugleich Besprechung des BMF-Schreibens vom 16.4.2010, IStR 2010, 678; von Brocke/Goebel/Ungemach/von Cossel, Zur steuerlichen Rückwirkung bei grenzüberschreitenden Umwandlungsvorgängen, DStZ 2011, 684; Cordes/Dremel/Carstens, Anmerkungen zu den Rz. 05.01–05.12 UmwStE sowie zu den Rz. 06.01–06.12 UmwStE, in FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 196 und 206; Ditz/Bärsch/Quilitzsch, Das neue OECDMusterabkommen 2017 – Konsequenzen für die deutsche Abkommenspolitik, DB 2018, 1171; Ditz, Umsetzung des Mehrseitigen Übereinkommens (Multilateral Instrument) in Deutschland, DB 2020, 2208; Eglmaier, Nochmals: Keine Anrechnung ausländischer Quellensteuern auf die deutsche GewSt – Duplik zu Kessler/Dietrich in diesem Heft S. 953, IStR 2011, 955; Engel/Hilbert, Besteuerung des Gewinnanteils des inländischen Gesellschafters einer ausländischen Personengesellschaft, FR 2012, 394; Ettinger/Königer, Steuerliche Rückwirkung bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungsvorgängen, GmbHR 2009, 590; Förster/Felchner, Weite vs. enge Einlagefiktion bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personenunternehmen, DB 2008, 2445; Förster, Internationale Aspekte der Option zur Körperschaftsteuerpflicht von Personenhandelsgesellschaften (Teil I), IStR 2022, 109; Gosch, Altes und Neues, Bekanntes und weniger Bekanntes zur sog. isolierenden Betrachtungsweise, in Gocke/ Gosch/Lang, FS Wassermeyer, 263; Gebhardt/Quilitzsch, Aktivitätsvorbehalte im Abkommensrecht – kann § 20 Abs. 2 AStG die Freistellung aufrechterhalten?, IStR 2011, 169; Gosch, Über das Treaty Overriding – Bestandsaufnahme – Verfassungsrecht – Europarecht, IStR 2008, 413; Günkel/Lieber, Abkommensrechtliche Qualifikation von Sondervergütungen, FR 2000, 853; Haase, Internationalsteuerliche Aspekte des geplanten KöMoG, Ubg 2021, 193; Hagemann/Kahlenberg, Zur Besteuerung grenzüberschreitender Sonderbetriebserträge in Outbound-Konstellationen, IStR 2015, 54; Heurung/Seidel, Anrechnung ausländischer Steuern auf Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag?, IWB Fach 3 Deutschland Gr. 5, 76; Jamrozy/Weggenmann, Rechtsformwechsel einer Kapital- in eine Personengesellschaft in Polen – ein steuerliches Optimierungsvehikel für deutsche Investoren?, IStR 2008, 869; Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 2009; Kahlenberg/Hagemann, Ausgewählte Fragestellungen um die Zuordnung von Sonderbetriebsvermögen im Abkommensrecht – zugleich Anmerkung zum BFH-Urteil vom 12.6.2013 – I R 47/12, BB 2014, 215; Kahlenberg, Fallszenarien zur Steuerentlastung bei hybriden Gesellschaftsstrukturen, IStR 2016, 834; Kaminski/Strunk, § 20 Abs. 2 i.d.F. des JStG 2010: (Nicht-)Freistellung von Betriebsstätteneinkünften in DBA-Fällen, IStR 2011, 137; Kempf/Hohage, Gedanken zu § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG bei beschränkt Steuerpflichtigen, IStR 2010, 806; Klingberg/Nitzschke, Grenzüberschreitende

246 | Engel/Engelmann

Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen | Kap. 5 Umwandlung am Beispiel grenzüberschreitender Verschmelzungen, Ubg 2011, 451; Klingberg/van Lishaut, Die Internationalisierung des Umwandlungssteuerrechts, DK 2005, 698; Kluge, Betriebsstättenvorbehalt und Methodenartikel – ein Beitrag zur autonomen Abkommensauslegung, in Gocke/Gosch/Lang, FS Wassermeyer, 663; Köhler/Käshammer, Umwandlung von Kapitalgesellschaften mit ausländischen Anteilseignern in Personengesellschaften nach dem UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 301; Kollruss, (Nicht-)Anrechnung ausländischer Steuern auf die Gewerbesteuer?, IStR 2022, 384; Krawitz/Büttgen-Pöhland/Hick, Aktivitätsvorbehalte bei Einkünften aus ausländischen Kapitalgesellschaften und Betriebsstätten, FR 2003, 109; Krohn/Greulich, Ausgewählte Einzelprobleme des neuen Umwandlungssteuerrechts aus der Praxis, DStR 2008, 646; Kudert/Kahlenberg, Die Neufassung des § 50d Abs. 10 EStG – Die Besteuerung grenzüberschreitender Mitunternehmerschaften geht in die nächste Runde, IStR 2013, 801; Lang/Reich/Schmidt, Personengesellschaften im Verhältnis Deutschland-Österreich-Schweiz, IStR 2007, 1; Lemaitre/Schönherr, Die Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften durch Verschmelzung und Formwechsel nach der Neufassung des UmwStG durch das SEStEG, GmbHR 2007, 173; Loukota, Die Anti-MissbrauchsVorschrift des MLI gegen Einkünfteverlagerungen in Betriebsstätten von Niedrigsteuerländern, SWI 2017, 639; Micker, Die Anrechnung ausländischer Steuern auf die Gewerbesteuer, ISR 2021, 428; Mitschke, Grenzüberschreitende Sondervergütungen bei PersGes und gewerblich gepräge PersGes im internationalen Steuerrecht nach dem AmtshilfeRL-UmsG – zu § 50d Abs. 10 n.F. EStG und § 50i EStG, FR 2013, 694; Müller, Grenzüberschreitende Sondervergütungen und Sonderbetriebsausgaben im Spannungsfeld des Abkommensrechts, BB 2009, 751; Oppel, Die Implementierung der BEPS-Ergebnisse in deutsche DBA durch das MLI-Umsetzungsgesetz und Rückschlüsse daraus auf die deutsche Abkommenspolitik, ISR 2020, 295; Prinz, Besteuerungsgrundsätze für hybride internationale Mitunternehmerschaften, FR 2012, 381; Prinz/Otto, Fortentwickelte Anrechnung ausländischer Quellensteuern auf die GewSt – Ein steuersystematisches Gebot der Stunde!, DB 2017, 1988; Prinz, Die Reform der Besteuerung der Personengesellschaften – Ein Statement, FR 2022, 61; Pyszka, Gewinne aus der Veräußerung von Gesellschaftsbeteiligungen nach den DBA mit Australien, Rumänien und Trinidad/Tobago, IStR 1999, 655; Richter, Einzelfragen internationaler Personengesellschaften im Abkommensrecht, FR 2010, 544; Salome/Danon, The OECD Partnership Report – A Swiss View on Conflicts of Qualification, Intertax 2003, 190; Schafitzl/Widmayer, Die Besteuerung von Umwandlungen nach dem Regierungsentwurf des SEStEG, BB-Special 8/2006, 36; Schell, Internationale Bezüge bei Verschmelzungen zwischen Körperschaften, FR 2012, 101; Schnitger/Holst, Deutsche Abkommenspolitik – Umsetzung des MLI in den deutschen DBA, 2021; Schnitger/Rometzki, Ausländische Umwandlungen und ihre Folgen bei inländischen Anteilseignern, FR 2006, 845; Scholten/Griemla, Abkommensrechtliche Zuordnung von Gewinnen aus der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen bei Fehlen einer Art. 13 OECD-Musterabkommen entsprechenden Spezialvorschrift, IStR 2008, 661; Seidel, Ertragsbesteuerung periodischer Auslandseinkünfte aus Direktinvestitionen, 2011; Sieker, Steueraufschub bei grenzüberschreitenden Unternehmenstransaktionen unter dem neuen DBA-Kanada, IStR 2002, 269; Strunk/Kaminski, Aktuelle Entwicklungen bei der Besteuerung von ausländischen Betriebsstätten und Personengesellschaften in Abkommensfällen, IStR 2003, 181; Töben, Anrechnung ausländischer Quellensteuer auf inländische Gewerbesteuer, Ubg 2021, 346; Viebrock/Hagemann, Verschmelzungen mit grenzüberschreitendem Bezug, FR 2009, 737; Wassermeyer, Abkommensrechtliche Behandlung von Sondervergütungen, Urteilsanmerkung, IStR 2007, 330; Wassermeyer, Umwandlungsvorgänge in den Doppelbesteuerungsabkommen, in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118; Weggenmann, Die Empfehlungen der OECD an den Ansässigkeitsstaat zur Lösung von Einordnungskonflikten in Bezug auf Sondervergütungen, IStR 2002, 614; Weggenmann, Personengesellschaften im Abkommensrecht und abkommensrechtliche Fiktionswirkung (BFH I R 67/12) in FS Wassermeyer, 77; Wolff, Generalthema I: Doppelte Nicht-Besteuerung, IStR 2004, 542.

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Kap. 5 Rz. 5.1 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

A. Gegenstand des Kapitels 5.1 Aufbau. Dieses Kapitel beschäftigt sich mit abkommensrechtlichen Grundfragen, die internationale Umstrukturierungen von Unternehmen aufwerfen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Qualifikation der durch Umstrukturierungen ausgelösten Einkünfte in den DBA. Zum besseren Verständnis soll zunächst ein Überblick über das für internationale Umstrukturierungen relevante abkommensrechtliche Normengefüge gegeben werden (Abschnitt B.). Anschließend wird ein abkommensrechtliches Prüfungsschema erarbeitet (Abschnitt C.), bevor auf die konkreten Fragen, die sich im Rahmen der einzelnen Umstrukturierungstatbestände bei der Abkommensanwendung stellen, eingegangen wird (Abschnitt D.). Das Kapitel schließt mit einer kurzen Zusammenfassung (Abschnitt E.). Ausgangspunkt der Überlegungen stellt das OECD-MA dar. An verschiedenen Stellen wird jedoch auch auf Besonderheiten einzelner DBA mit deutscher Beteiligung und die Auswirkungen des MLI auf diese eingegangen.

5.2 Kernfragen. So komplex die abkommensrechtlichen Probleme im Zusammenhang mit internationalen Umstrukturierungen auch sein mögen, letztlich stellen sich dieselben Fragen wie bei anderen Einkünften, die einen Bezug zu mehreren Staaten aufweisen. Diese sind: 1. Ist der konkrete Besteuerungsvorgang vom räumlichen,1 persönlichen (Rz. 5.3 ff.) und sachlichen (Rz. 5.9) Anwendungsbereich des jeweiligen DBA erfasst? 2. Unter welche Verteilungsnorm fallen die im Rahmen der Umstrukturierung entstehenden Einkünfte? 3. Welche Konsequenzen sieht die einschlägige Verteilungsnorm – ggf. in Verbindung mit dem Methodenartikel – für die Besteuerung in Ansässigkeitsstaat und Quellenstaat vor?

B. Abkommensrechtliches Normengefüge I. Persönlicher Anwendungsbereich

5.3 Voraussetzungen der Abkommensberechtigung. Den persönlichen Anwendungsbereich regelt das OECD-MA in Art. 1. Das Abkommen ist danach auf die Einkünfte bzw. das Vermögen von Personen anzuwenden, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Der Abkommensschutz bzw. die „Abkommensberechtigung“2 setzt folglich in persönlicher Hinsicht zwei Merkmale voraus: Es muss sich um eine Person (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA) handeln und diese 1 Der räumliche Anwendungsbereich wird im Folgenden ausgeblendet, vgl. hierzu Nasdala in V/L5, Überschrift und Präambel OECD-MA Rz. 3 ff.; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 19.184 ff. 2 Ismer/Blank in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 11; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 19.170.

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B. Abkommensrechtliches Normengefüge | Rz. 5.6 Kap. 5

muss ihre Ansässigkeit (Art. 4 OECD-MA) in zumindest einem der Vertragsstaaten haben.1 Begriff der Person. Der Begriff der Person ist in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA definiert und umfasst demgemäß „natürliche Personen, Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen“, wobei als „Gesellschaften“ juristische Personen und solche Rechtsträger qualifizieren, die wie juristische Personen besteuert werden (Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA). Unter den Begriff der „anderen Personenvereinigungen“ können insbesondere (nach dem Transparenzprinzip besteuerte) Personengesellschaften fallen. Keine Personen im abkommensrechtlichen Sinne sind demgegenüber Betriebsstätten.

5.4

Begriff der Ansässigkeit. Die Ansässigkeit einer Person ist nach Maßgabe des Art. 4 OECD-MA zu bestimmen. Ansässig ist eine Person danach dort, wo sie aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist (Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA). Als „ähnliches Merkmal“ kommt bei natürlichen Personen insbesondere die Staatsangehörigkeit, bei Gesellschaften der Sitz i.S.d. § 11 AO2 infrage. Eine beschränkte Steuerpflicht reicht für die Begründung der Ansässigkeit nicht aus (Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA). Die abkommensrechtliche Ansässigkeit ergibt sich somit letztlich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht desjenigen Vertragsstaates, der die Person einer nicht nur beschränkten Steuerpflicht unterwirft.

5.5

Ansässigkeit von Personengesellschaften. Personengesellschaften sind nach der allgemeinen Regelung in Art. 4 Abs. 1 OECD-MA in einem Vertragsstaat ansässig, wenn sie dort selbst, also als Steuersubjekt, einer nicht nur beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Die Ansässigkeit einer Personengesellschaft scheidet nach den Grundsätzen des deutschen Steuerrechts aufgrund ihrer steuerlichen Transparenz mithin grundsätzlich aus.3 Ausnahme hiervon bilden gem. § 1a KStG optierende Personenhandelsgesellschaften, welche durch die Optionsausübung zum Körperschaftsteuersubjekt werden.4

5.6

Kommt es zu einer divergierenden Einordnung einer Personengesellschaft durch die Vertragsstaaten, d.h. wird die Personengesellschaft in einem Vertragsstaat als transparent und im anderen Vertragsstaat als intransparent, also insgesamt als hybrid, angesehen, kommt es zu einem sog. subjektiven Qualifikationskonflikt. Es sind u.a. folgende Konstellationen denkbar:5

1 Vgl. hierzu auch Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 19.170. 2 Vgl. Ismer/Blank in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 110. 3 Dass die Personengesellschaft Schuldnerin der Gewerbesteuer ist, vermag deren Ansässigkeit in Deutschland nicht zu begründen, vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECDMA Rz. 17; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 19.177. 4 Vgl. Förster, IStR 2022, 109 (113); Prinz, FR 2022, 61 (63); vgl. auch BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 54. 5 Vgl. Weggenmann/Nehls in V/L5, Art. 1 OECD-MA 2017, Rz. 26 ff.

Engel/Engelmann | 249

Kap. 5 Rz. 5.6 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

– Die Personengesellschaft ist in ihrem Sitzstaat nicht nur beschränkt steuerpflichtig, d.h. es liegt eine ansässigkeitsbegründende Besteuerung vor. Daraus folgt, dass es sich bei der Personengesellschaft um eine ansässige Person i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b OECD-MA i.V.m. Art. 4 Abs. 1 OECD-MA handelt, die persönlich abkommensberechtigt ist.1 – Die Personengesellschaft ist in ihrem Sitzstaat nicht oder nur beschränkt steuerpflichtig. Die Personengesellschaft ist dann im Sitzstaat nicht ansässig und mithin nicht abkommensberechtigt. Abkommensberechtigt sind die Gesellschafter der Personengesellschaft, soweit diese als ansässige Personen i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b OECD-MA i.V.m. Art. 4 Abs. 1 OECD-MA einzuordnen sind. Die deutsche Finanzverwaltung beurteilt die Abkommensberechtigung einer Personengesellschaft ungeachtet der abkommensrechtlichen Einordnung des Sitzstaats ausschließlich aus deutscher Perspektive.2 Auch nach der Rechtsprechung des BFH ist die Einordnung des Sitzstaats als intransparenter Rechtsträger aus deutscher Sicht unbeachtlich, d.h. es kommt zu keiner sog. subjektiven Qualifikationsverkettung.3 Aus deutscher Sicht erfolgt daher auch abkommensrechtlich die Zurechnung der Einkünfte regelmäßig zu den hinter der Personengesellschaft stehenden Gesellschaftern, auch wenn der andere Vertragsstaat die Personengesellschaft intransparent behandelt.4 Vereinzelt fingieren die von Deutschland abgeschlossenen DBA eine Abkommensberechtigung für (bestimmte) Personengesellschaften („fiktive Abkommensberechtigung“), wodurch diese als in einem Vertragsstaat ansässig gelten.5

5.7 Doppelte Ansässigkeit. Ist eine Person in beiden Vertragsstaaten nicht nur beschränkt steuerpflichtig, folgt aus der allgemeinen Regelung in Art. 4 Abs. 1 OECDMA, dass diese Person auch in beiden Vertragsstaaten ansässig ist. Eine solche doppelte Ansässigkeit stellt für die Bestimmung der Abkommensberechtigung kein Problem dar. Diese ist in solchen Fällen zweifellos gegeben. Das Merkmal der Ansässigkeit ist jedoch nicht nur für die Abkommensberechtigung von Bedeutung, es dient vielmehr zugleich als maßgebliches Anknüpfungskriterium für die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Vertragsstaaten. Aus diesem Grund muss im Falle einer doppelten Ansässigkeit einer der beiden Vertragsstaaten als vorrangiger Ansässigkeitsstaat bestimmt werden. Im OECD-MA erfolgt dies für natürliche Personen und erfolgte dies für Gesellschaften bisher durch die sog. Tie-breaker-rules in Art. 4

1 So auch Weggenmann in W/R/S2, Rz. 6.110; Brähler/Mayer, IStR 2010, 678 (680 f.); Richter, FR 2010, 413 (416). 2 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV V 5 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, 1258 Rz. 2.1.1. 3 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602; BFH v. 21.1.2016 – I R 49/14, BStBl. II 2017, 107. 4 Vgl. hierzu Prinz, FR 2012, 381 (382); Engel/Hilbert, FR 2012, 394 (397). 5 Vgl. hierzu Weggenmann in FS Wassermeyer, 77. Für eine Übersicht der individuellen Regelungen zur Abkommensberechtigung von Personengesellschaften in den von Deutschland abgeschlossenen DBA s. Gold in S/K/K, Art. 1 OECD-MA, Rz. 52.

250 | Engel/Engelmann

B. Abkommensrechtliches Normengefüge | Rz. 5.8 Kap. 5

Abs. 2, Abs. 3 OECD-MA.1 Bei natürlichen Personen richtet sich die Bestimmung des vorrangigen Ansässigkeits- bzw. Wohnsitzstaats nach einer in Art. 4 Abs. 2 OECD-MA geregelten abgestuften Prüfung bestimmter ortsbezogener Kriterien.2 Der andere Staat wird damit automatisch auf die Rolle des Quellenstaates verwiesen.3 Während nach Art. 4 Abs. 3 OECD-MA a.F. bei Gesellschaften der Staat, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung4 befindet, als vorrangiger Ansässigkeitsbzw. Wohnsitzstaat gilt, sieht das OECD-MA aus 2017 für Gesellschaften in Art. 4 Abs. 3 OECD-MA ausschließlich vor, dass die Vertragsstaaten sich im Verständigungsverfahren darüber einigen, welcher Staat unter Berücksichtigung des Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung, des Ortes der Gründung und sonstiger maßgeblicher Faktoren als vorrangiger Ansässigkeitsstaat für Zwecke des DBA gilt. Nach Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 MLI werden in bereits abgeschlossenen DBA bestehende Tie-breaker-rules für Unternehmen dadurch zurückgedrängt, dass Art. 4 Abs. 3 OECD-MA an deren Stelle tritt. Die BRD hat jedoch einen vollumfänglichen Vorbehalt angebracht, wodurch die Regelung nicht für unter das MLI fallende deutsche DBA gilt. Hybride oder transparente Rechtsträger. Werden Einkünfte, die durch oder über einen Rechtsträger bezogen werden, aus Sicht eines der Vertragsstaaten (Sitzstaat oder Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter) ganz oder teilweise von einem oder über einen hybriden oder transparenten Rechtsträger bezogen, sind diese gem. Art. 1 Abs. 2 OECD-MA fiktiv als Einkünfte einer ansässigen Person zu behandeln, soweit einer der Vertragsstaaten nach dessen Steuerrecht diese Einkünfte als Einkünfte einer dort ansässigen Person behandelt. Erfasst werden aber auch Sachverhalte, in denen beide Vertragsstaaten den Rechtsträger als transparent einordnen.5 Nach dem Musterkommentar werden Einkünfte transparent behandelt, wenn nach dem Steuerrecht eines Vertragsstaaten die Einkünfte nicht auf Ebene des Rechtsträgers, sondern auf Ebene der an diesem Rechtsträger beteiligten Personen besteuert werden.6 Entsprechend ist die Regelung u.a. für Personengesellschaften von Bedeutung. Liegen die Voraussetzungen vor, gelten die Einkünfte als Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person und sind insoweit unter die Verteilungsnormen zu subsumieren.7 Hierdurch soll zum einen verhindert werden, dass ein subjektiver Qualifikationskonflikt zu einer doppelten Nichtbesteuerung führt und zum anderen sichergestellt werden, das ein Abkommensschutz nur in einem aus Sicht der OECD angemessenen 1 Die Tie-breaker-rules wirken nur im Verhältnis zwischen den jeweiligen Vertragsstaaten, sie entfalten damit keine Bindungswirkung für andere Staaten (Drittstaaten), vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 19.197. 2 Vgl. zu alledem auch Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 19.196 f. 3 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 2. 4 Zum Begriff des Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung s. Ismer/Blank in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 278 ff. 5 Vgl. Art. 1 Nr. 2 OECD-MK (2017). 6 Vgl. Art. 1 Nr. 9 OECD-MK (2017). 7 Vgl. zu alledem Weggenmann/Nehls in V/L5, Art. 1 OECD-MA, Rz. 66 ff.; zu einzelnen Sachverhalten s. auch Kahlenberg, IStR 2016, 834 (836).

Engel/Engelmann | 251

5.8

Kap. 5 Rz. 5.8 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

Umfang gewährt wird.1 Die in 2017 im OECD-MA aufgenommene Regelung entspricht Art. 3 Abs. 1 MLI. Bei den deutschen DBA ergeben sich hierdurch keine Änderungen, da die BRD einen vollumfänglichen Vorbehalt geltend gemacht hat. Eine mit Art. 1 Abs. 2 OECD-MA vergleichbare Regelung ist aber z.B. in Art. 1 Abs. 7 DBA USA2 enthalten. II. Sachlicher Anwendungsbereich

5.9 Vom Abkommen erfasste Steuern. In Bezug auf ihren sachlichen Anwendungsbereich bestimmen die sich am OECD-MA orientierenden DBA, dass das Abkommen – unabhängig von der Art der Erhebung – für alle Steuern vom Einkommen und vom Vermögen gilt, die für Rechnung eines Vertragsstaats oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden (Art. 2 Abs. 1 OECD-MA). Das OECD-MA sieht ferner in Art. 2 Abs. 2 OECD-MA eine Umschreibung des Begriffs der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie in Art. 2 Abs. 3 OECD-MA eine beispielhafte Aufzählung der in den Anwendungsbereich des Abkommens fallenden Steuern vor. Zu den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen zählt aus deutscher Sicht neben der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer, der seit dem 1.1.1997 nicht mehr erhobenen Vermögensteuer sowie dem Solidaritätszuschlag insbesondere auch die Gewerbesteuer.3 III. Einkünftequalifikation

5.10 Einkünftekatalog des OECD-MA. Während das deutsche Einkommensteuerrecht in § 2 Abs. 1 EStG von sieben Einkunftsarten ausgeht, kennt das OECD-MA fünfzehn Einkunftsarten, die in den sog. Verteilungsnormen (Art. 6–8, 10–22 OECD-MA) geregelt sind. Für die steuerliche Behandlung von Unternehmensumstrukturierungen enthalten die Verteilungsartikel des Musterabkommens keine ausdrücklichen Regelungen,4 so dass anhand der allgemeinen Auslegungskriterien zu bestimmen ist, unter welche Einkunftsart die im Rahmen von Unternehmensumstrukturierungen entstehenden Gewinne, Verluste bzw. Einkünfte zu subsumieren sind. In Betracht kommen dabei insbesondere die Art. 7, 10, 13 und 21 OECD-MA. Sofern von der Umstrukturierung Immobilienvermögen betroffen ist, ist auch eine Anwendung des Art. 6 OECD-MA denkbar. Einkünfte aus Umstrukturierungen können also als Unternehmensgewinne, Dividenden, Veräußerungsgewinne, sonstige Einkünfte oder als Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen zu qualifizieren sein.5

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Vgl. Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 (1172). Vgl. hierzu BFH v. 26.6.2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367. Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 19.190 m.w.N. Anders das Abkommen mit Kanada, das in Art. 13 Abs. 5 OECD-MA eine Regelung für Umstrukturierungen enthält, wonach im Falle einer Buchwertfortführung im Ansässigkeitsstaat unter bestimmten Voraussetzungen auch im Quellenstaat ein Besteuerungsaufschub gewährt werden kann, vgl. hierzu Sieker, IStR 2002, 269 ff. 5 Vgl. Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (118).

252 | Engel/Engelmann

B. Abkommensrechtliches Normengefüge | Rz. 5.12 Kap. 5

Verteilungsnormen mit abschließender/offener Rechtsfolge. Innerhalb der Verteilungsnormen sind zwei Grundtypen voneinander zu unterscheiden:

5.11

– Verteilungsnormen mit abschließender Rechtsfolge1 weisen einem der Vertragsstaaten (zumeist dem Wohnsitz- bzw. Ansässigkeitsstaat) ein ausschließliches Besteuerungsrecht zu und schließen damit zugleich eine Besteuerung im anderen Vertragsstaat aus. Dadurch regeln sie die Verteilung der Besteuerungsrechte abschließend, d.h., es bedarf insoweit keines Rückgriffs auf den Methodenartikel. Charakteristisch für diesen Typus sind Formulierungen, wonach bestimmte Einkünfte nur in einem Vertragsstaat besteuert werden können bzw. dürfen. Zu den Verteilungsnormen mit abschließender Rechtsfolge zählen von den in Umstrukturierungsfällen potentiell einschlägigen Verteilungsnormen die Art. 13 Abs. 3, 13 Abs. 5 sowie 21 Abs. 1 OECD-MA. – Verteilungsnormen mit offener Rechtsfolge2 weisen einem Vertragsstaat – im Allgemeinen dem Quellenstaat – ein Besteuerungsrecht zu, ohne auf die Besteuerungsfolgen im Wohnsitz- bzw. Ansässigkeitsstaat Bezug zu nehmen. Ob der Wohnsitz- bzw. Ansässigkeitsstaat die Doppelbesteuerung durch Freistellung der Einkünfte oder durch Anrechnung der ausländischen Steuer zu vermeiden hat, ergibt sich für diese Einkünfte folglich erst aus dem Methodenartikel (Art. 23A, 23B OECD-MA). Die Mehrheit der Verteilungsnormen des OECD-MA sind solche mit offener Rechtsfolge. Dies trifft bspw. auf die Art. 6 Abs. 1, 7 Abs. 1 Satz 2, 13 Abs. 1, 13 Abs. 2, 13 Abs. 4 OECD-MA zu. Unternehmensgewinne. Da von internationalen Umstrukturierungen typischerweise unternehmerisches Vermögen betroffen ist, kommt den Abkommensbestimmungen zur Besteuerung von Unternehmensgewinnen besondere Bedeutung zu. Das Musterabkommen sieht hier in Art. 7 ein „duales Verteilungssystem“3 vor. Danach können die Gewinne eines „Unternehmens eines Vertragsstaats“ grundsätzlich nur in diesem Staat besteuert werden (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA). Dabei ist das Unternehmen abkommensrechtlich demjenigen Staat zuzuordnen, in dem der „Betreiber“ des Unternehmens ansässig ist (Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA).4 Unterhält das Unternehmen jedoch im anderen Vertragsstaat eine Betriebsstätte, so können diese Gewinne dort besteuert werden, allerdings nur insoweit, als sie der Betriebsstätte zugeordnet werden können (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA).5 Der Betriebsstättenstaat darf folglich nicht etwa sämtliche aus diesem Staat stammenden Einkünfte besteuern; vielmehr setzt das Besteuerungsrecht des Quellenstaats eine Zuordnung der Einkünfte zu der bzw. zu einer in seinem Territorium liegenden Betriebsstätte voraus. Die Betriebsstätte zieht also nicht sämtliche Einkünfte aus dem Betriebsstättenstaat an; sie besitzt mit anderen Worten keine Attraktivkraft.6 Im Ansässigkeitsstaat wird der Vgl. Dürrschmidt in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 5–7. Vgl. Dürrschmidt in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 5–7. Engel/Hilbert, FR 2012, 394 (394). Vgl. zum Begriff des „Betreibers“ des abkommensrechtlichen Unternehmens Engel/Hilbert, FR 2012, 394 (394 f.) m.w.N. 5 Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 19.264 f. 6 Vgl. Art. 7 Nr. 12 OECD-MK (2017).

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Engel/Engelmann | 253

5.12

Kap. 5 Rz. 5.12 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

Betriebsstättengewinn entweder von der Besteuerung freigestellt oder es erfolgt eine Anrechnung der im Quellenstaat auf diesen Gewinn erhobenen Steuer auf die inländische Steuer. Deutschland vereinbart in seinen DBA traditionell die Freistellungsmethode. Deren tatsächlicher Anwendungsbereich wird jedoch in den Abkommen zunehmend durch Subject-to-tax-Klauseln, Switch-over-Klauseln sowie Aktivitätsvorbehalte verengt (Rz. 5.68 ff.). Ferner enthält das innerstaatliche Steuerrecht ebenfalls Vorschriften, die einer DBA-Freistellung entgegenstehen können (Rz. 5.24).

5.13 Abkommensrechtliches Spezialitätsprinzip. Im deutschen Einkommensteuerrecht gilt für bestimmte Einkunftsarten ein Subsidiaritätsprinzip. So sind Einkünfte aus Kapitalvermögen, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie sonstige Einkünfte i.S.d. § 22 EStG gegenüber den Gewinneinkunftsarten subsidiär (§§ 20 Abs. 8 Satz 1, 21 Abs. 3, 22 EStG). Damit gehören bspw. im Rahmen eines Gewerbebetriebs anfallende Zinserträge zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) und sind nicht etwa als Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) zu qualifizieren. Abkommensrechtlich wird das Konkurrenzverhältnis zwischen den einzelnen Verteilungsnormen dagegen grundsätzlich durch ein Spezialitätsprinzip aufgelöst. Aus diesem Grundsatz ergibt sich, dass, wenn bestimmte Einkünfte begrifflich unter mehrere Abkommensbestimmungen fallen, die Rechtsfolge der spezielleren Norm zu entnehmen ist.1 Insbesondere sind vom Anwendungsbereich des Art. 7 OECD-MA im Grundsatz diejenigen Einkünfte ausgenommen, die bereits von einer anderen Verteilungsnorm erfasst werden (Art. 7 Abs. 4 OECD-MA). Zinserträge fallen somit grundsätzlich auch dann in den Anwendungsbereich des Zinsartikels (Art. 11 OECD-MA), wenn sie im Rahmen eines Unternehmens entstehen.2 5.14 Betriebsstättenvorbehalt. Die Vorrangigkeit der speziellen Verteilungsartikel gilt nicht, soweit der Vermögenswert (Beteiligung, für die eine Dividende gezahlt wird; Forderung, für die Zinsen entrichtet werden; Lizenz, für die eine Gebühr gezahlt wird), der den Einkünften zugrunde liegt (sog. Stammrecht), tatsächlich zu einer Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat gehört. In diesem Fall enthalten die Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4, 12 Abs. 3, 21 Abs. 2 OECD-MA jeweils eine Rückverweisung zu Art. 7 OECD-MA, den sog. Betriebsstättenvorbehalt.3 Ob ein Betriebsstättenvorbehalt eingreift, ist regelmäßig sowohl für die Besteuerung im Quellenstaat als auch für die Besteuerung im Ansässigkeitsstaat von materieller Bedeutung. 5.15 Relevanz des Betriebsstättenvorbehalts für den Quellenstaat. Die Relevanz des Betriebsstättenvorbehalts für die Besteuerung im Quellenstaat ergibt sich daraus, dass die speziellen Verteilungsnormen für Lizenzen und sonstige Einkünfte einen vollständigen (Art. 12 Abs. 1, 21 Abs. 1 OECD-MA) und für Dividenden und Zinsen einen teilweisen (Art. 10 Abs. 1 und 2, 11 Abs. 1 und 2 OECD-MA) Besteuerungsverzicht des Quellenstaates anordnen, während die Rückverweisung auf Art. 7 OECD-MA zu 1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 354; Drüen in Wassermeyer, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 21. 2 Vgl. zu alledem Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (119). 3 Vgl. zu alledem Weggenmann in W/R/S2, Rz. 6.12.

254 | Engel/Engelmann

B. Abkommensrechtliches Normengefüge | Rz. 5.18 Kap. 5

einem unbeschränkten Besteuerungsrecht des Quellenstaates führt (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA). Relevanz des Betriebsstättenvorbehalts für den Ansässigkeitsstaat. Für die Besteuerung im Ansässigkeitsstaat ist der Betriebsstättenvorbehalt von Bedeutung, wenn – wie dies in den deutschen DBA tradionell der Fall ist1 – der Methodenartikel für ausländische Betriebsstättengewinne eine Steuerfreistellung, für Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren und andere Einkünfte hingegen eine Anrechnung der ausländischen Steuer vorsieht. Denn bei einem Eingreifen des Betriebsstättenvorbehalts partizipieren die Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren sowie anderen Einkünfte i.S.d. Art. 21 OECD-MA an der Freistellung des Betriebsstättengewinns. Dass der Betriebsstättenvorbehalt auch für die Anwendung des Methodenartikels Wirkung entfaltet, hat der BFH in seinem Urteil vom 24.8.20112 entschieden und damit die herrschende Meinung im Schrifttum3 bestätigt.

5.16

Tatsächliche Zugehörigkeit zur Betriebsstätte. Die Rückverweisung aufgrund eines Betriebsstättenvorbehalts setzt voraus, dass das jeweilige Stammrecht „tatsächlich“ zu einer Betriebsstätte im anderen Staat „gehört“ (Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4, 12 Abs. 3, 21 Abs. 2 OECD-MA). Der BFH sieht in diesem „tatsächlichen Gehören“ einen Gegensatz zu einer rein (steuer-)rechtlichen Zugehörigkeit. Wirtschaftsgüter gehören somit dann tatsächlich zu einer Betriebsstätte, wenn sie in einem funktionalen Zusammenhang mit der in der Betriebsstätte ausgeübten Unternehmenstätigkeit stehen. Zur Konkretisierung dieses Zusammenhangs greift der BFH auf die funktionale Betrachtungsweise des § 8 AStG zurück.4 Die Frage, wann konkret von einer solchen tatsächlichen Zugehörigkeit ausgegangen werden kann, wird an anderer Stelle ausführlich erläutert (s. Kapitel 15).

5.17

Umstrukturierungen als Veräußerungen i.S.v. Art. 13 OECD-MA. Eine der Kernfragen im Zusammenhang mit der abkommensrechtlichen Qualifikation von Einkünften aus Umstrukturierungen ist, ob Umstrukturierungen zu Veräußerungsgewinnen i.S.v. Art. 13 OECD-MA führen. Dabei ist zunächst zu konstatieren, dass das OECD-MA keine Definition dessen enthält, was unter einem Veräußerungsgewinn zu verstehen ist. Es ist daher fraglich, ob diesbezüglich aus dem Abkommen heraus eine Definition gefunden werden muss oder ob vielmehr ein Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht des jeweiligen Anwenderstaats zu erfolgen hat. Der BFH hat in einer Entscheidung die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft auf Anteilseignerebene als Veräußerung i.S.d. Art. 7 Abs. 1 DBA Österreich 1954 qualifiziert und dies damit begründet, dass die Umwandlung nach

5.18

1 Vgl. die Abkommensübersicht von Ismer in V/L5, Art. 23B OECD-MA Rz. 16. 2 BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165; in einer früheren Entscheidung hatte der BFH diese Frage noch offengelassen, vgl. BFH v. 7.8.2002 – I R 10/01, BStBl. II 2002, 848. 3 Vgl. Görl in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 42; Strunk/Kaminski, IStR 2003, 181 (185); Lang/Reich/Schmidt, IStR 2007, 1 (6); vgl. auch ausführlich Gosch, FS Wassermeyer, 263 (281 ff.), der sich im Ergebnis nicht festlegt. 4 Vgl. z.B. BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; BFH v. 29.11.2000 – I R 84/99, DStRE 2001, 600.

Engel/Engelmann | 255

Kap. 5 Rz. 5.18 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

deutschem Steuerrecht als Veräußerungsvorgang anzusehen sei.1 Allerdings enthielt das DBA Österreich 1954 keine dem Art. 3 Abs. 2 OECD-MA entsprechende Vorschrift, so dass offenbleibt, ob der BFH auch bei Abkommen, die eine solche Bestimmung enthalten, das Begriffsverständnis des innerstaatlichen Rechts heranziehen würde. Die Finanzverwaltung2 sowie die Mehrheit des deutschsprachigen Schrifttums3 gehen ebenfalls davon aus, dass der Begriff des Veräußerungsgewinns nach Maßgabe des innerstaatlichen Steuerrechts zu bestimmen ist. Der Musterkommentar deutet dagegen darauf hin, dass es sich um einen abkommensrechtlichen Terminus handelt,4 der jedoch durch das innerstaatliche Recht der jeweiligen Vertragsstaaten ausgefüllt werden muss. So führt der Musterkommentar einerseits aus, dass eine eingehende Definition des Begriffes „Veräußerungsgewinne“ nicht notwendig sei; andererseits sollen von Art. 13 OECD-MA neben dem Verkauf oder dem Tausch insbesondere auch Einbringungen, unentgeltliche Übertragungen sowie der Übergang von Todes wegen erfasst werden.5 Diese Ausführungen machen deutlich, dass dem Abkommensrecht ein vom deutschen innerstaatlichen Steuerrecht abweichendes, deutlich weiter gehendes Verständnis des Begriffs des Veräußerungsgewinns zugrunde liegt.6 Denn insbesondere unentgeltliche Übertragungen stellen aus der Perspektive des deutschen Steuerrechts keine Veräußerungen dar. Zugleich ergibt sich aus der genannten Stelle des Musterkommentars, dass unter den abkommensrechtlichen Veräußerungsbegriff letztlich sämtliche Vorgänge fallen, die nach dem innerstaatlichen Steuerrecht eines Vertragsstaats wie eine Veräußerung besteuert werden.7 Entscheidend für die abkommensrechtliche Einordnung eines bestimmten Vorgangs als Veräußerung i.S.v. Art. 13 OECD-MA ist also nicht etwa, ob nach den Wertungen des innerstaatlichen Steuerrechts eine Veräußerung im eigentlichen Wortsinn vorliegt, sondern ob der Vorgang zu einer Besteuerung stiller Reserven führt. Damit fallen unter Art. 13 OECD-MA insbesondere Gewinne aus der Entnahme von Betriebsvermögen, aus einer Betriebsaufgabe, aus einer Liquidation oder Kapitalherabsetzung (soweit nicht Dividenden i.S.v. Art. 10 OECD-MA vorliegen) und eben aus Umstrukturierungen.8

5.19 Formwechsel als Veräußerung i.S.v. Art. 13 OECD-MA. Der Veräußerungsbegriff in Art. 13 OECD-MA setzt – anders als das innerstaatliche Recht – keine Übertra1 Vgl. BFH v. 22.2.1989 – I R 11/85, BStBl. II 1989, 794. 2 Dies ergibt sich aus BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.27 (Beispiel 2). 3 Vgl. Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, Rz. S 251; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 19.379 m.w.N. 4 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 3; Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 15. 5 Vgl. Art. 13 Nr. 5 OECD-MK (2017). 6 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 3; Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 15. 7 Ähnlich Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 3, nach dessen Auffassung vermutet werden kann, dass alles, was nach innerstaatlichem Recht wie eine Veräußerung zu besteuern ist, auch unter den abkommensrechtlichen Veräußerungsbegriff fällt. 8 Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 19.379; Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, Rz. S 253 ff.

256 | Engel/Engelmann

B. Abkommensrechtliches Normengefüge | Rz. 5.20 Kap. 5

gung auf eine andere Person voraus. Deshalb führt auch ein Formwechsel zu Veräußerungsgewinnen im abkommensrechtlichen Sinne, soweit er zu einer Besteuerung stiller Reserven führt.1 Aufbau des Art. 13 OECD-MA. Die Abgrenzung der Besteuerungsrechte für Einkünfte aus der Veräußerung von Vermögen regelt das OECD-MA in Art. 13 wie folgt: – Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens, das im anderen Staat belegen ist, können im anderen Staat besteuert werden (Art. 13 Abs. 1 OECDMA). – Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens, das Betriebsvermögen einer Betriebsstätte ist, die ein Unternehmen eines Vertragsstaats im anderen Vertragsstaat unterhält, können im anderen Staat (Betriebsstättenstaat) besteuert werden. Dies gilt auch dann, wenn die Gewinne im Rahmen der Veräußerung der gesamten Betriebsstätte (allein oder zusammen mit dem übrigen Unternehmen) entstehen (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA). – Gewinne aus der Veräußerung von Seeschiffen usw., die im internationalen Verkehr betrieben werden, können nur in dem Staat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet (Art. 13 Abs. 3 OECD-MA). – Gewinne, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der Veräußerung von Anteilen erzielt, deren Wert zum Zeitpunkt der Veräußerung oder irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der vorangehenden 365 Tage zu mehr als 50 % unmittelbar oder mittelbar auf unbeweglichem Vermögen im anderen Staat beruht, können im anderen Staat (Belegenheitsstaat) besteuert werden (Art. 13 Abs. 4 OECDMA).2 – Gewinne aus der Veräußerung des in Art. 13 Abs. 1, 2, 3 und 4 OECD-MA nicht genannten Vermögens können nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Die vorstehende Aufzählung macht deutlich, dass Art. 13 OECD-MA an die Besteuerung laufender Einkünfte anknüpft, indem er die entsprechenden Verteilungsnormen inhaltlich übernimmt.3 Damit kann ein Vertragsstaat grundsätzlich immer dann Ver1 Vgl. Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, Rz. S 255; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 27, anders aber in Rz. 30; a.A. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 19.387. 2 Im Ergebnis wird damit der Verteilungsmechanismus für ausländisches unbewegliches Vermögen auf Anteile an Immobiliengesellschaften, die unmittelbar oder mittelbar über ausländisches unbewegliches Vermögen verfügen, ausgedehnt. Art. 9 MLI enthält eine Art. 13 Abs. 4 OECD-MA entsprechende Regelung, weshalb durch die Umsetzung Deutschlands insbesondere die durch das OECD-MA 2017 eingeführte 365-Tage-Betrachtung auf bestehende vom MLI erfasste deutsche DBA übertragen werden kann, vgl. Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 175. 3 Vgl. Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, Rz. S 257.

Engel/Engelmann | 257

5.20

Kap. 5 Rz. 5.20 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

äußerungsgewinne besteuern, wenn er vor der Veräußerung ein Besteuerungsrecht hinsichtlich der aus dem Vermögenswert fließenden Erträge hat.1 So können bspw. Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens dann im anderen Vertragsstaat besteuert werden, wenn das veräußerte Vermögen Betriebsvermögen einer Betriebsstätte im anderen Staat darstellt. Art. 13 Abs. 2 OECD-MA überträgt somit für den Fall einer Zuordenbarkeit der Wirtschaftsgüter zu einer Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat die Regelung des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA auf Veräußerungsgewinne. Mithin ergeben sich im Rahmen des Art. 13 OECD-MA ähnliche Fragen der Betriebsstättenzuordnung wie dies im Zusammenhang mit den Betriebsstättenvorbehalten in Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 3 und 12 Abs. 3 OECD-MA der Fall ist.

5.21 Betriebsstättenzuordnung. Nach Art. 13 Abs. 2 OECD-MA ist (bewegliches) Vermögen einer Betriebsstätte zuzuordnen, wenn dieses „Betriebsvermögen einer Betriebsstätte ist“. Insoweit unterscheidet sich der Wortlaut von dem in Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA, der daran anknüpft, dass Gewinne „der Betriebsstätte zuzurechnen sind“. Der Begriff des Betriebsvermögens ist abkommensrechtlich nicht definiert, weshalb nach dem innerstaatlichen Steuerrecht des Anwenderstaates zu bestimmen, ob Betriebsvermögen vorliegt oder nicht.2 Aus dem Zusammenhang mit Art. 13 Abs. 1 OECD-MA, der auf Art. 6 Abs. 2 OECD-MA verweist, ergibt sich, dass der Begriff des beweglichen Vermögens Vermögen jeder Art umfasst, das nach dem innerstaatlichen Steuerrecht des Anwenderstaats nicht als unbewegliches Vermögen anzusehen ist.3 Nach deutschem Verständnis gehört zum Begriff des Betriebsvermögens sowohl notwendiges als auch gewillkürtes Betriebsvermögen. Bei der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils, die aufgrund des Transparenzprinzips eine Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft darstellt, gehört zum Begriff des Betriebsvermögens auch das Sonderbetriebsvermögen.4 Da die Regelung des Art. 13 Abs. 2 OECD-MA auf eine tatsächliche Zugehörigkeit des Betriebsvermögens zu einer Betriebsstätte abstellt, wird mitveräußertes Sonderbetriebsvermögen nur dann von Art. 13 Abs. 2 OECD-MA umfasst, wenn dieses in einem funktionalen Zusammenhang zu einer in der Betriebsstätte ausgeübten Geschäftstätigkeit steht, was bei gewillkürtem Sonderbetriebsvermögen nicht und bei notwendigem Sonderbetriebsvermögen II nur ausnahmsweise der Fall sein wird.5 Das es auf die tatsächliche Zugehörigkeit ankommt, ergibt sich u.E. aus dem systematischen Zusammenhang zwischen Art. 7 und Art. 13 OECD-MA (s. Rz. 5.20). Hinsichtlich der Betriebsstättenzuordnung innerhalb des Art. 13 OECD-MA hat der BFH in seinem Urteil vom 13.2.20086 entschieden, dass diese nach einem anderen Maßstab zu erfolgen habe als beim oben erläuterten Betriebsstättenvorbehalt. Er 1 Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 19.378; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 7. 2 Vgl. Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 79. 3 Vgl. Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 79. 4 Vgl. Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 86. 5 Vgl. hierzu Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz. 19.391 f. 6 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414.

258 | Engel/Engelmann

B. Abkommensrechtliches Normengefüge | Rz. 5.22 Kap. 5

stützt sich dabei auf den abweichenden Wortlaut des Art. 13 Abs. 2 OECD-MA, der keine tatsächliche Zugehörigkeit zu einer Betriebsstätte im anderen Staat verlangt, sondern voraussetzt, dass das Wirtschaftsgut „Betriebsvermögen einer Betriebsstätte im anderen Staat ist“. Aufgrund der fehlenden abkommensrechtlichen Definition des Begriffs des Betriebsvermögens sei insoweit gem. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA auf die Begriffsbestimmungen des innerstaatlichen Rechts zurückzugreifen. Ein im Eigentum des in der Schweiz ansässigen Gesellschafters stehendes Wirtschaftsgut, welches zu dessen notwendigem Sonderbetriebsvermögen bei einer inländischen Personengesellschaft gehört, ist mithin nach Auffassung des Gerichts jedenfalls dann i.S.d. Art. 13 Abs. 2 DBA Schweiz1 einer Betriebsstätte in Deutschland zuzurechnen, wenn die Personengesellschaft nur in Deutschland über Betriebsstätten verfügt und auch der Gesellschafter außerhalb Deutschlands keine weiteren Betriebsstätten besitzt. Im Ergebnis ist nach Ansicht des BFH im Rahmen des Art. 13 Abs. 2 OECD-MA eine bloße (steuer-)rechtliche Zugehörigkeit, die sich vorstehend aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ergibt, wohl ausreichend. Diese Rechtsprechung wird in der Literatur zu Recht überwiegend kritisch gesehen.2 Der BFH verkennt den vorstehend (s. Rz. 5.20) beschriebenen Zusammenhang zwischen Art. 7 und Art. 13 OECD-MA,3 der für die Anwendung eines einheitlichen Maßstabs spricht.4 Problematik der Einkünftequalifikation bei Fehlen einer Art. 13 OECD-MA entsprechenden Vorschrift. Enthält ein DBA keine dem Art. 13 OECD-MA entsprechende Vorschrift,5 führt dies zu der Frage, welche Abkommensvorschriften in diesen Fällen auf Veräußerungsgewinne bzw. ihnen nach der Systematik des Musterabkommens gleichgestellte Einkünfte aus Umstrukturierungen anzuwenden sind. Diese Einkünfte könnten dabei einerseits unter dieselben Vorschriften wie die laufenden Gewinne aus der Nutzung des veräußerten Vermögens zu fassen sein. Auf Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens würde dann bspw. Art. 6 OECD-MA Anwendung finden, während auf Gewinne aus der Veräußerung (beweglichen) unternehmerischen Vermögens Art. 7 OECD-MA anzuwenden wäre. Anderseits wäre in diesen Fällen auch eine Qualifikation von Veräußerungsgewinnen als „andere Einkünfte“ i.S.d. Auffangvorschrift des Art. 21 OECD-MA vorstellbar. Enthält ein DBA allerdings keine solche Vorschrift, stellt sich in diesem Fall die Frage, ob das Abkommen auf Veräußerungsgewinne überhaupt Anwendung findet. Der BFH hat in seinem Urteil vom 23.3.19726 zum DBA Italien 1925, welches keine dem Art. 13 OECD-MA entsprechende Vorschrift enthielt, Einkünfte aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens als solche aus „jeder anderen Art der Nutzung des unbeweglichen Vermögens“ qualifiziert und diese somit unter den Verteilungsartikel für unbewegliches Vermögen (Art. 2 DBA Italien 1925) subsumiert. In einer 1 2 3 4

Entspricht in seinem Wortlaut Art. 13 Abs. 2 OECD-MA. Vgl. z.B. Weggenmann in W/R/S2, Rz. 6.75. Vgl. hierzu Art. 13 Nr. 4 OECD-MK (2017). Vgl. Weggenmann in W/R/S2, Rz. 6.75; s. auch Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, Rz. S 257. 5 So z.B. das DBA Australien 1972. 6 BFH v. 23.3.1972 – I R 128/70, BStBl. II 1972, 948.

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5.22

Kap. 5 Rz. 5.22 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

späteren Entscheidung zum DBA Spanien 1966, welches wie das OECD-MA in Art. 13 eine Regelung für Veräußerungsgewinne enthält, fasste der BFH Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens trotz wortgleicher Formulierung nicht unter Art. 6, sondern unter Art. 13 DBA Spanien 1966. Der I. Senat sieht hierin jedoch keinen Widerspruch zu dem o.g. Urteil vom 23.3.1972. Vielmehr sollen nach Auffassung des BFH bei DBA, die keine spezielle Regelung für Veräußerungsgewinne enthalten, die Grundsätze des BFH-Urteils vom 23.3.1972 Anwendung finden und Einkünfte aus Veräußerungen unter die Verteilungsnorm für unbewegliches Vermögen gefasst werden. Beinhaltet des Abkommen dagegen eine dem Art. 13 OECDMA entsprechende Regelung, könnten Veräußerungsgewinne nicht als Gewinne aus „jeder anderen Art der Nutzung des unbeweglichen Vermögens“ verstanden werden.1

5.23 Folgerungen für Umstrukturierungen. Für die Einkünftequalifikation bei Umstrukturierungen ergibt sich aus der vorstehend beschriebenen Rechtsprechung zunächst, dass bei Fehlen einer Art. 13 OECD-MA entsprechenden Regelung Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens sowie sämtliche Einkünfte, die sich im Zuge einer Umstrukturierung aus einer Realisierung stiller Reserven solcher Wirtschaftsgüter ergeben, in den Anwendungsbereich des Art. 6 OECD-MA fallen.2 Dies lässt sich u.E. auf Art. 7 OECD-MA übertragen. Gewinne aus der Veräußerung (beweglichen) unternehmerischen Vermögens sowie entsprechende, im Zuge einer Umstrukturierung entstehende Einkünfte sind demnach in diesen Fällen unter Art. 7 OECD-MA zu subsumieren.3 IV. Vermeidung der Doppelbesteuerung

5.24 Relevanz des Methodenartikels. Sofern eine Verteilungsnorm selbst keine abschließende Zuweisung des Besteuerungsrechts vornimmt (Rz. 5.11), die eine Freistellung durch den anderen Vertragsstaat bedingt, ist für die Bestimmung, ob eine Doppelbesteuerung durch Freistellung der Einkünfte oder durch Anrechnung der ausländischen Steuer zu vermeiden ist, auf den Methodenartikel (Art. 23A, 23B OECDMA) zurückzugreifen. Der Methodenartikel richtet sich dabei ausschließlich an den Wohnsitz- bzw. Ansässigkeitsstaat. 5.25 Freistellung. Art. 23A Abs. 1 OECD-MA sieht zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung die Freistellungsmethode vor, auf deren Grundlage der Wohnsitz- bzw. Ansässigkeitsstaat die ausländischen Einkünfte und das ausländische Vermögen von der Besteuerung auszunehmen hat. Abweichend von diesem Grundsatz ist nach Art. 23A Abs. 2 OECD-MA eine Anrechnung der ausländischen Steuer vorgesehen, wenn die Einkünfte nach den Art. 10, 11 OECD-MA im Quellenstaat besteuert werden können. Es bleibt den Vertragsstaaten vorbehalten, die aus der Steuerbemessungsgrundlage ausgenommenen Einkünfte bei der Festsetzung des übrigen Einkommens bzw. Vermögens miteinzubeziehen (Art. 23A Abs. 3 OECD-MA).

1 Vgl. zu alledem Scholten/Griemla, IStR 2008, 661 ff. 2 Vgl. Scholten/Griemla, IStR 2008, 661 (662). 3 Vgl. Pyszka, IStR 1999, 655 (656).

260 | Engel/Engelmann

B. Abkommensrechtliches Normengefüge | Rz. 5.26 Kap. 5

Die deutschen DBA sehen im Grundsatz regelmäßig die Freistellungsmethode vor.1 Das Ausnehmen von der Besteuerung durch die BRD als Wohnsitz- bzw. Ansässigkeitsstaat gilt für alle Steuern i.S.v. Art. 2 Abs. 1 OECD-MA, auf die das DBA anzuwenden ist, d.h. insb. die Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer.2 Die Freistellung der Einkünfte ist aber regelmäßig von weiteren Voraussetzungen abhängig (Rz. 5.71). Kommt es zu einer Freistellung, werden die Einkünfte in Deutschland als Wohnsitz- bzw. Ansässigkeitsstaat gem. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2, 3 EStG bei der Ermittlung des Einkommensteuertarifs einbezogen (sog. Progressionsvorbehalt).3 Nach der neueren Rechtsprechung des BFH ist ein solcher Einbezug in den Progressionsvorbehalt auch dann zulässig, wenn im DBA ein Progressionsvorbehalt nicht ausdrücklich vorgesehen und keine anderweitige Regelung im DBA enthalten ist, die einem Einbezug in den Progressionsvorbehalt entgegensteht.4 Da der Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuertarif nicht progressiv ausgestaltet sind, wirkt sich eine Freistellung nach Art. 23A Abs. 1 OECD-MA hier nicht auf die Höhe des anzuwendenden Steuertarifs aus. Anrechnung. Nach Art. 23B Abs. 1 OECD-MA hat der Wohnsitz- bzw. Ansässigkeitsstaat die Doppelbesteuerung durch Anrechnung der ausländischen Steuer zu vermeiden. Hierbei sieht die Vorschrift eine getrennte Anrechnung auf Steuern vom Einkommen und Steuern vom Vermögen sowie eine Deckelung der Anrechnung auf die auf die ausländischen Einkünfte bzw. das ausländische Vermögen erhobene Steuer des Wohnsitz- bzw. Ansässigkeitsstaats vor. Für die Frage, wie das Verfahren der Anrechnung erfolgt, ist auf das innerstaatliche Recht abzustellen.5 Das Einkommensteuerrecht und das Körperschaftsteuerrecht sehen in § 34c EStG bzw. § 26 KStG besondere Regelungen zur Anrechnung ausländischer Steuern vor.6 Im Gegensatz hierzu ist für die aus deutscher Sicht zu den Steuern vom Einkommen zählende Gewerbesteuer (Rz. 5.9) auf innerstaatlicher Ebene keine besondere Anrechnungsregelung vorgesehen. Das FG Hessen hat in seinem Urteil vom 26.8.20207 zum DBA-Kanada entschieden, dass, ungeachtet des Fehlens einer besonderen Regelung im Gewerbesteuerrecht, eine Anrechnung geboten ist. Dies ergebe sich aus Art. 23 DBA-Kanada, der eine Anrechnung auf die deutschen Steuern vom Einkommen vorsieht.8 Ob eine Doppelbesteuerung auf Grundlage einer solchen Regelung in einem DBA durch Anrechnung auf die Gewerbesteuer zu vermeiden ist

1 Vgl. für eine Abkommensübersicht Ismer in V/L5, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 16. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 56. 3 Dies gilt ebenso bei einer Freistellung auf Grundlage einer Verteilungsnorm mit abschließender Zuweisung des Besteuerungsrechts. 4 Vgl. z.B. BFH v. 19.12.2001 – I R 63/00, BStBl. II 2003, 302; BFH v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521; anders noch BFH v. 12.1.1983 – I R 90/79, BStBl. II 1983, 382. 5 Vgl. Ismer in V/L5, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 158; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 104. 6 Auch für den Solidaritätszuschlag ist in § 5 SolZG eine besondere Regelung zur Anrechnung vorgesehen. 7 FG Hessen v. 26.8.2020 – 8 K 1860/16, EFG 2021, 779 – Rev. I R 8/21. 8 Zu den verschiedenen Regelungen in den deutschen DBA s. Töben, Ubg 2021, 346 (358).

Engel/Engelmann | 261

5.26

Kap. 5 Rz. 5.26 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

bzw. werden kann, ist in der Literatur umstritten. Die herrschende Meinung in der Literatur geht u.E. zutreffend von einer Anrechnung auf die Gewerbesteuer aus.1 V. Unilaterale Regelungen

5.27 Sog. „Treaty Overrides“. Die bisherigen Ausführungen betrafen ausschließlich die Abkommensebene. Innerstaatliche steuerliche Regelungen der Vertragsstaaten können, soweit diese im Widerspruch zu einem bestehenden DBA stehen, die Regelungen des DBA überschreiben (sog. „Treaty Overrides“).2 Eine rechtssichere abkommensrechtliche Einordnung von Umstrukturierungen kann daher nur dann erfolgen, wenn neben dem bestehenden DBA auch solche unilateralen, abkommensüberschreibenden Maßnahmen berücksichtigt werden. Im deutschen Steuerrecht sind im Rahmen von Umstrukturierungen insbesondere § 50d Abs. 9 EStG, § 50d Abs. 10 EStG und § 20 Abs. 2 AStG zu beachten. Entsprechende Hinweise auf diese Regelungen werden in den nachfolgenden Ausführungen berücksichtigt. Der II. Senat des BVerfG hat ein solches Überschreiben bestehender DBA für grundsätzlich zulässig erklärt.3

C. Abkommensrechtliches Prüfungsschema für Umstrukturierungen 5.28 Prüfungsschema. Betrachtet man die eingangs (Rz. 5.2) beschriebenen Kernfragen nochmals unter dem Blickwinkel internationaler Umstrukturierungen, ergibt sich daraus folgendes Prüfungsschema: 1. Auf welcher Ebene entstehen welche Einkünfte? – Einkünfte können auf Ebene der an der Umstrukturierung beteiligten Rechtsträger (übertragender/übernehmender Rechtsträger), aber auch auf Ebene der Anteilseigner dieser Gesellschaften zur Entstehung gelangen. 2. Ist der konkrete Besteuerungsvorgang vom räumlichen,4 persönlichen (Rz. 5.3 ff.) und sachlichen (Rz. 5.9) Anwendungsbereich des jeweiligen DBA erfasst? – Zu prüfen ist insbesondere die Abkommensberechtigung der beteiligten Rechtsträger und ggf. deren Gesellschafter. 3. Unter welche Verteilungsnorm fallen die im Rahmen der Umstrukturierung entstehenden Einkünfte (Rz. 5.29 ff.)? 1 Vgl. hierzu z.B. Heurung/Seidel, IWB Fach 3, Deutschland Gr. 5, 76 (82); Ismer in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 78, Art. 23A/B Rz. 138; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 104; Prinz/Otto, DB 2017, 1988 (1991) m.w.N.; s. darüber hinaus auch Micker, ISR 2021, 428 (430) m.w.N. für einen aktuellen Diskussionsstand in der Literatur. Eine Anrechnung ablehnend z.B. Eglmaier, IStR 2011, 955; Kollruss, IStR 2022, 384 (388). 2 Zum Begriff des „Treaty Overrides“ s. Gosch, IStR 2008, 413 (413 ff.). 3 Vgl. BVerfG v. 15.12.2005 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1. 4 Der räumliche Anwendungsbereich wird im Folgenden ausgeblendet, vgl. hierzu Nasdala in V/L5, Überschrift und Präambel OECD-MA Rz. 3 ff.; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 19.184 ff.

262 | Engel/Engelmann

D. Abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte | Rz. 5.29 Kap. 5

– Kernfrage ist in diesem Zusammenhang insbesondere, ob Veräußerungsgewinne i.S.v. Art. 13 OECD-MA vorliegen. Zudem stellen sich hier vielfältige Fragen zum Verhältnis zwischen der Einkünftequalifikation nach innerstaatlichem Steuerrecht und der Einordnung der Einkünfte auf Ebene des Abkommens. 4. Welche Konsequenzen sieht die einschlägige Verteilungsnorm – ggf. in Verbindung mit dem Methodenartikel – für die Besteuerung in Ansässigkeitsstaat und Quellenstaat vor? – Im Zusammenhang mit dem Methodenartikel stellt sich auch die Frage der Anwendbarkeit abkommensrechtlicher Subject-to-tax- und Switch-over-Klauseln sowie Aktivitätsvorbehalte (Rz. 5.71 ff.). 5. Gibt es unilaterale Regelungen in einem der Vertragsstaaten, die die abkommensrechtliche Einordnung überschreiben? – Zu prüfen ist in diesem Kontext auch, inwieweit eine durch eine solche unilaterale Regelung bedingte Doppelbesteuerung vermieden wird bzw. werden kann.

D. Abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte aus Umstrukturierungen I. Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften 1. Umwandlungen im Anwendungsbereich des UmwStG a) Anwendungsbereich des UmwStG Anwendungsbereich. Die Umwandlung von Kapitalgesellschaften in bzw. auf Personengesellschaften ist in den §§ 3–9 UmwStG geregelt. Der sachliche Anwendungsbereich dieser Regelungen umfasst folgende Umwandlungsvorgänge:1 – die Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft oder eine natürliche Person, – die Auf- oder Abspaltung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften, – den Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft, – vergleichbare ausländische Vorgänge. Dabei muss jeweils auch der persönliche Anwendungsbereich dieser Regelungen gegeben sein (§ 1 Abs. 2 UmwStG), was bis 31.12.2021 eine steuerliche Ansässigkeit der beteiligten Rechtsträger innerhalb des Hoheitsgebiets eines EU/EWR-Mitgliedstaats voraussetzte. Für Umwandlungen nach dem 31.12.2021 wurde § 1 Abs. 2 UmwStG aufgehoben, woraus sich ein globalisierter persönlicher Anwendungsbereich eröffnet, der bspw. grenzüberschreitende Drittstaatenverschmelzungen erfasst (s. Kapitel 8 Rz. 8.8).

1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.20.

Engel/Engelmann | 263

5.29

Kap. 5 Rz. 5.30 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

b) Einkünfte auf Gesellschafts- und Anteilseignerebene

5.30 Einkünfte. Wird eine Kapitalgesellschaft in bzw. auf eine Personengesellschaft umgewandelt, können folgende Einkünfte zur Entstehung gelangen: – Bei der übertragenden bzw. formwechselnden Kapitalgesellschaft kann sich ein Übertragungsgewinn ergeben. – Es kann ein Übernahmegewinn auf Ebene der Anteilseigner der übertragenden Kapitalgesellschaft bzw. auf Ebene der Personengesellschaft entstehen. – Bei der übernehmenden Personengesellschaft kann sich ein Beteiligungskorrekturgewinn und Übernahmefolgegewinn ergeben. – Auf Ebene der Anteilseigner der übertragenden Kapitalgesellschaft bzw. auf Ebene der Personengesellschaft können fiktive Gewinnausschüttungen gem. § 7 UmwStG vorliegen und auf Ebene der Anteilseigner der übertragenden Kapitalgesellschaft kann sich ein Beteiligungskorrekturgewinn ergeben. c) Übertragungsgewinn

5.31 Entstehung und abkommensrechtliche Qualifikation. Ein Übertragungsgewinn ergibt sich, wenn bzw. soweit in der steuerlichen Schlussbilanz1 der übertragenden Kapitalgesellschaft stille Reserven aufgedeckt werden. Der Übertragungsgewinn entsteht folglich auf Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft und damit innerhalb eines Betriebsvermögens. Aus diesem Grund qualifiziert ein Teil des Schrifttums den Übertragungsgewinn als Unternehmensgewinn i.S.v. Art. 7 OECD-MA.2 Nach einer anderen Auffassung ist der Übertragungsgewinn vorrangig unter Art. 13 OECD-MA zu subsumieren, da es sich bei der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft um eine Veräußerung i.S.v. Art. 13 OECD-MA handelt.3 Ist von der Umwandlung unbewegliches Vermögen betroffen, stellt sich die gleich gelagerte Frage, ob insoweit auf den Übertragungsgewinn Art. 6 oder Art. 13 OECD-MA anzuwenden ist. Während diese Abgrenzungsproblematik in Bezug auf unbewegliches Vermögen von rein akademischer Natur ist, weil sich die Rechtsfolgen der beiden Vorschriften entsprechen,4 kann diese Frage für ausländisches Betriebsvermögen durchaus materielle Bedeutung erlangen. So sehen zwar sowohl Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA als auch Art. 13 Abs. 2 OECD-MA ein der Höhe nach unbeschränktes Besteuerungsrecht des Betriebsstättenstaates vor. Auch erfolgt in der deutschen Abkommenspraxis regelmäßig für beide Einkünftekategorien eine Freistellung im Ansässigkeitsstaat. Allerdings unterscheiden sich zum einen nach Auffassung des BFH5

1 Zum Begriff der steuerlichen Schlussbilanz vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/ 10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 3.01. 2 Vgl. Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (122); Klingberg/van Lishaut, FR 1999, 1222; Viebrock/Hagemann, FR 2009, 737 (738). 3 Vgl. Benecke/Schnittker in W/R/S2, Rz. 15.45. 4 Vgl. auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 22b. 5 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414.

264 | Engel/Engelmann

D. Abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte | Rz. 5.32 Kap. 5

die Maßstäbe der Betriebsstättenzuordnung in Art. 13 OECD-MA und Art. 7 OECD-MA (Rz. 5.21); zum anderen steht die Freistellung von Unternehmensgewinnen häufig unter einem Aktivitätsvorbehalt, der nicht immer auch für Veräußerungsgewinne gilt.1 Nach der hier vertretenen Auffassung fällt der Übertragungsgewinn unabhängig davon, ob man in der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft einen Veräußerungstatbestand oder einen unentgeltlichen Vorgang sieht, unter Art. 13 OECD-MA, da auf Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft jedenfalls ein (liquidationsähnlicher) Realisationstatbestand vorliegt und dies hinreichend für die Anwendung des Art. 13 OECD-MA ist (Rz. 5.18).2 Dies gilt u.E. auch für die formwechselnde Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft (Rz. 5.19). Auf den Übertragungsgewinn ist damit regelmäßig Art. 13 Abs. 5 OECD-MA anzuwenden. Dieser kann also im Regelfall allein im Ansässigkeitsstaat der übertragenden Kapitalgesellschaft besteuert werden. Soweit das übertragende Vermögen zum Umwandlungszeitpunkt bewegliches Betriebsvermögen einer Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat war, ist hingegen Art. 13 Abs. 2 OECDMA anzuwenden mit der Folge, dass dem Betriebsstättenstaat insoweit ein Besteuerungsrecht zusteht. Der Ansässigkeitsstaat hat dann entsprechend den Vereinbarungen im Methodenartikel diesen Teil des Übertragungsgewinns entweder freizustellen oder die hierauf im Quellenstaat gezahlte Steuer auf seine Steuer anzurechnen. Art. 13 Abs. 1 OECD-MA kommt zur Anwendung, soweit von der Umwandlung unbewegliches, im anderen Vertragsstaat belegenes Vermögen betroffen ist. Der Quellenstaat bzw. der Belegenheitsstaat des unbeweglichen Vermögens hat dann insoweit ein Besteuerungsrecht, während der Ansässigkeitsstaat für diesen Teil des Übertragungsgewinns entweder eine Freistellung oder eine Steueranrechnung gewähren muss. Schließlich ist Art. 13 Abs. 4 OECD-MA zu beachten, wenn die Kapitalgesellschaften, deren Anteile mitübertragen werden, unmittelbar oder mittelbar über unbewegliches Vermögen im anderen Vertragsstaat verfügen. d) Übernahmegewinn Entstehung und abkommensrechtliche Qualifikation. Im Zuge der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft auf bzw. in eine Personengesellschaft ergibt sich ein Übernahmegewinn bzw. Übernahmeverlust in Höhe der Differenz zwischen dem Wert, mit dem die übergehenden Wirtschaftsgüter bei der Personengesellschaft anzusetzen sind, abzgl. dem Wert der Anteile an der übertragenden bzw. formwechselnden Kapitalgesellschaft und der Kosten für den Vermögensübergang. Ein Übernahmegewinn vermindert sich bzw. ein Übernahmeverlust erhöht sich um die fiktive Ausschüttung i.S.v. § 7 UmwStG.

1 Vgl. Benecke/Schnittker in W/R/S2, Rz. 13.45; Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (120). Eine Übersicht über den Anwendungsbereich der in den deutschen DBA enthaltenen Aktivitätsklauseln findet sich bei Schwenke in Wassermeyer, Anlage zu Art. 23A/B OECD-MA. 2 Vgl. auch Benecke/Schnittker in W/R/S2, Rz. 13.45.

Engel/Engelmann | 265

5.32

Kap. 5 Rz. 5.32 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

Die Finanzverwaltung1 sowie die herrschende Meinung im Schrifttum2 qualifizieren den Übernahmegewinn als Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der übertragenden bzw. formwechselnden Kapitalgesellschaft und subsumieren diesen damit unter Art. 13 OECD-MA. Dies ist u.E. zutreffend, da die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft auch auf Anteilseignerebene wenn schon nicht als Veräußerung, dann zumindest als liquidationsähnlicher Realisationsvorgang anzusehen ist. Dies gilt u.E. auch für die formwechselnde Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft (Rz. 5.19). Damit ist auf den Übernahmegewinn regelmäßig Art. 13 Abs. 5 OECD-MA anzuwenden. Im Regelfall ergibt sich somit ein ausschließliches Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates bzw. Ansässigkeitsstaates des jeweiligen Gesellschafters. Einige Abkommen mit deutscher Beteiligung weichen jedoch an dieser Stelle vom Musterabkommen ab und weisen dem Sitzstaat der Gesellschaft ein Besteuerungsrecht für solche Veräußerungsgewinne zu.3 Waren die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft zum Zeitpunkt der Umwandlung Betriebsvermögen einer Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat, findet nicht Art. 13 Abs. 5, sondern Art. 13 Abs. 2 OECD-MA Anwendung. In diesem Fall kann der Übernahmegewinn im Betriebsstättenstaat besteuert werden; der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters hat den Gewinn dann nach der deutschen Abkommenspraxis regelmäßig freizustellen.4 Besteht das Vermögen der übertragenden Kapitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar überwiegend aus im anderen Vertragsstaat belegenem unbeweglichen Vermögen, gelangt Art. 13 Abs. 4 OECD-MA zur Anwendung mit der Folge, dass der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters abhängig von der Regelung im Methodenartikel den Übernahmegewinn freistellt oder die im Quellenstaat bzw. Belegenheitsstaat gezahlte Steuer auf seine Steuer anrechnet.

5.33 Keine Anwendung der Einlage- sowie der Überführungsfiktion auf Abkommensebene. Die Einlagefiktion nach § 5 Abs. 2 UmwStG ist zwar auch in DBA-Fällen anzuwenden,5 schlägt aber nach zutreffender herrschender Meinung6 nicht auf das Abkommensrecht durch. Diese Auffassung wird von der Finanzverwaltung geteilt.7 Das1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.27. 2 Vgl. Stadler/Elser/Bindl, DB 2012 Beilage 1, 23; Viebrock/Hagemann, FR 2009, 737 (741, 743); Stimpel, GmbHR 2012, 129; Benecke/Schnittker in W/R/S2, Rz. 13.54; Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (122). 3 Einige Abkommen (z.B. die DBA mit Tschechien, Bulgarien, Zypern) weisen dagegen abweichend vom OECD-MA für Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen dem Sitzstaat der Gesellschaft ein Besteuerungsrecht zu, vgl. für eine Abkommensübersicht Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 225. 4 Vgl. auch Benecke/Schnittker in W/R/S2, Rz. 13.52. 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 05.07; Pung in D/P/M, § 5 UmwStG Rz. 40; Pyszka/Jüngling, BB-Special 1/2012, 9 m.w.N. 6 Vgl. z.B. Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (123); Benecke/Schnittker in W/R/S2, Rz. 13.52; Benecke/Beinert, FR 2010, 1120 (1121); Viebrock/Hagemann, FR 2009, 737 (741); Stimpel, GmbHR 2012, 129; Cordes/Dremel/ Carstens in FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011, 202. 7 Dies ergibt sich aus den Beispielen in BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.27, 04.29; s. dazu auch Köhler/Käshammer, GmbHR 2012, 301 (307).

266 | Engel/Engelmann

D. Abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte | Rz. 5.34 Kap. 5

selbe gilt für die Überführungsfiktion in § 5 Abs. 3 UmwStG.1 Abkommensrechtlich sind also sowohl in Bezug auf die Bestimmung der Person, die den Veräußerungsgewinn erzielt, als auch hinsichtlich der Zugehörigkeit der Anteile zu einem Betriebsvermögen bzw. zu einer bestimmten Betriebsstätte allein die tatsächlichen Verhältnisse ausschlaggebend. Der Veräußerungsgewinn entsteht damit abkommensrechtlich unmittelbar auf Ebene des Anteilseigners der übertragenden bzw. formwechselnden Kapitalgesellschaft und nicht etwa auf Ebene der übernehmenden Personengesellschaft.2 Nach den beim Anteilseigner tatsächlich gegebenen Umständen ist darüber zu entscheiden, ob die Anteile zu einer Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat gehören und somit Art. 13 Abs. 2 OECD-MA greift, das Vermögen der übertragenden Kapitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar überwiegend aus im einem anderen Vertragsstaat belegenem unbeweglichen Vermögen besteht und damit Art. 13 Abs. 4 OECD-MA anzuwenden ist oder ob beides nicht der Fall ist und somit die Auffangnorm des Art. 13 Abs. 5 OECD-MA Anwendung findet. e) Beteiligungskorrekturgewinn Entstehung und abkommensrechtliche Qualifikation. Ein Beteiligungskorrekturgewinn kann aus der gem. § 4 Abs. 1 Satz 2, 3 UmwStG oder § 5 Abs. 3 Satz 1, 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 3 UmwStG angeordneten Wertaufholung entstehen, soweit der übernehmende Rechtsträger oder ein Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers auf die Anteile am übertragenden Rechtsträger eine steuerwirksame Teilwertabschreibung oder einen Abzug nach § 6b EStG vorgenommen hat und hierdurch der Buchwert der Anteile unter dem gemeinen Wert liegt. Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 14.3.19893 zum DBA Indien entschieden, dass der aus einer Teilwertabschreibung entstehende Aufwand unter die Verteilungsnorm für Unternehmensgewinne zu fassen ist – und nicht unter die für Veräußerungsgewinne. Gleiches muss u.E. für den spiegelbildlichen Fall der Wertaufholung gelten. Der Beteiligungskorrekturgewinn ist somit, soweit er innerhalb eines Betriebsvermögens anfällt, als bloßer Buchgewinn im handelsrechtlichen und steuerlichen Sinne nicht als Veräußerungsgewinn i.S.v. Art. 13 OECD-MA, sondern als Teil des (laufenden) Unternehmensgewinns gem. Art. 7 OECD-MA anzusehen, soweit dieser in einem Betriebsvermögen anfällt.4 Fällt der Beteiligungskorrekturgewinn nicht in einem Betriebsvermögen an, ist Art. 13 OECD-MA anzuwenden.

1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 05.09; Cordes/Dremel/Carstens in FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011, 203. 2 Vgl. Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (459). 3 BFH v. 14.3.1989 – I R 39/85, BStBl. II 1989, 599. 4 Vgl. Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 22; s. auch Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, Rz. S 261; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 32 zur Teilwertabschreibung.

Engel/Engelmann | 267

5.34

Kap. 5 Rz. 5.35 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

f) Übernahmefolgegewinn

5.35 Entstehung und abkommensrechtliche Qualifikation. Zwischen dem übertragenden und dem übernehmenden Rechtsträger bestehende Forderungen und Verbindlichkeiten erlöschen zum Zeitpunkt des Vermögensübergangs durch Konfusion. Diese Aktiv- und Passivposten sind mithin aufwands- bzw. ertragswirksam auszubuchen. Entsprechen sich Forderungen und Verbindlichkeiten der Höhe nach, ergeben sich letztlich keine steuerlichen Konsequenzen, da sich dann Aufwand und Ertrag aus der Auflösung der Posten ausgleichen. Im Falle von Ansatz- oder Bewertungsdifferenzen ergibt sich hingegen entweder ein positives oder ein negatives Ergebnis („Übernahmefolgegewinn oder -verlust“).12 Aus abkommensrechtlicher Sicht ist u.E. zu berücksichtigen, dass der Übernahmefolgegewinn einerseits nicht unmittelbar durch die Umwandlung selbst entsteht, sondern – wie schon die Bezeichnung „Übernahmefolgegewinn“ zum Ausdruck bringt – seine Entstehung nur eine Folgewirkung der Umwandlung darstellt. Zudem handelt es sich insoweit sowohl handelsrechtlich als auch steuerlich um einen reinen Buchgewinn und nicht um eine Besteuerung stiller Reserven im Rahmen eines (Ersatz-)Realisationstatbestands. Dies spricht letztlich dafür, dass der Übernahmefolgegewinn nicht als Veräußerungsgewinn i.S.v. Art. 13 OECD-MA zu qualifizieren ist, sondern vielmehr als Teil des (laufenden) Unternehmensgewinns unter Art. 7 OECD-MA fällt.3 g) Fiktive Ausschüttung gem. § 7 UmwStG

5.36 Abkommensrechtliche Qualifikation. Das deutsche Umwandlungssteuerrecht behandelt den Teil des Übernahmeergebnisses, der auf offene Rücklagen der übertragenden Kapitalgesellschaft entfällt, nicht als Veräußerungsgewinn, sondern bestimmt in § 7 UmwStG im Wege der Fiktion, dass im Zuge der Umwandlung von einer Vollausschüttung der Gewinnrücklagen auszugehen ist. Fraglich ist, ob das Abkommensrecht dieser Aufteilung folgt oder ob bei der Anwendung von DBA eine einheitliche Betrachtung zu erfolgen hat. Handelt es sich bei der übertragenden Kapitalgesellschaft um eine in Deutschland ansässige Gesellschaft, entfaltet die Ausschüttungsfiktion grundsätzlich auch Wirkung auf Ebene des Abkommens.4 Dies ergibt sich aus 1 Vgl. zu alledem sowie zu der Frage, zu welchem Zeitpunkt der Übernahmefolgegewinn bzw. -verlust entsteht: BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 06.01; Cordes/Dremel/Carstens in FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011, 207. 2 Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll sich ein Übernahmefolgegewinn oder -verlust auch dann ergeben, wenn nicht die übernehmende Personengesellschaft selbst, sondern deren Gesellschafter eine Forderung gegen bzw. eine Verbindlichkeit bei der übertragenden Kapitalgesellschaft hat, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 06.01; zu Recht kritisch hierzu Cordes/Dremel/Carstens in FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011, 207 f. 3 Vgl. Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (120). 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.23, 07.02; Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 173 (177); Viebrock/Hagemann, FR 2009, 737 (740); Förster/Felchner, DB 2008, 2445 (2447); Krohn/Greulich, DStR 2008, 646 (651); Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (122 f.).

268 | Engel/Engelmann

D. Abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte | Rz. 5.37 Kap. 5

der Dividendendefinition in Art. 10 Abs. 3 OECD-MA, wonach letztlich sämtliche Einkünfte, die nach dem innerstaatlichen Steuerrecht des Ansässigkeitsstaates der ausschüttenden Gesellschaft wie Gewinnausschüttungen besteuert werden, abkommensrechtlich als Dividende zu behandeln sind. Auf die nach § 7 UmwStG als ausgeschüttet geltenden Beträge ist somit regelmäßig Art. 10 Abs. 1, Abs. 2 OECD-MA anzuwenden. Die Dividenden können somit im Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters uneingeschränkt besteuert werden. Deutschland hat dagegen nach der in Art. 10 Abs. 2 OECD-MA vorgesehenen Regelung lediglich ein der Höhe nach beschränktes Besteuerungsrecht. Einzelne DBA mit deutscher Beteiligung – bspw. das DBA mit den USA – sehen sogar für bestimmte Fallkonstellationen einen vollständigen Ausschluss des Besteuerungsrechts des Quellenstaats vor. Dagegen ist aufgrund des Betriebsstättenvorbehalts in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA nicht der Dividendenartikel, sondern Art. 7 OECD-MA anzuwenden, wenn die Beteiligung an der umgewandelten Kapitalgesellschaft zum Zeitpunkt der Umwandlung tatsächlich zu einer inländischen Betriebsstätte des ausländischen Anteilseigners gehört hat. Deutschland hat in diesem Fall ein der Höhe nach unbeschränktes Besteuerungsrecht nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA. Ist die übertragende Kapitalgesellschaft nicht in Deutschland, sondern in einem anderen DBA-Staat ansässig, kommt es darauf an, ob dessen innerstaatliches Steuerrecht den Übertragungsgewinn ebenfalls ganz oder teilweise als Gewinnausschüttung qualifiziert oder ob vollumfänglich von Veräußerungsgewinnen auszugehen ist. Im Falle einer Qualifikation als Veräußerungsgewinn kommt diesbezüglich Art. 13 OECD-MA zur Anwendung. Für die Abgrenzung der Besteuerungsrechte an den Einkünften i.S.d. § 7 UmwStG gelten dann die für den Übernahmegewinn herausgearbeiteten Grundsätze (Rz. 5.32 f.). Soweit der Sitzstaat eine Gewinnausschüttung annimmt, ist – wie im Fall einer inländischen Kapitalgesellschaft – grundsätzlich Art. 10 Abs. 1 und 2 OECD-MA anzuwenden. In diesem Fall käme Deutschland ein unbeschränktes Besteuerungsrecht nach Art. 10 Abs. 1 OECD-MA zu, während sich für den Ansässigkeitsstaat der übertragenden bzw. formwechselnden Kapitalgesellschaft aus Art. 10 Abs. 2 OECD-MA lediglich ein der Höhe nach beschränktes Besteuerungsrecht ergäbe. Bei einer Zuordnung der Beteiligung an der übertragenden Kapitalgesellschaft zu einer Betriebsstätte des inländischen Anteilseigners im anderen Vertragsstaat kommt hingegen gem. Art. 10 Abs. 4 OECD-MA der Verteilungsmechanismus des Art. 7 OECD-MA zum Tragen; der andere Vertragsstaat hat dann ein der Höhe nach unbeschränktes Besteuerungsrecht nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA. Einlage- und Überführungsfiktion. Im Schrifttum wird kontrovers darüber diskutiert, ob die Einlagefiktion des § 5 Abs. 2 UmwStG sowie die Überführungsfiktion des § 5 Abs. 3 UmwStG jeweils auch für die Besteuerung der offenen Rücklagen nach § 7 UmwStG anzuwenden sind.1 Auf diese, an anderer Stelle ausführlich behandelte Frage (s. Kapitel 8 Rz. 8.76 ff.), braucht hier nicht weiter eingegangen zu werden, da diese Fiktionen nicht auf das Abkommensrecht durchschlagen. Bei der DBA-Anwen1 Vgl. bspw. Bogenschütz, Ubg 2011, 393 (406 f.); Benecke/Beinert, FR 2010, 1120 (1120 f.); Förster/Felchner, DB 2008, 2445 ff.; Krohn/Greulich, DStR 2008, 646 (650); s. darüber hinaus auch Pung/Werner, D/P/M, § 7 UmwStG Rz. 22 m.w.N. für einen aktuellen Diskussionsstand in der Literatur.

Engel/Engelmann | 269

5.37

Kap. 5 Rz. 5.37 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

dung ist folglich sowohl in Bezug auf die Bestimmung der ansässigen Person, die die Einkünfte erzielt, als auch hinsichtlich der Zugehörigkeit der Anteile zu einem Betriebsvermögen bzw. zu einer bestimmten Betriebsstätte allein auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen (Rz. 5.33). 2. Umwandlungen außerhalb des UmwStG

5.38 Nicht vergleichbare ausländische Umwandlungen. Findet das UmwStG auf eine ausländische Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft keine Anwendung, da diese nicht vergleichbar i.S.d. § 1 Abs. 1 UmwStG ist,1 ergeben sich im Hinblick auf die abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte keine nennenswerten Unterschiede.2 Soweit auf Ebene der beteiligten Rechtsträger und/oder deren Gesellschafter eine Realisation stiller Reserven erfolgt,3 sind diese nach der hier vertretenen Auffassung unabhängig davon, ob die Umwandlung als Veräußerung oder als liquidationsähnlicher Vorgang anzusehen ist,4 grundsätzlich als Veräußerungsgewinne i.S.v. Art. 13 OECD-MA zu qualifizieren (Rz. 5.18). Eine Ausnahme bilden – ebenso wie bei Umwandlungen im Anwendungsbereich des UmwStG (Rz. 5.36) – Einkünfte auf Anteilseignerebene, die im Sitzstaat der Kapitalgesellschaft wie Gewinnausschüttungen behandelt werden. Solche Einnahmen qualifizieren gem. Art. 10 Abs. 3 OECD-MA abkommensrechtlich als Dividenden. Ferner fallen in einem Betriebsvermögen anfallende Beteiligungskorrekturgewinne und Übernahmefolgegewinne- und -verluste auch dann unter Art. 7 OECD-MA (Rz. 5.34 f.), wenn das UmwStG auf die Umstrukturierung keine Anwendung findet. II. Umwandlung von Personengesellschaften in Kapitalgesellschaften 1. Umwandlungen im Anwendungsbereich des UmwStG a) Anwendungsbereich des UmwStG

5.39 Anwendungsbereich. Die Umwandlung von Personengesellschaften in bzw. auf Kapitalgesellschaften ist in den §§ 20, 22–23, 25 UmwStG geregelt. Der sachliche Anwendungsbereich dieser Regelungen umfasst Übertragungen:5 – im Wege der Gesamtrechtsnachfolge: – durch Verschmelzung von Personenhandelsgesellschaften auf eine Kapitalgesellschaft; 1 Hinsichtlich der im Rahmen der Vergleichbarkeitsprüfung zu vergleichenden Strukturmerkmale der ausländischen Umwandlung s. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/ 10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.24 ff. 2 Gleiches gilt für Umwandlungen bis einschließlich 31.12.2021, wenn der persönliche Anwendungsbereich nach § 1 Abs. 2 UmwStG nicht eröffnet ist. 3 Ob eine Umstrukturierung eine Gewinnrealisierung auslöst, ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht der Vertragsstaaten. 4 Vgl. hierzu BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 00.02 f.; Benecke/Schnittker in W/R/S2, Rz. 13.8 ff.; Schnitger/Rometzki, FR 2006, 845 ff. m.w.N. 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.44.

270 | Engel/Engelmann

D. Abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte | Rz. 5.40 Kap. 5

– durch Auf- oder Abspaltung von Vermögensteilen einer Personenhandelsgesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft; – durch Ausgliederung von Vermögensteilen eines Einzelkaufmanns, einer Personenhandelsgesellschaft, einer Kapitalgesellschaft oder bestimmter sonstiger Rechtsträger auf eine Kapitalgesellschaft. – im Wege des Formwechsels einer Personenhandelsgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft; – im Wege der Einzelrechtsnachfolge durch Sacheinlage oder durch Sachkapitalerhöhung aus Gesellschaftermitteln sowie vergleichbare ausländische Vorgänge. Der sachliche Anwendungsbereich wird auch durch die Option nach § 1a KStG eröffnet, der gem. § 1a Abs. 2 KStG als Formwechsel der optierenden Personenhandelsgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft gilt. Eine Anwendung dieser Regelungen kommt nur in Betracht, wenn auch deren persönlicher Anwendungsbereich eröffnet ist (§ 1 Abs. 4 UmwStG). Dies setzt eine steuerliche Ansässigkeit der beteiligten Rechtsträger bzw. deren unmittelbarer/mittelbarer Mitunternehmer innerhalb des Hoheitsgebiets eines EU/EWR-Mitgliedstaats voraus (s. Kapitel 9 Rz. 9.57 ff.). b) Einkünfte auf Gesellschafts- und Anteilseignerebene Einkünfte. Wird eine Personengesellschaft in oder auf eine Kapitalgesellschaft umgewandelt, können (zu unterschiedlichen Zeitpunkten) folgende Einkünfte zur Entstehung gelangen: – Zum Zeitpunkt der Umwandlung bzw. Einbringung kann sich auf Ebene (der Gesellschafter) der übertragenden Personengesellschaft ein Einbringungsgewinn ergeben. – Bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft kann sich ein Einbringungsfolgegewinn ergeben. – Bei einem Ansatz des übertragenen Vermögens unter dem gemeinen Wert kann es auf Ebene (der Gesellschafter) der übertragenden Personengesellschaft bei einer späteren Veräußerung der erhaltenen Anteile zu einer rückwirkenden Besteuerung der in den übertragenen Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven kommen (Einbringungsgewinn I). – Werden im Zuge der Umwandlung unter dem gemeinen Wert liegende Werte angesetzt und sind im übertragenen Vermögen auch Anteile an Kapitalgesellschaften enthalten, kann dies bei einer späteren Veräußerung dieser Anteile durch die übernehmende Kapitalgesellschaft auf Ebene (der Gesellschafter) der übertragenden Personengesellschaft eine rückwirkende Besteuerung der in den eingebrachten bzw. übertragenen Anteilen enthaltenen stillen Reserven zur Folge haben (Einbringungsgewinn II). Engel/Engelmann | 271

5.40

Kap. 5 Rz. 5.41 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

c) Einbringungsgewinn

5.41 Entstehung und abkommensrechtliche Qualifikation. Entsteht durch den Ansatz von über dem Buchwert liegenden Werten in der steuerlichen Schlussbilanz ein Einbringungsgewinn, ist dieser abzgl. der Kosten für den Vermögensübergang als Veräußerungsgewinn i.S.v. Art. 13 OECD-MA zu qualifizieren,1 da sämtliche Realisationsvorgänge des innerstaatlichen Steuerrechts zu Veräußerungsgewinnen im abkommensrechtlichen Sinne führen (Rz. 5.18). Der Einbringungsgewinn fällt somit regelmäßig unter Art. 13 Abs. 5 OECD-MA, kann also allein im Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter der übertragenden Personengesellschaft besteuert werden. Soweit das übertragene Vermögen zum Umwandlungszeitpunkt bewegliches Betriebsvermögen einer Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat war, ist hingegen Art. 13 Abs. 2 OECDMA anzuwenden mit der Folge, dass dem Betriebsstättenstaat insoweit ein Besteuerungsrecht zusteht. Der Ansässigkeitsstaat muss dann diesen Teil des Einbringungsgewinns entweder freistellen oder die hierauf im Quellenstaat gezahlte Steuer auf seine Steuer anrechnen. Schließlich kommt Art. 13 Abs. 1 OECD-MA zur Anwendung, soweit von der Umwandlung unbewegliches, im anderen Vertragsstaat belegenes Vermögen betroffen ist. Der Quellenstaat bzw. der Belegenheitsstaat des unbeweglichen Vermögens hat dann insoweit ein Besteuerungsrecht, während der Ansässigkeitsstaat für diesen Teil des Einbringungsgewinns eine Freistellung oder eine Steueranrechnung zu gewähren hat. Art. 13 Abs. 4 OECD-MA ist zu beachten, wenn zum eingebrachten Vermögen Anteile an Kapitalgesellschaften gehören und diese unmittelbar oder mittelbar über unbewegliches Vermögen im anderen Vertragsstaat verfügen. 5.42 Sonderbetriebsvermögen. Bei einer Umwandlung einer Personengesellschaft in bzw. auf eine Kapitalgesellschaft muss auch etwaiges Sonderbetriebsvermögen auf die Kapitalgesellschaft übertragen werden.2 Soweit dabei eine Aufdeckung stiller Reserven erfolgt und dadurch ein Einbringungsgewinn entsteht, stellt sich die Frage, wie dieser abkommensrechtlich zu qualifizieren ist. Der BFH hat diesbezüglich in seinem Urteil vom 13.2.20083 zu Art. 13 Abs. 2 DBA Schweiz 19714 entschieden, dass ein zum Sonderbetriebsvermögen eines in der Schweiz ansässigen Mitunternehmers gehörendes Wirtschaftsgut jedenfalls dann einer Betriebsstätte in Deutschland zuzuordnen ist, wenn die Personengesellschaft nur in Deutschland über Betriebsstätten verfügt und auch der Gesellschafter außerhalb Deutschlands keine Betriebsstätten besitzt. Der BFH wendet somit die Regelungen des Sonderbetriebsvermögens auch innerhalb des Art. 13 DBA Schweiz an. Als offen muss hingegen die Frage bezeichnet werden, ob das Sonderbetriebsvermögen stets einer dem Gesellschafter durch die Beteiligung an der Personengesellschaft vermittelten Betriebsstätte zuzuordnen ist oder ob alternativ eine Zuordnung zu einer Betriebsstätte des Gesellschafters infrage kommt.5 Insbesondere die Möglichkeit der Zuordnung solcher Wirtschaftsgüter zu einer sog. Mitunter1 Vgl. Benecke/Schnittker in W/R/S2, Rz. 13.57. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.04 i.V.m. 20.14. 3 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414. 4 Entspricht in seinem Wortlaut Art. 13 Abs. 2 OECD-MA. 5 Siehe hierzu Rosenberg in W/R/S2, Rz. 11.13 m.w.N.

272 | Engel/Engelmann

D. Abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte | Rz. 5.43 Kap. 5

nehmerbetriebsstätte bleibt offen. Als Mitunternehmerbetriebsstätte wird dabei im Allgemeinen eine eigene Betriebsstätte des Gesellschafters verstanden, die dieser für den Bereich des Sonderbetriebsvermögens unterhält. An dieser Stelle soll nur darauf hingewiesen werden, dass eine solche Betriebsstätte ebenfalls die sich aus der Definition in Art. 5 OECD-MA ergebenden Tatbestandsmerkmale erfüllen müsste.1 Zuordnung von Sonderbetriebsvermögen nach § 50d Abs. 10 EStG. Die Frage der abkommensrechtlichen Zuordnung des Sonderbetriebsvermögens zu einer Betriebsstätte des Gesellschafters im Wege der autonomen Auslegung kann für Personengesellschaften, die Unternehmensgewinne i.S.v. Art. 7 OECD-MA erzielen, allerdings dahinstehen, da § 50d Abs. 10 EStG diese unilateral überschreibt. Gemäß § 50d Abs. 10 Satz 1–4 EStG sind durch das Sonderbetriebsvermögen veranlasste Erträge und Aufwendungen ungeachtet eines bestehenden DBA derjenigen Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzuordnen, der der Aufwand der von dieser gezahlten Sondervergütung zuzuordnen ist, und als Teil der (laufenden) Unternehmensgewinne i.S.v. Art. 7 OECD-MA zu qualifizieren. Dies wird regelmäßig die Betriebsstätte der Personengesellschaft sein, die den Gesellschaftern anteilig vermittelt wird. Nicht eindeutig ist, ob die Fiktion auch auf die Zuordnung des zugrunde liegenden Sonderbetriebsvermögens durchschlägt,2 ein aus dessen Veräußerung resultierender Gewinn sollte aber unabhängig davon zu den durch das Sonderbetriebsvermögen veranlassten Erträgen gehören mit der Folge, dass ein aus dessen Veräußerung entstehender Gewinn als Teil der (laufenden) Unternehmensgewinne i.S.v. Art. 7 OECD-MA und nicht Art. 13 OECD-MA zu qualifizieren ist.3 Auch die Finanzverwaltung subsumiert Gewinne aus der Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen unter den Anwendungsbereich von § 50d Abs. 10 EStG.4 Teile der Literatur folgern u.a. aus der Anknüpfung an das Vorhandsein einer Sondervergütung in § 50d Abs. 10 Satz 2 EStG und der Zielsetzung des Gesetzgebers bei der Einführung der Vorschrift, dass Sonderbetriebsvermögen II nicht von der Regelung umfasst wird.5 Die Finanzverwaltung wird aber wohl dazu neigen, auch Sonderbetriebsvermögen II im Anwendungsbereich der Norm zu sehen.6 Bei einer (insbesondere im Outbound-Fall) entstehenden Nicht1 Vgl. BFH v. 12.6.2013 – I R 47/12, BStBl. II 2014, 770; BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791; s. hierzu auch Hagemann/Kahlenberg, IStR 2014, 233 (235). 2 Offenlassend BFH v. 21.1.2016 – I R 49/14, BStBl. II 2017, 107; Klein/Hagena in H/H/R, § 50d EStG Anm. 133b; s. hierzu auch Kahlenberg/Hagemann, BB 2014, 215 (218). 3 Vgl. Kudert/Kahlenberg, IStR 2013, 801 (803); Mitschke, FR 2013, 694 (695). 4 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV V 5 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, 1258 Rz. 5.1.1. i.V.m. 2.2.1. 5 Vgl. Hagemann/Kahlenberg, IStR 2015, 54 (57 f.) m.w.N.; Klein/Hagena in H/H/R, § 50d EStG Anm. 133 m.w.N.; Gosch in Kirchhof/Seer21, § 50d EStG Rz. 45; s. auch Rosenberg in W/R/S2, Rz. 11.53 ff., der insofern differenziert, dass Erträge aus Sonderbetriebsvermögen II (nur) dann von § 50d Abs. 10 EStG erfasst werden, wenn auch Erträge aus Sonderbetriebsvermögen I vorliegen. 6 So hat der Entwurf des BMF-Schreibens betr. Anwendung der DBA auf Personengesellschaften (Entwurf eines BMF-Schreibens v. 5.11.2013 – IV B 2-S 1300/09/10003, Rz. 5.1.1.) noch einen Passus enthalten, der Sonderbetriebsvermögen II vom Anwendungsbereich des § 50d Abs. 10 EStG ausnimmt; dieser ist im finalen BMF-Schreiben aber nicht mehr enthalten (BMF v. 26.9.2014 – IV V 5 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, 1258 Rz. 5.1.1.), vgl. Hagemann/Kahlenberg, IStR 2015, 54 (57).

Engel/Engelmann | 273

5.43

Kap. 5 Rz. 5.43 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

oder Minderbesteuerung ist nach § 50d Abs. 10 Satz 8 EStG die unilaterale SwitchOver-Klausel des § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG (Rz. 5.77) zu beachten. § 50d Abs. 10 EStG ist nicht anzuwenden, wenn das DBA eine besondere Regelung für solche Einkünfte enthält (§ 50d Abs. 10 Satz 6 EStG). d) Einbringungsfolgegewinn

5.44 Entstehung und abkommensrechtliche Qualifikation. Zwischen dem übertragenden und dem übernehmenden Rechtsträger bestehende Forderungen und Verbindlichkeiten erlöschen zum Zeitpunkt des Vermögensübergangs durch Konfusion. Sind diesbezüglich Ansatz- oder Bewertungsdifferenzen zu verzeichnen, ergibt sich dadurch auf Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft entweder ein positives oder ein negatives Ergebnis („Einbringungsfolgegewinn oder -verlust“). Im Hinblick auf die Frage nach der abkommensrechtlichen Qualifikation des Einbringungsfolgegewinns kann auf die Ausführungen zum Übernahmefolgegewinn bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften verwiesen werden (Rz. 5.35). e) Einbringungsgewinn I

5.45 Entstehung und abkommensrechtliche Qualifikation. Wurde im Rahmen der Umwandlung bzw. Einbringung ein Ansatz unter dem gemeinen Wert gewählt, schreibt § 22 Abs. 1 UmwStG eine rückwirkende Besteuerung der stillen Reserven zum Zeitpunkt der Einbringung im Rahmen eines sog. Einbringungsgewinns I vor, wenn die im Rahmen der Umwandlung bzw. Einbringung gewährten Anteile innerhalb von sieben Jahren veräußert werden oder bestimmte Ersatztatbestände vorliegen. Der Einbringungsgewinn I ist dadurch gekennzeichnet, dass er zwar anlässlich der Veräußerung der erhaltenen Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft zur Entstehung gelangt, durch ihn aber letztlich eine auf den Umwandlungs- bzw. Einbringungszeitpunkt rückwirkende Besteuerung der in dem eingebrachten Vermögen enthaltenen stillen Reserven erfolgt. Daher gelten für den Einbringungsgewinn I abkommensrechtlich dieselben Grundsätze wie für einen tatsächlich zum Zeitpunkt der Umwandlung bzw. Einbringung entstehenden („normalen“) Einbringungsgewinn.1 Der Einbringungsgewinn I ist damit als Veräußerungsgewinn in Bezug auf das eingebrachte Vermögen zu qualifizieren. Damit findet auf den Einbringungsgewinn I regelmäßig Art. 13 Abs. 5 OECD-MA Anwendung. Soweit das eingebrachte Vermögen zum Umwandlungszeitpunkt bewegliches Betriebsvermögen einer Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat war, ist hingegen Art. 13 Abs. 2 OECD-MA anzuwenden. War von der Umwandlung unbewegliches, im anderen Vertragsstaat belegenes Vermögen betroffen, gelangt insoweit Art. 13 Abs. 1 OECD-MA zur Anwendung. Gehörten zum eingebrachten Vermögen Anteile an Kapitalgesellschaften und verfügten diese unmittelbar oder mittelbar über unbewegliches Vermögen im anderen Vertragsstaat, ist Art. 13 Abs. 4 OECD-MA zu prüfen. Durch die rückwirkende Besteuerung des 1 Vgl. Benecke/Schnittker in W/R/S2, Rz. 13.66.

274 | Engel/Engelmann

D. Abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte | Rz. 5.47 Kap. 5

Einbringungsgewinns I nimmt die BRD ein Besteuerungsrecht wahr, welches ihr bereits zum Zeitpunkt der Umwandlung bzw. Einbringung zugestanden hätte.1 Aus diesem Grund kann in § 22 Abs. 1 UmwStG keine abkommenswidrige Fiktion erblickt werden.2 Ermittlung. Bei der Ermittlung des Einbringungsgewinns I sind miteingebrachte Anteile an Kapitalgesellschaften und Genossenschaften grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (§ 22 Abs. 1 Satz 5 Halbs. 1 UmwStG), da die Besteuerung der hierin enthaltenen stillen Reserven im Regelfall allein im Rahmen des sog. Einbringungsgewinns II erfolgt (Rz. 5.47). Ist jedoch das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile ausgeschlossen oder beschränkt, sind die in den eingebrachten Kapitalgesellschaftsanteilen enthaltenen stillen Reserven im Einbringungsgewinn I zu erfassen. Dies kann bspw. der Fall sein, wenn ein Steuerausländer einen inländischen Betrieb oder Teilbetrieb, zu dem Anteile an einer Kapitalgesellschaft gehören, in eine (inländische) Kapitalgesellschaft einbringt.3 Umfasst der Einbringungsgewinn hiernach auch stille Reserven miteingebrachter Anteile an Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften, ist aus abkommensrechtlicher Perspektive darüber zu befinden, ob der auf die Anteile entfallende Teil des Einbringungsgewinns I unter Art. 13 Abs. 5 OECD-MA oder unter Art. 13 Abs. 2 OECD-MA fällt. Entscheidend für die Einordnung ist, ob die Anteile Betriebsvermögen einer Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat sind oder nicht. In dem oben angesprochenen Beispiel eines Steuerausländers, der einen inländischen (Teil-)Betrieb in eine (inländische) Kapitalgesellschaft einbringt, wäre also zu klären, ob die Anteile diesem (Teil-)Betrieb zugeordnet werden können mit der Folge, dass insoweit Art. 13 Abs. 2 OECD-MA einschlägig ist, oder ob eine solche Zuordnung ausscheidet. In letzterem Fall wäre auf diesen Teil des Gewinns Art. 13 Abs. 5 OECD-MA anzuwenden. Auch ist Art. 13 Abs. 4 OECD-MA zu beachten, wenn die Kapitalgesellschaften, deren Anteile miteingebracht wurden, unmittelbar oder mittelbar über unbewegliches Vermögen im anderen Vertragsstaat verfügen. U.E. ist hierbei auf die Wertverhältnisse zum Zeitpunkt der Einbringung und in den vorangehenden 365 Tagen und nicht auf die Wertverhältnisse zum Zeitpunkt des den Einbringungsgewinn I auslösenden Ereignisses und den diesem vorangehenden 365 Tagen abzustellen, da es sich um einen Veräußerungsgewinn in Bezug auf das eingebrachte Vermögen handelt (Rz. 5.45).

5.46

f) Einbringungsgewinn II Entstehung und abkommensrechtliche Qualifikation. Wurde im Rahmen der Umwandlung bzw. Einbringung ein Ansatz unter dem gemeinen Wert gewählt und sind im übertragenen Vermögen auch Anteile an Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften enthalten, schreibt § 22 Abs. 1 UmwStG die Besteuerung eines sog. Einbrin1 In diesem Sinne auch Wassermeyer und Wacker, JbFStR 2007/2008, 357 (Diskussion). 2 So aber Behrendt/Heeg, RIW 2008, 56 (64), für den Fall, dass durch die Besteuerung des Einbringungsgewinns I eine Doppelbesteuerung entstehen würde. 3 Vgl. etwa das Beispiel in BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.11.

Engel/Engelmann | 275

5.47

Kap. 5 Rz. 5.47 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

gungsgewinns II vor, wenn diese Anteile innerhalb von sieben Jahren durch die übernehmende Kapitalgesellschaft veräußert werden oder bestimmte Ersatztatbestände vorliegen. Durch den Einbringungsgewinn II erfolgt eine auf den Einbringungszeitraum rückwirkende Besteuerung der zum Einbringungszeitpunkt in den (mit-)eingebrachten Anteilen enthaltenen stillen Reserven beim Einbringenden. Auf den Einbringungsgewinn II sind daher – ebenso wie auf den Einbringungsgewinn I (Rz. 5.45) – abkommensrechtlich dieselben Grundsätze wie für einen tatsächlich zum Zeitpunkt der Umwandlung bzw. Einbringung entstehenden („normalen“) Einbringungsgewinn anzuwenden.1 Der Einbringungsgewinn II ist damit als Veräußerungsgewinn in Bezug auf die (mit-)eingebrachten Anteile zu qualifizieren. Damit findet auf den Einbringungsgewinn II regelmäßig Art. 13 Abs. 5 OECD-MA Anwendung. Waren die Anteile zum Umwandlungszeitpunkt Betriebsvermögen einer Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat, ist hingegen Art. 13 Abs. 2 OECD-MA anzuwenden. Art. 13 Abs. 4 OECD-MA kann einschlägig sein, soweit die Kapitalgesellschaften, deren Anteile miteingebracht wurden, unmittelbar oder mittelbar im Besitz von im anderen Vertragsstaat belegenem unbeweglichen Vermögen sind; hierbei ist auf die Wertverhältnisse zum Zeitpunkt der Einbringung und den diesem vorangehenden 365 Tagen abzustellen (Rz. 5.46). Soweit nach den genannten Vorschriften eine Besteuerung des Einbringungsgewinns II durch Deutschland zulässig ist, nimmt die BRD ein Besteuerungsrecht war, welches ihr bereits zum Zeitpunkt der Umwandlung bzw. Einbringung zugestanden hätte. Mithin kann in § 22 Abs. 2 UmwStG keine abkommenswidrige Fiktion gesehen werden. 2. Umwandlungen außerhalb des UmwStG

5.48 Abkommensrechtliche Einordnung. Findet das UmwStG auf eine ausländische Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft keine Anwendung, da diese nicht vergleichbar i.S.d. § 1 Abs. 3 UmwStG ist2 oder weil die beteiligten Rechtsträger bzw. in Bezug auf Personengesellschaften deren Gesellschafter nicht die in § 1 Abs. 4 UmwStG genannten Voraussetzungen erfüllen, ergeben sich im Hinblick auf die abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte keine nennenswerten Unterschiede. Soweit auf Ebene der beteiligten Rechtsträger und/oder deren Gesellschafter stille Reserven realisiert werden,3 sind diese nach der hier vertretenen Auffassung unabhängig davon, ob die Umwandlung als Veräußerung oder als Betriebsaufgabe anzusehen ist,4 grundsätzlich als Veräußerungsgewinne i.S.v. Art. 13 OECDMA zu qualifizieren (Rz. 5.18). Einbringungsfolgegewinne- und -verluste fallen dem-

1 Vgl. Benecke/Schnittker in W/R/S2, Rz. 15.66. 2 Hinsichtlich der im Rahmen der Vergleichbarkeitsprüfung zu vergleichenden Strukturmerkmale der ausländischen Umwandlung s. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/ 10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.24 ff. 3 Ob eine Umstrukturierung eine Gewinnrealisierung auslöst, ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht der Vertragsstaaten. 4 Vgl. hierzu BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 00.02 f.; Benecke/Schnittker in W/R/S2, Rz. 13.8 ff.; Schnitger/Rometzki, FR 2006, 845 ff. m.w.N.

276 | Engel/Engelmann

D. Abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte | Rz. 5.51 Kap. 5

gegenüber auch dann unter Art. 7 OECD-MA (Rz. 5.35), wenn das UmwStG auf die Umstrukturierung keine Anwendung findet. Diese Grundsätze gelten auch für nicht in § 1 Abs. 1 UmwStG genannte Umwandlungsvorgänge, wie z.B. die Anwachsung des Vermögens einer Personengesellschaft (§ 738 BGB) oder die Realteilung einer Personengesellschaft (§ 16 Abs. 3 Satz 2 ff. EStG), d.h. soweit ein Veräußerungsgewinn entsteht – sei es bspw. aufgrund der (Teil-)Entgeltlichkeit des Vorgangs oder einer Entstrickungsbesteuerung – ist dieser unter Art. 13 OECD-MA zu subsumieren. III. Umwandlung von Kapitalgesellschaften 1. Umwandlungen im Anwendungsbereich des UmwStG a) Anwendungsbereich des UmwStG Anwendungsbereich. Die Verschmelzung sowie die Vermögensübertragung von Kapitalgesellschaften auf eine andere Kapitalgesellschaft sind in den §§ 11–13 UmwStG geregelt. Über § 15 UmwStG gelten diese Normen weitestgehend auch für Übertragungen zwischen Kapitalgesellschaften im Wege der Aufspaltung, der Abspaltung oder durch Teilübertragung. Voraussetzung für die Anwendung dieser Regelungen ist, dass deren persönlicher Anwendungsbereich eröffnet ist (§ 1 Abs. 2 UmwStG). Dies erforderte bis 31.12.2021 eine steuerliche Ansässigkeit der beteiligten Rechtsträger innerhalb des Hoheitsgebiets eines EU/EWR-Mitgliedstaats. Für Umwandlungen nach dem 31.12.2021 wurde § 1 Abs. 2 UmwStG aufgehoben, woraus sich ein globalisierter persönlicher Anwendungsbereich eröffnet, der bspw. grenzüberschreitende Drittstaatenverschmelzungen erfasst (s. Kapitel 10 Rz. 10.27).

5.49

b) Einkünfte auf Gesellschafts- und Anteilseignerebene Einkünfte. Wird eine Kapitalgesellschaft auf eine andere Kapitalgesellschaft umgewandelt, können folgende Einkünfte zur Entstehung gelangen:

5.50

– Bei der übertragenden Kapitalgesellschaft kann sich ein Übertragungsgewinn ergeben. – Es kann auf Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft ein Übernahmegewinn entstehen. – Bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft kann sich ein Beteiligungskorrekturgewinn und Übernahmefolgegewinn ergeben. – Auf Ebene der Anteilseigner der übertragenden Kapitalgesellschaft kann in Bezug auf die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft ein Veräußerungsgewinn zur Entstehung gelangen. c) Übertragungsgewinn Entstehung und abkommensrechtliche Qualifikation. Ein Übertragungsgewinn entsteht immer dann, wenn das übertragene Vermögen in der steuerlichen SchlussEngel/Engelmann | 277

5.51

Kap. 5 Rz. 5.51 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

bilanz der übertragenden Kapitalgesellschaft mit über dem Buchwert liegenden Werten angesetzt wird. Insbesondere ergibt sich zwangsweise ein Übertragungsgewinn, soweit von dem Wahlrecht des § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG entstrickungsbedingt kein Gebrauch gemacht werden kann. Ein solcher Übertragungsgewinn ist abkommensrechtlich als Veräußerungsgewinn i.S.v. Art. 13 OECD-MA zu qualifizieren, da sämtliche Realisationsvorgänge des innerstaatlichen Steuerrechts zu Veräußerungsgewinnen im abkommensrechtlichen Sinne führen (Rz. 5.18). Der Übertragungsgewinn fällt somit regelmäßig unter Art. 13 Abs. 5 OECD-MA, kann also allein im Ansässigkeitsstaat der übertragenden Kapitalgesellschaft besteuert werden. Soweit das übertragene Vermögen zum Umwandlungszeitpunkt bewegliches Betriebsvermögen einer Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat war, ist hingegen Art. 13 Abs. 2 OECD-MA anzuwenden mit der Folge, dass dem Betriebsstättenstaat insoweit ein Besteuerungsrecht zusteht. Der Ansässigkeitsstaat hat dann diesen Teil des Übertragungsgewinns entweder freizustellen oder die hierauf im Quellenstaat gezahlte Steuer auf seine Steuer anzurechnen. Schließlich kommt Art. 13 Abs. 1 OECD-MA zur Anwendung, soweit von der Umwandlung unbewegliches, im anderen Vertragsstaat belegenes Vermögen betroffen ist. Der Quellenstaat bzw. der Belegenheitsstaat des unbeweglichen Vermögens hat dann insoweit ein Besteuerungsrecht, während der Ansässigkeitsstaat für diesen Teil des Übertragungsgewinns eine Freistellung oder eine Steueranrechnung gewähren muss. Art. 13 Abs. 4 OECD-MA ist zu prüfen, soweit zum übertragenen Vermögen Anteile an Kapitalgesellschaften gehören, die unmittelbar oder mittelbar über unbewegliches Vermögen im anderen Vertragsstaat verfügen. d) Übernahmegewinn

5.52 Entstehung und abkommensrechtliche Qualifikation. Unter einem Übernahmegewinn ist die positive Differenz zwischen dem Buchwert der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft und dem Wert, mit dem die übergehenden Wirtschaftsgüter bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft angesetzt werden, abzgl. der Kosten für den Vermögensübergang, zu verstehen (§ 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Der Übernahmegewinn repräsentiert somit die in den durch die Verschmelzung untergehenden Anteilen am übertragenden Rechtsträger enthaltenen stillen Reserven. Das Besteuerungsrecht an einem Übernahmegewinn richtet sich daher nach Art. 13 OECDMA. Regelmäßig ist mithin Art. 13 Abs. 5 OECD-MA einschlägig, so dass der Übernahmegewinn grundsätzlich1 allein im Ansässigkeitsstaat der übernehmenden Kapitalgesellschaft besteuert werden kann. Soweit die Anteile zum Umwandlungszeitpunkt bewegliches Betriebsvermögen einer Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat waren, ist hingegen Art. 13 Abs. 2 OECD-MA anzuwenden mit der Folge, dass dem Betriebsstättenstaat insoweit ein Besteuerungsrecht zusteht. Der Ansässigkeitsstaat hat dann diesen Teil des Übernahmegewinns entweder freizustellen oder die hierauf im Quellenstaat gezahlte Steuer auf seine eigene Steuer anzurechnen. Gehört zum 1 Einige Abkommen (z.B. diejenigen mit Tschechien, Bulgarien, Zypern) weisen dagegen abweichend vom OECD-MA für Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen dem Sitzstaat der Gesellschaft ein Besteuerungsrecht zu, vgl. für eine Abkommensübersicht Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 225.

278 | Engel/Engelmann

D. Abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte | Rz. 5.53 Kap. 5

Vermögen der übertragenden Kapitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar im anderen Vertragsstaat belegenem unbeweglichen Vermögen, ist zudem Art. 13 Abs. 4 OECD-MA zu prüfen. Steuerliche Behandlung. Das deutsche UmwStG sieht in § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG vor, dass ein Übernahmegewinn sowie ein Übernahmeverlust außer Ansatz bleiben. Soweit der Übernahmegewinn jedoch auf den Anteil der übernehmenden Kapitalgesellschaft am übertragenden Rechtsträger entfällt, ist die Vorschrift des § 8b KStG anzuwenden. Dieser Teil des Übernahmegewinns ist damit zwar gem. § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG ebenfalls steuerfrei. Die Anwendung des § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG hat aber zur Folge, dass 5 % des Übernahmegewinns als nichtabziehbare Betriebsausgaben gilt und somit dem Gewinn außerbilanziell wieder hinzuzurechnen ist (§ 8b Abs. 3 Satz 1 KStG).1 Wirtschaftlich betrachtet ist somit der auf die Beteiligung des übernehmenden Rechtsträgers an der übertragenden Kapitalgesellschaft entfallende Teil des Übernahmegewinns nur zu 95 % steuerfrei.2 Fraglich ist daher, ob in den Fällen, in denen Deutschland abkommensrechtlich kein Besteuerungsrecht für den Übernahmegewinn zukommt bzw. diesen nach den Bestimmungen des Methodenartikels freizustellen hat, eine vollständige Steuerbefreiung erfolgen muss und somit eine außerbilanzielle Hinzurechnung der nichtabzugsfähigen Betriebsausgaben entfällt. Letztlich geht es hier um die Frage, in welchem Verhältnis die abkommensrechtlichen Steuerbefreiungstatbestände zu den Steuerbefreiungen des originär innerstaatlichen Steuerrechts stehen. Hier ist u.E. zu berücksichtigen, dass der Übernahmegewinn gem. § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG technisch gesehen zu 100 % steuerfrei ist,3 weshalb es an einer inländischen Besteuerung und damit an der Voraussetzung für die Anwendung einer abkommensrechtlichen Steuerbefreiungsnorm fehlt. Daraus ergibt sich, dass ein DBA einer Hinzurechnung nichtabzugsfähiger Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG nicht entgegensteht. Der BFH4 geht davon aus, dass eine abkommensrechtliche Steuerbefreiung ausscheidet, wenn sich diese bereits nach dem innerstaatlichen Steuerrecht ergibt und dass sich die Frage, ob eine Hinzurechnung nichtabzugsfähiger Betriebsausgaben erfolgen kann, daher erübrigt. Sofern eine ausländische übernehmende Rechtsträgerin in Deutschland keine inländische Betriebsstätte unterhält, scheidet nach der Rechtsprechung des BFH5 aber eine Hinzurechnung nichtabzugsfähiger Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG im Rahmen derer beschränkten Steuerpflicht mangels inländischer Gewinnermittlung aus, und es kommt (auch) wirtschaftlich zu einer 100%igen Freistellung. Hat Deutschland als Ansässigkeitsstaat nach den Bestimmungen im Methodenartikel grundsätzlich die im anderen Vertragsstaat auf den Übernahmegewinn gezahlte Steuer auf seine eigene Steuer anzurechnen, ergibt sich das ähnlich gelagerte Problem, ob eine Anrechnung der ausländischen Steuer wegen der Steuerfreiheit des Gewinns in Deutschland ausscheidet oder ob eine Anrechnung auf die durch die außerbilanzielle Hinzurechnung der pauschalen nichtabzugsfähigen Betriebsausgaben entstehende Steuer erfolgen 1 2 3 4 5

Vgl. Stimpel/Dötsch in D/P/M, § 12 UmwStG Rz. 60. Vgl. Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 18.182. Vgl. Schell, FR 2012, 101 (108). BFH v. 22.9.2016 – I R 29/15, BFH/NV 2017, 324 zu § 8b Abs. 1, 5 KStG. BFH v. 31.5.2017 – I R 37/15, BStBl. II 2018, 144.

Engel/Engelmann | 279

5.53

Kap. 5 Rz. 5.53 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

kann. Hier gilt ebenfalls, dass der Übernahmegewinn gem. § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG technisch gesehen zu 100 % steuerfrei ist,1 so dass keine Besteuerung im eigentlichen Sinne vorliegt und damit der Übernahmegewinn nicht in die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags einbezogen werden kann.2 e) Beteiligungskorrekturgewinn

5.54 Entstehung und abkommensrechtliche Qualifikation. Ein Beteiligungskorrekturgewinn kann aus der gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 UmwStG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2, 3 UmwStG angeordneten Wertaufholung entstehen, soweit der übernehmende Rechtsträger des übertragenden Rechtsträgers auf die Anteile am übertragenden Rechtsträger eine steuerwirksame Teilwertabschreibung vorgenommen hat und hierdurch der Buchwert der Anteile unter dem gemeinen Wert liegt. Hinsichtlich der Frage nach der abkommensrechtlichen Qualifikation eines Beteiligungskorrekturgewinns kann auf die Ausführungen zum Beteiligungskorrekturgewinn bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften verwiesen werden (Rz. 5.34). f) Übernahmefolgegewinn

5.55 Entstehung und abkommensrechtliche Qualifikation. Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen der übertragenden und der übernehmenden Kapitalgesellschaft erlöschen zum Zeitpunkt des Vermögensübergangs durch Konfusion. Sind in Bezug auf diese Posten Ansatz- oder Bewertungsdifferenzen zu verzeichnen, ergibt sich dadurch auf Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft entweder ein positives oder ein negatives Ergebnis („Übernahmefolgegewinn oder -verlust“). Hinsichtlich der Frage nach der abkommensrechtlichen Qualifikation eines Übernahmefolgegewinns kann auf die Ausführungen zum Übernahmefolgegewinn bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften verwiesen werden (Rz. 5.35). g) Veräußerungsgewinne auf Anteilseignerebene

5.56 Entstehung und abkommensrechtliche Qualifikation. Die Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine andere Kapitalgesellschaft gilt gem. § 13 Abs. 1 UmwStG für die Anteilseigner der übertragenden Kapitalgesellschaft als Veräußerung der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft zum gemeinen Wert und zugleich als Anschaffung der ihnen im Zuge der Verschmelzung gewährten Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft zum selben Wert. Grundsätzlich ergibt sich somit im Rahmen der Verschmelzung auf Ebene der Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers ein Veräußerungsgewinn in Höhe der in der Beteiligung am übertragenden Rechtsträger enthaltenen stillen Reserven. Dieser Gewinn ist abkommensrechtlich als Veräußerungsgewinn i.S.v. Art. 13 OECD-MA zu qualifizieren, da sämtliche Realisationsvorgänge des innerstaatlichen Steuerrechts unter diese Norm fallen (Rz. 5.18). 1 Vgl. Schell, FR 2012, 101 (108). 2 Ebenso Schell, FR 2012, 101 (108).

280 | Engel/Engelmann

D. Abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte | Rz. 5.57 Kap. 5

Damit ist auf den sich auf Anteilseignerebene ergebenden Gewinn regelmäßig Art. 13 Abs. 5 OECD-MA anzuwenden, so dass dieser in den meisten Fällen1 allein im Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners besteuert werden kann. Soweit die Anteile zum Umwandlungszeitpunkt bewegliches Betriebsvermögen einer Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat waren, ist hingegen Art. 13 Abs. 2 OECD-MA anzuwenden. Dem Betriebsstättenstaat steht dann insoweit ein Besteuerungsrecht zu, während der Ansässigkeitsstaat den Gewinn entweder freizustellen oder die hierauf im Quellenstaat gezahlte Steuer auf seine Steuer anzurechnen hat. Soweit der übertragende Rechtsträger unmittelbar oder mittelbar über unbewegliches Vermögen im anderen Vertragsstaat verfügt, ist Art. 13 Abs. 4 OECD-MA zu beachten. Gemäß § 13 Abs. 2 UmwStG kann im Falle einer Aufrechterhaltung des deutschen Besteuerungsrechts an den Anteilen an der übernehmenden Kapitalgesellschaft sowie im Anwendungsbereich der FRL auf Anteilseignerebene eine Buchwertfortführung erfolgen. In diesem Fall ist nach der Rechtsprechung des BFH2 zwar ein Tauschvorgang gegeben; mangels Gewinnrealisierung liegt jedoch kein Veräußerungsgewinn im abkommensrechtlichen Sinne vor. 2. Umwandlungen außerhalb des UmwStG Nicht vergleichbare ausländische Umwandlungen. Findet das UmwStG auf eine ausländische Umwandlung von Kapitalgesellschaften keine Anwendung, da diese nicht vergleichbar i.S.d. § 1 Abs. 1 UmwStG ist,3 ergeben sich im Hinblick auf die abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte keine nennenswerten Unterschiede.4 Soweit auf Ebene der beteiligten Rechtsträger und/oder deren Gesellschafter stille Reserven realisiert werden,5 sind diese nach der hier vertretenen Auffassung unabhängig davon, ob die Umwandlung als Veräußerung- oder als liquidationsähnlicher Vorgang anzusehen ist,6 grundsätzlich als Veräußerungsgewinne i.S.v. Art. 13 OECD-MA zu qualifizieren (Rz. 5.18). Eine Ausnahme bilden – ebenso wie bei Umwandlungen im Anwendungsbereich des UmwStG (Rz. 5.36) – Einkünfte auf Anteilseignerebene, die im Sitzstaat der Kapitalgesellschaft wie Gewinnausschüttungen behandelt werden. Solche Einnahmen qualifizieren gem. Art. 10 Abs. 3 OECD-MA abkommensrechtlich als Dividenden. Ferner fallen in einem Betriebsvermögen anfal1 Einige Abkommen (z.B. diejenigen mit Tschechien, Bulgarien, Zypern) weisen dagegen abweichend vom OECD-MA für Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen dem Sitzstaat der Gesellschaft ein Besteuerungsrecht zu, vgl. für eine Abkommensübersicht Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 225. 2 BFH v. 19.8.2008 – IX R 71/07, BStBl. II 2009, 13. 3 Hinsichtlich der im Rahmen der Vergleichbarkeitsprüfung zu vergleichenden Strukturmerkmale der ausländischen Umwandlung s. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/ 10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.24 ff. 4 Gleiches gilt für Umwandlungen bis einschließlich 31.12.2021, wenn der persönliche Anwendungsbereich nach § 1 Abs. 2 UmwStG nicht eröffnet ist. 5 Ob eine Umstrukturierung eine Gewinnrealisierung auslöst, ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht der Vertragsstaaten. 6 Vgl. hierzu BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 00.02 f.; Benecke/Schnittker in W/R/S2, Rz. 13.8 ff.; Schnitger/Rometzki, FR 2006, 845 ff. m.w.N.

Engel/Engelmann | 281

5.57

Kap. 5 Rz. 5.57 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

lende Beteiligungskorrekturgewinne (Rz. 5.34) und Übernahmefolgegewinne- und -verluste (Rz. 5.35) auch dann unter Art. 7 OECD-MA, wenn das UmwStG auf die Umstrukturierung keine Anwendung findet.

5.58 Homogener Formwechsel. Nicht vom UmwStG umfasst ist der Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine (andere) Kapitalgesellschaft (sog. homogener Formwechsel). Ein homogener Formwechsel führt grundsätzlich nicht zu einer Besteuerung von stillen Reserven, weshalb insoweit kein Übertragungsgewinn entsteht. Im Rahmen eines grenzüberschreitenden homogenen Formwechsels hingegen kann es durch Entstrickungstatbestände zu einem Übertragungsgewinn kommen, auch wenn die Identität des formgewechselten Rechtsträgers gewahrt bleibt.1 Sofern ein entstrickungsbedingter Übertragungsgewinn entsteht, ist dieser als Veräußerungsgewinn i.S.v. Art. 13 OECD-MA zu qualifizieren (Rz. 5.18). Erfolgt der grenzüberschreitende Formwechsel nicht identitätswahrend, d.h. kommt es zu einer Auflösung der bisherigen Kapitalgesellschaft im bisherigen Sitzstaat und Neugründung der Kapitalgesellschaft im neuen Sitzstaat, liegt ein liquidationsähnlicher Vorgang vor und es treten die gleichen Folgen wie bei nicht vergleichbaren ausländischen Umwandlungen ein, weshalb insoweit auf die entsprechenden Ausführungen verwiesen wird (Rz. 5.57). IV. Umstrukturierung von Personengesellschaften 1. Umwandlungen im Anwendungsbereich des UmwStG a) Anwendungsbereich des UmwStG

5.59 Anwendungsbereich. Geht bei der Umstrukturierung von Personengesellschaften qualifiziertes Vermögen (Betrieb, Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil) auf eine Personengesellschaft über und handelt es sich nicht um eine Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft oder einen Formwechsel einer Kapitalin eine Personengesellschaft, fällt die Umstrukturierung in den sachlichen Anwendungsbereich des § 24 UmwStG. Diese Norm ist damit auf eine Vielzahl von Umstrukturierungsmaßnahmen anwendbar. Im Einzelnen wird hier auf Kapitel 11 verwiesen. b) Einkünfte auf Gesellschafts- und Anteilseignerebene

5.60 Einkünfte. Wird durch einen in Rz. 5.59 genannten Vorgang Vermögen in eine Personengesellschaft eingebracht, können folgende Einkünfte zur Entstehung gelangen: – Auf Ebene des Einbringenden kann sich ein Übertragungs- bzw. Einbringungsgewinn ergeben. – Bei der übernehmenden Personengesellschaft kann ein Einbringungsfolgegewinn entstehen.

1 Vgl. hierzu Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.104 ff. Zu den gesellschaftsrechtlichen Grundlagen s. Kapitel 2 Rz. 2.136 ff.

282 | Engel/Engelmann

D. Abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte | Rz. 5.62 Kap. 5

– Werden im Zuge der Umwandlung unter dem gemeinen Wert liegende Werte angesetzt und sind im übertragenen Vermögen auch Anteile an Kapitalgesellschaften enthalten, kann dies unter bestimmten Umständen bei einer späteren Veräußerung dieser Anteile durch die übernehmende Personengesellschaft auf Ebene (der Gesellschafter) der übertragenden Personengesellschaft eine rückwirkende Besteuerung der in den eingebrachten bzw. übertragenen Anteilen enthaltenen stillen Reserven zur Folge haben (Einbringungsgewinn II). c) Einbringungsgewinn Entstehung und abkommensrechtliche Qualifikation. Ein Einbringungsgewinn entsteht immer dann, wenn das übertragene Vermögen in der Schlussbilanz der übernehmenden Personengesellschaft einschließlich der Ergänzungsbilanzen zu über dem Buchwert liegenden Werten angesetzt wird. Ein solcher Gewinn ist abkommensrechtlich als Veräußerungsgewinn i.S.v. Art. 13 OECD-MA zu qualifizieren,1 da sämtliche Realisationsvorgänge des innerstaatlichen Steuerrechts unter diese Verteilungsnorm fallen (Rz. 5.18). Der Einbringungsgewinn entsteht mit der Einbringung und damit noch in dem Betriebsvermögen, das Gegenstand der Einbringung bzw. Umwandlung ist.2 Auf den Einbringungsgewinn ist somit regelmäßig Art. 13 Abs. 5 OECD-MA anzuwenden, mit der Folge, dass der Ansässigkeitsstaat des Einbringenden ein ausschließliches Besteuerungsrecht hat. Soweit das übertragene Vermögen zum Zeitpunkt der Einbringung bzw. der Umwandlung bewegliches Betriebsvermögen einer Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat war, ist hingegen Art. 13 Abs. 2 OECD-MA einschlägig. Dem Betriebsstättenstaat kommt folglich diesbezüglich ein Besteuerungsrecht zu, während im Ansässigkeitsstaat eine Freistellung oder Steueranrechnung zu erfolgen hat. Ist von der Umwandlung unbewegliches, im anderen Vertragsstaat belegenes Vermögen betroffen, kommt insoweit Art. 13 Abs. 1 OECDMA zur Anwendung. In diesem Fall hat der Quellenstaat bzw. der Belegenheitsstaat des unbeweglichen Vermögens für diesen Teil des Einbringungsgewinns ein Besteuerungsrecht. Der Ansässigkeitsstaat muss dann hierauf eine Freistellung oder eine Steueranrechnung gewähren. Art. 13 Abs. 4 OECD-MA ist zu prüfen, soweit zum übertragenen Vermögen Anteile an Kapitalgesellschaften gehören, die ihrerseits unmittelbar oder mittelbar über unbewegliches Vermögen im anderen Vertragsstaat verfügen.

5.61

Sonderbetriebsvermögen. Bei einer Umwandlung einer Personengesellschaft auf eine andere Personengesellschaft muss auch etwaiges Sonderbetriebsvermögen auf die andere Personengesellschaft übertragen werden.3 Zur Frage, wie dabei entstehende Gewinne abkommensrechtlich einzuordnen sind, kann auf die Ausführungen bei der Umwandlung von Personengesellschaften in Kapitalgesellschaften verwiesen werden (Rz. 5.42 f.).

5.62

1 Vgl. Benecke/Schnittker in W/R/S2, Rz. 13.57. 2 Vgl. Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (120). 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.04 i.V.m. 24.03, 20.14.

Engel/Engelmann | 283

Kap. 5 Rz. 5.63 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

d) Einbringungsfolgegewinn

5.63 Entstehung und abkommensrechtliche Qualifikation. Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen dem übertragenden und dem übernehmenden Rechtsträger erlöschen zum Zeitpunkt des Vermögensübergangs durch Konfusion. Soweit hinsichtlich dieser Posten Ansatz- oder Bewertungsdifferenzen zu verzeichnen sind, ergibt sich dadurch auf Ebene der übernehmenden Personengesellschaft entweder ein positives oder ein negatives Ergebnis („Übernahmefolgegewinn oder -verlust“). In Bezug auf die Frage nach der abkommensrechtlichen Qualifikation eines Übernahmefolgegewinns kann auf die Ausführungen zum Übernahmefolgegewinn bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften verwiesen werden (Rz. 5.35). e) Einbringungsgewinn II

5.64 Entstehung und abkommensrechtliche Qualifikation. § 24 Abs. 5 UmwStG sieht in bestimmten Konstellationen eine entsprechende Anwendung der Regelung über den Einbringungsgewinn II (§ 22 Abs. 2 UmwStG) vor. Voraussetzung ist dabei zunächst, dass Anteile an Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften von einer Person eingebracht bzw. übertragen wurden, die nicht von § 8b Abs. 2 KStG begünstigt ist, also insbesondere von einer natürlichen Person. Werden diese Anteile nun innerhalb von sieben Jahren durch die übernehmende Personengesellschaft veräußert oder liegt einer der in § 22 UmwStG genannten Ersatztatbestände vor, kommt es zu einer Besteuerung eines Einbringungsgewinns II, soweit der auf Ebene der Personengesellschaft entstehende Veräußerungsgewinn auf einen von § 8b Abs. 2 KStG begünstigten Mitunternehmer, also insbesondere auf eine Kapitalgesellschaft, entfällt. Dadurch soll verhindert werden, dass die Anteile nur in die Personengesellschaft eingebracht werden, um sie später steuerlich günstiger veräußern zu können. Hinsichtlich der abkommensrechtlichen Qualifikation eines solchen Einbringungsgewinns II kann auf die Ausführungen zur Umwandlung von Personengesellschaften auf Kapitalgesellschaften verwiesen werden (Rz. 5.47). 2. Umwandlungen außerhalb des UmwStG

5.65 Abkommensrechtliche Einordnung. Findet das UmwStG auf die Umwandlung von Personengesellschaften keine Anwendung, ergeben sich im Hinblick auf die abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte keine nennenswerten Unterschiede. Soweit auf Ebene der beteiligten Rechtsträger und/oder deren Gesellschafter stille Reserven realisiert werden,1 sind diese nach der hier vertretenen Auffassung unabhängig davon, ob die Umwandlung als Veräußerung oder als Betriebsaufgabe anzusehen ist,2 grundsätzlich als Veräußerungsgewinne i.S.v. Art. 13 OECD-MA zu qualifizieren 1 Ob eine Umstrukturierung eine Gewinnrealisierung auslöst, ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht der Vertragsstaaten. 2 Vgl. hierzu BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 00.02 f.; Benecke/Schnittker in W/R/S2, Rz. 13.8 ff.; Schnitger/Rometzki, FR 2006, 845 ff. m.w.N.

284 | Engel/Engelmann

D. Abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte | Rz. 5.67 Kap. 5

(Rz. 5.18). Einbringungsfolgegewinne- und -verluste sind dagegen auch dann unter Art. 7 OECD-MA zu subsumieren (Rz. 5.35), wenn das UmwStG keine Anwendung findet. Diese Grundsätze gelten auch für nicht in § 1 Abs. 3 UmwStG genannte Umwandlungsvorgänge, wie z.B. die Anwachsung des Vermögens einer Personengesellschaft (§ 738 BGB) oder die Realteilung einer Personengesellschaft (§ 16 Abs. 3 Satz 2 ff. EStG), d.h. soweit ein Veräußerungsgewinn entsteht – sei es bspw. aufgrund der (Teil-)Entgeltlichkeit des Vorgangs oder einer Entstrickungsbesteuerung – ist dieser unter Art. 13 OECD-MA zu subsumieren. Zum Formwechsel einer Personengesellschaft in eine (andere) Personengesellschaft (sog. homogener Formwechsel), der ebenfalls nicht vom UmwStG erfasst ist, kann grundsätzlich auf die Ausführungen zum homogenen Formwechsel von Kapitalgesellschaften verwiesen werden (Rz. 5.58). Soweit die Voraussetzungen des § 24 UmwStG vorliegen, kann ein nicht identitätswahrender grenzüberschreitender Formwechsel einer Personengesellschaft in eine (andere) Personengesellschaft aber steuerneutral erfolgen, da u.E. eine Einbringung der Mitunternehmeranteile an der bisherigen Personengesellschaft in die neue Personengesellschaft vorliegt.1 V. Einbringung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft 1. Umwandlungen im Anwendungsbereich des UmwStG a) Anwendungsbereich des UmwStG Anwendungsbereich. Werden Anteile an einer Kapitalgesellschaft in eine andere Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Anteilen an der übernehmenden Kapitalgesellschaft eingebracht (Anteilstausch), fällt die Einbringung in den sachlichen Anwendungsbereich von § 21 UmwStG. Nicht von § 21 UmwStG, sondern von § 20 UmwStG erfasst werden Vorgänge, in denen die Einbringung von Kapitalgesellschaftsanteilen zusammen mit qualifizierendem Vermögen (Betrieb, Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil) übertragen werden (Rz. 5.59).2

5.66

b) Einkünfte auf Gesellschafts- und Anteilseignerebene Einkünfte. Werden Anteile an einer Kapitalgesellschaft in eine andere Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Anteilen an der übernehmenden Kapitalgesellschaft eingebracht, können folgende Einkünfte zur Entstehung gelangen: – Auf Ebene des Einbringenden (bzw. bei einer einbringenden Personengesellschaft deren Gesellschafter) kann sich ein Übertragungs- bzw. Einbringungsgewinn ergeben. – Werden die eingebrachten Anteile an einer Kapitalgesellschaft mit einem unter dem gemeinen Wert liegenden Wert angesetzt, kann dies unter bestimmten Um1 Vgl. hierzu auch Benecke/Schnittker in W/R/S2, Rz. 13.192. 2 Vgl. Patt in D/P/M, § 21 UmwStG Rz. 16.

Engel/Engelmann | 285

5.67

Kap. 5 Rz. 5.67 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

ständen bei einer späteren Veräußerung dieser Anteile durch die übernehmende Kapitalgesellschaft auf Ebene des Einbringenden (bzw. bei einer einbringenden Personengesellschaft deren Gesellschafter) eine rückwirkende Besteuerung der in den eingebrachten bzw. übertragenen Anteilen enthaltenen stillen Reserven zur Folge haben (Einbringungsgewinn II). c) Einbringungsgewinn

5.68 Entstehung und abkommensrechtliche Qualifikation. Ein Einbringungsgewinn entsteht immer dann, wenn die eingebrachten Kapitalgesellschaftsanteile auf Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft mit einem über dem Buchwert liegenden Werten angesetzt werden. Insbesondere ergibt sich zwangsweise ein Einbringungsgewinn, wenn die übernehmende Kapitalgesellschaft nach der Einbringung nicht unmittelbar die Mehrheit der Stimmrechte an der erworbenen Kapitalgesellschaft besitzt („einfacher“ bzw. „nicht qualifizierender“ Anteilstausch). Ein solcher Einbringungsgewinn ist abkommensrechtlich als Veräußerungsgewinn i.S.v. Art. 13 OECDMA zu qualifizieren, da sämtliche Realisationsvorgänge des innerstaatlichen Steuerrechts zu Veräußerungsgewinnen im abkommensrechtlichen Sinne führen (Rz. 5.18). Der Einbringungsgewinn fällt somit regelmäßig unter Art. 13 Abs. 5 OECD-MA, kann also allein im Ansässigkeitsstaat des Einbringenden besteuert werden. Soweit die eingebrachten Kapitalgesellschaftsanteile zum Einbringungszeitpunkt Teil des beweglichen Betriebsvermögens einer Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat waren, ist hingegen Art. 13 Abs. 2 OECD-MA anzuwenden mit der Folge, dass dem Betriebsstättenstaat das Besteuerungsrecht zusteht. Der Ansässigkeitsstaat hat dann den Einbringungsgewinn entweder freizustellen oder die hierauf im Quellenstaat gezahlte Steuer auf seine Steuer anzurechnen. Zu beachten ist ebenso Art. 13 Abs. 4 OECDMA, der dem Quellenstaat bzw. Belegenheitsstaat das Besteuerungsrecht einräumt, wenn der Wert der eingebrachten Kapitalgesellschaftsanteile zum Zeitpunkt der Veräußerung oder innerhalb der Veräußerung vorangehenden 365 Tage unmittelbar oder mittelbar zu mehr als der Hälfte auf in diesem Staat belegenem unbeweglichen Vermögen beruht bzw. beruhte. Auch in diesem Fall hat der Ansässigkeitsstaat den Einbringungsgewinn abhängig von der Regelung im Methodenartikel entweder freizustellen oder die hierauf im Belegenheitsstaat gezahlte Steuer auf seine Steuer anzurechnen. d) Einbringungsgewinn II

5.69 Entstehung und abkommensrechtliche Qualifikation. Wurde im Rahmen der Einbringung ein Ansatz unter dem gemeinen Wert gewählt, sieht § 22 Abs. 2 UmwStG die Besteuerung eines sog. Einbringungsgewinns II vor, wenn die eingebrachten Anteile innerhalb von sieben Jahren durch die übernehmende Kapitalgesellschaft veräußert werden oder bestimmte Ersatztatbestände vorliegen, soweit ein entstehender Veräußerungsgewinn auf Ebene des Einbringenden (bzw. bei einer einbringenden Personengesellschaft deren Gesellschafter) vor dem Anteilstausch nicht von § 8b Abs. 2 KStG begünstigt war. Durch den Einbringungsgewinn II erfolgt eine auf den

286 | Engel/Engelmann

E. Vorbehaltsklauseln bei DBA-Freistellung | Rz. 5.71 Kap. 5

Einbringungszeitraum rückwirkende Besteuerung der in den eingebrachten Kapitalgesellschaftsanteilen enthaltenen stillen Reserven beim Einbringenden. In Bezug auf die Frage nach der abkommensrechtlichen Qualifikation eines Einbringungsgewinn II kann auf die Ausführungen zum Einbringungsgewinn II bei der Umwandlung von Personengesellschaften auf Kapitalgesellschaften (Rz. 5.47) bzw. Umstrukturierung von Personengesellschaften verwiesen werden (Rz. 5.64). 2. Umwandlungen außerhalb des UmwStG Abkommensrechtliche Einordnung. Findet das UmwStG auf die Einbringung von Kapitalgesellschaftsanteilen keine Anwendung, weil die übernehmende Kapitalgesellschaft nicht die in § 1 Abs. 4 Nr. 1 UmwStG genannten Voraussetzungen erfüllt, ergeben sich im Hinblick auf die abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte keine nennenswerten Unterschiede. Soweit auf Ebene des Einbringenden (bzw. bei einer einbringenden Personengesellschaft deren Gesellschafter) stille Reserven realisiert werden,1 sind diese nach der hier vertretenen Auffassung grundsätzlich als Veräußerungsgewinn i.S.v. Art. 13 OECD-MA zu qualifizieren (Rz. 5.18).

5.70

E. Vorbehaltsklauseln bei DBA-Freistellung I. Überblick und Begriffsabgrenzung Überblick. Die deutschen DBA sehen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung – insbesondere in Bezug auf Unternehmensgewinne, bestimmte Veräußerungsgewinne und Dividenden – traditionell die Freistellungsmethode vor. Daher werden in vielen Fällen Einkünfte aus internationalen Umstrukturierungen in einem der beiden beteiligten Staaten nach den Bestimmungen des Methodenartikels grundsätzlich von der Besteuerung freizustellen sein. Allerdings ist gerade im Zusammenhang mit internationalen Umstrukturierungen zu beachten, dass die abkommensrechtliche Freistellung zumeist durch spezielle Klauseln von verschiedenen Voraussetzungen abhängig gemacht bzw. bestimmten Einschränkungen unterworfen wird. Solche zusätzlichen Voraussetzungen bzw. Einschränkungen können sich einerseits aus der Auslegung des Methodenartikels i.S. einer Qualifikationsverkettung,2 andererseits durch spezielle Bestimmungen wie Subject-to-tax-Klauseln, Switch-over-Klauseln sowie Aktivitätsvorbehalte ergeben. Diese auch unter dem Oberbegriff Vorbehaltsklauseln3 zusammengefassten Regelungen haben gemeinsam, dass sie den Anwendungsbereich der Freistellungsmethode verengen, indem sie entweder zusätzliche Tatbestandsvoraussetzungen für die Freistellung normieren oder eine eigentlich zu gewährende Freistellung einschränken. Im Hinblick auf ihre Zielsetzung und ihren Anwendungs-

1 Ob eine Umstrukturierung eine Gewinnrealisierung auslöst, ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht der Vertragsstaaten. 2 Vgl. Art. 23 Nr. 32.1–32.7 OECD-MK (2017). 3 Vgl. Meretzki in W/R/S2, Rz. 15.4 m.w.N.

Engel/Engelmann | 287

5.71

Kap. 5 Rz. 5.71 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

bereich weisen die Klauseln jedoch durchaus Unterschiede auf. Insoweit lassen sich diese wie folgt voneinander abgrenzen:1 – Subject-to-tax-Klauseln (auch: „Rückfallklauseln“)2 schließen eine Freistellung aus, wenn der andere Staat die Einkünfte – ganz gleich aus welchen Gründen – nicht besteuert. – Switch-over-Klauseln (auch: „Umschaltklauseln“)3 schließen eine Freistellung aus, wenn der andere Staat die Einkünfte aufgrund eines Qualifikations- oder Zurechnungskonflikts (Rz. 5.75) nicht oder zu niedrig besteuert. – Aktivitätsklauseln bzw. Aktivitätsvorbehalte machen die Freistellung der Einkünfte davon abhängig, dass diese aus bestimmten „aktiven“ Tätigkeiten stammen.

5.72 Abkommensrechtliche Subject-to-tax-Klauseln. Einige von der BRD abgeschlossene Abkommen knüpfen die Freistellung an die Voraussetzung, dass die Einkünfte im anderen Staat tatsächlich besteuert werden, und enthalten damit im Methodenartikel eine Subject-to-tax-Klausel. Neben diesen eindeutigen Regelungen kommen in anderen wenigen DBA sog. Quellenregeln vor, welche die Freistellung davon abhängig machen, dass die Einkünfte aus dem anderen Vertragsstaat „stammen“.4 Nach einer solchen Regelung gelten Einkünfte regelmäßig aus dem anderen Vertragsstaaten stammend, wenn diese in Übereinstimmung mit dem Abkommen im anderen Vertragsstaat besteuert werden. Versteht man die Quellenregeln so, dass sie abschließend regeln, wann bestimmte Einkünfte aus dem anderen Vertragsstaat „stammen“, sind die Quellenregeln ebenfalls als Subject-to-tax-Klauseln zu qualifizieren. Der BFH hat seine Rechtsprechung zu den Quellenregeln mehrfach geändert. Zunächst qualifizierte er solche Abkommensbestimmungen als Subject-to-tax-Klauseln,5 gab diese Auffassung dann jedoch in einem Urteil aus 2003 auf,6 um letztlich mit seinem Urteil vom 17.10.20077 zu der im Protokoll zum DBA Italien enthaltenen Quellenregel wieder zu seinem ursprünglichen Verständnis zurückzukehren. Die im Protokoll zum DBA Italien enthaltene Regelung weist zwar einige Besonderheiten auf; der BFH hat diesen jedoch in den Entscheidungsgründen keine besondere Bedeutung beigemessen. Aus diesem Grund kann das genannte Urteil auf andere DBA übertragen werden.8 Eine Ausnahme stellt das Abkommen mit den USA dar, welches in Art. 23 Abs. 3 Satz 2 eine besondere Quellenregel enthält. Diese Klausel zielt nicht auf eine tatsächliche Besteuerung der Einkünfte in den Vereinigten Staaten, sondern 1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. Meretzki in W/R/S2, Rz. 15.5. Vgl. Meretzki in W/R/S2, Rz. 15.7; Blöchle/Hirt in S/K/K, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 223. Vgl. BMF v. 20.6.2013 – IV B 2 - S 1300/09/10006, BStBl. I 2013, 980 Rz. 1. Quellenregeln enthalten die DBA mit Neuseeland, Norwegen, Schweden, Dänemark, das Protokoll zum DBA mit Italien, das DBA mit den USA sowie das DBA Kanada 1981, vgl. hierzu Meretzki in W/R/S2, Rz. 15.14. Vgl. BFH v. 5.2.1992 – I R 158/90, BStBl. II 1992, 660; v. 11.6.1996 – I R 8/96, BStBl. II 1997, 117. Vgl. BFH v. 17.12.2003 – I R 14/02, BStBl. II 2004, 260. BFH v. 17.10.2007 – I R 97/06, BStBl. II 2008, 953. Vgl. Meretzki in W/R/S2, Rz. 15.16.

288 | Engel/Engelmann

E. Vorbehaltsklauseln bei DBA-Freistellung | Rz. 5.74 Kap. 5

auf das Bestehen eines abkommensrechtlichen Besteuerungsrechts ab. Allerdings enthält das DBA USA in Art. 23 Abs. 4 Buchst. b Alt. 2 eine ausdrückliche Subject-totax-Klausel.1 Der BFH bestätigte seine Rechtsprechung aus 2007 in seinen neueren Entscheidungen zum DBA Südafrika2 und DBA USA 1989.3 Auch die Finanzverwaltung hat sich dieser Auslegung der Quellenregeln angeschlossen.4 Besteuerung der Einkünfte im Quellenstaat. Sowohl für die Quellenregeln als auch für die Subject-to-tax-Klauseln stellt die Besteuerung der Einkünfte im Quellenstaat das zentrale Tatbestandsmerkmal dar.5 In diesem Sinne erfolgt eine Freistellung von der deutschen Besteuerung nur, wenn die Einkünfte im anderen Vertragsstaat besteuert werden,6 tatsächlich besteuert werden7 bzw. effektiv besteuert worden sind.8 Für die Anwendung der Subject-to-tax-Klauseln sind daher folgende beiden Fragen von entscheidender Bedeutung:

5.73

– Was ist unter Einkünften i.S. dieser Vorschriften zu verstehen? – Wann liegt eine Besteuerung im Quellenstaat i.S.d. Subject-to-tax-Klauseln vor? Zur ersten der beiden Zweifelsfragen hat der BFH in seinem Urteil vom 27.8.19979 Stellung bezogen. Danach ist stets auf die einzelnen Einkunftsarten der Verteilungsartikel in ihrer Gesamtheit abzustellen. Für eine Freistellung der Einkünfte ist deshalb hinreichend, wenn diese als Summe – zumindest teilweise – im Quellenstaat besteuert werden. Es erfolgt somit eine Betrachtung der Einkünfte als Einheit, so dass keine Zerlegung des Betriebsstättengewinns in einzelne Einnahmen vorzunehmen ist.10 Auf das Tatbestandsmerkmal der „Besteuerung im anderen Vertragsstaat“ wird nachfolgend im Rahmen verschiedener Fallkonstellationen eingegangen (Rz. 5.81 ff.). Unilaterale Subject-to-tax-Klauseln. Eine abkommensrechtliche Freistellung ist unbeschränkt Steuerpflichtigen nach § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG nicht zu gewähren, wenn die Einkünfte im anderen Vertragsstaat nur deshalb nicht steuerpflichtig sind, weil sie von einer Person bezogen werden, die in diesem Staat nicht aufgrund ihres Wohnsitzes, ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung, des Sitzes oder eines ähnlichen Merkmals unbeschränkt steuerpflichtig ist.11 Anderes formuliert wird die Freistellung versagt, wenn der andere Vertragsstaat die Einkünfte, für die ihm abkommensrechtlich ein Besteuerungsrecht zusteht, nicht im Rahmen einer beschränk-

Vgl. Meretzki in W/R/S2, Rz. 15.17. BFH v. 13.10.2015 – I B 68/14, BFH/NV 2016, 558. BFH v. 27.3.2019 – I R 33/15, BFH/NV 2020, 201. Vgl. BMF v. 20.6.2013 – IV B 2 - S 1300/09/10006, BStBl. I 2013, 980 Rz. 2.2.1. Vgl. Meretzki in W/R/S2, Rz. 15.22. Vgl. z.B. Art. 24 Abs. 3 DBA Dänemark; Art. 23 Abs. 1 Satz 2 DBA Schweden. Vgl. z.B. Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA Großbritannien. Vgl. Ziff. 16 Buchst. d Protokoll zum DBA Italien. BFH v. 27.8.1997 – I R 127/95, BStBl. II 1998, 58. Siehe zum Ganzen auch Seidel, Ertragsbesteuerung periodischer Auslandseinkünfte aus Direktinvestitionen, 2011, 152; Meretzki in W/R/S2, Rz. 15.23 f. 11 Vgl. hierzu Schänzle/Engel, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Rz. 6.127.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Engel/Engelmann | 289

5.74

Kap. 5 Rz. 5.74 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

ten Steuerpflicht besteuert.1 Das gilt gem. § 50d Abs. 9 Satz 2 EStG nicht für Dividenden, es sei denn, diese haben den Gewinn der ausschüttenden Gesellschaft gemindert. Darüber hinaus regelt § 50d Abs. 9 Nr. 3 EStG, dass Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen, die im anderen Vertragsstaat nur deshalb nicht steuerpflichtig sind, weil sie einer Betriebsstätte in einem anderen Staat zugeordnet werden oder aufgrund einer anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung die steuerliche Bemessungsgrundlage im anderen Vertragsstaat gemindert wird, abkommensrechtlich nicht freigestellt werden. Abweichend vom abkommensrechtlichen Verständnis von Einkünften als Einheit (Rz. 5.73), erfassen § 50d Abs. 9 Nr. 2, 3 EStG nach § 50d Abs. 9 Satz 4 EStG auch Einkunftsteile, d.h. die Rechtsprechung des BFH2 zur abkommensrechtlichen Betrachtung von Einkünften als Einheit ist insoweit nicht zu beachten. Auch wenn ein DBA eine Subject-to-tax-Klausel vorsieht, sind die Normen zu beachten, wenn diese weitergehender sind als die entsprechende Regelung im DBA.

5.75 Qualifikations- und Zurechnungskonflikte als Voraussetzung abkommensrechtlicher Switch-over-Klauseln. Abkommensrechtliche Switch-over-Klauseln setzen tatbestandlich neben einer Nicht- oder Minderbesteuerung im anderen Vertragsstaat voraus, dass diese aus einem Qualifikations- oder Zurechnungskonflikt resultiert.3 Ein Qualifikationskonflikt liegt dabei vor, wenn die Vertragsstaaten auf bestimmte Einkünfte unterschiedliche Verteilungsnormen anwenden (sog. objektiver Qualifikationskonflikt) und dies zu einer Doppelbesteuerung oder einer Besteuerungslücke (doppelte Nichtbesteuerung, Minderbesteuerung) führt.4 Rechnen die beteiligten Staaten dagegen Einkünfte unterschiedlichen Personen zu, ist von einem Zurechnungskonflikt5 die Rede. Bei Qualifikationskonflikten wird zudem wie folgt nach deren Ursache unterschieden:6 – Ein echter Qualifikationskonflikt liegt vor, wenn dieser sich aus einem Rückgriff auf das originär innerstaatliche Recht der Vertragsstaaten ergibt. – Ein Sachverhaltskonflikt ist demgegenüber gegeben, wenn die beiden Staaten der Besteuerung unterschiedliche Sachverhalte zugrunde legen. – Schließlich ist von einem Auslegungskonflikt die Rede, wenn die beteiligten Staaten Abkommensbestimmungen unterschiedlich auslegen. Von Bedeutung ist diese Unterscheidung, weil umstritten ist, welche Arten von Qualifikations- bzw. Zurechnungskonflikten von den Switch-over-Klauseln erfasst werden. So vertreten einige Autoren die Auffassung, die Switch-over-Klauseln seien nur

1 Vgl. Klein/Hagena in H/H/R, § 50d EStG Anm. 122; s. auch BFH v. 20.8.2014 – I R 86/13, BStBl. II 2015, 18. 2 BFH v. 27.8.1997 – I R 127/95, BStBl. II 1998, 58. 3 Vgl. Meretzki in W/R/S2, Rz. 15.44. 4 Vgl. Lang, IStR 2010, 114 (117). 5 Vgl. Lang, IStR 2010, 114 (117); Lehner in V/L5, Einleitung OECD-MA Rz. 181a. 6 Vgl. Seidel, Ertragsbesteuerung periodischer Auslandseinkünfte aus Direktinvestitionen, 2011, 155 m.w.N.

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E. Vorbehaltsklauseln bei DBA-Freistellung | Rz. 5.76 Kap. 5

auf echte Qualifikationskonflikte anzuwenden.1 Diese Sichtweise ist vor dem Hintergrund, dass der Musterkommentar zu der Switch-over-Klausel des Art. 23 Abs. 4 OECD-MA genau die gegenteilige Auffassung vertritt, überraschend. Nach dem Musterkommentar soll diese Klausel nur auf Qualifikations- und Zurechnungskonflikte Anwendung finden, die gerade nicht auf dem innerstaatlichen Recht der Vertragsstaaten beruhen. Der Grund für diese Einschränkung des Anwendungsbereichs der Switch-over-Klauseln durch den Musterkommentar ist, dass nach diesem echte Qualifikationskonflikte2 durch eine Auslegung des Methodenartikels i.S. einer Qualifikationsverkettung gelöst werden.3 Nach dieser Auffassung hat der Ansässigkeitsstaat bei der Anwendung des Methodenartikels von der Sichtweise des Quellenstaats auszugehen. Während die Finanzverwaltung dem Musterkommentar folgt,4 wird sie vom BFH5 sowie dem überwiegenden Teil des deutschsprachigen Schrifttums6 zumindest für DBA, die zum Zeitpunkt der diesbezüglichen Ergänzung des Musterkommentars bereits in Kraft waren oder nach der Neufassung des Musterkommentars modifizierte DBA, bei denen der Methodenartikel nicht verändert wurde, zu Recht abgelehnt. Da den Switch-over-Klauseln im Allgemeinen weder eine Beschränkung auf echte Qualifikationskonflikte entnommen werden kann, noch umgekehrt diese Klauseln in Bezug auf echte Qualifikationskonflikte aufgrund einer Auslegung des Methodenartikels i.S. einer Qualifikationsverkettung als obsolet bezeichnet werden können, spricht vieles dafür, dass Switch-over-Klauseln im Allgemeinen sämtliche Arten von Qualifikationskonflikten erfassen.7 Keine Einheitsbetrachtung. Die Switch-over-Klauseln setzen eine Nicht-, Minderund vereinzelt auch eine Doppelbesteuerung im anderen Vertragsstaat voraus. Sie weisen daher zumindest hinsichtlich der erstgenannten Tatbestandsalternative eine gewisse Nähe zu Subject-to-tax-Klauseln auf. Ein wesentlicher Unterschied zu den Subject-to-tax-Klauseln ist jedoch darin zu sehen, dass die Switch-over-Klauseln bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals der (Nicht-)Besteuerung im anderen Vertragsstaat nicht der in Rz. 5.73 dargestellten Einheitsbetrachtung folgen. Vielmehr ist innerhalb der Switch-over-Klauseln stets auf die Einkünfte bzw. Teilbeträge abzustellen, die der andere Vertragsstaat abkommensrechtlich abweichend einordnet.8

1 Vgl. Grotherr in G/K/G Art. 23A/B Rz. 162 f.; Schmidt/Weggenmann in S/K/K, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 160; Seidel, Ertragsbesteuerung periodischer Auslandseinkünfte aus Direktinvestitionen, 2011, 152. 2 Die Begrenzung auf echte Qualifikationskonflikte ergibt sich aus Art. 23 Nr. 32.5 OECDMK (2017). 3 Vgl. Art. 23 Nr. 32.1–32.7 OECD-MK (2017). 4 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV V 5 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, 1258 Rz. 4.1.3.3.1. 5 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602; BFH v. 11.7.2018 – I R 44/16, BFH/ NV 2019, 149. 6 Vgl. Lang, FS Vogel, 907 ff.; Günkel/Lieber, FR 2000, 853 (856 ff.); dem Musterkommentar folgend dagegen Weggenmann, IStR 2002, 614 ff.; Salome/Danon, Intertax 2003, 190 (193 ff.). 7 Ebenfalls für eine Anwendung der Switch-over-Klauseln auf sämtliche Kategorien von Qualifikationskonflikten Wolff, IStR 2004, 542 (549); Meretzki in W/R/S2, Rz. 15.45. 8 Vgl. Meretzki in W/R/S2, Rz. 16.50.

Engel/Engelmann | 291

5.76

Kap. 5 Rz. 5.77 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

5.77 Unilaterale Switch-over-Klausel. In § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG ist eine unilaterale Swicht-over-Klausel kodifiziert, die ihr „Vorbild“1 in Art. 23A Abs. 4 OECD-MA hat.2 Nach der Regelung wird unbeschränkt Steuerpflichtigen eine abkommensrechtliche Freistellung nur insoweit gewährt als der andere Vertragsstaat die Bestimmungen des Abkommens nicht so anwendet, dass die Einkünfte in diesem Staat von der Besteuerung auszunehmen sind oder nur zu einem durch das Abkommen begrenzten Steuersatz besteuert werden können. § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG knüpft mit der Formulierung „so anwendet“ an die verschiedenen Erscheinungsformen der Qualifikationskonflikte an (Rz. 5.75).3 Enthält ein DBA keine Switch-over-Klausel oder Subject-totax-Klausel kann es daher bei Vorliegen eines Qualifikationskonflikts unilateral zu einem Wechsel zur Anrechnungsmethode kommen. 5.78 Aktivitätsklausel nach DBA. Eine Vielzahl der DBA mit deutscher Beteiligung enthält einen Aktivitätsvorbehalt. Solche Klauseln gelten im Allgemeinen für Unternehmensgewinne, Gewinnausschüttungen und in den meisten Fällen auch für Veräußerungsgewinne i.S.d. Art. 13 Abs. 2 OECD-MA.4 Die Freistellungsmethode findet nur dann Anwendung, wenn bzw. soweit5 die Einkünfte ausschließlich oder fast ausschließlich aus „aktiven“ Tätigkeiten i.S.d. Aktivitätsvorbehalts resultieren. In den älteren Abkommen finden sich überwiegend Aktivitätsklauseln, die die begünstigten „aktiven“ Tätigkeiten eigenständig definieren. Die neueren Abkommen verweisen dagegen diesbezüglich mehrheitlich auf den Katalog „aktiver“ Tätigkeiten des § 8 AStG. Der Verweis auf § 8 AStG ist insofern problematisch als unklar ist wie mit Anpassungen des Aktivitätskatalog in § 8 AStG umzugehen ist.6 Die Finanzverwaltung sieht den Verweis auf § 8 AStG als statisch an, d.h. sie stellt auf die Fassung zum Zeitpunkt des Abschlusses des jeweiligen DBA ab.7 Das ist u.E. sachgerecht, da die Vertragsstaaten, insbesondere dann, wenn das DBA auf einzelne Nummern des Katalogs verweist,8 zum Abschluss-

1 Schönfeld/Rüsch in F/W/B/S, § 50d Abs. 9 EStG Rz. 64. 2 Vgl. hierzu auch Schänzle/Engel, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Rz. 6.126. 3 Vgl. Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 2009, 231; s. auch BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BStBl. II 2014, 764, nach dessen Entscheidung alle hier angesprochenen Erscheinungsformen von Qualifikationskonflikten von § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG erfasst sind. 4 Vgl. für eine Übersicht Schwenke in Wassermeyer, Anlage zu Art. 23A/B OECD-MA. 5 Die meisten abkommensrechtlichen Aktivitätsklauseln folgen einem „Alles- oder NichtsPrinzip“, schließen also, wenn der maßgebliche Schwellenwert passiver Einkünfte überschritten ist, die Freistellung insgesamt aus. Nur in wenigen DBA erfolgt der Übergang zur Anrechnungsmethode nur für den als „passiv“ zu qualifizierenden Teil der Einkünfte. 6 Vgl. Grotherr in G/K/G Art. 23A/B Rz. 68/1; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 156. 7 Vgl. OFD München/Nürnberg v. 26.8.2004 – S 1300 - 247/St 32, Anlage 7, Anmerkung Nr. 2. 8 Derartige Aktivitätsklauseln verweisen regelmäßig nur auf die Tätigkeiten i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG, vgl. Gebhardt/Quilitzsch, IStR 2001, 169 (170). Ausnahme hiervon bilden z.B. das DBA Großbritannien, das DBA Norwegen oder das DBA Spanien, die uneingeschränkt auf § 8 Abs. 1 AStG verweisen.

292 | Engel/Engelmann

E. Vorbehaltsklauseln bei DBA-Freistellung | Rz. 5.80 Kap. 5

zeitpunkt die in § 8 AStG in der jeweiligen Fassung aufgelisteten (und damit bestimmte) Tätigkeiten vertraglich erfassen.1 Besondere Aktivitätsklausel bei Drittstaatenbetriebsstätten. Aufgrund der Umsetzung von Art. 10 MLI durch die BRD enthalten die deutschen DBA, die vom Anwendungsbereich des MLI erfasst werden sollen, neben den vereinzelten DBA, die bereits eine vergleichbare Regelung hatten,2 eine Vorschrift, nach der der Abkommensschutz für Einkünfte durch den Quellenstaat3 versagt werden kann, wenn ein in einem Vertragsstaat ansässiges Unternehmen (Ansässigkeitsstaat) diese aus einem anderen Vertragsstaat bezieht (Quellenstaat), der Ansässigkeitsstaat des Unternehmens diese Einkünfte einer in einem Drittstaat belegenen Betriebsstätte des Unternehmens zurechnet (Betriebsstättenstaat) und der Ansässigkeitsstaat diese Betriebsstätteneinkünfte nach einem bestehenden DBA mit dem Drittstaat von der Steuer freistellt, sofern diese Einkünfte im Drittstaat einer Steuer unterliegen, die weniger als 60 % der Steuer beträgt, die im Ansässigkeitsstaat des Unternehmens erhoben worden wäre, wenn die Betriebsstätte dort belegen wäre, und die Einkünfte nicht im Zusammenhang mit einer durch die Betriebsstätte ausgeübten „aktiven“ Tätigkeit in Zusammenhang stehen.4 Die Regelung erfasst nicht nur auf (laufende) Unternehmensgewinne nach Art. 7 OECD-MA, sondern auch Veräußerungsvorgänge i.S.d. Art. 13 Abs. 2 OECDMA.

5.79

Unilaterale Aktivitätsklausel. § 20 Abs. 2 AStG bestimmt, dass Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen, soweit sie in einer ausländischen Betriebsstätte anfallen, nach dem Methodenartikel des einschlägigen DBA freizustellen sind und ungeachtet des § 8 Abs. 2 AStG als Zwischeneinkünfte steuerpflichtig wären, unter Anrechnung der auf diese Einkünfte erhobenen ausländischen Steuern in der inländischen Steuerbemessungsgrundlage zu berücksichtigten sind.5 Im Gegensatz zu den Aktivitätsklauseln in den DBA ist zusätzlich Voraussetzung, dass die „passiven“ Einkünfte im anderen Vertragsstaat einer niedrigen Besteuerung unterliegen.6 Aus Sicht der BRD als Ansässigkeitsstaat können zu den Betriebsstätteneinkünften, neben den Einkünften aus unternehmerischen Geschäftsaktivitäten, auch Einkünfte aus der Vermögensverwaltung zählen, wenn die Voraussetzungen der Betriebsstättenvorbehalte (Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4, 12 Abs. 3 und 21 Abs. 2 OECD-MA) erfüllt sind oder diese z.B.

5.80

1 So auch Schwenke in Wassermeyer, Anlage zu Art. 23A/B OECD-MA; a.A. Krawitz/Büttgen-Pöhland/Hick, FR 2003, 109 (111); Kaminski/Strunk, IStR 2011, 137 (139); Blöchle/ Hirt in S/K/K, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 180; Ismer in V/L5, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 69; offenlassend Grotherr in G/K/G Art. 23A/B Rz. 68/1; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 156. 2 Vgl. z.B. Ziff. 3 Protokoll zum DBA Großbritannien. 3 Vgl. Ditz, DB 2020, 2208 (2211); Oppel, ISR 2020, 295 (304); a.A. wohl Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 102, der davon ausgeht, dass auch der Ansässigkeitsstaat auf dieser Grundlage seinen Abkommensschutz versagen kann. 4 Die Regelung ist vergleichbar mit Art. 29 Abs. 8 OECD-MA. Zum abkommensrechtlichen Begriff „aktiver“ Geschäftsaktivitäten s. Art. 29 Nr. 70 ff. OECD-MK (2017). 5 Vgl. zu alledem Schänzle/Engel, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Rz. 6.100 ff. 6 Vgl. Schänzle/Engel, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Rz. 6.100.

Engel/Engelmann | 293

Kap. 5 Rz. 5.80 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

nach § 15 Abs. 1 Nr. 2, 3 EStG als Einkünfte aus Gewerbebetrieb qualifizieren.1 Auch Veräußerungsgewinne i.S.d. Art. 13 OECD-MA können zu den Betriebsstätteneinkünften zählen.2

5.81 Mögliche Anwendungsfälle. Die vorstehend beschriebenen Vorbehaltsklauseln sind vor allem in folgenden Fällen in den Blick zu nehmen: – In Bezug auf eine mögliche Buchwertfortführung oder eine Aufdeckung stiller Reserven erfolgt eine divergierende bzw. unterschiedliche Wahlrechtsausübung in den beteiligten Staaten (Rz. 5.82 ff.). – Der Umstrukturierungsvorgang wird in den beiden Staaten steuerlich unterschiedlich eingeordnet (Rz. 5.85 ff.). – Die im Rahmen der Umstrukturierung entstehenden Einkünfte werden in den beteiligten Staaten unterschiedlichen Personen zugerechnet (s. Kapitel 19 Rz. 19.24 ff.). – Die beteiligten Staaten wenden auf die Einkünfte verschiedene Vorschriften des Abkommens an (Rz. 5.85 ff.). II. Divergierende Wahlrechtsausübung

5.82 Mögliche Vorteile einer divergierenden Wahlrechtsausübung. Besteht in den beteiligten Staaten jeweils ein Wahlrecht, die Umstrukturierung entweder zum Buchwert oder unter Aufdeckung der stillen Reserven zu vollziehen, kann es aus bestimmten Gründen vorteilhaft sein, die Wahlrechte in den beiden Staaten unterschiedlich auszuüben. Sinnvoll kann insbesondere sein, in dem zur Freistellung verpflichteten Ansässigkeitsstaat einen Ansatz von Verkehrswerten zu wählen und damit stille Reserven aufzudecken, während in dem anderen Staat die Buchwerte fortgeführt werden. Entsprechendes gilt für den Fall, dass im Ansässigkeitsstaat nur ein Ansatz des Verkehrswerts infrage kommt. Beispiel 1:3 Der in Deutschland ansässige A ist an der Personengesellschaft P im DBA-Freistellungsstaat und EU-Mitgliedstaat P beteiligt. Sämtliche Betriebsstätten der P befinden sich in Staat P. Die Personengesellschaft wird formwechselnd in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt. Der Formwechsel wird in Staat P steuerlich ebenso eingeordnet wie nach deutschem Recht.

5.83 Mögliche Vorteile. Die Anteile an der formwechselnden Gesellschaft werden für Zwecke der deutschen Besteuerung zwingend mit dem gemeinen Wert angesetzt (§ 20 Abs. 3 Satz 2 UmwStG). Eine Buchwertfortführung in Staat P könnte für A hier durchaus vorteilhaft sein. Wie bei einem Ansatz von Buchwerten in beiden Staaten würde die Umwandlung weder in Staat P noch in Deutschland zu steuerpflichtigen Einkünften führen. Es läge nur aus deutscher Sicht ein Übertragungsgewinn vor, der jedoch gem. Art. 13 Abs. 2 i.V.m. dem Methodenartikel von der deutschen Steuer 1 Vgl. Wassermeyer/Schönfeld, F/W/B/S, § 20 AStG Rz. 121 f. 2 Vgl. Wassermeyer/Schönfeld, F/W/B/S, § 20 AStG Rz. 127. 3 In enger Anlehnung an Benecke/Schnittker in W/R/S2, Rz. 13.116.

294 | Engel/Engelmann

E. Vorbehaltsklauseln bei DBA-Freistellung | Rz. 5.84 Kap. 5

freizustellen wäre. Im Falle einer späteren Veräußerung, die grundsätzlich gem. Art. 13 Abs. 5 nur in Deutschland besteuert werden könnte, würde sich aufgrund des Ansatzes zum gemeinen Wert ein Veräußerungsgewinn aus deutscher Sicht nur in Höhe der seit dem Formwechsel entstandenen Wertsteigerungen ergeben. Ein Einbringungsgewinn I würde nicht entstehen.1 Anwendung der Vorbehaltsklauseln. Es stellt sich die Frage, ob in der in Beispielsfall 1 gegebenen Konstellation einer im Ausland steuerneutral vollzogenen Umstrukturierung eine Nichtbesteuerung i.S.d. Subject-to-tax-Klauseln gegeben ist. Der BFH hat dies in seinem Urteil vom 17.10.20072 für den Fall eines in Italien steuerneutral durchgeführten Formwechsels bejaht.3 Damit machen Subject-to-tax-Klauseln das Gestaltungsmittel einer divergierenden Wahlrechtsausübung uninteressant. Die innerstaatlichen Subject-to-tax-Klauseln in § 50d Abs. 9 Nr. 2, 3 EStG umfassen den vorliegenden Sachverhalt jedoch nicht.4 Switch-over-Klauseln sind nur anwendbar, wenn die Nichtbesteuerung auf einen Qualifikations- oder Zurechnungskonflikt zurückzuführen ist. Im Falle einer divergierenden Wahlrechtsausübung sind weder ein Qualifikations- noch ein Zurechnungskonflikt gegeben. Vielmehr ist die Nichtbesteuerung im anderen Vertragsstaat Folge einer abweichenden Gewinnermittlungsvorschrift5 bzw. der abweichenden Anwendung einer (möglicherweise auch übereinstimmenden) Gewinnermittlungsvorschrift im anderen Staat. Abkommensrechtliche Switch-over-Klauseln schließen daher in dieser Konstellation eine Freistellung nicht aus. Dasselbe gilt für die unilaterale Switch-Over-Klausel des § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG.6 Enthält das im Einzelfall anwendbare DBA eine Aktivitätsklausel, kann diese die Freistellung der im Zuge der Umstrukturierung entstehenden Einkünfte verhindern. Dabei sind Einkünfte aus Umstrukturierungen weder pauschal als „passiv“ zu bezeichnen, noch können diese allgemein als solche aus „aktivem“ Erwerb qualifiziert werden. Vielmehr ist bei der Einordnung auf die vor der Umstrukturierung in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeiten abzustellen.7 Gleiches gilt grundsätzlich für § 20 Abs. 2 AStG,8 da die Umwandlung in Staat P im Beispielsfall 1 auch tatsächlich zu Buchwerten erfolgt, liegen gem. § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG unabhängig der in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit aber „aktive“ Einkünfte vor; die divergierende Wahlrechtsausübung für deutsche steuerliche Zwecke ist insoweit unbeachtlich.9

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. hierzu auch Benecke/Schnittker in W/R/S2, Rz. 13.117. BFH v. 17.10.2007 – I R 97/06, BStBl. II 2008, 953. Vgl. hierzu Benecke/Schnittker in W/R/S2, Rz. 13.132. Vgl. Benecke/Schnittker in W/R/S2, Rz. 13.123 zu § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG. Vgl. Benecke/Schnittker in W/R/S2, Rz. 13.122. Vgl. Benecke/Schnittker in W/R/S2, Rz. 13.122. Vgl. Benecke/Schnittker in W/R/S2, Rz. 13.126. Vgl. Benecke/Schnittker in W/R/S2, Rz. 13.124. Gleiches gilt für § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG a.F., der noch keine tatsächliche Buchwertfortführung im Ausland gefordert hat.

Engel/Engelmann | 295

5.84

Kap. 5 Rz. 5.85 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

III. Divergenzen bei der Einkünftequalifikation sowie der Einordnung von Umstrukturierungen

5.85 Besteuerungslücken können sich insbesondere dadurch ergeben, dass die beteiligten Staaten die Umstrukturierung steuerlich unterschiedlich einordnen, die im Zuge der Umstrukturierung entstehenden Einkünfte unter verschiedene Abkommensnormen subsumieren und/oder die Einkünfte verschiedenen Personen zurechnen. Im Hinblick auf den Anwendungsbereich von Switch-over-Klauseln sind Konstellationen, in denen Qualifikations- oder Zurechnungskonflikte1 entstehen, und Fallgruppen, in denen dies nicht der Fall ist, voneinander zu unterscheiden. Beispiel 2: Der in Deutschland ansässige A ist an der Personengesellschaft P im DBA-Freistellungsstaat P beteiligt. Sämtliche Betriebsstätten der P befinden sich in Staat P. Die Personengesellschaft wird formwechselnd in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt. Da Staat P Personengesellschaften als Körperschaftsteuersubjekte behandelt, knüpft er an den Formwechsel keine steuerlichen Folgen.

5.86 Abkommensrechtliche Behandlung. Deutschland besteuert den Formwechsel wegen des Übergangs vom Transparenz- zum Trennungsprinzip wie eine übertragende Umwandlung. Aus deutscher Sicht ergibt sich mithin in Person des A ein Einbringungsgewinn, der gem. Art. 13 Abs. 2 in Staat P besteuert werden kann. In Deutschland wäre der Gewinn grundsätzlich freizustellen. Ein Qualifikationskonflikt liegt nicht vor, weil sich die Nichtbesteuerung in Staat P nicht aus einer abweichenden Abkommensanwendung ergibt. Grund für die fehlende Besteuerung in Staat P ist vielmehr, dass nach dessen innerstaatlichem Steuerrecht kein steuerbarer Vorgang gegeben ist. 5.87 Anwendung der Vorbehaltsklauseln. Fehlt es wie in Beispiel 2 im anderen Staat an steuerbaren Einkünften, liegt eindeutig keine Besteuerung der Einkünfte im anderen Staat vor,2 so dass hier eine Subject-to-tax-Klausel eingreifen würde. Die innerstaatlichen Subject-to-tax-Klauseln in § 50d Abs. 9 Nr. 2, 3 EStG sind nicht einschlägig. Eine im anwendbaren DBA vorhandene Switch-over-Klausel oder § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG wären in dieser Konstellation nicht anwendbar, da diese Vorschriften voraussetzen, dass die Nichtbesteuerung Folge eines Qualifikations- oder Zurechnungskonflikts ist (Rz. 5.75). Eine Aktivitätsklausel kann im Beispielsfall der Freistellung des Veräußerungsgewinns entgegenstehen, wenn vor der Umwandlung in der Personengesellschaft ausschließlich oder fast ausschließlich passive Tätigkeiten ausgeübt wurden. In Bezug auf § 20 Abs. 2 AStG ergeben sich die gleichen Implikationen wie in Beispielsfall 1, weshalb an dieser Stelle auf die Ausführungen verwiesen werden soll (Rz. 5.84).

1 Da Zurechnungskonflikte insbesondere im Zusammenhang mit sog. hybriden Gesellschaften entstehen und diese an anderer Stelle ausführlich behandelt werden (s. Kapitel 19), soll hier nicht näher auf solche Konflikte eingegangen werden. 2 Vgl. Meretzki in W/R/S2, Rz. 15.27; BMF v. 20.6.2013 – IV B 2 - S 1300/09/10006, BStBl. I 2013, 980 Rz. 2.3 Buchst. b.; vgl. zu alledem auch Schänzle/Engel, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Rz. 6.115 ff.

296 | Engel/Engelmann

E. Vorbehaltsklauseln bei DBA-Freistellung | Rz. 5.90 Kap. 5

Qualifikationskonflikt. Gerade in Bezug auf die Anwendung von Switch-over-Klauseln ist der nachstehende Sachverhalt von einer Fallkonstellation, wie sie in Beispiel 2 angenommen wurde, zu unterscheiden:

5.88

Beispiel 3: Die in Deutschland ansässige X GmbH unterhält eine Betriebsstätte im DBA-Freistellungsstaat B. Die X GmbH wird unter Aufdeckung stiller Reserven auf die ebenfalls in Deutschland ansässige Y GmbH verschmolzen. Im Betriebsvermögen der X GmbH befinden sich u.a. einige Beteiligungen, von denen im Rahmen der inländischen Besteuerung ausgegangen wird, dass sie der Betriebsstätte in Staat B zuzuordnen sind. Der Staat B geht dagegen von einer Zuordnung dieser Beteiligung zur deutschen Geschäftsleitungsbetriebsstätte (auch „Stammhaus“) der X GmbH aus.

Abkommensrechtliche Behandlung. Aus deutscher Sicht ergibt sich bezüglich der Beteiligungen bei der X GmbH ein Übertragungsgewinn, der gem. Art. 13 Abs. 2 in Staat B besteuert werden kann und annahmegemäß grundsätzlich von der deutschen Besteuerung auszunehmen sein soll. Staat B nimmt dagegen einen Veräußerungsgewinn i.S.v. Art. 13 Abs. 5 an und geht damit von einem ausschließlichen Besteuerungsrecht der BRD aus. Es entsteht mithin eine Besteuerungslücke. Ferner liegt ein Qualifikationskonflikt vor. Hierbei ist einerseits denkbar, dass die beteiligten Vertragsstaaten deshalb zu einer Anwendung unterschiedlicher Verteilungsnormen gelangen, weil sie das Kriterium der Zugehörigkeit zu einer Betriebsstätte im anderen Staat (Rz. 5.21) unterschiedlich interpretieren. In diesem Fall wäre ein Auslegungskonflikt gegeben. Andererseits können die beiden Staaten bei der Auslegung des Abkommens auch von übereinstimmenden rechtlichen Grundsätzen ausgehen, die tatsächlichen Gegebenheiten jedoch unterschiedlich bewerten. Eine solche Konstellation wäre ein Beispiel für einen Sachverhaltskonflikt.

5.89

Anwendung der Vorbehaltsklauseln. In Beispiel 3 liegt aufgrund der insoweit maßgeblichen Einheitsbetrachtung keine Nichtbesteuerung i.S.d. Subject-to-tax-Klauseln vor. Denn Staat B besteuert die Einkünfte i.S.d. Art. 13 Abs. 2 zumindest teilweise, nämlich in Bezug auf die stillen Reserven der aus seiner Sicht der Betriebsstätte in B zuzurechnenden Wirtschaftsgüter. Lediglich hinsichtlich der Beteiligungen ergibt sich eine Besteuerungslücke. Anders die unilaterale Subject-to-tax-Klausel des § 50d Abs. 9 Nr. 3 EStG, die (auch) an Einkünfteteile anknüpft und vorliegend Anwendung findet, da der DBA-Freistellungsstaat B den Veräußerungsgewinn insoweit nur deswegen nicht besteuert, weil er die zugrunde liegenden Beteiligungen einer Betriebsstätte in einem anderen Staat, hier der Geschäftsleitungsbetriebsstätte (auch „Stammhaus“) in Deutschland, zuordnet. Da bei den Switch-over-Klauseln keine Einheitsbetrachtung erfolgt, sondern allein auf die unterschiedlich qualifizierten Einkünfte abzustellen ist, liegt i.S. dieser Normen eine Nichtbesteuerung vor. Da Switch-overKlauseln auch auf Sachverhalts- und Auslegungskonflikte anwendbar sind (Rz. 5.75), würde eine solche Klausel hier einer Freistellung dieses Teils des Gewinns von der deutschen Besteuerung entgegenstehen. Ferner kann eine abkommensrechtliche Aktivitätsklausel oder § 20 Abs. 2 AStG die Freistellung ausschließen, wenn in der Betriebsstätte „passive“ Tätigkeiten ausgeübt werden.

5.90

Engel/Engelmann | 297

Kap. 5 Rz. 5.91 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

F. Rückwirkungsfiktionen 5.91 Problematik. Zur Erleichterung von Umwandlungen sehen viele Rechtsordnungen sowohl für das Zivil- bzw. Handelsrecht als auch steuerlich sog. Rückwirkungsfiktionen vor, nach denen bestimmte Wirkungen einer Umstrukturierung bereits zu einem vor dem tatsächlichen Vollzug der Maßnahme liegenden Zeitpunkt eintreten. So lässt das deutsche Umwandlungssteuerrecht für die Mehrzahl der in seinen Anwendungsbereich fallenden Umstrukturierungen eine steuerliche Rückbeziehung zu, d.h., Einkommen und Vermögen der an der Umstrukturierung beteiligten Rechtsträger sind so zu ermitteln bzw. können so ermittelt werden, als ob diese bereits zu einem früheren Zeitpunkt vollzogen wurde. Bei internationalen Umstrukturierungen kann der im deutschen Recht vorgesehene (maximale) Rückwirkungszeitraum auf einen abweichenden Zeitraum in einem anderen Staat treffen. Möglicherweise lässt das Recht des anderen Staates auch überhaupt keine Rückbeziehung zu. Im Hinblick auf die zivil- bzw. handelsrechtliche Wirksamkeit von Umwandlungsvorgängen kann es dabei nicht zu einer Kollision kommen, da sich der Zeitpunkt der zivil- bzw. handelsrechtlichen Wirksamkeit einer Umwandlung nach dem Recht des Sitzstaates des übertragenden Rechtsträgers richtet.1 Steuerlich besteht dagegen keine solche Bindungswirkung. Da diesbezüglich auch keine europäische Harmonisierung durch die FRL vorgesehen ist, können insoweit auch innerhalb der EU unterschiedliche Regelungen aufeinandertreffen.2 Dadurch kann sich hinsichtlich der im Rückwirkungszeitraum erzielten laufenden Gewinne potentiell eine Besteuerungslücke oder eine Doppelbesteuerung ergeben. 5.92 Fallgruppen.3 – Eine Besteuerungslücke ist grundsätzlich z.B. denkbar, soweit: – bei einer Herausübertragung das ausländische Steuerrecht von keinem oder einem kürzeren Rückwirkungszeitraum als das deutsche Recht ausgeht (keine Rückwirkung kennen z.B. Finnland oder die USA; von einem kürzeren Rückwirkungszeitraum geht z.B. Belgien mit 7 Monaten aus).4 In diesem Fall werden die Einkünfte beim übertragenden Rechtsträger im Rahmen der deutschen Besteuerung nicht mehr und beim übernehmenden Rechtsträger in dessen Sitzstaat noch nicht besteuert. – bei einer Hereinübertragung das ausländische Steuerrecht von einem längeren Rückwirkungszeitraum ausgeht (z.B. Österreich mit 9 Monaten, die Niederlande mit 12 Monaten oder Schweden mit 18 Monaten).5 In dieser Konstellation 1 Vgl. Frotscher in F/D, § 2 UmwStG Rz. 117. 2 Vgl. für eine Übersicht über die verschiedenen Rückwirkungszeiträume in den EU-Staaten von Brocke/Goebel/Ungemach/von Cossel, DStZ 2011, 684 (684). 3 Zu weiteren denkbaren Konstellationen vgl. Schafitzl/Widmayer, BB-Special 8/2006, 36 (39). 4 Zu beachten ist, dass der Rückwirkungszeitraum nach dem deutschen Umwandlungssteuerrecht in 2020 und 2021 nicht 8 Monate, sondern 12 Monate betragen hat (s. Kapitel 1 Rz. 1.62). 5 Zu beachten ist, dass der Rückwirkungszeitraum nach dem deutschen Umwandlungssteuerrecht in 2020 und 2021 nicht 8 Monate, sondern 12 Monate betragen hat (s. Kapitel 1 Rz. 1.62).

298 | Engel/Engelmann

F. Rückwirkungsfiktionen | Rz. 5.95 Kap. 5

werden die Einkünfte beim übertragenden Rechtsträger im Ausland schon nicht mehr besteuert, während sie im Inland beim übernehmenden Rechtsträger steuerlich noch nicht erfasst werden. – Eine Doppelbesteuerung könnte sich dagegen z.B. insoweit ergeben als: – bei einer Herausübertragung das ausländische Steuerrecht von einem längeren Rückwirkungszeitraum als das deutsche Recht ausgeht.1 In diesem Fall besteuert der ausländische Staat die Einkünfte bereits beim übernehmenden Rechtsträger, während diese in Deutschland noch beim übertragenden Rechtsträger der Besteuerung unterliegen. – bei einer Hereinübertragung das ausländische Steuerrecht von keinem oder einem kürzeren Rückwirkungszeitraum ausgeht, da dann die Einkünfte noch beim übertragenden Rechtsträger der Besteuerung unterliegen, während sie im Inland bereits beim übernehmenden Rechtsträger steuerlich erfasst werden. Besteuerungslücken. Entstehen durch abweichende Rückwirkungszeiträume Besteuerungslücken, liegt dies letztlich daran, dass beide Staaten die (laufenden) Einkünfte der an der Umstrukturierung beteiligten Rechtsträger schon nach ihrem originär innerstaatlichen Steuerrecht nicht besteuern. Da das Abkommensrecht allgemein keine Steueransprüche begründen kann, ist insoweit keine abkommensrechtliche Problematik gegeben. Insbesondere stellt sich nicht die Frage nach der Anwendung abkommensrechtlicher Subject-to-Tax- oder Switch-over-Klauseln. Vielmehr kommt – aus deutscher Perspektive – allein eine Anwendung der Vorschrift des § 2 Abs. 3 UmwStG (s. Kapitel 1 Rz. 1.65) in Betracht.

5.93

Problem der Doppelbesteuerung. Droht durch abweichende Rückwirkungszeiträume eine Doppelbesteuerung zu entstehen, stellt sich die Frage, ob das Abkommen dies zu vermeiden vermag. Hierbei ist zu bedenken, dass sich durch eine übertragende Umwandlung – bspw. im Wege der Verschmelzung – die Zuordnung des Betriebsvermögens ändert. Das Betriebsvermögen geht von einem Steuersubjekt auf ein anderes Steuersubjekt über. Für das Abkommensrecht ist dies gleichbedeutend mit einem Übergang des seither vom übertragenden Rechtsträger betriebenen Unternehmens (Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA) auf den übernehmenden Rechtsträger. Bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung erfolgt mithin ein Wechsel in der abkommensrechtlichen Unternehmenszuordnung.

5.94

Hinausverschmelzung. Im Falle einer Hinausverschmelzung wird aus einem i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA „deutschen“ Unternehmen ein „ausländisches“ Unternehmen. Dies wirkt sich insbesondere innerhalb des dualen Verteilungsmechanismus des Art. 7 OECD-MA (Rz. 5.12) aus. Während Deutschland nach dem Abkommen mit dem Ansässigkeitsstaat des übernehmenden Rechtsträgers zuvor ein umfassendes Besteuerungsrecht nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA hatte, kommt

5.95

1 Solche Konstellationen lassen sich größtenteils vermeiden, da auch die Rückwirkungsregelungen anderer Staaten zumeist als Wahlrecht ausgestaltet sind, vgl. Ettinger/Königer, GmbHR 2009, 590 (594).

Engel/Engelmann | 299

Kap. 5 Rz. 5.95 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen

der BRD nach der Umstrukturierung gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA nur noch ein Besteuerungsrecht für etwaige auf seinem Territorium liegende Betriebsstätten zu. Für Betriebsstätten außerhalb der BRD verliert Deutschland folglich sein Besteuerungsrecht. Der Ansässigkeitsstaat des übernehmenden Rechtsträgers hatte hingegen vor der Umwandlung lediglich für den Teil des Unternehmensgewinns, der auf in seinem Territorium liegende Betriebsstätten entfällt, ein Besteuerungsrecht nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA. Durch den Wechsel in der abkommensrechtlichen Unternehmenszuordnung ergibt sich für diesen Staat nun aus Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECDMA ein unbeschränktes Besteuerungsrecht. Im Ergebnis wächst dem Ansässigkeitsstaat des übernehmenden Rechtsträgers somit ein Besteuerungsrecht für nicht auf seinem Territorium belegene Betriebsstätten des übertragenden Rechtsträgers zu. Wie bereits in Rz. 5.92 ausgeführt, droht eine Doppelbesteuerung, wenn das ausländische Steuerrecht hierbei von einem längeren Rückwirkungszeitraum ausgeht.

5.96 Hereinverschmelzung. Bei einer Hereinverschmelzung wird aus einem i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA „ausländischen“ Unternehmen ein „deutsches“ Unternehmen im abkommensrechtlichen Sinne. Während der Ansässigkeitsstaat des übertragenden Rechtsträgers zuvor ein umfassendes Besteuerungsrecht nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA hatte, kann er nach der Umstrukturierung nur noch auf den in seinem Hoheitsgebiet liegende Betriebsstätten entfallenden Teil des Unternehmensgewinns steuerlich zugreifen; für sämtliche außerhalb seines Gebiets liegenden Betriebsstätten verliert er folglich sein Besteuerungsrecht. Deutschland hatte in dieser Konstellation hingegen vor der Verschmelzung lediglich für die auf seinem Territorium liegenden Betriebsstätten ein Besteuerungsrecht nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA. Aus dem Wechsel in der abkommensrechtlichen Unternehmenszuordnung ergibt sich für die BRD nun ein unbeschränktes Besteuerungsrecht nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA. Im Ergebnis wächst dem deutschen Staat somit ein Besteuerungsrecht hinsichtlich des nicht auf die in seinem Territorium belegenen Betriebsstätten entfallenden Teils des Unternehmensgewinns zu. Wie bereits in Rz. 5.92 dargestellt wurde, kann sich in diesem Fall eine Doppelbesteuerung ergeben, wenn das ausländische Steuerrecht einen kürzeren steuerlichen Rückwirkungszeitraum annimmt. 5.97 Relevanz des tatsächlich verwirklichten Sachverhalts? Einzelne Autoren sprechen den steuerlichen Rückwirkungsfiktionen eine Wirkung für Zwecke des Abkommens ab. Begründet wird dies mit dem Argument, das Abkommensrecht gehe stets von dem tatsächlich verwirklichten Sachverhalt aus, innerstaatliche Fiktionen – wie die Regelungen zur steuerlichen Rückbeziehung – seien somit abkommensrechtlich nicht von Bedeutung.1 Nach dieser Sichtweise wäre bei grenzüberschreitenden Umwandlungen für Zwecke des Abkommens keine der in den beteiligten Staaten vorgesehenen Rückwirkungsfiktionen zu berücksichtigen. Der in Rz. 5.94 beschriebene Zuordnungswechsel würde sich folglich erst zum Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Umwandlung vollziehen. Damit könnte einerseits in den oben angesproche-

1 Vgl. Klingberg/van Lishaut, DK 2005, 698 (710) (van Lishaut).

300 | Engel/Engelmann

F. Rückwirkungsfiktionen | Rz. 5.99 Kap. 5

nen Konstellationen (Rz. 5.92) keine Doppelbesteuerung mehr entstehen. Andererseits würde sich für den Zeitraum, indem die beiden Staaten den Unternehmensgewinn übereinstimmend bereits rückwirkend dem übernehmenden Rechtsträger zuordnen, gerade aufgrund dieser Sichtweise eine Besteuerungslücke ergeben. Anwendung der Rückwirkungsfiktionen auch auf Abkommensebene. Die besseren Argumente sprechen u.E. dafür, dass jeder der beteiligten Staaten im Rahmen der abkommensrechtlichen Unternehmenszuordnung jeweils von seinen Rückwirkungsregelungen ausgehen kann. Für eine Maßgeblichkeit der Rückbeziehungsregelungen auch für das Abkommensrecht spricht insbesondere das Urteil des BFH v. 25.5.2011,1 in dem der I. Senat im Zusammenhang mit der Besteuerung von Einkünften aus einer in ihrem Sitzstaat intransparent besteuerten Personengesellschaft ausführt, dass die abkommensrechtliche Unternehmenszuordnung der Zurechnung der Einkünfte folge, welche sich ihrerseits dem Regelungsbereich des Abkommens entziehe und dementsprechend nach den Wertungen des originär innerstaatlichen Rechts des jeweiligen Anwenderstaats vorzunehmen sei.2 Diese Grundsätze wurden zwar zu einer anderen Problematik herausgearbeitet, sie lassen sich aber dahingehend verallgemeinern, dass das Unternehmen stets von der Person „betrieben“ wird, der nach dem innerstaatlichen Recht des jeweiligen Anwenderstaats die entsprechenden Einkünfte zuzurechnen sind.3 Wenn jedoch die abkommensrechtliche Unternehmenszuordnung aus der Zurechnung der Einkünfte nach innerstaatlichem Steuerrecht abzuleiten ist, gibt es u.E. keinen Grund dafür, die dort vorgesehenen Fiktionen des innerstaatlichen Steuerrechts nicht auch auf das Abkommen durchschlagen zu lassen. In der Vermeidung einer sich durch abweichende Rückwirkungsfiktionen möglicherweise ergebenden Doppelbesteuerung kann jedenfalls keine hinreichende Begründung dafür gesehen werden, die Rückwirkungsfiktionen im Rahmen der Abkommensanwendung unberücksichtigt zu lassen. Denn eine generelle Nichtberücksichtigung hätte zur Folge, dass in dem Zeitraum, in dem beide Staaten den Unternehmensgewinn rückwirkend dem übernehmenden Rechtsträger zurechnen, die abkommensrechtliche Unternehmenszuordnung der (übereinstimmenden!) Einkünftezurechnung in beiden Vertragsstaaten widerspricht. Dies ließe sich u.E. weder mit dem Sinn und Zweck des Abkommens noch mit dessen Systematik vereinbaren.

5.98

Anwendung des Methodenartikels. Die in den o.g. Konstellationen (Rz. 5.92) drohende Doppelbesteuerung kann zumindest in einigen Fällen (teilweise) durch die Anwendung des Methodenartikels vermieden werden. Von Bedeutung ist dabei zum einen, welche Methode das Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Freistellung oder Anrechnung) vorsieht. Zum anderen hat die territoriale Abgrenzung des Unternehmensgewinns einen maßgeblichen Einfluss darauf, ob die Doppelbesteuerung zumindest teilweise vermieden werden kann.

5.99

1 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 2 Vgl. zu den Folgerungen aus diesem Urteil Prinz, FR 2012, 381 ff.; Engel/Hilbert, FR 2012, 394 ff. 3 Vgl. Engel/Hilbert, FR 2012, 394 (397).

Engel/Engelmann | 301

Kap. 5 Rz. 5.99 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen Beispiel 4: Die in Deutschland ansässige X GmbH verfügt über eine (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätte in Deutschland, eine weitere Betriebsstätte in Staat Y sowie über eine Betriebsstätte in DBA-Freistellungsstaat und EU-Mitgliedstaat Z. Die X GmbH soll auf die in Z ansässige Z Corp verschmolzen werden. Staat Z geht von einem längeren Rückwirkungszeitraum als Deutschland aus. Der Methodenartikel soll folgenden Wortlaut haben: „Von der Besteuerung [in Deutschland bzw. in Staat Z] werden die aus dem anderen Staat stammenden Einkünfte und die dort belegenen Vermögenswerte ausgenommen, die nach dem Abkommen im anderen Staat besteuert werden können.“

5.100 Vermeidung der Doppelbesteuerung. Für den Zeitraum, in dem in Deutschland und in Staat Z eine divergierende Einkünftezurechnung erfolgt, gilt für die Abkommensanwendung durch Deutschland Folgendes: I.S.d. Methodenartikels „stammt“ aus dem Staat Z nur der Teil des Unternehmensgewinns, der einer Betriebsstätte in diesem Staat zuzurechnen ist.1 Da diese Einkünfte – aus deutscher Sicht gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA – im anderen Staat besteuert werden können, sind sie von der deutschen Besteuerung freizustellen. Für Staat Z gilt Entsprechendes. Aus seiner Sicht „stammen“ nur die der deutschen Betriebsstätte zuzurechnenden Gewinne aus Deutschland. Diese können – aus der Sicht des Staates Z gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA – in Deutschland besteuert werden, so dass insoweit eine Freistellung von der Steuer in Staat Z zu gewähren ist. Für die Gewinne, die der Betriebsstätte in Staat Y zuzurechnen sind, bleibt es damit dabei, dass neben Staat Y zunächst2 auch Deutschland und Staat Z auf den Gewinn steuerlich zugreifen. Insoweit bliebe die Doppel- bzw. Mehrfachbesteuerung prinzipiell bestehen. Abhilfe ließe sich nur durch die Einleitung eines Verständigungsverfahrens nach Art. 25 OECD-MA schaffen.3 5.101 Problematik im Anrechnungsfall. Sieht das DBA im Methodenartikel nicht die Freistellungs-, sondern die Anrechnungsmethode vor, stellt sich die Frage, ob die im Ausland erhobene Steuer angerechnet werden kann. Beispiel 5: Der Sachverhalt entspricht dem des Beispiels 4 (Rz. 5.99). Nur soll für die Unternehmensgewinne nicht die Freistellungs-, sondern die Anrechnungsmethode Anwendung finden.

5.102 Vermeidung der Doppelbesteuerung. Für den Zeitraum, in dem in Deutschland und in Staat Z eine divergierende Einkünftezurechnung erfolgt, stellt sich aus deutscher Sicht die Frage, ob die in Staat Z von der Z Corp gezahlte Steuer auf die inländische Steuer der X GmbH angerechnet werden kann, soweit sie auf den der Betriebsstätte in Staat Z zuzuordnenden Gewinn entfällt. Für Staat Z ist in gleicher Weise fraglich, ob die in Deutschland von der X GmbH entrichtete Steuer (teilweise) bei der Besteuerung der Z Corp durch eine Anrechnung berücksichtigt werden kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Steueranrechnung auch abkommensrechtlich Steuer1 Vgl. zum Begriff des „Stammens aus dem anderen Vertragsstaat“ Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 43. 2 Eine Freistellung in Deutschland kann sich aber aus dem Abkommen zwischen Deutschland und Staat Y ergeben. Zudem kann sich aus dem DBA zwischen Staat Z und Staat Y eine Steuerfreiheit in Staat Z ergeben. 3 Vgl. Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (455); Dötsch in D/P/M, § 2 UmwStG Rz. 88.

302 | Engel/Engelmann

F. Rückwirkungsfiktionen | Rz. 5.105 Kap. 5

subjektidentität voraussetzt. Eine solche ist vorliegend nicht gegeben. Die Finanzverwaltung1 lässt zwar im Anschluss an den Musterkommentar2 im Falle einer intransparenten Besteuerung einer Personengesellschaft im Ausland eine Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer des inländischen Mitunternehmers zu, so dass insoweit keine streng steuersubjektbezogene Betrachtung erfolgt, was für eine Anrechnung auch in der vorliegenden Konstellation sprechen könnte. Allerdings begründet der Musterkommentar die Verpflichtung des Ansässigkeitsstaat zur Anrechnung in der genannten Personengesellschaftkonstellation damit, dass ein Staat, der das Ergebnis der Personengesellschaft an den Gesellschafter steuerlich durchleitet, für Zwecke der Steueranrechnung auch die Steuer durchzuleiten habe.3 Diese Sichtweise lässt sich auf die im Beispielsfall gegebene Konstellation nicht übertragen. Deshalb bleibt es hier dabei, dass eine Anrechnung am Tatbestandsmerkmal der Steuersubjektidentität scheitert und es somit in Beispielsfall 5 zu einer Doppel- bzw. Mehrfachbesteuerung hinsichtlich des gesamten in dem Zeitraum der abweichenden Einkünftezurechnung erzielten Unternehmensgewinns kommt. Abhilfe kann hier nur die Einleitung eines Verständigungsverfahrens nach Art. 25 OECDMA schaffen.4 Zuordnungsfragen bei anderen Einkunftsarten. Vorstehend wurde stets davon ausgegangen, dass ausschließlich Unternehmensgewinne i.S.v. Art. 7 OECD-MA erzielt werden. Bei anderen Einkunftsarten stellt sich die Problematik der Doppelbesteuerung und deren Vermeidung jedoch nicht grundlegend anders dar.

5.103

Beispiel 6: Der Grundsachverhalt entspricht dem des Beispiels 4 (Rz. 5.99). Die X GmbH soll aber neben Unternehmensgewinnen Einkünfte aus der Vermietung eines in Staat Z belegenen Grundstücks beziehen. Das DBA zwischen Deutschland und Staat Z sieht in dem entsprechenden Verteilungsartikel für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen ein ausschließliches Besteuerungsrecht des Belegenheitsstaates vor.

Keine Doppelbesteuerung. Hinsichtlich der Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen ergibt sich in dem Zeitraum der divergierenden Einkünftezurechnung keine Doppelbesteuerung, da die Einkünfte aus deutscher Sicht nach dem Verteilungsartikel nicht in Deutschland besteuert werden können. Die Vermietungseinkünfte unterliegen nur in Staat Z bei der Z Corp der Besteuerung.

5.104

Problematik im Anrechnungsfall. Sieht das DBA keine Freistellung, sondern die Anrechnungsmethode vor, stellt sich wie bei Unternehmensgewinnen die Frage, ob die im anderen Staat erhobene Steuer angerechnet werden kann.

5.105

Beispiel 7: Der Grundsachverhalt entspricht dem des Beispiels 4 (Rz. 5.99). Neben Unternehmensgewinnen soll die X GmbH aber Einkünfte aus der Vermietung eines in Staat Z belegenen Grund-

1 2 3 4

Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV V 5 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, 1258 Rz. 4.1.4.1. Vgl. Art. 23 Rz. 69.2 OECD-MK (2017). Vgl. Art. 23 Rz. 69.2 OECD-MK (2017). Vgl. Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (455); Dötsch in D/P/M, § 2 UmwStG Rz. 88.

Engel/Engelmann | 303

Kap. 5 Rz. 5.105 | Abkommensrechtliche Grundfragen bei Umstrukturierungen stücks beziehen. Das DBA zwischen Deutschland und Staat Z folgt in seinem Aufbau dem OECD-MA. Der Methodenartikel sieht für die Vermeidung der Doppelbesteuerung in Bezug auf Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen die Anrechnungsmethode vor.

5.106 Entstehung einer Doppelbesteuerung. In Beispielsfall 7 entsteht hinsichtlich der Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen für den Zeitraum, in dem es in den beiden Staaten zu einer abweichenden Einkünftezurechnung kommt, eine Doppelbesteuerung. Sowohl Deutschland als auch Staat Z besteuern die Vermietungseinkünfte jeweils als Ansässigkeitsstaat. Eine Anrechnung der in Staat Z von der Z Corp gezahlten Steuer auf die deutsche Steuer kommt mangels Steuersubjektidentität nicht infrage. Aus der Sicht des Staates Z kommt eine Anrechnung von vornherein nicht in Betracht, da aus seiner Sicht ein rein innerstaatlicher Sachverhalt vorliegt. Eine Lösung kann hier nur im Rahmen eines Verständigungsverfahrens nach Art. 25 OECD-MA gefunden werden.1

G. Zusammenfassung 5.107 Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass sich die Anwendung eines DBA auf Einkünfte, die im Zusammenhang mit Umstrukturierungen entstehen, nicht grundlegend anders darstellt als die Anwendung eines Abkommens auf andere („laufende“) Einkünfte. So kann ungeachtet der Komplexität, die Umstrukturierungen mit internationalem Bezug im Allgemeinen aufweisen, bei der DBA-Anwendung stets auf dasselbe Prüfungsschema zurückgegriffen werden. Da es insbesondere durch Unterschiede im jeweiligen innerstaatlichen Recht der Vertragsstaaten in Umwandlungsfällen potentiell zu Besteuerungslücken sowie Doppel- bzw. Mehrfachbesteuerungen kommen kann, sind gerade Subject-to-tax- und Switch-over-Klauseln in Umwandlungsfällen von hoher Bedeutung. Diesen Klauseln und den damit zusammenhängenden Anwendungsfragen sollte daher besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.

1 Vgl. Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (455); Dötsch in D/P/M, § 2 UmwStG Rz. 88.

304 | Engel/Engelmann

Kapitel 6 Gestaltungsgrenzen internationaler Umstrukturierungen: angestrebte Statusverbesserungen und Abwehrmaßnahmen gegen „weiße Einkünfte“ A. Überblick: Typisierte Missbrauchsabwehr gegen Erlangung umstrukturierungsbedingter Steuervorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 B. Umwandlungssteuerrechtliche Gestaltungsgrenzen bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen I. Verhinderung sog. weißer Einkünfte im Rückwirkungszeitraum (§§ 2 Abs. 3, 20 Abs. 6 Satz 4, 24 Abs. 4 UmwStG) 1. Voraussetzungen und Rechtsfolgen von § 2 Abs. 3 UmwStG 6.2 2. Vorprüfung: Anwendung der Rückwirkungsregelungen dem Grunde nach . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 3. Bestimmung des Umwandlungsstichtags i.S.d. § 2 Abs. 1 UmwStG bei Umstrukturierungen mit Auslandsbezug . . . . . . 6.6 4. Reduzierung des Risikos der Anwendung von § 2 Abs. 3 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7 II. Einschränkungen bei der Berücksichtigung von Übernahmeverlusten (§ 4 Abs. 6 Satz 6 UmwStG) . . 6.9 III. Grenzen bei Spaltungsvorgängen i.S.d. § 15 UmwStG 1. Schaffung der Teilbetriebsvoraussetzungen bei Spaltungsvorgängen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.10 2. Nachspaltungsveräußerungssperre (§ 15 Abs. 2 Satz 2 bis 4 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.14

IV. Vorbehaltensfrist bei der Trennung von Gesellschafterstämmen (§ 15 Abs. 2 Satz 5 UmwStG) . . . . . . . . . 6.19 V. Verhinderung einer gewerbesteuerfreien Betriebsbeendigung im Anschluss an Umstrukturierungen (§ 18 Abs. 3 UmwStG) . . . . . . . . . . 6.20 VI. Verhinderung von Statusverbesserungen durch Einbringungen (Einbringungsgewinn I und II) . . 6.22 VII. Verhinderung von Statusverbesserungen bei der Umstrukturierung von Mitunternehmerschaften (§ 6 Abs. 5 Sätze 5 und 6 EStG) . . 6.24 VIII. Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) als Sonderfall im umwandlungssteuerlichen Kontext . . . . . . . . . . . . 6.26 C. Allgemeine Gestaltungsgrenzen bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen I. Mißbrauchsabwehr im Zusammenhang mit Kapitalertragsteuer bei grenzüberschreitenden Strukturen (§ 50d Abs. 3 EStG) . . . . . . . . . 6.27 II. Verhinderung von abgeschirmten Auslandseinkünften bei Niedrigbesteuerung (§§ 7 ff. AStG) . . . . . 6.29 III. Grenzen der Gewerbesteuerfreiheit bei ausländischen Inlandsimmobiliengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . 6.31 IV. Grenzen der Anwendung des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.32 D. Zusammenfassendes Ergebnis . . 6.35

Literatur: Beinert/Süßmann/Ferrenberg, Ausgewählte Fragestellungen zur Wegzugsbesteuerung natürlicher Personen, Ubg 2020, 479; Beinert/Maucher, Ausgewählte Praxisfragen zum Ort der Geschäftsleitung, DB 2023, 219; von Brocke/Goebel/Ungemach/von Cossel, Zur steuer-

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Kap. 6 Rz. 6.1 | Abwehrmaßnahmen gegen weiße Einkünfte lichen Rückwirkung bei grenzüberschreitenden Umwandlungsvorgängen, DStZ 2011, 684; Dötsch/Pung, SEStEG: Die Änderungen des UmwStG, DB 2006, 2704; Drüen, Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) und Korrektur rechtspolitischer Fehler – Teil 1, Ubg 2022, 61; Teil 2, Ubg 2022, 121; Eilers/Roderburg, Neuer Anwendungsbereich von § 42 AO bei Umstrukturierungen und Spaltungen? – Jubiläumsbeitrag zu 10 Jahren ISR, ISR 2022, 303; Goebel/Ungemach/Glaser, Steuerrechtliche Rückwirkung bei grenzüberschreitenden Umwandlungsvorgängen, DStZ 2009, 854; Häck, Wegzug natürlicher Personen mit sperrfristbehafteten Anteilen i.S.v. § 22 Abs. 1 UmwStG, IStR 2018, 929; Kahlenberg, Aktuelle Entwicklungen im Bereich der Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) – Zugleich Anmerkungen zu dem Referententwurf eines ATADUmsG, IStR 2020, 378; Kraft, Gewerbesteuerliches Gestaltungspotential und Gewerbesteuerfallen bei Umwandlungen im Kontext von Inbound-Investments, IStR 2012, 528; Link, Umstrukturierung und Missbrauchsabwehr, DStJG 43 (2020), 391; Schwemmer, Der Rechtstypenvergleich im Internationalen Steuerrecht, StuW 2023, 82; Staccioli/Kunert, Einfache verdeckte Gewinnausschüttungen bei ausländischen, nicht vergleichbaren Umwandlungsvorgängen in der neuen Hinzurechnungsbesteuerung, ISR 2022, 321; Töben/Schrepp, Geschäftsleitungsbetriebsstätte – Irrtümer und Klarstellungen, DStR 2023, 305; Wernsmann/Desens, Gleichheitswidrige Gewerbesteuernachbelastung durch ein Nichtanwendungsgesetz – zur Verfassungswidrigkeit des § 18 Abs. 3 UmwStG i.d.F. JStG 2008, DStR 2008, 221.

A. Überblick: Typisierte Missbrauchsabwehr gegen Erlangung umstrukturierungsbedingter Steuervorteile 6.1 Bei internationalen Umstrukturierungen in ihren drei Erscheinungsformen – Inlandsumstrukturierung mit Auslandsbezug, Auslandsumstrukturierung mit Inlandsbezug und grenzüberschreitender Umstrukturierung – sind stets mehrere Jurisdiktionen berührt, die in unterschiedlicher Weise auf das jeweilige Besteuerungssubstrat zugreifen. Da meist hohe stille Reserven betroffen sind, benötigen die Unternehmen auf der einen Seite „Tax Certainty“1 Auf der anderen Seite müssen die betroffenen Fisci umstrukturierungsbedingte Gestaltungsmißbräuche in Gestalt etwaiger Steuerausfälle durch Rechtsfriktionen, hybride Strukturen oder unbesteuerte Einkünfte bewirkende Zuständigkeitswechsel im Steuerzugriff verhindern. Im Folgenden sollen einige Gestaltungsgrenzen internationaler Umstrukturierungen exemplarisch aufgearbeitet werden. Im Grundsatz erfolgen Umstrukturierungen regelmäßig aus betriebswirtschaftlichen Gründen (Rz. 1.54 und Rz. 1.57). Nur in Sonderfällen werden sie gezielt zu steuerlichen Gestaltungszwecken eingesetzt. Dies kann u.U. in der Weise geschehen, dass eine gegenüber der Ausgangsstruktur steuerlich bessere Zielstruktur angestrebt wird (steuerliche Statusverbesserung). Diese Zielstruktur wird oftmals mittels Umstrukturierungsmaßnahmen erreicht. Das UmwStG sowie die sonstigen Vorschriften des Umstrukturierungssteuerrechts (z.B. § 6 Abs. 5 EStG) beinhalten Regelungen, die einer (exzessiven) Nutzung der Umstrukturierung zur steuerlichen Statusverbesserung entgegenwirken sollen (s. hierzu unter B.). In aller Regel wird dabei nicht die Steuerneutralität für eine bestimmte Zielstruktur versagt. Vielmehr wird die Steuer1 Vgl. Prinz, Rz. 1.82 sowie Frey/Schwarz, Kapitel 17.

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B. Umwandlungssteuerrechtl. Gestaltungsgrenzen | Rz. 6.2 Kap. 6

neutralität an bestimmte Behaltensbedingungen und -fristen geknüpft (z.B. § 22 Abs. 1 und Abs. 2 UmwStG) oder es werden bestimmte Steuersubjekte von der Steuerneutralität ausgeschlossen (z.B. § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG). Die meisten dieser Anforderungen im Rahmen der ertragsteuerlichen Neutralität sind nicht auf den nationalen Umstrukturierungsfall begrenzt und kommen daher auch in grenzüberschreitenden Fallkonstellationen zur Anwendung. Über diese Regelungen hinaus sind im Rahmen der Implementierung einer Zielstruktur auch Regelungen außerhalb des UmwStG zu beachten (allgemeine Gestaltungsgrenzen, s. hierzu unter C.). Relevant sind hier insbesondere einzelne Auslegungsfragen der einschlägigen Vorschriften im Rahmen der laufenden Besteuerung in der Zielstruktur. Bei jeder Form der steuerlichen Statusverbesserung, die in einer (grenzüberschreitenden) Zielstruktur angestrebt wird oder durch eine Umstrukturierungsmaßnahme erreicht werden kann, ist zu prüfen, ob eine Meldepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen i.S.d. § 138d ff. AO bzw. DAC 6 ausgelöst wird.1 Nur in Sonderfällen des Abzielens der Umstrukturierung auf die Erlangung steuerlicher Vorteile bestehen Meldepflichten. Dies bedarf der Prüfung im Einzelnen.

B. Umwandlungssteuerrechtliche Gestaltungsgrenzen bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen I. Verhinderung sog. weißer Einkünfte im Rückwirkungszeitraum (§§ 2 Abs. 3, 20 Abs. 6 Satz 4, 24 Abs. 4 UmwStG) 1. Voraussetzungen und Rechtsfolgen von § 2 Abs. 3 UmwStG § 2 Abs. 3 UmwStG (sog. Besteuerungslückentest) ist explizit auf grenzüberschreitende Umstrukturierungen zugeschnitten2 und sieht Einschränkungen bei der steuerlichen Rückwirkung vor, soweit bedingt durch die Umstrukturierung im Rahmen der Rückwirkung sog. weiße Einkünfte (= nicht besteuerte Einkünfte) entstehen (Rz. 1.12). Die Vorschrift ist ein „Paradebeispiel“ für eine bei internationalen Umstrukturierungen zu beachtende Gestaltungsgrenze. Nach § 2 Abs. 3 UmwStG sind die Regelungen zur rückwirkenden Einkünftezurechnung (§ 2 Abs. 1 und Abs. 2 UmwStG) nicht anzuwenden, soweit Einkünfte auf Grund abweichender Regelungen zur Rückbeziehung eines in § 1 Abs. 1 UmwStG bezeichneten Vorgangs in einen anderen Staat der Besteuerung entzogen werden. Im Einzelnen wird dafür vorausgesetzt: – das Vorliegen von abweichenden Regelungen zur Rückbeziehung in In- und Ausland, – das Bestehen einer Besteuerungslücke und 1 Vgl. hierzu näher Engelen in F/W/B, Außensteuerrecht, Stand 8/2022, § 138e, sowie mit weiteren Nachweisen Prinz, Rz. 1.80. 2 Vgl. auch §§ 20 Abs. 6 Satz 4 und 24 Abs. 4 UmwStG für Einbringungen von Unternehmensteilen in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft sowie Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Personengesellschaft.

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6.2

Kap. 6 Rz. 6.2 | Abwehrmaßnahmen gegen weiße Einkünfte

– eine kausale Verknüpfung zwischen abweichenden Regelungen zur Rückbeziehung und Besteuerungslücke.

6.3 Eine solche Besteuerungslücke bzw. eine teilweise Nichtbesteuerung aufgrund unterschiedlicher Regelungen zur Rückbeziehung i.S.d. § 2 Abs. 3 UmwStG kann sich ergeben, wenn das ausländische Steuerrecht einen anderen oder keinen steuerlichen Rückwirkungszeitraum vorsieht und/oder die bei einzelnen Geschäftsvorfällen im Rückwirkungszeitraum in Deutschland und im anderen Staat erzielten Einkünfte unterschiedlich steuerlich qualifiziert werden.1 Relevant wird § 2 Abs. 3 UmwStG daher insbesondere bei der Hinaus- und der Hereinumwandlung (z.B. grenzüberschreitende Verschmelzung). § 2 Abs. 3 UmwStG schließt in seiner Rechtsfolge die rückwirkende Einkünftezurechnung aus, soweit es zu Besteuerungslücken kommt. Im Übrigen bleibt die Rückwirkung erhalten. Beispiel 1:2 Eine GmbH mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in Deutschland soll handels- und gesellschaftsrechtlich zum 1.7.2023 auf eine im Ausland steuerlich ansässige Kapitalgesellschaft verschmolzen werden (Hinausverschmelzung). Nach deutschem Steuerrecht ist – in Anlehnung an das Umwandlungsrecht (§ 17 Abs. 2 UmwG) – im Grundsatz eine Rückwirkung auf den 31.12.2022 möglich. Mit Ablauf des 31.12.2022 endet demnach die deutsche Steuerpflicht für die GmbH. Das ausländische Steuerrecht kennt hingegen keine Rückwirkung, so dass der 1.7.2023 für die Einkünftezurechnung der maßgebende Stichtag des ausländischen Steuerrechts ist. Die in der Zeit zwischen dem 31.12.2022 und dem 1.7.2023 erzielten Einkünfte unterlägen demnach – ohne Existenz der Regelung des § 2 Abs. 3 UmwStG – weder der deutschen Besteuerung noch der Besteuerung nach ausländischem Steuerrecht. Gemäß § 2 Abs. 3 UmwStG ist die Rückwirkung in diesem Fall eingeschränkt. Die deutsche Steuerpflicht endet erst mit Ablauf des 30.6.2023.

2. Vorprüfung: Anwendung der Rückwirkungsregelungen dem Grunde nach

6.4 Voraussetzung von § 2 Abs. 3 UmwStG ist, dass die Bestimmungen über die steuerliche Rückwirkung nach § 2 Abs. 1 und Abs. 2 UmwStG überhaupt dem Grunde nach auf die Umstrukturierung mit Auslandsbezug anwendbar sind. Dies ist nur dann der Fall, wenn für die Umstrukturierung der Anwendungsbereich des deutschen UmwStG eröffnet ist. Beispiel 2: Zwei niederländische B.V. mit Ort der Geschäftsleitung in den Niederlanden und jeweils deutschem Betriebsstättenvermögen sollen nach niederländischem Gesellschaftsrecht aufeinander verschmolzen werden. Hier handelt es sich um einen rein ausländischen Umwandlungsvorgang.

6.5 Bei einem rein ausländischen Vorgang ist Bedingung für die Anwendung von § 2 UmwStG, dass der Vorgang aus gesellschaftsrechtlicher Sicht mit einer deutschen Verschmelzung (§ 2 UmwG) vergleichbar ist. Es erfolgt hierbei in Bezug auf den 1 Vgl. von Brocke/Goebel/Ungemach/von Cossel, DStZ 2011, 684 (685). Zu einem spezifizierten Länderüberblick vgl. Beispiele bei Haller/Goller, Rz. 7.29. 2 Vgl. von Brocke/Goebel/Ungemach/von Cossel, DStZ 2011, 684 (685). Zu einem spezifizierten Länderüberblick vgl. Beispiele bei Haller/Goller, Rz. 7.29.

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B. Umwandlungssteuerrechtl. Gestaltungsgrenzen | Rz. 6.6 Kap. 6

Einzelfall eine Beurteilung durch die jeweilige deutsche Finanzbehörde, wobei neben dem Erfordernis der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Verschmelzung insbesondere folgende Aspekte eine Rolle spielen: Umwandlungsfähigkeit der beteiligten Rechtsträger sowie Strukturmerkmale des Umwandlungsvorgangs (z.B. Übertragung des gesamten Aktiv- und Passivvermögens des übertragenden Rechtsträgers auf den oder die übernehmenden Rechtsträger, gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten unter Auflösung des übertragenden Rechtsträgers ohne Liquidation des übertragenden Rechtsträgers). Diese Prüfung ist im Einzelfall anhand des deutschen und des jeweiligen ausländischen Gesellschaftsrechts vorzunehmen.1 3. Bestimmung des Umwandlungsstichtags i.S.d. § 2 Abs. 1 UmwStG bei Umstrukturierungen mit Auslandsbezug Die steuerliche Rückbeziehung i.S.d. § 2 Abs. 1 UmwStG erfolgt auch bei Umstrukturierungen mit Auslandsbezug in Anknüpfung an die Rückwirkung gemäß UmwG, soweit § 2 Abs. 3 UmwStG nicht eingreift.2 Im Fall der Hereinumwandlung oder einer Auslandsumwandlung mit Übertragung inländischen Betriebs(stätten)vermögens des ausländischen übertragenden Rechtsträgers ist zur Bestimmung des steuerlichen Übertragungsstichtags daher grundsätzlich auf den Stichtag der Bilanz nach ausländischem Gesellschaftsrecht abzustellen.3 Maßgeblich ist dabei das Gesellschaftsrecht des Ansässigkeitsstaats des übertragenden Rechtsträgers.4 Auch die für die Anwendung des § 2 UmwStG maßgebende Rückbeziehungsfrist (Bilanzstichtag) richtet sich dann nach dem ausländischen Gesellschaftsrecht.5 Der dort geltende Rückbeziehungszeitraum kann kürzer oder länger als die inländische Rückbeziehungsfrist von acht Monaten (§ 2 UmwStG, § 17 Abs. 2 UmwG) sein. Beispiel 3: Zwei niederländische B.V. mit Ort der Geschäftsleitung in den Niederlanden und jeweils deutschem Betriebsstättenvermögen sollen nach niederländischem Gesellschaftsrecht aufeinander verschmolzen werden. Hier handelt es sich um einen rein ausländischen Umwandlungsvorgang. Vorausgesetzt, die Verschmelzung nach niederländischem Gesellschaftsrecht ist mit einer deutschen Umwandlung i.S.d. UmwG vergleichbar, bestimmt sich der steuerliche Übertragungsstichtag i.S.d. § 2 Abs. 1 UmwStG grundsätzlich nach dem niederländischen Umwandlungs- bzw. Gesellschaftsrecht. Losgelöst hiervon ist zu prüfen, ob nach niederländischem Steuerrecht eine Rückwirkung möglich ist und ob dieser Rückwirkungszeitraum von dem nach deutschem Steuerrecht abweicht und ggf. § 2 Abs. 3 UmwStG eingreift.

1 Siehe hierzu zu den einzelnen Voraussetzungen BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/ 10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 (UmwStE) Rz. 01.24 ff. Zu weiteren Details des Vergleichbarkeitstests s. Prinz, Rz. 1.35 – 1.37. 2 Hörtnagl in S/H, UmwG/UmwStG9, § 2 Rz. 109. 3 Dahingehend ist u.E. Rz. 02.07 UmwStE zu verstehen, wonach bei ausländischen Umwandlungsvorgängen Rz. 02.01 bis 02.06 UmwStE entsprechend gelten; vgl. auch Hörtnagl in S/H, UmwG/UmwStG9, § 2 Rz. 109; RegE Begr. BT-Drucks. 16/2710 zu § 2 UmwStG; van Lishaut in R/H/vL, UmwStG3, § 2 Rz. 145; Widmann in Widmann/Mayer, § 2 UmwStG Rz. 119; Dötsch/Pung, DB 2006, 2704 (2706). 4 Hörtnagl in S/H, UmwG/UmwStG9, § 2 Rz. 109. 5 Hörtnagl in S/H, UmwG/UmwStG9, § 2 Rz. 109.

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6.6

Kap. 6 Rz. 6.7 | Abwehrmaßnahmen gegen weiße Einkünfte

4. Reduzierung des Risikos der Anwendung von § 2 Abs. 3 UmwStG

6.7 Ziel der Umstrukturierungsplanung dürfte in einer Vielzahl von Fällen sein, die Anwendung von § 2 Abs. 3 UmwStG und eventuell streitige Punkte zu dieser Thematik zu vermeiden (Erlangung von Tax Certainty für das Unternehmen). Dabei gilt es, bereits das Risiko zu vermeiden, dass aufgrund von unterschiedlichen Rückwirkungszeiträumen in In- und Ausland Besteuerungslücken vorhanden sind. Die Erlangung von Besteuerungslücken als Gestaltungsziel einer internationalen Umstrukturierung dürfte ein absoluter Ausnahmefall sein. Insoweit dürfte § 2 Abs. 3 UmwStG aus Sicht der FinVerw. eine Art „Präventivwirkung“ entfalten. 6.8 Anknüpfend an die tatbestandlichen Voraussetzungen dürfte hinsichtlich der Anwendung von § 2 Abs. 3 UmwStG ein geringes Risiko bestehen, wenn die Rückwirkungszeiträume nach deutschem und ausländischem Steuerrecht identisch verlaufen (Gleichlauf der steuerlichen Rückbeziehungszeiträume) und im Rückwirkungszeitraum möglichst wenige Geschäftsvorfälle stattfinden (Reduzierung von sog. kritischen Geschäftsvorfällen im Rückwirkungszeitraum). In diesem Fall ist der Wortlaut der Regelung des § 2 Abs. 3 UmwStG nicht erfüllt, da es an einer abweichenden Regelung zur Rückbeziehung sowie an steuerlich relevanten Geschäftsvorfällen fehlt. Sollte nach dem ausländischen Steuerrecht hinsichtlich der Länge des Rückwirkungszeitraums ein Wahlrecht, z.B. in Anknüpfung an das Handels- und Gesellschaftsrecht bestehen, ist zu empfehlen, dieses Wahlrecht so auszuüben, dass der steuerliche Übertragungsstichtag im Ausland und in Deutschland auf den gleichen Stichtag fällt. Sofern ein Gleichlauf der Rückwirkungszeiträume nicht möglich oder gewünscht ist und damit der ausländische und der deutsche Rückwirkungszeitraum im Ertragsteuerrecht voneinander abweichen, sollten sämtliche im Rückwirkungszeitraum anstehenden Geschäftsvorfälle daraufhin geprüft werden, ob sie nach ausländischem Steuerrecht ggf. anders gewürdigt werden als nach deutschem Steuerrecht. Dies gilt insbesondere für Geschäftsvorfälle, die ein höheres Risiko für Qualifikationskonflikte oder Doppelbesteuerung (sog. kritische Geschäftsvorfälle) aufweisen. Dies betrifft vor allem bei Holdinggesellschaften Vorgänge, die eher aperiodisch stattfinden und planbar sind, wie z.B. Veräußerungsvorgänge oder Gewinnausschüttungen. Auf diese Weise wird zum einen das Risiko der Anwendung von § 2 Abs. 3 UmwStG vermieden. Im Zweifel sollten jedoch die kritischen Geschäftsvorfälle auf einen Zeitraum nach der Eintragung der Umstrukturierung im jeweiligen Handelsregister verlegt werden. Zugleich wird auch vermieden, dass es aufgrund sich überschneidender Rückwirkungszeiträume zu einer Doppelbesteuerung kommt. Beispiel 4: Die in den Niederlanden steuerlich ansässige B.V., die u.a. über Beteiligungen sowie in Deutschland belegenes Betriebsstättenvermögen verfügt, soll auf die in Deutschland ansässige GmbH verschmolzen werden. Die Steuerneutralität der Hereinverschmelzung beurteilt sich nach §§ 11 ff. UmwStG. Nach Prüfung der Frage, ob auch nach niederländischem Steuerrecht eine Rückwirkung möglich ist, kann – sofern möglich – zur Minimierung etwaiger Risiken aufgrund § 2 Abs. 3 UmwStG erwogen werden, nach niederländischem und deutschem Steuerrecht denselben steuerlichen Übertragungsstichtag zu wählen.

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B. Umwandlungssteuerrechtl. Gestaltungsgrenzen | Rz. 6.10 Kap. 6

II. Einschränkungen bei der Berücksichtigung von Übernahmeverlusten (§ 4 Abs. 6 Satz 6 UmwStG) Bei der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften oder natürliche Personen mit einem Systemwechsel vom Trennungs- zum Transparenzprinzip bleibt ein Übernahmeverlust stets außer Ansatz, soweit bei Veräußerung der Anteile an der übertragenden Körperschaft ein Veräußerungsverlust nach § 17 Abs. 2 Satz 6 EStG nicht zu berücksichtigen wäre oder soweit die Anteile an der übertragenden Körperschaft innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag entgeltlich erworben wurden (§ 4 Abs. 6 Satz 6 UmwStG). Bei § 4 Abs. 6 UmwStG insgesamt handelt es sich um eine typisierte Missbrauchsvermeidungsvorschrift, um denkbaren Steuervorteilen aus einer Statusverbesserung entgegenzutreten.1 Die konkrete Regelung des § 4 Abs. 6 Satz 6 UmwStG dient vor allem der Vermeidung einer kurzfristigen Zusammenfügung von Streubesitzanteilen im Privatvermögen zu einer qualifizierten Beteiligung mit dem Ziel, erhöhte Anschaffungskosten der Anteile steuermindernd geltend machen zu können.2 Die Regelung ist nicht auf rein nationale Fallgestaltungen begrenzt und muss deshalb als Gestaltungsgrenze auch bei entsprechenden internationalen Umstrukturierungen beachtet werden.

6.9

III. Grenzen bei Spaltungsvorgängen i.S.d. § 15 UmwStG 1. Schaffung der Teilbetriebsvoraussetzungen bei Spaltungsvorgängen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 UmwStG) § 15 Abs. 2 Satz 1 UmwStG sieht bei Spaltungen (oder Teilübertragungen) Einschränkungen bei der (doppelten) Teilbetriebsvoraussetzung vor. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 UmwStG ist das Wahlrecht zur Buch- oder Zwischenwertübertragung i.S.d. § 11 Abs. 2 UmwStG nicht anzuwenden auf Mitunternehmeranteile und Beteiligungen, die nach § 15 Abs. 1 Satz 3 UmwStG als Teilbetriebe fingiert werden, wenn sie innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag durch Übertragung von Wirtschaftsgütern, die kein Teilbetrieb sind, erworben oder aufgestockt worden sind.3 § 15 Abs. 2 Satz 1 UmwStG soll eine missbräuchliche Nutzung der Teilbetriebsfiktionen aus § 15 Abs. 1 Satz 3 UmwStG verhindern.4 Eine Aufstockung von Wirtschaftsgütern i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 1 UmwStG liegt regelmäßig nur bei Wirtschaftsgütern vor, die stille Reserven enthalten, wenn die in den übergegangenen Wirtschaftsgütern ruhenden stillen Reserven nicht oder nicht in vollem Umfang aufgedeckt wurden.5 Bei Mitunternehmeranteilen und bei Anteilen an Kapitalgesellschaften sind der unentgeltliche Erwerb und Hinzuerwerb (z.B. durch Erbfall) und

1 2 3 4 5

Vgl. van Lishaut in R/H/vL, UmwStG3, § 4 Rz. 171. van Lishaut in R/H/vL, UmwStG3, § 4 Rz. 171. Vgl. auch Rz. 15.16 UmwStE. Rz. 15.15 f. UmwStE. Rz. 15.16 UmwStE.

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6.10

Kap. 6 Rz. 6.10 | Abwehrmaßnahmen gegen weiße Einkünfte

der gewinnrealisierende entgeltliche Erwerb und Hinzuerwerb unschädlich.1 Bei Mitunternehmeranteilen ist im Ergebnis jede Einlage und Überführung von Wirtschaftsgütern, die stille Reserven enthalten, in das Gesamthands- oder Sonderbetriebsvermögen innerhalb von drei Jahren vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag schädlich, da sie zu einer Aufstockung der Beteiligung führt.2

6.11 Im Fall der Abspaltung gilt § 15 Abs. 2 Satz 1 UmwStG sowohl für das abgespaltene als auch für das zurückbleibende Vermögen.3 Bei der Abspaltung ist § 11 Abs. 2 UmwStG nicht anzuwenden, wenn ein bei der übertragenden Körperschaft zurückbleibender Mitunternehmeranteil zurückbleibender Mitunternehmeranteil oder eine zurückbleibende 100 %-Beteiligung innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag durch Übertragung von Wirtschaftsgütern, die kein Teilbetrieb sind, erworben oder aufgestockt worden sind. Die Rechtsfolge des § 15 Abs. 2 UmwStG betrifft bei der Abspaltung allerdings nur den abgespaltenen Teil des Vermögens.4 Die stillen Reserven aus Wirtschaftsgütern, die im Betriebsvermögen der übertragenden Körperschaft zurückbleiben, also nicht zum Übertragungsgegenstand der Abspaltung gehören, werden nicht aufgedeckt.5 6.12 § 15 Abs. 2 Sätze 1 UmwStG ist nicht auf rein nationale Spaltungen beschränkt, sondern kommt auch bei grenzüberschreitenden Spaltungen in Betracht, die spätestens seit dem 1.3.2023 innerhalb der EU legislativ ausdrücklich möglich sind, soweit sie auf andere Körperschaften erfolgen (§§ 320 ff. UmwG); Gleiches gilt für vergleichbare ausländische Vorgänge, die von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwStG erfasst sind (zum Anwendungsbereich ausführlich Rz. 10.260 ff.). Beispiel 5: Das Vermögen der in Deutschland steuerlich ansässigen GmbH soll zum Teil auf eine niederländische B.V. abgespalten werden. Gegenstand der Abspaltung soll als fingierter Teilbetrieb ein Mitunternehmeranteil an einer originär in Deutschland gewerblich tätigen KG sein. Dieser Mitunternehmeranteil wird nach der Abspaltung zwar zivilrechtlich und steuerlich der B.V. zugeordnet, das Besteuerungsrecht bleibt jedoch annahmegemäß vollständig in Deutschland. Zu prüfen ist stets, ob dieser Mitunternehmeranteil in den vergangenen drei Jahren vor dem anvisierten Umwandlungsstichtag i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 1 UmwStG erworben oder aufgestockt worden ist. Sollten hier Zweifel bestehen, ist es ratsam, eine Abspaltung erst nach Ablauf von drei Jahren nach dem Erwerbsvorgang vorzunehmen, damit die stillen Reserven, die sich im Mitunternehmeranteil „spiegeln“, nicht durch den Ansatz des gemeinen Wertes aufgedeckt werden müssen.

6.13 § 15 Abs. 2 Satz 1 UmwStG normiert zur Missbrauchsabwehr, dass § 11 Abs. 2 UmwStG mit einem spezifizierten Antragsrecht zur Buchwertverknüpfung „nicht anwendbar“ ist. Dies bedeutet, dass im Fall der Aufstockung von Spaltungsvermögen i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 1 UmwStG die Voraussetzungen für die Steuerneutralität im Einzelnen nicht mehr zu prüfen sind, da die Anwendung von § 11 Abs. 2 UmwStG 1 2 3 4 5

Rz. 15.20 UmwStE. Rz. 15.18 UmwStE. Rz. 15.17 UmwStE. Rz. 15.21 UmwStE. Rz. 15.21 UmwStE.

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B. Umwandlungssteuerrechtl. Gestaltungsgrenzen | Rz. 6.15 Kap. 6

bereits von vornherein ausgeschlossen werden soll. Bei grenzüberschreitenden Vorgängen können die zu übertragenen Wirtschaftsgüter im Zuge der Auf- oder Abspaltung vollständig oder teilweise steuerlich entstrickt werden. Eine steuerneutrale Umstrukturierung kann dann aus mehreren Gründen ausgeschlossen sein, wobei es auf § 15 Abs. 2 Satz 1 UmwStG im Ergebnis je nach Einzelfall nicht mehr ankommen dürfte. Beispiel 6: Das Vermögen einer in Deutschland steuerlich ansässigen GmbH besteht aus 100%igen Kapitalgesellschaftsbeteiligungen und soll auf eine niederländische B.V. sowie eine weitere in Deutschland steuerlich ansässige GmbH aufgespalten werden. Die Beteiligungen wurden innerhalb der letzten drei Jahre erworben. Aus diesem Grund schließt § 15 Abs. 2 Satz 1 UmwStG die Steuerneutralität für die gesamte Aufspaltung aus. Soweit Beteiligungen im Zuge der Aufspaltung auf die B.V. übergehen, wäre die Aufspaltung bereits nach § 15 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG nicht steuerneutral möglich gewesen (Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts nach Art. 13 Abs. 5 OECD-MA 2017, Ausnahme nur bei Immobilienkapitalgesellschaften i.S.d. Art. 13 Abs. 4 OECD-MA 2017).

2. Nachspaltungsveräußerungssperre (§ 15 Abs. 2 Satz 2 bis 4 UmwStG) Die Nachspaltungsveräußerungssperre (§ 15 Abs. 2 Satz 2 bis 4 UmwStG) soll der typisierten Missbrauchsverhinderung dienen. Die Spaltung eines Rechtsträgers soll die Fortsetzung des bisherigen unternehmerischen Engagements in anderer Rechtsform ermöglichen.1 Die Steuerneutralität nach § 15 UmwStG wird daher dann nicht gewährt, wenn die Spaltung nicht auf die Fortführung eines Unternehmens in anderer Struktur zielt, sondern mit ihr eine Veräußerung vollzogen oder die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen werden.2 Auch auf Anteilsebene soll damit eine Auf- oder Abspaltung nicht begünstigt werden, wenn sie zu einer gegenüber der Veräußerung eines Teilbetriebs steuerlich begünstigten Veräußerung von Anteilen führt, die dieses Vermögen wirtschaftlich verkörpern.3

6.14

§ 11 Abs. 2 UmwStG mit seinem Wahlrecht zur Buchwertverknüpfung ist nicht anzuwenden, wenn durch die Spaltung einer Veräußerung vollzogen (§ 15 Abs. 2 Satz 2 UmwStG) oder die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen werden (§ 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG). Davon ist nach § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG typisierend auszugehen, wenn innerhalb von fünf Jahren nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag Anteile an einer an der Spaltung beteiligten Körperschaft, die mehr als 20 % der vor Wirksamwerden der Spaltung an der Körperschaft bestehenden Anteile ausmachen, veräußert werden. § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG bildet dabei nach Meinung des BFH nur die Grundlage für die unwiderlegbare Vermutung in § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG und ist kein eigenständiger, von der Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG losgelöster Ausschlussgrund für eine Buchwertfortführung.4

6.15

1 2 3 4

Rz. 15.22 UmwStE. Vgl. Rz. 15.22 UmwStE. Schumacher in R/H/vL, UmwStG3, § 15 Rz. 225. BFH v. 11.8.2021 – I R 39/18, BFHE 274, 115, Rz. 26 f. = FR 2022, 215 m. Anm. Schumacher.

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Kap. 6 Rz. 6.16 | Abwehrmaßnahmen gegen weiße Einkünfte

6.16 Der allein maßgebliche § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG zwingt dazu, rückwirkend bei der Spaltung das gesamte auf den bzw. die übernehmenden Rechtsträger übergegangene Vermögen mit dem gemeinen Wert anzusetzen, wenn innerhalb von fünf Jahren nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag Anteile an einer an der Spaltung beteiligten Körperschaft in steuerschädlichem Umfang veräußert werden.1 Tatbestandsauslösend ist dabei die Veräußerung der Anteile durch die Gesellschafter und nicht die Veräußerung von Betriebsvermögen (einschließlich von Anteile in diesem) durch eine an der Spaltung beteiligten Körperschaften.2 Es kommt also allein auf die Veräußerung der Anteile an der übertragenden und jeder übernehmenden Körperschaft an, nicht aber auf eine Veräußerung von Anteilen an etwaigen Anteilseignern dieser Körperschaften, die wiederum selbst Körperschaften sein können.3 Eine unter § 15 Abs. 2 Satz 3 und 4 UmwStG fallende schädliche Veräußerung ist jede Übertragung gegen Entgelt, die wirtschaftlich als Veräußerung zu werten ist.4 Nach Ansicht der Finanzverwaltung gehören hierzu grundsätzlich auch Umwandlungen.5 Auch eine Option i.S.d. § 1a KStG kann nach Auffassung der FinVerw.6 zu einem Sperrfristverstoß i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG führen (zur Frage einer telelogischen Reduktion mangels Veräußerung an „Dritte“ Rz. 20.159). 6.17 § 15 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 UmwStG ist nicht auf rein nationale Spaltungen beschränkt, sondern kommt auch bei grenzüberschreitenden Spaltungen in Betracht, die spätestens seit dem 1.3.2023 legislativ ausdrücklich innerhalb der EU möglich sind, soweit sie auf andere Körperschaften erfolgen (§§ 320 ff. UmwG); Gleiches gilt für vergleichbare ausländische Vorgänge, die von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwStG erfasst sind (zum Anwendungsbereich ausführlich Rz. 10.260 ff.). Beispiel 7: Das Vermögen einer in Deutschland steuerlich ansässigen AG (Gesellschafter: A 20 %, B 30 %, C 50 %) besteht aus vier 100%igen Kapitalgesellschaftsbeteiligungen, die alle denselben gemeinen Wert haben sollen. Das Vermögen wird steuerneutral nach § 15 Abs. 1 i.V.m. § 11 ff. UmwStG auf eine niederländische B.V. (Gesellschafter: A 40 %, B 60 %) sowie eine weitere in Deutschland steuerlich ansässige GmbH (Gesellschafter: C 100 %) aufgespalten, wobei jeweils als fingierte Teilbetriebe zwei 100 %-Beteiligungen auf die GmbH und die niederländische BV übergehen. Im Nachgang erwägt B, seine gesamte Beteiligung an der B.V. an einen Dritten zu veräußern. Zu beachten ist hier § 15 Abs. 2 Satz 2 bis 4 UmwStG: Erfolgt die Anteilsveräußerung innerhalb von fünf Jahren nach dem Spaltungsstichtag, ist der steuerneutrale Buchwertansatz für die gesamte Aufspaltung nach § 11 Abs. 2 UmwStG rückwirkend zu versagen,7 wenn die veräußerten Anteile quotal mehr als 20 % des Vermögens ausmachen, das bei der Aufspaltung übertragen wurde. Für die Wertermittlung ist auf das Verhältnis der gemeinen Werte der veräußerten Anteile im Verhältnis zum gesamten Vermögen vor der Aufspaltung 1 2 3 4 5 6

Rz. 15.33 UmwStE. Rz. 15.28 UmwStE. Schumacher in R/H/vL, UmwStG3, § 15 Rz. 225. Vgl. Rz. 15.25 UmwStE. Rz. 15.24 UmwStE. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 – S 2707/21/10001 :004 (2021/1162290), BStBl. I 2021, 2212 Rz. 45. 7 Vgl. Schumacher in R/H/vL, UmwStG3, § 15 Rz. 268; Hörtnagl in S/H9, UmwG UmwStG, § 15 Rz. 211 ff.

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B. Umwandlungssteuerrechtl. Gestaltungsgrenzen | Rz. 6.18 Kap. 6 abzustellen.1 Hier käme es zur rückwirkenden Versagung der Steuerneutralität der Aufspaltung, weil der Anteil des B an der B.V. (60 %) 30 % des Vermögens der AG (vor der Aufspaltung) ausmacht (100 % der Anteile an der B.V. wären 50 % des Vermögens der AG). Schon im Spaltungsvertrag müssen daher entsprechende Vorkehrungen getroffen werden. Unter anderem ist festzulegen, wie viele Anteile jeder Beteiligte (hier: A, B und C) innerhalb der 5-Jahresfrist veräußern darf, damit nicht durch kumulative Veräußerungen die 20 %-Quote gerissen wird. Teilt man die 20 %-Quote anhand der ursprünglichen Beteiligungen an der AG auf (A = 4 % [20 % von 20 %], B = 6 % [30 % von 20 %] und C = 10 % [50 % von 20 %]), dann dürfte B innerhalb der Fünfjahresfrist höchstens 12 % der Anteile an der B.V. veräußern. Außerdem sollte vertraglich festgelegt werden, dass jeder Beteiligte, der seine Quote vertragswidrig überschreitet, die rückwirkend ausgelöste Steuer allein zu tragen hat (ggf. Abschlag für Step-UpVorteile bei den übrigen Beteiligten).

Die Möglichkeit einer steuerneutralen Buchwertfortführung (§ 11 Abs. 2 UmwStG) wird durch § 15 Abs. 2 Satz 2 bis 4 UmwStG im Fall des Verstoßes gegen die Nachspaltungsveräußerungssperre rückwirkend ausgeschlossen. Bei grenzüberschreitenden Spaltungen kann es vorkommen, dass die Steuerneutralität für die Übertragung bereits teilweise ausgeschlossen wurde, soweit Deutschland das Besteuerungsrecht für bei der Spaltung übertragendes Vermögen verloren hat (§ 15 Abs. 1 UmwStG i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG). Nach dem Wortlaut und der gewählten Regelungstechnik sind auch Anteile in die Ermittlung der 20 %-Quote einzubeziehen, bei denen die Spaltung bereits nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG nicht steuerneutral möglich war. Auch deren Veräußerung „infiziert“ dann die Vermögensübergänge der Spaltung, die anfangs steuerneutral möglich waren. Höchstrichterlich bestätigt ist diese weitreichende Rechtsfolge jedoch bisher noch nicht. Beispiel 8: An einer in Deutschland ansässigen AG sind jeweils seit mehr als fünf Jahren der A mit 50 % (ansässig in Deutschland) und der mit 50 % der B (ansässig in den Niederlanden) beteiligt. Das Vermögen der AG besteht bereits seit mehr als drei Jahren aus zwei 100 %-Beteiligungen an in Deutschland ansässigen GmbHs (GmbH 1 und GmbH 2), die beide denselben gemeinen Wert haben sollen. Die AG wird auf eine andere deutsche GmbH (Gesellschafter: A 100 %) und auf eine niederländische B.V. (Gesellschafter: B 100 %) aufgespalten, wobei jeweils die 100 %-Beteiligung an den GmbHs als fingierter Teilbetrieb übertragen wird. Die Aufspaltung ist für die AG nur steuerneutral möglich, soweit die 100 %-Beteiligung an der GmbH 1 auf die deutsche GmbH übertragen wird. Die Übertragung der GmbH 2 auf die niederländische B.V. ist dagegen nur zum gemeinen Wert möglich, weil Deutschland für die Veräußerung der Anteile an der GmbH 2 das Besteuerungsrecht verliert (Art. 13 Abs. 5 DBA-NLD 2012, soweit die GmbH 2 keine Inlandsimmobiliengesellschaft ist, Art. 13 Abs. 2 DBA-NLD 2012). Veräußert nun B seine gesamte Beteiligung an der B.V. innerhalb des Fünfjahreszeitraums, wird die 20 %-Quote gerissen, weil 50 % des Vermögens der AG (vor Spaltung) veräußert werden. Die Aufspaltung ist dann für die AG rückwirkend auch nicht mehr steuerneutral möglich, soweit die GmbH 1 auf die in Deutschland ansässige GmbH übertragen wurde. Auf den Umfang der Steuerneutralität am Stichtag und einer hier ggf. erfolgenden spaltungsbedingten Entstrickung der Kapitalgesellschaftsbeteiligungen kommt es insoweit nicht an.

1 Vgl. z.B. Schumacher in R/H/vL, UmwStG3, § 15 Rz. 261.

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6.18

Kap. 6 Rz. 6.19 | Abwehrmaßnahmen gegen weiße Einkünfte

IV. Vorbehaltensfrist bei der Trennung von Gesellschafterstämmen (§ 15 Abs. 2 Satz 5 UmwStG)

6.19 Bei der Trennung von Gesellschafterstämmen (dazu bereits Beispiel 8, Rz. 6.18) setzt die Anwendung von § 15 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 2 UmwStG voraus, dass die Beteiligungen an der übertragenden Körperschaft mindestens fünf Jahre vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag bestanden haben (§ 15 Abs. 2 Satz 5 UmwStG). Eine Trennung von Gesellschafterstämmen liegt vor, wenn im Fall der Aufspaltung an den übernehmenden Körperschaften und im Fall der Abspaltung an der übernehmenden und an der übertragenden Körperschaft nicht mehr alle Anteilsinhaber der übertragenden Körperschaft beteiligt sind.1 Dabei kommt es auch auf eine vorherige Beteiligung dem Grunde nach an.2 Eine Veränderung der Beteiligungshöhe innerhalb der fünfjährigen Vorbesitzzeit ist dagegen grundsätzlich unschädlich. Veräußert ein Gesellschafter in der Vorbesitzzeit seine Beteiligung im Wesentlichen an die übrigen Gesellschafter und hält nur noch einen „Zwerganteil“ als verbleibende Beteiligung dem Grunde nach zurück, stellt sich die Frage nach einem Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO). Insbesondere stellt sich die Frage, ob § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG als besondere Missbrauchsvorschrift eine Sperrwirkung gegenüber § 42 AO entfaltet (dazu Rz. 6.26). Der Anwendungsbereich der Regelung ist nicht auf nationale Fallgestaltungen begrenzt. Aus Sicht der gestaltenden Umstrukturierungspraxis bedarf deshalb die Beteiligungshistorie einer eingehenden Vorfeldanalyse. V. Verhinderung einer gewerbesteuerfreien Betriebsbeendigung im Anschluss an Umstrukturierungen (§ 18 Abs. 3 UmwStG)

6.20 § 18 Abs. 3 UmwStG zielt auf die gewerbesteuerliche Statusverbesserung einer Umstrukturierung ab. Die Regelung soll als typisierende Missbrauchsvorschrift verhindern, dass eine Kapitalgesellschaft zum Zwecke der Gewerbesteuerersparnis kurz vor der Betriebsveräußerung oder Liquidation in eine Personengesellschaft umgewandelt wird.3 Hintergrund ist, dass bei natürlichen Personen oder Personengesellschaften (soweit unmittelbar natürliche Personen beteiligt sind, vgl. § 7 Satz 2 GewStG) eine Betriebsveräußerung oder -aufgabe nicht der Gewerbesteuer unterliegt, bei Kapitalgesellschaften hingegen schon.4 Wird der Betrieb der Personengesellschaft oder der natürlichen Person innerhalb von fünf Jahren nach der Umwandlung aufgegeben oder veräußert, unterliegt ein Aufgabe- oder Veräußerungsgewinn gem. § 18 Abs. 3 Satz 1 UmwStG der Gewerbesteuer. Das gilt nach dem überschießenden Wortlaut auch, soweit der Gewinn auf stillen Reserven entfällt, die bereits vor der Umwandlung im Betrieb der übernehmenden Personengesellschaft oder der natürlichen Person vorhanden waren oder erst nach der Umwandlung dort entstanden sind.5 Die Gewerbesteuer wird auch ausgelöst, wenn ein Teilbetrieb oder ein Anteil an der über1 2 3 4 5

Rz. 15.37 UmwStE. Rz. 15.36 UmwStE. Z.B. Trossen in R/H/vL, UmwStG3, § 18 Rz. 54. Vgl. R 7.1 Abs. 3 und Abs. 4 GewStR. BVerfG v. 6.11.2008 – 1 BvR 2360/07, NJW 2009, 499: verfassungsgemäß; a.A. und krit. zur überschießenden Reichweite Wernsmann/Desens, DStR 2008, 221 m.w.N.

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B. Umwandlungssteuerrechtl. Gestaltungsgrenzen | Rz. 6.22 Kap. 6

nehmenden Personengesellschaft aufgegeben oder veräußert wird (§ 18 Abs. 3 Satz 2 UmwStG). § 18 Abs. 3 UmwStG gilt grundsätzlich auch bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen. Die FinVerw. sieht in § 18 Abs. 3 UmwStG einen Sondertatbestand für die Gewerbesteuerpflicht, der selbst dann eingreifen soll, wenn der übernehmende Rechtsträger im Übrigen überhaupt nicht gewerbesteuerpflichtig ist.1 Ausreichend soll allein sein, das der übernehmende Rechtsträger das übertragende Vermögen in einem eigenen Betriebsvermögen hält;2 anderenfalls wäre aber schon die Umwandlung nicht steuerneutral möglich (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Noch nicht abschließend geklärt ist allerdings, wie § 18 Abs. 3 UmwStG in Fällen zu verstehen ist, in denen der ursprüngliche Rechtsträger nicht der GewSt unterlag, dies aber bei der übernehmenden Personengesellschaft aber grundsätzlich der Fall ist.

6.21

Beispiel 9: Die Immobilien-GmbH hat ihren Sitz in Deutschland und ihren Ort der Geschäftsleitung im Ausland. Die Gesellschaft ist nicht in Deutschland gewerbesteuerpflichtig. Die GmbH wird auf eine gewerblich geprägte KG verschmolzen, die ihre Geschäftsleitung im Inland hat und an deren Vermögen ausschließlich natürliche Personen beteiligt sind. Selbst wenn die Verschmelzung nicht zum gemeinen Wert erfolgt wäre, hätte die Aufdeckung der stillen Reserven im Übertragungsgewinn mangels Gewerbesteuerpflicht der GmbH keine Gewerbesteuer nach § 18 Abs. 1 UmwStG ausgelöst. Jedoch veräußert nun die KG innerhalb von fünf Jahren nach der Verschmelzung ihren gesamten Vermögensbestand, was – obwohl die KG grundsätzlich gewerbesteuerpflichtig ist – nach § 7 Satz 2 GewStG keine Gewerbesteuer ausgelöst hätte (nur natürliche Personen unmittelbar beteiligt). § 18 Abs. 3 Satz 1 UmwStG scheint nach seinem Wortlaut dagegen einschlägig zu sein. Sieht man § 18 Abs. 3 Satz 1 UmwStG auf der Grundlage der Auffassung der FinVerw.3 schlicht als einen „Sondertatbestand“ der Gewerbesteuerpflicht an, dürfte die Veräußerung daher Gewerbesteuer auslösen. Dagegen spricht aber, dass keine gewerbesteuerliche Statusverbesserung gegenüber der Ausgangsstruktur eintritt und damit der Zweck der Gewerbesteuerpflicht völlig verfehlt wird. Zu Recht wird daher in der Literatur die Auffassung vertreten, dass § 18 Abs. 3 UmwStG nicht anwendbar ist, wenn die umzuwandelnde Kapitalgesellschaft ihren Sitz und den Ort der Geschäftsleitung nicht in Deutschland hatte und ohne Innehaben einer Betriebsstätte z.B. nur Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt hat.4 Im Ergebnis ist § 18 Abs. 3 UmwStG m.E. teleologisch auf solche Fälle zu beschränken, in denen auch ein Übertragungsgewinn nach § 18 Abs. 1 GewStG gewerbesteuerpflichtig gewesen wäre. Vermutlich wird eine solche Rechtsposition aber erst im gerichtlichen Wege überprüft und ggf. durchsetzbar sein. Insoweit entfaltet § 18 Abs. 3 UmwStG Präventivwirkung bei Gestaltungen.

VI. Verhinderung von Statusverbesserungen durch Einbringungen (Einbringungsgewinn I und II) § 22 Abs. 1 und Abs. 2 UmwStG (Einbringungsgewinn I und II) dienen der Verhinderung von Statusverbesserungen. Mit der Erfassung des Einbringungsgewinns I soll vermieden werden, dass regulär steuerverhaftete stille Reserven über die Sachein1 2 3 4

Rz. 18.11 UmwStE. Rz. 18.05 UmwStE. Rz. 18.11 UmwStE. Vgl. Trossen in R/H/vL, UmwStG3, § 18 Rz. 61; Kraft, IStR 2012, 528 (529).

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6.22

Kap. 6 Rz. 6.22 | Abwehrmaßnahmen gegen weiße Einkünfte

lage zu einem Wert unter dem gemeinen Wert in eine Kapitalgesellschaft überführt werden, um anschließend die im Zuge der Einbringung erhaltenen Anteile unter Nutzung des Teileinkünfteverfahrens oder Freistellung aus § 8b Abs. 2 KStG zu veräußern.1 Der Einbringungsgewinn II zielt auf Fälle ab, in denen die übernehmende Kapitalgesellschaft eingebachte Kapitalanteile nach § 8b Abs. 2 KStG (wirtschaftlich zu 95 %) steuerfrei veräußert, wenn diese Kapitalanteile von Personen eingebracht wurden, bei denen die Veräußerung der Kapitalanteile nicht nach § 8b Abs. 2 steuerfrei gewesen wäre.2 Wird ein Einbringungsgewinn I (durch eine Veräußerung der erhaltenen Anteile) oder ein Einbringungsgewinn II (durch Veräußerung der eingebrachten Anteile) innerhalb von sieben Jahren nach der Einbringung ausgelöst, führt dies zur rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsvorgangs beim Einbringenden, wobei der Einbringungsgewinn jährlich um 1/7 abgeschmolzen wird. Wie bei einer Einbringung zum gemeinen Wert, führt dies zu (nachträglichen) Anschaffungskosten für erhaltenden Anteile beim Einbringenden und für das eingebrachte Betriebsvermögen bei der übernehmenden Gesellschaft. Dadurch reduziert sich jedoch ebenso der Gewinn für die tatsächliche Veräußerung der erhaltenen Anteile durch den Einbringenden bzw. der eingebrachten Anteile durch die übernehmende Kapitalgesellschaft. Spiegelbildlich wächst die Veräußerung insoweit jährlich um 1/7 in das günstigere Veräußerungsregime für Kapitalanteile hinein. Besonders zu beachten ist die jährliche Nachweispflicht nach § 22 Abs. 3 Satz 1 UmwStG; kommt man ihr nicht nach, fingiert § 22 Abs. 3 Satz 2 UmwStG das Entstehen eines Einbringungsgewinns I und/oder II. Neben der Veräußerung enthält § 22 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 bis 6 UmwStG eine Reihe von Ersatzrealisationstatbeständen, die einer Veräußerung gleichgestellt werden; das gilt auch für den Einbringungsgewinn II (vgl. § 22 Abs. 2 Satz 6 UmwStG).

6.23 Auch der Anwendungsbereich der Regelungen nach § 22 Abs. 1 und Abs. 2 UmwStG ist explizit nicht auf den rein nationalen Umstrukturierungsfall begrenzt. Auch nach einer Einbringung von Betriebsvermögen in ausländische Kapitalgesellschaften (EU/EWR und auch Drittstaaten) können die Anteile an der übernehmenden Gesellschaft i.S.d. § 22 Abs. 1 UmwStG (oder die eingebrachten Anteile i.S.d. § 22 Abs. 2 UmwStG) sperrfristverhaftet sein. Ausschließlich bei auf eine Einbringung nachfolgenden grenzüberschreitenden Vorgängen dürfte der Ersatzrealisationstatbestand in § 22 Abs. 1 Nr. 6 UmwStG (Einbringungsgewinn I) bzw. § 22 Abs. 2 Satz 6 Hs. 2 EStG (Einbringungsgewinn II) sein, der eine schädliche Veräußerung fingiert, wenn die persönlichen Anwendungsvoraussetzungen (§ 1 Abs. 4 UmwStG) innerhalb von sieben Jahren nach der Einbringung nicht mehr vorliegen. Beispiel 10: A bringt seinen gesamten Betrieb in die B-GmbH ein. Die B-GmbH-Anteile sind i.S.d. § 22 Abs. 1 UmwStG sperrfristverhaftet. Kurze Zeit später verlegt A seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt dauerhaft nach Italien (Abwandlung nach Großbritannien).

Der Wohnsitzwechsel nach Großbritannien löst bei A einen Einbringungsgewinn I nach § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG aus, weil für A nicht mehr der persönliche Anwendungsbereich nach § 1 Abs. 4 UmwStG erfüllt (kein Wohnsitz in EU/EWR-Raum, Ausschluss des deutschen 1 Vgl. statt vieler Stangl in R/H/vL, UmwStG3, § 22 Rz. 24. 2 Vgl. statt vieler Stangl in R/H/vL, UmwStG3, § 22 Rz. 25.

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B. Umwandlungssteuerrechtl. Gestaltungsgrenzen | Rz. 6.24 Kap. 6

Besteuerungsrechts für die Veräußerung der B-GmbH nach Art. 13 Abs. 5 DBA-GBR). Beim Wohnsitzwechsel nach Italien wird der Ersatztatbestand aus § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG dagegen nicht ausgelöst (kein Ausschluss nach § 1 Abs. 4 UmwStG, da weiterhin in EU ansässig). Unabhängig davon, ob A nach Italien oder nach Großbritannien wegzieht, fingiert § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AStG eine § 17-EStG-Veräußerung der B-GmbH-Anteile. Beim Wegzug nach Großbritannien wird demnach die Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) und rückwirkend ein Einbringungsgewinn I (§ 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG) ausgelöst. Die volle Besteuerung des Einbringungsgewinns nach § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG reduziert dann über die nachträglichen Anschaffungskosten den nach § 6 AStG fingierten Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG, der bei A dem Teileinkünfteverfahren unterliegt. Beim Wegzug nach Italien erscheint dagegen fraglich, ob die durch § 6 AStG bloß fingierte § 17-EStG-Veräußerung bereits nach dem Grundtatbestand des § 22 Abs. 1 UmwStG eine schädliche „Veräußerung“ auslöst, was auch hier zur Folge hätte, dass es zur vollen Besteuerung der stillen Reserven kommt (ohne Anwendung des Teileinkünfteverfahrens). § 6 Abs. 1 AStG fingiert eine § 17 EStG-Veräußerung vorbehaltlich der Vorschriften des EStG, KStG und des UmwStG, was zunächst bedeutet, dass parallel verwirklichte Entstrickungstatbestände zu § 17 EStG-Anteilen (etwa § 17 Abs. 5 EStG, § 13 Abs. 2 UmwStG) vorrangig anzuwenden sind.1 Der Einbringungsgewinn I führt jedoch nicht zu einer Vollbesteuerung einer § 17 EStG-Veräußerung, sondern begründet im Gegenteil rückwirkend eine voll steuerpflichtige Veräußerung des ursprünglichen Einbringungsgegenstandes (Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil) mit über die 7-Jahresperiode abschmelzender Wirkung, die durch die Veräußerung der erhaltenen Anteile ausgelöst wird. Eine bloß fingierte Veräußerung der erhaltenen Anteile (ohne Entgelt), die durch § 6 Abs. 1 AStG ausgelöst wird, reicht dafür nicht aus.2 Systematisch wird dies durch § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG bestätigt, der diese weitere Rechtsfolge auf Drittstaatenfälle – wie in der Abwandlung – beschränkt.3

VII. Verhinderung von Statusverbesserungen bei der Umstrukturierung von Mitunternehmerschaften (§ 6 Abs. 5 Sätze 5 und 6 EStG) Bei der Umstrukturierung von Mitunternehmerschaften sind – neben der entsprechenden Anwendung der Regeln über den sog. Einbringungsgewinn II (§ 22 Abs. 5 UmwStG) – insbesondere die Einschränkungen nach § 6 Abs. 5 Satz 4 sowie Sätze 5 und 6 EStG für die Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern (unentgeltlich oder gegen Gesellschaftsrechte) zu beachten. Die Vorschriften sollen das Überspringen stiller Reserven von der Einkommensteuer- in die Körperschaftsteuersphäre verhindern.4 Im Sinne dieses Zwecks hat der BFH die Sperrfristregel in § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG teleologisch reduziert, ohne dass dies bislang zu einer „Nachbesserung“ durch den Gesetzgeber geführt hat.5 Die Buchwertübertragung bei der Ein- und Ausbrin1 BT-Drs. 19/28652, S. 49. 2 Ebenso Beinert/Süßmann/Ferrenberg, Ubg 2020, 479 (484); Häck, IStR 2018, 929 (930) m.w.N.; Kahlenberg, IStR 2020, 378 (382). 3 Zutreffend bereits Beinert/Süßmann/Ferrenberg, Ubg 2020, 479 (484). 4 Vgl. BT-Drucks. 14/6882, 33; BFH v. 15.7.2021 – IV R 36/18, BFHE 274, 55 = FR 2022, 344. 5 BFH v. 15.7.2021 – IV R 36/18, BFHE 274, 55 = FR 2022, 344 (keine Sperrfristverletzung ohne Überspringen von stillen Reserven in die KSt-Sphäre); BFH v. 18.8.2021 – XI R 43/ 20, BFHE 274, 124 = FR 2022, 352; BFH v. 18.8.2021 – XI R 20/19, BFH/NV 2022, 404 (jeweils keine Sperrfristverletzung bei vollentgeltlicher Übertragung).

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6.24

Kap. 6 Rz. 6.24 | Abwehrmaßnahmen gegen weiße Einkünfte

gung von einzelnen Wirtschaftsgütern in und aus Mitunternehmerschaften ist ausgeschlossen, soweit der Anteil einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse an dem Wirtschaftsgut unmittelbar oder mittelbar begründet wird oder dieser sich erhöht (§ 6 Abs. 5 Satz 5 EStG). Geschieht dies innerhalb von sieben Jahren nach der Übertragung des Wirtschaftsguts, ist rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung ebenfalls der Teilwert anzusetzen (§ 6 Abs. 5 Satz 6 EStG).

6.25 Auch § 6 Abs. 5 Sätze 5 und 6 EStG sind nicht auf den rein nationalen Umstrukturierungsfall beschränkt. Sofern an einer Personengesellschaft z.B. eine ausländische Kapitalgesellschaft beteiligt ist, kommen § 6 Abs. 5 Sätze 5 und 6 EStG gleichermaßen zur Anwendung. Maßgebend dürfte hier sein, dass die Gesellschaft nach dem Typenvergleich als Körperschaft i.S.d. KStG eingeordnet wird.1 Beispiel 11: An der gewerblich tätigen KG sind als Kommanditisten zu jeweils 50 % an Vermögen und Gewinn die natürliche Person A sowie eine B.V. mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in den Niederlanden beteiligt. A möchte ein Grundstück aus seinem Sonderbetriebsvermögen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in die KG einbringen. Die Buchwertfortführung ist hier gem. § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG i.H.v. 50 % ausgeschlossen, da mit der Einbringung ein Anteil der B.V. an der eingebrachten Immobilie begründet wird. Bei der B.V. handelt es sich nach dem sog. Typenvergleich um eine Kapitalgesellschaft i.S.d. des Ertragsteuerrechts.2

VIII. Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) als Sonderfall im umwandlungssteuerlichen Kontext

6.26 § 42 AO („Gestaltungsmissbrauch“) gilt als allgemeine Grenze der Steuergestaltung im Grundsatz im Rahmen jeder (grenzüberschreitenden) Strukturierungsmaßnahme. Allerdings ist die Rechtsprechung gerade im Bereich der Umwandlungsbesteuerung hinsichtlich der Anwendung von § 42 AO eher zurückhaltend.3 Hat der Gesetzgeber für bestimmte Gestaltungskonstellationen durch spezialgesetzliche Missbrauchsvorschriften ein umfassendes spezialgesetzliches Erfassungsinstrument geschaffen, stellt sich dabei insbesondere die Frage, ob ein Rückgriff auf § 42 AO möglich ist.4 Gerade bei den besonderen Missbrauchsverhinderungsvorschriften des UmwStG hat der BFH für § 42 AO a.F. (bis 2007) grundsätzlich eine Sperrwirkung angenommen5 und 1 Vgl. zum Typenvergleich z.B. Witt in H/H/R, § 2 KStG Anm. 41 ff. Zur Notwendigkeit einer Fortentwicklung des internationalen Typenvergleichs im Hinblick auf das MoPeG und die Optionsmöglichkeit gem. § 1a KStG für Personenhandelsgesellschaften s. Schwemmer, StuW 2023, 85. 2 Siehe Tabelle 1 zu BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. 3 BFH v. 2.6.2021 – I R 52/17, DStRE 2022, 151; v. 11.8.2021 – I R 39/18, DStR 2022, 41; v. 17.11.2020 – I R 21/18, BStBl. II 2021, 580; v. 18.12.2013 – I R 25/12, BFH/NV 2014, 904; zum Ganzen vgl. Eilers/Roderburg, ISR 2022, 303 (306); Drüen, Ubg 2022, 61 (65) sowie Ubg 2022, 121. 4 Zum Streitstand Link, DStJG 43 (2020), 391 (394 ff.) m.w.N. 5 BFH v. 18.12.2013 – I R 25/12, BFH/NV 2014, 904 (Verlustnutzung, sog. „Thüringer Autohausfall“); BFH v. 11.8.2021 – I R 39/18, BFHE 274, 115, Rn. 36 (zu § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG);

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C. Allgemeine Gestaltungsgrenzen | Rz. 6.28 Kap. 6

diese nur verneint, wenn durch eine Anwendung des § 42 AO weder Tatbestand noch Rechtsfolge einer besonderen Missbrauchsverhinderungsvorschrift erweitert wird.1 Bei § 42 AO n.F. (ab 2008) geht der BFH zwar nicht mehr von einer generellen Sperrwirkung aus, berücksichtigt aber bei der Prüfung, ob ein Missbrauch i.S.d. § 42 Abs. 2 AO vorliegt, die Wertung, die der Gesetzgeber mit der besonderen Missbrauchsbekämpfungsvorschrift zum Ausdruck gebracht hat, was § 42 AO dann tatbestandlich ausschließen kann.2 Vereinfacht dargestellt ist § 42 AO rechtssystematisch deshalb nur bei fehlenden SpezialMissbrauchsregelungen anwendbar. Beispiel 11: Die deutsche GmbH soll auf ihre Muttergesellschaft, die niederländische B.V., verschmolzen werden. Die B.V. verfügt aufgrund einer in Deutschland belegenen Betriebsstätte über steuerliche Verlustvorträge i.S.d. § 10d EStG. Die Verlustvorträge der B.V. bleiben erhalten. § 12 Abs. 3, 2. Halbs., 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG betrifft lediglich Verlustvorträge des übertragenden Rechtsträgers und ist daher nicht einschlägig. Ein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO liegt selbst dann nicht vor, wenn die Verschmelzungsrichtung bewusst mit Blick auf die Verlustverrechnung gewählt wurde.3 Bei einer Verlustverrechnung im Rückwirkungszeitraum ist ggf. § 2 Abs. 4 Sätze 3 ff. UmwStG zu beachten.

C. Allgemeine Gestaltungsgrenzen bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen I. Mißbrauchsabwehr im Zusammenhang mit Kapitalertragsteuer bei grenzüberschreitenden Strukturen (§ 50d Abs. 3 EStG) Bei grenzüberschreitenden (Ziel-)Strukturen ist zu beachten, dass sich im Rahmen von Ausschüttungen für eine ausländische Empfängergesellschaft bei der Kapitalertragsteuerentlastung (§ 50c EStG) Einschränkungen und erhöhte Nachweisanforderungen ergeben können (50d Abs. 3 EStG).

6.27

§ 50d Abs. 3 EStG ist eine spezialgesetzliche Missbrauchsvorschrift, die sich gegen steuerlich motivierte Gestaltungen zum Zwecke eines sog. Treaty-Shopping oder Directive-Shopping durch substanz- bzw. funktionslose Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen oder durch Körperschaften als Durchleitungseinheiten richtet.4 Die Vorschrift wurde in der Vergangenheit insb. wegen unionsrechtlicher Problembereiche vom Gesetzgeber mehrfach nachgebessert bzw. neugefasst. Der typische vom Gesetz adressierte Missbrauchsfall ist dadurch gekennzeichnet, dass (aus deutscher Sicht) ein Steuerrechtssubjekt ein weiteres eigenständiges Körperschaftsteuersubjekt einschaltet, über das die Einkünfteerzielung umgeleitet wird und

6.28

1 BFH v. 9.6.2021 – I R 52/17, BFH/NV 2022, 210, Rn. 31 (zu einbringungsgeborenen Anteilen bei § 8b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 KStG a.F.). 2 BFH v. 17.11.2020 – I R 2/18, BStBl. II 2021, 580, Rn. 21 (Verlustnutzung). 3 Vgl. BFH v. 18.12.2013 – I R 25/12, BFH/NV 2014, 904. 4 Zum Ganzen Schönfeld/Erdem in F/W/B, Außensteuerrecht, Stand 3/2022, § 50d EStG Rz. 7 ff.

Riedel | 321

Kap. 6 Rz. 6.28 | Abwehrmaßnahmen gegen weiße Einkünfte

das hinsichtlich der Steuerbelastung dieser Einkünfte in Bezug auf die deutsche Abzugsteuer günstiger situiert ist.1 Die steuerliche Statusverbesserung kann dabei durch die Anwendung eines anderen DBAs oder einer anderen Regelung des DBAs oder durch die Anwendung einer EU-Richtlinie entstehen. § 50d Abs. 3 EStG ist daher im Rahmen jeder Geltendmachung eines Anspruchs auf Kapitalertragsteuerentlastung auf der Grundlage eines DBA, §§ 43b EStG, § 44a Abs. 9 EStG, 50g EStG oder § 32 Abs. 5 KStG zu prüfen.2 Sind die Voraussetzungen von § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG erfüllt, vermutet das Gesetz durch § 50d Abs. 3 Satz 2 EStG widerlegbar, dass die Körperschaft Gegenstand einer missbräuchlichen Treaty- oder Directive-Shopping-Gestaltung ist und untersagt den Entlastungsanspruch.3 Beispiel 12: Innerhalb einer mehrstufigen Unternehmensstruktur ist angedacht, eine deutsche GmbH auf eine niederländische B.V. zu verschmelzen. Sofern sich im übergehenden Vermögen Kapitalgesellschaftsanteile befinden, bei denen im Ausschüttungsfall eine deutsche Kapitalertragsteuerpflicht besteht, sollten im Vorfeld der Strukturmaßnahme die Auswirkungen auf die Entlastungsberechtigung i.S.d. § 50d Abs. 3 EStG n.F. bei der B.V. geprüft werden. Gemäß § 50d Abs. 3 EStG hat eine Körperschaft auf der Grundlage eines DBA keinen Anspruch auf Entlastung von der Kapitalertagsteuer, soweit Personen an ihr beteiligt oder durch die Satzung, das Stiftungsgeschäft oder die sonstige Verfassung begünstigt sind, denen dieser Anspruch nicht zustünde wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten (hypothetischer Entlastungsanspruch, Nr. 1) und die Einkunftsquelle keinen wesentlichen Zusammenhang mit einer Wirtschaftstätigkeit dieser Körperschaft aufweist (keine eigene Wirtschaftstätigkeit, Nr. 2). Dies gilt allerdings nicht, soweit die Körperschaft nachweist, dass keiner der Hauptzwecke ihrer Einschaltung die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist oder wenn mit der Hauptgattung der Anteile an ihr ein wesentlicher und regelmäßiger Handel an einer anerkannten Börse stattfindet. Im Rahmen des hypothetischen Entlastungsanspruchs (§ 50d Abs. 3 Nr. 1 EStG) ist zu prüfen, ob den (unmittelbaren und mittelbaren) Anteilseignern der B.V. auf der Basis derselben Rechtsgrundlage ebenso ein Entlastungsanspruch zustünde, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten.4 Welche Anforderungen an die eigene Wirtschaftstätigkeit der B. V. (§ 50d Abs. 3 Nr. 2 EStG) zu stellen sind, ist noch nicht abschließend geklärt. Sofern es sich bei der B.V. um eine reine Holdinggesellschaft handelt, dürfte es hier auf die Abgrenzung der passiven von der aktiven Beteiligungsverwaltung und das Vorliegen eines angemessen eingerichteten Geschäftsbetriebs (Substanz) ankommen.5

II. Verhinderung von abgeschirmten Auslandseinkünften bei Niedrigbesteuerung (§§ 7 ff. AStG)

6.29 Sinn und Zweck der Hinzurechnungsbesteuerung ist die Vermeidung von Steuerflucht in Gestalt einer Verlagerung des Zuflusses von Einkünften vom Inländer auf eine ausländische Kapitalgesellschaft (Zwischengesellschaft), welche wiederum einer

1 2 3 4

Schönfeld/Erdem in F/W/B, Außensteuerrecht, Stand 3/2022, § 50d EStG Rz. 14. Schönfeld/Erdem in F/W/B, Außensteuerrecht, Stand 3/2022, § 50d EStG Rz. 19. Schönfeld/Erdem in F/W/B, Außensteuerrecht, Stand 3/2022, § 50d EStG Rz. 8. Vgl. BT-Drucks. 19//27632, S. 59; zu den näheren Einzelheiten Wagner in Brandis/Heuermann, Stand 11/2022, § 50d EStG Rz. 74. 5 Vgl. Wagner in Brandis/Heuermann, Stand 11/2022, § 50d EStG Rz. 76f.

322 | Riedel

C. Allgemeine Gestaltungsgrenzen | Rz. 6.31 Kap. 6

niedrigeren Besteuerung unterliegt und aufgrund des Trennungsprinzips abschirmt.1 Der Gesetzgeber verhindert die Abschirmwirkung für niedrig besteuerte und nicht aus aktiver Tätigkeit stammende Einkünfte durch die Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. AStG). Dem Inlandsbeteiligten werden in diesen Fällen die passiven Einkünfte der Gesellschaft bereits mit ihrem Anfall auf Gesellschaftsebene hinzugerechnet und unterliegen der Besteuerung. Bei Umstrukturierungen wird die Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. AStG) besonders relevant, wenn eine Struktur geändert werden soll, die bereits der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegt.2 Bei einer solchen Umstrukturierung ist im Einzelfall zu prüfen, ob die ggf. hierdurch ausgelösten Einkünfte unter § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG n.F.3 (Einkünfte von Zwischengesellschaften aus „Umwandlungen“) fallen.

6.30

Beispiel 13: A ist Alleingesellschafter einer Holding-B.V. mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung auf den niederländischen Antillen. Die B.V. qualifiziert als Zwischengesellschaft und A unterliegt der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung. Es ist angedacht, die Holding B.V. auf eine weitere B. V. mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in den Niederlanden zu verschmelzen. Zu prüfen ist, ob ein hierdurch ggf. entstehender Übertragungsgewinn auch der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegt. Die Holding-B.V. ist gem. § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG Zwischengesellschaft für Einkünfte, die einer niedrigen Besteuerung unterliegen und nicht aus Umwandlungen stammen. Dies gilt allerdings nicht, soweit die Einkünfte auf der Übertragung von Wirtschaftsgütern beruhen, die nicht der Erzielung von Einkünften i.S.d. § 8 Nr. 1 bis 8 AStG dienen, es sei denn, der Steuerpflichtige weist nach, dass die Umwandlung im Inland ungeachtet des § 1 Abs. 4 UmwStG zu Buchwerten hätte erfolgen können und im Ausland tatsächlich zu Buchwerten erfolgt ist.

III. Grenzen der Gewerbesteuerfreiheit bei ausländischen Inlandsimmobiliengesellschaften Im Rahmen einer gewerbesteuerlichen Optimierung der Unternehmensstruktur ist es oftmals das Ziel, eine inländischen Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO sowie Art. 5 OECD-MA zu vermeiden, um nicht der Gewerbesteuer zu unterliegen, die territorial auf inländische Betriebsstätten beschränkt ist (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG).4 Zur Begründung der Gewerbesteuerpflicht kommt es deshalb nicht darauf an, ob sich der Satzungssitz einer Gesellschaft im Inland befindet, sondern ihre (Geschäftsleitungs-) Betriebsstätte.5 Beispiel 14: Bei der deutschen Immobilien-GmbH ist zweifelhaft, ob die erweiterte Kürzung (§ 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG) in Anspruch genommen werden kann. Daher soll der Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) der GmbH im Ausland belegen sein. Das Innehaben des inländischen 1 Zum Ganzen Vogt in Brandis/Heuermann, Stand 11/2022, Vorbemerkung zu den §§ 7 bis 13 AStG Rz. 6 ff. 2 Siehe hierzu weiterführend Staccioli/Kunert, ISR 2022, 321 ff. 3 Eingefügt mit dem ATADUmsG v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2035. 4 Vgl. Drüen in Brandis/Heuermann, Stand 8/2022, § 2 GewStG Rz. 35. 5 Vgl. eingehend dazu Beinert/Maucher, DB 2023, 219; Töben/Schrepp, DStR 2023, 305.

Riedel | 323

6.31

Kap. 6 Rz. 6.31 | Abwehrmaßnahmen gegen weiße Einkünfte Grundbesitzes allein begründet grundsätzlich keine Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO. Allerdings ist darauf zu achten, dass unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise auch durch die Einschaltung einer Dienstleistungs- oder Managementgesellschaft eine eigene Inlandsbetriebsstätte begründet werden kann.1

IV. Grenzen der Anwendung des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs

6.32 Für die Gewährung des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs (§§ 8 Nr. 5, 9 Nr. 2a und 7 GewStG) kommt es ganz entscheidend auf die Qualifikation der ausschüttenden Gesellschaft sowie die Erfüllung der Mindestbeteiligungsquote an. 6.33 § 9 Nr. 2a GewStG verlangt, dass es sich um Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft handelt und dass die Beteiligung zu Beginn des Erhebungszeitraums mindestens 15 % des Grund- oder Stammkapitals beträgt. § 9 Nr. 7 GewStG erfordert das Vorliegen von Gewinnen aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz im Ausland, wenn die Beteiligung zu Beginn des Erhebungszeitraums mindestens 15 % des Nennkapitals beträgt. § 9 Nr. 7 GewStG zielt auf die ausländischen Kapitalgesellschaften als ausschüttende Rechtsträger ab. Unsicher kann bei grenzüberschreitenden Strukturen sein, ob eine ausschüttende Gesellschaft die Anforderungen an eine „inländische“ Kapitalgesellschaft i.S.d. § 9 Nr. 2a GewStG erfüllt. Dies betrifft doppelt ansässige Gesellschaften, bei denen nur der Sitz oder nur der Ort der Geschäftsleitung im Ausland belegen ist, weil solche Gesellschaften nicht § 9 Nr. 7 GewStG fallen können. Beispiel 15: An der deutschen Immobilien-GmbH mit Sitz in Deutschland ist zu 100 % eine deutsche Mutter-GmbH beteiligt. Der Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) der Immobilien-GmbH befindet sich im Ausland. Die Gesellschaft hat keine Betriebsstätte in Deutschland. Noch nicht abschließend geklärt ist, ob Ausschüttungen der Immobilien-GmbH unter das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg fallen. Ob doppelt ansässige Kapitalgesellschaften mit statutarischem Sitz im Inland und Ort der Geschäftsleitung im Ausland als inländische Kapitalgesellschaften i.S.d. § 9 Nr. 2a GewStG anzusehen sind oder sogar eine inländische Betriebsstätte ausreicht, hat der BFH bisher ausdrücklich offengelassen. Nach der Rechtsprechung gehören zu den inländischen Kapitalgesellschaften i.S.d. § 9 Nr. 2a GewStG allerdings auch Kapitalgesellschaften, die ihren statutarischen Sitz im Ausland und ihren Ort der Geschäftsleitung im Inland haben.2 Die Rechtsprechung argumentiert für diesen Fall insbesondere anhand des Sinn und Zwecks der Norm (Vorbelastung mit GewSt auf Ebene der ausschüttenden Gesellschaft) sowie des Wortlauts der Regelung, der anders als § 9 Nr. 7 GewStG (nur bei Geschäftsleitung und Sitz im Ausland) keine weiteren Anforderungen beinhaltet. Gemessen an dieser Argumentation dürfte auch die Immobilien-GmbH, die ihren Sitz im Inland und ihre Geschäftsleitung im Ausland hat, als inländische Kapitalgesellschaft i.S.d. § 9 Nr. 2 GewStG zu qualifizieren sein.

6.34 Hinsichtlich der Erfüllung der Mindestbeteiligungsquote ist zudem zu beachten, dass die Vorgabe „zu Beginn des Erhebungszeitraums“ in § 9 Nr. 2a und Nr. 7 GewStG eine Zeitpunkt-Vorgabe (Stichtagsbetrachtung) ist.3 Im Zuge von Umstrukturie1 Vgl. Hierzu kürzlich BFH v. 23.3.2022 – III R 35/20, BStBl. II 2022, 844. 2 BFH v. 28.6.2022 – I R 43/18, FR 2022, 1144. 3 Z.B. Roser in Lenski/Steinberg, GewStG, Stand 5/2021, § 9 Rz. 23c.

324 | Riedel

D. Zusammenfassendes Ergebnis | Rz. 6.35 Kap. 6

rungen stellt sich die Frage, ob die Rechtsnachfolgeregelungen bzw. Bestimmungen über die Besitzzeitanrechnungen in diesem Zusammenhang zur Anwendung gelangen. Dies wird von der Rechtsprechung1 bisher verneint. Beispiel 16: A ist Alleingesellschafter einer B.V. mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in den Niederlanden sowie einer GmbH mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in Deutschland. A bringt im Februar 2022 sämtliche Anteile an der B.V. mit sofortiger Wirkung in die GmbH ein. Der Vorgang erfolgt zu Buchwerten (§ 21 UmwStG), ohne dass insoweit ein rückwirkender Einbringungsstichtag wählbar ist. Zu prüfen ist, ob für die GmbH im Rahmen einer darauffolgenden Gewinnausschüttung im Jahr 2022 das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg nach § 9 Nr. 7 GewStG eingreift. Maßgebend ist dabei, dass die Mindestbeteiligung von 15 % zu Beginn des Erhebungszeitraums (1.1.2022) bei der GmbH als übernehmender Rechtsträgerin bereits vorgelegen hat. Dies gilt auch dann, wenn die Voraussetzungen beim Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers erfüllt worden sind.2 Die Besitzzeitanrechnung nach §§ 4 Abs. 2 Satz 3, 12 Abs. 3 23 Abs. 1 UmwStG gilt im Anwendungsbereich von § 9 Nr. 7 GewStG nicht. Vorliegend sind daher die Voraussetzungen für das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg nach § 9 Nr. 7 GewStG nicht erfüllt. Werden die B.V.-Anteile dagegen als wesentliche Betriebsgrundlage eines Betriebes nach § 20 Abs. 1 UmwStG in die GmbH zivilrechtlich durch einen UmwG-Vorgang eingebracht, ermöglicht § 20 Abs. 6 UmwStG den steuerlichen Übertragungsstichtag (Einbringungsstichtag) bis zu acht Monate rückwirkend zu bestimmen (zur Grenze aus § 2 Abs. 3 UmwStG [hier i.V.m. § 20 Abs. 6 Satz 4 UmwStG] bereits Rz. 6.2). Wird nun der Stichtag so gewählt, dass die Einbringung bereits am 1.1.2022 als vollzogen gilt, liegt unter Berücksichtigung der Rückwirkung am maßgeblichen Stichtag eine hinreichende Beteiligung für das Schachtelprivileg (§ 9 Nr. 7 GewStG) vor. Ob sich durch die umwandlungssteuerliche Rückwirkung (§ 2 Abs. 1, § 20 Abs. 6 UmwStG) die Mindestbeteiligungsquote für das Schachtelprivileg herstellen lässt, ist jedoch noch nicht höchstrichterlich geklärt.

D. Zusammenfassendes Ergebnis Im Beitrag wurden die diversen vom Gesetzgeber normierten Gestaltungsgrenzen für internationale Umstrukturierungen exemplarisch aufgearbeitet. Vor allem § 2 Abs. 3 UmwStG soll das Erzielen „weißer Einkünfte“ durch unterschiedliche Rückbeziehungszeiträume verhindern. Im Übrigen enthält das Umwandlungssteuerrecht weitere Regelungen, die einer Nutzung der Umstrukturierung zur steuerlichen Statusverbesserung entgegenwirken sollen. Diese Regelungen sind in ihrem Anwendungsbereich nicht auf den rein nationalen Umstrukturierungsfall begrenzt, sondern kommen auch im grenzüberschreitenden Umstrukturierungskontext zur Anwendung. Betroffen sein können dabei sämtliche Erscheinungsformen (Inlandsumstrukturierung mit Auslandsbezug, Auslandsumstrukturierung mit Inlandsbezug und grenzüberschreitende Umstrukturierung). Über die speziellen Gestaltungsgrenzen im Umstrukturierungssteuerrecht hinaus sind im Rahmen der Steuerplanung auch „allgemeine“ Gestaltungsgrenzen zu beachten. Diese ergeben sich aus § 42 AO und den einschlägigen Vorschriften in den Einzelsteuergesetzen. 1 BFH v. 16.4.2014 – I R 44/13, BStBl. II 2015, 303. 2 Rz. 18.04 UmwStE.

Riedel | 325

6.35

326 | Riedel

Kapitel 7 Erfahrungsberichte mit internationalen Umwandlungen A. Einleitung: Praxiserfahrungen mit internationalen Verschmelzungen im Mittelpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Steuerlicher Vergleichbarkeitstest . . C. Entstrickung bei grenzüberschreitender Hinausverschmelzung . . . . . D. Einheitlichkeitsgebot vs. Verstrickung bei Hereinverschmelzung . . . E. Ermittlung der Buchwerte bei Hereinverschmelzung . . . . . . . . . . . . . . .

7.1 7.2 7.10

F. Ermittlung des Einlagenbestands bei Hereinverschmelzung . . . . . . . . . . . . 7.25 G. Steuerliche Rückwirkung . . . . . . . . . 7.28 H. Verlustnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.32 I. Praxiserprobte Absicherungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.36

7.17 7.23

Literatur: Asseburg-Wietfeldt, Tagungsbericht zu Erfahrungen aktueller Verfahren zur Vermeidung und Beseitigung von Doppelbesteuerung, IWB 2021, 697; Becker/Kamphaus/Loose, Greift das Korrespondenzprinzip bei Drittstaatsverschmelzungen?, IStR 2013, 328; Böhmer/ Schewe, Neujustierung der Grenzen des deutschen Besteuerungsrechts durch das ATADUmsG und das KöMoG, FR 2021, 765; Böhmer/Wegener, Zum Verhältnis der Verstrickung zu sonstigen Vorschriften des nationalen Rechts, Ubg 2015, 69; Desens, Der Leistungsfähigkeitsgedanke und die Entstrickung im Spiegel der europäischen Freizügigkeitsrechte, FR 2022, 681; Desens, Paradigmenwechsel in der Entstrickungsbesteuerung?, DStR 2022, 1588; Ehret/Lausterer, Einleitende Erläuterungen des Umwandlungssteuererlasses und Anwendungsbereich, DB Beilage 1 2012, 8; Gosch, Betriebsstätte und AOA, ISR 2018, 404; Hruschka, Drittstaatenumwandlung mit Folgen, IStR 2012, 844; Hruschka, Bilaterale Effekte bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen, ISR 2017, 255; Hruschka, Umwandlungen mit Auslandsberührung, StuB 2011, 540; Hruschka/Hellmann, Bewertungswahlrechte bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, DStR 2010, 1961; Kessler/Spengel, Checkliste potentiell EU-rechtswidriger Normen des deutschen direkten Steuerrechts, DB Beilage 1 2022, 26; Klingberg/Nitzschke, Grenzüberschreitende Umwandlungen am Beispiel grenzüberschreitender Verschmelzungen, Ubg 2011, 451; Kraft/Poley, Fallstudie zur grenzüberschreitenden Hereinverschmelzung von Kapitalgesellschaften – Problembereiche der Verschmelzung, SteuerStud 2013, 161; Ley/Bodden, Verschmelzung und Spaltung von inländischen Kapitalgesellschaften nach dem SEStEG (§§ 11–15 UmwStG n.F.), FR 2007, 265; Prinz, Internationales Unternehmenssteuerrecht – Unternehmensinteressen zwischen Steuermoral, Steuervermeidung und „überkomplexer“ Steuergesetzgebung, DB 2022, 1730; Prinz, Grundlagen zum internationalen Umwandlungssteuerrecht, DB 2012, 820; Schaumberger/Stößel, Entstrickungsgefahren bei der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften anhand ausgewählter Fallbeispiele, FR 2020, 1123; Sedemund, Zweifelsfragen im Rahmen von § 27 Abs. 8 KStG, IStR 2009, 579; Sejdija/Gaiser, Verschmelzungen und andere Vermögensübertragungen außerhalb der EU oder des EWR, DB 2020, 1697.

Haller/Goller | 327

Kap. 7 Rz. 7.1 | Erfahrungsberichte mit internationalen Umwandlungen

A. Einleitung: Praxiserfahrungen mit internationalen Verschmelzungen im Mittelpunkt 7.1 Als Folge der wirtschaftlichen Globalisierung ist die Anzahl an internationalen Umwandlungen im Konzernumfeld wie auch im Mittelstand signifikant gestiegen. Die Motive für internationale Umwandlungen können vielfältig sein, z.B. Effizienz- und Kostendruck, geänderte Markterfordernisse oder strategische Neuausrichtung. Eine „Internationalität“ bei Umwandlungen kann sich – In- wie auch Outbound – sowohl auf Ebene des übertragenden oder übernehmenden Rechtsträgers bzw. dem einbezogenen Vermögen (z.B. Betriebsstätten oder Grundvermögen) als auch auf Anteilseignerebene ergeben. Bei allen internationalen Umstrukturierungsvarianten stellen sich mithin komplexe Fragen des Gesellschafts- und Steuerrechts. Unternehmen haben demgegenüber ein hohes Bedürfnis an Rechts- und Planungssicherheit, zumal etwaigem (Steuer-)Aufwand aus der Umstrukturierung regelmäßig kein Liquiditäts- bzw. Mittelzufluss gegenübersteht. Zumindest für den EU/EWR-Raum ergibt sich bereits aus dem Europäischen Primärrecht mit dem Ziel der Schaffung eines gemeinsamen europäischen Binnenmarkts und bestätigt durch die umfangreiche Judikatur des Europäischen Gerichtshofs zu (europäischen) Reorganisations- und Umwandlungsmaßnahmen ein Gebot, (europäische) Umwandlungen weitestgehend zu ermöglichen. Dennoch bestehen auch bei EU/EWR-Umwandlungen in der Praxis weitestgehend „steuerschonend“ unter Berücksichtigung der territorialen Besteuerungsrechte eine Vielzahl an steuerlichen Problemfeldern und Zweifelsfragen, die für die betroffenen Steuerpflichtigen zumindest einen hohen Planungs-, Prüf- und Koordinationsaufwand erzeugen. Nicht selten scheitern sogar wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen an den bestehenden praktischen „Hürden“ oder der Ausweg wird über Ersatzkonstruktionen und Umweggestaltungen gesucht. Nachfolgend werden deshalb ausgewählte steuerliche Problembereiche bei der in der Praxis häufiger vorkommenden internationalen Verschmelzung von Kapitalgesellschaften untersucht und praktische Herangehensweisen und Lösungsansätze aufgezeigt. Andere Umwandlungsformen (z.B. grenzüberschreitende Auf- und Abspaltungen oder Formwechsel) waren mangels ausdrücklicher gesellschaftsrechtlicher Grundlagen nicht rechtssicher möglich. Die sog. EU-Mobilitätsrichtlinie 2019, die vom deutschen Gesetzgeber durch ein „Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie" in nationales Recht transformiert wurde, dürfte dahingehend für EU/EWR-Kapitalgesellschaften Abhilfe schaffen.

B. Steuerlicher Vergleichbarkeitstest 7.2 Verschmelzungen stellen nach der deutschen steuerlichen Wertung auf Ebene des übertragenden und des übernehmenden Rechtsträgers sowie auf der Ebene der Anteilseigner grundsätzlich Veräußerungs- und Anschaffungsvorgänge hinsichtlich des übertragenden Vermögens bzw. der Anteile dar, so dass die stillen Reserven im übergehenden Vermögen bzw. den Anteilen – ebenso wie bei einem Tausch einzelner Wirtschaftsgüter (§ 6 Abs. 6 S. 1 EStG) – bis zur Höhe der gemeinen Werte grund328 | Haller/Goller

B. Steuerlicher Vergleichbarkeitstest | Rz. 7.4 Kap. 7

sätzlich aufzudecken sind (z.B. §§ 11 Abs. 1, 13 Abs. 1 UmwStG).1 Indessen besteht auch internationaler Konsens darüber, dass wirtschaftlich sinnvolle Umwandlungen nicht unnötig erschwert oder gar unmöglich gemacht werden sollen. Daher ist es – gewissermaßen als Ausnahme vom Grundsatz der Gewinnrealisation zu gemeinen Werte – das Anliegen des UmwStG, Bedingungen zu regeln, nach welchen ein Besteuerungsaufschub bei Vermögensübertragungen durch Ansatz der Buchwerte oder Zwischenwerte gewährt wird.2 Eine zwingende sachliche Voraussetzung für die Anwendung des UmwStG ist, dass die konkrete Reorganisationsmaßnahme als Verschmelzung i.S.d. UmwG klassifiziert, oder zumindest ein mit einer inländischen Verschmelzung i.S.d. UmwG „vergleichbarer“ ausländischer Vorgang vorliegt (§ 1 Abs. 1 UmwStG). Von einem ausländischen Vorgang ist grundsätzlich auszugehen, wenn die Umwandlung ausschließlich übertragende und übernehmende Rechtsträger im Ausland betrifft. Daneben ordnet die Finanzverwaltung auch grenzüberschreitende Vorgänge unter Beteiligung deutscher Rechtsträger als ausländische Vorgänge ein.3 Der ausländische Vorgang ist gemäß dem Gesetzeswortlaut sodann daraufhin zu untersuchen, ob er mit einer inländischen Verschmelzung vergleichbar ist. Mithin enthält das UmwStG (auch nach KöMoG) keine Erläuterung dazu, was unter dem Begriff „vergleichbar“ zu verstehen ist. Im UmwSt-Erlass finden sich lediglich knappe Ausführungen dazu, was die Finanzverwaltung unter einem vergleichbaren ausländischen Vorgang versteht.

7.3

Voraussetzung für den Vergleichbarkeitstest ist zunächst, dass die Verschmelzung zivilrechtlich wirksam vollzogen wird.4 Von einem vergleichbaren Vorgang ist nach Rz. 01.24 UmwSt-Erlass generell dann auszugehen, wenn der ausländischen Umwandlungsvorgang seinem Wesen nach einer Verschmelzung i.S.d. UmwG entspricht. Für die Beurteilung sind mithin die Umwandlungsfähigkeit der beteiligten Rechtsträger, die Rechtsfolgen des Umwandlungsvorgangs (Strukturmerkmale) und die sonstigen Vergleichbarkeitskriterien zu prüfen.5 Maßgebend sei gemäß Rz. 01.25 des UmwSt-Erlass, dass der nach ausländischem Umwandlungsrecht abgewickelte konkrete Vorgang auch nach den Regelungen des UmwG wirksam abgewickelt werden könnte.6 Diese Aussage steht dabei in Widerspruch zur generellen Feststellung in Rz. 01.24 UmwSt-Erlass, wonach es „nur“ auf das Wesen, insbesondere die Rechtsfolgen, des ausländischen Umwandlungsvorgangs ankommen soll und könnte dahingehend interpretiert werden, dass die Finanzverwaltung sogar einen mit einer inlän-

7.4

1 UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 00.02 f. 2 BR-Drucks. 121/15, 54; Drüen in Frotscher/Drüen, UmwStG Rz. 8 ff. (Stand: 16.5.2019). 3 UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.21. 4 UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.23. 5 UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.24. 6 UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.25.

Haller/Goller | 329

Kap. 7 Rz. 7.4 | Erfahrungsberichte mit internationalen Umwandlungen

dischen Umwandlung (i.S.d. UmwG) identischen ausländischen Vorgang verlangt.1 Nur sehr wenige ausländische Vorgänge dürften diesen Maßstab überhaupt erfüllen können. Erfahrungsgemäß versteht die Finanzverwaltung (Rz. 01.25 UmwSt-Erlass) den Vergleichbarkeitsmaßstab aber nicht in diesem Sinne und prüft „nur“ das Wesen des ausländischen Vorgangs entsprechend Rz. 01.24 UmwSt-Erlass.

7.5 Basis für die Beurteilung der Umwandlungsfähigkeit der ausländischen Rechtsträger bildet ein Rechtstypenvergleich. Dabei muss eine Zuordnung der ausländischen Gesellschaft zu einer vergleichbaren inländischen Gesellschaftsform erfolgen (z.B. GmbH, AG).2 Nur so kann letztlich beurteilt werden, ob die ausländischen Rechtsträger auch nach inländischen Maßstäben umwandlungs- bzw. verschmelzungsfähig sind. Die Beurteilung der Umwandlungsfähigkeit der beteiligten Rechtsträger bildet neben der Prüfung des ausländischen Vorgangs anhand seiner Strukturmerkmale die Basis für die weitere Einordnung des Vorgangs im UmwStG. Dieser Prüfungsschritt darf deshalb in der Praxis nicht vernachlässigt werden. Die Prüfung sollte einzelfallbezogen unter Berücksichtigung der relevanten Erlasse und Rechtsprechung erfolgen.3 Üblicherweise wird es sich bei übernehmendem und übertragendem Rechtsträger um dem Typus der Körperschaft entsprechende Einheiten handeln. Beispiel: Verschmelzung von zwei brasilianischen Gesellschaften in der Rechtsform einer Ltda Sachverhalt: Zwei brasilianische Gesellschaften in der Rechtsform „Ltda“ sollen miteinander verschmolzen werden. Gesellschaften in der Rechtsform einer Ltda sind nach brasilianischem Gesellschafts- und Umwandlungsrecht aktiv und passiv verschmelzungsfähig. Beide Ltda’s sind entsprechend dem gesetzlichen Leitbild ausgestaltet. Die vom brasilianischen Gesellschaftsrecht vorgesehenen Dispositionsmöglichkeiten wurden nicht genutzt. Bei Gesellschaften in der Rechtsform einer Ltda ist nach Maßgabe des brasilianischen Gesellschaftsrechts die Haftung der Gesellschafter grundsätzlich auf das zu erbringende Gesellschaftskapital beschränkt. Das Gesellschaftskapital wird durch Geld- oder Sachleistungen der Gesellschafter erbracht. Dienstleistungen sind demgegenüber nicht einlagefähig. Beide Gesellschaften haben gemäß Gesellschaftsvertrag ein Gesellschaftskapital i.H.v. umgerechnet € 50 000. Eine Ltda hat zudem zwei Pflichtorgane, die Gesellschafterversammlung und den Geschäftsführer. Die Leitung und Vertretung der Gesellschaft nach Außen obliegt dem Geschäftsführer („administrator“), der nicht Gesellschafter sein muss. Die Gesellschafterversammlung beschließt über die Gewinnverwendung. Die Gewinnverteilung erfolgt grundsätzlich entsprechend der Höhe der Beteiligung des Gesellschafters am Gesellschaftskapital. Die Gesellschaft erwirbt ihre Rechtspersönlichkeit mit der Eintragung der Gesellschaft in das zuständige brasilianische Handelsregister. Lösung: Aufgrund des Wegfalls von § 1 Abs. 2 UmwStG (Begrenzung auf europäische Gesellschaften) sowie § 12 Abs. 2 KStG infolge des KöMoG ist das UmwStG auf vergleichbare ausländische Drittstaatenverschmelzungen nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwStG (vereinfacht) mit Wirkung ab 1.1.2022 unmittelbar anwendbar. Im Rahmen des Vergleichbarkeitstests ist u.a. die Verschmelzungsfähigkeit der ausländischen Rechtsträger zu prüfen. Basis dafür bildet ein Rechtstypenvergleich. Nach Verwaltungsauffassung kommt es grundsätzlich beim Rechts1 Ehret/Lausterer, DB 2012 (Beilage 1 zu Heft 2), 8. 2 UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.27. 3 Vgl. z.B. BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA – 22/04, BStBl. I 2004, 411.

330 | Haller/Goller

B. Steuerlicher Vergleichbarkeitstest | Rz. 7.6 Kap. 7 typenvergleich auf den nach dem ausländischen Recht geregelten Aufbau des betreffenden Rechtsträgers an (typisierende Betrachtungsweise)1, während der BFH gemäß der bisherigen Rechtsprechung eher zu einer Einzelfallprüfung tendiert (individualisierende Betrachtungsweise).2 Nach unserer Auffassung sollte die Prüfung deshalb ausgehend von den konkreten Gesetzesbestimmungen unter Einbezug der (ggf. abweichenden) Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag einzelfallbezogen erfolgen, um eine erhöhte Rechtsicherheit zu erzielen. Die Gesellschaften im obigen Beispiel sind entsprechend dem gesetzlichen Idealtypus ausgestaltet. Nach ihren Merkmalen (beschränkte Haftung, Fremdgeschäftsführung, konstitutive Registereintragung, etc.) dürften sie mit inländischen GmbHs vergleichbar sein. Dies entspricht im Übrigen auch der typisierenden Einordnung der Rechtsform durch die Finanzverwaltung.3 GmbHs sind nach dem deutschen UmwG sowohl aktiv als auch passiv verschmelzungsfähig. Die Gesellschaften im obigen Beispielfall sollten somit aus der deutschen Betrachtung verschmelzungsfähig sein. Sodann ist zu klären, ob der brasilianische Verschmelzungsvorgang hinsichtlich seiner Strukturmerkmale (Rechtsfolgen) und sonstigen Vergleichbarkeitskriterien mit einer deutschen Verschmelzung i.S.d. UmwG vergleichbar ist.

Ein ausländischerer Vorgang ist gemäß Rz. 01.30 UmwSt-Erlass mit einer Verschmelzung i.S. § 2 UmwG dann vergleichbar, wenn das gesamte Aktiv- und Passivvermögen eines übertragenden Rechtsträgers auf einem übernehmenden Rechtsträger aufgrund eines Rechtsgeschäfts, kraft Gesetzes, gegen Gewährung von Anteilen am übernehmenden Rechtsträger an die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers, unter Auflösung ohne Abwicklung des übertragenden Rechtsträgers, übertragen wird.4 Ob der ausländische Umwandlungsvorgang diese Merkmale insgesamt erfüllen muss, ist umstritten.5 Praktisch bedeutend ist insbesondere die Frage, ob der ausländische Umwandlungsvorgang zwingend „kraft Gesetzes“ erfolgen muss, um mit einer Verschmelzung i.S.d. § 2 UmwG vergleichbar zu sein. Eine Vielzahl an Drittstaaten (z.B. Japan, Brasilien) kennen ein mit der „deutschen“ Gesamtrechtsnachfolge vergleichbares Konzept. Demgegenüber gibt es aber auch viele Staaten, deren Rechtsordnungen kein vergleichbares Gesamtrechtsnachfolgekonzept vorsehen (z.B. Australien, Irland). Die jüngere BFH Rechtsprechung kann dahingehend interpretiert werden, dass das Bestehen eines Gesamtrechtsnachfolgekonzepts aber kein zwingendes Kriterium für die Vergleichbarkeit ist.6 Die Finanzverwaltung wendet diese Rechtsprechung aber zumindest bei Betriebsvermögen nicht an.7 Somit ist davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung entsprechend ihren Aussagen im UmwStErlass bei fehlender Gesamtrechtsnachfolge nicht von einem mit einer deutschen Verschmelzung vergleichbaren ausländischen Vorgang ausgeht. Unseres Erachtens 1 UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.27. 2 Z.B. jüngst BFH v. 18.5.2021 – I B 75/20, BeckRS 2021, 28181 = FR 2021, 1067 m. Anm. Knittel; v. 18.5.2021 – I B 76/20, IStR 2021, 971. 3 Betriebsstättenerlass 1999 – BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111 - 99, BStBl. I 1999, 1076, Tabelle 2. 4 UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.30. 5 Vgl. z.B. Möhlenbrock in D/P/M, § 1 UmwStG Tz. 103 f. (Stand: 1.12.2021). 6 BFH, Urt. v. 19.10.2021 – VIII R 7/20, IStR 2022, 67; v. 4.5.2021 – VIII R 14/20, DStR 2021, 2396. 7 BMF v. 19.5.2022 – IV C 2 - S 1978-b/20/10005 :004 (2022/0206627), FR 2022, 676.

Haller/Goller | 331

7.6

Kap. 7 Rz. 7.6 | Erfahrungsberichte mit internationalen Umwandlungen

sollte dagegen generell eine typusorientierte Gesamtbetrachtung erfolgen, so dass das Fehlen einzelner Merkmale (z.B. Gesamtrechtsnachfolge) nicht als schädlich für die Vergleichbarkeit des ausländischen Vorgangs einzuschätzen wäre.1

7.7 Der nach unserer Erfahrung häufigste Anwendungsfall des steuerlichen Vergleichbarkeitstests ist die Seitwärtsverschmelzung zweier ausländischer Tochterkapitalgesellschaften unter Beteiligung einer deutschen Muttergesellschaft als Anteilseignerin. Die Vergleichbarkeit des ausländischen Vorgangs mit einer inländischen Verschmelzung eröffnet die Anwendung des UmwStG (§ 1 Abs. 1 KStG). Konkret stellt sich auf Ebene der inländischen Muttergesellschaft die Frage, ob die Buchwerte nach Maßgabe des § 13 Abs. 2 UmwStG antragsgebunden fortgeführt werden können oder es zwingend zu einer Aufdeckung der stillen Reserven in den hingegebenen Anteilen kommt. Auch darüberhinausgehende Besteuerungsfolgen werden in der Literatur diskutiert (z.B. verdeckte Gewinnausschüttungen).2 Unseres Erachtens wird, falls die Anwendung des UmwStG mangels Vergleichbarkeit bei einzelnen Merkmalen nicht eröffnet ist, aber regelmäßig ein Tausch oder tauschähnlicher Vorgang vorliegen, der zwar zur Aufdeckung der stillen Reserven in den hingegebenen Anteilen führt (§ 6 Abs. 6 S. 1 EStG), jedoch der 95%igen Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 2, 3 KStG unterliegt. 7.8 In der Praxis wird man sich im Rahmen des steuerlichen Vergleichbarkeitstests eng an der Verwaltungsauffassung orientieren müssen, um Konflikte mit der Finanzverwaltung zu vermeiden. Eine übliche Herangehensweise ist entsprechend den konkreten ausländischen Umwandlungsvorgang (inklusive der beteiligten Rechtsträger) anhand der durch die Finanzverwaltung im UmwSt-Erlass dargelegten Kriterien zu prüfen. Dabei wird man zumeist auf die Unterstützung von ausländischen Rechtsanwälten und Wissensträgern (z.B. Geschäftsführer) im Sitzstaat der Gesellschaften angewiesen sein, da es zunächst auf die ausländischen Begebenheiten und das konkret anzuwendende ausländische Recht ankommt. Liegen die Ergebnisse des steuerlichen Vergleichbarkeitstests vor, kann in Betracht gezogen werden, sie anhand einer verbindlichen Auskunft (§ 89 Abs. 2 AO) „abzusichern“. Häufig möchten aber Unternehmen einen Antrag auf eine verbindliche Auskunft aus unterschiedlichen Gründen (z.B. Zeit- und Kostenfaktor) nicht stellen. Eine praktische, wenngleich unverbindliche Alternative bei anschlussgeprüften Unternehmen besteht darin, die Ergebnisse des Vergleichbarkeitstests mit der Betriebsprüfung vorab abzustimmen und ihre unverbindliche Rechtsauffassung zum Vorgang einzuholen. In der Praxis hat sich diese Vorgehensweise bewährt. 7.9 Regelmäßig kennen ausländische Staaten (z.B. Australien) kein mit einer deutschen Verschmelzung vergleichbares Umwandlungskonzept. Die Vermögensübertragungen könnten beispielsweise auf Basis einer Einzelrechtsnachfolge erfolgen, wobei die übertragende Gesellschaft später liquidiert wird. Dennoch wird die Buchwertfortführung im Ausland (z.B. über Gruppenbesteuerungssysteme) ermöglicht. Die deutsche Fi1 Gl.A. Prinz, DB 2012, 821. 2 Z.B. Hruschka, IStR 2012, 845; Sejdija/Gaiser, DB 2020, 1697; a.A. Becker/Kamphaus/Loose, IStR 2013, 328 ff.

332 | Haller/Goller

C. Entstrickung bei grenzüberschr. Hinausverschmelzung | Rz. 7.11 Kap. 7

nanzverwaltung wird in solchen Fällen nicht von einem vergleichbaren ausländischen Vorgang ausgehen, so dass nach ihrer Auffassung die Anwendung des UmwStG versperrt ist. Mithin könnten nach teilweise vertretener Literaturauffassung signifikante Besteuerungsfolgen (z.B. verdeckte Gewinnausschüttungen) im Inland drohen. Aus Sicht des betroffenen Unternehmens stellt sich somit die Frage, ob es rechtsichere Alternativen gibt. Anstelle einer lokalen Seitwärtsverschmelzung zweier ausländischer Gesellschaften kommt beispielsweise auch eine lokale Aufwärtsverschmelzung in Betracht. Bei ausländischen Verschmelzungsvorgängen müssen aber auch die Wirkungen im Bereich der Hinzurechnungsbesteuerung (§ 7 ff. AStG) bedacht werden. Unlängst sind durch das ATAD-Umsetzungsgesetz Verschärfungen eingetreten.

C. Entstrickung bei grenzüberschreitender Hinausverschmelzung Nach Wertung der Finanzverwaltung handelt es sich bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen, auch wenn deutsche Rechtsträger beteiligt sind, „nur“ um ausländische Vorgänge i.S.d. § 1 Abs. 1 UmwStG. Dabei ist bei einer grenzüberschreitenden Umwandlung i.S.d. § 122a UmwG aF/§ 306 UmwG nF jedoch ein mit einer Verschmelzung i.S. § 2 UmwG vergleichbarer ausländischer Vorgang regelmäßig gegeben.1 Folglich sind bei Hinaus- und Hereinverschmelzung unter Beteiligung deutscher Kapitalgesellschaften die Vorschriften des §§ 2, 11-13, 19 UmwStG anzuwenden, so dass abweichend vom Grundsatz einer Verschmelzung zu gemeinen Werten regelmäßig ein Buch- oder Zwischenwertansatz in Betracht kommt. Nach § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG ist ein Buch- oder Zwischenwertansatz aber nur insoweit zulässig, als dass Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Bei einer Hinausverschmelzung einer deutschen Kapitalgesellschaft auf eine EU/EWR-Gesellschaft stellt sich diese Frage im besonderen Maße.

7.10

Das Verhältnis der im § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG angeordneten (umwandlungsbedingten) Entstrickung zu den allgemeinen Entstrickungstatbeständen in § 12 Abs. 1 KStG und § 4 Abs. 1 EStG ist höchstrichterlich noch ungeklärt. Besondere praktische Bedeutung erlangt diese Frage deshalb, da die Entstrickung nach dem UmwStG grundsätzlich keine Stundungsmöglichkeit (vergleichbar der § 36 Abs. 5 EStG bzw. § 6 Abs. 5 AStG) vorsieht und die Voraussetzungen für die Bildung eines Ausgleichspostens nach § 4g EStG nicht vorliegen.2 Die Gesetzesbegründung führt dazu aus, dass eine Stundungslösung für die Verwaltung „nicht zu administrieren“ und für den Steuerpflichtigen zudem „komplex“ und mit „erhöhtem bürokratischen Aufwand“ verbunden wäre.3 Diese Argumente sind vor dem Hintergrund der jüngeren Ent-

7.11

1 UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.21. 2 Vgl. Dötsch/Stimpel in D/P/M, Die Körperschaftsteuer, § 11 UmwStG Tz. 79 (Stand: 1.11.2019). 3 BT-Drucks. 16/2710, 26. Differenzierend zu Entstrickung/Verstrickung vgl. Desens, FR 2022, 681 und Desens, DStR 2022, 1588.

Haller/Goller | 333

Kap. 7 Rz. 7.11 | Erfahrungsberichte mit internationalen Umwandlungen

wicklungen im internationalen Steuerrecht (z.B. BEPS, DAC6, Pillar 1 und 2) nicht mehr nachvollziehbar.1 Im Ergebnis wird die fehlende Stundungslösung oder Möglichkeit der Bildung eines Ausgleichspostens (entsprechend § 4g EStG) bei der umwandlungsbedingten Entstrickung unseres Erachtens zu Recht als europarechtswidrig eingestuft.2

7.12 Nach Ansicht der Finanzverwaltung ändert eine grenzüberschreitende Umwandlung für sich nicht die abkommensrechtliche Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer in- oder ausländischen Betriebsstätte.3 Eine umwandlungsbedingte Entstrickung (nach § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG) kommt aber gemäß dem UmwSt-Erlass insbesondere im Zusammenspiel mit dem Rechtsträgerwechsel bzw. dem Wechsel der Steuerpflicht in Betracht. Als Beispiel führt der UmwSt-Erlass sodann in Rz. 03.19 ein aufgrund eines Formwechsels einer inländischen Kapitalgesellschaft mit ausländischen Gesellschaftern in eine Personengesellschaft eintretenden Ausschluss des Besteuerungsrechts an einer Nicht-DBA-Betriebsstätte an.4 Die Aussagen im UmwStErlass tragen zur Entschärfung des Problems bei, da die Finanzverwaltung den § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG wohl im Ergebnis für die Mehrzahl der Fälle als „Leervorschrift“ versteht.5 Dennoch sind Fallkonstellationen denkbar, in denen es zu einer umwandlungsbedingten Entstrickung kommen kann. 7.13 Neben dem umwandlungsbedingten Transfer einer Nicht-DBA- bzw. Anrechnungsbetriebsstätte (vgl. Beispiel in Rz. 03.19 UmwSt-Erlass)6 kann nach teilweise vertretener Literaturauffassung möglicherweise auch die Hinausverschmelzung einer Holdinggesellschaft ohne Verbleib einer deutschen Betriebsstätte nach Verschmelzung eine umwandlungsbedingte Entstrickung nach § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG auslösen.7 Diese Auffassung mag unseres Erachtens nicht zu überzeugen. Bei einer substanzschwachen Holding mit Sitz im Inland stellen sich nämlich die vorgelagerten Fragen, ob nicht die Anteile im Eigentum der Holding bereits vor Verschmelzung einem ausländischen (tatsächlichen) Geschäftsleitungsort zuzuordnen wären mit entsprechender Entstrickung nach den allgemeinen Vorschriften (§ 12 Abs. 1 KStG). Geht man demgegenüber vom Bestehen einer ausreichenden Substanz bzw. eines Geschäftsleitungsorts der Holding im Inland vor Verschmelzung aus, dann sollte die Verschmelzung als solche (noch) nicht zur Entstrickung der Anteile führen, sondern erst der nachgelagerte tatsächliche Verzug der maßgeblichen Personalfunktionen 1 Prinz, DB 2022, 1730 ff. 2 Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut³, § 11 UmwStG Rz. 284 ff.; Kessler/Spengel, DB 2022 Beil. 1, 26. 3 UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.20. 4 UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.19. 5 Vgl. auch Dötsch/Stimpel in D/P/M, Die Körperschaftsteuer, § 11 UmwStG Tz. 77 (Stand: 1.11.2019). 6 UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.19. 7 Dötsch/Stimpel in D/P/M, Die Körperschaftsteuer, § 11 UmwStG Tz. 77 (Stand: 1.11.2019); Hölzl/Kiermair/Köbl in Eisgruber², § 11 UmwStG Rz. 107.

334 | Haller/Goller

C. Entstrickung bei grenzüberschr. Hinausverschmelzung | Rz. 7.14 Kap. 7

bzw. Unternehmensspitze. Es sollte somit erst zeitlich nachgelagert zu einer Entstrickung kommen, die aber dann von den allgemeinen Entstrickungsvorschriften (§ 12 Abs. 1 KStG) erfasst sein sollte.1 Dementsprechend ist unseres Erachtens die Hinausverschmelzung einer Holdingsgesellschaft als potentieller Anwendungsfall einer umwandlungsbedingten Entstrickung abzulehnen. In der Praxis stellt sich dennoch die Frage, wie mit den (wohl) wenigen Fällen umzugehen ist, bei denen es nach Verwaltungsauffassung zu einer umwandlungsbedingten Entstrickung kommt. Zu denken ist, wie oben angeführt, an den praktisch relevanten Fall eines umwandlungsbedingten Transfers einer Anrechnungsbetriebsstätte. Zunächst wird man die Besteuerungsimplikationen in allen beteiligten Staaten genau analysieren müssen, um eine Abwägung treffen zu können. Ggf. geht bereits der ausländische Betriebsstättenstaat von einer Übertragung zu gemeinen Werten aus, so dass sich in Deutschland „lediglich“ eine Anrechnungslage (§ 26 KStG) ergibt.2 Bei der umwandlungsbedingten Übertragung von EU-Anrechnungsbetriebsstätten kommt auch ohne Realisierung der stillen Reserven im Betriebsstättenstaat die Anrechnung einer fiktiven Steuer nach § 11 Abs. 3 i.V.m. § 3 Abs. 3 UmwStG in Betracht. Zur Ermittlung der anrechenbaren ausländischen Steuern ist aber nach Verwaltungsauffassung regelmäßig ein Auskunftsersuchen nach § 117 AO erforderlich.3 Nachrangig könnten auch bei umfangreichen Vermögen, das umwandlungsbedingt zu entstricken droht, mögliche alternative Gestaltungswege angedacht werden. Beispielsweise könnte in Betracht gezogen werden, die Verschmelzungsrichtung zu ändern oder die Betriebsstätte vor Verschmelzung an den übernehmenden Rechtsträger zu veräußern, um zumindest eine phasengleiche Hebung und Besteuerung der stillen Reserven zwischen den beteiligten Staaten sicherzustellen. Auch könnte in Einzelfällen möglicherweise eine der Verschmelzung vorgelagerte Verlegung des Verwaltungssitzes (Geschäftsleitung) in den Sitzstaat der übernehmenden Körperschaft eine Alternative darstellen oder die Überführung von Wirtschaftsgütern der Anrechnungsbetriebsstätte (mit hohen stillen Reserven) ins inländische Stammhaus. Wird eine Umweggestaltung in Anbetracht einer komplexen Sachverhaltslage nach ausgiebiger Prüfung (im In- und Ausland) in Betracht gezogen, sollte vorab eine Abstimmung mit der Finanzverwaltung erfolgen. Im Ergebnis dürfte die Hinausverschmelzung aber nur in seltenen Fällen tatsächlich an dieser Fragestellung scheitern, da der EUStaat des übernehmenden Rechtsträgers den „step-up“ zumindest seit Umsetzung der ATAD-Richtlinie regelmäßig anerkennen sollte und der Umfang einer etwaig phasenverschobenen (Doppel-)Besteuerung bei ggf. nachgelagerter Realisierung der stillen Reserven im Betriebsstättenstaat häufig administrierbar erscheint. Dennoch kann es zwischen den beteiligten Staaten zu Streitigkeiten hinsichtlich der Wert1 Zu prüfen wäre unseres Erachtens in diesem Fall auch die Anwendung des § 8 Abs. 1 S. 1 KStG i.V.m. § 16 Abs. 3a EStG (Entstrickung von Betrieben und Teilbetrieben). Unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 3a i.V.m. § 36 Abs. 5 EStG kann die festgesetzte KSt in fünf gleichen Jahresraten entrichtet werden. Eine Stundungsmöglichkeit für die GewSt ist jedoch gesetzlich nicht vorgesehen. 2 Junior in Frotscher/Drüen, § 11 UmwStG Rz. 207 (Stand: 17.10.2021). 3 UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.13, 03.32.

Haller/Goller | 335

7.14

Kap. 7 Rz. 7.14 | Erfahrungsberichte mit internationalen Umwandlungen

ermittlung und den gemeinen Werten kommen. Das ist in der Praxis sogar relativ häufig der Fall. Insoweit ist es über diese Fragestellung hinaus notwendig, die Ansätze bei der Wertermittlung unter Berücksichtigung der Vorschriften in den beteiligten Staaten zu entwickeln, zu dokumentieren und im Vorfeld der Verschmelzung mit den Finanzverwaltungen – soweit möglich – abzustimmen.

7.15 Ob und inwieweit es bei einer grenzüberschreitenden Hinausverschmelzung außerhalb der (wohl) wenigen Fälle der umwandlungsbedingten Entstrickung zu einem Ausschluss oder Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts kommt, hängt – wie oben angedeutet – entscheidend davon ab, welche Wirtschaftsgüter in der deutschen Betriebsstätte nach Verschmelzung verbleiben und welche dem ausländischen Stammhaus bzw. dem übrigen Unternehmen des übernehmenden Rechtsträgers zuzuordnen sind. Es geht hiernach um jene Fälle der Verschmelzung nachgelagerten tatsächlichen Entstrickung, die den allgemeinen Entstrickungsregelungen (insbesondere § 12 Abs. 1 KStG) unterfallen und für welche grundsätzlich die Bildung eines Ausgleichspostens nach § 4g EStG in Betracht kommt.1 7.16 Die abkommensrechtliche Zuordnung von Wirtschaftsgütern zwischen Stammhaus und Betriebsstätte erfolgt grundsätzlich nach der funktionalen Betrachtungsweise.2 Die Finanzverwaltung verweist in Rz. 03.20 UmwSt-Erlass3 für die Beurteilung der Frage, ob eine Entstrickung auslösende Änderung der Zuordnung bei den Wirtschaftsgütern vorliegt, auf den sog. „Betriebsstättenerlass“ vom 24.12.19994. In der Literatur wird über diesen Verweis befürchtet, dass die Finanzverwaltung die Zuordnung (auch) nach der These der Zentralfunktion des Stammhauses vornimmt, die darin niedergelegt ist.5 Danach werden Wirtschaftsgüter, die für die Ausübung der Funktion der Betriebsstätte nicht bedeutend sind (sog. ungebundenes Vermögen, etwa Beteiligungen, Firmenwert, etc.), dem ausländischen Stammhaus zugeordnet, was zwangsläufig eine Entstrickung im Inland führt. Seit Umsetzung des „Authorized OECD Approach“ in § 1 Abs. 4 und 5 AStG, der nach dem Willen des Gesetzgebers im Grundsatz auch für alle von Deutschland abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen gilt und eine Zuordnung nach „Personalfunktionen“ vornimmt, dürfte für diese These kein Raum mehr verbleiben.6 Nach unserer Erfahrung wird die Zuordnung nach den Personalfunktionen insoweit mittlerweile auch innerhalb der Finanzverwaltung als „Standard“ betrachtet. Die Zuordnung nach diesem Maßstab ist aber erfahrungsgemäß nicht weniger streitanfällig. Zum einen hat Deutschland eigene Zuordnungsregelungen (vgl. § 5 ff. BsGaV) geschaffen, die zumindest 1 Dötsch/Stimpel in D/P/M, Die Körperschaftsteuer, § 11 UmwStG Tz. 79 (Stand: 1.11.2019). 2 Hölzl/Kiermair/Köbl in Eisgruber², § 11 UmwStG Rz. 107; Hruschka, ISR 2017, 258. 3 UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.20. 4 Betriebsstättenerlass 1999 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. 5 Prinz, Beck’sches Handbuch der GmbH6, § 16 Rz. 26. 6 Dötsch/Stimpel in D/P/M, Die Körperschaftsteuer, § 11 UmwStG Tz. 74 (Stand: 1.11.2019); Hölzl/Kiermair/Köbl in Eisgruber², § 11 UmwStG Rz. 107; Hruschka, ISR 2017, 258; Schaumberger/Stößel, FR 2020, 1127. Eingehend dazu auch Kapitel 1, Rz. 1.29 f.

336 | Haller/Goller

D. Einheitlichkeitsgebot vs. Verstr. bei Hereinverschmelzung | Rz. 7.18 Kap. 7

teilweise von der OECD Vorlage abweichen. Zum anderen kann der Blick auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt auf Basis des „Authorized OECD Approach“ je nach Wertung zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen führen.1 Dem Steuerpflichtigen ist somit zu empfehlen, seine Zuordnungsentscheidung zu begründen und anhand aussagekräftiger und widerspruchsfreier Dokumentation entsprechend den tatsächlichen Verhältnissen zu belegen.

D. Einheitlichkeitsgebot vs. Verstrickung bei Hereinverschmelzung Bei einer grenzüberschreitenden Hereinverschmelzung muss auch eine ausländische übertragende Kapitalgesellschaft nach Maßgabe des § 11 Abs. 1 UmwStG eine steuerliche Schlussbilanz für deutsche Besteuerungszwecke erstellen.2 In der Schlussbilanz sind grundsätzlich nach § 11 Abs. 1 UmwStG die gemeinen Werte anzusetzen, so dass es zur aus deutscher Sicht steuerfreien Aufdeckung der stillen Reserven im Rahmen einer „steuerlichen Verstrickung“ beim übernehmenden Rechtsträger kommt. Abweichend davon kommt ein antragsgebundener Buch- oder Zwischenwertansatz in Betracht, insoweit die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Nr. 1–3 UmwStG gegeben sind, also insbesondere keine Statusverschlechterung bei deutschen Besteuerungsrechten eintritt. Bei einer Hereinverschmelzung liegen alle Voraussetzungen regelmäßig vor, so dass der Buch- oder Zwischenwertansatz ohne weiteres beantragt werden kann. Die deutsche Übernehmerin ist nach Maßgabe des § 12 Abs. 1 UmwStG an die Wertansätze in der deutschen Übertragungsbilanz der ausländischen Kapitalgesellschaft gebunden. Eine Wertverknüpfung bzw. Bindung zwischen einer etwaigen ausländischen (handels- oder steuerlichen) Übertragungsbilanz und der inländischen steuerlichen Schlussbilanz besteht im Grundsatz nicht.3

7.17

An einem Buchwertansatz in der deutschen Übertragungsbilanz wird die ausländische übertragende Gesellschaft insbesondere dann interessiert sein, wenn vor Verschmelzung umfangreiches steuerverstricktes Inlandsvermögen (z.B. DBA Betriebsstätte, Grundvermögen) mit hohen stillen Reserven besteht, wodurch bei Buchwertaufstockung ein etwaiger Übertragungsgewinn zumindest anteilig der deutschen Vollbesteuerung (KSt, GewSt, SolZ) unterliegen würde. Verfügte die übertragende Kapitalgesellschaft vor Verschmelzung demgegenüber überwiegend über Vermögen, das in Deutschland bisher nicht steuerverstrickt war, aber im Zuge der Verschmelzung steuerverstrickt wird (z.B. ausländische Anrechnungsbetriebsstätten), ist regelmäßig der Ansatz gemeiner Werte vorteilhaft, da Deutschland an einem etwaigen Übertragungsgewinn (step up) häufig kein Besteuerungsrecht hat. Zu beachten ist dabei jedoch, dass der Wertansatz in der Übertragungsbilanz nicht nur das Übertragungsergebnis maßgeblich bestimmt, sondern auch das Übernahmeergebnis beim

7.18

1 Gosch, ISR 2018, 409. 2 UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.02 i.V.m. 03.01. 3 Dötsch/Stimpel in D/P/M, Die Körperschaftsteuer, § 11 UmwStG Tz. 17 (Stand: 1.11.2019).

Haller/Goller | 337

Kap. 7 Rz. 7.18 | Erfahrungsberichte mit internationalen Umwandlungen

inländischen übernehmenden Rechtsträger, das bei einer Aufwärtsverschmelzung „nur“ zu 95 % steuerfreigestellt ist (§ 12 Abs. 2 S. 2 UmwStG i.V.m. § 8b KStG).1

7.19 Nach § 11 Abs. 2 UmwStG können die übergehenden Wirtschaftsgüter auf Antrag aber nur „einheitlich“ mit einem Buch- oder Zwischenwert in der Übertragungsbilanz angesetzt werden. Der Steuerpflichtige kann somit grundsätzlich nicht zwischen unterschiedlichen Werten wählen, z.B. die Buchwerte für das steuerverstrickte Inlandsvermögen und die gemeinen Werte für das Auslandsvermögen.2 Kommt der Steuerpflichtige dem Einheitlichkeitsgebot in der Übertragungsbilanz nicht nach, besteht die Gefahr, dass die Finanzverwaltung insgesamt von einer Übertragung zu gemeinen Werten ausgeht, was bei hohen stillen Reserven im steuerverstrickten Inlandsvermögen zu signifikanten Besteuerungskonsequenzen führen kann. 7.20 In der Literatur wird häufig vertreten, dass das Einheitlichkeitsgebot dabei im Widerspruch zu den allgemeinen Verstrickungsregelungen steht, wonach Wirtschaftsgüter, an denen Deutschland ein Besteuerungsrecht erstmals begründet, zwingend mit ihren gemeinen Werten anzusetzen sind (§ 4 Abs. 1 S. 8 Halbs. 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG).3 Soweit ersichtlich liegt (noch) keine klärende Rechtsprechung zum Verhältnis der umwandlungssteuerlichen Bewertungsvorschriften und Wertverknüpfung (§§ 11, 12 UmwStG) zu den allgemeinen Verstrickungsgrundsätzen vor. Im Schrifttum wird teilweise von einem nebeneinander der Verstrickungsregelungen und den umwandlungssteuerlichen Bewertungsvorschriften bzw. der Wertverknüpfung nach § 11 UmwStG und § 12 UmwStG ausgegangen, so dass im Ergebnis für das anlässlich der Verschmelzung neu steuerverstrickte Vermögen im Inland gemeine Werte nach den (allgemeinen) Verstrickungsgrundsätzen angesetzt werden können.4 Demgegenüber dürfte die Finanzverwaltung analog zu der von ihr vertretenen Unterscheidung zwischen rechtlicher (umwandlungsbedingter) und tatsächlicher Entstrickung in Fällen der Hinausverschmelzung von einer vom Einheitlichkeitsgebot erfassten umwandlungsbedingten Verstrickung und einer nachgelagerten tatsächlichen Verstrickung (zu gemeinen Werten) bei Hereinverschmelzung ausgehen. Im Ergebnis dürfte diese Auffassung den praktischen Problembereich analog zu den Entstrickungsfällen begrenzen. Dennoch sind in den (wohl) wenigen Fällen einer umwandlungsbedingten Begründung von Besteuerungsrechten unsachgerechte Besteuerungs1 Nach Auffassung des FG Schleswig-Holstein v. 24.3.2022 – 1 K 181/19, EFG 2022, 979, ist die nationale Regelung (§ 12 Abs. 2 UmwStG i.V.m. § 8b KStG) mit den Vorgaben des Unionsrechts in der Fusionsrichtlinie vereinbar. Bei der sog. Schachtelstrafe nach nationalem Recht handle es sich nicht um eine partielle Rücknahme der Steuerbefreiung, sondern um eine typisierende und pauschalierende Kürzung von Betriebsausgaben. In der Praxis sollten entsprechende Fälle aber unter Hinweis auf Art. 7 der Fusionsrichtlinie und die beim BFH anhängige Revision (AZ: I R 17/22) offen gehalten werden. 2 UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.06 i.V.m. 03.13; Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut³, § 11 UmwStG Rz. 346 ff. 3 Dötsch/Stimpel in D/P/M, Die Körperschaftsteuer, § 11 UmwStG Tz. 39 (Stand: 1.11.2019); Prinz, Beck’sches Handbuch der GmbH6, § 16 Rz. 59. 4 Prinz, Beck’sches Handbuch der GmbH6, § 16 Rz. 60; Böhmer/Wegener, Ubg 2015, 69; Kraft/Poley, SteuerStud 2013, S. 164 f.

338 | Haller/Goller

D. Einheitlichkeitsgebot vs. Verstr. bei Hereinverschmelzung | Rz. 7.21 Kap. 7

ergebnisse zu befürchten, so in etwa beim umwandlungsbedingten Transfer von Anrechnungsbetriebsstätten von der ausländischen übertragenden Kapitalgesellschaft auf die inländische Übernehmerin.1 Nach unserer Auffassung kann dem allgemeinen Verständnis einer Verschmelzung als Anschaffungs- und Veräußerungsvorgang folgend auch vertreten werden, dass es zum Übertragungsstichtag hinsichtlich des umwandlungsbedingt (qua Rechtsträgerwechsel) neu steuerverstrickten Vermögens mangels spezieller Bewertungsregelung im UmwStG nur einen feststehenden Wert gibt, den ausländischen Entstrickungswert oder, falls der ausländische Staat keine Entstrickungsbesteuerung vornimmt, den gemeinen Wert (entsprechend § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG).2 Dieser Wertansatz steht der einheitlichen Wahlrechtsausübung nicht entgegen.3 Beispiel: Hereinverschmelzung einer italienischen Srl Eine italienische Srl soll auf ihre deutsche Mutter-GmbH verschmolzen werden. Die italienische Srl verfügt über eine Anrechnungsbetriebsstätte in einem Drittstaat mit dem Deutschland kein DBA abgeschlossen hat (z.B. Brasilien). Umwandlungsbedingt – qua Rechtsträgerwechsel – verliert Italien das Besteuerungsrecht am Betriebsstättenvermögen. Italien wird folglich von einer Entstrickung zu „Marktpreisen“ („valore di mercato“) ausgehen. In Deutschland muss die Srl eine Übertragungsbilanz nach § 11 Abs. 1 UmwStG erstellen. Die deutsche Mutter-GmbH muss die Werte aus der Übertragungsbilanz übernehmen (§ 12 Abs. 1 UmwStG). Für die Übertragungsbilanz gilt das Einheitlichkeitsgebot. Verfügt die Srl neben der Betriebsstätte auch über deutsches Vermögen (z.B. Betriebsstätte, Grundvermögen), an dem Deutschland ein Besteuerungsrecht hat, steht sie vor der schwierigen Entscheidung, welchen Wertansatz sie wählt. Folgt man der wohl in der Finanzverwaltung vorherrschenden Auffassung, dann gilt der Vorrang des Einheitlichkeitsgebots (vor etwaigen Verstrickungsgrundsätzen) für das Gesamtvermögen der Srl. Ein einheitlicher Buchwertansatz, der eine Vollbesteuerung der stillen Reserven im steuerverstrickten Inlandsvermögen vermeidet, würde aber im Ergebnis dazu führen, dass die stillen Reserven im ausländischen Betriebsstättenvermögen, das umwandlungsbedingt verstrickt wird, importiert werden und einer nachgelagerten Doppelbesteuerung in Deutschland unterfallen.

In Anbetracht der Rechtsunsicherheit in Deutschland und des bestehenden Risikos bilateraler Verwerfungen sollte im praktischen Fall das Vermögen der ausländischen übertragenden Körperschaft dem Grunde und Höhe nach und seine Zuordnung vor und nach der Verschmelzung (aus bi- und ggf. multilateralen Perspektive) analysiert

1 Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1964 f.; Hruschka, StuB 2011, S. 543. 2 Als Folge der Umsetzung von Art. 5 Abs. 5 ATAD-RL wurde § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG um einen zweiten Halbsatz ergänzt: Unterliegt der Steuerpflichtige in einem anderen Staat einer Besteuerung auf Grund des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts dieses Staates, ist das Wirtschaftsgut mit dem Wert anzusetzen, den der andere Staat der Besteuerung zugrunde legt, höchstens jedoch mit dem gemeinen Wert. Es besteht insofern eine Korrespondenz (Wertverknüpfung), die jedoch nicht gilt, wenn im ausländischen Staat keine Entstrickungsbesteuerung stattfindet. Dann bleibt es beim gemeinen Wert (vgl. Böhmer/Schewe, FR 2021, 770). 3 Im Übrigen geht auch der Gesetzgeber bei Einbringungen i.S.d. § 20 UmwStG davon aus, dass das neu steuerverstrickte Vermögen mit seinem gemeinen Wert (entsprechend § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG) angesetzt werden kann und dass das Einheitlichkeitsgebot dem nicht entgegensteht (vgl. BT-Drucks. 16/2710, 43).

Haller/Goller | 339

7.21

Kap. 7 Rz. 7.21 | Erfahrungsberichte mit internationalen Umwandlungen

und dokumentiert werden. Sodann kann eine Planungs- und Entscheidungsgrundlage geschaffen werden und eine Abwägung erfolgen. Zumindest in Fällen einer komplexeren Vermögensstruktur sollte die Auffassung der Finanzverwaltung eingeholt werden. Falls von der Verschmelzung insbesondere umfangreiches Vermögen betroffen ist, das durch die Umwandlung bzw. den Rechtsträgerwechsel droht steuerverstrickt zu werden (z.B. Anrechnungsbetriebsstätten), kann aus der deutschen Sicht auch über alternative Gestaltungswege nachgedacht werden, etwa einer Änderung der Verschmelzungsrichtung oder eine der Umwandlung vorgeschaltete Veräußerung dieses Vermögens an den inländischen übernehmenden Rechtsträger.1

7.22 Besteht bei der übertragenden ausländischen Kapitalgesellschaft inländisches Betriebsstätten- oder Grundvermögen, das in Deutschland bereits vor Verschmelzung steuerverhaftet war, besteht zumindest bei hohen stillen Reserven aus deutscher Perspektive ein Interesse an der Buchwertfortführung. Aus Sicht des Ansässigkeitsstaates der Kapitalgesellschaft muss es sich aber nicht um Vermögen handeln, das freizustellen ist. Ganz im Gegenteil haben sich viele Staaten in Abkommen mit Deutschland die Anwendung der Anrechnungsmethode (anstatt der Freistellungsmethode) vorbehalten unabhängig von etwaigen abkommensrechtlichen und nationalen SwitchOver-Klauseln. Demzufolge kann es sich um Vermögen handeln, das nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland steuerverhaftet ist. Mit dem umwandlungsbedingten Rechtsträgerwechsel verliert das Ausland den Zugriff auf dieses Vermögen, so dass es, auch wenn in Deutschland die Buchwertfortführung beantragt würde, zu einer Besteuerung im Ausland kommen kann. Deshalb müssen die ausländischen Besteuerungskonsequenzen in allen Fällen (auch hinsichtlich des Inlandsvermögens) detailliert analysiert und abgeklärt werden.

E. Ermittlung der Buchwerte bei Hereinverschmelzung 7.23 Gemäß § 11 Abs. 1 UmwStG muss die übertragende ausländische Kapitalgesellschaft eine steuerliche Schlussbilanz erstellen und einreichen. In der Schlussbilanz ist das gesamte in- wie ausländische Vermögen auszuweisen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung muss die ausländische übertragende Kapitalgesellschaft die Wertansätze in der Schlussbilanz strikt „unter Zugrundelegung des deutschen Steuerrechts ermitteln“.2 Eine Bindung an die Wertansätze in einer etwaigen ausländischen Schlussbilanz besteht nach Auffassung der Finanzverwaltung im Grundsatz folglich nicht.3 Vereinfachungen sieht die Finanzverwaltung keine vor. Stellt die ausländische Kapitalgesellschaft einen Antrag auf Buchwertfortführung (§ 11 Abs. 2 UmwStG), so sind die Buchwerte grundsätzlich für das Gesamtvermögen auf den Übertragungsstichtag

1 Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut³, § 11 UmwStG Rz. 350. 2 UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.02. 3 Dötsch/Stimpel in D/P/M, Die Körperschaftsteuer, § 11 UmwStG Tz. 17 (Stand: 1.11.2019).

340 | Haller/Goller

F. Einlagenbestand bei Hereinverschmelzung | Rz. 7.25 Kap. 7

zu ermitteln.1 Das kann bei strikter Anwendung der Verwaltungsauffassung aufwendige Rechenaufgaben mit sich bringen. Beispielsweise könnte gefordert werden, die einzelnen Aktiva und Passiva im Rahmen einer aufwendigen Schattenrechnung auf den steuerlichen Übertragungsstichtag zu entwickeln.2 Demgegenüber wird ein wirtschaftliches Interesse an einer Buchwertfortführung regelmäßig nur dann bestehen, wenn die übertragende ausländische Kapitalgesellschaft bereits vor Verschmelzung umfangreiches steuerverstricktes Inlandsvermögen besaß (Betriebsstätte, Grundvermögen). Für dieses Vermögen dürften aber „deutsche“ Buchwerte bestehen, so dass sie nicht eigens zu ermitteln sind. Für das ausländische Restvermögen wird in der Praxis häufig eine Überleitungsrechnung auf die deutschen steuerlichen Bilanzierungsvorschriften erstellt. Dabei wird regelmäßig der Schwerpunkt auf jene Positionen gelegt, bei denen offensichtlich signifikante Abweichungen zwischen aus- und inländischer (steuerlicher) Rechnungslegung bestehen. Diese können zwischen dem In- und Ausland abgestimmt und nachermittelt werden. Häufig verbleibt im Ausland nach Hereinverschmelzung „nur“ eine DBA Freistellungsbetriebsstätte. Deutschland hat weder vor noch nach der Verschmelzung einen Besteuerungszugriff auf dieses Vermögen. Auch das auf den Werten der Übertragungsbilanz basierende Umwandlungsergebnis, an dem Deutschland regelmäßig ein Besteuerungsrecht hat (vgl. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA), bleibt bis auf den Fall einer Aufwärtsverschmelzung gem. § 12 Abs. 2 S. 1 f. UmwStG außer Ansatz. Mangels Fiskalinteresses akzeptiert deshalb auch die Finanzverwaltung regelmäßig eine vereinfachte Herangehensweise bei der Ermittlung der Wertansätze. Der konkrete Angang sollte aber fallbezogen entwickelt und – soweit möglich – vor der Verschmelzung mit der Finanzverwaltung abgestimmt werden.

7.24

F. Ermittlung des Einlagenbestands bei Hereinverschmelzung Zur Abgrenzung einer nicht steuerbaren Einlagenrückgewähr von einer steuerpflichtigen Gewinnauskehrung haben unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften ein steuerliches Einlagekonto zu führen (§ 27 Abs. 1 S. 1 KStG). Der unter Berücksichtigung der Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahrs ermittelte Bestand des steuerlichen Einlagekontos wird nach Maßgabe des § 27 Abs. 2 S. 1 KStG gesondert festgestellt. Die Folgen einer Verschmelzung auf das steuerliche Einlagekonto richten sich demgegenüber nach § 29 Abs. 1, 2 und 4 KStG. Demnach wird das um das Nennkapital erhöhte steuerliche Einlagekonto der Überträgerin dem steuerlichen Einlagekonto der Übernehmerin hinzugerechnet. Kürzungen ergeben sich bei Aufoder Abwärtsverschmelzung im Verhältnis der Beteiligung der Mutter an der Tochter 1 Bei Vermögen, das umwandlungsbedingt im Inland neu steuerverstrickt wird, kann aber nach unserer Auffassung – wie weiter oben ausgeführt – gewissermaßen als Ausnahme vom Grundsatz der ausländische Entstrickungswert oder, falls der ausländische Staat keine Entstrickungsbesteuerung vornimmt, der gemeine Wert angesetzt werden. Dieser Wertansatz sollte der einheitlichen Wahlrechtsausübung in der Übertragungsbilanz nicht entgegenstehen. 2 Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451.

Haller/Goller | 341

7.25

Kap. 7 Rz. 7.25 | Erfahrungsberichte mit internationalen Umwandlungen

(§ 29 Abs. 2 S. 2, 3 KStG). Für den Fall der Hereinverschmelzung einer ausländischen Kapitalgesellschaft, für die bisher mangels unbeschränkter Steuerpflicht kein steuerliches Einlagekonto festzustellen war, trifft § 29 Abs. 6 S. 1 KStG die Regelung, dass anstelle des Einlagekontos der Bestand der nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen zum Zeitpunkt des Vermögensübergangs tritt. Nach § 29 Abs. 6 S. 2 KStG gilt dabei § 27 Abs. 8 KStG, welcher den Regelungsrahmen für die Einlagenrückgewähr von EU/EWR-Gesellschaften vorgibt, entsprechend. Ausweislich der Gesetzesbegründung bezweckt § 29 Abs. 6 KStG die Gleichstellung von offenen (und verdeckten) Gesellschaftereinlagen in ausländische Kapitalgesellschaften mit inländische Einlagen und ihre entsprechende Behandlung bei Umwandlungsvorgängen, d.h. der Hinzurechnung zum steuerlichen Einlagekonto bei der inländischen Übernehmerin.1

7.26 Die praktische Anwendung der Vorschrift wirft eine Vielzahl an Zweifelsfragen auf, die bislang – auch mehr als 15 Jahre nach Einführung der Vorschrift durch das SEStEG – als weitestgehend ungeklärt angesehen werden können.2 Eine der vielen Zweifelsfragen ist dabei, wie der Einlagenbestand bei ausländischen Kapitalgesellschaft zum Zeitpunkt des Vermögensübergangs zu ermitteln ist.3 Die Ausführungen im UmwSt-Erlass sind denkbar knapp. Es wird lediglich darauf verwiesen, dass in den Fällen des § 29 Abs. 6 KStG das Finanzamt der übernehmenden Körperschaft örtlich zuständig ist und dass die Ermittlung des Einlagebestands von diesem in Abstimmung mit dem BZSt zu erfolgen hat.4 Soweit ersichtlich sind darüber hinaus bisher keine besonderen Formulare oder Merkblätter von der Finanzverwaltung, anders als für die Fälle der Einlagenrückgewähr i.S.d. § 27 Abs. 8 KStG,5 veröffentlicht worden. In Anbetracht dessen stellt sich die für die Praxis relevante Frage, ob der Einlagenbestand direkt aus der ausländischen Rechnungslegung (Kapitalrücklage), analog der Verfahrensweise bei Drittstaatenfällen, abgeleitet werden darf6 oder ob eine aufwendige Nachermittlung nach deutschem Steuerrecht entsprechend den Vorstellungen der Finanzverwaltung zu § 27 Abs. 8 KStG zu erfolgen hat. 7.27 Die Praxis der Finanzverwaltung dürfte eher dahingehen, dass sie bei der Ermittlung des Einlagenbestands nach § 29 Abs. 6 KStG grundsätzlich dieselben Maßstäbe anlegt wie bei § 27 Abs. 8 KStG. Etwas anderes wäre auch aufgrund der § 29 Abs. 6 S. 2 KStG angeordneten sinngemäßen Geltung der Verfahrensgrundsätze des § 27 Abs. 8 KStG etwas überraschend. Insoweit können der von der Finanzverwaltung veröffentlichte Unterlagenkatalog und das Muster zu § 27 Abs. 8 KStG einen Orientierungs-

1 2 3 4

BT-Drucks. 16/2710, 31, 32. Dötsch/Stimpel in D/P/M, Die Körperschaftsteuer, § 29 KStG Tz. 58 ff. (Stand: 1.2.2020). Dötsch/Stimpel in D/P/M, Die Körperschaftsteuer, § 29 KStG Tz. 60 f. (Stand: 1.2.2020). UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 K.19. 5 Unterlagenkatalog abrufbar unter https://www.bzst.de/DE/Unternehmen/Kapitalertraege/ Einlagenrueckgewaehr/einlagenrueckgewaehr_node.html. 6 BMF v. 21.4.2022 – IV C 2 - S 2836/20/10001 :002 (2022/0364601); vgl. auch Stadler/Jetter, IStR 2009, 339. Zu beachten ist jedoch, dass der Anwendungsbereich des § 27 Abs. 8 KStG im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2022 auf Drittstaatenfälle erweitert wurde.

342 | Haller/Goller

G. Steuerliche Rückwirkung | Rz. 7.29 Kap. 7

punkt bieten.1 Bei § 29 Abs. 6 KStG geht es aber lediglich um den Einlagenbestand. Es geht nicht darum, eine konkrete Ausschüttung daraufhin zu untersuchen, ob sie aus dem ausschüttbaren Gewinn oder dem Einlagekonto erbracht wurde. Das Einlagekonto speist sich im Wesentlichen aus offenen (und verdeckten) Gesellschaftereinlagen. Bei relativ jungen Gesellschaften erscheint die Ermittlung des Einlagenbestands deshalb umsetzbar, aber bei beispielsweise älteren ausländischen Gesellschaften ist eine detaillierte Nachermittlung entweder gar nicht oder nur unter unverhältnismäßigem Aufwand möglich. Punktuell erlaubt die Finanzverwaltung ggf. Erleichterungen. So kann es ausreichen, wenn die Entwicklung des Einlagebestands erst ab dem Erwerb der fraglichen Beteiligung nachgewiesen wird.2 Insgesamt ist die momentane Praxis aber in höchstem Maße unbefriedigend. Das wird durchaus auch von Vertretern der Finanzverwaltung so gesehen und „vereinfachte“ Ermittlungsmethoden gefordert.3

G. Steuerliche Rückwirkung Für handelsrechtliche Zwecke gilt eine Verschmelzung beim übernehmenden Rechtsträger mit Eintragung im Handelsregister als vollzogen, § 20 UmwG. Mithin können Rechtsvorgänge mit steuerlicher Wirkung nicht rückbezogen werden. § 2 UmwStG regelt gewissermaßen als Ausnahme von diesem Grundsatz die Rückwirkung der Steuerwirkungen der Verschmelzung auf den Stichtag der handelsrechtlichen Verschmelzungsbilanz (steuerlicher Übertragungsstichtag). Ausweislich des § 17 Abs. 2 S. 4 UmwG darf die Umwandlung aber nur dann in das Handelsregister eingetragen werden, wenn die Verschmelzungsbilanz auf einen höchstens 8 Monate4 vor der Anmeldung liegenden Stichtag aufgestellt worden ist. Die steuerliche Rückwirkung kann folglich bis höchstens 8 Monate vor der Anmeldung zum Handelsregister reichen, wobei der tatsächliche Rückwirkungszeitraum aufgrund späterer Registereintragung auch länger sein kann.5 Im Fall grenzüberschreitender Verschmelzungen gelten diese Regelungen entsprechend, wobei es bei Hereinverschmelzung nach Deutschland oder Auslandsverschmelzungen auf den Stichtag der Verschmelzungsbilanz nach ausländischem Recht ankommt.6

7.28

Bei grenzüberschreitenden Umwandlungen kann es hinsichtlich der handelsrechtlichen Wirksamkeit zu keiner Kollision der Rechtsordnungen kommen, da sich der Zeitpunkt der handelsrechtlichen Wirksamkeit einer Umwandlung nach dem Recht des Sitzstaates des übertragenden Rechtsträgers richtet.7 Dagegen gibt es keinen ver-

7.29

1 Vgl. insbesondere das Muster „Entwicklung Einlagebestand“, abrufbar unter: https://www. bzst.de/DE/Unternehmen/Kapitalertraege/Einlagenrueckgewaehr/einlagenrueckgewaehr_node.html. 2 Sedemund, IStR 2009, 579 (582). 3 Frotscher in Frotscher/Drüen, § 2 UmwStG Rz. 30 (Stand: 29.1.2018). 4 Coronabedingt wurde die umwandlungsbedingte Rückbeziehungsmöglichkeit befristet für 2020/2021 auf bis zu 12 Monate erweitert. 5 van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut³, § 2 UmwStG Rz. 38. 6 UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 02.07. 7 Dötsch/Werner in D/P/M, Die Körperschaftsteuer, § 2 UmwStG Tz. 77 (Stand: 1.9.2021).

Haller/Goller | 343

Kap. 7 Rz. 7.29 | Erfahrungsberichte mit internationalen Umwandlungen

gleichbaren Grundsatz für die steuerliche Rückwirkung der Verschmelzung.1 Nachfolgende Tabelle gibt einen Grobüberblick zu den Vorschriften über die steuerliche Rückwirkung in ausgewählten Staaten: Dänemark

Der Stichtag der Eröffnungsbilanz der übernehmenden Gesellschaft, die in Zusammenhang mit der Verschmelzung erstellt wird, gilt grundsätzlich als steuerlicher Stichtag für die Verschmelzung. Bei einer Hinausverschmelzung aus Dänemark darf abweichend der steuerliche Verschmelzungsstichtag grundsätzlich nicht vor dem Tag liegen, an dem die Verschmelzung in allen sich verschmelzenden Gesellschaften genehmigt wird.

Frankreich

Die Verschmelzung kann steuerlich auf den Beginn des Wirtschaftsjahres zurückbezogen werden, in dem die Verschmelzung im Handelsregister eingetragen wurde. Bei einer Hinausverschmelzung aus Frankreich muss der übernehmende Rechtsträger eine Betriebsstätte bereits vor Beginn des Rückwirkungszeitraums registriert haben.

Italien

Die Verschmelzung kann steuerlich auf den Beginn des Wirtschaftsjahres zurückbezogen werden, in dem die Verschmelzung im Handelsregister eingetragen wurde.

Niederlande

Die Verschmelzung kann auf den Beginn des Wirtschaftsjahres zurückbezogen werden, insoweit bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden, insbesondere kein ungerechtfertigter Steuervorteil entsteht und die Eintragung im Handelsregister innerhalb von 12 Monaten erfolgt. Verbleibt bei einer Hinausverschmelzung aus den Niederlanden keine Betriebsstätte, ist keine steuerliche Rückwirkung möglich.

Österreich

Als steuerlicher Übertragungsstichtag gilt der Verschmelzungsvertrag festgelegte Stichtag, zu dem auch die Verschmelzungsbilanz aufzustellen ist. Dabei erlaubt das österreichische Gesellschaftsrecht Verschmelzungen, deren Stichtag max. 9 Monate vor Anmeldung zum Firmenbuch liegt.

Schweden

Die Verschmelzung kann steuerlich auf den Beginn des Wirtschaftsjahres zurückbezogen werden, in dem die Verschmelzung im Handelsregister eingetragen wurde.

7.30 Der Rückwirkungszeitraum gemäß ausländischem Recht kann kürzer oder länger als der Rückwirkungszeitraum nach deutschem Recht sein. Der ausländische Staat kann möglicherweise auch keine Rückwirkung erlauben. Im Ergebnis können zeitlich divergierende Rückwirkungszeiträume oder Unterschiede beim Gegenstand (Umfang, Rechtsfolgen) der Rückwirkung2 zu Verwerfungen in Gestalt von Doppelbesteuerungen oder „weißen Einkünften“ führen.3 Wenn beispielsweise bei einer Hinausverschmelzung aus Deutschland der ausländische Staat von einem kürzeren Rückwir1 van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut³, § 2 UmwStG Rz. 149. 2 Das ausländische Recht kann nicht nur Zeitpunkt, sondern auch Gegenstand der Rückwirkung anders festlegen. Beispielsweise sind nach § 2 Abs. 4 des österreichischen UmgrStG Ausschüttungen von der Rückwirkung ausgenommen (vgl. van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut³, § 2 UmwStG Rz. 161). 3 Frotscher in Frotscher/Drüen, § 2 UmwStG Rz. 116 (Stand: 29.1.2018).

344 | Haller/Goller

G. Steuerliche Rückwirkung | Rz. 7.31 Kap. 7

kungszeitraum als Deutschland ausgeht, könnten die Einkünfte des übertragenden Rechtsträgers in Deutschland nicht mehr und im Ausland noch nicht besteuert werden. Nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 UmwStG gilt die steuerliche Rückwirkung (nach § 2 Abs. 1 u. 2 UmwStG) aber nicht, insoweit Einkünfte aufgrund unterschiedlicher Regelungen zwischen den beteiligten Staaten unversteuert blieben. Es besteht insofern im deutschen UmwStG eine Vorschrift, die ausweislich der Gesetzesbegründung das Entstehen von „weißen Einkünften“ verhindern soll.1 Auch im Ausland (z.B. Niederlande) bestehen Regelungen, welche die Rückwirkung davon abhängig machen, dass keine ungerechtfertigten Steuervorteile entstehen. Für den Fall einer drohenden Doppelbesteuerung trifft das UmwStG jedoch demgegenüber keine Regelung. Die Lösung eines Doppelbesteuerungskonflikts wird in der Praxis deshalb über ein Verständigungsverfahren gesucht werden müssen.2 Im praktischen Fall einer grenzüberschreitenden Verschmelzung wird man die nationalen Regelungen in den beteiligten Staaten und ihre Wirkungen zunächst genau analysieren müssen. Erfahrungsgemäß wird regelmäßig über eine entsprechende Strukturierung des Umwandlungsvorgangs versucht, einen Gleichlauf zwischen den beteiligten Staaten hinsichtlich des maßgeblichen Zeitpunkts des Eintritts der steuerlichen Wirkungen herzustellen oder zumindest die zeitlichen Divergenzen einzuschränken. Dies setzt eine enge Abstimmung zwischen den an der Verschmelzung beteiligten Unternehmen und Beratern (Steuerberater, Rechtsanwälte, Notare) im Inund Ausland voraus. Letztlich sind etwaige Doppelbesteuerungsrisiken aus divergierenden Rückwirkungszeiträumen oder durch inhaltliche Unterschiede bei den Vorschriften (z.B. hinsichtlich Umfang und Rechtsfolgen der Rückwirkung) einzelfallabhängig zu untersuchen und zu quantifizieren. Beispiel: Rückwirkende Hereinverschmelzung einer niederländischen BV Sachverhalt: Eine niederländische BV soll auf eine deutsche GmbH verschmolzen werden. Die niederländische BV hat bis auf Mehrheitsbeteiligungen an einigen Tochterkapitalgesellschaften kein wesentliches Vermögen, so dass keine Betriebsstätte nach Verschmelzung in den Niederlanden verbleibt. Der Stichtag der niederländischen Verschmelzungsbilanz ist der 31.12.2021. Die Verschmelzung wird im 8.9.2022 im Handelsregister eingetragen. Im Zeitraum zwischen 1.1.2022 und 8.9.2022 schütten die Gesellschaften, an denen die niederländischen BV Beteiligungen unterhält, Gewinne aus. Lösung: Für deutsche Besteuerungszwecke treten die Wirkungen der Verschmelzung mit Ablauf des Stichtags der Verschmelzungsbilanz (31.12.2021) ein. Die Beteiligungen der niederländischen BV sind aus deutscher Sicht somit bereits der deutschen GmbH zuzurechnen. Da keine Betriebsstätte in den Niederlanden verbleibt, gewähren die Niederlande keine Rückwirkung. Insoweit sind aus niederländischer Sicht die Beteiligungen bis zur Handelsregistereintragung jene der BV. Sowohl Deutschland als auch die Niederlande können demnach Anspruch auf die Besteuerung der Gewinnausschüttungen erheben. Sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland (über § 8b Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 KStG) sind die Gewinnausschüttungen weitestgehend von der Steuer befreit. Insofern sollte, auch wenn beide Staaten Besteuerungsansprüche erheben, in diesem Fall keine Doppelbesteuerung verbleiben.

1 BT-Drucks. 17/2710, 36. 2 Prinz, Beck’sches Handbuch der GmbH6, § 16 Rz. 44.

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7.31

Kap. 7 Rz. 7.32 | Erfahrungsberichte mit internationalen Umwandlungen

H. Verlustnutzung 7.32 Bei Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften nach § 11–13 UmwStG ordnet § 12 Abs. 3 UmwStG i.V.m. § 4 Abs. 2 S. 2 UmwStG gewissermaßen als Ausnahme zur ansonsten geltenden steuerlichen Gesamtrechtsnachfolge (sog. „Fußstapfentheorie“) an, dass insbesondere Verluste und vergleichbare Positionen (z.B. Verlustvortrag, Zinsvortrag, EBITDA Vortrag) der übertragenen Körperschaft nicht auf die Übernehmerin übergehen. Dies gilt gem. § 19 Abs. 2 UmwStG für gewerbesteuerliche Fehlbeträge entsprechend. Es verbleibt somit lediglich die Möglichkeit, die bestehenden Verlustvorträge der übertragenden Körperschaft durch Buchwertaufstockung und Verrechnung mit einem etwaig entstehenden Übertragungsgewinn vor dem Untergang zu bewahren. Dabei kann es jedoch wegen der in § 10d Abs. 2 EStG angelegten Mindestbesteuerung zur Kappung des Verlustabzugs kommen. Verlustvorträge bei der Übernehmerin bleiben demgegenüber vorbehaltlich § 8c KStG sowie § 8d KStG zum fortführungsgebundenen Verlustvortrag bestehen. Zu einem (vollständigen) Verlustuntergang nach § 8c KStG bei der Übernehmerin könnte es kommen, wenn sich infolge der verschmelzungsbedingten Kapitalerhöhung die Beteiligung eines Anteilseigners (oder einer Erwerbergruppe i.S.v. § 8c Abs. 1 S. 2 KStG) auf mehr als 50 % erhöht. Zu beachten ist bei Verschmelzungen daneben noch § 2 Abs. 4 und 5 UmwStG, welche die Nutzung steuerlicher Verluste und von Verlustpotential (stillen Lasten) durch rückwirkende Umwandlung verhindern sollen. 7.33 Nach herrschender Literaturauffassung betrifft der verschmelzungsbedingte Verlustuntergang (i.S.d. § 12 Abs. 3 UmwStG i.V.m. § 4 Abs. 2 S. 2 UmwStG) dabei nicht nur nationale Verschmelzungen, sondern insbesondere auch grenzüberschreitende Verschmelzungen in Gestalt von Hinaus- und Hereinverschmelzungen wie auch Auslandsverschmelzungen.1 Bei einer Hinausverschmelzung einer deutschen Kapitalgesellschaft auf einen EU/EWR-Rechtsträger können demnach ungenutzte Verluste nicht in einer verbliebenen deutschen Betriebsstätte der übernehmenden Körperschaft genutzt werden. Verluste und Verlustvorträge einer ausländischen übertragenen Körperschaft können demgegenüber im Zuge einer Hereinverschmelzung in Deutschland nicht nutzbar gemacht bzw. „importiert“ werden, unabhängig davon, ob eine Betriebsstätte der deutschen Übernehmerin im Sitzstaat der übertragenden Körperschaft verbleibt oder nicht.2 Dies gilt unseres Erachtens entsprechend für Verluste von Auslandsbetriebsstätten, die umwandlungsbedingt von der ausländischen Körperschaft auf die inländische Übernehmerin übertragen werden. Bei Auslandsverschmelzungen ohne Beteiligung deutscher Rechtsträger gehen nach § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 S. 2 UmwStG Verluste einer deutschen Betriebsstätte des übertragenen Rechtsträgers nicht auf die Übernehmerin über, auch wenn die deutsche Betriebsstätte von der Übernehmerin weiter fortgeführt wird.3 Es verbleibt in diesem Fall lediglich die Möglichkeit der (letztmaligen) Verrechnung der Verluste mit einem 1 Knöller in Eisgruber², § 12 UmwStG Rz. 70; Junior in Frotscher/Drüen, § 12 UmwStG Rz. 92 (Stand: 10.1.2022). 2 Stimpel/Dötsch in D/P/M, Die Körperschaftsteuer, § 12 UmwStG Tz. 78 (Stand: 1.3.2021). 3 Stimpel/Dötsch in D/P/M, Die Körperschaftsteuer, § 12 UmwStG Tz. 79 (Stand: 1.3.2021).

346 | Haller/Goller

H. Verlustnutzung | Rz. 7.34 Kap. 7

etwaigen Übertragungsgewinn. Bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen gehen ungenutzte inländische Verluste der übertragenden in- oder ausländischen Körperschaft somit unter, während ausländische Verluste durch die Verschmelzung im Inland grundsätzlich nicht nutzbar gemacht werden können. In den an der grenzüberschreitenden Verschmelzung beteiligten Staaten muss aber die „Portabilität“ der verbliebenen Verluste nicht in demselben Umfang eingeschränkt sein wie in Deutschland. Einige ausländische Staaten erlauben bei nationalen Verschmelzungen unter bestimmten Voraussetzungen vielmehr eine Übernahme der Verluste der übertragenden Körperschaft durch die Übernehmerin. Entsprechend ist bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung denkbar, dass die Verlustvorträge einer ausländischen übertragenden Körperschaft von einer verbliebenden Betriebsstätte des übernehmenden Rechtsträgers im selben Staat entsprechend Art. 6 FRL weiterhin genutzt werden können. Beispielsweise können in Italien, Österreich und Frankreich Verlustvorträge unter bestimmten Voraussetzungen auf eine verbliebene Betriebstätte (des übernehmenden Rechtsträgers) übertragen werden. Beispiel: Hinausverschmelzung einer französischen SARL mit Verlustvorträgen Eine französische SARL mit Produktionsstätte in Paris soll auf eine deutsche GmbH verschmolzen werden. Die SARL verfügt über hohe Verlustvorträge. Als Folge der Verschmelzung der beiden Gesellschaften verbleibt eine Betriebsstätte der GmbH in Frankreich. Das französische Steuerrecht ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen die Übernahme der Verlustvorträge der SARL durch die verbliebene französische Produktionsbetriebsstätte der GmbH. Nach § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 S. 2 UmwStG sind die Verluste einer ausländischen übertragenden Körperschaft nicht auf die Übernehmerin übertragbar.1 Aus den ausländischen Verlusten werden bei einer Hereinverschmelzung nach Deutschland insofern keine deutschen Verluste, auch wenn der ausländische Staat die Nutzung – z.B. im Rahmen einer verbliebenen Betriebsstätte – weiterhin erlaubt. Hinsichtlich der Besteuerungskonsequenzen auf Ebene des deutschen Stammhauses ist sodann zu unterscheiden, ob die verbliebene ausländische Betriebsstätte nach Verschmelzung als Freistellungs- oder Anrechnungsbetriebsstätte qualifiziert. Im Freistellungsfall sind nach der sog. „Symmetriethese“2 Gewinne wie auch Verluste der Betriebsstätte aus der deutschen Besteuerung auszuscheiden. Im Ergebnis wirken somit die übernommenen Verlustvorträge im Betriebsstättenstaat steuermindert, während sie im Stammhausstaat, Deutschland, zwar nicht berücksichtigungsfähig sind, es aber aufgrund der Freistellung nicht zu einer Nachversteuerung der Gewinne kommt. Anders gelagert ist es indes im Anrechnungsfall. Falls wegen der Nutzung der übernommenen Verlustvorträge keine ausländische Steuer anfällt, ergibt sich keine Anrechnungslage (§ 26 KStG) im Stammhausstaat, Deutschland, so dass eine Nachversteuerung (zumindest mit KSt, SolZ) eintritt. Diese Unterscheidung gilt nach unserer Auffassung für andere im Zuge einer Hereinverschmelzung übernommene (Freistellungs- oder Anrechnungs-)Betriebsstätten entsprechend. Die Verluste einer ausländischen (Tochter-)Kapitalgesellschaft sind im Grundsatz weder innoch außerhalb einer Verschmelzung im Inland berücksichtigungsfähig. Anders als andere Staaten (z.B. Österreich) kennt Deutschland kein internationales Gruppenbesteuerungskonzept. Bei einer ausländischen Freistellungsbetriebsstätte scheitert die Geltendmachung etwaiger laufender Betriebsstättenverluste nach Verschmelzung an der sog. „Symmetriethese“ (vgl. oben), wonach Gewinne und korrespondierend Verluste freizustellen sind. Verbleibt jedoch 1 Junior in Frotscher/Drüen, § 12 UmwStG Rz. 92 (Stand: 10.1.2022). 2 Ständige Rechtsprechung, z.B. BFH v. 3.2.2010 – I R 23/09, BStBl. 2010, 599, m.w.N.

Haller/Goller | 347

7.34

Kap. 7 Rz. 7.34 | Erfahrungsberichte mit internationalen Umwandlungen nach (Herein-)Verschmelzung keine Betriebsstätte im Ausland, mindern die übernommenen ausländischen Verlustquellen im Rahmen des Welteinkommensprinzips vorbehaltlich § 2a EStG das laufende Einkommen der inländischen Körperschaft. Dies gilt für ausländische Anrechnungsbetriebsstätten entsprechend. Einzelfallabhängig könnte somit die Struktur nach Verschmelzung bessere Verlustnutzungsmöglichkeiten beinhalten.

7.35 Die Nutzung und Bewahrung von steuerlichen Verlusten und vergleichbaren Positionen (z.B. Verlustvortrag, Zinsvortrag, EBITDA Vortrag) hat eine hohe Bedeutung für die betroffenen Unternehmen. Deshalb stellt sich die Frage, wie Verluste der übertragenden Körperschaft vor dem Untergang bewahrt werden können. Im Rahmen einer geplanten Verschmelzung wäre zuvorderst an der Verrechnung mit einem etwaig entstehenden Übertragungsgewinn zu denken. Durch die Buchtwertaufstockung („step-up“) erlangt der übernehmende Rechtsträger erhöhtes Abschreibungspotential. Nachrangig könnte auch eine Änderung der Verschmelzungsrichtung in Betracht gezogen werden.1 Insgesamt erscheint die Anordnung zum allgemeinen Verlustuntergang beim übertragenden Rechtsträger aber bedenklich.2 Viele ausländische Staaten sehen flexiblere Regelungen vor. Deshalb kann die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland darunter leiden.

I. Praxiserprobte Absicherungsmöglichkeiten 7.36 Bei nationalen sowie grenzüberschreitenden Verschmelzungen besteht bei den Steuerpflichtigen ein hohes Bedürfnis, Planungs- und Rechtsicherheit zu erlangen. Zum einen können bei Aufdeckung der stillen Reserven in den übertragenen Wirtschaftsgütern aufgrund der Vollbesteuerung im Inland (KSt, SolZ, GewSt) wie Ausland signifikante Besteuerungskonsequenzen drohen. Steuerliche Verluste und vergleichbare Positionen (z.B. steuerliche Verlustvorträge, Zinsvortrag, EBITDA Vortrag) könnten im Zuge der Verschmelzung untergehen. Auch Steuerzahlungen in anderen Steuerarten (z.B. GrESt) könnten ausgelöst werden oder es bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen gar zu Doppelbesteuerungen kommen. Zum anderen steht etwaig erforderlichen Steuer(nach-)zahlungen (ggf. mit Zinsen) kein Liquiditätszufluss gegenüber. Deshalb kann eine „verunglückte“ Verschmelzung für die betroffenen Unternehmen im schlimmsten Fall sogar existenzgefährdend sein. Es besteht daher meist ein großes Bedürfnis in der Praxis, internationale Umstrukturierungen mit in Rede stehenden hohen stillen Reserven möglichst rechtssicher in sämtlichen betroffenen Jurisdiktionen abzuwickeln. 7.37 Bei grenzüberschreitenden Verschmelzung ergibt sich eine besondere Komplexität, da unterschiedliche Rechtsordnungen und Besteuerungsregime betroffen sind und der Steuerpflichtige von den Wertungen unterschiedlicher Finanzverwaltungen und ggf. Gerichte abhängig ist. Die Verschmelzung muss insofern sorgfältig geplant, steuerlich analysiert und abgestimmt werden. Fachgutachten und Machbarkeitsstudien 1 Stimpel/Dötsch in D/P/M, Die Körperschaftsteuer, § 12 UmwStG Tz. 79a (Stand: 1.3.2021). 2 Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut³, § 12 UmwStG Rz. 341; Ley/Bodden, FR 2007, 265 (276).

348 | Haller/Goller

I. Praxiserprobte Absicherungsmöglichkeiten | Rz. 7.39 Kap. 7

(„feasibility studies“) durch Steuerexperten im In- wie Ausland können die Besteuerungsimplikationen und strittigen Rechtsfragen offenlegen. Damit kann eine Entscheidungsgrundlage geschaffen werden. In Teilbereichen können Fachgutachten auch ein Mindestmaß an Absicherung bieten. Insbesondere rechtlich strittige Fragestellungen können mit Fachgutachten aber nicht rechtsicher abgedeckt werden. In entsprechenden „Disclaimern“ wird regelmäßig darauf hingewiesen. In der Praxis werden deshalb häufig verbindliche Auskünfte (§ 89 Abs. 2 AO) eingeholt. Dadurch kann eine Bindung der deutschen Finanzverwaltung zumindest bei gewissen Teilfragestellungen einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (z.B. zur funktionalen Zuordnung von Wirtschaftsgütern bei Herausverschmelzungen sowie sonstige Entstrickungs- und Verstrickungsfragen)1 erreicht werden. Die ausländischen unilateralen Absicherungsinstrumente (z.B. das österreichische unilaterale Ruling, § 118 BAO) erweisen sich dabei in Teilen als deutlich flexibler als die verbindliche Auskunft nach deutschem Recht. Teilweise können mit den ausländischen Finanzverwaltungen Sachverhaltsfragen und sogar Werte verbindlich abgestimmt werden. Insgesamt können durch diese Instrumente der unilateralen Absicherung zwar die Finanzverwaltungen national „gebunden“ werden, jedoch wird dadurch keine Rechtssicherheit aus der bilateralen Perspektive erreicht. Die Auffassung der deutschen Finanzverwaltung ist weder für die ausländische Finanzverwaltung bindend noch umgekehrt. Es kann insoweit zu bilateralen Verwerfungen kommen, z.B. dass die Finanzverwaltungen einen einheitlichen Lebenssachverhalt unterschiedlich werten oder durch die nationalen Besteuerungsregime oder Rechtsprechung gebunden sind.2 Um eine internationale Verständigung zu erreichen, könnten bi- bzw. multilaterale Instrumente der Absicherung herangezogen werden. Beispielsweise könnte das neue Vorabverständigungsverfahren (§ 89a AO) auch internationalen Umstrukturierungsfälle offen stehen.3 Bisher liegt im Bereich bi- bzw. multilateraler „Rulings“ in Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Verschmelzungen nach unserem Wissen aber kaum Praxis vor. Die zu erwartenden langen Verfahrensdauern machen solche Verfahren für die Unternehmen wahrscheinlich im Kontext einer geplanten Umwandlung nur in absoluten Ausnahmefällen überhaupt gangbar. Es gibt insofern derzeit kaum Möglichkeiten, internationale Umwandlungen mit einem hohen Maß an bilateraler bzw. multilateraler Rechtssicherheit umzusetzen. Das ist auch ein wesentlicher Grund, weshalb viele Unternehmen die Idee einer grenzüberschreitenden Verschmelzung häufig bereits in der Planungs- bzw. Machbarkeitsphase („feasibility phase“) wieder verwerfen. Nach unserer Erfahrung werden letztlich regelmäßig nur sehr zweifelsfrei rechtlich überschaubare Umwandlungssachverhalte (mit relativ niedrigen Steuerwerten) grenzüberschreitend umgesetzt.

7.38

Internationale Großunternehmen haben demgegenüber häufig die Möglichkeit, in den jeweiligen Sitzstaaten der an der Umwandlung beteiligten Gesellschaften direkt mit den Finanzverwaltungen außerhalb eines formellen Verfahrens in Kontakt zu treten. Die Finanzverwaltungen zeigen sich regelmäßig zu einem informellen, unver-

7.39

1 Prinz, Beck’sches Handbuch der GmbH6, § 16 Rz. 198. 2 Hruschka, ISR 2017, 258. 3 Prinz, Beck’sches Handbuch der GmbH6, § 16 Rz. 196.

Haller/Goller | 349

Kap. 7 Rz. 7.39 | Erfahrungsberichte mit internationalen Umwandlungen

bindlichen Austausch bereit. Dies steht vor dem Hintergrund einer generellen Bestrebung in vielen Staaten, eine zeitnahe Prüfung herzustellen (z.B. begleitende Kontrolle bzw. „Horizontal Monitoring“). Bei der Optimierung der Effizienz von Verfahren (insbesondere Außenprüfungen) besteht ein gleichlaufendes Interesse zwischen der Finanzverwaltung und dem Steuerpflichtigen. Hauptansprechpartner ist regelmäßig die Sachgebietsleitung der vor Ort eingesetzten laufenden Betriebs- bzw. Außenprüfung. Häufig werden im Rahmen des Austauschs Aktennotizen und Protokolle gefertigt. Im Ergebnis fungiert das Unternehmen als Bindeglied und Kommunikationskanal zwischen den Finanzverwaltungen und kann dadurch stärker auf die Wertungen einwirken und Ergebnisse abstimmen. Zwar erreichen die Unternehmen dadurch regelmäßig (zumindest zunächst) keine rechtsverbindlichen Zusagen, jedoch erhöht diese Herangehensweise substantiell die Rechts- und Planungssicherheit für die Unternehmen. Insoweit hat sich aufgrund der bestehenden Defizite bei den üblichen Verfahrenswegen (vgl. oben) zumindest ein praktischer, wenngleich sicherlich nicht optimaler Lösungsansatz ausgeprägt. Nach unserer Auffassung wird letztlich die weitere Optimierung der Abläufe bei internationalen Verfahren (z.B. Erhöhung der Ressourcen), wie jüngst vom BZSt angekündigt,1 durch eine weitere Harmonisierung des materiellen Steuerrechts begleitet werden müssen, um wirklich zielführend zu sein.

1 Vgl. z.B. Asseburg-Wietfeld, IWB 2021, 697 ff.

350 | Haller/Goller

2. Teil Auslandsbezogene Umstrukturierungen im Einzelnen

Kapitel 8 Umwandlungen von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften A. Einleitung I. Motivation für eine Umwandlung, optimale Steuerstruktur . . II. Arten der Umwandlung von Kapital- in Personengesellschaften III. Anwendungsbereich des Zweiten Teils des UmwStG 1. Inländische Umwandlungen von Kapital- in Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug, grenzüberschreitende Umwandlungen und ausländische Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerliche Rückwirkung bei Umwandlung von Kapital- in Personengesellschaften . . . . . IV. DBA-Fragen 1. Abkommensrechtliche Behandlung des Übertragungsgewinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abkommensrechtliche Behandlung der steuerlichen Effekte aus einer Umwandlung nach §§ 3 ff. UmwStG auf Anteilseignerebene . . . . . . . . . . . . 3. Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen und § 5 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abkommensrechtliche Zuordnung von Wirtschaftsgütern . 5. Abkommensrechtliche Behandlung von Beteiligungen an Gesellschaften . . . . . . . . . . V. Fusionsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . .

8.1 8.5

8.6

8.7 8.9

8.20

8.21 8.23 8.24 8.25 8.31

B. Grundsätze der Besteuerung der Umwandlung einer Kapital- in eine Personengesellschaft nach dem UmwStG (Inlandssachverhalte) I. Besteuerungsthemen (Überblick) 1. Verschmelzung, Formwechsel 2. Abspaltung, Aufspaltung . . . . 3. Ausgliederung und andere Formen der Einbringung . . . II. Teilbetriebserfordernis bei Spaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Besteuerung der übertragenden Kapitalgesellschaft 1. Wertansatz in der steuerlichen Schlussbilanz . . . . . . . . . . . . . . 2. Antrag nach § 3 Abs. 2 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besteuerung des Übertragungsgewinns . . . . . . . . . . . . . IV. Steuerliche Folgen für die übernehmende Personengesellschaft (Ermittlung der Einkünfte) und Besteuerung der Gesellschafter 1. Allgemeines, Ausgangsfall . . 2. Ermittlung des Übernahmeergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besteuerung der offenen Rücklagen, Kapitalertragsteuereinbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gewerbesteuerliche Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug I. Mögliche Konstellationen (Überblick) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8.33 8.35a 8.35b 8.35c

8.36 8.40 8.43

8.47 8.49 8.54 8.55

8.56

Jäschke/Link | 351

Kap. 8 | Umwandlungen von KapGes in PersGes II. Steuerliche Besonderheiten bei Verschmelzung, Formwechsel, Auf- und Abspaltung 1. Beteiligung einer ausländischem Gesellschaftsstatut unterliegenden Gesellschaft: Persönlicher Anwendungsbereich des UmwStG und vergleichbarer ausländischer Vorgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesellschafterbezogene Prüfung des § 3 Abs. 2 Satz 1 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Betriebsvermögen beim übernehmenden Rechtsträger, § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 1 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sicherstellen der Besteuerung, § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 2 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kein Ausschluss oder Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts, § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG . . . . . . 6. Auswirkungen der BFHRechtsprechung zum Verständnis des Besteuerungsrechts bei Neuzuordnung von Wirtschaftsgütern . . . . . . . . . 7. Vereinbarkeit mit Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Einlagefiktion des § 5 Abs. 2 UmwStG bei beschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern . 9. Überführungsfiktion für betriebliche Anteile, § 5 Abs. 3 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Besteuerung der offenen Rücklagen, Kapitalertragsteuereinbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Ausländische Anteilseigner . 12. Zuschlag für neutrales Vermögen, § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Verlustabzug bei Auslandsbetriebsstätten . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassendes Beispiel zu einer Umwandlung mit Auslandsberührung . . . . . . . . . . . . . .

352 | Jäschke/Link

8.57 8.58

8.60 8.64

8.66

8.71 8.74 8.76 8.82 8.89 8.92 8.95 8.98 8.99

IV. Steuerliche Besonderheiten bei Ausgliederung und anderen Formen der Einbringung gem. § 24 UmwStG 1. Persönlicher Anwendungsbereich des § 24 UmwStG . . 8.99a 2. Vergleichbarer ausländischer Vorgang, § 1 Abs. 4 UmwStG 8.99b 3. Steuerliche Rückwirkung . . . 8.99c 4. Antragsrecht auf Buch- oder Zwischenwertansatz – kein Ausschluss bzw. keine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts, § 24 Abs. 2 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.99d D. Auslandsumwandlungen mit Inlandsbezug nach dem UmwStG I. Mögliche Konstellationen (Überblick) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.100 II. Steuerliche Besonderheiten bei Verschmelzung, Formwechsel, Auf- und Abspaltung 1. Persönlicher Anwendungsbereich der §§ 3 ff., 16 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.101 2. Vergleichbarer ausländischer Vorgang, § 1 Abs. 1 UmwStG a) Allgemeines . . . . . . . . . . . 8.102 b) Strukturmerkmale bei Verschmelzung . . . . . . . . 8.103 c) Strukturmerkmale bei Formwechsel . . . . . . . . . . 8.103a d) Strukturmerkmale bei Auf- und Abspaltung . . . 8.103b 3. Mängel der Umwandlung . . 8.105 4. Steuerliche Rückwirkung . . . 8.108 5. Antragsrecht auf Buch- oder Zwischenwertansatz, § 3 Abs. 2 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.109 6. Kein Ausschluss bzw. keine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts, § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG . . . . . . 8.112 7. Steuerliche Schlussbilanz . . . 8.113 8. Erklärungspflicht, Antragspflicht, zuständiges Finanzamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.118 9. Erstmalige Steuerverstrickung von Wirtschaftsgütern in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . 8.120

Umwandlungen von KapGes in PersGes | Kap. 8 10. Zuschlag für neutrales Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.122 11. Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . 8.123 III. Zusammenfassendes Beispiel zu einer Auslandsumwandlung mit Inlandsbezug (Formwechsel im europäischen Ausland) 1. Beispiel: Formwechsel in Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.125 2. Anwendbarkeit des deutschen UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.126 3. Rückwirkungszeitraum . . . . . 8.130 4. Rechtsfolgen beim neuen Rechtsträger (polnische Personengesellschaft), §§ 4, 6, 8 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.132 5. Rechtsfolgen beim deutschen Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . 8.135 6. Verhältnis zwischen § 3 UmwStG und § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.142 IV. Steuerliche Besonderheiten bei Ausgliederung und anderen Einbringungsfällen 1. Persönlicher Anwendungsbereich des § 24 UmwStG . . . 8.144a 2. Vergleichbarer ausländischer Vorgang, § 1 Abs. 4 UmwStG 8.144b 3. Steuerliche Rückwirkung . . . 8.144c 4. Antragsrecht auf Buch- oder Zwischenwertansatz – kein Ausschluss bzw. keine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts, § 24 Abs. 2 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.144d V. Umwandlungen außerhalb des UmwStG mit inländischem Gesellschafter 1. Umwandlungen als tauschähnliche Vorgänge . . . . . . . . . 8.145 2. Umwandlung einer Kapitalgesellschaft außerhalb des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.155 3. Verschmelzung auf eine Personengesellschaft . . . . . . . . . . 8.156

4. Formwechsel in eine Personengesellschaft außerhalb des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . VI. Hinzurechnungsbesteuerung bei der Umwandlung ausländischer Kapitalgesellschaften? . . . . . . . . . E. Grenzüberschreitende Umwandlungen I. Hinausverschmelzungen 1. Zivilrechtliche Grundlagen, mögliche Konstellationen . . . 2. Steuerliche Besonderheiten a) Allgemeines . . . . . . . . . . . b) Anwendungsbereich, Vergleichbarkeitsprüfung . . c) Steuerlicher Rückbezug . d) Kein Ausschluss oder Beschränkung der Besteuerungsrechte Deutschlands, § 3 Abs. 2 UmwStG . . . . e) Anrechnung fiktiver ausländischer Steuer, § 3 Abs. 3 UmwStG . . . . . . . . f) Besteuerung der übernehmenden Personengesellschaft sowie ihrer Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fallkonstellation Hinausverschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . II. Hereinverschmelzung 1. Mögliche Konstellationen (Überblick) . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerliche Besonderheiten a) Allgemeines . . . . . . . . . . . b) Besteuerung der übertragenden Gesellschaft . . . . c) Steuerlicher Rückbezug . d) Besteuerung der übernehmenden Personengesellschaft und ihrer Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . III. Grenzüberschreitender Formwechsel IV. Grenzüberschreitender Spaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8.160 8.162

8.168 8.170 8.171 8.172

8.173 8.184

8.188 8.192 8.193 8.194 8.195 8.198

8.199

8.200

Jäschke/Link | 353

Kap. 8 | Umwandlungen von KapGes in PersGes Literatur: Becker/Lohse, Zur Anrechnung ausländischer Quellensteuer auf die Gewerbesteuer, IStR 2012, 57; Behrend/Wulf, Praxisbericht: Strittige Auffassung der Finanzverwaltung zum Unternehmen einer Personengesellschaft im abkommensrechtlichen Sinne, IStR 2021, 666; Beinert/Benecke, Internationale Aspekte der Umstrukturierung von Unternehmen, FR 2010, 1009; Blöchle/Weggenmann, Formwechsel und Verschmelzung im Ausland nach §§ 3 ff. UmwStG i.d.F. des SEStEG, IStR 2008, 87; Blumers/Zillmer, Das neue BMF-Schreiben zur Anwendung der DBA auf Personengesellschaften, BB 2010, 1375; Bogenschütz, Aktuelle Entwicklungen bei der Umwandlung von Kapital- in Personengesellschaften, Ubg 2009, 604; Bogenschütz, Umwandlung von Kapital- in Personengesellschaften, Ubg 2011, 393; Böhmer/Schewe/ Schlücke, Der Referentenentwurf des ATAD-Umsetzungsgesetzes – Gewinnausschüttungen, Veräußerungen und Umwandlungen, FR 2020, 164; Brähler/Blankemeyer, Steuerneutralität bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen zwischen Deutschland und Drittstaaten, StuW 2008, 249; Brähler/Heerdt, Steuerneutralität bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen unter Beteiligung hybrider Gesellschaften, StuW 2007, 260; Brinkmann/Reiter, National Grid Indus: Auswirkungen auf die deutsche Entstrickungsbesteuerung, DB 2012, 16; Cordes/ Geißler/Leonhardt, Deutsch-steuerliche Implikationen der Umwandlung einer österreichischen GmbH in eine Personengesellschaft, IStR 2019, 744; Cloer/Kozlowski, Die gewerbesteuerliche Anrechnung ausländischer Steuern durch den Lauf der Zeit? – Kritische Überlegungen zu § 34c Abs. 1 EStG analog im Rahmen der GewSt, FR 2022, 193; Dötsch/Pung, Mehr- und Minderabführungen, die auf der Ebene einer der Organgesellschaft nachgeordneten Personengesellschaft verursacht sind, Der Konzern 2010, 223; Eberhardt, Zur abkommensrechtlichen Verpflichtung der Anrechnung ausländischer Steuern auf die Gewerbesteuer, IStR 2019, 180; Ettinger/Königer, Steuerliche Rückwirkung bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungsvorgängen, GmbHR 2009, 590; Figna/Fürstenau, Steuerliche Praxisfragen bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen, BB-Special 1/2010, 12; Förster, Ausländische Anteilseigner bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personenunternehmen, in FS Schaumburg, 2009, 629; Förster/Felchner, Weite vs. enge Einlagefiktion bei der Umwandlung von Kapital- in Personenunternehmen, DB 2008, 2445; Förster/Felchner, Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften nach dem Referentenentwurf zum SEStEG, DB 2006, 1078; Frotscher, Treaty Override und § 50d Abs. 10 EStG, IStR 2009, 37; Girlich/ Philipp, Entstrickungsaspekte bei der Hinausverschmelzung von Kapitalgesellschaften, Ubg 2012, 150; Goebel/Boller/Ungemach, Die Zuordnung von Beteiligungen zum Betriebsvermögen im nationalen und internationalen Kontext, IStR 2008, 643; Goebel/Ungemach/Stefaner/Steevensz/Thomas/Fluck, grenzüberschreitende Unternehmensumwandlungen im Verhältnis zu Österreich, den Niederlanden und Frankreich – Darstellung anhand eines praxisrelevanten Falls, DStZ 2014, 82; Haarmann, Die Anrechnung ausländischer Steuern vom Einkommen auf die deutsche Gewerbesteuer, in Lüdicke/Mellinghoff/Rödder, FS Gosch, 2016, 123; Haase/ Nürnberg, Personallose Windpark-Betriebsstätten im Outbound-Fall – Part III, Ubg 2022, 229; Hageböke, Sind alle Umwandlungen „Veräußerungen“? – Kritische Anmerkungen zur neuen Ausgangsthese der Finanzverwaltung im UmwStE-E, Ubg 2011, 689; Hageböke/Käbisch, Zur Ausdehnung des Anwendungsbereichs des UmwStG i.d.F. SEStEG-E aufgrund der Diskriminierungsverbote in Art. 24 OECD-MA, IStR 2006, 849; Hagemann/Jakob/Ropohl/ Viebrock, SEStEG – Das neue Konzept der Verstrickung und Entstrickung sowie die Neufassung des Umwandlungssteuerrechts, NWB-Sonderheft 1/2007, 1; Hahn, Überlegungen zum Urteil des EuGH in der Rechtssache National Grid Indus, BB 2012, 681; Hahn, DBA- und EG-rechtliche Diskriminierungsverbote – zwei Paar Schuhe, BB 2005, 521; Hahn, Formwechsel und Sitzverlegung nach dem künftigen Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften, IStR 2005, 677; Halat, Die „polnische Ordnung“ für die Unternehmenssteuer, IWB 2022, 265; Heurung/Seidel, Anrechnung ausländischer Steuern auf Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag? IWB 2009, 687; Holle/Krüger/Weiss, Die geplante Erweiterung der persönlichen Anwendbarkeit des UmwStG durch das KöMoG – Globalisierung des UmwStG? IStR

354 | Jäschke/Link

Umwandlungen von KapGes in PersGes | Kap. 8 2021, 489; Hruschka, Umwandlung Kapital- auf Personengesellschaften (§§ 3 ff. UmwStG), DStR 2012, Beihefter zu Heft 2, 4; Hruschka, Die Zuordnung von Beteiligungen zu Betriebsstätten von Personengesellschaften, IStR 2016, 437; Jacobsen, Die Strukturdefizite des UmwStG, FR 2011, 973; Jamrozy/Weggenmann, Rechtsformwechsel einer Kapital- in eine Personengesellschaft in Polen – ein steuerliches Optimierungsvehikel für deutsche Investoren?, IStR 2008, 869; Jochum, Die Behandlung hybrider Gesellschaften nach dem neuen DBA Deutschland – Niederlande, IStR 2014, 1; Jochum/Hemmelrath, Der grenzüberschreitende Hinausformwechsel in Europa, IStR 2019, 517; Käbisch/Bunzeck, Grenzüberschreitende Umstrukturierungen nach dem Erlassentwurf zum UmwStG vom 2.5.2011, IWB 2011, 392; Kahle, Steuergestaltung bei international tätigen Personengesellschaften, StuW 2005, 61; Kallmeer/ Kappes, Grenzüberschreitende Verschmelzungen und Spaltungen nach SEVIC Systems und der EU-Verschmelzungsrichtlinie, AG 2006, 224; Kessler/Dietrich, Den Worten sollten Taten folgen: die Umsetzung eines Doppelbesteuerungsabkommens, IStR 2011, 108 mit Replik Eglmaier, IStR 2011, 591, Duplik Kessler/Dietrich, 2011, 953 und Triplik Eglmaier, IStR 2011, 955; Kessler/Eicker/Obser, Die Schweiz und das Europäische Steuerrecht, IStR 2005, 658; Kessler/Jehl, Kritische Analyse der Zentralfunktion des Stammhauses, IWB 2007, Fach 10, Gruppe 2, 1977; Kessler/Philipp, Rechtssache National Grid Indus BV – Ende oder Bestätigung der Entstrickungsbesteuerung?, DStR 2012, 267; Kinzl, Zuordnung von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen zu ausländischen Betriebsstätten und Grundfreiheiten, IStR 2005, 693; Klein/Rippert, Gestaltungen zur Vermeidung der Entstrickungsbesteuerung von Kapitalgesellschaftsanteilen im Privatvermögen, DStR 2019, 439; Klingberg/Nitzschke, Grenzüberschreitende Umwandlungen am Beispiel grenzüberschreitender Verschmelzungen, Ubg 2011, 451; Klingberg/van Lishaut, Ausländische Umwandlungen im deutschen Steuerrecht, FR 1999, 1209; Klingebiel, SEStEG (Stand 12.7.2006) – Umwandlung einer Körperschaft in eine Personengesellschaft, DK 2006, 600; Koch, Steuerbilanzielle Antragswahlrechte nach UmwStG – Fallstricke und Praxistipps, BB 2011, 1067; Köhler/Käshammer, Umwandlung von Kapitalgesellschaften mit ausländischen Anteilseignern in Personengesellschaften nach dem UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 301; Kok, Compatibility of Exit Taxes and Community Law, EC Tax Review 2011, 62; Korten, Anrechnung ausländischer Quellensteuer auf die deutsche Gewerbesteuer, IStR 2021, 576; Kumpf, Betriebsstättenfragen nach Steuersenkungsgesetz und Betriebsstättenerlass, FR 2001, 449; Kumpf/Roth, Grundsätze der Ergebniszuordnung nach den neuen BetriebsstättenVerwaltungsgrundsätzen, DB 2000, 741; Kußmaul/Richter/Heyd, Ausgewählte Problemfelder der Hinausverschmelzung von Kapitalgesellschaften aus Deutschland, IStR 2010, 73; Kußmaul/Schäfer/Engel, Mitunternehmerschaften im Internationalen Steuerrecht, IWB 2020, 876; Lang, Die Anrechnung ausländischer Steuern auf die Gewerbesteuer, IStR 2012, 584; Lamml/ Wasmeier, Grenzüberschreitender Rechtsformwechsel auch ohne Liquidation an der Grenze, IWB 2018, 137; Leich/Nowak, Zur Wirtschaftsgüterzuordnung bei personallosen Betriebsstätten, IStR 2022, 281; Leible/Hoffmann, Grenzüberschreitende Verschmelzungen im Binnenmarkt nach Sevic, RIW 2006, 161; Lemaitre/Schönherr, Die Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften durch Verschmelzung und Formwechsel nach der Neufassung des UmwStG durch das SEStEG, GmbHR 2007, 173; Linn/Maywald, Der Rechtstypenvergleich nach MoPeG und KöMoG, IStR 2021, 825; Lüdemann/Hruschka, Die Behandlung von Personengesellschaften im Verhältnis Deutschland – Spanien, IStR 2000, 25; Martini/Oppel/Staats, Betriebsstättenzurechnung bei Personengesellschaften, IWB 2018, 605; Mitschke, Das EuGH-Urteil „National Grid Indus“ vom 29.11.2011 – Eine Bestandsaufnahme und eine Bewertung aus Sicht der Finanzverwaltung, DStR 2012, 629; Mitschke, Konkretisierung der gesetzlichen Entstrickungsregelungen und Kodifizierung der finalen Betriebsaufgabetheorie durch das Jahressteuergesetz 2010, Ubg 2011, 328; Mitschke, Streitpunkt § 50d Abs. 10 EStG – ein Tiger mit scharfen Zähnen, DB 2010, 303; Möller-Gosoge/Kaiser, Die deutsche EXIT-Besteuerung bei Wegzug von Unternehmen ins Ausland, BB 2012, 803; Morska, Revolutionäre Änderungen im Bereich der polnischen Körperschaftsteuer im Jahre 2021, PIStB 2021, 55; Müller/Maiterth, Besteuerung der Umwandlung einer Körperschaft in ein Personenunterneh-

Jäschke/Link | 355

Kap. 8 | Umwandlungen von KapGes in PersGes men nach dem zweiten Teil des UmwStG n.F.: eine ökonomische und steuersystematische Analyse, WPg 2007, 249; Mutscher, Anwendungsbereich der fiktiven Steueranrechnung im UmwStG, IStR 2010, 820; Neumann-Tomm, Die Hürden inländischer Umwandlungen mit Auslandsvermögen, IWB 2018, 722; Nitzschke, Folgerungen aus der Rechtsprechung des BFH zu gewerblich geprägten Personengesellschaften für Umwandlungen, IStR 2011, 838; Oppel, Betriebsstättenzurechnung und Abgeltungswirkung bei gewerblich geprägter KG im NichtDBA-Fall, IWB 2018, 735; Ott, Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft nach den Änderungen durch das SEStEG; StuB 2007, 163; Pohl, Ausgewählte internationale Aspekte des neuen Umwandlungssteuererlasses, IWB 2012, 177; Prinz, Grundlagen zum internationalen Umwandlungssteuerrecht, DB 2012, 820; Prinz, Steuerliches Entstrickungskonzept – gelungen oder reparaturbedürftig?, GmbHR 2012, 195; Prinz, Inländische Umstrukturierung von GmbHs mit Auslandsbezug, GmbHR 2020, 625; Pyszka/Brauer, Ausländische Personengesellschaften im Unternehmenssteuerrecht, 2011; Pyszka/Jüngling, Steuerfalle: Umwandlung von EU-Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften, GmbHR 2012, 327; Rautenstrauch/Seitz, National Grid Indus: Europarechtliche Implikationen für den Wegzug und die internationale Umwandlung von Gesellschaften, Ubg 2012, 14; Reiche, Zur Einordnung von Beteiligungen als wesentliche Betriebsgrundlagen im Umwandlungssteuerrecht, DStR 2006, 1205; Richter/Heyd, Die Konkretisierung der Entstrickungsregelungen und Kodifizierung der finalen Betriebsaufgabe durch das Jahressteuergesetz 2010, Ubg 2011, 172; Rödder/Schumacher, Das kommende SEStEG, Teil I: Die geplanten Änderungen des EStG, KStG und AstG, Teil II: Das geplante neue Umwandlungssteuergesetz, DStR 2006, 1481 und 1525; Rust, Ermöglichen Diskriminierungsverbote eine Organschaft über die Grenze?, IStR 2003, 658; Schaumburg, Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug, GmbHR 1996, 414; Schell, Internationale Bezüge bei Verschmelzungen von Körperschaften auf Personengesellschaften, IStR 2011 704; Schönfeld, Ausgewählte Internationale Aspekte des neuen Umwandlungssteuererlasses, IStR 2011, 497; Schönhaus/Müller, Grenzüberschreitender Formwechsel aus gesellschafts- und steuerrechtlicher Sicht, IStR 2013, 174; Schultes-Schnitzlein/Kaiser, Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft – Handelsrechtliche und steuerrechtliche Implikationen, NWB 2009, 3519; Schulz-Trieglaff, Fehlende Möglichkeit zur Anrechnung ausländischer Quellensteuer auf inländische Gewerbesteuer – Regelungslücke und Normwiderspruch oder Arbeitsauftrag an den Gesetzgeber? IStR 2021, 589; Schumacher, Die Gewerbesteuer im internationalen Steuerrecht, Baden-Baden 2020; Schwenke, Europarechtliche Vorgaben und deren Umsetzung durch das SEStEG, DStZ 2007, 235; Sedemund, Die mittelbare Wirkung der Grundfreiheiten für in Drittstaaten ansässige Unternehmen nach den EuGH-Urteilen Fidium Finanz AG und Cadbury Schweppes, BB 2006, 2781; Sedemund, DBA- und EGrechtliche Diskriminierungsverbote – zwei Paar Schuhe? – Eine Replik auf den Beitrag von Hahn im Betriebs-Berater 2005, 521, BB 2005, 1144; Spek/Schumacher, Anrechnung ausländischer Steuern auf die Gewerbesteuer – jetzt auch in der Praxis!? Ubg 2021, 340; Stadler/Elser/Bindl, Vermögensübergang bei Verschmelzungen auf eine Personengesellschaft oder auf eine natürliche Person und Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft – Kritische Anmerkungen zum Umwandlungssteuererlass, DB 2012, Beilage 1, 14; Stimpel, Umwandlung von Kapital- in Personengesellschaften nach dem UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 123; Stöber, Personengesellchaften im Abkommensrecht, IStR 2020, 601; Suchaneck/ Herbst, Status quo zur Behandlung intransparent besteuerter ausländischer Personengesellschaften – Auswertung aktueller Rechtsprechung, Ubg 2011, 779; Thiermann, „Grenzüberschreitende Neugründung einer Gesellschaft“ – ein neues Rechtsinstitut innerhalb der Europäischen Union?“, EuZW 2012, 209; Thömmes/Linn, Verzinsung und Sicherheitsleistung bei aufgeschobener Fälligkeit von Steuern im Wegzugsfall, IStR 2012, 282; Thümmel/Hack, Die grenzüberschreitende Verschmelzung von Personengesellschaften, Der Konzern 2009, 1; Trossen, Aufgabe der Maßgeblichkeit bei Umwandlungsvorgängen, FR 2006, 617; Ungemach, Europarechtliche und abkommensrechtliche Beurteilung der Entstrickungsregelungen des deutschen Umwandlungssteuerrechts, Ubg 2011, 251; Uphues, Der nationale und der europäische

356 | Jäschke/Link

A. Einleitung | Rz. 8.1 Kap. 8 Teilbetriebsbegriff im Vergleich, DStR 2022, 2521 und 2584; Viehbrock/Hagemann, Verschmelzung mit grenzüberschreitendem Bezug, FR 2009, 737; Voss, SEStEG: Die vorgesehenen Änderungen im Einkommensteuergesetz, im Körperschaftsteuergesetz und im 1. bis 7. Teil des Umwandlungssteuergesetzes, BB 2006, 411; Wassermeyer, Die abkommensrechtliche Aufteilung von Unternehmensgewinnen zwischen den beteiligten Vertragsstaaten, IStR 2012, 277; Wassermeyer, Über Unternehmensgewinne im Sinne des Art. 7 OECD-MA, IStR 2010, 37; Wassermeyer, Verliert Deutschland im Fall der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte das Besteuerungsrecht?, DB 2006, 1176; Weiss, Zur Anrechnung ausländischer Steuern auf die Gewerbesteuer, IWB 2021, 246; Werra/Teiche, Das SEStBeglG aus der Sicht international tätiger Unternehmen, DB 2006, 1455; Wicke, Zulässigkeit des grenzüberschreitenden Formwechsels, DStR 2012, 1756; Wollgarten/Bieletzky, Besteuerung des deutschen Gesellschafters einer polnischen Personengesellschaft, IStR 2021, 204.

A. Einleitung I. Motivation für eine Umwandlung, optimale Steuerstruktur Die rechtliche und steuerliche Struktur eines unternehmerischen Engagements hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Mögliche steuerliche Gründe, eine bisher in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft verfasste unternehmerische Tätigkeit künftig in der Rechtsform einer Personengesellschaft fortzusetzen, also einer Umwandlung einer Kapital- in eine Personengesellschaft, sind in der Praxis u.a.: – Vermeiden künftiger verdeckter Gewinnausschüttungen – Vermeiden der Abgeltungsteuer – Verlustnutzung auf der Ebene des Gesellschafters (durch die transparente Besteuerung der Personengesellschaft) – insb. Personengesellschaften als „Ersatz“ für die Wirkungen der Organschaft, ohne dass die Voraussetzungen einer Organschaft vorliegen müssen (durch die transparente Besteuerung der Personengesellschaft) – Ausnutzen der Vorteile beim Verkauf der Mitunternehmeranteile (Anwendung der §§ 16, 34 EStG) – Bewertungsvorteile bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer: bei Beteiligung an Mitunternehmerschaften keine Mindestbeteiligung, um die BV-Vergünstigungen zu erhalten (bei Kapitalgesellschaft > 25 %) – Steuerbelastungsvergleich (Outbound-Fall) Ausländische Personengesellschaft:1 Transparente Besteuerung (Steuersubjekt: Gesellschafter); sofern DBA: Besteuerungsrecht für Betriebsstättengewinne i.d.R. nur im Belegenheitsstaat:

1 Zu dem – auch nach Einführung der Option zur Körperschaftsbesteuerung – nach wie vor maßgeblichen Typenvergleich vgl. Tabellen 1 und 2 zum BMF, Schr. v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 ff.

Jäschke/Link | 357

8.1

Kap. 8 Rz. 8.1 | Umwandlungen von KapGes in PersGes

– Grundsatz: Freistellung1 unter Progressionsvorbehalt – aber: Beachtung von Aktivitätsvorbehalten in DBA und § 20 Abs. 2 AStG – bei Qualifikationskonflikten und Sondervergütungen sind u. a. § 4i, § 4k sowie § 50d Abs. 9 und 10 EStG zu beachten2 Ausländische Kapitalgesellschaft: Intransparente Besteuerung (Steuersubjekt: Kapitalgesellschaft); Besteuerung des Gesellschafters: – Ausschüttungen (Grundsatz): Quellensteuer des Ansässigkeitsstaats (Art. 10 Abs. 2 OECD-MA) mit Risiko von Anrechnungsüberhängen in Deutschland; § 8b Abs. 4 KStG und § 9 Nr. 7 GewStG zu beachten – Anteilsveräußerungen (Grundsatz): Besteuerungsrecht Deutschlands bei Anteilsverkauf (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA; Ausnahme: Auslands-Immobiliengesellschaften, Art. 13 Abs. 4 OECD-MA). Beispiel: Polnische Kapitalgesellschaften (wie die Sp. z o.o. – vergleichbar einer GmbH) unterliegen als eigene Körperschaftsteuersubjekte (Art. 1 KStG-Pl) mit ihrem Einkommen der Körperschaftsteuer i.H.v. 19 %.3 Bei Ausschüttungen fällt eine Quellensteuer von 19 % an. Die Quellensteuer wird abkommensrechtlich auf 15 % (Streubesitzdividenden, Art. 10 Abs. 2 Buchst. b DBAPolen) bzw. 5 % (Schachteldividenden, Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-Polen) oder auf 0 % (bei Anwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie) reduziert. Die Quellensteuer wird in Deutschland nach § 34c EStG angerechnet.4 Bei einer Kommanditgesellschaft (spółka komandytowa) mit Sitz oder Geschäftsleitung in Polen ist die Gesellschaft in Polen seit 2021 selbst Steuersubjekt; auch sie unterliegt nunmehr – anders als in Deutschland – der dortigen Körperschaftsteuer von im Grundsatz 19 %5 (Trennungsprinzip). Einkommensteuerpflichtige Gesellschafter unterliegen ebenfalls einem linearen Steuersatz von 19 % auf die entnommenen Gewinne. Persönlich haftende Gesellschafter können allerdings die Körperschaftsteuer auf die Quellensteuer auf die „Ausschüttung“ aus der Kommanditgesellschaft anrechnen (Steuergutschrift). „Ausschüttungen“ einer KG werden betrachtet wie Gewinne aufgrund einer Beteiligung an einer juristischen Person, das heißt ähnlich wie Dividenden. Entsprechendes gilt für Offene Handelsgesellschaften (spółka jawna), an denen nicht ausschließlich natürliche Personen beteiligt sind, bzw. sofern der zuständigen

1 Ausnahme z.B. DBA Zypern (Anrechnungsmethode), vgl. hierzu Ismer in V/L, DBA7, Art. 23A/23 B Rz. 16. 2 Vgl. z.B. Tz. 4.1.3.3.2, Tz. 5.1.2 (Beispiel 4) und Tz. 5.1.3.2 des BMF, Schr. v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 (2014/0599097), BStBl. I 2014, 1258. 3 Ausnahme z.B. Art. 13 Abs. 3 DBA Tschechien: Gewinne aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen können im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft besteuert werden, vgl. hierzu Ismer in V/L, DBA7, Art. 13 Rz. 225. 4 Anmerkung: Seit 2021 können in Polen bestimmte Körperschaftsteuersubjekte alternativ zu einer Ausschüttungsbesteuerung optieren, bei der die Besteuerung auf Unternehmensebene erst im Zeitpunkt der Ausschüttung der Gewinne erfolgt. 5 Reduzierter KSt-Satz von 9 %, wenn die jährlichen Einnahmen der Personengesellschaft umgerechnet 2 000 000 € nicht übersteigen.

358 | Jäschke/Link

A. Einleitung | Rz. 8.1 Kap. 8 Steuerbehörde nicht rechtzeitig die notwendigen Informationen über die gewinnberechtigten Gesellschafter übermittelt werden.1 Andere Offene Handelsgesellschaften sind in Polen – ähnlich wie in Deutschland – nicht selbst Steuersubjekt, sondern ihre Gesellschafter (Transparenzprinzip). Einkommensteuerpflichtige Gesellschafter (natürliche Personen) unterliegen – auf Antrag – bei gewerblichen Einkünften unter bestimmten Voraussetzungen einem linearen Steuersatz von 19 %, ansonsten der normalen progressiven Einkommensteuer von 12 % und ab 120.000 PLN 32 %. Abkommensrechtlich sind die aktiven Einkünfte als Unternehmensgewinne (Art. 7 DBA Polen) in Deutschland nach Art. 24 Abs. 1 Buchst. a DBA-Polen freizustellen. Bei einer Personengesellschaft ohne Sitz und Geschäftsleitung in Polen, die im Ansässigkeitsstaat als transparent behandelt wird, ist hingegen Steuersubjekt – ähnlich wie in Deutschland – weiterhin nicht die Personengesellschaft selbst, sondern ihre Gesellschafter, sofern sie sich aus natürlichen und/oder juristischen Personen zusammensetzen (Transparenzprinzip). Einkommensteuerpflichtige Gesellschafter unterliegen – auf Antrag – bei gewerblichen Einkünften unter bestimmten Voraussetzungen einem linearen Steuersatz von 19 %, ansonsten der normalen progressiven Einkommensteuer von 12 % bzw. (ab 120.000 PLN) 32 %. Abkommensrechtlich sind die Unternehmensgewinne (Art. 7 DBA Polen) in Deutschland nach Art. 24 Abs. 1 Buchst. a DBA-Polen freizustellen. Die folgende Übersicht2 verdeutlicht den Vergleich der Steuerbelastung: 2022

KapG3

Offene Kommanditgeim AnsässigHandelsge- sellschaft (spółka keitsstaat sellschaft komandytowa) (z.B. (spółka jaw- mit Sitz oder Ort Deutschland) na) nur mit der Geschäftslei- transparent natürlichen tung in Polen5 behandelte Personen Personengeals Gesellsellschaft schaftern4

Polen

100

100

100

KSt (19 % oder reduziert 9 %)

19

19

(reduziert: 9)

(reduziert: 9)

100

1 Vgl. zur polnischen Körperschaftsteuerreform 2020/2021 Morska, PIStB 2021, 55. 2 Quellen: Morska, PIStB 2021, 55; Cloer, IWB 2022, 809; zur Rechtslage bis 2020 Weggenmann in Raupach/Pohl/Ditz/Spatscheck/Weggenmann, Praxis des Internationalen Steuerrechts 2012, 254. 3 Zur nur unter bestimmten Voraussetzungen seit dem 1.12022 möglichen Option eines Körperschaftsteuersubjekts zur Thesaurierungsbegünstigung (sog. estnische Lösung) siehe Cloer, IWB 2023, 809 (814 f.). 4 Ausnahme: Die Gesellschafter sind steuerlich nicht offengelegt. Offene Handelsgesellschaften werden als transparent betrachtet es sei denn, ihre Gesellschafter sind juristische Personen oder die notwendigen Informationen über die Gesellschafter sind gegenüber den Steuerbehörden nicht offengelegt. 5 Ebenso: Offene Handelsgesellschaft (spółka jawna) mit juristischen Personen als Gesellschafter oder wenn die notwendigen Informationen über die Gesellschafter gegenüber den Steuerbehörden nicht offengelegt sind.

Jäschke/Link | 359

Kap. 8 Rz. 8.1 | Umwandlungen von KapGes in PersGes 2022

KapG1

ESt Polen

im AnsässigKommanditgeOffene keitsstaat Handelsge- sellschaft (spółka (z.B. komandytowa) sellschaft (spółka jaw- mit Sitz oder Ort Deutschland) na) nur mit der Geschäftslei- transparent behandelte tung in Polen3 natürlichen PersonengePersonen sellschaft als Gesellschaftern2 bei natürlichen Personen auf Antrag 19 %, ansonsten 12 bzw. 32 %

persönlich haften- bei natürlide Gesellschafter: chen Personen auf Ani. Erg. 0 bzw. 10 trag 19 %, anKommanditisten: sonsten 12 i. Erg. abhängig bzw. 32 % von dem jeweiligen Quellensteu- Bei juristischen Perersatz4 sonen 19 oder 9%

Dividende

81/91

Quellensteuer (15 %)

mögliche Varianten der Quellenbesteuerung:

drei Varianten der Quellenbesteuerung möglich:

– 0 % bei Eingreifen der Quellensteuerbefreiung nach der MutterTochter-RL

– 0 % bei Eingreifen der Quellensteuerbefreiung nach der MutterTochter-RL

– 5 %/15 % bei einem herabgesetzten Quellensteuersatz nach DBA

– 5 %/15 % bei einem herabgesetzten Quellensteuersatz nach DBA

1 Zur nur unter bestimmten Voraussetzungen seit dem 1.12022 möglichen Option eines Körperschaftsteuersubjekts zur Thesaurierungsbegünstigung (sog. estnische Lösung) siehe Cloer, IWB 2023, 809 (814 f.). 2 Ausnahme: Die Gesellschafter sind steuerlich nicht offengelegt. Offene Handelsgesellschaften werden als transparent betrachtet es sei denn, ihre Gesellschafter sind juristische Personen oder die notwendigen Informationen über die Gesellschafter sind gegenüber den Steuerbehörden nicht offengelegt. 3 Ebenso: Offene Handelsgesellschaft (spółka jawna) mit juristischen Personen als Gesellschafter oder wenn die notwendigen Informationen über die Gesellschafter gegenüber den Steuerbehörden nicht offengelegt sind. 4 Die teilweise Steuerbefreiung für Kommanditisten (auf 50 v.H. der Einnahmen, höchstens 60 000 PLN) bleibt in dieser schematischen Betrachtung wegen ihrer Einschränkungen bzw. Begrenzungen außer Betracht.

360 | Jäschke/Link

A. Einleitung | Rz. 8.1 Kap. 8 2022

KapG1

im AnsässigKommanditgeOffene keitsstaat Handelsge- sellschaft (spółka (z.B. komandytowa) sellschaft (spółka jaw- mit Sitz oder Ort Deutschland) na) nur mit der Geschäftslei- transparent behandelte tung in Polen3 natürlichen PersonengePersonen sellschaft als Gesellschaftern2 – 19 %, wenn keine Quellensteuerpräferenz eingreift.

Deutschland Gesellschaftsebene 814

100

81

100

Gesellschafterebene 81 Teileinkünfteverfahren ESt (45 %)

21,87

Anrechnung ESt- ./. 12,15 Pl. (beachte: AHB) SolZ (5,5 %)

0,53

Zufluss beim Gesellschafter

58,60

81

persönlich haften- s. oben Zeile de Gesellschafter: ESt Polen 81 bzw. 72,9 Kommanditisten: abhängig vom Quellensteuersatz (s. oben)

Gesamtsteuerbelastung

41,4 %

19,0 %5

persönlich haftende s. oben Zeile Gesellschafter: ESt Polen 19,0 %, bzw. 27,1 %;6 Kommanditisten: s. oben

1 Zur nur unter bestimmten Voraussetzungen seit dem 1.12022 möglichen Option eines Körperschaftsteuersubjekts zur Thesaurierungsbegünstigung (sog. estnische Lösung) siehe Cloer, IWB 2023, 809 (814 f.). 2 Ausnahme: Die Gesellschafter sind steuerlich nicht offengelegt. Offene Handelsgesellschaften werden als transparent betrachtet es sei denn, ihre Gesellschafter sind juristische Personen oder die notwendigen Informationen über die Gesellschafter sind gegenüber den Steuerbehörden nicht offengelegt. 3 Ebenso: Offene Handelsgesellschaft (spółka jawna) mit juristischen Personen als Gesellschafter oder wenn die notwendigen Informationen über die Gesellschafter gegenüber den Steuerbehörden nicht offengelegt sind. 4 Gewerbesteuerbefreiung nur, wenn § 9 Nr. 7 GewStG erfüllt ist. 5 Progressionsvorbehalt beachten. 6 Progressionsvorbehalt beachten.

Jäschke/Link | 361

Kap. 8 Rz. 8.2 | Umwandlungen von KapGes in PersGes

8.2 Folgende Gesichtspunkte können demgegenüber u.a. im Einzelfall bei grenzüberschreitenden Sachverhalten gegen die Umwandlung einer Auslandskapitalgesellschaft in eine (Auslands-)Personengesellschaft sprechen oder sollten zumindest bedacht werden (nicht abschließend): – international unterschiedliche Behandlung der Personengesellschaft, die eine komplexe Steuerrechtsmaterie darstellt – Abkommensanwendung1: Die Personengesellschaft kann sein – selbst „ansässige Person“ i.S.d. Art. 4 OECD-MA und damit abkommensberechtigt (z.B. Spanien, Ungarn), – transparent oder – teilweise (partiell) abkommensberechtigt (z.B. für Quellensteuerzwecke DBA Schweiz, DBA Italien). – Qualifikationskonflikte möglich (Doppelbesteuerung, weiße Einkünfte, nicht anrechenbare Quellensteuern) – zur LLC vgl. BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA – 22/04, BStBl. I. 2004, 411.

8.3 Abweichend vom Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerrecht enthält das GewStG keine eigenständige Anrechnungsvorschrift. § 34c EStG und § 26 KStG sind mit Ausnahme der Abzugsmethode nach § 34c Abs. 2, 3 EStG (i. V. mit § 26 KStG) nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrags oder der Gewerbesteuer zu berücksichtigen. Dies ist eine grundsätzliche Entscheidung des deutschen Gesetzgebers2. Das Risiko von Anrechnungsüberhängen, z.B. bei Verlusten in Deutschland, stellt wohl keinen Verstoß gegen Europarecht dar.3 Insbesondere zur Frage, ob ausländische Quellensteuer auch auf die Gewerbesteuer anzurechnen ist, sofern das entsprechende DBA deren Anrechnung auf inländische Steuern vom Einkommen vorsieht, ist dies allerdings umstritten4 Nicht anrechenbar sind ausländische Quellensteuern im Fall 1 Zur DBA-Anwendung bei Personengesellschaften vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/ 09/10003 (2014/0599097), BStBl. I 2014, 1258; BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BStBl. II 2014, 788. 2 So z.B. auch Becker/Loose, IStR 2012, 57,62. 3 Vgl. EuGH v. 14.11.2006 – C-513/04 – Kerckhaert-Morres, DStR 2006, 2118. 4 Offen gelassen durch BFH v. 20.12.2017 – I R 98/15, BFHE 260, 169. Nach dem FG Hessen v. 26.8.2020 – 8 K 1860/16, EFG 2021, 779 (rkr.) ist einbehaltene ausländische Quellensteuer auf Kapitalerträge in entsprechender Anwendung der § 34c EStG, § 26 KStG auch auf die inländische Gewerbesteuer anzurechnen, sofern das entsprechende DBA deren Anrechnung auf inländische Steuern vom Einkommen vorsieht. Das Fehlen von Vorschriften betreffend die Anrechnung ausländischer Quellensteuern im Gewerbesteuergesetz stelle eine offene Regelungslücke sowie einen Normwiderspruch dar. Dazu kritisch Schulz-Trieglaff, IStR 2021, 589. Eine Anrechnung bejahen Kessler/Dietrich IStR 2011, 108 u. 953 (in DBA-Fällen, wenn das DBA eine Anrechnung auf die „deutsche Steuer“ bzw. die „deutsche Steuer vom Einkommen“ vorsieht; anders hingegen, wenn das einschlägige DBA eine Anrechnung der Gewerbesteuer ausschließt, so Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA Schweiz); Ismer in V/L, DBA, Art 23 Rn. 138; Eberhardt, IStR 2019, 180; Haarmann FS Gosch, 2016, 123; Becker/Loose, IStR 2012, 57, 59; Heurung/Seidel, IWB 2009, 687; Lang, IStR 2021, 584; Kor-

362 | Jäschke/Link

A. Einleitung | Rz. 8.5 Kap. 8

von Qualifikationskonflikten aufgrund einer unterschiedlichen Rechtsformeinordnung (sog. hybride Gesellschaften). Beispiel für nicht anrechenbare Steuern: Spanien: Eine Sociedad Regular Colectiva (vergleichbar mit einer OHG) und eine Sociedad en Comandita (vergleichbar mit einer KG) sind juristische Personen nach spanischem Gesellschaftsrecht und unterliegen als solche in Spanien der Körperschaftsteuer. Nach deutscher steuerlicher Wertung handelt es sich dagegen jeweils um eine (transparente) Personengesellschaft.1 Bezüge der Gesellschafter stellen daher nach spanischem Recht Gewinnausschüttungen, nach deutschem Recht aber „nur“ Entnahmen dar. In Spanien wird eine Quellensteuer i.H.v. 10 % gem. Art. 10 Abs. 2 DBA-Spanien einbehalten. In Deutschland wird diese spanische Quellensteuer nicht angerechnet, da es sich bei den Entnahmen nicht um steuerlich relevante Einkünfte handelt.2 Anrechenbar kann allerdings u. U. die auf den der Entnahme zugrunde liegenden Gewinn erhobene spanische Körperschaftsteuer sein (Umdeutung in eine Steuer auf den Gewinnanteil des Gesellschafters).3

8.4

Einstweilen frei. II. Arten der Umwandlung von Kapital- in Personengesellschaften Zivilrechtlich gibt es verschiedene Möglichkeiten einer Umstrukturierung von Kapital- in Personengesellschaften (vgl. ergänzend Rz. 8.6 ff.). Diese werden ihrerseits ertragsteuerlich unterschiedlich eingeordnet.

ten, IStR 2021, 576; Spek/Schumacher, Ubg 2021, 340; Weiss, IWB 2021, 246; Schumacher, Die Gewerbesteuer im internationalen Steuerrecht, 208 ff.; aA Eglmaier, IStR 2011, 951 u. 955; Cloer/Kozlowski, FR 2022, 193. 1 H.M., erstmals Venezuela-Urteil, RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RStBl. 1930, 444. 2 Vgl. Tz. 4.1.4.1 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 (2014/0599097), BStBl. I 2014, 1258. 3 So auch Wagner in Brandis/Heuermann, § 34c EStG Rz. 35.

Jäschke/Link | 363

8.5

Kap. 8 Rz. 8.5 | Umwandlungen von KapGes in PersGes Übersicht:

III. Anwendungsbereich des Zweiten Teils des UmwStG 1. Inländische Umwandlungen von Kapital- in Personengesellschaften

8.6 Inländische Umwandlungen von Kapital- in Personengesellschaften i.S.d. §§ 3 ff. UmwStG sind solche, die sich als Verschmelzung nach § 2 ff. UmwG (§§ 3–8 UmwStG) bzw. Formwechsel i.S.d. §§ 190 ff. UmwG (§ 9 i.V.m. §§ 3–8 UmwStG) darstellen und bei denen neben der Anknüpfung an das deutsche Umwandlungsgesetz alle Beteiligten (übertragende Gesellschaft, übernehmende Gesellschaft, Gesellschafter) in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig bzw. im Falle eines DBA im Inland ansässig i.S.d. jeweiligen DBA sind. 2. Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug, grenzüberschreitende Umwandlungen und ausländische Umwandlungen

8.7 Einen Auslandsbezug weisen folgende Umwandlungen auf (vgl. hierzu auch Kapitel 1 Rz. 1.8):1 – Inlandsumwandlung mit Auslandsbezug: Umwandlung inländischer Gesellschaften mit ausländischem Betriebsvermögen oder ausländischen Anteilseignern (in der nachfolgenden Übersicht als d) gekennzeichnet, vgl. hierzu im Detail Rz. 8.56 ff.). – Auslandsumwandlung mit Inlandsbezug: Umwandlung ausländischer Gesellschaften mit inländischem Betriebsvermögen oder inländischen Anteilseignern (in

1 Vgl. Prinz, DB 2012, 820; Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.4.

364 | Jäschke/Link

A. Einleitung | Rz. 8.8 Kap. 8

der nachfolgenden Übersicht als a) gekennzeichnet, vgl. hierzu im Detail Rz. 8.100 ff.). – Grenzüberschreitende Umwandlung: Grenzüberschreitende Hinaus- oder Hereinverschmelzung (in der nachfolgenden Übersicht als b) und c) gekennzeichnet, vgl. hierzu im Detail Rz. 8.168 ff. sowie Rz. 8.193 ff.). Übersicht:

Bei ausländischen oder grenzüberschreitenden Vorgängen mit Inlandsbezug sind die §§ 3 ff. UmwStG anzuwenden, wenn der Übertragungsvorgang seinem Wesen nach einer Verschmelzung oder einem Formwechsel i.S.d. UmwG vergleichbar ist (zu Einzelheiten vgl. Rz. 8.102 ff., 8.171, 8.194 und Kapitel 4). Infolge der Aufhebung des § 1 Abs. 2 UmwStG durch das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG)1 ist der persönliche Anwendungsbereich des UmwStG für Umwandlungen i.S.d. §§ 3 ff. UmwStG mit steuerlichem Übertragungsstichtag ab dem 1.1.2022 vollständig geöffnet worden und nicht mehr auf EU/EWR-Sachverhalte beschränkt (vgl. auch Rz. 8.100 ff. sowie Kapitel 1 Rz. 1.11).2

1 Vom 25.6.2021, BGBl. I 2050. 2 Zum persönlichen Anwendungsbereich vor dem 1.1.2022 vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.49–01.52 (UmwStE 2011) und Jäschke/Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht1, 2012, Rz. 6.8 m.w.N.

Jäschke/Link | 365

8.8

Kap. 8 Rz. 8.8 | Umwandlungen von KapGes in PersGes Übersicht:

3. Steuerliche Rückwirkung bei Umwandlung von Kapital- in Personengesellschaften

8.9 Umwandlungen i.S.d. deutschen UmwG werden regelmäßig zivilrechtlich wirksam durch Eintragung in das Handels- bzw. Genossenschaftsregister der aufnehmenden Personengesellschaft bzw. beim Formwechsel des formgewechselten Rechtsträgers vollzogen (vgl. § 20 UmwG zur Verschmelzung, § 202 UmwG zum Formwechsel). Bei einer Verschmelzung gelten zur Abgrenzung der Rechnungslegung – allerdings erst mit Wirksamwerden der Umwandlung und unmittelbar lediglich im Innenverhältnis der beteiligten Rechtsträger – die Handlungen des übertragenden bzw. formgewechselten Rechtsträgers ab dem handelsrechtlichen Verschmelzungsstichtag i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 6 UmwG als für Rechnung des übernehmenden Rechtsträgers vorgenommen. Nach § 17 Abs. 2 UmwG ist der Anmeldung zum Handelsregister zudem eine Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers beizufügen, die auf einen höchstens acht Monate (2020 und 2021: 12 Monate) vor der Anmeldung liegenden Stichtag aufgestellt ist. Zivilrechtlich gehen hingegen Vermögen und Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers im Grundsatz erst mit Wirksamwerden der Verschmelzung auf den übernehmenden Rechtsträger über und können diese in der Handelsbilanz des übernehmenden Rechtsträgers erst ab diesem Zeitpunkt erfasst werden. Die Buchführungspflicht des übertragenden Rechtsträgers bleibt unabhängig von der erstellten Schlussbilanz bis zur Eintragung der Verschmelzung in das Register beim übernehmenden oder neuen Rechtsträger bestehen und wird hiervon ebenso wenig beeinflusst wird wie von der Festlegung des Verschmelzungsstichtags.

366 | Jäschke/Link

A. Einleitung | Rz. 8.13 Kap. 8

Für Verschmelzungen von Kapital- auf Personengesellschaften und natürliche Personen (§§ 3 ff. UmwStG) knüpft § 2 Abs. 1 UmwStG an den Stichtag an, der dem Vermögensübergang handelsbilanziell zugrunde liegt. Für den Formwechsel einer Kapital- in eine Personengesellschaft gibt § 9 UmwStG ein eigenes steuerliches Wahlrecht zum Rückbezug.

8.10

Durch die Wahl des handelsrechtlichen Verschmelzungsstichtags kann somit auch der steuerliche Übertragungsstichtag mittelbar gewählt werden. Sieht das ausländische Umwandlungsrecht hingegen einen Rückbezug auf mehr als 8 Monate vor (z.B. Österreich: 9 Monate), folgt das UmwStG dem. Also kommt bei grenzüberschreitenden Umwandlungen im Anwendungsbereich des § 2 UmwStG – abhängig vom ausländischen Umwandlungsrecht – ein Rückbezug um mehr als 8 Monate in Betracht. Die Dauer einer gesellschaftsrechtlichen Rückbeziehungsmöglichkeit des Umwandlungsvorgangs stellt kein für die Vergleichbarkeitsprüfung nach § 1 Abs. 1 UmwStG entscheidendes Merkmal dar.1

8.11

Die Rückwirkung greift in Fällen der grenzüberschreitenden Umwandlung nicht, soweit es dadurch zu einer Nichtbesteuerung, also zu „weißen Einkünften“ käme (§ 2 Abs. 3, § 9 Satz 3 Halbs. 2 UmwStG; § 24 Abs. 4 Halbs. 2 i.V.m. § 20 Abs. 6 Satz 4 UmwStG).2 Das kann sowohl bei Umwandlungen aufgrund ausländischer Rechtsvorschriften als auch bei grenzüberschreitenden Umwandlungen nach den §§ 305 ff. UmwG in Betracht kommen.3

8.12

Beispiel: Die vermögensverwaltende D GmbH erhält im April 01 Dividenden einer ausländischen Kapitalgesellschaft. Im Juni 01 verschmilzt die D GmbH auf ihren in Staat S wohnhaften Alleingesellschafter A und legt dem Vermögensübergang die Bilanz zum 31.12.00 zugrunde. Staat S kennt keine steuerliche Rückwirkung. Lösung: Die Dividenden unterliegen bei der D GmbH im VZ 01 der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht. § 2 Abs. 1 UmwStG findet wegen § 2 Abs. 3 UmwStG insoweit keine Anwendung.

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten kann durch Erfassung in unterschiedlichen Veranlagungszeiträumen eine Doppelbesteuerung drohen. Beispiel: Anmeldung des Formwechsels einer Kapitalgesellschaft polnischen Rechts mit in Deutschland ansässigen Anteilseignern in eine Personengesellschaft polnischen Rechts in Polen im August 01, Eintragung ins Handelsregister 02, Aufstellung der Schlussbilanz gem. § 9 Satz 2 und 3 UmwStG auf den 31.12.2000.

1 So die Finanzverwaltung, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/ 0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.41. 2 Vgl. auch BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 02.38. 3 Hierzu Hörtnagl in S/H/S9, § 2 UmwStG Rz. 116; vgl. auch zu weiteren Fallbeispielen Ettinger/Königer, GmbHR 2009, 590 (592 ff.).

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8.13

Kap. 8 Rz. 8.13 | Umwandlungen von KapGes in PersGes In Polen würden die steuerlichen Konsequenzen im VZ 02 gezogen (vgl. dazu Rz. 8.131), in Deutschland im VZ 00. Erhebt Polen auf offene Gewinnrücklagen eine Quellensteuer in 02, ist eine Anrechnung in Deutschland gem. § 34c EStG in 00 auf Einkünfte gem. § 7 UmwStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG u.E. nicht möglich.

8.14 Nach der FinVerw. müssen die persönlichen Anwendungsvoraussetzungen spätestens am steuerlichen Übertragungsstichtag vorliegen. Bei einer Neugründung im Rückwirkungszeitraum sei „auf den Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Gründung abzustellen. Bei einer Umwandlung zur Neugründung ist der Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Umwandlung maßgebend“.1 8.15 Zur Zurechnung von Einkommen und Vermögen führt der UmwStE 2011 hingegen aus: „Die steuerlichen Rückwirkungsfiktionen in § 2 Abs. 1 und § 9 Satz 3 UmwStG setzen nicht voraus, dass der übernehmende Rechtsträger zum steuerlichen Übertragungsstichtag bereits zivilrechtlich besteht. So ist z.B. eine rückwirkende Verschmelzung durch Aufnahme (§§ 4 ff., 39 ff. UmwG) möglich, auch wenn die aufnehmende Gesellschaft am steuerlichen Übertragungsstichtag zivilrechtlich noch nicht – auch nicht als Vorgesellschaft – besteht. Die Steuerpflicht eines neu gegründeten übernehmenden Rechtsträgers beginnt unabhängig von der zivilrechtlichen Entstehung mit Ablauf dieses Stichtags.“2 8.16 U.E. ist diesen Aussagen im UmwStE 2011 im Ergebnis zu folgen. Hinter Rz. 01.52 UmwStE 2011 steht u.E. folgender Gedanke: Als gestreckte Rechtsvorgänge ziehen sich Verschmelzungen und Formwechsel i.S.d. §§ 3 ff. UmwStG von der Beschlussfassung bis zum dinglichen Vollzug der Umwandlung über einige Zeit hin. Es liegt deswegen nahe, das Vorliegen der persönlichen Anwendungsvoraussetzungen auch für den gesamten Zeitraum des „gestreckten“ Tatbestands zu fordern, soweit bzw. sobald die beteiligten Rechtsträger im betreffenden Zeitraum existieren. Bei einer Umwandlung zur Neugründung entsteht der neue Rechtsträger beispielsweise erst mit der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Umwandlung. Wenn bei einer Umwandlung zur Neugründung der übernehmende Rechtsträger erst ab diesem Zeitpunkt existent zu sein braucht, brauchen auch bei einer Umwandlung zur Aufnahme nicht alle an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger bereits am steuerlichen Übertragungsstichtag zivilrechtlich zu existieren. Nach deutschem Umwandlungsrecht kann eine Verschmelzung auf einen Stichtag (handels)bilanziell rückbezogen werden, zu dem der übertragende oder der übernehmende Rechtsträger noch nicht existieren. 8.17 Allerdings entfaltet der steuerliche Rückbezug nur insoweit Wirkung, als die zu übertragende Sachgesamtheit überhaupt schon als solche existiert hat.3 Also kann eine 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.52. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 02.11. 3 So für die Frage des Teilbetriebs etwa BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.14; anders noch BMF v. 25.3.1998 – IV B 7 - S 1978-21/98, BStBl. I 1998, 268 Rz. 20.19 Satz 4 (UmwStE 1998), der es gestattete, die Merkmale des Teilbetriebs noch bis zum Abschluss des Einbringungsvertrags (bzw. des

368 | Jäschke/Link

A. Einleitung | Rz. 8.18 Kap. 8

rückwirkende Zurechnung von Einkommen und Vermögen erst ab dem Beginn der Existenz der eingebrachten Sachgesamtheit Betrieb beginnen (vorher geht der in § 2 UmwStG angeordnete Rückbezug u.E. „ins Leere“). Darüber hinaus müssen u.E. die steuerlichen Umwandlungsvoraussetzungen im Zeitpunkt des zivilrechtlichen Vollzugs der Umwandlung (dazu vorstehend) noch vorliegen (arg. gestreckte Tatbestände des UmwStG).1 Für Ausschüttungen im Rückwirkungszeitraum gilt: Die FinVerw. behandelt zwar offene und verdeckte Gewinnausschüttungen der zivilrechtlich noch bestehenden übertragenden Körperschaft im Rückwirkungszeitraum – trotz der Rückwirkungsfiktion des § 2 Abs. 1 UmwStG – grundsätzlich weiterhin als Ausschüttungen des übertragenden Rechtsträgers.2 Dadurch wird die Erhebung von Kapitalertragsteuer, die den zivilrechtlichen Gegebenheiten folgt, erheblich erleichtert. Etwas anderes gilt aber, soweit der Anteilseigner an der Rückwirkung teilnimmt (§ 2 Abs. 2 UmwStG): Echte Ausschüttungen im Rückwirkungszeitraum führen in diesem Fall regelmäßig zu einer Entnahme.3 Fiktive Ausschüttungen i.S.d. § 7 UmwStG sind nach der FinVerw. für Anteilseigner, die unter die Rückwirkungsfiktion des § 2 UmwStG fallen, §-15-EStG-Bezüge.4 Nach der Rechtsprechung ist die Besteuerung der offenen Rücklagen der Kapitalgesellschaft nach § 7 Satz 1 UmwStG bei nach § 5 Abs. 2 UmwStG fiktiv als eingelegt behandelten Anteilen als Gewinn der Gesamthand und nicht als Sondergewinn des bisherigen Anteilseigners zu behandeln.5

1

2

3 4

5

Spaltungsbeschlusses) herzustellen; Übergangsregelung in BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. S.04. Vgl. auch für den Teilbetrieb BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/ 0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.07; zum Formwechsel nach § 25 UmwStG vgl. BFH I R 13/19 (anhängig). Vgl. auch Jäschke in Lademann, UmwStG³, § 20 Rz. 20b m.w.N.: Insoweit keine gesetzliche Grundlage für einen Rückbezug. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 02.31; dem folgend die Lit., z.B. Bogenschütz, Ubg 2011, 393 (397); Dietrich/Kaeser in FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011, 112. Zum passiven Korrekturposten in diesen Fällen BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 02.31 f.; van Lishaut in R/H/vL, UmwStG3, § 2 Rz. 84 ff.; Hörtnagl in S/H9, § 2 UmwStG Rz. 82 f. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 02.32. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 02.28 („catch-all-Klausel“); vgl. auch Frotscher, Umwandlungssteuererlass 2011, 124 ff.; Schmitt/Schlossmacher, Umwandlungssteuererlass 2011, Rz. 02.28. Ausnahme: Beteiligungen unter 1 v.H., die im Privatvermögen gehalten werden, keine einbringungsgeborenen Anteile sind und auch nicht unter § 17 Abs. 6 EStG fallen. BFH v. 11.4.2019 – IV R 1/17, BStBl. II 2019, 501; dazu Meyer, DStR 2019, 1789; Ungemach, DStZ 2019, 545; Kubik, BB 2019, 1586; anders hingegen noch Blöchle/Weggemann, IStR 2008, 87.

Jäschke/Link | 369

8.18

Kap. 8 Rz. 8.18 | Umwandlungen von KapGes in PersGes

8.19 Mit § 2 Abs. 4, 5 UmwStG will der Gesetzgeber aus seiner Sicht missbräuchlichen Sachverhalten bei Anwendung der steuerlichen Rückwirkung nach § 2 Abs. 1, 2, § 9 Satz 3, § 20 Abs. 6 Satz 4, 24 Abs. 4 Halbs. 2 UmwStG begegnen.1 § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwStG soll verhindern, dass Verlustpositionen durch Anwendung der Rückbeziehungsmöglichkeit und Verrechnung mit einem Übertragungsgewinn wieder steuerlich genutzt werden, obwohl eine solche Nutzung dem übertragenden Rechtsträger nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag wegen § 8c KStG nicht mehr möglich wäre. Diese Beschränkung gilt auch für negative Einkünfte im Rückwirkungszeitraum, § 2 Abs. 4 Satz 2 UmwStG. Durch die Einführung des § 8c Abs. 1 Satz 6 bis 9 KStG und des § 8d KStG hat die Vorschrift an praktischer Bedeutung verloren.§ 2 Abs. 5 UmwStG zielt in dieselbe Richtung (betr. negative Einkünfte aus der Veräußerung oder der Bewertung von auf den übernehmenden Rechtsträger übergehenden Finanzinstrumenten oder Anteilen an einer Körperschaft mit stillen Lasten). § 2 Abs. 4 Sätze 3 bis 6 verhindert spiegelbildlich die Verrechnung positiver Einkünfte des übertragenden Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum mit Verlustpositionen des übernehmenden Rechtsträgers in modellhaften Gestaltungen. Allgemein geht es um die Begrenzung der Verrechnung von der deutschen Besteeuerung unterliegenden Gewinn- und Verlustpositionen. Freigestellte oder lediglich in den Progressionsvorbehalt einbezogene Einkünfte bleiben insoweit also außen vor. Darüber hinausgehende Besonderheiten in grenzüberschreitenden Sachverhalten gibt es hier nicht. IV. DBA-Fragen 1. Abkommensrechtliche Behandlung des Übertragungsgewinns

8.20 Soweit in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Kapitalgesellschaft durch einen über dem Buchwert liegenden Ansatz ein Übertragungsgewinn entsteht, findet darauf u.E. nicht der Betriebsstättenartikel (Art. 7 OECD-MA), sondern die Regelung über Veräußerungsgewinne/-verluste (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA bei beweglichem Vermögen, Art. 13 Abs. 1 OECD-MA bei unbeweglichem Vermögen) Anwen-

1 Vgl. BT-Drucks. 19/27632 v. 17.3.2021, 27.

370 | Jäschke/Link

A. Einleitung | Rz. 8.22 Kap. 8

dung.1 Denn die Umwandlungsvorgänge sind nach der hier vertretenen Auffassung (dazu Rz. 8.146 ff.) rechtsgeschäftliche Veräußerungen. Selbst wenn man diesem Ansatz nicht folgt, ist zu berücksichtigen, dass nach dem OECD-Musterkommentar zu Art. 13 Nr. 5 der abkommensrechtliche Begriff der Veräußerung weit zu verstehen ist und auch durch unentgeltliche Vorgänge ausgelöst werden kann, also insbesondere auch den Fall der Betriebsaufgabe i.S.d. § 16 Abs. 3 EStG mitumfasst.2 2. Abkommensrechtliche Behandlung der steuerlichen Effekte aus einer Umwandlung nach §§ 3 ff. UmwStG auf Anteilseignerebene Bezüge i.S.d. § 7 UmwStG werden als fiktive Gewinnausschüttungen und somit als Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG eingeordnet. Darauf findet abkommensrechtlich grundsätzlich der Dividendenartikel des jeweiligen DBA (Art. 10 OECD-MA) Anwendung.3 Die Fiktionen des § 5 UmwStG schlagen nicht auf die Auslegung der Art. 5, 7 OECD-MA durch (vgl. hierzu noch näher unten Rz. 8.23).

8.21

Ein Übernahmegewinn i.S.d. § 4 Abs. 4, 5 UmwStG (Übernahmegewinn 2. Stufe) wird von der FinVerw. abkommensrechtlich als Veräußerungsgewinn aus Gesellschaftsanteilen eingeordnet.4 Dieser unterfällt Art. 13 Abs. 5, Abs. 45 oder Abs. 2 OECD-MA. Nach Art. 13 Abs. 2 OECD-MA können „Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens, das Teil des Betriebsvermögens einer Betriebstätte ist, die ein Unternehmen eines Vertragsstaats im anderen Vertragsstaat hat, einschließlich derartiger Gewinne, die aus der Veräußerung einer solchen Betriebstätte (allein oder mit dem übrigen Unternehmen) bezogen werden, (...) im anderen Staat besteuert werden.“ Als bewegliches Vermögen gilt grundsätzlich in Negativabgrenzung zu unbeweglichem Vermögen auch die Beteiligung an der übertragenden bzw. formwechselnden Kapitalgesellschaft. Die Fiktionen des § 5 UmwStG haben auch hier keine Bedeutung für die Auslegung des Art. 13 Abs. 2 OECD-MA bzw. vergleichbarer Regelungen in den DBA (vgl. hierzu noch näher Rz. 8.23). Vielmehr kommt es für Zwecke des Art. 13 Abs. 2 OECD-MA im Rahmen einer autonomen Auslegung der je-

8.22

1 Reimer in V/L, DBA7, Art. 13 Rz. 16, 24; Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.45; Engel/Engelmann in Rz. 5.31. Vgl. auch BFH v. 17.10.2007 – I R 96/06, BStBl. II 2008, 953, zur Anwendung des Art. 13 OECD-MA beim umgekehren Fall des Formwechsels einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft. Die Einordnung kann für die Frage der Anwendbarkeit von Aktivitätsklauseln – abhängig vom jeweiligen DBA – von Bedeutung sein. 2 Ebenso Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 22; Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.45. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 07.02; vgl. auch Benecke/Schnitger, IStR 2006, 765 (773); Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.53; Fischer in Schneider/ Ruoff/Sistermann, Umwandlungssteuer-Erlass 2011, Rz. 7.10; Frotscher, Umwandlungssteuererlass 2011, 124 ff.; Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.40. 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.23. 5 Betr. Gesellschaften, deren Wert überwiegend auf unbeweglichem Vermögen beruht.

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Kap. 8 Rz. 8.22 | Umwandlungen von KapGes in PersGes

weiligen DBA-Bestimmungen auf die tatsächliche wirtschaftliche Zugehörigkeit der Anteile zu einer Betriebsstätte an (also auf sachliche Kriterien und nicht die rechtliche Zuordnung nach dem jeweiligen nationalen Recht). 3. Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen und § 5 UmwStG

8.23 Die Erwerbszeitpunkt-, Einlage- bzw. Überführungsfiktionen des § 5 UmwStG haben bei grenzüberschreitenden Umwandlungen keine Bedeutung für die Auslegung und Anwendung der jeweiligen DBA. Abkommensrechtliche Regelungen (Art. 5, 7 OECD-MA etc.) sind vielmehr nach der Rechtsprechung des BFH autonom auszulegen. Dieser vom BFH für die Gewerblichkeitsfiktionen des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG (gewerblich geprägte Personengesellschaft) sowie § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG (Sondervergütungen) entwickelte Gedanke1 gilt hier entsprechend. Beispiel: Der in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige A hält 100 % der Anteile an einer ausländischen Kapitalgesellschaft (Beispiel: italienische s.r.l.) im Privatvermögen. Die s.r.l. wird zur Aufnahme auf eine italienische Personengesellschaft (s.a.s.) verschmolzen. Es handelt sich annahmegemäß um einen vergleichbaren ausländischen Vorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 UmwStG. Lösung: Die Anteile an der s.r.l. gelten zwar gem. § 5 Abs. 2 UmwStG für Zwecke des nationalen Rechts als in das Betriebsvermögen der s.a.s. eingelegt. Deswegen ist insoweit ein Übernahmegewinn zu ermitteln und offene Rücklagen unterliegen im Rahmen der Ausschüttungsfiktion des § 7 UmwStG nicht der Abgeltungsteuer, sondern dem Teileinkünfteverfahren mit Anrechnung der KapErtrSt (ggf. besteht ein DBA-Quellensteuerrecht). Allerdings handelt es sich nicht um Einkünfte, für die nach dem Betriebsstättenprinzip als Unternehmensgewinne gem. Art. 5, 7 OECD-MA dem ausländischen Staat das Besteuerungsrecht zusteht. Sie unterfallen damit dem Dividendenartikel (Art. 10 OECD-MA). Auf den Übernahmegewinn findet nicht Art. 13 Abs. 2 OECD-MA, sondern Art. 13 Abs. 5 OECD-MA (bzw. hier Art. 13 Abs. 4 DBA Italien) Anwendung. Die als ausgeschüttet geltenden offenen Rücklagen unterfallen nach dem Dividendenartikel (Art. 10 DBA Italien) dem deutschen Besteuerungsrecht. Hilfsweise würde im Verhältnis zu Italien die Subject-to-tax-Klausel des Abschn. 16 (d) Protokoll DBA Italien2 eingreifen, weil nach italienischem Steuerrecht im Zeitpunkt der Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft weder ein Übertragungs- bzw. Übernahmegewinn noch offene Rücklagen besteuert werden (stattdessen werden die nach italienischem Recht festzustellenden, § 7 UmwStG vergleichbaren offenen Rücklagen bei dem übernehmenden Rechtsträger – s.a.s. – in einer Art Erinnerungsposten in der Bilanz fortgeschrieben und können somit erst zu einem späteren Zeitpunkt an die Gesellschafter ausgeschüttet werden)3.

1 St. Rspr., zuletzt BFH v. 17.11.2020 – I R 72/16, BFHE 271, 390 (zur grenzüberschreitenden Betriebsaufspaltung – bislang nicht im BStBl. II veröffentlicht), v. 25.5.2011 – I R 95/ 10, BStBl. II 2014, 760, v. 28.4.2010 – I R 81/09, BStBl. II 2014, 754; nunmehr auch BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 (2014/0599097), BStBl. I 2014, 1258 Rz. 2.2.1. 2 Vgl. dazu BFH v. 17.10.2007 – I R 96/06, BStBl. II 2008, 953 mit Anm. Behrens/Grabbe, BB 2008, 818. 3 Str., vgl. Schönfeld/Häck in Schönfeld/Ditz, Doppelbesteuerungsabkommen2, Art. 23A DBA Tz. 80 m.w.N. – (voraussichtlich) spätere Besteuerung im Ausland zu berücksichtigen.

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A. Einleitung | Rz. 8.24 Kap. 8 Im umgekehrten Fall – eine deutsche Kapitalgesellschaft mit in Italien ansässigem Gesellschafter wird durch Formwechsel gem. §§ 190 ff. UmwG z.B. in eine KG umgewandelt – nimmt der in Italien ansässige Gesellschafter trotz der Einlage- bzw. Überführungsfiktion i.S.d. § 5 UmwStG in Deutschland gem. Art. 13 Abs. 4 DBA Italien an der Besteuerung eines Übernahmegewinns oder -verlusts also nicht teil.

4. Abkommensrechtliche Zuordnung von Wirtschaftsgütern Im Fall der auslandsbezogenen Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft kommt der Frage der Zuordnung von Wirtschaftsgütern eine erhebliche praktische Bedeutung zu. Dies betrifft in erster Linie die übergehenden Wirtschaftsgüter der übertragenden Gesellschaft, deren stille Reserven zwingend aufzudecken sind, wenn das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland bei den Gesellschaftern der übernehmenden Personengesellschaft ausgeschlossen oder beschränkt wird. Steuerliche Auswirkungen kann die Umwandlung aber auch auf Wirtschaftsgüter der Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft haben, bei denen die Umwandlung eine Zuordnungsänderung und damit einhergehend u.U. eine Ent- oder Verstrickung auslösen kann. Maßstab für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern – und damit die Beurteilung, ob infolge einer Umwandlung das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung eines übertragenen Wirtschaftsguts beschränkt oder ausgeschlossen wird – ist wie bei den Entstrickungstatbeständen1 grundsätzlich das Veranlassungsprinzip2 i.S. einer wirtschaftlichen Zugehörigkeit der Wirtschaftsgüter zu den in den einzelnen Betriebsstätten (Unternehmen) entfalteten betrieblichen Tätigkeiten (= funktionaler Zusammenhang).3 Zwar wird von der FinVerw. davon abweichend auch die Auffassung vertreten, dass die Grundsätze, die für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf die grenzüberschreitende Ermittlung der Einkünfte einer Betriebsstätte nach § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV maßgeblich sind (insb. Zuordnung von Wirtschaftsgütern nach wesentlichen Personalfunktionen), auch für Zwecke der Entstrickungsbesteuerung (§ 4 Abs. 1

1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.18. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.20 unter Verweis auf BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 (dort: 2.2). 3 BFH v. 29.1.2017 – I R 58/15, BFHE 260 S. 209; vgl. Auch Goebel/Boller/Ungemach, IStR 2008, 643; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 84 (Stand: August 2012); Kußmaul/ Richter/Heyd, IStR 2010, 73; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 19.328; Görl in V/L7, Vor Art. 10–12 Rz. 37 ff.; BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076; BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.4.1.

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8.24

Kap. 8 Rz. 8.24 | Umwandlungen von KapGes in PersGes

Satz 3 und 4 EStG, § 12 Abs. 1 KStG) gelten sollen.1 Der BFH steht einer solchen Fernwirkung des § 1 Abs. 5 AStG allerdings kritisch gegenüber (vgl. Rz. 8.28).2 Ungeachtet dessen kann die Zuordnung nach § 1 Abs. 5 AStG-Grundsätzen im Einzelfall aber gleichwohl zu einer Beschränkung des Besteuerungsrechts führen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn Deutschland aufgrund eines DBA an die abweichenden Zuordnungskriterien gebunden ist und daher eine vom ausländischen Staat auf einen Veräußerungsgewinn erhobene Steuer anrechnen muss. § 1 Abs. 5 AStG geht zurück auf den sog. Authorized OECD Approach (AOA),3 der mit dem AmtshilfeRLUmsG vom 26.6.20134 ins deutsche Steuerrecht umgesetzt wude (§ 1 Abs. 4 bis 6 AStG). Den AOA haben inzwischen auch zahlreiche DBA umgesetzt. Die Betriebsstätte wird damit aus steuerlicher Sicht einem rechtlich selbstständigen Unternehmen gleichgestellt (sog. separate entity approach). Nach dem AOA werden der Betriebsstätte im ersten Schritt mittels einer Funktionsund Risikoanalyse folgende Sachverhalte zugeordnet (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG): – Personalfunktionen – Vermögenswerte – Chancen und Risiken – Dotationskapital (Eigenkapital) – Übrige Passiva und Finanzierungsaufwendungen5 Basis der Zuordnung der restlichen Funktionen und Vermögenswerte sind dabei stets die wesentlichen Personalfunktionen. Im zweiten Schritt sind interne Geschäftsvorfälle zwischen Betriebsstätte und übrigem Unternehmen, wie etwa die Erbringung von Dienstleistungen, fremdvergleichskonform zu bepreisen. Diese werden im Rahmen der Betriebsstättengewinnermittlung behandelt als wären sie zwischen fremden Dritten geschlossen worden. Daher wird für sie auch ein entsprechendes Entgelt mittels Verrechnungspreisen angesetzt.

1 BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03, BStBl. I 2017, 182, Rz. 451 ff., BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 (2014/0599097), BStBl. I 2014, 1258, Rz. 2.2.4.1. 2 BFH, v. 24.11.2021 – I B 44/21 (AdV), BFHE 275 S. 136, Rn. 24 ff.; so auch BeckOK AStG/Glatz, AStG § 1 Rz. 1102 m.w.N. 3 Vgl. OECD Bericht über die Zurechnung von Gewinnen zu Betriebsstätten 2010 v. 22.7.2010, https://www.oecd.org/ctp/transfer-pricing/attributes-of-profits-permanentestablishments-german.pdf. 4 BGBl. I 2013, 1909. 5 § 14 BsGaV.

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A. Einleitung | Rz. 8.24 Kap. 8

Ist die Betriebsstätte in einem Staat gelegen, mit dem Deutschland ein DBA abgeschlossen hat, und ist der AOA im DBA umgesetzt, so ist der AOA uneingeschränkt anwendbar. In diesem Fall ist eine Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer ausländischen Betriebsstätte zwangsläufig auch mit einer Beschränkung des Besteuerungsrechts i.S.d. § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG verbunden. Ist der AOA dagegen noch nicht im aktuellen DBA umgesetzt, so ist zu unterscheiden, ob der andere Staat den AOA bereits anwendet. In Fällen, in denen der AOA im Tätigkeitsstaat bereits umgesetzt ist, gilt er auch in Deutschland – für Zwecke des § 1 Abs. 5 AStG – als verbindlich. Eine Beschränkung des Besteuerungsrechts nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG kann in diesem Fall aber nur vorliegen, wenn das nach AOA-Grundsätzen der ausländischen Betriebsstätte zugeordnete Wirtschaftsgut auch tatsächlich steuerlich entstrickt wird. Kann dagegen der Nachweis erbracht werden, dass der AOA in diesem Staat (noch) nicht in nationales Recht umgesetzt ist und auch nicht angewendet wird, kommt der AOA auch in Deutschland bereits für Zwecke des § 1 Abs. 5 AStG nicht zur Anwendung (Escape-Klausel, § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG). Voraussetzung ist, dass die Besteuerung im Tätigkeitsstaat den Regelungen des abweichenden DBA entspricht und es hierdurch zu einer Doppelbesteuerung bei Anwendung des AOA in Deutschland kommen würde. Der Steuerpflichtige muss einen Antrag auf Nichtanwendung des AOA stellen und sämtliche Voraussetzungen nachweisen. Im Falle eines OECD-Mitgliedstaates soll dabei nach den Verwaltungsgrundsätzen Betriebsstättengewinnaufteilung (VWG BsGa)1 auch dann von der Anwendung des AOA durch den anderen DBA-Staat auszugehen sein, wenn das DBA noch eine Art. 7 OECD-MA 2008 entsprechende Regelung beinhaltet, den AOA dem Wortlaut nach also gar nicht enthält. Lediglich bei DBA mit Nicht-Mitgliedstaaten der OECD, die eine Regelung entsprechend Art. 7 OECD-MA 2008 bzw. Art. 7 UN-MA enthalten, 1 BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03, BStBl. I 2017, 182, Rz. 427 ff.

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Kap. 8 Rz. 8.24 | Umwandlungen von KapGes in PersGes

sieht die FinVerw. von der Anwendung des AOA ab. In einem solchen Fall muss das Unternehmen in seiner Steuererklärung auf das anzuwendende DBA hinweisen und die Höhe der Abweichung quantifizieren.1 Ist die Betriebsstätte in einem Staat gelegen, mit dem Deutschland kein DBA abgeschlossen hat, dann ist der AOA uneingeschränkt anwendbar, wenn er im Tätigkeitsstaat angewendet wird. Deutschland seinerseits sieht aber eine Anwendung im nationalen Recht auch dann vor, wenn der AOA im Betriebsstättenstaat nicht umgesetzt ist. Eine Escape-Möglichkeit, wie sie in dem Fall in § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG für den DBA-Fall vorgesehen ist, besteht nicht. Das kann zu einer Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen führen, die auch durch eine Steueranrechnung nicht gemildert wird.

8.24a Jedenfalls im Fall einer personallosen Betriebsstätte (Windpark) hat der BFH2 eine Anwendung des § 1 Abs. 5 AStG und damit der AOA-Grundsätze auf die Betriebsstättenzuordnung im Rahmen der Entstrickungsbesteuerung abgelehnt: Für die Position des BFH spricht, dass § 1 Abs. 5 AStG als spezielle Einkünftekorrekturnorm keine Ausstrahlungswirkung auf andere Zurechnungsregelungen entfalten kann. Maßstab für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern – und damit die Beurteilung, ob infolge einer Umwandlung das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung eines übertragenen Wirtschaftsguts beschränkt oder ausgeschlossen wird – ist danach weiterhin grundsätzlich das Veranlassungsprinzip i.S. einer wirtschaftlichen Zugehörigkeit der Wirtschaftsgüter zu den in den einzelnen Betriebsstätten (Unternehmen) entfalteten betrieblichen Tätigkeiten (= funktionaler Zusammenhang).3 Auch die FinVerw.4 sieht wohl die Möglichkeit der nutzungsbezogenen Zuordnung von materiellen Wirtschaftsgütern bei Betriebsstätten ohne maßgebliche Personalfunktion. 5. Abkommensrechtliche Behandlung von Beteiligungen an Gesellschaften

8.25 Personengesellschaften sind grundsätzlich nicht abkommensberechtigt.5 Sie sind zwar Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA. Sie unterliegen aber in ihrem 1 BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03, BStBl. I 2017, 182, Rz. 430. 2 BFH v. 24.11.2021 – I B 44/21, DStR 2022, 399 für einen Inbound-Fall. Zustimmend z.B. Busch, DB 2022, 908; Haase/Nürnberg, Ubg 2022, 229, 231; Leich/Nowak, IStR 2022, 281; Tcherveniachki, ISR 2022, 141; Böing/Dokholian, GmbH-StB 2022, 137, 138. In diese Richtung bereits FG des Saarlandes vom 30.3.2021 – I V 1374/20, EFG 2021, 1122. Den Leitsätzen des Beschlusses lässt sich allerdings eine Beschränkung der Entscheidungsgrundsätze auf personallose Betriebsstätten nicht entnehmen. 3 BFH v. 29.1.2017 – I R 58/15, BFHE 260 S. 209; vgl. Auch Goebel/Boller/Ungemach, IStR 2008, 643; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 84 (Stand: August 2012); Kußmaul/ Richter/Heyd, IStR 2010, 73; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 19.328; Görl in V/L7, Vor Art. 10–12 Rz. 37 ff.; BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076; BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.4.1. 4 BMF v. 17.12.2019 – IV B 5 - S 1341/19/10010:003, BStBl. I 2020, 84. 5 Kahle, StuW 2005, 61 (64); Lüdemann/Hruschka, IStR 2000, 25 (29); Brähler/Heerdt, StuW 2007, 260 (264); Suchanek/Herbst, Ubg 2011, 779 (780).

376 | Jäschke/Link

A. Einleitung | Rz. 8.27 Kap. 8

Sitzstaat als steuerlich transparente Rechtsträger nicht der unbeschränkten Steuerpflicht und erfüllen nicht das Ansässigkeitskriterium des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECDMA. Personengesellschaften werden vielmehr abkommensrechtlich wie unselbständige Betriebsstätten des (in einem anderen Staat ansässigen) Gesellschafters behandelt. Die Betriebsstätteneinkünfte unterliegen der beschränkten Steuerpflicht im Betriebsstättenstaat und sind im Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters grundsätzlich von der deutschen Besteuerung freizustellen (Freistellungsmethode) bzw. die ausländische Steuer ist auf die deutsche Steuer anzurechnen (Anrechnungsmethode) – abhängig vom jeweiligen DBA und dem konkreten Sachverhalt. Dies gilt auch für hybride Gesellschaften, die – bei Fehlen einer Sonderregelung im DBA1 – nach deutschem Steuerrecht transparent, vom Ansässigkeitsstaat jedoch als intransparent behandelt werden. Maßgeblich für die – in diesem Fall – Besteuerung der inländischen Gesellschafter ist insoweit allein die nationale Sichtweise.2 Nach § 1a KStG zur Körperschaftsbesteuerung optierende inländische Personengesellschaften erfüllen aus deutscher abkommensrechtlicher Sicht das Ansässigkeitskriterium des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA, da diese selbst Subjekt der Körperschaftsteuer sind.3

8.26

Bei mehrstöckigen Strukturen (Beispiel: Muttergesellschaft in Deutschland, ausländische Tochter-Personengesellschaft sowie Enkel-Kapitalgesellschaft) sowie bei Schwestergesellschaften (Beispiel: Muttergesellschaft in Deutschland hält Beteiligung sowohl an einer ausländischen Tochter-Personengesellschaft als auch an einer Tochter-Kapitalgesellschaft) kann die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft abkommensrechtlich der inländischen Geschäftsleistungsbetriebsstätte oder der Betriebsstätte „Personengesellschaft“ im anderen Staat zugerechnet werden, und zwar unabhängig davon, ob zivilrechtlich der inländische Steuerpflichtige oder die ausländische Personengesellschaft Anteilseignerin der Kapitalgesellschaft ist.

8.27

1 Vgl. etwa Art. 1 Abs. 2 DBA Australien 2015; Art. 1 Abs. 2 DBA Japan 2015, Ziff. 1 Abs. 2 des Protokolls zum DBA Niederlande 2012 und Art. 1 Abs. 2 DBA USA 2008 – sog. abkommensrechtliche Betrachtungsweise. Dazu etwa Jochum, IStR 2014, 1. Vgl. auch Art. 1 Abs. 2 OECD-MA, wonach für Zwecke des Abkommens Einünfte, die „von oder über einen Rechtsträger oder Gebilde“ erzielt werden, die nach dem Steuersubjekt eines der Vertragsstaaten ganz oder teilweise als transparent behandelt werden, als Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person gelten, soweit diese Einkünfte für Zwecke der Besteuerung als Einkünfte einer in diesem Vertragsstaat ansässigen Person behandelt werden. 2 Sog. anwenderorientierte Betrachtungsweise. Ausgangspunkt ist die lex fori-Klausel des jeweiligen DBA (vgl. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA). Vgl. etwa BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760; v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156 und dazu Suchanek/ Herbst, Ubg 2011, 779 (780 f.); BFH v. 11.7.2018 – I R 44/16, IStR 2019, 272. Zu dieser in der Lit. strittigen Frage vgl. Stöber, IStR 2020, 601 (603 ff.) m.w.N. 3 Jäschke in Lademann, KStG, § 1a Rz. 160.

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Kap. 8 Rz. 8.28 | Umwandlungen von KapGes in PersGes

8.28 Maßgeblich für die Zuordnung einer Beteiligung zu einer Betriebsstätte ist ebenfalls die „tatsächliche wirtschaftliche Zugehörigkeit“1 zu der Betriebsstätte (funktionaler Zusammenhang)2. Die Zuordnung einer Beteiligung zu einer Betriebsstätte hat demnach nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu erfolgen. Die Beteiligung muss durch die Betriebsstätte tatsächlich genutzt werden bzw. dieser dienen und zu ihrem Betriebsergebnis beitragen. Bei den aus der Beteiligung erzielten Erträgen muss es sich zumindest um Nebenerträge handeln, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung zu der Tätigkeit gehören, die das Schwergewicht der in der Betriebsstätte ausgeübten Unternehmenstätigkeit bildet. Es ist zu prüfen, ob die Beteiligung ihrer Substanz nach zu einer Betriebsstätte gehört und somit die wirtschaftliche Kraft der Betriebsstätte stärkt. Beispiele für eine funktionale Zuordnung zur Betriebsstätte „Personengesellschaft“: ausländische Vertriebskapitalgesellschaft handelt als Kommissionär für die Personengesellschaft; alternativ: Vertriebsgesellschaft handelt als Eigenhändler, bezieht aber ihre Waren ausschließlich von der Personengesellschaft. Eine geschäftsleitende Holdingfunktion der ausländischen Personengesellschaft führt hingegen nicht zwingend zur Zuordnung der Beteiligung.3 Diese Zuordnung nach Veranlassungsgesichtspunkten gilt nach der Rechtsprechung des BFH insbesondere für Nicht-DBA-Sachverhalte und somit die Auslegung allein des nationalen Rechts.4 8.29 Der zivilrechtlichen Zuordnung kommt bei der Frage der Zuordnung von Wirtschaftsgütern nur Indizwirkung zu. Die wirtschaftliche Betrachtung kann auch zu einer vom Zivilrecht abweichenden Zuordnung führen. Entscheidend sind im Ergebnis die tatsächliche Nutzung der Beteiligung durch die Betriebsstätte und ein damit einhergehender funktionaler Zusammenhang zwischen der Beteiligung und der Tätigkeit der Betriebsstätte. Die nach den – weiterhin anwendbaren – VWG Betriebsstätten hilfsweise Zuordnung von Beteiligungen und anderen Wirtschaftsgütern nach Maßgabe der sog. Zentralfunktion des Stammhauses dürfte nach Einführung der BsGaV und der VWG BsGa wohl überholt sein.5 Auch i.R. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a EStG ist also – auch wenn die Beteiligungen im Betriebsvermögen bzw. Sonderbetriebsvermögen einer Mitunternehmerschaft gehalten werden – grundsätzlich das Veranlassungsprinzip für eine Zuordnung von Kapitalgesellschaftsanteilen maßgebend.6 In diesem Zusammenhang ist die Betriebstätte einer Mitunternehmerschaft 1 Vgl. Goebel/Boller/Ungemach, IStR 2008, 643; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 84 (Stand: August 2012); Kußmaul/Richter/Heyd, IStR 2010, 73; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 19.328; Görl in V/L7, Vor Art. 10–12 Rz. 37; BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 111/99, BStBl. I 1999, 1076; BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.4.1. 2 Im Detail vgl. z.B. Görl in V/L7, Vor Art. 10–12 Rz. 38 f. 3 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.4.1. 4 BFH v. 29.11.2017 – I R 58/15, BFHE 260, 209, FR 2018, 558 mit Anmerkung Wacker; BFH v. 24.11.2021 – I B 44/21, DStR 2022, 399. 5 Insoweit überholt also BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.4; so auch Ritzer in R/H/vL, UmwStG3, Anhang 6: Umwandlungen und Sitzverlegungen von Kapitalgesellschaften außerhalb des UmwStG, Rz. 108. 6 Kußmaul/Schäfer/Engel, IWB 2020, 876.

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A. Einleitung | Rz. 8.32 Kap. 8

zugleich als Betriebstätte jedes Mitunternehmers anzusehen,1 kann also eine im Sonderbetriebsvermögen gehaltene Beteiligung auch ohne eigene Betriebsstätte des Mitunternehmers im Ausland einer Betriebsstätte der Mitunternehmerschaft zuzuordnen sein.2 Dabei kann auch eine gewerblich geprägte Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) einem Gesellschafter eine Betriebsstätte vermitteln.3 Abkommensrechtlich werden die Betriebsstätten einer Mitunternehmerschaft deren Mitunternehmern als eigene zugerechnet.4 Ergänzend ist anzumerken, dass nach Auffassung des BFH die Einkünftequalifikation und Zurechnungsfiktion nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (Sonderbetriebseinnahmen) nichts zur Betriebsstättenzurechnung aussagt.5 Zwar hat der Gesetzgeber auf die Rechtsprechung des BFH mit mehreren Ergänzungen des § 50d Abs. 10 EStG reagiert. Dieser sieht insbesondere – bei Zugrundelegen der Rspr. des BFH als Treaty Override – vor, dass Sondervergütungen für Zwecke der Anwendung eines DBA ausschließlich als Teil des Unternehmensgewinns des vergütungsberechtigten Gesellschafters gelten, sofern das DBA keine ausdrückliche Regelung für Sondervergütungen enthält. § 50d Abs. 10 EStG ist aber, wenn keine Sondervergütungen gezahlt werden, auf Erträge und Aufwendungen aus Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens nicht anzuwenden.6 Dies spricht dagegen, dass Einkünfte, die mittels Kapitalgesellschaftsanteilen des SBV II erzielt werden, derjenigen Betriebsstätte zuzuordnen sind, zu der eine Zuordnung des mit der Sondervergütung korrespondierenden Aufwands erfolgt.

8.30

V. Fusionsrichtlinie Der Anwendungsbereich der FRL7 ist auf Kapitalgesellschaften bzw. auf in ihrem Sitzstaat steuerlich intransparent behandelte Rechtsträger beschränkt, vgl. Art. 1, 3 FRL. Die FRL enthält somit keine unmittelbaren Vorgaben für grenzüberschreitende Umstrukturierungen unter Einbezug von Personengesellschaften, die in ihrem Sitzstaat einer transparenten Besteuerung unterliegen.

8.31

Eine ausländische Personengesellschaft kann allerdings in ihrem Sitzstaat intransparent besteuert werden, von Deutschland als Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter

8.32

1 BFH v. 18.7.1979 – I R 199/75, BStBl. II 1979, 750. 2 Frotscher in Frotscher/Geurts, EStG, § 49 Rz. 77; Rosenberg in Wassermeyer/Richter/ Schnittker, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 11.6, 11.15. 3 BFH v. 29.11.2017 – I R 58/15, BFHE 260 S. 209; Martini/Oppel/Staats, IWB 2018, 605; Oppel, IWB 2018, 735. 4 BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937. 5 BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, DStR 2010, 2450; ebenso Blumers/Zillmer, BB 2010, 1375 (1379); Wassermeyer, IStR 2010, 37 (41); a.A. Frotscher, IStR 2009, 593; Mitschke, DB 2010, 303. 6 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 (2014/0599097), BStBl. I 2014, 1258, Rz. 5.1.1; str.; vgl. auch Hruschka, IStR 2016, 437, 443: Sonderbetriebsvermögen sei nur dann der Betriebsstätte zuzuordnen, wenn es der Personengesellschaft entgeltlich überlassen werde. 7 Richtlinie 2009/133/EG, ABl. EU Nr. L 310/2009, 34 ff.

Jäschke/Link | 379

Kap. 8 Rz. 8.32 | Umwandlungen von KapGes in PersGes

hingegen als steuerlich transparent betrachtet werden (sog. hybride Gesellschaften). Hier gelten Besonderheiten.1 Der Wohnsitzstaat des Gesellschafters ist berechtigt, Art. 8 Abs. 1–3 FRL nicht anzuwenden und damit die in den Anteilen verhafteten stillen Reserven zu versteuern, Art. 11 Abs. 3 FRL.

B. Grundsätze der Besteuerung der Umwandlung einer Kapital- in eine Personengesellschaft nach dem UmwStG (Inlandssachverhalte) I. Besteuerungsthemen (Überblick) 1. Verschmelzung, Formwechsel 8.33

8.34 Das gesetzliche Leitbild der §§ 3 ff. UmwStG ist die Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf das Personenunternehmen des Anteilseigners (Aufwärtsverschmelzung, vgl. § 4 Abs. 4 Sätze 1 und 3 UmwStG). Die Besteuerungsebene der Kapitalgesellschaft geht unter. Die Wirtschaftsgüter der übertragenden Kapitalgesellschaft sind danach auf der Ebene der bisherigen Anteilseigner der übertragenden Kapitalgesellschaft steuerverhaftet, die Inhaber oder Mitunternehmer des übernehmenden Personenunternehmens (geworden) sind.

1 Wegen weiterer Einzelheiten etwa Brähler/Heerdt, StuW 2007, 260 (268 f.).

380 | Jäschke/Link

B. Grundsätze der Besteuerung der Umwandlung nach UmwStG | Rz. 8.35a Kap. 8

Mithilfe der Fiktionen der §§ 5, 27 Abs. 3 Satz 1 UmwStG stellt das Gesetz die Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Schwesterpersonengesellschaft (Seitwärtsverschmelzung) und andere Fälle, bei denen sich die Anteile an der Körperschaft am steuerlichen Übertragungsstichtag nicht bzw. noch nicht im Betriebsvermögen (einschließlich Sonderbetriebsvermögen) des übernehmenden Rechtsträgers (Personengesellschaft, natürliche Person) befinden, diesem „Grundfall“ wertungsmäßig gleich.

8.35

Erwerbszeitpunkt-, Einlage- bzw. Überführungsfiktion, §§ 5, 27 Abs. 3 Nr. 1 UmwStG:

2. Abspaltung, Aufspaltung Bei einer Abspaltung und einer Aufspaltung nach § 123 Abs. 1 bzw. 2 UmwG von einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft geht Vermögen im Wege einer Sonderrechtsnachfolge (auch als partielle Gesamtrechtsnachfolge bezeichnet) über. Übernehmender Rechtsträger kann dabei eine oHG, KG oder PartG sein, § 124 UmwG i.V.m. § 3 Abs. 1 UmwG. Eine GbR ist derzeit noch keine Personengesellschaft i.S.d. §§ 124, 3 Abs. 1 UmwG (vgl. 01.17 UmwStE 2011). Mit Inkrafttreten des MoPeG vom 10.8.2021 (BGBl. I 3436) zum 1.1.2024 kann hingegen dann auch die eingetragene GbR übernehmender Rechtsträger sein (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG n.F.). Bei der Spaltung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften sind die Vorschriften zur Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften und die Vorschrift über die Spaltung auf eine Kapitalgesellschaft entsprechend anzuwenden, § 16 i.V.m. §§ 3–8, 10, 15 UmwStG. Die gewerbesteuerlichen Folgen regelt § 18 UmwStG. Jäschke/Link | 381

8.35a

Kap. 8 Rz. 8.35a | Umwandlungen von KapGes in PersGes

Die Missbrauchsvorschriften des § 15 Abs. 2 UmwStG, die verhindern sollen, dass Teilbetriebe unter Ausnutzung des UmwStG steuerbegünstigt veräußert werden, gelten entsprechend, § 16 Satz 1 UmwStG. Die Ausführungen unter Rz. 14.133 ff. gelten entsprechend. 3. Ausgliederung und andere Formen der Einbringung

8.35b Zur Ausgliederung gem. § 123 Abs. 3 UmwG oder einer sonstigen Form der Einbringung (z.B. Einzelrechtsübertragung) einer Sachgesamtheit (Betrieb, Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil, Mitunternehmerteilanteil, FinVerw. gegen BFH auch: 100 %-Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft) von einer Kapitalgesellschaft auf eine bereits bestehende oder im Zuge der Ausgliederung neu gegründete Mitunternehmerschaft (Personengesellschaft) gegen Gewährung neuer Gesellschaftsrechte an die einbringende Kapitalgesellschaft s. Rz. 11.16.1 II. Teilbetriebserfordernis bei Spaltungen

8.35c § 16 UmwStG findet nur Anwendung, wenn ein Teilbetrieb übertragen und im Fall einer Abspaltung ein weiterer Teilbetrieb zurückbleibt (sog. doppeltes Teilbetriebserfordernis). Im Rahmen des § 24 UmwStG bildet ebenfalls ein Teilbetrieb einen tauglichen Einbringungsgegenstand (hier aber kein doppeltes Teilbetriebserfordernis). Weder § 15 UmwStG noch sonst das UmwStG oder das EStG definieren den Begriff des Teilbetriebs. Die FinVerw. will für § 16 UmwStG a.F. (vor SEStEG) den allgemeinen Teilbetriebsbegriff des § 16 EStG zugrunde legen. „Teilbetrieb“ ist danach ein mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter, organisatorisch geschlossener und für sich allein lebensfähiger Teil des Gesamtbetriebs.2 Demgegenüber ist für die FinVerw. im UmwStG seit dem SEStEG ausschließlich der Teilbetriebsbegriff der FRL3 maßgebend, wonach ein Teilbetrieb (branch of activity) „die Gesamtheit der in einem Unternehmensteil einer Gesellschaft vorhandenen aktiven und passiven Wirtschaftsgüter (ist), die in organisatorischer Hinsicht einen selbständigen Betrieb, d.h. eine aus eigenen Mitteln funktionsfähige Einheit darstellen“ (Art. 2 Buchst. j FRL).4 Dies ist umstr. Eine Ansicht will den europäischen Teilbetriebsbegriff bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, den nationalen Teilbetriebsbegriff bei innerdeutschen Umwandlungen anwenden.5 Eine im Vordringen begriffene Ansicht will z.B. i.R.d. § 20, § 24 UmwStG den nationalen neben dem europäischen Teilbetriebsbegriff anwenden.6 1 S. außerdem ausführlich Jäschke in Lademann, UmwStG3, § 24 Rz. 13 ff., insb. Rz. 14. 2 BFH v. 18.10.1999 – GrS 2/98, BStBl. II 2000, 123; BFH v. 5.6.2003 – IV R 18/02, BStBl. II 2003, 838; R 16 Abs. 3 EStR. 3 RL 2009/133/EG des Rates v. 19.10.2009, ABl. EU Nr. L 310, 34, nunmehr Richtlinie 2013/ 13/EU des Rates v. 13.5.2013, ABl. EU Nr. L 141, 30. 4 Rz. 16.02, 24.03, 20.06 i.V.m. 15.02 UmwStE 2011, ebenso z.B. Menner/Broer, DB 2002, 815; Blumers, BB 2011, 2204 (2206); Rasche, GmbHR 2012, 149. 5 Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, UmwStG9, § 20 UmwStG Rz. 84; Widmann in Widmann/Mayer, UmwR, § 20 UmwStG [SEStEG] Rz. R 5. 6 Herlinghaus in R/H/vL, UmwStG3, § 20 Rz. 133; Menner in Haritz/Menner/Bilitewski, UmwStG5, § 20 Rz. 96; Desens, DStR 2010, Beihefter zu Heft 46 S. 80; Schumacher/Neumann, DStR 2008, 325; Blumers, BB 2011, 2204.

382 | Jäschke/Link

B. Grundsätze der Besteuerung der Umwandlung nach UmwStG | Rz. 8.35d Kap. 8

Schließlich wird die Auffassung vertreten, es gelte grundsätzlich der nationale Teilbetriebsbegriff, im Anwendungsbereich der FRL, also bei den dort beschriebenen grenzüberschreitenden Umwandlungen, aber zusätzlich der europäische Teilbetriebsbegriff.1 Nationaler und europäischer Teilbetriebsbegriff sind nicht deckungsgleich. Es lässt sich noch nicht abschließend sagen, in welchen Punkten der europäische Teilbetriebsbegriff weiter bzw. enger als der nationale ist.2 Nach BFH vom 7.4.20103 soll sich der Teilbetriebsbegriff der FRL nicht von dem Teilbetriebsbegriff des UmwStG unterscheiden.4

8.35d

Übersicht (Gemeinsamkeiten und Unterschiede): Hergebrachter nationaler Teilbetriebsbegriff Begriff

FRL

– organisch geschlossener Teil – organisatorisch selbständiger Betrieb (i.S. einer Eigenständigdes Gesamtbetriebs keit) – für sich allein lebensfähig – aus eigenen Mitteln funktions– gewisse Selbständigkeit fähige Einheit (h.M.: i.S. von Ausschließlichkeit: Betätigung unterschei- – Gesamtheit der vorhandenen det den Teilbetrieb von den aktiven und passiven Wirtschaftsgüter. übrigen Tätigkeiten des Gesamtbetriebs; str.)5 – umfasst die (h.M.: funktional) wesentlichen Betriebsgrundlagen.

Teilbetrieb bei wem?

beim Einbringenden bzw. übertragenden Rechtsträger6

Teilbetrieb als Untereinheit der einbringenden bzw. übertragenden Gesellschaft (Art. 2 Buchst. d FRL; vgl. auch Art. 2 Buchst. j FRL: „vorhandenen“).7

1 Mutscher in Frotscher/Drüen, § 20 UmwStG, Rz. 122; im Ergebnis auch Förster/Wendland, BB 2007, 632. 2 Zu dieser Rechtsunsicherheit z.B. Kotyrba/Scheunemann, BB 2012, 223. 3 BFH v. 7.4.2010 – I R 96/08, BStBl. II 2011, 467 – obiter dictum (grundsätzlich Übertragung aller wesentlicher Betriebsgrundlagen). 4 Dies ist nicht die Position der FinVerw. Kritisch zur Position des BFH z. B. auch Herlinghaus in R/H/vL, UmwStG3, § 20 Rz. 125; Uphues, DStR 2022, 2584 (2587 f.). 5 Dazu Blumers, BB 2011, 2204 f. 6 Rz. 20.06 i.V.m. Rz. 15.02 und Rz. 20.15 UmwStE 2011; BFH v. 17.6.1978 – VIII R 26/76, BStBl. II 1978, 672 zu § 16; h.M.; a.A. Strobl-Haarmann in Wassermeyer/Meyer/Rieger, FS Widmann, S. 553 (556); Blumers, DB 2001, 722 (725): Sicht der erwerbenden Gesellschaft maßgebend. 7 Wie hier Patt/Rupp/Aßmann, UmwStE 2011, S. 87; Schmitt in S/H, UmwG, UmwStG9, § 20 UmwStG Rz. 87; Thömmes in FS Widmann, 2000, S. 583 (602); a.A. Strobl/Hartmann in FS Widmann, 2000, S. 553 (562 f.); Beinert, StbJb 2011/2012, 153; Blumers, DB 2008, 2044; BB 2011, 2204 (2205); Uphues, DStR 2022, 2584 (2587): Blickwinkel des Übernehmenden maßgebend.

Jäschke/Link | 383

Kap. 8 Rz. 8.35d | Umwandlungen von KapGes in PersGes Hergebrachter nationaler Teilbetriebsbegriff

FRL

geringe Bedeutung neben den Merkmalen organisatorische Verselbständigung und Funktionsfähigkeit.1

Art. 2 Buchst. j FRL verlangt Selbständigkeit; Einzelheiten bisher nicht weiter konkretisiert. Nach a.A. soll die Unterscheidbarkeit von der übrigen Tätigkeit des Unternehmens nicht erforderlich sein2 (Berufung auf EuGH v. 13.10.1992 – C50/91, EuZW, 1992, 737). Das Urteil war jedoch zu dem Begriff des „Tätigkeitszweigs“ in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der RL 69/335/EWG (Gesellschaftsteuerrichtlinie) ergangen.

Zuordnung von im Grundsatz nur funktional Wirtschaftsgütern wesentliche Wirtschaftsgüter (bei Einbringen betroffen.3 eines Teilbetriebs)

„Gesamtheit der Wirtschaftsgüter“, Art. 2 Buchst. j FRL EuGH v. 15.1.2002 – C-43/00, Rz. 24 f.: Um den Anwendungsbereich der FRL zu eröffnen, müssen alle zuordenbaren, also wohl auch die nicht wesentlichen zu einem Teilbetrieb gehörenden aktiven und passiven Wirtschaftsgüter eingebracht werden.4 Deswegen u.E. z.B. schädlich eine Freistellung des übernehmenden Rechtsträgers von übergehenden Verbindlichkeiten im Umwandlungs-/Einbringungsvertrag oder aufgrund eines Gesamtplans in einem anderen Vertrag.5

Selbständigkeit/ Unterscheidbarkeit von der übrigen Tätigkeit des Betriebs (insbesondere: Filialen, Zweigniederlassungen)

1 Vgl. BFH v. 24.8.1989 – IV R 120/88, BStBl. II 1990, 55; v. 12.2.1992 – VIII R 21/90, BFH/ NV 1992, 516; v. 10.3.1998 – VIII R 31/95, BFH/NV 1998, 1209; v. 2.7.1997 – X B 269/96, BFH/NV 1997, 481: Maßgebend bei Filialen und Zweigniederlassungen ist die Zuordnung eines eigenen Kundenstammes, der mit Veräußerung etc. aufgegeben wird (nicht: ob das Unternehmen andernorts eine gleichartige gewerbliche Tätigkeit ausübt). 2 Menner/Broer, BB 2003, 229 (233); Weier, DStR 2008, 1002 (1005); Schumacher in in R/H/ vL, UmwStG3, § 15 Rz. 134; Thömmes in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, UmwStG § 23 Rz. 62; Haritz/Benkert, UmwStG2, § 23 Rz. 117. 3 BFH v. 5.6.2003 – IV R 18/02, BStBl. II 2003, 838. 4 Ebenso Rz. 20.06 i.V.m. 15.09 UmwStE 2011. Im einzelnen str. Vgl. z. B. Uphues, DStR 2022, 2584 (2586), der die Übertragung der „funktionsnotwendigen“ Wirtschaftsgüter verlangt, es aber gleichzeitig für „unklar“ hält, welche Wirtschaftsgüter für den europäischen Teilbetriebsbegriff konstitutiv sind. 5 Dazu einschränkend Menner/Broer, DB 2002, 815 (817); Schumacher in R/H/vL, UmwStG3, § 15 Rz. 156 ff. Nach BFH v. 7.4.2010 – I R 96/08, BStBl. II 2011, 467 soll sich der Teilbetriebsbegriff der Fusions-RL nicht von dem Teilbetriebsbegriff des UmwStG unterscheiden; dies setze grundsätzlich die Übertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen voraus. Kritisch zu dieser Aussage des BFH z.B. Herlinghaus in R/H/vL, UmwStG3, § 20 Rz. 125.

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B. Grundsätze der Besteuerung der Umwandlung nach UmwStG | Rz. 8.35e Kap. 8 Hergebrachter nationaler Teilbetriebsbegriff

FRL

Dauernde NutÜbertragung des wirtschaftlizungsüberlassung chen Eigentums.1 ausreichend?

bisher nicht gerichtlich geklärt; EuGH v. 15.1.2002 – C-43/00 spricht aber von der „Übertragung“ der aktiven und passiven Wirtschaftsgüter.2 A.A.3: Wegen eines Abstellens des EuGH auf betriebswirtschaftliche Kriterien sei eine Nutzungsüberlassung ausreichend.

Teilbetrieb im Aufbau

Bisher nicht gerichtlich geklärt; nach Art. 2 Buchst. j FRL müssen die Wirtschaftsgüter aber eine funktionsfähige Einheit „darstellen“. Rz. 20.06 i. V.m. Rz. 15.03 UmwStE 2011: ein Teilbetrieb im Aufbau genügt nicht.

Tauglicher Spaltungs- und Sacheinlagegegenstand.4

Zurückbleibendes Nach § 15 Abs. 1 S. 2 UmwStG Vermögen bei 1995 musste das der übertraAbspaltung genden Körperschaft verbleibende Vermögen zwingend zu einem Teilbetrieb gehören.

Nach Art. 2 Buchst. c FRL und § 15 Abs. 1 S. 2 UmwStG muss (mindestens) ein Teilbetrieb in der einbringenden Gesellschaft verbleiben. Str., ob neben dem oder den verbleibenden Teilbetrieben weiteres Vermögen, das keinem Teilbetrieb zugeordnet werden kann, schädlich ist (für Schädlichkeit Rz. 15.01 UmwStE).

Stellungnahme: Mit dem SEStEG wollte der Gesetzgeber die FRL5 in nationales Recht umsetzen.6 U.E. ist eine unterschiedliche Auslegung des Teilbetriebsbegriffs für 1 BFH v. 16.2.1996 – I R 183/94, BStBl. II 1996, 342; v. 7.4.2010 – I R 96/08 BStBl. II 2011, 467 forderte zu § 15 UmwStG a.F.: Übertragung aller wesentlicher Betriebsgrundlagen erforderlich; Widmann in Widmann/Mayer, UmwR, § 20 UmwStG Rz. 18 und Rz. 236, weitergehend für SBV sogar in Rz. 30: zivilrechtliches Eigentum der Kapitalgesellschaft erforderlich; Rz. 20.08 UmwStE 1998; h.M.; a.A. Thömmes in FS Widmann, S. 583 ff.: Dauernde und hinreichend abgesicherte Nutzungsüberlassung reicht aus, weil der Teilbetriebsbegriff tätigkeitsbezogen zu verstehen sei; ebenso nunmehr Herlinghaus in R/H/vL, UmwStG3, § 20 Rz. 142 und 85 f. m.w.N. 2 So auch BFH v. 7.4.2010 – I R 96/08, BStBl. II 2011, 467 = BFHE 229, 179; Neumann, GmbHR 2012, 141. 3 Thömmes in FS Widmann, S. 583 ff.; Götz, DStZ 1997, 551 (554); Beinert, StbJb 2011/ 2012, 153; Benz/Rosenberg, DB 2011, 1354; Uphues, DStR 2022, 2584 (2586 f.). 4 Rz. 15.10 UmwStE 1998; BFH v. 22.6.2010 – I R 77/09, BFH/NV 2011, 10; vgl. zum Begriff BFH v. 1.2.1989 – VIII R 83/85, BStBl. II 1989, 458. 5 Richtlinie 2005/19/EG des Rates v. 17.2.2005 zur Änderung der Richtlinie 90/434/EWG über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen. 6 BT-Drucks. 16/2710 v. 25.9.2006, 1.

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8.35e

Kap. 8 Rz. 8.35e | Umwandlungen von KapGes in PersGes

grenzüberschreitende und reine Inlandssachverhalte mit Inkorporierung des § 23 UmwStG a.F. in den § 20 UmwStG im Rahmen des SEStEG nicht mehr möglich (arg. Gesetzeswortlaut differenziert insoweit nicht)1 und ist der Teilbetriebsbegriff im gesamten UmwStG einheitlich auszulegen.2 Damit sind alle Einbringungen von Teilbetrieben i.S.d. FRL von § 20 UmwStG erfasst. Soweit der bisherige nationale Teilbetriebsbegriff aber darüber hinausgeht (z.B. Zurückbehalten von nicht wesentlichen Betriebsgrundlagen bzw. „neutralem“ Vermögen, ggf. Teilbetrieb im Aufbau), bleibt dies u.E. auch beim § 20 UmwStG i.d.F. des SEStEG erhalten, weil es dem Gesetzgeber unbenommen bleibt, den nationalen Teilbetriebsbegriff insoweit in §§ 15, 16, 20, 24 UmwStG fortzuführen und eine Beschränkung auf den Teilbetriebsbegriff der FRL weder im Gesetzgebungsverfahren noch im Gesetzeswortlaut seinen Ausdruck gefunden hat.3 Bestätigt wird dies dadurch, dass nach § 20 UmwStG – anders als nach der FRL – auch Mitunternehmeranteile Gegenstand der Einbringung sein dürfen. Außerdem wäre es unter systematischen Gesichtspunkten zum einen ein merkwürdiges Ergebnis, beim Teilbetrieb das nationale Begriffsverständnis vollständig aufzugeben, während es bei Betrieben, Mitunternehmeranteilen und Mitunternehmerteilanteilen fortbesteht. Zum anderen modifizieren §§ 20, 24 UmwStG u.E. insb. die Rechtsfolgen des § 16 EStG, wo zweifellos der nationale Teilbetriebsbegriff Geltung besitzt. Allerdings muss das eingebrachte Vermögen einen Teilbetrieb entweder im rein nationalen oder im rein fusionsrechtlichen Sinne darstellen; Mischformen aus beiden Begriffsverständnissen reichen u.E. nicht aus (keine „hybriden“ Teilbetriebe). III. Besteuerung der übertragenden Kapitalgesellschaft 1. Wertansatz in der steuerlichen Schlussbilanz

8.36 Der Wertansatz in der steuerlichen Schlussbilanz hat unmittelbar Einfluss auf die Höhe der als fiktiv ausgeschüttet geltenden offenen Rücklagen gem. § 7 UmwStG.4 Aufgrund der Wertverknüpfung des § 4 Abs. 1 UmwStG, wonach der übernehmende Rechtsträger an die Wertansätze in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft gebunden ist, wirkt sich der Wertansatz in der steuerlichen Schlussbilanz außerdem regelmäßig auf die Höhe des Übernahmeergebnisses 1. Stufe aus.5 8.37 Grundsätzlich ist gem. § 3 Abs. 1 UmwStG das Betriebsvermögen der übertragenden Körperschaft einschließlich nicht entgeltlich erworbener und selbst geschaffener Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz mit dem gemeinen Wert anzuset1 A.A. z.B. Schmitt, DStR 2011, 1108 (1110): für rein innerdeutsche Umwandlungen Teilbetriebsbegriff des deutschen Rechts; bei Umwandlung mit europäischer Komponente Teilbetriebsbegriff der FRL. 2 Zum begrenzten Anwendungsbereich der FRL i.R.d. § 24 UmwStG s. Jäschke in Lademann, UmwStG3, § 24 Rz. 4a. 3 Im Ergebnis ähnlich Herlinghaus in R/H/vL, UmwStG3, § 20 Rz. 133. 4 Vgl. Stöber in Lademann, UmwStG3, § 7 Rz. 15; Jäschke/Illing in Widmann/Bauschatz, UmwStG, § 7 Rz. 22. 5 Vgl. zur Wertverknüpfung Staats in Lademann, UmwStG3, § 4 Rz. 97 f.

386 | Jäschke/Link

B. Grundsätze der Besteuerung der Umwandlung nach UmwStG | Rz. 8.40 Kap. 8

zen (eigenständige Ansatz- und Bewertungsvorschrift, keine Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz)1, dies unabhängig von der Handelsbilanz und den sonst geltenden Beschränkungen des § 5 EStG. Nach der Grundregel des § 3 Abs. 1 UmwStG kommt es damit zur Aufdeckung der stillen Reserven und damit regelmäßig zu einem Übertragungsgewinn. Vom Grundsatz des § 3 Abs. 1 UmwStG abweichend und nur auf Antrag wird eine steuerneutrale Umwandlung zum Buchwert oder zu einem zwischen dem Buch- und gemeinen Wert liegenden Zwischenwert nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 UmwStG ermöglicht (zu § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 UmwStG s. Rz. 8.60 ff. und 8.66 ff.).

8.38

In der Praxis stellt die Umwandlung zu Buchwerten den Regelfall dar. Insbesondere wenn die übertragende Gesellschaft über laufende Verluste oder Verlustvorträge verfügt, die nicht auf die übernehmende Gesellschaft übergehen (§ 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG), empfiehlt sich allerdings eine gewinnwirksame Aufstockung der Buchwerte auf einen Zwischenwert, der bei der übernehmenden Personengesellschaft zu einem entsprechend höheren Abschreibungsvolumen führt (vgl. Rz. 8.46). Der gemeine Wert ist für die FinVerw. im Rahmen des § 3 UmwStG der absolute Höchstwert. Unterschreitet der gemeine Wert den Buchwert (möglich wegen stiller Lasten, die steuerlich nicht ausgewiesen werden dürfen – Beispiel Drohverlustrückstellungen), ist das Betriebsvermögen nach Auffassung der FinVerw. zwingend mit dem (niedrigeren) gemeinen Wert anzusetzen.2

8.39

2. Antrag nach § 3 Abs. 2 UmwStG Der Antrag auf Buchwertfortführung oder Zwischenwertansatz ist bedingungsfeindlich,3 einmalig, unwiderruflich,4 spätestens bis zur erstmaligen Abgabe der steuerlichen Schlussbilanz5 und einheitlich6 zu stellen. Die Prüfung der Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 UmwStG erfolgt hingegen personenbezogen für jeden an der steuerlichen Rückwirkungsfiktion beteiligten Anteilseigner.7

1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.04, hierzu auch Frotscher, UmwStE 2011, 147 f.; Kutt/Carstens in FGS/BDI, UmwStErlass, 128 f. Ausnahme für Pensionsrückstellungen, vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 UmwStG. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.12. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.27. 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.27; a.A. Koch, BB 2011, 1067 (1070). 5 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.28. 6 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.13. 7 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.11.

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8.40

Kap. 8 Rz. 8.41 | Umwandlungen von KapGes in PersGes

8.41 Der Antrag ist im Grundsatz von der übertragenden Körperschaft zu stellen, mit der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Verschmelzung von dem übernehmenden Rechtsträger als ihrem Gesamtrechtsnachfolger (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Im Fall des Formwechsels bleibt es zivilrechtlich bei der Identität des Rechtsträgers. Wenn übertragende Körperschaft eine ausländische Körperschaft ist, gelten hinsichtlich der Antragsberechtigung keine Besonderheiten (zum zuständigen Finanzamt in diesem Fall vgl. Rz. 8.119). 8.42 Der Antrag nach § 3 Abs. 2 Satz 2 UmwStG ist bei dem für die Besteuerung nach §§ 20, 26 AO zuständigen Finanzamt der übertragenden Körperschaft zu stellen, und zwar auch, wenn zum übergehenden Vermögen der übertragenden Körperschaft Beteiligungen an in- oder ausländischen Mitunternehmerschaften gehören.1 Mit Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister tritt ein Zuständigkeitswechsel nach § 26 AO ein.2 Unter den Voraussetzungen des § 26 Satz 2 AO sowie § 27 AO kann das für die übertragende Körperschaft vormals zuständige Finanzamt das Verfahren fortführen (zum zuständigen Finanzamt in internationalen Umwandlungsfällen vgl. Rz. 8.119). 3. Besteuerung des Übertragungsgewinns

8.43 Kommt es bei der übertragenden Kapitalgesellschaft in der steuerlichen Schlussbilanz zu einem über dem Buchwert liegenden Wertansatz, führt dies zur Aufdeckung stiller Reserven und es entsteht ein Übertragungsgewinn (laufender und zugleich letzter Geschäftsvorfall des auf den steuerlichen Übertragungsstichtag endenden Wirtschaftsjahres, keine gesonderte Ermittlung). Er errechnet sich wie folgt: zu den Werten nach § 3 UmwStG übergehendes Vermögen ./. ./. =

übergehendes Vermögen zu Buchwerten auf die übertragende Körperschaft entfallende Kosten für den Vermögensübergang Übertragungsgewinn

8.44 Der Übertragungsgewinn ist grundsätzlich voll körperschaft- und gewerbesteuerpflichtig (vgl. § 18 Abs. 1 UmwStG), sofern nicht etwaige Sondervorschriften bestehen (z.B. § 8b Abs. 2 KStG, DBA-Freistellung). Sofern es sich um eine grenzüberschreitende Umwandlung oder eine inländische Umwandlung mit ausländischem Betriebsstättenvermögen handelt, kommt es – insoweit – im Regelfall der DBA-Freistellung zu keiner Belastung mit deutscher Körperschaftsteuer. Im Fall der DBA-Anrechnung oder Anrechnung nach § 26 KStG ist eine im Ausland entstehende Steuer aufgrund einer dortigen Gewinnrealisation nach allgemeinen Grundsätzen auf die durch den Übertragungsgewinn entstandene deutsche Körperschaftsteuer anrechenbar. 8.45 Kommt es im Rahmen der gesetzlich angeordneten Entstrickung nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG zu einem Übertragungsgewinn bei der übertragenden Kapitalgesellschaft, ist auch nach der Anpassung der deutschen Entstrickungsregelungen an 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.27. 2 Vgl. hierzu auch FM NRW v. 20.4.2012, FR 2012, 739.

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B. Grundsätze der Besteuerung der Umwandlung nach UmwStG | Rz. 8.48 Kap. 8

Art. 5 ATAD durch das ATADUmsG v. 25.6.20211 selbst dann kein Ausgleichposten nach § 4g EStG zu bilden, wenn der Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts aufgrund der Zuordnung des Wirtschaftsguts zu einer Betriebsstätte in einem anderen Mitgliedstaat der EU erfolgt, vgl. § 4g Abs. 1 Satz 4 EStG. Infolge der Rechtsprechung des EuGH2 könnte es insoweit aus europarechtlichen Gründen allerdings geboten sein, die entsprechende Mehrsteuer auf Antrag zu stunden (vgl. hierzu näher Rz. 8.74 f., ferner Rz. 8.187). Verlustnutzung. Sofern die übertragende Körperschaft laufende Verluste oder einen noch nicht genutzten Verlustvortrag hat, kann dieser gezielt durch die Aufdeckung stiller Reserven genutzt werden. Dies kann sich insbesondere deshalb anbieten, weil ungenutzte Verluste der übertragenden Körperschaft gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG mit der Umwandlung untergehen. Eine solche Verlustnutzung kann allerdings nur im Rahmen der sog. Mindestgewinnbesteuerung (§ 10d Abs. 2 EStG bzw. § 10a Satz 2 GewStG) erfolgen.3

8.46

Zu den Kosten für den Vermögensübergang s. Rz. 8.53. IV. Steuerliche Folgen für die übernehmende Personengesellschaft (Ermittlung der Einkünfte) und Besteuerung der Gesellschafter 1. Allgemeines, Ausgangsfall Bei der Aufwärtsverschmelzung (= Grundfall, vgl. Rz. 8.34) treten in der Bilanz des Anteilseigners anstelle der bisher mit Anschaffungskosten ausgewiesenen Anteile die einzelnen aktiven und passiven Wirtschaftsgüter und sonstigen Bilanzpositionen des übergehenden Betriebsvermögens der im Zuge der Verschmelzung untergehenden Körperschaft. Die sich daraus ergebenden bilanziellen Wertveränderungen beim übernehmenden Rechtsträger (das „Übernahmeergebnis“) unterliegen, soweit es sich um offene Rücklagen (also thesaurierte oder durch Ansätze über Buchwert in der steuerlichen Schlussbilanz i.S.d. § 3 UmwStG entstehende Gewinne) der untergehenden Körperschaft handelt, der Ausschüttungsfiktion des § 7 UmwStG.

8.47

Im Übrigen wird dieses Ergebnis als personen- sowie ggf. anteilsbezogen zu ermittelnder4 Übernahmegewinn bzw. Übernahmeverlust nach § 4 Abs. 4–7 UmwStG besteuert – jedoch nur, soweit die Anteile Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers sind oder aufgrund der Fiktionen in §§ 5, 27 Abs. 3 Nr. 1 UmwStG als solche gelten. Die Besteuerung der offenen Rücklagen nach § 7 UmwStG erfolgt dagegen losgelöst von der Frage, ob für den betroffenen Anteilseigner ein Übernahmeergebnis

8.48

1 BGBl. I 2021, 2035. 2 EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, DStR 2011, 2334 mit Anm. Hruschka; v. 23.1.2014 – C-164/12 – DMC, FR 2014, 466; v. 21.5.2014 – C-657/13 – Verder Lab Tec, FR 2015, 600, v. 23.11.2017 – Rs. 292/16 – A, IStR 2018, 32. 3 Abzuwarten bleibt, inwieweit die Mindestgewinnbesteuerung in Umwandlungsfällen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, vgl. hierzu Vorlagebeschluss des BFH v. 26.2.2014 – I R 59/12, BStBl. II 2014, 1016, Az. des BVerfG 2 BvL 19/14). 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.19 u. 04.21.

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Kap. 8 Rz. 8.48 | Umwandlungen von KapGes in PersGes

nach § 4 Abs. 4, 5 UmwStG zu ermitteln ist.1 Der erste Schritt der Ausschüttungsfiktion (§ 7 UmwStG) hat aufgrund des § 4 Abs. 5 UmwStG ein entsprechend um die fiktive Ausschüttung gekürztes Übernahmeergebnis nach § 4 Abs. 4 und 5 UmwStG zur Folge (im Rahmen der Ermittlung des Übernahmeergebnisses zweiter Stufe). Die steuerlichen Folgen einer Umwandlung nach §§ 3 ff. UmwStG sollen im Folgenden prototypisch anhand des folgenden Beispiels (gebildet in Anlehnung an Rz. 04.27 UmwStE 2011)2 dargestellt werden. Beispiel: An der D-GmbH sind A, B, C, D und E als Gesellschafter beteiligt. Die Steuerbilanz der DGmbH sieht wie folgt aus: D-GmbH Aktiva

2000

Nennkapital Offene Rücklagen

1400 600

– A ist unbeschränkt steuerpflichtig (Beteiligung: 50 % im Privatvermögen). – B ist unbeschränkt steuerpflichtig (Beteiligung: 29 % im Betriebsvermögen). – C ist unbeschränkt steuerpflichtig (Beteiligung: 0,5 % im Privatvermögen, nicht einbringungsgeboren). – D ist ansässig in einem DBA-Staat (DBA nach OECD-MA); er ist beschränkt steuerpflichtig in Deutschland mit seiner Beteiligung von 20 % im Privatvermögen. – E ist beschränkt steuerpflichtig (DBA nach OECD-MA, Beteiligung: 0,5 % im Privatvermögen). Alle Gesellschafter sind natürliche Personen. Die D-GmbH soll im Rahmen eines Formwechsels in die D-GmbH & Co. KG umgewandelt werden. Zielstruktur:

1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 07.02. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.27.

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B. Grundsätze der Besteuerung der Umwandlung nach UmwStG | Rz. 8.53 Kap. 8

2. Ermittlung des Übernahmeergebnisses Unabhängig von einer Wertverknüpfung auf Ebene der entstehenden Personengesellschaft muss für diese ein Übernahmeergebnis ermittelt werden, welches sich aus den §§ 4 Abs. 4 und 5 UmwStG wie folgt darstellt:

8.49

Übersicht:1 (anteiliger) Wert, mit dem die übergegangenen Wirtschaftsgüter i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwStG zu übernehmen sind + Zuschlag für neutrales Vermögen (§ 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG) ./. Wert der Anteile an der übertragenden Körperschaft (ggf. nach Korrektur gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 5 UmwStG) ./. Kosten des Vermögensübergangs = Übernahmeergebnis 1. Stufe (§ 4 Abs. 4 Satz 1 und 2 UmwStG) Dieses Übernahmeergebnis ist dann gem. § 4 Abs. 5 UmwStG um die Bezüge nach § 7 UmwStG zu mindern. Daraus ergibt sich das Übernahmeergebnis zweiter Stufe: ./. Bezüge, die nach § 7 UmwStG zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören (§ 4 Abs. 5 UmwStG) = Übernahmeergebnis 2. Stufe (§ 4 Abs. 4 und 5 UmwStG)

Ein Übernahmeergebnis nach § 4 Abs. 4, 5 UmwStG wird nur für die Anteile ermittelt, die am steuerlichen Übertragungsstichtag zum Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers gehören oder kraft der Erwerbszeitpunkt-, Einlage- und Überführungsfiktionen der §§ 5, 27 Abs. 3 Nr. 1 UmwStG als ein solches Betriebsvermögen behandelt werden.2

8.50

Im Ergebnis ist nur für Anteile im Streubesitz (Anteile im Privatvermögen < 1 %, ohne Verstrickungsmerkmale) kein Übernahmeergebnis zu ermitteln (im Beispielsfall [Rz. 8.48] also C und E), wobei das übergehende Betriebsvermögen nur für die Ermittlung des Übernahmeergebnisses anteilig gekürzt wird; C und E werden zwangsläufig Mitunternehmer der D-GmbH & Co. KG.

8.51

Auf das Übernahmeergebnis findet § 8b Abs. 2, 3 KStG Anwendung bei Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen i.S.d. § 1 KStG, ansonsten die Regelungen des Teileinkünfteverfahrens. Ein Übernahmeverlust bleibt aufgrund von Sonderregelungen in vielen Fällen außer Ansatz (vgl. § 4 Abs. 6 UmwStG).3

8.52

Hinsichtlich der Kosten für den Vermögensübergang (Umwandlungskosten) gilt Folgendes:

8.53

– Umwandlungskosten mindern das Übernahmeergebnis (§ 4 Abs. 4 Satz 1 UmwStG). 1 Vgl. auch das Schema in BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.27. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.18, 04.25 u. 04.30. 3 Vgl. dazu Staats in Lademann, UmwStG3, § 4 Rz. 141 ff.

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Kap. 8 Rz. 8.53 | Umwandlungen von KapGes in PersGes

– Objektbezogene Kosten (insb. GrESt) sind zu aktivieren1 – im Rahmen von §§ 3 ff. UmwStG ist dies für die Stpfl. häufig vorteilhaft, weil die Kosten bei einer Einbeziehung in die Kosten des Vermögensübergangs gem. § 4 Abs. 4 Satz 1 UmwStG häufig überhaupt nicht oder günstigstenfalls nur zu 60 % abzugsfähig wären. – Nicht objektbezogene Kosten des übernehmenden Rechtsträgers und des übertragenden Rechtsträgers, die nach dem Übertragungsstichtag entstanden sind, mindern das Übernahmeergebnis und sind damit nicht beim übertragenden Rechtsträger zu berücksichtigen.2 – Nicht objektbezogene Kosten des übertragenden Rechtsträgers, die vor dem Übertragungsstichtag entstanden sind, sind grundsätzlich sofort abziehbare Betriebsausgaben.3 Nach der Rechtsprechung sind die „Kosten für den Vermögensübergang“ nach den gleichen Grundsätzen zu ermitteln wie Veräußerungskosten i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG.4 Entscheidend ist damit das Veranlassungsprinzip.5 Nach zutreffender Auffassung (inzwischen auch der FinVerw.) umfasst der Begriff „Kosten für den Vermögensübergang“ dabei nicht sämtliche Kosten, die in irgendeinem Veranlassungszusammenhang mit der Umwandlung stehen (wie z.B. Kosten aufgrund der anschließenden Migration der jeweiligen IT-Systeme der verschmelzenden Gesellschaften), sondern nur solche Kosten, die notwendige Voraussetzung oder Konsequenz der durch die Verschmelzung eintretenden Gesamtrechtsnachfolge sind (rechtliche Veranlassung).

8.53a Sofern am steuerlichen Übertragungsstichtag zwischen den an der Umwandlung beteiligten Rechtsträgern Schuldverhältnisse (gewisse oder ungewisse Forderungen und korrespondierende Verbindlichkeiten) zumindest bei einem Rechtsträger auszuweisen sind, kann im Zuge der wirksamen Umwandlung einer Körperschaft auf bzw. in ein Personenunternehmen (natürliche Person oder PersG) ertragsteuerlich durch Konfusion nach allgemeinen Regeln der Gewinnermittlung ein Übernahmefolgegewinn entstehen. Dieser unterliegt als laufender Gewinn grundsätzlich der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer und der GewSt. § 6 Abs. 1 UmwStG (ggf. i.V.m. § 9 UmwStG, § 16, § 15 UmwStG, § 24 Abs. 4 UmwStG, § 23 Abs. 6 UmwStG) regelt, dass bei einem übernehmenden Rechtsträger mit Betriebsvermögen zur Abmilderung dieser steuerlichen Folgen in Höhe des 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.34; BMF v. 18.1.2010 – IV C 2 - S 1978-b/0, BStBl. I 2010, 70. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.34. 3 Im Einzelfall können Kosten auch steuerlich nicht abzugsfähig sein. Beispiel: Gebühr für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft: Außer der Umsatzsteuer führen alle Steuerarten zu nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben. Als steuerliche Nebenleistung zur jeweiligen Steuer (§ 3 Abs. 4 AO) sind insoweit auch die anteiligen Gebühren nicht abzugsfähig (Krohn, DB 2018, 1755, 1758; Ronneberger, NWB 2017 S. 2533, 2539). 4 FG München v. 13.5.2020 – 6 K 75/19, GmbHR 2020, 980 – Rev. I R 25/20, unter Verweis auf BFH v. 26.9.2018 – I R 16/16, BStBl. II 2020, 206. 5 FG München v. 13.5.2020 – 6 K 75/19, GmbHR 2020, 980 – Rev. I R 25/20.

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B. Grundsätze der Besteuerung der Umwandlung nach UmwStG | Rz. 8.54 Kap. 8

Übernahmefolgegewinns (Konfusionsgewinn) eine den Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden kann (steuerliches Wahlrecht). Die Rücklage „ist in den auf ihre Bildung folgenden drei Wirtschaftsjahren mit mindestens je einem Drittel gewinnerhöhend aufzulösen“, § 6 Abs. 1 Satz 2 UmwStG. Damit braucht der Konfusionsgewinn im Jahr der Realisierung überhaupt nicht versteuert werden und kann auf bis zu drei (nachfolgende) Wirtschaftsjahre verteilt werden.

Dies – also Wahlrecht zur Rücklagenbildung und ihre nachfolgende Auflösung – gilt entsprechend für den Fall, dass sich bei einem Gesellschafter der übernehmenden PersG ein Übernahmefolgegewinn ergibt, § 6 Abs. 2 UmwStG (ggf. i.V.m. § 9 UmwStG, § 16 UmwStG, § 15 UmwStG, hingegen nicht bei Einbringungsfällen des § 24 UmwStG). Die Anwendung der vorstehenden Regelungen des § 6 Abs. 1 und 2 UmwStG entfällt rückwirkend, wenn der übernehmende Rechtsträger innerhalb von fünf Jahren nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag den übergegangenen Betrieb in einer Art nicht mehr selbst weiterführt, bei der der Gesetzgeber die Rücklagenbildung typisierend als missbräuchlich wertet. Dies ist der Fall, wenn der übernehmende Rechtsträger den übergegangenen Betrieb in diesem Zeitraum in eine KapG einbringt oder den Betrieb „ohne triftigen Grund“ veräußert oder aufgibt, § 6 Abs. 3 UmwStG. 3. Besteuerung der offenen Rücklagen, Kapitalertragsteuereinbehalt § 7 UmwStG regelt im Wege einer Ausschüttungsfiktion eine Besteuerung der offenen Rücklagen. Die Ausschüttungsfiktion des § 7 UmwStG ist vorrangig und gilt für alle Gesellschafter, gleichviel, ob ein Übernahmeergebnis ermittelt wird.1 Im Beispielsfall (Rz. 8.48) gilt dies also auch für C und E, obwohl für diese kein Übernahmeergebnis ermittelt wird (vgl. Rz. 8.50 f.). Die offenen Rücklagen gelten mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags als zugeflossen.2 Kapitalertragsteuer entsteht hingegen erst im Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Umwandlung, also mit Eintragung der Umwandlung im Handelsregister.3 Sie ist gleichzeitig fällig (§ 44 Abs. 1 Satz 5 EStG) und damit de facto vom übernehmenden Rechtsträger anzumelden und abzuführen.4 Bei unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern ist die einbehaltene Kapitalertragsteuer (inkl. SolZ) nach §§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG, 31 Abs. 1 KStG auf die Steuerschuld anzurechnen. Bei Anteilseignern, für die ein Übernahmeergebnis zu ermitteln ist (vgl. hierzu Rz. 8.50 f.), liegen gewerbliche Einkünfte vor, es kommt somit zur Anwendung des Teileinkünfte-/Freistellungsverfahrens.5 Die Bezü1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 07.02. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 07.07. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 07.08. 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 07.08 und z.B. Bogenschütz, Ubg 2011, 393 (407); Höhe: 25 %, § 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG, mithin inkl. Solidaritätszuschlag insgesamt 26,375 % der Bezüge i.S.d. § 7 UmwStG. 5 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 07.07.

Jäschke/Link | 393

8.54

Kap. 8 Rz. 8.54 | Umwandlungen von KapGes in PersGes

ge gem. § 7 UmwStG dieser Gesellschafter (im Ausgangsfall A, B, D) werden gesondert festgestellt.1 Da nach § 9 Satz 1 UmwStG im Falle des Formwechsels einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft die §§ 3 bis 8 und 10 entsprechend anzuwenden sind, muss für Zwecke der Besteuerung der fiktiven Ausschüttungen nach § 7 UmwStG zudem fingiert werden, dass die „übernehmende“ Personengesellschaft bereits zum steuerlichen Übertragungsstichtag existiert hat und die Anteile an der formwechselnden Kapitalgesellschaft (und damit – da es sich zivilrechtlich um ein und denselben Rechtsträger handelt – letztlich ihre eigenen Anteile) in sie nach § 5 Abs. 2 bzw. 3 UmwStG eingelegt bzw. überführt wurden (vgl. hierzu Rz. 8.77 ff.).2 4. Gewerbesteuerliche Behandlung

8.55 Die offenen Rücklagen werden gewerbesteuerlich wie folgt behandelt: – Soweit für Gesellschafter ein Übernahmeergebnis zu ermitteln ist, liegen gewerbliche Einkünfte vor (im Ausgangsfall A, B, D).3 – Nach der weiten Einlagefiktion werden die fiktiven Dividenden insoweit grundsätzlich dem übernehmenden Rechtsträger zugerechnet, Bezüge aus Anteilen i.S.d. § 5 Abs. 2 UmwStG (§ 17 EStG) werden ausdrücklich von der GewSt ausgenommen (§ 18 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). – Für die Anwendung des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs ist auf die Verhältnisse zu Beginn des Erhebungszeitraums beim übernehmenden Rechtsträger abzustellen (Erhebungszeitraum, in den der steuerliche Übertragungsstichtag fällt).4 – Das gilt auch dann, wenn die Voraussetzungen bei einem Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers erfüllt worden sind.5 Mit anderen Worten: Die FinVerw. gewährt – wohl zu Recht – keine Besitzzeitanrechnung analog § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG. Dies ist in der Literatur allerdings umstritten.6

1 BFH v. 11.4.2019 – IV R 1/17, BStBl. II 2019, 501; Birkemeier in R/H/vL, UmwStG3,§ 7 UmwStG. 2 So i.E. auch Martini in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2002, 195. Lieferung Stand 1.1.2020, § 5 Rz. 121; BFH v. 11.4.2019 – IV R 1/17, BStBl. II 2019, 501. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 07.07. 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 18.04. 5 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 18.04 letzter Satz; zustimmend z.B. Möllmann/Carstens in FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011, 301. 6 Frotscher, UmwSt-Erlass 2011, 358; Roser in Haase/Hruschka, § 18 UmwStG Rz. 38; Schmitt in S/H9, § 18 UmwStG Rz. 23 m.w.N.

394 | Jäschke/Link

C. Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug | Rz. 8.57 Kap. 8

C. Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug I. Mögliche Konstellationen (Überblick) Im Einzelnen kommen folgende Konstellationen in Betracht (vgl. auch Kapitel 1 Rz. 1.8):

8.56

(1) Auslandsbezug durch ausländisches Betriebsvermögen – 1. Sachverhalt: Freistellungsbetriebsstätte – 2. Sachverhalt: Anrechnungsbetriebsstätte (2) Auslandsbezug durch ausländischen Anteilseigner (3) Auslandsbezug durch Umwandlung unter Beteiligung von Gesellschaften, die – obwohl zwar im Inland unbeschränkt steuerpflichtig – einem ausländischen Gesellschaftsstatut unterliegen.1 Die verschiedenen Auslandsbezüge können auch kumulativ vorliegen (Auslandsbezug sowohl durch ausländisches Betriebsvermögen als auch ausländischen Anteilseigner etc.). Beispiel: An der österreichischen Ö-GmbH, die aufgrund ihres Verwaltungssitzes in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig und i.S.d. DBA ansässig ist, sind der unbeschränkt steuerpflichtige A und der beschränkt Steuerpflichtige B zu jeweils ½ beteiligt. Die Ö-GmbH wird auf die ebenfalls nach österreichischem Recht gegründete Ö-KG verschmolzen, die bisher nur über Vermögen in Deutschland verfügt.

Besondere Bedeutung kommt dem Auslandsbezug im Wesentlichen im Rahmen einer möglichen Entstrickung nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG zu (vgl. Rz. 8.66 ff.). II. Steuerliche Besonderheiten bei Verschmelzung, Formwechsel, Auf- und Abspaltung 1. Beteiligung einer ausländischem Gesellschaftsstatut unterliegenden Gesellschaft: Persönlicher Anwendungsbereich des UmwStG und vergleichbarer ausländischer Vorgang Zivilrechtlich sind Inlandsumwandlungen auch im Falle eines Auslandsbezugs regelmäßig solche von dem deutschen Gesellschaftsstatut unterfallenden Rechtsträgern (Beispiel: Verschmelzung oder Formwechsel einer nach deutschem Recht gegründeten GmbH mit Auslandsbetriebsstätte auf oder in eine KG).2 Das muss aber nicht so 1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.22; vgl. auch Förster in Spindler/Tipke/Rödder, FS Schaumburg, S. 629 (630): Gründungs- und Sitzstaat müssen nicht identisch sein. 2 Das UmwStG erfasst dabei auch die Umwandlung einer GmbH in eine Personengesellschaft oder auf eine natürliche Person, sofern nach § 4a GmbHG nur der Satzungssitz der Überträgerin – nicht aber der Verwaltungssitz – im Inland liegt. § 1 UmwG setzt lediglich einen inländischen Satzungssitz voraus, Förster in FS Schaumburg, 629 (630); Lutter/Drygala in Lutter4, § 1 UmwG Rz. 7.

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8.57

Kap. 8 Rz. 8.57 | Umwandlungen von KapGes in PersGes

sein. Sind ausländischem Gesellschaftsstatut unterliegende Rechtsträger an der Umwandlung beteiligt, unterfällt die Umwandlung selbst ausländischem Recht. In diesem Fall muss der ausländische Vorgang einer Inlandsumwandlung i.S.d. § 1 Abs. 1 UmwStG vergleichbar sein, damit die Regelungen des UmwStG zur Anwendung kommen. Die Ausführungen in Rz. 8.102 ff. gelten hier entsprechend. 2. Gesellschafterbezogene Prüfung des § 3 Abs. 2 Satz 1 UmwStG

8.58 Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 (ggf. i.V.m. § 9, § 16) UmwStG für eine Buchwertfortführung bzw. einen Zwischenwertansatz sind grundsätzlich gesellschafterbezogen zu ermitteln.1 Eine Ausnahme stellt die Voraussetzung des Übergangs in Betriebsvermögen dar.2 8.59 Die gesellschafterbezogene Betrachtung kann dazu führen, dass im Ausland belegene Wirtschaftsgüter, soweit sie einem im Ausland ansässigen Mitunternehmer der übernehmenden Personengesellschaft zuzurechnen sind, wegen § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG mit dem – anteiligen – gemeinen Wert anzusetzen sind, während sie im Übrigen, soweit sie im Inland ansässigen Mitunternehmern zuzurechnen sind, auf Antrag mit dem Buchwert angesetzt werden können (vgl. hierzu Rz. 8.69).3 3. Betriebsvermögen beim übernehmenden Rechtsträger, § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 1 UmwStG

8.60 Die Beurteilung, ob es sich beim übernehmenden Rechtsträger um Betriebsvermögen handelt, ergibt sich auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten allein aus deutschem Steuerrecht, und dort nach den allgemeinen steuerlichen Grundsätzen (§§ 13, 15 oder 18 EStG). Es ist also unbeachtlich und nicht zu prüfen, ob die Wirtschaftsgüter beim übernehmenden Rechtsträger nach dem Recht des ausländischen Staates Betriebsvermögenseigenschaft haben. 8.61 Aufgrund der – mittlerweile vollständigen – Öffnung des Umwandlungsteils des UmwStG für grenzüberschreitende Vorgänge ist für die Zugehörigkeit der übergehenden Wirtschaftsgüter zu einem Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers unbeachtlich, ob das Betriebsvermögen im In- oder im Ausland belegen ist.4 Dies kann aber im Rahmen des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG für die Frage eine Rolle spielen, inwieweit die deutschen Besteuerungsrechte gesichert sind. Bei einer Umwandlung auf eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 3 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.10; nach (umstrittener) Ansicht von Birkemeier in R/H/vL, UmwStG3, § 3 Rz. 157, sind insoweit die Verhältnisse im Zeitpunkt des zivilrechtlichen Wirksamwerdens der Umwandlung maßgebend. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.10 u. 03.16. 3 Vgl. auch die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 16/2710, 37; Trossen FR 2006, 617 (620); Förster/Felchner, DB 2006, 1078. 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.15.

396 | Jäschke/Link

C. Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug | Rz. 8.63 Kap. 8

Nr. 2 EStG mit Sitz im In- oder Ausland werden die übertragenen Wirtschaftsgüter in der Regel Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers.1 Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 UmwStG liegen auch dann vor, wenn die Wirtschaftsgüter auf einen übernehmenden Rechtsträger übergehen, bei dem aufgrund einer Betriebsaufspaltung originär betriebliche Einkünfte erzielt werden.2 Ob die übergehenden Wirtschaftsgüter Betriebsvermögen werden, entscheidet sich im Grundsatz nach den Verhältnissen zum steuerlichen Übertragungsstichtag (vgl. Rz. 8.14 ff., dort auch zu einer – hier vertretenen – Einschränkung).3 Dies wird in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG zwar nicht ausdrücklich geregelt, folgt aber entsprechend dem Zweck der Regelung, das Entziehen von Besteuerungssubstrat zu verhindern, bereits daraus, dass gem. § 2 Abs. 1 UmwStG steuerlich das Vermögen stets zum steuerlichen Übertragungsstichtag übergeht und ab diesem Zeitpunkt die Einkünfte dem übernehmenden Rechtsträger zugerechnet werden.

8.62

Sofern sich nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag die Verhältnisse ändern, kann dies zu einer Entnahme oder Betriebsaufgabe führen. Beispiel: Die vermögensverwaltende X-GmbH wird auf die vermögensverwaltende, aber gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägte Y-GmbH & Co. KG verschmolzen. Steuerlicher Übertragungsstichtag ist der 31.12.01, der Verschmelzungsbeschluss wird am 1.3.02 gefasst, die Eintragung im Handelsregister erfolgt am 1.6.02. Am 1.2.02 wird die Geschäftsführungsbefugnis in dem Gesellschaftsvertrag der Y-GmbH & Co. KG so angepasst, dass der Tatbestand des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG nicht mehr erfüllt ist. Die KG ist weiterhin nur vermögensverwaltend tätig. Lösung: Die Wirtschaftsgüter der übertragenden X-GmbH werden zum 31.12.01 Betriebsvermögen der Y-GmbH & Co. KG. Der spätere Wegfall der gewerblichen Prägung, auch wenn er im Rückwirkungszeitraum erfolgt, ändert hieran nichts. Insoweit wird § 3 Abs. 2 Nr. 1 UmwStG erfüllt und steht einer steuerneutralen Umwandlung nicht im Weg. Der Wegfall der gewerblichen Prägung am 1.2.02 führt aber zur Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 EStG.4 Wenn (umgekehrt) die Y-GmbH & Co. KG zunächst rein vermögensverwaltend ist und eine gewerbliche Prägung erst nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag eintreten würde, wären dagegen im Rahmen der Umwandlung die stillen Reserven aufzudecken. Sobald die gewerbliche Prägung eintritt, liegt eine Betriebseröffnung i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 6 EStG vor.5

Wenn eine originär gewerblich tätige Kapitalgesellschaft auf eine bislang vermögensverwaltende Personengesellschaft verschmolzen wird, wird das übergehende 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.15. 2 Vgl. Birkemeier in R/H/vL, UmwStG3, § 3 Rz. 161 ff. 3 Vgl. ferner Benecke in Reform des Umwandlungssteuerrechts (PwC), Rz. 1037; Möhlenbrock/Pung/Werner in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 78 (Stand: Dezember 2021); Förster in FS Schaumburg, 629 (631). 4 Hierzu allgemein BFH v. 14.3.2007 – XI R 15/05, BStBl. II 2007, 924; R. 16 Abs. 2 Satz 6 EStR sowie Wacker in Schmidt41, § 15 EStG Rz. 233. 5 Wacker in Schmidt41, § 15 EStG Rz. 233.

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8.63

Kap. 8 Rz. 8.63 | Umwandlungen von KapGes in PersGes

Betriebsvermögen mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags regelmäßig Betriebsvermögen der Personengesellschaft, § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG. 4. Sicherstellen der Besteuerung, § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 2 UmwStG

8.64 Die Besteuerung des übertragenen Vermögens mit Einkommen- oder Körperschaftsteuer ist gem. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 2 UmwStG sichergestellt, wenn das übertragene Vermögen hinsichtlich der Wertsteigerungen bei den Mitunternehmern der übernehmenden Personengesellschaft oder der übernehmenden natürlichen Person weiterhin einer Besteuerung mit Einkommen- oder Körperschaftsteuer unterliegt.1 Ebenso wie bei der Beurteilung des Übergangs in Betriebsvermögen ist die Besteuerung mit Einkommen- oder Körperschaftsteuer auch dann sichergestellt, wenn es sich um eine entsprechende ausländische Steuer handelt.2 Auch dies kann aber dazu führen, dass deutsche Besteuerungsrechte verloren gehen, so dass wegen § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG eine steuerneutrale Umwandlung ausscheidet. Unerheblich ist, inwieweit es tatsächlich zu einer Besteuerung der übergehenden Wirtschaftsgüter kommt oder ob diese unterbleibt. Insbesondere der spätere Untergang übertragener Wirtschaftsgüter oder eine Verrechnung mit Verlusten führen daher nicht zu einem (rückwirkenden) Wegfall der Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 2 UmwStG. 8.65 Eine Sicherstellung der Besteuerung mit Gewerbesteuer ist nicht erforderlich.3 Das im Rahmen des § 3 Abs. 2 UmwStG ausgeübte Wahlrecht auf Buch- oder Zwischenwertansatz schlägt zwar nach § 18 Abs. 1 UmwStG auf die Gewerbesteuer durch, der Gesetzgeber hat sich aber insoweit gegen einen gewerbesteuerlichen Entstrickungstatbestand entschieden.4 5. Kein Ausschluss oder Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts, § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG

8.66 Als weitere Voraussetzung für einen Buch- bzw. Zwischenwertansatz verlangt § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG, dass das Recht Deutschlands hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter bei den Gesellschaftern der übernehmenden Personengesellschaft oder bei der übernehmenden natürlichen Person nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (umwandlungssteuerlicher Entstrickungstatbestand)5. Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG entsprechen insoweit den gleichlautenden Entstrickungstatbeständen 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 Rz. 03.17. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 Rz. 03.17. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 Rz. 03.17. 4 Benecke/Schnittger, IStR 2006, 765 (771). 5 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 Rz. 03.18.

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(2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314

C. Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug | Rz. 8.68 Kap. 8

in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG. Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns lediglich aus der Nutzung des Wirtschaftsguts ist für den Buch- oder Zwischenwertansatz dagegen unschädlich. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG ist in reinen Inlandsfällen bedeutungslos. Bei Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug kommt dieser Regelung aber besondere Bedeutung zu.

8.67

Das deutsche Besteuerungsrecht wird ausgeschlossen, wenn ein zunächst bestehendes Besteuerungsrecht durch die Umwandlung vollumfänglich entfällt. Eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts liegt dagegen insbesondere vor, wenn Deutschland im Grundsatz ein Besteuerungsrecht behält, es aber zur Anrechnung ausländischer Steuer auf die deutsche Steuer kommt. Voraussetzung ist dementsprechend, dass ein – ggf. auch eingeschränktes – deutsches Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung des übertragenen Wirtschaftsguts zunächst bestanden hat.1 Dies ist regelmäßig der Fall, wenn kein DBA besteht oder ein Anrechnungs-DBA einschlägig ist.2 Ein Wechsel von der unbeschränkten zur beschränkten Steuerpflicht führt nicht zur Beschränkung von Besteuerungsrechten i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG.

8.68

Prüfungsschema:

1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.19. 2 Übersicht über die mit Deutschland abgeschlossenen DBA findet sich z.B. bei Reimer in V/L7, Art. 13 Rz. 93 bzw. Ismer in V/L7, Art. 23 Rz. 16.

Jäschke/Link | 399

Kap. 8 Rz. 8.69 | Umwandlungen von KapGes in PersGes

8.69 Der Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts sind bei Umwandlung auf ein Personenunternehmen objektbezogen und – aufgrund der Transparenz der Personengesellschaft – subjektbezogen zu prüfen.1 Dementsprechend sind nur anteilig stille Reserven aufzudecken, wenn das Besteuerungsrecht hinsichtlich eines Gesellschafters der übertragenden Gesellschaft wegfällt (aber: Einheitlichkeit des Buchwertantrags, soweit die Voraussetzungen bei einzelnen Gesellschaftern nicht vorliegen). Beispiel: Die X-GmbH soll auf die Y-KG verschmolzen werden. Mitunternehmer der Y-KG sollen die beiden Gesellschafter der X-GmbH A und B werden. A ist steuerlich in Deutschland, B in Frankreich ansässig. Die X-GmbH hat in Deutschland ihr Stammhaus sowie eine französische Betriebsstätte. Ihr gehört außerdem als Kapitalanlage eine in Deutschland belegene fremdvermietete Immobilie. Lösung: Sowohl hinsichtlich A als auch hinsichtlich B liegen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 UmwStG vor, die Verschmelzung kann steuerneutral erfolgen. Hinsichtlich der deutschen Betriebsstätte bleibt B gem. § 2 Abs. 4 EStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG beschränkt steuerpflichtig. Für die Immobilie steht Deutschland das Besteuerungsrecht an den laufenden Mieteinkünften und einem Veräußerungsgewinn weiterhin zu (Art. 3 Abs. 1 DBA Frankreich). Hinsichtlich der in Frankreich belegenen Betriebsstätte kann es zu keiner Beschränkung von Besteuerungsrechten Deutschlands kommen, da solche wegen Art. 4 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Buchst. a DBA Frankreich (Freistellung) vor und nach der Verschmelzung nicht bestehen (beachte aber bzgl. des Wertansatzes für die Ermittlung des Übernahmegewinns oder -verlusts § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG [vgl. Rz. 8.95])2. Abwandlung: Wenn die X-GmbH zusätzlich eine Betriebsstätte in einem Staat hätte, mit dem anstelle der Freistellungs- die Anrechnungsmethode vereinbart wurde, würde das bislang lediglich beschränkte Besteuerungsrecht Deutschlands an deren Wirtschaftsgütern vollständig ausgeschlossen, soweit diese B zuzurechnen sind. Die stillen Reserven wären insoweit anteilig aufzudecken. Entsprechendes gilt u.E., wenn in einem DBA zwar die Freistellungsmethode vereinbart ist, diese aber unter einem Aktivitätsvorbehalt3 steht und es sich bei den Einkünften der Betriebsstätte um passive Einkünfte handelt. Allein die Vereinbarung einer Rückfallklausel („Switch-over-Klausel“) in einem DBA dürfte dagegen nur in Ausnahmefällen dazu führen, dass von einem lediglich beschränkten Besteuerungsrecht auszugehen ist.

8.70 Wie schon im Rahmen der Prüfung des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 UmwStG (vgl. Rz. 8.65) stellt allein der Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts für Zwecke der Gewerbesteuer keine Beschränkung i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG dar.4 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.18. 2 Vgl. Staats in Lademann, UmwStG3, § 4 Rz. 124. 3 Vgl. hierzu Schrameyer in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, 129. Lieferung 01.2022, § 3 UmwStG Rz. 91 m.w.N. 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.18.

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C. Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug | Rz. 8.73 Kap. 8

6. Auswirkungen der BFH-Rechtsprechung zum Verständnis des Besteuerungsrechts bei Neuzuordnung von Wirtschaftsgütern Insbesondere hinsichtlich der allgemeinen Entstrickungstatbestände (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 KStG) ging der Gesetzgeber davon aus, dass z.B. ein Ausschluss oder eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrecht vorliegt, wenn ein Wirtschaftsgut in eine ausländische Freistellungs-Betriebsstätte überführt wird.1 Dem kann entgegengehalten werden, dass es im Zeitpunkt der Überführung und der damit einhergehenden abkommensrechtlichen Neuzuordnung eines Wirtschaftsguts noch nicht zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrecht kommen muss, da sich dies erst im späteren tatsächlichen Realisationszeitpunkt (z.B. durch Veräußerung) herausstellt. Zumindest nach dem Verständnis des BFH von der DBAFreistellung zur Rechtslage vor dem SEStEG 2006 stünde es Deutschland auch nach einer Überführung des Wirtschaftsguts frei, die ehemals im Inland angesammelten stillen Reserven im späteren tatsächlichen Realisationszeitpunkt zu besteuern.2 Ob dies auch für die Rechtslage nach Einführung des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG durch das JStG 2010 gilt, ist weiterhin noch nicht höchstrichterlich geklärt (vgl. Rz. 8.73).3

8.71

Die im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG problematische Überführung von Wirtschaftsgütern spielt im Rahmen der §§ 3 ff. UmwStG aber nur dann eine Rolle, wenn die Umwandlung selbst eine Neuzuordnung von Wirtschaftsgütern zur Folge hat.4 Auch eine grenzüberschreitende Umwandlung bzw. eine inländische Umwandlung mit Auslandsbezug ändert im Regelfall nicht die abkommensrechtliche Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer in- oder ausländischen Betriebsstätte.5 Das gilt auch für den Fall, dass die umgewandelte inländische Gesellschaft ihrerseits Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften hält.6 Ein denkbarer Fall der Neuzuordnung von Wirtschaftsgütern aufgrund einer Umwandlung mit Auslandsbezug ist u.a. die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zur Geschäftsleitungsbetriebsstätte des übernehmenden Rechtsträgers (sog. Zentralfunktion des Stammhauses).

8.72

Abgesehen davon kommen Anwendungsfälle der Entstrickung infolge der Umwandlung, die das Übertragungsergebnis beeinflussen, vor allem im Zusammenhang mit dem Wechsel der Steuerpflicht in Betracht (vgl. hierzu das Beispiel in Rz. 8.69 [Ab-

8.73

1 BT-Drucks. 16/2710, 44. 2 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464, mit Anm. Gosch BFH/PR 2008, 499; v. 28.10.2009 – I R 99/08, BFH/NV 2010, 346 mit Anm. Gosch BFH/PR 2010, 116; vgl. hierzu auch Kroppen in G/K/G22, Art. 7 OECD-MA Rz. 151 f.; Hentschel/Paul/Rätke/ Reddig/Schallmoser/Schober/Stapperfend/Tiede in H/H/R, § 4 EStG Anm. 209 ff. (Stand: Oktober 2022); Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 (1482 f.); Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 6.382. 3 Vgl. BFH I R 99/15 (anhängig, von der Vorinstanz FG Düsseldorf, Urt. v. 19.11.2015 – 8 K 3664/11, EFG 2016, 209, mit zutreffenden Argumenten verneint). 4 Vgl. hierzu ausführlich Rz. 8.27 ff. 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.20. 6 Vgl. Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.84.

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Kap. 8 Rz. 8.73 | Umwandlungen von KapGes in PersGes

wandlung], 8.175 und 8.193). Auch im Fall des Wechsels der Steuerpflicht kann man aber unter Umständen ein zunächst fortbestehendes Besteuerungsrecht Deutschlands annehmen. Dies setzt allerdings ergänzend voraus, dass man die vom BFH im Rahmen einer Betriebsverlegung postulierte nachgelagerte beschränkte Steuerpflicht1 auf einen solchen Fall überträgt.2 Die im Rahmen des JStG 20103 in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG eingefügte Klarstellung gilt im Rahmen des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG entsprechend.4 Insgesamt bleibt in diesem Zusammenhang die weitere Entwicklung der Rechtsprechung abzuwarten. Dies gilt insbesondere für die noch ausstehende Interpretation der Entstrickungstatbestände in der Fassung des SEStEG 2006 sowie JStG 2010 und die Frage nach der Reichweite der vom BFH entwickelten nachgelagerten beschränkten Steuerpflicht.5 7. Vereinbarkeit mit Unionsrecht

8.74 Die betrieblichen und körperschaftsteuerlichen Entstrickungstatbestände stehen in einer Linie mit der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des EuGH und sind somit mit Unionsrecht vereinbar;6 dies entspricht auch Art. 5 ATAD. Die dortigen Grundsätze dürften auf den Fall der Entstrickung nach dem UmwStG übertragbar sein.7 Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung stellt der EuGH allerdings fest, dass ein Mitgliedstaat die auf die stillen Reserven anfallende Steuer zwar endgültig festsetzen darf. Er muss aber dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit geben, wahlweise die Steuer sofort zu bezahlen oder aber eine Stundung der Steuer gegen Zinszahlung und Sicherheitsleistung zu beantragen.8 Der EuGH nennt als Sicherheitsleistung ausdrücklich und beispielhaft die Bankgarantie, maßgeblich soll aber hier das nationale Recht sein (vgl. insoweit § 241 AO). Art. 5 ATAD greift die Rechtsprechung des EuGH auf und gewährt einerseits dem Steuerpflichtigen das Recht, die Zahlung einer entsprechenden Steuer auf die stillen Reserven durch Teilzahlungen über fünf Jahre aufzuschieben (Abs. 2), billigt andererseits den Mitgliedstaaten zu, in diesem Fall Zinsen und eine Sicherheitsleistung zu verlangen (Abs. 3).

1 BFH v. 28.10.2009 – I R 99/08, BFH/NV 2010, 346. 2 Kritisch bereits zur nachgelagerten beschränkten Steuerpflicht allgemein Frotscher, Unternehmen im Umbruch, 95 (106 ff.); Mitschke, Ubg 2011, 328 (329); Wassermeyer, DB 2006, 1176 (1180). 3 JStG 2010 v. 8.12.2009, BGBl. I 2009, 1768. 4 Str.; wie hier Mitschke, Ubg 2010, 328 (329); a.A. Ungemach, Ubg 2011, 251. 5 Vgl. hierzu auch Wernicke in Lademann, UmwStG3, § 11 Rz. 8. 6 Z.B. EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, BFH/NV 2012, 364, IStR 2012, 27 und v. 6.9.2012 – C-38/10 – Kommission/Portugal, ZIP 2012, 1801; v. 21.5.2015 – C-657/13 – Verder Lab Tec, DStR 2015, 1166. Dazu z.B. Möller-Gosoge/Kaiser, BB 2012, 803. 7 Vgl. z.B. Hahn, BB 2012, 681 (687). 8 Vgl. insbesondere Rz. 73 und 74 der Urteilsgründe in EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, BFH/NV 2012, 364, IStR 2012, 27. In seinem Urt. v. 6.9.2012 – C-38/ 10 – Kommission/Portugal, ZIP 2012, 1801 nennt der EuGH die Sicherheitsleistung allerdings nicht mehr ausdrücklich.

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C. Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug | Rz. 8.77 Kap. 8

Übertragen auf die Situation des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG bedeutet dies, dass die Regelung als solche u.E. keinen unionsrechtlichen Bedenken ausgesetzt ist.1 Es kommt zum Ansatz der stillen Reserven in der Übertragungsbilanz und damit im Rahmen der Veranlagung zur endgültigen Festsetzung der dazugehörigen Steuer. Allerdings wird man im Hinblick auf das Unionsrecht und unter Berücksichtigung der EuGH-Urteile A2 und National Grid Indus3 dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht einräumen müssen, dass er nach § 222 AO eine Steuerstundung verlangen kann, soweit die veranlagte Steuer auf einer Entstrickung nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG beruht. Das in § 222 AO vorgesehene Ermessen der Finanzbehörde dürfte sich in diesem Fall auf null reduzieren. Er wird dann aber entsprechend § 222 Satz 2 AO i.V.m. § 241 AO eine entsprechende Sicherheitsleistung zu leisten haben. Unter Berücksichtigung von § 36 Abs. 5 Satz 3 EStG und § 4g EStG, die ebenfalls keine Verzinsung vorsehen, dürfte dagegen auch in diesem Fall abweichend von § 234 Abs. 1 AO von der Erhebung von Zinsen abzusehen sein.

8.75

8. Einlagefiktion des § 5 Abs. 2 UmwStG bei beschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern Die in § 5 Abs. 2 UmwStG angeordnete Einlagefiktion bei Anteilen i.S.d. § 17 EStG gilt auch für beschränkt Steuerpflichtige.4

8.76

Infolge der Einlagefiktion nach § 5 Abs. 2 UmwStG fließen die Einnahmen i.S.d. § 7 UmwStG aus den fiktiv eingelegten Anteilen (neben dem Übernahmegewinn bzw. -verlust, bei dem die Bezüge nach § 7 UmwStG gem. § 4 Abs. 5 UmwStG dementsprechend abzuziehen sind) in die Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb des übernehmenden Rechtsträgers ein. Ob Deutschland ein Besteuerungsrecht hinsichtlich der Veräußerungsgewinne aus der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft hat, ist sowohl bzgl. der Einlagefiktion als auch der sich daraus ergebenden Qualifikation der Bezüge nach § 7 UmwStG unerheblich (sog. weite Einlagefiktion).5

8.77

Beispiel: Beim Ausgangsfall oben in Rz. 8.48 bedeutet dies, dass die Einlagefiktion neben A und B auch auf D Anwendung findet.

1 Dezidiert a.A. z.B. Rautenstrauch/Seitz, Ubg 2012, 14; Prinz, GmbHR 2012, 195. 2 EuGH v. 23.11.2017 – C-292/16 – A, IStR 2018, 32. 3 EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, BFH/NV 2012, 364, IStR 2012, 27; dazu z.B. Möller-Gosoge/Kaiser, BB 2012, 803. 4 Erweiterung eingeführt mit dem SEStEG; dazu Ott, StuB 2007, 163 (165); Schaflitzl/Widmayer, BB-Special 8/2006, 36 (45); Behrens/Jäschke in Lademann, UmwStG3, § 5 Rz. 12 f. 5 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 05.05, 05.07 u. 05.09; so z.B. auch Behrens/Jäschke in Lademann, UmwStG3, § 5 Rz. 12 f.; Bogenschütz, Ubg 2009, 604 (610); vgl. dazu Förster/Felchner, DB 2008, 2445; inzwischen nahezu allg. M.; a.A. noch BMF v. 25.3.1998, BStBl. I 1998, 268, Rz. 05.12.

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Kap. 8 Rz. 8.78 | Umwandlungen von KapGes in PersGes

8.78 Die weite Einlagefiktion hat folgende Konsequenzen: – Ein Übernahmegewinn führt auch bei Steuerausländern mit Anteilen im Privatvermögen (mind. 1 %) zu Einkünften aus Gewerbebetrieb. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass bei einem DBA-Staat in der Regel der Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht hat (Beteiligungserträge i.S.d. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). – Da die Einkünfte als betrieblich und nicht privat behandelt werden, findet in diesem Fall bei einer natürlichen Person das Teileinkünfteverfahren Anwendung. Die fiktive Ausschüttung unterliegt nicht der Abgeltungsteuer. Vielmehr erfolgt der KapErtrSt-Abzug ohne abgeltende Wirkung. Bei Körperschaften als Anteilseignern sind die fiktiven Ausschüttungen der offenen Rücklagen bei einer Beteiligung von mindestens 10 % im Ergebnis zu 95 % steuerfrei, § 8b Abs. 1, 4 KStG. – Die Einkünfte i.S.d. § 7 UmwStG unterliegen auch dann nicht der Gewerbesteuer (§ 18 Abs. 2 Satz 2 UmwStG), wenn der Steuerausländer Anteile im dort steuerverhafteten Betriebsvermögen gehalten hat und das Schachtelprivileg nicht eingreift. – Die Bezüge i.S.d. § 7 UmwStG sind auch im Verhältnis zu in DBA-Staaten ansässigen Anteilseignern in die gesonderte und einheitliche Feststellung einzubeziehen. Die praktischen (steuerlichen/fiskalischen) Konsequenzen dieser gesetzgeberischen Entscheidung sind bei grenzüberschreitenden Sachverhalten gewichtig, insbesondere bei der Besteuerung der offenen Rücklagen. Beispiel (in Fortführung des Ausgangsfalls in Rz. 8.48): Die D-GmbH mit inländischen und ausländischen Anteilseignern hat eine Betriebsstätte in einem DBA-Staat (Frankreich) und eine andere in einem Nicht-DBA-Staat (Brasilien). Sie wird in eine KG formgewechselt. Die inländischen Anteilseigner A (50 %) und C (0,5 %) sowie die beiden ausländischen Anteilseigner D (20 %) und E (0,5 %) halten ihre Anteile jeweils im Privatvermögen, der Inländer B hält seine Beteiligung (29 %) im Betriebsvermögen.

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C. Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug | Rz. 8.78 Kap. 8 Lösung: Die für § 5 Abs. 2 und 3 UmwStG und damit die steuerliche Behandlung der fiktiven Ausschüttung nach § 7 UmwStG maßgebliche Zuordnung der Beteiligungen an der D GmbH zum Privat- oder Betriebsvermögen bestimmt sich nach deutschem Steuerrecht.1 Allerdings ist in Bezug auf ausländische Gesellschafter zu beachten, dass aufgrund der isolierenden Betrachtungsweise des § 49 Abs. 2 EStG für § 5 Abs. 2 UmwStG maßgebliche Anteile i.S.d. 17 EStG auch vorliegen können, wenn die Anteile in einem ausländischen Betriebsvermögen gehalten werden.2 Einlage- und Überführungsfiktion gelten unabhängig davon, ob Deutschland nach DBA ein Besteuerungsrecht zusteht (damit weite Einlagefiktion).3 Es kommt nicht darauf an, dass die Vergünstigung der EU-Mutter-Tochter-Richtlinie4 nach der ausdrücklichen Regelung des § 43 Abs. 1 Satz 4 EStG auf diese Konstellation nicht zur Anwendung kommt. Der Umfang der Steuerpflicht ist dabei im Feststellungsverfahren (§ 180 AO) zu klären.5 Für die Besteuerung der offenen Rücklagen nach § 7 UmwStG bedeutet das: – Auf die Anteile von C und E ist kein Übernnahmeergebnis zu ermitteln und findet § 5 Abs. 2 UmwStG keine Anwendung. Die fiktiven Ausschüttungen nach § 7 UmwStG unterliegen der Abgeltungsteuer. Umwandlungskosten6 und – entgegen § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG – Anschaffungskosten der Anteile können nicht geltend gemacht werden. – Auf die Anteile des B findet § 5 Abs. 3 UmwStG Anwendung. Die fiktiven Ausschüttungen nach § 7 UmwStG werden Teil des Gesamthandsergebnisses des B7 und unterliegen damit dem Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Buchst. d EStG) – Die Anteile von A gelten nach § 5 Abs. 2 UmwStG als mit den Anschaffungskosten in das Betriebsvermögen der KG eingelegt. Infolgedessen unterliegen die fiktiven Ausschüttungen nach § 7 UmwStG bei A ebenfalls dem Teileinkünfteverfahren, obwohl Ausschüttungen an A vor der Umwandlung der Abgeltungsteuer unterlegen hätten. – Auch die Anteile des D gelten nach § 5 Abs. 2 UmwStG als mit den Anschaffungskosten in das Betriebsvermögen der KG eingelegt. Dies gilt – aufgrund des insoweit nicht differenzierenden Wortlauts des § 5 Abs. 2 UmwStG – unabhängig davon, ob Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile des D an der D GmbH nach DBA ein Besteuerungsrecht zusteht.8 Damit werden die Bezüge i.S.d. § 7 UmwStG grundsätzlich in die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb einbezogen, sofern Deutschland ein Quellenbesteuerungsrecht hinsichtlich der fiktiven Ausschüttungen hat (grundsätzlich der Fall, da Dividenden i.S.d. Art. 10 OECD-MA).9 Infolge der Zuord-

1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 05.07. 2 Martini in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2002, 195. Lieferung, § 5 Rz. 185; van Lishaut/Heinemann in R/H/vL, UmwStG3, § 5 UmwStG Rz. 35. 3 Martini in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2002, 195. Lieferung, § 5 Rz. 186 m.w.N. 4 Richtlinie 90/435/EWG, ABl. EG Nr. L 225/1990, 6, abgelöst durch Richtlinie 2011/96/EU (ABl. EU 2011 Nr. L 345, 8) v. 30.11.2011. 5 BFH v. 11.4.2019 – IV R 1/17, BStBl. II 2019, 501. 6 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.35. 7 BFH v. 11.4.2019 – IV R 1/17, BStBl. II 2019, 501; Birkemeier in R/H/vL, UmwStG3, § 7 UmwStG Rz. 68. 8 Martini in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2002, 195. Lieferung, § 5 Rz. 186 m.w.N. 9 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.27 und 07.02.

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Kap. 8 Rz. 8.78 | Umwandlungen von KapGes in PersGes nung zum Betriebsvermögen nach § 5 Abs. 2 UmwStG hat die einzubehaltende Kapitalertragsteuer (25 % zzgl. SolZ) keine abgeltende Wirkung.1 Abhängig davon, welcher Betriebsstätte der KG die Anteile an der D GmbH am steuerlichen Übertragungsstichtag zuzuordnen sind, ergeben sich bzgl. der Bezüge nach § 7 UmwStG folgende Besteuerungsfolgen: – Zuordnung zur KG (Geschäftsleitungsbetriebsstätte): Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Buchst. d EStG), Anrechnung KapErtrSt – Zuordnung zur BS Frankreich: kein Besteuerungsrecht (Freistellung), daher keine Erhöhung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.R.d. Feststellungsverfahrens,2 Anrechnung (= Erstattung) KapErtrSt3 – Zuordnung zur BS Nicht-DBA-Staat: Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Buchst. d EStG), Anrechnung KapErtrSt. – Eine Zuordnung der Anteile zu einer BS des D kommt nicht in Betracht, da die Anteile im Privatvermögen gehalten werden. – Zusatz: Eine beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft als Anteilseignerin wäre im Falle der Anrechnung der KapErtrSt (das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg unterstellt) letztlich sogar nur mit Körperschaftsteuer auf 5 % der Dividenden, mithin effektiv mit 0,8 % bezogen auf die Gesamtdividende belastet, § 8b Abs. 1, 5 und 6 KStG.

8.79 Auf Bezüge i.S.d. § 7 UmwStG findet nach Verwaltungsansicht grundsätzlich der Dividendenartikel des jeweiligen DBA Anwendung. Die Gleichstellung der offenen Rücklagen mit Einnahmen aus Kapitalvermögen durch § 7 UmwStG soll also auch die Auslegung des jeweiligen Dividendenartikels präjudizieren (dazu Rz. 8.21). Etwas anderes gilt, wenn die Beteiligung funktional einer Betriebsstätte zuzuordnen ist. 8.80 Das Beispiel zu D zeigt, dass in den Fällen, in denen eine Beteiligung infolge der Einlagefiktion nach § 5 Abs. 2 UmwStG einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist, eines der von § 7 UmwStG im Rahmen des SEStEG verfolgten Ziele, nämlich bei im Ausland ansässigen Anteilseignern eine definitive Steuerbelastung in Höhe der Abgeltungsteuer bzw. DBA-Quellensteuersätze auf die als ausgeschüttet geltenden offenen Rücklagen sicherzustellen, nicht erreicht wird. Eine solche Abgeltungswirkung wäre bei privat beteiligten Anteilseignern eingetreten, wenn die GmbH vor der Umwandlung alle offenen Rücklagen voll ausgeschüttet hätte. Das Ergebnis ist auch zunächst verblüffend, weil die EU-Kapitalgesellschaft für diesen Umwandlungsfall nicht die Mutter-Tochter-Richtlinie in Anspruch nehmen kann (Art. 4 Abs. 1 MTL; § 43b Abs. 1 Satz 4 EStG). 8.81 Diese Unwucht zu Lasten des Besteuerungsrechts Deutschlands könnte gesetzgeberisch dahingehend behoben werden, dass die Einlagefiktion des § 5 UmwStG für Zwecke des § 7 UmwStG entweder überhaupt nicht zur Anwendung kommt, oder jedenfalls dann nicht, wenn Deutschland kein Besteuerungsrecht an den Anteilen am 1 Wenn Deutschland kein Besteuerungsrecht an den Anteilen zusteht, wird die KapErtrSt nicht – auch nicht nach DBA-Satz (Art. 10 Abs. 2 Buchst. b OECD-MA: 15 %) – definitiv (keine abgeltende Wirkung), unklar Beispiel 1, Rz. 04.27 UmwStE 2011. 2 Entspr. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.27 Beispiel 2. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.27 Beispiel 1 und 2 enthalten zur Erstattung der KapErtrSt keine Aussage.

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C. Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug | Rz. 8.82 Kap. 8

übertragenden Rechtsträger zusteht. Da in diesen Fällen die Bezüge i.S.d. § 7 UmwStG nicht in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert werden, würden die fiktiven Ausschüttungen – wie echte Ausschüttungen vor der Umwandlung – der Abgeltungsteuer unterliegen Unionsrechtliche Bedenken bestehen u.E. insoweit nicht sekundärrechtlich (keine Anwendung der FRL auf Umwandlungen unter Beteiligung von Personengesellschaften). Mit Blick auf die Grundfreiheiten (Sicherung der Deutschland zugewiesenen und ansonsten untergehenden Besteuerungsrechte an den offenen Rücklagen) ist u.E. aber sicherzustellen, dass der Steuerausländer aber im Ergebnis nicht schlechter gestellt wird als der Steuerinländer.1 9. Überführungsfiktion für betriebliche Anteile, § 5 Abs. 3 UmwStG Die Überführungsfiktion des § 5 Abs. 3 UmwStG betrifft Anteile an der übertragenden Körperschaft, die nicht zum Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers, sondern zu einem (anderen) Betriebsvermögen eines Anteilseigners gehören. Für Anteile, die ohnehin schon zum Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers gehören, gilt § 4 Abs. 4 UmwStG unmittelbar. Erwirbt die übernehmende Personengesellschaft im Rückwirkungszeitraum Anteile am übertragenden Rechtsträger von einem ihrer Gesellschafter, findet – wie beim Erwerb von fremden Dritten – § 5 Abs. 1 UmwStG Anwendung. Dies gilt selbst dann, wenn sich die Anteile an der übertragenden Körperschaft im Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters bei der übernehmenden Personengesellschaft befinden.2 Nach der Verwaltungsauffassung setzt § 5 Abs. 3 UmwStG nicht voraus, dass die Anteile an der übertragenden Körperschaft schon am steuerlichen Übertragungsstichtag zum Betriebsvermögen eines Anteilseigners gehören.3 § 5 Abs. 3 UmwStG ist vielmehr immer dann anwendbar, wenn der Anteilseigner den Anteil bis spätestens zum Zeitpunkt der Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister in sein Betriebsvermögen erwirbt. Nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 3 UmwStG würde hingegen der Tatbestand nur eingreifen, wenn der Anteil bereits am steuerlichen Übertragungsstichtag Betriebsvermögen des Anteilseigners war. Das würde für Anteile, die erst nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag Betriebsvermögen des Anteilseigners geworden sind oder nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag ihre Betriebsvermögenseigenschaft verloren haben, unter Umständen zu nicht sachgerechten Ergebnissen führen.4

1 Vgl. Behrens/Jäschke in Lademann, UmwStG3, § 5 Rz. 12: Eine steuerliche Schlechterstellung zumindest EU- bzw. EWR-ausländischer wesentlich privat beteiligter Anteilseigner gegenüber wesentlich beteiligten inländischen Anteilseignern (keine Einlagefiktion, damit Abgeltungsteuer auf offene Rücklagen, kein Teileinkünfteverfahren mit Anrechnung KapErtrSt) wäre mit den Grundfreiheiten des AEUV (Niederlassungsfreiheit bzw. Kapitalverkehrsfreiheit) nicht zu vereinbaren. 2 Behrens/Jäschke in Lademann, UmwStG3, § 5 Rz. 7. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 02.21. 4 Dazu Behrens/Jäschke in Lademann, UmwStG3, § 5 Rz. 19.

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8.82

Kap. 8 Rz. 8.83 | Umwandlungen von KapGes in PersGes

8.83 Ausgehend von diesen Grundsätzen ist Anteilseigner i.S.d. § 5 Abs. 3 UmwStG der Gesellschafter der übertragenden Körperschaft, – der zugleich Mitunternehmer der übernehmenden Personengesellschaft ist. – der durch die Umwandlung (erst) zum Mitunternehmer der übernehmenden Personengesellschaft wird, oder – auf dessen Vermögen die Kapitalgesellschaft im Rahmen einer Aufwärtsverschmelzung verschmolzen wird (§§ 120 ff. UmwG – zivilrechtlich nach deutschem Recht bei einer natürlichen Person als Anteilseigner nur möglich, wenn er Alleingesellschafter der übertragenden Kapitalgesellschaft ist, § 3 Abs. 2 Nr. 2, § 120 Abs. 2 UmwG). Das betrifft aber nur den (Sonder)Fall, dass der Gesellschafter (z.B. natürliche Person) über mehrere Betriebe verfügt, der Anteil an der übertragenden Körperschaft Betriebsvermögen des einen Betriebs bildete, die Wirtschaftsgüter der Körperschaft aber im Zuge der Verschmelzung dem anderen Betriebsvermögen zuzuordnen sind.

8.84 Für die Überführungsfiktion des § 5 Abs. 3 UmwStG spielt es keine Rolle, ob sich das Betriebsvermögen im In- oder im Ausland befindet.1 8.85 Die Zuordnung einer Beteiligung zum Betriebs- oder Privatvermögen bestimmt sich nach deutschem Steuerrecht. Abgrenzungsfragen ergeben sich im Hinblick auf § 8 Abs. 2 KStG (gilt nur für unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften) sowie im Hinblick auf § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG i.d.F. des JStG 2009. Beispiel: Eine inländische (rein vermögensverwaltende) Kapitalgesellschaft, an der zu je 50 % eine unbeschränkt stpfl. natürliche Person und eine ausländische (rein vermögensverwaltende) Kapitalgesellschaft beteiligt sind, verfügt über Grundbesitz im Inland, Grundbesitz im Ausland und Kapitalvermögen (z.B. Bankguthaben und festverzinsliche Wertpapiere). Sie wird auf eine (rein vermögensverwaltende) Personengesellschaft formwechselnd umgewandelt. Lösung: Die ausländische (rein vermögensverwaltende) Kapitalgesellschaft hält den Anteil an der inländischen Kapitalgesellschaft im Privatvermögen (kein Anwendungsfall von § 8 Abs. 2 KStG). Damit gilt der Anteil nach § 5 Abs. 2 UmwStG als am steuerlichen Übertragungsstichtag mit den Anschaffungskosten in das Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers eingelegt. Bei der weiteren Lösung ist zu beachten: Die Personengesellschaft erzielt, auch wenn sie nach § 15 EStG nicht selbst gewerblich tätig ist, aus dem Grundbesitz im Inland gewerbliche Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 3 EStG, soweit der inländische Grundbesitz der ausländischen Kapitalgesellschaft als Gesellschafterin zuzurechnen ist. Es handelt sich (insoweit) um Betriebsvermögen.

8.86 Ob insoweit die für Zebragesellschaften geltenden Grundsätze anzuwenden sind, und wenn ja, in welcher Weise, ist offen. Für den auf die inländische unbeschränkt stpfl. 1 Vgl. Schaflitzl/Widmayer, BB-Special 8/2006, 36 (45); Voss, BB 2006, 411 (416); Pung in D/ P/M, § 5 UmwStG Rz. 40 (Stand: Mai 2016); eine diesbezügliche Aussage fehlt allerdings im UmwStE 2011.

408 | Jäschke/Link

C. Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug | Rz. 8.87 Kap. 8

natürliche Person entfallenden Anteil am inländischen Grundbesitz kommt § 49 EStG mangels beschränkter Steuerpflicht nicht zur Anwendung. Weder der ausländische Grundbesitz noch das (in- oder ausländische) Kapitalvermögen stellen bei der Personengesellschaft Betriebsvermögen dar, so dass insoweit § 8 UmwStG Anwendung findet. Beim Vermögensübergang auf eine Zebragesellschaft sollen nach Ansicht der FinVerw. die übergegangenen Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers zur Gänze mit dem gemeinen Wert anzusetzen sein.1 Aufgrund der Bruchteilsbetrachtung bei der Zebragesellschaft und der damit verbundenen Zuordnung des Anteils des Gesellschafters an dem Grundstück zu dessen eigenem Betriebsvermögen2 entspricht dies zwar dem Gesetzeswortlaut von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG („Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft“), da es sich insoweit auch nicht um Sonderbetriebsvermögen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG handelt;3 eine fiskalische Notwendigkeit für die zwingende Aufdeckung der stillen Reserven ist allerdings nicht ersichtlich, weil die stillen Reserven wegen § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG im Umfang der Beteiligung der ausländischen Kapitalgesellschaft an der übernehmenden Zebragesellschaft in Deutschland körperschaftsteuerlich verhaftet blieben und somit für den deutschen Fiskus kein Besteuerungssubstrat verloren ginge, wenn anteilig die Buchwertfortführung zugelassen würde.4 Rechtsfolge des § 5 Abs. 3 UmwStG ist die Fiktion der Überführung der Anteile an der übertragenden Gesellschaft in das Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers. Bei einer Mitunternehmerschaft als übernehmendem Rechtsträger gelten die Anteile des Mitunternehmers an dem übertragenden Rechtsträger als in sein Sonderbetriebsvermögen bei dem übernehmenden Rechtsträger überführt (kein Rechtsträgerwechsel). Der Buchwert der Anteile ist ggf. um etwaige Abschreibungen sowie Abzüge nach § 6b EStG und ähnliche Abzüge (R 6.6 EStR Rücklage für Ersatzbeschaffung), die in früheren Jahren aufwandswirksam vorgenommen worden sind, zu erhöhen (sog. Beteiligungskorrekturgewinn). Die Obergrenze für die Erhöhung bildet der gemeine Wert der Anteile.5 Auf den Beteiligungskorrekturgewinn im Rahmen der Überführungsfiktion des § 5 Abs. 3 UmwStG sind § 8b Abs. 2 Satz 4 und 5 KStG sowie § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a Satz 2 und 3 EStG anzuwenden (§ 5 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 3 UmwStG).6 Der Beteiligungskorrekturgewinn wird zum Übertragungsstichtag in demjenigen Betriebsvermögen besteuert, dem die Anteile vor der Anwendung der Überführungsfiktion zuzurechnen sind. 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 08.03 u. 03.16; zustimmend Martini in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2002, 195. Lieferung, § 3 Rz. 822. 2 Vgl. BFH v. 19.9.2019 – IV R 32/16, BStBl. II 2020, 199 unter Verweis auf BFH GrS 2/16, BStBl. II 2019, 262. 3 Bodden in Korn, Einkommensteuergesetz, 2000, 134. Lieferung Stand 1.7.2020, § 15 Rz. 319.1. 4 So auch z.B. Levedag, GmbHR 2013, 243; Stadler/Elser/Bindl, DB Beilage 1 zu Heft 2 v. 13.1.2012, 17 f. 5 Vgl. Ott, StuB 2007, 163 (165). 6 Vgl. dazu Staats in Lademann, UmwStG3, § 4 Rz. 41 ff.

Jäschke/Link | 409

8.87

Kap. 8 Rz. 8.88 | Umwandlungen von KapGes in PersGes

8.88 Bei ausländischem, nicht dem deutschen Steuerrecht unterliegenden Betriebsvermögen wird bei der Ermittlung des Übernahmeergebnisses zudem der Buchwertansatz über § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG angepasst (Zuschlag für neutrales Vermögen), um eine vergleichbare Belastung der Umwandlung in ein gewerbliches Personenunternehmen gegenüber der Veräußerung der Anteile durch die Gesellschafter der übertragenden Körperschaft sicherzustellen. Übersicht Fiktion des § 5 UmwStG bei beschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern1: – Die Zuordnung zum Privat- oder Betriebsvermögen bestimmt sich nach deutschem Steuerrecht.2 – Die Einlage- und Überführungsfiktion gelten unabhängig davon, ob Deutschland nach DBA ein Besteuerungsrecht zusteht (damit weite Einlagefiktion)3. – Fiktion nur für Zwecke des UmwStG – kein Abstellen darauf, ob Deutschland tatsächlich ein Besteuerungsrecht hinsichtlich der Veräußerungsgewinne aus der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft zusteht. – Der Umfang der Steuerpflicht ist im Feststellungsverfahren (§ 180 AO) zu klären.

10. Besteuerung der offenen Rücklagen, Kapitalertragsteuereinbehalt

8.89 Die vom Gesetzgeber mit dem SEStEG intendierte Ausrichtung des § 7 UmwStG (Ausschüttung vorrangig gegenüber als Veräußerungsgewinn i.S.d. Art. 13 OECDMA zu qualifizierendem Übernahmegewinn, vgl. Rz. 8.22) bezieht sich gerade auf grenzüberschreitende Umwandlungen4: – Für im Ausland ansässige Anteilseigner war eine definitive Steuerbelastung gewollt (tatsächlich nur sehr eingeschränkt durch das SEStEG umgesetzt, vgl. Rz. 8.80 und 8.78). – bei Umwandlung einer ausländischen Kapitalgesellschaft in eine ausländische Personengesellschaft (Sicherstellen der Besteuerung der offenen Rücklagen bei inländischen Anteilseignern), – bei Umwandlung einer inländischen Kapitalgesellschaft auf eine ausländische Personengesellschaft (arg. Sicherstellen des deutschen Besteuerungsrechts an den offenen Rücklagen) – derzeit nach deutschem Gesellschaftsrecht zivilrechtlich nicht möglich, vgl. §§ 305 ff. UmwG.

1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 05.05, 05.07 u. 05.08. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 05.07. 3 Vgl. Förster/Felchner, DB 2008, 2445; ferner Pung/Werner in D/P/M, § 5 UmwStG Rz. 26 i.V.m. § 4 UmwStG Rz. 5 ff. (Stand: Dezember 2021). 4 BT-Drucks. 16/2710, 40: Die Regelung dient der Sicherung deutscher Besteuerungsrechte an den offenen Rücklagen.

410 | Jäschke/Link

C. Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug | Rz. 8.92 Kap. 8

Als Folge der Ausschüttungsfiktion der offenen Rücklagen des § 7 UmwStG ist bei einer inländischen übertragenden Kapitalgesellschaft Kapitalertragsteuer nach Maßgabe der §§ 43 ff. EStG einzubehalten und abzuführen. Bei einer EU-Muttergesellschaft als Anteilseignerin kann nicht nach § 43b Abs. 1 Satz 4 EStG auf die Erhebung der Kapitalertragsteuer verzichtet werden, da die Mutter-Tochter-Richtlinie1 nach ihrem Art. 4 Abs. 1 nicht auf Gewinne anlässlich der Liquidation oder Umwandlung einer Tochtergesellschaft Anwendung findet. Die Mutter-Tochter-Richtlinie würde hingegen Anwendung finden, wenn vor einer Umwandlung eine Vollausschüttung vorgenommen wird.2

8.90

Zu den Konsequenzen der (weiten) Einlagefiktion des § 5 UmwStG auf die Besteuerung der offenen Rücklagen s. bereits Rz. 8.77. Bei anteiliger Aufdeckung stiller Reserven wegen einer subjektbezogenen Prüfung des Ausschlusses bzw. der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts (vgl. Rz. 8.69) werden die fiktiven Dividenden gleichwohl den Anteilseignern allein nach dem Beteiligungsverhältnis zugerechnet (also keine personenbezogene Zurechnung der aufgedeckten stillen Reserven; arg. § 7 UmwStG enthält keine Sonderregelung für eine vom allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel abweichende Zurechnung der offenen Rücklagen).3

8.91

11. Ausländische Anteilseigner Für ausländische Anteilseigner von Körperschaften, die aufgrund der Umwandlung Mitunternehmer der Personengesellschaft werden, ist ein Übernahmeergebnis nur zu ermitteln, soweit Deutschland zum steuerlichen Übertragungsstichtag ein Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an der Körperschaft oder der Einkünfte i.S.d. § 7 UmwStG zusteht. Für Anteile i.S.d. § 5 Abs. 2 UmwStG ergibt sich z.B. das abkommensrechtliche Besteuerungsrecht für das Übernahmeergebnis in der Regel aus einer dem Art. 13 Abs. 5 OECD-MA vergleichbaren Vorschrift in einem DBA (dazu Rz. 8.23). Für die Bezüge i.S.d. § 7 UmwStG ergibt sich das deutsche Besteuerungsrecht regelmäßig aus einer dem Art. 10 OECD-MA vergleichbaren Vorschrift in einem DBA.4 Auch nur insoweit sind ausländische Anteilseigner in die gesonderte und einheitliche Feststellung nach §§ 180 ff. AO einzubeziehen.5

1 Richtlinie 90/435/EWG, ABl. EG Nr. L 225/1990, 6, abgelöst durch Richtlinie 2011/96/EU (ABl. EU 2011 Nr. L 345, 8) v. 30.11.2011. 2 Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.44. 3 A.A. Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (459). 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.23; vgl. auch Stöber in Lademann, UmwStG3, § 7 Rz. 34 ff.; Jäschke/Illing in Widmann/Bauschatz, UmwStG, § 7 Rz. 42. 5 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.23.

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8.92

Kap. 8 Rz. 8.93 | Umwandlungen von KapGes in PersGes

8.93 Soweit an der übertragenden Körperschaft oder an der übernehmenden Personengesellschaft (auch) ein ausländischer Anteilseigner bzw. Mitunternehmer beteiligt ist und die übertragende Körperschaft über Betriebsvermögen in einem ausländischen Staat verfügt, kann es gem. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG zu einer anteiligen Aufdeckung stiller Reserven kommen.1 Dies kann z.B. der Fall sein, wenn die übertragende Körperschaft eine Betriebsstätte im Nicht-DBA-Ausland hat oder ein DBA mit Anrechnungsmethode gilt und dadurch das Besteuerungsrecht Deutschlands an diesem Betriebsstättenvermögen in dem Verhältnis verloren geht, in dem der ausländische Anteilseigner am übernehmenden Rechtsträger beteiligt wird oder ist. Nach Auffassung der FinVerw. soll in dem Umfang, in dem stille Reserven im Betriebsvermögen der Betriebsstätte aus vorgenannten Gründen aufzudecken sind, für die inländischen Beteiligten der Aufstockungsbetrag anteilig – entsprechend ihrer Beteiligung am übernehmenden Rechtsträger – in einer negativen Ergänzungsbilanz auszuweisen sein.2 Für den oder die ausländischen Beteiligten soll korrespondierend ein anteiliger Ausweis des Aufstockungsbetrags in einer positiven Ergänzungsbilanz erforderlich sein.3 8.94 Obwohl dies nicht ohne weiteres aus dem Gesetz folgt, ist dieses Vorgehen u.E. aus systematischen Gründen richtig. Hinsichtlich der in Deutschland ansässigen Beteiligten kommt es zur Buchwertfortführung auch hinsichtlich des im Ausland belegenen Betriebsstättenvermögens. Insgesamt führt die übernehmende Personengesellschaft aber den (anteilig) aufgestockten Wert des Betriebsstättenvermögens fort (§ 4 Abs. 1 Satz 1 UmwStG). Wenn dieses Vermögen später veräußert wird, käme es ohne entsprechende Korrekturen hinsichtlich der in Deutschland ansässigen Beteiligten an dem übernehmenden Rechtsträger zu einem durch die im Rahmen der Umwandlung (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG) erfolgte Aufstockung geminderten (anteiligen) in Deutschland steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn. Dies kann nicht richtig sein, so dass der anteilige Aufstockungsbetrag in entsprechenden Ergänzungsbilanzen ausgewiesen werden muss. 12. Zuschlag für neutrales Vermögen, § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG

8.95 Gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG sind im Rahmen der Ermittlung des Übernahmeergebnisses die übergegangenen Wirtschaftsgüter der übertragenden Körperschaft mit dem gemeinen Wert anzusetzen, soweit an ihnen kein Recht Deutschlands zur Besteuerung des Gewinns aus einer Veräußerung bestand. Diese Regelung zum sog. neutralen Vermögen kommt insbesondere dann zur Anwendung, wenn eine inländische Körperschaft auf eine Personengesellschaft verschmolzen wird, die übertragende Körperschaft eine Betriebsstätte im Ausland hat und mit dem betroffenen Land ein DBA mit Freistellungsmethode abgeschlossen wurde. In diesem Fall kann zwar die Umwandlung auch hinsichtlich dieses Betriebsstättenvermögens gem. § 3 1 Vgl. Staats in Lademann, UmwStG3, § 3 Rz. 172 f. mit Beispiel. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.24. 3 Vgl. hierzu das Beispiel in BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/ 0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.24.

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C. Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug | Rz. 8.97 Kap. 8

Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG zu Buchwerten oder zu einem Zwischenwert durchgeführt werden (vgl. das Beispiel in Rz. 8.69).1 Im Rahmen der Ermittlung des Übernahmeergebnisses ist ein solches Betriebsstättenvermögen aber zum gemeinen Wert (i.S.d. § 3 Abs. 1 UmwStG) anzusetzen, um ein in der Beteiligung selbst bestehendes Besteuerungsrecht Deutschlands sicherzustellen. Dies erfolgt dadurch, dass für solches sog. neutrales Vermögen ausschließlich für Zwecke der Ermittlung des Übernahmeergebnisses ein Zuschlag in Höhe der Differenz zwischen dem gemeinen Wert des Auslandsvermögens und dessen Wert in der steuerlichen Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers vorzunehmen ist.2

8.96

Beispiel:3 Die X-GmbH soll auf die Y-KG verschmolzen werden. Die X-GmbH hat eine Betriebsstätte in einem Land, mit dem Deutschland ein DBA mit Freistellungsmethode abgeschlossen hat. In dieser Betriebsstätte bestehen stille Reserven i.H.v. 100.000 €. Gründungsgesellschafter der XGmbH ist u.a. der in Deutschland ansässige A. Die Umwandlung erfolgt zulässigerweise zu Buchwerten (vgl. hierzu Rz. 8.69). Lösung: Wenn A vor der Umwandlung seine Beteiligung an der X-GmbH veräußert hätte, hätte Deutschland entsprechend Art. 13 Abs. 5 OECD-MA ein Besteuerungsrecht an diesem Veräußerungsgewinn. In diesem Veräußerungsgewinn ist aber auch – indirekt – die Aufdeckung der im Ausland belegenen stillen Reserven enthalten, soweit sie auf A entfallen. Infolge der Umwandlung zu Buchwerten geht dieses indirekte Besteuerungsrecht an den stillen Reserven der ausländischen Betriebsstätte verloren, da Deutschland nach der Umwandlung nach Art. 7 i.V.m. Art. 13 Abs. 2 OECD-MA kein Besteuerungsrecht zusteht. Aus diesem Grund4 kommt es gem. § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG für Zwecke der Ermittlung des Übernahmeergebnisses zur Hinzurechnung von 100.000 €.

Der Zuschlag für neutrales Vermögen führt zu einem höheren Übernahmegewinn bzw. niedrigeren Übernahmeverlust. Inwieweit dieser steuerlich (u.a. wegen § 8b KStG oder § 3 Nr. 40 EStG) ganz oder teilweise nicht zu berücksichtigen ist, regelt § 4 Abs. 6 und 7 UmwStG. In der Praxis dürfte einem Zuschlag für neutrales Vermögen keine besondere Bedeutung zukommen, wenn sich auch durch den Zuschlag kein positiver Übernahmegewinn ergibt und ein Übernahmeverlust steuerlich nicht zu berücksichtigen ist.5

1 Vgl. auch das Beispiel bei Staats in Lademann, UmwStG3, § 3 Rz. 148. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.29. 3 Vgl. Staats in Lademann, UmwStG3, § 3 Rz. 147 f. Zur Funktionsweise des Zuschlags für neutrales Vermögen vgl. im Übrigen die beiden ausführlichen Beispiele in BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.29. Zur u.U. „überschießenden Wirkung“ der Regelung vgl. z.B. Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 59 f. (Stand: Juni 2018). 4 Dazu etwa Brähler/Heerdt, StuW 2007, 260 (266); Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.49. 5 Hierauf weist zutreffend van Lishaut in R/H/vL, § 4 UmwStG Rz. 93 hin.

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8.97

Kap. 8 Rz. 8.98 | Umwandlungen von KapGes in PersGes

13. Verlustabzug bei Auslandsbetriebsstätten

8.98 Die entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung einer in einem ausländischen Staat belegenen Betriebsstätte führt zur Nachversteuerung von zuvor nach § 2a Abs. 3 EStG a.F. bzw. § 2 Abs. 1 AuslInvG (trotz Freistellungs-DBA) abgezogenen Verlusten1 noch bei der übertragenden Körperschaft. Gleiches gilt nach den genannten Vorschriften im Falle der Umwandlung einer im ausländischen Staat belegenen Betriebsstätte in eine Kapitalgesellschaft.2 III. Zusammenfassendes Beispiel zu einer Umwandlung mit Auslandsberührung

8.99 Beispiel (Einlagefiktion bei beschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern sowie Zusammenspiel des § 5 mit § 4 UmwStG): Die D-GmbH mit inländischen (A, B, C) und ausländischen (D, E) Anteilseignern hat Auslandsbetriebsstätten in einem DBA- (Frankreich) und in einem Nicht-DBA-Staat (Brasilien). Die GmbH soll in eine KG formgewechselt werden, § 9 UmwStG.

Lösung: Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 UmwStG lassen sich wie folgt zusammenfassen:3 (1)Übergang in Betriebsvermögen und Sicherstellung der Ertragsbesteuerung (Gewerbesteuer nicht zwingend, vgl. Rz. 8.65, deswegen Anwendung der Missbrauchsregelung in § 18 Abs. 3 UmwStG, eine ausländische Ertragsbesteuerung reicht aus)4 1 Vgl. § 2a Abs. 4 EStG a.F. i.V.m. § 52 Abs. 2 Satz 3 EStG bzw. § 2 Abs. 2 AuslInvG i.V.m. § 8 Abs. 5 Satz 2 AuslInvG. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.12. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.10–03.30. 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.17.

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C. Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug | Rz. 8.99 Kap. 8 (2)Keine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts (Beschränkung GewSt unschädlich)1 (3)Keine Gegenleistung oder nur in Form von Gesellschaftsrechten Bezogen auf den hier zu erörternden Fall stellt sich die Frage einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG): – Besteuerungsrecht kann nur beschränkt werden, soweit überhaupt ein – ggf. eingeschränktes – Besteuerungsrecht besteht.2 – Betriebsstätte Frankreich: Keine Einschränkung, da vor der Umwandlung kein Besteuerungsrecht besteht (Art. 20 Abs. 1 Buchst. a DBA Frankreich). BW/ZW-Ansatz bezüglich Betriebsstätte Frankreich möglich (Vorsicht: § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG – Ermittlung Übernahmeergebnis; dazu im Folgenden). – Betriebsstätte Brasilien (Nicht-DBA-Staat): Beschränktes Besteuerungsrecht für D und E wird vollständig ausgeschlossen, weil der Gewinnanteil einer Personengesellschaft aus einer ausländischen Betriebsstätte, der auf einen beschränkt Steuerpflichtigen entfällt, in Deutschland nicht beschränkt steuerpflichtig ist.3 Rechtsfolgen des Ausschlusses des deutschen Besteuerungsrechts sind: – D-GmbH – steuerliche Schlussbilanz: zwingende (anteilige) Aufstockung der Wirtschaftsgüter der Brasilien–Betriebsstätte auf den gemeinen Wert, soweit die Wirtschaftsgüter auf D und E entfallen (subjekt- und objektbezogene Prüfung); im Übrigen können die Buchwerte fortgeführt werden.4 Der Aufstockungsgewinn ist von der D-GmbH zu versteuern und der Betrag nach Steuern erhöht die offenen Rücklagen. Eine persönliche Zuordnung des Aufstockungsgewinns nach Steuern zu den ursächlich beschränkt Steuerpflichtigen erscheint wirtschaftlich sinnvoll, setzt aber eine entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelung voraus.5 – Übernehmende Personengesellschaft: Aufstockung (bei grundsätzlich Buchwertfortführung im Übrigen) ist nur D (beschränkt Steuerpflichtiger) zuzuordnen und in einer Ergänzungsbilanz bei der übernehmenden Personengesellschaft fortzuführen.6 Die positive Ergänzungsbilanz wirkt sich mangels Steuerpflicht des D für Einkünfte aus Brasilien allerdings künftig nicht aus. 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.18. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.19. 3 BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663; vgl. hierzu auch die Beispiele in BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.19 u. 04.24. 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.18. 5 BMF v. 17.12.2013 – IV C 2 - S 2750 a/11/10001, BStBl. I 2014, 63 stellt im Hinblick auf die Rspr. des BFH zur Anerkennung inkongruenter bzw. disquotaler Gewinnausschüttungen bei Kapitalgesellschaften (BFH v. 19.8.1999 – I R 77/96, BStBl. II 2001, 43) als Grenze auf beachtliche, wirtschaftlich vernünftige außersteuerliche Gründe ab (Maßstab des § 42 AO). U. E. kommt es vielmehr darauf an, ob eine disquotale Gewinnverteilungsabrede durch ein Näheverhältnis veranlasst ist (und damit eine Maßnahme der Einkommensverwendung eines Gesellschafters zugunsten eines anderen). Insoweit bestehen hier keine Bedenken. 6 Nach BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.24 ist der Aufstockungsbetrag für D in einer positiven Ergänzungsbilanz und für A, B und C korrespondierend in einer negativen Ergänzungsbilanz auszuweisen.

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Kap. 8 Rz. 8.99 | Umwandlungen von KapGes in PersGes – E (beschränkt Steuerpflichtiger) nimmt an der Ermittlung des Übernahmeergebnisses nicht teil; d.h., für E findet insoweit keine Aufstockung statt. – Setzt die Kapitalgesellschaft mit einer Betriebsstätte in einem DBA-Staat mit Freistellungsmethode (hier: die Betriebsstätte in Frankreich) einen über dem Buchwert liegenden Wert an, betrifft dies auch die ausländische Betriebsstätte (einheitliche Ausübung des Antragsrechts). Der daraus resultierende Übertragungsgewinn kann in Deutschland mangels Besteuerungsrechts nicht besteuert werden. Der tatsächliche Wertansatz im Betriebsstättenstaat ist hierfür unerheblich. – Das in das Wahlrecht einzubeziehende, der deutschen Besteuerung entzogene Auslandsvermögen ist bei der Ermittlung des Übernahmeergebnisses als neutrales Vermögen mit dem gemeinen Wert zu berücksichtigen, § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG (zum Einfluss auf die fiktive Ausschüttung i.S.d. § 7 UmwStG s. Rz. 8.144). – Die Zuordnung zum Privat- oder Betriebsvermögen bestimmt sich auch bei den ausländischen Anteilseignern (D und E) nach deutschem Steuerrecht.1 – Die Einlage- und Überführungsfiktionen des § 5 UmwStG gelten unabhängig davon, ob Deutschland nach DBA ein Besteuerungsrecht zusteht (weite Einlagefiktion).2 – Der Umfang der Steuerpflicht ist im Feststellungsverfahren (§ 180 AO) zu klären. Der UmwStE 2011 enthält keine Aussage zur Anwendung des Progressionsvorbehalts bei nachfolgendem Verkauf der Betriebsstätte Frankreich. Nach einer Ansicht ist von den gem. § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG für Zwecke der Ermittlung des Übernahmeergebnisses aufgestockten Werten auszugehen, weil andernfalls die anlässlich der Umwandlung bereits (allerdings lediglich auf der zweiten Besteuerungsebene) versteuerten stillen Reserven erneut steuererhöhend berücksichtigt würden.3 Nach a.A.4 gibt es keine gesetzliche Grundlage für einen Ansatz aufgestockter Werte für Zwecke des Progressionsvorbehalts. Zur Vermeidung der auf Grundlage der Gegenmeinung drohenden (teilweisen) „Doppelbesteuerung“ ist folgende Gestaltung möglich: Das neutrale Vermögen (Betriebsstätte Frankreich) wird vor Umwandlung – steuerneutral – in eine Tochtergesellschaft eingebracht (D-GmbH bucht Anteile zum gemeinen Wert ein; § 20 Abs. 3 Satz 2 UmwStG).5

IV. Steuerliche Besonderheiten bei Ausgliederung und anderen Formen der Einbringung gem. § 24 UmwStG 1. Persönlicher Anwendungsbereich des § 24 UmwStG

8.99a Der Anwendungsbereich des § 24 UmwStG ist unabhängig davon eröffnet, ob die einbringende Kapitalgesellschaft oder die übernehmende Personengesellschaft eine deutsche Gesellschaft, eine EU/EWR-Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 4 Nr. 1 UmwStG oder eine Drittstaatengesellschaft ist, vgl. § 1 Abs. 4 Satz 2 UmwStG („globaler Ansatz“). Zum Typenvergleich bei ausländischen Personengesellschaften s. Rz. 8.144a.

1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 05.07. 2 Vgl. Förster/Felchner, DB 2008, 2445; Dötsch/Pung in D/P/M, § 5 UmwStG Rz. 26 i.V.m. § 4 UmwStG Rz. 5 ff. (Stand: Dezember 2011). 3 Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 175; Behrens/Jäschke in Lademann, UmwStG3, § 5 Rz. 16; arg. Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. 4 In diese Richtung Staats in Lademann, UmwStG3, § 4 Rz. 108: folgt nicht ohne weiteres aus dem Gesetz. 5 Vgl. Bogenschütz, Ubg 2011, 393 (405).

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C. Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug | Rz. 8.99d Kap. 8

2. Vergleichbarer ausländischer Vorgang, § 1 Abs. 4 UmwStG Die Einbringung in eine Mitunternehmerschaft ist im Wege der Einzelrechtsnachfolge, der Gesamtrechtsnachfolge nach den Vorschriften des UmwG oder einer Gesamtrechtsnachfolge nach ausländischem Recht möglich (im Einzelnen § 1 Abs. 3 UmwStG; Rz. 01.47, 24.01 UmwStE 20111). Möglich ist bei einem entsprechenden Gesamtplan auch eine Kombination von Einzel- und Gesamtrechtsnachfolge (Beispiel: Ausgliederung einzelner Wirtschaftsgüter des Teilbetriebs einer Kapitalgesellschaft auf eine Tochter-Personengesellschaft; die anderen Wirtschaftsgüter des Teilbetriebs – das können auch wesentliche Betriebsgrundlagen sein – werden nunmehr der übernehmenden Personengesellschaft dauerhaft per Pachtvertrag zur Nutzung überlassen und somit dort Sonderbetriebsvermögen). Der Tatbestand des § 24 ist also unabhängig davon erfüllt, wie zivilrechtlich die betriebliche Sachgesamtheit eingebracht wird. Bedeutsam ist dies (lediglich) für die Rechtsfolgenseite (steuerliche Rückbeziehung, § 24 Abs. 4 Halbs. 2 UmwStG, bzw. weitere steuerliche Behandlung des eingebrachten Vermögens beim übernehmenden Rechtsträger im Falle eines Ansatzes zum gemeinen Wert.

8.99b

Wie die Wirtschaftsgüter aus der Kapitalgesellschaft zivilrechtlich in die Personengesellschaft gelangen, ist für § 24 UmwStG also unerheblich. Eingebracht werden müssen für den Tatbestand des § 24 UmwStG sämtliche funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen der Sachgesamtheit (weitergehend für die Einbringung eines Teilbetriebs hingegen die FinVerw., s. Rz. 8.35c ff.). Dies richtet sich nach deutschem Steuerrecht. Dabei reicht es aber aus, dass nur irgendein mit eingebrachtes Wirtschaftsgut Gesamthandsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft wird; im Übrigen genügt eine Überführung in das Sonderbetriebsvermögen der Mitunternehmerschaft, dies unabhängig davon, dass bei grenzüberschreitenden Sachverhalten das ausländische Steuerrecht ein Sonderbetriebsvermögen vielleicht gar nicht kennt, s. ergänzend Rz. 11.11 ff. u. Rz. 11.35 ff. 3. Steuerliche Rückwirkung Eine steuerliche Rückbeziehung auf Antrag kennt § 24 Abs. 4 Halbs. 2 UmwStG nur für die Fälle der Gesamtrechtsnachfolge (z.B. Ausgliederung eines Teilbetriebs aus einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft). Zu den Grenzen der steuerlichen Rückwirkung in Fällen der grenzüberschreitenden Umwandlung bei weißen Einkünften und weiteren vom Gesetzgeber als missbräuchlich qualifizierten Sachverhalten s. Rz. 8.12 ff.

8.99c

4. Antragsrecht auf Buch- oder Zwischenwertansatz – kein Ausschluss bzw. keine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts, § 24 Abs. 2 UmwStG Das Antragsrecht auf Buchwertfortführung oder Zwischenwertansatz gem. § 24 Abs. 2 UmwStG kann die übernehmende Personengesellschaft nur ausüben, soweit das Recht Deutschlands hinsichtlich der Besteuerung des eingebrachten Betriebsver1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314.

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8.99d

Kap. 8 Rz. 8.99d | Umwandlungen von KapGes in PersGes

mögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird, § 24 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UmwStG. Die beiden Merkmale (Ausschluss, Beschränkung) sind wirtschaftsgutund mitunternehmerbezogen zu prüfen; abgestellt wird auf die in dem jeweiligen Wirtschaftsgut ruhenden stillen Reserven. Dabei ist zu beachten: Ein solcher Ausschluss bzw. eine solche Beschränkung wäre jedenfalls nach den Vorstellungen des Gesetzgebers des SEStEG bei Einführung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG (als gesetzliche Kodifizierung der zwischenzeitlich vom BFH durch Urt. v. 17.7.2008 – I R 77/06, BFH/NV 2008, 1941 aufgegebenen sog. finalen Entnahmetheorie; „nachgebessert“ i.R.d. JStG 2010 in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG) gegeben, soweit das eingebrachte Betriebsvermögen künftig zu einer ausländischen Betriebsstätte in einem DBAStaat gehört; in diesem Fall muss Deutschland je nach DBA entweder freistellen oder – was eine Beschränkung ist – ausländische Steuer anrechnen. Zur insoweit zu beachtenden Differenzierung zwischen rechtlicher und tatsächlicher Entstrickung bei Umwandlungen s. Rz. 13.43 ff. Eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts liegt z.B. auch vor, wenn eine nach dem jeweiligen DBA passive Betriebsstätte infolge der Umwandlung mit einer bereits bestehenden aktiven Betriebsstätte des übertragenden Rechtsträgers in demselben DBA-Staat eine einheitliche aktive Betriebsstätte bilden würde, weil hinsichtlich der passiven Betriebsstätte zunächst das Besteuerungsrecht Deutschlands bestand, nicht aber mehr hinsichtlich einer aktiven Betriebsstätte. Keine Beschränkung i.S.d. Gesetzes ist z.B. der bloße Wechsel von der unbeschränkten zur beschränkten Steuerpflicht oder die nunmehrige (ggf. partielle) Steuerbefreiung eines Veräußerungsgewinns gem. § 8b KStG. In DBA-Fällen ist zu beachten: Der Begriff eines Teilbetriebs als eine Sachgesamtheit und damit tauglicher Einbringungsgegenstand des § 24 UmwStG ist nicht identisch mit dem einer Betriebsstätte. Es kann also das deutsche Besteuerungsrecht bezogen auf einzelne mit eingebrachte Wirtschaftsgüter verloren gehen und damit insoweit gem. § 24 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG ein Buch- oder Zwischenwertansatz partiell ausgeschlossen sein, wenn ein Wirtschaftsgut zwar zum Teilbetrieb und damit zur einzubringenden Sachgesamtheit gehört, aber die Zugehörigkeit zur deutschen Betriebsstätte nicht gegeben ist.

D. Auslandsumwandlungen mit Inlandsbezug nach dem UmwStG I. Mögliche Konstellationen (Überblick)

8.100 Im Einzelnen kommen folgende Konstellationen in Betracht (vgl. auch Kapitel 1 Rz. 1.8): (1) Auslandsumwandlung mit inländischem Betriebsvermögen (2) Auslandsumwandlung mit inländischem Anteilseigner (3) Auslandsumwandlung mit inländischem Betriebsvermögen und inländischem Anteilseigner 418 | Jäschke/Link

D. Auslandsumwandlungen mit Inlandsbezug nach dem UmwStG | Rz. 8.102 Kap. 8

II. Steuerliche Besonderheiten bei Verschmelzung, Formwechsel, Auf- und Abspaltung 1. Persönlicher Anwendungsbereich der §§ 3 ff., 16 UmwStG Der persönliche Anwendungsbereich der §§ 3 ff. UmwStG ergab sich für Umwandlungen mit steuerlichem Übertragungsstichtag vor dem 1.1.2022 aus § 1 Abs. 2 UmwStG a.F. Allgemein mussten die übertragende Körperschaft sowie die übernehmende Personengesellschaft Gesellschaften nach Art. 54 AEUV oder Art. 34 EWRAbkommen sein, die nach den Rechtsvorschriften eines EU- oder EWR-Staats gegründet wurden sowie ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung in einem dieser Staaten haben. War übernehmender Rechtsträger eine natürliche Person, musste diese ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt innerhalb der EU bzw. in einem EWR-Staat haben und durfte nicht aufgrund eines DBA als außerhalb dieses Raumes ansässig anzusehen sein. In Drittstaaten ansässige Gesellschaften wurden von den §§ 3 ff. UmwStG nicht erfasst (vgl. auch Rz. 8.8).1 Mit der Globalisierung des Umwandlungsteils des UmwStG durch das KöMoG wurden § 1 Abs. 2 UmwStG und mit ihm die bisherigen persönlichen Einschränkungen aufgehoben. Voraussetzung für die Anwendung des UmwStG ist somit nur noch die Vergleichbarkeit des ausländischen Vorgangs mit einer der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UmwStG aufgeführten Umwandlungen.

8.101

2. Vergleichbarer ausländischer Vorgang, § 1 Abs. 1 UmwStG a) Allgemeines Bei ausländischen oder grenzüberschreitenden Vorgängen mit Inlandsbezug sind die §§ 3 ff. UmwStG anzuwenden, wenn der Übertragungsvorgang einer Verschmelzung oder einem Formwechsel i.S.d. UmwG entspricht. Für die Beurteilung des ausländischen Vorgangs sind nach Auffassung der FinVerw. insbesondere – die beteiligten Rechtsträger (aktive und passive Umwandlungsfähigkeit), – die Rechtsnatur bzw. Rechtsfolgen des Umwandlungsvorgangs (seine Strukturmerkmale) sowie – sonstige Vergleichskriterien (einziges Beispiel der FinVerw.: vereinbarte Zuzahlungen) zu prüfen.2 Das für die Umwandlung maßgebende Recht bestimmt sich regelmäßig nach dem Gesellschaftsstatut des Staates, in dem der jeweilige Rechtsträger in ein öffentliches Register eingetragen ist. Ist er nicht oder noch nicht in ein öffentliches Register eingetragen, ist das Gesellschaftsstatut des Staates maßgebend, nach dem er or-

1 Zum persönlichen Anwendungsbereich vor KöMoG BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.49–01.52. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.24.

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8.102

Kap. 8 Rz. 8.102 | Umwandlungen von KapGes in PersGes

ganisiert ist (s. hierzu im Einzelnen Kapitel 4).1 Zu den Strukturmerkmalen einer Verschmelzung gehört nach der Verwaltungsauffassung u.a., dass die Vermögensübertragung „kraft Gesetzes“ (partielle Gesamtrechtsnachfolge) erfolgt.2 Jedenfalls für den Begriff der Abspaltung in § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG erachtet der VIII. Senat des BFH dieses Tatbestandsmerkmal als nicht maßgeblich für die Frage der Vergleichbarkeit eines ausländischen „Spin-offs“.3 Nach Auffassung der FinVerw. ist diese Aussage allerdings nicht auf das UmwStG übertragbar.4 b) Strukturmerkmale bei Verschmelzung

8.103 Vergleichbarkeit ausländischer Vorgänge – Übersicht für Verschmelzung:

1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.20; zu Einzelheiten ausländischer und grenzüberschreitender Umwandlungen vgl. z.B. Wernicke in Lademann, UmwStG3, § 1 Rz. 72 ff. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.30. 3 BFH v. 1.7.2021 – VIII R 9/19, BStBl. II 2022, 359. 4 BMF v. 19.5.2022 – IV C 2 - S 1978-b/20/10005: 004 (2022/0206627), BStBl. I 2022, 844.

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D. Auslandsumwandlungen mit Inlandsbezug nach dem UmwStG | Rz. 8.103a Kap. 8

c) Strukturmerkmale bei Formwechsel Vergleichbarkeit ausländischer Vorgänge – Übersicht für Formwechsel:1

Zur Abgrenzung zwischen Verschmelzung und Formwechsel s. das folgende Beispiel:2 Eine österreichische GmbH mit inländischen Anteilseignern wird im Wege einer „errichtenden Umwandlung“ in eine österreichische KG umgewandelt. Bei dieser erlischt die österreichische GmbH, gleichzeitig entsteht die KG neu. Das Vermögen der GmbH wird ohne Abwicklung auf die KG übertragen. Zum Vermögen der GmbH gehört auch ein in Deutschland belegenes Grundstück.

1 Anders Schönhaus/Müller, IStR 2013, 174 (177), die für die Vergleichbarkeit maßgeblich lediglich auf die Identität des Rechtsträgers vor und nach dem Formwechsel abstellen. 2 Aus BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.39.

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8.103a

Kap. 8 Rz. 8.103a | Umwandlungen von KapGes in PersGes

Lösung: Nach Auffassung der FinVerw. soll die „errichtende Umwandlung“ ein mit einer Verschmelzung wirtschaftlich vergleichbarer Vorgang sein, da alle Strukturmerkmale einer Verschmelzung erfüllt seien.1 Ein mit einem Formwechsel i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwStG vergleichbarer ausländischer Vorgang liege dagegen infolge der Auflösung und der Vermögensübertragung nicht vor (keine Rechtsträgeridentität).2 Dieses Verständis teilt im Ergebnis auch Art. 86b Nr. 2 der EU-Gesellschaftsrechtsrichtlinie3 i.d.F. der EU-Umwandlungsrichtlinie,4 wonach eine „grenzüberschreitende Umwandlung“ (Formwechsel i.S.d. UmwG) einen Vorgang bezeichnet, durch den eine Gesellschaft ohne Auflösung, Abwicklung oder Liquidation die Rechtsform [...] umwandelt und [...] ihren [...] Sitz unter Beibehaltung ihrer Rechtspersönlichkeit [...] verlegt. Unstreitig fällt in diesem Fall Grunderwerbsteuer an (errichtende Umwandlung als Rechtsträgerwechsel, § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG).5

1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.39 (Beispiel); ebenso bereits Klingberg/van Lishaut, FR 1999, 1209 (1223); Schnitger/Rometzki, FR 2006, 845 (850); Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.14. 2 Zu den unterschiedlichen Rechtsfolgen vgl. Cordes/Geißler/Leonhardt, IStR 2019, 744 (745 f.). 3 Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 14.6.2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts (ABl. Nr. L 169 v. 30.6.2017, S. 46). 4 Richtlinie (EU) 2019/2121 des Europäischen Parlamentes und des Rates v. 27.11.2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen (ABl. Nr. L 321 v. 12.12.2019, S. 1; L 20 v. 24.1.2020, S. 24). 5 Vgl. hierzu Griesar in GrEStG – eKommentar, § 1 Erwerbsvorgänge (Fassung v. 2.8.2021) Rz. 75.

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D. Auslandsumwandlungen mit Inlandsbezug nach dem UmwStG | Rz. 8.104 Kap. 8

d) Strukturmerkmale bei Auf- und Abspaltung

8.103b

Ein Rechtstypenwechsel kann z.B. auch durch bloße Änderung des Gesellschaftsvertrags der ausländischen Gesellschaft eintreten. Solche Vorgänge fallen nach Ansicht der FinVerw. nicht unter das UmwStG. Beispiel: Eine UK-LLP mit einer Betriebsstätte in Deutschland und einem deutschen Gesellschafter ändert ihren Gesellschaftsvertrag: – vorher: Qualifizierung als Kapitalgesellschaft (Rechtstypenvergleich) – nachher: Qualifizierung als Personengesellschaft

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8.104

Kap. 8 Rz. 8.104 | Umwandlungen von KapGes in PersGes Lösung: Für die Anwendbarkeit des UmwStG auf diesen Vorgang sind folgende Punkte zu prüfen (Prüfungsschema der FinVerw.): (1)Umwandlungsfähigkeit, Rechtstypenvergleich Rechtstypenvergleich: vorher Kapitalgesellschaft, nachher Personengesellschaft (2)Strukturmerkmale des Formwechsels Für einen deutschen Formwechsel ist eine Änderung der rechtlichen Organisation bei rechtlicher Kontinuität des Rechtsträgers strukturbildend.1 Diese Strukturmerkmale sind anhand des gesetzlichen Leitbildes des ausländischen Gesellschaftsrechts zu prüfen, hilfsweise erfolgt eine Einzelfallprüfung.2 Ein ausländischer Umwandlungsvorgang3 ist hier nicht gegeben. Das ausländische Gesellschaftsrecht qualifiziert den Vorgang, der zu einer Änderung des Besteuerungsregimes der ausländischen gesellschaft in Deutschland führt, gar nicht als Änderung der Rechtsform des Unternehmens. Auch fehlen einem deutschen Formwechsel vergleichbare Publizitätsakte.4 (3)Sonstige Vergleichskriterien (nicht mehr zu prüfen) Da die UK-LLP mit Änderung des Gesellschaftsvertrags steuerlich keine Körperschaft mehr ist, kommt es u.E. zu einem Realisationstatbestand hinsichtlich des Gesellschaftsanteils an der UK-LLP (§ 17 EStG5 – bei Gesellschaftern mit Beteiligung 50 % oder wenn im DBA ausnahmsweise1 ein Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats des übertragenden Rechtsträgers im Fall der Veräußerung der Anteile vereinbart ist).2

8.189

Der in Rz. 8.174 angesprochene, im Beispielsfall allein dem ausländischen Gesellschafter Ö zuzurechnende Aufstockungsbetrag ist u.E. auch bei der Ermittlung des Übernahmegewinns allein diesem Gesellschafter zuzuordnen (für den aber – wie eben ausgeführt – kein Übernahmegewinn zu ermitteln ist).3 Im Ergebnis ist der Aufstockungsbetrag also nicht im Übernahmegewinn zu berücksichtigen.

8.190

Für den Zuschlag für neutrales Vermögen wird auf die Ausführungen in Rz. 8.95 ff. verwiesen. Die offenen Rücklagen werden den Anteilseignern der übertragenden Körperschaft entsprechend ihrer Beteiligungsquote als Einkünfte i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zugerechnet, § 7 UmwStG. Dies gilt nach allgemeinen Grundsätzen unabhängig davon, ob für sie ein Übernahmeergebnis zu ermitteln ist (also insbesondere auch bei Streubesitzanteilen im Privatvermögen, zur Besteuerung fiktiver Dividenden s. Rz. 8.89). Bei anteiliger Aufdeckung stiller Reserven (im Beispiel in Rz. 8.174 nur bezogen auf den Gesellschafter Ö) werden die fiktiven Dividenden gleichwohl den Anteilseignern allein nach dem Beteiligungsverhältnis zugerechnet (also keine personenbezogene Zurechnung der aufgedeckten stillen Reserven; arg. § 7 UmwStG enthält keine Sonderregelung für eine vom allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel abweichende Zurechnung der offenen Rücklagen).4

8.191

3. Fallkonstellation Hinausverschmelzung Beispiel: Die nach deutschem Recht gegründete, operativ tätige D-GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland wird auf ihren Alleingesellschafter Herrn F, der im Sinne des DBA in Frankreich ansässig ist, verschmolzen (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 2 UmwG). Die Bilanz i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 6 UmwG wird auf einen höchstens acht Monate vor der Anmeldung liegenden Stichtag zurückbezogen (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 3 UmwG). 1 Z.B. DBA Bulgarien, Tschechische Republik, Slowakei, Bangladesch, Mexiko, Pakistan. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.23 u. 04.27. 3 Ebenso Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (459); offengelassen im UmwStE 2011. 4 A.A. Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (459).

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8.192

Kap. 8 Rz. 8.192 | Umwandlungen von KapGes in PersGes

Lösung: Die – nach h.M.1 gesellschaftsrechtlich zulässige – Verschmelzung der D-GmbH auf den F kann u.E. auf Antrag zu Buchwerten nach § 3 Abs. 2 UmwStG mit den folgenden Maßgaben erfolgen: Durch den zivilrechtlichen Rückbezug findet auf den Vorgang § 2 UmwStG (steuerlicher Übertragungsstichtag) Anwendung. Ab dem steuerlichen Übertragungsstichtag werden die Wirtschaftsgüter der D-GmbH dem F zugerechnet. Soweit die Wirtschaftsgüter nach den maßgeblichen Zuordnungsgrundsätzen (vgl. Rz. 8.24 ff.) in einer deutschen Betriebsstätte verbleiben, ist § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG erfüllt (grundsätzlich keine „passive“ Entstrickung). Soweit einzelne Wirtschaftsgüter einer Betriebsstätte des F in Frankreich zuzuordnen sein sollten,2 ist zu prüfen, ob es sich um eine tatsächliche oder rechtliche Entstrickung handelt (vgl. Rz. 13.44 f.). Nach der hier vertretenen Auffassung wäre nur im Fall der (hier zu verneinenden) rechtlichen Entstrickung für diese Wirtschaftsgüter der Buchwertansatz von vorne herein ausgeschlossen. Problematisch könnte insoweit im Einzelfall ggf. die im – nach wie vor grundsätzlich anzuwendenden – Betriebsstättenerlass behauptete Zentralfunktion des Stammhauses für bestimmte Beteiligungen und Finanzmittel sein (nicht: Geschäfts- und Firmenwert). Mit dem Konzept der Zurechnung nach den wesentlichen Personalfunktionen3 ist dies allerdings nicht mehr unbedingt zu vereinbaren.4 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang zudem, dass nach Auffassung der deutschen FinVerw. Wirtschaftsgüter – entsprechend der deutschen bilanzsteuerlichen Handhabung – grundsätzlich5 nur einheitlich (dem Stammhaus oder) einer Betriebsstätte zugeordnet werden 1 Vgl. Rz. 8.171. 2 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.4, wo der Firmenwert nicht erwähnt ist; a.A. – selbst geschaffener Firmenwert als „ungebundenes Vermögen“ mit der „Gefahr der Verletzung der Steuerverhaftungsbedingung“ – etwa Förster in FS Schaumburg, 629 (632). 3 OECD-Betriebsstättenbericht v. 17.7.2008, Teil I, Rz. 20; dazu eingehend Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1016). 4 Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (454); Breuninger in FS Schaumburg, 587 (599); Viehbrock/Hagemann, FR 2009, 737 (744). 5 Eine Ausnahme sieht § 6 Abs. 4 S. 2 BsGaV für immaterielle Wirtschaftsgüter vor, sofern ein immaterieller Wert nicht eindeutig zugeordnet werden kann.

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E. Grenzüberschreitende Umwandlungen | Rz. 8.192 Kap. 8 können.1 Ein Teil der Literatur will hingegen eine anteilige Zuordnung zur Betriebsstätte und zum Stammhaus zulassen.2 Der Betriebsstätte in Deutschland ist ein anteiliger Geschäftswert bzw. ein eigener Geschäftswert der Betriebsstätte zuzurechnen, dies unabhängig von der Frage, ob nach der Verschmelzung in Deutschland ein Teilbetrieb vorliegt. Die geschäftswertbildenden Faktoren der D-GmbH sind nach der Verschmelzung der Betriebsstätte des F in Deutschland zuzuordnen.Folgt man der Auffassung des BFH, dass die Zuordnung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht deckungsgleich mit der Zuordnung nach dem AOA ist (vgl. hierzu Rz. 8.24 f.) stellt sich die Frage, ob auch ohne Beschränkung des Besteuerungsrechts stille Reserven nach § 1 Abs. 5 AStG zu besteuern sind, wenn ein Wirtschaftsgut nach AOA-Grundsätzen einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Hier ist u.E. zu differenzieren: Im Fall eines AOA-DBA dürfte stets eine Beschränkung des Besteuerungsrechts vorliegen, so dass ein Buchwertansatz bereits nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG ausscheidet. In anderen Fällen, in denen das Besteuerungsrecht nicht beschränkt wird, könnte die Umwandlung als Begründung einer Geschäftsbeziehung i.S.d. § 1 Abs. 5 AStG, die (unentgeltliche) Überlassung der betreffenden Wirtschaftsgüter an die ausländische Betriebsstätte als nicht fremdüblich und die damit verbundene verhinderte Vermögensmehrung bei der inländischen Betriebsstätte als Einkünfteminderung i.S.d. § 1 Abs. 5 AStG angesehen werden. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass bei einer Besteuerung der stillen Reserven nach § 1 Abs. 5 AStG eine nochmalige Besteuerung derselben stillen Reserven droht, wenn das betreffende Wirtschaftsgut später tatsächlich veräußert wird, sofern die Besteuerung nach § 1 Abs. 5 AStG nicht zu einer Aufstockung des Buchwerts führt. Der BFH scheint die Anwendung des § 1 Abs. 5 AStG in diesen Fällen bislang allerdings nicht in Betracht zu ziehen.3 Würde man hingegen der Auffassung der FinVerw. folgen, wäre in einer Schattenrechnung zu überprüfen, ob das nach allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften gefundene Ergebnis (Buchwertansatz nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG durch die Einkünftekorrekturvorschrift des § 1 AStG zugunsten des deutsche Fiskus in einer zweiten Stufe zu korrigieren ist (vgl. Rz. 8.176). Im Rahmen dieser Prüfung des § 1 Abs. 5 AStG sind neben Wirtschaftsgütern auch immaterielle Werte und (sonstige) Vermögenswerte sowie Chancen und Risiken i.S.v. §§ 2, 6, 8 BsGaV zu betrachten. Die Zuordnung erfolgt nach der Personalfunktion, § 1 Abs. 5 AStG i.V.m. der BsGaV. Kann ein immaterieller Wert nicht eindeutig zugeordnet werden, kann ein immaterieller Wert den Betriebsstätten, in denen auf Dauer die Personalfunktionen mit der größten Bedeutung ausgeübt werden, auch anteilig zugeordnet werden. F ist zwar eine der D-GmbH nahestehende Person i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG. Ab dem steuerlichen Übertragungsstichtag ist aber eine Funktionsverlagerung gem. § 1 AStG von der D-GmbH auf den F nicht mehr möglich. Von da an richtet sich u.E. eine Entstrickung von einzelnen Wirtschaftsgütern aus der Betriebsstätte in das Stammhaus nach allgemeinen Grundsätzen (§ 4 Abs. 1 Satz 3 f. EStG, „aktive“ Entstrickung). Möglich ist dies nur durch konkrete Überfüh-

1 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.4, zuletzt geändert durch BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888; dem zustimmend z.B. Looks/Maier in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung, 266 (280); Hruschka/Lüdemann, IStR 2005, 76 (79 f.); Kumpf/Roth, DB 2000, 741 (745); Roth in Lüdicke, Zurechnung von Wirtschaftsgütern im Internationalen Steuerrecht, 87 (93 f.); Girlich/Philipp, Ubg 2012, 150 (151). 2 Ziehr, Einkünftezurechnung im internationalen Einheitsunternehmen, Diss., 192 f.; Andresen in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.47; Brülisauer, Gewinnabgrenzung, Diss., 165; Bucziek in Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA Deutschland – Schweiz, Art. 7 Rz. 375. 3 Im Beschluss I B 44/21 beschränkt sich der BFH auf die Prüfung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG.

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Kap. 8 Rz. 8.192 | Umwandlungen von KapGes in PersGes rungsakte (Rechtshandlungen, Realakte – Verlagerung wesentlicher Personalfunktionen – Hinweis auf Dokumentation nach § 7 GAufzVO). Die Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister führt zivilrechtlich zum Erlöschen der D-GmbH. Die Betriebsstättenfiktion endet; es liegt nunmehr eine echte Betriebsstätte des F vor.

Der Verschmelzung folgen gegebenenfalls weitere Maßnahmen zum Heben von Synergien nach. Solange sich die FinVerw. insoweit nicht allgemein oder im konkreten Einzelfall (durch eine verbindliche Auskunft) positioniert, ist hier in der Praxis noch Vorsicht geboten: – Diese nachfolgenden Maßnahmen sollten vorsorglich erst nach dem zivilrechtlichen Vollzug der Verschmelzung stattfinden. Bis zum Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wirksamkeit des Umwandlungsvorgangs sollten also keine Veränderungen eintreten, die zu einer anderweitigen Zuordnung der materiellen oder immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile (einschl. des Geschäftswerts) des deutschen Unternehmensteils führen. Ansonsten besteht in dieser Konstellation die Rechtsunsicherheit, ob in Höhe der aufgedeckten stillen Reserven der Übertragungsgewinn 1. Stufe entsprechend höher bzw. ein Übernahmeverlust entsprechend vermindert angesetzt wird und Bezüge nach § 7 UmwStG zugerechnet werden oder – u.E. zutreffend – eine Entstrickung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG mit dem Vorteil des § 4g EStG erfolgt. Dies ist vom übernehmenden Rechtsträger ggf. auch anhand einer bis zum steuerlichen Übertragungsstichtag zurückreichenden Dokumentation (§ 7 GAufzVO) nachzuweisen; – In der Folge können diese nachfolgenden Maßnahmen zu einer Überführung von Wirtschaftsgütern von der deutschen Betriebsstätte auf das Stammhaus mit der Folge einer möglichen Realisierung stiller Reserven führen; die möglichen steuerlichen Konsequenzen dieser weiteren Maßnahmen sind also nicht in § 3 UmwStG geregelt (stattdessen Entstrickung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG mit dem Vorteil des § 4g EStG). II. Hereinverschmelzung 1. Mögliche Konstellationen (Überblick)

8.193 In Betracht kommen folgende Konstellationen: – Verschmelzung nach dem deutschen UmwG einer nach deutschem Gesellschaftsstatut gegründeten Körperschaft (keine unbeschränkte Steuerpflicht im Inland bzw. DBA-Ansässigkeit im Ausland) auf eine natürliche Person (unbeschränkte Steuerpflicht bzw. Ansässigkeit im Inland, vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 2 UmwG), – Verschmelzung nach dem deutschen UmwG einer nach deutschem Gesellschaftsstatut gegründeten Körperschaft (keine unbeschränkte Steuerpflicht im Inland bzw. Ansässigkeit im Ausland) auf eine deutschem Gesellschaftsstatut unterliegende Personengesellschaftmit mindestens einem inländischen Gesellschafter (unbeschränkte Steuerpflicht bzw. Ansässigkeit im Inland,

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E. Grenzüberschreitende Umwandlungen | Rz. 8.195 Kap. 8

– Hereinverschmelzung einer nach dem Recht eines EU-/EWR-Staates errichteten Kapitalgesellschaft auf eine nach dem Recht eines EU-/EWR-Staates errichteten Personengesellschaft (vgl. §§ 305 Abs. 2, § 306 Abs. 1 Nr. 2 UmwG).1 – Verschmelzung nach ausländischem Recht einer nach ausländischem Gesellschaftsstatut gegründeten Körperschaft (keine unbeschränkte Steuerpflicht im Inland bzw. Ansässigkeit im Ausland) auf eine ausländischem Gesellschaftsstatut unterliegende Personengesellschaft mit mindestens einem inländischen Gesellschafter oder auf eine natürliche Person (unbeschränkte Steuerpflicht bzw. Ansässigkeit im Inland), dies in Abhängigkeit vom jeweiligen ausländischen (Zivil)Recht. Beispiel: Eine im EU/EWR-Ausland gegründete und ansässige Kapitalgesellschaft (D-Ltd) wird auf eine OHG mit Sitz und Geschäftsleitung in Deutschland verschmolzen. Nach ausländischem Gesellschaftsrecht soll die Verschmelzung rechtlich möglich sein; der Vorgang soll einer Verschmelzung nach deutschem Recht vergleichbar sein (zu den Kriterien s. Rz. 8.102 ff.). Lösung: Nach deutschem Umwandlungsrecht ist eine Hereinverschmelzung einer nach EU/EWR-ausländischem Gesellschaftsstatut errichteten Kapitalgesellschaft auf eine nach deutschem Recht errichtete Personengesellschaft seit 2019 möglich (§§ 122a f. UmwG a. F., nunmehr mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Gesetze2 §§ 305 ff. UmwG).

2. Steuerliche Besonderheiten a) Allgemeines Bei Verschmelzungen nach ausländischem Recht muss die Vergleichbarkeit des Vorgangs gegeben sein (dazu Rz. 8.102 ff.).

8.194

b) Besteuerung der übertragenden Gesellschaft Die übertragende ausländische Gesellschaft hat auf den steuerlichen Übertragungsstichtag eine steuerliche Schlussbilanz zu erstellen, § 3 Abs. 1 UmwStG. Das gilt auch für eine übertragende ausländische Gesellschaft bei der Hereinverschmelzung. Diese Bilanz wird für inländische Besteuerungszwecke jedenfalls dann benötigt, wenn die übertragende Gesellschaft der deutschen Besteuerung unterliegendes Vermögen hat. Zu erstellen ist dann eine steuerliche Schlussbilanz nach deutschen Regeln. Idealiter sind hierzu die Bilanzansätze der einzelnen Wirtschaftsgüter vom Zeitpunkt des Erwerbs bis zum steuerlichen Übertragungsstichtag fortzuentwickeln. In der Praxis ist dies schwierig. Scheitert die Ermittlung der Wertansätze für einzelne

1 Hingegen ist eine grenzüberschreitende Hineinverschmelzung einer Drittstaatenkapitalgesellschaft auf eine deutschem Gesellschaftsstatut unterliegende Personengesellschaft nach aktueller Gesetzeslage gesellschaftsrechtlich nicht möglich, Holle/Krüger/Weiss, IStR 2021, 489, 493 f. 2 V. 22.2.2023, BGBl. I 2023 Nr. 51 v. 28.2.2023.

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8.195

Kap. 8 Rz. 8.195 | Umwandlungen von KapGes in PersGes

Wirtschaftsgüter mangels Informationen, kommt eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gem. § 162 AO in Betracht.

8.196 Bei einer Hereinverschmelzung liegen – ähnlich wie bei einer Auslandsverschmelzung mit Inlandsbezug (inländische Betriebsstätte, vgl. Rz. 8.112) – die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG (kein Ausschluss bzw. Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts) regelmäßig vor.1 Die übertragende Körperschaft ist in beiden Konstellationen in Deutschland nur mit ihren inländischen Einkünften (beschränkt) steuerpflichtig (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Die Umwandlung ändert hieran nichts. Hinsichtlich der Wirtschaftsgüter einer im Ausland belegenen Betriebsstätte hat Deutschland vor wie auch nach der Umwandlung kein Besteuerungsrecht. 8.197 Bei der Hereinverschmelzung kann es – spiegelbildlich zur Hinausverschmelzung – unter Umständen zu einer Neuzuordnung von Wirtschaftsgütern kommen, soweit z.B. immaterielle Wirtschaftsgüter aufgrund der Zentralfunktion des Stammhauses aufgrund der Umwandlung nunmehr der inländischen Betriebsstätte der im Inland ansässigen Personengesellschaft zuzurechnen sind.2 Damit kann es zu einer Neuverstrickung von Wirtschaftsgütern kommen (zur entsprechenden Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG vgl. Rz. 8.120 f.). Zu einer Begründung des deutschen Besteuerungsrechts kommt es auch bei Wirtschaftsgütern, die einer Nicht-DBA-Betriebsstätte oder einer Betriebsstätte in einem DBA-Staat mit Anrechnungsmethode zuzuordnen sind, soweit an der übernehmenden Personengesellschaft im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner beteiligt sind. Da in diesem Fall allerdings die Verstrickung unmmittelbare Folge der Umwandlung ist, ist die Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG umstritten (dazu vgl. Rz. 8.120 f.).3 Kommt es infolge der Hereinverschmelzung zu einer Entstrickungsbesteuerung im ausländischen Staat und liegt der vom ausländischen Staat insoweit angesetzte Wert unter dem gemeinen Wert, ist entsprechend § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG Verstrickungswert der vom ausländischen Staat seiner Entstrickungsbesteuerung zugrunde gelegte Wert (Folge: niedrigere AfA-Bemessungsgrundlage als bei Ansatz des gemeinen Werts). Beispiel: Im obigen Beispiel (Rz. 8.193) hat die D-Ltd eine Betriebsstätte in Brasilien (kein DBA). Der in Deutschland ansässige D ist Mitunternehmer der OHG. Vor der Hereinverschmelzung hatte Deutschland an den Betriebsstätteneinkünften der brasilianischen Betriebsstätte kein Besteuerungsrecht. Durch die Verschmelzung kommt es zur (anteiligen) Verstrickung hinsichtlich des Betriebsstättenvermögens, da Deutschland nunmehr ein Besteuerungsrecht zusteht, soweit die Betriebsstätteneinkünfte dem D zuzurechnen sind. Das Betriebsstättenvermögen kann nach einer Auffassung nur einheitlich mit dem gemeinen Wert oder einem Buch- oder Zwischenwert angesetzt werden (keine Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG). Sofern der Ansässigkeitsstaat der D-Ltd infolge der (aus seiner Sicht Hinaus-) Verschmelzung der D-Ltd 1 Vgl. hierzu z.B. auch Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 45b (Stand: Dezember 2011); Staats in Lademann, UmwStG3, § 3 Rz. 151. 2 Kritisch hierzu Brähler, Umwandlungssteuerrecht6, 116. 3 Vgl. zum umgekehrten Fall des Ausschlusses des Besteuerungsrechts BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.19.

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E. Grenzüberschreitende Umwandlungen | Rz. 8.199 Kap. 8 auf die OHG stille Reserven in den übergehenden Wirtschaftsgütern besteuert, dabei jedoch einen unterhalb des gemeinen Wertes liegenden Wert ansetzt, ist nach einer a. A. Verstrickungswert dieser niedrigere Wert (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG).

c) Steuerlicher Rückbezug Bei der Anmeldung zur Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister ist ein steuerlicher Rückbezug – abhängig vom ausländischen Gesellschaftsrecht – ggf. auch über 8 Monate hinaus möglich (vgl. dazu bereits Rz. 8.11).

8.198

d) Besteuerung der übernehmenden Personengesellschaft und ihrer Gesellschafter Zur (erstmaligen) Verstrickung von Wirtschaftsgütern in Deutschland s. die Ausführungen in Rz. 8.120 f. sowie Rz. 8.197. III. Grenzüberschreitender Formwechsel Unter einem grenzüberschreitenden Formwechsel wird der identitätswahrende1 Formwechsel einer Gesellschaft aus dem Recht des Ursprungsstaats in eine andere Rechtsform des Zielstaats verstanden. Er geht einher mit einer Verlegung des Satzungssitzes in den Zielstaat.2 Mit der Umwandlungsrichtlinie 20193 wird erstmalig sekundärrechtlich der grenzüberschreitende Formwechsel von europäischen Kapitalgesellschaft unter der – aus deutscher Begriffssystematik irreführenden – Bezeichnung „grenzüberschreitende Umwandlung“ in Art. 86a bis 86t in die GesellschaftsrechtsRL eingeführt. Die Mitgliedstaaten müssen die MobilitätsRL bis zum 31.1.2023 in nationales Recht umsetzen. Die MobilitätsRL ist – ausgehend vom Aktionsplan Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance aus dem Dezember 2012 – der zweite Teil des sog. „Company Law Package“ aus dem April 20184. Auch §§ 333 ff. UmwG, eingeführt mit dem Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Gesetze,5 sieht keinen grenzüberschreitenden Formwechsel in eine Personengesellschaft vor. Im Jahr 2012 entschied der EuGH allerdings bereits in der Rechtssache „Vale“,6 dass die EU-Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV und 54 AEUV) einer nationalen (im 1 So zu Recht Jensch, EWS 2012, 184, 185; Thiermann, EuZW 2012, 209, 2011; Wicke, DStR 2012, 1756, 1757; Schönhaus/Müller, IStR 2013, 174, 175; in diese Richtung u.E. auch EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10 –Vale, NJW 2012, 2715 Rz. 25 f. Anders – identitätswechselnd – Hahn, jurisPR-SteuerR 39/2012 Anm. 6. 2 Zu diesem Begriff Schönhaus/Müller, IStR 2013, 174 (177). 3 V 27.11.2019 (EU) 2019/2121. 4 Als erster Teil war im Sommer 2019 bereits die Richtlinie (EU) 2019/1151 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht (DigitalisierungsRL) in Kraft getreten. 5 V. 22.2.2023, BGBl. I 2023 Nr. 51 v. 28.2.2023. 6 EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10.

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8.199

Kap. 8 Rz. 8.199 | Umwandlungen von KapGes in PersGes

konkreten Fall: italienischen) Regelung entgegensteht, die zwar für inländische Gesellschaften die Möglichkeit einer Umwandlung gestattet, aber die Umwandlung einer dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegenden Gesellschaft in eine inländische Gesellschaft mittels Gründung der letztgenannten Gesellschaft generell nicht zulässt (sog. Herein-Formwechsel). Das OLG Nürnberg übertrug diese Entscheidung im Jahr 2013 auf den Herein-Formwechsel in die deutsche Rechtsordnung.1 Im Jahr 2017 entschied der EuGH in der Rechtssache „Polbud“2 sodann den umgekehrten Fall des sog. Heraus-Formwechsels: Die Niederlassungsfreiheit umfasse auch die formwechselnde Umwandlung durch die isolierte Satzungssitzverlegung, wenn die im Zuzugsmitgliedstaat geltenden Bestimmungen für die Gründung eingehalten werden. Eine nationale Regelung, die einen grenzüberschreitenden Formwechsel durch die Verlegung des Satzungssitzes in einen anderen Mitgliedstaat davon abhängig mache, dass die Gesellschaft (im Herkunftsstaat) aufgelöst werde, sei eine unzulässige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. Trotz dieser EuGH-Rechtsprechung bestehen in der Praxis nach wie vor erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten in der tatsächlichen Durchführbarkeit von grenzüberschreitenden Formwechseln. Dies liegt vor allem daran, dass die nationalen Gesetze zur Registerführung sowie die Praxis der registerführenden Stellen kaum aufeinander abgestimmt sind. Insbesondere sind grenzüberschreitende Formwechsel, die mit einem Wechsel von einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft einhergehen, bisher nicht Gegenstand der Rspr. gewesen. Zur steuerlichen Behandlung eines solchen grenzüberschreitenden sog. rechtsforminkongruenten3 Formwechsels einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft finden im Falle der Vergleichbarkeit mit einem inländischen Formwechsel (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwStG und zu den Strukturmerkmalen eines Formwechsels Rz. 8.103a) die allgemeinen Regelungen der § 9 i.V.m. §§ 3 ff. UmwStG Anwendung.4 Insbesondere stünde eine Entstrickung von Wirtschaftsgütern durch den inkongruenten Formwechsel einem Buch- bzw. Zwischenwertansatz entgegen, § 9 i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG, und ordnet § 9 i.V.m. § 7 UmwStG eine fiktive Totalausschüttung der offenen Rücklagen an.

1 OLG Nürnberg v. 19.6.2013 – 12 W 520/13, KG v. 21.3.2016 – 22 W 64/15, OLG Frankfurt v. 3.1.2017 – 20 W 88/15, OLG Düsseldorf v. 19.7.2017 – I 3 Wx 171/16, OLG Saarbrücken v. 7.1.2020 – 5 W 79/19: Sitzverlegung = grenzüberschreitender Formwechsel einer Kapitalgesellschaft OLG Oldenburg v. 30.6.2020 – 12 W 23/20 (HR): Sitzverlegung = grenzüberschreitender Formwechsel einer PersGes. 2 C 106/16 v. 25.10.2017. Zustimmend z.B. Lamml/Wasmeier, IWB 2018, 137. 3 Zum Begriff des grenzüberschreitenden Formwechsels Schönhaus/Müller, IStR 2013, 174 (175). 4 Dazu ausführlich Jochum/Hemmelrath, IStR 2019, 517, 522. Ebenso Schönhaus/Müller, IStR 2013, 174 (178).

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E. Grenzüberschreitende Umwandlungen | Rz. 8.200 Kap. 8

IV. Grenzüberschreitender Spaltungen Mit der Umwandlungsrichtlinie 2019 wird erstmals sekundärrechtlich die grenzüberschreitende Spaltung in den Art. 160a bis Art. 160u GesellschaftsrechtsRL kodifiziert, einschließlich der Aufteilung von Rechten und Pflichten, dies jedoch nur unter Beteiligung von europäischen Kapitalgesellschaft, also nicht von einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft. Dementsprechend sieht § 321 UmwG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie nur die homogene grenzüberschreitende Spaltung von Kapitalgesellschaften in Kapitalgesellschaften vor. Bisher sind in Rechtsprechung und Literatur keine praktischen Fälle bekannt geworden, bei denen unter Berufung auf europäisches Primärrecht versucht wurde, derartige grenzüberscheitenden Spaltungen durchzuführen.1

1 Vgl. auch Holle/Krüger/Weiss, IStR 2021, 489 (493 f.).

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8.200

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Kapitel 9 Umwandlungen von Personengesellschaften in Kapitalgesellschaften A. Einleitung I. Besonderheiten deutscher Personengesellschaftsbesteuerung mit Umwandlungsrelevanz . . . . . II. Inländische Steuerrechtsaspekte für Personengesellschaftsstruktur III. Ausländische Steuerrechtsaspekte für Personengesellschaftsstruktur IV. Praxiserprobte Vorgehensweise bei Umwandlung einer Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erste Stufe: Laufender Belastungsvergleich, Exitszenario . . 2. Zweite Stufe: Ermittlung der umwandlungsbezogenen Steuerbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Einbringung einer deutschen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) in eine deutsche Kapitalgesellschaft mit Auslandsgesellschafter oder -vermögen I. Grundlagen 1. Deutsche Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) . . . . . 2. Deutsche Kapitalgesellschaft . . 3. Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . 4. Umwandlung (oder Einbringung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. (Keine) steuerpflichtige Aufdeckung stiller Reserven . . . . . II. Buchwertansatz für den Einbringungsvorgang 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendbarkeit des UmwStG a) Vorbemerkung . . . . . . . . . b) Ausländisches Vermögen . c) Ausländische Gesellschafter (natürliche Personen oder Kapitalgesellschaften) 3. Umwandlung bzw. Einbringung a) Vorbemerkung . . . . . . . . . b) Einbringungsgegenstand: Betrieb, Teilbetrieb oder

9.1 9.2 9.9 9.11 9.13 9.18

9.23 9.31 9.33 9.36 9.40 9.47 9.48 9.52

9.77

Mitunternehmeranteil i.S.d. § 20 Abs. 1 UmwStG 9.80 c) Übernehmende Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 9.85 d) Einbringung 4. Antrag (§ 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.113 III. Sperrfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.114 IV. Rückbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . 9.115 V. Ausländische Rechtsfolgen 1. Erfordernis der Prüfung ausländischer Steuerrechtsfolgen . 9.116 2. Umwandlung (bzw. Einbringung) zu deutschen steuerlichen Buchwerten . . . . . . . . . . . 9.119 3. Umwandlung (bzw. Einbringung) zu deutschen steuerlichen gemeinen Werten oder Zwischenwerten . . . . . . . . . . . . 9.123 C. Einbringung einer deutschen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) in eine ausländische Kapitalgesellschaft I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . 9.126 II. Grundlagen 1. Deutsche Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) . . . . . 9.127 2. Ausländische Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.130 3. Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . 9.133 4. Umwandlung (oder Einbringung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.137 5. (Keine) steuerpflichtige Aufdeckung steuerlicher stiller Reserven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.145 III. Buchwertansatz für den Einbringungsvorgang 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . 9.152 2. Anwendbarkeit des UmwStG a) Vorbemerkung . . . . . . . . . 9.153 b) Nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats der

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Kap. 9 | Umwandlungen von PersGes in KapGes EU oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, gegründete Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.159 c) Sitz und Ort der Geschäftsleitung innerhalb des Hoheitsgebiets eines EU- oder EWR-Staates . . . . . . . . . . . 9.162 3. Umwandlung bzw. Einbringung a) Vorbemerkung . . . . . . . . . 9.163 b) Einbringungsgegenstand . 9.164 c) Übernehmende Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 9.165 d) Einbringung 4. Buchwertansatz . . . . . . . . . . . . 9.173 a) Sicherstellung, dass das Betriebsvermögen später bei der übernehmenden Körperschaft der Besteuerung mit Körperschaftsteuer unterliegt . . . . . . . . . . . . . . . . 9.174 b) Passivposten des eingebrachten Betriebsvermögens die Aktivposten nicht übersteigen . . . . . . . 9.177 c) Begründung eines unbeschränkten oder beschränkten deutschen Besteuerungsrechts . . . . . . . . 9.182 5. Antrag (§ 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.185 IV. Sperrfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.186 V. Rückbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . 9.187 VI. Ausländische Rechtsfolgen 1. Erfordernis zur Prüfung ausländischer Rechtsfolgen . . . . . . . . 9.188 2. Umwandlung (bzw. Einbringung) zu deutschen steuerlichen Buchwerten . . . . . . . . . . . 9.192 3. Umwandlung (bzw. Einbringung) zu deutschen steuerlichen gemeinen Werten oder Zwischenwerten . . . . . . . . . . . . 9.196 D. Einbringung einer ausländischen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) in eine deutsche Kapitalgesellschaft I. Grundlagen

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1. Ausländische Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) 9.199 2. Deutsche Kapitalgesellschaft . 9.203 3. Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . 9.204 4. Umwandlung (oder Einbringung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.206 5. (Keine) steuerpflichtige Aufdeckung steuerlicher stiller Reserven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.210 II. Buchwertansatz für den Einbringungsvorgang 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . 9.218 2. Anwendbarkeit des UmwStG . 9.219 3. Umwandlung bzw. Einbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.223 4. Begründung eines deutschen Besteuerungsrechts . . . . . . . . . 9.226 5. Fiktive Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer bei Einbringung einer ausländischen Personengesellschaft (§ 20 Abs. 8 UmwStG) . . . . . . 9.229 III. Sperrfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.231 IV. Rückbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . 9.232 V. Ausländische Rechtsfolgen 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . 9.233 2. Ebene der Gesellschafter a) Vorbemerkung . . . . . . . . . 9.234 b) Aus der Sicht des ausländischen Staates intransparente Gesellschaft . . . . . 9.235 c) Aus der Sicht des ausländischen Staates transparente Gesellschaft . . . . . . . . . . 9.236 3. Ebene der ausländischen Personengesellschaft a) Vorbemerkung . . . . . . . . . 9.238 b) Aus der Sicht des ausländischen Staates intransparente Gesellschaft . . . . . 9.239 c) Aus der Sicht des ausländischen Staates transparente Gesellschaft . . . . . . . . . . 9.241 4. Wechselwirkungen zwischen deutschen und ausländischen steuerlichen Rechtsfolgen a) Umwandlung (bzw. Einbringung) zu deutschen steuerlichen Buchwerten . 9.242

Umwandlungen von PersGes in KapGes | Kap. 9 b) Umwandlung (bzw. Einbringung) zu deutschen steuerlichen gemeinen Werten oder Zwischenwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.246 E. Einbringung einer ausländischen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) in eine ausländische Kapitalgesellschaft I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . 9.250 II. Grundlagen 1. Ausländische Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) 9.251 2. Ausländische Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.254 3. Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . 9.255 4. Umwandlung (oder Einbringung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.258 5. (Keine) steuerpflichtige Aufdeckung steuerlicher stiller Reserven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.260 III. Buchwertansatz für den Einbringungsvorgang

1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . 9.265 2. Anwendbarkeit des UmwStG . 9.266 3. Umwandlung bzw. Einbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.274 4. Buchwertansatz . . . . . . . . . . . . . 9.277 5. Antrag (§ 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.282 IV. Sperrfrist, Rückbeziehung . . . . . . 9.283 V. Ausländische Rechtsfolgen . . . . . . 9.284 F. Fiktiver Formwechsel durch Option zur Körperschaftsbesteuerung I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . 9.288 II. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.291 III. Buchwertansatz für den Einbringungsvorgang 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.293 2. Voraussetzungen der Buchwertfortführung . . . . . . . . . . . . . . . . 9.294 IV. Gestaltungshinweis . . . . . . . . . . . . 9.298

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Kap. 9 | Umwandlungen von PersGes in KapGes 2015, 69; Brandi/Schmidt, Der grenzüberschreitende Formwechsel nach dem RegE zum UmRUG, DB 2022, 1880; Brähler/Heerdt, Steuerneutralität bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen unter Beteiligung hybrider Gesellschaften, StuW 2007, 260; Brühl/Weiss, „Check the box“ from good old Germany – Die Option zur Besteuerung als Körperschaft nach dem Entwurf des KöMoG, DStR 2021, 889; Brühl/Weiss, Keine Besteuerungsschaukel! – Die Rückoption zur transparenten Besteuerung nach dem Entwurf des KöMoG, DStR 2021, 945; Brühl/ Weiss, Die Option zur Körperschaftsbesteuerung nach der endgültigen Fassung des KöMoG, DStR 2021, 1617; Bungert/de Raet, Grenzüberschreitender Formwechsel in der EU, DB 2014, 762– Zugleich Besprechung von OLG Nürnberg, Beschluss vom 19. 6. 2013 – 12 W 520/13, „Moor Park II“; Burwitz, EuGH im Sinne Verder Lab Tec: Steuerentstrickung bei Überführung von Wirtschaftsgütern europarechtskonform, NZG 2015, 949; Cloer/Trinks, Einseitiges Überschreiben von DBA zulässig?, PIStB 2012, 173; Djanani/Brähler/Waldbach, Steuerplanung bei deutschen Direktinvestitionen in Ungarn, IStR 2011, 317; Dorfmüller, Die Qualifikation der deutschen GmbH & Co. KG aus US-amerikanischer Sicht: Risiken für die Anwendung des DBA-USA, IStR 2010, 644; Dötsch/Pung, SEStEG: Die Änderungen des KStG, DB 2006, 2648; Dorn/Dibbert, Gesetz zur Modernisierung des KStG (KöMoG) vorgelegt – Optionsmodell für PersGes. in Sicht!, DB 2021, 706; Dreßler/Kompolsek, Das finale BMF-Schreiben zum Optionsmodell zur Besteuerung als Kapitalgesellschaft gem. § 1a KStG, Ubg 2022; Dreßler/Kompolsek, Das Optionsmodell zur Besteuerung als Kapitalgesellschaft nach dem vom Bundestag beschlossenen KöMoG, Ubg 2021, 301; Drüen/van Heek, Die Kommanditgesellschaft auf Aktien zwischen Trennungs- und Transparenzprinzip – Eine steuersystematische Bestandsaufnahme, DStR 2012, 541; Eilers, Der Weg in die LLP, IStR 2008, 22; Ehret/Lausterer, Einleitende Erläuterungen des Umwandlungssteuererlasses und Anwendungsbereich, DB 2012, Heft 02, Beilage 1, 5; Faller/Schröder, EuGH Entstrickungsgewinnbesteuerung Verfassungskonform – Anmerkungen zum Urteil des EuGH vom 21.5.2015 – C-657/13, Verder LabTec GmbH & Co. KG gegen Finanzamt Hilden, DStZ 2015, 890; Felkai, Steueroptimale Rechtsformwahl bei Investitionen deutscher Unternehmer in Ungarn, PIStB 2010, 164; Fiedler/Mehl/Tetzlaff, Grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge – Steuerliches Zeitfenster für den Exit aus Liechtenstein, IWB 2012, 276; Fuhrmann, KöMoG: Das Optionsmodell im Umwandlungssteuerrecht – Praxisrelevante Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Wechsel des Besteuerungsregimes, NWB 2021, 2356; Glahe/Nolte, Die Mitteilungspflicht für standardisierte Dokumentationen oder Strukturen, IStR 2021, 874; Graf/Bisle, Zweifelsfragen bei der Anwendung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG bei der Verschmelzung einer Personen- auf eine Kapitalgesellschaft in Ungarn, IStR 2010, 401; Günkel/Lieber, Atypisch stille Gesellschaft als grenzüberschreitendes Gestaltungsinstrument, IWB Fach 10 Gr. 2, 1393; Haun/Klumpp, Langjährig anerkannte Formen der Auslandsinvestition als vermeintliches „Steuersparmodell“ – Eine Verteidigung des „Organschaftsmodells“ bzw. „Mittelstandsmodells“, IStR 2019, 452; Hermanns, Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) ‒ Entstehung und Überblick, DNotZ 2022, 3; Heurung/Bresgen, Übertragung und Überführung von Wirtschaftsgütern bei grenzüberschreitenden Mitunternehmerschaften, GmbHR 2014, 187; Herrler/ Schneider, Go ahead, come back – von der Limited (zurück) zur GmbH – Zivil- und steuerrechtliche Grundlagen mit Erfahrungsbericht, DStR 2009, 2433; Heckschen/Knaier, Das UmRUG auf der Zielgeraden, GmbHR 2022, R376; Hey, F., Außensteuerrecht Doppelbesteuerungsabkommen und EU-Recht im Spannungsverhältnis, FS für Helmut Debatin, 1997, 121; Hey/Bauersfeld, Die Besteuerung der Personen(handels)gesellschaften in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, der Schweiz und den USA, IStR 2005, 649; Holle/Krüger/Weiss, Die geplante Erweiterung der persönlichen Anwendbarkeit des UmwStG durch das KöMoG – Globalisierung des UmwStG?, IStR 2021, 489; Jahndorf, Ebnen MoPeG und KöMoG den Weg für eine einheitliche Unternehmenssteuer?, FR 2022, 707; Kahle/Beinert, Zur Diskussion um die Europarechtswidrigkeit der Entstrickungstatbestände nach Verder LabTec, FR 2015, 585; Kessler/Arnold, Zentralfunktion des Stammhauses, FS für Franz Wassermeyer, 2015, 271; Kollruss, Ungeklärte ertragsteuerliche Fragestellungen hybrider ausländischer Gesellschaften,

470 | Sterner

Umwandlungen von PersGes in KapGes | Kap. 9 StuW 2010, 381; Kraft, Veräußerungsgewinnbesteuerung im DBA-Kontext bei Fehlen einer Art. 13 OECD-MA entsprechenden Spezialvorschrift – Neue Einsichten für die Abkommensauslegung aus der australischen Rechtsprechung, IStR 2010, 401; Kraft/Poley, Zweifelsfragen bei der Hereinverschmelzung von Kapital- auf Personengesellschaften – eine Fallstudien – gestützte Analyse, FR 2014, 1; Linn, Änderungen in der Hinzurechnungsbesteuerung durch das ATADUmsG?, IStR 2020, 77; Lohmar, Aktuelle Fragen umwandlungssteuerlicher Entstrickung, FR 2013, 591; Lüdicke, Beteiligung an ausländischen intransparent besteuerten Personengesellschaften, IStR 2011, 91; Mayer/Käshammer, Steuerliche Implikationen des MoPeG – Wie kann ein neues (Steuer-)Recht für Personengesellschaften künftig vermieden werden?, NWB 2021, 2514; Meyering/Müller-Thomaczik, Die Option zur Besteuerung als Kapitalgesellschaft gem. KöMoG – Steuerplanerische Analyse, Ubg 2022, 95; Mitschke, Das Treaty Override zur Verhinderung einer Keinmalbesteuerung aus Sicht der Finanzverwaltung, DStR 2011, 2221; Mouldi/Loose, Greift eine Switch-over-Klausel bei Einbringung der US-Betriebsstätte einer deutschen Kapitalgesellschaft in eine US-Corporation?, IStR 2012, 829; Müller, KöMoG: Optionsmodell im Lichte steuerlicher Sperrfristen – Ein Überblick über die Wechselwirkungen, NWB 2021, 2190; Müller/Wangler, Qualifikationskonflikte bei der Beteiligung inländischer Investoren an ausländischen Personengesellschaften, IStR 2003, 145; OECD, Issues in International Taxation – The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships, No. 6, 1999; Ott, Steuerliche Fallstricke bei der Einbringung in eine Kapitalgesellschaft nach § 20 UmwStG, GmbHR 2015, 918; Ott, Ausgewählte Fragen zum Optionsmodell nach dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts, DStZ 2021, 559; Ott, Anwendungsfragen zum Optionsmodell nach dem KöMoG – Eine kritische Würdigung aus Praktikersicht, StuB 2021, 597; Passalacqua, New Tax Rules on Cross-Border Mergers and Demergers in Norway and Their Compatibility with the EEA Agreement, Intertax 2011, 547; Pohl, Ausgewählte Einzelfragen zu § 50d Abs. 9 EStG: Offene Punkte vor Klärung durch den BFH, IWB 2012, 656; Pohl, Ausgewählte internationale Aspekte des neuen Umwandlungssteuererlasses, IWB 2012, 177; Patt, Die Bedeutung der optierenden (Personen-)Gesellschaft (§ 1a KStG) bei den Einbringungsvorschriften der §§ 20 ff. UmwStG, EStB 2021, 391; Prinz, Die Reform der Besteuerung der Personengesellschaften – Ein Statement, FR 2022, 61; Prinz, Neue „Steuerkoordinaten“ für Personengesellschaften: Bestandsaufnahme, Entwicklungstendenzen, Handlungsbedarf, DB 2022, 11; Prinz, Internationale Mitunternehmerschaften und Mittelstandsmodell – Aktuelle Entwicklungslinien und Modernisierungsdiskussion, DB 2021, 914; Prinz, Steuerliches Entstrickungskonzept – gelungen oder reparaturbedürftig?, GmbHR 2012, 195; Prinz, Internationale Mitunternehmerschaften im steuerlichen Umstrukturierungsrecht, FR 2013, 1; Pyszka, Umwandlungssteuerrecht; Buchwertfortführung trotz unvollständiger, fehlender oder erstmalig nach Abgabe der Steuerbilanz eingereichter steuerlicher Schlussbilanz, GmbHR 2013, 738; Rogall, Wesentliche Aspekte des neuen Umwandlungssteuererlasses, NZG 2011, 810; Rosembuj, Hybrid Entities Why Not Tax Pass-troughs as Corporations?, Intertax 2012, 298; Roser, GewSt: Steuerliche Grundsätze der (partiellen) steuerlichen Verhaftung und Entlastung – Plädoyer für ein allgemeines Verschonungsprinzip und Folgerungen für die Gewerbesteuer, FR 2011, 1126; Rubner, Grenzüberschreitende Verschmelzungen nach Umwandlungsgesetz, NJW-Spezial 2007, 219; Schall, Erzwingt das MoPeG die rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung?, NZG 2021, 494 (497); Schaumburg, Steuerliche Restriktionen bei internationalen Umwandlungen, GmbHR 2010, 1341; Schick, Die Besteuerung der Personengesellschafter nach dem DBA Spanien – Einkünftezurechnung nach Abkommensrecht, IWB 2011, 93; Schiffers, Option zur Körperschaftsteuer nach § 1a KStG – stille Beteiligung an der Gesellschaft oder Unterbeteiligung/Nießbrauch am Anteil, DStZ 2022, 52; Schiffers/Jacobsen, Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG): Optionsmodell für Personengesellschaften, DStZ 2021, 348 Schmidt, Der UmRUG-Referentenentwurf: grenzüberschreitende Umwandlungen 2.0 – und vieles mehr, NZG 2022, 579; Schmidt, Steuergestaltung bei Direktinvestitionen in Mittel- und Osteuropa mittels Personengesellschaften – Fragen zur abkommensrechtlichen Behandlung, IWB 2011, 696; Schön-

Sterner | 471

Kap. 9 Rz. 9.1 | Umwandlungen von PersGes in KapGes feld, Umwandlungen/Ausland: Formwechsel einer italienischen PersG in KapG; Abkommensrechtliche Erfassung eines Umwandlungsgewinnes; DBA-Italien enthält keine Rückfallklausel, FR 2007, 436; Schultes-Schnitzlein/Kaiser, Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft, NWB 2009, 2500; Schulz-Trieglaff, Die Notwendigkeit und die richtige Auslegung von abkommensrechtlichen „subject-to-tax“-Klauseln, IStR 2012, 577; Stadtler/Jetter, Grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften und steuerliches Einlagekonto, IStR 2009, 336; Stevens/Fibbe, Taxation of Hybrid Entities under the Parent-Subsidiary Directive: The Example of the Netherlands, EC Tax Review 2011, 242; Stöber, Grenzüberschreitende Umwandlungen und ihre Besteuerung im Lichte der Niederlassungsfreiheit, ZIP 2012, 1273; Thiel, Unternehmensbesteuerung, FS für Norbert Herzig, 2010; Thömmes, VALE-Entscheidung des EuGH vom 12.7.2012 – Rs. C-378/10 – Grenzüberschreitende Umwandlung von Gesellschaften, NWB 2012, 3018; Ulrich, EuGH erlaubt grenzüberschreitende, identitätswahrende und rechtsformwechselnde Umwandlung, GmbHR 2012, R 217; Wacker/Krüger/Levedag/Loschelder, Zum Optionsmodell nach dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts – oder: eventus varios res nova semper habet, DStR-Beih 2021, 3; Wälzholz, Verschmelzung einer Limited auf eine GmbH, GmbH-StB 2008, 177; Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht der Personengesellschaften nach MoPeG, BB 2022, 2345; Wicke, Zulässigkeit des grenzüberschreitenden Formwechsels Rechtssache „Vale“ des Europäischen Gerichtshofs zur Niederlassungsfreiheit, DStR 2012, 1756; Wollweber/Kost, Beiträge für die Beratungspraxis GmbH 2 Go (Teil 7): Individuelle Zuordnung disquotaler Einlagen durch personenbezogenes Einlagekonto Gestaltungsmittel für eine gerechte Ausschüttungspolitik und Vermeidung schenkungsteuerlicher Aufgabenstellungen, GmbH-StB 2022, 90.

A. Einleitung I. Besonderheiten deutscher Personengesellschaftsbesteuerung mit Umwandlungsrelevanz

9.1 Im Rahmen von gewinnorientierten Investitionen mit Auslandsbezug wird in der Praxis oftmals auf die Rechtsform einer Personengesellschaft zurückgegriffen. Für diese Rechtsformwahl können eine Vielzahl von Gründen steuerlicher und nicht steuerlicher Art vorliegen.1 Ändern sich jedoch die wirtschaftlichen oder rechtlichen Rahmenbedingungen, kann die Umwandlung einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft vorteilhaft sein. Ob dies der Fall ist, bedarf stets einer Prüfung des Einzelfalls. Aus Sicht des deutschen Rechts ist für die Umwandlung einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft grundsätzlich auf die Regelungen des UmwG sowie des UmwStG zurückzugreifen. In Betracht kommt insbesondere ein Formwechsel (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 UmwStG) oder eine Einbringung (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 UmwStG). Ziel des UmwStG ist es wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen zu ermöglichen, indem unter bestimmten Voraussetzungen von einer steuerpflichtigen Aufdeckung stiller Reserven abgesehen wird.2 Der Anwendungsbereich des UmwStG war dabei aufgrund der Regelung des § 1 1 Es sollte vor einer Investition in eine ausländische Personengesellschaft immer eine eingehende zivilrechtliche und gesellschaftsrechtliche Analyse erfolgen. Dabei sollten auch die Akzeptanz der Rechtsform und eine spätere Veräußerbarkeit der Anteile berücksichtigt werden. 2 Rödder in R/H/vL3, Einf. UmwStG Rz. 5; BFH v. 30.5.2018 – I R 31/16, BStBl. II 2019, 136 (138).

472 | Sterner

A. Einleitung | Rz. 9.1 Kap. 9

Abs. 2 UmwStG a.F. bis Ende 2021 auf EU/EWR-Rechtsträger begrenzt. Mit dem KöMoG vom 25.6.20211, welches grundsätzlich zum 1.1.20222 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber das UmwStG weitgehend globalisiert und den Anwendungsbereich mit der ersatzlosen Streichung des § 1 Abs. 2 UmwStG a.F. auch auf Gesellschaften aus Drittstaaten erweitert. Zu einer Erweiterung des Anwendungsbereichs für den Formwechsel und die Einbringung von Personen- in Kapitalgesellschaften – mit denen sich dieses Kapitel beschäftigt – konnte sich der Gesetzgeber jedoch nicht durchringen.3 Für diese sind nach § 1 Abs. 4 UmwStG weiterhin die EU/EWR Kriterien zu erfüllen. Mit der Einführung des § 1a KStG hat der deutsche Gesetzgeber für Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften zudem die Möglichkeit geschaffen zur Körperschaftsteuer zu optieren und einen fiktiven Formwechsel (§ 1a Abs. 2 KStG) zu vollziehen.4 Bei der Fiktion des § 1a Abs. 2 KStG erfolgt kein gesellschaftsrechtlicher Formwechsel, sondern die antragstellende Gesellschaft wird steuerlich – ohne zivilrechtliche Wirkung5 –so behandelt als habe ein Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft stattgefunden. Die Regelungen des UmwStG sind nach § 1a Abs. 2 Satz 2 KStG jedoch entsprechend anzuwenden, weshalb eine Buchwertfortführung nur unter den Voraussetzungen des UmwStG möglich ist,6 und die Ausführungen in diesem Kapitel auf den fiktiven Formwechsel nach § 1a KStG grundsätzlich übertragbar sind. Neben den vorgenannten Änderungen der Steuerrechtsordnung, unterliegen derzeit auch die zivilrechtlichen Regelungen einem rasanten Wandel. Zu nennen sind an dieser Stelle zum einen das sog. Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) vom 10.8.2021,7 dessen Regelungen grundsätzlich zum 1.1.2024 in Kraft treten.8 Und zum anderen das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie9, durch welches der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1.2.2023 vor allem die Richtlinie (EU) 2019/2121 umsetzt und im nun neu gefassten Sechsten Buch des UmwG zivilrechtliche Regelungen zur grenzüberschreitenden Umwandlung einführt. Sowohl beim MoPeG als auch dem UmRUG handelt es sich um rein zivilrechtlich ausgerichtete Werke. Änderungen der Steuerrechtsordnung, insbesondere des UmwStG, sind in beiden Gesetzesänderungen nicht enthalten. Das Kernstück des MoPeG besteht darin die rechtlichen Entwicklungen zur Personengesellschaft, die sich unter anderem aus der Rechtsprechung des BGH der letzten Jahre ergeben haben, in Gesetzesform zu fassen.10 Die eigene Rechtsfähigkeit von Personengesellschaften, die im Außenverhältnis am Rechtsverkehr teilnehmen, ist 1 Körperschaftsteuermodernisierungsgesetz v. 25.6.2021, BGBl. 2021, 2050. 2 Art. 12 Abs. 1 des Körperschaftsteuermodernisierungsgesetz v. 25.6.2021, BGBl. 2021, 2050. 3 Prinz, FR 2021, 561 (562); Holle/Krüger/Weiss, IStR 2021, 489 (493). 4 Brühl/Weiss, DStR 2021, 889 (892). 5 Dorn/Dibbert, DB 2021, 706 (707); Ott, DStZ 2021, 559. 6 Wackerbeck in Brandis/Heuermann163, § 1a KStG Rz. 42. 7 Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz v. 10.8.2021, BGBl. 2021 I, 3436. 8 Art. 137 Satz 1 des Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz v. 10.8.2021, BGBl. 2021 I, 3436. 9 Gesetz v. 22.2.2023, BGBl. I 2023 Nr. 51 v. 28.2.2023. 10 Hermanns, DNotZ 2022, 3.

Sterner | 473

Kap. 9 Rz. 9.1 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

damit fortan nicht bloß der Rechtsprechung und h.L. zu entnehmen, sondern ausdrücklich gesetzlich geregelt. Auch wenn das MoPeG die bisherige Rechtsprechung kodifiziert und sich damit aus Sicht der Praxis in diesem Zusammenhang keine wesentlichen Änderungen für Personengesellschaften ergeben sollten, sind die Entwicklungen hinsichtlich der Neuregelungen beispielsweise im Hinblick auf den Rechtstypenvergleich zu beobachten. Zudem entfällt mit dem MoPeG das sog. „Gesamthandsvermögen“ der Personengesellschaften, woraus sich jedenfalls mittelbar Handlungsbedarf für bestimmte steuerrechtliche Vorschriften ergibt. Zu nennen sind an dieser Stelle insbesondere § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO, § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG sowie die Steuerbegünstigungsvorschriften §§ 5 und 6 GrEStG, welche ihrem Wortlaut nach an das nun nicht länger existente „Gesamthandsvermögen“ anknüpfen.1 Ob das MoPeG auch als erster Anstoß für den Übergang zu einer rechtformneutralen Besteuerung oder die lange diskutierte Einführung einer einheitlichen Unternehmenssteuer gesehen werden kann, ist im Schrifttum umstritten.2 Die Neuerungen des UmwG aufgrund des UmRUG dienen der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben und enthalten im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Umwandlungen zahlreiche Vorschriften zum Schutz der Minderheitsgesellschafter, Gläubiger und Arbeitnehmer.3 Insbesondere die praktische Umsetzung des grenzüberschreitenden Formwechsels war bisher mit erheblichen Unsicherheiten verbunden.4 Die Einführung der neuen verfahrensrechtlichen Regelungen sollte dem entgegenwirken.5 Der grenzüberschreitende Formwechsel wird jedoch auch mit Einführung des UmRUG mit den §§ 333 ff. UmwG nur für Kapitalgesellschaften geregelt. Hinsichtlich der Personengesellschaften – mit welchen sich dieses Kapitel befasst – verbleibt es beim Rückgriff auf richterliche Rechtsfortbildung.6 II. Inländische Steuerrechtsaspekte für Personengesellschaftsstruktur

9.2 Aus der Sicht des deutschen Steuerrechts sind als Gründe für die Wahl der Rechtsform der Personengesellschaft insbesondere 1. die DBA-rechtliche Freistellungsmethode 2. Unterschiede bei der Anwendung des AStG (Anrechnungsmethode statt Hinzurechnungsbesteuerung) und 3. Qualifikationskonflikte zu nennen. 1 Prinz, DB 2022, 11 (15); Jahndorf, FR 2022, 707 (708). 2 Schall, NZG 2021, 494 (497); Jahndorf, FR 2022, 707 (708); Bachem, DStR 2022, 725 (726); Prinz, FR 2022, 61 (64); Weber-Grellet, BB 2022, 2345 (2349). 3 BT-Drucks. 20/3822, 45 und 46. 4 Zum bisherigen Rechtsstand vor in Kraft treten des UmRUG siehe Brandi/Schmidt, DB 2022, 1880 (1881); Schmidt, NZG 2022, 579 (580). 5 Brandi/Schmidt, DB 2022, 1880 (1890). 6 Vossius in Widmann/Mayer202, Umwandlungsrecht, § 191 UmwG Rz. 27.1.; Heckschen/ Knaier, GmbHR 2022, R376 (R378).

474 | Sterner

A. Einleitung | Rz. 9.7 Kap. 9

Es zeigt sich dabei in der Praxis, dass bezüglich der steuerlichen Gründe, die aus Sicht des investierenden Gesellschafters für eine Personengesellschaft sprechen, je nach Rechtsform des Gesellschafters – natürliche Personen einerseits und Kapitalgesellschaften andererseits – zu differenzieren ist.

9.3

Aus der steuerlichen Sicht eines deutschen Gesellschafters, der eine natürliche Person ist, ist insbesondere wegen Ziff. 1 (DBA-rechtliche Freistellungsmethode) häufig für langfristige, gewinnorientierte ausländische Aktivitäten die Personengesellschaft die steuerrechtlich günstigste Rechtsform, da sie im Falle der Anwendbarkeit der Freistellungsmethode und vorbehaltlich ausländischer Kapitalertragsteuern eine ausschließliche (im Vergleich zu Deutschland niedrigere) Besteuerung im Ausland und gleichzeitig eine Haftungsbegrenzung (z.B. durch eine der GmbH & Co. KG ähnliche ausländische Rechtsform) ermöglichen kann.

9.4

Wenn als Investitionsgesellschaft eine aus deutscher steuerlicher Sicht als ausländische Personengesellschaft zu qualifizierende Rechtsform gewählt wird, kann aus deutscher ertragsteuerlicher Sicht aber die Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft, mit der eine ertragsteuerliche Organschaft begründet wird (sog. „Mittelstandsmodell“1), häufig notwendig und vorteilhaft sein, um ausländische Kapitalertragsteuern, z.B. durch Anwendung eines DBA-Schachtelprivilegs oder der MutterTochter-Richtlinie (bzw. der entsprechenden ausländischen Vorschriften), zu minimieren oder zu vermeiden, wenn die ausländische Gesellschaft im Ausland steuerlich als Kapitalgesellschaft behandelt wird. Hierdurch entstehen in der Regel komplexe Strukturen. Gerade im Zusammenhang mit derartigen komplexen Strukturen, die grenzüberschreitende Sachverhalte betreffen, sind die vom Gesetzgeber eingeführten Meldepflichten (§§ 138d ff. AO) zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen zu beachten.2 Ob diese jedoch tatsächlich zur Anwendung kommen, sollte vom jeweiligen Einzelfall abhängen.3

9.5

Es ist dabei zu beachten, dass nach ausländischem Zivil- und Gesellschaftsrecht auch bei Kapitalgesellschaften mehrere Gesellschafter erforderlich sein können.

9.6

Aus der steuerlichen Sicht einer deutschen Kapitalgesellschaft konnte die Rechtsformwahl in der Vergangenheit insbesondere mit Blick auf die Hinzurechnungsbesteuerung des AStG und die gewerbesteuerlichen Auswirkungen von Bedeutung sein. Die Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7 ff. AStG, die auf ausländische Kapitalgesellschaften anwendbar ist, gilt auch für die Gewerbesteuer. Einkünfte aus ausländischen Betriebsstätten unterlagen hingegen unabhängig davon, ob aktive oder passiver Einkünfte vorlagen, ursprünglich nicht der Gewerbesteuer.4 Insofern galt das Territorialitätsprinzip des § 2 Abs. 1 GewStG, der grundsätzlich einen inländischen

9.7

1 Haun/Klumpp, IStR 2019, 452 (453); Prinz, DB 2021, 914 (915). 2 Zur Anwendung der Vorschriften über die Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen s. BMF v. 29.3.2021 – IV A 3 - S 0304/19/10006 :010; IV B 1 - S 1317/ 19/10058 :011 (2021/0289747), BStBl. I 2021, 582. 3 Prinz, DB 2021, 914 (917); Glahe/Nolte, IStR 2021, 874 (879); Engelen in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld103, Außensteuerrecht, § 138e AO Rz. 45. 4 Adrian/Rautenstrauch/Sterner, DStR 2017, 1457 (1459).

Sterner | 475

Kap. 9 Rz. 9.7 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

Gewerbebetrieb als Anknüpfungspunkt der deutschen Gewerbesteuer vorsieht. Dieses Grundprinzip wurde mit der Änderung1 der gewerbesteuerlichen Behandlung der Hinzurechnungsbesteuerung (§ 7 Satz 8 GewStG i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG) jedoch durchbrochen.2 Liegen (passive) Einkünfte vor, die i.S.d. AStG als niedrig besteuert gelten, wird eine inländische Betriebsstätte fingiert und die Einkünfte unterliegen nun grundsätzlich der deutschen Gewerbesteuer, unabhängig davon, ob die Einkünfte über eine ausländische Kapitalgesellschaft oder über eine ausländische Betriebsstätte erzielt werden. Unterschiede bestehen jedoch bezüglich des Motivtestes (§ 8 Abs. 2 und Abs. 3 AStG), der gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG bei ausländischen Betriebsstätten – vorbehaltlich einer eventuellen Europarechtswidrigkeit3 – anders als bei ausländischen Kapitalgesellschaften keine Anwendung findet. Liegt eine ausländische Betriebsstätte vor, ist nach derzeitiger Rechtslage der vorgenannte Entlastungsbeweis ausgeschlossen und bleibt dem Steuerpflichtigen damit verwehrt. Im Anwendungsbereich der Hinzurechnungsbesteuerung des AStG ist für ausländische Kapitalgesellschaften ohne Geschäftsleitung oder Sitz im Inland zudem eine mit Datum vom 25.6.2021 erfolgte Änderung der Behandlung von Einkünften aus Umwandlungen zu beachten. Die bisherige Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG a.F. ist nun durch § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG ersetzt worden. Zwar verbleibt es im Grundsatz dabei, dass Gewinne aus Umwandlungen als aktive Einkünfte i.S.d. § 8 Abs. 1 AStG qualifiziert werden und daher nicht der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen.4 Eine Ausnahme gilt nach der neuen Rechtslage jedoch dann, wenn bei der Umwandlung Wirtschaftsgüter übertragen werden, die der Erzielung von passiven Einkünften im Sinne des AStG dienen. Der Gewinn aus einer Umwandlung, der auf diese Wirtschaftsgüter entfällt, wird nach § 8 Abs. 1 Nr. 9 Halbs. 2 AStG grundsätzlich (und vorbehaltlich von Ausnahmen, wie z.B. auf Grund eines funktionalen Zusammenhangs mit aktiven Einkünften) als passive Einkünfte qualifiziert und damit als schädlich angesehen.5 Im Rahmen von Umwandlungen mit Auslandsbezug kann daher mitunter ein erheblicher Dokumentations- und Deklarationsaufwand anfallen. Denn nach der neuen Regelung ist dem Grunde nach für jedes im Rahmen der Umwandlung übertragene Wirtschaftsgut nachzuweisen, ob dieses der Erzielung von aktiven oder passiven Einkünften dient.6 Jedoch wird dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eines Entlastungsbeweises eingeräumt. Demnach greift eine Rückausnahme,7 wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die Umwandlung im Inland zu Buchwerten hätte erfolgen können und im Ausland tatsächlich zu Buchwerten erfolgt ist.

1 2 3 4 5 6

BEPS I-Umsetzungsgesetz v. 23.12.2016, BGBl. I 2016, 3000. Adrian/Rautenstrauch/Sterner, DStR 2017, 1457 (1459). Vogt in Brandis/Heuermann163, § 20 AStG Rz. 29; Kraft in Kraft2, § 20 AStG Rz. 75. Vogt in Brandis/Heuermann163, § 8 AStG Rz. 331. Böhmer/Schewe/Schlücke, FR 2020, 164 (168). Vogt in Brandis/Heuermann163, § 8 AStG Rz. 333; Böhmer/Schewe/Schlücke, FR 2020, 164 (168). 7 Linn, IStR 2020, 77 (81).

476 | Sterner

A. Einleitung | Rz. 9.10 Kap. 9

Außerdem kann für eine Personengesellschaft sprechen, dass die Überführung oder Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 EStG ertragsteuerneutral zu Buchwerten erfolgen kann, auch wenn das deutsche Besteuerungsrecht für die Gewerbesteuer verloren geht, während für die ertragsteuerneutrale Einbringung in eine Kapitalgesellschaft grundsätzlich die Voraussetzungen des § 20 UmwStG (insbesondere Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil) erfüllt werden müssen.

9.8

III. Ausländische Steuerrechtsaspekte für Personengesellschaftsstruktur Aus der Sicht des ausländischen Steuerrechts können insbesondere folgende Gründe für die Wahl der Rechtsform der Personengesellschaft sprechen:

9.9

– Qualifikationskonflikte – grunderwerbsteuerliche Flexibilität Die steuerlichen und die nichtsteuerlichen Gründe, die ursprünglich für eine Personengesellschaft entscheidend waren, können jedoch wie eingangs erwähnt im Laufe der Zeit entweder entfallen oder an Gewicht verlieren, so dass der Wechsel von einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft geprüft werden muss.1 In der Praxis können darüber hinaus eine geringere Akzeptanz der ausländischen Personengesellschaft als Geschäftspartner im Ausland oder ein anstehender bzw. erfolgter Gesellschafterwechsel Gründe sein, um die Rechtsform aus steuerlicher und nichtsteuerlicher Sicht zu überprüfen. Ein weiterer Grund für die Überprüfung der Rechtsform kann sein, dass sich die ursprüngliche Gewinnprognose als unzutreffend herausstellt2 und es zu dauerhaften ausländischen Verlusten kommt. Aus deutscher Sicht können aber auch Gesetzesänderungen, zu einer Überprüfung der Rechtsform zwingen, da sie im Einzelfall zu erheblichen steuerlichen Nachteilen führen können.3

1 Zur Klarstellung ist bereits hier darauf hinzuweisen, dass im Folgenden bei einem Wechsel von einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft stets von der deutschen ertragsteuerlichen Sichtweise des sog. Typenvergleichs ausgegangen wird. Dabei ist es unerheblich, ob das ausländische Recht ebenfalls von einem Typenwechsel ausgeht oder nicht (z.B. weil der Gesellschaftsvertrag in der Weise geändert wird, dass zwar die Rechtsform unverändert bleibt, sich aber aus deutscher Sicht der Rechtstyp ändert). Umgekehrt kann es hier nicht behandelte Fälle geben, in denen ausschließlich aus der Sicht des ausländischen Rechts eine steuerrelevante Änderung vorliegt (z.B. weil ein steuerliches Wahlrecht ausgeübt wird oder der Gesellschaftsvertrag geändert wird). 2 Dieser Aspekt kann aus der Sicht des deutschen Steuerrechts insbesondere dann (wieder) an Bedeutung gewinnen, wenn die Grundsätze der sog. Marks & Spencer-Rechtsprechung zukünftig nicht mehr oder nur noch in seltenen Ausnahmefällen anwendbar sein werden (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Sache Oy – C-73/07 v. 8.5.2008). 3 An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die Sonderregelungen für die Besteuerung von Investitionen über Personengesellschaften mit Auslandsbezug stets die Gefahr einer unzulässigen Diskriminierung beinhalten, die insbesondere aus europarechtlicher Sicht bedenklich erscheinen können.

Sterner | 477

9.10

Kap. 9 Rz. 9.11 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

IV. Praxiserprobte Vorgehensweise bei Umwandlung einer Personengesellschaft

9.11 Die Umwandlung einer Personengesellschaft mit Auslandsbezug in eine Kapitalgesellschaft gehört zu den komplexesten steuerrechtlichen Fallgestaltungen, da das inländische Steuerrecht nicht mit dem ausländischen Steuerrecht abgestimmt ist und das ausländische Steuerrecht in weiten Teilen eine Vielzahl von Besonderheiten enthalten kann, die nur anhand des konkreten Einzelfalls identifiziert und analysiert werden können.1 Aus diesem Grund werden im Folgenden nur Grundzüge und ausgewählte Aspekte dargestellt, die nicht von einer Analyse der Besonderheiten des konkreten Einzelfalls entbinden. In der Regel empfiehlt sich auch – nicht nur in den ausdrücklich angesprochenen Fällen – eine Abstimmung mit der Finanzverwaltung im Rahmen verbindlicher Auskünfte. Dadurch können anderenfalls entstehende Unklarheiten und Unsicherheiten frühzeitig vermieden oder ausgeräumt werden: ggf. empfehlen sich auch anderweitige verbindliche/unverbindliche Absprachen. 9.12 Aus der Sicht der steuerrechtlichen Praxis hat sich folgende zweistufige Herangehensweise an die Aufgabenstellung in der Regel als sinnvoll erwiesen: 1. Erste Stufe: Laufender Belastungsvergleich, Exitszenario

9.13 Auf der ersten Stufe sollte zunächst für den steuerlichen Gewinnfall ein Belastungsvergleich bezüglich der zu erwartenden laufenden steuerpflichtigen „Gewinne“ zwischen der aktuell bestehenden steuerlichen Gesamtsteuerlast bei der Personengesellschaft als Investitionsobjekt einerseits und der zukünftigen steuerlichen Gesamtsteuerlast bei der Kapitalgesellschaft als Investitionsobjekt andererseits erstellt werden. Dabei sollte zu Vergleichszwecken in der Regel von einer Vollentnahme bzw. Vollausschüttung von Gewinnen ausgegangen werden. Die „Gesamtsteuerlast“ setzt sich (aus der ertragsteuerlichen Sicht eines deutschen Investors) in der Regel aus – den ausländischen laufenden Ertragsteuern zzgl. eventueller Kapitalertragsteuern (auf Ausschüttungen bzw. Entnahmen) und – den deutschen laufenden Ertragsteuern,2 die möglicherweise durch ausländische anrechenbare Steuern gemindert werden können, zusammen. Bei dem laufenden Belastungsvergleich müssen ergänzend aber auch Änderungen im Besteuerungssystem, die sich durch den Rechtsformwechsel ergeben können (z.B. im Rahmen des AStG oder des ErbStG), berücksichtigt werden.

1 Daneben sind häufig Besonderheiten des ausländischen Zivil- und Gesellschaftsrechts zu beachten. 2 Dabei sind insbesondere Unterschiede zwischen der Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer einerseits und der Gewerbesteuer andererseits sowie Besonderheiten, z.B. aufgrund des AStG (§§ 7 ff., 20 Abs. 2 AStG) oder des § 50d Abs. 9 EStG, zu berücksichtigen. Es sind außerdem die Auswirkungen der (Nicht-)Anwendbarkeit von speziellen, für Personengesellschaften geltenden steuerlichen Vorschriften (z.B. §§ 34a, 35 EStG) zu berücksichtigen.

478 | Sterner

A. Einleitung | Rz. 9.17 Kap. 9

Die ertragsteuerliche Sicht eines ausländischen Investors1 ist in der Regel mit der Sicht eines deutschen Investors vergleichbar. Jedoch stellt sich hier häufig die Frage einer Anrechnung deutscher Steuern auf die ausländische Steuer, da – auch wenn aus deutscher Sicht die DBA-rechtliche Freistellungsmethode anwendbar ist – aus der Sicht des ausländischen Investors die DBA-rechtliche Anrechnungsmethode (mit eventuellen nationalen Modifikationen) anwendbar sein kann.

9.14

In Fällen, in denen eine zukünftige Veräußerung der Gesellschaft ansteht, ist es zusätzlich erforderlich, die deutschen und ausländischen Ertragsteuern (und sonstigen Steuern), die aufgrund der Veräußerung entstehen, zu ermitteln. Dabei ist in der Regel zwischen einer Veräußerung des (gesamten) Vermögens der Gesellschaft einerseits und der Veräußerung der Anteile an der Personengesellschaft2 bzw. an der Kapitalgesellschaft andererseits als möglichen Gestaltungsvarianten zu differenzieren.

9.15

Für Zwecke der besseren Vergleichbarkeit ist es in der Regel ausreichend, folgende Vereinfachungen zu unterstellen:

9.16

– Gleiche Bemessungsgrundlage für steuerliche Zwecke in Deutschland und im Ausland sowohl vor als auch nach der Umwandlung3 – Kein Sonderbetriebsvermögen sowie keine Sonderbetriebseinnahmen und keine Sonderbetriebsausgaben – Gleiche Finanzierungsstruktur4 – Keine Änderungen von Verrechnungspreisen – Keine Währungskursschwankungen Wird auf der ersten Stufe im Rahmen der Prüfung festgestellt, dass entweder die Kapitalgesellschaft zu einer niedrigeren Gesamtsteuerbelastung im Falle der laufenden Besteuerung (oder der Veräußerung) führt oder sprechen (zwingende) außersteuerliche Gründe für einen Formwechsel, obwohl dieser zukünftig zu einer unveränderten oder höheren Gesamtsteuerbelastung führt, kann mit der Analyse auf der zweiten Stufe begonnen werden.

1 Weitere Besonderheiten ergeben sich, wenn der Investor sowohl in Deutschland (z.B. aufgrund seines gewöhnlichen Aufenthaltsorts) als auch im Ausland (z.B. aufgrund seiner Staatsbürgerschaft) unbeschränkt steuerpflichtig ist. 2 Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die Veräußerung von Anteilen an ausländischen Personengesellschaften zivilrechtlich problematisch sein kann. Deshalb ist hier im Vorfeld zu klären, was tatsächlich „veräußert“ werden kann. 3 Es kann jedoch notwendig werden, diese Vereinfachung im Verlauf der weiteren Analyse aufzugeben, insbesondere, wenn entweder ein Verkauf ansteht oder sich im Rahmen des zweiten Schrittes herausstellt, dass entweder in Deutschland oder im Ausland der Umwandlungsvorgang nur unter Aufdeckung der steuerlichen stillen Reserven erfolgen kann. 4 Insbesondere diese Vereinfachung muss im Einzelfall überprüft und bezüglich eventueller Gestaltungsalternativen analysiert werden.

Sterner | 479

9.17

Kap. 9 Rz. 9.18 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

2. Zweite Stufe: Ermittlung der umwandlungsbezogenen Steuerbelastung

9.18 Auf der zweiten Stufe sind die unmittelbaren ertragsteuerlichen Konsequenzen zu analysieren, die sich durch die Änderung der Rechtsform von einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft sowohl im Inland als auch im Ausland ergeben. Zu den unmittelbaren ertragsteuerlichen Konsequenzen können insbesondere – die steuerpflichtige Aufdeckung stiller Reserven aus der Sicht des deutschen und des ausländischen Steuerrechts1 – der Verlust von nicht genutzten Verlusten sowie – der Verlust von Zins- und EBITDA-Vorträgen gehören.

9.19 In diesem Zusammenhang sind auch eventuelle inländische ertragsteuerliche Besonderheiten (z.B. Sperrfristen, Sperrbeträge usw.) sowie ausländische ertragsteuerliche Besonderheiten zu identifizieren.2 9.20 Die weitere Prüfung der unmittelbaren ertragsteuerlichen Konsequenzen auf der zweiten Stufe erfolgt in der Praxis in der Regel in folgenden Schritten: 1. Zunächst sollte geprüft werden, ob und (wenn ja) in welcher Höhe aus der Sicht des deutschen oder des ausländischen Steuerrechts stille Reserven existieren. Können stille Reserven vollständig oder nahezu vollständig ausgeschlossen werden, kann hiermit die Prüfung zweiter Stufe in der Regel beendet werden, wenn nicht ausnahmsweise steuerliche Besonderheiten (z.B. nicht genutzte Verluste, steuerliche Sperrfristen oder Sperrbeträge) bestehen, die eine weitere Prüfung erforderlich machen. 2. Existieren steuerlich stille Reserven, ist im Folgenden zu prüfen, inwieweit Deutschland und das Ausland diesbezüglich ein Besteuerungsrecht haben. Hat entweder Deutschland, z.B. aufgrund der DBA-rechtlichen Freistellungsmethode,3 oder das Ausland, z.B. auf einer Anwendung des Trennungsprinzips, 1 Besonderheiten und „steuerliche Verwerfungen“ können sich insbesondere dann ergeben, wenn es sich aus der Sicht des deutschen Steuerrechts wegen des für die Personengesellschaften grundsätzlich geltenden Transparenzprinzips um die Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter handelt, während es sich aus der Sicht des ausländischen Steuerrechts um die Veräußerung von Anteilen an einer (Kapital-)Gesellschaft handelt. In diesen Fällen ergeben sich nicht nur Unterschiede bezüglich des Veräußerungsobjekts und des damit verbundenen Veräußerungsgewinns, sondern auch bezüglich zukünftiger Abschreibungen. 2 Neben den ertragsteuerlichen Konsequenzen (die sich beispielsweise auch aus § 6 Abs. 5 EStG oder § 34a EStG ergeben können) sind auch sonstige steuerliche Auswirkungen (z.B. Kapitalverkehrsteuern, Grunderwerbsteuern, Umsatzsteuer usw.) oder steuerähnliche Abgaben (Registergebühren usw.) sowie erbschaft- und schenkungsteuerliche Folgen zu analysieren und bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. 3 Dabei ist allerdings zu beachten, dass die DBA-rechtliche Freistellungsmethode entweder bereits DBA-rechtlich durch sog. „Aktivitätsvorbehalte“ oder (insbesondere) durch natio-

480 | Sterner

A. Einleitung | Rz. 9.20 Kap. 9

kein Besteuerungsrecht, kann für das jeweilige Land in der Regel die weitere steuerliche Prüfung beendet werden. Aus der Sicht des deutschen Steuerrechts ist dabei in der Regel wegen des räumlichen Anwendungsbereichs zwischen der Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer einerseits und der Gewerbesteuer andererseits zu differenzieren. 3. Haben Deutschland, das Ausland oder beide (etwa bei fehlendem DBA) ein Besteuerungsrecht an den (bestehenden) stillen Reserven, ist für die besteuerungsberechtigten Länder jeweils gesondert zu prüfen, ob die Umwandlung von einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft einen besteuerungsrelevanten Tatbestand darstellt. Aus der Sicht des deutschen Steuerrechts ist auf der Grundlage der herrschenden Meinung davon auszugehen, dass grundsätzlich jeder Wechsel des Rechtsträgers von einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft zu einer steuerpflichtigen Aufdeckung der stillen Reserven in dem Vermögen der Personengesellschaft führt, da hiermit wegen des Systemwechsels von der transparenten Besteuerung zur intransparenten Besteuerung ein Wechsel des Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerpflichtigen bezüglich der stillen Reserven in dem (ursprünglichen) Vermögen verbunden ist,1 wenn nicht eine Sondervorschrift eingreift, die eine Umwandlung zum steuerlichen Buchwert ermöglicht. Diese spezielle deutsche Sichtweise, die durch die unterschiedliche ertragsteuerliche Behandlung von (transparenten) Personengesellschaften einerseits und (intransparenten) Kapitalgesellschaften andererseits geprägt ist, wird im Ausland nur teilweise geteilt. Da in vielen Ländern Personengesellschaften (und ihre Gesellschafter) genauso besteuert werden wie Kapitalgesellschaften (und ihre Gesellschafter), löst dort der Wechsel von einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft häufig keine steuerlichen Konsequenzen aus. Hieraus ergibt sich aber in der Praxis umgekehrt das Problem, dass im Ausland Umwandlungen (z.B. durch Satzungsänderungen) stattfinden können, die aus deutscher ertragsteuerlicher Sicht zu einer steuerpflichtigen Aufdeckung stiller Reserven führen können, ohne dass im Ausland dieses steuerliche Risiko erkannt wird. Umgekehrt sollten auch deutsche Statusänderungen einer (Personen-)Gesellschaft vorsorglich auf ihre ausländischen steuerlichen Konsequenzen überprüft werden, wenn die Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar über ausländisches Vermögen verfügt oder ausländische Gesellschafter beteiligt sind.

nale Vorschriften (z.B. §§ 20 Abs. 2 AStG; 50d Abs. 9 EStG) eingeschränkt sein kann. Die Prüfung, ob die Freistellungsmethode im Einzelfall anwendbar ist, kann wegen der Anknüpfung deutscher Steuerfolgen an die Besteuerungssituation im Ausland (z.B. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG) im Einzelfall sehr schwierig sein; vgl. Cloer/Trinks, PIStB 2012, 173; Vorlagebeschluss des BFH v. 10.1.2012 – I R 66/09, BFHE 236, 304. 1 Ob diese allgemeine Ansicht angesichts der Regelungen in §§ 6 Abs. 5 EStG, 25 UmwStG noch ihre Berechtigung hat, sei an dieser Stelle angezweifelt. Jedoch ist für die Praxis aus Gründen der Vorsicht weiterhin von diesem Grundsatz auszugehen.

Sterner | 481

Kap. 9 Rz. 9.21 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

9.21 Im Folgenden sollen als Umwandlungen (oder Einbringungen) von Personengesellschaften in Kapitalgesellschaften grundsätzlich alle Fälle erfasst werden, in denen in der Ausgangssituation Wirtschaftsgüter aus der deutschen einkommen- und körperschaftsteuerrechtlichen Sicht (wegen des Transparenzprinzips) dem Gesellschafter einer Gesellschaft ertragsteuerlich zugeordnet werden, obwohl sie zivilrechtlich oder wirtschaftlich zum (Gesamthands-)Vermögen einer (Personen-)Gesellschaft gehören, und nach der erfolgten Umwandlung auch körperschaftsteuerrechtlich nicht mehr dem Gesellschafter, sondern der Gesellschaft an der er beteiligt ist, zugeordnet werden. 9.22 Die Umwandlung (oder Einbringung) einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft kann auf verschiedensten Wegen erfolgen, die sich insbesondere bei internationalen Vorgängen nicht abschließend beschreiben lassen.

B. Einbringung einer deutschen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) in eine deutsche Kapitalgesellschaft mit Auslandsgesellschafter oder -vermögen I. Grundlagen 1. Deutsche Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft)

9.23 Als deutsche oder inländische Personengesellschaft wird im Folgenden grundsätzlich eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), offene Handelsgesellschaft (OHG) oder Kommanditgesellschaft (KG) verstanden. Auf Besonderheiten bei anderen Personengesellschaften oder bei personengesellschaftsähnlichen Rechtsgebilden (z.B. typische oder atypische stille Gesellschaften, Unterbeteiligungen) wird nicht eingegangen. 9.24 Es wird dabei – sofern im Einzelfall nicht etwas anderes angemerkt wird – von einer gewerblich tätigen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgegangen. Zur Mitunternehmerschaft gehört dabei aus deutscher steuerrechtlicher Sicht auch das notwendige und gewillkürte Sonderbetriebsvermögen (SBV I und II), das für eine Steuerneutralität nach dem UmwStG zumindest dann mit in die Kapitalgesellschaft eingebracht werden muss, wenn es eine (funktional) wesentliche Betriebsgrundlage ist.1 9.25 Lediglich vermögensverwaltende Personengesellschaften sowie Sonderformen der Mitunternehmerschaften (z.B. gewerblich geprägte2 oder infizierte Mitunternehmer-

1 Wann diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist im Einzelfall höchst umstritten; vgl. z.B. BFH v. 16.12.2009 – I R 97/08, BStBl. II 2010, 808 und OFD Rheinland v. 23.3.2011 – S 2242 – 25 – St 111, FR 2011, 489 zur Behandlung einer Komplementär GmbH. 2 Vgl. BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BStBl. II 2014, 764; v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156; v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, 1258.

482 | Sterner

B. Einbringung einer dt. PersGes in eine dt. KapGes | Rz. 9.29 Kap. 9

schaften nach § 15 Abs. 3 EStG, Betriebsaufspaltungen, Innengesellschaften sowie Treuhandstrukturen) werden grundsätzlich nicht behandelt. Für die Personengesellschaft als primäres Investitionsvehikel sprechen aus deutscher Sicht in der Regel viele steuerliche und nicht steuerliche Gründe.

9.26

Nicht steuerliche Gründe, die für eine Personengesellschaft sprechen, sind insbesondere die flexible und den individuellen Bedürfnissen leicht anzupassende gesellschaftsrechtliche Struktur sowie kollektivarbeitsrechtliche (oder vor allem in der Vergangenheit publizitätsrechtliche) „Begünstigungen“.

9.27

Gewerblich tätige Personengesellschaften werden aus deutscher ertragsteuerrechtlicher Sicht grundsätzlich als „transparent“ behandelt.1 Eine „intransparente“ Besteuerung erfolgt nur dann, wenn ein entsprechender Antrag nach § 1a KStG gestellt und damit zur Körperschaftsbesteuerung optiert worden ist. Das Transparenzprinzip führt dazu, dass die ertragsteuerlichen Konsequenzen des wirtschaftlichen Handelns einer Personengesellschaft (mit Ausnahme der Gewerbesteuer, die aber unter den Voraussetzungen des § 35 EStG auf die persönliche Einkommensteuer pauschaliert angerechnet werden kann) grundsätzlich nur auf der Ebene des Gesellschafters eintreten und von seiner steuerlichen Position (z.B. Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht, beschränkte oder unbeschränkte Steuerpflicht, DBA-Berechtigung oder -Nichtberechtigung) abhängig sind. Dieses Transparenzprinzip führt aber auch dazu, dass bei der ertragsteuerlichen Beurteilung nicht nur das wirtschaftliche Handeln der Personengesellschaft, sondern auch das wirtschaftliche Handeln ihrer Gesellschafter, z.B. in der Form von Sonderbetriebsvermögen, Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben, steuerlichen Ergänzungsbilanzen, zu berücksichtigen ist.

9.28

Weitere wichtige steuerliche Konsequenzen dieses Transparenzprinzips sind insbesondere in Fällen mit Auslandsberührung das sog. „Stammhausprinzip“2 sowie die weitgehende steuerrechtliche Gleichstellung ausländischer Personengesellschaften mit ausländischen Betriebsstätten. Unter dem „Stammhausprinzip“ ist die von der Finanzverwaltung mit BMF Schreiben vom 24.12.19993 vertretene Auffassung zur Gewinnabgrenzung und Zuordnung von Wirtschaftsgütern zwischen dem Stammhaus eines Unternehmens und einer Betriebsstätte zu verstehen.4 Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten erfolgt eine Zuordnung zu den einzelnen Unternehmensteilen und damit einhergehend eine Abgrenzung von Besteuerungsrechten. Die Finanzverwaltung will dabei für bestimmte Wirtschaftsgüter eine vorrangige Zuordnung beim Stammhaus vornehmen (sog. Zentralfunktion des Stammhauses). Dem-

9.29

1 Es ist darauf hinzuweisen, dass das ertragsteuerliche Transparenzprinzip für gewerbesteuerliche Zwecke sowie für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke nur eingeschränkt gilt. 2 Siehe hierzu auch BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.2 ff.; kritisch Kollruss/Buße, IStR 2011, 13; Konrad, IStR 2003, 786; vgl. auch BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510; v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444. 3 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. 4 Benecke/Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker2, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 13.154; Kessler/Arnold in FS Wassermeyer, 271.

Sterner | 483

Kap. 9 Rz. 9.29 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

nach werden insbesondere dem Gesamtunternehmen dienende Finanzmittel und Beteiligungen (neutrales Vermögen) dem Stammhaus und nicht der Betriebsstätte zugerechnet.1 Nach hier vertretener Ansicht bestehen jedoch grundsätzliche Bedenken gegen das sog. Stammhausprinzip, da es keine gesetzliche Grundlage hat und auch nicht als Gewohnheitsrecht anzuerkennen ist.2

9.30 Es ist außerdem zu beachten, dass das Transparenzprinzip aus der Sicht des ausländischen Steuerrechts nur in Ausnahmefällen gilt. Im ausländischen Ertragsteuerrecht werden (auch deutsche) gewerblich tätige Personengesellschaften häufig wie Kapitalgesellschaften als steuerlich intransparent behandelt.3 Die Konsequenz ist eine Vielzahl von Qualifikations- und Zuordnungskonflikten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, die auch aus deutscher ertragsteuerlicher Sicht im Rahmen der Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft mit Auslandsbezug analysiert und berücksichtigt werden müssen. 2. Deutsche Kapitalgesellschaft

9.31 Zunächst wird als Ausgangsfall die Einbringung in eine deutsche oder inländische Kapitalgesellschaft dargestellt. Als deutsche Kapitalgesellschaft gilt dabei eine GmbH, eine AG, eine KGaA oder eine SE4 mit Sitz und tatsächlichem Ort der Geschäftsleitung ausschließlich in Deutschland. Auf die gesellschafts- und steuerrechtliche Anerkennung von Gesellschaften, deren Ort der Geschäftsleitung in einem Land außerhalb Deutschlands liegt oder die über mehrere Geschäftsleitungsorte verfügen, und die sich daraus ergebenden steuerrechtlichen Fragestellungen wird hier nicht eingegangen. 9.32 Es wird davon ausgegangen, dass die deutsche Kapitalgesellschaft, die das Zielobjekt ist, keine ertragsteuerliche Organtochter (§§ 14 ff. KStG) ist oder wird.5

1 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.4. 2 Kollruss/Buße, IStR 2011, 13 (16); mit der Neuregelung des § 1 Abs. 5 AStG durch das AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013 hat der Gesetzgeber eine Rechtsgrundlage für die Abgrenzung von Einkünften zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach Fremdvergleichsgrundsätzen geschaffen. 3 Es ist anzumerken, dass es aber auch ausländische Steuerrechtssysteme gibt, die Kapitalgesellschaften – in der Regel auf Antrag (z.B. „check-the-box“) – einem transparenten Besteuerungssystem unterwerfen. 4 Die KGaA als Sonderfall wird gesondert im Kapitel 19 Rz. 19.17 behandelt. 5 Zur Diskussion bei Einbringung in eine Organgesellschaft vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.19 (UmwSt-Erlass); Rogall, NZG 2011, 810 (813); Hötzel/Kaeser in Rödder/Rogall/Stangl, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 340 ff., sowie zur Diskussion um die Fähigkeit einer ausländischen Kapitalgesellschaft, Organtochter zu sein, BMF v. 28.3.2011 – IV C 2 - S 2770/09/10001 (2011/ 0250044), BStBl. I 2011, 300; Neumann in Gosch4, KStG, § 14 Rz. 50 Krumm in Brandis/ Heuermann163, § 14 KStG Rz. 54.

484 | Sterner

B. Einbringung einer dt. PersGes in eine dt. KapGes | Rz. 9.36 Kap. 9

3. Auslandsbezug Der Auslandsbezug kann sich sowohl aus der Einbringung von ausländischem Vermögen als auch aus der Beteiligung ausländischer Gesellschafter ergeben.

9.33

Als ausländisches Vermögen1 gilt hier materielles oder immaterielles Vermögen, das aus deutscher2 ertragsteuerlicher Sicht keiner deutschen Betriebsstätte zugeordnet werden kann.3 Aus deutscher steuerrechtlicher Sicht kann das ausländische Vermögen der deutschen Personengesellschaft entweder unmittelbar oder mittelbar über eine ausländische Tochterpersonengesellschaft gehören. Dabei kann die steuerrechtliche Zuordnung in Abhängigkeit von den anzuwendenden Gesetzen (EStG, GewStG, DBA) unterschiedlich und im Einzelfall (insbesondere bei immateriellen Wirtschaftsgütern, bei Anteilen an Kapitalgesellschaften oder bei Finanzanlagen) höchst streitig sein. Für die Qualifikation als ausländisches Vermögen im Rahmen der vorliegenden Darstellung soll es aber unerheblich sein, ob ein deutsches Besteuerungsrecht eingeschränkt oder ausgeschlossen ist.

9.34

Ausländische Gesellschafter können entweder natürliche Personen, die sowohl ihren Wohnsitz als auch ihren ständigen Aufenthaltsort im Ausland haben, oder Kapitalgesellschaften sein, die sowohl ihren Sitz als auch den Ort ihrer Geschäftsleitung im Ausland haben. Besonderheiten, die sich durch eine doppelte Ansässigkeit, durch das Auseinanderfallen von Wohnsitz und ständigem Aufenthaltsort oder das Auseinanderfallen von Sitz und Ort der Geschäftsleitung ergeben können, werden hier nicht erörtert.4

9.35

4. Umwandlung (oder Einbringung) Als Umwandlung (oder Einbringung) von einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft wird – wie eingangs dargelegt – im Folgenden jeder Vorgang verstanden, bei dem sich die deutsche einkommen- oder körperschaftsteuerrechtliche Zuordnung von Wirtschaftsgütern in der Weise ändert, dass einzelne Wirtschaftsgüter, eine Gesamtheit von Wirtschaftsgütern oder Einkünfte

1 Vgl. Abweichungen zwischen § 49 EStG (beschränkt steuerpflichtige Einkünfte) und § 121 BewG (Inlandsvermögen). 2 Im Einzelfall können Qualifikationskonflikte im Verhältnis zum Ausland bestehen, das aus deutscher Sicht ausländisches Vermögen einer deutschen Betriebsstätte zuordnet. Umgekehrt kann das Ausland Vermögen, das aus deutscher Sicht deutsches Vermögen ist, einer ausländischen Betriebsstätte zuordnen. 3 Demgemäß gelten auch Anteile an einer ausländischen Kapitalgesellschaft mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung außerhalb Deutschlands als inländisches Vermögen, wenn sie nach deutschem steuerrechtlichem Verständnis der deutschen Personengesellschaft zugeordnet werden können. Umgekehrt gehören Anteile an einer deutschen Kapitalgesellschaft zum ausländischen Vermögen, wenn sie nach deutschen steuerrechtlichen Grundsätzen keiner deutschen Betriebsstätte zugeordnet werden können. 4 Maßgeblich ist grundsätzlich der tatsächliche Verwaltungssitz, vgl. Werth in Kühn/von Wedelstedt20, § 10 AO Rz. 2 ff. m.w.N.

Sterner | 485

9.36

Kap. 9 Rz. 9.36 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

– in der Ausgangsstruktur dem Gesellschafter einer Personengesellschaft wegen des Transparenzprinzips einkommen- oder körperschaftsteuerrechtlich zugeordnet werden, obwohl sie zivilrechtlich und wirtschaftlich der Personengesellschaft gehören, und – in der Endstruktur einer Kapitalgesellschaft zugeordnet werden, der sie auch zivilrechtlich und wirtschaftlich gehören und an der die bisherigen Gesellschafter der Personengesellschaft beteiligt sind.1

9.37 Zivilrechtlich tritt auf der Ebene der Gesellschafter die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft an die Stelle der Beteiligung an einer Personengesellschaft. 9.38 Es soll dabei grundsätzlich unerheblich sein, auf welcher gesellschaftsrechtlichen oder zivilrechtlichen Grundlage (z.B. Status- bzw. Formwechsel, Gesamtrechtsnachfolge [Verschmelzung oder Ausgliederung] oder Einzelrechtsnachfolge) der Vorgang erfolgt.2 9.39 Die Umwandlung (oder Einbringung) kann auch mehrstufig z.B. in der Weise erfolgen, dass – alle Gesellschafter ihre Anteile an der Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft einbringen oder – alle vermögensmäßig Beteiligten ihren (Kommandit-)Anteil an der Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft einbringen3 und anschließend der vermögensmäßig nicht beteiligte (Komplementär-)Gesellschafter aus der Personengesellschaft austritt oder – alle Kommanditanteile sowie die Komplementär GmbH in eine Kapitalgesellschaft eingebracht werden und anschließend entweder die Komplementär GmbH aus der Personengesellschaft austritt oder auf ihre neue (Mutter-)Kapitalgesellschaft verschmolzen wird mit der zivil- und gesellschaftsrechtlichen Konsequenz, dass die Personengesellschaft4 aufgrund der Vereinigung aller Anteile in einer Hand erlischt und das Vermögen der Personengesellschaft bei der Kapitalgesellschaft anwächst.

1 Steuerliche Zuordnungen aufgrund von Treuhandverhältnissen oder Änderungen des wirtschaftlichen Eigentums werden dabei nicht berücksichtigt. Ebenso bleiben ausschließlich ausländische steuerrechtliche Änderungen der Zuordnung von Wirtschaftsgütern oder Einkünften, z.B. aufgrund von „Check-the-box“-Vorgängen, außer Betracht. 2 Besonderheiten aufgrund einer Rechtsnachfolge durch einen Erbfall oder eine Schenkung sollen allerdings nicht behandelt werden. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf § 6 Abs. 3 EStG hinzuweisen. 3 Insbesondere bei GmbH & Co. KGs, deren einziger Kommanditist auch der alleinige Gesellschafter der Komplementär-GmbH ist. 4 Die mindestens zwei Gesellschafter haben muss.

486 | Sterner

B. Einbringung einer dt. PersGes in eine dt. KapGes | Rz. 9.44 Kap. 9

5. (Keine) steuerpflichtige Aufdeckung stiller Reserven Nach allgemeinem Verständnis sind die stillen Reserven in einem Wirtschaftsgut1 u.a. dann aufzudecken und zu versteuern, wenn entweder ein Rechtsträgerwechsel bezüglich des Wirtschaftsgutes oder ein Wechsel des Besteuerungssystems stattfindet.

9.40

Die Umwandlung (bzw. Einbringung) einer deutschen Personengesellschaft in eine deutsche Kapitalgesellschaft im oben genannten Sinne stellt aus deutscher ertragsteuerrechtlicher Sicht grundsätzlich einen Rechtsträgerwechsel dar und führt deshalb nach h.M. zu einer – grundsätzlich steuerpflichtigen – Aufdeckung stiller Reserven.2 Diese Wertung gilt nach h.M. auch für den aus ausländischer Sicht „identitätswahrenden“ Formwechsel, bei dem ausschließlich aus der Sicht des deutschen Einkommen- oder Körperschaftsteuerrechts eine Änderung in der steuerlichen Zuordnung von Wirtschaftsgütern von der Ebene des (Personen-)Gesellschafters auf die Ebene der Kapitalgesellschaft stattfindet, während aus der Sicht des ausländischen Gesellschafts- und Steuerrechts keine Änderung stattfindet.3

9.41

Aus der Sicht des deutschen Ertragsteuerrechts kommt es jedoch nicht zu einer steuerpflichtigen Aufdeckung stiller Reserven, wenn entweder

9.42

– (ausnahmsweise) die steuerlichen Buchwerte fortgeführt werden können oder – Deutschland kein Besteuerungsrecht bezüglich der stillen Reserven hat. Im Falle der Umwandlung (bzw. Einbringung) einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft im hier beschriebenen Sinne ist eine Fortführung der steuerlichen Buchwerte aus der Sicht des deutschen Ertragsteuerrechts grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen der §§ 1, 20, 25 UmwStG möglich.4

9.43

Ein deutsches Besteuerungsrecht besteht bei Betriebsvermögen in der Regel nicht, wenn es sich um ausländisches Betriebsvermögen handelt und Deutschland ein Dop-

9.44

1 Der Geschäfts- oder Firmenwert ist nach der Finanzverwaltungsauffassung wohl anzusetzen, und zwar auch dann, wenn der Betrieb nicht fortgeführt wird, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.05 u. 11.03 – UmwSt-Erlass. 2 Rabback in R/H/vL3, § 25 UmwStG Rz. 6. 3 Vgl. Altendorf, GmbH-StB 2011, 210; Nitzschke in Brandis/Heuermann163, § 25 UmwStG, Rz. 11 ff. Etwas anderes gilt z.B. für die Grunderwerbsteuer, vgl. Fischer in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 377 ff. 4 Der Anwendungsbereich des § 6 Abs. 3 EStG im Verhältnis zu §§ 20, 25 UmwStG ist umstritten. Nach wohl h.M. (vgl. Kulosa in Schmidt41, § 6 EStG Rz. 714) soll § 6 Abs. 3 EStG aber nicht anwendbar sein, wenn der Übertragende an der Kapitalgesellschaft, in die der Betrieb, der Teilbetrieb oder der Mitunternehmeranteil eingebracht wird, beteiligt ist. Obwohl diese Ansicht, die offensichtlich davon ausgeht, dass insoweit die §§ 20, 25 UmwStG sowie § 6 Abs. 6 EStG die spezielleren Vorschriften sind, hier nicht geteilt wird, soll sie der nachfolgenden Darstellung zugrunde gelegt werden. In diesem Zusammenhang ist ergänzend auch auf § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG hinzuweisen, dessen Anwendungsbereich im Einzelfall geprüft werden sollte; vgl. allgemein einführend: Schultes-Schnitzlein/Kaiser, NWB 2009, 2500.

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Kap. 9 Rz. 9.44 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

pelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat, aufgrund dessen die sog. Freistellungsmethode für Betriebsstätteneinkünfte gilt. Es ist aber zu beachten, dass die Freistellungsmethode heute faktisch in vielen Fällen entweder durch DBA-rechtliche Regelungen (Aktivitäts- oder Subject-to-tax-Klauseln)1 oder durch nationale Regelungen (§§ 20 Abs. 2 AStG, 50d Abs. 9 EStG) durchbrochen wird.2

9.45 Nach der hier vertretenen Ansicht muss das sog. Stammhausprinzip, dessen Voraussetzungen, Anwendungsbereich und Grenzen aber im Einzelfall umstritten sind,3 nicht nur für deutsche Gesellschafter (ausländischer) Personengesellschaften gelten, sondern auch für ausländische Gesellschafter (deutscher) Personengesellschaften. Es sei bereits hier darauf hingewiesen, dass diese Wertung nicht nur selektiv, sondern konsequenterweise auch für Zwecke der §§ 20, 25 UmwStG gelten muss. 9.46 Es ist daher in der Praxis auf dieser Grundlage zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die Umwandlung (bzw. Einbringung) einer (deutschen) Personengesellschaft in eine (deutsche) Kapitalgesellschaft mit ausländischem Bezug, der sich sowohl durch ausländisches Vermögen als auch durch ausländische Gesellschafter ergeben kann, nach den §§ 20, 25 UmwStG steuerlich zu Buchwerten durchgeführt werden kann. II. Buchwertansatz für den Einbringungsvorgang 1. Einleitung

9.47 Für den Buchwertansatz des eingebrachten Betriebsvermögens durch den übernehmenden Rechtsträger müssen das UmwStG nach § 1 UmwStG anwendbar sein, die formellen und materiellen Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG erfüllt sein und es darf innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist des § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG nicht zu einer schädlichen Veräußerung der erhaltenen Anteile oder einem anderen schädlichen Vorgang (§ 22 Abs. 1 Satz 6 UmwStG) kommen. 2. Anwendbarkeit des UmwStG a) Vorbemerkung

9.48 Gemäß § 1 Abs. 3 UmwStG gilt der Sechste bis Achte Teil des UmwStG, zu dem auch § 20 Abs. 2 UmwStG gehört, insbesondere für 1. die Verschmelzung, Aufspaltung und Abspaltung i.S.d. §§ 2 und 123 Abs. 1 und 2 UmwG von Personenhandelsgesellschaften oder vergleichbare ausländische Vorgänge, 1 Vgl. zur Notwendigkeit und der richtigen Auslegung von abkommensrechtlichen Subjectto-tax-Klauseln: Schulz-Trieglaff, IStR 2012, 577; Mouldi/Loose, IStR 2012, 829. 2 Sofern Zweifel an der Anwendbarkeit insbesondere des § 50d Abs. 9 EStG bestehen, sollte entweder eine verbindliche Auskunft eingeholt werden oder der Mandant auf verbleibende Risiken hingewiesen werden und erforderlichenfalls die Rechtsansicht streitig verteidigt werden. 3 Zu den grundsätzlichen Bedenken gegen das sog. Stammhausprinzip, s. Rz. 9.29.

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B. Einbringung einer dt. PersGes in eine dt. KapGes | Rz. 9.50 Kap. 9

2. die Ausgliederung von Vermögensteilen i.S.d. § 123 Abs. 3 UmwG oder vergleichbare ausländische Vorgänge und 3. die Einbringung von Betriebsvermögen durch Einzelrechtsnachfolge in eine Kapitalgesellschaft. Der Anwendungsbereich des UmwStG wird aber durch § 1 Abs. 4 UmwStG eingeschränkt. Zwar hat der Gesetzgeber mit dem KöMoG das UmwStG weitestgehend globalisiert und den Anwendungsbereich mit der ersatzlosen Streichung des § 1 Abs. 2 UmwStG a.F., welcher eine Beschränkung auf EU/EWR Gesellschaften vorsah, auch auf Gesellschaften aus Drittstaaten erweitert. Diese Globalisierung des Anwendungsbereichs kommt jedoch insbesondere in Fällen der Einbringung in Kapitalgesellschaften nicht zum Tragen, da die EU/EWR Kriterien nach § 1 Abs. 4 UmwStG bestehen bleiben. Der bisherige Verweis des § 1 Abs. 4 UmwStG auf den entfallenen § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG a.F. wurde dadurch ersetzt, dass die bisherigen EU/ EWR Kriterien nun direkt in § 1 Abs. 4 UmwStG geregelt sind. Insofern handelt es sich hinsichtlich der Einbringung von Betriebsvermögen durch Einzelrechtsnachfolge in eine Kapitalgesellschaft, eine Genossenschaft oder Personengesellschaft lediglich um eine redaktionelle Anpassung und die bisherige Rechtslage bleibt bestehen.1

9.49

Für die Anwendung des § 20 Abs. 2 UmwStG ist daher zusätzlich erforderlich, dass 1. der übernehmende Rechtsträger (also die Kapitalgesellschaft, in die die Personengesellschaft umgewandelt bzw. eingebracht wird) eine Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG ist und 2. entweder – beim Formwechsel der umwandelnde Rechtsträger, bei der Einbringung durch Einzelrechtsnachfolge der einbringende Rechtsträger oder bei den anderen Umwandlungsfällen der übertragende Rechtsträger eine Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG ist oder – das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird.

Ist der umwandelnde, einbringende oder übertragende Rechtsträger eine Personengesellschaft, so ist es nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Doppelbuchst. bb UmwStG wegen des Transparenzprinzips nicht ausreichend, dass die Personengesellschaft eine Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG ist. § 1 Abs. 3 UmwStG ist in diesen Fällen nur anwendbar, soweit an der umwandelnden, einbringenden oder übertragenden Personengesellschaft Körperschaften oder natürliche Personen unmittelbar2 oder 1 Loose in Brandis/Heuermann163, § 1 UmwStG Rz. 33. 2 Es soll an dieser Stelle noch nicht thematisiert werden, unter welchen Voraussetzungen aus deutscher ertragsteuerlicher Sicht eine Personengesellschaft vorliegt, wenn die Beteiligung mittelbar über eine ausländische „Personengesellschaft“ gehalten wird. Es wird jedoch bereits hier darauf hingewiesen, dass insoweit nach wohl herrschender Meinung ein Typenvergleich anzustellen ist. Dieser Typenvergleich dürfte – obwohl nach hier vertrete-

Sterner | 489

9.50

Kap. 9 Rz. 9.50 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

mittelbar über Personengesellschaften beteiligt sind, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 UmwStG erfüllen.1

9.51 Wenn es sich bei der das Vermögen der Personengesellschaft durch Umwandlung (oder Einbringung) übernehmenden Kapitalgesellschaft um eine deutsche Kapitalgesellschaft im oben dargestellten Sinne handelt, können die Voraussetzung des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 UmwStG ohne weitere Probleme erfüllt werden. b) Ausländisches Vermögen

9.52 Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1–4 UmwStG, dass – eine Verschmelzung, eine Aufspaltung oder eine Abspaltung i.S.d. §§ 2 und 123 Abs. 3 UmwG, – eine Ausgliederung i.S.d. § 123 Abs. 3 UmwG, – ein Formwechsel i.S.d. § 190 Abs. 1 UmwG oder – eine Einbringung von Betriebsvermögen durch Einzelrechtsnachfolge in eine Kapitalgesellschaft vorliegen muss, wird bei der Umwandlung einer deutschen Personengesellschaft in eine deutsche Kapitalgesellschaft grundsätzlich erfüllt. Auch bei den dargestellten mehrstufigen Umwandlungs- bzw. Einbringungsvorgängen, die zivil- und gesellschaftsrechtlich zu einem Erlöschen der Personengesellschaft durch die Vereinigung aller Anteile in einer Hand sowie einer zivil- und gesellschaftsrechtlichen Anwachsung des Vermögens der Personengesellschaft bei der Kapitalgesellschaft führen, ist nach derzeit allgemeiner Meinung der Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes nach § 1 Abs. 3 UmwStG grundsätzlich eröffnet.2

9.53 Auch durch das Vorhandensein ausländischen Vermögens wird der (generelle) Anwendungsbereich des UmwStG im Falle der Umwandlung (bzw. der Einbringung) einer deutschen Personengesellschaft in eine deutsche Kapitalgesellschaft nicht eingeschränkt.

ner Ansicht – daran erhebliche Bedenken bestehen, nach wohl h.M. auch dann anzuwenden sein, wenn es sich um eine Gesellschaft i.S.d. Art. 3 der Richtlinie 90/434/EWG handelt, die im Ausland als steuerlich intransparente Kapitalgesellschaft qualifiziert wird. 1 Im Rahmen der Anwendungsvorschriften ist es daher nach hier vertretener Auffassung unerheblich, wer Einbringender i.S.d. § 20 UmwStG ist, vgl. hierzu BMF v. 11.11.2011 [UmwSt-Erlass] Rz. 20.03 bei der Personengesellschaft differenzierend nach dem Einbringungsgegenstand; vgl. auch BMF v. 11.11.2011 [UmwSt-Erlass] Rz. 01.47, 01.53. 2 Vgl. statt aller Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 163; zur Problematik, ob im Falle von Anwachsungen eine steuerliche Rückwirkung möglich ist, vgl. Frotscher, UmwStE 2011, zu 02.02., sowie BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978- b/08/10001 (2011/0903665) (UmwSt-Erlass), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.06, wonach § 24 Abs. 4 UmwStG für den Fall der Anwachsung keine Möglichkeit einer steuerlichen Rückbeziehung eröffnen soll.

490 | Sterner

B. Einbringung einer dt. PersGes in eine dt. KapGes | Rz. 9.57 Kap. 9

Ausländische Rechtserfordernisse für Vermögensübertragung. Es ist jedoch an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass bezüglich ausländischen Vermögens stets geprüft werden muss, ob dieses durch besondere formelle oder materielle Rechtsakte übertragen werden muss oder das ausländische zivil- und Gesellschaftsrecht die Übertragung nach deutschem Zivil- und Gesellschaftsrecht anerkennt. Für die Übertragung ausländischen Vermögens sind häufig zusätzliche Rechtsakte oder -handlungen nach ausländischem Recht erforderlich. Insbesondere die Übertragung ausländischen Grundvermögens kann der Anwendung ausländischen Rechts unterliegen.

9.54

Von der Anwendung ausländischen Zivil- und Gesellschaftsrechts kann aber auch deutsches Vermögen im Sinne der obigen Definition betroffen sein, wenn es einer ausländischen Rechtsordnung unterliegt. Von der Anwendung ausländischen Rechts können insbesondere Anteile an ausländischen Kapital- oder Personengesellschaften sowie immaterielle Wirtschaftsgüter betroffen sein.

9.55

Es gibt nach der hier vertretenen Ansicht keine Anhaltspunkte dafür, dass durch die zusätzliche Anwendung von ausländischem Zivil- oder Gesellschaftsrecht, die den zivil- und gesellschaftsrechtlich grundsätzlich nach deutschen Umwandlungs- oder Einbringungsvorschriften abzuwickelnden Vorgang unterstützen, der Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes eingeschränkt werden sollte oder könnte. Diese Ansicht wird dadurch unterstützt, dass beispielsweise auch der deutsche Formwechsel nach § 190 UmwG häufig durch begleitende zivil- und gesellschaftsrechtliche Maßnahmen begleitet werden muss, um die Ertragsteuerneutralität sicherzustellen. Die Notwendigkeit von begleitenden zivil- und gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen besteht insbesondere dann, wenn Sonderbetriebsvermögen existiert, das von dem Formwechsel, der nur das Vermögen der formwechselnden Personengesellschaft betrifft, nicht erfasst wird und deshalb in der Regel im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf die Kapitalgesellschaft übertragen werden muss.1 Allerdings kann im Einzelfall eine Abstimmung mit der Finanzverwaltung im Rahmen einer verbindlichen Auskunft empfehlenswert sein.

9.56

c) Ausländische Gesellschafter (natürliche Personen oder Kapitalgesellschaften) aa) Vorbemerkung Besondere Beachtung muss man dem (persönlichen) Anwendungsbereichs des Umwandlungssteuergesetzes schenken, wenn und soweit ausländische Gesellschafter an der umzuwandelnden (bzw. einzubringenden) Personengesellschaft beteiligt sind. 1 Dieses zivil- und gesellschaftsrechtliche Problem lässt sich in der Regel nicht durch eine Einbringung des Sonderbetriebsvermögens in das Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft vor dem Formwechsel vermeiden, da die Einbringung zum Buchwert aus dem Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen grundsätzlich mit einer Sperrfrist nach § 6 Abs. 5 EStG verbunden ist, gegen die durch den anschließenden Formwechsel verstoßen wird. Eine solche durch die wirtschaftliche Betrachtungsweise gerechtfertigte Vorgehensweise bedarf daher regelmäßig der Abstimmung mit der Finanzverwaltung im Rahmen einer verbindlichen Auskunft.

Sterner | 491

9.57

Kap. 9 Rz. 9.58 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

9.58 Der grundsätzliche Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 UmwStG ist nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Doppelbuchst. bb UmwStG ausgeschlossen, wenn an der umwandelnden, einbringenden oder übertragenden Personengesellschaft eine Körperschaft oder natürliche Person unmittelbar oder mittelbar über eine andere Personengesellschaft beteiligt ist, die nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 Buchst. a Doppelbuchst. aa UmwStG erfüllt. 9.59 Für den Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes ist deshalb nicht auf den Sitz der Personengesellschaft oder den Ort ihrer (tatsächlichen) Geschäftsleitung abzustellen, sondern die Gesellschafter der Personengesellschaft müssen (räumlich und sachlich) dem Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes unterliegen. bb) Kapitalgesellschaft als (unmittelbarer oder mittelbarer) Gesellschafter der Personengesellschaft

9.60 Wenn und soweit es sich bei dem unmittelbaren oder mittelbaren Gesellschafter der umzuwandelnden (bzw. einzubringenden) Personengesellschaft um eine Kapitalgesellschaft handelt, muss diese nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG – eine Europäische Gesellschaft im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001, – eine Europäische Genossenschaft im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 oder – eine andere Gesellschaft i.S.d. Art. 54 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union oder – des Art. 34 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sein, und – es muss sich sowohl ihr Sitz als auch der Ort ihrer Geschäftsleitung innerhalb des Hoheitsgebietes einer dieser Staaten befinden.

9.61 Ausschluss von Drittstaatengesellschaften. Zwar sind Drittstaatengesellschaften mit der Streichung des § 1 Abs. 2 UmwStG a.F. nicht mehr grundsätzlich vom Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes ausgeschlossen. Im Rahmen des § 1 Abs. 4 UmwStG muss eine Kapitalgesellschaft, die unmittelbare oder mittelbare Gesellschafterin einer Personengesellschaft ist, jedoch weiterhin die EU/EWR Voraussetzungen erfüllen. Kapitalgesellschaften, die ihren Sitz oder den Ort ihrer Geschäftsleitung in Drittstaaten außerhalb der EU und des EWR haben, fallen in diesen Fällen somit aus dem Anwendungsbereich heraus. Eine Betriebsstätte innerhalb der EU oder eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraums ist nicht ausreichend. 9.62 Für Einbringungen nach §§ 20, 25 UmwStG bleibt es damit beim Ausschluss von Drittstaatengesellschaften.1 Es bleibt abzuwarten, welche Streitigkeiten sich aus dieser Rechtslage ergeben und ob der Gesetzgeber, wie in der Literatur gefordert,2 in Zukunft zu einer vollständigen Globalisierung des UmwStG übergehen wird. 1 Holle/Krüger/Weiss, IStR 2021, 489 (492). 2 Prinz, FR 2021, 561 (564).

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B. Einbringung einer dt. PersGes in eine dt. KapGes | Rz. 9.66 Kap. 9

Zugezogene Gesellschaften. Problematisch ist der Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes, wenn die Kapitalgesellschaft zwar ihren Sitz und den Ort ihrer Geschäftsleitung im räumlichen Anwendungsbereich des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG hat, aber formal zunächst außerhalb der EU oder der Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums gegründet worden ist und erst nach ihrer Gründung „identitätswahrend“ zugezogen ist. Nach der hier vertretenen Ansicht ist § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG europarechtskonform in dem Sinne auszulegen, dass auch eine Kapitalgesellschaft, die nach ihrer Gründung in die EU oder in einen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums zugezogen ist und die dortigen Gründungsvoraussetzungen erfüllt, als in der EU oder in einem Staat der Europäischen Wirtschaftsraum „gegründet“ gelten muss, unabhängig davon, ob der Zuzug „identitätswahrend“ war oder nicht. Für diese Ansicht spricht auch der Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 2 UmwStG a.F., welcher eine Gründungsfiktion im Sitzstaat der Gesellschaft vorsah. Unabhängig von der rechtlichen Problematik kann es in der Praxis Schwierigkeiten bereiten, die zivil- und gesellschaftsrechtliche Gründungsgeschichte der Kapitalgesellschaft nachzuvollziehen.

9.63

cc) Natürliche Person als (unmittelbarer oder mittelbarer) Gesellschafter Wenn und soweit natürliche Personen an der umzuwandelnden (bzw. einzubringenden) Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind, ist es für den räumlichen Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Doppelbuchst. bb UmwStG erforderlich, dass sie

9.64

– ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort innerhalb eines Mitgliedstaates der EU oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, hat und – nicht aufgrund eines DBA als außerhalb dieser Staaten ansässig angesehen wird. Es ist demnach grundsätzlich ausreichend, dass entweder der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthaltsort innerhalb der EU oder des Europäischen Wirtschaftsraums liegt, wenn es nicht aufgrund von DBA zu einer Ansässigkeit außerhalb dieser Staaten kommt. Nicht ausreichend für den persönlichen Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes ist eine Staatsbürgerschaft oder Betriebsstätte innerhalb des räumlichen Anwendungsbereichs. Ob diese Beschränkung des Anwendungsbereichs sachgerecht und EU-rechtlich zulässig ist, soll hier nicht analysiert werden, da die Praxis zunächst an die gesetzlichen Vorgaben gebunden ist und erforderlichenfalls Gestaltungen finden muss, um in den gesetzlich vorgegebenen Anwendungsbereich zu gelangen.

9.65

dd) Deutsches Besteuerungsrecht an dem Gewinn aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile Da der Gesetzgeber bereits im Gesetzgebungsverfahren erkannt hat, dass der Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes insbesondere durch den dargestellten persönlichen Anwendungsbereich des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwStG zu sehr eingeSterner | 493

9.66

Kap. 9 Rz. 9.66 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

schränkt werden kann, hat er es unabhängig von dem persönlichen Anwendungsbereich für die (unmittelbar oder mittelbar) einbringenden Gesellschafter als ausreichend angesehen, wenn das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG).1

9.67 Besteuerungsrecht für Anteile des Auslandsgesellschafters. Soweit nicht nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a UmwStG begünstigte natürliche Personen oder Kapitalgesellschaften an der umzuwandelnden (bzw. einzubringenden) Personengesellschaft beteiligt sind, muss deshalb geprüft werden, ob und erforderlichenfalls wie das deutsche Besteuerungsrecht an einem Gewinn aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile sichergestellt werden kann, so dass es weder ausgeschlossen noch beschränkt ist und somit die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG erfüllt sind. 9.68 Es ist zunächst festzuhalten, dass es nach dem Wortlaut des Gesetzes nur um das deutsche Besteuerungsrecht an dem Gewinn aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile geht. Unerheblich ist dementsprechend ein Besteuerungsrecht an den „Nutzungen“2 aus den Anteilen und insbesondere den Dividenden, die auf den Anteil ausgeschüttet werden. 9.69 Nach der hier vertretenen Ansicht ist es für die Anwendung des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG unerheblich, ob – stille Reserven auf bereits bestehende Anteile überspringen, die nicht dem (uneingeschränkten) deutschen Besteuerungsrecht unterliegen, und – nachträglich das deutsche Besteuerungsrecht an dem Gewinn aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile eingeschränkt oder ausgeschlossen wird.

9.70 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nach § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG ein veräußerungsähnlicher Tatbestand vorliegt, der zur Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 1–5 UmwStG führt, wenn (innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist) für den Einbringenden die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 UmwStG nicht mehr erfüllt sind. 9.71 Bei der Prüfung, ob das deutsche Besteuerungsrecht an einem Gewinn aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile eingeschränkt wird, ist einerseits zwischen Gesellschaftern, die nicht dem Anwendungsbereich eines DBA unterliegen, und andererseits Gesellschaftern, die dem Anwendungsbereich eines DBA unterliegen, zu unterscheiden.

1 Nach der hier vertretenen Ansicht ist ein faktischer Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts, z.B. aufgrund von Vollzugs- oder Informationsdefiziten, nicht ausreichend, um § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG auszuschließen. 2 Vgl. den insoweit weiter gehenden Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, wonach einer Entnahme für betriebsfremde Zwecke der Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts gleichsteht.

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B. Einbringung einer dt. PersGes in eine dt. KapGes | Rz. 9.75 Kap. 9

Wenn der (ausländische) Gesellschafter nicht dem Anwendungsbereich eines DBA unterliegt, unterliegt ein Gewinn aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen, die er für die Umwandlung (bzw. der Einbringung) erhält, insbesondere unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a oder e EStG der beschränkten Einkommensteuerpflicht in Deutschland. Demnach sind Gewinne aus einer Veräußerung von Anteilen in Deutschland insbesondere dann beschränkt steuerpflichtig, wenn sie entweder

9.72

– einer deutschen Betriebsstätte zuzuordnen sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) oder – die Voraussetzungen des § 17 EStG (u.a. mindestens 1-prozentige Beteiligung) erfüllt sind und die Kapitalgesellschaft, deren Anteile veräußert werden, entweder ihren Sitz oder den Ort ihrer Geschäftsleitung in Deutschland hat (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG). Bei der Umwandlung (bzw. Einbringung) in eine deutsche Kapitalgesellschaft sollten die Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG in aller Regel gut erfüllbar sein, so dass das deutsche Besteuerungsrecht weder eingeschränkt noch beschränkt wird.

9.73

DBA-Anwendungsfragen für deutsches Besteuerungsrecht. Schwieriger ist der Fall eines bestehenden DBA. In diesen Fällen ist das deutsche Besteuerungsrecht in der Regel sowohl von tatsächlichen Sachverhaltsfragen als auch von umstrittenen DBAAuslegungsfragen abhängig. Deshalb ist eine Abstimmung mit den zuständigen Finanzbehörden im In- und Ausland dringend zu empfehlen, da Deutschland und das Ausland möglicherweise unterschiedliche DBA-Auslegungen vertreten.

9.74

Da es in Abhängigkeit von dem anzuwenden DBA auch zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann, soll im Folgenden eine in der Praxis bewährte Prüfreihenfolge dargestellt werden, die anhand des konkreten Sachverhalts oder des konkret anzuwendenden DBA überprüft und eventuell ergänzt oder angepasst werden muss.

9.75

(i) Zunächst ist die konkrete Anwendbarkeit des DBA zu überprüfen. Ggf. sind auch DBA-Änderungen oder der Neuabschluss eines DBA in den Blick zu nehmen. (ii) In einem zweiten Schritt ist zu klären, ob das DBA für die Besteuerung eines Gewinns aus der Veräußerung der als Gegenleistung zu gewährenden Anteile eine besondere Regelung enthält. Dabei kann es sich beispielsweise entweder um eine spezielle Regelung für die Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft handeln oder um eine Regelung, die Anteile an einer Kapitalgesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. im Falle sog. Immobiliengesellschaften) einer besonderen Einkünftekategorie zuordnet. (iii) Im dritten Schritt ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer weiteren Einkünftekategorie (z.B. Betriebsstätteneinkünfte) erfüllt sind, der die Veräußerung der Anteile an der Kapitalgesellschaft ebenfalls zugeordnet werden kann.

Sterner | 495

Kap. 9 Rz. 9.75 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

(iv) Können die Einkünfte aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften mehreren Einkünftekategorien zugeordnet werden, ist das DBA-rechtliche Konkurrenzverhältnis zwischen den Einkünftekategorien zu klären. (v) Abschließend kann dann geklärt werden, ob das deutsche Besteuerungsrecht durch das DBA beschränkt oder eingeschränkt wird.

9.76 Nach der hier vertretenen Ansicht ist noch nicht abschließend geklärt, welche Auswirkungen DBA-rechtliche und deutsche Aktivitätsvorbehalte, Subject-to-tax-Regelungen oder die §§ 20 Abs. 2 AStG, 50d Abs. 9 EStG in diesem Zusammenhang haben können. Wenn Deutschland ein Besteuerungsrecht dem Grunde nach hat, ist es nach der hier vertretenen Ansicht nicht ausreichend, dass dieses abstrakte Besteuerungsrecht durch das DBA ausgeschlossen oder beschränkt wird. Es ist vielmehr erforderlich, dass der ausländische Staat sein (vorrangiges) Besteuerungsrecht tatsächlich wahrnimmt und hierdurch das deutsche Besteuerungsrecht im Zeitpunkt der Anteilsgewährung konkret ausgeschlossen oder beschränkt wird, um eine Anwendung des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b UmwStG auszuschließen.1 3. Umwandlung bzw. Einbringung a) Vorbemerkung

9.77 Ist das Umwandlungssteuergesetz dem Grunde nach anwendbar, sind die konkreten Voraussetzungen (§§ 20 Abs. 2 Satz 2, 25 UmwStG) für eine Umwandlung (bzw. Einbringung) einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft zum steuerlichen Buchwert zu prüfen und nach Möglichkeit zu erfüllen. 9.78 Für eine Einbringung zum Buchwert aus der Sicht des deutschen Steuerrechts ist es nach § 20 Abs. 1 UmwStG insbesondere erforderlich, dass – ein Betrieb, Teilbetrieb oder ein Mitunternehmeranteil – in eine Kapitalgesellschaft (übernehmende Gesellschaft) eingebracht wird und – der Einbringende (als Gegenleistung) für die Einbringung neue Anteile an der übernehmenden Gesellschaft erhält.

9.79 Ein einheitlicher steuerlicher Buchwertansatz, der eines nach § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG form- und fristgerecht zu stellenden Buchwertantrags bedarf, ist nach § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG aber nur zulässig, soweit – sichergestellt ist, dass das von der Kapitalgesellschaft übernommene Betriebsvermögen später bei der übernehmenden Gesellschaft der Besteuerung mit Körperschaftsteuer unterliegt, – die steuerlichen Passivposten des eingebrachten Betriebsvermögens (ohne Berücksichtigung des Eigenkapitals) die steuerlichen Aktivposten nicht übersteigen, 1 Kommt es allerdings nachträglich zu einem Ausschluss oder zu einer Beschränkung des konkreten deutschen Besteuerungsrechts, kann ein Fall des § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG vorliegen.

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B. Einbringung einer dt. PersGes in eine dt. KapGes | Rz. 9.83 Kap. 9

– das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens bei der übernehmenden Gesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird und – der gemeine Wert von sonstigen Gegenleistungen, die neben den neuen Gesellschaftsanteilen gewährt werden, nicht mehr als 25 % des Buchwerts des eingebrachten Betriebsvermögens oder nicht mehr als 500.000 €, höchstens jedoch den Buchwert des eingebrachten Betriebsvermögens beträgt. b) Einbringungsgegenstand: Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil i.S.d. § 20 Abs. 1 UmwStG Wird eine deutsche Personengesellschaft in eine deutsche Kapitalgesellschaft umgewandelt (bzw. eingebracht), liegt in der Regel ein für die Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG tauglicher Einbringungsgegenstand vor.

9.80

Wird eine Personengesellschaft, also ein Mitunternehmeranteil, in eine Kapitalgesellschaft eingebracht, ist für die Ertragsteuerneutralität darauf zu achten, dass auch Sonderbetriebsvermögen zum Mitunternehmeranteil gehört, das grundsätzlich mit einzubringen ist, um eine steuerliche Buchwertfortführung zu ermöglichen.

9.81

Sonderfragen bei Auslandsvermögen. Soweit aber ausländisches Vermögen Teil des einzubringenden Betriebsvermögens ist oder ein ausländischer Gesellschafter an der Umwandlung (bzw. der Einbringung) beteiligt ist, kann sich die Frage stellen, ob es für die Buchwertfortführung erforderlich ist, dass auch solches Vermögen mit in die Kapitalgesellschaft eingebracht werden muss, dass zwar aus isolierter deutscher umwandlungssteuerrechtlicher Sicht zum Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft gehört, weil es entweder zum Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft gehört oder eine wesentliche Betriebsgrundlage des Sonderbetriebsvermögens ist,1 an dem aber (nach § 49 EStG oder aufgrund eines DBA) kein deutsches Besteuerungsrecht besteht, mit in die Kapitalgesellschaft eingebracht werden muss. Nach der hier vertretenen Ansicht muss (ausländisches) Vermögen, das in Deutschland nicht steuerverstrickt ist, nicht zwingend in die übernehmende Kapitalgesellschaft eingebracht werden. Es kann entweder vor der Umwandlung (bzw. Einbringung) entnommen werden, wenn es sich im Gesamthandsvermögen befindet, oder muss zivil- und gesellschaftsrechtlich nicht in die übernehmende Kapitalgesellschaft eingebracht werden, wenn es sich im Sonderbetriebsvermögen befindet. Die vorherige Entnahme oder die Nichteinbringung von nicht in Deutschland steuerverstricktem Vermögen kann auch keinen Gestaltungsmissbrauch darstellen, da Deutschland an solchem Vermögen kein steuerliches Interesse hat und haben kann.

9.82

Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die hier vertretene einschränkende Ansicht nur dann gilt, wenn ein deutsches Besteuerungsrecht vollständig (sowohl bezüglich eines Veräußerungsgewinns als auch bezüglich der Nutzungen) ausgeschlossen ist. Ist das deutsche Besteuerungsrecht lediglich beschränkt oder wird es aufgrund be-

9.83

1 Vgl. Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 124 ff.

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Kap. 9 Rz. 9.83 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

sonderer Vorschriften (z.B. § 8b Abs. 2 KStG) tatsächlich nicht ausgeübt, ist dieses nicht ausreichend. Die Einbringung solcher Wirtschaftsgüter ist – wenn sie nach allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen zum Mitunternehmeranteil gehören – zwingend erforderlich.

9.84 Irrelevanz des Stammhausprinzips. Es erscheint derzeit noch ungeklärt, welche Auswirkungen das sog. Stammhausprinzip bei internationalen Sachverhalten auf den Umfang der einzubringenden Mitunternehmerschaft hat. Das Stammhausprinzip kann zu einer Zuordnungskonkurrenz führen. Nach der hier vertretenen Ansicht ist das sog. Stammhausprinzip grundsätzlich – zumindest in den Fällen, in denen der Gesellschafter kein eigenes Betriebsvermögen hat oder mehrere Gesellschafter vermögensmäßig an der Mitunternehmerschaft beteiligt sind – abzulehnen. Nach dieser Ansicht hat das Stammhausprinzip keinen Einfluss auf den Umfang des einzubringenden Betriebsvermögens. Wendet man jedoch das Stammhausprinzip an, erscheint es sehr gut begründbar und vertretbar, dass solche Wirtschaftsgüter, die (vorrangig) dem Stammhaus und nicht dem Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft zuzuordnen sind, nicht in die übernehmende Kapitalgesellschaft eingebracht werden müssen, damit die steuerliche Buchwertfortführung nach § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG möglich ist. c) Übernehmende Kapitalgesellschaft

9.85 Die übernehmende Gesellschaft muss eine Kapitalgesellschaft sein. Diese Voraussetzung ist bei einer deutschen Kapitalgesellschaft im obigen Sinne erfüllt. 9.86 Fraglich könnte die Anwendung des § 20 UmwStG auf die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) sein, da diese für steuerliche Zwecke – bezogen auf den Komplementäranteil – wie eine transparente (Personen-)Gesellschaft behandelt wird (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG). Da die KGaA aber aufgrund der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ausdrücklich zu den Kapitalgesellschaften gehört, ist davon auszugehen, dass die KGaA grundsätzlich (zumindest für die als Kommanditaktionäre beteiligten Gesellschafter) auch für Zwecke des Umwandlungssteuergesetzes als Kapitalgesellschaft gilt. Ob diese steuerliche Behandlung der KGaA als Kapitalgesellschaft auch für einen am Vermögen der KGaA beteiligten Komplementär gilt oder für ihn § 24 UmwStG (entsprechend) anwendbar ist, soll an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden.1 d) Einbringung aa) Vorbemerkung

9.87 Über die Art und Weise der (Umwandlung bzw.) Einbringung der Mitunternehmeranteile enthält § 20 Abs. 1 UmwStG keine Aussage. Es ist jedoch erforderlich, dass als Gegenleistung für die Einbringung neue Anteile an der übernehmenden Kapitalge-

1 Vgl. hierzu Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 185 f.

498 | Sterner

B. Einbringung einer dt. PersGes in eine dt. KapGes | Rz. 9.95 Kap. 9

sellschaft gewährt werden. Diese Voraussetzung muss bei allen nachfolgend dargestellten Umwandlung (bzw. Einbringungen) erfüllt werden. Die Arten der Einbringung sind aber schon durch den sachlichen Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 UmwStG beschränkt.

9.88

Die Umwandlung (bzw. Einbringung) einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft kann (wegen der Transparenz der Personengesellschaft) grundsätzlich entweder dadurch erfolgen, dass die Personengesellschaft ihr (gesamtes) Betriebsvermögen in eine Kapitalgesellschaft einbringt oder sämtliche Anteile an der Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft eingebracht werden und die Personengesellschaft aufgrund der Anteilsvereinigung in einer Hand erlischt.

9.89

In der Praxis werden regelmäßig folgende (nicht abschließende) Weg zur Umwandlung (bzw. Einbringungen) einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft gewählt.1

9.90

bb) Einbringungsmodell durch Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge Die Personengesellschaft bringt ihr gesamtes Gesamthandsvermögen im Wege der Einzelrechtsnachfolge oder im Wege der Gesamtrechtsnachfolge durch eine Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 UmwG in eine Tochterkapitalgesellschaft ein.

9.91

Es ist dabei zu beachten, dass einbringungspflichtiges Sonderbetriebsvermögen möglichst in einem einheitlichen Vorgang zeitgleich in die Kapitalgesellschaft eingebracht wird.

9.92

Soweit ausländisches Vermögen vorhanden ist, muss geprüft werden, ob ausländisches Zivil- und Gesellschaftsrecht zusätzliche materielle oder formelle Anforderungen an den Übertragungsakt stellt, die für eine wirksame Übertragung erfüllt werden müssen.

9.93

cc) Anwachsungsmodell (mit Modifikationen) In der Praxis erweist sich häufig die Übertragung aller Anteile an der Personengesellschaft auf die Kapitalgesellschaft als eine einfachere Vorgehensweise. Durch die Übertragung aller Gesellschaftsanteile auf die Kapitalgesellschaft kommt es zu einer Vereinigung aller Anteile an der Personengesellschaft in der Hand der Kapitalgesellschaft mit der Konsequenz, dass die Personengesellschaft erlischt und ihr Vermögen bei der Kapitalgesellschaft anwächst (Anwachsungsmodell).

9.94

Wenn ein Gesellschafter (z.B. eine Komplementär-GmbH) an dem Vermögen der Personengesellschaft nicht beteiligt ist, kann das Anwachsungsmodell häufig in der Weise modifiziert werden, dass entweder

9.95

1 Einen Überblick über die Umwandlungsmöglichkeiten nach dem UmwG gibt Patt in D/P/ M108, § 20 UmwStG Rz. 161b.

Sterner | 499

Kap. 9 Rz. 9.95 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

– nur die am Vermögen beteiligten Gesellschafter der Personengesellschaft ihre Anteile in die Kapitalgesellschaft einbringen1 oder – alle vermögensmäßig beteiligten Anteile an der Personengesellschaft zusammen mit der Beteiligung an der Komplementär-GmbH in die Kapitalgesellschaft eingebracht werden und anschließend der vermögensmäßig nicht beteiligte Gesellschafter aus der Personengesellschaft austritt oder auf die Kapitalgesellschaft verschmolzen wird. Auch diese Vorgehensweisen führen dazu, dass sämtliche Anteile an der Personengesellschaft in der Hand der Kapitalgesellschaft vereinigt werden (modifizierte Anwachsungsmodelle) mit der Konsequenz, dass die Personengesellschaft erlischt und ihr Vermögen bei der Kapitalgesellschaft anwächst.

9.96 Auch bei den Anwachsungsmodellen muss eventuell vorhandenes Sonderbetriebsvermögen (möglichst zeitgleich in einem einheitlichen Übertragungsvorgang) auf die Kapitalgesellschaft übertragen werden. 9.97 Sofern ausländisches Vermögen vorhanden ist, muss auch bei den Anwachsungsmodellen überprüft werden, ob besondere ausländische zivil- oder gesellschaftsrechtliche Regelungen beachtet werden müssen. dd) Verschmelzung

9.98 In Betracht kommt auch die Verschmelzung der Personengesellschaft auf die Kapitalgesellschaft. In der Praxis hat diese Vorgehensweise jedoch bislang kaum Bedeutung erlangt, da sie in der Regel aufwendiger als die vorgenannten Vorgehensweisen ist. ee) Formwechsel

9.99 Möglich ist auch der Formwechsel nach § 190 UmwG. Allerdings hat auch dieser in der Praxis bislang nur eine untergeordnete Bedeutung erlangt. ff) Buchwertansatz

9.100 Die Möglichkeit eines einheitlichen Buchwertansatzes erfordert, dass die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG erfüllt werden. (1) Sicherstellung, dass das Betriebsvermögen später bei der übernehmenden Körperschaft der Besteuerung mit Körperschaftsteuer unterliegt

9.101 Bei der Einbringung in eine deutsche Kapitalgesellschaft, die die oben dargestellten Voraussetzungen erfüllt, kann das Besteuerungsrecht mit Körperschaftsteuer i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UmwStG grundsätzlich sichergestellt werden. 1 Aus steuerrechtlichen Gründen ist es hierfür erforderlich, dass die Beteiligung an der Komplementär-Gesellschaft nicht (als wesentliche Betriebsgrundlage) zum Sonderbetriebsvermögen gehört.

500 | Sterner

B. Einbringung einer dt. PersGes in eine dt. KapGes | Rz. 9.106 Kap. 9

Es ist aber anzumerken, dass auch die Sicherstellung der Besteuerung mit ausländischer Körperschaftsteuer ausreichend ist, jedoch ist in diesen Fällen § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG zu beachten.1 Die Sicherstellung der Besteuerung mit Gewerbesteuer ist demgegenüber weder erforderlich2 noch ausreichend.

9.102

Wegen des Wortlauts der Vorschrift wird die Ansicht vertreten, dass das Besteuerungsrecht nicht nur im Zeitpunkt der Einbringung, sondern bis zur Realisation sichergestellt sein müsse.3 Dieser Ansicht kann nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht gefolgt werden, da hierdurch Überwachungspflichten und -fristen ausgelöst würden, die nicht erfüllt werden können und daher zu einem strukturellen Vollzugsdefizit führen würden. Der Gesetzgeber wollte lediglich klarstellen, dass bei der Einbringung in eine steuerbefreite Körperschaft der Buchwert- oder Zwischenwertansatz ausgeschlossen ist.4

9.103

(2) Passivposten des eingebrachten Betriebsvermögens die Aktivposten nicht übersteigen Auch die Voraussetzung, dass die steuerlichen Passivposten (ohne Berücksichtigung des Eigenkapitals) die steuerlichen Aktivposten nicht übersteigen dürfen, kann erfüllt werden. Ggf. müssen vorgeschaltete Einlage erbracht werden.

9.104

(3) Kein Ausschluss und keine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts bezüglich des Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens Bei der Umwandlung (bzw. Einbringung) einer deutschen Personengesellschaft in eine deutsche Kapitalgesellschaft im oben dargestellten Sinne sollte es in der Regel – vorbehaltlich einer konkreten Überprüfung insbesondere der DBA – nicht zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts bezüglich des Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens kommen.

9.105

Soweit allerdings ausländische Gesellschafter an der umzuwandelnden (bzw. einzubringenden) Personengesellschaft beteiligt sind und ausländisches Vermögen vorhanden ist, kann es im Einzelfall durch die Zwischenschaltung der Kapitalgesellschaft zur erstmaligen Anwendung oder der Anwendung eines anderen DBA kommen. In diesen Fällen kann ohne konkrete Prüfung eine Einschränkung oder Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts nicht ausgeschlossen werden. Allerdings dürfte die Gefahr in den meisten Fällen gering sein.

9.106

1 Vgl. Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 225. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665) (UmwSt-Erlass 2011), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.19 i.V.m. Rz. 03.17; Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 225. 3 Vgl. Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 225. 4 Vgl. Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 225.

Sterner | 501

Kap. 9 Rz. 9.107 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

9.107 Ein Fall, in dem es nach wohl h.M. zu einem Verlust des deutschen Besteuerungsrechts kommen kann, liegt dann vor, wenn (entgegen den hier unterstellten Voraussetzungen) der Ort der (tatsächlichen) Geschäftsleitung der deutschen Kapitalgesellschaft im Ausland liegt und man dem (hier abgelehnten) Stammhausprinzip folgt.1 Bezüglich der betroffenen Wirtschaftsgüter ist aber stets zu prüfen, ob es tatsächlich (z.B. durch ein DBA) zum Ausschluss oder zur Beschränkung des deutschen körperschaftsteuerlichen Besteuerungsrechts bezüglich eines Veräußerungsgewinns kommt. Eine Beschränkung oder ein Ausschluss des Besteuerungsrechts bezüglich der Nutzungen (z.B. Dividenden) ist nach dem Wortlaut nicht ausreichend. Ebenfalls ist die Beschränkung oder der Ausschluss des gewerbesteuerlichen Besteuerungsrechts nach h.M. unschädlich. Aus Gründen der Vorsicht sollte die Geschäftsleitung der übernehmenden Kapitalgesellschaft jedoch in Deutschland angesiedelt werden. 9.108 Der Buchwertansatz ist nur für die Wirtschaftsgüter ausgeschlossen, bezüglich derer das deutsche Besteuerungsrecht eingeschränkt oder ausgeschlossen wird. Das übrige Vermögen kann (einheitlich) mit dem Buchwert angesetzt werden.2 9.109 Fehlendes deutsches Besteuerungsrecht vor Einbringung. Es ist nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG unklar, ob dieser auch in dem Falle den Buchwertansatz ausschließt, dass bereits vor der Einbringung ein deutsches Besteuerungsrecht beschränkt oder ausgeschlossen war. Darüber hinaus ist unklar, welcher Buchwert i.S.d. § 1 Abs. 5 Nr. 4 UmwStG in diesen Fällen anzuwenden wäre. Nach der hier vertretenen Ansicht können Wirtschaftsgüter, bezüglich derer vor der Einbringung kein deutsches Besteuerungsrecht (z.B. aufgrund der Freistellungsmethode) besteht, nur mit dem gemeinen Wert angesetzt werden, da der deutsche Staat anderenfalls ein zusätzliches Steuersubstrat in den auszugebenden Anteilen erhalten würde. Schwieriger ist die Frage zu beurteilen, wenn das deutsche Besteuerungsrecht entweder aufgrund eines DBA lediglich beschränkt ist oder der deutsche Gesetzgeber aufgrund nationaler Normen die Anrechnungsmethode anstelle der DBA-rechtlich zu gewährenden Freistellungsmethode anwenden will (§ 20 Abs. 2 AStG, § 50d Abs. 9 EStG). Da der deutsche Staat in diesen Fällen grundsätzlich ein Besteuerungsrecht hat, ist nach der hier vertretenen Ansicht ein Buchwertansatz möglich und – wenn ein Buchwertantrag gestellt wird – zwingend, da nach § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG das übernommene Betriebsvermögen „einheitlich mit dem Buchwert“ anzusetzen ist. Der Ansatz des gemeinen Wertes kann aber begrenzt auf einzelne Wirtschaftsgüter, die der Anrechnungsmethode und nicht der Freistellungsmethode unterliegen, ausnahmsweise aus Gründen der sachlichen Billigkeit gerechtfertigt sein, wenn der ausländische Staat, der das primäre Besteuerungsrecht bezüglich des eingebrachten Wirtschaftsguts hat, die Umwandlung (bzw. die Einbringung) als steuerpflichtigen Veräußerungsvorgang ansieht und es anderenfalls durch die deutsche Buchwertfortführung zu einem Auseinanderfallen der Besteuerungszeitpunkte im In- und Ausland käme. Dass eine solche Vorgehensweise im Einzelfall der sachlichen Billigkeit entspricht (vgl. §§ 163, 227 AO), wird durch die Wertung des § 20 Abs. 8 UmwStG bestätigt. 1 Vgl. Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 226. 2 Vgl. Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 225.

502 | Sterner

B. Einbringung einer dt. PersGes in eine dt. KapGes | Rz. 9.114 Kap. 9

(4) Begründung eines unbeschränkten oder beschränkten deutschen Besteuerungsrechts Über den Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG hinaus ist nach h.M.1 der Buchwertansatz für einzelne Wirtschaftsgüter auch im Falle der erstmaligen Begründung eines deutschen Besteuerungsrechts ausgeschlossen. In diesen Fällen ist wegen einer Art erstmaliger Verstrickung der gemeine Wert (vgl. §§ 4 Abs. 1 Satz 7, 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG) anzusetzen. Diese Ansicht entspricht auch der Wertung des § 20 Abs. 3 Satz 2 UmwStG.

9.110

Durch die Umwandlung (bzw. Einbringung) kann erstmalig ein deutsches Besteuerungsrecht an ausländischem Vermögen begründet werden, weil z.B.

9.111

– nunmehr erstmalig ein DBA oder ein anderes DBA anwendbar ist, – Sonderbetriebsvermögen eines ausländischen Gesellschafters mit eingebracht wird, das bisher nicht steuerverstrickt war oder – sich die Zuordnung von Wirtschaftsgütern aufgrund des Stammhausprinzips – das nach hier vertretener Ansicht allerdings abgelehnt wird – ändert. Besteht vor der Umwandlung (bzw. Einbringung) ein lediglich auf die Anrechnungsmethode beschränktes deutsches Besteuerungsrecht, besteht nach der hier vertretenen Ansicht (vgl. Rz. 9.109) grundsätzlich keine Notwendigkeit für einen Ansatz des gemeinen Wertes bei der Einbringung. Etwas anderes kann – wie dargelegt – aus Gründen der sachlichen Billigkeit gelten, wenn der ausländische Staat, dem das primäre Besteuerungsrecht zusteht, keine Buchwertfortführung zulässt.

9.112

4. Antrag (§ 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG) Der Buchwertantrag ist nach der h.M. zu § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG von der übernehmenden Körperschaft bei dem für sie zuständigen Finanzamt zu stellen. Es ergeben sich deshalb, auch wenn ausländische Gesellschafter an der Umwandlung (bzw. Einbringung) beteiligt sind, keine Besonderheiten.

9.113

III. Sperrfrist Bezüglich der siebenjährigen Sperrfrist des § 22 Abs. 1 UmwStG ergeben sich durch die Einbringung von ausländischem Vermögen grundsätzlich keine Besonderheiten. Soweit jedoch ausländische Gesellschafter an der Umwandlung (bzw. Einbringung) beteiligt sind, ist die besondere Sperrfrist des § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG zu beachten. Danach muss der Einbringende, bei Personengesellschaften sind dies nach § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a UmwStG die unmittelbar oder mittelbar dahinterstehenden natürlichen Personen oder Kapitalgesellschaften, die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 UmwStG während der 7-jährigen Sperrfrist des § 22 Abs. 1 Satz 1–5 UmwStG erfüllen.

1 Vgl. Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 228.

Sterner | 503

9.114

Kap. 9 Rz. 9.115 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

IV. Rückbeziehung

9.115 Grundsätzlich kann die Umwandlung (bzw. Einbringung) nach § 20 Abs. 5 und 6 UmwStG bis zu acht Monate steuerrechtlich zurückbezogen werden. Die steuerliche Rückbeziehung kann jedoch nach § 20 Abs. 6 Satz 4 UmwStG i.V.m. § 2 Abs. 3 UmwStG eingeschränkt oder ausgeschlossen sein, wenn ausländische Gesellschafter oder ausländisches Vermögen an der Umwandlung (bzw. Einbringung) beteiligt sind. Nach § 2 Abs. 3 UmwStG ist eine steuerliche Rückbeziehung nämlich ausgeschlossen, soweit Einkünfte in einem ausländischen Staat aufgrund der Rückbeziehung der Besteuerung entzogen werden. Im Übrigen gilt für einen Anteilstausch keine Rückbeziehungsmöglichkeit. V. Ausländische Rechtsfolgen 1. Erfordernis der Prüfung ausländischer Steuerrechtsfolgen

9.116 Die möglichen ausländischen Rechtsfolgen der Umwandlung (bzw. der Einbringung) können nur ansatzweise beschrieben werden, da sie von dem jeweiligen nationalen Steuerrecht des Landes abhängig sind. Steuerliche Rechtsfolgen durch die Umwandlung (bzw. die Einbringung) können sich entweder auf der Ebene der (ausländischen) Gesellschafter oder der Personengesellschaft ergeben. 9.117 Es ist zu beachten, dass aus der Sicht des ausländischen Staates im Falle einer Umwandlung (bzw. Einbringung) häufig ein anderes Besteuerungssubjekt bzw. -objekt betroffen sein kann, da einerseits die umzuwandelnde, aus deutscher Sicht transparente Personengesellschaft aus der Sicht des ausländischen Staates entweder transparent oder intransparent sein kann und andererseits auch die übernehmende, aus deutscher Sicht intransparente Kapitalgesellschaft entweder transparent oder intransparent sein kann. Die Gestaltungsmöglichkeiten nehmen noch dadurch zu, dass bezüglich der „Transparenz“ oder „Intransparenz“ der übernehmenden Kapitalgesellschaft Wahlmöglichkeiten im Ausland bestehen können. 9.118 In der Praxis hat es sich deshalb aus ertragsteuerrechtlicher Sicht in der Regel als sinnvoll und zielführend erwiesen, die Prüfung der ausländischen Steuerfolgen davon abhängig zu machen, ob die Umwandlung (bzw. Einbringung) in Deutschland entweder grundsätzlich zu Buchwerten möglich ist oder nicht. Die Vorgehensweise bei der Prüfung im Ausland ist davon abhängig, ob entweder der Vorgang in Deutschland ertragsteuerneutral gestaltet werden kann, weil entweder keine stillen Reserven vorhanden sind, diese in Deutschland nicht steuerpflichtig sind oder eine Buchwertfortführung möglich ist, oder der Vorgang in Deutschland steuerpflichtig ausgestaltet werden muss. Unabhängig von der ertragsteuerlichen Prüfung können allerdings auch im Ausland andere steuerliche Fragestellungen, wie z.B. die Behandlung von Verlustvorträgen, Grunderwerbsteuer, Kapitalverkehrsteuern usw., aus der Sicht des ausländischen Staates von Relevanz sein.

504 | Sterner

B. Einbringung einer dt. PersGes in eine dt. KapGes | Rz. 9.121 Kap. 9

2. Umwandlung (bzw. Einbringung) zu deutschen steuerlichen Buchwerten Wenn und soweit aus deutscher Sicht entweder Deutschland rechtlich oder tatsächlich kein Besteuerungsrecht hat oder eine Einbringung zum steuerlichen Buchwert notwendig und möglich ist, muss aus der Sicht des ausländischen Steuerrechts geprüft werden,

9.119

1. ob und aufgrund welches Teils des Umwandlungsvorgangs (bzw. Einbringungsvorgangs) aus der Sicht des ausländischen Staates überhaupt ein besteuerungsrelevanter Tatbestand vorliegt,1 2. ob auch aus der Sicht des ausländischen Steuerrechts stille Reserven2 vorhanden sind, die eine Einbringung zum Buchwert grundsätzlich notwendig machen können, 3. ob und an welchem Vermögen3 der ausländische Staat ein Besteuerungsrecht an den stillen Reserven hat. Kann eine der drei Fragen mit „Nein“ beantwortet werden, ist eine weitere Prüfung des Vorgangs aus ertragsteuerrechtlicher Sicht in der Regel nicht mehr erforderlich. Müssen alle drei vorstehenden Fragen aus der Sicht des ausländischen Steuerrechts ganz oder teilweise mit „Ja“ beantwortet werden, muss aus der Sicht des ausländischen Staates weiter geprüft werden, ob der aus deutscher Sicht für die Ertragsteuerneutralität vorgeschlagene Weg auch aus der Sicht des ausländischen Staates zu Buchwerten durchgeführt werden kann. Ist der aus deutscher Sicht vorgeschlagene Weg auch aus der Sicht des ausländischen Staates zu Buchwerten möglich, müssen die Voraussetzungen für die Buchwertfortführung definiert und festgehalten werden, damit nachträgliche Änderungen in Deutschland nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Wenn aus der Sicht des ausländischen Staates Modifikationen oder Änderungen für eine Buchwertfortführung erforderlich sind, muss deren Umsetzbarkeit erneut in Deutschland geprüft werden.

9.120

Führt die Prüfung im Ausland zu dem Ergebnis, dass eine ertragsteuerneutrale Umwandlung zum Buchwert nicht möglich ist, muss in Deutschland geprüft werden, ob eine vollständige oder teilweise steuerpflichtige Aufdeckung stiller Reserven in Deutschland in der Gesamtsteuerbelastung nicht wirtschaftlich günstiger ist, wenn

9.121

1 An einem besteuerungsrelevanten Tatbestand kann es aus der Sicht des ausländischen Staates z.B. fehlen, wenn das Vermögen lediglich von einer transparenten Betriebsstätte (in der Form der Personengesellschaft) auf eine andere transparente Betriebsstätte (in der Form der Kapitalgesellschaft) überführt wird oder die Vorgänge unterhalb einer intransparenten Gesellschaft stattfinden. 2 Unterschiede in den steuerlich relevanten stillen Reserven können sich insbesondere durch Währungskursschwankungen sowie durch unterschiedliche Ansatz- und Bewertungsvorschriften ergeben. 3 Es ist in diesem Zusammenhang aus der Sicht des ausländischen Staates insbesondere zu klären, ob die Gesellschaftsanteile an der Personengesellschaft (einschließlich eventuellen Sonderbetriebsvermögens) und/oder das Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft Anknüpfungspunkte für das ausländische Besteuerungsrecht sind.

Sterner | 505

Kap. 9 Rz. 9.121 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

dadurch ausländische Steuern, die zwingend entstehen, in Deutschland angerecht werden können. Anderenfalls könnte durch das Auseinanderfallen möglicher Besteuerungszeitpunkte oder Besteuerungssubjekte wirtschaftlich und faktisch eine Doppelbesteuerung drohen, die es zu vermeiden gilt.

9.122 Die abschließende Entscheidung ist auf der Grundlage eines „Gesamtbelastungsvergleichs“ zu treffen, der neben Steueranrechnungen auch zukünftige Steuerfolgen (Abschreibungen und Veräußerungsgewinne) berücksichtigt. 3. Umwandlung (bzw. Einbringung) zu deutschen steuerlichen gemeinen Werten oder Zwischenwerten

9.123 Wenn aus der Sicht des deutschen Ertragsteuerrechts stille Reserven in dem umzuwandelnden (bzw. einzubringenden) Vermögen aufzudecken und in Deutschland zu versteuern sind, empfiehlt es sich in der Regel, auch im Ausland den Vorgang steuerpflichtig zu gestalten, um eine zukünftige „Nachversteuerung“ im Ausland zu vermeiden, die in Deutschland wegen der unterschiedlichen Besteuerungszeitpunkte oder Besteuerungssubjekte nicht angerechnet werden kann. 9.124 Sofern der Vorgang im Ausland ebenfalls steuerpflichtig ist, muss in Deutschland geprüft werden, ob und in welchem Umfang die entstehenden ausländischen Steuern tatsächlich angerechnet werden können. Sollten sich in Deutschland steuerliche Belastungsüberhänge ergeben oder ist eine Anrechnung ausgeschlossen, weil z.B. das ausländische und das deutsche Besteuerungsrecht an unterschiedliche Besteuerungsobjekte bzw. -subjekte anknüpfen, ist nach Möglichkeiten der Steuerreduzierung oder -vermeidung im Ausland zu suchen. 9.125 Die endgültige Entscheidung kann ebenfalls nur aufgrund eines Gesamtsteuerbelastungsvergleichs erfolgen, der auch zukünftige steuerliche Konsequenzen berücksichtigt.

C. Einbringung einer deutschen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) in eine ausländische Kapitalgesellschaft I. Vorbemerkung

9.126 Im Folgenden werden die Besonderheiten im Falle der Umwandlung (bzw. Einbringung) einer deutschen Personengesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft dargestellt. Wegen der allgemeinen Grundsätze und Besonderheiten, die sich durch die Beteiligung ausländischer Gesellschafter oder ausländisches Vermögen als Einbringungsgegenstand ergeben, wird auf die Darstellung zur Umwandlung (bzw. Einbringung) einer deutschen Personengesellschaft in eine deutsche Kapitalgesellschaft verwiesen (vgl. Rz. 9.21 ff.).

506 | Sterner

C. Einbringung einer dt. PersGes in ausländ. KapGes | Rz. 9.131 Kap. 9

II. Grundlagen 1. Deutsche Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) Als deutsche oder inländische Personengesellschaft wird im Folgenden grundsätzlich eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), offene Handelsgesellschaft (OHG) oder Kommanditgesellschaft (KG) verstanden, die sowohl ihren Sitz als auch den Ort ihrer Geschäftsleitung in Deutschland hat.

9.127

Es wird unterstellt, dass die deutsche Personengesellschaft gewerblich tätig ist (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Aus steuerrechtlicher Sicht ist zu beachten, dass zu einer Personengesellschaft, die steuerlich als Mitunternehmerschaft zu qualifizieren ist, auch das notwendige1 und gewillkürte Sonderbetriebsvermögen (SBV I und II)2 gehört. Dieses Sonderbetriebsvermögen ist, wenn es eine (funktional) wesentliche Betriebsgrundlage ist3 und die Voraussetzungen für eine steuerneutrale Umwandlung (bzw. Einbringung) nach § 20 Abs. 2 UmwStG erfüllt werden sollen, ebenfalls möglichst zeitgleich4 mit der Umwandlung (bzw. Einbringung) in die übernehmende Kapitalgesellschaft einzubringen.5

9.128

Lediglich vermögensverwaltende Personengesellschaften sowie Sonderformen der Mitunternehmerschaften (z.B. gewerblich geprägte6 oder infizierte Mitunternehmerschaften i.S.d. § 15 Abs. 3 EStG, Betriebsaufspaltungen, Innengesellschaften sowie Treuhandstrukturen) werden grundsätzlich nicht behandelt.

9.129

2. Ausländische Kapitalgesellschaft Eine ausländische Kapitalgesellschaft soll vorliegen, wenn eine nach ausländischem Recht gegründete Gesellschaft, deren (ausschließlicher) Ort der Geschäftsleitung auch im Land der Gründung liegt, nach dem sog. Typenvergleich einer deutschen Kapitalgesellschaft (GmbH, AG, KGaA oder SE) entspricht.

9.130

Die nach ausländischem Recht gegründete oder zu gründende Gesellschaft muss die wesentlichen Strukturmerkmale einer deutschen Kapitalgesellschaft erfüllen.7 Zu den wesentlichen Strukturmerkmalen einer Kapitalgesellschaft gehören die beschränkte

9.131

Statt aller vgl. Wacker in Schmidt41, § 15 EStG Rz. 513 ff. Wacker in Schmidt41, § 15 EStG Rz. 527 ff. Klingebiel/Patt/Krause, Umwandlungssteuerrecht5, 378 ff. Vgl. Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 163 u. 167. Wann diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist im Einzelfall höchst umstritten; vgl. Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 128 ff., 135 ff. 6 Vgl. zur gewerblichen Prägung und DBA einerseits BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156; v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760 Rz. 22; v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFH/NV 2010, 1550; v. 9.12.2010 – I R 49/09, BStBl. II 2011, 482; v. 4.5.2011 – II R 51/09, BFH/NV 2011, 1637; v. 29.11.2017 – I R 58/15, BFH/NV 2018, 684 und andererseits BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, 1258 ff. Rz. 2.2. 7 Wegen der Einzelheiten vgl. BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA – 22/04, BStBl. I 2004, 411; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 392 ff.; Möhlenbrock in D/P/ M108, § 1 UmwStG (SEStEG) Rz. 98 ff. 1 2 3 4 5

Sterner | 507

Kap. 9 Rz. 9.131 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

Haftung der Gesellschafter, die fehlende Nachschusspflicht der Gesellschafter, die Fremdorganschaft, die freie Übertragbarkeit der Anteile, der konstitutive Charakter der Handelsregistereintragung sowie die grundsätzlich unbegrenzte Lebensdauer der Gesellschaft. Nach h.M.1 sind diese Kriterien nicht (ausschließlich) anhand des allgemeinen Gesellschaftsrechts des jeweiligen Landes, sondern anhand der konkreten Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags zu überprüfen.2 Eine solche ausländische (Kapital-)Gesellschaft wird nach deutschem Steuerrecht als intransparent behandelt (Trennungsprinzip).3

9.132 Für die hier vorzunehmende Einordnung ist die ausländische steuerliche Behandlung unerheblich. Es ist daher unbeachtlich, ob die ausländische Gesellschaft im Ausland steuerlich generell oder aufgrund besonderer steuerlicher Wahlmöglichkeiten (z.B. Check-the-box) als steuerlich intransparent oder transparent behandelt wird.4 Ebenso ist die Einordnung der ausländischen Gesellschaft nach der EG-Fusionsrichtlinie (Art. 3 der Richtlinie 90/434/EWG)5 unerheblich. 3. Auslandsbezug

9.133 Bei einer ausländischen Kapitalgesellschaft als Zielobjekt ergeben sich die wesentlichen steuerlich relevanten Abweichungen zur Umwandlung in eine deutsche Kapitalgesellschaft daraus, dass – die Umwandlung (bzw. Einbringung) nur teilweise dem deutschen Gesellschaftsund Zivilrecht unterliegt und – insbesondere der Ort der (tatsächlichen) Geschäftsleitung im Ausland liegt.

9.134 Geht man davon aus, dass das Vermögen der deutschen Personengesellschaft grundsätzlich in Deutschland steuerlich verstrickt ist, kann es aus der Sicht des deutschen Steuerrechts durch die Einbringung in eine ausländische Kapitalgesellschaft grundsätzlich zur (steuerpflichtigen) Entstrickung6 von Vermögen kommen. 9.135 Auch bei der Umwandlung (bzw. Einbringung) in eine ausländische Kapitalgesellschaft kann sich ein zusätzlicher Auslandsbezug der Umwandlung (bzw. Einbringung) dadurch ergeben, dass entweder ausländisches Vermögen von der Umwandlung (bzw. Einbringung) betroffen ist oder ein ausländischer Gesellschafter beteiligt ist. Wegen der sich hieraus ergebenden Besonderheiten kann aber grundsätzlich auf

1 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 393-394; Möhlenbrock in D/P/ M108, § 1 UmwStG (SEStEG) Rz. 101. 2 Hilfreich für eine erste Einordnung ausländischer Gesellschaften ist BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 (1114), Anhang Tabelle 1 und 2. 3 Vgl. Wacker in Schmidt41, § 15 EStG Rz. 513 ff. 4 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 395 und 396. 5 ABl. EG Nr. L 225/1990, 1. 6 Vgl. Prinz, GmbHR 2012, 195; Pohl, IWB 2012, 177; Schaumburg, GmbHR 2010, 1341; Beinert/Benecke, FR 2010, 1009. Für die Besonderheiten hinsichtlich der gewerbesteuerlichen Entstrickung vgl. Roser, FR 2011, 1126.

508 | Sterner

C. Einbringung einer dt. PersGes in ausländ. KapGes | Rz. 9.139 Kap. 9

die Ausführungen zur Umwandlung (bzw. Einbringung) in eine deutsche Kapitalgesellschaft verwiesen werden. Wegen der Definition ausländischen Vermögens und ausländischer Gesellschafter im hier verwendeten Sinne wird auf Rz. 9.204 f. verwiesen.

9.136

4. Umwandlung (oder Einbringung) Als Umwandlung (oder Einbringung) von einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft wird hier jeder Vorgang verstanden, bei dem sich die deutsche einkommen- oder körperschaftsteuerrechtliche Zuordnung von Wirtschaftsgütern in der Weise ändert, dass einzelne Wirtschaftsgüter, eine Gesamtheit von Wirtschaftsgütern oder Einkünfte

9.137

– in der Ausgangsstruktur dem Gesellschafter einer Personengesellschaft wegen des Transparenzprinzips einkommen- oder körperschaftsteuerrechtlich zugeordnet werden, obwohl sie zivilrechtlich und wirtschaftlich der Personengesellschaft gehören, und – in der Endstruktur einer Kapitalgesellschaft zugeordnet werden, der sie auch zivilrechtlich und wirtschaftlich zugeordnet werden und an der die bisherigen Gesellschafter der Personengesellschaft beteiligt sind.1 Zivilrechtlich tritt auf der Ebene der Gesellschafter die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft an die Stelle der Beteiligung an einer Personengesellschaft.

9.138

Es soll dabei grundsätzlich unerheblich sein, auf welcher gesellschaftsrechtlichen oder zivilrechtlichen Grundlage (z.B. Status- bzw. Formwechsel, Gesamtrechtsnachfolge [Verschmelzung oder Ausgliederung] oder Einzelrechtsnachfolge) der Vorgang erfolgt.2 Es ist allerdings zu beachten, dass die Umwandlung von einer deutschen Personengesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft in der Regel sowohl die Anforderungen des deutschen Zivil- und Gesellschaftsrechts als auch die Anforderungen des ausländischen Zivil- und Gesellschaftsrechts erfüllen muss.3 Die rechtlichen Möglichkeiten einer Umwandlung sind daher begrenzt.4

9.139

1 Steuerliche Zuordnungen aufgrund von Treuhandverhältnissen oder Änderungen des wirtschaftlichen Eigentums werden dabei nicht berücksichtigt. Ebenso bleiben ausschließlich ausländische steuerrechtliche Änderungen der Zuordnung von Wirtschaftsgütern oder Einkünften, z.B. aufgrund von „Check-the-box“-Vorgängen, außer Betracht. 2 Besonderheiten aufgrund einer Rechtsnachfolge durch einen Erbfall oder eine Schenkung sollen allerdings nicht behandelt werden. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf § 6 Abs. 3 EStG hinzuweisen. 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665) (UmwSt-Erlass), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.23 mit Bezug auf den Zweiten bis Fünften Teil des UmwStG; vgl. Klingebiel/Patt/Krause, Umwandlungssteuerrecht5, 55; Ehret/Lausterer, DB 2012, Heft 2 Beilage 1, 5–12. 4 Vgl. Möhlenbrock in D/P/M108, § 1 UmwStG (SEStEG) Rz. 89 ff.

Sterner | 509

Kap. 9 Rz. 9.140 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

9.140 Die Übertragung des (vollständigen) Gesamthandsvermögens der deutschen Personengesellschaft (zusammen mit eventuellem Sonderbetriebsvermögens) im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf eine ausländische Kapitalgesellschaft ist in aller Regel möglich. Jedoch kann die Erfüllung zusätzliche formeller oder materieller Anforderungen an die Übertragung nach ausländischem Zivil- und Gesellschaftsrecht nötig sein. Solche Voraussetzungen sollten aber aus der Sicht des deutschen Zivil- und Gesellschaftsrechts einer Übertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge nicht entgegenstehen. 9.141 Demgegenüber sind die Möglichkeiten einer grenzüberschreitenden Umwandlung bereits auf der Grundlage des deutschen Umwandlungsrechts sehr eingeschränkt, da das deutsche Umwandlungsgesetz nach § 1 Abs. 1 UmwG nur auf Rechtsträger mit Sitz in Deutschland anwendbar ist.1 Derzeit ist lediglich die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften nach den §§ 305 ff. UmwG über die Grenze hinweg möglich. Personengesellschaften sind auch mit dem UmRUG weiterhin nicht generell in den Anwendungsbereich der §§ 305 ff. UmwG aufgenommen worden.2 Es ist nach hier vertretener Ansicht zwar zweifelhaft, ob diese Beschränkung europarechtlich zulässig ist und keinen Verstoß gegen die Niederlassungs- bzw. Kapitalverkehrsfreiheit darstellt.3 Für die Praxis ist jedoch derzeit vom Wortlaut des Gesetzes auszugehen, so dass im Folgenden die steuerlichen Folgen einer grenzüberschreitenden Umwandlung nicht analysiert werden sollen. 9.142 Fehlende gesellschaftsrechtliche Grundlage für Auslandsumwandlungen. Da die Umwandlung einer deutschen Personengesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft daher nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge oder durch Formwechsel nach den Vorschriften des UmwG erfolgen kann, muss für die Umwandlung (bzw. Einbringung) auf „Ersatzlösungen“4 zurückgegriffen werden, die bereits bei der Umwandlung (bzw. Einbringung) einer deutschen Personengesellschaft in eine deutsche Kapitalgesellschaft vorgestellt wurden, wenn die Umwandlung (bzw. Einbringung) nicht im Wege der Einzelrechtsnachfolge durchgeführt werden soll. 9.143 Die Umwandlung (oder Einbringung) einer deutschen Personengesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft muss daher in der Regel mehrstufig zum Beispiel5 in der Weise erfolgen, dass 1 Hörtnagl in S/H9, § 1 UmwG Rz. 45. 2 Auch mit der Änderung des UmwG im Rahmen des UmRUG konnte sich der deutsche Gesetzgeber nicht dazu durchringen, den Anwendungsbereich auch auf Personengesellschaften zu erstrecken, vgl. Heckschen/Knaier, GmbHR 2022, R376 (R378). 3 Vgl. Möhlenbrock in D/P/M108, § 1 UmwStG (SEStEG) Rz. 89. 4 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, 1030 Rz. 20.79. 5 Die Möglichkeit, die Personengesellschaft zunächst nach deutschem Umwandlungsrecht (z.B. durch Formwechsel nach § 190 UmwG) oder in sonstiger Weise in eine deutsche Kapitalgesellschaft umzuwandeln (oder einzubringen) und anschließend die deutsche Kapitalgesellschaft auf eine ausländische Kapitalgesellschaft nach den §§ 305 ff. UmwG zu verschmelzen, soll hier nicht weiter analysiert werden, da bezüglich des ersten Schritts grundsätzlich auf die Ausführungen zur Umwandlung (bzw. Einbringung) in eine deutsche Kapitalgesellschaft und bezüglich des zweiten Schritts auf die Ausführungen zur Umwand-

510 | Sterner

C. Einbringung einer dt. PersGes in ausländ. KapGes | Rz. 9.146 Kap. 9

1. alle Gesellschafter ihre Anteile an der deutschen Personengesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft einbringen oder 2. alle vermögensmäßig beteiligten (Kommandit-)Anteile an der deutschen Personengesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft eingebracht1 werden und anschließend der vermögensmäßig nicht beteiligte (Komplementär-)Gesellschafter aus der Personengesellschaft austritt oder 3. alle Kommanditanteile sowie die Komplementär-GmbH in eine Kapitalgesellschaft eingebracht werden und anschließend entweder die Komplementär-GmbH aus der Personengesellschaft austritt oder auf ihre neue (Mutter-)Kapitalgesellschaft (in der Regel nach §§ 305 ff. UmwG, wenn es sich bei der Mutter-Kapitalgesellschaft um eine in der EU bzw. dem EWR ansässig Kapitalgesellschaft handelt), verschmolzen wird mit der zivil- und gesellschaftsrechtlichen Konsequenz, dass die Personengesellschaft2 aufgrund der Vereinigung aller Anteile in einer Hand erlischt und das Vermögen der Personengesellschaft bei der Kapitalgesellschaft anwächst.3 Anhand des ausländischen Zivil- und Gesellschaftsrechts muss überprüft werden, ob diese Vorgehensweise insbesondere die Vermögensanwachsung auch aus der Sicht des ausländischen Zivil- und Gesellschaftsrechts akzeptiert wird4 oder zusätzlich ergänzende Maßnahmen notwendig sind.

9.144

5. (Keine) steuerpflichtige Aufdeckung steuerlicher stiller Reserven Nach allgemeinem Verständnis sind die stillen Reserven in einem Wirtschaftsgut5 u.a. dann aufzudecken und zu versteuern, wenn entweder ein Rechtsträgerwechsel bezüglich des Wirtschaftsguts oder ein Wechsel des Besteuerungssystems stattfindet.

9.145

Die Umwandlung (bzw. Einbringung) einer deutschen Personengesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft stellt aus deutscher ertragsteuerrechtlicher Sicht grundsätzlich einen Rechtsträgerwechsel dar und führt deshalb nach h.M. zu einer – grundsätzlich steuerpflichtigen – Aufdeckung stiller Reserven.

9.146

1 2 3 4 5

lung einer deutschen Kapitalgesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft verwiesen werden kann. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass es sich bei der ausländischen Kapitalgesellschaft um eine Kapitalgesellschaft im umwandlungsrechtlichen und nicht im umwandlungssteuerrechtlichen Sinne handeln muss. Insbesondere bei GmbH & Co. KGs, deren einziger Kommanditist auch der alleinige Gesellschafter der Komplementär-GmbH ist. Die mindestens zwei Gesellschafter haben muss. Vgl. auch Möhlenbrock in D/P/M108, § 1 UmwStG (SEStEG) Rz. 70, 124 f. Vgl. Hörtnagl in S/H9, § 1 UmwG Rz. 58. Der Geschäfts- oder Firmenwert ist nach Finanzverwaltungsauffassung wohl anzusetzen, und zwar auch dann, wenn der Betrieb nicht fortgeführt wird, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665) (UmwSt-Erlass), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.05 u. 11.03.

Sterner | 511

Kap. 9 Rz. 9.147 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

9.147 Aus der Sicht des deutschen Ertragsteuerrechts kommt es jedoch nicht zu einer steuerpflichtigen Aufdeckung stiller Reserven, wenn entweder – (ausnahmsweise) die steuerlichen Buchwerte fortgeführt werden können oder – Deutschland kein Besteuerungsrecht bezüglich der stillen Reserven hat.

9.148 Nach den allgemeinen Grundsätzen, die hier zugrunde gelegt werden sollen, ist eine Fortführung der steuerlichen Buchwerte im Falle der Umwandlung (bzw. Einbringung) einer deutschen Personengesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft im hier beschriebenen Sinne aus der Sicht des deutschen Ertragsteuerrechts grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen der §§ 1, 20, 25 UmwStG möglich.1 9.149 Ein deutsches Besteuerungsrecht besteht bei Betriebsvermögen in der Regel nicht, wenn es sich um ausländisches Betriebsvermögen handelt und Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat, aufgrund dessen die sog. Freistellungsmethode für Betriebsstätteneinkünfte gilt.2 Es ist aber zu beachten, dass die Freistellungsmethode heute faktisch in vielen Fällen entweder durch DBA-rechtliche Regelungen (Aktivitäts- oder Subject-to-tax-Klauseln) oder durch nationale Regelungen (§§ 20 Abs. 2 AStG, 50d Abs. 9 EStG)3 durchbrochen wird.4 9.150 Die steuerlichen Rechtsfolgen der Umwandlung (bzw. Einbringung) einer deutschen Personengesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft können von den steuerlichen Rechtsfolgen der Umwandlung (bzw. Einbringung) in eine deutsche Kapitalgesellschaft insbesondere deshalb abweichen, weil das deutsche Besteuerungsrecht an Gewinnen aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern (oder aus der Nutzung von Wirtschaftsgütern) insbesondere – durch die erstmalige Anwendung eines DBA oder – durch die Anwendung eines anderen DBA als vor der Umwandlung oder 1 Der Anwendungsbereich des § 6 Abs. 3 EStG im Verhältnis zu §§ 20, 25 UmwStG ist umstritten. Nach wohl h.M. (vgl. Kulosa in Schmidt41, § 6 EStG Rz. u. 714) soll § 6 Abs. 3 EStG aber nicht anwendbar sein, wenn der Übertragende an der Kapitalgesellschaft, in die der Betrieb, der Teilbetrieb oder der Mitunternehmeranteil eingebracht wird, beteiligt ist. Nach der hier vertretenen Ansicht bestehen allerdings erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der h.M., da sie dem Wortlaut des § 6 Abs. 3 EStG nicht entspricht und § 20 UmwStG gerade nicht anwendbar ist, wenn keine Gegenleistung in Form von Gesellschaftsrechten erbracht wird. 2 Schaumburg, Internationales Steuerrecht5,965 Rz. 19.543, 1016 Rz. 20.59. 3 Es soll hier nicht analysiert werden, ob diese nationalen Regelungen im Einzelfall verfassungs- und EU-rechtskonform sind. Diese Prüfung muss in jedem konkreten Einzelfall erfolgen. Nach hier vertretener Ansicht bestehen jedoch bezüglich einer Vielzahl von Vorschriften, die ein nationales Besteuerungsrecht abweichend von in nationales Recht umgesetzten internationalen Abkommen begründen, verfassungsrechtliche Bedenken. 4 Sofern Zweifel an der Anwendbarkeit insbesondere des § 50d Abs. 9 EStG bestehen, sollte entweder eine verbindliche Auskunft eingeholt werden oder der Mandant auf verbleibende Risiken hingewiesen werden und erforderlichenfalls die Rechtsansicht streitig verteidigt werden.

512 | Sterner

C. Einbringung einer dt. PersGes in ausländ. KapGes | Rz. 9.154 Kap. 9

– durch sich ändernde Zuordnungen von Wirtschaftsgütern (z.B. nach dem sog. Stammhausprinzip)1 ausgeschlossen oder eingeschränkt werden kann. Es ist daher in der Praxis auf dieser Grundlage zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die Umwandlung (bzw. Einbringung) einer deutschen Personengesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft nach den §§ 20, 25 UmwStG steuerlich zu Buchwerten durchgeführt werden kann. Dabei stellt die Identifikation möglicher Entstrickungstatbestände und deren Vermeidung eine besondere Herausforderung dar.

9.151

III. Buchwertansatz für den Einbringungsvorgang 1. Vorbemerkung Für den Buchwertansatz ist es insbesondere erforderlich, dass das UmwStG nach § 1 UmwStG anwendbar ist, die formellen und materiellen Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 2 f. UmwStG erfüllt sind und es innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist des § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG nicht zu einer schädlichen Veräußerung der erhaltenen Anteile oder einem anderen schädlichen Vorgang (§ 22 Abs. 1 Satz 6 UmwStG) kommt.

9.152

2. Anwendbarkeit des UmwStG a) Vorbemerkung Gemäß § 1 Abs. 3 UmwStG gilt der Sechste bis Achte Teil des UmwStG, zu dem auch § 20 UmwStG gehört, insbesondere für

9.153

1. die Verschmelzung, Aufspaltung und Abspaltung i.S.d. §§ 2 und 123 Abs. 1 und 2 UmwG von Personenhandelsgesellschaften oder vergleichbare ausländische Vorgänge, 2. die Ausgliederung von Vermögensteilen i.S.d. § 123 Abs. 3 UmwG oder vergleichbare ausländische Vorgänge, 3. den Formwechsel i.S.d. § 190 Abs. 1 UmwG oder vergleichbare ausländische Vorgänge und 4. die Einbringung von Betriebsvermögen durch Einzelrechtsnachfolge in eine Kapitalgesellschaft. Wegen der eingangs dargestellten lediglich beschränkten Anwendbarkeit bzw. Nichtanwendbarkeit des Umwandlungsgesetzes auf eine grenzüberschreitende Umwandlung (bzw. Einbringung) einer deutschen Personengesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft kommt in der Praxis nur eine Anwendung des § 1 Abs. 3 Nr. 4 1 Nach der hier vertretenen Ansicht bestehen erhebliche Einwände gegen das sog. Stammhausprinzip. Jedoch soll es den folgenden Ausführungen zugrunde gelegt werden, da es die Finanzverwaltung zumindest in Fällen mit Auslandsbezug anwenden will.

Sterner | 513

9.154

Kap. 9 Rz. 9.154 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

UmwStG in Betracht. Dabei kann es keinem ernsthaften Zweifel unterliegen, dass auch die Einbringung von „Mitunternehmeranteilen“, die aus zivilrechtlicher Sicht aus dem Anteil an der Personengesellschaft und eventuell vorhandenem Sonderbetriebsvermögen bestehen, im Wege der Einzelrechtsnachfolge möglich und zulässig ist, da beispielsweise § 20 Abs. 1 UmwStG den Betrieb, den Teilbetrieb und den Mitunternehmeranteil unter dem Begriff eingebrachtes „Betriebsvermögen“ zusammenfasst.

9.155 Der Anwendungsbereich des UmwStG wird aber durch § 1 Abs. 4 UmwStG weiter eingeschränkt. Danach ist es für die Anwendung des § 20 Abs. 2 UmwStG zusätzlich erforderlich, dass – der übernehmende Rechtsträger (also die Kapitalgesellschaft, in die die Personengesellschaft umgewandelt bzw. eingebracht wird) eine Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG ist und – entweder – bei der Einbringung durch Einzelrechtsnachfolge der einbringende Rechtsträger der übertragende Rechtsträger eine Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG ist oder – das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird.

9.156 Ist der einbringende Rechtsträger eine Personengesellschaft, so ist es nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Doppelbuchst. bb UmwStG wegen des Transparenzprinzips nicht ausreichend, dass die Personengesellschaft eine Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG ist. § 1 Abs. 3 UmwStG ist in diesen Fällen nur anwendbar, soweit an der einbringenden Personengesellschaft Körperschaften oder natürliche Personen unmittelbar1 oder mittelbar über Personengesellschaften beteiligt sind, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 UmwStG erfüllen (bezüglich der unter Rz. 9.155 genannten Voraussetzungen kann auf die Ausführungen zur Umwandlung [bzw. Einbringung] einer deutschen Personengesellschaft in eine deutsche Kapitalgesellschaft verwiesen werden [Rz. 9.49 ff.]). 9.157 Handelt es sich bei der übernehmenden Gesellschaft um eine ausländische Kapitalgesellschaft, muss geprüft werden, ob diese die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 Satz 1

1 Es soll an dieser Stelle noch nicht thematisiert werden, unter welchen Voraussetzungen aus deutscher ertragsteuerlicher Sicht eine Personengesellschaft vorliegt, wenn die Beteiligung mittelbar über eine ausländische „Personengesellschaft“ gehalten wird. Es wird jedoch bereits hier darauf hingewiesen, dass insoweit nach wohl herrschender Meinung ein Typenvergleich anzustellen ist. Dieser Typenvergleich dürfte – obwohl nach hier vertretener Ansicht daran erhebliche Bedenken bestehen – nach wohl h.M. auch dann anzuwenden sein, wenn es sich um eine Gesellschaft i.S.d. Art. 3 der Richtlinie 90/434/EWG handelt, die im Ausland als steuerlich intransparente Kapitalgesellschaft qualifiziert wird.

514 | Sterner

C. Einbringung einer dt. PersGes in ausländ. KapGes | Rz. 9.161 Kap. 9

Nr. 1 UmwStG erfüllt. Danach ist es für die Anwendung des UmwStG erforderlich, dass die übernehmende ausländische Kapitalgesellschaft – eine Europäische Gesellschaft im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001, – eine Europäische Genossenschaft im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 oder – eine andere Gesellschaft i.S.d. Art. 54 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union oder – des Art. 34 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, und – es muss sich sowohl ihr Sitz als auch der Ort ihrer Geschäftsleitung innerhalb des Hoheitsgebietes einer dieser Staaten befinden. Diese Voraussetzungen sind auch dann zu erfüllen, wenn Deutschland ein Besteuerungsrecht an den nach § 20 Abs. 1 UmwStG neu auszugebenden Anteilen erhält, da § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b UmwStG den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 4 Nr. 1 UmwStG nicht erweitert.

9.158

b) Nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats der EU oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, gegründete Gesellschaft Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG muss die Gesellschaft nach den Rechtsvorschriften entweder eines Mitgliedstaats der EU oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, gegründet worden sein.

9.159

Im Falle einer Neugründung innerhalb der EU oder des EWR im Rahmen der Umwandlung (bzw. Einbringung) kann diese Voraussetzung ohne Schwierigkeiten eingehalten werden. Die Einbringung in eine sog. Drittstaatengesellschaft, die weder nach den Vorschriften der EU noch des EWR gegründet worden ist, kann diese Voraussetzung jedoch nicht erfüllt werden.

9.160

Sonderfrage in Zuzugsfällen. Im Einzelfall kann es jedoch fraglich sein, unter welchen Voraussetzungen von einer Gründung nach dem Recht eines EU- oder eines EWR-Staates ausgegangen werden kann, wenn eine in einem Drittstaat gegründete Gesellschaft in einen EU- oder EWR-Staat durch eine Verlegung von Sitz und Ort der Geschäftsleitung zugezogen ist. Von einer ausreichenden (Neu-)Gründung ist jedenfalls dann auszugehen, wenn es sich aus der zivil- und gesellschaftsrechtlichen Sicht des Zuzugsstaats um eine (Neu-)Gründung gehandelt hat. Die Sichtweise des Drittstaates dürfte nach der hier vertretenen Ansicht nicht entscheidend sein. Problematischer ist aber der Fall, dass sowohl der Wegzugs- als auch der EU- oder EWRZuzugsstaat von einem „identitätswahrenden“ Zuzug ausgehen. Nach der hier vertretenen Ansicht würde es zumindest eine Einschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellen, wenn eine Gesellschaft von einem EU- oder EWR-Staat als wirksam gegründet anerkannt wird und Deutschland von dieser Wertung abweichen würde. Eine Gesellschaft, die rechtlich wirksam in einen EU- oder EWR-Staat gezogen ist

9.161

Sterner | 515

Kap. 9 Rz. 9.161 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

und von diesem Staat wie eine nach eigenem Recht gegründete Gesellschaft anerkannt wird, muss demnach für eine Anwendung des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG ausreichend sein. Für diese Sichtweise spricht auch der Vergleich mit der Fiktion des § 1 Abs. 2 Satz 2 UmwStG a.F. wonach eine SE als nach den Vorschriften des Staates als gegründet gilt, in dessen Hoheitsgebiet sich der Sitz der Gesellschaft befindet. c) Sitz und Ort der Geschäftsleitung innerhalb des Hoheitsgebiets eines EUoder EWR-Staates

9.162 Die ausländische Gesellschaft muss sowohl ihren Sitz als auch den Ort ihrer Geschäftsleitung innerhalb des Hoheitsgebietes eines EU- oder EWR-Staates haben. Es bestehen zwar nach der hier vertretenen Ansicht weiterhin Zweifel daran, dass diese Voraussetzung mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar ist. Jedoch ist in der derzeitigen Praxis wegen des klaren Wortlauts des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG davon auszugehen, dass das Umwandlungssteuergesetz nicht anwendbar ist, wenn die übernehmende Kapitalgesellschaft entweder ihren Sitz oder den Ort ihrer Geschäftsleitung außerhalb der Hoheitsgebiete der EU- und EWR-Staaten hat. 3. Umwandlung bzw. Einbringung a) Vorbemerkung

9.163 Für eine Umwandlung (bzw. Einbringung) einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft zum deutschen steuerlichen Buchwert sind die Voraussetzungen insbesondere der §§ 20 Abs. 2 Satz 2, 25 UmwStG zu erfüllen. Dafür ist es gem. § 20 Abs. 1 UmwStG insbesondere erforderlich, dass – ein Betrieb, Teilbetrieb oder ein Mitunternehmeranteil – in eine Kapitalgesellschaft (übernehmende Gesellschaft) eingebracht wird und – der Einbringende (als Gegenleistung für die Einbringung) neue Anteile an der übernehmenden Gesellschaft erhält. Ein einheitlicher steuerlicher Buchwertansatz, der eines nach § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG form- und fristgerecht zu stellenden Buchwertantrags bedarf,1 ist nach § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG nur möglich, soweit – sichergestellt ist, dass das von der Kapitalgesellschaft übernommene Betriebsvermögen später bei der übernehmenden Gesellschaft der Besteuerung mit Körperschaftsteuer unterliegt, – die steuerlichen Passivposten des eingebrachten Betriebsvermögens (ohne Berücksichtigung des Eigenkapitals) die steuerlichen Aktivposten nicht übersteigen und – das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens bei der übernehmenden Gesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. 1 Klingebiel/Patt/Krause, Umwandlungssteuerrecht5, 428.

516 | Sterner

C. Einbringung einer dt. PersGes in ausländ. KapGes | Rz. 9.167 Kap. 9

b) Einbringungsgegenstand Wegen der Einzelheiten zum Einbringungsgegenstand kann auf die Ausführungen zur Umwandlung (bzw. Einbringung) einer deutschen Personengesellschaft in eine deutsche Kapitalgesellschaft verwiesen werden.

9.164

c) Übernehmende Kapitalgesellschaft Die übernehmende Gesellschaft muss eine (ausländische) Kapitalgesellschaft sein. Ob die ausländische Gesellschaft eine Kapitalgesellschaft i.S.d. § 20 UmwStG ist, ist nach allgemeiner Meinung ausschließlich aus der Sicht des deutschen Steuerrechts anhand des sog. „Typenvergleichs“ zu beurteilen.1 Danach entspricht eine nach ausländischem Recht gegründete oder zu gründende Gesellschaft dem Typ einer deutschen Kapitalgesellschaft, wenn sie ihr in den wesentlichen Strukturmerkmalen entspricht.2

9.165

d) Einbringung aa) Vorbemerkung Über die Art und Weise der (Umwandlung bzw.) Einbringung der Mitunternehmeranteile enthält § 20 Abs. 1 UmwStG keine Aussage. Es ist jedoch erforderlich, dass als Gegenleistung für die Einbringung neue Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft gewährt werden. Diese Voraussetzung muss bei allen nachfolgend dargestellten Umwandlung (bzw. Einbringungen) erfüllt werden.

9.166

Die Arten der Einbringung sind aber schon durch den sachlichen Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 UmwStG beschränkt. Die Umwandlung (bzw. Einbringung) einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft kann (wegen der Transparenz der Personengesellschaft) grundsätzlich entweder dadurch erfolgen, dass die Personengesellschaft ihr (gesamtes) Betriebsvermögen in eine Kapitalgesellschaft einbringt oder sämtliche Anteile an der Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft eingebracht werden und die Personengesellschaft aufgrund der Anteilsvereinigung in einer Hand erlischt.3 In der Praxis werden regelmäßig folgende (nicht abschließende) Wege zur Umwandlung (bzw. Einbringungen) einer deutschen Personengesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft gewählt.4

9.167

1 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 392 ff.; Möhlenbrock in D/P/M180, § 1 UmwStG (SEStEG) Rz. 98 ff. 2 Vgl. wegen der Einzelheiten bereits oben (Rz. 9.131) sowie BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA – 22/04, BStBl. I 2004, 411; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 (1114), Anhang Tabelle 1 und 2; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 392 ff.; Möhlenbrock in D/P/M108, § 1 UmwStG (SEStEG) Rz. 98 ff. 3 Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, 1029 Rz. 20.77. 4 Einen Überblick über die Umwandlungsmöglichkeiten nach UmwG gibt Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 161b.

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Kap. 9 Rz. 9.168 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

bb) Einbringungsmodell durch Einzelrechtsnachfolge

9.168 Die Personengesellschaft bringt ihr gesamtes Gesamthandsvermögen im Wege der Einzelrechtsnachfolge in eine ausländische Tochterkapitalgesellschaft ein. Einbringungspflichtiges Sonderbetriebsvermögen muss möglichst in einem einheitlichen Vorgang zeitgleich in die Kapitalgesellschaft eingebracht werden.1 Es ist dabei stets zu prüfen, ob nach ausländischem Zivil- und Gesellschaftsrecht zusätzliche materielle oder formelle Anforderungen im Rahmen der Übertragungsakte erfüllt werden müssen.2 Diese Voraussetzungen sind nicht nur für ausländisches Vermögen, sondern auch für deutsches Vermögen zu prüfen. cc) Anwachsungsmodell (mit Modifikationen)

9.169 In der Praxis erweist sich häufig die Übertragung aller Anteile an der Personengesellschaft auf die Kapitalgesellschaft als eine einfachere Vorgehensweise. Durch die Übertragung aller Gesellschaftsanteile auf die Kapitalgesellschaft kommt es zu einer Vereinigung aller Anteile an der Personengesellschaft in der Hand der Kapitalgesellschaft mit der Konsequenz, dass die Personengesellschaft erlischt und ihr Vermögen bei der Kapitalgesellschaft anwächst (Anwachsungsmodell).3 9.170 Wenn ein Gesellschafter (z.B. eine Komplementär-GmbH) an dem Vermögen der Personengesellschaft nicht beteiligt ist, kann das Anwachsungsmodell häufig in der in der Weise modifiziert werden, dass entweder – nur die am Vermögen beteiligten Gesellschafter der Personengesellschaft ihre Anteile in die Kapitalgesellschaft einbringen4 oder – alle vermögensmäßig beteiligten Anteile an der Personengesellschaft zusammen mit der Beteiligung an der Komplementär-GmbH in die Kapitalgesellschaft eingebracht werden und anschließend der vermögensmäßig nicht beteiligte Gesellschafter aus der Personengesellschaft austritt oder auf die Kapitalgesellschaft verschmolzen wird. Auch diese Vorgehensweisen führen dazu, dass sämtliche Anteile an der Personengesellschaft in der Hand der Kapitalgesellschaft vereinigt werden (modifizierte Anwachsungsmodelle) mit der Konsequenz, dass die Personengesellschaft erlischt und ihr Vermögen bei der Kapitalgesellschaft anwächst.

9.171 Auch bei den Anwachsungsmodellen muss eventuell vorhandenes Sonderbetriebsvermögen (möglichst zeitgleich in einem einheitlichen Übertragungsvorgang) auf die Kapitalgesellschaft übertragen werden.5 Vgl. Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 163 u. 167. Vgl. Hörtnagl in S/H9, § 1 UmwG Rz. 58. Vgl. Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 160. Aus steuerrechtlichen Gründen ist es hierfür erforderlich, dass die Beteiligung an der Komplementär-Gesellschaft nicht (als wesentliche Betriebsgrundlage) zum Sonderbetriebsvermögen gehört. 5 Vgl. Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 160 mit Verweis auf Rz. 164 f. 1 2 3 4

518 | Sterner

C. Einbringung einer dt. PersGes in ausländ. KapGes | Rz. 9.178 Kap. 9

Auch bei dieser Vorgehensweise sind eventuelle zivil- oder gesellschaftsrechtliche Sonderregelungen des Auslandes zu berücksichtigen.

9.172

4. Buchwertansatz Die Möglichkeit eines einheitlichen Buchwertansatzes erfordert, dass die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG erfüllt werden.

9.173

a) Sicherstellung, dass das Betriebsvermögen später bei der übernehmenden Körperschaft der Besteuerung mit Körperschaftsteuer unterliegt Nach wohl h.M. ist es für § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UmwStG ausreichend, dass die Besteuerung entweder im Rahmen der (beschränkten) deutschen Körperschaftsteuerpflicht oder im Rahmen einer ausländischen (unbeschränkten) Körperschaftsteuer sichergestellt ist.1 Ist lediglich die Besteuerung mit ausländischer Körperschaftsteuer sichergestellt, ist § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG zu beachten.2

9.174

Probleme bezüglich der Sicherstellung der Besteuerung mit ausländischer Körperschaftsteuer können sich insbesondere dann ergeben, wenn die konkrete ausländische Kapitalgesellschaft entweder aufgrund allgemeiner oder besonderer Vorschriften des ausländischen Steuerrechts oder aufgrund von steuerlichen Wahlrechten (z.B. Check-the-box) ausnahmsweise nicht selbst besteuert wird, sondern wie bei einer transparenten Personengesellschaft die dahinterstehenden Gesellschafter. Diese Voraussetzung muss deshalb für die jeweilige Gesellschaft konkret überprüft werden.

9.175

Eine Besteuerung mit Gewerbesteuer ist weder erforderlich3 noch ausreichend.

9.176

b) Passivposten des eingebrachten Betriebsvermögens die Aktivposten nicht übersteigen Auch die Voraussetzung, dass die steuerlichen Passivposten (ohne Berücksichtigung des Eigenkapitals) die steuerlichen Aktivposten nicht übersteigen dürfen, wird regelmäßig erfüllbar sein.

9.177

(3) Kein Ausschluss und keine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts bezüglich des Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens Bei der Umwandlung (bzw. Einbringung) einer deutschen Personengesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft besteht die (große) Gefahr, dass es bezüglich einzelner oder aller Wirtschaftsgüter zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts bezüglich des Gewinns aus der Veräußerung des

1 Vgl. Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 225. 2 Vgl. Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 225. 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665) (UmwSt-Erlass), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.19 i.V.m. Rz. 03.17; Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 225.

Sterner | 519

9.178

Kap. 9 Rz. 9.178 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

eingebrachten Betriebsvermögens kommt. Diese Gefahr kann sich insbesondere ergeben, weil – mit der Einbringung der deutschen Personengesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft tatsächliche Veränderungen, insbesondere Vermögensüberführungen vom Inland ins Ausland, verbunden sind, – das deutsche Besteuerungsrecht von der unbeschränkten zur beschränkten Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerpflicht wechselt, – wegen der Zwischenschaltung einer ausländischen Kapitalgesellschaft erstmalig ein DBA oder ein anderes DBA anwendbar ist oder – sich wegen der Transparenz der Personengesellschaft die Zuordnung von Wirtschaftsgütern nach dem Stammhausprinzip1 ändert.

9.179 Eine Beschränkung oder ein Ausschluss des Besteuerungsrechts bezüglich der Nutzungen (z.B. Dividenden) ist nach dem Wortlaut nicht ausreichend. Es ist allerdings ungeklärt, ob § 4 Abs. 1 Satz 3 bis 5 EStG neben § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG angewendet werden kann. Nach der hier vertretenen Ansicht sollte § 4 Abs. 1 Satz 3 bis 5 EStG durch die speziellere Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG verdrängt werden. Allerdings sollte aus Gründen der Vorsicht im Rahmen der Gestaltungspraxis auch § 4 Abs. 1 Satz 3 bis 5 EStG in die Entscheidungsfindung mit einbezogen werden. 9.180 Der Buchwertansatz ist nur für die Wirtschaftsgüter ausgeschlossen, bezüglich derer das deutsche Besteuerungsrecht eingeschränkt oder ausgeschlossen wird. Das übrige Vermögen kann (einheitlich) mit dem Buchwert angesetzt werden.2 9.181 Fehlendes deutsches Besteuerungsrecht vor Einbringung. Es ist nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG unklar, ob dieser auch in dem Falle den Buchwertansatz ausschließt, dass bereits vor der Einbringung ein deutsches Besteuerungsrecht beschränkt oder ausgeschlossen war. Darüber hinaus ist unklar, welcher Buchwert i.S.d. § 1 Abs. 5 Nr. 4 UmwStG in diesen Fällen anzuwenden wäre. Nach der hier vertretenen Ansicht können Wirtschaftsgüter, bezüglich derer vor der Einbringung kein deutsches Besteuerungsrecht (z.B. aufgrund der Freistellungsmethode) besteht, nur mit dem gemeinen Wert angesetzt werden, da der deutsche Staat anderenfalls ein zusätzliches Steuersubstrat in den auszugebenden Anteilen erhalten würde. Schwieriger ist die Frage zu beurteilen, wenn das deutsche Besteuerungsrecht entweder aufgrund eines DBA lediglich beschränkt ist oder der deutsche Gesetzgeber aufgrund nationaler Normen die Anrechnungsmethode anstelle der DBA-rechtlich

1 Obwohl nach der hier vertretenen Ansicht erhebliche Einwände gegen das Stammhausprinzip bestehen, muss es im Rahmen der Planungs- und Gestaltungspraxis beachtet werden, da es insbesondere die Finanzverwaltung bei internationalen Sachverhalten anwenden will. 2 Vgl. Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 225.

520 | Sterner

C. Einbringung einer dt. PersGes in ausländ. KapGes | Rz. 9.184 Kap. 9

zu gewährenden Freistellungsmethode anwenden will (§ 20 Abs. 2 AStG; § 50d Abs. 9 EStG). Da der deutsche Staat in diesen Fällen grundsätzlich ein Besteuerungsrecht hat, ist nach der hier vertretenen Ansicht ein Buchwertansatz möglich und – wenn ein Buchwertantrag gestellt wird – zwingend, da nach § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG das übernommene Betriebsvermögen „einheitlich mit dem Buchwert“ anzusetzen ist. Der Ansatz des gemeinen Wertes kann aber begrenzt auf einzelne Wirtschaftsgüter, die der Anrechnungsmethode und nicht der Freistellungsmethode unterliegen, ausnahmsweise aus Gründen der sachlichen Billigkeit gerechtfertigt sein, wenn der ausländische Staat, der das primäre Besteuerungsrecht bezüglich des eingebrachten Wirtschaftsguts hat, die Umwandlung (bzw. die Einbringung) als steuerpflichtigen Veräußerungsvorgang ansieht und es anderenfalls durch die deutsche Buchwertfortführung zu einem Auseinanderfallen der Besteuerungszeitpunkte im In- und Ausland käme. Dass eine solche Vorgehensweise im Einzelfall der sachlichen Billigkeit entspricht (vgl. §§ 163, 227 AO), wird durch die Wertung des § 20 Abs. 8 UmwStG bestätigt. c) Begründung eines unbeschränkten oder beschränkten deutschen Besteuerungsrechts Über den Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG hinaus ist nach h.M.1 der Buchwertansatz für einzelne Wirtschaftsgüter auch im Falle der erstmaligen Begründung eines deutschen Besteuerungsrechts ausgeschlossen. In diesen Fällen ist wegen erstmaliger Verstrickung der gemeine Wert (vgl. §§ 4 Abs. 1 Satz 7, 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG) anzusetzen. Diese Ansicht entspricht auch der Wertung des § 20 Abs. 3 Satz 2 UmwStG.

9.182

Durch die Umwandlung (bzw. Einbringung) kann erstmalig ein deutsches Besteuerungsrecht an ausländischem Vermögen begründet werden, wenn z.B.

9.183

– nunmehr erstmalig ein DBA oder ein anderes DBA anwendbar ist, – Sonderbetriebsvermögen eines ausländischen Gesellschafters mit eingebracht wird, das bisher nicht steuerverstrickt war, oder – sich die Zuordnung von Wirtschaftsgütern aufgrund des Stammhausprinzips – das nach hier vertretener Ansicht allerdings abgelehnt wird – ändert. Besteht vor der Umwandlung (bzw. Einbringung) ein lediglich auf die Anrechnungsmethode beschränktes deutsches Besteuerungsrecht, besteht nach der hier vertretenen Ansicht (vgl. Rz. 9.109) grundsätzlich keine Notwendigkeit für einen Ansatz des gemeinen Wertes bei der Einbringung. Etwas anderes kann – wie dargelegt – aus Gründen der sachlichen Billigkeit gelten, wenn der ausländische Staat, dem das primäre Besteuerungsrecht zusteht, keine Buchwertfortführung zulässt.

1 Vgl. Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 228.

Sterner | 521

9.184

Kap. 9 Rz. 9.185 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

5. Antrag (§ 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG)

9.185 Der Buchwertantrag ist nach der h.M. zu § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG von der übernehmenden Körperschaft1 bei dem für sie zuständigen Finanzamt2 zu stellen. Es ergeben sich deshalb, auch wenn ausländische Gesellschafter an der Umwandlung (bzw. Einbringung) beteiligt sind, keine Besonderheiten. IV. Sperrfrist

9.186 Bezüglich der Sperrfrist des § 22 Abs. 1 UmwStG ergeben sich durch die Einbringung von ausländischem Vermögen grundsätzlich keine Besonderheiten. Soweit jedoch ausländische Gesellschafter an der Umwandlung (bzw. Einbringung) beteiligt sind, ist jedoch die besondere Sperrfrist des § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG zu beachten. Danach muss der Einbringende – bei Personengesellschaften sind dieses nach § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a UmwStG die unmittelbar oder mittelbar dahinterstehenden natürlichen Personen oder Kapitalgesellschaften – die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 UmwStG während der siebenjährigen Sperrfrist des § 22 Abs. 1 Satz 1–5 UmwStG erfüllen. V. Rückbeziehung

9.187 Grundsätzlich kann die Umwandlung (bzw. Einbringung) nach § 20 Abs. 5 und 6 UmwStG bis zu acht Monate steuerrechtlich zurückbezogen werden.3 Die steuerliche Rückbeziehung kann jedoch nach § 20 Abs. 6 Satz 4 UmwStG i.V.m. § 2 Abs. 3 UmwStG eingeschränkt oder ausgeschlossen sein, wenn ausländische Gesellschafter oder ausländisches Vermögen an der Umwandlung (bzw. Einbringung) beteiligt ist. Nach § 2 Abs. 3 UmwStG ist eine steuerliche Rückbeziehung nämlich ausgeschlossen, soweit Einkünfte in einem ausländischen Staat aufgrund der Rückbeziehung der Besteuerung entzogen werden. VI. Ausländische Rechtsfolgen 1. Erfordernis zur Prüfung ausländischer Rechtsfolgen

9.188 Die möglichen ausländischen Rechtsfolgen der Umwandlung (bzw. der Einbringung) können nur ansatzweise beschrieben werden, da sie von dem jeweiligen nationalen Steuerrecht des Landes abhängig sind. Steuerliche Rechtsfolgen durch die Umwandlung (bzw. die Einbringung) können sich entweder auf der Ebene der (ausländischen) Gesellschafter oder der Personengesellschaft ergeben. 1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665 (UmwSt-Erlass), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.21. 2 Infolge des unklaren Gesetzeswortlauts und da der UmwSt-Erlass bzgl. des Falles, in dem die übernehmende Gesellschaft eine ausländische Gesellschaft ist, keine Stellung genommen hat, wird teilweise die frühzeitige Klärung mit dem Finanzamt oder die Einreichung gleich lautender Anträge bei den infrage kommenden Finanzämtern empfohlen. Siehe diesbezüglich Rode/Teufel in S/R/S, Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 412 Rz. 20.32. 3 Vgl. Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 301 ff.; Hötzel/Kaeser in Rödder/Rogall/Stangl, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, Rz. 20.16.

522 | Sterner

C. Einbringung einer dt. PersGes in ausländ. KapGes | Rz. 9.192 Kap. 9

Es ist zu beachten, dass aus der Sicht des ausländischen Staates im Falle einer Umwandlung (bzw. Einbringung) häufig ein anderes Besteuerungssubjekt bzw. -objekt betroffen sein kann, da einerseits die umzuwandelnde, aus deutscher Sicht transparente Personengesellschaft aus der Sicht des ausländischen Staates entweder transparent oder intransparent sein kann und andererseits auch die übernehmende, aus deutscher Sicht intransparente Kapitalgesellschaft entweder transparent oder intransparent sein kann. Die Zahl der möglichen Fallgestaltungen nimmt noch dadurch zu, dass bezüglich der „Transparenz“ oder „Intransparenz“ der übernehmenden Kapitalgesellschaft Wahlmöglichkeiten im Ausland bestehen können.

9.189

In der Praxis hat es sich deshalb aus ertragsteuerrechtlicher Sicht in der Regel als sinnvoll und zielführend erwiesen, die Prüfung der ausländischen Steuerfolgen davon abhängig zu machen, ob die Umwandlung (bzw. Einbringung) in Deutschland entweder grundsätzlich zu Buchwerten möglich ist oder nicht. Die Vorgehensweise bei der Prüfung im Ausland ist davon abhängig, ob entweder der Vorgang in Deutschland ertragsteuerneutral gestaltet werden kann, weil entweder keine stillen Reserven vorhanden sind, diese in Deutschland nicht steuerpflichtig sind oder eine Buchwertfortführung möglich ist, oder der Vorgang in Deutschland steuerpflichtig ausgestaltet werden muss.

9.190

Unabhängig von der ertragsteuerlichen Prüfung können allerdings auch im Ausland andere steuerliche Fragestellungen, wie z.B. die Behandlung von Verlustvorträgen, Grunderwerbsteuer, Kapitalverkehrssteuern usw., aus der Sicht des ausländischen Staates von Relevanz sein.

9.191

2. Umwandlung (bzw. Einbringung) zu deutschen steuerlichen Buchwerten Wenn und soweit aus deutscher Sicht entweder Deutschland rechtlich oder tatsächlich kein Besteuerungsrecht hat oder eine Einbringung zum steuerlichen Buchwert notwendig und möglich ist, muss aus der Sicht des ausländischen Steuerrechts geprüft werden, – ob und aufgrund welches Teils des Umwandlungsvorgangs (bzw. Einbringungsvorgangs) aus der Sicht des ausländischen Staates überhaupt ein besteuerungsrelevanter Tatbestand vorliegt,1 – ob auch aus der Sicht des ausländischen Steuerrechts stille Reserven2 vorhanden sind, die eine Einbringung zum Buchwert grundsätzlich notwendig machen können, 1 An einem besteuerungsrelevanten Tatbestand kann es aus der Sicht des ausländischen Staates z.B. fehlen, wenn das Vermögen lediglich von einer transparenten Betriebsstätte (in der Form der Personengesellschaft) auf eine andere transparente Betriebsstätte (in der Form der Kapitalgesellschaft) überführt wird oder die Vorgänge unterhalb einer intransparenten Gesellschaft stattfinden. 2 Unterschiede in den steuerlich relevanten stillen Reserven können sich insbesondere durch Währungskursschwankungen sowie durch unterschiedliche Ansatz- und Bewertungsvorschriften ergeben.

Sterner | 523

9.192

Kap. 9 Rz. 9.192 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

– ob und an welchem Vermögen1 der ausländische Staat ein Besteuerungsrecht an den stillen Reserven hat. Kann eine der drei Fragen mit „Nein“ beantwortet werden, ist eine weitere Prüfung des Vorgangs aus ertragsteuerrechtlicher Sicht in der Regel nicht mehr erforderlich.

9.193 Müssen alle drei vorstehenden Fragen aus der Sicht des ausländischen Steuerrechts ganz oder teilweise mit „Ja“ beantwortet werden, muss aus der Sicht des ausländischen Staates weiter geprüft werden, ob der aus deutscher Sicht für die Ertragsteuerneutralität vorgeschlagene Weg auch aus der Sicht des ausländischen Staates zu Buchwerten durchgeführt werden kann. Ist der aus deutscher Sicht vorgeschlagene Weg auch aus der Sicht des ausländischen Staates zu Buchwerten möglich, müssen die Voraussetzungen für die Buchwertfortführung definiert und festgehalten werden, damit nachträgliche Änderungen in Deutschland nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Wenn aus der Sicht des ausländischen Staates Modifikationen oder Änderungen für eine Buchwertfortführung erforderlich sind, muss deren Umsetzbarkeit erneut in Deutschland geprüft werden. 9.194 Führt die Prüfung im Ausland zu dem Ergebnis, dass eine ertragsteuerneutrale Umwandlung zum Buchwert nicht möglich ist, muss in Deutschland geprüft werden, ob eine vollständige oder teilweise steuerpflichtige Aufdeckung stiller Reserven in Deutschland in der Gesamtsteuerbelastung nicht wirtschaftlich günstiger ist, wenn dadurch ausländische Steuern, die zwingend entstehen, in Deutschland angerecht werden können. Anderenfalls könnte durch das Auseinanderfallen möglicher Besteuerungszeitpunkte oder Besteuerungssubjekte wirtschaftlich und faktisch eine Doppelbesteuerung drohen, die es zu vermeiden gilt. 9.195 Die abschließende Entscheidung ist auf der Grundlage eines „Gesamtbelastungsvergleichs“ zu treffen, der neben Steueranrechnungen auch zukünftige Steuerfolgen (Abschreibungen und Veräußerungsgewinne) berücksichtigt. 3. Umwandlung (bzw. Einbringung) zu deutschen steuerlichen gemeinen Werten oder Zwischenwerten

9.196 Wenn aus der Sicht des deutschen Ertragsteuerrechts stille Reserven in dem umzuwandelnden (bzw. einzubringenden) Vermögen aufzudecken und in Deutschland zu versteuern sind, empfiehlt es sich in der Regel, auch im Ausland den Vorgang steuerpflichtig zu gestalten, um eine zukünftige „Nachversteuerung“ im Ausland zu vermeiden, die in Deutschland wegen der unterschiedlichen Besteuerungszeitpunkte oder Besteuerungssubjekte nicht angerechnet werden kann. 9.197 Sofern der Vorgang im Ausland ebenfalls steuerpflichtig ist, muss in Deutschland geprüft werden, ob und in welchem Umfang die entstehenden ausländischen Steuern 1 Es ist in diesem Zusammenhang aus der Sicht des ausländischen Staates insbesondere zu klären, ob die Gesellschaftsanteile an der Personengesellschaft (einschließlich eventuellen Sonderbetriebsvermögens) und/oder das Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft Anknüpfungspunkte für das ausländische Besteuerungsrecht sind.

524 | Sterner

D. Einbringung einer ausländ. PersGes in dt. KapGes | Rz. 9.201 Kap. 9

tatsächlich angerechnet werden können. Sollten sich in Deutschland steuerliche Belastungsüberhänge ergeben oder ist eine Anrechnung ausgeschlossen, weil z.B. das ausländische und das deutsche Besteuerungsrecht an unterschiedliche Besteuerungsobjekte bzw. -subjekte anknüpfen, ist nach Möglichkeiten der Steuerreduzierung oder -vermeidung im Ausland zu suchen.

Die endgültige Entscheidung kann ebenfalls nur aufgrund eines Gesamtsteuerbelastungsvergleichs erfolgen, der auch zukünftige steuerliche Konsequenzen berücksichtigt.

9.198

D. Einbringung einer ausländischen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) in eine deutsche Kapitalgesellschaft I. Grundlagen 1. Ausländische Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) Eine ausländische Personengesellschaft im Sinne der folgenden Ausführungen ist eine Gesellschaft, die nach ausländischem Recht gegründet worden ist, sowohl ihren Sitz als auch den Ort ihrer Geschäftsleitung außerhalb Deutschlands hat und im Rahmen eines Typenvergleichs einer deutschen Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), einer deutschen offenen Handelsgesellschaft (OHG) oder einer deutschen Kommanditgesellschaft vergleichbar ist.

9.199

Es wird dabei unterstellt, dass die ausländische Personengesellschaft eine originäre gewerbliche Tätigkeit im Ausland ausübt und ertragsteuerrechtlich als Mitunternehmerschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu qualifizieren ist. Aus der Sicht des deutschen Ertragsteuerrechts gehören auch das notwendige und das gewillkürte Sonderbetriebsvermögen zur Mitunternehmerschaft, das für eine Steuerneutralität nach dem UmwStG zumindest dann mit in die Kapitalgesellschaft eingebracht werden muss, wenn es eine (funktional) wesentliche Betriebsgrundlage ist. Lediglich vermögensverwaltende Personengesellschaften sowie Sonderformen der Mitunternehmerschaften (z.B. gewerblich geprägte oder infizierte Mitunternehmerschaften i.S.d. § 15 Abs. 3 EStG, Betriebsaufspaltungen, Innengesellschaften sowie Treuhandstrukturen) werden grundsätzlich nicht behandelt.

9.200

Für deutsche ertragsteuerliche Zwecke werden gewerblich tätige Personengesellschaften grundsätzlich als „transparent“ behandelt mit der Folge,1 dass die ertragsteuerlichen Konsequenzen des wirtschaftlichen Handelns einer Personengesellschaft (mit Ausnahme der Gewerbesteuer)2 grundsätzlich nur auf der Ebene des Gesellschafters

9.201

1 Es ist darauf hinzuweisen, dass das ertragsteuerliche Transparenzprinzip für gewerbesteuerliche Zwecke sowie für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke nur eingeschränkt gilt. 2 Gegenstand der Gewerbesteuer ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG jeder stehende Gewerbebetrieb, aber nur soweit er im Inland (also Deutschland) betrieben wird. Ausländische Personengesellschaften unterliegen daher, soweit sie keinen Gewerbebetrieb in Deutschland betreiben, grundsätzlich nicht der Gewerbesteuer (vgl. auch § 9 Nr. 2 GewStG); zur Durchbrechung dieses Prinzips aufgrund der Fiktion einer inländischen Betriebsstätte s. § 20 Abs. 2 Satz AStG und § 7 Satz 8 GewStG.

Sterner | 525

Kap. 9 Rz. 9.201 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

eintreten. Aufgrund dieses Transparenzprinzips ist auch das wirtschaftliche Handeln der Mitunternehmer (Gesellschafter der Mitunternehmerschaft) bei der steuerlichen Analyse zu berücksichtigen.

9.202 Im Ausland werden ausländische Personengesellschaften nur in Ausnahmefällen ebenfalls als ertragsteuerlich transparent behandelt. Häufig werden die ausländischen Personengesellschaften im Ausland wie intransparente Kapitalgesellschaften behandelt. Hierdurch sind viele Qualifikations- und Zuordnungskonflikte begründet. 2. Deutsche Kapitalgesellschaft

9.203 Als deutsche oder inländische Kapitalgesellschaft gilt eine GmbH, eine AG, eine KGaA oder eine SE, die ihren Sitz und den tatsächlichen Ort ihrer Geschäftsleitung ausschließlich in Deutschland hat. Es wird davon ausgegangen, dass die deutsche Kapitalgesellschaft, die das Zielobjekt ist, keine ertragsteuerliche Organtochter (§§ 14 ff. KStG) ist oder wird. 3. Auslandsbezug

9.204 Ausländische Personengesellschaften haben häufig ausländische Gesellschafter und ausländisches Vermögen, wodurch sich eine zusätzliche Komplexität für die steuerliche Behandlung ergibt. Als ausländisches Vermögen1 gilt hier materielles oder immaterielles Vermögen, das aus deutscher2 ertragsteuerlicher Sicht keiner deutschen Betriebsstätte zugeordnet werden kann.3 Aus deutscher steuerrechtlicher Sicht kann das ausländische Vermögen der deutschen Personengesellschaft entweder unmittelbar oder mittelbar über eine ausländische Tochterpersonengesellschaft gehören. Dabei kann die steuerrechtliche Zuordnung in Abhängigkeit von den anzuwendenden Gesetzen (EStG, GewStG, DBA) unterschiedlich und im Einzelfall (insbesondere bei immateriellen Wirtschaftsgütern, bei Anteilen an Kapitalgesellschaften oder bei Finanzanlagen) höchst streitig sein. Für die Qualifikation als ausländisches Vermögen im Rahmen der vorliegenden Darstellung soll es aber unerheblich sein, ob ein deutsches Besteuerungsrecht eingeschränkt oder ausgeschlossen ist.

9.205 Ausländische Gesellschafter können entweder natürliche Personen, die sowohl ihren Wohnsitz als auch ihren ständigen Aufenthaltsort im Ausland haben, oder Kapitalge1 Vgl. abweichende Definitionen in § 49 EStG, § 121 BewG. 2 Im Einzelfall können Qualifikationskonflikte im Verhältnis zum Ausland bestehen, das aus deutscher Sicht ausländisches Vermögen einer deutschen Betriebsstätte zuordnet. Umgekehrt kann das Ausland Vermögen, das aus deutscher Sicht deutsches Vermögen ist, einer ausländischen Betriebsstätte zuordnen. 3 Demgemäß gehören auch Anteile an einer ausländischen Kapitalgesellschaft mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung außerhalb Deutschlands zum inländischen Vermögen, wenn sie nach deutschem steuerrechtlichem Verständnis der deutschen Personengesellschaft zugeordnet werden können. Umgekehrt gehören Anteile an einer deutschen Kapitalgesellschaft zum ausländischen Vermögen, wenn sie nach deutschen steuerrechtlichen Grundsätzen keiner deutschen Betriebsstätte zugeordnet werden können.

526 | Sterner

D. Einbringung einer ausländ. PersGes in dt. KapGes | Rz. 9.208 Kap. 9

sellschaften, die sowohl ihren Sitz als auch den Ort ihrer Geschäftsleitung im Ausland haben, sein. Besonderheiten, die sich durch eine doppelte Ansässigkeit, durch das Auseinanderfallen von Wohnsitz und ständigem Aufenthaltsort oder das Auseinanderfallen von Sitz und Ort der Geschäftsleitung ergeben können, werden hier nicht erörtert. 4. Umwandlung (oder Einbringung) Als Umwandlung (oder Einbringung) von einer (ausländischen) Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft wird – wie eingangs dargelegt – im Folgenden jeder Vorgang verstanden, bei dem sich die deutsche einkommen- oder körperschaftsteuerrechtliche Zuordnung von Wirtschaftsgütern oder Einkünften in der Weise ändert, dass einzelne Wirtschaftsgüter, eine Gesamtheit von Wirtschaftsgütern oder Einkünfte

9.206

– in der Ausgangsstruktur dem Gesellschafter einer Personengesellschaft wegen des Transparenzprinzips einkommen- oder körperschaftsteuerrechtlich zugeordnet werden, obwohl sie zivilrechtlich und wirtschaftlich der Personengesellschaft zugeordnet werden, und – in der Endstruktur einer Kapitalgesellschaft zugeordnet werden, der sie auch zivilrechtlich und wirtschaftlich zugeordnet werden und an der die bisherigen Gesellschafter der Personengesellschaft beteiligt sind.1 Die Personengesellschaft kann – insbesondere bei internationalen Umwandlungen – nach der Einbringung noch fortbestehen oder untergehen. Zivilrechtlich tritt auf der Ebene der Gesellschafter die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft an die Stelle der Beteiligung an einer Personengesellschaft. Es soll dabei grundsätzlich unerheblich sein, auf welcher gesellschaftsrechtlichen oder zivilrechtlichen Grundlage (z.B. Statusbzw. Formwechsel,2 Gesamtrechtsnachfolge [Verschmelzung oder Ausgliederung] oder Einzelrechtsnachfolge) der Vorgang erfolgt.3

9.207

Mehrstufige Umwandlungen. Die Umwandlung (oder Einbringung) kann auch mehrstufig z.B. in der Weise erfolgen, dass

9.208

– alle Gesellschafter ihre Anteile an der Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft einbringen oder

1 Steuerliche Zuordnungen aufgrund von Treuhandverhältnissen oder Änderungen des wirtschaftlichen Eigentums werden dabei nicht berücksichtigt. Ebenso bleiben ausschließlich ausländische steuerrechtliche Änderungen der Zuordnung von Wirtschaftsgütern oder Einkünften, z.B. aufgrund von „Check-the-box“ Vorgängen, außer Betracht. 2 Vgl. zur Niederlassungsfreiheit EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10 – VALE, DB 2012, 1614; vgl. auch Thömmes, NWB 2012, 3018; Ulrich, GmbHR 2012, R 217; Wicke, DStR 2012, 1756; Behrens, EuZW 2012, 121; Stöber, ZIP 2012, 1273. 3 Besonderheiten aufgrund einer Rechtsnachfolge durch einen Erbfall oder eine Schenkung sollen allerdings nicht behandelt werden. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf § 6 Abs. 3 EStG hinzuweisen.

Sterner | 527

Kap. 9 Rz. 9.208 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

– alle vermögensmäßig beteiligten (Kommandit-)Anteile an der Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft eingebracht1 werden und – wenn gewollt – anschließend der vermögensmäßig nicht beteiligte (Komplementär-)Gesellschafter aus der Personengesellschaft austritt oder – alle Kommanditanteile sowie die Komplementär-GmbH in eine Kapitalgesellschaft eingebracht werden und anschließend – wenn gewollt – entweder die Komplementär-GmbH aus der Personengesellschaft austritt oder auf ihre neue (Mutter-) Kapitalgesellschaft2 verschmolzen wird mit der zivil- und gesellschaftsrechtlichen Konsequenz, dass die Personengesellschaft3 aufgrund der Vereinigung aller Anteile in einer Hand erlischt und das Vermögen der Personengesellschaft bei der Kapitalgesellschaft anwächst.4 Ob und in welcher Weise diese Vorgehensweise aufgrund ausländischer zivil- oder gesellschaftsrechtlicher Vorschriften modifiziert werden muss, ist anhand des jeweiligen ausländischen Zivilund Gesellschaftsrechts zu überprüfen.

9.209 Ein weiterer Weg der Umwandlung (oder Einbringung) ist der Formwechsel einer ausländischen Personengesellschaft in eine ausländische (europäische) Kapitalgesellschaft, die anschließend auf eine deutsche Kapitalgesellschaft verschmolzen wird.5 5. (Keine) steuerpflichtige Aufdeckung steuerlicher stiller Reserven

9.210 Nach allgemeinem deutschem steuerlichem Verständnis sind die stillen Reserven in einem Wirtschaftsgut u.a. dann aufzudecken und zu versteuern, wenn entweder ein Rechtsträgerwechsel bezüglich des Wirtschaftsguts oder ein Wechsel des Besteuerungssystems stattfindet. 9.211 Die Umwandlung (bzw. Einbringung) einer ausländischen Personengesellschaft in eine deutsche Kapitalgesellschaft im oben genannten Sinne stellt aus deutscher ertragsteuerrechtlicher Sicht grundsätzlich einen Rechtsträgerwechsel dar und führt deshalb nach h.M. zu einer – grundsätzlich steuerpflichtigen – Aufdeckung stiller Reserven.

1 Insbesondere bei einer der GmbH & Co. KG vergleichbaren Gesellschaftsform, deren einziger Kommanditist auch der alleinige Gesellschafter der Komplementär-GmbH ist. 2 Hierbei ist allerdings der Anwendungsbereich des mit dem UmRUG eingeführten § 305 UmwG zu beachten, da nach § 306 UmwG nur Kapitalgesellschaften i.S.d. Art. 119 Nr. 1 der Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.6.2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts übertragende und übernehmende Gesellschaften im Sinne einer grenzüberschreitenden Verschmelzung sein können. 3 Die mindestens zwei Gesellschafter haben muss. 4 In den Fällen Nr. 2 und 3 kann die Personengesellschaft aber auch als Tochtergesellschaft der Kapitalgesellschaft fortgeführt werden. 5 Vgl. §§ 305 ff. UmwG; Rubner, NJW-Spezial 1007, 219; Stadler/Jetter, IStR 2009, 336; Fiedler/Mehl/Tetzlaff, IWB 2012, 276. Vgl. für die Verschmelzung einer Limited auf eine GmbH: Herrler/Schneider, DStR 2009, 2433; Wälzholz, GmbH-StB 2008, 177.

528 | Sterner

D. Einbringung einer ausländ. PersGes in dt. KapGes | Rz. 9.215 Kap. 9

Aus der Sicht des deutschen Ertragsteuerrechts kommt es jedoch nicht zu einer steuerpflichtigen Aufdeckung stiller Reserven, wenn entweder

9.212

– (ausnahmsweise) die steuerlichen Buchwerte fortgeführt werden können oder – Deutschland kein Besteuerungsrecht bezüglich der stillen Reserven hat. Bei einer ausländischen Mitunternehmerschaft ist zunächst für jeden Gesellschafter getrennt festzustellen, ob und in welchem Umfang stille Reserven in Deutschland steuerverstrickt sind. Bei der Umwandlung (bzw. Einbringung) einer ausländischen Personengesellschaft in eine deutsche Kapitalgesellschaft empfiehlt es sich aus der Sicht des deutschen Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerrechts, zunächst den persönlichen Steuerstatus eines jeden Gesellschafters auf seine unbeschränkte oder beschränkte Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht zu analysieren. Praktisch relevant wird dieser vor allem bei einem in Deutschland ansässigen Gesellschafter einer ausländischen Personengesellschaft. Ausgehend von diesem Steuerstatus ist zu ermitteln, ob und in welchem Umfang eine Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht bezüglich des Vermögens der Mitunternehmerschaft (Gesamthandsvermögen und Sonderbetriebsvermögen) besteht. Soweit eine grundsätzliche Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht besteht, ist zu prüfen, ob und in welchem Umfange die deutsche Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht für einzelne oder alle Wirtschaftsgüter durch ein DBA eingeschränkt oder ausgeschlossen wird (z.B. Freistellungsmethode für Betriebsstätteneinkünfte). Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit eine deutsche Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht aufgrund nationaler deutscher Vorschriften wieder auflebt (z.B. §§ 20 Abs. 2 AStG, 50d Abs. 9 EStG). Ausgehend von diesem Ergebnis muss für die Wirtschaftsgüter, für die ein beschränktes oder unbeschränktes deutsches Besteuerungsrecht besteht, geprüft werden, ob die Umwandlung (oder Einbringung) ausnahmsweise ertragsteuerneutral zu Buchwerten durchgeführt werden kann.

9.213

Im Falle der Umwandlung (bzw. Einbringung) einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft im hier beschriebenen Sinne ist eine Fortführung der steuerlichen Buchwerte aus der Sicht des deutschen Ertragsteuerrechts grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen der §§ 20, 25 UmwStG möglich.1

9.214

Ein deutsches Besteuerungsrecht besteht bei Betriebsvermögen in der Regel nicht, wenn es sich um ausländisches Betriebsvermögen handelt und Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat, aufgrund dessen die sog. Freistel-

9.215

1 Der Anwendungsbereich des § 6 Abs. 3 EStG im Verhältnis zu §§ 20, 25 UmwStG ist umstritten. Nach wohl h.M. (vgl. Kulosa in Schmidt41, § 6 EStG Rz. 714) soll § 6 Abs. 3 EStG aber nicht anwendbar sein, wenn der Übertragende an der Kapitalgesellschaft, in die der Betrieb, der Teilbetrieb oder der Mitunternehmeranteil eingebracht wird, beteiligt ist. Obwohl diese Ansicht, die offensichtlich davon ausgeht, dass insoweit die §§ 20, 25 UmwStG sowie § 6 Abs. 6 EStG die spezielleren Vorschriften sind, hier nicht geteilt wird, soll sie der nachfolgenden Darstellung zugrunde gelegt werden. In diesem Zusammenhang ist ergänzend auch auf § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG hinzuweisen, dessen Anwendungsbereich im Einzelfall geprüft werden sollte.

Sterner | 529

Kap. 9 Rz. 9.215 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

lungsmethode für Betriebsstätteneinkünfte gilt. Es ist aber zu beachten, dass die Freistellungsmethode heute faktisch in vielen Fällen entweder durch DBA-rechtliche Regelungen (Aktivitäts- oder Subjekt-to-tax-Klauseln) oder durch nationale Regelungen (§§ 20 Abs. 2 AStG, 50d Abs. 9 EStG)1 durchbrochen wird. Die Reichweite des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG ist insbesondere in Umwandlungsfällen höchst zweifelhaft.2

9.216 Eine wesentliche Besonderheit der Einbringung von ausländischen Personengesellschaften in deutsche Kapitalgesellschaften ist, dass durch das nach dem entsprechend der h.M.3 anzuwendende Stammhausprinzip4 häufig ein neues deutsches Besteuerungsrecht für Wirtschaftsgüter begründet wird, die steuerrechtlich vorher der ausländischen Personengesellschaft oder ihren Gesellschaftern zuzuordnen waren. Aus deutscher steuerlicher Sicht kann sich dann eine erstmalige Steuerverstrickung ergeben; im Ausland sind entsprechende Entstrickungsfolgen möglich. 9.217 In der Praxis bereitet die Bestimmung des Umfangs des in Deutschland steuerpflichtigen Vermögens die wesentliche Aufgabe für die deutsche Steuerberatung. Es ist ausgehend von der Feststellung, welches Vermögen in Deutschland steuerverstrickt ist, zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die Umwandlung (bzw. Einbringung) einer (ausländischen) Personengesellschaft in eine (deutsche) Kapitalgesellschaft mit ausländischem Bezug, der sich sowohl durch ausländisches Vermögen als auch durch ausländische Gesellschafter ergeben kann, nach den §§ 20, 25 UmwStG steuerlich zu Buchwerten durchgeführt werden kann. II. Buchwertansatz für den Einbringungsvorgang 1. Vorbemerkung

9.218 Für den Buchwertansatz müssen das UmwStG nach § 1 UmwStG anwendbar sein, die formellen und materiellen Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG erfüllt sein und es darf innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist des § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG nicht zu einer schädlichen Veräußerung der erhaltenen Anteile oder einem anderen schädlichen Vorgang (§ 22 Abs. 1 Satz 6 UmwStG) kommen.

1 Es soll hier nicht analysiert werden, ob diese nationalen Regelungen im Einzelfall verfassungs- und EU-rechtskonform sind. Diese Prüfung muss in jedem konkreten Einzelfall erfolgen. Nach hier vertretener Ansicht bestehen jedoch bezüglich einer Vielzahl von Vorschriften, die ein nationales Besteuerungsrecht abweichend von internationalen Abkommen begründen, verfassungsrechtliche Bedenken. 2 Sofern Zweifel an der Anwendbarkeit insbesondere des § 50d Abs. 9 EStG bestehen, sollte entweder eine verbindliche Auskunft eingeholt werden oder der Mandant auf verbleibende Risiken hingewiesen werden und erforderlichenfalls die Rechtsansicht streitig verteidigt werden. 3 Zu den grundsätzlichen Bedenken gegen das sog. Stammhausprinzip, s. Rz. 9.29. 4 Nach der hier vertretenen Ansicht findet das Stammhausprinzip aber keine Anwendung im Rahmen der Gewerbesteuer, da es auch bei rein nationalen Sachverhalten für gewerbesteuerliche Zwecke nicht angewendet wird.

530 | Sterner

D. Einbringung einer ausländ. PersGes in dt. KapGes | Rz. 9.221 Kap. 9

2. Anwendbarkeit des UmwStG Gemäß § 1 Abs. 3 UmwStG gilt der Sechste bis Achte Teil des UmwStG, zu dem auch § 20 Abs. 2 UmwStG gehört, insbesondere für

9.219

1. die Verschmelzung, Aufspaltung und Abspaltung i.S.d. §§ 2 und 123 Abs. 1 und 2 UmwG von Personenhandelsgesellschaften oder vergleichbare ausländische Vorgänge, 2. die Ausgliederung von Vermögensteilen i.S.d. § 123 Abs. 3 UmwG oder vergleichbare ausländische Vorgänge, 3. den Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft i.S.d. § 190 Abs. 1 UmwG und 4. die Einbringung von Betriebsvermögen durch Einzelrechtsnachfolge in eine Kapitalgesellschaft. Die Verschmelzung von ausländischen (europäischen und EWG-)Gesellschaften auf eine deutsche Kapitalgesellschaft (GmbH, AG, KGaA, SE) ist unter den Voraussetzungen der §§ 305 ff. UmwG möglich. Dabei sind gem. § 305 Abs. 2 UmwG die deutschen Vorschriften über die nationale Verschmelzung anwendbar, soweit sich aus den nachfolgenden Regelungen nicht etwas anderes ergibt.1 Es können keine ernsthaften Zweifel bestehen, dass eine Verschmelzung nach den §§ 305 ff. UmwG auch vom Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes nach § 1 Abs. 3 UmwStG erfasst wird, da die Vorschriften des Ersten Teils des Zweiten Buchs des Umwandlungsgesetzes, zu dem auch § 2 UmwG gehört, nach § 305 Abs. 2 UmwG anwendbar ist.

9.220

Der Anwendungsbereich des UmwStG wird aber durch § 1 Abs. 4 UmwStG weiter eingeschränkt. Danach ist es für die Anwendung des § 20 Abs. 2 UmwStG zusätzlich erforderlich, dass

9.221

– der übernehmende Rechtsträger (also die Kapitalgesellschaft, in die die Personengesellschaft umgewandelt bzw. eingebracht wird) eine Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG ist und – entweder – beim Formwechsel der umwandelnde Rechtsträger, bei der Einbringung durch Einzelrechtsnachfolge der einbringende Rechtsträger oder bei den anderen Umwandlungsfällen der übertragende Rechtsträger eine Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG ist oder – das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird.

1 Ob daneben auch ausländische zivil- und gesellschaftsrechtliche Vorschriften erfüllt werden müssen, bedarf einer Prüfung im Einzelfall.

Sterner | 531

Kap. 9 Rz. 9.221 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

– Ist der umwandelnde, einbringende oder übertragende Rechtsträger eine Personengesellschaft, so ist es nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Doppelbuchst. bb UmwStG wegen des Transparenzprinzips nicht ausreichend, dass die Personengesellschaft eine Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG ist. § 1 Abs. 3 UmwStG ist in diesen Fällen nur anwendbar, soweit an der umwandelnden, einbringenden oder übertragenden Personengesellschaft Körperschaften oder natürliche Personen unmittelbar1 oder mittelbar über Personengesellschaften beteiligt sind, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 UmwStG erfüllen.

9.222 Wenn es sich bei der das Vermögen der Personengesellschaft durch Umwandlung (oder Einbringung) übernehmenden Kapitalgesellschaft um eine deutsche Kapitalgesellschaft im oben dargestellten Sinne handelt, kann die Voraussetzung des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG ohne weitere Probleme erfüllt werden. Schwierigkeiten können bei Umwandlungen mit Auslandsbezug die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwStG bereiten. Wegen der Einzelheiten kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. 3. Umwandlung bzw. Einbringung

9.223 Ist das Umwandlungssteuergesetz dem Grunde nach anwendbar, sind die konkreten Voraussetzungen (§§ 20 Abs. 2 Satz 2, 25 UmwStG) für eine Umwandlung (bzw. Einbringung) einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft zum steuerlichen Buchwert zu prüfen und nach Möglichkeit zu erfüllen. 9.224 Für eine Einbringung zum Buchwert aus der Sicht des deutschen Steuerrechts ist es nach § 20 Abs. 1 UmwStG insbesondere erforderlich, dass – ein Betrieb, Teilbetrieb oder ein Mitunternehmeranteil – in eine Kapitalgesellschaft (übernehmende Gesellschaft) eingebracht wird und – der Einbringende (als Gegenleistung) für die Einbringung neue Anteile an der übernehmenden Gesellschaft erhält.

9.225 Ein einheitlicher steuerlicher Buchwertansatz, der eines nach § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG form- und fristgerecht zu stellenden Buchwertantrags bedarf, ist nach § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG aber nur zulässig, soweit – sichergestellt ist, dass das von der Kapitalgesellschaft übernommene Betriebsvermögen später bei der übernehmenden Gesellschaft der Besteuerung mit Körperschaftsteuer unterliegt, 1 Es soll an dieser Stelle noch nicht thematisiert werden, unter welchen Voraussetzungen aus deutscher ertragsteuerlicher Sicht eine Personengesellschaft vorliegt, wenn die Beteiligung mittelbar über eine ausländische „Personengesellschaft“ gehalten wird. Es wird jedoch bereits hier darauf hingewiesen, dass insoweit nach wohl herrschender Meinung ein Typenvergleich anzustellen ist. Dieser Typenvergleich dürfte, obwohl – nach hier vertretener Ansicht – daran erhebliche Bedenken bestehen, nach wohl h.M. auch dann anzuwenden sein, wenn es sich um eine Gesellschaft i.S.d. Art. 3 der Richtlinie 90/434/EWG handelt, die im Ausland als steuerlich intransparente Kapitalgesellschaft qualifiziert wird.

532 | Sterner

D. Einbringung einer ausländ. PersGes in dt. KapGes | Rz. 9.229 Kap. 9

– die steuerlichen Passivposten des eingebrachten Betriebsvermögens (ohne Berücksichtigung des Eigenkapitals) die steuerlichen Aktivposten nicht übersteigen und – das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens bei der übernehmenden Gesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Wegen der Einzelheiten kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Folgende Besonderheiten sind bei der Einbringung einer ausländischen Personengesellschaft in eine deutsche Kapitalgesellschaft häufig zu berücksichtigen. 4. Begründung eines deutschen Besteuerungsrechts Wird bei der Einbringung erstmalig ein deutsches Besteuerungsrecht begründet, ist über den Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG hinaus nach h.M.1 der Buchwertansatz für einzelne Wirtschaftsgüter ausgeschlossen. Anstelle des Buchwerts ist wegen erstmaliger Verstrickung der gemeine Wert (vgl. §§ 4 Abs. 1 Satz 7, 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG) anzusetzen. Diese Ansicht entspricht auch der Wertung des § 20 Abs. 3 Satz 2 UmwStG.

9.226

Durch die Umwandlung (bzw. Einbringung) kann erstmalig ein deutsches Besteuerungsrecht an ausländischem Vermögen begründet werden, weil z.B.

9.227

– sich insbesondere die Zuordnung von Wirtschaftsgütern aufgrund des Stammhausprinzips – das nach hier vertretener Ansicht allerdings abgelehnt wird – ändert, – nunmehr erstmalig ein DBA oder ein anderes DBA anwendbar ist oder – Sonderbetriebsvermögen eines ausländischen Gesellschafters mit eingebracht wird, das bisher nicht steuerverstrickt war. Besteht vor der Umwandlung (bzw. Einbringung) ein lediglich auf die Anrechnungsmethode beschränktes deutsches Besteuerungsrecht, besteht nach der hier vertretenen Ansicht grundsätzlich keine Notwendigkeit für einen Ansatz des gemeinen Wertes bei der Einbringung. Etwas anderes kann – wie dargelegt – aus Gründen der sachlichen Billigkeit gelten, wenn der ausländische Staat, dem das primäre Besteuerungsrecht zu steht, keine Buchwertfortführung zulässt.

9.228

5. Fiktive Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer bei Einbringung einer ausländischen Personengesellschaft (§ 20 Abs. 8 UmwStG) Wenn eine eingebrachte ausländische Gesellschaft i.S.v. Art. 3 der Richtlinie 2009/ 133/EG, die nach dem deutschen steuerlichen Typenvergleich als transparent qualifiziert wird, Wirtschaftsgüter hat, die einer aus deutscher Sicht ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind, und entsteht in Deutschland bei der Einbringung ein (steuerpflichtiger) Einbringungsgewinn, weil der Buchwertansatz ausgeschlossen ist, kann 1 Vgl. Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 228.

Sterner | 533

9.229

Kap. 9 Rz. 9.229 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

eine fiktive ausländische Steuer, die im Falle einer gedachten Veräußerung zum gemeinen Wert im Auslande entstünde, nach § 20 Abs. 8 UmwStG in entsprechender Anwendung der §§ 26 Abs. 6 KStG und §§ 34c, 50 Abs. 6 EStG auf die deutsche Steuer angerechnet werden.1

9.230 Die Vorschrift ist nach ihrem Wortlaut nur auf Gesellschaften i.S.d. Art. 3 der Richtlinie 2009/133/EG anwendbar.2 Daran wird sich die Praxis orientieren müssen. Allerdings ist nach hier vertretener Ansicht diese Einschränkung nicht sachgerecht, da es hierdurch zu echten Doppelbesteuerungen kommen kann. Die Praxis ist daher in der Regel gezwungen, im Ausland stille Reserven (steuerpflichtig) zu realisieren, wenn in Deutschland keine Buchwertfortführung möglich ist. Die Auslösung eines solchen steuerpflichtigen Vorgangs im Ausland kann nicht im Interesse des deutschen Staates sein. III. Sperrfrist

9.231 Bezüglich der Sperrfrist des § 22 Abs. 1 UmwStG ergeben sich durch die Einbringung von ausländischem Vermögen grundsätzlich keine Besonderheiten. Soweit ausländische Gesellschafter an der Umwandlung (bzw. Einbringung) beteiligt sind, ist jedoch die besondere Sperrfrist des § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG zu beachten. Danach muss der Einbringende, bei Personengesellschaften sind dieses nach § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a UmwStG die unmittelbar oder mittelbar dahinterstehenden natürlichen Personen oder Kapitalgesellschaften, die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 UmwStG während der siebenjährigen Sperrfrist des § 22 Abs. 1 Satz 1–5 UmwStG erfüllen. IV. Rückbeziehung

9.232 Grundsätzlich kann die Umwandlung (bzw. Einbringung) nach § 20 Abs. 5 und 6 UmwStG bis zu acht Monate steuerrechtlich zurückbezogen werden. Die steuerliche Rückbeziehung kann jedoch nach § 20 Abs. 6 Satz 4 UmwStG i.V.m. § 2 Abs. 3 UmwStG eingeschränkt oder ausgeschlossen sein, wenn ausländische Gesellschafter oder ausländisches Vermögen an der Umwandlung (bzw. Einbringung) beteiligt sind. Nach § 2 Abs. 3 UmwStG ist eine steuerliche Rückbeziehung nämlich ausgeschlossen, soweit Einkünfte in einem ausländischen Staat aufgrund der Rückbeziehung der Besteuerung entzogen werden. 1 Vgl. Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 340. Die Doppelbesteuerungsabkommen können Sonderregelungen enthalten. Vgl. DBA mit Kanada: Art. 13 Abs. 5: „Veräußert eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Vermögen im Rahmen einer Gründung, Umstrukturierung, eines Zusammenschlusses, einer Teilung oder eines ähnlichen Vorgangs, und unterliegen der Gewinn oder die Einkünfte aus dieser Veräußerung in diesem Staat nicht der Besteuerung, kann auf Antrag der Person, die das Vermögen erworben hat, die zuständige Behörde des anderen Vertragsstaats unter den ihr angemessen erscheinenden Voraussetzungen zustimmen, die Besteuerung des Gewinns oder der Einkünfte aus diesem Vermögen für die Zwecke der Besteuerung in dem anderen Staat auszusetzen“.Vgl. zur Problematik der „Veräußerungsgewinnbesteuerung im DBA-Kontext bei Fehlen einer Art. 13 OECD-MA entsprechenden Spezialvorschrift“, Kraft, IStR 2012, 740. 2 Vgl. Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 340.

534 | Sterner

D. Einbringung einer ausländ. PersGes in dt. KapGes | Rz. 9.237 Kap. 9

V. Ausländische Rechtsfolgen 1. Vorbemerkung Im Falle der Umwandlung (bzw. Einbringung) einer ausländischen Personengesellschaft können sich ausländische steuerliche Rechtsfolgen grundsätzlich sowohl auf der Ebene der Personengesellschaft als auch auf der Ebene der Gesellschafter ergeben. Die möglichen ausländischen Rechtsfolgen sollen im Folgenden in ihren Grundzügen dargestellt werden.

9.233

2. Ebene der Gesellschafter a) Vorbemerkung Auf der Ebene der Gesellschafter hängen die steuerlichen Rechtsfolgen aus der Sicht des ausländischen Staates davon ab, ob die Gesellschaft aus der Sicht des ausländischen Staates steuerlich intransparent oder transparent ist.

9.234

b) Aus der Sicht des ausländischen Staates intransparente Gesellschaft Ist die Gesellschaft aus der Sicht des ausländischen Staates intransparent, kann es sich bei der Umwandlung (bzw. Einbringung) auf der Ebene des Gesellschafters um eine Veräußerung seiner Anteile handeln. Ob und in welcher Höhe diese Veräußerung aus der Sicht des ausländischen Staates steuerbar und steuerpflichtig ist, ist sowohl nach seinem nationalen Recht als auch nach dem eventuell anwendbaren DBA zu beurteilen.1

9.235

c) Aus der Sicht des ausländischen Staates transparente Gesellschaft Wenn die umzuwandelnde (bzw. einzubringende) Gesellschaft aus der Sicht des ausländischen Staates steuerlich transparent ist, stellt die Umwandlung (bzw. Einbringung) auch aus der Sicht des ausländischen Staates in der Regel eine Veräußerung dar, die zu einer grundsätzlich steuerpflichtigen Aufdeckung der stillen Reserven beim Gesellschafter führt. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Fortführung der stillen Reserven möglich ist, ist im Einzelfall zu prüfen.

9.236

Es ist zu beachten, dass die Höhe der stillen Reserven aus der Sicht des ausländischen Staates meistens von der Höhe der stillen Reserven, die aus deutscher Sicht bestehen, abweicht. Gründe hierfür können insbesondere unterschiedliche Ansatz- und Bewertungsvorschriften, aber auch Währungskursschwankungen sein.

9.237

1 In diesem Zusammenhang kann § 50d Abs. 9 EStG zu beachten sein, der im Falle eines Qualifikationskonflikts ein deutsches Besteuerungsrecht begründen kann. Nach der hier vertretenen Ansicht kann allerdings § 50d Abs. 9 EStG zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Übermaßbesteuerung insbesondere dann führen, wenn man § 20 Abs. 8 UmwStG nicht entsprechend anwendet.

Sterner | 535

Kap. 9 Rz. 9.238 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

3. Ebene der ausländischen Personengesellschaft a) Vorbemerkung

9.238 Die steuerlichen Rechtsfolgen auf der Ebene der ausländischen Personengesellschaft hängen davon ab, ob die ausländische Personengesellschaft aus der Sicht des ausländischen Steuerrechts für ertragsteuerliche Zwecke (ebenfalls) als steuerlich transparent behandelt wird. b) Aus der Sicht des ausländischen Staates intransparente Gesellschaft

9.239 Ist die Personengesellschaft aus der Sicht des ausländischen Staates grundsätzlich als intransparent anzusehen, ergeben sich bezogen auf das Vermögen der Gesellschaft aus der Sicht des ausländischen Ertragsteuerrechts grundsätzlich keine unmittelbaren steuerlichen Folgen. Allerdings kann es ertragsteuerlich – ähnlich wie in Deutschland – insbesondere zum Verlust von Verlust- (und Zins-)Vorträgen kommen.1 9.240 Aus der Sicht des ausländischen Staates kann es aber insbesondere dann zu steuerlichen Folgen auf der Ebene der Gesellschaft kommen, wenn diese infolge der Einbringung oder im Anschluss an die Einbringung nicht fortgesetzt wird, sondern durch Anwachsung oder einen ähnlichen Vorgang beendet wird. c) Aus der Sicht des ausländischen Staates transparente Gesellschaft

9.241 Ist die Gesellschaft aus der Sicht des ausländischen Staates transparent, kommt es auf der Ebene der Gesellschaft in der Regel zu keinen steuerlichen Folgen, diese treten grundsätzlich auf der Ebene der Gesellschafter ein. 4. Wechselwirkungen zwischen deutschen und ausländischen steuerlichen Rechtsfolgen a) Umwandlung (bzw. Einbringung) zu deutschen steuerlichen Buchwerten

9.242 Wenn und soweit aus deutscher Sicht entweder Deutschland rechtlich oder tatsächlich kein Besteuerungsrecht hat oder eine Einbringung zum steuerlichen Buchwert notwendig und möglich ist, muss aus der Sicht des ausländischen Steuerrechts geprüft werden, 1. ob und aufgrund welches Teils des Umwandlungsvorganges (bzw. Einbringungsvorganges) aus der Sicht des ausländischen Staates überhaupt ein besteuerungsrelevanter Tatbestand vorliegt,2 1 Darüber hinaus sind insbesondere Grunderwerbsteuern zu berücksichtigen. 2 An einem besteuerungsrelevanten Tatbestand kann es aus der Sicht des ausländischen Staates z.B. fehlen, wenn das Vermögen lediglich von einer transparenten Betriebsstätte (in der Form der Personengesellschaft) auf eine andere transparente Betriebsstätte (in der Form der Kapitalgesellschaft) überführt wird oder die Vorgänge unterhalb einer intransparenten Gesellschaft stattfinden. Die deutsche Kapitalgesellschaft kann aus der Sicht des ausländischen Staates z.B. aufgrund von „Check-the-box“ Wahlrechten als steuerlich transparent zu qualifizieren sein.

536 | Sterner

D. Einbringung einer ausländ. PersGes in dt. KapGes | Rz. 9.246 Kap. 9

2. ob auch aus der Sicht des ausländischen Steuerrechts stille Reserven1 vorhanden sind, die eine Einbringung zum Buchwert grundsätzlich notwendig machen können, 3. ob und an welchem Vermögen2 der ausländische Staat ein Besteuerungsrecht an den stillen Reserven hat. Kann eine der drei Fragen mit „Nein“ beantwortet werden, ist eine weitere Prüfung des Vorgangs aus ertragsteuerrechtlicher Sicht in der Regel nicht mehr erforderlich. Müssen alle drei vorstehenden Fragen aus der Sicht des ausländischen Steuerrechts ganz oder teilweise mit „Ja“ beantwortet werden – was bei der Einbringung einer ausländischen Personengesellschaft häufig der Fall sein wird –, muss aus der Sicht des ausländischen Staates weiter geprüft werden, ob der aus deutscher Sicht für die Ertragsteuerneutralität vorgeschlagene Weg auch aus der Sicht des ausländischen Staates zu Buchwerten durchgeführt werden kann. Ist der aus deutscher Sicht vorgeschlagene Weg auch aus der Sicht des ausländischen Staates zu Buchwerten möglich, müssen die Voraussetzungen für die Buchwertfortführung definiert und festgehalten werden, damit nachträgliche Änderungen in Deutschland nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Wenn aus der Sicht des ausländischen Staates Modifikationen oder Änderungen für eine Buchwertfortführung erforderlich sind, muss deren Umsetzbarkeit erneut in Deutschland geprüft werden.

9.243

Führt die Prüfung im Ausland zu dem Ergebnis, dass eine ertragsteuerneutrale Umwandlung zum Buchwert nicht möglich ist, muss in Deutschland geprüft werden, ob eine vollständige oder teilweise steuerpflichtige Aufdeckung stiller Reserven in Deutschland in der Gesamtsteuerbelastung nicht wirtschaftlich günstiger ist, wenn dadurch ausländische Steuern, die zwingend entstehen, in Deutschland angerecht werden können. Anderenfalls könnte durch das Auseinanderfallen möglicher Besteuerungszeitpunkte oder Besteuerungssubjekte wirtschaftlich und faktisch eine Doppelbesteuerung drohen, die es zu vermeiden gilt.

9.244

Die abschließende Entscheidung ist auf der Grundlage eines „Gesamtbelastungsvergleichs“ zu treffen, der neben Steueranrechnungen auch zukünftige Steuerfolgen (Abschreibungen und Veräußerungsgewinne) berücksichtigt.

9.245

b) Umwandlung (bzw. Einbringung) zu deutschen steuerlichen gemeinen Werten oder Zwischenwerten Wenn aus der Sicht des deutschen Ertragsteuerrechts stille Reserven in dem umzuwandelnden (bzw. einzubringenden) Vermögen aufzudecken und in Deutschland zu 1 Unterschiede in den steuerlich relevanten stillen Reserven können sich insbesondere durch Währungskursschwankungen sowie durch unterschiedliche Ansatz- und Bewertungsvorschriften ergeben. 2 Es ist in diesem Zusammenhang aus der Sicht des ausländischen Staates insbesondere zu klären, ob die Gesellschaftsanteile an der Personengesellschaft (einschließlich eventuellen Sonderbetriebsvermögens) und/oder das Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft Anknüpfungspunkte für das ausländische Besteuerungsrecht sind.

Sterner | 537

9.246

Kap. 9 Rz. 9.246 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

versteuern sind, empfiehlt es sich in der Regel, auch im Ausland den Vorgang steuerpflichtig zu gestalten, um eine zukünftige „Nachversteuerung“ im Ausland zu vermeiden, die in Deutschland wegen der unterschiedlichen Besteuerungszeitpunkte oder Besteuerungssubjekte nicht angerechnet werden kann.

9.247 Eine Ausnahme stellt allerdings § 20 Abs. 8 UmwStG dar. Danach können, wenn es sich bei der ausländischen Personengesellschaft um eine Gesellschaft i.S.d. Art. 3 der Richtlinie 2009/133/EG handelt, fiktive ausländische Steuern angerechnet werden. Ob diese Vorschrift auf andere ausländische Gesellschaften, die nach dem deutschen Rechtstypenvergleich als transparent und nach ausländischem Recht als intransparent zu behandeln sind, angewendet werden kann, ist umstritten.1 Nach der hier vertretenen Ansicht muss Deutschland § 20 Abs. 8 UmwStG zumindest in den Fällen anwenden, in denen Deutschland sein Besteuerungsrecht über ein bestehendes DBA hinaus, z.B. durch § 50d Abs. 9 EStG, ausdehnt. 9.248 Sofern der Vorgang im Ausland ebenfalls steuerpflichtig ist, muss in Deutschland geprüft werden, ob und in welchem Umfang die entstehenden ausländischen Steuern tatsächlich angerechnet werden können. Sollten sich in Deutschland steuerliche Belastungsüberhänge ergeben oder ist eine Anrechnung ausgeschlossen, weil z.B. das ausländische und das deutsche Besteuerungsrecht an unterschiedliche Besteuerungsobjekte bzw. -subjekte anknüpfen, ist nach Möglichkeiten der Steuerreduzierung oder -vermeidung im Ausland zu suchen. 9.249 Die endgültige Entscheidung kann ebenfalls nur aufgrund eines Gesamtsteuerbelastungsvergleichs erfolgen, der auch zukünftige steuerliche Konsequenzen berücksichtigt.

E. Einbringung einer ausländischen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) in eine ausländische Kapitalgesellschaft I. Vorbemerkung

9.250 Im Folgenden werden die Besonderheiten im Falle der Umwandlung (bzw. Einbringung) einer ausländischen Personengesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft dargestellt.2 Es handelt sich um einen Fall der Auslandsumwandlung, der einen gesellschafter- oder vermögensmäßigen Inlandsbezug aufweisen kann. Wegen der allgemeinen Grundsätze und Besonderheiten, die sich durch die Beteiligung ausländischer Gesellschafter oder ausländisches Vermögen als Einbringungsgegenstand ergibt, wird auf die Darstellung zur Umwandlung (bzw. Einbringung) einer deutschen Personengesellschaft in eine deutsche Kapitalgesellschaft verwiesen (vgl. Rz. 9.21 ff.). Zu den Grundsätzen und Besonderheiten, die sich durch die Umwand1 Ablehnend Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 340. Allerdings ist in den meisten Fällen bereits das Umwandlungssteuergesetz dem Grunde nach nicht anwendbar. 2 Vgl. Passalacqua, Intertax 2011, 547; Blöchle/Weggenmann, IStR 2008, 87; Schönfeld, FR 2007, 436.

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E. Einbringung einer ausl. PersGes in ausl. KapGes | Rz. 9.253 Kap. 9

lung (Einbringung) in eine ausländische Kapitalgesellschaft ergeben, wird auf die Darstellung zur Umwandlung einer deutschen Personengesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft verwiesen (vgl. Rz. 9.126 ff.). II. Grundlagen 1. Ausländische Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) Als ausländische Personengesellschaft wird im Folgenden grundsätzlich eine Gesellschaft bezeichnet, die aus deutscher steuerlicher Sicht den deutschen Gesellschaftsformen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), der offenen Handelsgesellschaft (OHG) oder der Kommanditgesellschaft (KG) vergleichbar ist (vgl. zur Abgrenzung der Kapitalgesellschaft die Ausführungen zum Typenvergleich in Rz. 9.130 ff.) und die weder ihren Sitz noch den Ort ihrer Geschäftsleitung in Deutschland, sondern im Staat ihrer Gründung hat.

9.251

Es wird unterstellt, dass die ausländische Personengesellschaft gewerblich tätig ist (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Aus steuerrechtlicher Sicht ist zu beachten, dass zu einer Personengesellschaft, die steuerlich als Mitunternehmerschaft zu qualifizieren ist, auch dann das aus deutscher steuerlicher Sicht notwendige1 und gewillkürte Sonderbetriebsvermögen (SBV I und II)2 gehört, wenn es sich um eine ausländische Personengesellschaft handelt. Dieses Sonderbetriebsvermögen ist, wenn es eine (funktional) wesentliche Betriebsgrundlage ist3 und die Voraussetzungen für eine steuerneutrale Umwandlung (bzw. Einbringung) nach § 20 Abs. 2 UmwStG erfüllt werden sollen, ebenfalls möglichst zeitgleich4 mit der Umwandlung (bzw. Einbringung) in die übernehmende Kapitalgesellschaft einzubringen.5 Auch die Frage, ob es sich um eine (funktional) wesentliche Betriebsgrundlage handelt, ist für deutsche steuerliche Zwecke nach deutschem Steuerrecht zu beurteilen.

9.252

Aus deutscher Sicht lediglich vermögensverwaltende Personengesellschaften sowie Sonderformen der Mitunternehmerschaften (z.B. gewerblich geprägte6 oder infizierte Mitunternehmerschaften i.S.d. § 15 Abs. 3 EStG, Betriebsaufspaltungen, Innengesellschaften sowie Treuhandstrukturen) werden grundsätzlich nicht behandelt.

9.253

Statt aller vgl. Wacker in Schmidt41, § 15 EStG Rz. 513 ff. Wacker in Schmidt41, § 15 EStG Rz. 527 ff. Klingebiel/Patt/Krause, Umwandlungssteuerrecht5, 380. Vgl. Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 163 u. 167. Wann diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist im Einzelfall höchst umstritten (vgl. Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 128 ff., 135 ff.). 6 Vgl. zur gewerblichen Prägung und DBA einerseits BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156; v. 25.5.2011 – I R 95/10, IStR 2011, 688 Rz. 22; v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFH/ NV 2010, 1550; v. 9.12.2010 – I R 49/09, BStBl. II 2011, 482; v. 4.5.2011 – II R 51/09, BFH/ NV 2011, 1637; v. 29.11.2017 – I R 58/15, BFH/NV 2018, 684 und andererseits BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, 1258 ff. Rz. 2.2.

1 2 3 4 5

Sterner | 539

Kap. 9 Rz. 9.254 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

2. Ausländische Kapitalgesellschaft

9.254 Eine ausländische Kapitalgesellschaft im Sinne der nachstehenden Ausführungen soll vorliegen, wenn eine nach ausländischem Recht gegründete Gesellschaft, deren (ausschließlicher) Ort der Geschäftsleitung auch im Land der Gründung liegt, nach dem sog. Typenvergleich einer deutschen Kapitalgesellschaft (GmbH, AG, KGaA oder SE) entspricht (vgl. Rz. 9.130 ff.). Es sei erwähnt, dass die ausländische steuerliche Behandlung für die hier vorzunehmende Einordnung unerheblich ist.1 3. Auslandsbezug

9.255 Bei einer ausländischen Kapitalgesellschaft als übernehmendem Rechtsträger ergeben sich wesentliche steuerlich relevante Abweichungen. Insoweit wird auf die Ausführungen in Rz. 9.133 ff. verwiesen. 9.256 Da auch das Vermögen einer ausländischen Personengesellschaft grundsätzlich in Deutschland steuerlich verstrickt sein kann, kann es aus der Sicht des deutschen Steuerrechts auch durch die Einbringung einer ausländischen Personengesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft zur (steuerpflichtigen) Entstrickung von Vermögen in Deutschland kommen. 9.257 Aus Sicht der ausländischen Personengesellschaft stellt die steuerliche Verstrickung in Deutschland einen Inlandsbezug der ansonsten im Ausland stattfindenden Umwandlung (bzw. Einbringung) dar, der zusätzlich zu der steuerlichen Beurteilung im Sitz- und Gründungsstaat der Personengesellschaft zu berücksichtigen ist. 4. Umwandlung (oder Einbringung)

9.258 Als Umwandlung (oder Einbringung) von einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft wird hier jeder Vorgang verstanden, bei dem sich die deutsche einkommen- oder körperschaftsteuerrechtliche Zuordnung von Wirtschaftsgütern in der Weise ändert, dass einzelne Wirtschaftsgüter, eine Gesamtheit von Wirtschaftsgütern oder Einkünfte – in der Ausgangsstruktur dem Gesellschafter einer Personengesellschaft wegen des Transparenzprinzips einkommen- oder körperschaftsteuerrechtlich zugeordnet werden, obwohl sie zivilrechtlich und wirtschaftlich der Personengesellschaft zugeordnet werden, und – in der Endstruktur einer Kapitalgesellschaft zugeordnet werden, der sie auch zivilrechtlich und wirtschaftlich zugeordnet werden und an der die bisherigen Gesellschafter der Personengesellschaft beteiligt sind.2 1 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 395-396; Rosembuj, Intertax 2012, 298; Stevens/Fibbe, EC Tax Review 2011, 242. 2 Steuerliche Zuordnungen aufgrund von Treuhandverhältnissen oder Änderungen des wirtschaftlichen Eigentums werden dabei nicht berücksichtigt. Ebenso bleiben ausschließlich ausländische steuerrechtliche Änderungen der Zuordnung von Wirtschaftsgütern oder Einkünften, z.B. aufgrund von „Check-the-box“-Vorgängen, außer Betracht.

540 | Sterner

E. Einbringung einer ausl. PersGes in ausl. KapGes | Rz. 9.261 Kap. 9

Zivilrechtlich tritt auf der Ebene der Gesellschafter die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft an die Stelle der Beteiligung an einer Personengesellschaft. Es soll dabei grundsätzlich unerheblich sein, auf welcher gesellschaftsrechtlichen oder zivilrechtlichen Grundlage (z.B. Status- bzw. Formwechsel, Gesamtrechtsnachfolge [Verschmelzung oder Ausgliederung] oder Einzelrechtsnachfolge) der Vorgang erfolgt.1 Es ist allerdings zu beachten, dass die Umwandlung von einer ausländischen Personengesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft in der Regel sowohl die Anforderungen des ausländischen Zivil- und Gesellschaftsrechts als auch die Anforderungen des deutschen Zivil- und Gesellschaftsrechts erfüllen muss.2 Die rechtlichen Möglichkeiten einer Umwandlung sind daher begrenzt.3 In der Praxis sollten zunächst die Möglichkeiten einer Umwandlung (bzw. Einbringung) auf Grundlage des Rechts des Sitz- und Gründungsstaates der Personengesellschaft analysiert werden. Auf dieser Grundlage sollte im Anschluss untersucht werden, wie der entsprechende Vorgang aus Sicht des deutschen Zivil- und Gesellschaftsrechts zu beurteilen ist. Dabei sind insbesondere auch europarechtliche Implikationen zu beachten.4

9.259

5. (Keine) steuerpflichtige Aufdeckung steuerlicher stiller Reserven Auch bei einer ausländischen Umwandlung (bzw. Einbringung) sind die stillen Reserven in einem Wirtschaftsgut5 nach allgemeinem Verständnis unter Anderem dann aufzudecken und zu versteuern, wenn aus deutscher Steuersicht entweder ein Rechtsträgerwechsel bezüglich des Wirtschaftsgutes oder ein Wechsel des Besteuerungssystems stattfindet.

9.260

Auch die Umwandlung (bzw. Einbringung) einer ausländischen Personengesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft stellt aus deutscher ertragsteuerrechtlicher Sicht grundsätzlich einen Rechtsträgerwechsel dar und führt deshalb nach h.M. zu einer – grundsätzlich steuerpflichtigen – Aufdeckung der stillen Reserven, die in Wirtschaftsgütern enthalten sind, die in Deutschland steuerverstrickt sind.

9.261

1 Besonderheiten aufgrund einer Rechtsnachfolge durch einen Erbfall oder eine Schenkung sollen allerdings nicht behandelt werden. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf § 6 Abs. 3 EStG hinzuweisen. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665) (UmwSt-Erlass), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.23 mit Bezug auf den Zweiten bis Fünften Teil des UmwStG; vgl. Klingebiel/Patt/Krause, Umwandlungssteuerrecht5, 55. 3 Vgl. Möhlenbrock in D/P/M108, § 1 UmwStG (SEStEG) Rz. 89 ff. 4 Vgl. zur grenzüberschreitenden Umwandlung jüngst EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10 – VALE, DB 2012, 1614, wonach der Wechsel in eine ausländische Rechtsform grundsätzlich möglich ist. Insbesondere die Rechtslage bei Umwandlungen, die sich im Ausland abspielen, die jedoch Wirkungen auch in einem anderen Mitgliedstaat entfalten können, ist noch in weiten Teilen ungeklärt. Vgl. auch Thömmes, NWB 2012, 3018; Ulrich, GmbHR 2012, R 217; Wicke, DStR 2012, 1756; Behrens, EuZW 2012, 121; Stöber, ZIP 2012, 1273. 5 Der Geschäfts- oder Firmenwert ist nach Finanzverwaltungsauffassung wohl anzusetzen, und zwar auch dann, wenn der Betrieb nicht fortgeführt wird, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665) (UmwSt-Erlass), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.05 u. 11.03.

Sterner | 541

Kap. 9 Rz. 9.262 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

9.262 Aus der Sicht des deutschen Ertragsteuerrechts kommt es jedoch auch im Falle der „Auslandsumwandlung“ (bzw. Einbringung) nicht zu einer steuerpflichtigen Aufdeckung von in Deutschland steuerverstrickten stillen Reserven, wenn entweder – (ausnahmsweise) die steuerlichen Buchwerte fortgeführt werden können oder – Deutschland kein Besteuerungsrecht bezüglich der stillen Reserven hat.

9.263 Für die allgemeinen Grundsätze wird insoweit auf die Ausführungen in Rz. 9.148 verwiesen. Ein deutsches Besteuerungsrecht besteht bei Betriebsvermögen in der Regel nicht, wenn es sich um ausländisches Betriebsvermögen handelt und Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat, aufgrund dessen die sog. Freistellungsmethode für Betriebsstätteneinkünfte gilt sowie bei Betriebsvermögen, das nicht von der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland erfasst wird. 9.264 Es ist daher in der Praxis auf dieser Grundlage zu prüfen, welches Vermögen in Deutschland steuerverstrickt ist. Im Weiteren ist zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die Umwandlung (bzw. Einbringung) einer ausländischen Personengesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft aufgrund vergleichbarer ausländischer Vorgänge im oben genannten Sinne nach den §§ 20, 25 UmwStG steuerlich zu Buchwerten durchgeführt werden kann. Die Identifikation sowohl der in Deutschland steuerverstrickten Wirtschaftsgüter als auch möglicher Entstrickungstatbestände und deren Vermeidung stellt eine besondere Herausforderung dar. III. Buchwertansatz für den Einbringungsvorgang 1. Vorbemerkung

9.265 Ungeachtet der Tatsache, dass es sich um eine „Auslandsumwandlung“ handelt, ist es aus deutscher Steuersicht für den Buchwertansatz insbesondere erforderlich, dass das UmwStG nach § 1 UmwStG anwendbar ist, die formellen und materiellen Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 2 f. UmwStG erfüllt sind und es innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist des § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG nicht zu einer schädlichen Veräußerung der erhaltenen Anteile oder einem anderen schädlichen Vorgang (§ 22 Abs. 1 Satz 6 UmwStG) kommt. 2. Anwendbarkeit des UmwStG

9.266 Gemäß § 1 Abs. 3 UmwStG gilt der Sechste bis Achte Teil des UmwStG, zu dem auch § 20 Abs. 2 UmwStG gehört, insbesondere für 1. die Verschmelzung, Aufspaltung und Abspaltung i.S.d. §§ 2 und 123 Abs. 1 und 2 UmwG von Personenhandelsgesellschaften oder vergleichbare ausländische Vorgänge, 2. die Ausgliederung von Vermögensteilen i.S.d. § 123 Abs. 3 UmwG oder vergleichbare ausländische Vorgänge

542 | Sterner

E. Einbringung einer ausl. PersGes in ausl. KapGes | Rz. 9.271 Kap. 9

3. den Formwechsel i.S.d. § 190 Abs. 1 UmwG oder vergleichbare ausländische Vorgänge und 4. die Einbringung von Betriebsvermögen durch Einzelrechtsnachfolge in eine Kapitalgesellschaft. Es stellt sich die Frage, was „vergleichbare ausländische Vorgänge“ i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 UmwStG sind. Die Finanzverwaltung behandelt „vergleichbare ausländische Vorgänge“ im Umwandlungssteuererlass.1 Unter der Prämisse, dass die ausländische Umwandlung zivilrechtlich zulässig und wirksam ist (wobei der Grundsatz der Maßgeblichkeit des Gesellschaftsrechts gilt und regelmäßig von der Entscheidung der ausländischen Registerbehörde auszugehen ist), unterliege der jeweilige ausländische Umwandlungsvorgang in seiner konkreten rechtlichen Ausgestaltung der Vergleichbarkeitsprüfung.2

9.267

In die Prüfung sollen die beteiligten Rechtsträger, die Rechtsnatur bzw. Rechtsfolgen des Umwandlungsvorgangs (Strukturmerkmale) und sonstige Vergleichskriterien einzubeziehen sein. Die Finanzverwaltung stellt darauf ab, ob der nach ausländischem Umwandlungsrecht abgewickelte konkrete Vorgang ungeachtet des Sitzerfordernisses in § 1 Abs. 1 UmwG auch nach den formellen und materiellen Regelungen des UmwG wirksam abgewickelt werden könnte. Diese von der Finanzverwaltung vertretene Auslegung des Vergleichbarkeitsmerkmals kann tendenziell stark einengend sein. Es ist daher nach hier vertretener Ansicht ein weiter Auslegungsmaßstab anzulegen.

9.268

Nach hier vertretener Ansicht stellt auch die Änderung eines Gesellschaftsvertrages einen Formwechsel i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 4 UmwStG dar, wenn diese Änderung nach dem Typenvergleich dazu führt, dass die Gesellschaft aus deutscher Sicht vor der Änderung steuerlich als Personengesellschaft und nach der Änderung steuerlich als Kapitalgesellschaft zu qualifizieren ist.3 Weitere Anforderungen an die Vergleichbarkeit i.S.d. § 190 UmwG dürfen in diesem Zusammenhang nicht gestellt werden.

9.269

Für die Anwendung des § 1 Abs. 3 Nr. 4 UmwStG sind vergleichbare ausländische Vorgänge nicht erwähnt. Fraglich ist, ob auch für die Einbringung eine Vergleichbarkeit nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 UmwStG des ausländischen mit dem inländischen Recht erforderlich ist.

9.270

Die „Strukturmerkmale“ der Vergleichbarkeit stellt die Finanzverwaltung nur für die Verschmelzung, die Aufspaltung, die Abspaltung sowie den Formwechsel dar. Für die

9.271

1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665) (UmwSt-Erlass), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.45 i.V.m. Rz. 01.20 ff.; Ehret/Lausterer, DB 2012, Heft 02, Beilage 1, 5– 12; Benecke, GmbHR 2012, 113. 2 So auch Möhlenbrock in D/P/M108, § 1 UmwStG (SEStEG) Rz. 97; Ehret/Lausterer, DB 2012, Heft 02, Beilage 1, 5–12; Benecke, GmbHR 2012, 113. 3 Ein solcher Vorgang kann als identitätswahrender Formwechsel im Einzelfall auch ein aus deutscher Sicht nicht steuerbarer Vorgang sein.

Sterner | 543

Kap. 9 Rz. 9.271 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

Ausgliederung (Einbringung) fehlt jedoch eine Beschreibung der Merkmale. In der Literatur wird die Verwendung des Merkmals der Vergleichbarkeit insgesamt als kritisch und unklar betrachtet.1 Nach hier vertretener Ansicht ist eine Vergleichbarkeit des ausländischen Rechtsvorgangs im Falle der Einbringung nicht erforderlich. Ausreichend ist im Sinne einer Auffangklausel jeder mit einem Rechtsträgerwechsel verbundene Rechtsakt. Daraus folgt, dass eine Einbringung, auch die Änderung des Gesellschaftsvertrags in der oben dargestellten Form, eine Einbringung im Sinne der Auffangklausel des § 1 Abs. 3 Nr. 4 sein kann.

9.272 Wie in Rz. 9.154 ff. geschildert, kann es keinem ernsthaften Zweifel unterliegen, dass auch die Einbringung von „Mitunternehmeranteilen“, die aus zivilrechtlicher Sicht aus dem Anteil an der Personengesellschaft und eventuell vorhandenem Sonderbetriebsvermögen bestehen, im Wege der Einzelrechtsnachfolge möglich und zulässig ist, da beispielsweise § 20 Abs. 1 UmwStG den Betrieb, den Teilbetrieb und den Mitunternehmeranteil unter dem Begriff eingebrachtes „Betriebsvermögen“ zusammenfasst. M.E. muss dies auch im Falle der Umwandlung einer ausländischen Personengesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft im Wege des Formwechsels gelten. Zur weiteren Einschränkung des Anwendungsbereichs des UmwStG durch § 1 Abs. 4 UmwStG wird auf die Ausführungen in Rz. 9.155 f. verwiesen. 9.273 In der Praxis ist die Einholung einer verbindlichen Auskunft der Finanzverwaltung anzuraten. 3. Umwandlung bzw. Einbringung

9.274 Für eine Umwandlung (bzw. Einbringung) einer ausländischen Personengesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft zum deutschen steuerlichen Buchwert sind die Voraussetzungen insbesondere der §§ 20 Abs. 2 Satz 2, 25 UmwStG zu erfüllen (vgl. Rz. 9.163 ff. insbesondere zum Einbringungsgegenstand, zur übernehmenden Gesellschaft sowie zur Gegenleistung). 9.275 Soweit möglich, bedarf ein einheitlicher steuerlicher Buchwertansatz, auch wenn eine ausländische Personengesellschaft umgewandelt wird, eines nach § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG form- und fristgerecht zu stellenden Buchwertantrags. 9.276 Dieser ist nach § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG nur möglich, soweit – sichergestellt ist, dass das von der Kapitalgesellschaft übernommene Betriebsvermögen später bei der übernehmenden Gesellschaft der Besteuerung mit Körperschaftsteuer unterliegt, – die steuerlichen Passivposten des eingebrachten Betriebsvermögens (ohne Berücksichtigung des Eigenkapitals) die steuerlichen Aktivposten nicht übersteigen und – das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens bei der übernehmenden Gesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. 1 Vgl. z.B. Hahn in PWC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rz. 797 ff., 829, 846.

544 | Sterner

E. Einbringung einer ausl. PersGes in ausl. KapGes | Rz. 9.281 Kap. 9

4. Buchwertansatz Die Möglichkeit eines einheitlichen Buchwertansatzes erfordert, dass die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG erfüllt werden. Zum Merkmal der Sicherstellung, dass das Betriebsvermögen später bei der übernehmenden Körperschaft der Besteuerung mit Körperschaftsteuer unterliegt sowie zum Merkmal, dass die Passivposten des eingebrachten Betriebsvermögens die Aktivposten nicht übersteigen wird auf Rz. 9.100 ff. verwiesen.

9.277

(1) Kein Ausschluss und keine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts bezüglich des Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens Bei der Umwandlung (bzw. Einbringung) einer ausländischen Personengesellschaft in eine ausländischen Kapitalgesellschaft besteht wie bei der Umwandlung (bzw. Einbringung) einer deutschen Personengesellschaft in eine ausländischen Kapitalgesellschaft im oben dargestellten Sinne die (große) Gefahr, dass es bezüglich einzelner oder aller Wirtschaftsgüter zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts bezüglich des Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens kommt (zu weiteren Einzelheiten vgl. Rz. 9.178).

9.278

(2) Begründung eines unbeschränkten oder beschränkten deutschen Besteuerungsrechts Über den Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG hinaus ist nach h.M.1 der Buchwertansatz für einzelne Wirtschaftsgüter auch im Falle der erstmaligen Begründung eines deutschen Besteuerungsrechts ausgeschlossen. In diesen Fällen ist der gemeine Wert (vgl. §§ 4 Abs. 1 Satz 7, 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG) anzusetzen. Diese Ansicht entspricht auch der Wertung des § 20 Abs. 3 Satz 2 UmwStG.

9.279

Auch durch die Umwandlung (bzw. Einbringung) einer ausländischen Personengesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft kann erstmalig ein deutsches Besteuerungsrecht an ausländischem Vermögen begründet werden, wenn z.B.

9.280

– nunmehr erstmalig ein DBA oder ein anderes DBA oder eine andere abkommensrechtliche Bestimmung anwendbar ist, – Sonderbetriebsvermögen eines ausländischen Gesellschafters mit eingebracht wird, das bisher nicht steuerverstrickt war oder – sich die Zuordnung von Wirtschaftsgütern aufgrund des Stammhausprinzips – das nach hier vertretener Ansicht allerdings abgelehnt wird – ändert.

Besteht vor der Umwandlung (bzw. Einbringung) ein lediglich auf die Anrechnungsmethode beschränktes deutsches Besteuerungsrecht, besteht nach der hier vertretenen Ansicht (vgl. Rz. 9.109) grundsätzlich keine Notwendigkeit für einen Ansatz des gemeinen Wertes bei der Einbringung. Etwas anderes kann – wie in Rz. 9.109 ff. ausführlich dargelegt – aus Gründen der sachlichen Billigkeit gelten, wenn der ausländische Staat, dem das primäre Besteuerungsrecht zusteht, keine Buchwertfortführung zulässt. 1 Vgl. Patt in D/P/M108, § 20 UmwStG Rz. 228.

Sterner | 545

9.281

Kap. 9 Rz. 9.282 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

5. Antrag (§ 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG)

9.282 Der Buchwertantrag ist nach der h.M. zu § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG von der übernehmenden Körperschaft1 bei dem für sie zuständigen Finanzamt2 zu stellen. Es ergeben sich deshalb, auch wenn eine ausländische Gesellschaft oder ausländische Gesellschafter an der Umwandlung (bzw. Einbringung) beteiligt sind, keine Besonderheiten. IV. Sperrfrist, Rückbeziehung

9.283 Bezüglich der Sperrfrist des § 22 Abs. 1 UmwStG und der Rückbeziehung nach § 20 Abs. 5 und 6 UmwStG wird auf Rz. 9.114 ff. verwiesen. V. Ausländische Rechtsfolgen

9.284 Die möglichen ausländischen Rechtsfolgen der Umwandlung (bzw. der Einbringung) können insbesondere im Fall der Umwandlung (bzw. Einbringung) einer ausländischen Gesellschaft nur ansatzweise beschrieben werden, da sie von dem jeweiligen nationalen Steuerrecht des Landes abhängig sind. Steuerliche Rechtsfolgen durch die Umwandlung (bzw. die Einbringung) können sich entweder auf der Ebene der (ausländischen) Gesellschafter oder der Personengesellschaft ergeben. 9.285 Aus der Sicht des ausländischen Staates kann im Falle einer Umwandlung (bzw. Einbringung) häufig ein anderes Besteuerungssubjekt bzw. -objekt betroffen sein, da einerseits die umzuwandelnde, aus deutscher Sicht transparente Personengesellschaft aus der Sicht des ausländischen Staates entweder transparent oder intransparent sein kann und andererseits auch die übernehmende, aus deutscher Sicht intransparente Kapitalgesellschaft entweder transparent oder intransparent sein kann. Die Zahl der möglichen Fallgestaltungen nimmt noch dadurch zu, dass bezüglich der „Transparenz“ oder „Intransparenz“ der übernehmenden Kapitalgesellschaft Wahlmöglichkeiten im Ausland bestehen können. 9.286 Bei der Umwandlung einer ausländischen Gesellschaft können die maßgeblichen stillen Reserven in Vermögen liegen, das in Deutschland nicht steuerverstrickt ist. In der Praxis könnte es aus ertragsteuerrechtlicher Sicht daher sinnvoll sein, die Prüfung der ausländischen Steuerfolgen vorrangig vorzunehmen und anschließend zu prüfen, ob die Umwandlung (bzw. Einbringung) in Deutschland entweder grundsätzlich zu Buchwerten möglich ist oder nicht. Die Prüfungstiefe- und -reihenfolge möglicher Vorgänge orientiert sich an den in oben dargelegten Maßstäben, auf die entsprechend verwiesen wird. 1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665) (UmwSt-Erlass), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.21. 2 Infolge des unklaren Gesetzeswortlauts und da der UmwSt-Erlass bzgl. des Falles, in dem die übernehmende Gesellschaft eine ausländische Gesellschaft ist, keine Stellung genommen hat, wird teilweise die frühzeitige Klärung mit dem Finanzamt oder die Einreichung gleich lautender Anträge bei den infrage kommenden Finanzämtern empfohlen. Siehe diesbezüglich Rode/Teufel in S/R/S, Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 412 Rz. 20.32.

546 | Sterner

F. Fiktiver Formwechsel durch Option zur KSt | Rz. 9.289 Kap. 9

Unabhängig von der ertragsteuerlichen Prüfung können allerdings auch im Ausland andere steuerliche Fragestellungen, wie z.B. die Behandlung von Verlustvorträgen, Grunderwerbsteuer, Kapitalverkehrsteuern usw., aus der Sicht des ausländischen Staates von Relevanz sein.

9.287

F. Fiktiver Formwechsel durch Option zur Körperschaftsbesteuerung I. Vorbemerkung Mit dem KöMoG hat der deutsche Gesetzgeber erstmals eine Option für Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften eingeführt mit Wirkung ab dem 1.1.20221 auf Antrag zur Körperschaftsbesteuerung überzugehen. Ein derartiges OptionsModell ist im deutschen Ertragsteuerrecht ein Novum, in anderen Rechtsordnungen jedoch bereits langjährige Praxis („Check-the-box“2). Für den Steuerpflichtigen bietet sich somit nun die Möglichkeit, von der transparenten zur intransparenten Besteuerung zu wechseln, ohne zivilrechtlich3 einen tatsächlichen Rechtsformwechsel vollziehen zu müssen. Zielsetzung der Optionsmöglichkeit ist es, die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Gesellschaften zu fördern und eine rechtsformunabhängige Besteuerung zu ermöglichen.4 Neben der Option zur Körperschaftsbesteuerung ist in § 1a Abs. 4 Satz 1 KStG zudem eine entsprechende Rückoption vorgesehen.

9.288

Die Optionsausübung sollte jedoch wohl überlegt sein. Denn diese ist nach dem Wortlaut des § 1a Abs. 1 Satz 1 KStG unwiderruflich. Ein wirksam gestellter Antrag ist also bindend und kann nicht zurückgenommen werden.5 Im Schrifttum wird diskutiert, ob der Unwiderruflichkeit jedenfalls bis zum Beginn des Wirtschaftsjahres, für welches der Übergang zur Körperschaftsbesteuerung beantragt worden ist, dadurch entgangen werden kann, dass rechtzeitig die Rückoption ausgeübt wird.6 Mit Blick auf den Wortlaut des § 1a Abs. 4 Satz 1 KStG sowie den Willen des Gesetzgebers erscheint dies jedoch fraglich.7 Wird die Option ausgeübt, wird die Gesellschaft in der Rechtsfolge zum einen nach § 1a Abs. 1 Satz 1 KStG wie eine Kapitalgesellschaft und ihre Gesellschafter wie die nicht persönlich haftenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft behandelt. Zum anderen wird dieser Übergang zur Körperschaftsbesteuerung nach § 1a Abs. 2 Satz 1 KStG einem Formwechsel gleichgestellt. Anders als sonst im UmwStG üblich, ist eine 1 Nach § 34 Abs. 1a KStG kann der Antrag bereits in 2021 mit Wirkung zum 1.1.2022 gestellt werden, vgl. BT-Drucks. 19/29843, 43. 2 Pung in D/P/M108, § 1a KStG Rz. 3. 3 Dorn/Dibbert, DB 2021, 706 (707); Ott, DStZ 2021, 559; Wacker/Krüger/Levedag/Loschelder, DStR-Beih 41/2021, 3 (10); Tiede in H/H/R, EStG/KStG314, § 1a KStG Anm. 31. 4 Wackerbeck in Brandis/Heuermann163, § 1a KStG Rz. 5. 5 Wackerbeck in Brandis/Heuermann163, § 1a KStG Rz. 22 6 Mundfortz in Frotscher/Drüen166, KStG, § 1a KStG Rz. 36; Bochmann/Bron, NZG 2021, 613 (614); Dreßler/Kompolsek, Ubg 2021, 301 (302), 7 Wackerbeck in Brandis/Heuermann163, § 1a KStG Rz. 22; Pung in D/P/M108, § 1a KStG Rz. 34; Tiede in mundf/R, EStG/KStG314, § 1a KStG Rz. 23.

Sterner | 547

9.289

Kap. 9 Rz. 9.289 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

steuerliche Rückwirkung auf einen vor dem Antrag liegenden Zeitpunkt jedoch nicht vorgesehen, sondern von § 1a Abs. 2 Satz 3 KStG ausdrücklich ausgeschlossen.1

9.290 Im Folgenden wird dargestellt wie die Optionsausübung nach § 1a KStG aus Sicht des UmwStG zu behandeln ist, sowie praxisrelevante Gestaltungshinweise gegeben. Eine ausführliche Behandlung des § 1a KStG ist jedoch einem gesonderten Kapitel 20 vorbehalten, auf das hier wegen der Einzelheiten und Besonderheiten verwiesen wird. II. Grundlagen

9.291 Die Ausübung der Option nach § 1a KStG stellt zwar keinen tatsächlichen Formwechsel dar und die Gesellschaftsform bleibt aus zivilrechtlicher Sicht bestehen. Die Regelung des § 1a Abs. 2 Satz 1 UmwStG stellt jedoch klar, dass der Übergang zur Körperschaftsbesteuerung als Formwechsel i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 3 UmwStG „gilt“ und damit ein fiktiver Formwechsel vorliegt. Das Gesetz fingiert also für ertragsteuerliche Zwecke einen Formwechsel der antragstellenden Personengesellschaft in eine (fiktive) Kapitalgesellschaft. Auf diesen fiktiven Formwechsel sind nach § 1a Abs. 2 Satz 2 KStG die Regelungen der §§ 1 und 25 UmwStG entsprechend anzuwenden. Die §§ 20 bis 23 UmwStG sind wiederum durch den Verweis in § 25 UmwStG anwendbar.2 Im Ergebnis ist die Optionsausübung daher aus Sicht des UmwStG für ertragsteuerliche Zwecke wie ein tatsächlicher Formwechsel zu behandeln. Somit kann im Wesentlichen auf die bisherigen Ausführungen dieses Kapitels zum Formwechsel verwiesen werden (Rz. 9.219 ff.). Der persönliche Anwendungsbereich der Option ist zudem sowohl für ausländische Rechtsformen eröffnet, die nach einem Rechtstypenvergleich mit den in § 1a KStG genannten Gesellschaftsformen vergleichbar sind.3 Als auch für Gesellschaften, die ihren Sitz und Geschäftsleitung nicht im Inland haben.4 Der Wortlaut des Gesetzes sieht keine Anknüpfung an die unbeschränkte Steuerpflicht vor, weshalb auch eine Option zur beschränkten Körperschaftsteuerpflicht (§ 2 KStG) möglich ist.

9.292 Die Umwandlung (bzw. Einbringung) einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft stellt aus deutscher ertragsteuerrechtlicher Sicht grundsätzlich einen Rechtsträgerwechsel dar und führt deshalb nach h.M. zu einer Aufdeckung stiller Reserven.5 Entsprechendes gilt auch für den fiktiven Formwechsel infolge der Optionsausübung. Aufgrund der Fiktion des § 1a KStG ist für Zwecke des UmwStG grundsätzlich von einem Rechtsträgerwechsel und damit der Aufdeckung stiller Reserven 1 Tiede in H/H/R, EStG/KStG314, § 1a KStG Anm. 85; Wackerbeck in Brandis/Heuermann163, § 1a KStG Rz. 40. 2 Wackerbeck in Brandis/Heuermann163, § 1a KStG Rz. 39; Tiede in H/H/R, EStG/KStG314, § 1a KStG Anm. 50. 3 BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004 (2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 3; Wacker/Krüger/Levedag/Loschelder, DStR-Beih 41/2021, 3 (36). 4 BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004(2021/1162290), BStBl. I 2021, 2212 Rz. 4. 5 Rabback in R/H/vL3, § 25 UmwStG Rz. 6.

548 | Sterner

F. Fiktiver Formwechsel durch Option zur KSt | Rz. 9.295 Kap. 9

auszugehen.1 Auch die Finanzverwaltung nimmt einen Anschaffungs- und Veräußerungsvorgang an.2 Allerdings ist eine Antragstelllung zur Buchwertverknüpfung möglich. III. Buchwertansatz für den Einbringungsvorgang 1. Einleitung Die Aufdeckung stiller Reserven lässt sich wie beim tatsächlichen Formwechsel jedoch dadurch vermeiden, dass die Voraussetzungen zur Buchwertfortführung erfüllt werden.3 Insbesondere ist darauf zu achten, dass separate Anträge einmal hinsichtlich der Option und einmal hinsichtlich der Buchwertfortführung gestellt werden.4 Aufgrund der Verweisungen auf die §§ 1 und 25 UmwStG ist die Buchwertfortführung im Rahmen des fiktiven Formwechsels an dieselben Voraussetzungen geknüpft wie der tatsächliche Formwechsel.5

9.293

Für den Buchwertansatz des eingebrachten Betriebsvermögens durch den übernehmenden Rechtsträger müssen daher das UmwStG nach § 1 UmwStG anwendbar sein, die formellen und materiellen Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG erfüllt sein und es darf innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist des § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG nicht zu einer schädlichen Veräußerung der erhaltenen Anteile oder einem anderen schädlichen Vorgang (§ 22 Abs. 1 Satz 6 UmwStG) kommen. 2. Voraussetzungen der Buchwertfortführung Aufgrund der ausdrücklichen Fiktion gilt der fiktive Formwechsel als Formwechsel einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 UmwStG auf welchen der Sechste bis Achte Teil des UmwStG anzuwenden ist.

9.294

Der Anwendungsbereich des UmwStG wird aber, trotz der erfolgten weitgehenden Globalisierung des UmwStG, weiterhin durch § 1 Abs. 4 UmwStG eingeschränkt. Danach ist es für die Anwendung des § 20 Abs. 2 UmwStG für Kapitalgesellschaften erforderlich, dass

9.295

1. der übernehmende Rechtsträger (also die Kapitalgesellschaft, in die die Personengesellschaft umgewandelt bzw. eingebracht wird) eine Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG ist und 2. entweder – beim Formwechsel der umwandelnde Rechtsträger, bei der Einbringung durch Einzelrechtsnachfolge der einbringende Rechtsträger oder bei den anderen Um1 Mundfortz in Frotscher/Drüen166, KStG, § 1a KStG Rz. 55; Tiede in H/H/R, EStG/KStG314, § 1a KStG Anm. 50; Schiffers/Jacobsen, DStZ 21, 348 (358). 2 BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004 (2021/1162290), BStBl. I 2021, 2212 Rz. 24. 3 Wackerbeck in Brandis/Heuermann163, § 1a KStG Rz. 43. 4 Mundfortz in Frotscher/Drüen166, KStG, § 1a KStG Rz. 95; Patt, EStB 2021, 391 (392); Schiffers/Jacobsen, DStZ 2021, 348 (360). 5 Ott, DStZ 2021, 559 (560).

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Kap. 9 Rz. 9.295 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

wandlungsfällen der übertragende Rechtsträger eine Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG ist oder – das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Der Antrag nach § 1a KStG ist nach hier vertretener Auffassung nicht an den Sitz der Gesellschaft oder ihrer Gesellschafter gebunden, da der Wortlaut des § 1a KStG keine Einschränkung hinsichtlich des Sitzes der Gesellschaft oder einer unbeschränkten Steuerpflicht der Gesellschafter vorsieht. Auch einer Gesellschaft mit Sitz im Ausland, die mit einer Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaft vergleichbar ist, oder eine Gesellschaft, deren Gesellschafter ihren Wohnsitz im Ausland haben, steht die Option zum Übergang zur Körperschaftsbesteuerung daher offen.1 Davon unabhängig müssen zur Buchwertfortführung jedoch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 UmwStG erfüllt werden. Da es sich lediglich um einen fiktiven Formwechsel handelt, besteht tatsächlich keine Kapitalgesellschaft, die die EU/EWR Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG erfüllen könnte. Die Voraussetzungen sind jedoch entsprechend anzuwenden, weshalb die optierende Gesellschaft die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG (Sitz und Ort der Geschäftsleitung innerhalb des Hoheitsgebiets eines EU/EWR Staates) und die an der optierenden Gesellschaft beteiligten Gesellschafter die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a UmwStG (Ansässigkeit im Hoheitsgebiert eines EU/EWR Staates) erfüllen müssen.2 Alternativ darf das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an der optierenden Gesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt sein (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG).

9.296 Um die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 UmwStG zu erfüllen, müssen zudem sämtliche funktional-wesentlichen Betriebsgrundlagen der Personengesellschaft in die fiktive Körperschaft i.S.d. § 1a KStG eingebracht werden.3 Problematisch kann dies mit Blick auf das Sonderbetriebsvermögen einer Personengesellschaft sein. Denn auch Wirtschaftsgüter, die zum Sonderbetriebsvermögen der Personengesellschaft gehören und eine funktional-wesentliche Betriebsgrundlagen darstellen, sind auf die (fiktive) Kapitalgesellschaft zu übertragen, wenn die Voraussetzungen zur Buchwertfortführung erfüllt werden sollen. Da diese Wirtschaftsgüter im Eigentum der Gesellschafter der Personengesellschaft stehen und nicht zum Gesamthandsvermögen der Gesellschaft gehören, ist sicherzustellen, dass diese Wirtschaftsgüter in zeitlichem und wirtschaftlichem Zusammen1 BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004 (2021/1162290), BStBl. I 2021, 2212 Rz. 3 und 4. 2 BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004 (2021/1162290), BStBl. I 2021, 2212 Rz. 26; Dreßler/Kompolsek, Ubg 2022, 1 (4). 3 Schiffers/Jacobsen, DStZ 2021, 348 (358).

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F. Fiktiver Formwechsel durch Option zur KSt | Rz. 9.298 Kap. 9

hang mit der Ausübung der Option nach § 1a KStG in das Vermögen der optierenden Gesellschaft übertragen werden.1 Dies hat durch einen gesonderten zivilrechtlichen Übertragungsakt zu erfolgen.2 Grundsätzlich ist es nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 UmwStG erforderlich, dass die bisherigen Gesellschafter der Personengesellschaft für die Einbringung in die übernehmende Kapitalgesellschaft neue Anteile an dieser Kapitalgesellschaft erhalten.

9.297

Da im Rahmen der Fiktion des § 1a KStG jedoch gar keine solche Kapitalgesellschaft besteht, ist auf dieses Erfordernis zu verzichten. Dies ergibt sich daraus, dass § 1a Abs. 2 Satz 2 KStG lediglich eine entsprechende Anwendung des UmwStG anordnet und daher nur solche Kriterien erfüllt werden müssen, die auch tatsächlich erfüllt werden können.3 IV. Gestaltungshinweis Einkünfte aus Umwandlungen fallen im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung nach § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG grundsätzlich unter den Katalog der aktiven Einkünfte. Die Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG hat nach ihrem neuen Wortlaut seit ihrer Änderung vom 25.6.2021 einen sehr weit gefassten Anwendungsbereich und erfasst allgemein „Umwandlungen“.4 Die Einkünfte müssen aus einem mit § 1 UmwStG vergleichbaren Vorgang stammen.5 Insofern sind nach hier vertretener Auffassung auch reine Änderungen des Gesellschaftsvertrages einer Personengesellschaft, die dazu führen, dass die Gesellschaft anschließend einem Typenvergleich nach als Kapitalgesellschaft zu qualifizieren ist, unter den Tatbestand der Umwandlung des § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG zu fassen. Allerdings kann diese am Wortlaut orientierte Ansicht nicht als gesichert gelten. Mit der Einführung der Option nach § 1a KStG ergibt sich jedoch die Möglichkeit, eventuelle Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Auslegung des Begriffs der Umwandlung im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung bzw. des § 20 Abs. 2 AStG zu vermeiden. Sofern die Ansicht vertreten wird, dass die reine Änderung des Gesellschaftsvertrages nicht unter den vorgenannten Tatbestand fällt, kann die Gesellschaft in einem ersten Schritt nach § 1a KStG zur Körperschaftsbesteuerung optieren. Dieser fiktive Formwechsel sollte unter den Begriff der Umwandlung i.S.d. § 8 AStG fallen, weshalb etwaige Einkünfte aus der Umwandlung grundsätzlich zu den aktiven Einkünften gehören. In einem zweiten Schritt kann dann, nachdem die Rechtsfolgen des § 1a KStG eingetreten sind, der Gesellschaftsvertrag der optierenden Gesellschaft so geändert werden, dass diese steuerlich auch auf Grund eines Rechtstypenvergleichs als Kapitalge1 BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004 (2021/1162290), BStBl. I 2021, 2212 Rz. 34; Dreßler/Kompolsek, Ubg 2022, 1 (6); Schiffers/Jacobsen, DStZ 21, 348 (359). 2 Ott, DStZ 2021, 559 (561). 3 Schiffers/Jacobsen, DStZ 21, 348 (359). 4 Böhmer/Schewe/Schlücke, FR 2020, 164 (167). 5 Vogt in Brandis/Heuermann163, § 8 AStG Rz. 332.

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9.298

Kap. 9 Rz. 9.298 | Umwandlungen von PersGes in KapGes

sellschaft einzustufen ist. Zu beachten ist jedoch, dass im Anschluss die Möglichkeit der Rückoption nach § 1a Abs. 4 KStG entfällt. Diese steht nur einer Personenhandles- oder Partnerschaftsgesellschaft zu, die ursprünglich nach § 1a Abs. 1 KStG zur Körperschaftsbesteuerung optiert hatte. Wird die zivilrechtliche Rechtsform der Gesellschaft geändert, kann faktisch nicht mehr zur transparenten Besteuerung rückoptiert werden.

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Kapitel 10 Umwandlungen von Kapitalgesellschaften A. Einleitung I. Inhalt und Aufbau 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umwandlungen . . . . . . . . . . . 3. Kapitalgesellschaften . . . . . . . 4. Internationale Bezüge a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesellschaftsrechtliches versus steuerrechtliches Begriffsverständnis c) Fallgruppen . . . . . . . . . . . II. Rechtsgrundlagen 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Im Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Außerhalb des Anwendungsbereichs des UmwStG . . . . . . B. Anwendungsbereich des UmwStG I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sachlicher Anwendungsbereich 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umwandlungen i.S.v. §§ 2, 123 Abs. 1, 2 UmwG . . . . . . . . . . . 3. Vergleichbare ausländische Vorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Steuerrechtliche Rückbeziehung I. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Hinausumwandlung . . . . . . . . . . IV. Hereinumwandlung . . . . . . . . . . . V. Anteilstausch . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . III. Im Anwendungsbereich des UmwStG

10.1 10.2 10.5 10.6

10.18 10.22 10.23 10.24 10.25 10.27 10.29 10.30 10.31 10.34 10.36 10.37 10.44 10.45 10.46 10.47

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 10.48 2. Auslandsbezug durch ausländische Anteilseigner a) Begriff und Beispiele . . . 10.49 b) Übertragende Gesellschaft c) Übernehmende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.59 d) Inländische Anteilseigner 10.61 e) Ausländische Anteilseigner 3. Auslandsbezug durch ausländisches Vermögen a) Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . 10.74 b) Bestehen eines deutschen Besteuerungsrechts . . . . . 10.75 c) Übertragende Gesellschaft d) Übernehmende Gesellschaft e) Anteilseigner . . . . . . . . . . 10.103 IV. Außerhalb des Anwendungsbereichs des UmwStG 1. Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.104 2. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . 10.105 3. Übertragende Gesellschaft a) Gewinnrealisierung . . . . 10.108 b) Berücksichtigung ausländischer Steuer . . . . . . . . . 10.111 4. Übernehmende Gesellschaft a) Zugangsbewertung . . . . . 10.112 b) Übernahmeergebnis . . . . 10.114 c) Keine Rechtsnachfolge . . 10.115 5. Inländische Anteilseigner a) Rechtsgrundlagen . . . . . . 10.116 b) Veräußerung (Tausch, tauschähnlicher Vorgang) . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.118 c) Sachausschüttung . . . . . . 10.119 d) Liquidationsauskehrung 10.123 e) Steuerneutralität für Kleingesellschafter (§ 20 Abs. 4a EStG) . . . . . . . . . 10.127 6. Ausländische Anteilseigner . . 10.132 E. Ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.136

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Kap. 10 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften II. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . 10.137 III. Im Anwendungsbereich des UmwStG 1. Anwendbarkeit der §§ 11 ff. bzw. § 15 UmwStG . . . . . . . . 10.138 2. Inlandsbezug durch im Inland steuerverstrickte Anteile a) Arten des Inlandsbezugs 10.139 b) Übertragende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 10.141 c) Übernehmende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 10.144 d) Inländische Anteilseigner e) Ausländische Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.164 3. Inlandsbezug durch inländisches Vermögen a) Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . 10.166 b) Übertragende Gesellschaft c) Übernehmende Gesellschaft d) Inländische/ausländische Anteilseigner . . . . . . . . . . 10.188 IV. Außerhalb des Anwendungsbereichs des UmwStG 1. Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . 10.189 2. Inlandsbezug durch im Inland steuerverstrickte Anteile a) Inländischer Anteilseigner b) Ausländische Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.204 3. Inlandsbezug durch inländisches Vermögen a) Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . 10.207 b) Übertragende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 10.208 c) Übernehmende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 10.211 F. Hinausumwandlung I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.214 II. Entstrickung 1. Rechtsgrundlagen a) Entstrickungsregelungen 10.215 b) Anwendung der Entstrickungsregelungen 2. Europarechtskonformität der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.233

554 | Beinert/Scheifele

3. Umwandlungssteuerrechtliche („passive“) Entstrickung a) Beispiele . . . . . . . . . . . . . . 10.236 b) Zu einzelnen Fallgruppen 4. Aktive Entstrickung . . . . . . . 10.241 III. Hinausverschmelzung 1. Hinausverschmelzung in EU-/ EWR-Raum a) Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . 10.244 b) Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . 10.245 c) Übertragende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 10.249 d) Übernehmende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 10.250 e) Inländische/ausländische Anteilseigner . . . . . . . . . . 10.254 2. Hinausverschmelzung in Drittstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.259 IV. Hinausspaltung . . . . . . . . . . . . . . 10.260 G. Hereinumwandlung I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.267 II. Verstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.268 III. Entstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.275 IV. Hereinverschmelzung 1. Hereinverschmelzung aus EU-/EWR-Raum a) Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . 10.276 b) Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . 10.277 c) Übertragende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 10.278 d) Übernehmende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 10.280 e) Inländische/ausländische Anteilseigner . . . . . . . . . . 10.285 2. Hereinverschmelzung aus Drittstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.287 V. Hereinspaltung . . . . . . . . . . . . . . 10.288 H. Anteilstausch I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.295 II. Rechtsgrundlagen 1. Anwendbarkeit des UmwStG 10.296 2. Außerhalb des Anwendungsbereichs des UmwStG . . . . . . 10.300 III. Anteilstausch nach § 21 UmwStG 1. Arten des internationalen Bezugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.302 2. Ausländischer Einbringender

Umwandlungen von Kapitalgesellschaften | Kap. 10 a) Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . b) Übernehmende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einbringender 3. Übernehmende Gesellschaft im Ausland ansässig a) Beispiele . . . . . . . . . . . . . . b) Übernehmende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . .

10.303 10.304

10.319

c) Einbringender 4. Ausländische erworbene Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.331 5. Mitteilungspflicht nach DAC6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.332 IV. Außerhalb des Anwendungsbereichs des UmwStG . . . . . . . . . 10.333

10.320

Literatur: Bauschatz, Steuerliches Einlagekonto und grenzüberschreitende Verschmelzung, FS Gosch, 2016, 23; Becker/Loose, Besteuerung ausländischer Abspaltungen beim inländischen Anteilseigner, IStR 2010, 383; Becker/Schwarz, Neue Steuerfallen im internationalen Steuerrecht – Zum überschießenden Regelungsgehalt des neuen Korrespondenzprinzips im Körperschaftsteuerrecht, DB 2008, 370; Beinert, Auswirkungen von Umwandlungsvorgängen auf Kleingesellschafter nach dem UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 291; Beinert/Benecke, Internationale Aspekte der Umstrukturierung von Unternehmen – Erster Teil: Entstrickung und Umwandlungen sowie FRL und Teilbetriebsbegriff im UmwStG 2006, FR 2010, 1009; Beinert/ Benecke, Internationale Aspekte der Umstrukturierung von Unternehmen – Zweiter Teil: Umwandlungen nach §§ 3 ff. und §§ 11 ff. UmwStG sowie Anwendung des § 50d Abs. 9 EStG, FR 2010, 1120; Benecke, Anwendungsbereich des UmwStG und Rückwirkung nach dem UmwStErlass 2011, GmbHR 2012, 113; Benecke/Schnitger, Die steuerliche Behandlung nicht wesentlich beteiligter Anteilseigner bei Umwandlungen: Ein Diskussionsbeitrag, Ubg 2011, 1; Benecke/Staats, Voraussetzungen für das Vorliegen eines Teilbetriebs bei einer Abspaltung, FR 2010, 893; Böhmer/Wegener, Zum Verhältnis der Verstrickung zu sonstigen Vorschriften des nationalen Rechts, Ubg 2015, 69; Breuninger, Die „Zentralfunktion des Stammhauses“ bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen, Festschrift Schaumburg, 2009, 587; Brinkmann/Reiter, National Grid Indus: Auswirkungen auf die deutsche Entstrickungsbesteuerung – Zugleich Anm. zum EuGH-Urteil vom 29.11.2011 – Rs. 371/10, DB 2012, 16; von Brocke/Goebel/Ungemach/von Cossel, Zur steuerlichen Rückwirkung bei grenzüberschreitenden Umwandlungsvorgängen, DStZ 2011, 684; Bron/Seidel, Missglückte Vereinfachung der Besteuerung von Kapitalmaßnahmen durch § 20 Abs. 4a EStG, DStZ 2009, 268; Bruckmeier/Zwirner/Künkele, Die Behandlung eigener Anteile – Das BilMoG kürzt das Steuersubstrat und fördert Investitionen in eigene Aktien, DStR 2010, 1640; Demuth, Beratungspraktische Hinweise zur Verschmelzung von Kapitalgesellschaften nach dem neuen UmwStErlass, KÖSDI 2012, 17784; Desens, Der Leistungsfähigkeitsgedanke und die Entstrickung im Spiegel der europäischen Freizügigkeitsrechte, FR 2022, 681; Dörfler/Adrian, Anwendungsfragen und Wirkungen des Korrespondenzprinzips bei verdeckter Gewinnausschüttung und verdeckter Einlage, Ubg 2008, 373; Dötsch/Pung, SEStEG: Die Änderungen des KStG, DB 2006, 2648; Eberhardt, Die Reichweite der Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen – dargestellt anhand von Praxisfällen, IStR 2019, 697; Eisgruber, Vortrag bei der 33. Kölner Steuerkonferenz, 2012; Ettinger/Königer, Steuerliche Rückwirkung bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungsvorgängen, GmbHR 2009, 590; Figna/Fürstenau, Steuerliche Praxisfragen bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen, BB-Special 1/2010, 12; Förster/Felchner, Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personenunternehmen nach dem Referentenentwurf zum SEStEG, DB 2006, 1072; Frase, „Hinzurechnungsbesteuerung“ nach § 8b Abs. 1 S. 2 KStG europarechtskonform?, BB 2008, 2713; Fuhrmann, Grenzüberschreitender Anteilstausch innerhalb der EU, DStZ 2007, 111; Girlich/Philipp, Entstrickungsaspekte bei der Hinausverschmelzung von Kapitalgesellschaften, Ubg 2012, 150; Goebel/Ungemach/Glaser, Steuerrechtliche Rückwirkung bei grenzüberschreitenden Umwandlungsvorgängen, DStZ 2009, 854; Gosch in Lüdicke, Praxis und Zu-

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Kap. 10 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften kunft des deutschen Internationalen Steuerrechts, 2012, 182; Graf/Paukstadt, Abgeltungsteuer – Praxiserfahrungen, Verbesserungsbedarf, Gestaltungsempfehlungen, FR 2011, 249; Hageböke, Sind alle Umwandlungen „Veräußerungen“? – Kritische Anmerkungen zur neuen Ausgangsthese der Finanzverwaltung im UmwStEE, Ubg 2011, 689; Hageböke/Stangl, „Globalisierung“ des UmwStG durch das KöMoG und Einbringungen durch Drittstaatengesellschafter – Eine Bestandsaufnahme unter Berücksichtigung der „DMC“-Rechtsprechung, Ubg 2021, 242; Heinemann, Verschmelzung von Kapitalgesellschaften nach dem UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 133; Herbort/Schenke, „Kapitalertragsteuerfalle“ beim grenzüberschreitenden Upstream-Merger?, IStR 2016, 567; Holle/Keilhoff, Drittstaatsabspaltungen im internationalen Steuerrecht – Diskussion einer möglichen Steuerbelastung im Inland, IStR 2017, 245; Holle/ Krüger/Weiss, Die geplante Erweiterung der persönlichen Anwendbarkeit des UmwStG durch das KöMoG – Globalisierung des UmwStG?, IStR 2021, 489; Hruschka, Umwandlungen mit Auslandsberührung – Folgerungen aus dem Blickwinkel des Erlassentwurfs vom 2.5.2011, StuB 2011, 540; Hruschka/Hellmann, Bewertungswahlrechte bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, DStR 2010, 1961; Jachmann-Michel, Steuerneutrale Zuteilung von Aktien im Rahmen eines US-“Spin-Off“ für inländische Privatanleger, DStR 2021, 2392; Käbisch/Bunzeck, Grenzüberschreitende Umstrukturierungen nach dem Erlassentwurf zum UmwStG vom 2.5.2011, IWB 2011, 392; Käshammer/Kestler, Das neue DBA-Luxemburg: Bestandsaufnahme und erste Folgerungen für die Beratungspraxis, IStR 2012, 477; Kahle, Entstrickung einzelner Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens – Neue Rechtsentwicklungen, StuB 2011, 903; Kamphaus/Weihmann, Hinzurechnungsbesteuerung bei Auslandsumwandlungen – ein Leitfaden für die steuerliche Praxis, Ubg 2009, 502; Kempf/Hohage, Gedanken zu § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG bei beschränkt Steuerpflichtigen, IStR 2010, 806; Kempf/Nitzschke, Überlegungen zur Abwärtsverschmelzung bei ausländischen Anteilseignern, IStR 2022, 73; Kessler/Philipp, Steuerrechtliche Behandlung der Anteile an der übernehmenden Körperschaft im Rahmen des downstream-merger – Anm. zur Verwaltungsauffassung im Umwandlungssteuererlass-Entwurf vom 2.5.2011, DB 2011, 1658; Klingberg/van Lishaut, Ausländische Umwandlungen im deutschen Steuerrecht, FR 1999, 1209; Klingberg/Nitzschke, Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten nach dem SEStEG, PISTB 2007, 67; Klingberg/Nitzschke, Grenzüberschreitende Umwandlungen am Beispiel grenzüberschreitender Verschmelzungen, Ubg 2011, 451; Köhler, Grenzüberschreitende Outbound-Verschmelzung und Sitzverlegung vor dem Hintergrund der jüngsten BFH-Rechtsprechung, IStR 2010, 337; Körner, Ent- und Verstrickung, IStR 2009, 741; Körner, Anmerkungen zum SEStEG-Entwurf vom 21.4.2006, IStR 2006, 469; Kraft, Gewerbesteuerliches Gestaltungspotenzial und Gewerbesteuerfallen bei Umwandlungen im Kontext von Inbound-Investments, IStR 2012, 528; Kraft/Ungemach, Deutsche Entstrickungsregelungen im Bereich des Betriebsvermögens – Bestandsaufnahme und aktuelle, praxisrelevante Entwicklungen, DStZ 2020, 440; Krohn/Greulich, Ausgewählte Einzelprobleme des neuen Umwandlungssteuerrechts aus der Praxis, DStR 2008, 646; Kühn, DBA- und Unionsrechtskonformität der Behandlung einer Abwärtsverschmelzung von Kapitalgesellschaften mit ausländischen Anteilseignern, IStR 2021, 153; Kühn, Fortführung der Überlegungen zur Einordnung der Abwärtsverschmelzung einer Kapitalgesellschaft mit ausländischen Anteilseignern nach nationalem Recht und Unionsrecht, IStR 2022, 906; Lechner/Haisch, Was nun? Erwerb eigener Anteile nach dem BMF-Schreiben vom 10.8.2010, Ubg 2010, 691; Lemaitre/Schönherr, Die Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften durch Verschmelzung und Formwechsel nach der Neufassung des UmwStG durch das SEStEG, GmbHR 2007, 173; Linn, Änderungen in der Hinzurechnungsbesteuerung durch das ATADUmsG?, IStR 2020, 77; Ludwig/Leidel, Abwärtsverschmelzung mit ausländischen Anteilseignern – neue BFHRechtsprechung und ihre Auswirkungen in der Praxis, IStR 2019, 433; Mayer, Steuerliche Behandlung eigener Anteile nach dem BilMoG, Ubg 2008, 779; Micker/Kühn, Praxisprobleme bei der Abwärtsverschmelzung von Kapitalgesellschaften – Folgen aus der Rechtsprechung des I. Senats, Ubg 2020, 196; Middendorf/Strothenke, Umwandlungen mit internationalem Bezug – Anmerkungen zum neuen Umwandlungssteuererlass, StuB 2012, 305; Mitschke, Kon-

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Umwandlungen von Kapitalgesellschaften | Kap. 10 kretisierung der gesetzlichen Entstrickungsregelungen und Kodifizierung der finalen Betriebsaufgabetheorie durch das Jahressteuergesetz 2010 – Zugleich eine Erwiderung auf die Beiträge von Richter/Heyd, Ubg 2011, 172 ff. und Ungemach, Ubg 2011, 251 ff., Ubg 2011, 328; Mühlhausen/Welling, Der Entwurf des BMF-Schreibens zur Meldepflicht von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen („DAC6“) gem. §§ 138d–k AO, SR 2021, 20; Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, 2. Aufl. 2022; Mutscher, Anwendungsbereich der fiktiven Steueranrechnung im UmwStG, IStR 2010, 820; Nitzschke, Veräußerung direkt gehaltener Beteiligungen an Kapitalgesellschaften durch beschränkt Körperschaftsteuerpflichtige – Führt § 8b Abs. 3 KStG zur partiellen Besteuerung eines Veräußerungsgewinns?, IStR 2012, 125; Oppen/ Polatzky, Ausgewählte Zweifels- und Praxisfragen zur Verschmelzung nach dem UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 263; Pohl, Ausgewählte internationale Aspekte des neuen Umwandlungssteuererlasses, IWB 2012, 177; Prinz, Inländische Umstrukturierung von GmbHs mit Auslandsbezug, GmbHR 2020, 625; Prinz, Grundlagen zum internationalen Umwandlungssteuerrecht, DB 2012, 820; Pyszka/Jüngling, Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personenunternehmen, BB-Special 1/2011 zu Heft 35, 4; Rasche, Steuerliche Risiken bei der Abwärtsverschmelzung („down-stream merger“), GmbHR 2010, 1188; Richter/Heyd, Die Konkretisierung der Entstrickungsregelungen und Kodifizierung der finalen Betriebsaufgabe durch das Jahressteuergesetz 2010, Ubg 2011, 172; Rödder/Schaden, Zur Besteuerung des down-stream-merger, Ubg 2011, 40; Schaflitzl/Widmayer, Die Besteuerung von Umwandlungen nach dem Regierungsentwurf des SEStEG, BB-Special 8/2006, 36; Schaumberger/Stößel, Entstrickungsgefahren bei der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften anhand ausgewählter Fallbeispiele, FR 2020, 1123; Schaumburg, Steuerliche Restriktionen bei internationalen Umwandlungen, GmbHR 2010, 1341; Scheipers/Kowallik, Zur Anwendbarkeit des § 8b Abs. 3 KStG bei der Veräußerung direkt gehaltener Beteiligungen durch beschränkt Steuerpflichtige, IWB Fach 3 Gruppe 4, 459; Schell, Internationale Bezüge bei Verschmelzungen zwischen Körperschaften – Fragestellungen im Lichte des neuen Umwandlungssteuererlasses, FR 2012, 101; Schmitt/Schloßmacher, Downstream-Merger mit ausländischen Anteilseignern, DStR 2010, 673; Schneider/Ruoff/Sistermann, Brennpunkte des Umwandlungssteuer-Erlasses 2011, FR 2012, 1; Schnitger/Brink/Welling, Die neue Meldepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen (Teil III), IStR 2021, 229; Schnitger/Krüger, Praxisfragen zur Anwendung der Meldepflichten nach §§ 138d ff. AO bei grenzüberschreitenden M&A-Transaktionen und Unternehmensrestrukturierungen, DB 2020, 2422; Schnitger/Rometzki, Die Anwendung des Korrespondenzprinzips auf verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten nach dem JStG 2007, BB 2008, 1648; Schnitger/Rometzki, Ausländische Umwandlungen und ihre Folgen bei inländischen Anteilseignern – Problemfelder vor und nach dem Entwurf des SEStEG, FR 2006, 845; Schön, Grenzüberschreitende Umstrukturierungen von Unternehmen zwischen deutschem, internationalem und Europäischem Steuerrecht, DStJG Band 43, Umstrukturierung im Steuerrecht, 2020, 563; Schönfeld, Ausgewählte Internationale Aspekte des neuen Umwandlungssteuererlasses, IStR 2011, 497; Sejdija/Gaiser, Verschmelzungen und andere Vermögensübertragungen außerhalb der EU oder des EWR, DB 2020, 1697; Stadler/Jetter, Grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften und steuerliches Einlagekonto, IStR 2009, 336; Ungemach, Europarechtliche und abkommensrechtliche Beurteilung der Entstrickungsregelungen des deutschen Umwandlungssteuerrechts, Ubg 2011, 251; Viebrock/Hagemann, Verschmelzungen mit grenzüberschreitendem Bezug – „Fallstricke“ beim Übertragungs- und Übernahmeergebnis, FR 2009, 737; Wassermeyer, Die bilanzielle Behandlung der Entstrickungsbesteuerung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG, DB 2008, 430; Wassermeyer, Besteuerung ausländischer Umwandlungen im Inland, Festschrift Widmann, 2000, 621.

Beinert/Scheifele | 557

Kap. 10 Rz. 10.1 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

A. Einleitung I. Inhalt und Aufbau 1. Überblick

10.1 Dieses Kapitel beschäftigt sich aus Sicht des deutschen Ertragsteuerrechts mit Umwandlungen von Kapitalgesellschaften, wenn und soweit diese internationale Bezüge aufweisen. Einleitend wird zunächst die inhaltliche Reichweite des Kapitels beschrieben. Dazu wird erläutert, welche Arten von Umwandlungen dieses Kapitel darstellt (Rz. 10.2 ff.), wie der Begriff Kapitalgesellschaft verstanden wird (Rz. 10.5) und woraus sich die internationalen Bezüge einer Umwandlung ergeben können (Rz. 10.6 ff.). 2. Umwandlungen

10.2 Das Kapitel beschäftigt sich mit den Umwandlungsformen Verschmelzung sowie Auf- und Abspaltung. Gemeint sind damit in erster Linie Verschmelzungen sowie Auf- und Abspaltungen i.S.v. § 2 und § 123 Abs. 1 und Abs. 2 UmwG sowie vergleichbare Vorgänge ausländischen Gesellschaftsrechts, die aufgrund eines Typenvergleichs (siehe Kapitel 4) Verschmelzungen oder Auf- oder Abspaltungen im Sinne des UmwG entsprechen. Daneben wird aber auch auf solche Umwandlungen eingegangen, die ausländischem Gesellschaftsrecht unterliegen und in ihren Wesensmerkmalen nicht (vollständig) der jeweils vergleichbaren Umwandlungsform im Sinne des UmwG entsprechen. 10.3 In einem separaten Abschnitt wird der Anteilstausch i.S.v. § 21 UmwStG behandelt. 10.4 Andere Umwandlungsformen (siehe Kapitel 6, 7 und 9) sowie die Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften (siehe Kapitel 10) sind nicht Gegenstand dieses Kapitels. 3. Kapitalgesellschaften

10.5 Dargestellt werden nur solche Umwandlungen, an denen als übertragende(r) und übernehmende(r) Rechtsträger ausschließlich Kapitalgesellschaften beteiligt sind. Der Begriff Kapitalgesellschaften umfasst dabei die Rechtsformen i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG sowie die Rechtsformen ausländischen Gesellschaftsrechts, die nach einem Typenvergleich einer Kapitalgesellschaft deutschen Rechts entsprechen. Heterogene Umwandlungsformen (z.B. der Formwechsel einer Kapital- in eine Personengesellschaft) werden nicht behandelt. Soweit nachfolgend der Begriff „Gesellschaft“ oder „Gesellschaften“ verwendet wird, sind damit Kapitalgesellschaften im oben beschriebenen Sinne gemeint. 4. Internationale Bezüge a) Begriff

10.6 Das steuerrechtliche Schrifttum unterteilt Umwandlungen mit internationalen Bezügen üblicherweise in die Kategorien Inlandsumwandlung mit Auslandsbezug, Aus558 | Beinert/Scheifele

A. Einleitung | Rz. 10.7 Kap. 10

landsumwandlung mit Inlandsbezug sowie grenzüberschreitende Umwandlungen.1 Nicht selten bleibt allerdings unklar, nach welchen Kriterien sich die Einteilung richtet. Daher ist zu klären, welches Verständnis den Begriffen inländisch, ausländisch oder grenzüberschreitend zugrunde liegt. b) Gesellschaftsrechtliches versus steuerrechtliches Begriffsverständnis aa) Beispiele Beispiel 1:2 Die nach niederländischem Recht gegründete A-B.V. soll auf die nach ebenfalls nach niederländischem Recht gegründete B-B.V. verschmolzen werden. Beide Gesellschaften haben ihren Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) in Deutschland und sind damit unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG).3 Für DBA-Zwecke gelten sie als in Deutschland ansässig (Art. 4 Abs. 3 DBA Niederlande). Abwandlung: Übernehmende Gesellschaft ist nicht die B-B.V., sondern eine nach deutschem Recht gegründete GmbH (ebenfalls mit Ort der Geschäftsleitung in Deutschland).

Beispiel 2: Die nach deutschem Recht gegründete A-GmbH soll auf die nach deutschem Recht gegründete B-GmbH verschmolzen werden. Der satzungsmäßige Sitz der Gesellschaften liegt in Deutschland; sie sind damit unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG). Da beide Gesellschaften aber ihren Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) in den Niederlanden

1 Siehe etwa Rödder in R/H/vL3, § 11 UmwStG Rz. 276 ff.; Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 214 ff. (Stand: Januar 2020); Stimpel/Dötsch in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 81 ff. (Stand: September 2022); Schell, FR 2012, 101. 2 Beispiel nach UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.22. 3 Vgl. zu doppelansässigen Gesellschaften OFD Hannover v. 28.2.2007 – S 2700 – 2-StO 242, KSt-Kartei ND § 1 KStG Karte F 4; OFD Rheinland u. Münster v. 21.7.2011 – S 1300 - 2010/0007 – St 121 (Rhld)/S 1300 – 169 – St 45 – 32 (Ms), GmbHR 2011, 1060 f.; Münch in D/P/M, § 1 KStG Rz. 101 (Stand: Oktober 2018).

Beinert/Scheifele | 559

10.7

Kap. 10 Rz. 10.7 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften haben, gelten sie für DBA-Zwecke als in den Niederlanden ansässig (Art. 4 Abs. 3 DBA Niederlande).

bb) Gesellschaftsrechtliches Begriffsverständnis

10.8 Im UmwStG ist in den Vorschriften, die den sachlichen Anwendungsbereich regeln (§ 1 Abs. 1 und Abs. 3 UmwStG), von „vergleichbaren ausländischen Vorgängen“ die Rede. Das UmwStG stellt vergleichbare ausländische Vorgänge bestimmten Umwandlungsformen des UmwG gleich und bezieht sie damit in den Anwendungsbereich des UmwStG ein.1 10.9 Inländische Umwandlung. Nach dem UmwSt-Erlass 2011 liegt eine inländische Umwandlung vor, wenn auf den übertragenden und den übernehmenden Rechtsträger das UmwG anzuwenden ist. Dies ist der Fall, wenn beide ihren statutarischen Sitz im Inland haben.2 Da auf den statutarischen Sitz abgestellt wird, bestimmt sich das für die Umwandlung maßgebende Recht regelmäßig nach dem Gesellschaftsstatut des Staats, in dem der jeweilige Rechtsträger in ein öffentliches Register eingetragen ist.3 10.10 Ausländische Umwandlung. Ausländische Umwandlungen sind nach dem Verständnis der Finanzverwaltung demgegenüber Umwandlungen, bei denen das UmwG zumindest auf einen der beteiligten Rechtsträger keine Anwendung findet. Zu den ausländischen Umwandlungen zählt der UmwSt-Erlass 2011 daher auch grenzüber-

1 Vgl. z.B. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG: „Verschmelzung ... im Sinne der § 2 ... des Umwandlungsgesetzes ... oder vergleichbare ausländische Vorgänge“. 2 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.03. Ist der Rechtsträger nicht oder noch nicht in ein öffentliches Register eingetragen, ist das Gesellschaftsstatut des Staats maßgebend, nach dem er organisiert ist. 3 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.20. § 1 Abs. 1 UmwG enthält keine kollisionsrechtliche Aussage zugunsten der Sitztheorie, weshalb unter Sitz nicht der Verwaltungssitz, sondern der Satzungssitz der Gesellschaft zu verstehen ist; Benecke, GmbHR 2012, 113 (115); aus dem gesellschaftsrechtlichen Schrifttum Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard5, UmwG, Einl. C Rz. 20.

560 | Beinert/Scheifele

A. Einleitung | Rz. 10.12 Kap. 10

schreitende Umwandlungen unter Beteiligung von Rechtsträgern, die dem deutschen Gesellschaftsstatut unterliegen (vgl. §§ 305 ff. UmwG).1 Geht es also um die Frage, ob eine Umwandlung in den sachlichen Anwendungsbereich des UmwStG fällt, so ist anhand des anwendbaren Gesellschaftsstatuts zu entscheiden, ob es sich um eine inländische, ausländische oder grenzüberschreitende Umwandlung handelt.

10.11

Lösung zu Beispiel 1 und Abwandlung: Sowohl die Verschmelzung der A-B.V. auf die B-B.V. als auch (Abwandlung) die Verschmelzung der A-B.V. auf die deutsche GmbH sind – im gesellschaftsrechtlichen Sinne – ausländische Umwandlungen, da ausschließlich bzw. auch das niederländische Gesellschaftsstatut maßgebend ist. Lösung zu Beispiel 2: Die Verschmelzung der A-GmbH auf die B-GmbH ist im gesellschaftsrechtlichen Sinne eine inländische Umwandlung, da für die Verschmelzung ausschließlich das deutsche Gesellschaftsstatut maßgebend ist.2

cc) Steuerrechtliches Begriffsverständnis Dieses Kapitel folgt für Zwecke der Einteilung in inländische, ausländische oder grenzüberschreitende Umwandlungen dagegen einem steuerrechtlichen Begriffsverständnis. Sieht man von der Frage nach dem sachlichen Anwendungsbereich des UmwStG ab, ist der Umstand, dass eine Umwandlung im gesellschaftsrechtlichen Sinne als inländisch, ausländisch oder grenzüberschreitend anzusehen ist, für die steuerrechtliche Beurteilung ohne Belang. Weder das anwendbare Gesellschaftsrecht noch die Anwendbarkeit des UmwStG geben Aufschluss darüber, ob die Umwandlung deutsche Besteuerungsrechte berührt. Lösung zu Beispiel 1 und Abwandlung: Sollte die Verschmelzung der A-B.V. auf die B-B.V. nicht alle Strukturmerkmale einer Verschmelzung i.S.v. § 2 UmwG aufweisen und auch mit keiner anderen Umwandlungsform „vergleichbar“ sein (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG),3 ist der Anwendungsbereich des UmwStG nicht eröffnet. Gleichwohl berührt die Verschmelzung potenziell deutsche Besteuerungsrechte, weil beide B.V. mit ihrem Welteinkommen der deutschen Besteuerung unterliegen. Die gesellschaftsrechtlich ausländische Umwandlung stellt sich damit aus steuerrechtlicher Sicht als in1 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.21. Siehe Kapitel 4 Rz. 4.10 ff. 2 Seit dem MoMiG ist es für eine nach deutschem Recht gegründete Gesellschaft gesellschaftsrechtlich zulässig, ihren Verwaltungssitz im Ausland zu begründen oder ihn dort hin zu verlegen; siehe Kapitel 2 Rz. 2.34 ff. Siehe hierzu auch OFD Rheinland u. Münster v. 21.7.2011 – S 1300 - 2010/0007 – St 121 (Rhld)/S 1300 – 169 – St 45 – 32 (Ms), GmbHR 2011, 1060 (1061). 3 Benecke, GmbHR 2012, 113 (115). Speziell bei Verschmelzungen nach englischem Recht stellt sich das Problem, dass die übertragende Gesellschaft liquidiert wird, während das UmwG ein Erlöschen ohne Liquidation vorsieht. Nach u.E. zutreffender Auffassung ist die Verschmelzung englischen Rechts gleichwohl mit Verschmelzungen im Sinne des UmwG vergleichbar; siehe Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 220 (Stand: Januar 2020).

Beinert/Scheifele | 561

10.12

Kap. 10 Rz. 10.12 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften ländische Umwandlung dar. Das anwendbare Gesellschaftsstatut hat steuerrechtlich nur insoweit Bedeutung, als es (mit) darüber bestimmt, nach welchen Rechtsgrundlagen des deutschen Steuerrechts die Verschmelzung zu beurteilen ist, ob also nach Maßgabe des UmwStG oder nach anderen Vorschriften oder Grundsätzen. Die steuerlichen Folgen der – sich nach ausländischem Gesellschaftsrecht vollziehenden – Verschmelzung richten sich in erster Linie nach der steuerlichen Ansässigkeit der Gesellschaften, weil sich aus dieser deren unbeschränkte Steuerpflicht ergibt (§ 1 Abs. 1 KStG). Im Beispiel ist wegen der steuerlichen Ansässigkeit der beteiligten Gesellschaften in Deutschland daher vor allem das deutsche Steuerrecht für die Beurteilung der Verschmelzung maßgebend. In der Abwandlung (Verschmelzung der A-B.V. auf die deutsche GmbH) handelt es sich (steuerrechtlich) ebenfalls um eine inländische Umwandlung. Diese fällt in den Anwendungsbereich des UmwStG, weil grenzüberschreitende Verschmelzungen i.S.v. §§ 305 ff UmwG grundsätzlich als ein mit einer Verschmelzung vergleichbarer Vorgang angesehen werden (Rz. 10.30 ff.). Lösung zu Beispiel 2: Im Hinblick auf die Verschmelzung der A-GmbH auf die B-GmbH ist der Anwendungsbereich des UmwStG eröffnet, weil es sich um eine Verschmelzung i.S.v. § 2 UmwG handelt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Gleichwohl handelt es sich aus steuerrechtlicher Sicht um eine ausländische Umwandlung, weil beide Gesellschaften steuerlich in den Niederlanden ansässig sind.

10.13 Abgrenzung nach steuerlicher Ansässigkeit. Maßgebendes Kriterium für die Abgrenzung von inländischen, ausländischen und grenzüberschreitenden Umwandlungen ist daher die steuerliche Ansässigkeit von übertragendem und übernehmendem Rechtsträger, aus der sich die unbeschränkte Steuerpflicht i.S.v. § 1 Abs. 1 KStG ergibt. Als Anknüpfungspunkt wird hierbei auf den Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) abgestellt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der satzungsmäßige Sitz (§ 11 AO) in einem anderen Staat als die Geschäftsleitung liegt (dual resident companies), weil sich die abkommensrechtliche Ansässigkeit nach den „tie breaker“-Klauseln der meisten DBA1 ebenfalls nach dem Ort der (tatsächlichen) Geschäftsleitung richtet.2 10.14 Ist daher in diesem Kapitel von einer Inlandsumwandlung oder einer inländischen Umwandlung die Rede, so sind damit Umwandlungen gemeint, an der als übertragende und übernehmende Rechtsträger ausschließlich Gesellschaften beteiligt sind, deren Ort der Geschäftsleitung in Deutschland liegt (Rz. 10.19). 10.15 Auslandsumwandlungen oder ausländische Umwandlungen sind dagegen solche Umwandlungen, an denen ausschließlich Gesellschaften beteiligt sind, deren Ort der Geschäftsleitung nicht in Deutschland liegt (Rz. 10.20). 10.16 Unter grenzüberschreitenden Umwandlungen werden schließlich die Umwandlungen verstanden, bei denen sowohl mindestens eine Gesellschaft mit Ort der Geschäftsleitung in Deutschland als auch mindestens eine Gesellschaft mit ausländischem Ort der Geschäftsleitung als übertragender oder übernehmender Rechtsträger beteiligt sind (Rz. 10.21). 1 Vgl. Ismer/Blank in V/L7, Art. 4 OECD-MA Rz. 290. 2 In Art. 4 Abs. 3 OECD-MA 2017 ist anstelle der Tie Breaker Rule allerdings eine Verständigungsklausel getreten.

562 | Beinert/Scheifele

A. Einleitung | Rz. 10.23 Kap. 10

Wenn von einer „inländischen Gesellschaft“, einer „englischen Gesellschaft“ etc. die Rede ist, ist damit eine in dem jeweiligen Land steuerrechtlich ansässige Gesellschaft gemeint.

10.17

c) Fallgruppen Auf Grundlage der nach der steuerlichen Ansässigkeit getroffenen Unterscheidung von inländischen, ausländischen und grenzüberschreitenden Umwandlungen lassen sich im Hinblick auf die internationalen Bezüge folgende drei Fallgruppen bilden:1

10.18

An der Umwandlung sind als übertragende und übernehmende Rechtsträger (ausschließlich) inländische Gesellschaften beteiligt. Der Bezug zum Ausland ergibt sich daraus, dass an der (oder einer der) übertragenden Gesellschaft(en) ausländische Anteilseigner beteiligt sind und/oder im Zuge der Umwandlung ausländisches Vermögen übertragen wird. Diese Fallgruppe wird als inländische Umwandlung mit Auslandsbezug bezeichnet (Rz. 10.47 ff.).

10.19

Der umgekehrte Fall ist, dass an der Umwandlung als übertragende und übernehmende Rechtsträger (ausschließlich) ausländische Gesellschaften beteiligt sind, an der (oder einer der) übertragenden Gesellschaft(en) allerdings inländische Anteilseigner beteiligt sind und/oder im Zuge der Umwandlung inländisches Vermögen übertragen wird. In diesen Fällen lässt sich von einer ausländischen Umwandlung mit Inlandsbezug sprechen (Rz. 10.150 ff.).

10.20

Als grenzüberschreitende Umwandlung werden die Umwandlungen bezeichnet, bei denen zumindest eine inländische und eine ausländische Gesellschaft beteiligt sind. Wenn eine inländische Gesellschaft als übertragender Rechtsträger und eine ausländische Gesellschaft als übernehmender Rechtsträger auftritt, handelt es sich um eine Hinausumwandlung (Rz. 10.246 ff.) und im umgekehrten Fall um eine Hereinumwandlung (Rz. 10.301 ff.).

10.21

II. Rechtsgrundlagen 1. Einleitung Aus Sicht des deutschen Steuerrechts können bei Umwandlungen von Gesellschaften mit internationalem Bezug verschiedene Rechtsgrundlagen einschlägig sein.2 Grundlegend ist dabei die Frage, ob das UmwStG anwendbar ist oder nicht (Rz. 10.25 ff.).

10.22

2. Im Anwendungsbereich des UmwStG Ist der Anwendungsbereich des UmwStG (§ 1 UmwStG) eröffnet, richtet sich die Umwandlung von Kapitalgesellschaften im Wesentlichen nach den §§ 11 bis 13 UmwStG (Verschmelzung), § 15 UmwStG (Auf- und Abspaltung) oder § 21 UmwStG (Anteilstausch). Allerdings sind auch bei Anwendbarkeit des UmwStG Spezialvor1 Vgl. Prinz, DB 2012, 820, der von den drei Grundkonstellationen spricht. 2 Siehe auch den Überblick bei Benecke, GmbHR 2012, 113.

Beinert/Scheifele | 563

10.23

Kap. 10 Rz. 10.23 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

schriften zu beachten, die gegenüber den Vorschriften des UmwStG vorrangig anzuwenden sind und diese verdrängen. Neben bereichsspezifischen Sondervorschriften1 ist vor allem an § 20 Abs. 4a EStG zu denken. Dieser verdrängt § 13 UmwStG und § 21 UmwStG und schreibt für Kleingesellschafter grundsätzlich die Steuerneutralität der Umwandlung vor.2 Hinzu kommt eine Reihe von Vorschriften, die neben den Vorschriften des UmwStG, ohne diese zu verdrängen (quasi flankierend), Anwendung finden. So kann in Fällen ausländischer oder grenzüberschreitender Umwandlungen für inländische Anteilseigner etwa die Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG relevant werden.3 Bedeutung können auch Treaty-override-Vorschriften wie § 50d Abs. 9 EStG erlangen, wodurch es zu einer Besteuerung von stillen Reserven in ausländischen Wirtschaftsgütern kommen kann (Rz. 10.96 f.). Durch das UmwStG als lex specialis (siehe § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG) verdrängt werden dagegen die allgemeinen Entstrickungsregelungen in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG. Diese spielen im Rahmen von Umwandlungen nur dann eine Rolle, wenn im zeitlichen Zusammenhang mit einer Umwandlung Wirtschaftsgüter durch zusätzliche Maßnahmen „aktiv“ entstrickt werden (Rz. 10.247 ff.).4 3. Außerhalb des Anwendungsbereichs des UmwStG

10.24 Für Umwandlungen, die nicht in den Anwendungsbereich des UmwStG fallen, existiert keine umfassende und in sich geschlossene gesetzliche Regelung. Sieht man von der Spezialvorschrift des § 20 Abs. 4a EStG ab, richtet sich die Behandlung von Umwandlungen außerhalb des Anwendungsbereichs des UmwStG nach allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen.5 Welche Grundsätze dabei im Einzelfall einschlägig sind, bestimmt sich nach der Rechtsnatur der Umwandlung, die für jeden Einzelfall gesondert zu bestimmen ist (Rz. 10.114 ff.). Neben diesen allgemeinen Grundsätzen können auch die Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung relevant werden.

B. Anwendungsbereich des UmwStG I. Einleitung

10.25 In sachlicher Hinsicht erfasst das UmwStG neben Umwandlungen nach Maßgabe des deutschen Gesellschaftsrechts auch vergleichbare ausländische Umwandlungen (Rz. 10.28 ff.). In persönlicher Hinsicht ist der Anwendungsbereich nicht mehr auf 1 Z.B. § 14a FMStFG oder § 6 Abs. 2 EnWG a.F. 2 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 13.01. 3 § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG enthält für Zwecke der Anwendung des AStG eine Ausnahme vom persönlichen Anwendungsbereich des UmwStG; Benecke, GmbHR 2012, 113. 4 Ropohl/Sonntag in H/H3, § 11 UmwStG Rz. 56. 5 Der frühere § 12 Abs. 2 KStG wurde durch das KöMoG (BGBl. I 2021, 2050) für Verschmelzungen, bei denen der steuerliche Übertragungsstichtag nach dem 31.12.2021 liegt, aufgehoben, weil für die Vorschrift im Zuge der Öffnung des persönlichen Anwendungsbereichs des UmwStG für Drittstaatensachverhalte (siehe Streichung des § 1 Abs. 2 UmwStG) kein Anwendungsbereich mehr gesehen wurde.

564 | Beinert/Scheifele

B. Anwendungsbereich des UmwStG | Rz. 10.28 Kap. 10

Umwandlungen unter Beteiligung inländischer sowie ausländischer EU-/EWRRechtsträger beschränkt, sondern gilt auch für Umwandlungen von Rechtsträgern aus Drittstaaten1 (Rz. 10.27). Das UmwStG wurde durch das Körperschaftsteuermodernisierungsgesetz (KöMoG)2 globalisiert. Das gilt indessen nur für die in §§ 3 bis 19 UmwStG geregelten Umwandlungsformen, während die §§ 20 ff. UmwStG (also auch der Anteilstausch nach § 21 UmwStG) weiter einen EU-/EWR-Bezug voraussetzen. Im Folgenden werden nur die Anwendungsvoraussetzungen für Verschmelzung sowie Auf- und Abspaltung dargestellt. Der Anwendungsbereich der Vorschriften zum Anteilstausch (§ 21 UmwStG) wird später gesondert erläutert (Rz. 10.45 ff.).

10.26

II. Persönlicher Anwendungsbereich Der persönliche Anwendungsbereich des UmwStG ist nach den Änderungen durch das KöMoG nunmehr auch für Verschmelzungen und Spaltungen von Drittstaatengesellschaften eröffnet. Für Umwandlungen, bei denen der steuerliche Übertragungsstichtag nach dem 31.12.2021 liegt,3 sind durch die ersatzlose Streichung des § 1 Abs. 2 UmwStG a.F. die persönlichen Anwendungsvoraussetzungen aufgehoben worden. Drittstaatenumwandlungen müssen daher, um in den Genuss der Privilegien des UmwStG zu gelangen, „nur“ noch mit einer inländischen Umwandlung i.S. des UmwG vergleichbar sein (Rz. 10.30).

10.27

Auf Umwandlungen, deren steuerlicher Übertragungsstichtag vor dem 1.1.2022 liegt, findet das UmwStG dagegen weiter nur dann Anwendung, wenn sowohl übertragende als auch übernehmende Gesellschaft in vierfacher Hinsicht einen Bezug zum EU-/ EWR-Raum aufweisen:

10.28

– Sie müssen nach dem Recht eines EU-/EWR-Staats gegründet sein. – Es muss sich um „Gesellschaften“ i.S.v. Art. 54 AEUV (vorher Art. 48 EG) oder Art. 34 EWR-Abkommen4 handeln. – Sie müssen ihren Sitz (§ 11 AO) im EU-/EWR-Raum haben. – Sie müssen ihren Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) im EU-/EWR-Raum haben, wobei es unschädlich ist, wenn sich Sitz und Geschäftsleitung nicht in ein und demselben EU-/EWR-Staat befinden.5 1 Zu den wenigen Ausnahmen hinsichtlich einer Beteiligung von Drittstaatlern siehe Prinz, DB 2012, 820 (821). 2 Gesetz v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050. 3 § 27 Abs. 18 UmwStG. 4 Art. 34 EWR lehnt sich hinsichtlich der Definition der von der Niederlassungsfreiheit erfassten Gesellschaften an Art. 48 EGV (Art. 54 AEUV) an. Die Auslegung dieser Vorschrift folgt daher im Wesentlichen der des Art. 48 EGV (Art. 54 AEUV), vgl. EuGH v. 23.9.2003 – Rs. C-452/01 – Ospelt und Schlössle Weissenberg, Slg. 2003, I-09743; Hahn in PwC, Reform des UmwStR, 2007, Rz. 767; Möhlenbrock/Werner in D/P/M, § 1 UmwStG Rz. 148 (Dezember 2021). 5 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.49.

Beinert/Scheifele | 565

Kap. 10 Rz. 10.29 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

III. Sachlicher Anwendungsbereich 1. Überblick

10.29 Verschmelzungen sowie Auf- und Abspaltungen fallen in den sachlichen Anwendungsbereich des UmwStG, wenn es sich um (i) Vorgänge i.S.v. §§ 2, 123 Abs. 1, 2 UmwG, (ii) vergleichbare ausländische Vorgänge oder (iii) Vorgänge i.S.v. Art. 17 SEVO oder Art. 19 SCE-VO handelt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Auf die letzte Fallgruppe wird nachfolgend nicht näher eingegangen. 2. Umwandlungen i.S.v. §§ 2, 123 Abs. 1, 2 UmwG

10.30 Aus Sicht der Finanzverwaltung liegt eine Umwandlung i.S.v. §§ 2, 123 Abs. 1, 2 UmwG nur vor, wenn der satzungsmäßige (statutarische) Sitz des übertragenden und des übernehmenden Rechtsträgers im Inland liegt.1 Auf den Verwaltungssitz (aus steuerrechtlicher Sicht: Ort der Geschäftsleitung) der beteiligten Rechtsträger kommt es nicht an. Allerdings wird der Anwendungsbereich des UmwStG durch die persönliche Steuerpflicht der beteiligten Rechtsträger (§ 1 EStG, §§ 1 bis 4 KStG, § 2 GewStG) begrenzt.2 Nach der – kritikwürdigen3 – Auffassung der Finanzverwaltung sind daher grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge unter Beteiligung von Rechtsträgern, die dem deutschen Gesellschaftsstatut unterliegen (§§ 305 ff. UmwG) als „ausländischer Vorgang“ anzusehen, der nur bei Vergleichbarkeit in den Anwendungsbereich des UmwStG fällt (s. unten Rz. 10.30). Beispiel 3: Die A-GmbH soll auf die B-GmbH verschmolzen werden. Beide Gesellschaften wurden nach deutschem Recht gegründet, ihr statutarischer Sitz befindet sich jeweils im Inland. Der Verwaltungssitz (Ort der Geschäftsleitung) beider Gesellschaften liegt aber in Luxemburg (zur gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit einer GmbH mit Verwaltungssitz im Ausland Rz. 10.11).

1 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.03. Dem liegt das Verständnis zugrunde, dass § 1 Abs. 1 UmwG mit „Sitz im Inland“ den statutarischen Sitz meint; dazu Benecke, GmbHR 2012, 113 (115). Aus dem gesellschaftsrechtlichen Schrifttum Drygala in Lutter6, § 1 UmwG Rz. 11; Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard5, UmwG, Einl. C Rz. 20. 2 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.02. 3 Rödder in R/H/vL3, § 1 Rz. 46 UmwStG m.w.N.

566 | Beinert/Scheifele

B. Anwendungsbereich des UmwStG | Rz. 10.33 Kap. 10

Lösung zu Beispiel 3: Es handelt sich um eine Verschmelzung i.S.v. § 2 UmwG. Damit ist auch der sachliche Anwendungsbereich des UmwStG eröffnet (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Das UmwStG findet auf die A-GmbH, deren Anteilseigner und die B-GmbH allerdings nur Anwendung, soweit die übertragenen Wirtschaftsgüter und/oder die Anteile an der A-GmbH in Deutschland steuerverstrickt sind.

3. Vergleichbare ausländische Vorgänge Vergleichbare ausländische Vorgänge (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG) sind nach dem Verständnis der Finanzverwaltung Umwandlungen, an denen mindestens ein Rechtsträger beteiligt ist (sei es als übertragender oder übernehmender Rechtsträger), der einem ausländischen Gesellschaftsstatut unterliegt.1 Danach zählen auch grenzüberschreitende Umwandlungen (§§ 305 ff. UmwG), an denen auch ein Rechtsträger beteiligt ist, für den das deutsche Gesellschaftsstatut maßgebend ist, zu den ausländischen Vorgängen (Rz. 10.10).

10.31

Für ausländische Vorgänge ist der sachliche Anwendungsbereich des UmwStG nur eröffnet, wenn diese (i) zivilrechtlich wirksam und (ii) mit Verschmelzungen i.S.v. § 2 UmwG oder Auf-/Abspaltungen i.S.v. § 123 Abs. 1 bzw. Abs. 2 UmwStG vergleichbar sind (zu diesen Kriterien siehe Kapitel 4 Rz. 4.13 ff.).

10.32

Bei grenzüberschreitenden Umwandlungen (d.h. bei Vorgängen, bei denen das Gesellschaftsstatut mehrerer Staaten betroffen ist) sind in Fällen, in denen eine Gesell-

10.33

1 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.20. Siehe auch Benecke, GmbHR 2012, 113 (116).

Beinert/Scheifele | 567

Kap. 10 Rz. 10.33 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

schaft aus einem anderen EU-/EWR-Staat betroffen ist, neben den Bestimmungen des nationalen Rechts auch die Vorgaben des primären und sekundären Unionsrechts zu beachten.1 Dies kann etwa bei europäischen Umwandlungen außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 305 ff. UmwG und der SE-VO oder SCE-VO relevant sein (z.B. Spaltungen), wenn sich die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit der Umwandlung erst unter Rückgriff auf die Grundfreiheiten (insbesondere Art. 49 AEUV) begründen lässt (siehe Kapitel 2 Rz. 2.84 ff.).

C. Steuerrechtliche Rückbeziehung I. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug

10.34 Die Möglichkeit der steuerlichen Rückbeziehung einer Umwandlung gemäß § 2 Abs. 1 UmwStG gilt für inländische Umwandlungen, grundsätzlich aber auch für von § 1 Abs. 1 UmwStG erfasste (gesellschaftsrechtlich) vergleichbare ausländische Vorgänge.2 10.35 Nach § 2 Abs. 1 UmwStG gilt das Einkommen und das Vermögen der übertragenden Gesellschaft als mit Ablauf des Stichtags der Bilanz übergegangen, die dem Vermögensübergang zugrunde liegt (steuerlicher Übertragungsstichtag). Bilanz meint die Handelsbilanz, weshalb für Umwandlungen, die dem Anwendungsbereich des UmwG unterfallen, § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG zur Anwendung gelangt. Nach § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG darf die Bilanz auf einen höchstens acht Monate vor der Anmeldung zum Handelsregister liegenden Stichtag aufgestellt werden. Für Umwandlungen, auf die § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG keine Anwendung findet, weil der übertragende Rechtsträger nicht dem deutschen Gesellschaftsrecht unterliegt,3 kommt es zur Bestimmung des steuerlichen Übertragungsstichtags auf den Stichtag der Bilanz nach ausländischem Gesellschaftsrecht an.4 Der steuerliche Übertragungsstichtag kann in diesen Fällen auch länger als acht Monate vor der Anmeldung zum ausländischen Register liegen.5 Sieht das ausländische Gesellschaftsrecht keine Schlussbilanz vor, kommt es u.E. auf den Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums an und daher regelmäßig auf den Zeitpunkt des zivilrechtlichen Wirksamwerdens der Umwandlung.6 1 Benecke, GmbHR 2012, 113 (116). 2 Dötsch/Werner in D/P/M, § 2 UmwStG Rz. 29 (Stand: Juni 2019). 3 Weil die Gesellschaft zwar ihren Ort der Geschäftsleitung im Inland hat (daher Inlandsumwandlung), aber ausländischem Gesellschaftsrecht unterliegt. 4 BT-Drucks. 16/2710, 36. 5 So z.B. in Frankreich, das keine Begrenzung der Rückbeziehung auf einen Zeitraum von acht Monaten vor Anmeldung zum Handelsregister kennt; vgl. Ngatsing in W/M, Anhang 3 Frankreich Rz. F 409 (Februar 2014). Die gesellschaftsrechtliche Rückbeziehungsmöglichkeit ist kein Kriterium, das für die Frage eine Rolle spielt, ob die Umwandlung einer inländischen Umwandlung vergleichbar ist (Rz. 01.41 UmwSt-Erlass 2011). 6 So auch van Lishaut in R/H/vL3, § 2 UmwStG Rz. 145; Hörtnagl in S/H9, § 2 UmwStG Rz. 110; Widmann in W/M, § 2 UmwStG (SEStEG) Rz. R 3, 119 (Stand: April 2014); von Brocke/Goebel/Ungemach/von Cossel, DStZ 2011, 684 (685); Oppen/Polatzky, GmbHR 2012, 263 (264).

568 | Beinert/Scheifele

C. Steuerrechtliche Rückbeziehung | Rz. 10.38 Kap. 10

II. Ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug Für ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug gelten die Ausführungen zu Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug entsprechend (Rz. 10.33 f.).

10.36

III. Hinausumwandlung Beispiel 4: Die nach deutschem Recht gegründete und im Inland steuerlich ansässige A-GmbH wird grenzüberschreitend auf eine nach ausländischem Recht gegründete und im Ausland steuerlich ansässige Gesellschaft (B-Ltd.) verschmolzen. Gesellschaftsrechtlicher Verschmelzungsstichtag (§§ 305 ff. UmwG) ist der 1.1.2024. Die Anmeldung zum Handelsregister der übertragenden A-GmbH erfolgt am 31.6.2024, am 1.8.2024 wird die Verschmelzung in das Handelsregister eingetragen. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG ist der steuerliche Übertragungsstichtag der 31.12.2023, nach dem relevanten ausländischen Steuerrecht, welches keine Rückwirkung kennt, wird das Einkommen der A-GmbH der übernehmenden B-Ltd. erst ab dem 1.8.2024 zugerechnet. Die A-GmbH erzielt im Zeitraum 1.1. bis 31.7.2024 Einkünfte, die ihrer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind. Zudem ist sie Inhaber von geistigem Eigentum, das sich nicht funktional der inländischen Betriebsstätte zuordnen lässt und aus dem die AGmbH im Rückwirkungszeitraum Lizenzeinkünfte erzielt.

Es gelten die gleichen Grundsätze wie bei Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug.1

10.37

Bei grenzüberschreitenden Umwandlungen ist allerdings ergänzend § 2 Abs. 3 UmwStG zu beachten. Nach dieser Vorschrift kommt eine steuerrechtliche Rückbeziehung der Umwandlung nicht in Betracht, soweit Einkünfte aufgrund abwei-

10.38

1 Widmann in W/M, § 2 UmwStG (SEStEG) Rz. R 3 (Stand: April 2014); von Brocke/Goebel/Ungemach/von Cossel, DStZ 2011, 684 (685).

Beinert/Scheifele | 569

Kap. 10 Rz. 10.38 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

chender Regelungen zur Rückbeziehung eines in § 1 Abs. 1 UmwStG bezeichneten Vorgangs in einem anderen Staat der Besteuerung entzogen werden.1

10.39 Weiße Einkünfte. § 2 Abs. 3 UmwStG soll verhindern, dass es durch die kumulative Anwendung unterschiedlicher Rückwirkungszeiträume zweier Staaten dazu kommt, dass Einkünfte im Ergebnis in keinem der beiden Staaten besteuert werden (sog. „weiße Einkünfte“).2 So kann es z.B. bei der Verschmelzung einer inländischen mit einer ausländischen Gesellschaft dazu kommen, dass der Gewinn aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts nach § 2 Abs. 1 UmwStG steuerrechtlich bereits der übernehmenden Gesellschaft zugerechnet wird, während das ausländische Steuerrecht den Veräußerungsgewinn aufgrund einer kürzeren Rückbeziehung noch der übertragenden Gesellschaft zurechnet.3 In diesem Fall negiert § 2 Abs. 3 UmwStG die „überschießende“ deutsche Rückbeziehung (Rz. 10.42), sodass auch nach deutschem Steuerrecht der Veräußerungsgewinn noch der übertragenden Gesellschaft zugerechnet wird.4 10.40 § 2 Abs. 3 UmwStG gilt seinem Wortlaut nach für alle Umwandlungen i.S.v. § 1 Abs. 1 UmwStG. Da die Vorschrift aber nur eingreift, wenn es zu Besteuerungslücken aufgrund abweichender Rückwirkungsregelungen kommt, wird § 2 Abs. 3 UmwStG nur dann relevant, wenn an der Umwandlung ein ausländischer Rechtsträger beteiligt ist (grenzüberschreitende Umwandlung).5 Bei inländischen Umwandlungen kommt § 2 Abs. 3 UmwStG ebenso wenig zur Anwendung6 wie bei ausländischen Umwandlungen, da in diesen Fällen entweder allein das deutsche oder allein das ausländische Steuerrecht den steuerlichen Übertragungsstichtag bestimmt (Rz. 10.33). 10.41 Voraussetzung für die Anwendung des § 2 Abs. 3 UmwStG ist weiter, dass es im Rahmen der Umwandlung zu einer „Entstrickung“ laufender Einkünfte kommt,7 d.h. Einkünfte der inländischen Besteuerung entzogen werden. Auf die Entstrickung etwaiger stiller Reserven in Wirtschaftsgütern finden die Entstrickungsregelungen Anwendung (Rz. 10.247 ff.). 1 Nach UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, (2011/ 0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 02.38 liegen abweichende Rückwirkungsregelungen insbesondere bei unterschiedlichen Rückwirkungszeiträumen oder unterschiedlicher Ausgestaltung der Rückwirkungsregelungen vor. 2 BT-Drucks. 16/2710, 36 f. 3 Widmann in W/M, § 2 UmwStG (SEStEG) Rz. R 117 (April 2014). 4 Nach h.M. soll § 2 Abs. 3 UmwStG auch im Fall eines Veräußerungsverlusts greifen, der ebenfalls noch der übertragenden Gesellschaft zugerechnet und von dieser z.B. im Wege eines Verlustrücktrags genutzt werden kann; Ettinger/Königer, GmbHR 2009, 590 (591); von Brocke/Goebel/Ungemach/von Cossel, DStZ 2011, 684 (686); Geils in H/H3, § 2 UmwStG Rz. 143; Frotscher in F/D, § 2 UmwStG Rz. 123 (Stand: April 2018). 5 van Lishaut in R/H/vL3, § 2 UmwStG Rz. 150 f.; Widmann in W/M, § 2 UmwStG (SEStEG) Rz. R 119 (Stand: April 2014); von Brocke/Goebel/Ungemach/von Cossel, DStZ 2011, 684 (685); Frotscher in F/D, § 2 UmwStG Rz. 121 (Stand: April 2018). 6 Hörtnagl in S/H9, § 2 UmwStG Rz. 114; Slabon in H/M/B5, § 2 UmwStG Rz. 103; Geils in H/H3, § 2 UmwStG Rz. 131. 7 Goebel/Ungemach/Glaser, DStZ 2009, 854 (856); Geils in H/H3, § 2 UmwStG Rz. 131; Frotscher in F/D, § 2 UmwStG Rz. 126 (Stand: April 2018).

570 | Beinert/Scheifele

C. Steuerrechtliche Rückbeziehung | Rz. 10.43 Kap. 10

Findet § 2 Abs. 3 UmwStG Anwendung, kommt es zu keiner Rückbeziehung der Umwandlung nach § 2 Abs. 1 UmwStG. Ausweislich des Wortlauts des § 2 Abs. 3 UmwStG gilt dies allerdings nur, „soweit“ die Umwandlung tatsächlich zu weißen Einkünften führt. Dies bedeutet neben der bereits beschriebenen sachlichen Beschränkung auf „entstrickte“ Einkünfte1 auch eine zeitliche Einschränkung der angeordneten Rechtsfolge.2 Wenn der ausländische Rückwirkungszeitraum kürzer als der deutsche ist, ist der steuerliche Übertragungsstichtag des ausländischen Rechts maßgebend.3

10.42

Lösung zu Beispiel 4: Gemäß § 2 Abs. 1 UmwStG ist das Einkommen der A-GmbH der B-Ltd. ab dem 31.12.2023 zuzurechnen. Nach ausländischem Steuerrecht kommt eine rückwirkende Einkünftezurechnung jedoch erst ab dem 1.8.2024 in Betracht. In dem Zeitraum zwischen dem 31.12.2023 und dem 31.7.2024 bestünde daher die Gefahr, dass die Einkünfte in keinem der beiden Staaten besteuert werden. Dies ist irrelevant, soweit Deutschland die Einkünfte als beschränkt steuerpflichtige Einkünfte der B-Ltd. auch dann besteuern darf, wenn deren Ansässigkeitsstaat steuerlich noch keinen Vermögensübergang fingiert hat, da es insoweit zu keiner „Entstrickung“ von Einkünften kommt. Dies trifft hier auf die inländischen Betriebsstätteneinkünfte (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA) zu.4 Entsprechendes dürfte für die im Rückwirkungszeitraum erzielten Lizenzeinkünfte gelten. Da sich das geistige Eigentum annahmegemäß nicht der inländischen Betriebsstätte zuordnen lässt, verliert Deutschland zwar mit der Verschmelzung das Besteuerungsrecht an dem geistigen Eigentum und damit auch an den Lizenzeinkünften. Allerdings beseitigt die Rückwirkung nicht den im Rückwirkungszeitraum faktisch fortbestehenden Ort der Geschäftsleitung in Deutschland, sodass insoweit die Besteuerung im Inland sichergestellt sein sollte.5 Sähe man dies anders, wäre § 2 Abs. 3 UmwStG einschlägig mit der Folge, dass insoweit als maßgeblicher steuerlicher Übertragungsstichtag der 1.8.2024 anzusehen wäre und die Lizenzeinnahmen auch somit bis zum 31.7.2024 noch selbst von der AGmbH zu versteuern wären.

Doppelbesteuerung. § 2 Abs. 3 UmwStG regelt nicht den Fall, in dem es durch das Eingreifen abweichender Rückwirkungsregelungen zu einer Doppelbesteuerung kommt.6 Zu einer Doppelbesteuerung kann es sowohl in Fällen der Hinausumwandlung (wenn eine längere ausländische Rückbeziehung als acht Monate vorgesehen ist) als auch der Hereinumwandlung (wenn keine oder eine kürzere ausländische Rückbeziehung vorgesehen ist) kommen.7 In diesem Fall kann einer Doppelbesteuerung nur durch ein Verständigungsverfahren abgeholfen werden.8 1 Lediglich insoweit die Einkünfte ansonsten der Besteuerung entzogen werden würden. 2 Frotscher in F/D, § 2 UmwStG Rz. 130 (Stand: April 2018). 3 Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (455); Oppen/Polatzky, GmbHR 2012, 263 (265); Frotscher in F/D, § 2 UmwStG Rz. 130 (Stand: April 2018). Der UmwSt-Erlass 2011 enthält hierzu keine Aussage. 4 Insoweit liegt während des Rückwirkungszeitraums eine fiktive inländische Betriebsstätte der B-Ltd. vor, aus welcher diese beschränkt steuerpflichtige Einkünfte i.S. von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG erzielt. 5 Desens in Musil/Weber-Grellet, § 2 UmwStG2, Rz. 2. 6 Kritisch hierzu Goebel/Ungemach/Glaser, DStZ 2009, 854 (858). 7 Vgl. die Übersicht bei von Brocke/Goebel/Ungemach/von Cossel, DStZ 2011, 684 (686). 8 Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (455); Dötsch/Werner in D/P/M, § 2 UmwStG Rz. 88 (Stand: August 2015).

Beinert/Scheifele | 571

10.43

Kap. 10 Rz. 10.43 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

IV. Hereinumwandlung Beispiel 5:1 Die nach ausländischem Recht gegründete und im Ausland steuerlich ansässige A-Ltd. wird auf die nach deutschem Recht gegründete und im Inland steuerlich ansässige B-GmbH verschmolzen (Hereinumwandlung). Das ausländische Steuerrecht sieht eine Rückbeziehung auf den 30.4.2023 vor. Nach deutschem Steuerrecht ist der steuerliche Übertragungsstichtag i.S.v. § 2 Abs. 1 UmwStG der 31.12.2022. Im Zeitraum zwischen dem 31.12.2022 und dem 30.4.2023 erzielt die A-Ltd. Einkünfte, die im Ausland der Besteuerung unterliegen.

Lösung zu Beispiel 5: Die im Zeitraum zwischen dem 31.12.2022 und dem 30.4.2023 erzielten Einkünfte werden im Ausland besteuert. Zwar scheitert die Rückbeziehung der Verschmelzung auf den 31.12.2022 nach § 2 Abs. 1 UmwStG nicht an § 2 Abs. 3 UmwStG, weil die Rückbeziehung nicht dazu führt, dass „weiße Einkünfte“ entstehen. Allerdings bleiben die Einkünfte (außer in Fällen einer rechtlichen Entstrickung) bis zum 30.4. der faktisch im Ausland fortbestehenden Geschäftsleitungsbetriebsstätte der A-Ltd. zurechenbar.2

10.44 Qualifikationskonflikte. Ebenfalls nicht von § 2 Abs. 3 UmwStG erfasst werden Besteuerungslücken, die sich aufgrund von Qualifikationskonflikten ergeben.3 Die Anwendung von § 2 Abs. 3 UmwStG bedarf eines kausalen Zusammenhangs zwischen der Entstehung der Besteuerungslücke und abweichender Rückwirkungsregelung.4 Dieser fehlt, wenn es zu einer Besteuerungslücke aufgrund eines Qualifikationskonflikts kommt.5

1 Beispiel nach Geils in H/H3, § 2 UmwStG Rz. 155. 2 Desens in Musil/Weber-Grellet, § 2 UmwStG2, Rz. 2. 3 Hierzu van Lishaut in R/H/vL3, § 2 UmwStG Rz. 160; Widmann in W/M, § 2 UmwStG (SEStEG) Rz. R 118 (Stand: April 2014); Geils in H/H3, § 2 UmwStG Rz. 161. 4 Frotscher in F/D, § 2 UmwStG Rz. 122 (Stand: April 2018); Geils in H/H3, § 2 UmwStG Rz. 163. 5 Vgl. das Beispiel von Geils in H/H3, § 2 UmwStG Rz. 163. Vgl. u.a. auch Widmann in W/ M, § 2 UmwStG (SEStEG) Rz. R 118 (Stand: April 2014).

572 | Beinert/Scheifele

D. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug | Rz. 10.47 Kap. 10

V. Anteilstausch § 21 UmwStG enthält keine eigene Regelung zum Zeitpunkt der Anteilseinbringung. Im Gegensatz zu § 20 Abs. 6 UmwStG ist damit auch keine steuerliche Rückbeziehung für den Anteilstausch in § 21 UmwStG vorgesehen. Die Möglichkeit einer steuerlichen Rückwirkung könnte sich damit lediglich aus § 2 UmwStG ergeben. Nach ganz h.M. ist § 2 UmwStG jedoch nicht auf den Anteilstausch anwendbar, sodass eine Rückbeziehung des Anteilstauschs ausgeschlossen ist.1

10.45

D. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug I. Begriff Inländische Umwandlungen sind Umwandlungen, an denen als übertragende und übernehmende Rechtsträger ausschließlich Gesellschaften beteiligt sind, deren Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) in Deutschland liegt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Umwandlung deutschem oder ausländischem Gesellschaftsrecht unterliegt. Insoweit unterscheidet sich das Begriffsverständnis von der Terminologie des § 1 UmwStG zum Begriff „inländische Umwandlung“ (Rz. 10.6 ff.). Der Auslandsbezug der inländischen Umwandlung besteht entweder darin, dass an der übertragenden Gesellschaft ausländische Anteilseigner beteiligt sind oder dass im Zuge der Umwandlung ausländisches Vermögen übertragen wird.

10.46

II. Rechtsgrundlagen Inländische Umwandlungen fallen in aller Regel in den Anwendungsbereich des UmwStG. Das ist aber nicht zwingend, weil das UmwStG nur Umwandlungen im Sinne des UmwG oder (gesellschaftsrechtlich) vergleichbare ausländische Vorgänge erfasst. So findet etwa auf die Verschmelzung zweier nach niederländischem Recht gegründeter B.V. niederländisches Gesellschaftsrecht Anwendung, auch wenn der Ort der Geschäftsleitung der B.V. jeweils in Deutschland liegt. Entspricht die Verschmelzung keiner Umwandlungsform im Sinne des UmwG, ist der Anwendungsbereich des UmwStG nicht eröffnet (Rz. 10.30 ff.). Dementsprechend ist auch bei Inlandsumwandlungen zu unterscheiden zwischen Umwandlungen, die – wie es der absolute Regelfall ist – in den Anwendungsbereich des UmwStG fallen (Rz. 10.49 ff.), und solchen Umwandlungen, auf die das UmwStG ausnahmsweise keine Anwendung findet (Rz. 10.113 ff.).

1 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 – S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.17; BFH v. 28.7.2010 – I R 89/09, BStBl. II 2011, 528. Aus dem neueren Schrifttum vgl. u.a. Patt in D/P/M, § 21 UmwStG Rz. 43 (Stand: September 2022); Schulz in S/R/S, H 21.37; Lübbehüsen/Schütte in H/H3, § 21 UmwStG Rz. 28.

Beinert/Scheifele | 573

10.47

Kap. 10 Rz. 10.48 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

III. Im Anwendungsbereich des UmwStG 1. Einleitung

10.48 Ist der Anwendungsbereich des UmwStG eröffnet (Rz. 10.25 ff.), stellt sich die Frage nach den anwendbaren materiellen Rechtsvorschriften im UmwStG. Um in den Anwendungsbereich der §§ 11 ff. UmwStG bzw. § 15 UmwStG zu gelangen, muss es sich bei übertragendem und übernehmendem Rechtsträger um „Körperschaften“ handeln. Dies ist ohne Weiteres der Fall, wenn die Rechtsträger in den inländischen Gesellschaftsformen AG, GmbH oder KGaA oder in der supranationalen Gesellschaftsform SE organisiert sind (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG). An einer Inlandsumwandlung können aber auch doppelansässige Gesellschaften ausländischer Rechtsform beteiligt sein, wenn sich der Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) im Inland befindet (Rz. 10.7 und 10.12 ff.). In diesem Fall ist zu prüfen, ob es sich bei einer Gesamtbetrachtung um eine mit einer deutschen Körperschaft vergleichbare Gesellschaft handelt. Auf die steuerliche Einordnung der Gesellschaft in ihrem Ansässigkeitsstaat kommt es beim Typenvergleich nicht an.1 2. Auslandsbezug durch ausländische Anteilseigner a) Begriff und Beispiele

10.49 „Inländische Anteilseigner“ sind Anteilseigner, die in Deutschland der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen, bei „ausländischen Anteilseignern“ ist dies nicht der Fall. Auch ausländische Anteilseigner können als beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner der deutschen Besteuerung unterliegen. Beispiel 6: Die A-GmbH wird auf ihre Schwestergesellschaft B-GmbH verschmolzen. Alleinige Anteilseignerin der beiden Gesellschaften ist die luxemburgische M-Sàrl. Abwandlung: Der Wert der A-GmbH2 besteht zu mehr als 50 % aus Immobilien, die in Deutschland belegen sind. Der Anteil der Immobilien am Wert der B-GmbH nach der Verschmelzung liegt bei unter 50 %.

1 Stimpel/Dötsch in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 12 (Stand: September 2022). 2 Wie sich aus der Denkschrift zum DBA Luxemburg ergibt (BR-Drucks. 478/12, 20), kommt es entgegen dem missverständlichen Wortlaut von Art. 13 Abs. 2 DBA Luxemburg („Wert“) für die Qualifikation als Immobiliengesellschaft darauf an, zu wie viel Prozent sich das Aktivvermögen aus Immobilien zusammensetzt, und nicht auf das Verhältnis von unbeweglichem Vermögen zum Reinvermögen der Gesellschaft (also nach Abzug von Verbindlichkeiten); a.A. noch Käshammer/Kestler, IStR 2012, 477 (479).

574 | Beinert/Scheifele

D. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug | Rz. 10.49 Kap. 10

Beispiel 7: Die B-GmbH wird aufwärts auf ihre Muttergesellschaft A-GmbH verschmolzen. Alleinige Anteilseignerin der A-GmbH ist die luxemburgische M-Sàrl.

Beinert/Scheifele | 575

Kap. 10 Rz. 10.49 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften Beispiel 8: Die A-GmbH wird abwärts auf ihre 100-prozentige Tochtergesellschaft B-GmbH verschmolzen. Alleinige Anteilseignerin der A-GmbH ist die luxemburgische M-Sàrl. Abwandlung: Der Wert der B-GmbH besteht (ggf. auch) nach der Verschmelzung zu mehr als 50 % aus in Deutschland belegenen Immobilien.

b) Übertragende Gesellschaft aa) Grundfall (Beispiel 6)

10.50 Für die Steuerfolgen auf Ebene der übertragenden Gesellschaft ist die steuerliche Ansässigkeit ihrer Anteilseigner ohne Belang. Die Voraussetzungen für einen Buchoder Zwischenwertansatz nach § 11 Abs. 2 UmwStG knüpfen nicht an den steuerlichen Status der Anteilseigner an; sie stellen insbesondere nicht darauf ab, dass die Anteilseigner im Inland ansässig sind.1 Der Möglichkeit einer steuerneutralen Buchwertfortführung steht es also nicht entgegen, wenn an der übertragenden Gesellschaft ausländische Anteilseigner beteiligt sind.2 Lösung zu Beispiel 6 und Abwandlung: Die Voraussetzungen für einen Ansatz der übergehenden Wirtschaftsgüter mit Buch- oder Zwischenwerten nach § 11 Abs. 2 UmwStG sind in Beispiel 6 grundsätzlich erfüllt oder erfüllbar. Dasselbe gilt für die Abwandlung. Aufgrund des reduzierten Immobilienanteils am Wert der übernehmenden B-GmbH entfällt zwar abkommensrechtlich das deutsche Besteuerungs-

1 Vgl. Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 215 (Stand: Januar 2020). 2 Stimpel/Dötsch in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 59 (Stand: September 2022); Prinz, GmbHR 2020, 625 (627).

576 | Beinert/Scheifele

D. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug | Rz. 10.53 Kap. 10 recht am Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der A-GmbH (Art. 13 Abs. 2 DBA Luxemburg), weil das alleinige Besteuerungsrecht an den Gewinnen aus der Veräußerung der Anteile an der B-GmbH allein bei Luxemburg liegt (Art. 13 Abs. 5 DBA Luxemburg). Das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Wirtschaftsgüter der A-GmbH (also insbesondere der Immobilien) bleibt davon aber unberührt (vgl. Art. 13 Abs. 1 DBA Luxemburg). Zu den Auswirkungen auf Ebene des Anteilseigners Rz. 10.79.

bb) Sonderfall: Aufwärtsverschmelzung (Beispiel 7) Auch in Fällen der inländischen Aufwärtsverschmelzung (upstream merger) wirkt sich der Umstand, dass an der Muttergesellschaft ausländische Anteilseigner beteiligt sind, nicht aus. Dies gilt auch dann, wenn die Anteile der ausländischen Anteilseigner – wie es der Regelfall ist (Rz. 10.72) – in Deutschland nicht steuerverstrickt sind. Das deutsche Besteuerungsrecht an den inländischen Wirtschaftsgütern, die von der Tochter- auf die Muttergesellschaft übergehen, wird dadurch nicht i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG ausgeschlossen oder beschränkt.

10.51

Lösung zu Beispiel 7: Damit steht der B-GmbH die Möglichkeit der Übertragung der Wirtschaftsgüter zu Buchoder Zwischenwerten offen.1

cc) Sonderfall: Abwärtsverschmelzung (Beispiel 8) (1) Problemstellung Eine Sonderstellung nimmt die Abwärtsverschmelzung (downstream merger) einer inländischen Muttergesellschaft mit ausländischem Anteilseigner auf eine inländische Tochtergesellschaft ein.

10.52

(2) Verwaltungsauffassung Der UmwSt-Erlass 2011 äußert sich zur Abwärtsverschmelzung wie folgt: – Die §§ 11 bis 13 UmwStG finden auf Abwärtsverschmelzungen ohne Weiteres Anwendung.2 – Die Anteile der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft gehen direkt auf die Anteilseigner der Muttergesellschaft über. Ein Durchgangserwerb (eigener) Anteile auf Ebene der übernehmenden Tochtergesellschaft mit anschließender Sachaus-

1 Vgl. Stimpel/Dötsch in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 59 (Stand: September 2022). 2 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.01 sowie Rz. 11.17 bis 11.19. Die §§ 11 ff. UmwStG a.F. waren nach (strittiger) Auffassung der Finanzverwaltung nur auf übereinstimmenden Antrag aller an der Umwandlung Beteiligten aufgrund einer Billigkeitsmaßnahme anzuwenden (Rz. 11.24 UmwSt-Erlass 1998). Mit Hereinnahme der Sondervorschriften des § 11 Abs. 2 Sätze 2 und 3 UmwStG stellte der Gesetzgeber klar, dass das UmwStG ohne Weiteres anwendbar ist; Stimpel/Dötsch in D/P/M, Vor §§ 11–13 UmwStG Rz. 34 f. (Stand: September 2022); Heinemann, GmbHR 2012, 133 (139).

Beinert/Scheifele | 577

10.53

Kap. 10 Rz. 10.53 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

kehrung an die Anteilseigner der Muttergesellschaft findet nicht statt.1 Das entspricht der BFH-Rechtsprechung2 und der im Schrifttum3 vorherrschenden Auffassung. – Die Anteile an der Tochtergesellschaft sind in der steuerlichen Schlussbilanz der Muttergesellschaft anzusetzen. Ein Ansatz mit einem Wert unterhalb des gemeinen Werts ist nur möglich, wenn die „übrigen Voraussetzungen“ des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 UmwStG vorliegen. Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist nicht auf die übernehmende Tochtergesellschaft, sondern auf die die Anteile an der Tochtergesellschaft übernehmenden Anteilseigner der Muttergesellschaft abzustellen.4 – Auf Ebene der Anteilseigner findet § 13 UmwStG Anwendung. Eine Wertverknüpfung mit der steuerlichen Schlussbilanz nach § 12 Abs. 1 UmwStG besteht nicht.5 (3) Rechtsprechung

10.54 Im Schrifttum trifft die Auffassung der Finanzverwaltung, dass zu den übergehenden Wirtschaftsgütern i.S. von § 11 Abs. 2 UmwStG auch die Beteiligung an der übernehmenden Tochtergesellschaft gehört und somit eine Buchwertfortführung nur unter der Voraussetzung des Erhalts des deutschen Besteuerungsrechts möglich ist, überwiegend auf Kritik (Rz. 10.55). Gleichwohl bestätigte der BFH6 mittlerweile die Sichtweise der Verwaltung. Auch nach Ansicht des BFH gehört die „Beteiligung an der Tochtergesellschaft“ zu den übergehenden Wirtschaftsgütern i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 UmwStG. Dafür reiche es aus, dass die Beteiligung als Wirtschaftsgut an die Anteilseigner der Muttergesellschaft übergeht. Der Gesetzeswortlaut sei insoweit eindeutig. Eine Buchwertfortführung komme daher insoweit nur in Betracht, als die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG erfüllt seien. Soweit die Nr. 1 und 2 der genannten Vorschrift weitere Anforderungen für den Buchwertansatz in Bezug auf die „übernehmende Körperschaft“ stellen, sei auf diejenige Person abzustellen, die die „Beteiligung an der Tochtergesellschaft“ erwirbt. Ist demnach eine Körperschaft Anteilseignerin der Muttergesellschaft (übertragende Körperschaft) 1 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.18. 2 BFH v. 28.10.2009 – I R 4/09, BStBl. II 2011, 315; v. 20.6.2011 – I B 108/10, GmbHR 2011, 1111. 3 Fände ein Durchgangserwerb statt, käme es, wenn auch nur für eine juristische Sekunde, zu der gesellschaftsrechtlich ungewöhnlichen (und wohl nicht vorgesehenen) Konstellation einer „Kein-Personen“-Gesellschaft; Schmitt/Schloßmacher, DStR 2010, 673 (674). Für steuerrechtliche Zwecke wäre das aber ohne Belang, da die übernehmende Gesellschaft zu keiner Zeit wirtschaftliches Eigentum an den Anteilen erwirbt; siehe Rasche, GmbHR 2010, 1188 (1191 f.). 4 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.19. 5 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.19. 6 BFH v. 30.5.2018 – I R 31/16, BStBl. II 2019, 136; v. 30.5.2018 – I R 35/16, BFH/NV 2019, 46.

578 | Beinert/Scheifele

D. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug | Rz. 10.55 Kap. 10

und erwirbt sie bei der Abwärtsverschmelzung unmittelbar die bislang von der Muttergesellschaft gehaltene „Beteiligung an der Tochtergesellschaft“, ist die Norm nach ihrem Wortlaut einschlägig mit der Folge, dass die Abwärtsverschmelzung – (nur) bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen – auf Antrag ohne Aufdeckung stiller Reserven vollzogen werden kann. Diese Voraussetzungen sind indes in der Regel nicht erfüllt, wenn der Anteilseigner des übernehmenden Rechtsträgers in einem DBA-Staat ansässig ist, weil nach dem OECD-MA ausgestaltete DBA ein deutsches Besteuerungsrecht grundsätzlich ausschließen (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Nach Auffassung des BFH streiten gegen diese Auslegung auch weder abkommens- noch europarechtliche Gesichtspunkte. (4) Praxisfolgen Die dargestellte Auffassung der Finanzverwaltung und des BFH begegnet erheblichen – vor allem rechtssystematischen sowie abkommens- und europarechtlichen – Bedenken.1 Für die Beratungspraxis ist aber bis auf Weiteres zu konstatieren, dass Abwärtsverschmelzungen mit ausländischen Anteilseignern grundsätzlich eine Aufdeckung der stillen Reserven in den Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft bewirken.2 Das gilt jedenfalls dann, wenn an der übertragenden Muttergesellschaft ein ausländischer Anteilseigner3 beteiligt ist, auf den ein DBA Anwendung findet, welches das Besteuerungsrecht an den Anteilen an der übernehmenden Tochtergesellschaft ausschließlich seinem Ansässigkeitsstaat zuweist (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA).

1 Ausführlich Kempf/Nitzschke, IStR 2022, 73 (75 ff.) sowie auch die Vorauflage Rz. 8.55 ff. Der Verwaltungsauffassung zustimmend dagegen Stimpel/Dötsch in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 92 (Stand: September 2022). Zu den DBA- und europarechtlichen Aspekten siehe auch Kühn, IStR 2021, 153 ff.und Kühn, IStR 2022, 906 (911 f.). 2 Etwas anderes dürfte nach überzeugender Auffassung in den Fällen gelten, in denen der ausländische Anteilseigner eine natürliche Person ist; Desens in Musil/Weber-Grellet, § 11 UmwStG2, Rz. 19; wohl a.A. Micker/Kühn, Ubg 2020, (196, 199 und 201 f.) und Kühn, IStR 2022, 906 (910 f.). 3 Bei Beteiligung inländischer Anteilseigner ist die Voraussetzung des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG dagegen erfüllt, und zwar auch dann, wenn sich die Anteilseigner für einen Buchwertansatz nach § 13 Abs. 2 UmwStG entscheiden und damit streng genommen nicht die stillen Reserven in den Anteilen an der übernehmenden Tochtergesellschaft, sondern die in den Anteilen an der übertragenden Muttergesellschaft fortgeführt werden; so zutreffend Kessler/Philipp, DB 2011, 1658 (1660). Für die Prüfung des Ausschlusses oder der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts ist auf die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des steuerlichen Übertragungsstichtags abzustellen (UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 02.15). Werden die Anteile zum steuerlichen Übertragungsstichtag von inländischen Anteilseignern gehalten und erst danach im Laufe des Rückwirkungszeitraums an ausländische Anteilseigner veräußert, kommt es insoweit nicht zu einer Entstrickungsbesteuerung (vgl. Schell, FR 2012, 101 f.). Die übrigen Wirtschaftsgüter der Muttergesellschaft können dagegen unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 UmwStG mit Buch- oder Zwischenwerten angesetzt werden (vgl. UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/ 10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.06 i.V.m. Rz. 03.13).

Beinert/Scheifele | 579

10.55

Kap. 10 Rz. 10.55 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

Ein Buch- oder Zwischenwertansatz ist daher nur möglich, wenn und soweit die Anteile ausnahmsweise in Deutschland steuerverstrickt bleiben, weil – sie einer inländischen Betriebsstätte der Anteilseigner zuzuordnen sind; – es sich um eine wesentliche Beteiligung (§ 17 EStG) handelt und die Anteilseigner entweder in einem Nicht-DBA-Staat oder in einem Staat ansässig sind, nach dessen DBA das Besteuerungsrecht hinsichtlich der stillen Reserven in den Anteilen (abweichend von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA) bei Deutschland liegt.1 Andernfalls sind die Anteile an der übernehmenden Tochtergesellschaft in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Muttergesellschaft mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Ein dabei entstehender Übertragungsgewinn unterliegt grundsätzlich in Höhe von 5 % der Besteuerung (§ 8b Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 KStG). In den Fällen des § 8b Abs. 7 oder Abs. 8 KStG ist der Gewinn sogar voll steuerpflichtig. (5) Folgefragen

10.56 Zu einer Entstrickungsbesteuerung kann es indes nur insoweit kommen, als die Anteile an der übernehmenden Tochtergesellschaft nach der Verschmelzung nicht mehr dem deutschen Besteuerungsrecht unterliegen (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG: „soweit“). Sollte an der übertragenden Muttergesellschaft daher auch ein oder mehrere inländische Anteilseigner beteiligt sein, dass nur eine bestimmte Quote der Anteile an der übernehmenden Tochtergesellschaft mit dem gemeinen Wert nach § 11 Abs. 1 UmwStG anzusetzen ist, nämlich die Quote, die auf ausländische Anteilseigner übergeht, die mit ihren Gewinnen aus der Veräußerung der Anteile nicht der deutschen Besteuerung unterliegen.2 Die daraus resultierende wirtschaftliche Last würden alle Anteilseigner quotal tragen. Eine andere – hier nicht zu vertiefende Frage – ist, ob die neue BFH-Rechtsprechung zur Abwärtsverschmelzung auch auf die Besteuerung inländischer Anteilseigner ausstrahlt, indem sich diese entgegen der bisher vorherrschenden Auffassung nicht (mehr) nach § 13 UmwStG, sondern § 12 Abs. 1 UmwStG richtet.3 Lösung zu Beispiel 8: Nach Auffassung des BFH und der Finanzverwaltung sind die Anteile an der B-GmbH in der steuerlichen Schlussbilanz der A-GmbH mit dem gemeinen Wert anzusetzen, weil Deutschland die stillen Reserven in den Anteilen nach Art. 13 Abs. 5 DBA Luxemburg künftig nicht mehr besteuern darf (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG). Der darauf entfallende Übertragungsgewinn (§ 11 Abs. 1 UmwStG) ist bei der A-GmbH effektiv (und untechnisch gesprochen) zu 95 % steuerfrei (§ 8b Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 KStG).

1 Prinz, GmbHR 2020, 625 (629). So z.B. China (Art. 13 Abs. 4), Indien (Art. 13 Abs. 4), Mexiko (Art. 13 Abs. 3), Tschechien (Art. 13 Abs. 3) oder in Fällen von Immobiliengesellschaften z.B. Großbritannien (Art. 13 Abs. 2), Kanada (Art. 13 Abs. 4), Luxemburg (Art. 13 Abs. 2), Niederlande (Art. 13 Abs. 2), USA (Art. 13 Abs. 1 und 2 Buchst. b). 2 Kessler/Philipp, DB 2011, 1658 (1661); Schell, FR 2012, 101 (102). Zu den ungelösten Folgeproblemen bei der bilanziellen Abbildung der übergehenden Anteile siehe Kempf/ Nitzschke, IStR 2022, 73 (75). 3 Zum Meinungsstand Stimpel/Dötsch in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 93c (Stand: September 2022).

580 | Beinert/Scheifele

D. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug | Rz. 10.56 Kap. 10 Lösung zur Abwandlung: Da der Wert der übernehmenden B-GmbH nach der Verschmelzung zu mehr als 50 % aus in Deutschland belegenen Immobilien besteht, ist Deutschland auch nach der Verschmelzung zur Besteuerung der Anteile an der B-GmbH befugt (Art. 13 Abs. 2 DBA Luxemburg). Der Buch- oder Zwischenwertansatz der Anteile an der B-GmbH ist daher nicht durch § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG ausgeschlossen.

(6) Gestaltungsüberlegungen für die Praxis Beispiel 9: Die steuerlich in Luxemburg ansässige X-S.àrl bringt im Jahr 2021 ihre Anteile an der inländischen A-GmbH (keine Immobiliengesellschaft) in die ebenfalls inländische C-GmbH gegen Gewährung neuer Anteile ein. Im Jahr 2022 wird die A-GmbH abwärts auf ihre 100-prozentige Tochtergesellschaft B-GmbH verschmolzen.

Lösung zu Beispiel 9: Die nach Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung zwingende Gewinnrealisierung in den Anteilen an der übernehmenden Tochtergesellschaft lässt sich unter Umständen vermeiden, wenn der ausländische Anteilseigner X seine Anteile an der übertragenden Muttergesellschaft (A-GmbH) vor der Abwärtsverschmelzung in eine inländische Gesellschaft (C-GmbH) einbringt.1 In der hier interessierenden (problematischen) Fallkonstellation, dass X mit Luxemburg in einem Staat ansässig ist, dem abkommensrechtlich das ausschließliche Besteuerungsrecht für Gewinne aus einer Anteilsveräußerung zusteht (Art. 13 Abs. 5 DBA Luxemburg), bietet sich dieser Weg aber in der Regel nur dann an, wenn es nach ausländischem Steuerrecht anlässlich der Einbringung nicht zu einer Besteuerung der stillen Reserven in den Anteilen an der übernehmenden Muttergesellschaft (A-GmbH) kommt. Eine Steuerneutralität der Einbringung nach Art. 8 FRL dürfte nicht in Betracht kommen, da übernehmende (C-GmbH) und erworbene Gesellschaft (A-GmbH) nicht in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten ansässig

1 Erwogen werden kann auch die Einbringung in eine inländische Mitunternehmerschaft; siehe Ludwig/Leidel, IStR 2019, 433 (438). S. auch Prinz, GmbHR 2020, 625 (629), der auf Missbrauchsaspekte hinweist.

Beinert/Scheifele | 581

Kap. 10 Rz. 10.56 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften sind (Rz. 10.317). Die eingebrachten Anteile an der A-GmbH werden durch die Einbringung in die C-GmbH erstmalig in Deutschland steuerverstrickt (zur Frage der Zugangsbewertung bei der übernehmenden C-GmbH Rz. 10.333). Auch wenn die Anteile, die die C-GmbH an der A-GmbH hält, durch die Abwärtsverschmelzung veräußert werden,1 führt dies beim einbringenden X nicht zur Nachversteuerung eines Einbringungsgewinns II (§ 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG), weil X in einem DBA-Staat ansässig ist, dem im Zeitpunkt der Einbringung das ausschließliche Besteuerungsrecht zugewiesen war (Art. 13 Abs. 5 DBA Luxemburg).2

10.57 Als Alternative zur Abwärtsverschmelzung ist eine Aufwärtsverschmelzung der Tochtergesellschaft (B-GmbH) auf die Muttergesellschaft (A-GmbH) in Betracht zu ziehen. Bei dieser lässt sich eine entstrickungsbedingte Aufdeckung stiller Reserven in den Anteilen an der B-GmbH nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG vermeiden (Rz. 10.52). Allerdings ist ein etwaiger Übertragungsgewinn bei der übernehmenden A-GmbH nach Maßgabe von § 8b KStG zu versteuern (§ 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Gegen diese Verschmelzungsrichtung können aus steuerlicher Sicht auch andere Gesichtspunkte sprechen (z.B. Wegfall von Verlust- und Zinsvorträgen, Grunderwerbsteuer). 10.58 Eine andere Überlegung geht dahin, die Abwärtsverschmelzung gesellschaftsrechtlich so zu gestalten, dass die Anteile an der übernehmenden Tochtergesellschaft (BGmbH) tatsächlich zu eigenen Anteilen der übernehmenden Tochtergesellschaft werden.3 Den Anteilseignern der übertragenden Muttergesellschaft (also X) müssen dann über eine Kapitalerhöhung bei der B-GmbH geschaffene neue Anteile gewährt werden. Das ist bei einer Abwärtsverschmelzung aufgrund des Wahlrechts nach §§ 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UmwG grundsätzlich möglich.4 Da die übergehenden (und zu eigenen Anteilen werdenden) Anteile aber nicht als übertragene Aktiva für Zwecke der Kapitalerhöhung gewertet werden können, kommt eine Kapitalerhöhung bei einer Abwärtsverschmelzung allerdings insbesondere dann nicht in Betracht, wenn die übertragende A-GmbH außer den Anteilen kein sonstiges übergehendes Vermögen besitzt, das zur Kapitalerhöhung herangezogen werden kann.5 Außerdem stellt sich die Frage, ob der Erwerb eigener Anteile durch die übernehmende B-GmbH die Anforderungen nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 UmwStG erfüllt, weil eine spätere Veräußerung der eigenen Anteile durch die übernehmende B-GmbH nicht als Realisationsakt anzusehen sein sollte.6 Rz. 11.27 1 Vgl. UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001(2011/ 0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.07. 2 Widmann in W/M, § 22 UmwStG Rz. 326 ff. (Stand: März 2016); Schmitt in S/H9, § 22 UmwStG Rz. 128. 3 Vgl. Kessler/Philipp, DB 2011, 1658 (1659 Fn. 5); Schönfeld, IStR 2011, 497 (501). 4 Hörtnagl/Ollech in S/H9, § 68 UmwG Rz. 11; Reichert in Semler/Stengel/Leonard5, § 54 UmwG Rz. 14 f.; Diekmann in Semler/Stengel/Leonard5, § 68 UmwG Rz. 14 f. Zur Zulässigkeit des Erwerbs eigener Anteile durch eine AG im Rahmen der Verschmelzung vgl. Lutter/Drygala in Kölner Kommentar zum AktG3, § 71 AktG Rz. 229. 5 Priester/Tebben in Scholz10, § 56 GmbHG Rz. 19; Hermanns in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt3, § 56 GmbHG Rz. 40; Lutter/Drygala in Kölner Kommentar zum AktG3, § 71 AktG Rz. 229. 6 Zutreffend Bruckmeier/Zwirner/Künkele, DStR 2010, 1640 (1642 f.); Lechner/Haisch, Ubg 2010, 691 (694 ff.); Mayer, Ubg 2008, 779 (782).

582 | Beinert/Scheifele

D. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug | Rz. 10.62 Kap. 10

UmwSt-Erlass 1998 (keine Aufdeckung stiller Reserven in den Anteilen an der übernehmenden B-GmbH, sofern diese zu eigenen Anteilen werden und anschließend eingezogen werden) spricht aber dafür, dass auch aus Sicht der Finanzverwaltung hinsichtlich der übergehenden Anteile an der B-GmbH, die zu eigenen Anteilen werden, ein Buch- oder Zwischenwertansatz möglich sein sollte.1 c) Übernehmende Gesellschaft Auf Ebene der übernehmenden Gesellschaft ergeben sich aus der Beteiligung eines ausländischen Anteilseigners keine Besonderheiten. Es gilt § 12 UmwStG.

10.59

Für den Sonderfall der Abwärtsverschmelzung ist zu beachten, dass die Anteile an der übernehmenden Tochtergesellschaft – soweit bei der Tochtergesellschaft keine Kapitalerhöhung durchgeführt wird – direkt auf die Anteilseigner der Muttergesellschaft übergehen und damit bei der Tochtergesellschaft nicht bilanziell auszuweisen sind (Rz. 10.54). Daher kommt es insoweit auch nicht zu einer Wertverknüpfung nach § 12 Abs. 1 UmwStG.2

10.60

d) Inländische Anteilseigner Für einen inländischen Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft hat der Umstand, dass es auch ausländische Anteilseigner gibt, keine unmittelbaren steuerlichen Folgen.3 Auf inländische Anteilseigner findet § 13 UmwStG Anwendung, auf Kleingesellschafter § 20 Abs. 4a EStG (ausführlich Rz. 10.138 ff.). Bei einer Abwärtsverschmelzung trägt ein inländischer Anteilseigner aber indirekt die wirtschaftlichen Folgen mit, wenn sich – bei Zugrundelegung der Verwaltungsauffassung – durch die Beteiligung ausländischer Anteilseigner auf Ebene der übertragenden Gesellschaft ein (höherer) steuerpflichtiger Übertragungsgewinn i.S.v. § 11 Abs. 1 UmwStG ergibt (Rz. 10.53 ff.). Neuerdings wird bei der Abwärtsverschmelzung auch die Frage diskutiert, ob sich die Steuerfolgen auf Ebene des Anteilseigners nach § 12 Abs. 1 UmwStG und nicht – wie bisher angenommen – nach § 13 UmwStG richten (Rz. 10.56).

10.61

e) Ausländische Anteilseigner aa) Einleitung Ein ausländischer Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft erzielt anlässlich der Inlandsumwandlung nur dann steuerbare Einkünfte in Deutschland, wenn er mit 1 Ebenso Rödder/Schaden, Ubg 2011, 40 (46); Kempf/Nitzschke, IStR 2022, 73 (76 f.). 2 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.19. 3 Bei der Abwärtsverschmelzung stellt sich allerdings generell die Frage, ob bei Buchwertansatz nach § 13 Abs. 2 Satz 1 UmwStG auf Ebene des Anteilseigners die steuerlichen Merkmale der Anteile an der (übertragenden) Muttergesellschaft auf die Anteile an der (übernehmenden) Tochtergesellschaft übergehen (so Heinemann, GmbHR 2012, 133 [139 f.]). Der UmwSt-Erlass 2011 äußert sich dazu nicht.

Beinert/Scheifele | 583

10.62

Kap. 10 Rz. 10.62 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

den Gewinnen aus der Veräußerung seiner Anteile beschränkt steuerpflichtig ist. Dabei sind die Vorschriften eines anwendbaren DBA zu berücksichtigen.1 bb) Beschränkte Steuerpflicht

10.63 Nach dem vorherrschenden Verständnis stellt eine Umwandlung auf Ebene der Anteilseigner eine Veräußerung ihrer Anteile dar.2 Abkommensrechtlich sind die entsprechenden Einkünfte der Anteilseigner damit – jedenfalls aus deutscher Sicht – als Veräußerungseinkünfte i.S.v. Art. 13 OECD-MA anzusehen (Art. 3 Abs. 2 OECDMA).3 10.64 Eine beschränkte Steuerpflicht eines ausländischen Anteilseigners in Deutschland besteht bei einer Inlandsumwandlung in folgenden Fällen: – Die Anteile sind einer inländischen Betriebsstätte des ausländischen Anteilseigners zuzuordnen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG).4 – Die Anteile erfüllen oder erfüllten (zu einem Zeitpunkt während der letzten fünf Jahre) die Voraussetzungen einer wesentlichen Beteiligung i.S.v. § 17 EStG5 (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG6) und der Anteilseigner ist entweder in einem Nicht-DBA-Staat oder in einem Staat ansässig, nach dessen DBA Deutschland als Quellenstaat – abweichend von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA – nicht von der Besteuerung des Gewinns aus einer Anteilsveräußerung ausgeschlossen ist (Rz. 10.55).

10.65 Ist Anteilseigner eine ausländische Körperschaft, lässt sich das Bestehen einer beschränkten Steuerpflicht im zweiten der oben genannten Fälle allerdings bezweifeln. Zwar können die Voraussetzungen des § 17 EStG grundsätzlich auch bei einer ausländischen Körperschaft erfüllt sein (isolierende Betrachtungsweise i.S.v. § 49 Abs. 2 EStG). Allerdings werden bei einer ausländischen Körperschaft nicht einmal 5 % des Veräußerungsgewinns als nicht abziehbare Betriebsausgaben der Besteuerung unterworfen (§ 8b Abs. 3 Satz 1 KStG),7 sodass nicht nur in systematischer Hinsicht, son1 BT-Drucks. 16/2710, 41. 2 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 00.03; BFH v. 24.1.2018 – I R 48/15, BStBl. II 2019, 45; siehe aber Rz. 10.114. 3 Wassermeyer in FS Widmann, 2000, 621 (626 ff.); Wassermeyer in W, Art. 13 OECD-MA Rz. 135a (Stand: Mai 2011). 4 In DBA-Fällen hat Deutschland als Betriebsstättenstaat gegenüber dem Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners regelmäßig das vorrangige Besteuerungsrecht (Art. 13 Abs. 2 OECDMA); siehe Reimer in V/L7, Art. 13 OECD-MA Rz. 190. 5 Beachte § 17 Abs. 6 EStG, der für „einbringungsgeborene“ Anteile die 1 %-Schwelle suspendiert. 6 Der Fall des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG (sog. umwandlungsgeborene Anteile) kann bei Inlandsumwandlungen nicht einschlägig sein, weil er als Auffangtatbestand Fälle erfasst, bei denen die Gesellschaft im Inland weder Sitz noch Geschäftsleitung hat; siehe Frotscher in Frotscher/Geurts, § 49 EStG Rz. 173 (Stand: Februar 2019). 7 BFH v. 31.5.2017 – I R 37/15, BStBl. II 2018, 144.

584 | Beinert/Scheifele

D. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug | Rz. 10.67 Kap. 10

dern auch effektiv der Veräußerungsgewinn zu 100 % von der Besteuerung freigestellt wird (Rz. 10.60). Darin könnte man einen nationalen Verzicht Deutschlands auf die Ausübung des innerstaatlichen Besteuerungsrechts sehen.1 Ausländische Kleingesellschafter (also solche, die ihre Beteiligung nicht in einer inländischen Betriebsstätte halten und auch nicht wesentlich i.S.v. § 17 EStG beteiligt sind)2 sind mit einem Gewinn aus der Veräußerung ihrer Anteile nicht in Deutschland steuerpflichtig. Etwas anderes gilt nur, wenn sie ihre Anteile im Rahmen eines Schalter-/Tafelgeschäfts mit einem inländischen Kreditinstitut veräußern, bei dem sie kein Depot unterhalten (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. d Doppelbuchst. bb EStG).3 Dieser Sonderfall sollte bei einer umwandlungsbedingten Anteils-“Veräußerung“ aber praktisch nicht vorkommen4 und wird hier daher nicht weiter beleuchtet.

10.66

cc) Inländische Betriebsstätte (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer inländischen Gesellschaft, die einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind, sind in Deutschland steuerpflichtig (Rz. 10.72). Da es sich um Anteile im Betriebsvermögen handelt, richtet sich die steuerliche Behandlung auf Ebene des Anteilseigners nach § 13 UmwStG.5 § 20 Abs. 4a EStG ist nicht anwendbar (§ 20 Abs. 8 Satz 2 EStG). Die Anteile gelten als zum gemeinen Wert veräußert (§ 13 Abs. 1 UmwStG).6 Die Umwandlung ist nur auf Antrag steuerneutral möglich (§ 13 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Voraussetzung für die Ertragsteuerneutralität ist, dass das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Gesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 13 Abs. 2 Satz 1 1 Vgl. auch Scheipers/Kowallik, IWB Fach 3 Gruppe 4, 459 ff.; Wassermeyer, DB 2008, 430 (431); Kempf/Hohage, IStR 2010, 806; Nitzschke, IStR 2012, 125 ff. A.A. Pung in D/P/M, § 8b KStG Rz. 215 (Stand: Juni 2021). 2 Beachte § 17 Abs. 6 EStG, der für „einbringungsgeborene“ Anteile die 1 %-Schwelle suspendiert. 3 Da Deutschland abkommensrechtlich in der Regel kein Besteuerungsrecht zusteht, ist eine Besteuerung nur geboten, wenn das Kreditinstitut die Erträge an einen nicht nach § 154 AO legitimierten Gläubiger auszahlt (BT-Drucks. 16/11108, 22). 4 Siehe auch Benecke/Schnitger, Ubg 2011, 1 (2), wonach sich eine beschränkte Steuerpflicht eines ausländischen Kleingesellschafters im Rahmen von Umwandlungen allenfalls daraus ergeben kann, dass diese zu Einkünften i.S.v. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG führen (z.B. bei fiktiver Ausschüttung von Gewinnrücklagen nach § 7 UmwStG). 5 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 13.01; Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 243 (Stand: Januar 2020); Stimpel/Dötsch in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 93c (Stand: September 2022); Dötsch/Werner in D/P/M, § 13 UmwStG Rz. 4 und 11 f. (Stand: Februar 2020); Prinz, GmbHR 2020, 625 (628). 6 Ein sich daraus ergebender Veräußerungsgewinn oder -verlust entsteht erst im Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Umwandlung, weil § 2 Abs. 1 UmwStG nicht für den Anteilseigner gilt (UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 13.06).

Beinert/Scheifele | 585

10.67

Kap. 10 Rz. 10.67 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

Nr. 1 UmwStG). Diese Voraussetzung ist erfüllt, weil auch die erworbenen Anteile weiter der inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind.1 Bei Antrag auf Buchwertfortführung treten die erworbenen Anteile steuerlich an die Stelle der (untergehenden) Anteile an der übertragenden Gesellschaft (§ 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG).

10.68 Kapitalertragsteuer. Wird kein Antrag auf Buchwertfortführung gestellt, ist der Veräußerungsgewinn grundsätzlich kapitalertragsteuerpflichtig (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG). Ein Steuerabzug findet allerdings nur bei Anteilen statt, die in einem inländischen Depot liegen (§ 44 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG). Bei der Veräußerung von unverbrieften Beteiligungen (wie GmbH-Anteilen) ist mangels Beteiligung einer Zahlstelle keine Kapitalertragsteuer einzubehalten.2 Soweit ein Steuerabzug grundsätzlich durchzuführen ist, hat der ausländische Anteilseigner die Möglichkeit, den Steuerabzug durch Erklärung gegenüber der Zahlstelle zu vermeiden (§ 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 EStG). Andernfalls ist die einbehaltene Kapitalertragsteuer im Rahmen der Veranlagung der inländischen Betriebsstätteneinkünfte anzurechnen (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG, ggf. i.V.m. § 31 Abs. 1 KStG). dd) Wesentliche Beteiligung ohne abkommensrechtlichen Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG)

10.69 Ausländische Anteilseigner, die an einer inländischen Gesellschaft wesentlich beteiligt sind (§ 17 EStG), sind mit einem Gewinn aus der Veräußerung ihrer Anteile in Deutschland steuerpflichtig, sofern das deutsche Besteuerungsrecht nicht durch ein DBA ausgeschlossen ist. Ein deutsches Besteuerungsrecht besteht, wenn der Anteilseigner entweder in einem Nicht-DBA-Staat ansässig ist oder in einem Staat, nach dessen DBA Deutschland als Ansässigkeitsstaat der übertragenden Gesellschaft abweichend von Art. 13 Abs. 5 OECD MA zur Besteuerung des Gewinns aus einer Anteilsveräußerung befugt ist (Rz. 10.72). Die steuerliche Behandlung des Anteilseigners richtet sich, da es sich um eine wesentliche Beteiligung i.S.v. § 17 EStG handelt, nach § 13 UmwStG.3 § 20 Abs. 4a EStG findet keine Anwendung (§ 20 Abs. 8 Satz 2 EStG).4 10.70 Buchwertfortführung. Die Voraussetzungen für eine Buchwertfortführung nach § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG liegen vor, weil Deutschland im Hinblick auf die erhaltenen Anteile an der übernehmenden (inländischen) Gesellschaft sein Besteue-

1 Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.48. 2 BT-Drucks. 16/4841, 58 (61); Hasselmann in L/B/P, § 43 EStG Rz. 170 (Stand: November 2020); Geurts in Bordewin/Brandt, § 43 EStG Rz. 119 (Stand: April 2020). 3 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 13.01; Dötsch/Werner in D/P/M, § 13 UmwStG Rz. 4 und 11 f. (Stand: Februar 2020). 4 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 13.01. Ebenso Dötsch/Werner in D/P/M, § 13 UmwStG Rz. 17a (Stand: Februar 2020); Bleschick in Kirchhof/Seer21, § 20 EStG Rz. 185.

586 | Beinert/Scheifele

D. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug | Rz. 10.73 Kap. 10

rungsrecht behält.1 In DBA-Fällen bleibt der abkommensrechtliche Status der Anteile grundsätzlich unverändert. Wegen § 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG geht die beschränkte Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG auch dann nicht verloren, wenn die Beteiligung des ausländischen Anteilseigners infolge der Umwandlung auf unter 1 % absinkt.2 Werden die Anschaffungskosten der Anteile an der übertragenden Gesellschaft nach § 13 Abs. 2 Satz 1 UmwStG fortgeführt, treten die neuen Anteile an die Stelle der bisherigen Anteile (§ 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Wenn die Anteile an der übertragenden Gesellschaft solche i.S.v. § 17 EStG waren, gelten daher auch die neuen Anteile an der übernehmenden Gesellschaft als Anteile i.S.v. § 17 EStG, selbst wenn der Anteilseigner bei der übernehmenden Gesellschaft die Beteiligungsgrenze von 1 % nicht mehr erreicht.3

10.71

Fraglich ist, ob das auch in den Fällen gilt, in denen die übertragende Gesellschaft eine Immobiliengesellschaft ist und das einschlägige DBA eine dem Art. 13 Abs. 4 OECD-MA entsprechende Regelung enthält, nach der Deutschland als Belegenheitsstaat der Immobilien zur Besteuerung der Gewinne aus der Anteilsveräußerung befugt ist. Stellt die übernehmende Gesellschaft keine Immobiliengesellschaft dar, weil der Immobilienanteil am Wert der Gesellschaft bei nicht mehr als 50 % liegt, ist Deutschland an sich nicht mehr zur Besteuerung befugt (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Möglicherweise lässt sich hier argumentieren, dass das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der erhaltenen Anteile wegen § 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG nicht verloren geht. Dagegen spricht aber wohl, dass das UmwStG dort, wo es einen treaty override anordnen möchte, dies ausdrücklich vorsieht (vgl. § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 UmwStG) und § 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG Rechtsfolge der Buchwertfortführung ist (also erst eingreift, wenn die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Satz 1 UmwStG erfüllt sind). In der Abwandlung zu Beispiel 6 sind die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG daher wohl nicht erfüllt.

10.72

Kapitalertragsteuer. Auch wenn der Veräußerungsgewinn beschränkt steuerpflichtig ist, wird keine Kapitalertragsteuer erhoben. Ein Steuerabzug unterbleibt selbst dann, wenn die Anteile in einem inländischen Depot liegen.4

10.73

1 Dötsch/Werner in D/P/M, § 13 UmwStG Rz. 40 (Stand: Februar 2020). 2 Dötsch/Werner in D/P/M, § 13 UmwStG Rz. 40 (Stand: Februar 2020); Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.55. 3 BT-Drucks. 16/2710, 41; UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/ 10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 13.11; Dötsch/Werner in D/P/M, § 13 UmwStG Rz. 40 und Rz. 56 (Stand: Februar 2020); Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.55. 4 BMF v. 19.05.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003:009 (2022/0457871), BStBl. I 2022, 742 Rz. 313 u. 315.

Beinert/Scheifele | 587

Kap. 10 Rz. 10.74 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

3. Auslandsbezug durch ausländisches Vermögen a) Beispiel

10.74 Beispiel 10:

Die inländische A-GmbH spaltet einen Geschäftsbereich auf die inländische B-GmbH ab (§ 123 Abs. 2 UmwG). Die Teilbetriebsvoraussetzung des § 15 Abs. 1 Satz 2 UmwStG ist erfüllt. Zum Teilbetrieb zählt neben inländischem Betriebsstättenvermögen eine aktive Betriebsstätte in Frankreich, eine passive Betriebsstätte in Großbritannien sowie eine Beteiligung an einer tschechischen s.r.o. (entspricht GmbH).

b) Bestehen eines deutschen Besteuerungsrechts

10.75 Umwandlungen stellen – nach vorherrschender Auffassung – auf Ebene der übertragenden Gesellschaft eine Veräußerung der übergehenden Wirtschaftsgüter dar, die bei Ansatz des gemeinen Werts oder eines Zwischenwerts zur Gewinnrealisierung führt.1 Dies ist allerdings nur insoweit relevant, als Deutschland überhaupt ein Besteuerungsrecht an den übergehenden Wirtschaftsgütern hatte. Es ist also zu prüfen, ob das deutsche Besteuerungsrecht durch ein DBA ausgeschlossen ist. 10.76 Weil der Begriff der Veräußerung abkommensrechtlich nicht definiert ist, gilt eine Umwandlung aus deutscher Sicht auch für DBA-Zwecke als Veräußerung (Art. 3 1 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 00.02; siehe aber Rz. 10.114.

588 | Beinert/Scheifele

D. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug | Rz. 10.78 Kap. 10

Abs. 2 OECD-MA).1 In DBA-Fällen ist daher die dem Art. 13 OECD-MA entsprechende DBA-Vorschrift anzuwenden. DBA-Fälle. In DBA-Fällen ist in einem ersten Schritt zu prüfen, für welche Wirtschaftsgüter der übertragenden Gesellschaft die Freistellungsmethode und für welche die Anrechnungsmethode gilt. Gilt die Freistellungsmethode, sind die betroffenen Wirtschaftsgüter grundsätzlich nicht in Deutschland steuerverstrickt. „Grundsätzlich“, weil in einem zweiten Schritt zu prüfen ist, ob eine Ausnahme greift.

10.77

Folgende Arten von Wirtschaftsgütern sind zu unterscheiden:

10.78

– Unbewegliches Vermögen: Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens werden grundsätzlich im Belegenheitsstaat besteuert (Art. 13 Abs. 1 OECD-MA). Liegt das unbewegliche Vermögen im DBA-Ausland, hat Deutschland die Gewinne daher in aller Regel von der Besteuerung freizustellen.2 – Bewegliches Betriebsstättenvermögen: Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Betriebsstättenvermögens werden grundsätzlich im Betriebsstättenstaat besteuert (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA). Liegt die Betriebsstätte im Ausland, hat Deutschland die Gewinne in der Regel von der Besteuerung freizustellen. Manche DBA sehen allerdings abweichend davon die Anrechnungsmethode vor, sodass Deutschland zur Besteuerung der Gewinne aus der Veräußerung des beweglichen Betriebsstättenvermögens befugt ist, wenngleich unter Anrechnung ausländischer Steuer.3 – Beteiligungen an Gesellschaften: Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften werden in der Regel ausschließlich von Deutschland als dem Ansässigkeitsstaat der übertragenden Gesellschaft besteuert (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Manche DBA weisen allerdings abweichend davon dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft, an der die Anteile bestehen, das vorrangige Besteuerungsrecht zu.4 Einige DBA enthalten in Anlehnung an Art. 13 Abs. 4 OECD-MA Sonderregelungen für Immobiliengesellschaften, also für Gesellschaften, deren Vermögen überwiegend aus Immobilien besteht, die im anderen Vertragsstaat belegen sind. Danach steht dem Belegenheitsstaat der Immobilien das vorrangige Besteuerungsrecht an Gewinnen aus der Veräußerung der Anteile an der Immobiliengesellschaft zu (Art. 13 Abs. 4 OECD-MA).5 In diesen von Art. 13 Abs. 5 1 Wassermeyer in W, Art. 13 OECD-MA Rz. 30, 72 und 128 (Stand: April 2022); Reimer in V/L7, Art. 13 OECD-MA Rz. 10 ff., 193; Jacob in Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA USA, 2009, Art. 13 Rz. 20. Vgl. auch OECD-MA-Kommentar, Art. 13 Ziff. 4 und 5. A.A. Viebrock/Hagemann, FR 2009, 737 (738, 742). 2 Zu Ausnahmefällen, bei denen die Anrechnungsmethode gilt, siehe Wassermeyer in W, Art. 13 OECD-MA Rz. 60 (Stand: April 2022). 3 Beispiele: Mauritius (Art. 23 Abs. 2), Vereinigte Arabische Emirate (Art. 22 Abs. 1), Zypern (Art. 22 Abs. 1). 4 Beispiele: China (Art. 13 Abs. 4), Indien (Art. 13 Abs. 4), Mexiko (Art. 13 Abs. 3), Tschechien (Art. 13 Abs. 3). 5 Beispiele: Großbritannien (Art. 13 Abs. 2), Kanada (Art. 13 Abs. 4), Luxemburg (Art. 13 Abs. 2), Niederlande (Art. 13 Abs. 2), USA (Art. 13 Abs. 1 und 2 Buchst. b).

Beinert/Scheifele | 589

Kap. 10 Rz. 10.78 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

OECD-MA abweichenden Sonderfällen ist Deutschland üblicherweise gleichwohl zur Besteuerung der Gewinne aus der Veräußerung befugt, aber mit der Pflicht zur Anrechnung der ausländischen Steuer.1

10.79 Trotz Geltung der Freistellungsmethode kann Deutschland aufgrund einer Ausnahmeregelung zur Besteuerung befugt sein (wenngleich ggf. unter Anrechnung der ausländischen Steuer). Solche Ausnahmeregelungen können insbesondere sein: – Aktivitätsvorbehalte im jeweiligen DBA;2 – Subject-to-tax-Klauseln im jeweiligen DBA;3 – Treaty-override-Vorschriften des innerstaatlichen deutschen Steuerrechts (z.B. § 50d Abs. 9 EStG oder § 20 Abs. 2 AStG).

10.80 Nicht-DBA-Fälle. In Nicht-DBA-Fällen geht das deutsche Besteuerungsrecht weiter und erfasst die stillen Reserven in sämtlichen Wirtschaftsgütern, die einer im Inland unbeschränkt steuerpflichtigen Person steuerrechtlich zuzurechnen sind. Das gilt unabhängig davon, ob das Wirtschaftsgut im Ausland belegen ist oder einen sonstigen Nexus zum Ausland aufweist (Welteinkommensprinzip). Damit erfasst das deutsche Besteuerungsrecht etwa auch die stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern einer Betriebsstätte oder eines Grundstücks in einem Nicht-DBA-Staat. 10.81 Kein deutsches Besteuerungsrecht in diesem Sinne besteht dagegen an Wirtschaftsgütern, die einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person nicht selbst steuerrechtlich zuzurechnen sind und deren stille Reserven bei ihr lediglich nach Maßgabe der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. AStG) erfasst werden können (Rz. 10.284). 10.82 „Ausländisch“ sind damit die Wirtschaftsgüter der übertragenden Gesellschaft, die nicht in Deutschland steuerverstrickt sind, weil Deutschland einen Veräußerungsgewinn aufgrund eines DBA von der Besteuerung auszunehmen hat (Freistellungsmethode) und auch nicht durch Ausnahmeregelungen etwas anderes bestimmt ist. Alle übrigen Wirtschaftsgüter sind „inländisch“, auch wenn sie im Ausland belegen oder einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind, weil Deutschland die diesbezüglichen Veräußerungsgewinne besteuern darf (wenn auch ggf. unter Anrechnung der ausländischen Steuer). Lösung zu Beispiel 10: Zu den inländischen Wirtschaftsgütern zählt die deutsche Betriebsstätte sowie die Beteiligung an der tschechischen s.r.o. (vgl. Art. 13 Abs. 3 DBA Tschechien). Bei den zur französischen Betriebsstätte gehörenden Wirtschaftsgütern handelt es sich um ausländische Wirtschafts1 Beispiele: China (Art. 24 Abs. 2 Buchst. b), Großbritannien (Art. 13 Abs. 2), Indien (Art. 23 Abs. 1 Buchst. b), Kanada (Art. 13 Abs. 2 Buchst. b), Luxemburg (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b), Mexiko (Art. 23 Abs. 1 Buchst. b), Tschechien (Art. 23 Abs. 1 Buchst. b), USA (Art. 23 Abs. 3 Buchst. b). 2 Beispiele: Australien (Protokoll Nr. 10 Buchst. d zu Art. 22), Kanada (Art. 23 Abs. 2 Buchst. c), Luxemburg 2012 (Art. 22 Abs. 1 Buchst. c), Polen (Art. 24 Abs. 1 Buchst. c), Portugal (Protokoll Nr. 8 zu Art. 24 DBA), Ungarn (Art. 23 Abs. 1 Buchst. c). 3 Beispiele: Luxemburg (Art. 22 Abs. 1 Buchst. a), Niederlande (Art. 22 Abs. 1 Buchst. a).

590 | Beinert/Scheifele

D. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug | Rz. 10.83 Kap. 10 güter. Die Wirtschaftsgüter in der englischen Betriebsstätte sind dagegen wegen des Aktivitätsvorbehalts (Art. 23 Abs. 1 Buchst. c DBA Großbritannien) inländisch, weil Deutschland die stillen Reserven besteuern darf (wenn auch unter Anrechnung der englischen Steuer).

c) Übertragende Gesellschaft aa) Steuerliche Schlussbilanz Die übertragende Gesellschaft hat „die übergehenden Wirtschaftsgüter“ in einer steuerlichen Schlussbilanz anzusetzen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 UmwStG).1 Das UmwStG unterscheidet nicht danach, ob es sich um inländische oder um ausländische Wirtschaftsgüter handelt.2 Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist eine steuerliche Schlussbilanz nur dann entbehrlich, „wenn“ (nicht: „soweit“) diese nicht für inländische Besteuerungszwecke benötigt wird.3 Verbreitet wird daher davon ausgegangen, dass auch die ausländischen Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz auszuweisen sind.4 Allerdings stellt sich die Frage nach Sinnhaftigkeit und Verhältnismäßigkeit eines Ansatz- und Bewertungszwangs für ausländische Wirtschaftsgüter. – Einer steuerlichen Schlussbilanz bedarf es zur Ermittlung des Übertragungsergebnisses. Dies ist aber nur relevant für Wirtschaftsgüter, die der deutschen Besteuerung unterliegen, da nur insoweit das Übernahmeergebnis in Deutschland steuerpflichtig ist (Rz. 10.84, 10.96 f.). – Einer steuerlichen Schlussbilanz bedarf es weiter für die Ermittlung eines steuerrelevanten Übernahmeergebnisses. Ein Übernahmeergebnis ist aber nur in Fällen der Aufwärtsverschmelzung steuerpflichtig (§ 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG i.V.m. § 8b KStG) (Rz. 10.110). – Bleibt die Ermittlung des steuerlichen Einlagekontos. Hierfür muss aber schlicht das steuerliche Einlagekonto der übertragenden Gesellschaft mit dem steuerlichen Einlagekonto der übernehmenden Gesellschaft zusammengerechnet werden (§ 29

1 Die nachfolgenden Ausführungen gelten – soweit nicht anders vermerkt – entsprechend für die Auf- und Abspaltung; vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 UmwStG. 2 Soweit sich der Übergang von Wirtschaftsgütern nach ausländischem Zivilrecht richtet und dieses die Gesamtrechtsnachfolge nicht anerkennt, können Wirtschaftsgüter im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf die übernehmende Gesellschaft übertragen werden. Geschieht das im zeitlichen Zusammenhang mit der Umwandlung, so fallen die Wirtschaftsgüter gleichwohl in den Anwendungsbereich der §§ 11 ff. UmwStG; vgl. Schmitt in S/H9, § 11 UmwStG Rz. 112; Möhlenbrock/Werner/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 111 (Stand: Dezember 2015). 3 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.02 i.V.m. 11.02. So bereits BT-Drucks. 16/2710, 40. 4 Rödder in R/H/vL3, § 11 UmwStG Rz. 359 „Auslandsvermögen“; Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 197 (Stand: Januar 2020); Schmitt in S/H9, § 11 UmwStG Rz. 70; Stimpel/ Dötsch in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 51 „Ausl Vermögen“ (Stand: September 2022); Pohl, IWB 2012, 177 (184 f.). Kritisch Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (456); Schneider/Ruoff/Sistermann, FR 2012, 1; Ruoff in S/R/S, § 11 Rz. 11.3.

Beinert/Scheifele | 591

10.83

Kap. 10 Rz. 10.83 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

Abs. 2 KStG), sodass es auch deswegen keiner Erfassung der ausländischen Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz bedarf.1

10.84 Wertermittlung. Sofern man der Verwaltungsauffassung folgt, sollten für den Fall, dass sich die übertragende Gesellschaft für einen Buch- oder Zwischenwertansatz gemäß § 11 Abs. 2 UmwStG entscheidet (Rz. 10.101), jedenfalls zugunsten des Steuerpflichtigen erleichterte Anforderungen für die Wertermittlung gelten. So sollte es etwa erlaubt sein, die Schlussbilanzwerte aus der ausländischen Rechnungslegung abzuleiten, wenn sich ersichtlich keine wesentlichen Abweichungen von den deutschen Bewertungsvorgaben ergeben.2 Da die Buchwerte nach den Vorschriften des deutschen Steuerbilanzrechts zu ermitteln sind (vgl. § 1 Abs. 5 Nr. 4 UmwStG),3 könnte dem Steuerpflichtigen andernfalls ein unzumutbarer Aufwand entstehen, etwa wenn abschreibbare Wirtschaftsgüter retrospektiv zu bewerten sind. Eine Bewertung vom Anschaffungszeitpunkt bis zum steuerlichen Übertragungsstichtag kann aufgrund fehlender Informationen oder der schieren Masse der zu ermittelnden Wertansätze schnell an die faktischen Grenzen des Möglichen stoßen und ein Umwandlungshindernis darstellen. 10.85 Bewertung. Im Falle eines Ansatzes der übergehenden Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert (§ 11 Abs. 1 UmwStG) lässt sich eine Bewertung (auch) der ausländischen Wirtschaftsgüter praktisch nicht vermeiden. Denn die Bewertung erfolgt nicht bezogen auf jedes einzelne übergehende Wirtschaftsgut, sondern bezogen auf die Gesamtheit der übergehenden aktiven und passiven Wirtschaftsgüter,4 also anhand einer Unternehmensbewertung. Der gemeine Wert der Sachgesamtheit ist dann analog § 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG im Verhältnis der Teilwerte auf die einzelnen Wirtschaftsgüter zu verteilen.5 Damit lässt sich im Ergebnis auch der Teil des Übertragungsgewinns ermitteln, der auf die ausländischen Wirtschaftsgüter entfällt und nicht der deutschen Besteuerung unterliegt. Abgrenzungsprobleme können sich allerdings hinsichtlich der Zuordnung eines Geschäfts- oder Firmenwerts ergeben. bb) Ansatz des gemeinen Werts

10.86 Die übergehenden Wirtschaftsgüter sind grundsätzlich mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 UmwStG). Soweit diese in die steuerliche Schlussbilanz

1 Anders kann es bei einer Hereinverschmelzung sein, wenn für die übertragende Gesellschaft bislang kein steuerliches Einlagekonto festzustellen war (§ 29 Abs. 2 i.V.m. Abs. 6 KStG), vgl. Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (456, 457 f.). 2 Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 44 (Stand: Januar 2020); Figna/Fürstenau, BB Special 1/2010, 12 (17); Beinert/Benecke, FR 2010, 1120 (1126); Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (456); Käbisch/Bunzeck, IWB 2011, 392 (395); Ruoff in S/R/S, § 11 Rz. 11.3. 3 Siehe UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/ 0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.57 i.V.m. 11.05. 4 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.07 i.V.m. 11.04. 5 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.09 i.V.m. 11.04.

592 | Beinert/Scheifele

D. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug | Rz. 10.88 Kap. 10

aufzunehmen sind, gilt das auch für ausländische Wirtschaftsgüter (Rz. 10.92). Eine Bindung an den Wertansatz nach dem ausländischen Steuerrecht besteht nicht.1 Steuerpflicht. Ein durch Ansatz der gemeinen Werte entstehender Übertragungsgewinn ist grundsätzlich steuerpflichtig; er unterliegt nach allgemeinen Grundsätzen der Körperschaftsteuer (zzgl. Solidaritätszuschlag) und der Gewerbesteuer.2 Gewerbesteuer fällt jedoch nicht an, soweit der Übertragungsgewinn auf das Vermögen einer ausländischen Betriebsstätte in einem Nicht-DBA-Staat oder in einem DBAStaat mit Anrechnungsmethode entfällt (§ 19 Abs. 1 UmwStG, § 9 Nr. 3 GewStG).

10.87

Freistellung. Der Übertragungsgewinn ist allerdings insoweit nicht steuerpflichtig, wie ihn Deutschland nach einem DBA von seiner Besteuerung ausnehmen muss.3 Der Übertragungsgewinn ist daher nicht zu besteuern, soweit er auf unbewegliches Vermögen (Art. 13 Abs. 1 OECD-MA) oder auf das Vermögen einer Betriebsstätte (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA) im DBA-Ausland entfällt und Deutschland – wie in diesen Fällen üblich – die Freistellungsmethode anwendet.4 Ein insoweit entstehender Übertragungsgewinn wird nur dann in Deutschland besteuert, wenn die Freistellung aufgrund abkommensrechtlicher oder innerstaatlicher Sonderbestimmungen ausnahmsweise nicht zu gewähren ist (Rz. 10.88). Eine Besteuerung ist etwa dann denkbar, wenn der andere Staat von seinem Besteuerungsrecht aufgrund abweichender Auslegung des DBA keinen Gebrauch macht (§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG).

10.88

Beispiel 11:5 Die inländische A-GmbH ist Mitunternehmerin einer ausländischen, gewerblich tätigen Personengesellschaft. Sie spaltet einen Teil ihrer Mitunternehmerbeteiligung auf die ebenfalls inländische B-GmbH ab. Es soll ein Fall des § 15 Abs. 2 Satz 2 UmwStG vorliegen. Zwischen Deutschland und dem ausländischen Staat besteht ein DBA, nach dem Gewinne aus der Veräußerung von ausländischem Betriebsstättenvermögen von der deutschen Besteuerung freizustellen sind (Art. 13 Abs. 2 i.V.m. Art. 23A OECD-MA); Gewinne aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen können dagegen nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Der ausländische Staat besteuert die Personengesellschaft als intransparent und behandelt die Abspaltung daher wie eine Teilveräußerung eines Gesellschaftsanteils mit der Folge, dass er sich wegen Art. 13 Abs. 5 OECD-MA an der Besteuerung gehindert sieht.

1 BT-Drucks. 16/2710, 40; Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1077); Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 215 (Stand: Januar 2020); Beinert/Benecke, FR 2010, 1120 (1125); Stimpel/ Dötsch in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 51 „Ausl Vermögen“ (Stand: September 2022); Möhlenbrock/Werner/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 112 (Stand: Dezember 2015); Ropohl/ Sonntag in H/H3, § 11 UmwStG Rz. 238. 2 Stimpel/Dötsch in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 31 (Stand: September 2022). 3 BT-Drucks. 16/2710, 37; Rödder in R/H/vL3, § 11 UmwStG Rz. 359 „Auslandsvermögen“; Stimpel/Dötsch in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 51 „Ausl. Vermögen“ (Stand: September 2022). 4 Etwas anderes gilt z.B. bei in Spanien belegenem Grundbesitz, weil Deutschland hier die Anrechnungsmethode anwendet, Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. ee DBA Spanien (Rz. 10.87). 5 Nach Beinert/Benecke, FR 2010, 1120 (1131 f.).

Beinert/Scheifele | 593

Kap. 10 Rz. 10.88 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

Lösung zu Beispiel 11: Trotz Freistellung wären die Gewinne aus der Abspaltung in Deutschland steuerpflichtig, wenn § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG einschlägig wäre. Dies wäre der Fall, wenn der ausländische Staat die Bestimmungen des DBA so anwendete, dass Einkünfte sowohl in Deutschland als auch im ausländischen Staat nicht oder nur zu einem durch das DBA begrenzten Steuersatz besteuert werden. Entscheidend ist das Verständnis des Tatbestandsmerkmals „Einkünfte“. Stellt man auf den einkommensteuerlichen Einkünftebegriff (§ 2 EStG) ab, so ist entscheidend, ob durch das DBA eine komplette Einkunftsart i.S.v. § 2 EStG von der Besteuerung ausgenommen wird.1 Dies wäre hier nicht der Fall. Vielmehr beurteilt der ausländische Staat nur eine Teilmenge der generell steuerpflichtigen Einkünfte i.S.v. § 15 EStG als steuerfrei. Versteht man den Begriff der Einkünfte dagegen im Sinne der Einkünftekategorien der Art. 6 bis 21 OECD-MA,2 so lägen Einkünfte vor, die aufgrund des DBA sowohl in Deutschland als auch im Ausland nicht der Besteuerung unterlägen. Der Abspaltungsgewinn wäre dann nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG in Deutschland zu besteuern. U.E. gibt das Gesetz in § 50d Abs. 9 EStG nicht zu erkennen, dass ein anderer als der einkommensteuerliche Einkünftebegriff anzuwenden ist; ein Rückgriff auf die abkommensrechtlichen Einkünftekategorien sollte daher ausscheiden.

10.89 „Tatsächliche“ ausländische Steuern. Ausländische Steuern, die anlässlich der Umwandlung tatsächlich entstehen, werden angerechnet (Rz. 10.107). 10.90 Fiktive ausländische Steuern. Bei Wirtschaftsgütern, die einer EU-Betriebsstätte zuzurechnen sind und bei denen Deutschland nicht die Freistellungsmethode anwendet, besteht die Möglichkeit der Anrechnung fiktiver ausländischer Steuer (§ 11 Abs. 3 i.V.m. § 3 Abs. 3 UmwStG). Danach ist die Körperschaftsteuer auf den Übertragungsgewinn nach § 26 KStG um den Betrag ausländischer Steuer zu ermäßigen, der 1 Gosch in Kirchhof/Seer21, § 50d EStG Rz. 41a. 2 Schönfeld/Rüsch in F/W/B, § 50d Abs. 9 EStG Rz. 48 (Stand: April 2021).

594 | Beinert/Scheifele

D. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug | Rz. 10.92 Kap. 10

nach den Rechtsvorschriften des betreffenden anderen EU-Mitgliedstaats erhoben worden wäre, wenn die übertragenen Wirtschaftsgüter zum gemeinen Wert veräußert worden wären. Da derzeit nahezu alle DBA mit EU-Staaten die Freistellungsmethode vorsehen,1 ist die Vorschrift in der Regel nur dann einschlägig, wenn die Freistellungsmethode aufgrund einer abkommensrechtlichen oder innerstaatlichen Sonderregelung (z.B. Aktivitätsvorbehalt, Subject-to-tax-Klausel oder Treaty-override-Vorschriften) ausnahmsweise keine Anwendung findet (Rz. 10.88). Das ist z.B. der Fall, wenn zum übertragenen Vermögen eine „passive“ portugiesische Betriebsstätte gehört, Art. 24 Abs. 2 Buchst. b DBA Portugal.2 Durch die Anrechnung der fiktiven ausländischen Steuer wird im Ergebnis eine Doppelbesteuerung im Betriebsstätten- und Ansässigkeitsstaat der übertragenden Gesellschaft in Fällen verhindert, in denen der Betriebsstättenstaat die stillen Reserven zwar nicht im Zeitpunkt der Umwandlung besteuert, aber später „zugreifen“ könnte.3 Zur Ermittlung der anrechenbaren ausländischen Körperschaftsteuer ist regelmäßig ein Auskunftsersuchen (§ 117 AO) an den ausländischen Betriebsstättenstaat zu richten.4

Beschränkung auf grenzüberschreitende Umwandlung. Wegen der Bezugnahme auf Art. 10 FRL wird im Schrifttum vertreten, dass § 3 Abs. 3 UmwStG nur dann Anwendung findet, wenn der Anwendungsbereich der FRL selbst eröffnet ist.5 Das setzt voraus, dass an der Umwandlung Gesellschaften aus mindestens zwei EU-Mitgliedstaaten beteiligt sind (Art. 1 Buchst. a FRL).6 „Gesellschaft aus einem Mitgliedstaat“ ist eine Gesellschaft, die nach dem Steuerrecht eines EU-Mitgliedstaats als in diesem Mitgliedstaat steuerlich ansässig angesehen wird (Art. 3 Buchst. c FRL). Bei einer Inlandsumwandlung fehlt das grenzüberschreitende Element, weil übertragende und übernehmende Gesellschaft steuerlich in Deutschland ansässig sind. Dem Wortlaut nach ist daher zweifelhaft, ob bei einer Inlandsumwandlung die Anrechnungsmöglichkeit nach § 3 Abs. 3 UmwStG besteht.7 U.E. sollte dies bei einer an Sinn und Zweck der Vorschrift (Vermeidung einer Doppelbesteuerung) ausgerichteten Auslegung allerdings möglich sein.

10.91

cc) Buch- oder Zwischenwertansatz Bewertungswahlrecht. Unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 UmwStG besteht ein antragsgebundenes Wahlrecht, die übergehenden Wirtschaftsgüter statt mit dem gemeinen Wert mit dem Buchwert oder einem Zwischenwert anzusetzen. Nach dem 1 Einzige Ausnahme ist Zypern, bei dem das neue DBA 2011 die Anrechnungsmethode vorsieht. 2 Vgl. Stimpel/Dötsch in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 123 (Stand: September 2022). 3 Ropohl/Sonntag in H/H3, § 11 UmwStG Rz. 152. 4 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.32 i.V.m. 11.13. Kritisch dazu Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (455). 5 Mutscher, IStR 2010, 820 (823 f.). 6 Eine Beteiligung von EWR-Gesellschaften reicht nicht, weil die FRL dort keine Anwendung findet. 7 Siehe auch Stimpel/Dötsch in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 123 (Stand: September 2022), die die Vorschrift nur in Fällen der Hinausverschmelzung für relevant erachten.

Beinert/Scheifele | 595

10.92

Kap. 10 Rz. 10.92 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

Wortlaut besteht dieses Wahlrecht auch für ausländische Wirtschaftsgüter1 (wenn man davon ausgeht, dass diese überhaupt in die steuerliche Schlussbilanz aufzunehmen sind) (Rz. 10.92 ff.). Eine umwandlungsbedingte Gewinnrealisierung nach ausländischem Steuerrecht schließt einen Buch- oder Zwischenwertansatz in der steuerlichen Schlussbilanz daher nicht aus.

10.93 Es stellt sich die Frage, ob das Wahlrecht für inländische und ausländische Wirtschaftsgüter einheitlich auszuüben ist oder ob unterschiedliche Wertansätze möglich sind. Mit Blick auf den Wortlaut des § 11 Abs. 2 UmwStG, der insoweit nicht unterscheidet („die übergehenden Wirtschaftsgüter“), ist wohl von einem Zwang zur einheitlichen Wahlrechtsausübung auszugehen.2 Dies führt dazu, dass für die inländischen Wirtschaftsgüter ein steuerneutraler Buchwertansatz nur möglich ist, wenn auch die ausländischen Wirtschaftsgüter – sofern sie in der steuerlichen Schlussbilanz auszuweisen sind – zu Buchwerten angesetzt werden. In Fällen der Hereinumwandlung, bei denen Wirtschaftsgüter erstmalig in Deutschland steuerverstrickt werden, können aber u.E. in Bezug auf diese Wirtschaftsgüter die gemeinen Werte angesetzt werden (Rz. 10.303 ff.). 10.94 Durch eine Vorab-Veräußerung können bei einzelnen Wirtschaftsgütern gezielt stille Reserven aufgedeckt werden; ein Gestaltungsmissbrauch liegt darin nicht.3 10.95 Sicherstellung Körperschaftbesteuerung. Voraussetzung für den Ansatz von Buchoder Zwischenwerten ist unter anderem, dass hinsichtlich der übertragenen Wirtschaftsgüter sichergestellt ist, dass diese später bei der übernehmenden Gesellschaft der Besteuerung mit Körperschaftsteuer unterliegen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Diese Voraussetzung ist bei einer Inlandsumwandlung hinsichtlich der inländischen, aber (auch) hinsichtlich der ausländischen Wirtschaftsgüter erfüllt. Zwar ist das ausländische Vermögen ggf. abkommensrechtlich von der Besteuerung mit deutscher Körperschaftsteuer ausgenommen. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG setzt aber nicht die Besteuerung mit deutscher Körperschaftsteuer voraus. Es reicht, wenn die Wirtschaftsgüter nach der Umwandlung einer mit der inländischen Körperschaftsteuer vergleichbaren ausländischen Steuer unterliegen.4 10.96 Deutsches Besteuerungsrecht. Weiter darf das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich eines Gewinns aus der Veräußerung der übergehenden Wirtschaftsgüter bei der übernehmenden Gesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden (§ 11 1 Rödder in R/H/vL3, 2019, § 11 UmwStG Rz. 359; Ropohl/Sonntag in H/H3, § 11 UmwStG Rz. 236. 2 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.05 und 11.06 i.V.m. 03.13. Ebenso Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 148 (Stand: Januar 2020); Schmitt in S/H9, § 11 UmwStG Rz. 70; Stimpel/ Dötsch in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 39, 51 „Ausl Vermögen“, 53 (Stand: September 2022); Ropohl/Sonntag in H/H3, § 11 UmwStG Rz. 237; Pohl, IWB 2012, 177 (184 f.). A.A. Schaflitzl/Widmayer, BB-Special 8/2006, 36 (42, 45). 3 So auch Demuth, KÖSDI 2012, 17784 (17788). 4 BT-Drucks. 16/2710, 37; UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/ 10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.17 a.E. i.V.m. 11.07.

596 | Beinert/Scheifele

D. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug | Rz. 10.97 Kap. 10

Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG). In Anbetracht der Aufgabe der finalen Entnahmetheorie durch den BFH stellt sich die Frage, ob diese umwandlungssteuerrechtliche Entstrickungsregelung noch praktische Relevanz hat oder ins Leere läuft (Rz. 10.250 ff.). Für Fälle der Inlandsumwandlung ist diese Frage aber ohne Belang, da hier die Voraussetzung des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG in jedem Fall für das gesamte Vermögen erfüllt ist.1 – Am deutschen Besteuerungsrecht für die inländischen Wirtschaftsgüter ändert sich nichts, weil dieses bei der (ebenfalls) unbeschränkt steuerpflichtigen übernehmenden Gesellschaft im gleichen Maße fortbesteht.2 Da bei der übernehmenden Gesellschaft weiterhin dieselben DBA-Bestimmungen anzuwenden sind, ändert sich auch in DBA-Fällen der abkommensrechtliche Status der Wirtschaftsgüter nicht. – Am deutschen Besteuerungsrecht für die ausländischen Wirtschaftsgüter ändert sich nichts, weil ein Ausschluss oder eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts nur in Betracht kommt, wenn ein solches schon vor der Umwandlung bestanden hat.3 Bei ausländischen Wirtschaftsgütern der übertragenden Gesellschaft kann es aber nicht zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG kommen, weil definitionsgemäß kein deutsches Besteuerungsrecht besteht, das ausgeschlossen oder beschränkt werden könnte. Sonderfälle. Auf zwei Sonderfälle, die im Schrifttum diskutiert werden, ist hinzuweisen: – Zu einem Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts kann es kommen, wenn eine Betriebsstätte der übertragenden Gesellschaft betroffen ist, die in einem DBA-Staat mit Freistellungsmethode unter Anwendung des § 50d Abs. 9 EStG oder § 20 Abs. 2 AStG liegt. Entfällt die Anwendung des § 50d Abs. 9 EStG oder § 20 Abs. 2 AStG, kommt es zur Entstrickung.4 U.E. ist dies aber keine Fallgruppe einer umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickung zum Zeitpunkt des steuerlichen Übertragungsstichtags. Zu diesem Zeitpunkt ist aus der passiven noch keine aktive Betriebsstätte geworden. Dies ist lediglich durch nachträgliche organisatorische 1 Stimpel/Dötsch in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 51 „Ausl Vermögen“, 66 (Stand: September 2022); Prinz, GmbHR 2020, 625 (628). 2 Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1077); Rödder in R/H/vL3, 2019, § 11 UmwStG Rz. 276; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.48; Schlösser/ Reichl/Rapp in S/B/B5, § 11 Rz. 261; Schmitt in S/H9, § 11 UmwStG Rz. 110; Ropohl/Sonntag in H/H3, § 11 UmwStG Rz. 306. 3 BT-Drucks. 16/2710, 38; UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/ 10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.19 i.V.m. 11.09; Rödder in R/H/vL3, 2019, § 11 UmwStG Rz. 277 f.; Schmitt in S/H9, § 11 UmwStG Rz. 110; Stimpel/Dötsch in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 51 „Ausl Vermögen“, Rz. 70 und 86 (Stand: September 2022); Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.48; Ropohl/Sonntag in H/H3, § 11 UmwStG Rz. 307. 4 Rödder in R/H/vL3, 2019, § 11 UmwStG Rz. 269, 278; vgl. auch Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.54.

Beinert/Scheifele | 597

10.97

Kap. 10 Rz. 10.97 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

Maßnahmen möglich (z.B. durch eine Zusammenlegung). Der Umwandlung nachgelagerte Zuordnungsakte sind aber nicht für die Beurteilung eines Ausschlusses deutschen Besteuerungsrechts i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG einzubeziehen; sie werden vielmehr von den allgemeinen Entstrickungsregelungen (hier § 12 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4g EStG) erfasst (Rz. 10.254 ff.). – U.E. ebenfalls kein Entstrickungsfall i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG ist in folgender im Schrifttum1 besprochener Konstellation einer Verschmelzung zweier inländischer Gesellschaften gegeben: Die übertragende A-GmbH unterhält in Österreich ein Auslieferungslager, das nicht als Betriebsstätte im Sinne des DBA Österreich qualifiziert (Art. 5 Abs. 4 Buchst. a). Das Besteuerungsrecht für Gewinne aus der Veräußerung liegt damit bei Deutschland (Art. 13 Abs. 5). Im Zuge der Verschmelzung werden die Wirtschaftsgüter des Auslieferungslagers in die ebenfalls in Österreich belegene Produktionsbetriebsstätte der übernehmenden BGmbH überführt, sodass das Besteuerungsrecht hinsichtlich eines Gewinns aus der Veräußerung künftig bei Österreich liegt (Art. 13 Abs. 3). Hier ändert sich der abkommensrechtliche Status der übergehenden Wirtschaftsgüter nicht anlässlich („passive“ Entstrickung), sondern durch bei Gelegenheit der Umwandlung durchgeführte Maßnahmen („aktive“ Entstrickung). Auf diesen Fall finden allein die allgemeinen Entstrickungsregelungen (hier § 12 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4g EStG) Anwendung (Rz. 10.254 ff.). dd) Berücksichtigung ausländischer Steuern

10.98 Anrechnung. Sieht das ausländische Steuerrecht die Inlandsumwandlung im Hinblick auf die ausländischen Wirtschaftsgüter als Realisationstatbestand an und entstehen dadurch tatsächlich ausländische Steuern (zur Anrechnung fiktiver ausländischer Steuern, Rz. 10.99 f.), stellt sich die Frage nach der Anrechenbarkeit der ausländischen Steuern auf die deutsche Körperschaftsteuer der übertragenden Gesellschaft. Aufgrund der unbeschränkten Steuerpflicht der übertragenden Gesellschaft kommt eine Anrechnung nach § 26 KStG i.V.m. § 34c EStG grundsätzlich in Betracht.2 Eine Anrechnung scheidet allerdings aus, soweit die ausländische Steuer auf stille Reserven entfällt, die nach einem DBA von der deutschen Besteuerung auszunehmen sind (§ 26 Abs. 1 Nr. 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG). Das betrifft in der Regel unbewegliches Vermögen in einem anderen DBA-Staat sowie Vermögen in einer Freistellungsbetriebsstätte (Rz. 10.86). In den übrigen Fällen ist wie folgt zu unterscheiden: – Setzt die übertragende Gesellschaft die übergehenden Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz nach § 11 Abs. 2 UmwStG mit den Buchwerten an, ist die ausländische Steuer mangels inländischer Einkünfte nicht anrechenbar.3

1 Ropohl/Sonntag in H/H3, § 11 UmwStG Rz. 309 f. 2 BT-Drucks. 16/2710, 38. 3 Schmitt in S/H9, § 11 UmwStG Rz. 111; Stimpel/Dötsch in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 83 (Stand: September 2022).

598 | Beinert/Scheifele

D. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug | Rz. 10.100 Kap. 10

– Entsteht durch Ansatz des gemeinen Werts oder von Zwischenwerten ein in Deutschland steuerpflichtiger Übertragungsgewinn, so ist die ausländische Steuer anrechenbar, da sie auf (auch) in Deutschland besteuerte stille Reserven entfällt.1 Das gilt insbesondere für Wirtschaftsgüter in – Nicht-DBA-Betriebsstätten, – Anrechnungsbetriebsstätten, – Freistellungsbetriebsstätten, bei denen die Freistellungsmethode aufgrund einer abkommensrechtlichen oder innerstaatlichen Sonderregelung (z.B. Aktivitätsvorbehalt, Subject-to-tax-Klausel oder Treaty-override-Vorschriften) ausnahmsweise keine Anwendung findet (Rz. 10.88), sowie – für Anteile an ausländischen Gesellschaften, wenn die stillen Reserven abweichend von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA auch im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft besteuert werden dürfen (Rz. 10.88). Lösung zu Beispiel 10: Gewinne aus der Veräußerung des Betriebsstättenvermögens in Frankreich sind von der Besteuerung in Deutschland auszunehmen (Art. 4 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 sowie Art. 20 Abs. 1 Buchst. a DBA Frankreich). Mangels Relevanz für inländische Besteuerungszwecke ist das Vermögen der französischen Betriebsstätte u.E. nicht zwingend in die steuerliche Schlussbilanz i.S.v. § 11 UmwStG aufzunehmen (Rz. 10.91 ff.). Eine etwaige französische Steuer, die auf die Vermögensübertragung anfällt, ist auf einen deutschen Übertragungsgewinn nicht anrechenbar (Rz. 10.99).

Gewinne aus der Veräußerung des Vermögens der passiven Betriebsstätte in Großbritannien können dagegen in Deutschland unter Anrechnung der Steuern in Großbritannien besteuert werden (Art. 13 Abs. 3 i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Buchst. c DBA Großbritannien). Entsprechendes gilt für den Gewinn aus der Veräußerung der Beteiligung an der tschechischen s.r.o.; dieser kann in Deutschland unter Anrechnung der tschechischen Steuer besteuert werden (Art. 13 Abs. 3 i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Nr. 3 DBA Tschechien). Diese Wirtschaftsgüter sind im steuerrechtlichen Sinn inländisch und daher in die steuerliche Schlussbilanz der A-GmbH aufzunehmen. Da auf die übernehmende B-GmbH dieselben DBA-Bestimmungen wie auf die übertragende AGmbH Anwendung finden, bleibt das deutsche Besteuerungsrecht an diesen Wirtschaftsgütern unverändert bestehen. Einem Ansatz zum Buch- oder Zwischenwert dieser Wirtschaftsgüter steht § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG nicht entgegen.

10.99

ee) Nachversteuerung abgezogener Verluste ausländischer Betriebsstätten Gehört zum Vermögen der übertragenden Gesellschaft eine ausländische Betriebsstätte in einem DBA-Staat mit Freistellungsmethode, kommt es zur Nachversteuerung abgezogener und noch nicht ausgeglichener Verluste i.S.v. § 2a Abs. 3 EStG (§ 2a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 8 EStG a.F.).2 Die frühere Billigkeitsrege1 Vgl. Siegers in D/P/M, § 26 KStG Rz. 103 f. (Stand: Mai 2016). 2 Das betrifft nur noch Altfälle mit vor 1999 abgezogenen Verlusten (§ 52 Abs. 3 Satz 4 EStG).

Beinert/Scheifele | 599

10.100

Kap. 10 Rz. 10.100 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

lung, nach der eine Nachversteuerung bei der übernehmenden Gesellschaft zu erfolgen hatte, wurde ausweislich der Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf des SEStEG aufgehoben.1 d) Übernehmende Gesellschaft aa) Ansatz der übergehenden Wirtschaftsgüter

10.101 Bei der übernehmenden Gesellschaft ergeben sich keine Besonderheiten im Vergleich zu einer Inlandsumwandlung, bei der keine ausländischen Wirtschaftsgüter übergehen.2 Die übernehmende Gesellschaft setzt die auf sie übergehenden Wirtschaftsgüter mit dem steuerlichen Schlussbilanzwert der übertragenden Gesellschaft an (§ 12 Abs. 1 Satz 1 UmwStG, ggf. i.V.m. § 15 UmwStG). Das gilt auch für ausländische Wirtschaftsgüter, soweit diese in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Gesellschaft ausgewiesen werden (Rz. 10.92 ff.). Die Frage, ob ein Zwang zur Wertverknüpfung auch hinsichtlich solcher Wirtschaftsgüter besteht, die anlässlich der Umwandlung erstmals in Deutschland steuerverstrickt werden, stellt sich im Zusammenhang mit Inlandsumwandlungen nicht. Da anlässlich von Inlandsumwandlungen kein deutsches Besteuerungsrecht an ausländischen Wirtschaftsgütern begründet wird, kommt es auf das Verhältnis von § 12 Abs. 1 Satz 1 UmwStG zu den Verstrickungsregelungen der §§ 4 Abs. 1 Satz 8, 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG nicht an. Anders kann dies im Fall der Hereinumwandlung sein (Rz. 10.302). bb) Übernahmegewinn/-verlust

10.102 Soweit in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Gesellschaft ausländische Wirtschaftsgüter ausgewiesen werden (Rz. 10.92 ff.), sind diese in die Ermittlung des Übernahmegewinns oder -verlusts i.S.v. § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG einzubeziehen. Soweit die übernehmende Gesellschaft an der übertragenden Gesellschaft beteiligt ist (Aufwärtsverschmelzung), findet auf einen Übernahmegewinn § 8b KStG Anwendung (§ 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Das heißt, dass grundsätzlich 5 % des Übernahmegewinns (in dem Umfang, in dem die übernehmende Muttergesellschaft an der übertragenden Tochtergesellschaft beteiligt ist)3 bei der übernehmenden Muttergesellschaft als nicht abziehbare Betriebsausgaben besteuert werden (§ 8b Abs. 3 Satz 1 KStG).4 In Fällen des § 8b Abs. 4 KStG a.F. (einbringungsgeborene Anteile) sowie § 8b Abs. 7 und 8 KStG droht sogar eine volle Steuerpflicht des Übertragungsgewinns.5 1 BT-Drucks. 16/2710, 38. Vgl. Schönher/Krieger in H/H3, § 3 UmwStG Rz. 83. 2 Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 216 (Stand: Januar 2020). 3 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 12.06. 4 Darin liegt möglicherweise ein Verstoß gegen Art. 7 FRL, der allerdings bei Inlandsumwandlungen nicht einschlägig sein dürfte. Siehe u.a. Körner, IStR 2006, 469 (479); Wisniewski in H/M/B5, § 12 UmwStG Rz. 58. A.A. Stimpel/Dötsch in D/P/M, § 12 UmwStG Rz. 60 (Stand: März 2021). 5 Strittig, siehe Stimpel/Dötsch in D/P/M, § 12 UmwStG Rz. 62 f. (Stand: März 2021) m.w.N.

600 | Beinert/Scheifele

D. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug | Rz. 10.105 Kap. 10

e) Anteilseigner Für die Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft ergeben sich im Vergleich zu einer „normalen“ Inlandsumwandlung, bei der keine ausländischen Wirtschaftsgüter übergehen, keine Besonderheiten, weshalb auf eine Darstellung der Rechtsfolgen verzichtet wird.

10.103

IV. Außerhalb des Anwendungsbereichs des UmwStG 1. Beispiel Beispiel 12: Die nach englischem Recht gegründete A-Ltd. soll auf die nach englischem Recht gegründete B-Ltd. verschmolzen werden. Beide Gesellschaften haben ihren Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) in Deutschland und sind damit unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG).1 Es wird unterstellt, dass der Anwendungsbereich des UmwStG nicht eröffnet ist, weil die Verschmelzung nach englischem Recht nicht alle Strukturmerkmale einer Verschmelzung i.S.v. § 2 UmwG erfüllt und damit nicht vergleichbar i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG ist (Rz. 10.30 ff.).

10.104

2. Rechtsnatur Fallen ausländische Umwandlungen mangels Vergleichbarkeit nicht in den Anwendungsbereich des UmwStG, sind stille Reserven in den übergehenden (ggf. im Inland steuerverhafteten) Wirtschaftsgütern aufzudecken und zu versteuern. Auch auf Ebe1 Beispiel nach UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.22.

Beinert/Scheifele | 601

10.105

Kap. 10 Rz. 10.105 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

ne der Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers ist der Vorgang nicht steuerneutral.1 Im Einzelnen ist die dogmatische Behandlung von Umwandlungen, die nicht in den Anwendungsbereich des UmwStG fallen, aber noch nicht grundlegend geklärt. Im Wesentlichen werden hierzu folgende Auffassungen vertreten:2 – Veräußerung (Tausch, tauschähnlicher Vorgang). Im Hinblick auf Verschmelzungen hat der BFH entschieden, dass es sich auf Ebene der übertragenden und übernehmenden Gesellschaft um Veräußerungs- und Anschaffungsvorgänge hinsichtlich des übertragenen Vermögens3 und auf Ebene der Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft um Veräußerungs- und Anschaffungsvorgänge hinsichtlich der Anteile zum gemeinen Wert handelt4. Die Finanzverwaltung hat sich dieser Sichtweise im UmwSt-Erlass 2011 angeschlossen und erstreckt sie ganz allgemein auf jegliche Form der Umwandlung und Einbringung.5 – Sachausschüttung (mit anschließender Einlage). Im Zusammenhang mit einer Abspaltung (§ 123 Abs. 2 UmwG), bei der die Teilbetriebsvoraussetzung des § 15 UmwStG 1995 nicht erfüllt war, entschied der I. Senat des BFH, dass die abgespaltenen Wirtschaftsgüter im Wege einer Sachausschüttung (vGA) von der übertragenden Gesellschaft auf deren Anteilseigner übergehen und die Anteilseigner die (fiktiv erlangten) Wirtschaftsgüter dann gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in die übernehmende Gesellschaft einlegen. Infolge der Sachausschüttung sind die stillen Reserven der übergehenden Wirtschaftsgüter aufzudecken (Ansatz zum gemeinen Wert, § 9 BewG).6 Diese Auffassung entspricht der früheren Sichtweise der Finanzverwaltung im UmwSt-Erlass 1998 zu Abspaltungen in Nicht-Teilbetriebsfällen.7 Auch bei den im Rahmen eines „spin off“ US-amerikanischen Rechts an die Anteilseigner gewährten Anteilen geht der VIII. Senat des BFH von einer Sachausschüttung und damit dem Grunde nach von Bezügen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG aus.8 – Liquidationsähnlicher Vorgang (mit anschließender Einlage). In Fällen, in denen die Umwandlung zur Auflösung der übertragenden Gesellschaft führt (wie dies nach deutschem Verständnis bei einer Verschmelzung oder Aufspaltung der Fall ist), wird vertreten, dass der Vorgang aus steuerrechtlicher Sicht wie eine Liquidation der übertragenden Gesellschaft mit anschließender Einlage der Wirt1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. Loose in Brandis/Heuermann, UmwStG § 1 Rz. 41 (Stand: Aug. 2022). Vgl. Becker/Loose, IStR 2010, 383 (385); Schnitger/Rometzki, FR 2006, 845 ff. BFH v. 15.10.1997 – I R 22/96, BStBl. II 1998, 168. BFH v. 19.8.2008 – IX R 71/07, BStBl. II 2009, 13; UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 00.03. UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 00.02. Kritisch dazu Hageböke, Ubg 2011, 689 ff.: Keine Veräußerung, wenn im Rahmen der Umwandlung keine Gesellschaftsrechte gewährt werden. BFH v. 7.4.2010 – I R 96/08, BStBl. II 2011, 467. Kritisch dazu Benecke/Staats, FR 2010, 893 (895 f.). UmwSt-Erlass 1998 – BMF v. 25.3.1998 – IV B 7 - S 1978 - 21/98, BStBl. I 1998, 268 Rz. 15.11. Siehe zu Drittstaatenabspaltungen auch Holle/Keilhoff, IStR 2017, 245 ff. BFH v. 1.7.2021 – VIII R 9/19, BStBl. II 2022, 359; v. 1.7.2021 – VIII R 15/20, BStBl. II 2022, 363; v. 19.10.2021 – VIII R 7/20, BStBl. II 2022, 366.

602 | Beinert/Scheifele

D. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug | Rz. 10.108 Kap. 10

schaftsgüter in die übernehmende Gesellschaft zu behandeln ist.1 Das entspricht der Sichtweise der Finanzverwaltung im UmwSt-Erlass 1998 zu Aufspaltungen in Nicht-Teilbetriebsfällen.2 Im Schrifttum wird vereinzelt auch in Fällen der Abspaltung im Hinblick auf das abgespaltene Vermögen von einer (Teil-)Schlussbesteuerung i.S.v. § 11 KStG ausgegangen, weil die Abspaltung insoweit liquidationsähnlich sei.3 Die Rechtsnatur von Umwandlungen außerhalb des Anwendungsbereichs des UmwStG ist nicht nur von dogmatischem Interesse. Je nachdem, welcher Auffassung man folgt, sind die Unterschiede in den Steuerfolgen zum Teil erheblich. Dies gilt insbesondere für die Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft. Behandelt man die Umwandlung etwa als Veräußerung, kann sich dies z.B. auf Sperrfristen (z.B. § 22 UmwStG oder § 15 Abs. 2 Sätze 3 und 4 UmwStG) auswirken .4 Geht man von einer Sachausschüttung aus, stellt sich die Frage, ob das materielle Korrespondenzprinzip Anwendung findet (§ 8b Abs. 1 Satz 2 KStG, § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d Satz 2 EStG, § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG) (Rz. 10.132).5

10.106

Stellungnahme. U.E. lässt sich die Frage nach der Rechtsnatur nicht pauschal beantworten. Geboten ist vielmehr eine Einzelfallbetrachtung, die die Besonderheiten des Umwandlungsvorgangs nach dem jeweils einschlägigen (ausländischen) Zivilrecht berücksichtigt. So hat der I. Senat des BFH6 für die errichtende Umwandlung einer österreichischen Gesellschaft in eine österreichische Personengesellschaft für den wesentlich beteiligten Anteilseigner entschieden, dass sich die Besteuerungsfolgen jedenfalls dann nach § 17 Abs. 4 EStG richten sollen, wenn das maßgebende ausländische Gesellschaftsrecht in der Umwandlung eine Auflösung sieht.

10.107

3. Übertragende Gesellschaft a) Gewinnrealisierung Mangels Anwendbarkeit des Bewertungswahlrechts des § 11 Abs. 2 UmwStG führt die Umwandlung auf Ebene der übertragenden Gesellschaft zwingend zur Aufdeckung der stillen Reserven in den übergehenden inländischen Wirtschaftsgütern (einschließlich eines Geschäfts- oder Firmenwerts) zum gemeinen Wert (§ 9 BewG).7 Dies gilt unabhängig davon, wie die Umwandlung ihrer Rechtsnatur nach einzuordnen ist, ob also als Veräußerung, als Sachausschüttung oder als liquidationsähnlicher

1 Ritzer in R/H/vL3, 2019, Anh. 6 Rz. 64; Schießl in W/M, § 15 UmwStG Rz. 3.5 (Stand: Juli 2018). 2 UmwSt-Erlass 1998 – BMF v. 25.3.1998 – IV B 7 - S 1978 - 21/98, BStBl. I 1998, 268 Rz. 15.11. 3 Klingberg/van Lishaut, FR 1999, 1209 (1216 ff.). 4 Hageböke, Ubg 2011, 689. 5 Beinert/Benecke, FR 2010, 1120 (1129). 6 BFH v. 22.2.1989 – I R 11/85, BStBl. II 1989, 794. 7 Soweit der Übertragungsgewinn auf ausländische Wirtschaftsgüter entfällt, ist er von der Besteuerung in Deutschland auszunehmen (Rz. 10.97).

Beinert/Scheifele | 603

10.108

Kap. 10 Rz. 10.108 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

Vorgang.1 Im Falle einer Veräußerung (Tausch) ergibt sich der Zwang zur Gewinnrealisierung aus § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG, bei Sachausschüttungen aus § 8 Abs. 3 Satz 1 oder 2 KStG2 und im Falle der Liquidation aus § 11 KStG (analog).3 Der „Übertragungsgewinn“ ist nach allgemeinen Grundsätzen zu besteuern.4 Er unterliegt der Körperschaftsteuer (zzgl. SolZ) und der Gewerbesteuer.5 Gewerbesteuer fällt jedoch nicht an, soweit der Übertragungsgewinn auf das Vermögen einer ausländischen Betriebsstätte in einem Nicht-DBA-Staat oder einem DBA-Staat mit Anrechnungsmethode entfällt (§ 9 Nr. 3 GewStG). Der Übertragungsgewinn kann mit etwaigen Verlustvorträgen der übertragenden Gesellschaft (die ansonsten wegfallen) verrechnet werden.

10.109 Selbst wenn der steuerliche Übertragungsstichtag vor dem 1.1.2022 liegt (vgl. § 34 Abs. 6d Satz 2 KStG), kommt auch keine steuerneutrale Übertragung der Wirtschaftsgüter nach § 12 Abs. 2 Satz 1 KStG i.d.F. vor dem KöMoG in Betracht. Zum einen gilt die Vorschrift nur für Vorgänge, die einer Verschmelzung i.S.v. § 2 UmwG vergleichbar sind, woran es hier gerade fehlt. Zum anderen gilt sie nur für beschränkt steuerpflichtige Gesellschaften, während an den – an dieser Stelle untersuchten – inländischen Umwandlungen unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschaften beteiligt sind. 10.110 Stellungnahme. Aus Wertungssicht erscheint es bedenklich, dass bei einer Umwandlung zwischen unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaften stille Reserven steuerwirksam aufzulösen sind, obwohl das deutsche Besteuerungsrecht an den übergehenden Wirtschaftsgütern nicht verloren geht. Man mag dies angesichts der fehlenden Vergleichbarkeit mit Umwandlungen im Sinne des UmwG für gerechtfertigt halten. Andererseits zeigt sich gerade daran, dass bei der Vergleichbarkeitsprüfung im Rahmen von § 1 UmwStG nicht zu formalistisch vorgegangen werden darf und im Zweifel ein großzügiger Maßstab anzulegen ist. Entscheidend sollten weniger die Details der rechtstechnischen Abwicklung der ausländischen Umwandlung sein (also z.B., ob diese mit oder ohne Liquidation oder im Wege der Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge erfolgt), sondern vielmehr, ob die ausländische Umwandlung in ihrem wirtschaftlichen Ergebnis mit einer Umwandlung deutschen Rechts vergleichbar ist.6 Im Einzelfall sollte außerdem erwogen werden, eine Buchwertfortführung wenigstens im Billigkeitswege zuzulassen.7

1 Rödder in R/H/vL3, Einführung Rz. 185 und § 11 UmwStG Rz. 9. Siehe auch Schießl in W/ M, § 15 UmwStG Rz. 134 (Stand: Januar 2014). 2 Pung in D/P/M, § 8b KStG Rz. 178 (Stand: Juni 2021); Benecke/Staats, FR 2010, 893 (895). 3 § 11 KStG wäre nur direkt anwendbar, wenn es zu einer Abwicklung käme; vgl. Rödder in R/H/vL3, 2019, § 11 UmwStG Rz. 9. 4 Gehören zum übergehenden Vermögen z.B. Anteile an einer Gesellschaft, ist der darauf entfallende Gewinn effektiv zu 95 % steuerfrei nach § 8b Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 KStG; BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a – 7/03, BStBl. I 2003, 292 Rz. 22. 5 H 7.1 (4) „Veräußerung eines Betriebs“ GewStR 2009. 6 Im Ergebnis ebenso Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 220 (Stand: Januar 2020). 7 Insoweit zurückhaltend aber Klingberg/van Lishaut, FR 1999, 1209 (1210, 1216).

604 | Beinert/Scheifele

D. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug | Rz. 10.114 Kap. 10 Lösung zu Beispiel 12: Unabhängig von der Rechtsnatur (Veräußerung, Sachausschüttung, liquidationsähnlicher Vorgang) führt die Verschmelzung bei der A-Ltd. mangels Vergleichbarkeit mit einer Umwandlung i.S.v. § 2 UmwG zwangsläufig zur Aufdeckung und Besteuerung der stillen Reserven in den inländischen Wirtschaftsgütern.

b) Berücksichtigung ausländischer Steuer Eine auf den Übertragungsgewinn anfallende ausländische Steuer ist auf die deutsche Körperschaftsteuer der übertragenden Gesellschaft nach allgemeinen Grundsätzen anrechenbar (§ 26 KStG i.V.m. § 34c EStG).

10.111

4. Übernehmende Gesellschaft a) Zugangsbewertung Sieht man in der Umwandlung auf Ebene der übernehmenden Gesellschaft ein Anschaffungsgeschäft (Rz. 10.114), so sind die übergehenden Wirtschaftsgüter bei der übernehmenden Gesellschaft mit ihren Anschaffungskosten anzusetzen. Die Anschaffungskosten bemessen sich nach dem gemeinen Wert (§ 9 BewG) der hingegebenen Anteile (§ 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG).

10.112

Behandelt man die Umwandlung als Sachausschüttung oder Liquidationsauskehrung des übergehenden Vermögens auf die Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft, die dieses dann in die übernehmende Gesellschaft einlegen (Rz. 10.114), gelten für die Bewertung bei der übernehmenden Gesellschaft die auf Einlagen in Körperschaften anzuwendenden Grundsätze. Werden den Anteilseignern im Rahmen der Umwandlung Anteile an der übernehmenden Gesellschaft gewährt, bemessen sich die Anschaffungskosten der erworbenen Wirtschaftsgüter nach dem gemeinen Wert der hingegebenen Anteile (§ 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG). Das gilt auch in Fällen einer Überpari-Emission.1 Werden keine Anteile ausgegeben (wie es etwa bei Aufwärts-, Abwärts- oder Seitwärtsverschmelzungen der Fall sein kann), ist das übergehende Vermögen grundsätzlich mit dem Teilwert anzusetzen (§ 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbs. 1 EStG). Soweit sie nicht in das Nennkapital geleistet wird, ist die Einlage bei unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften als Zugang zum steuerlichen Einlagekonto zu erfassen (§ 27 Abs. 1 Satz 1 KStG).

10.113

b) Übernahmeergebnis In Fällen der Aufwärtsumwandlung stellt sich die Frage nach den steuerlichen Folgen für die Anteile, die die übernehmende Muttergesellschaft an der übertragenden Tochtergesellschaft hält. Da § 12 Abs. 2 UmwStG nicht anwendbar ist, ist der Vorgang nach allgemeinen Grundsätzen als Tausch der zum gemeinen Wert übergehenden Wirtschaftsgüter gegen die untergehenden (oder sich wertmindernden) Anteile an

1 BFH v. 24.4.2007 – I R 35/05, BStBl. II 2008, 253.

Beinert/Scheifele | 605

10.114

Kap. 10 Rz. 10.114 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

der Tochtergesellschaft zu werten. Auf einen sich daraus ergebenden „Übernahmegewinn oder -verlust“ ist § 8b KStG anzuwenden.1 c) Keine Rechtsnachfolge

10.115 Die übernehmende Gesellschaft tritt nicht in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Gesellschaft ein. § 12 Abs. 3 UmwStG findet keine Anwendung. Verlustvorträge (§ 10d EStG) oder Zinsvorträge (§ 4h EStG) der übertragenden Gesellschaft werden nicht übernommen. 5. Inländische Anteilseigner a) Rechtsgrundlagen

10.116 Die steuerlichen Folgen der Umwandlung für die Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft richten sich mangels Anwendbarkeit des UmwStG nicht nach § 13 UmwStG (ggf. i.V.m. § 15 UmwStG). Aus der Nichtanwendbarkeit des § 13 UmwStG folgt, dass die Anteile grundsätzlich mit ihrem gemeinen Wert (§ 9 BewG) gewinnrealisierend zu erfassen sind. Fraglich ist allerdings, wie dieser Bezug beim Anteilseigner steuerrechtlich zu behandeln ist. Das hängt von der Rechtsnatur der Umwandlung und damit von der Frage ab, ob es sich um einen Veräußerungsgewinn, eine Sachausschüttung oder eine Liquidationsauskehrung handelt (Rz. 10.114).

10.117 Für Kleingesellschafter, also solche, die eine nicht wesentliche Beteiligung im Privatvermögen halten, stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit des § 20 Abs. 4a EStG (Rz. 10.137 ff.). b) Veräußerung (Tausch, tauschähnlicher Vorgang)

10.118 Behandelt man die Umwandlung aus Sicht des Anteilseigners als Veräußerung seiner Anteile (Anteilstausch), so ist ein etwaiger Gewinn nach allgemeinen Grundsätzen zu besteuern.2 Bei wesentlichen Beteiligungen im Privatvermögen (§ 17 EStG) sowie bei Anteilen im Betriebsvermögen sind 60 % des Veräußerungsgewinns steuerpflichtig (Teileinkünfteverfahren, § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a und c EStG). Entsprechendes gilt für Anteile im Betriebsvermögen einer Personengesellschaft, soweit an dieser eine natürliche Person als Mitunternehmer beteiligt ist. Handelt es sich beim Anteilseigner um eine Körperschaft, ist der Gewinn grundsätzlich effektiv (und untechnisch gesprochen) zu 95 % steuerbefreit (§ 8b Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 KStG). Allerdings erscheint zweifelhaft, ob tatsächlich von einer Veräußerung auf Ebene der Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers ausgegangen werden kann. Denn hinsichtlich dieser Anteile kommt es zu keinem Rechtsträgerwechsel. Auch § 13 Abs. 1 UmwStG („gelten“) fingiert eine Veräußerung lediglich.3 1 Vgl. Ritzer in R/H/vL3, 2019, Anh. 6 Rz. 46. 2 Vgl. Dötsch/Werner in D/P/M, § 13 UmwStG Rz. 1 (Stand: Februar 2020). 3 Holle/Keilhoff, IStR 2017, 245 (247).

606 | Beinert/Scheifele

D. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug | Rz. 10.121 Kap. 10

c) Sachausschüttung Geht man von einer Sachausschüttung auf die Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft aus, richtet sich die Besteuerung der Anteilseigner danach, ob es sich um eine Ausschüttung von Gewinnen (Einkunftssphäre) oder um eine Einlagenrückgewähr (Vermögenssphäre) handelt.1 Ob und inwieweit eine Einlagenrückgewähr vorliegt, bestimmt sich nach der Verwendungsreihenfolge des § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG.

10.119

Einlagenrückgewähr. Bei wesentlichen Beteiligungen im Privatvermögen wird die Einlagenrückgewähr zunächst steuerneutral mit den Anschaffungskosten der Beteiligung verrechnet; ein übersteigender Betrag ist als Veräußerungsgewinn zu besteuern (§ 17 Abs. 4 EStG). Bei Anteilen im Betriebsvermögen und bei Körperschaften als Anteilseigner wird die Einlagenrückgewähr ebenfalls zunächst mit dem Buchwert der Beteiligung verrechnet und ein übersteigender Betrag nach allgemeinen Grundsätzen als Veräußerungsgewinn besteuert. Anders als bei Drittstaatenumwandlungen von Körperschaften, die in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind (Rz. 10.214), stellt sich in der vorliegenden Konstellation einer Umwandlung beschränkt steuerpflichtiger Körperschaften das rechtspraktische Problem einer fehlenden Feststellung des Einlagekontos dabei normalerweise nicht.

10.120

Ausschüttung. Soweit keine Einlagenrückgewähr vorliegt, erzielen die Anteilseigner Einkünfte i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, die nach allgemeinen Grundsätzen zu besteuern sind. Da es sich nach Auffassung des BFH um Bezüge in Form einer vGA (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) handelt,2 setzt die Anwendung des Abgeltungsteuertarifs bzw. des Teileinkünfteverfahrens nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG oder § 8b Abs. 1 KStG voraus, dass die Ausschüttung das Einkommen der übertragenden Gesellschaft nicht gemindert hat (§ 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG, § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d Satz 2 EStG und § 8b Abs. 1 Satz 2 ff. KStG). Da die Umwandlung bei der übertragenden Gesellschaft zu einer Gewinnrealisierung führt (Rz. 10.117 ff.), liegt eine solche Minderung aber nicht vor. Beim Anteilseigner ist die Sachausschüttung mit dem gemeinen Wert (§ 9 BewG) des übertragenen Vermögens anzusetzen, weil das dem Ansatz bei der übertragenden Gesellschaft entspricht.3 Eine Verrechnung mit den Anschaffungskosten oder dem Buchwert der Beteiligung findet beim Anteilseigner

10.121

1 Damit eine Einlagenrückgewähr anerkannt wird, hat die übertragende Gesellschaft diese ihren Anteilseignern rechtzeitig zu bescheinigen (§ 27 Abs. 3 KStG); andernfalls gilt die Einlagenrückgewähr als mit 0 Euro bescheinigt (§ 27 Abs. 5 Satz 2 KStG). Das kann in der Praxis problematisch sein, wenn die übertragende Gesellschaft überhaupt nicht erkennt, dass die Umwandlung als Sachausschüttung zu behandeln ist. Aufgrund der ungeklärten Behandlung von Umwandlungen, die nicht in den Anwendungsbereich des UmwStG fallen, sind u.E. in Fällen „unerkannt“ gebliebener Sachausschüttungen Billigkeitsmaßnahmen in Betracht zu ziehen. 2 BFH v. 7.4.2010 – I R 96/08, BStBl. II 2011, 467. A.A. Becker/Loose, IStR 2010, 383 (386) und Käbisch/Bunzeck, IWB 2011, 392 (397): Offene Gewinnausschüttung, daher keine Anwendung von § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG. 3 BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292 Rz. 22.

Beinert/Scheifele | 607

Kap. 10 Rz. 10.121 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

nicht statt.1 Sind die Voraussetzungen des Schachtelprivilegs (§ 8 Nr. 5 i.V.m. § 9 Nr. 2a GewStG) nicht erfüllt, droht bei gewerbesteuerpflichtigen Anteilseignern eine erhebliche Steuerbelastung. Bei Kleingesellschaften bleibt die Ausschüttung aber steuerneutral, wenn der Vorgang unter § 20 Abs. 4a EStG subsumiert werden kann (Rz. 10.137 ff.).

10.122 Kapitalertragsteuer. Soweit die Sachausschüttung zu Einkünften i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG führt, unterliegen diese grundsätzlich dem Kapitalertragsteuerabzug in Höhe von 26.375 % (inkl. SolZ). Abzugsverpflichtet ist bei im Inland sammelverwahrten Aktien die inländische Zahlstelle (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a i.V.m. § 44 Abs. 1 Sätze 3 und 4 Nr. 1 Buchst. a EStG) und in den übrigen Fällen die übertragende Gesellschaft (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG). Die Kapitalertragsteuer entsteht mit dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Umwandlung, also in der Regel mit der Eintragung im maßgebenden Register.2 Der Steuerabzug setzt allerdings voraus, dass der Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft bzw. der Zahlstelle die zur Deckung der Kapitalertragsteuer erforderlichen Geldmittel zur Verfügung stellt (§ 44 Abs. 1 Sätze 7 ff. EStG). d) Liquidationsauskehrung

10.123 Sieht man in der Umwandlung einen liquidationsähnlichen Vorgang, entspricht die steuerliche Behandlung der Anteilseigner im Wesentlichen der bei der Sachausschüttung. Hier wie dort ist der – für Steuerzwecke fingierte – Vermögensübergang auf die Anteilseigner aufzuteilen in die Ausschüttung (thesaurierter) Gewinne (Einkunftssphäre) und die Rückgewähr von Einlagen (Vermögenssphäre). 10.124 Liquidationsauskehrungen, die aus der Rückzahlung von „echtem“ Nennkapital3 oder Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto (§ 27 KStG) bestehen, sind der Vermögenssphäre zuzurechnen. Ihre Behandlung entspricht der einer Einlagenrückgewähr im Fall einer Sachausschüttung (Rz. 10.131). 10.125 Soweit die Auskehrung nicht in der Rückzahlung von Nennkapital besteht und keine Leistung aus dem steuerlichen Einlagekonto (§ 27 KStG) darstellt, liegen ausschüttungsgleiche Bezüge i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG vor. Bei wesentlichen Beteiligungen im Privatvermögen unterliegen diese Einkünfte dem Abgeltungsteuertarif von 26.375 % (inkl. SolZ) (§ 32d Abs. 1 Satz 1 EStG). Bei Anteilen im Betriebsvermögen eines Einzelunternehmers oder einer Personengesellschaft (soweit an dieser natürliche Personen beteiligt sind) sind diese Bezüge nur zu 60 % steuerpflichtig (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. e EStG). Bei Körperschaften als Anteilseigner sind die Bezüge effektiv (und untechnisch gesprochen) grundsätzlich zu 95 % steuerfrei (§ 8b Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 KStG). Bei Kleingesellschaften bleibt die Auskehrung aber steuerneu1 Käbisch/Bunzeck, IWB 2011, 392 (396). 2 Vgl. Benecke/Schnitger, Ubg 2011, 1 (3). 3 Ausgenommen ist die Rückzahlung von Nennkapital, das aus Gewinnrücklagen gebildet wurde. Soweit dieser Teil des Nennkapitals zurückgezahlt wird, führt dies zu Einkünften nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG (§ 28 Abs. 2 Satz 2 KStG).

608 | Beinert/Scheifele

D. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug | Rz. 10.128 Kap. 10

tral, wenn der Vorgang unter § 20 Abs. 4a Satz 1 oder Satz 7 EStG subsumiert werden kann (Rz. 10.137 ff.). Soweit die Liquidationsauskehrung bei den Anteilseignern zu Einkünften i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG führt, unterliegen diese grundsätzlich dem Kapitalertragsteuerabzug in Höhe von 26.375 % (inkl. SolZ). Abzugsverpflichtet ist die übertragende Gesellschaft (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG). Im Übrigen gelten die Ausführungen zur Sachausschüttung entsprechend (Rz. 10.133).

10.126

e) Steuerneutralität für Kleingesellschafter (§ 20 Abs. 4a EStG) Für Kleingesellschafter bleibt die Umwandlung abweichend von den oben dargestellten Grundsätzen (Rz. 10.128 zur Veräußerung, Rz. 10.130 zur Sachausschüttung und Rz. 10.134 zur Liquidationsauskehrung) unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 4a Satz 1 oder Satz 7 EStG steuerneutral. Kleingesellschafter sind Anteilseigner, deren Anteile nicht Betriebsvermögen sind, die nicht wesentlich i.S.v. § 17 EStG beteiligt sind und die keine einbringungsgeborenen Anteile i.S.v. § 21 UmwStG a.F. halten (§ 20 Abs. 8 Satz 2 EStG). Bei Kleingesellschaftern sind die Anschaffungskosten der Anteile an der übertragenden Gesellschaft zwingend in den Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft fortzuführen (Fußstapfentheorie), ohne dass es eines Antrags bedarf. Im Unterschied zu § 13 UmwStG besteht für Kleingesellschafter kein Bewertungswahlrecht;1 eine gezielte Aufdeckung stiller Reserven zum gemeinen Wert (oder zu Zwischenwerten) ist daher nicht möglich.2

10.127

Erfasste Einkunftsarten. Anders als es der Wortlaut von § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG auf den ersten Blick suggeriert, ist die Vorschrift unabhängig davon anwendbar, ob die Einkünfte, die der Kleingesellschafter infolge der Umwandlung erzielt, als Veräußerungsgewinn i.S.v. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG oder als Ausschüttung oder Liquidationsauskehrung i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 EStG zu qualifizieren sind. Der Verweis auf § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG ist so zu verstehen, dass bei dem Tausch ein Anteil i.S.v. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG hingegeben werden muss, nicht aber, dass der Tausch in eine Einkünftekategorie i.S.v. § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG fallen muss. § 20 Abs. 4a EStG soll das Abgeltungsteuerverfahren für Steuerpflichtige und Steuerabzugsverpflichtete praktikabler machen, wenn aufgrund gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen Anteile getauscht werden.3 Umwandlungsvorgänge sind für die Abzugsverpflichteten (Kreditinstitute) oftmals schwierig zu bewerten, weil die Kapitalerträge in der Regel nicht als Geldzahlung, sondern in Form von Anteilen zufließen. Entsprechend dem Vereinfachungszweck der Vorschrift ist es geboten, ihren Anwendungsbereich mit der Reichweite der Abgeltungsteuer in Einklang zu bringen. Eine solche Auslegung lässt sich auch mit dem Wortlaut vereinbaren, da § 20 Abs. 4a EStG nicht auf eine bestimmte Art von Einkünften Bezug nimmt.4 Die Steuerneutralität besteht daher unabhängig von der Frage, wie man die Rechtsnatur einer Umwandlung, die

10.128

1 2 3 4

Dötsch/Werner in D/P/M, § 20 EStG Rz. 299 (Stand: August 2015). Eingehend zu den Rechtsfolgen Beinert, GmbHR 2012, 291 (295 f.). BT-Drucks. 16/10189, 50 und BT-Drucks. 16/11108, 16. Benecke/Schnitger, Ubg 2011, 1 (9); Beinert, GmbHR 2012, 291 (293, 297).

Beinert/Scheifele | 609

Kap. 10 Rz. 10.128 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

nicht in den Anwendungsbereich des UmwStG fällt, beurteilt. Dieses Verständnis der Wirkweise von § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG hat der BFH nunmehr auch bestätigt.1

10.129 Vergleichbarkeit mit deutscher Umwandlung. Tatbestandlich setzt § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG einen Tausch von Anteilen an Körperschaften voraus, der aufgrund gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen vollzogen wird, die von den beteiligten Unternehmen ausgehen. Fraglich ist, ob die Vorschrift nur Umwandlungsvorgänge im Sinne des UmwStG erfasst2 und damit auf Inlandsumwandlungen, die sich nach ausländischem Gesellschaftsrecht vollziehen und nicht mit den Umwandlungsformen des UmwG vergleichbar sind, keine Anwendung findet. Mit Blick auf den Regelungssinn der Vorschrift ist eine weite Auslegung der Vorschrift geboten.3 § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG erklärt die Vorschrift für entsprechend anwendbar, wenn Vermögen einer Körperschaft durch Abspaltung auf eine andere Körperschaft übergeht. Nach dem Wortlaut der beiden Vorschriften kommt es auf eine Vergleichbarkeit des betreffenden nichtdeutschen Vorgangs mit Verschmelzungen oder Spaltungen im Sinne des UmwG nicht an.4 Nach anderer Auffassung, die auf die Gesetzesmaterialien verweist,5 erfasst § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG dagegen nur Umwandlungen, die den „Vergleichbarkeitstest“ nach § 1 UmwStG bestehen.6 In diese Richtung scheinen auch die „spin off“-Urteile des BFH zu weisen, in denen der BFH jedenfalls zu „Abspaltungen“ i.S. des Satzes 7 des § 20 Abs. 4a EStG eine Vergleichbarkeit mit den wesentlichen Strukturmerkmalen von Abspaltungen i.S. von § 123 Abs. 2 UmwG voraussetzt, und zwar mit dem Argument, dass die im Hinblick auf die europäischen Grundfreiheiten gebotene Gleichbehandlung mit Inlandssachverhalten keinen weitergehenden Anwendungsbereich der Vorschrift erfordere.7 Ob entsprechende Anforderungen auch im Falle anderer Umwandlungsarten (insbesondere als Verschmelzungen oder Aufspaltungen) hinsichtlich einer Anwendbarkeit des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG zu stellen sind, ist allerdings noch nicht entschieden. 10.130 Voraussetzungen. Die Steuerneutralität nach § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG setzt voraus, dass (i) das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder be1 Nach Auffassung des BFH führt die Regelung des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG auch in den Fällen, in denen der Anteilseigner dem Grunde nach Einkünfte i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt (Sachausschüttung), dazu, dass der Vorgang nicht als isolierte Sachausschüttung zu behandeln und der Vorgang bei den Anteilseignern nicht zu besteuern ist (BFH v. 1.7.2021 – VIII R 9/19, BStBl. II 2022, 359). 2 In diese Richtung deutet der Bericht des Finanzausschusses v. 27.11.2008 zum Entwurf des JStG 2009 (BT-Drucks. 16/11108, 16). 3 Dötsch/Werner in D/P/M, § 20 EStG Rz. 297b (Stand: August 2015). 4 Dötsch/Werner in D/P/M, § 20 EStG Rz. 297b (Stand: August 2015); Benecke/Schnitger, Ubg 2011, 1 (10); Beinert, GmbHR 2012, 291 (294). 5 BT-Drucks- 16/11108, S. 16. 6 Z.B. Ratschow in Brandis/Heuermann, § 20 EStG Rz. 432; Bleschick in Kirchhof/Seer21, EStG, 2022, § 20 Rz. 160. 7 BFH v. 1.7.2021 – VIII R 9/19, BStBl. II 2022, 359; v. 1.7.2021 – VIII R 15/20, BStBl. II 2022, 363. Siehe auch BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 – S 2252/19/1003:009 (2022/0457871), BStBl. I 2022, 742.

610 | Beinert/Scheifele

D. Inländische Umwandlung mit Auslandsbezug | Rz. 10.133 Kap. 10

schränkt ist oder (ii) Art. 8 der FRL anzuwenden ist.1 Für die Zwecke des Kapitalertragsteuerabzugs wird davon ausgegangen, dass das Besteuerungsrecht Deutschlands hinsichtlich der erlangten Anteile nicht beschränkt oder ausgeschlossen ist.2 Diese behördlich angeordnete Fiktion der Nichtentstrickung dient der Administrierbarkeit des Steuerabzugs.3 Bei Inlandsumwandlungen ist auch außerhalb des Kapitalertragsteuerabzugs (d.h. für die materiell-rechtliche Besteuerung)4 davon auszugehen, dass das deutsche Besteuerungsrecht an einem Gewinn aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Der inländische Kleingesellschafter unterliegt auch mit den Gewinnen aus der Veräußerung der Anteile an der (inländischen) übernehmenden Gesellschaft der unbeschränkten Steuerpflicht. Darüber hinaus stellt § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG keine weiteren Anforderungen an die Steuerneutralität der Umwandlung für einen Kleingesellschafter. Insbesondere kommt es nicht auf die Steuerneutralität der Umwandlung auf Ebene der übertragenden Gesellschaft an.5

10.131

6. Ausländische Anteilseigner Ausländische Anteilseigner sind nur tangiert, wenn sie in Deutschland beschränkt steuerpflichtig sind. Wird die Umwandlung als Veräußerung (Tausch, tauschähnlicher Vorgang) behandelt, folgt daraus im Regelfall keine Besteuerung des ausländischen Anteilseigners, da die meisten DBA das Besteuerungsrecht ausschließlich dem Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners zuweisen (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Zu den Ausnahmen siehe oben (Rz. 10.71 ff.).

10.132

Wenn man in der Umwandlung eine Sachausschüttung sieht, sind die ausländischen Anteilseigner mit dem Dividendenanteil (Rz. 10.133) der Sachausschüttung in Deutschland beschränkt steuerpflichtig (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG). Die beschränkte Steuerpflicht ist mit dem Kapitalertragsteuerabzug abgegolten (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG, § 32 Abs. 1 KStG).6 Ist die MTR oder ein DBA anwendbar, kommt eine

10.133

1 Der Gesetzeswortlaut des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG ist hinsichtlich der Anwendung von Art. 8 FRL nur in Verschmelzungsfällen zu eng geraten. Da Art. 8 FRL auch die Fälle der Spaltung und des Anteilstauschs erfasst, ist im Wege der richtlinienkonformen Auslegung bei Spaltung und Anteilstausch die Erfolgsneutralität ebenfalls zu gewährleisten; vgl. Bron/ Seidel, DStZ 2009, 268 (271); Schießl in W/M, § 13 UmwStG Rz. 367 (Stand: Dezember 2018). 2 BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003:009 (2022/0457871), BStBl. I 2022, 742 Rz. 102. 3 Benecke/Schnitger, Ubg 2011, 1 (10). 4 Etwa dann, wenn es zu keinem Steuerabzug kommt, weil die Anteile nicht in einem inländischen Depot verwahrt werden. § 20 Abs. 4a EStG gilt u.E. auch, wenn es auf Antrag des Kleingesellschafters nach § 32d Abs. 6 EStG (Günstigerprüfung) zur Veranlagung kommt; Beinert, GmbHR 2012, 291 (292). A.A. Dötsch/Werner in D/P/M, § 20 EStG Rz. 295 (Stand: August 2015). 5 Vgl. Beinert/Benecke, FR 2010, 1120 (1131); Beinert, GmbHR 2012, 291 (293). 6 Keine Abgeltungswirkung, wenn die Anteile in einer inländischen Betriebsstätte gehalten werden (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG).

Beinert/Scheifele | 611

Kap. 10 Rz. 10.133 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

vollständige oder teilweise Entlastung von der Kapitalertragsteuer in Betracht, die bei einer Auslandsgesellschaft als Anteilseignerin allerdings nur gewährt wird, soweit diese die Substanzanforderungen des § 50d Abs. 3 EStG erfüllt. Ist der Anteilseigner eine EU-Muttergesellschaft im Sinne der MTR, stellt sich im Hinblick auf § 43b Abs. 1 Satz 4 EStG die Frage, ob Umwandlungen, die nicht in den Anwendungsbereich des UmwStG fallen, solche im Sinne der Vorschrift sind und damit eine Quellensteuerreduktion auf null ausschließen.1 Gesetzeshistorie2 und Ausnahmecharakter der Regelung sprechen u.E. für einen auf Umwandlungen im Sinne des UmwStG beschränkten Anwendungsbereich der Vorschrift.

10.134 Soweit die Sachausschüttung aus dem steuerlichen Einlagekonto finanziert wird, besteht in Ermangelung von Einkünften i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG keine beschränkte Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG. Übersteigt die Einlagenrückgewähr die Anschaffungskosten eines ausländischen Anteilseigners, der die Anteile in einer inländischen Betriebsstätte hält oder wesentlich beteiligt ist, unterliegt der übersteigende Betrag allerdings der beschränkten Steuerpflicht, weil darin eine Veräußerung zu sehen ist (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a oder Nr. 2 Buchst. e i.V.m. § 17 Abs. 4 EStG). Bei wesentlicher Beteiligung (ohne inländische Betriebsstätte) ist der entsprechende Gewinn jedoch nach den meisten DBA von der Besteuerung in Deutschland freizustellen (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA) (Rz. 10.72 f.), während Deutschland bei Vorliegen einer Betriebsstätte auch im DBA-Fall zur Besteuerung befugt ist (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA). Zur Frage, ob und inwieweit ein solcher Veräußerungsgewinn der Kapitalertragsteuer unterliegt, siehe die obigen Ausführungen (Rz. 10.77, Rz. 10.82). 10.135 Wird die Umwandlung als Liquidation behandelt, wird bei ausländischen Anteilseignern der Dividendenanteil (Rz. 10.136) der Liquidationsauskehrung grundsätzlich wie der Dividendenanteil bei einer Sachausschüttung behandelt (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG).3 Auf die obigen Ausführungen kann daher im Wesentlichen verwiesen werden (Rz. 10.147). Eine Reduktion der Kapitalertragsteuer auf null nach der MTR scheidet bei einer Liquidationsauskehrung allerdings aus, weil § 43b Abs. 1 Satz 1 EStG nur Kapitalerträge i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfasst.4 Soweit es zu einer Einlagenrückgewähr kommt, die die Anschaffungskosten übersteigt, ist der Gewinn bei ausländischen Anteilseignern, die ihre Anteile in einer inländischen Betriebsstätte halten oder wesentlich beteiligt sind, beschränkt steuerpflichtig (§ 49 Abs. 1 1 Abgesehen davon erscheint die Vereinbarkeit des § 43b Abs. 1 Satz 4 EStG mit der Richtlinie fraglich, da diese nur von Liquidation und nicht von Umwandlung spricht; vgl. Krohn/Greulich, DStR 2008, 646 (650); Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 173 (177). Angesichts der Unsicherheit könnte eine zeitlich vorgelagerte Vollausschüttung des Sachvermögens eine Gestaltungsoption sein. 2 Die Vorschrift wurde im Rahmen der Neufassung des UmwStG durch das SEStEG auf Empfehlung des Finanzausschusses in das Gesetz aufgenommen; siehe BT-Drucks. 16/ 3369, 6. 3 Liquidationsauskehrungen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG stellen abkommensrechtlich Dividenden i.S.v. Art. 10 OECD-MA dar; siehe Tischbirek/Specker in V/L7, Art. 10 OECD-MA Rz. 218. 4 Levedag in Schmidt41, § 43b EStG Rz. 5.

612 | Beinert/Scheifele

E. Ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug | Rz. 10.138 Kap. 10

Nr. 2 Buchst. a oder Nr. 2 Buchst. e i.V.m. § 17 Abs. 4 EStG). Auch insoweit kann auf die obigen Ausführungen zur Sachausschüttung verwiesen werden (Rz. 10.147).1

E. Ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug I. Begriff Ausländische Umwandlungen sind Umwandlungen, an denen sowohl als übertragende als auch als übernehmende Rechtsträger ausschließlich ausländische Gesellschaften beteiligt sind. Es handelt sich in der Regel um die Umwandlung von Gesellschaften, die nach ausländischem Gesellschaftsrecht gegründet wurden und ihren Satzungssitz im Ausland haben. In diesen Fällen vollzieht sich die Umwandlung nach ausländischem Gesellschaftsrecht. Es sind aber auch Fälle vorstellbar, in denen Gesellschaften deutscher Rechtsform (also mit Satzungssitz im Inland) ihren Ort der Geschäftsleitung im Ausland haben. Insoweit unterscheidet sich das Begriffsverständnis von der Terminologie des § 1 UmwStG. Zum Begriff Auslandsumwandlung s. Rz. 10.6 ff. In solchen Fällen unterliegt die Umwandlung zwar dem deutschen Gesellschaftsstatut (sprich UmwG), aus steuerrechtlicher Perspektive ist die Umwandlung aber ausländisch (Rz. 10.7, 10.12 und 10.15). Der Inlandsbezug ausländischer Umwandlungen ergibt sich daraus, dass

10.136

– an der (oder einer der) übertragenden Gesellschaft(en) inländische Anteilseigner beteiligt sind oder ausländische Anteilseigner, deren Anteile in Deutschland steuerverstrickt sind, oder – im Zuge der Umwandlung inländisches Vermögen übertragen wird. II. Rechtsgrundlagen Das UmwStG findet auch auf ausländische Verschmelzungen und Auf- oder Abspaltungen Anwendung, wenn diese nach Maßgabe des UmwG stattfinden oder mit Verschmelzungen und Auf- oder Abspaltungen im Sinne des UmwG vergleichbar sind. Bei fehlender Vergleichbarkeit mit inländischen Umwandlungen ist das UmwStG dagegen nicht anwendbar (Rz. 10.25 ff.). Daher ist zwischen Auslandsumwandlungen innerhalb (Rz. 10.152 ff.) und außerhalb des Anwendungsbereichs des UmwStG (Rz. 10.204 ff.) zu unterscheiden.

10.137

III. Im Anwendungsbereich des UmwStG 1. Anwendbarkeit der §§ 11 ff. bzw. § 15 UmwStG Wenn der Anwendungsbereich des UmwStG nach § 1 Abs. 1 UmwStG eröffnet ist, finden bei einer Verschmelzung grundsätzlich die §§ 11 bis 13 UmwStG und bei einer Auf- oder Abspaltung § 15 UmwStG Anwendung. Dies setzt allerdings bei Gesellschaften ausländischer Rechtsform voraus, dass sie nach einem Typenvergleich einer 1 Zur abkommensrechtlichen Behandlung des Veräußerungsanteils bei der Liquidation Reimer in V/L7, Art. 13 OECD-MA Rz. 195.

Beinert/Scheifele | 613

10.138

Kap. 10 Rz. 10.138 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

deutschen Kapitalgesellschaft entsprechen.1 Ist eine Gesellschaft nach ausländischem Recht als Kapitalgesellschaft, nach deutschem Steuerrecht aber als Personengesellschaft zu qualifizieren (hybride Gesellschaft), fällt die Umwandlung nicht unter die §§ 11 ff. UmwStG bzw. § 15 UmwStG, sondern unter die §§ 3 ff. UmwStG.2 2. Inlandsbezug durch im Inland steuerverstrickte Anteile a) Arten des Inlandsbezugs

10.139 Der Inlandsbezug kann sich daraus ergeben, dass die Anteile an der übertragenden (ausländischen) Gesellschaft in Deutschland steuerverstrickt sind. Bei inländischen (d.h. unbeschränkt steuerpflichtigen) Anteilseignern ist dies grundsätzlich der Fall. Das gilt auch dann, wenn das Besteuerungsrecht nach einem DBA – abweichend von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA – ausnahmsweise beim Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft liegt, weil Deutschland die Doppelbesteuerung in diesen Fällen üblicherweise nicht durch Freistellung, sondern (nur) durch Anrechnung vermeidet (Rz. 10.87). 10.140 In bestimmten Konstellationen sind auch stille Reserven in Anteilen, die ein ausländischer Anteilseigner an der übertragenden (ausländischen) Gesellschaft hält, in Deutschland steuerverstrickt (Rz. 10.180). Handelt es sich bei der Auslandsumwandlung um eine Aufwärtsumwandlung, ist auch zu prüfen, ob die Anteile der übernehmenden Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft in Deutschland steuerverstrickt sind (Rz. 10.157 f.). b) Übertragende Gesellschaft

10.141 Wenn der übertragenden Gesellschaft keine inländischen Wirtschaftsgüter zuzurechnen sind (bei Vorhandensein von in Deutschland steuerverstrickten Wirtschaftsgütern s. Rz. 10.182 ff.), läuft § 11 UmwStG trotz der prinzipiellen Anwendbarkeit des UmwStG nach § 1 Abs. 1 UmwStG ins Leere.3 Eine steuerliche Schlussbilanz ist in diesem Fall nur aufzustellen, soweit im Hinblick auf die in § 12 UmwStG angeordnete Wertverknüpfung der Ansatz bzw. die Bewertung in der steuerlichen Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers für die übernehmende Körperschaft von Bedeutung ist,4 was in der hier untersuchten Konstellation, bei der sich der Inlandsbezug allein aus der Steuerverstrickung der Anteile ergibt, aber in der Regel nicht relevant sein sollte. 10.142 Hinzurechnungsbesteuerung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Hinzurechnungsbesteuerung, an die bei ausländischen Umwandlungen zu denken ist. Lagen hinsichtlich der übertragenden Gesellschaft beim inländischen Anteilseigner die Voraussetzungen für eine Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG vor, 1 Bei ausländischen Rechtsträgern kann dies einen Typenvergleich erfordern (doppelt); Stimpel/Dötsch in D/P/M, Vor §§ 11-13 UmwStG Rz. 8 (Stand: September 2022). 2 Dötsch/Werner in D/P/M, § 13 UmwStG Rz. 48 (Stand: Februar 2020). 3 Vgl. UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/ 0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.02 Satz 2. 4 Vgl. BT-Drs. 16/2710, 40; BMF 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.02 i.V.m. Rz. 03.02.

614 | Beinert/Scheifele

E. Ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug | Rz. 10.145 Kap. 10

führt dies nicht dazu, dass die Wirtschaftsgüter der übertragenden Gesellschaft in Deutschland steuerverstrickt sind. Auch insoweit kann es daher nicht zu einer Entstrickung i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG kommen (Rz. 10.284). Aufwärtsumwandlung. Etwas anderes gilt nur im Falle einer Aufwärtsumwandlung, wenn die Beteiligung der im Ausland steuerlich ansässigen Muttergesellschaft an der im Ausland steuerlich ansässigen Tochtergesellschaft (ausnahmsweise) in Deutschland steuerverstrickt ist (z.B., weil sie einer inländischen Betriebsstätte zuzurechnen ist).1 Dann ist ein etwaiger Übernahmegewinn i.S.v. § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG in Deutschland steuerpflichtig. Für Zwecke der Ermittlung dieses Übernahmegewinns ist (ausnahmsweise) eine steuerliche Schlussbilanz i.S.v. § 11 UmwStG aufzustellen, in der das Vermögen der übertragenden Gesellschaft auszuweisen ist.2 Die Voraussetzungen für einen Buchwertansatz sind dabei in aller Regel erfüllt (Rz. 10.193), sodass ein etwaiger Übernahmegewinn gering gehalten werden kann.

10.143

c) Übernehmende Gesellschaft Da die übertragende Gesellschaft grundsätzlich keine steuerliche Schlussbilanz aufzustellen hat (Rz. 10.155 ff.), geht die in § 12 Abs. 1 UmwStG angeordnete Wertverknüpfung ins Leere. Etwas anderes gilt nur im Sonderfall einer Aufwärtsumwandlung, wenn die Beteiligung der übernehmenden Muttergesellschaft an der übertragenden Tochtergesellschaft ausnahmsweise in Deutschland steuerverstrickt ist (Rz. 10.157). In dem Fall kann ein in Deutschland steuerpflichtiger Übernahmegewinn entstehen (§ 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG).

10.144

d) Inländische Anteilseigner aa) Rechtsgrundlagen Die Steuerfolgen für die inländischen Anteilseigner ergeben sich in erster Linie entweder aus dem vorrangig anzuwendenden § 20 Abs. 4a EStG (dazu Rz. 10.159 ff.) oder aus § 13 UmwStG (dazu Rz. 10.162 ff.). Denkbar sind auch Fälle, in denen durch die Auslandsumwandlung erstmalig ein deutsches Besteuerungsrecht an den Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft begründet wird (dazu Rz. 10.167 ff.). Für inländische Anteilseigner kann sich schließlich die Frage stellen, ob die Auslandsumwandlung bei ihnen zu hinzurechnungspflichtigen Einkünften nach §§ 7 ff. AStG führt (dazu Rz. 10.169 ff.). Beispiel 13: An der österreichischen A-GmbH sind die in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen X mit einer unwesentlichen Beteiligung (< 1 %), die sie 2019 erworben hat, und Y mit einem Anteil von 10 % beteiligt. Im Rahmen der Verschmelzung der A-GmbH auf die österreichische B-GmbH erhalten X und Y Anteile an der B-GmbH. Das Aktivvermögen der B-GmbH besteht (auch nach der Verschmelzung) überwiegend aus Immobilien in Österreich. 1 Zu den denkbaren Fällen, in denen Anteile eines ausländischen Anteilseigners an einer ausländischen Gesellschaft in Deutschland steuerverstrickt sein können s. Rz. 10.153. 2 Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 220 (Stand: Januar 2020); Stimpel/Dötsch in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 89a „Fall 9“ (Stand: September 2022).

Beinert/Scheifele | 615

10.145

Kap. 10 Rz. 10.145 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

Beispiel 14: Die inländische M-GmbH hält 100 % der Anteile an der niederländischen A-B.V. (keine Immobiliengesellschaft). Die A-B.V. überträgt einen Teil ihres Vermögens im Wege der Abspaltung auf ihre niederländische Schwestergesellschaft B-B.V. Sowohl das abgespaltene als auch das bei der A-B.V. zurückbleibende Vermögen stellt einen Teilbetrieb dar (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UmwStG).

616 | Beinert/Scheifele

E. Ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug | Rz. 10.147 Kap. 10 Beispiel 15: Die inländische M-GmbH hält 100 % der Anteile an der österreichischen A-GmbH (keine Immobiliengesellschaft). Die A-GmbH wurde 2020 grenzüberschreitend auf ihre tschechische Schwestergesellschaft B-s.r.o. verschmolzen. Die Verschmelzung war mit einer Verschmelzung i.S.v. § 2 UmwG vergleichbar. Die M-GmbH verkauft 2022 ihre Anteile an der B-s.r.o.

bb) § 20 Abs. 4a EStG Für inländische Kleingesellschafter (Rz. 10.138) bleibt die ausländische Umwandlung unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 4a Satz 1, Satz 5 oder Satz 7 EStG steuerneutral. Die erworbenen Anteile an der übernehmenden Gesellschaft treten steuerlich an die Stelle der bisherigen Anteile an der übertragenden Gesellschaft (Fußstapfentheorie). (Zum Anwendungsbereich der Vorschriften siehe oben Rz. 10.137 ff.).

10.146

Die Steuerneutralität nach Satz 1 (ggf. in Verbindung mit Satz 7) des § 20 Abs. 4a EStG setzt voraus, dass das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist oder Art. 8 der FRL anzuwenden ist (§ 20 Abs. 4a Satz 1 EStG). Für die Zwecke des Kapitalertragsteuerabzugs wird davon ausgegangen, dass das Besteuerungsrecht Deutschlands hinsichtlich der erlangten Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist.1 Außerhalb des Kapitalertragsteuerabzugs2 (d.h. im Rahmen der mate-

10.147

1 BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003:009 (2022/0457871), BStBl. I 2022, 742 Rz. 102. 2 Ein Steuerabzug findet nur bei Anteilen statt, die in einem inländischen Depot liegen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG). Bei der Veräußerung von unverbrieften Beteiligungen (wie GmbH-Anteilen) ist mangels Beteiligung einer Zahlstelle keine Kapitalertragsteuer einzubehalten.

Beinert/Scheifele | 617

Kap. 10 Rz. 10.147 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

riell-rechtlichen Besteuerung) kann bei einem inländischen Kleingesellschafter das Besteuerungsrecht nur dann beschränkt sein, wenn Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners sein ihm vor der Umwandlung aufgrund einer dem Art. 13 Abs. 5 OECD-MA entsprechenden DBA-Regelung zustehendes ausschließliches Besteuerungsrecht verliert und nunmehr die ausländische Steuer auf den Veräußerungsgewinn anrechnen muss. Sollte § 20 Abs. 4a Satz 1 (ggf. in Verbindung mit Satz 7) EStG nicht eingreifen, ist die Anteilsgewährung nach dem subsidiär anwendbaren § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG gleichwohl steuerneutral, wenn der Steuerpflichtige keine Gegenleistung zu erbringen hat. Die Norm findet aber nur Anwendung auf die Zuteilung von Anteilen an Gesellschaften, die weder Geschäftsleitung noch Sitz im Inland haben.1 Lösung zu Beispiel 13: Deutschland stand hinsichtlich der Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an der AGmbH das ausschließliche Besteuerungsrecht zu (§ 13 Abs. 5 DBA Österreich). Demgegenüber darf Österreich die Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an der B-GmbH besteuern, weil es sich um eine Immobiliengesellschaft handelt (Art. 13 Abs. 2 DBA Österreich). Das deutsche Besteuerungsrecht ist hierdurch beschränkt, weil Deutschland die österreichische Steuer auf die deutsche Steuer anrechnen muss (Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. dd DBA Österreich).2 Geht man davon aus, dass die FRL nur grenzüberschreitende Umwandlungen erfasst (Rz. 10.100), ist Art. 8 FRL auf die Verschmelzung nicht anwendbar. Die Voraussetzungen für eine steuerneutrale Umwandlung nach § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG sind dann nicht erfüllt; allerdings sollte eine steuerpflichtige Gewinnrealisierung gemäß § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG unterbleiben.

10.148 Weitere Anforderungen an die Steuerneutralität stellt das Gesetz nicht. In Fällen der Auf- oder Abspaltung kommt es – abweichend von § 15 Abs. 1 Satz 2 UmwStG – insbesondere nicht darauf an, dass ein Teilbetrieb übertragen wird und zurückbleibt.3 cc) § 13 UmwStG

10.149 Für inländische Anteilseigner, die nicht Kleingesellschafter sind, bestimmen sich die steuerlichen Folgen der Umwandlung nach § 13 UmwStG. Nach § 13 Abs. 1 UmwStG gelten die Anteile an der übertragenden Gesellschaft als zum gemeinen Wert veräußert und die an ihre Stelle tretenden Anteile an der übernehmenden Gesellschaft als mit diesem Wert angeschafft. Ein dabei entstehender Gewinn ist nach allgemeinen Grundsätzen zu besteuern (Rz. 10.128).4 Bei inländischen Anteilseignern ist Deutschland stets zur Besteuerung befugt. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn ein DBA das Besteuerungsrecht abweichend von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA dem Ansässigkeitsstaat der übertragenden Gesellschaft zuweist, weil Deutschland hier üblicherweise ein konkurrierendes Besteuerungsrecht besitzt und die Doppelbesteuerung (nur) durch Anrechnung der ausländischen Steuer vermeidet (Rz. 10.87). 1 Jachmann-Michel, DStR 2021, 2392. 2 Vgl. Dötsch/Werner in D/P/M, § 13 UmwStG Rz. 37 (Stand: Februar 2020). 3 Beinert/Benecke, FR 2010, 1120 (1131); Benecke/Schnitger, Ubg 2011, 1 (9); Beinert, GmbHR 2012, 291 (293). 4 Dötsch/Werner in D/P/M, § 13 UmwStG Rz. 21 f., 23 (Stand: Februar 2020).

618 | Beinert/Scheifele

E. Ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug | Rz. 10.153 Kap. 10

Unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Satz 1 UmwStG ist die Umwandlung auf Antrag des Anteilseigners steuerneutral. Dies setzt voraus, dass entweder (i) das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Gesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (Nr. 1) oder (ii) auf die Umwandlung Art. 8 FRL anwendbar ist (Nr. 2). Bei Abspaltungen müssen zudem die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 2 UmwStG erfüllt sein, sodass das doppelte Teilbetriebserfordernis auch bei Auslandsumwandlungen zu beachten ist. Insoweit stellt sich für die Finanzverwaltung das praktische Problem, wie es ihr gelingt, den Sachverhalt – trotz erhöhter Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen (§ 90 Abs. 2 AO) – zu verifizieren.1

10.150

Entstrickung. Eine Entstrickung nach § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG ist u.E. nicht denkbar, wenn übertragende und übernehmende Gesellschaft steuerlich im selben EU-/EWR-Staat ansässig sind. Etwas anderes gilt aber wohl dann, wenn es sich bei der übernehmenden Gesellschaft (anders als bei der übertragenden Gesellschaft) um eine Immobiliengesellschaft handelt, bei der das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Anteile entsprechend Art. 13 Abs. 4 OECD-MA beim Belegenheitsstaat der Immobilien liegt. In diesem Fall hat Deutschland künftig nur noch ein konkurrierendes Besteuerungsrecht mit Anrechnungspflicht. Möglicherweise kann man argumentieren, dass das ausschließliche deutsche Besteuerungsrecht wegen § 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG in den Anteilen an der übernehmenden Immobiliengesellschaft fortbesteht, sodass keine Entstrickung stattfindet. Dagegen könnte aber sprechen, dass das Gesetz in § 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG einen solchen treaty override – anders als etwa in § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 UmwStG – nicht explizit anordnet (Rz. 10.81).

10.151

Zu einer Entstrickung kommt es dann, wenn übertragende und übernehmende Gesellschaft steuerlich in verschiedenen EU-/EWR-Staaten ansässig sind und nach dem bisher einschlägigen DBA (entsprechend Art. 13 Abs. 5 OECD-MA) das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Anteile bei Deutschland lag, während Deutschland nach dem neuen DBA nur noch ein konkurrierendes Besteuerungsrecht mit Anrechnungspflicht hat.2 Gleiches gilt, wenn die übertragende Gesellschaft in einem Nicht-DBAStaat ansässig ist, während die übernehmende Gesellschaft in einem DBA-Staat mit einer (von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA abweichenden) Zuweisung des Besteuerungsrechts zum Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft ansässig ist.3

10.152

FRL. Kommt es zu einer Entstrickung, kann sich die Möglichkeit zur Fortführung der Anschaffungskosten bzw. Buchwerte alternativ aus der Anwendbarkeit von Art. 8 FRL ergeben (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG).4 Art. 8 FRL erfasst sowohl Ver-

10.153

1 So der Finanzausschuss des BR in seinen Empfehlungen v. 26.4.2021, BR-Drs. 244/1/21, 16 (18). Bei Drittstaatenabspaltungen lässt sich überdies die Frage aufwerfen, ob der europäische Teilbetriebsbegriff gilt; Holle/Krüger/Weiss, IStR 2021, 489 (493). 2 Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 222 „Beispiel 3“ (Stand: Januar 2020): Verschmelzung einer belgischen S.p.r.l. auf eine slowakische s.r.o. 3 Einen solchen Nicht-DBA-Fall gibt es aber derzeit nicht innerhalb des EU-/EWR-Raums. 4 Siehe die Beispiele bei Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 222 „Beispiel 1“ und „Beispiel 3“ (Stand: Januar 2020).

Beinert/Scheifele | 619

Kap. 10 Rz. 10.153 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

schmelzungen als auch Auf- und Abspaltungen (siehe Überschrift zu Kapitel II der FRL). Allerdings ist die FRL (wohl) nur auf grenzüberschreitende Umwandlungen innerhalb der EU anwendbar (Rz. 10.100). Damit sind ausländische Umwandlungen nur dann erfasst, wenn übertragende und übernehmende Gesellschaft steuerlich in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten ansässig sind. Umwandlungen zwischen Gesellschaften desselben EU-/EWR-Mitgliedstaates werden dagegen nicht privilegiert. Dies dürfte allerdings nur ausnahmsweise relevant sein, und zwar dann, wenn sich bei Verschmelzungen zwischen Gesellschaften, die im selben Mitgliedstaat ansässig sind, der Abkommensstatus von Wirtschaftsgütern ändert, z.B. bei einer Verschmelzung auf eine Immobiliengesellschaft (Rz. 10.165). In den von Art. 8 FRL erfassten Fällen erlaubt § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG eine Fortführung der Anschaffungskosten bzw. Buchwerte. Deutschland darf dafür – ungeachtet der Bestimmungen des jeweiligen DBA (treaty override) – den Gewinn aus einer Veräußerung der erworbenen Anteile an der übernehmenden Gesellschaft so besteuern, wie die Veräußerung der Anteile an der übertragenden Gesellschaft zu besteuern wäre (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 UmwStG).1 Der Besteuerung unterliegt daher nicht der gesamte Veräußerungsgewinn, sondern nur der Teilbetrag, der auf die bis zur Umwandlung entstandenen stillen Reserven entfällt. Damit müssen die stillen Reserven zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Umwandlung ermittelt werden.2 Dennoch droht eine Doppelbesteuerung.3 Lösung zu Beispiel 13: Die Anteile des Y an der A-GmbH gelten als zum gemeinen Wert veräußert (§ 13 Abs. 1 UmwStG). Die Voraussetzungen für eine Fortführung der Anschaffungskosten nach § 13 Abs. 2 UmwStG liegen nicht vor, weil Deutschland an den Anteilen an der B-GmbH nur noch ein konkurrierendes Besteuerungsrecht mit Anrechnungspflicht zusteht und § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG (Art. 8 FRL) nicht anwendbar ist, da die Verschmelzung nicht grenzüberschreitend ist (Rz. 10.100). Lösung zu Beispiel 14: Deutschland steht nach dem DBA Niederlande das ausschließliche Recht zur Besteuerung hinsichtlich der Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an der A-B.V. und der B-B.V. zu (Art. 13 Abs. 5 DBA Niederlande). Da auch das doppelte Teilbetriebserfordernis nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UmwStG erfüllt ist, kann die M-GmbH auf Antrag die Buchwerte fortführen (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Lösung zu Beispiel 15: Deutschland stand nach dem DBA Österreich hinsichtlich der Anteile an der A-GmbH das ausschließliche Recht zur Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung zu (Art. 13 Abs. 2 DBA). Im Hinblick auf den Gewinn aus einer Veräußerung der Anteile an der übernehmenden B-s.r.o. ist dagegen vorrangig Tschechien zur Besteuerung befugt (Art. 13 Abs. 3 DBA Tschechien), während Deutschland die tschechische Steuer auf die eigene Steuer anrechnen muss (Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Nr. 3 DBA Tschechien). Nach § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG wäre es zur Entstrickung gekommen, weil das deutsche Besteuerungsrecht beschränkt wird. 1 Hierbei sind auch die Veräußerungsersatztatbestände nach § 15 Abs. 1a Satz 2 EStG zu beachten (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UmwStG). 2 A.A. Dötsch/Werner in D/P/M, § 13 UmwStG Rz. 52 (Stand: Februar 2020). 3 Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (455).

620 | Beinert/Scheifele

E. Ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug | Rz. 10.155 Kap. 10 Allerdings ist auf die Verschmelzung Art. 8 FRL anzuwenden, sodass im Rahmen der Verschmelzung auf Antrag die Buchwerte nach § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG fortgeführt werden konnten. In diesem Fall ist Deutschland allerdings aufgrund des treaty override nach § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 UmwStG zur Besteuerung eines bei der Veräußerung im Jahr 2022 entstehenden Gewinns befugt, ohne hierbei durch das DBA Tschechien beschränkt zu sein (also ohne Pflicht zur Anrechnung der tschechischen Steuer). Das uneingeschränkte Besteuerungsrecht bezieht sich aber nur auf die stillen Reserven, die bis zur Verschmelzung entstanden sind.

dd) Verstrickung Beispiel 16: Die inländische M-GmbH hält 100 % der Anteile an der tschechischen A-s.r.o., die grenzüberschreitend auf die österreichische B-GmbH (keine Immobiliengesellschaft) verschmolzen wird.

10.154

Wenn durch die Umwandlung ein deutsches Besteuerungsrecht erstmals begründet wird, ist u.E. grundsätzlich § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG vorrangig anzuwenden, mit der Folge, dass zwingend der gemeine Wert anzusetzen ist.1 Etwas anderes gilt u.E. allerdings dann, wenn das deutsche Besteuerungsrecht nur „verstärkt“ wird.2

10.155

1 Siehe die Parallelfrage bei der Hereinumwandlung und beim Anteilstausch. A.A. Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 222 (Stand: Januar 2020). 2 Vgl. Loschelder in Schmidt41, § 4 EStG Rz. 254: keine fiktive Einlage (§ 4 Abs. 1 Satz 7 Halbs. 2 EStG) mit Zwang zum Ansatz des gemeinen Wertes (§ 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG) bei bloßer „Stärkung“ des inländischen Besteuerungsrechts. So vertreten von Schmitt in S/H9, § 4 UmwStG Rz. 27.

Beinert/Scheifele | 621

Kap. 10 Rz. 10.155 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften Lösung zu Beispiel 16: Im Hinblick auf die Anteile an der A-s.r.o. stand Tschechien nach dem DBA Tschechien das vorrangige Besteuerungsrecht zu und Deutschland musste die tschechische Steuer auf die eigene Steuer anrechnen (Art. 13 Abs. 3 i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Nr. 3). Nach dem DBA Österreich steht Deutschland an den Anteilen an der B-GmbH das ausschließliche Besteuerungsrecht zu. U.E. kann die M-GmbH wahlweise den Buchwert der Anteile an der A-s.r.o. in den Anteilen an der B-GmbH fortführen, weil das deutsche Besteuerungsrecht nicht beschränkt oder ausgeschlossen wird (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG).

ee) Hinzurechnungsbesteuerung

10.156 Beispiel 17:

Die inländische M-GmbH hat ihre Auslandsbeteiligungen A-Ltd. und B-Ltd. unter der niederländischen Holding C-B.V. gebündelt. Nach dem maßgeblichen Steuerrecht in ihrem Ansässigkeitsstaat spaltet die A-Ltd. Vermögen auf die B-Ltd. steuerneutral zu Buchwerten ab.1 Keine der beteiligten Gesellschaften übt eine aktive Tätigkeit i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 AStG aus.

10.157 Grundsätzlich aktive Einkünfte. Ist ein inländischer Anteilseigner an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt, die sich an einer Umwandlung beteiligt (sei es als übertragender Rechtsträger, übernehmender Rechtsträger oder Anteilseigner des übertra1 Nach Becker/Loose, IStR 2010, 383 (388 f.).

622 | Beinert/Scheifele

E. Ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug | Rz. 10.160 Kap. 10

genden Rechtsträgers1), kann die Umwandlung beim inländischen Anteilseigner zu einer Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG führen. Im Grundsatz gelten allerdings Einkünfte aus einer Umwandlung als aktive Einkünfte und unterliegen damit keiner Hinzurechnungsbesteuerung (§ 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG). Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut scheidet eine Hinzurechnungsbesteuerung bei Umwandlungen generell aus, und zwar unabhängig davon, ob diese Umwandlungen mit einer Umwandlung i.S. des UmwG vergleichbar sind oder unter Fortführung der Buchwerte durchgeführt werden. Soweit die Gesetzesmaterialien fordern, dass es sich bei der Reorganisationsmaßnahme um einen mit § 1 UmwStG vergleichbaren Vorgang handelt,2 findet dieses Erfordernis im Wortlaut keine Stütze.3 Sollte die übernehmende ausländische Gesellschaft künftig erstmals Zwischengesellschaft werden und es zu einer Hinzurechnungsbesteuerung kommen, könnte § 10 Abs. 5 Satz 2 AStG so zu verstehen sein, dass die im Rahmen der „aktiven“ Umwandlung übergegangenen Wirtschaftsgüter bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags so zu behandeln sind, dass es nicht zu einer Verstrickung der Wirtschaftsgüter gekommen ist. Nach diesem Regelverständnis läge das Ziel der Vorschrift darin zu verhindern, dass außerhalb der Hinzurechnungsbesteuerung für deutsche Zwecke Abschreibungsvolumen geschaffen wird, das künftige Hinzurechnungsbeträge mindert. Danach wären bei Umwandlungen, die aktiv sind, weil die Vergleichbarkeitsvoraussetzungen gegeben sind und die Umwandlung tatsächlich zu Buchwerten durchgeführt wird, auch für Zwecke der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung die Buchwerte fortzuführen. Es käme somit nicht mehr zu einem (aktiven) step-up.4

10.158

Nach der Ausnahme im Halbsatz 2 des § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG können Einkünfte aus einer Umwandlung allerdings insoweit der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen, als sie auf der Übertragung von Wirtschaftsgütern beruhen, die nicht der Erzielung aktiver Einkünfte im Sinne der Nummern 1 bis 8 des § 8 Abs. 1 AStG dienen. Übt die umzuwandelnde Gesellschaft also (zumindest auch) eine passive Tätigkeit aus und sind in den dieser Tätigkeit zuzuordnenden Wirtschaftsgütern stille Reserven vorhanden, hilft nur noch die Rückausnahme am Ende des zweiten Halbsatzes von § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG.

10.159

Rückausnahme bei hypothetischer und tatsächlicher Buchwertfortführung. Nach dieser Rückausnahme unterbleibt eine Hinzurechnungsbesteuerung trotz Übertragung „passiver“ Wirtschaftsgüter, wenn bei einer (hypothetischen) Umwandlung nach deutschem Steuerrecht die Möglichkeit zur Buchwertfortführung bestanden

10.160

1 So kann etwa beim übernehmenden Rechtsträger bei einer Aufwärtsumwandlung ein steuerrelevanter Übernahmegewinn entstehen; vgl. Kamphaus/Weihmann, Ubg 2009, 502 ff. 2 BT-Drs. 19/28652, 57. 3 Linn, IStR 2020, 77 (82). 4 Vgl. Linn, IStR 2020, 77 (82). Gegen eine Buchwertfortführung Oertel in Mann/Staats, AStG, § 10 Rz. 321 (Stand: Juni 2022), denn die Regelungen des UmwStG kämen grundsätzlich bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages nicht zur Anwendung. Danach sei § 10 Abs. 5 Satz 2 AStG als „materielle Korrespondenzregel“ zu verstehen, die vorsehe, dass die Vorschriften des ausländischen Steuerrechts konsequent zur Anwendung gelangen.

Beinert/Scheifele | 623

Kap. 10 Rz. 10.160 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

hätte und die Umwandlung im Ausland tatsächlich zu Buchwerten erfolgt. Gewinne aus der Umwandlung bleiben daher trotz Übertragung passiver Wirtschaftsgüter aktiv, wenn die Umwandlung erstens hypothetisch die Voraussetzungen für eine Buchwertfortführung nach § 11 Abs. 2 UmwStG (ggf. i.V.m. § 15 UmwStG) bzw. § 13 Abs. 2 UmwStG (ggf. i.V.m. § 15 UmwStG) erfüllt hätte und zweitens im Ausland tatsächlich zu Buchwerten erfolgt. Da es im Rahmen der im ersten Schritt durchzuführenden hypothetischen Prüfung auf die persönlichen Anwendungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 4 UmwStG nicht ankommt, erfasst § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG neben der Umwandlung von EU-/EWR-Gesellschaften auch solche von Drittstaatengesellschaften. Allerdings wird in sachlicher Hinsicht eine Vergleichbarkeit der ausländischen Umwandlung mit einer solchen i.S. des UmwG gefordert (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Nach zutreffender Auffassung ist für Zwecke des § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG fiktiv zu unterstellen, dass sich der gesamte Umwandlungsvorgang im Inland vollzieht (Inlandsthese), sodass die hypothetische Buchwertfortführung nicht an § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG scheitern kann. Nur so wird gewährleistet, dass ausländische Umwandlungen nicht durch die §§ 7 ff. AStG behindert werden.1 Problematisch kann sich insoweit aber die erst durch das ATADUmsG2 eingeführte zusätzliche Voraussetzung erweisen, dass im Ausland tatsächlich die Buchwerte fortgeführt werden, weil es daran zum Beispiel fehlen kann, wenn die Umwandlung wegen einer dem § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG entsprechenden ausländischen Bestimmung im Ausland nicht zu Buchwerten durchgeführt werden kann.

10.161 Im Übrigen dürften gerade in Fällen von Auf- oder Abspaltungen die über § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG ins Ausland exportierten Anforderungen an die Steuerneutralität (doppeltes Teilbetriebserfordernis, vor- und nachlaufende Sperrfristen nach § 15 Abs. 2 UmwStG) kaum zu erfüllen bzw. zu überwachen sein und damit ein echtes Umwandlungshindernis darstellen.3

10.162

Lösung zu Beispiel 17: Es ist auf zwei Ebenen zu prüfen, ob eine Hinzurechnungsbesteuerung stattfindet: Auf Ebene der übertragenden A-Ltd. ist zu prüfen, ob ihr „passives“ Vermögen, das nach ausländischem Recht zu Buchwerten übertragen wurde, auch hypothetisch nach deutschem Steuerrecht steuerneutral zu Buchwerten hätte übertragen werden können. Dazu muss die Abspaltung mit einer Abspaltung i.S.v. § 123 UmwG vergleichbar sein (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Außerdem müssen die Voraussetzungen für eine Buchwertfortführung nach § 11 Abs. 2 UmwStG i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 UmwStG erfüllt sein. Ist dies der Fall, sind etwaige Einkünfte aus der Umwandlung grundsätzlich aktiv i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG. Allerdings dürfte in der Praxis bei Spaltungen ausländischer Rechtsträger der Nachweis des Teilbetriebserfordernisses nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UmwStG oftmals kaum oder nur schwer zu erbringen sein. Auch auf Ebene der C-B.V. als Anteilseignerin der übertragenden Gesellschaft ist zu prüfen, ob die Umwandlung bei ihr nach dem einschlägigen ausländischen Recht tatsächlich zu Buchwerten erfolgt ist und auch hypothetisch nach § 13 Abs. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 UmwStG hätte steuerneutral vollzogen werden können (§ 8 Abs. 1 Nr. 9 Halbs. 2 AStG). Da die Um1 Holle/Keilhoff, IStR 2017, 245 (250); Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B, § 8 AStG Rz. 370 (Stand: April 2017). 2 BGBl. I 2021, 2035. 3 Becker/Loose, IStR 2010, 383 (390).

624 | Beinert/Scheifele

E. Ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug | Rz. 10.163 Kap. 10 wandlung für den Anteilseigner als Veräußerung seiner Anteile gilt (§ 13 Abs. 1 UmwStG), sind die Einkünfte aber – unabhängig von § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG – auch dann aktiv, wenn die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG erfüllt sind. Das kann etwa dann relevant sein, wenn § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG nicht einschlägig ist, z.B., weil die Umwandlung nicht vergleichbar ist, eine Gegenleistung gewährt wird, die nicht in Gesellschaftsrechten besteht, oder bei Spaltungen das Teilbetriebserfordernis nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UmwStG nicht erfüllt ist.1 Außerdem kann sich jedenfalls bei Umwandlungen, die nicht in den Anwendungsbereich des UmwStG fallen (etwa mangels Vergleichbarkeit mit einer inländischen Umwandlung) und die aus deutscher Sicht als Sachausschüttung oder Liquidationsauskehrung anzusehen sind (Rz. 10.114), die Aktivität der Einkünfte auch aus § 8 Abs. 1 Nr. 7 (Sachausschüttung) oder Nr. 8 (Liquidationsauskehrung) AStG ergeben.2 Ergibt die Prüfung, dass die Einkünfte der A-Ltd. und/oder der C-B.V. aus der Umwandlung nicht aktiv i.S.v. § 8 Abs. 1 AStG und zudem niedrig besteuert i.S.v. § 8 Abs. 5 AStG sind,3 liegen bei der M-GmbH – vorbehaltlich von § 8 Abs. 2 AStG4 – hinzurechnungspflichtige Einkünfte vor. Bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags sind dabei die Vorschriften des UmwStG nicht anzuwenden (§ 10 Abs. 3 Satz 4 AStG).

e) Ausländische Anteilseigner Beispiel 18: Die steuerlich in den USA ansässige M-Inc. hält über ihre deutsche Betriebsstätte 100 % der Anteile an der österreichischen A-GmbH (keine Immobiliengesellschaft). Die A-GmbH soll grenzüberschreitend auf ihre tschechische Schwestergesellschaft B-s.r.o. verschmolzen werden. Die Verschmelzung ist mit einer Verschmelzung i.S.v. § 2 UmwG vergleichbar.

1 Kamphaus/Weihmann, Ubg 2009, 502 (508). 2 Kamphaus/Weihmann, Ubg 2009, 502 (508). Die Einlage in die B-Ltd. führt nicht zu hinzurechnungspflichtigen Einkünften (§ 8 Abs. 3 Satz 1 KStG i.V.m. § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG). Die Rückausnahme des § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG wegen fehlender Einkommensminderung beim Anteilseigner (C-B.V.) greift nicht, da die korrespondierende vGA der A-Ltd. als der C-B.V. nahestehende Person deren Einkommen nicht gemindert hat (§ 8 Abs. 3 Satz 5 KStG); Becker/Loose, IStR 2010, 383 (389). 3 Eine Niedrigbesteuerung ist auch bei der Umwandlung von Gesellschaften in Hochsteuerländern möglich, wenn die Umwandlung nach dortigem Steuerrecht steuerneutral verläuft, während sie nach deutschen Gewinnermittlungsgrundsätzen gewinnrealisierend gewesen wäre. Problematisch ist dabei, dass die Vorschriften des UmwStG bei der Frage, ob hinzurechnungspflichtige Einkünfte vorliegen, nicht berücksichtigt werden dürfen; Kamphaus/Weihmann, Ubg 2009, 502. 4 D.h. vorbehaltlich der „Cadbury Schweppes“-Ausnahme für wirtschaftlich aktive EU-/ EWR-Gesellschaften.

Beinert/Scheifele | 625

10.163

Kap. 10 Rz. 10.163 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

10.164 Verstrickung. Anteile ausländischer Anteilseigner an einer (ausländischen) übertragenden Gesellschaft sind nur ausnahmsweise in Deutschland steuerverstrickt,1 und zwar dann, wenn – die Anteile einer inländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG),2 – es sich um eine wesentliche Beteiligung i.S.v. § 17 EStG an einer doppelansässigen Gesellschaft handelt, die ihre Geschäftsleitung im Ausland, aber ihren Sitz im Inland hat (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG), sofern das Besteuerungsrecht durch DBA nicht abweichend von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA dem Ansässigkeitsstaat des ausländischen Anteilseigners zugewiesen wird, – es sich um eine wesentliche Beteiligung i.S.v. § 17 EStG handelt, bei deren Erwerb aufgrund eines Antrags nach § 13 Abs. 2 UmwStG oder § 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2

1 Tafelgeschäfte i.S.v. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. d EStG bleiben unberücksichtigt, s. Rz. 10.75. 2 In DBA-Fällen hat Deutschland in diesen Fällen als Betriebsstättenstaat gegenüber dem Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners regelmäßig das vorrangige Besteuerungsrecht hinsichtlich der Gewinne aus der Veräußerung der Anteile (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA); siehe dazu Reimer in V/L7, Art. 13 OECD-MA Rz. 81 und 190.

626 | Beinert/Scheifele

E. Ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug | Rz. 10.165 Kap. 10

UmwStG nicht der gemeine Wert der eingebrachten1 Anteile angesetzt worden ist oder auf die § 17 Abs. 5 Satz 2 EStG anzuwenden war („umwandlungs- oder sitzverlegungsgeborene Anteile“ i.S.v. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG). Aufgrund der Treaty-override-Vorschriften in § 13 Abs. 2 UmwStG, § 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 UmwStG und § 17 Abs. 5 Satz 2 EStG sind diese Anteile auch dann in Deutschland steuerverstrickt, wenn das Besteuerungsrecht abkommensrechtlich beim ausländischen Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners liegt (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Damit wird kompensiert, dass Deutschland im Rahmen der Umwandlung oder Sitzverlegung von der Besteuerung absieht, obwohl das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Anteile verloren geht;2 – es sich um eine wesentliche Beteiligung i.S.v. § 17 EStG handelt, wenn das Vermögen der Kapitalgesellschaft – die auch im Ausland steuerlich ansässig sein kann – überwiegend aus deutschem Grundbesitz besteht (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. cc EStG) und das Besteuerungsrecht nach einem ggf. anwendbaren DBA – vergleichbar der Immobilienklausel des Art. 13 Abs. 4 OECD-MA – Deutschland zugewiesen wird. Anwendung von § 13 UmwStG. Da es sich in allen Fallgruppen um Anteile handelt, die entweder einer deutschen Betriebsstätte zuzurechnen sind oder die zu einer wesentlichen Beteiligung i.S.v. § 17 EStG gehören, scheidet eine Anwendung von § 20 Abs. 4a EStG aus (Rz. 10.138). Die Steuerfolgen für den ausländischen Anteilseigner richten sich daher nach § 13 UmwStG: – Bei Anteilen in einer inländischen Betriebsstätte kann insoweit auf die obigen Ausführungen im Falle der Inlandsumwandlung verwiesen werden (Rz. 10.76 f.). – Bei „umwandlungs- oder sitzverlegungsgeborenen“ Anteilen i.S.v. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG bleibt das deutsche Besteuerungsrecht nach § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG erhalten, wenn die neu erhaltenen Anteile ihrerseits nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG umwandlungsgeboren sind. Da die neuen Anteile steuerlich an die Stelle der bisherigen (umwandlungsoder sitzverlegungsgeborenen) Anteile treten, ist das u.E. bei einer Buchwertfortführung wegen § 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG der Fall. Die steuerliche Rechtsnachfolge erstreckt sich dabei auch auf den treaty override nach § 13 Abs. 2 UmwStG, § 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 UmwStG und § 17 Abs. 5 Satz 2 EStG, sodass das deutsche

1 Zutreffend müsste es in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG eigentlich „der veräußerten oder eingebrachten“ Anteile heißen, weil bei § 13 UmwStG keine Anteile eingebracht werden. 2 Beispiel: Die tschechische Muttergesellschaft M-s.r.o. hielt alle Anteile an der deutschen AGmbH, die grenzüberschreitend auf die österreichische B-GmbH verschmolzen wurde. Hinsichtlich der in Deutschland steuerverstrickten Anteile an der A-GmbH beantragte die M-s.r.o. die Buchwertfortführung nach § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG. Hinsichtlich der Anteile an der B-GmbH ist Deutschland entgegen den Regelungen im DBA Österreich zur Besteuerung befugt.

Beinert/Scheifele | 627

10.165

Kap. 10 Rz. 10.165 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

Besteuerungsrecht im Hinblick auf die neuen Anteile auch abkommensrechtlich nicht beschränkt wird.1 – Bei Anteilen an einer Immobiliengesellschaft i.S.v. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. cc EStG bleibt das deutsche Besteuerungsrecht nach § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG erhalten, wenn die neu erhaltenen Anteile ihrerseits nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. cc EStG verstrickt sind – wobei sich die Annahme einer wesentlichen Beteiligung nach § 17 EStG fortsetzt, auch wenn die künftige Beteiligung unter 1% liegt2 – und das deutsche Besteuerungsrecht nach dem ggf. anwendbaren DBA erhalten bleibt. Lösung zu Beispiel 18: Das UmwStG ist anwendbar, weil es sich um einen ausländischen Vorgang handelt, der einer Verschmelzung i.S.v. § 2 UmwG vergleichbar ist (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Die §§ 11 ff. UmwStG finden Anwendung, wenn man – was naheliegt – unterstellt, dass die A-GmbH und die B-s.r.o. nach einem Typenvergleich deutschen Kapitalgesellschaften entsprechen. Die Anteile der M-Inc. an der A-GmbH sind in Deutschland steuerverstrickt (§ 2 Nr. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Deutschland hat im Verhältnis zu den USA das vorrangige Besteuerungsrecht an Gewinnen aus der Veräußerung der Anteile an der A-GmbH (Art. 13 Abs. 2 DBA USA). Dieses Besteuerungsrecht bleibt auch nach der Verschmelzung im Hinblick auf die Anteile an der B-s.r.o. ungemindert bestehen, und zwar unabhängig davon, ob sich das Besteuerungsrecht der USA im Verhältnis zu Tschechien im Vergleich zum bisherigen Verhältnis zu Österreich ändert und wie die USA eine mögliche Doppelbesteuerung vermeiden. Die Voraussetzungen für einen Buchwertansatz nach § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG liegen also vor.

3. Inlandsbezug durch inländisches Vermögen a) Beispiel

10.166 Beispiel 19:

Die A-SA wird nach französischem Gesellschaftsrecht auf die B-SA verschmolzen. Beide Gesellschaften sind in Frankreich steuerlich ansässig. Zum Vermögen der A-SA zählen eine Betriebsstätte (Produktionsstätte) in Deutschland, ein (nicht zur Betriebsstätte zählendes) Grundstück in Deutschland sowie eine 50 %-Beteiligung an der deutschen T-GmbH.

1 Vgl. BT-Drucks. 16/2710, 41 sowie UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 13.11, wonach sich auch die Eigenschaft als wesentliche Beteiligung bei Unterschreiten der 1 %-Schwelle fortsetzt. 2 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 13.11.

628 | Beinert/Scheifele

E. Ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug | Rz. 10.168 Kap. 10

b) Übertragende Gesellschaft aa) Steuerliche Schlussbilanz

Bilanzierungspflicht. Die übertragende Gesellschaft hat die übergehenden Wirtschaftsgüter in einer steuerlichen Schlussbilanz anzusetzen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 UmwStG).1 Die Verpflichtung besteht ungeachtet dessen, dass die übertragende Gesellschaft steuerlich im Ausland ansässig und damit nicht unbeschränkt steuerpflichtig i.S.v. § 1 KStG ist.2 Da die übertragende Gesellschaft inländische Wirtschaftsgüter hält, wird eine steuerliche Schlussbilanz für inländische Besteuerungszwecke benötigt.3

10.167

Die übertragende Gesellschaft hat die steuerliche Schlussbilanz bei dem nach § 20 AO zuständigen Finanzamt einzureichen,4 wobei sich die Zuständigkeit in der Regel nach dessen Absatz 3 richten dürfte. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist die steuerliche Schlussbilanz nach § 5b EStG elektronisch zu übermitteln.5 Gerade für

10.168

1 Die nachfolgenden Ausführungen gelten – soweit nicht anders vermerkt – entsprechend für die Auf- und Abspaltung; vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 UmwStG. 2 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.01 i.V.m. 11.02. 3 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.02 i.V.m. 11.02. 4 Vgl. UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/ 0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.27. 5 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.04 i.V.m. 11.03. Zur elektronischen Übermittlung siehe BMF v. 28.9.2011 – IV C 6 - S 2133 – b/11/10009 (2011/0770620), BStBl. I 2011, 855. A.A. Kutt/ Carstens in FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, UmwStE 03.04. Kritisch auch Steierberg in H/H3, § 3 UmwStG Rz. 29.

Beinert/Scheifele | 629

Kap. 10 Rz. 10.168 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

ausländische übertragende Rechtsträger kann dies unter Umständen einen erheblichen Aufwand bedeuten. Die Finanzbehörden sollten daher insbesondere in Fällen der Auslandsumwandlung von ihrem Recht, auf Antrag aus Billigkeitsgründen auf die elektronische Übermittlung zu verzichten (§ 5b Abs. 2 Satz 1 EStG), großzügig Gebrauch machen.

10.169 Bilanzinhalt. Was die inhaltliche Reichweite der steuerlichen Schlussbilanz betrifft, muss diese nach zutreffender Auffassung grundsätzlich nur die inländischen Wirtschaftsgüter der übertragenden Gesellschaft ausweisen.1 Etwas anderes gilt, wenn die ausländischen Wirtschaftsgüter anlässlich der Umwandlung erstmals in Deutschland steuerverstrickt werden. Dies kann bei einer grenzüberschreitenden Auslandsumwandlung der Fall sein, wenn die übergehenden Wirtschaftsgüter nach dem auf die übernehmende Gesellschaft anzuwendenden DBA einen anderen abkommensrechtlichen Status erhalten (Rz. 10.197). 10.170 Aufwärtsumwandlung. Die ausländischen Wirtschaftsgüter sind außerdem im Falle einer Aufwärtsumwandlung in der steuerlichen Schlussbilanz auszuweisen, sofern die Beteiligung der im Ausland steuerlich ansässigen Muttergesellschaft an der im Ausland steuerlich ansässigen Tochtergesellschaft (ausnahmsweise) in Deutschland steuerverstrickt ist (z.B., weil sie einer inländischen Betriebsstätte zuzurechnen ist).2 Dann ist ein etwaiger Übernahmegewinn i.S.v. § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG in Deutschland steuerpflichtig. Die Voraussetzungen für einen Ansatz der ausländischen Wirtschaftsgüter zu Buchwerten sind dabei in aller Regel erfüllt (Rz. 10.193), sodass ein etwaiger Übernahmegewinn gering gehalten werden kann. bb) Ansatz des gemeinen Werts

10.171 Die übergehenden und in der steuerlichen Schlussbilanz auszuweisenden Wirtschaftsgüter sind grundsätzlich mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 UmwStG). Da sich die Bewertung mit dem gemeinen Wert auf die Gesamtheit der übergehenden aktiven und passiven Wirtschaftsgüter bezieht,3 ist – soweit die übertragende Gesellschaft eine inländische Betriebsstätte unterhält – bezogen auf die Sachgesamtheit eine Unternehmensbewertung durchzuführen. Besteht das im Inland steuerverstrickte Vermögen aus Einzelwirtschaftsgütern (z.B. Grundstücken, Beteiligungen), dürfte insoweit allerdings ausnahmsweise eine Einzelbewertung vorzunehmen sein.

1 Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 220 (Stand: Januar 2020); Stimpel/Dötsch in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 89 „Fall 8“ (Stand: September 2022); Ropohl/Sonntag in H/H3, § 11 UmwStG Rz. 62. 2 Zu den denkbaren Fällen, in denen Anteile eines ausländischen Anteilseigners an einer ausländischen Gesellschaft in Deutschland steuerverstrickt sein können, s. Rz. 10.153. 3 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.07 i.V.m. 11.04.

630 | Beinert/Scheifele

E. Ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug | Rz. 10.174 Kap. 10

Verstrickung. Ein durch den Ansatz gemeiner Werte entstehender Übertragungsgewinn ist in Deutschland nach allgemeinen Grundsätzen zu besteuern, soweit er auf im Inland steuerverstrickte Wirtschaftsgüter entfällt.1 Dazu zählen:

10.172

– inländisches Betriebsstättenvermögen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. § 16 EStG); – inländisches unbewegliches Vermögen (soweit nicht bereits zu einer inländischen Betriebsstätte gehörend) (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. bb EStG); – wesentliche Beteiligungen an Gesellschaften (soweit nicht bereits zu einer inländischen Betriebsstätte gehörend), wenn die Gesellschaft unbeschränkt steuerpflichtig ist oder es sich bei der Beteiligung um umwandlungs- oder sitzverlegungsgeborene Anteile (Rz. 10.180) handelt (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG). Abkommensrechtlich qualifiziert ein Übertragungsgewinn i.S.v. § 11 Abs. 1 UmwStG – jedenfalls aus deutscher Sicht – als Einkünfte i.S.v. Art. 13 OECD-MA (Rz. 10.85).

10.173

– Hinsichtlich des inländischen Betriebsstättenvermögens und des inländischen unbeweglichen Vermögens (soweit nicht bereits zu einer inländischen Betriebsstätte gehörend) wird das deutsche Besteuerungsrecht grundsätzlich nicht durch DBA beschränkt; Deutschland steht insoweit das vorrangige Besteuerungsrecht zu (Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 OECD-MA). – Hinsichtlich der wesentlichen Beteiligungen an Gesellschaften (soweit nicht bereits zu einer inländischen Betriebsstätte gehörend) ist dies regelmäßig anders. Hier ist das deutsche Besteuerungsrecht nach den meisten DBA ausgeschlossen (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Allerdings weisen einzelne DBA das vorrangige Besteuerungsrecht – abweichend von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA – Deutschland als Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft zu.2 Außerdem sind in bestimmten Sonderfällen Treatyoverride-Vorschriften des innerstaatlichen Steuerrechts zu beachten, die den Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts suspendieren (insbesondere, wenn es sich um umwandlungs- oder sitzverlegungsgeborene Anteile handelt [Rz. 10.180]). cc) Buch- oder Zwischenwertansatz Bei Auslandsumwandlungen sind die Voraussetzungen für einen Buch- oder Zwischenwertansatz nach § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG hinsichtlich der inländischen Wirtschaftsgüter der übertragenden Gesellschaft üblicherweise erfüllt.

1 Stimpel/Dötsch in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 89 „Fall 8“ (Stand: September 2022); Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 220 (Stand: Januar 2020). 2 So z.B. China (Art. 13 Abs. 4), Indien (Art. 13 Abs. 4), Mexiko (Art. 13 Abs. 3), Tschechien (Art. 13 Abs. 3) oder in Fällen von Immobiliengesellschaften z.B. Großbritannien (Art. 13 Abs. 2), Kanada (Art. 13 Abs. 4), Luxemburg (Art. 13 Abs. 2), Niederlande (Art. 13 Abs. 2), USA (Art. 13 Abs. 1 und 2 Buchst. b).

Beinert/Scheifele | 631

10.174

Kap. 10 Rz. 10.175 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

10.175 Keine Entstrickung. Das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich dieser Wirtschaftsgüter wird in der Regel nicht ausgeschlossen oder beschränkt (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG): – Im Hinblick auf inländisches Betriebsstättenvermögen sowie inländisches unbewegliches Vermögen behält Deutschland das vorrangige und abkommensrechtlich uneingeschränkte Besteuerungsrecht. Die Zuordnung der Wirtschaftsgüter zu einer inländischen Betriebsstätte ändert sich durch die Umwandlung nicht.1 Dies sollte grundsätzlich selbst dann gelten, wenn die Auslandsumwandlung grenzüberschreitend ist und sich das anwendbare DBA ändert; so verteilen z.B. die DBA mit allen EU-/EWR-Staaten die Besteuerungsrechte diesbezüglich entsprechend Art. 13 Abs. 1 und 2 OECD-MA.2 – Etwas anderes kann aber für inländische Beteiligungen gelten, wenn diese (ausnahmsweise) im Inland steuerverstrickt sind, weil Deutschland aufgrund einer von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA abweichenden DBA-Bestimmung mit dem Ansässigkeitsstaat der übertragenden Gesellschaft nicht von der Besteuerung ausgeschlossen ist (Rz. 10.188). Ist die ausländische Umwandlung grenzüberschreitend, weil übertragende und übernehmende Gesellschaft steuerlich in unterschiedlichen EU-/EWR-Staaten ansässig sind, ändert sich infolge der Umwandlung das anwendbare DBA. Liegt nach dem „neuen“ DBA das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Gewinne aus der Veräußerung der Beteiligungen nicht mehr bei Deutschland, sondern entsprechend Art. 13 Abs. 5 OECD-MA beim Ansässigkeitsstaat der übernehmenden Gesellschaft, wird das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen. Es besteht damit insoweit keine Möglichkeit zum Ansatz von Buchoder Zwischenwerten.3

10.176 Sicherstellung der Besteuerung. Soweit die inländischen Wirtschaftsgüter i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG in Deutschland steuerverstrickt bleiben, steht fest, dass ihre spätere Besteuerung mit Körperschaftsteuer sichergestellt ist (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Denn dann sind die in den Wirtschaftsgütern ruhenden stillen Reserven nach § 2 Nr. 1 KStG i.V.m. § 49 EStG steuerpflichtig. 10.177 Ausübung des Bewertungswahlrechts. Soweit in die steuerliche Schlussbilanz ausnahmsweise auch die ausländischen Wirtschaftsgüter der übertragenden Gesellschaft aufzunehmen sind (Rz. 10.186), ist das Bewertungswahlrecht nach § 11 Abs. 2 UmwStG für die inländischen und ausländischen Wirtschaftsgüter grundsätzlich einheitlich auszuüben (Rz. 10.102). Bei der Bewertung der ausländischen Wirtschaftsgüter besteht keine Bindung an den Wertansatz nach ausländischem Steuerrecht (Rz. 10.101). Die Voraussetzungen für einen Buch- oder Zwischenwertansatz nach § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG sind bei Auslandsumwandlungen grundsätzlich auch für 1 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.20 i.V.m. 11.09. 2 Vgl. die Übersicht bei Reimer in V/L7, Art. 13 OECD-MA Rz. 68 u. 93. 3 Die sonstigen Wirtschaftsgüter können aber mit ihren Buch- oder Zwischenwerten angesetzt werden; UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.13 i.V.m. 11.06.

632 | Beinert/Scheifele

E. Ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug | Rz. 10.180 Kap. 10

die ausländischen Wirtschaftsgüter erfüllt, weil bei der übernehmenden Gesellschaft jedenfalls die Besteuerung mit ausländischer Körperschaftsteuer sichergestellt sein sollte (Nr. 1) und in Ermangelung eines deutschen Besteuerungsrechts vor der Umwandlung auch keine Entstrickung eintreten kann (Nr. 2). Lösung zu Beispiel 19: Die deutsche Betriebsstätte sowie das in Deutschland belegene Grundstück sind in Deutschland steuerverstrickt. An der Beteiligung der A-SA an der T-GmbH steht Deutschland dagegen kein Besteuerungsrecht zu.

dd) Berücksichtigung ausländischer Steuern Die Bewertung der Wirtschaftsgüter der ausländischen übertragenden Gesellschaft in der steuerlichen Schlussbilanz ist unabhängig von der Bewertung nach ausländischem Recht (Rz. 10.95). Eine Buchwertfortführung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG ist auch dann möglich, wenn die stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern nach ausländischem Steuerrecht aufzudecken und zu besteuern sind.

10.178

Gefahr der Doppelbesteuerung. Wenn der ausländische Staat eine Doppelbesteuerung durch Anrechnung der deutschen Steuer vermeidet,1 kann es steuerplanerisch vorteilhaft sein, sich gegen eine Buchwertfortführung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG zu entscheiden. Denn sofern in Deutschland durch Fortführung der Buchwerte kein steuerpflichtiger Übertragungsgewinn entsteht, geht die Anrechnung im Ausland ins Leere. Wenn es dann bei einer späteren Veräußerung der (inländischen) Wirtschaftsgüter zur Besteuerung in Deutschland kommt, droht eine Doppelbesteuerung der stillen Reserven in Deutschland und im ausländischen Ansässigkeitsstaat der übertragenden Gesellschaft.

10.179

Anrechnung ausländischer Steuern. Unterliegt der Vermögensübergang im Ausland der Besteuerung und vermeidet der ausländische Staat eine Doppelbesteuerung nicht durch Anrechnung der deutschen Steuer, stellt sich die Frage nach der Anrechnung der ausländischen Steuer in Deutschland. Eine solche scheidet grundsätzlich aus. § 50 Abs. 3 EStG (i.V.m. § 34c Abs. 1 bis 3 EStG) ist nicht einschlägig, soweit die Einkünfte im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen (§ 50 Abs. 3 Halbs. 2 EStG). In diesem Fall obliegt es dem Ansässigkeitsstaat, die Doppelbesteuerung zu beheben.2 Eine Anrechnung nach § 50 Abs. 3 EStG kommt aber in Betracht, soweit stille Reserven im Vermögen einer deutschen Betriebsstätte der übertragenden Gesellschaft in einem anderen Staat als deren Ansässigkeitsstaat besteuert werden. Das ist z.B. der Fall, wenn zum Vermögen der deutschen Betriebsstätte die Beteiligung an einer Gesellschaft gehört, die in einem anderen Staat als dem Ansässigkeitsstaat der übertragenden Gesellschaft ansässig ist. Nach dem DBA zwischen diesem anderen Staat und dem Ansässigkeitsstaat der übertragenden Gesellschaft ist der andere Staat (abweichend von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA) zur Besteuerung befugt. Die im anderen Staat erhobene Steuer ist in Deutschland anrechenbar.

10.180

1 Beispiel: Die übertragende Gesellschaft ist in Zypern ansässig und unterhält eine deutsche Betriebsstätte (Art. 22 Abs. 3 DBA Zypern). 2 BT-Drucks. 8/3648, 22.

Beinert/Scheifele | 633

Kap. 10 Rz. 10.181 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

ee) Verstrickung

10.181 Ist die ausländische Umwandlung grenzüberschreitend, weil übertragende und übernehmende Gesellschaft steuerlich in unterschiedlichen Staaten ansässig sind, ändert sich infolge der Umwandlung das anwendbare DBA. Dies kann im Hinblick auf Beteiligungen, die die ausländische übertragende Gesellschaft an einer deutschen Gesellschaft hält, nicht nur zur einer Entstrickung i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG führen (Rz. 10.191), sondern umgekehrt auch erstmals eine beschränkte Steuerpflicht hinsichtlich dieser Beteiligung in Deutschland begründen (Verstrickung). Liegt das Besteuerungsrecht nach dem „neuen“ DBA hinsichtlich der Gewinne aus der Veräußerung einer Beteiligung nicht mehr beim Ansässigkeitsstaat der ausländischen übertragenden Gesellschaft, sondern abweichend von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA bei Deutschland, wird ein deutsches Besteuerungsrecht begründet. 10.182 Das ist z.B. der Fall, wenn eine österreichische A-GmbH, die 100 % der Anteile an einer deutschen C-GmbH hält, auf eine tschechische B-s.r.o. verschmolzen wird. Im Verhältnis zu Tschechien als dem Ansässigkeitsstaat des neuen Anteilseigners B-s.r.o. steht Deutschland hinsichtlich der Anteile an der C-GmbH erstmals das vorrangige Besteuerungsrecht zu (Art. 13 Abs. 3 DBA Tschechien). Auf die Bewertungsfragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, wird weiter unten eingegangen (Rz. 10.302 ff.). c) Übernehmende Gesellschaft aa) Rechtsgrundlage

10.183 Die steuerlichen Folgen für die (ausländische) übernehmende Gesellschaft ergeben sich aus § 12 UmwStG (ggf. i.V.m. § 15 UmwStG). bb) Ansatz der übergehenden Wirtschaftsgüter

10.184 Die (ausländische) übernehmende Gesellschaft hat die auf sie übergehenden inländischen Wirtschaftsgüter mit dem in der steuerlichen Schlussbilanz der (ausländischen) übertragenden Gesellschaft enthaltenen Wert zu übernehmen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 UmwStG). Da die ausländischen Wirtschaftsgüter der übertragenden Gesellschaft grundsätzlich nicht in die steuerliche Schlussbilanz aufzunehmen sind, läuft die Wertverknüpfung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 UmwStG insoweit ins Leere.1 Sind die ausländischen Wirtschaftsgüter dagegen ausnahmsweise in die Schlussbilanz einzubeziehen (Rz. 10.185 f.), gilt die Wertverknüpfung auch insoweit. 10.185 Hinsichtlich der Frage, wie Wirtschaftsgüter zu erfassen sind, die durch die Umwandlung erstmals in Deutschland steuerlich verstrickt werden, wird auf die Ausführungen weiter unten verwiesen (Rz. 10.302 ff.).

1 Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 221 (Stand: Januar 2020).

634 | Beinert/Scheifele

E. Ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug | Rz. 10.189 Kap. 10

cc) Übernahmegewinn/-verlust Bei Auslandsumwandlungen ist mangels inländischer Steuerpflicht in aller Regel kein Übernahmeergebnis i.S.v. § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG zu ermitteln. Etwas anderes gilt, wenn es sich bei der Auslandsumwandlung um eine Aufwärtsumwandlung1 handelt und die (ausländische) übernehmende Muttergesellschaft mit ihren Anteilen an der (ausländischen) übertragenden Gesellschaft in Deutschland steuerpflichtig ist. Dies ist der Fall, wenn die Anteile einer inländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), die Anteile umwandlungsgeboren sind oder auf sie § 17 Abs. 5 Satz 2 EStG anzuwenden war (Sitzverlegung) (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG). „Übergegangene Wirtschaftsgüter“ i.S.v. § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG sind dabei nicht nur die inländischen, sondern auch die ausländischen Wirtschaftsgüter der übertragenden Gesellschaft (Rz. 10.186). Ein etwaiger Übernahmegewinn unterliegt effektiv (untechnisch gesprochen) mit 5 % der Besteuerung (§ 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG i.V.m. § 8b Abs. 2 und 3 KStG) (Rz. 10.111).

10.186

dd) Steuerliche Rechtsnachfolge Die übernehmende Gesellschaft tritt hinsichtlich der inländischen Wirtschaftsgüter steuerlich in die Fußstapfen der übertragenden Gesellschaft (§ 12 Abs. 3 Halbs. 1 UmwStG). Verlust- oder Zinsvorträge aus den inländischen Einkünftequellen der übertragenden Gesellschaft gehen unter (§ 12 Abs. 3 Halbs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG).

10.187

d) Inländische/ausländische Anteilseigner Für die Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft ergeben sich keine Besonderheiten im Vergleich zu einer Auslandsverschmelzung, bei der kein inländisches Vermögen übergeht, weshalb auf eine Darstellung der Rechtsfolgen verzichtet wird.

10.188

IV. Außerhalb des Anwendungsbereichs des UmwStG 1. Rechtsgrundlage Auslandsumwandlungen, die nicht in den Anwendungsbereich des UmwStG fallen, sollten infolge der Globalisierung des persönlichen Anwendungsbereichs des UmwStG durch das KöMoG2 ab 2022 in der Praxis seltener auftreten. Vorkommen werden sie aber weiterhin, wenn sich die Auslandsumwandlung als nicht vergleichbar mit einer Umwandlung im Sinne des deutschen Umwandlungsgesetzes darstellt. Die Vergleichbarkeit der Vorgänge dürfte daher künftig vermehrt zu einem Streitpunkt mit der Finanzverwaltung werden.3

1 Nach unzutreffender Auffassung der Finanzverwaltung ist ein Übernahmeergebnis auch bei Abwärts- und Seitwärtsumwandlungen zu ermitteln; UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 12.05. 2 BGBl. I 2021, 2050. 3 Holle/Krüger/Weiss, IStR 2021, 489 (493): „Zankapfel“.

Beinert/Scheifele | 635

10.189

Kap. 10 Rz. 10.190 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

10.190 Da mit dem KöMoG auch § 12 Abs. 2 KStG gestrichen wurde, existieren – mit der möglichen Ausnahme des § 20 Abs. 4a EStG – keine speziellen gesetzlichen Regelungen mehr für Drittstaatenumwandlungen, auf welche das UmwStG keine Anwendung findet. Die ertragsteuerliche Behandlung solcher Auslandsumwandlungen richtet sich daher grundsätzlich nach den allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen (Rz. 10.114). 2. Inlandsbezug durch im Inland steuerverstrickte Anteile a) Inländischer Anteilseigner aa) Beispiel Beispiel 20: Die Drittstaatengesellschaft A-Ltd. soll auf die Drittstaatengesellschaft B-Inc. verschmolzen werden. Am Gesellschaftskapital der A-Ltd. ist unter anderem die deutsche M-GmbH (10 %) sowie als Kleinaktionär die deutsche natürliche Person X (< 1 %) beteiligt.

10.191 Für die inländischen Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft ergeben sich die Steuerfolgen der ausländischen Umwandlung entweder aus dem vorrangig anzuwendenden § 20 Abs. 4a EStG (Rz. 10.207 f.) oder nach allgemeinen Grundsätzen (Rz. 10.211 ff.). Außerdem ist bei einem inländischen Anteilseigner in Betracht zu ziehen, ob die Umwandlung bei ihm zu einer Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG führt (Rz. 10.170 ff.). bb) § 20 Abs. 4a EStG

10.192 Fraglich ist, ob sich die steuerlichen Folgen einer nicht in den Anwendungsbereich des UmwStG fallenden Drittstaatenumwandlung für inländische Kleingesellschafter (Rz. 10.138) aus § 20 Abs. 4a EStG ergeben. Zwar sollte die Sonderregelung für Abspaltungen in § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG nicht anwendbar sein, wenn auch das UmwStG nicht anwendbar ist, weil hierfür – ebenso wie nach § 1 Abs. 1 UmwStG – die Vergleichbarkeit mit einer Abspaltung nach § 123 Abs. 2 UmwG erforderlich sein soll (Rz. 10.139). Ob Entsprechendes für § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG gilt, ist zumindest nicht gesichert (Rz. 10.139). U.E. sollte sich allerdings – auch bei fehlender Vergleichbarkeit mit einer inländischen Umwandlung – die Steuerneutralität aus § 20 Abs. 4a

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E. Ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug | Rz. 10.196 Kap. 10

Satz 5 EStG ergeben, wenn die die Anteile gewährende Gesellschaft sowohl Sitz als auch Ort der Geschäftsleitung im Ausland hat. Lösung zu Beispiel 20: Die steuerliche Behandlung des X als Kleingesellschafter ergibt sich aus § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG, wenn man die Vorschrift nach u.E. zutreffender Auffassung auch auf Verschmelzungen anwendet, die nicht mit einer Verschmelzung i.S. des UmwG vergleichbar sind. Lehnt man eine Anwendung der Vorschrift für diesen Fall dagegen ab, so sollte sich die Steuerneutralität jedenfalls aus § 20 Abs. 4a Satz5 EStG ableiten lassen Demnach hat X zwingend die Anschaffungskosten der Anteile an der A-Ltd. in den Anteilen an der B-Inc. fortzuführen. Die Verschmelzung erfolgt für ihn steuerneutral. Zu den Steuerfolgen für die M-GmbH siehe unten (Rz. 10.211).

cc) Drittstaatenverschmelzung Für Anteilseigner, die keine Kleingesellschafter (Rz. 10.138) sind, richten sich die steuerlichen Folgen einer nicht in den Anwendungsbereich des UmwStG fallenden Umwandlung nach den allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen. Es kommt dabei darauf an, wie man eine solche Umwandlung ihrer Rechtsnatur nach beurteilt. Diskutiert wird die Behandlung als Veräußerung (tauschähnlicher Vorgang), als Sachausschüttung mit anschließender Einlage sowie als liquidationsähnlicher Vorgang mit anschließender Einlage (Rz. 10.114).

10.193

(1) Veräußerung (Tausch, tauschähnlicher Vorgang) Behandelt man die Umwandlung aus Sicht des inländischen Anteilseigners als Veräußerung seiner Anteile (Anteilstausch) an der (ausländischen) übertragenden Gesellschaft, so ist ein etwaiger Gewinn nach allgemeinen Grundsätzen zu besteuern (Rz. 10.128 f.). Das deutsche Besteuerungsrecht ist dabei in der Regel nicht durch DBA beschränkt (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA).1

10.194

(2) Sachausschüttung Sieht man die Umwandlung als Sachausschüttung des übertragenen Vermögens auf die Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft, ist für die steuerliche Behandlung der Anteilseigner zwischen einer Ausschüttung von Gewinnen (Einkunftssphäre) und einer Einlagenrückgewähr (Vermögenssphäre) zu unterscheiden.

10.195

Soweit die Sachausschüttung zu einer Einlagenrückgewähr führt, sind die entsprechenden Bezüge bei den Anteilseignern nicht als Gewinnausschüttungen zu besteuern. Wegen der Einzelheiten kann nach oben verwiesen werden (Rz. 10.131). Insoweit

10.196

1 Etwas anderes gilt z.B. bei Gesellschaften, die in folgenden Staaten ansässig sind: China (Art. 13 Abs. 4), Indien (Art. 13 Abs. 4), Mexiko (Art. 13 Abs. 3), Tschechien (Art. 13 Abs. 3) oder in Fällen von Immobiliengesellschaften z.B. in Großbritannien (Art. 13 Abs. 2), Kanada (Art. 13 Abs. 4), Luxemburg (Art. 13 Abs. 2), Niederlande (Art. 13 Abs. 2), USA (Art. 13 Abs. 1 u. 2 Buchst. b).

Beinert/Scheifele | 637

Kap. 10 Rz. 10.196 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

sind die – mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2023 auch für Drittstaatengesellschaften geltenden1 – Voraussetzungen des § 27 Abs. 8 KStG zu beachten.2

10.197 Soweit die Sachausschüttung als Gewinnausschüttung qualifiziert, ist sie beim inländischen Anteilseigner nach allgemeinen Grundsätzen zu besteuern (Rz. 10.132 f.). Beim gewerbesteuerpflichtigen Anteilseigner ist insoweit von Bedeutung, ob die Voraussetzungen des Schachtelprivilegs nach § 9 Nr. 7 bzw. Nr. 8 GewStG erfüllt sind. 10.198 Sieht man die Sachausschüttung als vGA, ist das materielle Korrespondenzprinzip zu beachten.3 Danach finden der Abgeltungsteuertarif für Privatpersonen sowie das Teileinkünfteverfahren bzw. die 95 %-Steuerbefreiung nur Anwendung, soweit die Ausschüttung das Einkommen der übertragenden Gesellschaft nicht gemindert hat (§ 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG, § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d Satz 2 EStG und § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG). Die Anwendung des Sondertarifs bzw. der Steuerbefreiungen könnte damit dann suspendiert sein, wenn die Umwandlung im Ausland steuerneutral ohne Gewinnrealisierung durchgeführt wird.4 Möglicherweise greift aber die Rückausnahme nach § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG (bzw. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d Satz 3 oder § 32d Abs. 2 Nr. 4 Halbs. 2 EStG).5 Danach kommt es ausnahmsweise nicht zur Suspendierung des Sondertarifs bzw. der Steuerbefreiungen, soweit die vGA das Einkommen einer dem Steuerpflichtigen nahestehenden Person erhöht hat und bei der nahestehenden Person § 32a KStG nicht anzuwenden ist. Wegen der erfolgsneutralen Verbuchung der Umwandlung beim übernehmenden Rechtsträger wird dessen Einkommen zwar auf den ersten Blick nicht erhöht. Zu einer Einkommenserhöhung kommt es aber im Fall einer späteren Veräußerung der erworbenen Wirtschaftsgüter durch die dann niedrigeren Buchwerte.6 Nach Sinn und Zweck der Ausnahmeregelungen, eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung zu vermeiden, ist dies zu berücksichtigen.7 Dem Steuerpflichtigen werden allerdings „Steine statt Brot“ gegeben, da es im Umfang des Untergangs/Verbrauchs des übergehenden Vermögens bei der Belastung bleibt.8 Es wäre geboten, dass der Gesetzgeber ausländische Umwandlungen von dem materiellen Korrespondenzprinzip ausdrücklich ausnimmt. Es wäre insoweit auch eine europarechtlich bedenkliche Diskriminierung, bei ausländischen Umwandlungen eine Zeitraumkongruenz zwischen der Einkommenserhöhung beim überneh1 2 3 4 5 6 7

8

Jahressteuergesetz 2022 (BGBl.I 2022, 2294). BMF v. 21.4.2022 – IV C 2 - S 2836/20/10001 :002 (2022/0364601), BStBl. I 2022, 647. Beinert/Benecke, FR 2010, 1120 (1129). § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG gilt auch für vGA von ausländischen Gesellschaften an unbeschränkt Steuerpflichtige, sofern die Auslandsgesellschaft nach einem Typenvergleich einer inländischen Körperschaft entspricht; vgl. Gosch in Gosch4, 2020, § 8b KStG Rz. 145. So Beinert in Beinert/Benecke, FR 2010, 1120 (1130). Beinert in Beinert/Benecke, FR 2010, 1120 (1130). Vgl. Becker/Schwarz, DB 2008, 370 (376); Becker/Loose, IStR 2010, 383 (386) (jeweils unter Hinweis darauf, dass dies nicht gesichert sei); Gosch in Gosch4, § 8b KStG Rz. 148g, 149e. (unter Hinweis auf die Durchsetzung der späteren steuerlichen Erfassung mittels § 175 AO); Schnitger/Rometzki, BB 2008, 1648 (1654). Zweifelnd wegen des Gesetzeswortlauts (das Einkommen „erhöht hat“) Pung in D/P/M, § 8b KStG Rz. 131 (Stand: September 2022); Frase, BB 2008, 2713 (2714). So zu Recht Dörfler/Adrian, Ubg 2008, 373 (382).

638 | Beinert/Scheifele

E. Ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug | Rz. 10.201 Kap. 10

menden Rechtsträger i.S. von § 8b Abs. 1 Satz 5 KStG durch Veräußerung der übernommenen Wirtschaftsgüter mit der Einkommensminderung i.S. des § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG zu verlangen. Unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung zum materiellen Korrespondenzprinzip, eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung zu vermeiden, sollte die Rückausnahme daher bereits bei einer abstrakten späteren Besteuerung im Drittstaat Anwendung finden.1 Ebenso wenig sollte einer Anwendung der Rückausnahme des § 8b Abs. 1 Satz 5 KStG entgegenstehen, wenn beim übernehmenden ausländischen Rechtsträger keine Veranlagung in Deutschland stattfindet, was voraussetzen würde, dass dieser im Inland steuerpflichtige Einkünfte erzielt, bei denen die inländische Steuerpflicht nicht durch Steuerabzug abgegolten ist.2 Kapitalertragsteuer. Das Vorliegen einer ausländischen Umwandlung schließt die Verpflichtung zum Einbehalt von Kapitalertragsteuer nicht aus. Auch ausländische Kapitalerträge i.S.v. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG3 unterliegen nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Abs. 3 Satz 4 EStG dem Steuerabzug. Da der deutsche Staat aber eine ausländische Gesellschaft nicht verpflichten kann, einen Steuerabzug vorzunehmen, bedarf es für den Einbehalt und die Abführung der Kapitalertragsteuer eines inländischen Entrichtungspflichtigen i.S.v. § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG.4 Bei ausländischen Kapitalerträgen i.S.v. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 EStG ist der Steuerabzug nicht vom Schuldner der Kapitalerträge, sondern von der Zahlstelle i.S.v. § 44 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG vorzunehmen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Anteile an der Gesellschaft bei einem inländischen Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut, einem inländischen Wertpapierhandelsunternehmen oder einer inländischen Wertpapierhandelsbank verwahrt werden und die Erträge durch diese ausgezahlt oder gutgeschrieben werden.

10.199

Vorausgesetzt, eine solche Verwahrung liegt vor, stellt sich weiter die Frage, ob es im Rahmen einer ausländischen Umwandlung zu einer Auszahlung oder einer Gutschrift kommt, da der Anteilseigner Anteile an der übernehmenden Gesellschaft erhält. In der Ausgabe der Anteile an der übernehmenden Gesellschaft durch die die Anteile an der übertragenden Gesellschaft verwahrende Stelle könnte eine Gutschrift gesehen werden.5

10.200

(3) Liquidationsauskehrung Sieht man die Umwandlung als liquidationsähnlichen Vorgang, ist der inländische Anteilseigner so zu besteuern, als ob er Liquidationsauskehrungen bezieht. Liquidationsauskehrungen teilen sich auf in Gewinnausschüttungen und eine Rückgewähr 1 Holle/Keilhoff, IStR 2017, 245 (249). A.A. Sejdija/Gaiser, DB 2020, 1697 (1699), die für die Anwendbarkeit des § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG die bloße rechtliche Möglichkeit der Besteuerung beim übernehmenden Rechtsträger als nicht ausreichend erachten, sondern eine tatsächliche Einkommenserhöhung fordern. 2 Holle/Keilhoff, IStR 2017, 245 (249). 3 Zum Begriff der ausländischen Kapitalerträge vgl. § 43a Abs. 3 EStG. 4 Graf/Paukstadt, FR 2011, 249 (259). 5 Vgl. Benecke/Schnitger, Ubg 2011, 1 (4).

Beinert/Scheifele | 639

10.201

Kap. 10 Rz. 10.201 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

von Einlagen. Insoweit kann grundsätzlich auf die obigen Ausführungen verwiesen werden (Rz. 10.134 ff.). Eine Einlagenrückgewähr dürfte aber auch hier in aller Regel mangels steuerlichen Einlagekontos ausscheiden (Rz. 10.215).

10.202 Hinsichtlich der Kapitalertragsteuer kann ebenfalls auf die obigen Ausführungen verwiesen werden (Rz. 10.218 f.). (4) Hinzurechnungsbesteuerung

10.203 Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden (Rz. 10.170 ff.). b) Ausländische Anteilseigner

10.204 Ob und inwieweit ausländische Anteilseigner im Falle einer ausländischen Umwandlung beschränkt steuerpflichtige Einkünfte erzielen, hängt grundlegend davon ab, wie die Umwandlung ihrer Rechtsnatur nach einzuordnen ist (Rz. 10.114). 10.205 Stellt die Umwandlung im Hinblick auf den Anteilseigner eine Veräußerung seiner Anteile dar (tauschähnlicher Vorgang), besteht eine beschränkte Steuerpflicht bei einer Auslandsumwandlung nur ausnahmsweise in den weiter oben beschriebenen Fallgruppen (Rz. 10.180). Da die Anteile in diesen Fallgruppen entweder einer deutschen Betriebsstätte zuzurechnen sind oder zu einer wesentlichen Beteiligung i.S.v. § 17 EStG gehören, scheidet eine Anwendung von § 20 Abs. 4a EStG aus (Rz. 10.138). Für den ausländischen Anteilseigner ist die Auslandsumwandlung damit nicht steuerneutral möglich. 10.206 Wertet man die Auslandumwandlung dagegen als Sachausschüttung oder Liquidationsauskehrung, teilen sich die Bezüge auf in Gewinnausschüttungen und ggf. eine Rückgewähr von Einlagen. Eine Einlagenrückgewähr kommt ab dem Veranlagungszeitraum 2023 bei Drittstaatengesellschaften allerdings ebenso wie für EU-Gesellschaften nur unter den Voraussetzungen des § 27 Abs. 8 KStG in Betracht. Gewinnausschüttungen sind nur dann beschränkt steuerpflichtig, wenn die Anteile einer deutschen Betriebsstätte zuzurechnen sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) oder die übertragende (ausländische) Gesellschaft eine doppelansässige Gesellschaft mit Geschäftsleitung im Ausland und satzungsmäßigem Sitz im Inland ist (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG). In diesen Fällen wird die Gewinnausschüttung beim ausländischen Anteilseigner nach allgemeinen Grundsätzen besteuert (Rz. 10.216 ff.). In Fällen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG sollte u.E. aber § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG Anwendung finden mit der Folge, dass keine Besteuerung stattfindet. 3. Inlandsbezug durch inländisches Vermögen a) Beispiel

10.207 Beispiel 21:

Die in einem Drittstaat ansässige A-Ltd. soll auf die im gleichen Drittstaat ansässige B-Ltd. verschmolzen werden. Zum Vermögen der A-Ltd. zählt eine Betriebsstätte in Deutschland.

640 | Beinert/Scheifele

E. Ausländische Umwandlung mit Inlandsbezug | Rz. 10.210 Kap. 10 Die Verschmelzung soll nicht mit einer Verschmelzung im Sinne des UmwG vergleichbar sein.

b) Übertragende Gesellschaft Die Steuerfolgen für die übertragende Gesellschaft ergeben sich nach Aufhebung von § 12 Abs. 2 KStG durch das KöMoG1 ausschließlich aus allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen (Rz. 10.236 ff.).

10.208

Gewinnrealisierung. Umwandlungen, die nicht in den Anwendungsbereich des UmwStG fallen, führen aufgrund des Rechtsträgerwechsels und des Fehlens einer Regelung, die den Vorgang steuerneutral ermöglicht, beim übertragenden Rechtsträger grundsätzlich zur Aufdeckung stiller Reserven bzw. Lasten in den übergehenden Wirtschaftsgütern.2 Dies gilt im Ergebnis unabhängig davon, ob man Umwandlungen außerhalb des Anwendungsbereichs des UmwStG ihrer Rechtsnatur nach als Veräußerung, Sachausschüttung oder liquidationsähnlichen Vorgang ansieht (Rz. 10.114 und 10.117).

10.209

Besteht das inländische Vermögen nicht aus Betriebsstättenvermögen, das unter § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu subsumieren ist, sondern aus nicht einer Betriebsstätte zugehörigen Grundstücken oder Beteiligungen, stellt sich im Hinblick auf die in Betracht kommenden Tatbestände einer beschränkten Steuerpflicht in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e sowie Buchst. f Doppelbuchst. bb EStG allerdings die Frage, ob die Auslandsumwandlung überhaupt tatbestandsmäßig ist. Dazu müsste sie als Veräußerung anzusehen sein. Das ist in den Fällen, in denen die Auslandsumwandlung aus Sicht der übertragenden Gesellschaft als Sachausschüttung oder liquidationsähnlicher Vorgang (und nicht als Veräußerung) anzusehen ist, jedenfalls nicht zweifelsfrei.3 Ob es in Fällen einer nicht in den Anwendungsbereich des UmwStG fallenden Drittstaatenumwandlung daher tatsächlich immer zur Besteuerung stiller Reserven im inländischen Vermögen kommt, steht daher nicht ohne Weiteres fest und dürfte von der Rechtsnatur des Umwandlungsvorgangs abhängen.

10.210

1 BGBl. I 2021, 2050. 2 Ritzer in R/H/vL3, 2019, Anh. 6 Rz. 61. 3 Vgl. Wassermeyer in FS Widmann, 2000, 621 (626 f. und 632 f.).

Beinert/Scheifele | 641

Kap. 10 Rz. 10.211 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

c) Übernehmende Gesellschaft

10.211 Zugangsbewertung. Hinsichtlich der Zugangsbewertung bei der übernehmenden Gesellschaft wird nach oben verwiesen (Rz. 10.121 f.). Mangels expliziter Anordnung im Gesetz dürfte keine Rechtsnachfolge anzunehmen sein. Daher ist z.B. die Restnutzungsdauer der übergehenden Wirtschaftsgüter für AfA-Zwecke neu zu schätzen.1 10.212 Aufwärtsverschmelzung. Handelt es sich um eine Aufwärtsverschmelzung, kann bei der übernehmenden Muttergesellschaft ein Übernahmeergebnis entstehen. Soweit die Anteile an der Tochtergesellschaft in Deutschland steuerverstrickt sind (etwa weil sie einer inländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind), handelt es sich um einen steuerpflichtigen Tausch der zum Buchwert übergehenden Wirtschaftsgüter gegen die untergehenden Anteile an der Tochtergesellschaft. Auf einen sich daraus ergebenden Gewinn ist § 8b KStG anzuwenden (Rz. 10.123). 10.213 Steuerliche Attribute. Verlustvorträge (§ 10d EStG) oder Zinsvorträge (§ 4h EStG, § 8a KStG), die den inländischen Einkunftsquellen der übertragenden Gesellschaft zuzurechnen sind, dürften auch ohne eine § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG entsprechende Regelung aufgrund der Personenbezogenheit von Verlusten untergehen.

F. Hinausumwandlung I. Begriff

10.214 Eine Hinausumwandlung ist eine grenzüberschreitende Umwandlung, bei der übertragender Rechtsträger eine inländische und übernehmender Rechtsträger eine ausländische Gesellschaft ist. Hierbei gilt es – neben der Art der Umwandlung – danach zu unterscheiden, ob die übernehmende Gesellschaft in einem EU-/EWR-Staat oder in einem Drittstaat ansässig ist. II. Entstrickung 1. Rechtsgrundlagen a) Entstrickungsregelungen

10.215 Umwandlungssteuerrechtliche Entstrickungsregelungen. Unter einer Entstrickung ist ein grenzüberschreitender Vorgang zu verstehen, durch den die stillen Reserven in einem Wirtschaftsgut der deutschen Besteuerungshoheit entzogen werden.2 Das UmwStG ermöglicht es, Umwandlungen durch antragsbezogenen Buchwertansatz ertragsteuerneutral durchzuführen. Ein solcher Besteuerungsaufschub ist aber nur gerechtfertigt, wenn die zukünftige Besteuerung der stillen Reserven gesichert ist. Die umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsregelungen lassen einen Buchwert-

1 Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 408 (Stand: März 2022). 2 Loschelder in Schmidt41 § 4 EStG Rz. 240; Kahle, StuB 2011, 903.

642 | Beinert/Scheifele

F. Hinausumwandlung | Rz. 10.219 Kap. 10

ansatz (oder einen Zwischenwertansatz) daher nur insoweit zu, als das Recht Deutschlands hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter bei der übernehmenden Gesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (vgl. z.B. für den Fall einer Verschmelzung § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts setzt voraus, dass vor der Umwandlung auch abkommensrechtlich ein deutsches Besteuerungsrecht an dem jeweiligen Wirtschaftsgut bestand, es sich also um inländische Wirtschaftsgüter handelt (Rz. 10.91).

10.216

Die Hinausumwandlung für sich ändert grundsätzlich nicht die abkommensrechtliche Zuordnung der Wirtschaftsgüter zu den in- oder ausländischen Betriebsstätten. Ein Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts liegt aber bei ausländischen Betriebsstätten vor, wenn Deutschland bislang das Besteuerungsrecht hatte, sei es, weil die Betriebsstätte in einem Land belegen ist, mit dem kein DBA besteht, sei es, weil zwar ein DBA besteht, Deutschland die ausländische Steuer aber nur anrechnen musste (Anrechnungsbetriebsstätte) oder eine DBA-Freistellung durch Treaty-override-Regelungen (wie § 20 Abs. 2 AStG oder § 50d Abs. 9 EStG) verdrängt wurde.

10.217

Allgemeine Entstrickungsregelungen. Neben den umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsregelungen wurden durch das SEStEG die allgemeinen Entstrickungsregelungen des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 Abs. 1 KStG in das Gesetz eingefügt (zur Historie dieser Vorschriften sowie der infolge der Aufgabe der finalen Entnahmetheorie durch den BFH entstandene Rechtsunsicherheit siehe Kapitel 11 Rz. 11.7 ff.).

10.218

Regelbeispiel. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 Abs. 1 KStG wurden durch das JStG 2010 um ein Regelbeispiel ergänzt, wonach ein Ausschluss oder eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts insbesondere dann vorliegt, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Nach Ansicht des FG Düsseldorf1 hat das Regelbeispiel die Rechtslage gesichert; die Revision ist allerdings anhängig2 (zum Meinungsstand siehe Kapitel 13 Rz. 13.26). Eine Ergänzung des UmwStG unterblieb. Nach Rz. 03.18 UmwSt-Erlass 2011 soll das Regelbeispiel in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG, § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG auch auf die umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsregelungen angewendet werden. Dies soll sich aus dem Verständnis der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsregelungen als lex specialis zu den allgemeinen Entstrickungsregelungen ergeben.3 Dem kann bereits deshalb nicht gefolgt werden, weil den umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsregelungen – anders als den allgemeinen

10.219

1 FG Düsseldorf v. 19.11.2015 – 8 K 3664/11 F, EFG 2016, 209. 2 Az. des BFH: I R 99/15. Das Verfahren wurde bis zur Entscheidung des BVerfG über das Normenkontrollersuchen des I. Senats vom 10.4.2013 ausgesetzt (Az. des BVerfG: 2 BvL 8/ 13). 3 Benecke in Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1012); Richter/Heyd, Ubg 2011, 172 (175); Mitschke, Ubg 2011, 328 (331 f.); Pohl, IWB 2012, 177 (181); Schell, FR 2012, 101 (105).

Beinert/Scheifele | 643

Kap. 10 Rz. 10.219 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

Entstrickungsregelungen – der Fall eines Rechtsträgerwechsels zugrunde liegt.1 Die Finanzverwaltung kann die nicht vorgenommene Ergänzung der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsregelungen um ein vergleichbares Regelbeispiel nicht wirksam im Erlasswege nachholen. Die Zweifel, ob angesichts der Aufgabe der finalen Entnahmetheorie durch den BFH die Entstrickungsregelungen nicht leerlaufen, bestehen daher jedenfalls im Anwendungsbereich des UmwStG fort.2 Je weiter man den Anwendungsbereich der „aktiven“ Entstrickung zieht und je enger den Anwendungsbereich der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickung, umso geringere Bedeutung hat dieses Thema.3

10.220 Die gegen ein Leerlaufen der umwandlungssteuerrechtlichen Entrickungsregelungen vorgebrachten Argumente überzeugen u.E. nicht. Den Überlegungen, dass – bei einem Rechtsträgerwechsel eine Entstrickung in der Natur der Sache liege;4 – die umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsregelungen auf dem gleichen Abkommensverständnis beruhen wie die allgemeinen Entstrickungsregelungen und deshalb im Wege der Auslegung das Regelbeispiel mit zu berücksichtigen sei;5 ist jeweils entgegenzuhalten, dass der Gesetzgeber des UmwStG (abschließend) allein auf Fälle des Ausschlusses und der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts an den übergehenden Wirtschaftsgütern abstellt, woran es nach der Aufgabe der finalen Entnahmetheorie durch den BFH aber gerade fehlt.

10.221 Die wesentlichen Unterschiede zwischen den umwandlungssteuerrechtlichen und den allgemeinen Entstrickungsregelungen werden im Folgenden überblicksartig dargestellt.6

1 Köhler, IStR 2010, 337 (343); Beinert in Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1012); Klingberg/ Nitzschke, Ubg 2011, 451 (453); Kutt/Carstens in FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011, 2012, 145; Girlich/Philipp, Ubg 2012, 150 (157 Fn. 102); Schell, FR 2012, 101 (105). Für ein Leerlaufen der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsregelungen auch Bärwaldt in H/M/B5, § 11 Rz. 50. 2 Zweifelnd auch Kraft/Ungemach, DStZ 2020, 440 (448); Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rn. 194 (Stand: Januar 2020). 3 Dies mag mit ein Grund dafür sein, weshalb die Entstrickung wegen (angeblicher) Zentralfunktion des Stammhauses von Teilen der Literatur als Anwendungsfall der „aktiven“ Entstrickung verstanden wird, s. Rz. 10.230. 4 Möhlenbrock/Werner/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 97 (Stand: Dezember 2021); vgl. auch Köhler, IStR 2010, 337 (343); Schaumburg, GmbHR 2010, 1341 (1343); Ungemach, Ubg 2011, 251 (261); Pyszka/Jüngling, BB-Special 1/2011, 4 (5); Ropohl/Sonntag in H/H3, § 11 UmwStG Rz. 159. 5 Richter/Heyd, Ubg 2011, 172 (175). Ähnlich (Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung) Mitschke, Ubg 2011, 328 (331). 6 Angelehnt an Eisgruber, Vortrag bei der 33. Kölner Steuerkonferenz, 2012.

644 | Beinert/Scheifele

F. Hinausumwandlung | Rz. 10.222 Kap. 10

Grundsatz

Allgemeine Entstrickungsregelungen

Umwandlungssteuerrechtliche Entstrickungsregelungen

Beschränkung oder Ausschluss des Rechts hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung oder Nutzung eines Wirtschaftsguts als Entnahme/Veräußerung oder Überlassung

Beschränkung oder Ausschluss des Rechts hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter

Kein Regelbeispiel Regelbeispiel Ausschluss oder Beschränkung liegt insbes. vor, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausl. Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnen ist Bewertung

Nur einzelne Wirtschaftsgüter inkl. selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter1 Gemeiner Wert

Übergehende Wirtschaftsgüter inkl. selbst geschaffener immaterieller Wirtschaftsgüter Gemeiner Wert Pensionsrückstellungen § 6a EStG

Milderung

§ 4g EStG (Streckung Gewinn über Sofortbesteuerung der in Deutsch5 Jahre)2 land steuerverhafteten stillen Reserven § 36 Abs. 5 EStG (Streckung der Steuerzahlung über 5 Jahre) Fiktive Betriebsaufgabe wegen Beschränkung/Ausschluss des Besteuerungsrechts bzgl. sämtlicher Wirtschaftsgüter (§ 16 Abs. 3a EStG) Zuordnung zu EU-/EWR-Betriebsstätte

b) Anwendung der Entstrickungsregelungen aa) Umwandlungssteuerrechtliche vs. aktive Entstrickung Nach wohl h.M. ist wie folgt zu differenzieren: Während die umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsregelungen die Entstrickung regeln, die unmittelbar durch die Hinausumwandlung eintritt (umwandlungssteuerrechtliche oder „passive“ Entstrickung), finden die allgemeinen Entstrickungsregelungen Anwendung, wenn die 1 Immaterielle Wirtschaftsgüter sind Wirtschaftsgüter i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG, auch wenn sie dort – abweichend z.B. zu § 3 Abs. 1 UmwStG – nicht ausdrücklich genannt werden. Zweifel bestehen hinsichtlich des Firmenwerts. Zum einen sollte er im Regelfall nicht zum Wirtschaftsgut erstarkt sein, zum anderen hat er keinen gemeinen Wert, sondern nur einen Teilwert. 2 Überarbeitet durch das ATAD-UmsG, Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2035.

Beinert/Scheifele | 645

10.222

Kap. 10 Rz. 10.222 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

Entstrickung nur anlässlich der Hinausumwandlung durch zusätzliche tatsächliche Maßnahmen der Steuerpflichtigen stattfindet („aktive“ oder „tatsächliche“ Entstrickung).1 Dies ist auch das Verständnis des UmwSt-Erlasses 2011 (Rz. 03.20). bb) Umwandlungssteuerrechtliche Entstrickung wegen Änderung des Steuerstatus

10.223 Zur umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickung gehört die Entstrickung, die schlicht durch den Wechsel von der unbeschränkten Steuerpflicht (der übertragenden Gesellschaft) zur beschränkten Steuerpflicht (der übernehmenden Gesellschaft) eintritt.2 Typisches Beispiel ist der dadurch eintretende Verlust des deutschen Besteuerungsrechts an den Wirtschaftsgütern einer ausländischen Anrechnungsbetriebsstätte.3 Es stellt sich die Frage, ob es auch die Fallgruppe gibt, dass ausnahmsweise keine inländische Betriebsstätte verbleibt. Für die Frage, ob eine inländische Betriebsstätte verbleibt, ist auf das jeweilige DBA, bei Fehlen eines DBA auf § 12 AO abzustellen.4 Maßgebend sind die Verhältnisse am steuerlichen Übertragungsstichtag (§ 2 Abs. 1 UmwStG). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass durch eine Hinausumwandlung eine inländische Betriebsstätte verbleibt, da zuvor eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte der übertragenden Gesellschaft i.S. von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA bestand, die u.E. erst dann nicht mehr besteht, wenn die Geschäftsleitung insoweit tatsächlich verlegt wird. Allein dieser Zeitpunkt kann Entstrickungszeitpunkt sein, nicht aber der Umwandlungsstichtag und auch nicht der Zeitpunkt der tatsächlichen Eintragung der Umwandlung.5 Dies gilt u.E. auch in den Ausnahmefällen, in denen es sich bei der inländischen Tätigkeit der übertragenden Gesellschaft nur – um eine Hilfstätigkeit i.S.v. Art. 5 Abs. 4 OECD-MA handelt (wie etwa die Beschaffung und Lagerung von Waren) oder – um eine reine (vermögensverwaltende) Holdingtätigkeit.6 1 Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1014); Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1961 (1963); Hruschka, StuB 2011, 540 (543); Pohl, IWB 2012, 177 (180). 2 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.19, 03.20. 3 Zu denken ist auch an deutsche Besteuerungsrechte aufgrund bilateraler Aktivitätsklauseln oder subject-to-tax-Klauseln (wie § 20 Abs. 2 AStG oder § 50d Abs. 9 EStG). Zu Details vgl. Desens in Musil/Weber-Grellet2, § 11 UmwStG Rz. 11, § 3 UmwStG Rz. 14. 4 Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 347 (Stand: März 2022). Der zweite Verweis auf § 12 KStG ergibt für uns keinen Sinn. 5 Zwar bestehen zwei selbständige Gesellschaften nur bis zum Eintragungszeitpunkt. Bis zur tatsächlichen Verlegung der Geschäftsleitung handelt es sich aber um einen Ausnahmefall, in dem eine Gesellschaft zwei Orte der Geschäftsleitung i.S.v. § 10 AO haben kann (vgl. BFH v. 15.10.1997 – I R 76/95, BFH/NV 1998, 434; BFH v. 5.11.2014 – IV R 30/11, BStBl. II 2015, 601). Soweit es abkommensrechtlich wegen der Tie Breaker Rule des jeweiligen DBA nur eine einzige Oberleitung gibt und sich diese im Ausland befindet, ist die Qualifikation als einzige Oberleitung u.E. ebenfalls eine Tatfrage, die daher nicht von der Umwandlung als solcher erfasst wird. 6 Anders insoweit mangels in Deutschland zurückbleibender Betriebsstätte Breuninger in FS Schaumburg, 587 (594 Fn. 22); Stimpel/Dötsch in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 77 (Stand:

646 | Beinert/Scheifele

F. Hinausumwandlung | Rz. 10.226 Kap. 10

Da nach der Rechtsprechung des BFH jedes Unternehmen (mindestens) einen Ort der Geschäftsleitung hat und sich dieser nach den tatsächlich ausgeübten Geschäftsleitungstätigkeiten bestimmt, besteht u.E. auch in diesen Ausnahmefällen eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte solange fort, bis die Geschäftsleitung dort tatsächlich aufgelöst wird. Es kommt daher am Umwandlungsstichtag zu keinem Zuordnungswechsel der Wirtschaftsgüter qua Hinausumwandlung, der den umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsregelungen unterfallen würde. cc) Aktive Entstrickung wegen geänderter Zuordnung von Wirtschaftsgütern (1) Zentralfunktion des Stammhauses? Verbleibt eine inländische Betriebsstätte, hängt die Frage nach einer Entstrickung maßgebend davon ab, welche Wirtschaftsgüter dieser Betriebsstätte zuzuordnen sind und welche ins Ausland abwandern. Problematisch sind nicht die materiellen Wirtschaftsgüter, deren Verbleib leicht geklärt werden kann, sondern das sog. ungebundene (neutrale) Vermögen, das nicht zwingend einer Betriebsstätte zuzuordnen ist.

10.224

Abkommmensrechtliche Zuordnung. Mit der Zuordnung von Wirtschaftsgütern ist u.E. die abkommensrechtliche Zuordnung gemeint, die aufgrund einer Funktionsund Risikoanalyse der betreffenden Unternehmenseinheiten vorzunehmen ist. Für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2012 beginnen, wurde der sog. „Authorized OECD Approach“ (AOA)1 in § 1 Abs. 5 und 6 AStG gesetzlich verankert. § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG ordnet „in einem ersten Schritt“ an, dass neben Chancen und Risiken sowie einem angemessenen Eigenkapital die Funktionen des Unternehmens, die durch ihr Personal ausgeübt werden (Personalfunktionen) sowie die Vermögenswerte des Unternehmens, die sie zur Ausübung der ihr zugeordneten Funktionen benötigt, der Betriebsstätte zuzuordnen sind. Das BMF wurde in § 1 Abs. 6 AStG ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrats, Einzelheiten per Rechtsverordnung zu regeln. Dieser Verordnungsermächtigung ist das BMF mit der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV) nachgekommen.2 Mit der BsGaV wurden in den §§ 5 ff. BsGaV erstmals Vorschriften zur Regelzuordnung für aktive Vermögenswerte geschaffen. Die neueren legislatorischen Entwicklungen machten auch eine Aktualisierung der Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze erforderlich, weshalb die Finanzverwaltung am 22. Dezember 2016 die Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung veröffentlichte (VWG BsGA).3

10.225

Zentralfunktion des Stammhauses. Die Finanzverwaltung scheint aber weiterhin der sog. Zentralfunktion des Stammhauses zuzuneigen, wonach es wegen des um-

10.226

September 2022); Girlich/Philipp, Ubg 2012, 150 (151); Schaumberger/Stößel, FR 2020, 1123 (1124 f.). 1 OECD, Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments v. 17.7.2008, Teil I Rz. 101 ff. 2 Die Regelungen der BsGaV kommen gemäß § 40 BsGaV für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2014 beginnen zur Anwendung. 3 BMF v. 22.2.2016 – IV B 5-S 1341/12/10001-03 (2016/1066571), BStBl. I 2017, 182, ergänzt durch BMF v. 17.12.2019 – IV B 5-S 1341/19/10010:003, BStBl. I 2020, 84.

Beinert/Scheifele | 647

Kap. 10 Rz. 10.226 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

wandlungsbedingten Entstehens eines ausländischen Stammhauses zu einer geänderten Zuordnung von Wirtschaftsgütern und deshalb zu einer Entstrickung kommen könnte. Im UmwSt-Erlass 2011 heißt es: – Eine grenzüberschreitende Umwandlung für sich ändert grundsätzlich nicht die abkommensrechtliche Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer in- oder ausländischen Betriebsstätte.1 – Für die Beurteilung der Frage, ob eine Änderung der Zuordnung vorliegt, sind die Grundsätze des sog. Betriebsstättenerlasses maßgebend.2 – Für die Prüfung des Ausschlusses oder der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts ist auf die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des steuerlichen Übertragungsstichtags abzustellen.3

10.227 Betriebsstättenerlass. Die relevanten Aussagen im Betriebsstättenerlass4 lassen sich thesenartig wie folgt zusammenfassen:5 – Im Hinblick auf Finanzmittel und Beteiligungen ist von der „Zentralfunktion des Stammhauses“ auszugehen. – Wirtschaftsgüter können nur entweder dem Stammhaus oder der Betriebsstätte zugeordnet werden. – Der Betriebsstätte sind die (positiven wie negativen) Wirtschaftsgüter zuzuordnen, die der Erfüllung der Betriebsstättenfunktion dienen. – Vor allem sind die Wirtschaftsgüter der Betriebsstätte zuzuordnen, die ausschließlich zur Verwertung und Nutzung durch die Betriebsstätte bestimmt sind oder aus denen Einkünfte erzielt werden, zu deren Erzielung die Tätigkeit der Betriebsstätte überwiegend beigetragen hat. – Maßgeblich für die Zuordnung der Wirtschaftsgüter zur Betriebsstätte sind die tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere: Struktur, Organisation, Aufgabenstellung der Betriebsstätte im Unternehmen. – Maßgeblich für die Zuordnung der Wirtschaftsgüter zur Betriebsstätte ist weiter der erkennbare Wille der Geschäftsführung, wobei der buchmäßige Ausweis als Indiz dient. – Eine Zuordnung zur Betriebsstätte scheidet aus, wenn das Wirtschaftsgut nur vorübergehend überlassen wird („mietähnlich“) oder durch mehrere Betriebsstätten genutzt wird. 1 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.20. 2 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.20. 3 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 02.15. 4 BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004 (2009/0421117), BStBl. I 2009, 888. 5 Übersicht angelehnt an Eisgruber, Vortrag bei der 33. Kölner Steuerkonferenz, 2012.

648 | Beinert/Scheifele

F. Hinausumwandlung | Rz. 10.229 Kap. 10

Stammhaus. Mit „Stammhaus“ ist der Ort der geschäftlichen Oberleitung gemeint. Das ist die Geschäftsleitungsbetriebsstätte, die Funktionen ausübt, die nicht nur einer Betriebsstätte zugutekommen, sondern dem gesamten Unternehmen.1 Hinter der Zentralfunktion des Stammhauses steht die Überlegung, dass dem Stammhaus und der dort angesiedelten geschäftlichen Oberleitung alle das Gesamtunternehmen betreffenden Wirtschaftsgüter zugeordnet werden, welche nicht allein einer Betriebsstätte zugeordnet werden können. Nach dem Betriebsstättenerlass sind dem Stammhaus grundsätzlich die dem Gesamtunternehmen dienenden Finanzmittel (nicht aber die von der Betriebsstätte erwirtschafteten überschüssigen Mittel) zuzuordnen und die Beteiligungen, soweit sie nicht den in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeiten dienen.2 Obwohl dies nicht mehr vom Wortlaut des Betriebsstättenerlasses gedeckt ist, sollen darüber hinaus auch immaterielle Wirtschaftsgüter, insbesondere der Geschäfts- oder Firmenwert sowie Patente, dem Stammhaus zugeordnet werden.3 Bei Anwendung der „Zentralfunktion des Stammhauses“ besteht die Gefahr, dass es bei einer Hinausumwandlung zu einer Aufdeckung der stillen Reserven in diesen Wirtschaftsgütern kommt, weil diese zwangsweise zum ausländischen Stammhaus abwandern.4

10.228

Dem Verweis in Rz. 2.2.4.1 des BMF-Schreibens vom 26.9.20145 auf Rz. 2.4 des BMF-Schreibens vom 24.12.1999 (Zentralfunktion des Stammhauses)6 sowie den Betriebsstättenerlass lässt sich entnehmen, dass die Zentralfunktion des Stammhauses nach Auffassung der Finanzverwaltung noch immer Anwendung finden soll. Zwar geht auch die Finanzverwaltung davon aus, dass trotz der Verlegung der geschäftlichen Oberleitung in das Ausland bestimmte betriebliche Einzelfunktionen (wie etwa die Finanzierungs- oder Lizenzgeberfunktion) bei der inländischen Betriebsstätte verbleiben können. Dafür bedarf es aber einer ausreichenden Dokumentation. Im Einzelfall kann es erforderlich werden, sich gegen eine pauschalierende Anwendung der Zentralfunktion des Stammhauses zu wehren. Wir meinen dem jüngsten Beschluss des BFH zu einer personallosen Betriebsstätte7 entnehmen zu können, dass der BFH der Zentralfunktionsthese nicht folgt.8

10.229

1 Vgl. u.a. Breuninger in FS Schaumburg, 587 (589 ff.); Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1015); Girlich/Philipp, Ubg 2012, 150 (151). 2 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.4. Bei Beteiligungen stellt sich die Frage, ob diese überhaupt entstrickt werden können, was dann nicht der Fall ist, wenn man wegen § 8b KStG von einem nationalen Verzicht Deutschlands auf sein Besteuerungsrecht ausgeht, das einer Entstrickung entgegensteht; s. Rz. 10.59; Ropohl/ Sonntag in H/H3, § 11 UmwStG Rz. 143 ff. 3 Dötsch/Pung, DB 2006, 2648 (2650); Middendorf/Strothenke, StuB 2012, 305 (310); Maier in S/R/S, § 3 Rz. H 3.49. 4 Middendorf/Strothenke, StuB 2012, 305 (311). 5 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, 1258. 6 BMF v. 23.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. 7 BFH v. 24.11.2021 – I B 44/21, BStBl. II 2022, 431. 8 Nach Gosch in Lüdicke, Praxis und Zukunft des deutschen Internationalen Steuerrechts, 2012, 182 lässt sich die vom Betriebsstättenerlass vorgesehene unbedingte Zentralfunktion mit den dort angeführten BFH-Urteilen nicht belegen.

Beinert/Scheifele | 649

Kap. 10 Rz. 10.230 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

(2) Umwandlungssteuerrechtliche oder aktive Entstrickung?

10.230 Wendete man entgegen unserer Auffassung die Zentralfunktion des Stammhauses bei der Hinausumwandlung an, soll es nach wohl überwiegender Ansicht zu einer zweistufigen Entstrickung kommen. Am steuerlichen Übertragungsstichtag kommt es zu keiner umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickung, da die Hinausumwandlung auch nach Auffassung der Finanzverwaltung keine Auswirkung auf die abkommensrechtliche Zuordnung der Wirtschaftsgüter hat. Im Zeitpunkt des Wirksamwerdens z.B. der Verschmelzung besteht eine inländische (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätte. Erst ab dem Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Verlegung sind die immateriellen Wirtschaftsgüter aufgrund der Zentralfunktion des Stammhauses dem (neuen) ausländischen Stammhaus zuzuordnen. Es kommt daher zu einer nachgelagerten aktiven Entstrickung beim übernehmenden Rechtsträger aufgrund von § 12 Abs. 1 KStG.1 Auf diesem Weg wird das Thema umgangen, dass die umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsregelungen möglicherweise leerlaufen, weil sie – anders als die allgemeinen Entstrickungsregelungen – nicht um ein Regelbeispiel ergänzt wurden. Zugleich findet § 4g EStG Anwendung, der nunmehr auch für beschränkt Steuerpflichtige gilt. Es gibt allerdings weiterhin Stimmen, die die Zentralfunktion des Stammhauses als Fallgruppe einer umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickung verstehen.2 dd) Weitere Fallgruppen einer aktiven Entstrickung

10.231 Weitere Fallgruppen einer aktiven Entstrickung sind vielfältig. Zu einer aktiven Entstrickung kommt es z.B. auch, wenn die übertragende Gesellschaft über eine ausländische Aktivität (z.B. ein Auslieferungslager) verfügt, das nicht als Betriebsstätte i.S. des DBA qualifiziert, so dass Deutschland das Besteuerungsrecht hat (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Wird diese Betriebsstätte im Zuge der Hinausumwandlung mit einer Betriebsstätte der übernehmenden Gesellschaft (z.B. einer Produktion) zusammengeführt, kommt es zur Entstrickung. U.E. ist diese Entstrickung nicht unmittelbar auf die Umwandlung zurückzuführen, sondern geschieht nur anlässlich derselben, so dass es sich um eine Fallgruppe der aktiven Entstrickung handelt, für die § 12 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4g EStG Anwendung findet.3 ee) Hinzurechnungsbesteuerung bei aktiver Entstrickung

10.232 Unklar ist, ob eine aktive Entstrickung noch zu den Einkünften gerechnet werden kann, die aus Umwandlungen zum Buchwert i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG stammen. 1 Desens in Musil/Weber-Grellet2, § 11 UmwStG Rz. 12, § 3 UmwStG Rz. 16 m.w.N; Bärwaldt in H/M/B5, § 11 UmwStG Rz. 50; Schmitt in S/H9, § 11 UmwStG Rz. 115 f.; Rödder in R/H/vL3, § 11 UmwStG Rz. 265 f. Vgl. auch Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht2, Internationale Umwandlungen Rz. 16.103. 2 van Lishaut in R/H/vL3, § 2 UmwStG Rz. 164 weist darauf hin, dass es umstritten sei, ob die Zentralfunktion eine „passive“ Entstrickung ist. Pohl in Micker/Pohl, BeckOK KStG, § 12 Rz. 148 (Stand: 1.7.2022) ordnet die Zentralfunktion als passive Entstrickung ein. 3 Ropohl/Sonntag in H/H3, § 11 UmwStG Rz. 309 f.

650 | Beinert/Scheifele

F. Hinausumwandlung | Rz. 10.235 Kap. 10

U.E. ist dies nicht der Fall. Eine aktive Entstrickung führt zu Einkünften, die allenfalls im Zusammenhang mit (bzw. anlässlich) einer Hinausumwandlung erzielt werden. Es liegen aber keine unmittelbaren umwandlungsbedingten Einkünfte vor. Von § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG erfasst werden lediglich Einkünfte, die aus Umwandlungen stammen. Ist dies nicht der Fall und behandelt das ausländische Steuerrecht die grenzüberschreitende Umwandlung insgesamt als steuerneutralen Vorgang, könnte eine Hinzurechnung eines fiktiven Entstrickungsgewinns die Folge sein.1 2. Europarechtskonformität der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsregelungen Eine grenzüberschreitende Umwandlung fällt unter den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV (ex-Art. 43 EG) und Art. 54 AEUV (exArt. 48 EG).2 Es stellt sich daher die Frage der Europarechtskonformität der Entstrickungsregelungen.

10.233

Stundungserfordernis. Zu der Frage der Wegzugsbesteuerung hat der EuGH im Urteil National Grid Indus3 entschieden, dass die Festsetzung der Steuer im Wegzugszeitpunkt zulässig, jedoch eine Stundung erforderlich ist (zum EuGH-Urteil siehe Kapitel 13 Rz. 13.17, Rz. 13.121 ff.). Der EuGH gestattet die Verzinsung der geschuldeten Steuer sowie das Verlangen von Sicherheitsleistungen und stellt sich damit gegen die Erwägungen, die den Gesetzgeber bewogen haben, von einer Steuerstundung abzusehen.4 Im Betriebsstättenerlass5 sowie in § 4g Abs. 2 EStG waren/sind Stundungsregeln vorgesehen, sodass ein (völliger) Verzicht auf Stundungsregelungen nicht mit Hinweis auf eine fehlende Administrierbarkeit gerechtfertigt werden kann.6

10.234

Praxishinweis. In der Praxis kann eine Anwendung der Stundungsregelung des § 4g EStG ggf. dadurch erreicht werden, dass vor der Umwandlung die relevanten Wirtschaftsgüter, also die Wirtschaftsgüter, die umwandlungsbedingt (passiv) entstrickt werden, auf eine ausländische Betriebsstätte übertragen werden. Dies unterfällt bei der übertragenden Gesellschaft § 4 Abs. 1 Sätze 3, 4 EStG, § 12 Abs. 1 KStG. Ein Gestaltungsmissbrauch i.S.v. § 42 AO liegt darin nicht.7

10.235

1 Käbisch/Bunzeck, IWB 2011, 392 (395). 2 EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-411/03 – SEVIC Systems AG; Ropohl/Sonntag in H/H3, § 11 UmwStG Rz. 163. 3 EuGH v. 29.11.2011 – Rs. C-371/10 – National Grid Indus BV, FR 2012, 25, IStR 2012, 27. 4 BT-Drucks. 16/2710, 26 f. 5 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.6.1. 6 UmwStG eKommentar, § 11 UmwStG Rz. 34 (Stand: 31.3.2022); Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 250 (Stand: Januar 2020); Rödder in R/H/vL3, § 11 UmwStG Rz. 286; vgl. auch Möhlenbrock/Werner/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 90 (Stand: Juni 2018). Vgl. auch Desens, FR 2022, 681 (688) (sofern der Rechtsträger, der die Entstrickungssteuer schuldet durch die Umwandlung nicht untergeht). 7 Dies offenlassend Ropohl/Sonntag in H/H3, § 11 UmwStG Rz. 164. § 42 AO wird nicht problematisiert von Maier in S/R/S, § 3 Rz. H 3.45.

Beinert/Scheifele | 651

Kap. 10 Rz. 10.237 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

3. Umwandlungssteuerrechtliche („passive“) Entstrickung a) Beispiele

10.236 Beispiel 22:

Die inländische A-GmbH hat eine Betriebsstätte in Monaco. Die A-GmbH wird auf die niederländische B-B.V. verschmolzen. Abwandlung: Die Betriebsstätte liegt in Zypern.

Beispiel 23:1 Die inländische A-GmbH hält eine in Deutschland belegene Immobilie. Die A-GmbH wird auf die niederländische B-B.V. verschmolzen.

1 Nach Kraft, IStR 2012, 528.

652 | Beinert/Scheifele

F. Hinausumwandlung | Rz. 10.237 Kap. 10 Beispiel 24: Die inländische A-GmbH ist an einer Tochtergesellschaft in Cayman Islands beteiligt (CCorp.), die die Konzernfinanzierung übernommen hat. Die A-GmbH wird auf die niederländische B-B.V. verschmolzen.

Es gibt insbesondere folgende Anwendungsfälle einer umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickung: – Nach dem Umwandlungsvorgang verbleibt keine inländische Betriebsstätte.1 Diese Fallgruppe sollte u.E. wegen der (erst einmal fortbestehenden) Geschäftsleitungsbetriebsstätte der übertragenden Gesellschaft allerdings nicht existieren, da diese bis zur tatsächlichen Verlagerung bzw. Auflösung fortbesteht (Rz. 10.223). – Die übertragende Gesellschaft unterhält eine ausländische Betriebsstätte in einem Nicht-DBA-Staat oder in einem DBA-Staat mit Anrechnungsmethode. – Die übertragende Gesellschaft unterhält eine ausländische Betriebsstätte in einem DBA-Staat mit Freistellungsmethode, aufgrund einer Ausnahmeregelung (Rz. 10.88) (z.B. ein Aktivitätsvorbehalt im DBA oder Treaty-override-Regelungen wie § 20 Abs. 2 AStG oder § 50d Abs. 9 EStG) hat Deutschland aber ausnahmsweise das Besteuerungsrecht (ggf. unter Anrechnung ausländischer Steuern), das entfällt. – Die übertragende Gesellschaft hat der übernehmenden Gesellschaft produktive Wirtschaftsgüter zur dauernden Nutzung überlassen.2 – Bei einer Abwärtsverschmelzung einer inländischen Muttergesellschaft mit ausländischen Anteilseignern auf ihre inländische Tochtergesellschaft (Rz. 10.54). 1 Breuninger in FS Schaumburg, 587 (594 Fn. 22); Stimpel/Dötsch in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 77 (Stand: September 2022); Girlich/Philipp, Ubg 2012, 150 (155). 2 Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1012); Stimpel/Dötsch in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 77 (Stand: September 2022).

Beinert/Scheifele | 653

10.237

Kap. 10 Rz. 10.238 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

b) Zu einzelnen Fallgruppen aa) Ausländische Betriebsstätte in einem Nicht-DBA-Staat/DBA-Staat mit Anrechnungsmethode

10.238 Lösung zu Beispiel 22:

Vor der Verschmelzung war die A-GmbH in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Deutschland stand aufgrund eines fehlenden DBA ein Besteuerungsrecht auch an den stillen Reserven der Wirtschaftsgüter der Betriebsstätte in Monaco zu. Durch die Verschmelzung entfällt dieses Besteuerungsrecht, weil danach lediglich eine beschränkte Steuerpflicht der B-B.V. bezüglich der deutschen Betriebsstätte besteht, nicht aber bezüglich der Betriebsstätte in Monaco. Lösung zu Beispiel 22, Abwandlung: Vor der Verschmelzung stand Deutschland das Besteuerungsrecht an den Wirtschaftsgütern der Betriebsstätte in Zypern zu (Anrechnungsmethode, Art. 13 und Art. 22 Abs. 1 DBA Zypern). Das Besteuerungsrecht entfällt durch die Verschmelzung. Übte Zypern sein Besteuerungsrecht für den auf die zypriotische Betriebsstätte entfallenden Veräußerungsgewinn aus, wäre eine entsprechende zypriotische Steuer nach Maßgabe des § 26 KStG i.V.m. § 34c EStG auf die deutsche Steuer anzurechnen.1 Wird der Vorgang in Zypern erfolgsneutral ausgestaltet, ist § 11 Abs. 3 i.V.m. § 3 Abs. 3 UmwStG zu beachten: Es hat eine Anrechnung der fiktiven ausländischen Steuer mit dem Betrag zu erfolgen, der erhoben worden wäre, wenn das übergehende Vermögen zum Zeitpunkt der Übertragung zum gemeinen Wert veräußert worden wäre. Nach Rz. 11.13 i.V.m. Rz. 03.31 und 03.32 UmwSt-Erlass 2011 ist regelmäßig ein Auskunftsersuchen nach § 117 AO erforderlich. Warum ein solches Auskunftsersuchen gestellt werden muss und was dessen Gegenstand ist, wenn der Steuerpflichtige alle erforderlichen Informationen zur Verfügung stellt bzw. stellen muss, wird nicht deutlich.2

bb) Keine Entstrickung bei Wegfall der Gewerbesteuer Lösung zu Beispiel 23: Das reine Halten von Immobilienvermögen begründet keine Betriebsstätte. Grundsätzlich bleibt solches Immobilienvermögen wegen § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG und Art. 6 OECD-MA auch nach der Umwandlung in Deutschland für Körperschaftsteuerzwecke steuerverhaftet, weshalb die h.M. von keiner Entstrickung ausgeht.3 Teile des Schrifttums bezweifeln allerdings, dass das deutsche Besteuerungsrecht gesichert bleibt, da § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG nur den Veräußerungsfall, nicht hingegen Veräußerungsersatztatbestände (wie z.B. die Auflösung der übernehmenden Gesellschaft) erfasse.4

10.239 Dass das Immobilienvermögen nach der Umwandlung nicht mehr der Gewerbesteuer unterliegt, steht der Ertragsteuerneutralität eines Umwandlungsvorgangs nicht entgegen (Rz. 3.17, 3.18 UmwSt-Erlass 2011).5 1 Schmitt in S/H9, § 11 UmwStG Rz. 157; Rödder in R/H/vL3, § 11 UmwStG Rz. 420; Schell, FR 2012, 101 (107). 2 Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (455). 3 Junior in F/D, § 11 UmwStG Rz. 135b (Stand: November 2021). Vgl. auch Mertgen in H/ M/B5, § 3 UmwStG Rz. 111. 4 Vgl. Möhlenbrock/Werner/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 83 (Stand: Dezember 2021), 106 (Stand: Juni 2019). 5 Schmitt in S/H9, § 11 UmwStG Rz. 106; Rödder in R/H/vL3, § 11 UmwStG Rz. 268; vgl. auch Möhlenbrock/Werner/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 98 (Stand: Dezember 2021).

654 | Beinert/Scheifele

F. Hinausumwandlung | Rz. 10.241 Kap. 10

cc) Keine Entstrickung bei Wegfall der Hinzurechnungsbesteuerung Lösung zu Beispiel 24: Zwar entfällt mit der A-GmbH die unbeschränkt steuerpflichtige Person als Subjekt der Hinzurechnungsbesteuerung, sodass etwaige Gewinne nicht mehr der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen. Dies ist aber unschädlich. Der Wegfall der Voraussetzungen für eine Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG wird von den Entstrickungsregelungen nicht erfasst.1 Die Entstrickungsregelungen setzen voraus, dass der Verlust des deutschen Besteuerungsrechts auf abkommensrechtlichen Regeln beruht.2

10.240

4. Aktive Entstrickung Beispiel 25: Die operativ tätige, inländische A-GmbH wird auf ihre niederländische Muttergesellschaft MB.V. verschmolzen. Sie hält Beteiligungen an Vertriebsgesellschaften sowie Finanzanlagebeteiligungen. Es kommt zu erheblichen personellen Verlagerungen ins Ausland.

1 Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 191 (Stand: Januar 2020); vgl. auch Desens in Musil/ Weber-Grellet5, § 3 UmwStG Rz. 14; Mertgen in H/M/B5, § 3 UmwStG Rz. 119; Möhlenbrock/Werner/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 96 (Stand: Dezember 2021); Maier in S/R/ S, § 3 H 3.46. Zum Ausschluss der Hinzurechnungsbesteuerung bei § 4 EStG, § 12 KStG Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 102, 312 (Stand: März 2022). Zweifelnd Schaflitzl/ Widmayer, BB-Special 8/2006, 36 (41). 2 Ropohl/Sonntag in H/H3, § 11 UmwStG Rz. 121.

Beinert/Scheifele | 655

10.241

Kap. 10 Rz. 10.242 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

10.242 Während die umwandlungssteuerrechtliche Entstrickung von § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG erfasst wird, ist die aktive, also die von zusätzlichen Maßnahmen des Steuerpflichtigen abhängige Entstrickung Regelungsgegenstand der allgemeinen Entstrickungsregelungen (§ 4 Abs. 1 Sätze 3, 4 EStG, § 12 Abs. 1 KStG).1 Lösung zu Beispiel 25: Durch die grenzüberschreitende Verschmelzung der A-GmbH kommt es zwangsläufig zu einer organisatorischen Veränderung; die Geschäftsführer der A-GmbH werden Leiter der deutschen Zweigniederlassung. U.E. führt dies zu keiner Abwanderung von Wirtschaftsgütern, die Zentralfunktionsthese des Stammhauses ist abzulehnen (Rz. 10.260 ff.). Werden allerdings die für die Verwaltung der Beteiligungen zuständigen Personen ins Ausland versetzt, kommt es zur aktiven Entstrickung. In diesem Fall findet § 4g EStG Anwendung.

10.243 Es stellt sich die Frage, wie die Zuordnung der Wirtschaftsgüter gesichert werden kann. In Betracht kommt ggf. die Einholung einer verbindlichen Auskunft der ausländischen Finanzbehörden, wonach das alleinige Besteuerungsrecht Deutschlands bezüglich der relevanten Wirtschaftsgüter anerkannt wird, und darauf aufbauend eine verbindliche Auskunft der deutschen Steuerbehörden, dass keine Entstrickungsbesteuerung vorzunehmen ist, da der ausländische Staat kein (konkurrierendes) Besteuerungsrecht bezüglich der Wirtschaftsgüter anstrebt und damit für Deutschland kein relevantes Risiko des Verlusts eines Besteuerungsrechts besteht. III. Hinausverschmelzung 1. Hinausverschmelzung in EU-/EWR-Raum a) Beispiel

10.244 Beispiel 26:

Die inländische A-GmbH gehört zum international tätigen A-Konzern. Zur Reduzierung der Anzahl der Gesellschaften und zur Vereinfachung der Konzernstruktur soll die A-GmbH auf ihre niederländische Schwestergesellschaft B-B.V. verschmolzen werden. Die luxemburgische M-Sàrl hält jeweils alle Anteile an der A-GmbH und der B-B.V.2

1 U.E. liegt kein Fall des § 16 Abs. 3a EStG (Ausschluss oder Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich sämtlicher Wirtschaftsgüter des Betriebs oder Teilbetriebs) vor; siehe Brinkmann/Reiter, DB 2012, 16 (17); Girlich/Philipp, Ubg 2012, 150 (155 Fn. 79). 2 Dem Beispiel von Käbisch/Bunzeck, IWB 2011, 392 ff. nachgebildet.

656 | Beinert/Scheifele

F. Hinausumwandlung | Rz. 10.248 Kap. 10

b) Anwendungsbereich des UmwStG UmwStG. Der Anwendungsbereich des UmwStG ist eröffnet, wenn es sich um eine Verschmelzung i.S. des UmwG oder einen vergleichbaren ausländischen Vorgang handelt.

10.245

Ergänzung und Modifizierung des UmwG. Mit der „Richtlinie (EU) 2019/2121 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 27.11.2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen“ hat der EU-Gesetzgeber die Grundlage für einen einheitlichen Rechtsrahmen für grenzüberschreitende Umwandlungsvorhaben geschaffen. Die Vorgaben der Umwandlungs-RL waren bis zum 31.1.2023 in nationales Recht umzusetzen. Kern des Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie1 ist ein neues sechstes Buch („Grenzüberschreitende Umwandlung“). §§ 122a ff. UmwG a.F. zur grenzüberschreitenden Verschmelzung wurden §§ 305 ff. UmwG.

10.246

Verschmelzungen nach §§ 305 ff. UmwG. Grenzüberschreitende Verschmelzungen i.S.v. §§ 122a ff. UmwG a.F., also Verschmelzungen, bei denen mindestens eine der beteiligten Gesellschaften dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der EU bzw. des EWR-Raums unterliegt, zählt die Finanzverwaltung zu den ausländischen Vorgängen, die „grundsätzlich“ einer Verschmelzung i.S.v. § 2 UmwG vergleichbar sind (Rz. 10.10). Unklar bleibt, wann die Finanzverwaltung in eine vertiefte Prüfung einsteigen will. Für §§ 305 ff. UmwG gilt u.E. nichts anderes.

10.247

Nach u.E. zutreffender Literaturauffassung (zu §§ 305 ff. UmwG) wird eine grenzüberschreitende Verschmelzung dagegen ohne Weiteres von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1

10.248

1 V. 22.2.2023, BGBl. I 2023 Nr. 51 v. 28.2.2023.

Beinert/Scheifele | 657

Kap. 10 Rz. 10.248 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

UmwStG erfasst.1 §§ 305 ff. UmwG (§§ 305 ff. UmwG) ist lediglich deshalb nicht ausdrücklich in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG genannt, weil diese Vorschrift im Zeitpunkt des SEStEG noch nicht in das UmwG eingefügt war. Eine Prüfungskompetenz der inländischen Finanzverwaltung wäre zudem europarechtlich bedenklich, da Verschmelzungen i.S.v. §§ 305 ff. UmwG ihre Grundlage in der Verschmelzungsrichtlinie haben. In der Praxis wird man sich aber an der Verwaltungsauffassung orientieren. c) Übertragende Gesellschaft

10.249 Lösung zu Beispiel 26:

Die A-GmbH hat die übergehenden Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz anzusetzen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 UmwStG).2 Grundsätzlich sind die gemeinen Werte anzusetzen, wobei der Übertragungsgewinn grundsätzlich in Deutschland steuerpflichtig ist.3 Unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 UmwStG besteht ein antragsgebundenes Wahlrecht, die übergehenden Wirtschaftsgüter statt mit dem gemeinen Wert mit dem Buchwert oder einem Zwischenwert anzusetzen (Rz. 10.101 ff.). Voraussetzung ist u.a., dass das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich eines Gewinns aus der Veräußerung der übergehenden Wirtschaftsgüter bei der übernehmenden Gesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG).4

d) Übernehmende Gesellschaft

10.250 Ausländisches Steuerrecht. Die steuerlichen Folgen einer Hinausverschmelzung bestimmen sich auf der Ebene der übernehmenden Gesellschaft grundsätzlich nach ausländischem Steuerrecht. Soweit die Wirtschaftsgüter allerdings im Inland steuerverstrickt bleiben, etwa weil sie einer inländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind, hat die übernehmende Gesellschaft nach § 12 Abs. 1 UmwStG die Wertansätze aus der steuerlichen Schlussbilanz zu übernehmen. 10.251 Übernahmegewinn. Ein in Deutschland steuerpflichtiger Übernahmegewinn i.S.v. § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG könnte u.E. ausnahmsweise entstehen, wenn eine deutsche Gesellschaft auf ihre ausländische Muttergesellschaft verschmolzen wird und Deutschland ausnahmsweise das Besteuerungsrecht hat, weil kein DBA besteht oder abweichend von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA das betroffene DBA Deutschland als Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft das Besteuerungsrecht zuweist. Zudem ist ein Über1 Desens in Musil/Weber-Grellet2, § 11 UmwStG Rz. 19 (zur grenzüberschreitenden Abwärtsverschmelzung); Maetz in W/M, § 1 UmwStG Rz. 33 (Stand: Mai 2020); Graw in R/ H/vL3, § 1 UmwStG Rz. 35 f.; Hörtnagl in S/H9, § 1 UmwStG Rz. 27; wohl auch Dötsch in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 6 (Stand: August 2014). A.A. Möhlenbrock/Werner in D/P/M, § 1 UmwStG Rz. 22 (Stand: Dezember 2015); Benecke, GmbHR 2012, 113 (114). 2 Zur Frage des Ansatzes auch der ausländischen Wirtschaftsgüter siehe Rz. 10.92. Zur Bewertung einer inländischen Holdinggesellschaft bei grenzüberschreitender Verschmelzung FG Hess. v. 2.12.2021 – 4 K 130/20, EFG 2022, 293 – Rev. I R 51/21. 3 Zur Anrechnung tatsächlich gezahlter ausländischer Steuern siehe Rz. 10.107. Zur Möglichkeit der Anrechnung fiktiver ausländischer Steuer siehe Rz. 10.99. 4 Zur umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickung siehe Rz. 10.247 ff.

658 | Beinert/Scheifele

F. Hinausumwandlung | Rz. 10.254 Kap. 10

nahmefolgegewinn i.S.v. § 12 Abs. 4 UmwStG möglich, der wie laufender Gewinn, auch im Fall der Bildung von steuerfreien Rücklagen, zu besteuern ist.1 Steuerliches Einlagekonto. Ein steuerliches Einlagekonto ist für die übernehmende Gesellschaft nicht festzustellen. Nimmt die übernehmende Gesellschaft Ausschüttungen an ihre inländischen Anteilseigner vor, kann gem. § 27 Abs. 8 KStG eine Leistung aus dem steuerlichen Einlagekonto auf Antrag festgestellt werden. Der Antrag ist nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck bis zum Ende des Kalenderjahres zu stellen, das auf das Kalenderjahr der Leistung folgt. Es empfiehlt sich, den Bestand des Einlagekontos der übernehmenden Gesellschaft in einer Schattenrechnung festzuhalten.2

10.252

Kapitaleinkünfte. Im Schrifttum wird die Frage erörtert, ob die Hinausverschmelzung § 12 Abs. 5 Satz 1 UmwStG unterfällt. Nach § 12 Abs. 5 Satz 1 UmwStG führt ein Vermögensübergang in den nicht steuerpflichtigen oder steuerbefreiten Bereich der übernehmenden Körperschaft zu Kapitaleinkünften, wenn und soweit das in der Steuerbilanz ausgewiesene Eigenkapital der übertragenden Gesellschaft den Bestand des steuerlichen Einlagekontos übersteigt. Für diese Bezüge muss die übernehmende Gesellschaft als Gesamtrechtsnachfolgerin der übertragenden Gesellschaft Kapitalertragsteuer einbehalten (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG), da § 44a EStG dafür keine Ausnahme vorsieht. § 12 Abs. 5 Satz 1 UmwStG greift kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung aber nur bei Körperschaften, die nicht steuerpflichtig oder die teilweise steuerbefreit sind und bei denen das Vermögen in den steuerbefreiten Bereich übergeht. Die Regelung erfasst daher nicht Hinausverschmelzungen auf Rechtsträger, die wegen ihrer Ansässigkeit im Ausland insgesamt (und nicht nur bereichsweise) nicht der Körperschaftsteuer unterliegen.3 Dem folgt auch die Finanzverwaltung. Es gibt allerdings Stimmen, die wegen einer Besteuerungslücke eine gesetzgeberische Reaktion fordern. Die Besteuerungslücke wird in den (wenigen) Fällen gesehen, in denen bei einer Ausschüttung der übertragenden Gesellschaft an die übernehmende (Mutter-)Gesellschaft nach § 50d Abs. 3 EStG ein deutsches Quellenbesteuerungsrecht besteht, das durch die Verschmelzung untergeht.4

10.253

e) Inländische/ausländische Anteilseigner Die Steuerfolgen für die in Deutschland steuerverstrickten Anteile (also im Falle eines unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners bzw. eines beschränkt steuerpflich1 Klingberg in Brandis/Heuermann, § 12 UmwStG 2006 Rz. 63 (Stand: November 2020). 2 Figna/Fürstenau, BB-Special 1/2010, 12 (16). Vgl. auch Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 261 (Stand: Januar 2020). Aus dem Sinnzusammenhang der §§ 27 Abs. 8, 29 Abs. 1 KStG sowie der Gesamtrechtsnachfolge ist zu schließen, dass das steuerliche Einlagekonto übergeht. 3 Junior in F/D, § 12 UmwStG Rz. 135 (Stand: Januar 2022); Stimpel/Dötsch in D/P/M, § 12 UmwStG Rz. 86 (Stand: März 2021); Schmitt in S/H9, § 12 UmwStG Rz. 102; Rödder in R/ H/vL3, § 12 UmwStG Rz. 359; Schießl in W/M, § 12 UmwStG Rz. 817 ff. (Stand: Oktober 2013) sowie ausführlich Herbort/Schenke, IStR 2016, 567. 4 Stimpel/Dötsch in D/P/M, § 12 UmwStG Rz. 86 (Stand: März 2021).

Beinert/Scheifele | 659

10.254

Kap. 10 Rz. 10.254 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

tigen Anteilseigners; s. Rz. 10.153) an der übertragenden Gesellschaft ergeben sich entweder aus dem vorrangig anzuwendenden § 20 Abs. 4a EStG oder aus § 13 UmwStG (Rz. 10.112, 10.160 ff., 10.163 ff.).

10.255 Steuerneutralität. Unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Satz 1 UmwStG ist die Umwandlung auf Antrag des Anteilseigners steuerneutral. Dies setzt voraus, dass entweder (i) das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Gesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (Nr. 1) oder (ii) auf die Umwandlung Art. 8 FRL anwendbar ist (Nr. 2). 10.256 Entstrickung. Zu einer Entstrickung i.S.v. § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG kann es nur dann kommen, wenn bereits vor der Umwandlung ein deutsches Besteuerungsrecht an den Anteilen an der übertragenden Gesellschaft bestand.1 Dies ist in folgenden Fällen gegeben: – (Unbeschränkt steuerpflichtige) inländische Anteilseigner – (Beschränkt steuerpflichtige) ausländische Anteilseigner – deren Anteile einer inländischen Betriebsstätte des ausländischen Anteilseigners zuzurechnen sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG),2 – die wesentlich i.S.v. § 17 EStG beteiligt sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG3 und entweder in einem Nicht-DBA-Staat oder in einem Staat ansässig sind, nach dessen DBA Deutschland als Quellenstaat – abweichend von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA – nicht von der Besteuerung des Gewinns aus einer Anteilsveräußerung ausgeschlossen ist (Rz. 10.73).

10.257 In folgenden Fällen kommt es zu einer Entstrickung: – Bei den inländischen Anteilseignern nur in den Fällen, in denen das Besteuerungsrecht durch das DBA ausnahmsweise (abweichend von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA) dem Ansässigkeitsstaat der übernehmenden Gesellschaft und nicht weiterhin Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners zugewiesen wird; Deutschland darf dann zwar im Regelfall besteuern, muss aber die ausländische Steuer anrechnen. 1 Schmitt/Schloßmacher, DStR 2010, 673 (676); Schell, FR 2012, 101 (103). 2 In DBA-Fällen hat Deutschland in diesen Fällen als Betriebsstättenstaat gegenüber dem Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners regelmäßig das vorrangige Besteuerungsrecht hinsichtlich der Gewinne aus der Veräußerung der Anteile (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA); siehe dazu Reimer in V/L7, Art. 13 OECD-MA Rz. 81 u. 190. 3 Der Fall des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG (sog. umwandlungsgeborene Anteile) kann nicht einschlägig sein, weil er als Auffangtatbestand Fälle erfasst, bei denen die Gesellschaft im Inland weder Sitz noch Geschäftsleitung hat (siehe Frotscher in Frotscher, § 49 EStG Rz. 173 [Stand: Februar 2019]), es hier aber um die Beteiligung an einer inländischen Gesellschaft geht. Auf eine beschränkte Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. cc EStG (Immobiliengesellschaft) kommt es bei Hinausumwandlungen inländischer Rechtsträger nicht an, weil dann schon die Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchts. e Doppelbuchst. aa EStG erfüllt sind.

660 | Beinert/Scheifele

F. Hinausumwandlung | Rz. 10.258 Kap. 10

– Bei den ausländischen Anteilseignern immer, es sei denn, die Anteile bleiben ausnahmsweise in Deutschland steuerverstrickt, etwa weil sie einer inländischen Betriebsstätte des ausländischen Anteilseigners zuzuordnen sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) (Rz. 10.256).

Wird das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen, kommt eine Fortführung der Anschaffungskosten bzw. Buchwerte nach § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG in Betracht, wenn bei der Verschmelzung Art. 8 FRL anzuwenden ist. Deutschland behält sich in diesem Fall das Recht zur Besteuerung des Veräußerungsgewinns bei tatsächlicher Veräußerung vor (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG mit seinen beiden Untervarianten). 2. Hinausverschmelzung in Drittstaat Beispiel 27: Die inländische A-GmbH gehört zum international tätigen A-Konzern. Zur Reduzierung der Anzahl der Gesellschaften und zur Vereinfachung der Konzernstruktur soll die A-GmbH auf ihre Schweizer Schwestergesellschaft B-AG verschmolzen werden. Die luxemburgische M-Sàrl hält jeweils alle Anteile an der A-GmbH und der B-AG.

Lösung zu Beispiel 27: Die durch das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) geschaffene Öffnung des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) für Drittstaatenfälle droht ins Leere zu laufen. Seit dem 1.1.2022 fallen weltweit alle Umwandlungen von Körperschaften i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwStG in den Anwendungsbereich des UmwStG. Es bleibt aber das Problem, dass Hinausverschmelzungen in einen Drittstaat aus gesellschaftsrechtlicher Sicht nicht rechtssicher umsetzbar sind. Derzeit ist ungeklärt, ob das UmwG grenzüberschreitende Umwandlungen (mit Ausnahme der grenzüberschreitenden Verschmelzungen nach §§ 305 ff. UmwG) aus seinem Regelungsbereich ausklammert oder ob dies nicht der Fall ist.1 Das Um1 Vgl. zur Diskussion zu §§ 305 ff. UmwStG Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard5, UmwG, Einl. C Rz. 21 ff.

Beinert/Scheifele | 661

10.258

Kap. 10 Rz. 10.258 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften RUG hat keine Abhilfe geschaffen. Beteiligungsfähig im Hinblick auf eine grenzüberschreitende Verschmelzung i.S. der §§ 305 ff. UmwG sind nur solche Kapitalgesellschaften, die nach dem Recht eines EU- oder EWR-Mitgliedstaats gegründet worden sind und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in einem EU- oder EWRMitgliedstaat haben. Bei Hinausverschmelzungen in einen Drittstaat ist die Praxis weiterhin auf alternative Umwandlungswege angewiesen, wie z.B. die Verschmelzung der Drittstaatengesellschaft (z.B. USA) auf eine in einem EU-Staat ansässige Kapitalgesellschaft, dessen Gesellschaftsrecht solche Verschmelzungen zulässt. Damit diese ausländische Verschmelzung (z.B. bei deutschem Betriebsstättenvermögen) nach §§ 11 ff. UmwStG steuerneutral ist, muss sie einer Verschmelzung nach UmwG vergleichbar sein. In einem weiteren Schritt wäre dann über eine Umwandlung der Gesellschaft aus dem aufnehmenden EU-Staat nach Deutschland nachzudenken.

10.259 Angesichts der bestehenden gesellschaftsrechtlichen Unsicherheiten einer Hinausverschmelzung in einen Drittstaat wird auf diese Umwandlungsform nicht näher eingegangen. Hinzuweisen ist lediglich auf die Frage, ob der Anwendungsbereich des § 12 Abs. 1 KStG eröffnet ist. Danach gilt ein entstricktes Wirtschaftsgut als zum gemeinen Wert steuerlich veräußert. Wir meinen allerdings, dass § 12 Abs. 1 KStG Umwandlungen nicht erfasst, weil die Vorschrift nach ihrem Wortlaut auf Vorgänge mit Rechtsträgerwechsel nicht anwendbar ist.1 IV. Hinausspaltung

10.260 Es wird nachfolgend davon ausgegangen, dass die übertragende (inländische) Gesellschaft eine als Teilbetrieb qualifizierende Betriebsstätte in Deutschland unterhält, die abgespalten wird. 10.261 UmwStG. Für Umwandlungen, deren steuerlicher Übertragungsstichtag nach dem 31. Dezember 2021 liegt, erfasst § 15 UmwStG aufgrund der Streichung des § 1 Abs. 2 UmwStG auch Spaltungen unter Beteiligung von Drittstaaten-Gesellschaften. Der Anwendungsbereich des UmwStG ist allerdings nur eröffnet, wenn es sich um eine Spaltung nach UmwG handelt oder der ausländische Umwandlungsvorgang den Strukturmerkmalen einer inländischen Umwandlung entspricht (Vergleichbarkeitstest). 10.262 UmwG. Das UmwG sieht in §§ 305 ff. UmwG lediglich grenzüberschreitende Verschmelzungen, nicht jedoch grenzüberschreitende Spaltungen vor. Daher wäre eine grenzüberschreitende Hinausspaltung einer inländischen Gesellschaft auf eine (EUbzw. EWR)-Gesellschaft nur unter Berufung auf europäisches Gemeinschaftsrecht möglich. Das ist steuerlich zu akzeptieren,2 u.E. jedenfalls dann, wenn es gelänge, den Vergleichbarkeitstest zu erfüllen. Kennzeichnend für die Abspaltung i.S.v. § 123 Abs. 2 UmwG ist die Übertragung von Vermögensteilen des übertragenden Rechtsträgers aufgrund eines Rechtsgeschäfts gegen Gewährung von Anteilen oder Mitgliedschaftsrechten des übernehmenden oder neuen Rechtsträgers an die Anteils1 Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 334 (Stand: März 2022) hält § 12 Abs. 1 KStG allerdings dann für anwendbar, wenn der übertragende Rechtsträger durch die Umwandlung aufgelöst wird (Verschmelzung, Aufspaltung) und damit seine Steuerpflicht endet. 2 Graw in R/H/vL3, § 1 UmwStG Rz. 45.

662 | Beinert/Scheifele

F. Hinausumwandlung | Rz. 10.264 Kap. 10

inhaber des übertragenden Rechtsträgers ohne liquidationslose Auflösung des übertragenden Rechtsträgers.1 Darüber hinaus ist die Spaltung nach UmwStG dadurch gekennzeichnet, dass sich der Vermögensübergang „kraft Gesetzes“ durch „partielle Gesamtrechtsnachfolge“ vollzieht.2 Nach Ansicht des BFH ist der Begriff der Abspaltung in § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG typusorientiert auszulegen und setzt keine partielle Gesamtrechtsnachfolge („kraft Gesetzes“) voraus, sofern der ausländische Staat eine solche nicht vorsieht und die Vermögensübertragung einerseits und die Zuteilung der Anteile am übernehmenden Rechtsträger andererseits in einem einheitlichen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen.3 Die Finanzverwaltung wendet diese Urteilsgrundsätze aber nicht auf Abspaltungen i.S.v. § 15 UmwStG an.4 Ergänzung und Modifizierung des UmwG. Die Umwandlungs-RL5 hat nun erstmals Regelungsvorgaben für grenzüberschreitende (Formwechsel und) Spaltungen gemacht, die bis zum 31.1.2023 in deutsches Recht umzusetzen sind. Das UmRUG regelt die grenzüberschreitende Spaltung im neuen Sechsten Buch („Grenzüberschreitende Umwandlung“), dort in §§ 320 ff. UmwG. Hinausspaltungen in einen Drittstaat werden allerdings nicht erfasst (zu den spaltungsfähigen Gesellschaften vgl. § 321 UmwG). Legt man das u.E. unzutreffende Verständnis der Finanzverwaltung zu §§ 305 ff. UmwG zugrunde, wonach grenzüberschreitende Umwandlungen als ausländische Umwandlungen qualifizieren, müsste der Vergleichbarkeitstest erfüllt werden, wobei aber „grundsätzlich“ von dieser Vergleichbarkeit auszugehen wäre.

10.263

Doppeltes Teilbetriebserfordernis. Angesichts der Belegenheit der Betriebsstätte im Inland bestand vor der Abspaltung ein deutsches Besteuerungsrecht nach § 1 Abs. 2 KStG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA. Nach der Abspaltung ergibt sich ein solches aus § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 DBA. Die Umwandlung als solche sollte den Ort der Teilbetriebe und die abkommensrechtliche Zuordnung der Wirtschaftsgüter unverändert lassen. Da das deutsche Besteuerungsrecht durch die Abspaltung nicht beschränkt wird, greift bei der übertragenden (inländischen) Gesellschaft das Bewertungswahlrecht nach § 15 Abs. 1 UmwStG i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG. § 15 Abs. 2 UmwStG enthält bestimmte Missbrauchsvorschriften, die zu beachten sind.

10.264

1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.36; Graw in R/H/vL3, § 1 UmwStG Rz. 73; Maetz in W/M, § 1 UmwStG Rz. 44 (Stand: Mai 2020); Hörtnagl in S/H9, § 123 UmwG Rz. 5; Werneburg in H/M/B5, § 1 UmwStG Rz. 28. 2 BT-Drucks. 16/2710, 35; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.36. 3 BFH v. 1.7.2021 – VIII R 9/19, BStBl. II 2022, 359 und BFH v. 1.7.2021 – VIII R 15/20, BStBl. II 2022, 363. 4 BMF v. 19.5.2022 – IV C 2 - S 1978-b/20/10005: 004 (2022/0206627), BStBl. I 2022, 844. 5 Richtlinie (EU) 2019/2121 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 27.11.2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen.

Beinert/Scheifele | 663

Kap. 10 Rz. 10.265 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

10.265 Anteilseigner. Im Falle einer Auf- oder Abspaltung nach § 15 UmwStG gilt für die Anteilseigner die Vorschrift des § 13 UmwStG, vorrangig § 20 Abs. 4a EStG. Die Ebene der Anteilseigner ist dabei nur von Bedeutung, wenn hinsichtlich der Anteile an der übertragenden (ausländischen) Gesellschaft ausnahmsweise ein deutsches Besteuerungsrecht besteht oder hinsichtlich der Anteile an der übernehmenden (deutschen) Gesellschaft ein Besteuerungsrecht begründet wird. Es gelten die Ausführungen zur Hinausverschmelzung entsprechend. 10.266 Drittstaat. Angesichts der bestehenden gesellschaftsrechtlichen Unsicherheiten einer Hinausspaltung aus einem Drittstaat wird auf diese Umwandlungsform nicht näher eingegangen.

G. Hereinumwandlung I. Begriff

10.267 Eine Hereinumwandlung ist eine grenzüberschreitende Umwandlung, bei der zumindest eine inländische und eine ausländische Gesellschaft beteiligt sind, wobei die ausländische Gesellschaft als übertragender Rechtsträger und die inländische Gesellschaft als übernehmender Rechtsträger auftritt. Hierbei gilt es – neben der Art der Umwandlung – danach zu unterscheiden, ob die übertragende Gesellschaft in einem EU-/EWR-Staat oder in einem Drittstaat ansässig ist. II. Verstrickung Beispiel 28: Die niederländische A-B.V. soll nach §§ 305 ff. UmwG auf die deutsche B-GmbH verschmolzen werden. Die A-B.V. verfügt über eine deutsche Betriebsstätte sowie über eine Betriebsstätte in einem Anrechnungsstaat.

10.268 Durch eine Hereinumwandlung können Wirtschaftsgüter erstmals in Deutschland steuerrechtlich verstrickt werden. Dies geschieht z.B., wenn eine ausländische Gesellschaft mit einer Betriebsstätte in einem Nicht-DBA-Staat oder mit einer Anrech664 | Beinert/Scheifele

G. Hereinumwandlung | Rz. 10.270 Kap. 10

nungsbetriebsstätte auf eine inländische Gesellschaft verschmolzen wird („passive“ Verstrickung). Davon zu trennen sind folgende Sachverhalte: – Wirtschaftsgüter, die aufgrund der Zentralfunktion des Stammhauses (sollte man diese These vertreten) dem inländischen Stammhaus zugeordnet werden. Sofern man diesen Vorgang nicht den umwandlungssteuerrechtlichen Bestimmungen unterwirft, sondern nach u.E. zutreffender Ansicht den allgemeinen Vorschriften, werden diese Wirtschaftsgüter nach §§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2, 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG grundsätzlich zum gemeinen Wert verstrickt.1 U.E. gilt hier das Spiegelbildliche zur Entstrickung (Rz. 10.259 ff.), d.h. derjenige, der eine Entstrickung wegen der Zentralfunktionsthese des Stammhauses bejaht und diese Entstrickung den allgemeinen Entstrickungsregelungen unterwirft, müsste konsequenterweise zur Anwendung der allgemeinen Verstrickungsregelungen kommen.2 – Wirtschaftsgüter, die lediglich anlässlich einer Umwandlung von der ausländischen in die inländische Betriebsstätte verbracht werden (klassischer Fall der aktiven Verstrickung). Wertverknüpfung. Hat die übertragende Gesellschaft eine inländische Betriebsstätte, wird sie zur Vermeidung einer Besteuerung der stillen Reserven in der von ihr aufzustellenden steuerlichen Schlussbilanz3 – soweit möglich – die Buchwerte ansetzen (§ 11 Abs. 2 UmwStG). Soweit der deutschen Betriebsstätte ein entsprechender Verlustvortrag zugeordnet werden kann, ist allerdings zu überlegen, ob ein Antrag auf Buchwertfortführung gestellt werden sollte oder ob der Verlustvortrag mit den aufgedeckten stillen Reserven verrechnet werden könnte. Wählt die übertragende Gesellschaft den Buchwertansatz, folgt aus dem sog. Einheitlichkeitsgebot des § 11 Abs. 2 UmwStG, dass die übertragende Gesellschaft grundsätzlich alle Wirtschaftsgüter mit den steuerlichen Buchwerten ansetzen muss. Die übernehmende Gesellschaft hat die auf sie übergegangenen Wirtschaftsgüter mit dem in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Gesellschaft enthaltenen Wert zu übernehmen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 UmwStG).4

10.269

Verstrickung. Für Wirtschaftsgüter, die durch die Hereinumwandlung erstmals in Deutschland steuerverstrickt werden, wird das Risiko einer Doppelbesteuerung begründet. Zur Doppelbesteuerung kommt es, wenn die Entstrickung im ausländischen Staat zu einer Besteuerung führt und im späteren (tatsächlichen) Verkaufsfall Deutschland den Buchwert zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns zugrunde legt.

10.270

1 Vgl. Schell, FR 2012, 101 (108). Unterliegt die übertragende Gesellschaft in dem anderen Staat einer Besteuerung aufgrund des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts dieses Staats, ist das Wirtschaftsgut mit dem Wert anzusetzen, den der andere Staat der Besteuerung zugrunde legt, höchstens jedoch mit dem gemeinen Wert, § 6 Abs. 1 Nr. 5a Halbs. 2 EStG. 2 So auch Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1961 (1965). 3 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.02 Satz 2. 4 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 12.02 i.V.m. Rz. 04.01.

Beinert/Scheifele | 665

Kap. 10 Rz. 10.270 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

Es stellt sich daher die Frage nach dem Verhältnis des Einheitlichkeitsgebots des § 11 Abs. 2 UmwStG zu den allgemeinen Verstrickungsregelungen der §§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2, 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG.

10.271 Vorrang des UmwStG. Da nach dem Gesetzeswortlaut des § 11 Abs. 2 UmwStG das Wahlrecht „einheitlich“ auszuüben ist (Einheitlichkeitsgebot) wird teilweise vertreten, dass bei Wahl des Buchwerts sämtliche Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz mit ihren Buchwerten anzusetzen sind, also grundsätzlich auch die Wirtschaftsgüter, für die auch nach der Hereinumwandlung keine inländische Steuerverhaftung besteht oder die erstmals in Deutschland steuerverstrickt werden. Ein teilweise abweichender Wertansatz aufgrund der allgemeinen Verstrickungsregelungen sei nicht möglich.1 Die übertragende Gesellschaft hat nur die Wahl, entweder – die betroffenen ausländischen stillen Reserven durch Ansatz der Buchwerte zu „importieren“ oder – die inländischen stillen Reserven steuerpflichtig aufzudecken.

10.272 Vorrang der allgemeinen Verstrickungsregelungen. Nach u.E. zutreffender Ansicht erlauben die allgemeinen Verstrickungsregelungen eine Durchbrechung des einheitlichen Wertansatzes für erstmals in Deutschland steuerverstrickte Wirtschaftsgüter.2 Bei einer Hereinumwandlung mit inländischem Rechtsträger ist ein Buchwertansatz erforderlich. Dieser muss gekoppelt werden mit der Anwendung der allgemeinen Verstrickungsregelungen in Bezug auf das ausländische Vermögen, das erstmals dem deutschen Besteuerungszugriff unterfällt. Eine drohende Doppelbesteuerung würde der Zwecksetzung der allgemeinen Verstrickungsregelungen, nämlich der Abgrenzung der Besteuerungsrechte, zuwiderlaufen. U.E. handelt es sich hierbei um eine teleologische Reduktion des Einheitlichkeitsgebots durch Vorrang der allgemeinen Verstrickungsregelungen.3 Für diese Auffassung sprechen auch die Erörterungen des Gesetzgebers bei § 20 UmwStG.4 Im Rahmen von § 20 UmwStG soll das eingebrachte Betriebsvermögen nach den allgemeinen Verstrickungsregelungen mit dem gemeinen Wert angesetzt werden, wenn durch den Einbringungsvorgang das deutsche Besteuerungsrecht erstmals begründet wird. Es erscheint konsequent, diese Überlegungen auf den Fall der Hereinumwandlung zu übertragen.5 Zu einem ähnlichen Ergebnis sollte man kommen, wenn man davon ausginge, dass die allgemeinen Verstrickungsregelungen erst eine logische Sekunde nach der Hereinumwandlung bei der überneh1 Bohnhardt in H/M/B5, § 4 UmwStG Rz. 89; Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 12 (Stand: Dezember 2021); van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 43. Vgl. auch Junior in F/D, § 11 UmwStG Rz. 96a (Stand: November 2021). Vgl. auch Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 235 (Januar 2020) (wobei seiner Ansicht nach die unter der ausländischen Besteuerungshoheit entstandenen stillen Reserven nicht dem deutschen Besteuerungsrecht unterliegen und im Einzelfall eine Billigkeitsregelung greifen soll) sowie Martini in W/M, § 3 UmwStG Rz. 730 (Stand: Mai 2019). 2 Beinert/Benecke, FR 2010, 1120 (1126); Schmitt in S/H9, § 4 UmwStG Rz. 27; Herfort/Viebrock in H/H3, § 12 UmwStG Rz. 60. 3 Körner, IStR 2009, 741 (749); Böhmer/Wegener, Ubg 2015, 69. 4 BT-Drucks. 16/2710, 43. 5 Schmitt in S/H9, § 4 UmwStG Rz. 27.

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G. Hereinumwandlung | Rz. 10.275 Kap. 10

menden Gesellschaft zu einer (steuerneutralen) Aufstockung der erstmals in Deutschland steuerverstrickten Wirtschaftsgüter führen. Dies hätte den Vorteil, dass sich keine nachteiligen Auswirkungen auf das Übernahmeergebnis ergeben. Zeitpunkt der Verstrickung. Die Frage nach dem Rangverhältnis zwischen UmwStG und allgemeinen Verstrickungsregelungen sollte sich allerdings dann nicht stellen, wenn der Zeitpunkt der Wirksamkeit der Hereinverschmelzung (Eintragungszeitpunkt) nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag liegt. Da sich der Verstrickungszeitpunkt nach den tatsächlichen Verhältnissen richtet und daher nicht rückwirkend fingiert werden kann, kommt es in diesem Fall erst nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag zur Anwendung der allgemeinen Verstrickungsregelungen und zwar beim übernehmenden Rechtsträger (außerhalb des Übernahmeergebnisses).1 Möglich bleibt auch eine Vorabübertragung der betroffenen Wirtschaftsgüter, um so in den Anwendungsbereich der allgemeinen Verstrickungsregelungen zu gelangen (ausländische Steuerfolgen wären zu prüfen).2

10.273

Sonderfall Hereinverschmelzung mit stillen Lasten. Da das UmwStG grundsätzlich eine Begrenzung auf den gemeinen Wert vorgibt (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 UmwStG), stellt sich hier die Frage des Vorrangs des UmwStG oder der allgemeinen Verstrickungsregelungen grundsätzlich nicht. Es stellt sich aber die Frage der Anwendbarkeit des § 11 Abs. 1 Satz 2 UmwStG für Pensionsrückstellungen. Bei einem Ansatz der Wirtschaftsgüter grundsätzlich mit dem gemeinen Wert nach § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG werden die stillen Lasten aufgedeckt. Bei einem Vorrang des UmwStG dürfen die Pensionsrückstellung dagegen nach § 11 Abs. 1 Satz 2 UmwStG nur mit ihrem Wert nach § 6a EStG angesetzt werden und können die stillen Lasten erst bei späterer Realisierung steuerlich berücksichtigt werden. Der Vorrang des UmwStG hat hier Vorteile und rechtfertigt sich mit der ausdrücklichen Bezugnahme auf § 6a EStG. Dieser Verweis sollte u.E. als speziellere Regelung im Hinblick auf Pensionsrückstellungen auch bei einem ansonsten angenommenen Vorrang der allgemeinen Verstrickungsregelungen angewandt werden.3

10.274

III. Entstrickung

Im Regelfall führt eine Hereinumwandlung zu keiner Entstrickung. Im Einzelfall kann dies aber anders sein, etwa wenn die inländische (übernehmende) Gesellschaft ein Wirtschaftsgut an die ausländische (übertragende) Gesellschaft vermietet, das nach der Umwandlung der entstehenden ausländischen Betriebsstätte der übernehmenden Gesellschaft zuzuordnen ist. Einschlägig ist insoweit § 12 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4g EStG.4 1 Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 12 (Stand: Dezember 2021); Junior in F/D, § 11 UmwStG Rz. 96a (Stand: November 2021); Schmitt in S/H9, § 4 UmwStG Rz. 28; Möhlenbrock/Werner/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 113 (Stand: Dezember 2015). Vgl. auch van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 44. 2 Rödder in R/H/vL3, § 11 UmwStG Rz. 350. 3 Böhmer/Wegener, Ubg 2015, 69. A.A. Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 12 (Stand: Dezember 2021). 4 Schaumberger/Stößel, FR 2020, 1123 (1127).

Beinert/Scheifele | 667

10.275

Kap. 10 Rz. 10.276 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

IV. Hereinverschmelzung 1. Hereinverschmelzung aus EU-/EWR-Raum a) Beispiel

10.276 Beispiel 29:

Die niederländische A-B.V. gehört zum international tätigen A-Konzern. Zur Reduzierung der Anzahl der Gesellschaften und zur Vereinfachung der Konzernstruktur soll sie auf ihre deutsche Schwestergesellschaft B-GmbH verschmolzen werden. Die luxemburgische M-Sàrl hält jeweils alle Anteile an der A-B.V. und der B-GmbH.1

b) Anwendungsbereich des UmwStG

10.277 Zur Anwendung des UmwStG auf grenzüberschreitende Umwandlungen verweisen wir nach oben Rz. 10.289 f. c) Übertragende Gesellschaft

10.278 Die steuerlichen Folgen einer Hereinverschmelzung bestimmen sich auf der Ebene der übertragenden Gesellschaft grundsätzlich nach ausländischem Steuerrecht. Ein etwaiger Übertragungsgewinn unterliegt gem. § 2 Nr. 1 KStG nur ausnahmsweise der beschränkten Steuerpflicht etwa soweit er auf eine im Inland belegene Betriebsstätte der übertragenden Gesellschaft entfällt. Dessen ungeachtet muss die übertragende Gesellschaft eine nach deutschen steuerlichen Grundsätzen zu erstellende steuerliche Schlussbilanz aufstellen (§ 11 Abs. 1 UmwStG), die das gesamte ausländische und inländische Vermögen ausweist.2 1 Dem Beispiel von Käbisch/Bunzeck, IWB 2011, 392 ff. nachgebildet. 2 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.02 i.V.m. 03.01; kritisch u.a. Schneider/Ruoff/Sistermann, FR 2012, 1 f.

668 | Beinert/Scheifele

G. Hereinumwandlung | Rz. 10.281 Kap. 10

Buchwertansatz. Die übertragende Gesellschaft kann nach § 11 Abs. 2 UmwStG die Buchwerte ansetzen; zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts in Bezug auf inländische Wirtschaftsgüter sollte es grundsätzlich nicht kommen. Sollen die inländischen Wirtschaftsgüter mit ihrem Buchwert angesetzt werden, um einen in Deutschland steuerpflichtigen Übertragungsgewinn zu vermeiden, führt dies wegen des einheitlichen Wertansatzwahlrechts des § 11 Abs. 2 UmwStG grundsätzlich zum Zwang, auch die ausländischen Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert anzusetzen, wobei „Buchwert“ nicht den ausländischen Wertansatz meint, sondern den unter Zugrundelegung des deutschen Steuerrechts ermittelten Wert. Wir meinen allerdings, dass die ausländischen Wirtschaftsgüter, die erstmals in Deutschland steuerverstrickt werden, mit dem Verstrickungswert nach § 6 Abs. 1 Nr. 5a Halbs. 2 EStG angesetzt werden können, um Doppelbesteuerungen zu vermeiden (Rz. 10.313).

10.279

Lösung zu Beispiel 29: Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG hat die A-B.V. die übergehenden Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz anzusetzen. Sofern ein Buchwertansatz opportun ist (z.B. wegen inländischem Betriebsstättenvermögen), müsste sie grundsätzlich einheitlich die Buchwerte ansetzen. Wir meinen, dass die Wirtschaftsgüter, die erstmals in Deutschland steuerverstrickt werden, in teleologischer Reduktion des § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG mit dem Verstrickungswert nach § 6 Abs. 1 Nr. 5a Halbs. 2 EStG angesetzt werden können, wenn es andernfalls zu einer juristischen Doppelbesteuerung käme (Rz. 10.313).

d) Übernehmende Gesellschaft Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 UmwStG hat die B-GmbH die auf sie übergegangenen Wirtschaftsgüter mit dem in der steuerlichen Schlussbilanz enthaltenen Wert zu übernehmen.1

10.280

Übernahmeergebnis. Liegt kein im Inland steuerverstricktes Vermögen vor oder geht man von der Möglichkeit einer teilweisen Aufstockung durch die übertragende Gesellschaft aus, können aus deutscher steuerlicher Sicht ganz oder teilweise die Verstrickungswerte nach § 6 Abs. 1 Nr. 5a Halbs. 2 EStG angesetzt werden. Dies erhöht jedoch im Folgenden einen möglichen Übernahmegewinn nach § 12 UmwStG. Bei einer Aufwärtsverschmelzung auf die inländische Muttergesellschaft ergibt sich ein Übernahmegewinn oder -verlust in Höhe des Unterschieds zwischen dem (anteiligen) steuerlichen Buchwert der Anteile an der übertragenden Gesellschaft und dem Wert, mit dem die übergegangenen Wirtschaftsgüter zu übernehmen sind, abzgl. der Kosten für den Vermögensübergang (§ 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Der Wertansatz in der Schlussbilanz der übertragenden Gesellschaft hat folglich Auswirkungen auf die Höhe des Übernahmeergebnisses. § 8b KStG findet auf einen etwaigen Übernahmegewinn Anwendung (§ 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG),2 sofern das Besteuerungsrecht Deutschland zusteht. Dies ist u.E. auch dann der Fall, wenn (abweichend von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA) das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Anteile beim Ansässig-

10.281

1 Zur Literaturauffassung, die die allgemeinen Verstrickungsregelungen erst bei der übernehmenden Gesellschaft anwenden will, s. Rz. 10.313. 2 Ungeklärt ist die unionsrechtliche Vereinbarkeit dieser Regelung (nicht zu beanstanden nach FG Schleswig-Holstein v. 24.3.2022 – 1 K 181/19 (Az. BFH: I R 17/22)).

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Kap. 10 Rz. 10.281 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

keitsstaat der Gesellschaft liegt, da Deutschland in dem Fall ebenfalls besteuert, wenn auch unter Anrechnung der ausländischen Steuer.1 5 % des Übernahmegewinns (in dem Umfang, in dem die übernehmende Muttergesellschaft an der übertragenden Tochtergesellschaft beteiligt ist) werden bei der Muttergesellschaft besteuert.2 Eine Anrechnung der ausländischen Steuer scheidet aus, da technisch gesehen der Übernahmegewinn steuerfrei ist (Fiktion nicht abziehbarer Betriebsausgaben).3

10.282 Sonderfall: Entstrickung. Ausnahmsweise kann es auch zu einem Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts kommen, z.B. wenn die übertragende niederländische Gesellschaft (A-B.V.) in ihrer niederländischen Betriebsstätte ein von der übernehmenden inländischen Gesellschaft (B-GmbH) gemietetes Wirtschaftsgut nutzt. Durch den verschmelzungsbedingten Wegfall des Mietverhältnisses kommt es zu einer funktionalen Zuordnung des Wirtschaftsguts zur niederländischen Betriebsstätte (nunmehr der B-GmbH). Es handelt sich hier u.E. um eine Entstrickung nach § 12 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4g EStG.4 10.283 Steuerliches Einlagekonto. Die übertragende Gesellschaft verfügt in den meisten Fällen über kein steuerliches Einlagekonto i.S.v. §§ 27–29 KStG.5 Um den Bestand der in die ausländische Gesellschaft geleisteten Einlagen auch in diesen Fällen berücksichtigen zu können, tritt nach § 29 Abs. 6 KStG insbesondere für die Anwendung des § 29 Abs. 2 KStG6 an die Stelle des steuerlichen Einlagenkontos der Bestand der nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen zum Zeitpunkt des „Vermögensübergangs“. Vermögensübergang meint dabei den steuerlichen Übertragungsstichtag.7 Es bedarf eines fristgebundenen Antrags (§ 29 Abs. 6 Satz 2 KStG i.V.m. § 27 Abs. 8 Satz 4 KStG). Der Antrag ist durch die ausländische Gesellschaft bis zum Ende des Kalenderjahres zu stellen, in dem die Leistung der ausländischen Gesellschaft erfolgt. Unklar ist, was bei einer Hereinverschmelzung das fristauslösende Ereignis ist.8 Nach u.E. zutreffender Literaturauffassung ist dies der Zeitpunkt des zivilrechtlichen Wirksamwerdens der Verschmelzung, also der Zeitpunkt der Eintragung im Handelsregister der übernehmenden Gesellschaft (§ 20 UmwG)9 wobei in der 1 Schell, FR 2012, 101 (108). 2 Zum möglichen Verstoß gegen Art. 7 FRL Jacobs/Endres/Spengel in Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 1162 Fn. 77. 3 Mit der Folge, dass es zu keiner Berücksichtigung im Rahmen der Anrechnungshöchstbeträge kommt, BFH v. 4.6.1991 – X R 35/88, BStBl. II 1992, 187. So auch Schell, FR 2012, 101 (108). 4 Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 232 (Stand: Januar 2020); Schaumberger/Stößel, FR 2020, 1123 (1127); Schell, FR 2012, 101 (108). 5 Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 239 (Stand: Januar 2020). 6 Nach § 29 Abs. 2 KStG ist bei einer Verschmelzung nach § 2 UmwG der Bestand des steuerlichen Einlagekontos der übertragenden Gesellschaft dem steuerlichen Einlagekonto der übernehmenden Gesellschaft hinzuzurechnen. 7 Stadler/Jetter, IStR 2009, 336 (339); Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 595 (Stand: Januar 2020). 8 Zur Diskussion Bauschatz in FS Gosch, 2016, 23 (33). 9 Stadler/Jetter, IStR 2009, 336 (339); Berninghaus in H/H/R, § 29 KStG Rz. 62 (Stand: Oktober 2020); Stimpel in Rödder/Herlinghaus/Neumann, § 29 KStG Rz. 89.

670 | Beinert/Scheifele

G. Hereinumwandlung | Rz. 10.286 Kap. 10

Praxis dennoch vorsorglich von einer ab dem steuerlichen Übertragungsstichtag beginnenden Frist ausgegangen werden sollte.1 Bei der Aufwärtsverschmelzung auf eine inländische Muttergesellschaft findet kein Übergang des steuerlichen Einlagekontos statt, § 29 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 KStG. Verlustimport. Die Hoffnung, trotz § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG sog. „finale Verluste“ im Inland aus europarechtlichen Gründen nutzbar machen zu können, erscheint uns gering. Der EuGH hat im Fall der Aufwärtsverschmelzung einer EU/EWR-Tochtergesellschaft, bei der Verluste entstanden sind, auf die inländische Muttergesellschaft entschieden, dass der Umstand, dass der Sitzmitgliedstaat der Tochtergesellschaft im Jahr der Verschmelzung keine Übertragung der Verluste der Tochtergesellschaft auf einen anderen Steuerpflichtigen zulässt, für die Finalität nicht entscheidend sei, sofern nicht die Muttergesellschaft nachweist, dass es ihr unmöglich ist, diese Verluste, insbesondere durch eine Übertragung, so geltend zu machen, dass sie bei einem Dritten für künftige Zeiträume berücksichtigt werden können.2 Für Querverschmelzungen dürfte nichts anderes gelten.

10.284

e) Inländische/ausländische Anteilseigner Die Steuerfolgen für Anteilseigner, deren Anteile an der übertragenden Gesellschaft in Deutschland steuerverstrickt sind (dabei kann es sich um inländische sowie um ausländische Anteilseigner handeln; s. Rz. 10.153), ergeben sich in erster Linie entweder aus dem vorrangig anzuwendenden § 20 Abs. 4a EStG (Rz. 10.160 ff.) oder aus § 13 UmwStG (Rz. 10.163 ff., 10.181).

10.285

Verstrickung. Sind die Anteile an der übertragenden Gesellschaft in Deutschland nicht steuerverstrickt, kann es aufgrund der Hereinverschmelzung zu einer Steuerverstrickung (der Anteile an der übernehmenden Gesellschaft) kommen, wenn der Anteilseigner in einem Nicht-DBA-Staat ansässig ist oder nach dem jeweiligen DBA Deutschland als Ansässigkeitsstaat der übernehmenden Gesellschaft abweichend von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA das Besteuerungsrecht zugewiesen wird. In dem Fall finden u.E. über § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG die Einlagegrundsätze Anwendung.3 Aus dem Schweigen des UmwStG kann u.E. nicht abgeleitet werden, dass dieses keine Anwendung finden sollen. Da der Anteilseigner betroffen ist, kommt es zu keinem

10.286

1 Bauschatz in FS Gosch, 2016, 23 (33) (dort auch zu den von der Finanzverwaltung verlangten Unterlagen). 2 EuGH v. 19.6.2019 – C-607/17 – Memira Holding, IStR 2019, 597 und v. 19.6.2019 – C608/17 – Holmen, HFR 2019, 727. Verluste können auch nicht durch eine Sitzverlegung in einen anderen Mitgliedstaat mitgenommen werden (vgl. EuGH v. 27.2.2020 – C-405/18 – Aures Holding, IStR 2020, 26). Die Revisionsentscheidung des BFH I R 26/19 und die weitere Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH bleiben abzuwarten. 3 Dötsch/Werner in D/P/M, § 13 UmwStG Rz. 45 (Stand: Februar 2020); Hagemann/Stürcken in H/H3, § 13 UmwStG Rz. 14. Alternativ kommt eine Anwendung der Tauschgrundsätze in Betracht, wenn man auf Ebene des Anteilseigners einen gewinnrealisierenden (aber in Deutschland nicht steuerpflichtigen) Anteilstausch annimmt, Neumann in R/H/ vL3, § 13 UmwStG Rz. 38.

Beinert/Scheifele | 671

Kap. 10 Rz. 10.286 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

Rechtsträgerwechsel, weshalb die Anwendung von § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG daran nicht scheitern kann. 2. Hereinverschmelzung aus Drittstaat

10.287 Angesichts der praktischen Schwierigkeiten einer solchen Verschmelzung wird auf eine Darstellung verzichtet. V. Hereinspaltung

10.288 Es wird nachfolgend davon ausgegangen, dass die übertragende (ausländische) Gesellschaft eine als Teilbetrieb qualifizierende Betriebsstätte in Deutschland unterhält, die abgespalten wird. Zur Anwendung des UmwStG in Verbindung mit der Erweiterung des Anwendungsbereichs des UmwG ist auf die Hinausspaltung zu verweisen. 10.289 Bewertungswahlrecht. Angesichts der Belegenheit der Betriebsstätte bestand vor der Abspaltung ein deutsches Besteuerungsrecht an ihr gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA. Nach der Abspaltung ergibt sich das Besteuerungsrecht aus § 1 Abs. 2 KStG. Die Hereinabspaltung als solche lässt den Ort der Teilbetriebe und die abkommensrechtliche Zuordnung der Wirtschaftsgüter grundsätzlich unberührt, so dass das deutsche Besteuerungsrecht durch die Umwandlung keine Beschränkung erfährt. Daher verfügt die übertragende (ausländische) Gesellschaft über ein uneingeschränktes Bewertungswahlrecht nach § 15 Abs. 1 UmwStG i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG. Nach Verwaltungsauffassung gilt allerdings das doppelte Teilbetriebserfordernis.1 Die Qualifizierung des ausländischen Vermögens als Teilbetrieb dürfte für die deutsche Finanzverwaltung dabei nur schwer verifizierbar sein trotz der in Auslandssachverhalten geltenden erweiterten Mitwirkungspflicht des Unternehmens nach § 90 Abs. 2 AO.2 Das sollte für die Finanzverwaltung Anlass sein, über das doppelte Teilbetriebserfordernis, das sich dem Gesetz nicht entnehmen lässt, noch einmal nachzudenken. § 15 Abs. 2 UmwStG enthält bestimmte Missbrauchsvorschriften, die zu beachten sind. 10.290 Verlust-, Zins- und EBITDA-Vorträge. Bei einer Abspaltung mindern sich Verlust-, Zins- und EBITDA-Vorträge der übertragenden Gesellschaft in dem Verhältnis, in dem bei Zugrundelegung des gemeinen Werts Vermögen auf die übernehmende Gesellschaft übergeht, § 15 Abs. 3 UmwStG. Im Inlandsfall spielt es keine Rolle, welcher Teilbetrieb die entsprechenden Vorträge verursacht hat. Bei einer Hereinabspaltung einer deutschen Betriebsstätte verbliebe bei der übertragenden (ausländischen) Gesellschaft aber so ein Verlust-, Zins- bzw. EBITDA-Vortrag, der mangels deutschen Besteuerungssubstrats nicht mehr nutzbar wäre. Es spricht vieles dafür, dass Verlust-, Zins- bzw. EBITDA-Vorträge nur in dem Verhältnis untergehen, in dem deutsches

1 Bei Drittstaatenabspaltungen stellt sich allerdings die Frage, warum der europäische Teilbetriebsbegriff gelten sollte; das UmwStG definiert den Teilbetrieb nicht. 2 Zu den administrativen Problemen bereits der Finanzausschuss zum KöMoG vgl. BRDrucks. 244/1/21, 16 (18).

672 | Beinert/Scheifele

H. Anteilstausch | Rz. 10.296 Kap. 10

Betriebsstättenvermögen im Verhältnis zum gesamten deutschen Betriebsstättenvermögen der übertragenden (ausländischen) Gesellschaft übertragen wird.1 Übernahmeergebnis. Es gelten die Ausführungen zur Hereinverschmelzung entsprechend.

10.291

Steuerliches Einlagekonto. Es gelten die Ausführungen zur Hereinverschmelzung entsprechend.

10.292

Anteilseigner. Es gelten die Ausführungen zur Hereinverschmelzung entsprechend.

10.293

Drittstaat. Angesichts der bestehenden gesellschaftsrechtlichen Unsicherheiten einer Hereinabspaltung aus einem Drittstaat wird auf diese Umwandlungsform nicht näher eingegangen.

10.294

H. Anteilstausch I. Begriff Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit der Einbringung von Anteilen an einer Gesellschaft (erworbene Gesellschaft) in eine andere Gesellschaft (übernehmende Gesellschaft) gegen Gewährung von neuen Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft. Gemeint sind also Vorgänge im Sinne der gesetzlichen Definition des § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG, soweit diese einen internationalen Bezug aufweisen.2 Dargestellt wird ausschließlich der isolierte Tausch von Anteilen; nicht erörtert werden dagegen die Fälle, in denen die Anteile als Teil eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils eingebracht werden.3 Aus Sicht von Einbringendem und übernehmender Gesellschaft handelt es sich beim Anteilstausch um einen Veräußerungs- und Anschaffungsvorgang.4

10.295

II. Rechtsgrundlagen 1. Anwendbarkeit des UmwStG Sachlich. Zunächst ist zu prüfen, ob der Anteilstausch in den Anwendungsbereich des UmwStG fällt. Der sachliche Anwendungsbereich des UmwStG ist bei einem Anteilstausch ausdrücklich eröffnet (§ 1 Abs. 3 Nr. 5 UmwStG). Dabei kommt es nicht darauf an, wie sich der Anteilstausch zivilrechtlich vollzieht. Erfasst werden alle Vor1 Polatzky/Römer in Beck'sches Handbuch Umwandlungen International, 2013, Rz. 279. 2 Zu den denkbaren Fallgruppen eines internationalen Bezugs siehe Rz. 10.333. 3 Gehören die Anteile zum Betriebsvermögen eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils, hat § 20 UmwStG gegenüber § 21 UmwStG Vorrang; UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.01. Zu Abgrenzungsfragen siehe Hageböke/Kröner/Kaeser in FGS/BDI, Der UmwStErlass 2011, Rz. 21.01. 4 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.07.

Beinert/Scheifele | 673

10.296

Kap. 10 Rz. 10.296 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

gänge, die zu einer steuerrechtlichen Zurechnung zumindest des wirtschaftlichen Eigentums an den eingebrachten Anteilen zur übernehmenden Gesellschaft gegen Gewährung mindestens eines neuen Anteils führen. Die Übertragung kann sowohl im Wege der Einzel- als auch der Gesamtrechtsnachfolge erfolgen.1

10.297 Persönlich. Was die Person des Einbringenden betrifft, bestehen keine Beschränkungen (Umkehrschluss aus § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwStG).2 Der Einbringende muss weder eine bestimmte Rechtsform haben noch einen Bezug zum EU-/EWR-Raum aufweisen.3 In Betracht kommen neben juristischen Personen auch natürliche Personen und Personengesellschaften.4 10.298 Die übernehmende Gesellschaft muss eine EU-/EWR-Gesellschaft sein (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG).5 Sie muss nicht im Inland (unbeschränkt oder beschränkt) steuerpflichtig sein.6 Die Anwendung des § 21 UmwStG setzt allerdings voraus, dass es sich bei der übernehmenden Gesellschaft um eine Kapitalgesellschaft (oder Genossenschaft) handelt, was bei ausländischen Rechtsformen durch einen Typenvergleich festzustellen ist (Rz. 10.49).7 Anders als für Verschmelzung sowie Ab- und Aufspaltung schränkt das Gesetz die Möglichkeit einer steuerneutralen Umsetzung eines Anteilstausches ein auf Vorgänge mit EU/EWR-Bezug. Nach der Begründung zum KöMoG wollte der Gesetzgeber von „einer vollständigen Globalisierung des Umwandlungssteuerrechts unter Einbeziehung auch der Regelungen zur Einbringung und zum Anteilstausch (§§ 20 ff. UmwStG)“ absehen, da „eine aufkommensneutrale einheitliche Regelung (Sicherung des Besteuerungsrechts auf der zweiten Ebene über § 22 UmwStG hinaus) mit Einschränkungen für Einbringende aus EU/EWR-Staaten gegenüber der geltenden Rechtslage verbunden wäre“.8 Diese gesetzgeberische Zurückhaltung in Bezug auf Einbringungen ist wenig überzeugend und wird zu Recht als „halbherzig“ und europarechtlich bedenklich kritisiert.9 Das gilt umso mehr, als der Ausschluss von übernehmenden Drittstaatengesellschaften aus dem Anwendungsbereich des § 21 UmwStG schon vor dem KöMoG rechtlich fragwürdig war (Rz. 10.330).

1 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.46; Hageböke/Kröner/Kaeser in FGS/BDI, Der UmwSt-Erlass 2011, Rz. 21.01. 2 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.03. 3 Vgl. UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/ 0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.15 „Beispiel 1“. 4 Zu der Frage, wer „Einbringender“ bei der Einbringung durch Personengesellschaften ist, siehe Hageböke/Kröner/Kaeser in FGS/BDI, Der UmwSt-Erlass 2011, Rz. 21.03. 5 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.04 i.V.m. 20.04 i.V.m. 01.54 f. 6 Hageböke/Kröner/Kaeser in FGS/BDI, Der UmwSt-Erlass 2011, Rz. 21.04. 7 Patt in D/P/M, § 21 UmwStG Rz. 6 (Stand: Juni 2019). 8 BT-Drs. 19/28656 v. 19.4.2021, 27. 9 Hageböke/Stangl, Ubg 2021, 242; Holle/Krüger/Weiss, IStR 2021, 489 (492 f.)

674 | Beinert/Scheifele

H. Anteilstausch | Rz. 10.300 Kap. 10

Bei der erworbenen Gesellschaft, also der Gesellschaft, deren Anteile eingebracht werden, muss es sich demgegenüber nicht um eine EU-/EWR-Gesellschaft handeln. Das UmwStG erfasst auch die Einbringung von Anteilen an Gesellschaften, die nach dem Recht eines Drittstaats gegründet wurden und/oder die in einem Drittstaat ansässig sind.1 Gesellschaften ausländischer Rechtsform müssen aber nach einem Typenvergleich einer Kapitalgesellschaft deutschen Rechts entsprechen.2

10.299

2. Außerhalb des Anwendungsbereichs des UmwStG Der Anwendungsbereich des UmwStG ist in Fällen des Anteilstausches sehr weit. Ausgenommen sind im Wesentlichen nur die Fälle, in denen die übernehmende Gesellschaft eine Drittstaatengesellschaft ist. Drittstaatengesellschaften sind Gesellschaften, die nicht die Anforderungen des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG erfüllen, die also – nicht nach dem Recht eines EU-/EWR-Staates gegründet wurden, – keine Gesellschaft i.S.v. Art. 54 AEUV oder Art. 34 EWR-Abkommen sind oder – deren Sitz (§ 11 AO) und/oder Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) sich nicht innerhalb des Hoheitsgebiets eines EU-/EWR-Staats befindet. Beispiel 30: Der unbeschränkt steuerpflichtige X möchte seine 100 %-Beteiligung an der inländischen AGmbH in die Schweizer B-AG einbringen.

1 Vgl. UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/ 0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.15 „Beispiel 1“. 2 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.05.

Beinert/Scheifele | 675

10.300

Kap. 10 Rz. 10.300 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

10.301 Kritik. Gegen die Nichtanwendbarkeit von § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG auf eine Drittstaatengesellschaft als übernehmender Rechtsträger werden verfassungs- und europarechtliche Bedenken vorgetragen. Sie sei gleichheitswidrig (Art. 3 GG), weil die von dieser Vorschrift angeordnete Verstrickung der stillen Reserven (nur) auf Anteilseignerebene auch bei der Einbringung in eine Drittstaatengesellschaft problemlos anwendbar wäre. Überdies verstoße die Nichteinbeziehung von Drittstaatengesellschaften gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV), da die fehlende Steuerneutralität die Einbringung in Drittstaatengesellschaften aus Anteilseignersicht weniger attraktiv mache.1 Trotz dieser – u.E. nachvollziehbaren – Kritik wird die Beratungspraxis de lege lata von der Nichtanwendbarkeit des UmwStG auszugehen haben, zumal der Gesetzgeber im Rahmen des KöMoG bewusst von einer Globalisierung der §§ 20 ff. UmwStG abgesehen hat (Rz. 10.327).

1 Der Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit erfasst auch Anteile aus Drittstaaten („ergaomnes“-Wirkung); siehe Hageböke/Kröner/Kaeser in FGS/BDI, Der UmwSt-Erlass 2011, Rz. 21.04 m.w.N.

676 | Beinert/Scheifele

H. Anteilstausch | Rz. 10.304 Kap. 10

III. Anteilstausch nach § 21 UmwStG 1. Arten des internationalen Bezugs Ist der Anwendungsbereich des UmwStG eröffnet, findet auf den Anteilstausch grundsätzlich § 21 UmwStG Anwendung. Ist der Einbringende ein Kleingesellschafter, ist allerdings vorrangig § 20 Abs. 4a EStG anzuwenden. Zwischen folgenden Fallgruppen eines Anteilstausches mit internationalem Bezug ist zu unterscheiden:

10.302

– Der Einbringende ist Steuerausländer. – Die übernehmende Gesellschaft ist steuerlich im Ausland ansässig. – Die erworbene Gesellschaft ist steuerlich im Ausland ansässig. 2. Ausländischer Einbringender a) Beispiel Beispiel 31: Die luxemburgische M-Sàrl bringt ihre 100 %-Beteiligung an der inländischen A-GmbH (Immobiliengesellschaft) gegen Gewährung neuer Anteile in die italienische B-S.r.l. ein. Der Wert der A-GmbH besteht zu mehr als 50 % aus Immobilien, die in Deutschland belegen sind.

10.303

b) Übernehmende Gesellschaft Bewertung. Aus Sicht der übernehmenden Gesellschaft richtet sich die (Zugangs)Bewertung der eingebrachten Anteile nach § 21 UmwStG. Für die Besteuerung der übernehmenden Gesellschaft selbst spielen die Bewertungsvorgaben allerdings nur dann eine Rolle, wenn die erworbenen Anteile (nach dem Anteilstausch) in Deutschland steuerverstrickt sind. Dies ist der Fall, wenn die übernehmende Gesellschaft unbeschränkt steuerpflichtig ist oder sie mit den stillen Reserven in den eingebrachten Anteilen der beschränkten Steuerpflicht unterliegt (zur beschränkten Steuerpflicht s. Rz. 10.320). In allen anderen Fällen ist die Bewertung der eingebrachten Anteile für

Beinert/Scheifele | 677

10.304

Kap. 10 Rz. 10.304 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

die übernehmende Gesellschaft irrelevant.1 Da sich die Bewertung bei der übernehmenden Gesellschaft allerdings über die Wertverknüpfung des § 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG auf die Besteuerung des Einbringenden auswirken kann, ist eine solche Bewertung – jedenfalls im Prinzip – auch in diesen Fällen vorzunehmen.2

10.305 Gemeiner Wert. Grundsätzlich sind die erworbenen Anteile bei der übernehmenden Gesellschaft mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG). Handelt es sich um einen qualifizierten Anteilstausch, kann die übernehmende Gesellschaft die eingebrachten Anteile auf Antrag mit dem Buch- oder einem Zwischenwert (höchstens aber mit dem gemeinen Wert) ansetzen (§ 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG). 10.306 Verstrickungsregeln. Fraglich ist, ob sich die Bewertung der eingebrachten Anteile bei der übernehmenden Gesellschaft auch dann nach § 21 Abs. 1 UmwStG richtet, wenn die Anteile anlässlich ihrer Einbringung zum ersten Mal in Deutschland steuerverstrickt werden. Bringt z.B. die englische X-Ltd. ihre 100 %-Beteiligung an der luxemburgischen A-Sàrl in die deutsche B-GmbH ein, erhält Deutschland an den Anteilen an der A-Sàrl das ausschließliche Besteuerungsrecht (Art. 13 Abs. 5 DBA Luxemburg). Es ist umstritten, ob in diesem Fall § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG gegenüber § 21 Abs. 1 UmwStG vorrangig anzuwenden ist, mit der Folge, dass ein Ansatz zum Buch- oder Zwischenwert nach § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG ausscheidet. Dies wird in der Literatur zum Teil abgelehnt, weil § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG nicht die Fälle eines Rechtsträgerwechsels erfasse.3 Wir meinen, dass die Verstrickungsregelungen immer dann anzuwenden sind, wenn das UmwStG sie nicht ausdrücklich ausschließt (zur Verstrickung bei der Hereinumwandlung s. Rz. 10.325). 10.307 Bewertungswahlrecht. Der Antrag zur Ausübung des Bewertungswahlrechts muss bei dem für die Besteuerung der übernehmenden Gesellschaft örtlich zuständigen Finanzamt gestellt werden (§ 21 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG.4 – Ist die übernehmende Gesellschaft unbeschränkt steuerpflichtig, ist das Finanzamt zuständig, in dessen Bezirk sich ihre Geschäftsleitung befindet (§ 20 Abs. 1 AO).5 – Ist die übernehmende Gesellschaft steuerlich im Ausland ansässig und sind die eingebrachten Anteile einer inländischen Betriebsstätte zuzurechnen, so ist das Finanzamt zuständig, in dessen Bezirk die inländische Betriebsstätte liegt.6 1 Vgl. UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/ 0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.02. 2 Vgl. die Lösung zu Beispiel 1 in UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.15. 3 Mutscher in F/D, § 21 UmwStG Rz. 87 f. und 140 f. (Stand: Januar 2021). 4 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.21 i.V.m. 21.12. 5 Behrens in H/M/B5, § 21 UmwStG Rz. 195. 6 Lübbehüsen/Schütte in H/H3, § 21 UmwStG Rz. 59; Nitzschke in Brandis/Heuermann, § 21 UmwStG Rz. 40 (Stand: Juni 2020).

678 | Beinert/Scheifele

H. Anteilstausch | Rz. 10.310 Kap. 10

– In Fällen, in denen sich die inländische Steuerverstrickung der eingebrachten Anteile auf § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e i.V.m. § 17 EStG stützt (wesentliche Beteiligung), ist das Finanzamt zuständig, in dem sich die Geschäftsleitung der eingebrachten Gesellschaft befindet (§ 20 Abs. 3 AO). – In allen anderen Fällen, in denen die stillen Reserven in den eingebrachten Anteilen nach der Einbringung nicht (mehr) in Deutschland steuerverstrickt sind, ist in Ermangelung eines zuständigen Finanzamts wohl davon auszugehen, dass das Bewertungswahlrecht nach § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG tatsächlich nicht wahrgenommen werden kann. Folglich muss man davon ausgehen, dass die übernehmende Gesellschaft die eingebrachten Anteile nach der Grundregel mit ihrem gemeinen Wert anzusetzen hat (§ 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG). Ein Antrag ist nicht erforderlich. c) Einbringender aa) Beschränkte Steuerpflicht Veräußerung. Aus Sicht des Einbringenden stellt der Anteilstausch eine Veräußerung der eingebrachten Anteile dar. Für den Einbringenden ergeben sich daher nur dann Steuerfolgen in Deutschland, wenn die stillen Reserven in den Anteilen in Deutschland steuerverstrickt sind. Das ist bei einem ausländischen Einbringenden nur dann der Fall, wenn die Anteile einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) oder es sich um eine wesentliche Beteiligung i.S.v. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e i.V.m. § 17 EStG (bei Körperschaften als Einbringende s. aber Rz. 10.74) handelt und das deutsche Besteuerungsrecht nicht nach einer dem Art. 13 Abs. 5 OECD-MA entsprechenden Abkommensvorschrift ausgeschlossen ist.1

10.308

Ausländische Kleingesellschafter sind mit einem Gewinn aus der Veräußerung ihrer Anteile dagegen in Deutschland grundsätzlich nicht beschränkt steuerpflichtig (Rz. 10.75). Eine etwaige Anwendung von § 20 Abs. 4a EStG (Rz. 10.328) erübrigt sich insoweit.

10.309

bb) Wertansatz (1) Grundregel: Wertverknüpfung Der Wert, mit dem die übernehmende Gesellschaft die eingebrachten Anteile ansetzt, gilt für den Einbringenden grundsätzlich als Veräußerungspreis der eingebrachten Anteile und als Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile (§ 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG).

1 Schön, DStJG 43, (2020), 563 (620).

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10.310

Kap. 10 Rz. 10.311 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

(2) Ausnahme: Gemeiner Wert als Veräußerungspreis und Anschaffungskosten

10.311 Diese Wertverknüpfung gilt jedoch nicht, wenn das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung entweder der eingebrachten Anteile nach der Einbringung (Halbs. 1) oder der erhaltenen Anteile (Halbs. 2) ausgeschlossen oder beschränkt ist (§ 21 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). In diesem Fall gilt für den Einbringenden – unabhängig vom Wertansatz bei der übernehmenden Gesellschaft – der gemeine Wert der eingebrachten Anteile als Veräußerungspreis und als Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile. 10.312 Antragserfordernis. Die Ausnahmeregelung in Satz 2 findet u.E. auch dann Anwendung, wenn die übernehmende Gesellschaft keinen Antrag auf Ansatz der Buchoder Zwischenwerte nach § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG gestellt hat. Das könnte zwar im Hinblick auf den Wortlaut der Vorschrift („abweichend von Satz 1“) zweifelhaft sein. Andernfalls würde aber als Folgewirkung auch eine Anwendung von Satz 3 ausscheiden, der tatbestandlich auf die „Fälle des Satzes 2“ abstellt. Das ist aber u.E. so nicht gewollt. Satz 2 spricht in seinem Halbsatz 1 auch die Fälle an, in denen kein deutsches Besteuerungsrecht an den eingebrachten Anteilen besteht und somit ein Antrag nach § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG normalerweise nicht möglich ist.1 10.313 Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts an den eingebrachten Anteilen kommt u.E. nur in Betracht, wenn schon vor dem Anteilstausch ein deutsches Besteuerungsrecht bestanden hat (vgl. § 21 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 UmwStG: „nach der Einbringung“). Maßgebend ist eine Gegenüberstellung der Besteuerung der eingebrachten Anteile eine logische Sekunde vor und nach dem Anteilstausch.2 Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts an den eingebrachten Anteilen kommt daher bei ausländischen Einbringenden nur in den oben beschriebenen Fallgruppen in Betracht (Rz. 10.308). Das deutsche Besteuerungsrecht wird ausgeschlossen oder beschränkt, wenn durch die Einbringung die beschränkte Steuerpflicht entfällt (etwa weil die Anteile infolge des Anteilstauschs nicht mehr zu einer inländischen Betriebsstätte gehören oder sich ihr abkommensrechtlicher Status zu Ungunsten des deutschen Fiskus verändert, z.B., weil sich im Verhältnis zur übernehmenden Gesellschaft das anwendbare DBA ändert und dieses – anders als das bisher anzuwendende DBA – keine dem Art. 13 Abs. 4 OECD-MA entsprechende Regelung für Immobiliengesellschaften enthält). 10.314 Das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile ist ausgeschlossen oder beschränkt (§ 21 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 UmwStG), wenn der Einbringende mit den stillen Reserven in den erhaltenen Anteilen nicht in Deutschland (beschränkt) steuerpflichtig ist oder – in DBA-Fällen – Deutschland kein ausschließliches oder vorrangiges Besteuerungsrecht hat. Bei aus-

1 Im Ergebnis ebenso Mutscher in F/D, § 21 UmwStG Rz. 172, 157 ff. (Stand: Januar 2021). 2 Patt in D/P/M, § 21 UmwStG Rz. 59a (Stand: Juni 2018), 60a (Stand: Juni 2019); Mutscher in F/D, § 21 UmwStG Rz. 163 (Stand: Januar 2021).

680 | Beinert/Scheifele

H. Anteilstausch | Rz. 10.317 Kap. 10

ländischen Einbringenden ist das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der erhaltenen Anteile nur dann nicht beschränkt, wenn – diese einer deutschen Betriebsstätte zuzuordnen sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; in DBA-Fällen i.V.m. Art. 13 Abs. 2 OECD-MA) oder – es sich um eine wesentliche Beteiligung i.S.v. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG handelt und der Einbringende in einem Nicht-DBA-Staat oder einem DBA-Staat ansässig ist, der Deutschland abweichend von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA die vorrangige Besteuerungsbefugnis zuweist. Andernfalls kommt ein Buchwertansatz nur unter den Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 UmwStG in Betracht. (3) Rückausnahme: Bewertungswahlrecht des Einbringenden

Scheidet eine Wertverknüpfung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG wegen Satz 2 aus, ist ein Buch- oder Zwischenwertansatz allerdings nach Satz 3 auf Antrag möglich, wenn

10.315

– das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus einer Veräußerung der erhaltenen Anteile weder ausgeschlossen noch beschränkt ist (Nr. 1) oder – der Einbringungsgewinn nach Art. 8 FRL nicht besteuert werden darf (Nr. 2). Im ersten Fall (Nr. 1) geht zwar das deutsche Besteuerungsrecht an den stillen Reserven in den eingebrachten Anteilen verloren, es bleibt aber mittelbar durch die Besteuerung der stillen Reserven in den erhaltenen Anteilen bestehen.1 Diese Voraussetzung für ein Bewertungswahlrecht entspricht inhaltlich § 21 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 UmwStG. Sie ist daher bei ausländischen Einbringenden in der Regel nicht erfüllt.

10.316

Im zweiten Fall (Nr. 2) wird der Gewinn aus einer späteren Veräußerung der erhaltenen Anteile ungeachtet der sich möglicherweise aus dem DBA ergebenden abweichenden Bestimmungen der deutschen Besteuerung unterworfen (treaty override).2 Art. 8 FRL erfasst nur den grenzüberschreitenden Anteilstausch innerhalb des EURaums (Art. 1 Buchst. a i.V.m. Art. 3 FRL) (Rz. 10.100). Damit ein Anteilstausch in den Anwendungsbereich der FRL fällt, müssen an ihm Gesellschaften aus zwei verschiedenen EU-Mitgliedstaaten beteiligt sein (Art. 1 Buchst. a FRL). Nach der FRL gilt eine Gesellschaft als eine Gesellschaft eines EU-Mitgliedstaats, wenn sie nach dem Steuerrecht eines Mitgliedstaats als dort ansässig und nicht aufgrund eines DBA mit einem dritten Staat als außerhalb der EU ansässig angesehen wird (Art. 3 Buchst. b FRL). Da die Fusions-RL keine Anforderungen an die Person des Einbringenden stellt, sind es die übernehmende und die erworbene Gesellschaft, die in zwei unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten ansässig sein müssen.3

10.317

1 Lübbehüsen/Schütte in H/H3, § 21 UmwStG Rz. 90. 2 Klingberg/Nitzschke, PISTB 2007, 67 (72); Lübbehüsen/Schütte in H/H3, § 21 UmwStG Rz. 99; Nitzschke in Brandis/Heuermann, § 21 UmwStG Rz. 53 (Stand: Juni 2021). 3 Mutscher in F/D, § 21 UmwStG Rz. 185 (Stand: Januar 2021).

Beinert/Scheifele | 681

Kap. 10 Rz. 10.318 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

10.318 Antrag. Der Antrag auf Buch- oder Zwischenwertansatz nach § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG ist vom Einbringenden spätestens bis zur erstmaligen Abgabe der Steuererklärung bei dem für seine Besteuerung zuständigen Finanzamt zu stellen (§ 21 Abs. 2 Satz 4 UmwStG). Hier zeigt sich, dass die Vorschriften nicht auf ausländische Einbringende zugeschnitten sind. Ein ausländischer Anteilseigner ist nur dann zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet, wenn er Einkünfte im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht erzielt, die nicht durch Steuerabzug erhoben werden (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG, § 32 Abs. 1 KStG). Unklar ist, ob § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG dazu führt, dass ein ausländischer Anteilseigner, der an sich keine inländische Steuererklärung abgeben müsste, dies nun tun muss und in dieser Erklärung den Veräußerungsgewinn aus der Beteiligung aufgrund des Antragswahlrechts mit null anzugeben hat,1 oder ob ein Antrag auf Fortführung der Buchwerte ohne Abgabe einer Steuererklärung ausreichend ist.2 U.E. ist Letzteres richtig. Das Gesetz verlangt nicht, dass der Antrag in Form einer Steuererklärung abgegeben wird, sondern nur, dass er spätestens bis zu deren Abgabe zu stellen ist. Der ausländische Einbringende kann den Antrag also auch außerhalb einer Steuererklärung stellen, muss dies aber spätestens dann tun, wenn er später einen Gewinn aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile erklärt. Lösung zu Beispiel 31: Die Einbringende (M-Sàrl) unterliegt mit den stillen Reserven in ihren Anteilen an der AGmbH der beschränkten Steuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG). Deutschland steht insoweit auch abkommensrechtlich das vorrangige Besteuerungsrecht zu, da es sich um eine Immobiliengesellschaft handelt (Art. 13 Abs. 2 DBA Luxemburg). Die übernehmende B-S.r.l. ist mit den Anteilen beschränkt steuerpflichtig, allerdings ist Deutschland durch das DBA Italien (Art. 13 Abs. 4) an der Durchsetzung des Steueranspruchs gehindert, weil das DBA Italien keine vergleichbare Sonderregelung für Immobiliengesellschaften kennt. Deutschland hat grundsätzlich kein Besteuerungsrecht hinsichtlich der Anteile, die die M-Sàrl an der B-S.r.l. erhält. Allerdings kann die M-Sàrl auf Antrag den Anteilstausch steuerneutral nach § 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 UmwStG vollziehen, weil es sich um einen von Art. 8 FRL privilegierten Anteilstausch handelt (B-S.r.l. als übernehmende und A-GmbH als erworbene Gesellschaft sind in unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten ansässig). Dafür bleiben aber die erhaltenen Anteile an der B-S.rl. in Deutschland in dem Maße steuerverstrickt, wie es vorher die Anteile an der A-GmbH waren (treaty override nach § 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Halbs. 2 UmwStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG).

3. Übernehmende Gesellschaft im Ausland ansässig a) Beispiele

10.319 Beispiel 32:3

Der in Deutschland ansässige Anteilseigner X (natürliche Person) ist alleiniger Anteilseigner der inländischen A-GmbH. Er bringt seine Anteile an der A-GmbH in die luxemburgische BSàrl ein gegen Gewährung neuer Gesellschaftsanteile. 1 Behrens in H/M/B5, § 21 UmwStG Rz. 303. 2 Offenlassend Nitzschke in Brandis/Heuermann, § 21 UmwStG, Rz. 55 (Stand: Juni 2020). 3 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.15; Fuhrmann, DStZ 2007, 111 ff.

682 | Beinert/Scheifele

H. Anteilstausch | Rz. 10.319 Kap. 10 Abwandlung: X hält nur 0,5 % des Stammkapitals.

Beispiel 33:1 Die inländische M-GmbH bringt ihre Beteiligung an der inländischen A-GmbH in die tschechische B-s.r.o. ein.

1 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.15.

Beinert/Scheifele | 683

Kap. 10 Rz. 10.320 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

b) Übernehmende Gesellschaft

10.320 Für die steuerlich im Ausland ansässige übernehmende Gesellschaft hat die (Zugangs-)Bewertung der eingebrachten Anteile nach § 21 UmwStG für eigene Steuerzwecke nur dann Bedeutung, wenn die Anteile bei ihr in Deutschland steuerverstrickt sind. Eine beschränkte Steuerpflicht besteht nur ausnahmsweise in folgenden Fällen: – Die Anteile sind einer inländischen Betriebsstätte der übernehmenden Gesellschaft zuzurechnen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). – Es handelt sich um eine wesentliche Beteiligung i.S.v. § 17 EStG an einer Gesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG) und die übernehmende Gesellschaft ist in einem Nicht-DBAStaat ansässig oder einem Staat, nach dessen DBA Deutschland abweichend von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA eine Besteuerungsbefugnis hat. – Handelt es sich um eine wesentliche Beteiligung i.S.v. § 17 EStG und sind die eingebrachten Anteile umwandlungs- oder sitzverlegungsgeboren i.S.v. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG, bleiben die Anteile bei der übernehmenden Gesellschaft nur dann steuerverstrickt, wenn diese die Anteile mit einem unter ihrem gemeinen Wert liegenden Wert ansetzt, weil sich dann das steuerliche Merkmal „umwandlungs- oder sitzverlegungsgeboren“ fortsetzt (§ 23 Abs. 1 oder Abs. 3 UmwStG). Ein Ansatz zu einem Wert unterhalb des gemeinen Werts nach § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG kann aber faktisch ausscheiden, wenn es kein für die übernehmende Gesellschaft zuständiges Finanzamt gibt (Rz. 10.307).

10.321 Im Hinblick auf die Auswirkungen auf den Einbringenden ist eine Bewertung bei der übernehmenden Gesellschaft im Prinzip auch dann vorzunehmen, wenn die eingebrachten Anteile bei ihr nicht im Inland steuerverstrickt sind. Die eingebrachten Anteile sind also bei der übernehmenden Gesellschaft nach den oben beschriebenen Grundsätzen des § 21 Abs. 1 UmwStG zu bewerten. Das gilt auch dann, wenn auf Ebene des Einbringenden § 20 Abs. 4a EStG anzuwenden ist und es dabei zu unterschiedlichen Wertansätzen bei Einbringendem (Buchwert) und übernehmender Gesellschaft (gemeiner Wert) kommt (Durchbrechung der Wertverknüpfung).1 c) Einbringender aa) Anwendbares Recht

10.322 Unbeschränkt steuerpflichtige Einbringende lassen sich nach der Art ihrer Anteile in vier Kategorien einteilen:2 – Anteile im Betriebsvermögen; – Anteile i.S.v. § 17 EStG;

1 Hageböke/Kröner/Kaeser in FGS/BDI, Der UmwSt-Erlass 2011, Rz. 21.02. 2 Hageböke/Kröner/Kaeser in FGS/BDI, Der UmwSt-Erlass 2011, Rz. 21.02.

684 | Beinert/Scheifele

H. Anteilstausch | Rz. 10.326 Kap. 10

– „alt“-einbringungsgeborene Anteile i.S.v. § 21 UmwStG 1995; – der Abgeltungsteuer unterliegende Anteile i.S.v. § 20 Abs. 4a EStG. § 21 UmwStG ist nur für die ersten drei Kategorien relevant, während auf Kleingesellschafter im Sinne der vierten Kategorie § 20 Abs. 4a EStG anzuwenden ist.1 bb) § 21 UmwStG Gemeiner Wert. Für den Einbringenden dürfte eine Wertverknüpfung mit dem Ansatz der ausländischen übernehmenden Gesellschaft nach § 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG in den meisten Fällen ausscheiden. Der Einbringende wird vielmehr regelmäßig – jedenfalls im Grundsatz – wegen § 21 Abs. 2 Satz 2 UmwStG die gemeinen Werte als Veräußerungspreis und Anschaffungskosten ansetzen müssen:

10.323

Zwar dürfte hinsichtlich der erhaltenen Anteile an der übernehmenden ausländischen Gesellschaft oftmals ein uneingeschränktes deutsches Besteuerungsrecht bestehen (Halbs. 2), weil Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Einbringenden auch in DBA-Fällen in der Regel das ausschließliche Besteuerungsrecht zusteht (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Allerdings wird bei Anteilseinbringungen in eine ausländische übernehmende Gesellschaft das deutsche Besteuerungsrecht an den eingebrachten Anteilen in aller Regel ausgeschlossen (Halbs. 1). Selbst wenn es sich um Anteile an Gesellschaften in DBA-Staaten mit einer von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA abweichenden Verteilung des Besteuerungsrechts handelt, hatte Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners vor der Einbringung zumindest ein konkurrierendes Besteuerungsrecht an den eingebrachten Anteilen, das nach der Einbringung in aller Regel nicht mehr besteht. Eine Wertverknüpfung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG scheidet damit im Regelfall aus (§ 21 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 UmwStG). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Anteile auch bei der ausländischen übernehmenden Gesellschaft unverändert in Deutschland steuerverstrickt bleiben; zu den Fallgruppen einer Steuerverstrickung bei der übernehmenden ausländischen Gesellschaft s. Rz. 10.320.

10.324

Steuerneutralität. Eine Steuerneutralität des Anteilstauschs kommt in dieser Konstellation daher in den meisten Fällen nur auf Antrag in Betracht, wenn (zumindest) eine der beiden alternativen Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG erfüllt ist. Nach diesen Voraussetzungen lässt sich eine Gewinnrealisierung in den Anteilen unabhängig davon erreichen, ob die übernehmende ausländische Gesellschaft die Buchwerte der erhaltenen Anteile fortführt.2

10.325

Die alternative Voraussetzung in Nr. 1 ist bei einem im Inland unbeschränkt steuerpflichtigen Einbringenden in aller Regel erfüllt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die übernehmende Gesellschaft in einem DBA-Staat ansässig ist, nach dessen DBA

10.326

1 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.02. 2 Es wäre EU-rechtswidrig die Steuerneutralität von der Buchwertfortführung bei der ausländischen übernehmenden Gesellschaft abhängig zu machen; Schön, DStJG 43 (2020), 563 (618).

Beinert/Scheifele | 685

Kap. 10 Rz. 10.326 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners abweichend von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA kein ausschließliches Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus einer Veräußerung der erhaltenen Anteile hat.

10.327 Die alternative Voraussetzung nach Nr. 2 ist eine Auffangregelung für die Fälle, in denen Deutschland aufgrund einer von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA abweichenden DBA-Regelung zwar an sich nicht ausschließlich zur Besteuerung befugt ist, sich allerdings durch einen treaty override die Besteuerung des Gewinns aus einer späteren Veräußerung der erhaltenen Anteile vorbehält.1 Die Vorschrift erfasst aber nur Fälle, in denen übernehmende und erworbene Gesellschaft in unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten ansässig sind (Rz. 10.317). cc) § 20 Abs. 4a EStG

10.328 Für Kleingesellschafter (Rz. 10.138) ist der Anteilstausch unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG zwingend steuerneutral. Das Bewertungswahlrecht nach § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG steht Kleingesellschaftern nicht offen.2 Die beiden alternativen Voraussetzungen des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG entsprechen im Wesentlichen3 denen des § 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 und Nr. 2 UmwStG. 10.329 Da die Wertverknüpfung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG keine Anwendung findet, kann die übernehmende Gesellschaft im Hinblick auf die eingebrachten Anteile der Kleingesellschafter den gemeinen Wert ansetzen, muss also nicht – um die Steuerneutralität auf Ebene der Einbringenden zu sichern – den Buchwertansatz nach § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG wählen. Das gilt auch dann, wenn sie für andere Einbringende, die nicht Kleingesellschafter sind, den Antrag auf Ansatz mit dem Buchwert (oder einem Zwischenwert) stellt. Auswirkungen auf die Kleingesellschafter hat dies nicht. Damit die übernehmende Gesellschaft die Bewertung der eingebrachten Anteile entsprechend genau vornehmen kann, muss sie dafür allerdings in Erfahrung bringen, in welchem Umfang Kleingesellschafter an ihr beteiligt sind und die Einbringenden um entsprechende Meldung bitten.4 Lösung zu Beispiel 32 und Abwandlung: Es handelt sich um einen qualifizierten Anteilstausch. Nach dem DBA Luxemburg hat Deutschland das alleinige Besteuerungsrecht für Gewinne aus der Veräußerung der erhaltenen (neuen) Anteile an der B-Sàrl (Art. 13 Abs. 5). Damit kann der Einbringende X auf Antrag seine Anschaffungskosten bzw. Buchwerte fortführen (§ 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UmwStG), und 1 Klingberg/Nitzschke, PISTB 2007, 67 (72); Lübbehüsen/Schütte in H/H3, § 21 UmwStG Rz. 99; Nitzschke in Brandis/Heuermann, § 21 UmwStG Rz. 53 (Stand: Juni 2021). 2 Hageböke/Kröner/Kaeser in FGS/BDI, Der UmwSt-Erlass 2011, Rz. 21.02. 3 Unklar ist aber am Ende von § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG der Verweis auf die „Verschmelzung“ im Zusammenhang mit Art. 8 FRL. Das könnte man so verstehen, dass diese alternative Voraussetzung bei einem Anteilstausch keine Anwendung findet. Das wäre u.E. aber im Vergleich zu § 21 Abs. 3 Satz 2 UmwStG und angesichts von Sinn und Zweck des § 20 Abs. 4a EStG nicht nachvollziehbar. 4 Beinert, GmbHR 2012, 291 (294); Hageböke/Kröner/Kaeser in FGS/BDI, Der UmwSt-Erlass 2011, Rz. 21.02.

686 | Beinert/Scheifele

H. Anteilstausch | Rz. 10.331 Kap. 10 zwar unabhängig davon, wie die B-Sàrl die eingebrachten Anteile an der A-GmbH ansetzt. Fraglich ist dann, ob eine Veräußerung der eingebrachten Anteile innerhalb der Siebenjahresfrist des § 22 Abs. 2 UmwStG eine Nachversteuerung auszulösen vermag.1 In der Abwandlung hat der Einbringende X dagegen kein Wahlrecht. Er hat in den Anteilen an der B-Sàrl zwingend den Buchwert der Anteile an der A-GmbH fortzuführen, weil das deutsche Besteuerungsrecht in den Anteilen an der B-Sàrl nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist. Lösung zu Beispiel 33: Nach dem DBA Tschechien hat Deutschland als Ansässigkeitsstaat der A-GmbH das Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der eingebrachten Anteile (Art. 13 Abs. 3). Das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der eingebrachten Anteile wird also nicht ausgeschlossen oder beschränkt (§ 21 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 UmwStG). Beschränkt ist das deutsche Besteuerungsrecht dagegen hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile, weil das vorrangige Besteuerungsrecht bei Tschechien als dem Ansässigkeitsstaat der B-s.r.o. liegt (Art. 13 Abs. 3 DBA Tschechien). Wegen § 21 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 UmwStG kann damit als Veräußerungspreis der eingebrachten Anteile an der A-GmbH grundsätzlich nicht deren Buchwert angesetzt werden.

10.330

In Rückausnahme zu § 21 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 UmwStG können allerdings nach § 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 UmwStG auf Antrag der M-GmbH die erhaltenen Anteile mit dem Buchwert oder einem Zwischenwert bewertet werden, wenn der Gewinn aufgrund Art. 8 FRL nicht besteuert werden darf. Dies ist dann der Fall, wenn neben der übernehmenden Gesellschaft auch die eingebrachte Gesellschaft in einem Mitgliedstaat der EU/EWR ansässig ist und keinerlei unbare sonstige Gegenleistungen gewährt werden oder nur bare Zusatzleistungen erbracht werden, die 10 % des Nennwerts/rechnerischen Werts der ausgegebenen Anteile nicht überschreiten. Die Einbringung der Anteile an der A-GmbH durch die M-GmbH in die tschechische B-s.r.o. im Wege des qualifizierten Anteilstauschs fällt in den Anwendungsbereich der FRL. Die einbringende M-GmbH kann folglich nach § 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 UmwStG als Veräußerungspreis der A-GmbH-Anteile den Buchwert oder Zwischenwert wählen.2

4. Ausländische erworbene Gesellschaft Beispiel 34:3 Die deutsche M-GmbH bringt Anteile an ihrer (100 %igen) US-amerikanischen Tochtergesellschaft A-Corp. in die tschechische B-s.r.o. gegen Gewährung neuer Gesellschaftsanteile an der tschechischen Gesellschaft ein.

1 Zweifelnd Schön, DStJG 43 (2020), 563 (618 f.): Nicht vom Missbrauchsvorbehalt des Art. 15 Fusions-RL gedeckt. 2 Vgl. UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/ 0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.15 „Beispiel 2“. 3 Patt in D/P/M, § 21 UmwStG Rz. 60a „Beispiel 2“ (Stand: Juni 2019).

Beinert/Scheifele | 687

10.331

Kap. 10 Rz. 10.331 | Umwandlungen von Kapitalgesellschaften

5. Mitteilungspflicht nach DAC6

10.332 Scheidet eine Buchwertverknüpfung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG aus, was bei grenzüberschreitenden Tauschvorgängen der Regelfall sein dürfte, und lässt sich eine Aufdeckung stiller Reserven nur nach § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG erreichen, soll der Anteilstausch eine Mitteilungspflicht nach § 138 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c AO begründen.1 Nach dieser Vorschrift ist eine Übertragung von Vermögensgegenständen mitteilungspflichtig, „soweit sich die steuerliche Bewertung des Vermögensgegenstands in den beteiligten Steuerhoheitsgebieten wesentlich unterscheidet“, ohne dass es zusätzlich darauf ankommt, dass einer der Hauptvorteile der Gestaltung in der Erlangung von Steuervorteilen liegt (vgl. § 138d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b AO). U.E. erscheint es indessen widersinnig, in Fällen, in denen der Steuerpflichtige ein gesetzlich vorgesehenes Bewertungswahlrecht durch Antrag bei der Finanzverwaltung in Anspruch nimmt, eine Mitteilungspflicht anzunehmen. Es wäre überraschend, wenn der Gesetzgeber solche Fälle im Blick hatte, als er die entsprechende Mitteilungspflicht statuierte. Eine teleologische Reduktion des Wortlauts scheint angebracht. 1 Eberhardt, IStR 2019, 697 (699); Schnitger/Krüger, DB 2020, 2422 (2429); Schnitger/Brink/ Welling, IStR 2021, 229 (244 f.); Mühlhausen/Welling, ISR 2021, 20 (31 f.).

688 | Beinert/Scheifele

H. Anteilstausch | Rz. 10.333 Kap. 10 Lösung zu Beispiel 34: Vor der Einbringung hatte Deutschland ein unbeschränktes Besteuerungsrecht an den stillen Reserven in den Anteilen an der A-Corp. (Art. 13 Abs. 5 DBA USA). Da nach der Einbringung ein unbeschränktes inländisches Besteuerungsrecht für die stillen Reserven in den eingebrachten Anteilen an der A-Corp. nicht mehr besteht, gilt für die M-GmbH der gemeine Wert der A-Corp.-Anteile als der Veräußerungspreis (§ 21 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 UmwStG). Ein Ansatz zu Buch- oder Zwischenwerten nach § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG kommt nicht in Betracht. Zum einen ist das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der erhaltenen Anteile an der B-s.r.o. durch das DBA Tschechien beschränkt (Art. 13 Abs. 3), sodass die Voraussetzungen der Nr. 1 nicht erfüllt sind. Auch die Voraussetzungen der Nr. 2 liegen nicht vor, weil der Anteilstausch nicht unter Art. 8 FRL fällt. Denn die erworbene Gesellschaft ist in den USA (Drittstaat) ansässig und nicht in einem EU-Mitgliedstaat.

IV. Außerhalb des Anwendungsbereichs des UmwStG Werden in Deutschland steuerverstrickte Anteile in eine Drittstaatengesellschaft als übernehmende Gesellschaft eingebracht, fällt dieser Vorgang nicht in den Anwendungsbereich des UmwStG. Erfolgt die Einbringung gegen Gewährung von Anteilen, handelt es sich um einen Tausch, der nach allgemeinen Grundsätzen zu besteuern ist. Handelt es sich um Anteile im Privatvermögen, die nicht die Voraussetzung einer wesentlichen Beteiligung i.S.v. § 17 EStG erfüllen oder einbringungsgeboren i.S.v. § 21 UmwStG a.F. sind, ist § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG anzuwenden. Im Übrigen ist der Anteilstausch aus Sicht des Einbringenden als Veräußerung der eingebrachten Anteile zu behandeln1 und nach allgemeinen Grundsätzen zu besteuern.2 Lösung zu Beispiel 30: Die nach § 17 EStG steuerverstrickten stillen Reserven in den Anteilen an der A-GmbH werden anlässlich der Einbringung in die Schweizer B-AG aufgedeckt und sind zu versteuern.

1 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 00.02. 2 Vgl. Patt in D/P/M, Vor §§ 20–23 UmwStG Rz. 55 (Stand: September 2021).

Beinert/Scheifele | 689

10.333

690 | Beinert/Scheifele

Kapitel 11 Umwandlungen von transparent besteuerten Personengesellschaften A. Grundfragen der internationalen Umstrukturierung von Personengesellschaften I. Deutsche Personengesellschaftbesteuerung im Umbruch mit Folgen für internationale Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1 II. Internationale Konzeptvielfalt bei der Personengesellschafts-Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.6 III. Internationale Umstrukturierungskonstellationen für Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.9 B. § 24 UmwStG als umstrukturierungsbezogene Grundnorm mit globalem Anwendungsbereich I. Grundlagen des § 24 UmwStG . . . 11.11 II. Internationale Anwendung des § 24 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.17

C. Grenzüberschreitende Einbringung/Verschmelzung von Personengesellschaften I. Unterschiedliche Gestaltungswege für Herein- und Hinaus-Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.19 II. Ertragsteuerfolgen einer „Hinausverschmelzung“ . . . . . . . . . . . . . . . . 11.22 III. Ertragsteuerfolgen einer „Hereinverschmelzung“ . . . . . . . . . . . . . . . . 11.28 D. Grenzüberschreitende Sitzverlegung einer Personengesellschaft 11.29 E. Besondere Umstrukturierungsgefahren internationaler Umwandlungen durch Sonderbetriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . 11.32 F. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.36

Literatur: Baldamus, Neues zur Betriebsstättengewinnermittlung, IStR 2012, 317; Becker/ Loose, Abkommensrechtlich transparente Behandlung einer intransparenten ausländischen Personengesellschaft, BB 2011, 2406; Bungert/Wansleben, Die grenzüberschreitende Verschmelzung auf Personengesellschaften ist Wirklichkeit, DB 2019, 49; Denninger/Gillamariam/Stoll, Besteuerungskonflikte von Personengesellschaften mit grenzüberschreitendem Gesellschaftsverhältnis bei Sondervergütungen, StuB 2011, 948; Engel/Hilbert, Besteuerung des Gewinnanteils des inländischen Gesellschafters einer ausländischen Personengesellschaft, FR 2012, 394; Fleischer/Wansleben, Die GmbH & Co. KG in den Auslandsrechten, GmbHR 2017, 633; Haase/Brändel, Überlegungen zur Theorie der betriebsstättenlosen Einkünfte, StuW 2011, 49; Hageböke, Die Ausbringung eines Teilbetriebs aus einer Mitunternehmerschaft durch „Upstream“-Abspaltung, Ubg 2009, 105;Heckschen/Hilser, Grenzüberschreitender Gesellschaftszuzug aus Drittstaaten nach Deutschland am Praxisbeispiel einer Schweizer Aktiengesellschaft, DStR 2022, 1005 und 1053; Heckschen/Knaier, Größte Reform des Umwandlungsrechts – nicht nur Richtlinienumsetzung!, GmbHR 2022, 501 (Teil I) und 613 (Teil II); Herlinghaus, Umstrukturierungen bei Personengesellschaften, in: Die Personengesellschaft im Steuerrecht, Köln 2011, 67; Kaeser, Einbringungstatbestände (§§ 20 ff. UmwStG), DStR, Beihefter zu Heft 2/2012, 13; Kahle, Zur Zukunft der Besteuerung der Personengesellschaften, FR 2022, 377; Kahle, Zur Ertragsbesteuerung der Personengesellschaften nach MoPeG und KöMoG, StuB 2022, 881; Kai, Einbringung von Betriebsvermögen in Personengesellschaften nach dem UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 165; Kempermann, Keine sog. Qualifikationsverkettung bei subjektivem Qualifikationskonflikt – Vermietungseinkünfte einer vermögensverwaltenden, aber gewerblich geprägten ungarischen Personengesellschaft als Besitzgesell-

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Kap. 11 | Umwandlungen von transparent best. PersGes schaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung, FR 2011, 1179; Ley/Brandenberg, Umstrukturierungen von Personengesellschaften (§§ 6 Abs. 5 EStG, 24 UmwStG), Ubg 2010, 767; Lüdicke, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, in: Die Personengesellschaft im Steuerrecht, Köln 2011, 95; Meretzki, Weshalb der neue § 50d Abs. 10 EStG sein Ziel verfehlt und neue Probleme schafft – Mitunternehmer-Betriebsstätten, floating income und weitere Streitfragen, IStR 2009, 217; Prinz, Besteuerungsgrundsätze für hybride internationale Mitunternehmerschaften, FR 2012, 381; Prinz, Grenzüberschreitende Sondervergütungen bei Mitunternehmerschaften, DB 2011, 1415; Prinz, Internationale Mitunternehmerschaften im steuerlichen Umstrukturierungsrecht, FR 2013, 1; Prinz, Die Reform der Besteuerung der Personengesellschaften – Ein Statement, FR 2022, 61; Prinz, Internationale Personengesellschaften: Option gem. § 1a KStG bei ausländischen Mitunternehmern, FR 2023, 1; Prinz zu Hohenlohe/ Rautenstrauch/Wittmann, BB-Rechtsprechungsreport – Internationales Steuerrecht 2010/ 2011, BB 2012, 357; Schaflitzl/Götz, Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Personengesellschaft (§ 24 UmwStG), DB Beilage 1/2012, 56; Schaumburg, Steuerliche Restriktionen bei internationalen Umwandlungen, GmbHR 2010, 1341; Schmitz, Bilanzierungskonkurrenzen bei Sonderbetriebsvermögen – Grundprinzipien der Zuordnung, NWB 2010, 425; Schnitger, Änderungen des § 1 AStG und Umsetzung des AOA durch das JStG 2013, IStR 2012, 633; Schnittker/Benecke, Wegzug und Zuzug von Personengesellschaften, FR 2010, 565; Schön, Die Personengesellschaft im Steuerrechtsvergleich, in: Die Personengesellschaft im Steuerrecht, Köln 2011, 139; Schulze zur Wiesche, GmbH-Beteiligungen als Sonderbetriebsvermögen der Personengesellschaft, GmbHR 2012, 785; Schwemmer, Der Rechtsvergleich im Internationalen Steuerrecht, StuW 2023, 82; Spengel/Schaden/Wehrße, Grenzüberschreitende Besteuerung von Personengesellschaften im OECD-MA – Problembereiche und Lösungsansätze, StuW 2012, 105; Spengel/Schaden/Wehrße, Besteuerung von Personengesellschaften in den 27 EU-Mitgliedstaaten und den USA – eine Analyse der nationalen Besteuerungskonzeptionen, StuW 2010, 44; Stöber, Personengesellschaften im Abkommensrecht, IStR 2020, 601; Suchanek, Anmerkung zum BFH-Urteil vom 25.5.2011 (I R 95/10; GmbHR 2011, 1004) – Zur Besteuerung von Vermietungseinkünften einer gewerblich geprägten ungarischen Personengesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung, GmbHR 2011, 1008; Suchanek/Herbst, Status quo zur Behandlung intransparent besteuerter ausländischer Personengesellschaften – Auswertung aktueller Rechtsprechung, Ubg 2011, 779; Töben, Einmal Chile und zurück – Gewerblichkeitsfiktionen im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht, Festschrift für Jürgen Lüdicke, 2019, 591 – 606; Töben, Rechtsprechung zu grenzüberschreitenden Personengesellschaften, FR 2018, 991; Töben, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, FR 2016, 543; Wachter, Grenzüberschreitender Formwechsel in eine deutsche GmbH & Co. KG, DB 2020, 2281; Wacker, Das Veranlassungsprinzip national und international- eine Zwischenbilanz aus Sicht des Ertragsteuerrechts, BB 2018, 2519; Wacker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht – Aktuelles zur Betriebsstättenzurechnung, DStR 2019, 836; Wacker/Krüger/Levedag/Loschelder, Zum Optionsmodell nach dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts, Beihefter zu DStR Heft 41/2021; Wassermeyer, Grundfragen internationaler Personengesellschaften im Abkommensrecht, FR 2010, 537.

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A. Grundfragen der internat. Umstrukturierung von PersGes | Rz. 11.2 Kap. 11

A. Grundfragen der internationalen Umstrukturierung von Personengesellschaften I. Deutsche Personengesellschaftbesteuerung im Umbruch mit Folgen für internationale Umstrukturierungen 1. Ausgangspunkt: Transparenzgebot bei der deutschen Personengesellschaftsbesteuerung Die Personengesellschaftsbesteuerung in Deutschland mit ihrem Transparenzansatz weist viele rechtsförmliche Besonderheiten auf, die von großer praktischer Tragweite vor allem bei mittelständischen Unternehmen sind und Umstrukturierungsrelevanz haben. Die „Bruchstellen“ transparenter Personengesellschaftsbesteuerung – namentlich insb. des Sonderbetriebsvermögens, der Sondervergütungen sowie der gewerblichen Prägung/Infektion – werden vor allem bei internationalen Mitunternehmerschaften sowie bei Umwandlungen mit Auslandsbezug überdeutlich.1

11.1

Steuerkuriositäten deutscher transparenter Personengesellschaften. Grund für die herausragende Bedeutung der Personengesellschaften in Deutschland ist ihre rechtliche und praktische Flexibilität mit vielfältigen „Freiheitsgraden“.2 Aus steuerlicher Sicht steht im Mittelpunkt das Transparenzgebot des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit dem „Durchgriff“ auf die Mitunternehmer als steuerpflichtigen Personen. Ein Trennungsprinzip wie im Körperschaftsteuerrecht kennt die inländische Personengesellschaftsbesteuerung – abgesehen von der ab 1.1.2022 bestehenden Optionsmöglichkeit gem. § 1a KStG – nicht. Transparente Besteuerung bedeutet konkret: Nicht die Personengesellschaft selbst, sondern ihre Gesellschafter – man spricht von steuerlichen Mitunternehmern, die als Typusmerkmale Mitunternehmerrisiko und Mitunternehmerinitiative tragen3 – unterliegen mit ihren „Gewinnanteilen“ und „Sondervergütungen“ der Ertragsteuer.4 Auf der anderen Seite verfügt aber auch die Personengesellschaft selbst über eine begrenzte Steuerrechtssubjektivität, da sie in der Einheit ihrer Gesellschafter Merkmale eines Besteuerungstatbestands (hinsichtlich Einkunftsart sowie Einkünfteermittlung) verwirklicht; die gemeinschaftlich erzielten Gewinne/ Verluste werden anschließend den Gesellschaftern für deren Besteuerung nach Maßgabe der Gewinnverteilungsabrede zugerechnet. Dieses mitunternehmerschaftliche „Zusammenspiel“ zwischen Einheit der Personengesellschaft und Vielheit der Gesellschafter ist in § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG steuersystematisch angelegt und wurde durch

11.2

1 Zu den Grundlagen der Besteuerung von Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht vgl. Töben, FR 2016, 543 sowie FR 2018, 991; Prinz, FR 2018, 973, DB 2021, 912 sowie FR 2023, 1; Wacker, DStR 2019, 836. Speziell zur PersGes. im Abkommenrecht vgl. Stöber, IStR 2020, 601. 2 Zu Details s. Prinz, FR 2010, 736. 3 Grundmaßstab für die Beurteilung einer Mitunternehmerstellung sind die im Regelstatut des HGB für einen Kommanditisten bestehenden Befugnisse (§§ 161 ff. HGB). Zu den Details des Mitunternehmerbegriffs und seiner subjektiven Zurechnungsfunktion von Einkünften aus Mitunternehmerschaften s. Wacker in Schmidt41, § 15 EStG Rz. 250–315. 4 Es handelt sich um die Einkommensteuer bei natürlichen Personen, die Körperschaftsteuer bei Kapitalgesellschaften als Mitunternehmern.

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Kap. 11 Rz. 11.2 | Umwandlungen von transparent best. PersGes

höchstrichterliche Judikatur in einer Vielzahl von Grundlagenentscheidungen, für die mehrfach der Große Senat des BFH bemüht werden musste, ausjudiziert.1

11.3 Bei der Gewerbesteuer bestehen Besonderheiten: Die Personengesellschaft ist dort zwar Steuerschuldner (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Als Träger des Gewerbebetriebs werden aber trotz des Objektsteuercharakters der Gewerbesteuer die Mitunternehmer in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit gesehen. Das Gebot transparenter Besteuerung von Personengesellschaften gilt deshalb auch für die Gewerbesteuer.2 Hinzukommt bei natürlichen Personen als Mitunternehmer eine typisierte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer gem. § 35 EStG, die an den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssel anknüpft sowie die Möglichkeit, eine Thesaurierungsrücklage gem. § 34a EStG zu bilden. Bei der Körperschaftsteuer gibt es eine solche „Gewerbesteueranrechnung“ nicht; Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer fallen kumulativ an. Dadurch sollen Körperschaften und Personenunternehmen in ihrer Steuerbelastung einander angenähert werden. Die ab 1.1.2022 geltende Optionsmöglichkeit des § 1a KStG für Personenhandelsgesellschaften ist ein weiterer Schritt der Belastungsannäherung an Körperschaften und ihre Gesellschafter. 11.4 Die deutschen Grundsätze der Mitunternehmerbesteuerung3 greifen nur ein, wenn die Personengesellschaft – üblicherweise als Außengesellschaft, mitunter aber auch als Innengesellschaft (atypisch stille Beteiligung, atypische Unterbeteiligung) ausgestaltet – gewerblich tätig, gewerblich geprägt oder infiziert ist (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 EStG). Rein vermögensverwaltend tätige Personengesellschaften erzielen dagegen Einkünfte aus Kapitalvermögen oder aus Vermietung und Verpachtung. Folge des Transparenzprinzips bei der Mitunternehmerschaftsbesteuerung ist eine „steuerliche Bilanzenvielfalt“: Gesamthandsbilanzen mit einer „maßgeblichkeitsverknüpften“ Verbindung von Handels- und Steuerbilanz über die handelsrechtlichen GoB (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG), Sonderbilanzen mit positivem und negativem Sonderbetriebsvermögen und schließlich Ergänzungsbilanzen als positive oder negative 1 Aus der Großen Senats-Rechtsprechung sind hervorzuheben BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 zur GmbH & Co. KG; v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691, der sich mit mehrstöckigen Mitunternehmerschaften befasst; v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616 zum Grundsatz der Unternehmens- und Unternehmeridentität bei gewerbesteuerlichen Fehlbeträgen; zum gewerblichen Grundstückshandel s. ergänzend BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617. Die Rechtsprechung wird subtil nachgezeichnet durch Pinkernell, Einkünftezurechnung bei Personengesellschaften, Berlin 2001, 20 ff.; Blischke, Die Mitunternehmerschaft im Einkommensteuerrecht, 2020, 42 ff.; Kilincsoy, Der Mitunternehmeranteil an der Personengesellschaft im Einkommensteuerrecht, 2021, 106 ff. Dies verdeutlicht, wie nachhaltig im BFH um die „richtige“ PersGes.-Besteuerung gerungen wurde (und wohl auch wird). Kritisch zum dualen System der Mitunternehmerbesteuerung auch Rätke in H/H/R, § 15 EStG Anm. 99 (Stand: April 2022). Zur Zukunft der Besteuerung von PersGes. vgl. Kahle, FR 2022, 377 und StuB 2022, 881; Müller-Gatermann, FR 2022, 637. 2 Vgl. Wacker, FR 2022, 625 (626). 3 Vgl. als instruktiven Überblick Kahle/Klöpping/Hiller in Beck`sches Handbuch der Personengesellschaften5, § 7.

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A. Grundfragen der internat. Umstrukturierung von PersGes | Rz. 11.5 Kap. 11

Wertkorrekturen (insb. zur Sicherstellung der personellen Zuordnung stiller Reserven). All dies ist im Grundsatz integrierter Bestandteil eines Mitunternehmeranteils sowie der zweistufig ausgestalteten Gewinnermittlung. Des Weiteren hat dies zur Folge, dass einer PersGes-Beteiligung keine Wirtschaftsgutqualität zukommt; vielmehr erfolgt ein „Durchgriff“ auf die im Gesamthandsvermögen der PersGes. befindlichen positiven und negativen Wirtschaftsgüter. Schließlich bestehen bei mitunternehmerbezogenen Verlustkonstellationen Sonderregelungen, wie etwa § 15a EStG – dort bleibt das Sonderbetriebsvermögen für Verlustverrechnungszwecke außer Betracht – oder § 10a GewStG mit den Grundsätzen der Unternehmens- und Unternehmeridentität. Dies alles verdeutlicht, dass die Personengesellschaftsbesteuerung mit ihrem Transparenzansatz äußerst komplex ist und aus internationaler Sicht in Teilen als sehr „eigenwillig“ empfunden wird. § 1 AStG als Sonderregelung intransparenter Besteuerung für auslandsbezogene Berichtigungszwecke. Die transparente PersGes.-Besteuerung in Deutschland gilt seit 2013 nicht mehr durchgängig. Denn § 1 Abs. 1 AStG , der zur Einkunftsberichtigung zugunsten Deutschlands bei Geschäftsbeziehungen zum Ausland berechtigt, ist durch das JStG 2013 im Hinblick auf grenzüberschreitende Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen um eine Sonderregelung für Personengesellschaften ergänzt worden. Danach ist eine Personengesellschaft oder eine Mitunternehmerschaft – beides wird als Tatbestandsmerkmal ausdrücklich genannt – mit Wirkung ab dem VZ 2013 für Zwecke des § 1 AStG – sowie für gem. § 1a KStG optierende Personenhandelsgesellschaften – „Steuerpflichtiger“. Darüber hinaus kann eine Personengesellschaft oder Mitunternehmerschaft auch „nahestehende Person“ im Rahmen des § 1 AStG sein; diese Ergänzung soll für sämtliche noch offenen Veranlagungen gelten. Die Leistungsbeziehungen zwischen Mitunternehmerschaft und Mitunternehmer müssen fremdüblich ausgestaltet sein; das Dealing-Konzept für ausländische Betriebsstätten gilt übereinstimmend mit den gesellschaftsrechtlichen Grundlagen der Rechtsträgerschaft einer Personengesellschaft nicht (§ 1 Abs. 5 Satz 7 AStG). Der Gesetzgeber verfolgt mit der Umsetzung des „Authorized OECD Approach“ in der Einkunftsberichtigungsnorm des § 1 AStG die Gleichbehandlung sämtlicher Investitionsalternativen für Fremdvergleichszwecke. Aus diesem Grund erfolgt – entgegen ihrer Rechtsnatur als Bestandteil eines Stammhauses – auch die steuerliche Verselbständigung einer „einfachen“ Betriebsstätte als „eigenständiges und unabhängiges Unternehmen“. Die Regelung steht im Spannungsverhältnis zum Konzept transparenter Mitunternehmerbesteuerung und ist bereits im Gesetzgebungsverfahren auf vielfältige Kritik gestoßen.1 Auch besteht ein klarer Systembruch zur Behandlung grenzüberschreitender Sondervergütungen gem. § 50d Abs. 10 EStG, der eine „Treaty Override- Abwehrregelung“ zur Sicherstellung inländischer Besteuerung enthält. Die Sonderregelung zur intransparenten Besteuerung einer Personengesellschaft für Zwecke des § 1 AStG könnte gegen das verfassungsrechtliche Folgerichtigkeitsgebot verstoßen und die unionsrechtlich verbürgten Grundfreiheiten verletzen. Dies sollte für Zwecke der Abwehrberatung im Einzelfall geprüft werden. 1 Vgl. Baldamus, IStR 2012, 317; Schnitger, IStR 2012, 633 (635 f.); Ditz/Tcherveniachki, DB 2014, 203.

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11.5

Kap. 11 Rz. 11.5a | Umwandlungen von transparent best. PersGes

2. Entwicklungen bei der PersGes-Besteuerung ab dem Jahr 2022

11.5a Neben der weitergeltenden traditionell bestehenden transparenten Mitunternehmerbesteuerung sind aktuell zwei bedeutsame Entwicklungen festzustellen, die Steuerfragen bei der internationalen Umstrukturierung von Personengesellschaften erheblich beeinflussen. Zum einen ist dies die ab 1.1.2022 geltende Optionsmöglichkeit gem. § 1a KStG als eine Art Check-the-box-Antragsverfahren für inländische und ausländische Personenhandelsgesellschaften, sich wie eine Körperschaft nach dem Trennungsprinzip besteuern zu lassen; die grenzüberschreitenden Umstrukturierungen folgen insoweit Körperschaftsteuergrundsätzen. Zum zweiten sind dies die gesellschaftsrechtlichen Modernisierungsmaßnahmen im Recht der Personengesellschaften, die ab 1.1.2024 gelten und zukünftig ebenfalls steuerliche Folgewirkungen haben werden. 11.5b Neue Optionsmöglichkeit für Personenhandelsgesellschaften gem. § 1a KStG. Der deutsche Steuergesetzgeber hat im KöMoG v. 25.6.2021 für Personenhandelsgesellschaften und vergleichbare Gesellschaften ausländischer Rechtsform – bei gleichzeitiger Körperschaftsteuerpflicht im Ausland, also einer Art „Qualifikationsverkettung“ – die Möglichkeit eröffnet, zur Körperschaftsbesteuerung zu optieren.1 Die unwiderrufliche Option gem. § 1a KStG, die keine Rückwirkung entfaltet und auch für Gewerbesteuerzwecke gilt (§ 2 Abs. 8 GewStG), kann erstmals für Wirtschaftsjahre ausgeübt werden, die nach dem 31.12.2021 beginnen. Einzelunternehmer, GbRs, mitunternehmerschaftlich ausgestaltete Innengesellschaften und Investmentfonds können von der Optionsmöglichkeit keinen Gebrauch machen. Die Optionswirkungen erstrecken sich – abgesehen von Missbrauchsverhinderungsregelungen – nicht auf Grunderwerbsteuer, Umsatzsteuer sowie Erbschaft- und Schenkungsteuer. Bei ausländischen optierten PersGes. verhindert § 50d Abs. 14 EStG in Gestalt eines Treaty Override das Entstehen „weißer Einkünfte“. 11.5c Per fiktivem Formwechsel gem. § 25 i.V.m. §§ 20–23 UmwStG erfolgt ein Übergang von der einstufigen transparenten Mitunternehmerbesteuerung zur getrennten Behandlung der Personenhandelsgesellschaft und ihrer Gesellschafter nach Körperschaftsbesteuerungsgrundsätzen. Von der Antragstellung einer Option durch die Personenhandelsgesellschaft ist der umwandlungssteuerliche Antrag auf Buchwertverknüpfung durch den per Formwechsel fiktiv einbringenden Mitunternehmer zu unterscheiden, der insbesondere eine Sicherstellung der Besteuerung stiller Reserven in der Mitunternehmerschaft voraussetzt. Hochprofitable thesaurierende Personenhandelsgesellschaften können damit in den „Genuss“ des im Vergleich zur Einkommensteuerprogression niedrigen Körperschaftsteuersatzes von 15 Prozent (zzgl. jeweiliger Ge1 Vgl. exemplarisch aus dem umfangreichen Schrifttum Möhlenbrock/Haubner, FR 2022, 53; Prinz, FR 2022, 61 und FR 2023, 1; Wacker/Krüger/Levedag/Loschelder, Beihefter zu Heft 41/2021 DStR; Cordes/Kraft, FR 2021, 401; Lüdicke/Eiling, BB 2021, 1439; Haase, Ubg 2021, 193; Schiffer/Jacobsen, DStZ 2021, 348; Fuhrmann, NWB 2021, 2356; Kahle, FR 2022, 377 und StuB 2022, 881 (884); Leidel/Conrady, BB 2022, 663; Kneipp/Schlitt, Wpg 2022, 648; Link, DStR 2022, 1599; Wernberger/Wengler, DStR 2022, 1896 und 1513. Die Optionsmöglichkeit gilt auch für freiberufliche Partnergesellschaften; dies bleibt im Folgenden außer Betracht.

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A. Grundfragen der internat. Umstrukturierung von PersGes | Rz. 11.5e Kap. 11

werbesteuer) gelangen. Die mitunternehmerbezogene Möglichkeit zur Thesaurierungsrücklage gem. § 34a KStG ist neben der Optionsmöglichkeit erhalten geblieben. Ergänzungsbilanzen, Sonderbilanzen einschließlich Sondervergütungen und die Gewerblichkeitsfiktionen des § 15 Abs. 3 EStG gibt es bei optierenden Personenhandelsgesellschaften nicht mehr. Eines der Ziele des Gesetzgebers bei Begründung der Optionsmöglichkeit gem. § 1a KStG ist deshalb die Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Personenhandelsgesellschaften. Als Reformmotiv des Gesetzgebers kommt hinzu die Annäherung der Belastungswirkungen von Personenunternehmen und Körperschaften im Hinblick auf eine Art rechtsformneutrale Besteuerung.1 Personenhandelsgesellschaften mit internationalen Bezügen – sei es im Gesellschafterkreis, sei es im Bereich auslandsbezogener Vermögenswerte – werfen bei der Option gem. § 1a KStG vielfältige Fragen auf, die im Kapitel 20 separat dargestellt werden. Wegen der Komplexität des fiktiven Formwechsels, der bei praktischer Durchführung der Option üblicherweise zu Buchwerten erfolgen sollte, bestehen für die Praxis eine ganze Reihe von Optionshindernissen, wie etwa die für die Option erforderliche „Beseitigung“ von Sonderbetriebsvermögen oder die nach der Option eingreifende Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG. Zum ersten Optionszeitpunkt 1.1.2022 haben deshalb im Ergebnis nur recht wenige Steuerpflichtige von § 1a KStG Gebrauch gemacht.2 Die Finanzverwaltung hat ihre Anwendungsgrundsätze für die Option im BMF-Schreiben v. 10.11.2021 dokumentiert.3 Die betroffenen Unternehmen hatten deshalb für die „Erstoption“ nur wenig Zeit, sich mit den Details der Option zu befassen, was die vergleichsweise geringe Zahl der Optionsanträge erklären könnte. Es ist eine Evaluation des § 1a KStG sowie des § 34a EStG geplant, die vermutlich im Verlaufe des Jahres 2023 zum Abschluss gebracht wird und ggf. zu steuergesetzlichen Anpassungen führt. Auch wenn die Wahrnehmung der Optionsmöglichkeit durch Unternehmen in der Zukunft sicherlich zunehmen wird, dürfte auf absehbare Zeit die transparente Mitunternehmerbesteuerung weiterhin der Regelfall vor allem im familiengeführten Mittelstand bleiben. Die Hindernisse zur Umwandlung von Personengesellschaften im internationalen Kontext werden deshalb vermutlich – ungeachtet der steuerlichen Optionsmöglichkeit – auch mangels eindeutiger gesellschaftsrechtlicher Grundlagen zunächst einmal fortbestehen. Die transparent besteuerte Mitunternehmerschaft steht deshalb im Mittelpunkt der weiteren Überlegungen.

11.5d

Modernisierung des Personengesellschaftsrechts mit steuerlichen Folgewirkungen: Eine zweite wichtige Rechtsentwicklung, die jedenfalls mittelfristig Folgewirkungen auf internationale Umstrukturierungen von Personengesellschaften haben wird, ist die mit Wirkung ab 1.1.2024 anstehende Modernisierung des Personenge-

11.5e

1 Zu einer kritischen Diskussion der Reformmotive des Gesetzgebers vgl. Wacker/Krüger/Levedag/Loschelder, Beihefter zu Heft 41/2021 DStR, 42–44. 2 In einer Antwort der Bundesregierung vom 28.3.2022 auf eine kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (BT-Drucks. 20/1231) ist dokumentiert, dass für die Erstoption nach Kenntnis der Bundesregierung rd. 150 Anträge über das Verfahren „Mein ELSTER“ gestellt worden sind. 3 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004 (2021/1162290), BStBl. I 2021, 2212.

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Kap. 11 Rz. 11.5e | Umwandlungen von transparent best. PersGes

sellschaftsrechts. Gemeint ist das „Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG)“ vom 10.8.2021, das insbesondere das Gesellschaftsrecht der GbR, aber auch der Personenhandelsgesellschaften in die „Neuzeit“ bringen soll. Konkret wird die Abschaffung der Gesamthand bei Schaffung einer ausdrücklichen eigenen Rechtspersönlichkeit sämtlicher Außenpersonengesellschaften angeordnet; zudem werden auch Personengesellschaften registerfähig und international mittels Trennung von Satzungs- und Verwaltungssitz (§ 706 BGB n.F.) einsetzbar. Insoweit führen die Änderungen im Gesellschaftsrecht der Personengesellschaften zur Annäherung an das Recht der Kapitalgesellschaften. Auch wenn das MoPeG nach der Vorstellung des Gesetzgebers keine unmittelbaren steuerlichen Auswirkungen haben soll und die transparente Mitunternehmerbesteuerung unverändert fortbesteht, werden sich gerade im Umstrukturierungsrecht vermutlich Folgewirkungen ergeben. So wird etwa zukünftig die im Register eingetragene GbR in den Kreis der umwandlungsrechtlich zugelassenen Rechtsträger einbezogen werden. Auch wird zukünftig ein Wegzug einer im Inland mit inländischen Satzungssitz gegründeten GbR in das Ausland mit einer ausländischen Geschäftsleitung identitätswahrend möglich sein. Dies gilt für EU/EWR-Mitgliedsstaaten und Drittstaaten gleichermaßen, zumindest sofern (vereinfacht) der Zuzugsstaat der Gründungstheorie folgt. Die Möglichkeit rechtsformwahrender Verwaltungssitzverlegung dürfte zukünftig die grenzüberschreitende Mobilität von Personengesellschaften befördern.1 Ungeachtet dessen ist die europäische Mobilitätsrichtlinie 2019, die vom deutschen Gesetzgeber mit Wirkung zum 1.3.2023 durch das „Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG)“ umgesetzt wurde, auf die grenzüberschreitende Umstrukturierung von Körperschaften begrenzt. Die Details der Steuerfolgen eines Wegzugs (Formwechsel/Sitzverlegung) von PersGes. sind vielschichtig.2 Des Weiteren wird das MoPeG vermutlich von einem minimalinvasiven Steuergesetz „begleitet“ werden, um überall dort, wo im Steuerrecht von Gesamthand die Rede ist, Rechtssicherheit zu schaffen (etwa in Bezug auf § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO oder § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG, aber auch wegen §§ 5, 6 GrEStG). Ob die transparente Mitunternehmerbesteuerung im Hinblick auf die eigene Rechtsträgerschaft der Personengesellschaften und die etwas „verstaubt anmutende“ Gleichbehandlungsthese von Einzelunternehmer und Mitunternehmerschaft in Richtung Körperschaftsbesteuerung reformiert wird, bleibt dem Gesetzgeber vorbehalten. II. Internationale Konzeptvielfalt bei der Personengesellschafts-Besteuerung

11.6 Personengesellschaften werden aus Gründen der Flexibilität und auch unter steuerlichen Aspekten sowohl in Inbound- als auch in Outbound-Strukturen eingesetzt (vgl. im Einzelnen Kapitel 7 Rz. 7.2 ff.). Während in Deutschland – abgesehen vom Anwendungsbereich des § 1a KStG – steuerlich das Transparenzprinzip gilt, existieren in vielen anderen Ländern Optionsrechte für Personengesellschaften zur Körper1 Vgl. eingehend Lieder/Hilser ZHR 2021, 471 (488). 2 Vgl. Kapitel 12 sowie ergänzend Schall, ZIP 2020, 1143 sowie NZG 2021, 494; Heinze, DStR 2020, 2107; Kahle/Mock, DStZ 2022, 232; Bachem, DStR 2022, 725; Mayer/Käshammer, NWB 2021, 2514; Kilincsoi, FR 2021, 248; Kahle, StuB 2022, 881; Müller-Gatermann, FR 2022, 637; Bachmann, FR 2022, 709; Jahndorf, FR 2022, 707; Stöber, GmbHR 2022, 967; Weber-Grellet, BB 2022, 2345–2349.

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A. Grundfragen der internat. Umstrukturierung von PersGes | Rz. 11.7 Kap. 11

schaftsteuer (bspw. Frankreich, Ungarn) oder es erfolgt „zwangsweise“ eine intransparente Besteuerung nach dem Trennungsprinzip (einerseits Körperschaft, andererseits Gesellschafter). Teilweise sind im internationalen Umfeld auch semitransparente Besteuerungskonzepte zu beobachten. Dadurch entstehen aus deutscher Perspektive sog. hybride Personengesellschaften (Transparenzprinzip im Inland, Trennungsprinzip im Ausland).1 Deshalb bestehen bei in Deutschland transparent besteuerten Personengesellschaften mit internationalem Bezug – sei es über ausländische Gesellschafter, sei es über Auslandsvermögen oder eine grenzüberschreitende Umstrukturierung – besondere Herausforderungen, die seit Jahren intensiv diskutiert werden.2 Ganz unabhängig von den besonderen Steuerfragen der internationalen Umstrukturierung von Personengesellschaften selbst ist derzeit bei der laufenden Besteuerung eine große praktische Rechtsunsicherheit zu konstatieren. Zwar hat die FinVerw. in ihrem Schreiben vom 26.9.2014 zur Anwendung der DBA auf Personengesellschaften3 die ständige Rechtsprechung des BFH weitgehend akzeptiert. Dennoch verbleiben im Hinblick auf die ausländischen Steuerrechtsordnungen und das Doppelbesteuerungsrecht insb. wegen der Rechtsinstitute der Sondervergütungen sowie der gewerblichen Prägung/Infektion eine Reihe von Qualifikationskonflikten mit Doppelbesteuerungsgefahren sowie der Möglichkeit insgesamt unbesteuerter „weißer Einkünfte“. Deutschland hat insoweit allerdings im Rahmen einer stark punktuell ausgerichteten Treaty Override-Gesetzgebung etliche Abwehrregelungen zur Sicherstellung deutschen Steuersubstrats geschaffen (etwa § 4i EStG, § 4k EStG, § 50d Abs. 10 EStG, § 50i EStG sowie wegen der Optionsmöglichkeit für PersGes. § 50d Abs. 14 EStG), deren Anwendung in der Praxis viele Fragen aufwirft. Steuerliche Grundbeurteilung der internationalen Personengesellschaften. Eine internationale Mitunternehmerschaft verfügt üblicherweise nicht über eine doppelbesteuerungsrechtliche Abkommensberechtigung; diese steht vielmehr den im jeweiligen Staat ansässigen Gesellschaftern zu. Der Gesellschafter unterhält deshalb nach international-steuerlichen Grundsätzen eine anteilige, durch die Personengesellschaft vermittelte Betriebsstätte.4 Bei doppelstöckigen PersGes. begründet der Obergesell1 Vgl. zu einer Übersicht Spengel/Schaden/Wehrße, StuW 2012, 105 sowie StuW 2010, 44. Zu einer rechtsvergleichenden Einordnung der GmbH & Co. KG vgl. Fleischer/Wansleben, GmbHR 2017, 633. 2 Vgl. zu den Grundfragen Internationaler Personengesellschaften exemplarisch Prinz, FR 2018, 973 und DB 2021, 914; speziell zum Abkommensrecht vgl. Stöber, IStR 2020, 601; Wassermeyer, FR 2010, 537. Zu einer Bestandsaufnahme der Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht auch Lüdicke, Die Personengesellschaft im Steuerrecht, Gedächtnissymposion für Brigitte Knobbe-Keuk, Köln 2011, 95. Vgl. dort auch den Beitrag von Schön, Die Personengesellschaft im Steuerrechtsvergleich, 139. 3 BMF v. 26. 9..2014 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258. 4 Neben einer solchen Geschäftsleitungsbetriebsstätte kann der Mitunternehmer einer Personengesellschaft auch eine sog. Mitunternehmerbetriebsstätte begründen. Dadurch sollen im Grundsatz „betriebsstättenlose Einkünfte“ (sog. floating income, weiße Einkünfte) nicht möglich sein. Zur im Detail streitigen Diskussion vgl. Meretzki, IStR 2009, 217; Wassermeyer, IStR 2010, 241; Haase/Brändel, StuW 2011, 49; Geils, Ubg. 2018, 377 sowie Töben, IStR 2017 942 in Auseinandersetzung mit Kramer, IStR 2017, 782. Zur Rechtsprechung vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510.

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Kap. 11 Rz. 11.7 | Umwandlungen von transparent best. PersGes

schafter – neben seiner anteiligen Betriebsstätte in der OberPersGes. – zudem in der Unter-PersGes. eine mittelbare Betriebsstätte (sog. Unterbetriebsstätte), die ggf. in Drittstaaten liegen kann. Dies alles setzt voraus, dass die Personengesellschaft eine unternehmerische Tätigkeit i.S.d. Art. 7 OECD-Musterabkommen im Quellenstaat ausübt. Üblicherweise wird es sich um eine dort gelegene einfache Betriebsstätte handeln, der die betroffenen Wirtschaftsgüter mit entsprechenden Aufwands- und Ertragsfolgen funktional zuzurechnen sind. Die Zuordnung orientiert sich nach Maßgabe des Einzelfalls an dem Veranlassungsprinzip als Wertungsmaßstab, speziellen DBA-rechtlichen Zuordnungsanweisungen oder den Zuordnungsregeln des § 1 Abs. 5 AStG i.V.m. §§ 4–11 BsGaV insb. in Gestalt der sog. Personalfunktion, die die Selbständigkeitsannahmen des AOA-Konzepts (Authorized OECD Approach) für Betriebsstätten zugunsten des deutschen Fiskus umsetzen.1 Für die Praxis ist wichtig: Der BFH wertet die rechtliche Zuordnung eines Wirtschaftsguts zum Gesamthandsvermögen nicht als entscheidend für die funktionale Betriebsstättenzuordnung.2 Des Weiteren: Bei einer atypisch stillen Beteiligung ist unklar, ob die beim „Geschäftsherrn“ bestehende Betriebsstätte per Zurechnung auf den Stillen „durchschlägt“. Im Regelfall wird dies in der Praxis akzeptiert. Klar ist: Rein gewerblich geprägte Personengesellschaften (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) und bloße Besitzgesellschaften im Rahmen einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung führen nach der ständigen Rechtsprechung des BFH nicht zu betrieblichen Unternehmenseinkünften gem. Art. 7 OECD-Musterabkommen.3 Es handelt sich dann vielmehr um vermögensverwaltende Personengesellschaften, deren Einkünfte für DBA-Zwecke nach den tatsächlichen Tätigkeitsmerkmalen bzw. der Belegenheit des Grundbesitzes zu beurteilen sind. Zudem wird eine Mitunternehmerbetriebsstätte nach Meinung des BFH nicht durch bloße Darlehnsgewährungen oder das Halten einer Beteiligung durch einen Mitunternehmer ausgelöst.4 Die Finanzverwaltung hat sich der DBA-rechtlichen Einkunftszuordnung des BFH losgelöst von den speziellen deutschen Mitunternehmerbesonderheiten nach längeren Diskussionen im BMF-Schreiben vom 26.9.20145 angeschlossen. Aus gestalterischer Sicht muss man als „Nachteil“ der BFH-Rechtsprechung erkennen, dass eine inländische bloß vermögensverwaltende Personengesellschaft keine Abschirmwirkung bei einem Wegzug entfaltet (etwa im Hinblick auf den Anwendungsbereich des § 6 AStG) und zudem in Outbound-Strukturen bezogen auf DBAStaaten das ggf. niedrigere Steuersatzniveau einer ausländischen Betriebsstätte nicht 1 Vgl. Wacker, BB 2018, 2519 und DStR 2019, 836; Prinz, FR 2018, 973, 975. Zur Sicht der FinVerw. Hruschka in FS für Jürgen Lüdicke, 2019, 295–310. 2 Vgl. dazu den Nicht-DBA-Fall eines chilenischen Mitunternehmers einer deutschen Gepräge-KG mit im Gesamthandsvermögen befindlichen KapGes.-Anteilen (sog. Chile-Urteil) in BFH v. 29.11.2017 – I R 58/15, DB 2018, 209, der zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das erstinstanzliche FG zurückverwiesen wurde. Vgl. Wacker, DStE 2019, 836 und JbFSt 2019/2020, 570–585; Prinz, FR 2019, 597 (599). 3 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602 = IStR 2011, 688 m. Anm. Schmidt sowie BFH v. 17.11.2020 – I R 72/16, BStBl. II 2021, 484. Dazu eingehend Wacker, FR 2021, 505. 4 Vgl. BFH v. 12.6.2013 – I R 47/12, BStBl. II 2014, 770. Zu Erläuterungen Kempermann, FR 2014, 60. 5 BMF v. 26.9.2014 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2014/0599097), BStBl. I 2014, 1258.

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in Betracht kommt. Hinzukommt: Der BFH folgt in ständiger Rechtsprechung dem sog. Spezialitätenvorrang, d.h., die speziellen abkommensrechtlichen Einkunftsarten gehen der Qualifikation als Unternehmensgewinn vor. Der Gesetzgeber hat deshalb – beginnend im JStG 2009 – mit § 50d Abs. 10 EStG verschiedene „Regelungsversuche“ für grenzüberschreitende Sondervergütungen unternommen, die aber nach der Rechtsprechung des BFH in vielen Fällen „leerlaufen“ oder verfassungsrechtlich im Hinblick auf das Rückwirkungsverbot problematisch erscheinen.1 Der I. Senat beim BFH hat dies etwa in seinem Judikat vom 7.12.2011 so für nachträglich in die USA gezahlte Sondervergütungen entschieden (kein deutsches Besteuerungsrecht trotz § 50d Abs. 10 EStG).2 Schließlich lässt die BFH-Rechtsprechung bei hybriden Personengesellschaften eine grenzüberschreitende Qualifikationsverkettung nicht zu. Denn auch eine im Ausland zur Körperschaftsteuer optierende Personengesellschaft vermittelt aus deutscher Sicht Mitunternehmer- oder vermögensverwaltende Einkünfte (anwenderstaatsorientierte Zuordnung der Einkünfte), wobei allerdings stets das konkrete DBA geprüft werden muss.3 Hohe Rechtsunsicherheit erfordert subtile Steuerplanung. Bereits die laufende Besteuerung von internationalen Personengesellschaften weist vielfältige Unklarheiten und Streitpunkte auf. Dies ist ganz unabhängig vom Umstrukturierungsvorgang selbst. Man wird deshalb im Vorfeld einer Reorganisation von Personengesellschaften mit Auslandsbezug nicht nur die Transaktion selbst, sondern auch die Folgewirkungen in der laufenden Besteuerung sorgsam ins Auge fassen müssen. Vor Umsetzung einer Struktur erscheinen Abstimmungen nicht nur mit der inländischen, sondern auch mit ausländischen Finanzbehörden sinnvoll.4

11.8

III. Internationale Umstrukturierungskonstellationen für Personengesellschaften Grenzüberschreitende typusidentische Umwandlungen von Personengesellschaften – etwa der Grundfall der Umwandlung einer deutschen KG (Gründung mit Verwaltungssitz in Deutschland) in eine ausländische Personengesellschaft (nach Maßgabe eines inlandsbezogenen Rechtstypenvergleichs) und umgekehrt – tauchen in der Besteuerungspraxis eher selten auf.5 Grund dafür ist zum Ersten, dass es an kodifizierten Rechtsgrundlagen im Umwandlungsrecht oder europäischen Richtlinienrecht mit 1 Vgl. als Überblick Loschelder in Schmidt, EStG41, § 50d Rz. 60–67 sowie Hagena in H/H/ R, § 50d EStG Anm. 5b, 6, 131 (Stand: Dezember 2022). 2 BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, BFH/NV 2012, 566. Der BFH nimmt darin auf seine Entscheidung v. 8.9.2010 – I R 74/09, FR 2011, 179 Bezug. 3 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, FR 2011, 1175 für eine ungarische Personengesellschaft. Dazu auch Prinz, FR 2012, 381. Wegen abweichender DBA-Regelungen Engel/Hilbert, FR 2012, 394. Zu Besonderheiten im Optionsmodell gem. § 1a KStG vgl. Prinz, FR 2022, 61 (63) und FR 2023, 1 (4). 4 Vgl. 6.3 des BMF, Schr. v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 (2014/0599097), BStBl. I 2014, 1258. 5 Zur Umstrukturierung von Kapitalgesellschaften in PersGes. s. Kapitel 8; zur Umwandlung von PersGes. in Kapitalgesellschaften s. Kapitel 9; s. ergänzend auch Benecke/Schnittker in W/R/S2, Kapitel 15.

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Kap. 11 Rz. 11.9 | Umwandlungen von transparent best. PersGes

einer Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge bei Beteiligung von PersGes. als übernehmender oder übertragender Rechtsträger weitgehend fehlt. Im Wesentlichen wird nur die grenzüberschreitende Umwandlung von Körperschaften geregelt, was letztlich der geringeren Verbreitung/Bedeutung von PersGes. im Ausland geschuldet ist. Lediglich die grenzüberschreitende Hereinverschmelzung einer EU/EWR-Körperschaft auf eine inländische Personenhandelsgesellschaft mit i.d.R. nicht mehr als 500 Arbeitnehmern ist – wegen der Brexit-Erfordernisse (§ 319 UmwG i.d.F. des UmRUG, § 122m UmwG a.F.) – seit 1.1.2019 in § 122a Abs. 2 UmwG (aktuell: § 306 Abs. 1 Nr. 2 UmwG i.d.F. des UmRUG) geregelt. Auch die europäische Mobilitätsrichtlinie 2019 hat die grenzüberschreitende Umstrukturierung von Personengesellschaften – eigentlich systemwidrig – ausgespart.1 Grenzüberschreitende Umwandlungen unter Beteiligung von Drittstaatengesellschaften – seien es Körperschaften, seien es Personengesellschaften – bleiben ohnehin komplett legislativ ungeregelt. Es müssen daher in Bezug auf grenzüberschreitende PersGes.-Umwandlungen im Regelfall „Sonderkonstrukte“ genutzt werden, die sich in der EU sowie im EWR spätestens nach der EuGH-Entscheidung vom 12.7.2012 in der Rechtssache VALE2 auf den unionsrechtlichen Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz stützen können; konkret muss die Rechtsordnung des Zuzugsstaats zumindest einen inländischen Formwechsel zulassen. In diesem Judikat wurde eine Art grenzüberschreitender Formwechsel mit Identitätswahrung gestützt auf den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit gestattet (zu Details vgl. Kapitel 1 Rz. 1.24 sowie Kapitel 2 Rz. 2.11). Noch weitergehend erlaubt die Polbud-Entscheidung des EuGH v. 25.10.2017 (Rs. C-106/16)3 jedenfalls für EU-Körperschaften einen grenzüberschreitenden identitätswahrenden Formwechsel auch bei einer isolierten Sitzverlegung bei im Wegzugsstaat verbleibendem Verwaltungssitz. Per „Sitzaufspaltung“ kann damit gesellschaftsrechtlich im Zuzugsstaat eine Art „Briefkastengesellschaft“ entstehen, was allerdings im Hinblick auf die notwendigen Substanzerfordernisse steuerliche Anerkennungsprobleme bereiten wird. Zum Zweiten ist der Rechtsformtypus der Personengesellschaft in ausländischen Rechtsordnungen zwar meist bekannt, aber deutlich weniger verbreitet als in Deutschland. Drittens kennen ausländische Steuerrechtsordnungen häufig kein Transparenzprinzip deutscher Prägung, sondern ertragsbesteuern bestimmte Personengesellschaften wie Körperschaften, also intransparent; Qualifikationskonflikte mit hoher Rechtsunsicherheit sind die Folge. Ein einheitliches internationales Besteuerungssystem für Personengesellschaften existiert nicht.4 Viertens hat schließlich ein „durchgängiges Transparenzprinzip“ zur Folge, dass durch die umstrukturierungsbedingte Begründung einer grenzüberschreitenden Personengesellschaft sämtliche Steuerrisiken mittelbarer und unmittelbarer Art auf den jeweiligen inländischen 1 Vgl. kritisch dazu Heckschen/Knaier, GmbHR 2022, 613 (621 f.); J. Schmidt, NZG 2022, 579 (580); Drinhausen/Keinath, BB 2022, 1346 (1353); Prinz, Gastkommentar, DB 25/ 2022; zu Drittstaatenumwandlungen vgl. Heckschen/Hilser, DStR 2022, 1005 und 1053. 2 EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10 – VALE, DB 2012, 1614. 3 EuGH v. 25.10.2017 – C-106/16 – Polbud Wykonawstwo sp.zo.o, DStR 2017, 2684. Zur Einordnung vgl. Teichmann, GmbHR 2017, R 356; Bochmann/Cziupka, GmbHR 2017, 1266; Sparfeld, WPg 2018, 55. 4 Vgl. dazu auch den OECD Partnership Report „The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships“ v. 26.8.1999.

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oder ausländischen Mitunternehmer „durchschlagen“. In der Praxis sind derartige Steuerrisiken beim Gesellschafter üblicherweise nicht gewollt. Insoweit wird im Einzelfall entweder an der Unternehmensspitze oder auf einer Zwischenstufe des Konzerns zu Bündelung ausländischen Beteiligungsbesitzes die Abschirmwirkung einer Kapitalgesellschaft gegenüber dem Gesellschafterkreis bevorzugt. Systematisierung der Umstrukturierung von Personengesellschaften mit internationalem Bezug. Es lassen sich folgende Konstellationen unterscheiden, wobei meist Anwendungsfragen des § 24 UmwStG im Mittelpunkt des „deutschen“ Steuerrechtsinteresses liegen. Im Einzelfall treten differenzierte Ent- und Verstrickungsfragen auf. Eine steuerpflichtige Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 und 3a EStG) dürfte nur ausnahmsweise bei umstrukturierungsbedingter „Schließung“ der inländischen Betriebsstätte erfolgen. Ausländische gesellschaftsrechtliche und steuerliche Folgewirkungen sind stets mitzubedenken. – Umstrukturierung inländischer Personengesellschaften mit Auslandsgesellschaftern und/oder Auslandsvermögen. Denkbar ist etwa die Verschmelzung von inländischen Personenhandelsgesellschaften gem. §§ 39 UmwG, die sich steuerlich nach § 24 UmwStG richtet. Soweit die gewerblich tätige inländische Personengesellschaft über inländisches Betriebsstättenvermögen (unberührt von der Umstrukturierung) verfügt, bleibt das deutsche Besteuerungsrecht – unabhängig von einer etwaigen DBA-Anwendung oder EU/EWR-Zugehörigkeit – im Rahmen der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht des Mitunternehmers (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) erhalten. Soweit ausländisches Betriebsvermögen von der inländischen Verschmelzung oder Einbringung der Personengesellschaft betroffen ist, bleibt das bestehende oder nicht bestehende Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland vom Umstrukturierungsvorgang selbst ebenfalls meist unberührt.1 Verschmelzungsbedingte oder durch faktische Verlegung der Geschäftsleitung ausgelöste Zuordnungswechsel einzelner Wirtschaftsgüter vom Inlands- in das Auslandsvermögen wird es meist nur in Ausnahmefällen geben (etwa bei geänderter funktionaler Zuordnung von Patenten). – Ausländische Umstrukturierung einer Personengesellschaft mit Inlandsgesellschaftern und/oder Inlandsvermögen. Maßgebend ist im Ausgangspunkt das ausländische umwandlungsbezogene Gesellschafts- und Steuerrecht. In den meisten Jurisdiktionen werden Personengesellschaftsumstrukturierungen ohne Versteuerung stiller Reserven möglich sein. Im konkreten Einzelfall ist dies zu prüfen. Soweit inländisches Betriebsstättenvermögen der im Ausland umstrukturierten Personengesellschaft betroffen ist, bleibt der inländische Besteuerungszugriff auf die stillen Reserven üblicherweise erhalten; der Anwendungsbereich des § 24 UmwStG ist eröffnet, sofern die Auslandsverschmelzung mit einer Inlandsverschmelzung strukturell vergleichbar ist (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 UmwStG). Nur aus1 So zutreffend Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.68/20.69. Nur ausnahmsweise wird es zu überführungsbedingten Ent- oder Verstrickungen kommen. Zu den systematischen Grundlagenfragen von Ent- und Verstrickung vgl. Desens, FR 2022, 681 und DStR 2022 1588.

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Kap. 11 Rz. 11.10 | Umwandlungen von transparent best. PersGes

nahmsweise wird der ausländische Umstrukturierungsvorgang im inländischen Betriebsvermögen konkrete Betriebsstättenüberführungen/Übertragungen von Wirtschaftsgütern zur Folge haben. Insoweit können sich im Einzelfall Entstrickungs- und Verstrickungsfragen rechtlicher und tatsächlicher Art stellen (eingehender zu den diversen Entstrickungsformen/Entstrickungskonsequenzen s. Kapitel 1 Rz. 1.33). – Grenzüberschreitende Umstrukturierung von Personengesellschaften im Herein- oder Hinausverschmelzungsfall sowie in entsprechenden Spaltungskonstellationen. Es fehlt trotz Umsetzung der europäischen Mobilitätsrichtlinie 2019 im Rahmen des UmRUG an den gesellschaftsrechtlichen Grundlagen und einem formalen Ordnungsrahmen für rein personengesellschaftsbezogene grenzüberschreitende Umstrukturierungen. In der Praxis wurden deshalb zielführende – mitunter wegen internationaler „Rechtsbrüche“ nur mühevoll umzusetzende – „Hilfskonstruktionen“ entwickelt. Die Realisation stiller Reserven lässt sich dabei aber nicht immer vermeiden, was die grenzüberschreitende Mobilität von PersGes. beeinträchtigt und unions- und DBArechtliche Diskriminierungsfragen aufwerfen kann. Denkbar ist etwa die Hinausverschmelzung durch mehrstufigen Betriebsübergang oder durch Anteilsübertragungen.1 Rechtsfragen des § 24 UmwStG stehen steuerlich im Mittelpunkt; bei einer Überführung/Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern stellen sich (subsidiär) Anwendungsfragen des § 6 Abs. 5 EStG.2 Besonderheiten weist die (Satzungs-)Sitzverlegung einer Personengesellschaft vom Inland ins Ausland und umgekehrt auf, wobei ein schlichter „grenzüberschreitender Formwechsel“ von Personengesellschaften – also bei „Identitätswahrung“ über die Grenze – nicht vom Gesetzgeber zugelassen ist.3 Auch sind „grenzüberschreitende Anwachsungen“ – etwa „Herein ins Inland“ – als im Einzelfall einsetzbare Hilfskonstrukte möglich.

B. § 24 UmwStG als umstrukturierungsbezogene Grundnorm mit globalem Anwendungsbereich I. Grundlagen des § 24 UmwStG

11.11 Die Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils zu gemeinen Werten (außer Pensionsrückstellungen, die stets gem. § 6a EStG zu bewerten sind) oder – antragsgebunden – zu Buch- oder Zwischenwerten in eine Personengesellschaft ist in § 24 UmwStG geregelt. Werden neben den Gesellschaftsrechten sonstige Gegenleistungen aus dem Vermögen der übernehmenden PersGes. in einem bestimmten Umfang gewährt, so erfolgt eine anteilige Gewinnrealisierung (Bewertungsbeschränkung des § 24 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG mit Geltung für Einbrin1 Vgl. Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.78/20 sowie 20.110-20.112. Zu weiteren Details s. Rz. 11.20. 2 Ausführlich zum Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im Internationalen Steuerrecht s. Kapitel 13. 3 Vgl. Schnittker/Benecke, FR 2010, 565 sowie Kapitel 12 Rz. 12.8 ff.

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B. § 24 UmwStG als umstrukturierungsbezogene Grundnorm | Rz. 11.11 Kap. 11

gungssachverhalte, die nach dem 31.12.2014 beschlossen worden sind).1 Die Begründung einer atypisch stillen Gesellschaft bzw. einer atypischen Unterbeteiligung fällt wegen ihrer Mitunternehmerqualifikation ebenfalls unter § 24 UmwStG; angesprochen wird diese Gestaltungsvariante im Umwandlungssteuer-Erlass 20112 allerdings nicht. Neben der Einbringung von Betriebsvermögen in eine (bestehende, neu gegründete oder personell erweiterte) Personengesellschaft erfasst der Anwendungsbereich des § 24 UmwStG auch die Verschmelzung von Personengesellschaften sowie die Auf- und Abspaltung einer Personengesellschaft auf/in eine andere Personengesellschaft. Ein bloßer Gesellschafterwechsel in einer bestehenden Personengesellschaft oder ein „identitätswahrender Formwechsel“ (etwa aus einer OHG in eine KG) wird nicht erfasst. Im Übrigen erstreckt sich § 24 UmwStG nur auf die Übertragung von Sachgesamtheiten (einschließlich einer als „fiktiver Teilbetrieb“ von der Finanzverwaltung anerkannten 100-prozentigen Kapitalgesellschaftsbeteiligung)3 und geht § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1–3 EStG vor, der nur für die betriebsvermögensbezogene Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern gilt.4 Auch eine Realteilung fällt nicht unter § 24 UmwStG; vielmehr ist § 16 Abs. 3 Satz 2 ff. EStG vorrangig, wobei der BFH und ihm folgend die FinVerw. in den letzten Jahren ein erweitertes Verständnis der Realteilung entwickelt haben (Unterscheidung echte/unechte Realteilung).5 Schließlich ist die „Ausbringung“ als Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils gegen Minderung von Gesellschaftsrechten auf einen Gesellschafter nicht in § 24 UmwStG geregelt. Eine Buchwertübertragung ist insoweit nur im Anwendungsbereich des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG oder als Realteilungsvorgang möglich.6 § 24 UmwStG hat im Grundfall Inlandsvorgänge im Blick, ist tatbestandsgemäß darauf aber nicht beschränkt. Gesetzeszweck ist die Vermeidung ertragsteuerlicher Umstrukturierungsnachteile durch Zwangsaufdeckung stiller Reserven im Interesse unternehmerischer Organisationsflexibilität,7 was vor allem für mittelstandsgeprägte PersGes. besonders wichtig ist.

1 Vgl. Schmitt in S/H, UmwStG9, § 24 Rz. 139–144a. 2 UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314. 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.02. 4 Vgl. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6-S 2241/10/10002 (2011/0973858), BStBl. I 2011, 1279 Rz. 12. 5 Vgl. zuletzt in weitgehender Umsetzung der geänderten BFH-Judikatur BMF v. 19.12.2018 – IV C 6 - S 2242/07/10002 (2018/0795144), BStBl. I 2019, 6. Ergänzend BFH v. 23.11.2021 – VIII R 14/19, DStR 2022, 599 zur Zurechnung eines Veräußerungsgewinns nach realteilungsbezogener Sperrfristverletzung; zur Diskussion Levedag/Heinemann/ Prinz, JbFSt 2022, 509–523. 6 Vgl. Ley/Brandenberg, Ubg 2010, 767 (781 f.). 7 Vgl. Herlinghaus in Die Personengesellschaft im Steuerrecht, Gedächtnissymposion für Brigitte Knobbe-Keuk, Köln 2011, 67 (83); zur Systematik bei der Umwandlungsbesteuerung von Mitunternehmerschaften auch Riedel, Ubg. 2018, 148. Aus Sicht der FinVerw. vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.47, 01.48 und 24.01–24.33.

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Kap. 11 Rz. 11.12 | Umwandlungen von transparent best. PersGes

11.12 Anwendungsbegrenzung auf gesellschaftsrechtliche Einbringungsvorgänge. § 24 UmwStG mit der antragsgebundenen Möglichkeit eines Buchwertansatzes ist im Grundsatz nur anwendbar, wenn der Einbringende als Gegenleistung für die Einbringung Gesellschaftsrechte erhält, also erstmals die Mitunternehmerstellung erlangt oder seine bisherige Mitunternehmerstellung erweitert. Die Gewährung einer „sonstigen Gegenleistung“ löst – bei Überschreiten gewisser Grenzen – eine zumindest anteilige Gewinnrealisierung aus. Üblicherweise muss das die Beteiligungsrechte wiederspiegelnde Kapitalkonto I durch die Einbringung „angesprochen“ oder es müssen weitere Gesellschaftsrechte eingeräumt werden (Kapitalkonto II). Die anteilige Erfassung auf einem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto ist unschädlich. Die „Verbuchung des Einbringungsvorgangs“ auf einem Darlehenskonto ist zumindest anteilig entsprechend dem Verhältnis der gemeinen Werte ein gewinnrealisierender Verkauf; eine Buchwertverknüpfung ist insoweit nicht möglich. Gleiches gilt für Zuzahlungen in das Privatvermögen. Auch darf ein „verdeckter Verkauf“ durch Nutzung des § 24 UmwStG nicht erfolgen. Dies ist letztlich Tatfrage. Die Finanzverwaltung nimmt insoweit nach wie vor und entgegen „eingrenzender BFH-Rechtsprechung“ auf einen „missbräuchlichen Gesamtplan“ Bezug, der durch den Steuerpflichtigen mittels sachgerechter Dokumentation entkräftet werden muss. Abweichend zu Einbringungsvorgängen nach § 20 UmwStG ist eine Buchwertverknüpfung auch dann möglich, wenn das eingebrachte Betriebsvermögen negativ ist. Eine dem § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG entsprechende Regelung fehlt in § 24 UmwStG. Weiterhin gilt: Bei der Einbringung oder Verschmelzung eines Mitunternehmeranteils muss stets das gesamte dem Mitunternehmeranteil zuzurechnende Betriebsvermögen mit seinen wesentlichen funktionalen Betriebsgrundlagen Gegenstand der Einbringung sein. Das Sonderbetriebsvermögen – vor allem in Gestalt von Kapitalgesellschaftsanteilen, die die Mitunternehmerstellung stärken oder erweitern – kann bei internationalen Umstrukturierungen besondere Probleme bereiten (s. Rz. 11.35). Seit 2011 reicht es für die Anwendung des § 24 UmwStG aus, wenn das eingebrachte Betriebsvermögen teilweise SonderBV des Einbringenden bei der übernehmenden Mitunternehmerschaft wird.1 Insoweit ist auch eine bloße Nutzungsüberlassung von einzubringendem Betriebsvermögen ausreichend. Ausschließlich SonderBV genügt allerdings nicht für Buchwertverknüpfungszwecke. 11.13 Sicherstellung des inländischen Besteuerungszugriffs. Grundlage für Gewinnrealisation oder Buchwertverknüpfung sind Ansatz und Bewertung in Gesamthands- und Ergänzungsbilanz(en) bei der aufnehmenden Personengesellschaft und ihrer Gesellschafter. Die übernehmende PersGes. ist für die Wahlrechtsausübung und die daraufhin folgende Antragstellung für Buch- oder Zwischenwerte handlungsbefugt. Ein Buch- oder Zwischenwertantrag kommt allerdings nur dann in Betracht, soweit das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des eingebrachten Betriebsvermögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Bei Einbringungen von Mitunternehmeranteilen „hinaus aus Deutschland“ stellen sich insoweit Entstrickungsfragen rechtlicher und tatsächlicher Art (so Rz. 03.20 UmwSt-Erlass 1 UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.05.

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B. § 24 UmwStG als umstrukturierungsbezogene Grundnorm | Rz. 11.14 Kap. 11

2011)1. Geht es „herein nach Deutschland“ liegt umgekehrt eine Verstrickung vor (Ansatz des gemeinen Werts bzw. des ausländischen Entstrickungswerts), die im UmwStG nicht ausdrücklich angesprochen wird.2 Der von der übernehmenden Personengesellschaft in der Einbringungsbilanz einschließlich der Ergänzungsbilanzen für ihre Gesellschafter gewählte Wert bestimmt für den Einbringenden den Veräußerungspreis (§ 24 Abs. 3 Satz 1 UmwStG). Insoweit besteht eine materielle Bewertungskorrespondenz, die im Hinblick auf steuerliche Folgewirkungen ggf. vertraglich geregelt werden sollte. Steuerlich wirksame Veto- oder Mitspracherechte des Einbringenden bestehen nicht; insoweit sind auch evtl. Abweichungen von einer einvernehmlichen Festlegung der Bilanzansätze zwischen Einbringendem und aufnehmender Personengesellschaft steuerrechtlich ohne Bedeutung (lösen ggf. aber Schadensersatzansprüche aus).3 Schließlich ist der Antrag (bedingungsfeindlich, unwiderruflich) durch die übernehmende Personengesellschaft bis zur erstmaligen Abgabe ihrer (vom Übertragungsvorgang erstmals betroffenen) Schlussbilanz bei dem für sie örtlich zuständigen Finanzamt zu stellen. Üblicherweise wird die Antragstellung unter Beifügung der Einbringungsbilanz spätestens mit der Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns für das Wirtschaftsjahr der Einbringung erfolgen. Sofern die übernehmende Personengesellschaft (wissentlich oder versehentlich) keinen Antrag auf Buch- oder Zwischenwerte stellt, sind – abgesehen von etwaigen Billigkeitsüberlegungen – gemeine Werte mit der Folge einer Gewinn- oder Verlustrealisation anzusetzen.4 Im Einzelfall kann der Antrag auf Buchwertfortführung nachgeholt werden (bspw. bei „unerkanntem“ Wegzug einer Personengesellschaft aus Deutschland). Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht kann die Einbringung im Wege der Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge (etwa durch Ausgliederung gem. § 123 Abs. 3 UmwG) erfolgen. Nur bei einer Gesamtrechtsnachfolge ist eine bis zu achtmonatige Rückbeziehung des Einbringungsvorgangs gem. § 24 Abs. 4 UmwStG möglich, wobei vor allem die Teilbetriebsvoraussetzungen nach Meinung der Finanzverwaltung bereits zum steuerlichen Übertragungsstichtag vorliegen müssen. Im Hinblick auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie wurde der Rückwirkungszeitraum für die Wirtschaftsjahre 2020 und 2021 auf 12 Monate erweitert.5 Bei Einzelrechtsnachfolge wird in der Praxis üblicherweise eine sog. technische Rückwirkung von wenigen Wochen akzeptiert; der UmwSt-Erlass 2011 äußert sich dazu nicht. Bei kombinierter Gesamt- und Einzelrechtsnachfolge wird die Einzelrechtsnachfolge von der achtmonatigen Rückbeziehungsmöglichkeit mit umfasst.6 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314. 2 Vgl. zu den Rechtsänderungen bei Entstrickungs-/Verstrickungsfragen durch das ATADUmsG v. 25.6.2021 Kapitel 1 Rz. 1.31. 3 So BFH v. 12.10.2011 – VIII R 12/08, DB 2012, 32. 4 Zu Besonderheiten bei Antragstellung und Schlussbilanz i.Z.m. Einnahmen-Überschussrechnungen nach § 4 Abs. 3 EStG s. Rz. 24.03 UmwSt-Erlass 2011 – BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314. 5 Als Überblick zu Rechtsgrundlagen und Folgen vgl. Zwirner/Vodermeier/Kraus in Prinz/ Kanzler (Hrsg.), Handbuch BilStRecht4, Teil A Kap. XXII, Rz. 3110/1–3110/8. 6 So UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.06.

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11.14

Kap. 11 Rz. 11.15 | Umwandlungen von transparent best. PersGes

11.15 Einbringung bei mehrstufigen Mitunternehmerschaften. Das Umwandlungssteuerrecht geht von dem Grundsatz aus, dass Einbringender der Rechtsträger ist, dem die Gegenleistung zusteht.1 Der Einbringungsgegenstand bestimmt sich nach dem zugrunde liegenden Rechtsgeschäft. Bei der Einbringung von Betriebsvermögen einer Personengesellschaft ist für Zwecke des § 24 UmwStG bei mehrstufigen Strukturen zu unterscheiden.2 – Besteht die einbringende Personengesellschaft fort und werden ihr die Anteile am übernehmenden Rechtsträger gewährt (etwa bei einer Ausgliederung gem. § 123 Abs. 3 UmwG mit Begründung einer Doppelstockstruktur), so ist die übertragende Personengesellschaft selbst Einbringender. Ein „Durchgriff“ auf die an der übertragenden Personengesellschaft beteiligten Mitunternehmer erfolgt nicht. SonderBV eines Mitunternehmers der übertragenden Personengesellschaft mit der Qualifikation als wesentliche Betriebsgrundlage muss für Buchwertverknüpfungszwecke mit übertragen werden; alternativ reicht eine Nutzungsüberlassung an die übernehmende Personengesellschaft aus.3 Es kommt nur ein „einheitlicher Wertansatz“ nach § 24 Abs. 2 UmwStG in Betracht. – Wird die einbringende Personengesellschaft dagegen infolge der Einbringung aufgelöst und stehen die Anteile am übernehmenden Rechtsträger zivilrechtlich den Mitunternehmern zu, so sind diese als Einbringende anzusehen. Eine solche Konstellation liegt bspw. vor bei Verschmelzung einer Personengesellschaft auf eine andere Personengesellschaft, wobei Einbringungsgegenstand der Betrieb der Personengesellschaft ist. Entsprechendes gilt bei Abspaltung von Personengesellschaftsanteilen auf eine Schwester-Personengesellschaft.4

11.16 Im Übrigen ist die „Up-stream-Abspaltung“ von einer Tochter-Personengesellschaft auf ihre Mutter-Personengesellschaft im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 24 Abs. 1 UmwStG umstritten. Der UmwSt-Erlass 20115 spricht den Fall nicht an. M.E. sollte eine antragsgebundene Buchwertverknüpfung bei reziprok-analoger Anwendung des § 24 UmwStG möglich sein.6 II. Internationale Anwendung des § 24 UmwStG

11.17 Das UmwStG ist durch das SEStEG vom 7.12.2006 in weiten Teilen europäisiert worden. Durch das KöMoG v. 25.6.2021 wurde darüber hinausgehend mit Wirkung ab 1 UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.02. 2 UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.03 i.V.m. Rz. 20.03. Zu den Ertragsteuergrundlagen mehrstufiger PersGes. vgl. Prinz, DB 2021, 358; ergänzend auch Benke, Bilanzierungskonkurrenzen bei mehrstöckigen Personengesellschaften, Freiburger Steuerforum 2022. 3 Vgl. Kai, GmbHR 2012, 165 (167 f.). 4 Vgl. Brandenberg, JbFSt 2011/2012, 500 ff. 5 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314. 6 Vgl. ausführlich Hageböke, Ubg 2009, 105, kritisch dazu Kai, GmbHR 2012, 168.

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B. § 24 UmwStG als umstrukturierungsbezogene Grundnorm | Rz. 11.18 Kap. 11

1.1.2022 der Anwendungsbereich der §§ 3–19 UmwStG für Verschmelzungs-, Spaltungs- und Formwechselfälle von Körperschaften globalisiert. Die Einbringung von Unternehmensteilen in eine Körperschaft und der Anteilstausch gem. §§ 20–23 UmwStG bleiben dagegen – unter Bezugnahme auf eine ansonsten erweiterte vermeintliche „Entstrickungslücke“ – auch weiterhin „europäisch begrenzt“.1 Ungeachtet dessen gilt: § 24 UmwStG mit seinem Anwendungsbereich für die Umstrukturierung von Personengesellschaften enthält spätestens seit dem UmwStG 1995 einen global ausgestalteten Einbringungstatbestand, der sich auf Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil als Einbringungsgegenstand in eine Personengesellschaft erstreckt. Für die Person des Einbringenden, den Einbringungsgegenstand und die übernehmende Personengesellschaft bestehen deshalb keinerlei EU/EWR-Begrenzungen. Auch Drittstaaten-Einbringungen sind unter den allgemeinen Tatbestandsvoraussetzungen des § 24 UmwStG zulässig (§ 1 Abs. 4 Satz 2 UmwStG). § 24 UmwStG differenziert weder zwischen inländischem/ausländischem Betriebsvermögen noch zwischen unbeschränkter/beschränkter Steuerpflicht seiner Mitunternehmer.2 Die international zu beobachtenden gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Systembrüche mit Qualifikationskonflikten im Personengesellschaftsrecht werden dadurch im Anwendungsbereich des § 24 UmwStG überdeutlich. Es treten differenzierte Mehrstaatenfragen auf, die interdisziplinär zu beantworten sind (Gesellschaftsrecht, Bilanzrecht, Steuerrecht). Für die konkrete Buchwertverknüpfung (ggf. auch einen Zwischenwertansatz) bei Umstrukturierungen von Personengesellschaften „hinaus aus Deutschland“ kommt es entscheidend auf die Sicherstellung des Besteuerungszugriffs auf die im Inland entstandenen stillen Reserven an. Nur soweit das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des eingebrachten Betriebsvermögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt3 wird, kann die übernehmende Personengesellschaft auf Antrag ohne Gewinnrealisationsfolgen beim Einbringenden die Buchwerte übernehmen (§ 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Bei ausländischen oder grenzüberschreitenden Einbringungen in Personengesellschaften ist entsprechend den umwandlungssteuerlichen Vorgaben ein „Vergleichbarkeitstest“ durchzuführen, der auch den sog. Typenvergleich beinhaltet. Bei Durchführung des Typenvergleichs ist das konkrete ausländische Rechtsgebilde, welches übernehmender Rechtsträger im Rahmen des Umstrukturierungsvorgangs werden soll, aus Sicht der deutschen Rechtsordnung in einem mehrstufigen Verfahren daraufhin zu prüfen, ob es sich in seiner Gesamtheit unter Beachtung seiner wirtschaftlichen Struktur und seines konkreten rechtlichen Aufbaus um ein dem Typus der Personengesellschaft oder der Kapitalgesellschaft entsprechendes Rechtsgebilde handelt. Nur wenn der „Typus-Test“ den übernehmenden Rechtsträger als Personengesellschaft qualifiziert, ist § 24 UmwStG anwendbar. Die Finanzverwaltung hat ausgewählte aus1 Vgl. unterschiedlich akzentuiert Prinz, FR 2021, 561 (563) und FR 2023, 1 (4–6); Hageböke/Stangl, Ubg 2021, 242; Jacobsen, DStZ 2021, 490; Benecke, DStJG 43 (2020), 644–654. 2 Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.67. 3 Eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts liegt nach Meinung der Finanzverwaltung bereits vor, soweit die Umstrukturierung zu einer Anrechnung ausländischer Einkommen- oder Körperschaftsteuer auf die deutsche Steuer führen würde. Dazu auch Desens, DStR 2022, 1588.

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11.18

Kap. 11 Rz. 11.18 | Umwandlungen von transparent best. PersGes

ländische Rechtsformen in Tabelle I und II des Betriebsstättenerlasses vom 24.12.1999 typusmäßig zugeordnet. Darüber hinaus sind die im BMF, Schr. v. 19.3.2004 entwickelten Kriterien für den Rechtstypenvergleich zu beachten, die allerdings im Hinblick auf die gesellschaftsrechtliche Annäherung von Kapital- und Personengesellschaften fortentwickelt werden sollten.1 Beispiel: Der alleinige unbeschränkt steuerpflichtige Kommanditist bringt seinen inländischen KG-Anteil (einschl. der zum Sonderbetriebsvermögen II gehörenden Komplementär-GmbH-Anteile) in eine US-amerikanische LLC gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ein. Die in Delaware gegründete ausländische Gesellschaft entspricht nach dem Typusvergleich einer deutschen Personengesellschaft. Der Anwendungsbereich des § 24 UmwStG ist eröffnet; die steuerliche Behandlung der LLC in den USA ist unerheblich. Alternativ kommt als Einbringender des inländischen Personengesellschaftsanteils bspw. auch eine kanadische Körperschaft oder eine im Europäischen Wirtschaftsraum gegründete Gesellschaft in Betracht. Schließlich wird auch der Einbringungsfall einer (dem Typusvergleich entsprechenden) italienischen Personengesellschaft in eine deutsche Mitunternehmerschaft von § 24 UmwStG erfasst.

C. Grenzüberschreitende Einbringung/Verschmelzung von Personengesellschaften I. Unterschiedliche Gestaltungswege für Herein- und HinausUmstrukturierungen

11.19 Grenzüberschreitende Umstrukturierungen, die im „Rechtskleid“ einer inländischen/ ausländischen Personengesellschaft bleiben (typusidentische Umstrukturierungen), sind vielfältig denkbar. In der Praxis wird des Öfteren zur „Straffung“ von unternehmerischen Organisationsstrukturen eine grenzüberschreitende Verschmelzung zweier Personengesellschaften angestrebt, die aus deutscher Perspektive als Hinaus- oder Hereinverschmelzung oder als grenzüberschreitender Formwechsel stattfinden kann. Mitunter sind auch grenzüberschreitende Einbringungen in Personengesellschaften mit Entstehung einer personengesellschaftsbezogenen Doppelstockstruktur (= Aus-

1 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076; BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411. Zu aktueller Judikatur vgl. BFH v. 18.5.2021 – I R 12/18 sowie I B 75/20, FR 2021, 1072 und 1067 mit Anm. Knittel. Beurteilungskriterien für die typusmäßige Einordnung des ausländischen Rechtsgebildes sind bspw.: Geschäftsführung und Vertretung durch die Gesellschafter, unbeschränkte Haftung mindestens eines Gesellschafters, Übertragbarkeit der Anteile, Kapitalaufbringungserfordernisse, Gewinnverteilungsvorschriften, formale Gründungsvoraussetzungen. Zum Rechtstypenvergleich ausführlich Schnittker, Gesellschafts- und steuerrechtliche Behandlung einer englischen Limited Liability Partnership, Köln 2006, 134 ff. Zum Vergleichbarkeitstest kritisch s. Kapitel 1 Rz. 1.35 ff. Zur Notwendigkeit einer Fortentwicklung des Typusvergleichs in der Folge des ab 1.1.2022 geltenden § 1a KStG sowie der Rechtsfähigkeit der GbR wegen des MoPeG v. 10.8.2021 mit Wirkung ab 2024 vgl. Röder, IStR 2021, 795; Linn/Maywald, IStR 2021, 825; Schwemmer, StuW 2023, 82; eher zweifelnd Möhlenbrock/ Haubner, FR 2022, 53 (55).

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C. Grenzüberschreitende Einbringung/Verschmelzung | Rz. 11.20 Kap. 11

gliederung) oder in Verkürzung einer Beteiligungskette (einfache oder erweiterte) grenzüberschreitende Anwachsungen zu beobachten.1 Im UmwG ausdrücklich geregelt sind grenzüberschreitende PersonengesellschaftsVerschmelzungen nicht. Lediglich der Hereinverschmelzungsfall einer EU/EWR-Körperschaft auf eine inländische Personenhandelsgesellschaft mit nicht mehr als 500 Arbeitnehmern ist in §§ 122a Abs. 2, 122b Abs. 1 Nr. 2 UmwG geregelt; die in deutsches Umwandlungsrecht zum 31.1.2023 umgesetzte Mobilitätsrichtlinie 2019 lässt dies inhaltlich unberührt (siehe §§ 305 Abs. 2, 306 Abs. 1 Nr. 2 UmwG n.F.). Für einen rein personengesellschaftsbezogenen Hinausverschmelzungsfall innerhalb von EU/EWR und Drittstaaten haben sich deshalb in der Praxis vor allem zwei Gestaltungswege2 herausgebildet, die als sog. Kettenumstrukturierung (zu den Grundlagen s. Kapitel 1 Rz. 1.50) mehrerer Rechtsakte bedürfen. Die ausländischen Steuerrechtsfolgen sind jeweils separat zu prüfen. Entstrickung im „Wegzugsland“ und Verstrickung im „Zuzugsland“ korrespondieren dabei weder dem Grunde noch der Höhe nach zwingend, wobei im ATAD-UmsG v. 24.3.2021 eine begrenzte Wertverknüpfung für Verstrickungsfälle mit Wirkung ab 2020 kodifiziert wurde (§ 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG). Fehlt es im Ausland an einer Entstrickungsbesteuerung bleibt es im Inland beim Ansatz mit dem gemeinen Wert nach Art eines „steuerfreien Step Up“.3 – Hinausverschmelzung durch Betriebsübergang. In Schritt 1 wird der „Betrieb“ der inländischen Personengesellschaft in die neu gegründete oder bereits bestehende ausländische Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eingebracht (inl. PersGes. als Einbringender). In einem anschließenden zweiten Schritt wird die inländische Personengesellschaft liquidiert mit „Auskehrung“ der ausländischen Personengesellschaftsanteile an die Gesellschafter. Der „Inlandsmitunternehmer“ wird zum Mitunternehmer einer ausländischen Personengesellschaft (Auslandsmitunternehmer). – Hinausverschmelzung durch Anteilsübertragung. In Schritt 1 erfolgt die Einbringung sämtlicher inländischer Mitunternehmeranteile durch die Gesellschafter in die ausländische Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten (inländische Gesellschafter als Einbringende). Die inländischen Mitunternehmer werden dadurch zu Mitunternehmern der ausländischen Personengesellschaft. Durch den Einbringungsvorgang entsteht in der Folge (gedanklicher Schritt 2) allerdings keine Doppelstockstruktur, sondern das Vermögen der eingebrachten Personengesellschaft wächst automatisch der ausländischen Personengesellschaft als Alleingesellschafter zu. Es handelt sich um einen Fall grenzüberschreitender erweiterter Anwachsung (§ 738 BGB); die inländischen Mitunterneh-

1 Vgl. Heckschen/Hilser, DStR 2022, 1005 (1009); Heckschen/Knaier, GmbHR 2022, 613 (622–624). 2 Eingehend dazu Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.78/79; Bungert/ Wansleben, DB 2019, 49; Wachter, DB 2020 2281. 3 Vgl. Böhmer/Schewe/Schlücke, FR 2021, 765 (769–771); Kahle in Prinz/Kanzler (Hrsg.), Handbuch BilStRecht4, Teil A Kap. XX Rz. 3025/1–3036.

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11.20

Kap. 11 Rz. 11.20 | Umwandlungen von transparent best. PersGes

meranteile gehen durch Zusammenfassung „in einer Hand“ unter. Der Anwachsungsvorgang ist „Rechtsreflex“ der vorangegangenen Einbringung.1

11.21 Vereinzelt kann man in der Praxis auch grenzüberschreitende Spaltungsfälle von Personengesellschaften beobachten. Diese können ausgestaltet sein als Hinaus- oder Hereinspaltung, jeweils in den Varianten einer Auf- oder Abspaltung.2 Auch insoweit fehlt es an ausdrücklichen umwandlungsrechtlichen Grundlagen. Daher haben sich ähnliche Gestaltungswege wie bei einer „Verschmelzung“ entwickelt; die auftretenden Steuerfragen sind – mehr oder weniger – vergleichbar. Beispiel: Aus einer inländischen Personengesellschaft wird ein „Teilbetrieb“ auf eine ausländische Personengesellschaft abgespalten gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten an die Gesellschafter der abspaltenden inländischen Personengesellschaft.

II. Ertragsteuerfolgen einer „Hinausverschmelzung“

11.22 Es stellen sich im wesentlichen Anwendungsfragen des § 24 UmwStG, der auch den Fall der Einbringung eines inländischen Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine ausländische Personengesellschaft umfasst. Die Regelung findet nach einhelliger Meinung auf die Verschmelzung von Personengesellschaften – im Wege der Gesamtrechtsnachfolge – Anwendung; dieser „Direktweg“ scheidet aber wegen fehlender grenzüberschreitender umwandlungsrechtlicher Grundlagen aus. Aufnehmender Rechtsträger bei Einbringung einer Sachgesamtheit kann auch eine nach ausländischem Recht gegründete, dem Typusvergleich entsprechende Personengesellschaft – ansässig im EU-/EWR-Raum oder einem Drittstaat – sein.3 Deren steuerrechtliche Behandlung im Ausland ist für Anwendungszwecke des § 24 UmwStG unerheblich. Wird die ausländische Personengesellschaft im Sitzstaat als Körperschaftsteuersubjekt behandelt (ggf. per Optionsrecht), so entsteht eine sog. hybride Personengesellschaft, die internationale Qualifikations- und Zuordnungskonflikte nach sich zieht.4 Nur wenn (zumindest) einzelne Rechtsakte anlässlich einer „Hinausverschmelzung“ als Gesamtrechtsnachfolge ausgestaltet sind, besteht eine bis zu achtmonatige Rückbeziehungsmöglichkeit (§ 24 Abs. 4 i.V.m. § 20 Abs. 6 UmwStG), die für die Corona-Jahre 2020/2021 auf 12 Monate verlängert wurde. Sofern sich die Einbringung als Kombination von Gesamt- und Einzelrechtsnachfolge darstellt, wird nach Auffassung der Finanzverwaltung auch die Einzelrechtsnachfolge von der Rückbeziehungsmöglichkeit umfasst.5 Im Einzelfall sind allerdings die besonderen Rückwirkungsrestriktionen des § 2 Abs. 3 UmwStG im „Dienste“ der Vermeidung weißer 1 Vgl. Schiessl in S/R/S, H 24.56, der zutreffend von einem „zweistufigen Tatbestand“ spricht. Für den Fall der Einbringung in eine Freiberufler-PersGes. mit anschließender Anwachsung s. auch Benecke/Schnittker in W/R/S2, Rz. 15.163. 2 Vgl. auch Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.100. 3 Vgl. Rasche in R/H/vL3, § 24 UmwStG Rz. 50. 4 Zur steuerlichen Behandlung hybrider Gesellschaften s. Kapitel 19. 5 So Rz. 24.06 UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/ 0903665), BStBl. I 2011, 1314. Dies ist besonders bedeutsam für die Fälle sog. erweiterter Anwachsung sowie die „Miteinbringung“ von SonderBV.

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C. Grenzüberschreitende Einbringung/Verschmelzung | Rz. 11.23 Kap. 11

Einkünfte zu beachten. Falls in einem Ausnahmefall die Hinausverschmelzung zu einer Beendigung der inländischen Betriebsstättentätigkeit führt, erfolgt eine gewinnrealisierende Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 i.V.m. § 34 EStG; ggf. zzgl. Gewerbesteuer, § 7 Satz 2 GewStG). Hinausverschmelzung durch Betriebsübergang. Aus deutscher steuerlicher Sicht muss das Wahlrecht für einen Buchwertansatz1 bezogen auf den in Schritt 1 (vgl. Rz. 11.20) eingebrachten „Betrieb“ durch die aufnehmende ausländische Personengesellschaft ausgeübt werden. Die Antragstellung auf Buchwerte ist verbunden mit einer entsprechenden Bewertung in der steuerlichen Einbringungsbilanz der übernehmenden ausländischen Personengesellschaft. Eine entsprechende Antragstellung ist gem. § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG jedoch – abgesehen von bestimmten steuerschädlichen Gegenleistungen – nur zulässig, „soweit das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des eingebrachten Betriebsvermögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird“. Sofern inländisches Betriebsstättenvermögen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in die ausländische Personengesellschaft eingebracht wird, lässt sich in aller Regel die Steuerneutralität durch Buchwertfortführungs-Antrag erreichen. Denn das deutsche Besteuerungsrecht an den stillen Reserven des inländischen Betriebsstättenvermögens bleibt im Grundfall beteiligungsidentischer Transaktionen und ungeachtet ergänzungsbilanzieller Zuordnungen sowohl bei unbeschränkt steuerpflichtigen wie auch bei beschränkt steuerpflichtigen Mitunternehmern, unabhängig vom Bestehen eines DBA, erhalten. Die ausländische PersGes. vermittelt dem Einbringenden anteiliges inländisches Betriebsstättenvermögen. Dabei sollte eine grenzüberschreitende Umwandlung im Grundsatz nicht die abkommensrechtliche Zuordnung der Wirtschaftsgüter zu einer in- oder ausländischen Betriebsstätte ändern (ausschließliche oder überwiegende Nutzung für Betriebsstättenzwecke). Es wird üblicherweise auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des definierten steuerlichen Übertragungsstichtages abgestellt. Erfolgt allerdings anlässlich des grenzüberschreitenden Einbringungsvorgangs tatsächlich eine Wirtschaftsgutverlagerung aus der inländischen in eine ausländische Betriebsstätte oder bewirkt die von der Finanzverwaltung postulierte sog. Zentralfunktion des Stammhauses bei neutralem Vermögen eine „Zwangsverlagerung“ ins Ausland, so erfolgt bei wörtlicher Anwendung des § 24 Abs. 2 UmwStG eine Entstrickung zum gemeinen Wert. Dies dürfte allerdings – sofern die Anwendung des § 4g EStG mit seinem Ausgleichspostenwahlrecht von der FinVerw. nicht zugelassen wird – ohne eine Steuerstundung bis zur tatsächlichen Realisation eines Gewinns in EU-/EWR-Fällen unionsrechtswidrig sein.2 Enthält der im Hinausverschmelzungsfall eingebrachte Betrieb dagegen ausländisches Betriebsstättenvermögen ist für etwaige Entstrickungsfolgen auf den „Steuerstatus“ des betroffenen Mitunternehmers und etwaige DBA-Regelungen abzustellen. Nur wenn bereits vor der Einbringung ein inländisches Besteuerungsrecht für das ausländische Betriebsstättenvermögen bestand – dies ist bei Vorhandensein eines

1 Entsprechendes gilt auch für einen Zwischenwertansatz. 2 Vgl. dazu die National-Grid-Indus-Entscheidung des EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10, DStR 2011, 2334. Zur Diskussion eingehend Kapitel 1 Rz. 34.

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11.23

Kap. 11 Rz. 11.23 | Umwandlungen von transparent best. PersGes

DBA wegen der Betriebsstättenregelung des Art. 7 OECD-MA üblicherweise nicht der Fall –, kann eine Entstrickung in Betracht kommen.

11.24 Die in Schritt 2 (Rz. 11.20) erfolgende Auflösung der inländischen Personengesellschaft mit der Übertragung der Anteile an der ausländischen Personengesellschaft auf die Gesellschafter sollte mangels Erfüllung eines Einkünftetatbestands ebenfalls steuerneutral möglich sein.1 Sind bei der Betriebsübertragung nach Schritt 1 allerdings Kapitalgesellschaftsanteile mit eingebracht worden, können sich Sonderfragen der Missbrauchsklausel des § 24 Abs. 5 UmwStG ergeben (nachträgliche Besteuerung des Einbringungsgewinns II). 11.25 Hinausverschmelzung durch Anteilsübertragung. Statt eines „Betriebs“ wird bei dieser Gestaltungsvariante durch die Gesellschafter ein Mitunternehmeranteil in die ausländische Personengesellschaft eingebracht. Die Anwendungsfragen des § 24 UmwStG stellen sich in „mehr oder weniger“ identischer Form, nur mit der Besonderheit, dass Einbringender nicht die Personengesellschaft selbst, sondern ihre Gesellschafter sind. Ein Antrag auf Buchwertfortführung dürfte auch insoweit wegen sichergestellter inländischer Besteuerung möglich sein. Der als „Rechtsreflex“ der Zusammenfassung sämtlicher Mitunternehmeranteile in einer Hand erfolgende Anwachsungsvorgang sollte ebenfalls zu Buchwerten erfolgen können.2 Auch insoweit ist bei ggf. mit eingebrachten Kapitalgesellschaftsanteilen die Missbrauchsklausel des § 24 Abs. 5 UmwStG zu prüfen. 11.26 Sonderfragen grenzüberschreitender Einbringung/Spaltung von Personengesellschaften. Auch die Einbringung eines Teilbetriebs durch die inländische Personengesellschaft in eine ausländische Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten fällt in den Anwendungsbereich des § 24 UmwStG. Allerdings muss der sog. Europäische Teilbetriebsbegriff mit seinen Unschärfen und Rechtsproblemen „erfüllt“ werden (dazu eingehend Rz. 1.41). Entsprechendes gilt für grenzüberschreitende Hinaus-, Abspaltungs- und Aufspaltungskonstrukte für Personengesellschaften.3 Die umwandlungsrechtlichen grenzüberschreitenden Spaltungsvorschriften sind mit Wirkung ab 1.2.2023 nur für EU/EWR-Körperschaften geöffnet worden (§§ 320 – 332 UmwG n.F.). Grenzüberschreitende Spaltungsvorgänge bei Personengesellschaften bleiben weiterhin legislativ ungeregelt, so dass Ersatzgestaltungen ergriffen werden müssen, die steuerlich im Hinblick auf die Tatbestandserfordernisse des § 24 UmwStG zu prüfen sind. 11.27 Missbrauchsklausel des § 24 Abs. 5 UmwStG. Für eine zu Buch- oder Zwischenwerten erfolgende Einbringung von Anteilen an Körperschaften in eine Personengesellschaft enthält § 24 Abs. 5 UmwStG eine auf sieben Jahre zeitlich begrenzte Missbrauchsregelung (ausgehend vom Einbringungszeitpunkt), um Statusverbesserungen im Hinblick auf § 8b Abs. 2 KStG bei Veräußerung der Anteile durch die aufnehmen1 So zutreffend Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.78/20.79. 2 Vgl. auch Rz. 01.47 sowie 24.06 UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314. 3 Vgl. dazu eingehender Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.100.

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C. Grenzüberschreitende Einbringung/Verschmelzung | Rz. 11.28 Kap. 11

de Personengesellschaft zu verhindern. Betroffen sind dabei nur Einbringungen durch nicht von § 8b Abs. 2 KStG begünstigten Personen. Dies sind im Grundfall natürliche Personen als Einbringende; bei Personengesellschaften als Einbringende ist quotal auf die dahinterstehenden Mitunternehmer abzustellen. Die Regelung gilt auch für in einer Sacheinlage enthaltene Kapitalgesellschaftsanteile sowie für buchwertverknüpfte Weiterübertragungen der Anteile und kommt damit auch für beide Hinausverschmelzungsvarianten inländischer Personengesellschaften in Betracht.1 Dadurch werden etwaige im eingebrachten Betriebsvermögen enthaltene Kapitalgesellschaftsanteile sperrfristbehaftet, was zu nachträglichen Realisations- und auch Ersatzrealisationsfolgen beim Einbringenden entsprechend § 22 Abs. 2 UmwStG führt. Dies kann einen nachträglich zu versteuernden Einbringungsgewinn II bei Auflösung oder Anwachsung der inländischen Personengesellschaft auslösen. Wenn der einbringende Gesellschafter seinen Anteil an der übernehmenden ausländischen Personengesellschaft veräußert, liegt dagegen kein Anwendungsfall des § 24 Abs. 5 UmwStG vor. III. Ertragsteuerfolgen einer „Hereinverschmelzung“ Der „Hereinverschmelzungsfall“ ist dadurch charakterisiert, dass eine ausländische Personengesellschaft – mangels umwandlungsrechtlicher Grundlagen meist über mehrere Rechtsakte – auf eine inländische Personengesellschaft verschmolzen wird. Die Auslandsgesellschafter werden dadurch im Rahmen einer beschränkten Steuerpflicht Mitunternehmer der inländischen Personengesellschaft. Soweit eine erstmalige „Zuwanderung“ von Wirtschaftsgütern in die deutsche Besteuerungshoheit erfolgt, sollte eine Steuerverstrickung – abhängig von den ausländischen Entstrickungsfolgen – zum gemeinen Wert bzw. zum ausländischen Entstrickungswert (gem. ATAD-UmsG v. 25.6.2021) erreichbar sein. Verfügt die ausländische Personengesellschaft vor der Hereinverschmelzung über inländisches Betriebsstättenvermögen, bleibt die Erfassung der stillen Reserven im deutschen Besteuerungsrecht unberührt. Insgesamt ist auch bei dieser Umstrukturierungsvariante von Personengesellschaften der Anwendungsbereich des § 24 UmwStG eröffnet. Die auftretenden Ertragsteuerfragen sind im Verstrickungsfall „spiegelbildlich“ zum Hinausverschmelzungsfall. Bei fehlenden ausländischen Entstrickungsregeln ist im Inland weiterhin ein Step Up auf gemeine Werte als Obergrenze geboten. Aufgrund der mitunternehmerbezogenen Betrachtungsweise können stille Reserven zudem über Ergänzungsbilanzen personell zugeordnet werden; ein intersubjektiver Transfer stiller Reserven erfolgt dann nicht.

1 Die Anwendungsdetails der Vorschrift sind im UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.18-24.33 geregelt. Insbesondere Rz. 24.21 nimmt dabei inhaltlich eine teleologische Reduktion der Vorschrift im Hinblick auf ihre Zwecksetzung, nämlich die Verhinderung einer Steuerstatusverbesserung bei späteren Anteilsveräußerungen, vor.

Prinz | 715

11.28

Kap. 11 Rz. 11.29 | Umwandlungen von transparent best. PersGes

D. Grenzüberschreitende Sitzverlegung einer Personengesellschaft 11.29 Eine nach deutschem Recht gegründete Personengesellschaft kann ihren „Sitz“ aus Deutschland hinaus in ein anderes Land verlegen (Wegzugsfall). Umgekehrt ist denkbar, dass eine nach ausländischem Recht gegründete Personengesellschaft – die Steuerbeurteilung erfolgt stets nach Maßgabe des deutschen Rechtstypenvergleichs – ihren Sitz herein nach Deutschland verlegt (Zuzugsfall). Abgestellt wird aus deutscher Sicht bei Personengesellschaften üblicherweise auf deren „Verwaltungssitz“ (= steuerliche Geschäftsleitung, § 10 AO), so dass der inländische oder ausländische Satzungssitz zur Identitätswahrung bestehen bleiben muss. Dies wird im MoPeG v. 10.8.2021 auch für die GbR mit Wirkung ab 1.1.2024 zugelassen (inländischer Satzungssitz, ausländischer Verwaltungssitz). Eine Satzungssitzverlagerung führt aus deutscher Sicht üblicherweise zu einer Liquidation mit Betriebsaufgabefolgen.1 In derartigen Wegzugs- und Zuzugsfällen von Personengesellschaften stellt sich eine Vielzahl gesellschaftsrechtlicher, kollisionsrechtlicher und unionsrechtlicher Fragestellungen, deren Beantwortung im Wesentlichen darauf Bezug nimmt, ob im Gründungs- bzw. Aufnahmestaat der Personengesellschaft die Sitz- oder die Gründungstheorie anwendbar ist und ob es sich um EU-/EWR-Staaten handelt. 11.30 Ertragsteuerliche Folgen einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung. Wegen des Transparenzgebots für die Personengesellschaftsbesteuerung erfolgt im Wegzugsfall mittels Verwaltungssitzverlegung keine steuerliche Schlussabrechnung im Sinne einer Art Betriebsaufgabe. Spiegelbildliches gilt beim Zuzug einer ausländischen Personengesellschaft nach Deutschland. Die Besteuerungsfolgen ergeben sich vielmehr jeweils mit Blick auf die funktionale Betriebsstättenzuordnung nach Maßgabe der allgemeinen Entstrickungs- und Verstrickungsregelungen. Abgestellt wird darauf, ob – ungeachtet eines Wegzugs/Zuzugs – die stillen Reserven der betroffenen Wirtschaftsgüter in Deutschland steuerverstrickt bleiben oder eine erstmalige Steuerverstrickung erfolgt. Die besonderen Stundungsregelungen des § 4g EStG, die durch das ATADUmsG v. 24.3.2021 erweitert wurden, sowie des § 16 Abs. 3a i.V.m. § 36 Abs. 5 EStG sind in EU-/EWR-Fällen zur Herstellung einer „diskriminierungsfeien Besteuerung“ zu beachten. Aus steuerlicher Sicht dürfte der „Verwaltungssitz“ gleichzeitig eine sog. Geschäftsleitungsbetriebsstätte im In- oder Ausland begründen, für die in DBA-Fällen üblicherweise der Quellenstaat vorrangig steuerberechtigt ist. Insoweit können sich bei grenzüberschreitenden Sitzverlegungen von Personengesellschaften Folgen aus der von der Finanzverwaltung angewandten Zentralfunktion des Stammhauses ergeben. 11.31 Sonderfragen zum grenzüberschreitenden Formwechsel einer Personengesellschaft. Die inländische (typuswahrende) formwechselnde Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Personengesellschaft ist nach Meinung der Finanzverwal-

1 Zu Details vgl. Schnittker/Benecke, FR 2010, 565 f. Zum grenzüberschreitenden Gesellschaftszuzug aus Drittstaaten auch Heckschen/Hilser, DStR 2022, 1005 und 1053. Eingehend auch Kapitel 12.

716 | Prinz

E. Besondere Umstrukturierungsgefahren durch SbV | Rz. 11.33 Kap. 11

tung mangels Rechtsträgerwechsels kein Anwendungsfall des § 24 UmwStG.1 Das transparente Besteuerungskonzept bleibt gewahrt, formwechselinduzierte Realisationsfolgen ergeben sich nicht. Der identitätswahrende grenzüberschreitende Formwechsel einer Personengesellschaft ist umwandlungsrechtlich nicht möglich; durch Umsetzung der europäischen Mobilitätsrichtlinie 2019 sind mit Wirkung ab 1.3.2023 legislativ nur EU/EWR grenzüberschreitende Formwechsel für Körperschaften zugelassen (§§ 333/334 UmwG n.F.). § 190 UmwG a.F. galt davor nur für inländische Rechtsträger. In EU-/EWR-Formwechselfällen mit Personengesellschaften sollte eine identitätswahrende Transaktion aber gesellschaftsrechtlich im Ausgangspunkt gestützt auf die EuGH-Entscheidung vom 12.7.2012 in der Rechtssache VALE2 möglich sein. So lässt das OLG Oldenburg in einem rechtskräftigen Beschluss v. 30.6.20203 den grenzüberschreitenden identitätswahrenden Hereinformwechsel einer luxemburgischen PersGes. in eine deutsche KG gestützt auf EU-Diskriminierungsverbote im Vergleich zum Inlandsfall auch ohne strukturiertes Umwandlungsverfahren zu. Bei sichergestellter inländischer Besteuerung erfolgt keine Gewinnrealisierung; die allgemeinen Rechtsfolgen tatsächlicher Entstrickung und Verstrickung sind zu beachten. Bei drittstaatenbezogenem Formwechsel von Personengesellschaften muss auf Ersatzkonstrukte zurückgegriffen werden.

E. Besondere Umstrukturierungsgefahren internationaler Umwandlungen durch Sonderbetriebsvermögen Bei der Umstrukturierung unter Einsatz von Personengesellschaften ist in der Praxis besonders sorgsam auf die Einbeziehung inländischen und ausländischen SonderBV zu achten. Dies gilt für sämtliche personengesellschaftsbezogenen Umstrukturierungsvarianten mit Inlands- und Auslandsbezug. Wird funktional wesentliches SonderBV nicht zutreffend erkannt, können sich im Einzelfall erhebliche Steuernachteile durch ungeplante Gewinnrealisierungen ergeben. Ggf. sollte man deshalb im Vorfeld einer geplanten Transaktion versuchen, etwaige inländische und ausländische Steuerrisiken durch mit den verschiedenen Finanzverwaltungen abgestimmte Auskünfte abzusichern.4

11.32

Begriff und Bedeutung des SonderBV. Der Mitunternehmeranteil eines Personengesellschafters setzt sich nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung aus sei-

11.33

1 So Rz. 01.47 UmwSt-Erlass 2011 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/ 0903665), BStBl. I 2011, 1314. Vgl. zum identitätswahrenden Formwechsel zwischen Erbengemeinschaft und aus den Miterben gebildeter GbR BFH v. 19.1.2023 – IV R 5/19, DStR 2023, 626. 2 EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10 – VALE, DB 2012, 1614. 3 Vgl. OLG Oldenburg v. 30.6.2020 – 12 W 23/20 (HR), rkr., GmbHR 2020, 1284 mit Anm. Krafczyk/Liebig; ergänzend Wachter, DB 2020, 2281. Zu Drittstaatengestaltungen auch Heckschen/Hilser, DStR 2022, 1005 (1010). 4 Zur Ermittlung, Evaluation und Absicherung steuerlicher Inlands- und Auslandsrisiken vgl. Prinz, DB 2012, 820 (827 f.) sowie ergänzend FR 2018, 973 (976). Weiterhin auch Kapitel 1 Rz. 1.80–1.82.

Prinz | 717

Kap. 11 Rz. 11.33 | Umwandlungen von transparent best. PersGes

nem Anteil am Vermögen der Personengesellschaft (einschließlich ergänzungsbilanzieller Mehr- oder Minderwerte) sowie seinem SonderBV zusammen. Eine Legaldefinition für SonderBV existiert nicht; es wird vom Gesetzgeber lediglich an verschiedenen Stellen erwähnt (etwa § 6 Abs. 5 EStG sowie § 4h Abs. 2 Buchst. c Satz 7 EStG).1 Unter dem Begriff „SonderBV“ werden traditionell typisierend diejenigen (positiven oder negativen) Wirtschaftsgüter zusammengefasst, die zivilrechtlich, ggf. auch „nur“ wirtschaftlich, einem oder mehreren Mitunternehmern gehören und – entweder der Personengesellschaft unmittelbar (insbesondere durch entgeltliche oder unentgeltliche Nutzungsüberlassung) dienen oder die mittelbar dazu geeignet und bestimmt sind, dem Betrieb der PersGes. zu dienen (sog. SonderBV I mit „Personengesellschaftsförderung“), – oder die unmittelbar/mittelbar zur Begründung oder Stärkung der Beteiligung an der PersGes. eingesetzt werden oder insoweit förderlich sind (sog. SonderBV II mit „Beteiligungsförderung“).

11.34 Gehört das SonderBV des Mitunternehmers zu den funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen der Mitunternehmerschaft (was bspw. hinsichtlich der Anteile an einer Komplementär-GmbH streitig sein kann), so ist es üblicherweise in entsprechenden Umstrukturierungsfällen für die Zulässigkeit von Buchwerten oder Zwischenwerten mit einzubeziehen. Dabei ist problematisch, dass ausländische Rechtsordnungen das Institut des SonderBV meist nicht kennen und zudem die Sonderbetriebsvermögenseigenschaft eines Wirtschaftsguts in vielen Fällen nicht „rechtsklar“ ist. 11.35 Kapitalgesellschaftsanteile als SonderBV mit DBA-Anwendungsfragen. Inländische oder ausländische Kapitalgesellschaftsanteile, die sich in einem „Näheverhältnis“ zu einer Personengesellschaft befinden und von einigen, mehreren oder sämtlichen Mitunternehmern gehalten werden, kommen stets für eine SonderBV-Zuordnung in Betracht.2 Neben einer engen wirtschaftlichen Verflechtung zwischen Kapitalgesellschaft und PersGes. setzt die notwendige SonderBV-Eigenschaft die finanzielle und organisatorische Beherrschung der Kapitalgesellschaft durch den oder die Mitunternehmer voraus. Ansonsten kann die Kapitalgesellschaftsbeteiligung nicht in qualifizierter Form seine Mitunternehmerstellung fördern. Eine eigenständige signifikante Geschäftstätigkeit der KapGes. unabhängig von der nahestehenden Mitunternehmerschaft hindert die SBV-Qualifikation üblicherweise. Ein Beispiel: Verfügt etwa der Auslandsgesellschafter einer inländischen Mitunternehmerschaft über eine Kapitalgesellschaftsbeteiligung in einem Drittstaat, die zu seinem SonderBV II gehört, so muss bei Umstrukturierung der inländischen Personengesellschaft das im Ausland befindliche SonderBV zur Erlangung einer Buchwertverknüpfung mit be-

1 Vgl. zu einer umfassenden Darstellung des Umfangs von SonderBV Kahle in Prinz/Kanzler (Hrsg.), Handbuch BilStRecht4, Teil A Kap. X Rz. 1466–1499. Zu den Systemgrundlagen Werthebach, StuW 2019, 154. Aus der jüngeren Rechtsprechung auch BFH v. 21.12.2021 – IV R 15/19, FR 2022, 503 mit Anm. Kanzler. 2 Zu Details vgl. Prinz, DB 2010, 972 und FR 2018, 973 (975 f.).

718 | Prinz

F. Ergebnis | Rz. 11.36 Kap. 11

rücksichtigt werden.1 Umgekehrt kann bspw. der Verkauf der ausländischen Kapitalgesellschaftsbeteiligung durch den ausländischen Mitunternehmer zu einer überraschenden Zuweisung des Besteuerungsrechts nach DBA zum Betriebsstättenstaat der inländischen Personengesellschaft führen. In diesem Zusammenhang hat der BFH in seinem Urteil vom 13.2.2008 judiziert: Eine zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen des Auslandsgesellschafters gehörende Kapitalgesellschaftsbeteiligung gehört jedenfalls dann zum Betriebsvermögen der inländischen Betriebsstätte einer Personengesellschaft, wenn der Auslandsgesellschafter nicht außerhalb Deutschlands weitere Betriebsstätten im abkommensrechtlichen Sinne besitzt. Trotz der ausländischen Ansässigkeit des Mitunternehmers ist der Veräußerungsgewinn seiner dem Sonderbetriebsvermögen zuzuordnenden Kapitalgesellschaftsanteile doppelbesteuerungsrechtlich der inländischen Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzuordnen (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA).2 Es fallen in vollem Umfang deutsche Ertragsteuern einschl. Gewerbesteuer an. Aus besteuerungspraktischer Sicht bergen Kapitalgesellschaftsanteile im SonderBV daher erhebliche Steuerrisiken. Häufig ergeben sich in diesem Zusammenhang nur einvernehmlich zwischen den betroffenen Staaten zu lösende komplexe DBA-Zuweisungsfragen.3

F. Ergebnis Internationale Mitunternehmerschaften weisen hohe Rechtsunsicherheit auf, da die deutschen Besteuerungsbesonderheiten (Transparenzgebot, gewerbliche Prägung und Infizierung, Sondervergütungen und Sonderbetriebsvermögen, differenzierte Betriebsstättenfragen) in vielen ausländischen Jurisdiktionen unbekannt, zumindest wenig verbreitet sind. Ausdrückliche gesellschaftsrechtliche Rechtsgrundlagen für grenzüberschreitende Verschmelzung, Spaltung und Formwechsel bei Personengesellschaften fehlen weitgehend, sieht man einmal von § 306 Abs. 2 UmwG n.F. mit der Möglichkeit der Hereinverschmelzung einer EU/EWR-Körperschaft auf eine deutsche Personenhandelsgesellschaft (mit i.d.R. nicht mehr als 500 Arbeitnehmern, wegen Absicherung Mitbestimmung) ab. Die Umsetzung der europäischen Mobilitätsrichtlinie 2019 mit Wirkung ab 1.2.2023 ändert daran konzeptionell nichts. In der Praxis wird man deswegen auf „maßgeschneiderte“ Sonderwege zurückgreifen müssen. Der globale Anwendungsbereich des § 24 UmwStG eröffnet dafür eine Reihe von Möglichkeiten. Sofern das deutsche Besteuerungsrecht trotz grenzüberschreitender Umstrukturierung einer Personengesellschaft wegen inländischer funktionaler/

1 Vgl. dazu etwa BFH v. 12.6.2013 – I R 47/12, BStBl. II 2014, 770 zur abkommensrechtlichen Zuordnung von notwendigem SBV in Dreieckssachverhalten. Als Überblick auch Wacker in Schmidt41, § 15 EStG Rz. 506. Ausführlich auch Schneider, SonderBV – Rechtsgrundlage und Umfang, 2000, 3 ff.; Schneider in H/H/R, § 15 EStG Anm. 700–767 (Stand: April 2022); Schmitz, NWB 2010, 425; Schulze zur Wiesche, GmbHR 2012, 785. 2 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414. Zu den Anteilen an einer Schweizer AG als Sonderbetriebsvermögen vgl. weiterhin BFH v. 17.11.2011 – IV R 51/08, FR 2012, 635 mit Anm. Prinz. 3 Vgl. Eilers in FS Herzig, 2010, 1043.

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11.36

Kap. 11 Rz. 11.36 | Umwandlungen von transparent best. PersGes

veranlassungsgeprägter Betriebsstättenzuordnung gewahrt bleibt, lassen sich gewinnrealisierende Entstrickungen vermeiden. Umgekehrtes gilt für die erstmalige Begründung des inländischen Besteuerungsrechts im Wege einer Verstrickung, wobei allerdings vom Gesetzgeber nach der Umsetzung von ATAD II ab dem Veranlagungszeitraum 2021 – eine Wertverknüpfung mit dem abgebenden Mitgliedsstaat gefordert wird. Besondere Gestaltungsrisiken bergen zum inländischen Sonderbetriebsvermögen gehörende ausländische Kapitalgesellschaftsanteile. Im Vorfeld absichernde Maßnahmen für derartige Transaktionen mit in- und ausländischen Finanzbehörden sind empfehlenswert. Meines Erachtens gehört das Institut der Sondervergütungen sowie des Sonderbetriebsvermögens auf den gesetzgeberischen Prüfstand.1

1 Vgl. eingehender Prinz, DB 2011, 1415 (1419) und DB 2021, 358 (365).

720 | Prinz

Kapitel 12 Wegzug und Zuzug A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Wegzugskonstellationen I. Allgemeine gesellschafts- und kollisionsrechtliche Rahmenbedingungen 1. Nationales Sachrecht/Gesellschaftsrecht a) Vorbemerkung . . . . . . . . b) Kapitalgesellschaft . . . . . c) Personengesellschaft . . . . 2. Kollisionsrecht a) Vorbemerkung . . . . . . . . b) International unterschiedliche Anknüpfungskriterien: Sitz-/Gründungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . c) Deutsches Kollisionsrecht 3. Bisheriger Rechtsrahmen . . . 4. Grenzüberschreitender Formwechsel nach der GesR-RL . . 5. Zusammenfassung der Wegzugsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Folgen der Wegzugsfälle für das Gesellschaftsvermögen . . II. Steuerliche Rahmenbedingungen des Wegzugs 1. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft vom Inland in einen EU-/ EWR-Staat (Fallgruppe KapG 1) a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . b) Konkrete gesellschaftsund kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerrechtliche Konsequenzen 2. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Personengesellschaft vom Inland in einen EU-/ EWR-Staat (Fallgruppe PersG 1.1 und PersG 1.2) a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . .

12.1

12.6 12.7 12.8 12.11

12.12 12.13 12.14 12.18 12.22 12.25

12.30 12.31

12.53

b) Konkrete gesellschaftsund kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft vom Inland in einen Drittstaat mit Gründungstheorie (Fallgruppe KapG 1) a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . b) Konkrete gesellschaftsund kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerliche Konsequenzen 4. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Personengesellschaft vom Inland in einen Drittstaat mit Gründungstheorie (Fallgruppen PersG 1.1 und 1.2) a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . b) Konkrete gesellschaftsund kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft vom Inland in einen Drittstaat mit Sitztheorie (Fallgruppe KapG 2) a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . b) Konkrete gesellschaftsund kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Personengesellschaft vom Inland in einen Drittstaat mit Sitztheorie (Fallgruppe PersG 2) a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . b) Konkrete gesellschaftsund kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . .

12.54 12.56

12.60 12.61

12.65 12.66 12.67

12.68 12.69 12.70

12.72 12.73

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 721

Kap. 12 | Wegzug und Zuzug c) Steuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.74 7. Grenzüberschreitender Formwechsel einer Kapitalgesellschaft (Fallgruppe KapG 3) a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . 12.79 b) Konkrete gesellschaftsund kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . 12.80 c) Steuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.81 d) Europäische Gesellschaft (SE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.85 8. Grenzüberschreitender Formwechsel einer Personengesellschaft (Fallgruppe PersG 3) a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . 12.89 b) Konkrete gesellschaftsund kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . 12.90 c) Steuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.91 C. Zuzugskonstellationen I. Allgemeine gesellschafts- und kollisionsrechtliche Rahmenbedingungen 1. Nationales Gesellschaftsrecht 12.93 2. Internationales Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.94 3. Europarecht . . . . . . . . . . . . . . 12.95 4. Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . 12.97 5. Grenzüberschreitender Hereinformwechsel a) Bisheriger Rechtsrahmen 12.99 b) Rechtsrahmen nach der GesR-RL . . . . . . . . . . . . . . 12.101 6. Zusammenfassung der Zuzugsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.102 7. Rechtliche Einordnung der Transformationsphase . . . . . . 12.105 II. Steuerliche Rahmenbedingungen des Zuzugs 1. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft aus einem EU-/EWR-Staat mit Gründungstheorie ins Inland (Fallgruppe KapG 1) a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . 12.106

722 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

b) Konkrete gesellschaftsund kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . 12.107 c) Steuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.108 2. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Personengesellschaft aus einem EU-/EWR-Staat mit Gründungstheorie ins Inland (Fallgruppe PersG 1) a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . 12.113 b) Konkrete gesellschaftsund kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . 12.114 c) Ertragsteuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . 12.115 3. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft aus einem Drittstaat mit Gründungstheorie ins Inland (Fallgruppe KapG 3) a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . 12.120 b) Konkrete gesellschaftsund kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . 12.121 c) Steuerliche Konsequenzen 4. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Personengesellschaft aus einem Drittstaat mit Gründungstheorie ins Inland (Fallgruppe PersG 3) a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . 12.132 b) Konkrete gesellschaftsund kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . 12.133 c) Steuerliche Konsequenzen 5. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft aus einem den Wegzug nicht gestattenden EU/EWR-Staat ins Inland (Fallgruppe KapG 1 – Umkehrschluss) a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . 12.138 b) Konkrete gesellschaftsund kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . 12.139 c) Steuerrechtliche Konsequenzen

Wegzug und Zuzug | Kap. 12 6. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Personengesellschaft aus einem den Wegzug nicht gestattenden EU-/EWR-Staat ins Inland (Fallgruppe PersG 1 – Umkehrschluss) a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . 12.145 b) Konkrete gesellschaftsund kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . 12.146 c) Steuerliche Konsequenzen 7. Grenzüberschreitender Formwechsel einer Kapitalgesellschaft (Fallgruppe KapG 4) a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . 12.150 b) Konkrete gesellschaftsund kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . 12.151 c) Steuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.152 8. Grenzüberschreitender Formwechsel einer Personengesellschaft (Fallgruppe PersG 3) a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . 12.153 b) Konkrete gesellschaftsund kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . 12.154

c) Steuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . II. Wegzugsfälle 1. Gesellschaftsrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerrechtliche Konsequenzen a) Vorbemerkung . . . . . . . . b) Identitätswahrende Wegzugsfälle . . . . . . . . . . . . . . c) Identitätsändernde Wegzugsfälle . . . . . . . . . . . . . . III. Zuzugsfälle 1. Gesellschaftsrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerrechtliche Konsequenzen a) Vorbemerkung . . . . . . . . b) Identitätswahrende Zuzugsfälle . . . . . . . . . . . . . . c) Identitätsändernde Zuzugsfälle . . . . . . . . . . . . . .

12.155 12.156 12.157 12.158 12.159 12.160 12.161 12.162 12.169 12.170

Literatur: Bayer/Schmidt, Grenzüberschreitende Sitzverlegung und grenzüberschreitende Restrukturierungen nach MoMiG, Cartesio und Trabrennbahn, ZHR 173 (2009), 735; Bayer/ Schmidt, Das Vale-Urteil des EuGH: Die endgültige Bestätigung der Niederlassungsfreiheit als „Formwechselfreiheit“, ZIP 2012, 1481; Bartels, Zuzug ausländischer Kapitalgesellschaften unter der Sitztheorie, ZHR 176 (2012), 412; Benecke, Aspekte und mögliche Reaktionen zur Aufgabe der sogenannten Theorie der finalen Betriebsaufgabe, IStR 2010, 101; Benecke, Ausländische Umstrukturierungen mit Inlandsbezug – „Stolpersteine“ auf dem Weg der Europäisierung zur Globalisierung des Umwandlungssteuerrechts, DStJG 43 (2020), 623; Beutel/Rehberg, National Grid Indus – Schlusspunkt der Diskussion oder Quell neuer Kontroverse zur Entstrickungsbesteuerung?, IStR 2012, 94; Binz/Mayer, Die Rechtsstellung von Kapitalgesellschaften aus Nicht-EU/EWR/USA-Staaten mit Verwaltungssitz in Deutschland, BB 2005, 2361; Böttcher/Kraft, Grenzüberschreitender Formwechsel und tatsächliche Sitzverlegung – Die Entscheidung VALE des EuGH, NJW 2012, 2701; Brandi/Schmidt, Der grenzüberschreitende Formwechsel nach dem RegE zum UmRUG, DB 2022, 1880; Cramer, Von der Limited in die Personenhandelsgesellschaft – Der Referentenentwurf des Vierten Gesetzes zur Änderung des UmwG, DStR 2018, 2435; Däubler/Heuschmid, Cartesio und MoMiG – Sitzverlagerung ins Ausland und Unternehmensmitbestimmung, NZG 2009, 493; Ditz, Aufgabe der finalen Entnahmetheorie – Analyse des BFH-Urteils vom 17.7.2008 und seiner Konsequenzen, IStR 2009, 115; Desens, Der Leistungsfähigkeitsgedanke und die Entstrickung im Spiegel der europäischen Freizügigkeitsrechte, FR 2022, 681; Desens, Paradigmenwechsel in der Entstrickungsbesteuerung?, DStR 2022, 1588; DNotI, Großbritannien: Brexit; Übergang eines Geschäfts-

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Kap. 12 | Wegzug und Zuzug anteils aufgrund Erlöschens einer englischen Limited auf den alleinigen shareholder der Limited, DNotI-Report 2021, 9; Ege/Klett, Praxisfragen der grenzüberschreitenden Mobilität von Gesellschaften, DStR 2012, 2442; Eidenmüller, Mobilität und Restrukturierung von Unternehmen im Binnenmarkt, JZ 2004, 24; Eidenmüller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, ZGR 2007, 168; Franz, Internationales Gesellschaftsrecht und deutsche Kapitalgesellschaften im In- bzw. Ausland, BB 2009, 1250; Franz, Grenzüberschreitende Sitzverlegung und Niederlassungsfreiheit – eine systematische Betrachtung offener und geklärter Fragen, EuZW 2016, 930; Franz/Laeger, Die Mobilität deutscher Kapitalgesellschaften nach Umsetzung des MoMiG unter Einbeziehung des Referentenentwurfs zum internationalen Gesellschaftsrecht, BB 2008, 678; Frobenius, „Cartesio“: Partielle Wegzugsfreiheit für Gesellschaften in Europa, DStR 2009, 487; Gosch, Keine Steuerentstrickung bei Übertragung eines Einzelwirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte, BFH-PR 2008, 499; Großfeld/Jasper, Identitätswahrende Sitzverlegung und Fusion von Kapitalgesellschaften in die Bundesrepublik Deutschland, RabelsZ 53 (1989), 52; Hagemann/Link, Ent- und Verstrickung nach dem ATAD-Umsetzungsgesetz, IWB 2021, 471; Häuselmann, Zwölf Punkte zur weiteren Modernisierung und Vereinfachung des Unternehmenssteuerrechts – Die Steuerpläne der Regierungskoalition vom 14.2.2012, SteuK 2012, 113; Hahn, Überlegungen zum Urteil des EuGH in der Rechtssache National Grid Indus, BB 2012, 681; Heckschen, Nächster Schritt zur Reform des Personengesellschaftsrechts genommen – Referentenentwurf zum MoPeG vorgestellt, GWR 2021, 1; Heckschen/Knaier, Größte Reform des Umwandlungsrechts – nicht nur Richtlinienumsetzung! (Teil I), GmbHR 2022, 501; Heckschen/Knaier, Größte Reform des Umwandlungsrechts – nicht nur Richtlinienumsetzung! (Teil II), GmbHR 2022, 613; Hellgardt/Illmer, Wiederauferstehung der Sitztheorie?, NZG 2009, 94; Hermanns, Die grenzüberschreitende Sitzverlegung in der notariellen Praxis, MittBayNot 2016, 297; Herrler, Gewährleistung des Wegzugs von Gesellschaften durch Art. 43, 48 EG nur in Form der Herausumwandlung – Anmerkungen zum Urt. des EuGH v. 16. 12. 2008 – Rs. C-210/06 (Cartesio), DNotZ 2009, 484; Hirte, Die „Große GmbH-Reform“ – Ein Überblick über das Gesetz zur Modernisierung des GmbHRechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), NZG 2008, 761; Hoffmann, Das Anknüpfungsmoment der Gründungstheorie, ZVglRWiss 101 (2002), 283; Hornberger, Rechtsformwahrende Sitzverlegung, Verschmelzungen und Formwechsel von Personengesellschaften innerhalb der EU, 2020; Hruschka, Unverhältnismäßigkeit einer sofortigen Fälligkeit der Wegzugsbesteuerung einer Gesellschaft, DStR 2011, 2343; Hushahn, Grenzüberschreitende Formwechsel im EU/EWR-Raum – die identitätswahrende statutenwechselnde Verlegung des Satzungssitzes in der notariellen Praxis –, RNotZ 2014, 137; Jochum, Zur Fortsetzung der Rechtssache Marks & Spencer: Gestattet das europäische Gemeinschaftsrecht eine „geltungserhaltende Reduktion“ des nationalen Steuerrechts?, IStR 2006, 621; Kahle/Beinert, Zur Diskussion um die Europarechtswidrigkeit der Entstrickungstatbestände nach Verder LabTec, FR 2015, 585; Kahlenberg/Kudert, Unionskonformität der Entstrickungsregelung des § 4 I EStG, DB 2015, 1377; Kessler/Philipp, Rechtssache National Grid Indus BV – Ende oder Bestätigung der Entstrickungsbesteuerung?, DStR 2012, 267; Kieninger, Sitztheorie bei Sitzverlegung schweizerischer AG – Trabrennbahn, NJW 2009, 292; Kindler, GmbH-Reform und internationales Gesellschaftsrecht, AG 2007, 721; Kindler, Internationales Gesellschaftsrecht 2009: MoMiG, Trabrennbahn, Cartesio und die Folgen, IPrax 2009, 189; Knaier, Grenzüberschreitender Formwechsel einer Personengesellschaft, DNotZ 2021, 148; Knobbe-Keuk, Der Wechsel von der beschränkten zur unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht und vice versa, StuW 1990, 372; Kobelt, Internationale Optionen deutscher Kapitalgesellschaften nach MoMiG, „Cartesio“ und „Trabrennbahn“ – zur Einschränkung der Sitztheorie, GmbHR 2009, 808; Koch, Freie Sitzwahl für Personenhandelsgesellschaften, ZHR 173 (2009), 101; Kögel, Der Sitz der GmbH und seine Bezugspunkte, GmbHR 1998, 1108; Köhler, Grenzüberschreitende Outbound-Verschmelzung und Sitzverlegung vor dem Hintergrund der jüngsten BFH-Rechtsprechung, IStR 2010, 337; König/Bormann, Die Reform des Rechts der Gesellschaften mit beschränkter Haftung, DNotZ 2008, 652; Kudert/Kielawa-Buzala, Die Verstrickungsbesteuerung im ATA-

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Wegzug und Zuzug | Kap. 12 DUmsG, IStR 2021, 605; Leible/Galneder/Wißling, Englische Kapitalgesellschaften mit deutschem Verwaltungssitz nach dem Brexit, RIW 2017, 718; Leible/Hoffmann, „Überseering“ und das deutsche Gesellschaftskollisionsrecht, ZIP 2003, 925; Leible/Hoffmann, Cartesio – fortgeltende Sitztheorie, grenzüberschreitender Formwechsel und Verbot materiellrechtlicher Wegzugsbeschränkungen, BB 2009, 58; Lieder/Hilser, Das Internationale Personengesellschaftsrecht des MoPeG, ZHR 2021, 471; Linn/Maywald, Der Rechtstypenvergleich nach MoPeG und KöMoG, IStR 2021, 825; Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2018; Luy, Grenzüberschreitende Umwandlungen nach dem Company Law Package, NJW 2019, 1905; Luy, Grenzüberschreitende Umwandlungen und Brexit, DNotZ 2019, 484; Lieder/Kliebisch, Nichts Neues im Internationalen Gesellschaftsrecht: Anwendbarkeit der Sitztheorie auf Gesellschaften aus Drittstaaten?, BB 2009, 338; Meilicke, Die Niederlassungsfreiheit nach Überseering, GmbHR 2003, 793; Melchior, „Checkliste“ der Richterinnen und Richter des Amtsgerichts Charlottenburg – Handelsregister – betreffend die anzuwendenden Rechtsnormen bei grenzüberschreitenden Sitzverlegungen; Stand August 2014, GmbHR 2014, R311; Mitschke, Zur gesetzlichen Entstrickungsregelung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, DB 2009, 1376; Mitschke, Nochmals: Aufgabe der „finalen Entnahmetheorie“ – Nachlese zum BFH-Urteil – I R 77/06, FR 2008, 1149, FR 2009, 326; Mitschke, Entstrickung und Verstrickung – BFH I R 77/06 und § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, IStR 2010, 95; Mitschke, Entstrickung und Verstrickung – BFH I R 77/06 und § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, IStR 2010, 111; Mitschke, National Grid Indus – Ein Phyrrussieg für die Gegner der Sofortversteuerung, IStR 2012, 6; Nolting, Wegzugsbeschränkungen für Gesellschaften in Deutschland nach Cartesio, NotBZ 2009, 109; Paefgen, Cartesio: Niederlassungsfreiheit minderer Güte, WM 2009, 529; Pluskat, Die Zulässigkeit des Mehrfachsitzes und die Lösung der damit verbundenen Probleme, WM 2004, 601; Prinz, Gesetzgeberische Wirrungen um Grundsätze der Betriebsstättenbesteuerung, DB 2009, 807; Rautenstrauch/Seitz, National Grid Indus: Europarechtliche Implikationen für den Wegzug und die internationale Umwandlung von Gesellschaften, Ubg 2012, 14; Rödder/ Schumacher, Das kommende SEStEG Teil I: die geplanten Änderungen des EStG, KStG und AStG, DStR 2006, 1481; Röder, Ein frischer Blick auf den Typenvergleich: Gestiegene gesellschaftsrechtliche Komplexität erfordert radikale Vereinfachung, IStR 2021, 795; Rehm, Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten einer in den USA nach dortigen Vorschriften gegründeten Gesellschaft, JZ 2005, 304; Rehm, Vom Außenseiter zum Liebling? Liechtensteinische Gesellschaften mit deutschem Verwaltungssitz als unternehmerische Gestaltungsoption, DK 2006, 166; Richter/Backhaus, Eintragung eines grenzüberschreitenden Formwechsels ins Handelsregister, DB 2016, 1625; Roth, Internationalprivatrechtliche Aspekte der Personengesellschaften, ZGR 2014, 168; Rotheimer, Referentenentwurf zum Internationalen Gesellschaftsrecht, NZG 2008, 181; Rumpf/Fingerhuth, MoMiG und die grenzüberschreitende Sitzverlegung – Die Sitztheorie ein (lebendes) Fossil?, IPRax 2008, 90; Saenger, Wegzug von Personengesellschaften, in Festschrift P+P Pöllath+Partners, 2008, 295; Schmidt, Im Labyrinth des Gesellschaftskolisionsrechts: Gründungstheorie statt „zurück auf die Trabrennbahn“, EuZW 2021, 613; Schmidt, Brexit: Implikationen des EU-UK TCA im Bereich des Gesellschafsrechts, GmbHR 2021, 229; Schmidt: Der UmRUG-Referentenentwurf: grenzüberschreitende Umwandlungen 2.0 – und vieles mehr, NZG 2022, 579; Schmidt: Der UmRUG-Referentenentwurf: grenzüberschreitende Umwandlungen 2.0 – und vieles mehr, NZG 2022, 635; Schön, Grenzüberschreitende Umstrukturierungen von Unternehmen zwischen deutschem, internationalen und Europäischem Steuerrecht, DStJG 43 (2020), 563; Schönfeld, Entstrickung über die Grenze aus Sicht des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG anhand von Fallbeispielen, IStR 2010, 133; Seibold, Der grenzüberschreitende Herein-Formwechsel in eine deutsche GmbH – Geht doch!, ZIP 2017, 456; Stelmaszczyk, Die neue Umwandlungsrichtlinie – harmonisierte Verfahren für grenzüberschreitende Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechsel, GmbHR 2020, 61; Stelmaszczyk, Der grenzüberschreitende Formwechsel von Kapitalgesellschaften nach geltendem und künftigem Recht – Teil I, notar 2021, 107; Stiegler, Grenzüberschreitende Sitzverlegungen nach deutschem und europäischem Recht, 2017; Stiegler, Zum „Hereinformwechsel“

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Kap. 12 Rz. 12.1 | Wegzug und Zuzug einer französischen GmbH in eine deutsche GmbH, NZG 2016, 835; Stiegler, Grenzüberschreitende Mobilität von Personengesellschaften, ZGR 2017, 312; Stiegler, Hereinformwechsel in eine Kommanditgesellschaft, NZG 2020, 979; Süß, Exit vor dem Brexit: Die Flucht aus der Limited – leichtes Spiel oder teuerer Spaß?, ZIP 2018, 1277; Teichmann, Der grenzüberschreitende Formwechsel ist spruchreif: das Urteil des EuGH in der Rs. Vale, DB 2012, 2085; Thömmes/Linn, Verzinsung und Sicherheitsleistung bei aufgeschobener Fälligkeit von Steuern im Wegzugsfall, IStR 2012, 282; von der Höh/Hagemann, Brexit: Handlungsoptionen für eine Sitzverlegung aus dem Vereinigten Königreich nach Deutschland, DB 2017, 830; Wachter, Grenzüberschreitender Herein-Formwechsel in die deutsche GmbH, GmbHR 2016, 738; Wachter, Grenzüberschreitender Formwechsel in eine deutsche GmbH & Co. KG, DB 2020, 2281; Wassermeyer, Verliert Deutschland im Fall der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte das Besteuerungsrecht?, DB 2006, 1176; Wassermeyer, Entstrickung versus Veräußerung und Nutzungsüberlassung steuerrechtlich gesehen, IStR 2008, 176; Weng, Die Rechtssache Cartesio – das Ende Daily Mails?, EWS 2008, 264; Weller, Die Verlegung des Center of Main Interest von Deutschland nach England, ZGR 2008, 835; Werra/ Teiche, Das SEStBeglG aus der Sicht international tätiger Unternehmen, DB 2006, 1455; Wicke, Zulässigkeit des grenzüberschreitenden Formwechsels, Rechtssache „Vale“ des Europäischen Gerichtshofs zur Niederlassungsfreiheit, DStR 2012, 1756; Winter/Marx/De Decker, Von Paris nach Charlottenburg – zur Praxis grenzüberschreitender Formwechsel, DStR 2016, 1997; Wöhlert/Degen, Die neue Mobilität von Gesellschaften in Europa nach „Vale“ und „National Grid Indus“, GWR 2012, 432; Zwirlein, Grenzüberschreitender Formwechsel – europarechtlich veranlasste Substitution im UmwG Zugleich Besprechung von KG, Beschluss v. 21.3.2016, 22 W 64/15, ZGR 2017, 114.

A. Einleitung 12.1 Einleitung. Verlegt eine Gesellschaft ihren Satzungs- und/oder Verwaltungssitz aus dem Staat A in den Staat B, kann dies aus Sicht des Staates A zu einem Wegzug und aus Sicht des Staates B zu einem Zuzug der betreffenden Gesellschaft führen. Eine solche grenzüberschreitende Sitzverlegung ist in der Praxis sehr weit verbreitet, oft findet sie sogar unbewusst statt und wird als solche gar nicht erkannt. Dies gilt jedenfalls für die Verlegung des Verwaltungssitzes, da sich diese auch ohne eine bewusste Entscheidung vollziehen kann und von tatsächlichen Umständen abhängt. Wird etwa bei einer deutschen GmbH eine in den Niederlanden lebende und von dort aus für die GmbH tätige Person zum einzigen Geschäftsführer bestellt, hat die GmbH ihren Verwaltungssitz in die Niederlande verlegt und ist damit möglicherweise zumindest aus steuerlicher Sicht aus Deutschland weggezogen. Zu einem unbewussten Zuzug einer Gesellschaft kann es kommen, wenn z.B. der einzige Geschäftsführer einer Schweizer AG seinen Wohnsitz von Zürich nach München verlegt, von wo aus er fortan seine Tätigkeiten für die Gesellschaft ausübt. Die Schlichtheit des Handelns, durch das sich eine solche Sitzverlegung vollzieht, steht dabei im klaren Gegensatz zur Komplexität der gesellschafts- und steuerrechtlichen Fragen, die eine solche Sitzverlegung auslösen kann. Viele rechtliche und steuerliche Fragen in diesem Zusammenhang sind nach wie vor ungeklärt und gesetzlich nicht geregelt. 12.2 Gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen. Die grenzüberschreitende Unternehmensmobilität von EU/EWR-Gesellschaftsformen ist im EU/EWR-Gebiet durch die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49, 54 AEUV geschützt. Die Niederlassungsfreiheit 726 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

A. Einleitung | Rz. 12.3 Kap. 12

ist nicht nur natürlichen Personen garantiert. Das europäische Primärrecht garantiert sie vielmehr gleichermaßen für Kapital- als auch für Personengesellschaften.1 Den Schutzumfang der Niederlassungsfreiheit hat der EuGH in zahlreichen Entscheidungen konkretisiert.2 Für die grenzüberschreitende Umwandlung aus deutscher Sicht haben die Entscheidung des OLG Nürnberg von Juni 20133 und die Entscheidung des OLG Frankfurt von Januar 20174 zur Konkretisierung des Rechtsrahmens beigetragen, wonach der grenzüberschreitende Formwechsel aus deutscher Sicht entsprechend den Formwechselvorschriften der §§ 190 ff. UmwG in europarechtskonformer Auslegung unter Beachtung der Besonderheiten des grenzüberschreitenden Sachverhalts erfolgt. Mit der Richtlinie RL (EU) 2019/2121 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.11.2019 zur Änderung der Richtlinie RL (EU) 2017/ 1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen („GesR-RL“) wurden erstmals vereinheitlichte rechtliche Rahmenbedingungen für grenzüberschreitende Umwandlungen5 geschaffen. Die GesR-RL ist am 1.1.2020 in Kraft getreten und war von den Mitgliedstaaten jeweils bis zum 31.1.2023 in nationales Recht umzusetzen. Das deutsche Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie, das vormals verkürzt als „UmRUG“ bezeichnet worden war, ist mit Wirkung zum 1.3.2023, d.h. mit einem Monat Verspätung gegenüber der Umsetzungsverpflichtung aus der Richtlinie in Kraft getreten, jedoch schon ab dem 1.2.2023 anwendbar.6 Die Vorschriften über den grenzüberschreitenden Formwechsel sind im UmwG in einem neuen Sechsten Buch, Dritter Teil, geregelt worden. Steuerrechtliche Rahmenbedingungen. Für die steuerliche Würdigung von Wegund Zuzugsfällen ist die zivilrechtliche (gesellschaftsrechtliche) Behandlung des Vorgangs von großer Bedeutung. Denn die Auflösung und Neugründung einer Gesellschaft aus gesellschaftsrechtlicher Sicht kann grundlegend andere steuerliche Folgen für die Gesellschaft und ihre Gesellschafter haben als z.B. eine identitätswahrende Sitzverlegung. Diese steuerlichen Folgen im Einzelnen zu bestimmen ist selbst dann, wenn alle gesellschaftsrechtlichen Fragen geklärt sind, eine anspruchsvolle Aufgabe. Denn der Gesetzgeber hat bisher kein geschlossenes System steuerlicher Regelungen für Wegzugs- und Zuzugsfälle geschaffen. Auf Wegzugs- und Zuzugsfälle sind vielmehr zunächst allgemeine Grundsätze und steuerliche Vorschriften anzuwenden, de-

1 Lieder/Hilser, ZHR 2021, 471 (479); Wachter, DB 2020, 2281 (2284); Roth, ZGR 2014, 168 (184). 2 EuGH v. 27.9.1988 – C-81/87, NJW 1989, 2186; EuGH v. 9.3.1999 – C-212-97, NJW 1999, 2027; EuGH v 5.11.2002 – C-2008/00, NJW 2002, 3614; EuGH v. 30.9.2003 – Rs. 167/01, NJW 2003, 3331; EuGH v. 13.12.2005 – Rs. 411/03, NJW 2006, 112; EuGH v. 16.12.2008 – C-210/06, NJW 2009, 569; EuGH v. 12.7.2012 – Rs. 378/10, NJW 2012, 2715. 3 OLG Nürnberg v. 16.6.2013 – 12 W 520/13, NZG 2014, 349. 4 OLG Frankfurt v. 3.1.2017 – 20 W 88/15, NZG 2017, 423. 5 In der Diktion des Richtliniengebers meint „Umwandlung“ den Formwechsel. Im Folgenden wird daher dem nationalen Verständnis entsprechend von Formwechsel gesprochen. 6 G zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie v. 22.2.2023, BGBl. I 2023 Nr. 51 v. 28.2.2023. Für die Übergangszeit zwischen dem 1.2. und 28.2.2023 können sich die Steuerpflichtigen direkt auf die EU-Richtlinie berufen, vgl. Rz. 1.9, Spiegelstrich „Europäisiertes Umwandlungsrecht“. § 355 UmwG n.F. enthält eine Übergangsregelung.

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12.3

Kap. 12 Rz. 12.3 | Wegzug und Zuzug

ren Anwendungsbereich nicht auf die Phänomene der Sitzverlegung beschränkt ist (z.B. die allgemeinen ertragsteuerlichen Entstrickungs- und Verstrickungsregelungen oder die Regelungen des UmwStG). Ergänzt werden diese vereinzelt durch an verschiedenen Stellen im Gesetz verankerte spezielle Vorschriften, die Einzelaspekte einer Sitzverlegung regeln. Schließlich sind bestimmte Aspekte gesetzlich überhaupt nicht geregelt, sondern muss teilweise auf allgemeine steuerliche Prinzipien zurückgegriffen werden, um etwaige steuerliche Auswirkungen einer Sitzverlegung zu bestimmen (z.B. die steuerliche Behandlung des sog. homogenen Formwechsels von Kapitalgesellschaften als ertragsteuerliches „Nullum“). Die Gesetzeslage ist damit insgesamt unübersichtlich und komplex. Auch der BFH und die FGe konnten bisher noch nicht spürbar zur Klärung und Vereinfachung beitragen, denn selbst zu zentralen Aspekten des Wegzugs und Zuzugs von Gesellschaften gibt es noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung. Dies liegt auch daran, dass bislang für viele Weg- und Zuzugsfälle die zivilrechtlichen Grundlagen noch gefehlt haben. Mit der Umsetzung der GesR-RL ist deshalb zu erwarten, dass auch die steuerlichen Fragen zunehmen werden und durch die Rechtsprechung geklärt werden können.

12.4 Vorherige Abstimmung mit der Finanzverwaltung. Vor diesem Hintergrund ist es von umso größerer Bedeutung, dass sich Unternehmen vor einem Wohnsitz- oder Tätigkeitsortswechsel ihres leitenden Personals ins Ausland (oder vom Ausland ins Inland) umfassend über die gesellschafts- und steuerrechtlichen Konsequenzen informieren und im Falle einer gewünschten Sitzverlegung insbesondere die steuerrechtlichen Folgen vorweg mit der Finanzverwaltung – auch mit der ausländischen – abklären (insb. im Wege einer verbindlichen Auskunft gem. § 89 Abs. 2 AO). 12.5 Gegenstand des Kapitels. In diesem Kapitel werden die gesellschafts- und kollisionsrechtlichen Rahmenbedingungen skizziert und die aktuellen ertragsteuerlichen Regelungen bezüglich der verschiedenen Wegzugs- und Zuzugskonstellationen beschrieben. Der Begriff Wegzug bzw. Zuzug soll dabei sowohl die Verlegung des Verwaltungssitzes als auch des Satzungssitzes beschreiben. Die nachfolgende Darstellung orientiert sich dabei an einzelnen Fallgruppen des Wegzugs und Zuzugs, bei denen zwischen der Verlegung des Verwaltungs- und Satzungssitzes und der Verlegung aus/ in einen Mitgliedstaat der EU bzw. des EWR auf der einen Seite und aus/in Drittstaaten auf der anderen Seite unterschieden wird. Weiter wird zwischen Sitzverlegungen von Kapitalgesellschaften und von Personengesellschaften unterschieden.

B. Wegzugskonstellationen I. Allgemeine gesellschafts- und kollisionsrechtliche Rahmenbedingungen 1. Nationales Sachrecht/Gesellschaftsrecht a) Vorbemerkung

12.6 Nationales Sachrecht. Die erste Frage, die beim Wegzug einer Gesellschaft in einen anderen Staat zu beantworten ist, besteht darin, ob das einschlägige nationale (deutsche) Sachrecht eine Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland oder den identi728 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

B. Wegzugskonstellationen | Rz. 12.8 Kap. 12

tätswahrenden grenzüberschreitenden Formwechsel (mit dem die Verlegung des Satzungssitzes einhergeht) zulässt. Maßgeblich hierfür ist das nationale Sachrecht vor allem deshalb, weil die für eine Sitzverlegung erforderliche Beschlussfassung durch die Gesellschafter einen Vorgang darstellt, der zunächst keinen Auslandsbezug aufweist.1 Deshalb kann diesbezüglich auch nur das nationale Sachrecht Grenzen setzen. b) Kapitalgesellschaft Verlegungsbeschluss gesellschaftsrechtlich zulässig. Für Kapitalgesellschaften gab es vormals eine klare gesetzliche Begrenzung des Wegzugs; ein entsprechender Beschluss der Gesellschafter zur Verlegung des Verwaltungssitzes wurde entweder als nichtig angesehen2 oder als Auflösungsbeschluss interpretiert.3 Diese Folge ist heute im Lichte der EuGH-Rechtsprechung sowie der Streichung der Abs. 2 des § 4a GmbHG bzw. des § 5 AktG durch das MoMiG überholt. Der Gesetzgeber wollte durch das MoMiG deutschen GmbHs und AGs ausdrücklich ermöglichen, ihren Verwaltungssitz im Ausland zu begründen oder ihn dorthin zu verlegen.4 Die (isolierte) Verlegung des Verwaltungssitzes ist deshalb bei Kapitalgesellschaften heute unstreitig zulässig. Auch die Verlegung des Satzungssitzes ist jedenfalls im Anwendungsbereich der GesR-RL unstreitig zulässig. Sie ist notwendige Begleiterscheinung, wenn die Gesellschaft durch grenzüberschreitenden Formwechsel die Rechtsform eines anderen EU/EWR-Staates annehmen will.5 Eine Satzungssitzverlegung in einen Drittstaat ist dagegen weiterhin nicht möglich, ein entgegenstehender Satzungsänderungsbeschluss nichtig und nicht ins Handelsregister einzutragen.6

12.7

c) Personengesellschaft Freie Sitzwahl bei Personengesellschaften umstritten. Umstritten ist, ob auch Personengesellschaften ihren im Gesellschaftsvertrag bestimmten (und im Falle von OHG oder KG auch im Handelsregister einzutragenden) Sitz (Vertragssitz) frei wählen dürfen, so dass sie – jedenfalls nach deutschem Sachrecht – ihren Verwaltungssitz identitätswahrend ins Ausland verlegen können. Der BGH hat eine solche freie Sitzwahl für Personenhandelsgesellschaften in zwei (länger zurückliegenden) Entscheidungen verneint7 und im Schrifttum dafür bis heute weithin Zustimmung erfahren.8 1 So zutreffend Saenger in FS P+P Pöllath+Partners, 295 (301). 2 Kögel, GmbHR 1998, 1108 (1113). 3 RG v. 5.6.1882 – I 291/82, RGZ 7, 68 (70); BayObLG v. 7.5.1992 – 3Z BR 14/92, AG 1992, 456 (457); OLG Hamm v. 30.4.1997 – 15 W 91/97, GmbHR 1997, 848; OLG Düsseldorf v. 26.3.2001 – 3 Wx 88/01, NZG 2001, 506; OLG Hamm v. 1.2.2001 – 15 W 390/00, NZG 2001, 562 (563); vgl. auch Heider in MünchKomm/AktG5, § 5 Rz. 55. 4 BR-Drucks. 354/07, 65; OLG München v. 17.12.2009 – 31 WX 142/09 (rkr.), ZIP 2010, 126 f.; OLG Düsseldorf v. 16.4.2009 – 3 WX 85/09, ZIP 2009, 1074 f. 5 Winter in Schmitt/Hörtnagl9, § 5 UmwG Rz. 38. 6 Drescher in BeckOGroßkomm/AktG, § 5 Rz. 11, 14 m.w.N. (Stand: 1.2.2022). 7 BGH v. 27.5.1957 – II ZE 317/55, WM 1957, 999 (1000). 8 Ries in Röhricht/von Westphalen/Haas5 § 13 HGB Rz. 1; Emmerich in Heymann3, § 106 HGB Rz. 13; Kindler in Koller/Kindler/Roth/Drüen9, § 106 HGB Rz. 2; Krafka in MünchKomm/HGB5, § 13 Rz. 29; Born in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn4, § 106 HGB Rz. 14.

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12.8

Kap. 12 Rz. 12.8 | Wegzug und Zuzug

So geht die bis heute h.M. davon aus, dass zumindest Personenhandelsgesellschaften ihren Verwaltungssitz nicht ins Ausland verlegen können, ohne dass dies zu ihrer Auflösung und Liquidation führt.1 Diese Ansicht scheint nicht zuletzt durch Entscheidungen des OLG Schleswig2 und des KG3 bestätigt worden zu sein. Beide Gerichte bestätigen – wenn auch in reinen Inlandssachverhalten – die bisherige BGHRechtsprechung und die h.M. im Schrifttum, indem sie feststellen, dass sich der Sitz einer Personenhandelsgesellschaft unabhängig von einer etwaigen Bestimmung im Gesellschaftsvertrag allein danach bestimme, an welchem Ort die Verwaltung des Gesellschaftsunternehmens tatsächlich geführt wird, m.a.W. der Sitz einer Personengesellschaft folgt stets dem Verwaltungssitz. Diese Ungleichbehandlung von Kapitalund Personengesellschaften wird im Schrifttum allerdings in den letzten Jahren zunehmend hinterfragt und insbesondere vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich eingetretenen Veränderungen der Rahmenbedingungen im deutschen und europäischen Recht für nicht mehr zeitgemäß gehalten.4 Bis zu einer diese Veränderungen berücksichtigenden Entscheidung des BGH wird man sich allerdings in der Praxis nicht darauf verlassen können, dass die Verlegung allein des Verwaltungssitzes bei Personenhandelsgesellschaften möglich ist.

12.9 Sitzwahlfreiheit nach dem MoPeG (ab 2024). Das am 1.1.2024 in Kraft tretende Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsmodernisierungsgesetz – MoPeG) regelt in § 706 BGB-MoPeG: „Sitz der Gesellschaft ist der Ort, an dem deren Geschäfte tatsächlich geführt werden (Verwaltungssitz). Ist die Gesellschaft im Gesellschaftsregister eingetragen und haben die Gesellschafter einen Ort im Inland als Sitz vereinbart (Vertragssitz), ist abweichend von Satz 1 dieser Ort Sitz der Gesellschaft.“ Über § 105 Abs. 2 HGB-MoPeG, § 161 Abs. 2 HGB-MoPeG und § 1 Abs. 4 PartGG-MoPeG findet die Vorschrift auch und gerade auf die oHG, die KG und die PartG entsprechende Anwendung. Zweck dieser Neuregelung ist es, (i) Personengesellschaften entsprechend den praktischen Bedürfnissen zu ermöglichen, sämtliche Geschäftstätigkeit außerhalb des deutschen Hoheitsgebietes zu entfalten, ohne auf eine für sie vertraute deutsche Rechtsform verzichten zu müssen, (ii) Rechtssicherheit zu schaffen, wenn anderenfalls eine dauerhaft zuverlässige Festlegung des Sitzes nicht möglich, und (iii) das Recht zu vereinheitlichen, weil für die GmbH und die AG die privatautonome Sitzwahl bereits gesetzlich anerkannt ist.5 1 Emmerich in Heymann3, § 106 HGB Rz. 14; Pentz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn4, § 13h HGB Rz. 43; Großfeld in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 1998, Int. GesR Rz. 605 ff., a.A.: Haas in Röhricht/von Westphalen/Haas5, § 106 HGB Rz. 11; Krafka in MünchKomm/HGB5, § 13h Rz. 16. 2 OLG Schleswig v. 14.11.2011 – 2 W 48/11 (rkr.), GmbHR 2012, 800 ff. 3 KG v. 16.4.2012 – 25 W 39/12, ZIP 2012, 1668 f. 4 Statt vieler Koch, ZHR 173 (2009), 101 ff.; Schäfer in Staub5, § 106 HGB Rz. 19; Walden, Das Kollisionsrecht der Personengesellschaften im deutschen, europäischen und US-amerikanischen Recht, 2001, 128 ff.; Rumpf/Fingerhuth, IPRax 2008, 90 (93 f.); Pluskat, WM 2004, 601 (609); Roth in Hopt41, § 106 HGB Rz. 8; Haas in Röhricht/von Westphalen/ Haas5, § 106 HGB Rz. 11; Fleischer in MünchKomm/HGB5, § 106 Rz. 29 f.; Pentz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn4, § 13 HGB Rz. 20, 26. 5 BT-Drucks. 19/27635, 127.

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B. Wegzugskonstellationen | Rz. 12.11 Kap. 12

Sachrechtlich wird damit künftig ein inländischer Vertragssitz, aber kein inländischer Verwaltungssitz (mehr) verlangt. Das ermöglicht zukünftig die Gründung einer deutschen Personengesellschaft mit Verwaltungssitz im Ausland bzw. die Verlegung des Verwaltungssitzes einer deutschen Personengesellschaft in das Ausland. Zugleich wird für Auslandsgesellschaften & Co. KG Rechtssicherheit geschaffen.1 Für nicht registrierte Gesellschaften ist aus Gründen fehlender Publizität und eines unzureichenden Gläubigerschutzniveaus sachrechtlich dagegen auch weiterhin allein der Verwaltungssitz maßgeblich.2 Bis zum Inkrafttreten des MoPeG wird sich die Praxis wohl weiterhin daran zu orientieren haben, dass auf Basis der BGH-Rechtsprechung die Verlegung allein des Verwaltungssitzes bei Personenhandelsgesellschaften nicht möglich ist. Im Folgenden wird daher sowohl auf die Rechtslage ab 2024 als auch auf die aktuell geltende Rechtslage (Auffassung des BGH bzw. die dem BGH widersprechenden Auffassungen in der Literatur) eingegangen. Keine Regelung zur grenzüberschreitenden Umwandlungsfähigkeit von Personengesellschaften durch das MoPeG. Die grenzüberschreitende Umwandlung von Personengesellschaften behandelt das MoPeG nicht. Die Umwandlungsfähigkeit von Personengesellschaften ergibt sich auch nicht aus den Regelungen des deutschen Umwandlungsrechts, sondern allein und ausschließlich aus der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49, 54 AEUV.3 Auch wenn dies zurecht kritisiert wurde,4 hat der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben der GesR-RL gleichwohl nicht überschießend auch für Personengesellschaften umgesetzt.5 So sind nach § 334 UmwG formwechselfähige Gesellschaften ausschließlich Kapitalgesellschaften. Personengesellschaften sind auf das aktuelle Regelungsregime zu verweisen, was in jedem Fall eine frühzeitige und enge Abstimmung mit dem zuständigen Registergericht erfordert.6

12.10

2. Kollisionsrecht a) Vorbemerkung Frage nach anwendbarer Rechtsordnung. Die Beurteilung der Frage, wie grenzüberschreitende gesellschaftsrechtliche Sachverhalte kollisionsrechtlich anzuknüpfen sind, erlangt dadurch eine beachtliche Komplexität, dass jeder Staat über ein eigenes Kollisionsrecht verfügt und die Kollisionsrechte der einzelnen Staaten nicht aufeinander abgestimmt sind, sondern sogar zum Teil deutlich voneinander abweichen. Im Wesentlichen stehen sich dabei unverändert zwei gegenläufige Konzepte gegenüber (Sitztheorie und Gründungstheorie).

1 Lieder/Hilser, ZHR 2021, 471 (482). 2 Lieder/Hilser, ZHR 2021, 471 (482). 3 Heckschen/Knaier, GmbHR 2022, 613 (622); Heckschen, GWR 2021, 1 (3 f.); Stiegler, ZGR 2017, 312 (333 ff.); vgl. auch Brandi/Schmidt, DB 2022, 1880 (1882). 4 So u.a. Stelmaszczyk, GmbHR 2020, 61 (62 f.). 5 Heckschen, GWR 2021, 1 (4); zur Möglichkeit der überschießenden Umsetzung s. Stelmaszczyk, GmbHR 2020, 61 (63); Luy, NJW 2019, 1905 (1909). 6 Brandi/Schmidt, DB 2022, 1880 (1882).

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12.11

Kap. 12 Rz. 12.12 | Wegzug und Zuzug

b) International unterschiedliche Anknüpfungskriterien: Sitz-/Gründungstheorie

12.12 Sitz- und Gründungstheorie. In Großbritannien und anderen angelsächsischen Staaten oder z.B. auch den Niederlanden und der Schweiz gilt die Gründungstheorie, nach der bei grenzüberschreitenden Sachverhalten auf die Gesellschaft das Recht derjenigen Rechtsordnung zur Anwendung kommt, nach der sie gegründet oder registriert worden ist bzw. wo sie ihren Satzungssitz hat.1 Das ermöglicht etwa einer englischen LLP, ihren tatsächlichen Verwaltungssitz außerhalb ihres Heimatstaats anzusiedeln, ohne – aus englischer Sicht – ihre rechtliche Existenz zu gefährden.2 Zahlreiche andere Staaten, wie etwa Frankreich, Belgien, Österreich oder auch Deutschland, folgen bzw. folgten dagegen der sog. Sitztheorie.3 Danach kommt es für das anwendbare Recht darauf an, wo die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat, wo also „die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden“.4 Damit muss nach der Sitztheorie neben einer in Übereinstimmung mit den einschlägigen Vorschriften des Gründungsstaates erfolgten wirksamen Gründung eine zusätzliche Bedingung erfüllt sein. Zur Erlangung der Rechtsfähigkeit ist es nach der Sitztheorie erforderlich, dass die juristische Person auch ihren Verwaltungssitz im Land der Inkorporation (Gründung) hat.5 Im Vordergrund der Sitztheorie steht nach deutschem Verständnis, dass zugunsten betroffener deutscher Gläubiger ein gesamtschuldnerisches Haftungskonzept der Gesellschafter der ehemals ausländischen Gesellschaft geschaffen werden soll, um die Gläubiger nicht schutzlos zu stellen.6 Für Wegzugsfälle bedeutet dies, dass es einer Gesellschaft aus einem der Sitztheorie anhängenden Staat grundsätzlich nicht möglich ist, ihren Verwaltungssitz in einen anderen Staat zu verlegen, ohne zu riskieren, in ihrem Heimatstaat ihre Anerkennung und damit ihre rechtliche Existenz zu verlieren. c) Deutsches Kollisionsrecht

12.13 Sitz- und Gründungstheorie im deutschen Recht. Der BGH folgt in ständiger Rechtsprechung der Sitztheorie.7 Sie ist gesetzlich nicht geregelt, sondern wird als Gewohnheitsrecht angesehen.8 Vor dem Hintergrund der in der Einleitung angeführten EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit wendet der BGH jedoch in Bezug auf nach dem Recht von EU- oder EWR-Mitgliedstaaten errichtete Gesellschaften die Gründungstheorie an.9 Gleiches gilt für andere nach ausländischem Recht gegründe1 Zu den unterschiedlichen Spielarten der Gründungstheorie Hoffmann, ZVglRWiss 101 (2002), 283 (287 ff.). 2 Schnittker/Bank, Die LLP in der Praxis, Rz. 40; Rehm in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 1.50; Lieder/Hilser, ZHR 2021, 471 (478). 3 Nachweise zu ihrer Geltung in Belgien und Frankreich sowie zur deutschen Rechtsprechung bei Kindler in MünchKomm/BGB8, Int. GesR Rz. 423. 4 Grundlegend BGH v. 21.3.1986 – V ZR 10/85, BGHZ 97, 269 (272). 5 Kindler in MünchKomm/BGB8, Int. GesR Rz. 423. 6 Knaier, DNotZ 2021, 148 (156); Stiegler, NZG 2020, 979 (981). 7 Siehe nur BGH v. 8.10.2009 – IX ZR 227/06, BeckRS 2009, 28205 Rz. 4 m.w.N. 8 Siehe nur Wall in Hausmann/Odersky, IPR in der Notar- und Gestaltungspraxis4, § 18 Rz. 9 m.w.N. 9 BGH v. 8.10.2009 – IX ZR 227/06, BeckRS 2009, 28205 Rz. 4.

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B. Wegzugskonstellationen | Rz. 12.14 Kap. 12

te Gesellschaften, die aufgrund von internationalen Übereinkünften im Inland Niederlassungsfreiheit genießen.1 In Bezug auf Drittstaaten, mit denen keine entsprechende Übereinkunft besteht, hält der BGH trotz erheblicher Kritik der Literatur2 weiterhin an der Sitztheorie fest.3 Zwar hat es immer wieder Bestrebungen gegeben – zuletzt in Form eines auf Vorarbeiten des Deutschen Rates für IPR beruhenden Referentenentwurfs – die Gründungstheorie auch in Deutschland einzuführen. Alle diese Versuche sind aber bisher gescheitert. Im Schrifttum wird allerdings kontrovers darüber diskutiert, ob durch die Neufassung der §§ 4a GmbHG, 5 AktG jedenfalls für Kapitalgesellschaften kollisionsrechtlich eine partielle Abkehr von der Sitztheorie und eine Hinwendung zur Gründungstheorie vollzogen wurde.4 Dies ist zu bejahen. Angesichts des erklärten legislatorischen Ziels, deutschen Gesellschaften die Begründung bzw. Verlegung des Verwaltungssitzes im bzw. ins Ausland zu ermöglichen, erscheint die Gegenansicht nicht haltbar.5 Im Folgenden wird dennoch davon ausgegangen, dass in Übereinstimmung mit der nach wie vor überwiegenden Auffassung in Deutschland die Sitztheorie angewendet wird. 3. Bisheriger Rechtsrahmen Grenzüberschreitende Unternehmensmobilität und Niederlassungsfreiheit. Die grenzüberschreitende Unternehmensmobilität von EU/EWR-Gesellschaftsformen ist im EU/EWR-Gebiet durch die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49, 54 AEUV sowohl für natürlichen Personen als auch für Kapital- und Personengesellschaften garantiert.6 Den Schutzumfang der Niederlassungsfreiheit hat der EuGH in zahlreichen Entscheidungen konkretisiert. Die Entscheidungen Daily Mail7, Cartesio8 und Polbud9 betrafen Wegzugsfälle. Maßgeblich für Zuzugsfälle sind die Entscheidungen

1 BGH v. 13.12.2012 – I ZR 150/11, NJW-RR 2013, 487 (488); BGH v. 8.10.2009 – IX ZR 227/06, BeckRS 2009, 28205 Rz. 4. 2 Bayer/Schmidt, ZHR 173 (2009), 735 (772 f.); Hellgardt/Illmer, NZG 2009, 94 (96); Leible/ Hoffmann, BB 2009, 58 (62); Lieder/Kliebisch, BB 2009, 338 (343); Schmidt, EuZW 2021, 613 (614); Schmidt, GmbHR 2021, 229 (234). 3 Zuletzt BGH v. 22.11.2016 – II ZB 19/15, NZG 2017, 347 (349) Rz. 21. 4 Drescher in BeckOGroßkomm/AktG, § 5 AktG Rz. 12 (Stand: 1.2.2022); J. Schmidt in Michalski3, § 4a GmbHG Rz. 14; Hupka in MünchKomm/GmbHG4, § 4a GmbHG Rz. 107; 14; Wicke in Grigoleit2, § 5 AktG Rz. 19; Solveen in Hölters/Weber4, § 5 AktG Rz. 7; Wicke4, § 4a GmbHG Rz. 13; Servatius in Noack/Servatius/Haas23, § 4a GmbHG Rz. 10; Bayer in Lutter/Hommelhoff21, § 4a GmbHG Rz. 14; Cziupka in Scholz12, § 4a GmbHG Rz. 24; Roth in Hopt41, § 106 HGB Rz. 8 a.A. Heider in MünchKomm/AktG5, § 5 AktG Rz. 54; Koch16, § 5 AktG Rz. 12; Franz in Wachter4, § 5 AktG Rz. 18; C. Jaeger in BeckOKGmbHG52, § 4a GmbHG Rz. 10; Kindler in Bork/Schäfer5, § 4a GmbHG Rz. 21. 5 So zurecht J. Schmidt in Michalski3, § 4a GmbHG Rz. 14; Hupka in MünchKomm/ GmbHG4, § 4a GmbHG Rz. 107; Cziupka in Scholz12, § 4a GmbHG Rz. 24. 6 Lieder/Hilser, ZHR 2021, 471 (479); Wachter, DB 2020, 2281 (2284); Roth, ZGR 2014, 168 (184); Brandi/Schmidt, DB 2022, 1880 (1882). 7 EuGH v. 27.9.1988 – C-81/87, NJW 1989, 2186. 8 EuGH v. 16.12.2008 – C-210/06, NJW 2009, 569. 9 EuGH v. 25.10.2017 – C-106/16, NJW 2017, 2684.

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 733

12.14

Kap. 12 Rz. 12.14 | Wegzug und Zuzug

Centros1, Überseering2, Inspire Art3, SEVIC Systems4 und VALE5. Insbesondere die VALE-Entscheidung ebnete der bisherigen Praxis der grenzüberschreitenden Unternehmensmobilität (grenzüberschreitender Formwechsel) den Weg und trug maßgeblich dazu bei, EU/EWR-Gesellschaftsformen einen unkomplizierten Weg über die Grenze zu ermöglichen.6 Danach darf ein Mitgliedstaat, der für inländische Gesellschaften die Möglichkeit einer Umwandlung vorsieht, einer dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegenden Gesellschaft die Umwandlung in eine inländische Gesellschaft nicht verwehren. Jeder Mitgliedstaat ist zwar befugt, das für einen Umwandlungsvorgang maßgebende innerstaatliche Recht festzulegen und somit die Bestimmungen seines nationalen Rechts über innerstaatliche Umwandlungen anzuwenden. Der Äquivalenzgrundsatz und der Effektivitätsgrundsatz gebieten es dabei jedoch, (i) die Modalitäten für grenzüberschreitende Umwandlungen nicht ungünstiger zu gestalten als bei nationalen Umwandlungen und (ii) die Ausübung der Niederlassungsfreiheit nicht praktisch unmöglich zu machen oder zu erschweren.7 In den Rs. Cartesio und Polbud erklärte der EuGH ferner, dass der Wegzugsstaat zwar befugt sei, an die grenzüberschreitende Sitzverlegung den Verlust der Rechtsform des Wegzugsstaates zu knüpfen. Er dürfe die Gesellschaft jedoch nicht dadurch daran hindern, sich in eine Gesellschaft nach dem nationalen Recht eines anderen Mitgliedstaats umzuwandeln – soweit nach diesem Recht möglich –, dass er ihre Auflösung und Liquidation verlange.

12.15 Grenzüberschreitende Unternehmensmobilität und nationale Rechtsprechung. Für den grenzüberschreitenden Formwechsel aus deutscher Sicht haben die Entscheidung des OLG Nürnberg von Juni 20138 und die Entscheidung des OLG Frankfurt von Januar 20179 zur Konkretisierung des bisherigen Rechtsrahmens beigetragen. Das OLG Nürnberg entschied, dass das deutsche Recht auf Basis der Rechtsprechung des EuGH einem mit der Sitzverlegung einhergehenden Formwechsel in eine der Ausgangsrechtsform vor Formwechsel entsprechenden Rechtsform deutschen Rechts grundsätzlich anzuerkennen hat, und unterstellte diesen Vorgang den Formwechselvorschriften der §§ 190 ff. UmwG in europarechtskonformer Anwendung. Entsprechend entschied das OLG Frankfurt, das den grenzüberschreitenden Formwechsel aus deutscher Sicht ebenfalls den Formwechselvorschriften in europarechtskonformer Auslegung unter Beachtung der Besonderheiten des grenzüberschreitenden Sachverhalts unterstellte. 12.16 Konkret anzuwendende Vorschriften. Welche Vorschriften ergänzend zu den §§ 190 ff. UmwG anzuwenden waren, um bei einem grenzüberschreitenden Formwechsel das grenzüberschreitende Element zu berücksichtigen, war bis zuletzt offen. 1 2 3 4 5 6 7 8 9

EuGH v. 9.3.1999 – C-212-97, NJW 1999, 2027. EuGH v 5.11.2002 – C-2008/00, NJW 2002, 3614. EuGH v. 30.9.2003 – Rs. 167/01, NJW 2003, 3331. EuGH v. 13.12.2005 – Rs. 411/03, NJW 2006, 112. EuGH v. 12.7.2012 – Rs. 378/10, NJW 2012, 2715. So auch Winter in Schmitt/Hörtnagl9, § 191 UmwG Rz. 37. Vgl. Winter in Schmitt/Hörtnagl9, § 191 UmwG Rz. 37. OLG Nürnberg v. 19.6.2013 – 12 W 520/13, NZG 2014, 349. OLG Frankfurt v. 3.1.2017 – 20 W 88/15, NZG 2017, 423.

734 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

B. Wegzugskonstellationen | Rz. 12.18 Kap. 12

In Betracht kam eine Analogie zu den §§ 122 ff. UmwG und Art. 8 SE-VO i.V.m. §§ 12 ff. SEAG.1 Für die Praxis besonders bedeutsam in diesem Zusammenhang war eine Entscheidung des OLG Saarbrücken aus dem Jahr 2020, nach der auf den grenzüberschreitenden Hinausformwechsel einer GmbH auch gläubigerschützende Vorschriften über die grenzüberschreitende Verschmelzung entsprechend anzuwenden gewesen seien.2 Jedenfalls vorsorglich wurden auch die Bestimmungen der GesR-RL bereits vor dessen Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber bei der Auslegung des nationalen Rechts berücksichtigt.3 Vereinigungstheorie. Nach der Vereinigungstheorie erforderte der grenzüberschreitende Formwechsel eine sukzessive Anwendung nationaler Rechtsnormen sowohl des Wegzugs- als auch des Zuzugsstaates.4 Die Voraussetzungen und das Verfahren für den grenzüberschreitenden Formwechsel richteten sich nach dem Gesellschaftsstatut, bis zum Schritt über die Grenze also regelmäßig nach dem Recht des Wegzugsstaates. Einige EU/EWR-Mitgliedstaaten hielten bereits vor Ergänzung der GesR-RL nationale Regelungen für grenzüberschreitende Formwechsel bereit, z.B. Malta in dem Kapitel 386 des Companies Act mit den Continuation of Companies Regulations oder Liechtenstein mit den Art. 233 und 234 PGR.

12.17

4. Grenzüberschreitender Formwechsel nach der GesR-RL Vereinheitlichte rechtliche Rahmenbedingungen durch die GesR-RL. Mit der GesR-RL (oben Rz. 12.2) wurden erstmals vereinheitlichte rechtliche Rahmenbedingungen u.a. für grenzüberschreitende Formwechsel geschaffen.5 Die GesR-RL ist am 1.1.2020 in Kraft getreten und war von den Mitgliedstaaten jeweils bis zum 31.1.2023 in nationales Recht umzusetzen. Die Art. 86a ff. GesR-RL regeln erstmals den grenzüberschreitenden Formwechsel. Grenzüberschreitender Formwechsel meint dabei „einen Vorgang, durch den eine Gesellschaft ohne Auflösung, Abwicklung oder Liquidation die Rechtsform, in der sie im Wegzugsmitgliedstaat eingetragen ist, in eine in Anhang II genannte Rechtsform des Zuzugsmitgliedstaats umwandelt und mindestens ihren satzungsmäßigen Sitz unter Beibehaltung ihrer Rechtspersönlichkeit in den Zuzugsmitgliedstaat verlegt“ (Art. 86b Nr. 2 GesR-RL). Soweit die Mitgliedstaaten die GesR-RL nicht überschießend umgesetzt haben,6 ist ihr Anwendungsbereich auf Kapitalgesellschaften beschränkt, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet worden sind und ihren Satzungssitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptnieder1 Bayer/Schmidt, ZHR 173 (2009), 735 (763); Wöhlert/Degen, GWR 2012, 432 (434); Hermanns, MittBayNot 2016, 297 (298); Brandi/Schmidt, DB 2022, 1880 (1881); J. Schmidt in MHLS3, § 4a GmbHG Rz. 25; Altmeppen10, § 4a GmbHG Rz. 25; Wicke4, § 4a GmbHG Rz. 10d; vgl. auch die „Checkliste“ der Richterinnen und Richter des AG Charlottenburg – Handelsregister – aus August 2014, abgedruckt bei Melchior, GmbHR 2014, R311. 2 OLG Saarbrücken v. 7.1.2020 – 5 W 79/19, NZG 2020, 390. 3 Winter in Schmitt/Hörtnagl9, § 191 UmwG Rz. 55. 4 EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10, NZG 2012, 871 (874); Hushahn, RNotZ 2014, 137 (141); Bayer/Schmidt, ZIP 2012, 1481 (1490). 5 Grenzüberschreitende Umwandlung meint in der Diktion des nationalen Umwandlungsrechts grenzüberschreitenden Formwechsel; im Folgenden wird dieser Begriff verwendet. 6 Hierzu Luy, NJW 2019, 1905 (1909).

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 735

12.18

Kap. 12 Rz. 12.18 | Wegzug und Zuzug

lassung in der EU haben. Der deutsche Gesetzgeber hat die Vorgaben der GesR-RL nicht überschießend umgesetzt (mit Wirkung ab 1.3.2023). Nach § 334 UmwG sind nur Kapitalgesellschaften formwechselfähige Gesellschaften.

12.19 Anforderungen an den Wegzug einer deutschen Kapitalgesellschaft in das EU/ EWR-Ausland nach dem UmRUG. Durch das UmRUG wurden in erster Linie die Vorgaben der GesR-RL umgesetzt. So wurde für grenzüberschreitende Formwechsel von Kapitalgesellschaften ein rechtssicheres unionsweit kompatibles Verfahren geschaffen.1 Dieses behält den bekannten, dreistufigen Verfahrensgang des deutschen Umwandlungsrechts bei; es kann eingeteilt werden in ein Vorverfahren, eine Beschluss- und eine Vollzugsphase.2 12.20 Vorbereitungsphase. Die Vorbereitungsphase umfasst die Aufstellung des Formwechselplans, die Erstellung des Formwechselberichts, die Prüfung des (Entwurfs des) Formwechselplans durch einen unabhängigen Sachverständigen und die Bekanntmachung des (Entwurfs des) Formwechselplans.3 Sofern der grenzüberschreitende Formwechsel mitbestimmungsrelevant ist, muss in der Vorbereitungsphase mit einem zu bildenden besonderen Verhandlungsgremium der Arbeitnehmer verhandelt werden (zum Erfordernis eines Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens s. Rz. 12.21).4 Der Mindestinhalt des notariell zu beurkundenden Formwechselplans ist in § 335 Abs. 2 UmwG geregelt. § 335 Abs. 2 Nr. 6 UmwG verlangt über die Mindestanforderungen der GesR-RL hinausgehend in Anlehnung an § 194 Abs. 1 Nr. 3 und 4 UmwG Angaben zu den Beteiligungsverhältnissen.5 Nach § 337 Abs. 1 i.V.m. § 309 UmwG ist ein Bericht für die Anteilsinhaber und ein Bericht für die Arbeitnehmer erforderlich. Der Bericht für die Anteilsinhaber ist nicht erforderlich, wenn die Gesellschaft nur einen Anteilsinhaber hat (§§ 337 Abs. 3 Satz 1, 192 Abs. 2 Alt. 1 UmwG). Der Bericht für die Arbeitnehmer ist nicht erforderlich, wenn die Gesellschaft und ihre etwaigen Tochtergesellschaften keine anderen Arbeitnehmer haben als diejenigen, die dem Vertretungsorgan angehören (§ 337 Abs. 3 Satz 2 UmwG). Der einheitliche Bericht ist den Anteilsinhabern und den zuständigen Betriebsräten der an dem grenzüberschreitenden Formwechsel beteiligten Gesellschaften oder, sofern es in der jeweiligen Gesellschaft keinen Betriebsrat gibt, den Arbeitnehmern spätestens sechs Wochen vor der Versammlung der Anteilsinhaber, die nach § 13 über die Zustimmung zum Formwechselplan beschließen soll, elektronisch zugänglich zu machen, § 337 Abs. 1 i.V.m. § 310 Abs. 1 UmwG. Der Formwechselplan bzw. sein Entwurf ist grundsätzlich durch einen unabhängigen Sachverständigen zu prüfen. Der Prüfbericht ist den Anteilsinhabern zwingend spätestens einen Monat vor dem Tag der Versammlung der Anteilsinhaber, die nach § 13 UmwG über die Zustim1 Heckschen/Knaier, GmbHR 2022, 501 (504); Brandi/Schmidt, DB 2022, 1880 (1881). 2 Heckschen/Knaier, GmbHR 2022, 613 (618); vgl. auch Brandi/Schmidt, DB 2022, 1880 (1881). 3 Heckschen/Knaier, GmbHR 2022, 613 (618); s. hierzu im Detail Brandi/Schmidt, DB 2022, 1880 (1882 ff.). 4 Heckschen/Knaier, GmbHR 2022, 613 (618); s. hierzu im Detail Brandi/Schmidt, DB 2022, 1880 (1886 f.). 5 Heckschen/Knaier, GmbHR 2022, 613 (618); Brandi/Schmidt, DB 2022, 1880 (1883).

736 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

B. Wegzugskonstellationen | Rz. 12.20b Kap. 12

mung zum Formwechselplan beschließen soll, zugänglich zu machen. Eine Prüfung ist nicht erforderlich, wenn entweder alle Anteilsinhaber formgerecht verzichten oder an der formwechselnden Gesellschaft nur ein Anteilsinhaber beteiligt ist (§ 9 Abs. 2 und § 12 Abs. 3 jeweils i.V.m. § 8 Abs. 3 Satz 1, 2 und 3 Nr. 2 UmwG). § 336 UmwG sieht die Bekanntmachung des Formwechselplans vor. Diese ist einen Monat vor der Versammlung der Anteilsinhaber, die über die Zustimmung beschließen soll, zu bewirken. Die Bekanntmachung hat nach §§ 336, 308 Abs. 1 UmwG den ausdrücklichen Hinweis an die Anteilsinhaber, Gläubiger und Arbeitnehmer bzw. deren Vertretungen zu enthalten, bis fünf Tage vor dem Tag der Beschlussfassung Bemerkungen zum Plan zu machen. Beschlussphase. An dieses Vorverfahren schließt sich die Beschlussphase an. Der notariell zu beurkundende Zustimmungsbeschluss der Anteilsinhaber bedarf einer qualifizierten Mehrheit.1 Die Anteilsinhaber können ihre Zustimmung davon abhängig machen, dass Art und Weise der Mitbestimmung der Arbeitnehmer ausdrücklich bestätigt wird (§ 339 UmwG).

12.20a

Vollzugsphase. Die Vollzugsphase beginnt mit der Registeranmeldung bei der Gesellschaft und dem Antrag auf Erteilung der Rechtsmäßigkeitsbescheinigung. Das Gericht prüft innerhalb von drei Monaten nach der Anmeldung, ob für die Gesellschaft die Voraussetzungen für den grenzüberschreitenden Formwechsel vorliegen, § 343 Abs. 1 UmwG. Die Eintragung kann grundsätzlich nicht erfolgen vor Ablauf der Monatsfrist für die Annahme des Barabfindungsangebots (§ 340 Abs. 2 UmwG) sowie der dreimonatigen Gläubigerschutzfrist des § 341 Abs. 1 i.V.m. § 314 Abs. 3 UmwG, in der etwaige Gläubiger Sicherheitsleistung gerichtlich geltend machen können, § 343 Abs. 2 UmwG. Neben weiteren Versicherungen (hierzu § 342 Abs. 3 UmwG) hat die Anmeldung insbesondere die Versicherung zu enthalten, dass keine Sicherheitsleistung gerichtlich geltend gemacht wurde. Hat die formwechselnde Gesellschaft keine Gläubiger, ist dies zu versichern und muss die Frist gem. § 341 Abs. 1 i.V.m. § 314 Abs. 3 UmwG nicht abgewartet werden.2 Die Eintragung enthält neben dem Vermerk, dass der grenzüberschreitende Formwechsel unter den Voraussetzungen des Rechts desjenigen Staates wirksam wird, in den die Gesellschaft ihren Sitz verlegt, auch die Feststellung, dass alle einschlägigen Voraussetzungen erfüllt und alle Verfahren und Formalitäten erledigt wurden. Hierüber stellt das Gericht von Amts wegen eine Formwechselbescheinigung aus. Diese wird der Kontrollstelle im Zielstaat nicht mehr durch die jeweilige Gesellschaft vorgelegt, sondern sie wird direkt über das Business Registers Interconnection System (BRIS)3 übermittelt und ist dort auch zugänglich.4 Nach Übermittlung der Formwechselbescheinigung richtet sich das Ver-

12.20b

1 AG: § 133 Abs. 1 AktG i.V.m. §§ 333 Abs. 2, 240 Abs. 1 Satz 1 UmwG; KGaA: §§ 278 Abs. 3, 133 Abs. 1 AktG i.V.m. §§ 333 Abs. 2, 240 Abs. 1 Satz 1 UmwG; GmbH: §§ 333 Abs. 2, 240 Abs. 1 Satz 1 UmwG. 2 So wohl Klett in BeckOGK, Stand: 1.7.2022, § 122k UmwG Rz. 34; Bayer in Lutter6, § 122k UmwG Rz. 15. 3 Das BRIS ist eine elektronische Kommunikationsplattform für alle EU-/EWR-Unternehmensregister. 4 Schmidt, NZG 2022, 635 (640).

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 737

Kap. 12 Rz. 12.20b | Wegzug und Zuzug

fahren im Zielstaat nach dessen nationalen Vorschriften. Nach Abschluss des Verfahrens im Zielstaat teilt das Register, in das die Gesellschaft neuer Rechtsform eingetragen ist, dem deutschen Registergericht mit, dass der grenzüberschreitende Formwechsel wirksam geworden ist, und vermerkt das deutsche Registergericht den Tag des Wirksamwerdens (§ 343 Abs. 5 UmwG).

12.21 Erfordernis eines Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens. Nach dem Regierungsentwurf eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung (MgFSG) ist ein Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren durchzuführen, wenn (i) der räumliche Geltungsbereich und (ii) der sachliche Anwendungsbereich eröffnet sind. Das MgFSG gilt nach dessen § 3 Abs. 1 für eine aus einem grenzüberschreitenden Formwechsel hervorgehende Gesellschaft mit Sitz im Inland und unabhängig vom Sitz dieser Gesellschaft auch für im Inland beschäftigte Arbeitnehmer der aus einem grenzüberschreitenden Formwechsel hervorgehenden Gesellschaft, für die formwechselnde Gesellschaft mit Sitz im Inland und für betroffene Tochtergesellschaften und betroffene Betriebe im Inland. Sachlich erfordert die Anwendung der §§ 6 ff. MgFSG, dass (i) die formwechselnde Gesellschaft in den sechs Monaten vor der Bekanntmachung des Formwechselplans eine durchschnittliche Zahl von Arbeitnehmern beschäftigt, die mindestens vier Fünfteln des im Recht des Mitgliedstaats der formwechselnden Gesellschaft festgelegten Schwellenwerts entspricht, der die Mitbestimmung der Arbeitnehmer auslöst, oder (ii) das für die aus einem grenzüberschreitenden Formwechsel hervorgehende Gesellschaft maßgebende innerstaatliche Recht nicht mindestens den gleichen Umfang an Mitbestimmung der Arbeitnehmer vorsieht, wie er in der formwechselnden Gesellschaft bestand, oder (iii) das für die aus dem grenzüberschreitenden Formwechsel hervorgehende Gesellschaft maßgebende innerstaatliche Recht für Arbeitnehmer in Betrieben dieser Gesellschaft, die sich in anderen Mitgliedstaaten befinden, nicht den gleichen Anspruch auf Ausübung von Mitbestimmung vorsieht, wie sie den Arbeitnehmern in demjenigen Mitgliedstaat gewährt werden, in dem die aus dem grenzüberschreitenden Formwechsel hervorgehende Gesellschaft ihren Sitz hat. 5. Zusammenfassung der Wegzugsfälle

12.22 Fallgruppen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Wegzug einer Gesellschaft aus Deutschland lassen sich damit wie folgt zusammenfassen: 12.23 Kapitalgesellschaften: Verlegt eine in Deutschland gegründete Kapitalgesellschaft ihren Verwaltungssitz in einen ausländischen Staat, – wird sie in diesem Staat als solche anerkannt, wenn dieser Staat die Gründungstheorie anwendet; das ist bei EU-/EWR-Mitgliedstaaten aufgrund der Vorgaben des Gemeinschaftsrechts der Fall und im Übrigen in jedem Einzelfall zu prüfen bzw. bei Auslandsberatern abzufragen (Fallgruppe KapG 1); auf die deutsche Kapitalgesellschaft ist auch nach dem Wegzug weiterhin deutsches Gesellschaftsrecht anzuwenden; oder

738 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

B. Wegzugskonstellationen | Rz. 12.24 Kap. 12

– verliert sie aus Sicht des Zuzugsstaats ihre Identität als deutsche Kapitalgesellschaft und nimmt aus Sicht des Zuzugsstaats am Rechtsverkehr als ausländische Gesellschaft teil, wenn es sich bei dem Zuzugsstaat nicht um einen EU-/EWR-Mitgliedstaat handelt und im Zuzugsstaat die Sitztheorie gilt; in diesem Fall kommt es aus Sicht des Zuzugsstaats zu einem Statutenwechsel (Fallgruppe KapG 2); aus deutscher Sicht1 bleibt weiterhin deutsches Gesellschaftsrecht anwendbar (sog. Statutenverdopplung). Ferner kann die deutsche Kapitalgesellschaft durch grenzüberschreitenden Formwechsel (identitätswahrend) die Rechtsform eine EU-/EWR-Mitgliedstaates annehmen und am Rechtsverkehr als ausländische Gesellschaft teilnehmen; die Verlegung des Satzungs- und ggf. auch des Verwaltungssitzes ist in diesem Fall notwendige Begleiterscheinung (Fallgruppe KapG 3). Personengesellschaften: Verlegt eine in Deutschland gegründete Personengesellschaft ihren (Verwaltungs-)Sitz in einen ausländischen Staat, – wird sie in diesem Staat als solche anerkannt, wenn dieser Staat die Gründungstheorie anwendet; das ist bei EU-/EWR-Mitgliedstaaten aufgrund der Vorgaben des Unionsrechts der Fall und im Übrigen in jedem Einzelfall zu prüfen bzw. bei Auslandsberatern abzufragen; auf die deutsche Personengesellschaft ist in diesem Fall kollisionsrechtlich weiterhin deutsches Gesellschaftsrecht anzuwenden (das deutsche Kollisionsrecht nimmt insoweit die Rückverweisung an); allerdings fehlt es auf sachrechtlicher Ebene auf Basis der h.M. an der Anknüpfung für die Zuständigkeit eines deutschen Registergerichts und lässt die h.M. die Eintragung eines ausländischen Verwaltungssitzes nicht zu; damit ist einer – aus kollisionsrechtlicher Perspektive zulässigen – Verwaltungssitzverlegung in einen Gründungstheoriestaat aus sachrechtlichen Erwägungen der Weg versperrt (Fallgruppe PersG 1.1);2 eine andere Beurteilung gilt für registergängige Personengesellschaften jedenfalls ab Inkrafttreten des § 706 BGB-MoPeG ab 1.1.2024, denn dann wird auch die Eintragung eines ausländische Verwaltungssitzes in ein deutsches Handelsregister möglich sein (Fallgruppe PersG 1.2); oder – verliert sie sowohl aus deutscher als auch aus Sicht des Zuzugsstaates ihre Identität als deutsche Personengesellschaft, wenn dieser Staat die Sitztheorie anwendet; es kommt zu einem ipso jure eintretenden Statutenwechsel (Fallgruppe PersG 2); in dieser Konstellation ist somit – je nach Ausgestaltung von Zuzugs- und Wegzugsstaat – nur eine Neugründung der Gesellschaft in einer Rechtsform des Zuzugsstaats oder ein identitätswahrender grenzüberschreitender Formwechsel denkbar.3 Ferner kann die deutsche Personengesellschaft durch grenzüberschreitenden Formwechsel (identitätswahrend) die Rechtsform eines EU-/EWR-Mitgliedstaates annehmen und am Rechtsverkehr als ausländische Gesellschaft teilnehmen; ob auch der 1 Auf Basis der vier vertretenen Ansicht, dass mit der Neufassung von § 4a GmbH, § 5 AktG eine partielle Abkehr von der Sitztheorie und Hinwendung zur Gründungstheorie vollzogen wurde. 2 Vgl. Lieder/Hilser, ZHR 2021, 471 (485 f.); Stiegler, ZGR 2017, 312 (325 ff.). 3 Lieder/Hilser, ZHR 2021, 471 (486).

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 739

12.24

Kap. 12 Rz. 12.24 | Wegzug und Zuzug

Verwaltungssitz in den Aufnahmestaat verlegt werden muss, beurteilt sich danach, an welchen Sitz die ausländische Rechtsordnung das Gesellschaftsstatut des Zielrechtsträgers anknüpft (Fallgruppe PersG 3).1 6. Folgen der Wegzugsfälle für das Gesellschaftsvermögen

12.25 Grenzüberschreitender Formwechsel. Das Wirksamwerden des grenzüberschreitenden Formwechsels hat gem. § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG i.V.m. § 333 Abs. 2 Nr. 1 UmwG u.a. zur Folge, dass das gesamte Aktiv- und Passivvermögen der Gesellschaft, einschließlich aller Verträge, Kredite, Rechte und Pflichten, bei der umgewandelten Gesellschaft verbleibt. Entsprechendes gilt für den grenzüberschreitenden Formwechsel von Personenhandelsgesellschaften2 analog §§ 190 ff. UmwG in europarechtskonformer Anwendung.3 Die Gesellschaft ändert nur ihr Rechtskleid, zu einer Vermögensübertragung kommt es nicht. 12.26 Statutenverdopplung. Verlegt eine deutsche Kapitalgesellschaft ihren Verwaltungssitz in einen Sitztheoriestaat, kommt es aus Sicht des Zuzugsstaats zu einem Statutenwechsel. Aus deutscher Sicht bleibt aber weiterhin deutsches Gesellschaftsrecht anwendbar (sog. Statutenverdopplung).4 Aus deutscher Sicht kommt es mithin nicht zu einem Vermögensübergang. Die deutsche Kapitalgesellschaft bleibt aus deutscher Sicht weiterhin Zuordnungssubjekt aller Vermögensgegenstände und Schulden. Wie das andere Recht dies sieht, ist im Einzelfall zu prüfen bzw. mit Auslandsberatern abzustimmen. Eine solche Statutenverdopplung löse eine „Vielzahl diffiziler und kaum lösbarer Probleme“5 aus. Um diesen misslichen Zustand aufzulösen, kommt aus zivilrechtlicher Perspektive als sicherer Weg die Auflösung und Liquidation der Kapitalgesellschaft in Deutschland mit anschließender Einzelrechtsübertragung auf die ausländische Gesellschaft in Betracht. Eine solche Vermögensübertragung hat jedoch im Zweifel eine Aufdeckung sämtlicher stiller Reserven zur Folge. 12.27 Statutenwechsel. Verlegt eine deutsche Personengesellschaft ihren (Verwaltungs-)Sitz in einen Sitztheoriestaat, verliert sie nach überwiegender Auffassung nach aktueller Rechtslage sowohl aus deutscher als auch aus Sicht des Zuzugsstaates ihre Identität als deutsche Personengesellschaft. Es kommt zu einem ipso jure eintretenden Statu-

1 Stiegler, ZGR 2017, 312 (335): Knüpft die ausländische Rechtsordnung das Gesellschaftsstatut des Zielrechtsträgers nicht an den Verwaltungssitz und lässt sie eine Verwaltungssitzverlegung seiner nationalen Personengesellschaften ins Ausland zu, könnte so im EU-/ EWR-Raum ein identitätswahrender Formwechsel in eine ausländische Personengesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland vollzogen werden. 2 Zur Zulässigkeit eines grenzüberschreitenden Formwechsels von Personenhandelsgesellschaft aus deutscher Sicht s. nur Lieder in Oetker7, § 105 HGB Rz. 144 m.w.N. 3 Stiegler, ZGR 2017, 312 (333 ff.). 4 Zu diesem Ergebnis gelangt man auch für registergängige Personengesellschaften nach Inkrafttreten des MoPeG, wenn man § 706 BGB-MoPeG als versteckte Kollisionsnorm interpretiert, s. hierzu Lieder/Hilser, ZHR 2021, 471 (490). 5 Schmidt, EuZW 2021, 613 (619).

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B. Wegzugskonstellationen | Rz. 12.28 Kap. 12

tenwechsel.1 Für die steuerliche Bewertung dieser Sachverhalte ist es von entscheidender Bedeutung, was in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht im Zeitpunkt des Statutenwechsels geschieht. Denkbar sind hier im Wesentlichen zwei Erklärungsansätze: – Auch außerhalb des förmlichen Formwechselprozesses gem. §§ 190 ff. UmwG analog führt die Verlegung des Verwaltungssitzes zu einem identitätswahrenden Formwechsel sui generis, oder – die Verlegung des Verwaltungssitzes führt zur Auflösung (mit oder ohne Liquidation) der wegziehenden Gesellschaft und zur Neugründung der im Zuzugsstaat auftretenden Gesellschaft; in diesem Fall stellt sich weiter die Frage, in welcher Form sich der Vermögensübergang von der wegziehenden Gesellschaft auf die im Zuzugsstaat neu gegründete Gesellschaft vollzieht. Formwechsel sui generis. Es könnte erwogen werden, dass ein identitätswahrender Formwechsel allein auf Basis des internationalen Gesellschaftsrechts erfolgt, es sich also um einen identitätswahrenden Formwechsel sui generis handelt. Dafür spricht, dass das internationale Gesellschaftsrecht nur darüber entscheidet, welcher Rechtsordnung eine Gesellschaft nach ihrer Sitzverlegung unterliegt, nicht aber darüber, ob eine Gesellschaft aufgelöst und liquidiert wird. Letzteres unterliegt der Regelungshoheit ausschließlich des einschlägigen nationalen Sachrechts. Auch der Trabrennbahn-Entscheidung des BGH2 ist – allerdings für einen Zuzugsfall – nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Vielmehr scheint das Gericht in seiner Entscheidung sogar von einem Fortleben der Schweizer AG im anderen Rechtskleid auszugehen. Dies ist aber stets aus der Perspektive sowohl des „abgebenden“ als auch des „aufnehmenden“ Staates zu beurteilen. Denkbar ist, dass beide Staaten einen identitätswahrenden Grenzübertritt sachrechtlich ermöglichen. Aus deutscher Sicht wurde ein solcher kollisionsrechtlich bedingter identitätswahrender Formwechsels sui generis allerdings bislang weder in der Rechtsprechung noch in der Wissenschaft näher untersucht.3 Allerdings hat jüngst das OLG Oldenburg entschieden, dass der grenzüberschreitende Formwechsel einer ausländischen Gesellschaft in eine deutsche Personengesellschaft bereits nach der nationalen deutschen Rechtslage möglich und zulässig sei4 und sich die Frage, ob der grenzüberschreitende Formwechsel auch identitätswahrend durchgeführt werden kann, nicht nach dem Recht des Aufnahmestaates, sondern anhand des Gesellschaftsrechts des Herkunftslandes richte, welches die grenzüberschreitende Sitzverlegung unter Wahrung der Identität der Gesellschaft ermöglichen muss5. Ob dies auch für die hier zu beurteilenden Fälle gelten kann, ist unklar, so dass einstweilen mit der h.M. von einer Auflösung und Neugründung auszugehen ist. 1 Zu diesem Ergebnis gelangt man auch für Kapitalgesellschaften, wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht die Neufassung von § 4a GmbH, § 5 AktG nicht als eine partielle Abkehr von der Sitztheorie und Hinwendung zur Gründungstheorie verstehen will. 2 BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, NJW 2009, 289. 3 In diese Richtung denken allerdings bereits Großfeld/Jasper, RabelsZ 53 (1989), 52; Großfeld in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 1998, Int. GesR Rz. 645. 4 OLG Oldenburg v. 30.6.2020 – 12 W 23/20, DNotZ 2021, 148 (151) Rz. 10; a.A: Knaier, DNotZ 2021, 148 (155), der zurecht die Durchführung eines formellen Umwandlungsverfahrens fordert. 5 OLG Oldenburg v. 30.6.2020 – 12 W 23/20, DNotZ 2021, 148 (151) Rz. 12.

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 741

12.28

Kap. 12 Rz. 12.29 | Wegzug und Zuzug

12.29 Auflösung mit oder ohne Liquidation. Nach h.M. kommt es in den genannten Fällen zur Auflösung und Neugründung.1 Uneinigkeit herrscht allerdings darüber, ob die Auflösung mit oder ohne Liquidation erfolgt.2 Da die Gesellschaft nicht länger deutschem Sachrecht unterliegt, sondern vielmehr nach ausländischen Recht zu qualifizieren3 ist, wäre aus Sicht Deutschlands vorstellbar, dass die nach deutschem Recht gegründete Gesellschaft endet und eine neue Gesellschaft nach ausländischem Recht gegründet werden müsste. Ob eine Liquidation der deutschen Gesellschaft zwangsweise durchzuführen ist, erscheint fraglich. Denn Zweck der Liquidation sind die Beendigung der Geschäfte, Verflüssigung des Gesellschaftsvermögens – durch Einzelveräußerung oder Gesamtveräußerung unternehmerischer Einheiten – und Auskehrung der Mittel an die Gesellschafter.4 Insoweit ist die Interessenlage in Wegzugskonstellationen wohl eine andere. Insoweit könnte an eine Fiktion der Liquidation gedacht werden. Eine solche Fiktion ist dem deutschen Gesellschaftsrecht allerdings unbekannt. Weiter können eine Entbehrlichkeit der Liquidation angenommen werden, so dass die deutsche Gesellschaft schlicht zu löschen ist. Unabhängig von dieser Frage bleibt sie im Wegzugsstaat rechtsfähig.5 Wie genau das Vermögen von der aufgelösten deutschen Gesellschaft auf die neu zu gründende ausländische Gesellschaft zivilrechtlich wirksam übergehen soll, ist im Ergebnis unklar. Diese Frage stellt sich insbesondere mit Blick auf den Übergang solcher Vermögensgegenstände (wie Grundstücke und Beteiligungen an GmbHs), deren Übertragung auf einen anderen Rechtsträger üblicherweise nur unter Mitwirkung eines Notars möglich ist. Denkbar sind eine Einzelrechtsnachfolge der neu zu gründenden ausländischen Gesellschaft in die Rechte, Pflichten und Rechtspositionen der aufgelösten deutschen Gesellschaft oder eine Gesamtrechtsnachfolge6 durch die neu zu gründende ausländische Gesellschaft. 1 BayObLG v. 7.5.1992 – 3Z BR 14/92, AG 1992, 456 (457); OLG Hamm v. 30.4.1997 – 15 W 91/97, GmbHR 1997, 848; OLG Düsseldorf v. 26.3.2001 – 3 Wx 88/01, NZG 2001, 506; OLG Hamm v. 1.2.2001 – 15 W 390/00, NZG 2001, 562 (563); Großfeld in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 1998, Int. GesR Rz. 634; Lieder in Oetker7, § 105 HGB Rz. 143; Kindler in MünchKomm/BGB8, Int. GesR Rz. 831; vgl. auch Stelmaszczyk/Potyka in Herrler, Gesellschaftsrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis2, § 15 Rz. 845 (Liquidation fakultativ); Servatius in Henssler/Strohn5, Int. GesR, A.V. Rz. 37. 2 Für eine Auflösung und Liquidation im Inland und anschließende Neugründung im Ausland: Nolting, NotBZ 2009, 109 (114); Weng, EWS 2008, 264 (267); Pentz in Ebenroth/ Boujong/Jost/Strohn4, § 13h HGB Rz. 43; nur Auflösung und Neugründung: Ries in Röhricht/von Westphalen/Haas5, § 13h HGB Rz. 14; Emmerich in Heymann3, § 106 HGB Rz. 14; Roth in Hopt41, Einleitung zu § 105 HGB Rz. 27. 3 Die Anerkennung der wegziehenden Gesellschaft im Aufnahmestaat ist aus Perspektive dieses Staats zu beurteilen. Sofern nach dem Recht dieses Staates ein spezielles Gründungsverfahren erforderlich ist, wird die wegziehende Gesellschaft dieses nicht durchlaufen haben, so dass sie nach dem Recht des Aufnahmestaates in der Regel umzuqualifizieren sein dürfte. 4 Paura in Habersack/Casper/Löbbe3, § 69 GmbHG Rz. 7. 5 BGH v. 25.5.2009 – II ZR 60/08, NZG 2009, 1106 Rz. 5. 6 So für den Zuzugsfall wohl BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, NJW 2009, 289; ausdrücklich für den Zuzugsfall Wall in Hausmann/Odersky, IPR in der Notar- und Gestaltungspraxis4, § 18 Rz. 25: Anwachsung aller Aktiva und Passiva der Einpersonen-Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts bei ihrem Alleingesellschafter analog § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB.

742 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

B. Wegzugskonstellationen | Rz. 12.32 Kap. 12

II. Steuerliche Rahmenbedingungen des Wegzugs 1. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft vom Inland in einen EU-/EWR-Staat (Fallgruppe KapG 1) a) Sachverhalt Anhand des folgenden Beispiels sollen die gesellschafts- und steuerrechtlichen Konsequenzen der Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft in einem EU/EWR-Staat verdeutlicht werden.

12.30

Beispiel: A und B sind Gesellschafter der X-Holding GmbH, die alle Geschäftsanteile an der A-GmbH hält. Sie beschließen, den Verwaltungssitz der X-Holding GmbH in die Niederlande zu verlegen. In der Folge wird auch die Geschäftsführung für die X-Holding GmbH tatsächlich ausschließlich von den Niederlanden aus wahrgenommen.

b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen Identitätswahrender Wegzug. Seit der Streichung des § 4a Abs. 2 GmbH kann aus der Perspektive des deutschen Gesellschaftsrechts eine deutsche GmbH ihren Verwaltungssitz von Anfang an im Ausland begründen oder ihn jederzeit später in einen anderen Staat verlegen. Aus der Perspektive des Zuzugsstaates ist zu beachten, dass EU/EWR-Staaten eine deutsche GmbH aufgrund der Rechtsprechung des EuGH (Centros,1 Überseering,2 Inspire Art3), mit welcher der EuGH de facto das „Herkunftslandprinzip“ etabliert hat (sog. europarechtliche Gründungstheorie)4, anerkennen müssen. Im Beispielsfall bedeutet dies, dass die X-Holding GmbH auch nach Verlegung ihres Verwaltungssitzes in die Niederlande unverändert fortbesteht; ihr Wegzug in die Niederlande kann damit identitätswahrend erfolgen (Fallgruppe KapG 1).

12.31

c) Steuerrechtliche Konsequenzen aa) Besteuerungsfolgen für die Gesellschaft (1) Vorbemerkung

Gesetzlicher Rahmen. Zentrale gesetzliche Vorschriften für die steuerlichen Folgen der Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft in das Ausland sind seit dem Entfallen des § 12 Abs. 3 KStG5 (Rz. 12.34) mit Wirkung ab dem VZ 2022 die Tatbestände der §§ 11 (Auflösung und Abwicklung) und 12 Abs. 1 KStG (Verlust oder Beschränkung des Besteuerungsrechts Deutschlands, Rz. 12.35 ff.).6 § 11 KStG knüpft 1 2 3 4 5 6

EuGH v. 9.3.1999 – C-212-97, NJW 1999, 2027. EuGH v 5.11.2002 – C-2008/00, NJW 2002, 3614. EuGH v. 30.9.2003 – Rs. 167/01, NJW 2003, 3331. J. Schmidt in Michalski3, § 4aGmbHG Rz. 15 m.w.N. Durch das KöMoG vom 26.6.2021, BGBl. I 2021, 2050. Ausführlich zur Rechtsentwicklung von § 12 KStG Kolbe in H/H/R, § 12 KStG Anm. 2 (Stand: April 2021); Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 15 ff. (Stand: März 2022).

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 743

12.32

Kap. 12 Rz. 12.32 | Wegzug und Zuzug

an den tatsächlichen Vorgang der Auflösung und Abwicklung einer Gesellschaft an, während § 12 Abs. 1 KStG zur Anwendung kommt, wenn das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder Überlassung eines Wirtschaftsgutes ausgeschlossen oder beschränkt wird. Grund dafür kann auch ein tatsächlicher Vorgang wie die Verlegung des Verwaltungssitzes (steuerlich Ort der Geschäftsleitung) der Kapitalgesellschaft sein. Der Anwendungsbereich von § 12 Abs. 1 KStG ist damit nicht auf Wegzugsfälle beschränkt.1 (2) Spezialtatbestände nicht einschlägig

12.33 Keine Auflösung und Abwicklung. Da eine deutsche GmbH oder AG nach einer Sitzverlegung in einen anderen Mitgliedstaat der EU oder des EWR als solche fortbesteht und auch für Zwecke des deutschen Zivilrechts rechtsfähig bleibt, kann § 11 KStG mangels Auflösung und Abwicklung von vornherein nicht einschlägig sein. 12.34 Fortbestand der unbeschränkten Steuerpflicht (Wegfall des § 12 Abs. 3 KStG a.F.). Mit Wirkung ab dem VZ 2022 existiert § 12 KStG im Wesentlichen nur noch in Form seiner ursprünglichen allgemeinen Entstrickungsregelung. Das KöMoG hat die früheren Regelungen des § 12 Abs. 2 und 3 KStG mit Wirkung ab dem VZ 2022 ersatzlos aufgehoben. Grund dafür war die gleichzeitige Aufhebung des § 1 Abs. 2 UmwStG durch das KöMoG.2 § 12 Abs. 3 KStG a.F. in der Fassung vor dem KöMoG regelte die Verlegung der Geschäftsleitung oder des Sitzes in einen Drittstaat und das damit verbundene Ausscheiden aus der unbeschränkten Steuerpflicht in der EU/ EWR bzw. den Wechsel der DBA-Ansässigkeit in einen Drittstaat. Folge war eine fiktive Auflösung der Kapitalgesellschaft und die entsprechende Anwendung von § 11 KStG. Eine Sonderregelung galt im Zusammenhang mit dem Brexit (§ 12 Abs. 3 Satz 4 KStG a.F. in der Fassung vor dem KöMoG). Vor dem Hintergrund der Internationalisierung des Anwendungsbereichs des UmwStG (Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs des UmwStG) sah der Gesetzgeber eine Sonderregelung in Form einer fiktiven Liquidation bei einer Sitzverlegung in einen Drittstaat nicht mehr als notwendig an. Die frühere Regelung in § 12 Abs. 3 KStG a.F. hatte für die hier beschriebene Fallgruppe der Verlegung des Verwaltungssitzes in einen EU/ EWR-Mitgliedstaat jedoch ohnehin keine Bedeutung, weil bei der Verlegung des Verwaltungssitzes in einen EU/EWR-Staat die unbeschränkte Steuerpflicht in einem solchen Staat begründet werden sollte. Der mit dem Brexit-StBG3 vom 25.3.2019 eingeführte § 12 Abs. 4 KStG a.F. wiederum wurde mit der gleichzeitigen Einführung des § 8 Abs. 1 Satz 4 KStG durch das Steueroasen-Abwehrgesetz (StAbwG)4 vom 25.6.2021 wieder aufgehoben. Wegen des Brexit war unklar, wie sich die in Deutsch1 Vgl. Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 305 (Stand: März 2022), die zwischen Fällen der subjektbezogenen Entstrickung (z.B. bei Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht durch Verlegung des Orts der Geschäftsleitung einer ausländischen Kapitalgesellschaft) und Fällen der objektbezogenen Entstrickung (z.B. Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte) unterscheiden. 2 Vgl. BT-Drucks. 19/28656, 26. 3 BGBl. I 2019, 357. 4 BGBl. I 2021, 2056.

744 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

B. Wegzugskonstellationen | Rz. 12.36 Kap. 12

land angewendete (und wegen des Austritts des Vereinigten Königreichs nicht durch die Niederlassungsfreiheit verdrängte) Sitztheorie auf britische Gesellschaften mit statutarischem Sitz im Vereinigten Königreich und Verwaltungssitz in Deutschland auswirken würde. Vorsorglich ordnete deshalb § 12 Abs. 4 KStG a.F. die Wirtschaftsgüter vor und nach dem Brexit dem gleichen Rechtsträger zu. Durch die Regelung in § 8 Abs. 1 Satz 4 KStG sollte auch nach der Streichung des § 12 Abs. 4 KStG a.F. deutlich sein, dass der Verlust der Rechtsfähigkeit einer Körperschaft durch eine Sitzverlegung nicht dazu führt, dass die stillen Reserven im Betriebsvermögen der Körperschaft aufzudecken sind. (3) Anwendbarkeit der Entstrickungsregelung in § 12 Abs. 1 KStG Allgemeine Entstrickungsregelung. In einer solchen Konstellation kann jedoch die allgemeine Entstrickungsregelung des § 12 Abs. 1 KStG zum Zuge kommen. Der Tatbestand dieser Vorschrift ist dann erfüllt, wenn bei der Körperschaft „das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts ausgeschlossen oder beschränkt“ wird (§ 12 Abs. 1 Satz 1 KStG).1

12.35

Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts soll nach dem durch das JStG 2010 eingefügten Regelbeispiel2 insbesondere dann vorliegen, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte einer Körperschaft zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte dieser Körperschaft zuzuordnen ist (§ 12 Abs. 1 Satz 2 KStG). Ursächlich für die Einführung dieses Regelbeispiels war die (noch zur Rechtslage vor dem SEStEG ergangene) Rechtsprechung des I. Senats des BFH zur Auslegung von Art. 7 OECD-MA, wonach sich allein aus der Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte kein Ausschluss des Besteuerungsrechts Deutschlands für die während der inländischen Steuerverhaftung gebildeten stillen Reserven ergeben soll. Der I. Senat des BFH geht vielmehr davon aus, dass im Falle einer späteren Veräußerung eines Wirtschaftsguts Deutschland durch Art. 7 OECD-MA nicht daran gehindert ist, die in Deutschland entstandenen stillen Reserven zu besteuern.3 Nach diesem Verständnis des Art. 7 OECD-MA wäre die mit dem

12.36

1 Eine Entstrickungsregelung für den Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts Deutschlands hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung sämtlicher Wirtschaftsgüter eines (Teil-)Betriebs enthält § 16 Abs. 3a Halbs. 1 EStG (s. auch Rz. 10.35), der über § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG auch für Körperschaften gilt und § 12 Abs. 1 KStG (Entstrickung bei Einzelwirtschaftsgütern) vorgeht (so Hackemann in Bott/Walter, KStG, § 12 Rz. 6 (Stand: September 2021)). Zur Stundung der Steuer in diesen Fällen § 36 Abs. 5 EStG, § 31 Abs. 1 KStG. Eine Stundungsregelung für die Gewerbesteuer fehlt, vgl. Benecke/ Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 642 (Stand: März 2022). 2 So BT-Drucks. 17/3549, 25; Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 36 (Stand: März 2022); BGBl. I 2007, 3150. 3 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; so auch z.B. Hackemann in Bott/Walter, KStG, § 12 Rz. 10 (Stand: September 2021); Gosch, BFH-PR 2008, 499 (500); Ditz, IStR 2009, 115 (118); a.A. Mitschke, DB 2009, 1376; Mitschke, FR 2009, 326 (329); Mundfortz in Frotscher/Drüen, § 12 KStG Rz. 24 (Stand: Januar 2022).

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 745

Kap. 12 Rz. 12.36 | Wegzug und Zuzug

SEStEG eingeführte Grundregel des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG bei der Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte regelmäßig leergelaufen,1 weil dessen zentrale Tatbestandsvoraussetzung (Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts) durch die Überführung in eine ausländische Betriebsstätte nicht erfüllt werden kann. Mit dem Regelbeispiel will der Gesetzgeber klarstellen, dass bereits die geänderte Zuordnung eines Wirtschaftsguts zu einer ausländischen Betriebsstätte der Kapitalgesellschaft die Rechtsfolgen der allgemeinen Entstrickungsregelung auslöst. Umstritten ist, ob auch eine sog. „passive“ Entstrickung in den Anwendungsbereich der Entstrickungsbesteuerung fällt. Der Begriff der passiven Entstrickung beschreibt einen Vorgang, bei dem das Besteuerungsrecht eines Staates ohne aktives Zutun des Steuerpflichtigen erlischt oder abgeschwächt wird.2 Eine passive Entstrickung kann etwa die Folge der Änderung eines DBA oder der Wertentwicklung von Wirtschaftsgütern (vgl. Art. 13 Abs. 4 OECD-MA 2017) sein; sie entzieht sich in der Regel der Einflussnahme des Steuerpflichtigen. Für die Annahme, dass auch eine passive Entstrickung eine Entstrickung darstellt, spricht der Wortlaut der Entstrickungsnormen.3 Danach könnte nur entscheidend sein, dass das Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird und nicht auf welche Weise. Der Gesetzgeber könnte diese offene Formulierung der Regelungen bewusst gewählt haben. Gegen eine solche Lesart der Entstrickungsnormen wird angeführt, dass sie der Gesetzessystematik widerspreche.4 Die Besteuerung der passiven Entstrickung sei wegen der Gleichstellung mit der Entnahme in § 4 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 EStG nicht möglich.5 Zwar müssten aufgrund dieser Gleichstellung die Voraussetzungen einer Entnahme nicht vorliegen, es müsse aber im Normkontext der Gewinnermittlung des § 4 Abs. 1 EStG zumindest ein dem Steuerpflichtigen zurechenbares Verhalten gegeben sein; eine Drittverursachung von Gewinnen sei systemfremd.6 Dem steht die Auffassung gegenüber, dass es sich bei der Gleichstellung mit der Entnahme nur noch um eine Rechtsfolgenverweisung handele und die Schaffung eigener Entstrickungstatbestände (Regelbeispiel) zeige, dass die Entstrickung von den Voraussetzungen der Entnahme mittlerweile entkoppelt sei.7 1 Kessler/Philipp, DStR 2012, 267 (270); Hackemann in Bott/Walter, KStG, § 12 Rz. 27.2 (Stand: September 2021); Gosch, BFH-PR 2008, 499 (500). 2 FG Münster v. 10.8.2022 – 13 K 559/19 G F, DStR 2022, 2413 (2414), Rev. I R 41/22; Benecke, DStJG 43 (2020), 623 (645); Desens, FR 2022, 681 (682); vgl. Mundfortz in Frotscher/ Drüen, § 12 KStG Rz. 29 (Stand: Januar 2022). 3 Mundfortz in Frotscher/Drüen, § 12 KStG Rz. 29 (Stand: Januar 2022). 4 FG Münster v. 10.8.2022 – 13 K 559/19 G F, DStR 2022, 2413 (2417), n. rkr. Az. BFH I R 41/22. 5 Ob dieses Argument auf § 12 KStG übertragbar ist, hängt bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des BVerfG davon ab, ob ein hinreichend sachlicher Grund besteht, unternehmerische Tätigkeiten steuerlich unterschiedlich zu behandeln (BVerfG v. 24.3.2010 – 1 BvR 2130/09). Zwar mangelt es im KStG an dem Rechtsinstitut einer Entnahme (vgl. Schön, DStJG 43 (2020), 563 (600)), die Systemfremdheit der Drittverursachung eines Gewinns könnte indes gleichermaßen zu kritisieren sein. 6 FG Münster v. 10.8.2022 – 13 K 559/19 G F, DStR 2022, 2413 (2417) – Rev. I R 41/22. 7 Desens, DStR 2022, 1588 (1590); Desens, FR 2022, 681 (682); Benecke, DStJG 43 (2020), 623 (646).

746 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

B. Wegzugskonstellationen | Rz. 12.40 Kap. 12

Aus der Gesetzesbegründung des § 4g EStG in der Fassung des ATATD-UmsG v. 25.6.20211 könnte sich nunmehr ergeben, dass der Gesetzgeber auch die passive Entstrickung dem Anwendungsbetreich von § 4 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 EStG zuordnet und damit der Besteuerung unterwerfen will.2 Die Diskussion um die passive Entstrickung ist deshalb nicht als abgeschlossen anzusehen und es wird auch der BFH in dem Revisionsverfahren hierzu Stellung nehmen können. (4) Rechtsfolge der Entstrickungsregelung in § 12 Abs. 1 KStG Fiktive Veräußerung bzw. Überlassung zum gemeinen Wert. Rechtsfolge der allgemeinen Entstrickungsregelung ist, dass der Vorgang, der zum Ausschluss oder zur Beschränkung des Besteuerungsrechts Deutschlands führt, als Veräußerung oder Überlassung des Wirtschaftsguts zum gemeinen Wert gilt.

12.37

Zeitliche Streckung der Besteuerung. Die Vorschriften über die zeitliche Streckung der Versteuerung in § 4g EStG (Ausgleichsposten) gelten – spätestens seit der Klarstellung durch das JStG 2010 – für Körperschaften entsprechend (§ 12 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 KStG). Die Besteuerung der aufgedeckten stillen Reserven kann danach über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren gestreckt werden. Seit der Änderung des § 4g EStG durch das ATADUmsG bezieht § 12 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 KStG über den Verweis auf § 4g EStG in sachlicher Hinsicht Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens sowie Wirtschaftsgüter, die EWR-Betriebstätten zugeordnet sind und in persönlicher Hinsicht auch beschränkt steuerpflichtige Körperschaftsteuersubjekte in den Anwendungsbereich der Stundung ein. Den zuvor kritischen Stimmen in der Literatur ist der Gesetzgeber damit entgegengekommen.

12.38

(5) Überblick zur Vereinbarkeit von § 12 Abs. 1 KStG mit dem Unionsrecht Vorbemerkung. Bereits vor der gesetzlichen Festschreibung der allgemeinen Entstrickungsregelungen in §§ 4 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1, 16 Abs. 3a Halbs. 1 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG war umstritten, ob die richterrechtlich entwickelten Grundsätze des BFH zur sog. „Theorie der finalen Entnahme“ bzw. „Theorie der finalen Betriebsaufgabe“ mit den Grundfreiheiten des EGV/AEUV vereinbar waren.3

12.39

EuGH-Verfahren in der Rs. National Grid Indus B.V. Das EuGH-Verfahren in der Rs. National Grid Indus B.V.4 befeuerte die Debatte darüber, ob § 12 Abs. 1 KStG in seiner damaligen Form gegen die Grundfreiheiten des AEUV verstieß.5 In dem Ver-

12.40

1 BGBl. I 2021, 2035. 2 BT-Drs. 19/28652, 33. 3 Vgl. auf der einen Seite die frühere Rechtsprechung des BFH zur „finalen Entnahme“ bei Einzelwirtschaftsgütern in BFH v. 16.7.1969 – I 266/65, BStBl. II 1970, 175 und zur „finalen Betriebsaufgabe“ in BFH v. 28.4.1971 – I R 55/66, BStBl. II 1971, 630 einerseits und die Aufgabe dieser Rechtsprechung in BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 (finale Entnahmetheorie) und BFH v. 28.10.2009 – I R 99/08, BStBl. II 2011, 1019; v. 28.10.2009 – I R 28/08, BFH/NV 2010, 432 (finale Betriebsaufgabe) andererseits. 4 EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, DStR 2011, 2334. 5 Z.B. Kahle/Beinert, FR 2015, 585 (589, Fn. 66 m.w.N.).

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 747

Kap. 12 Rz. 12.40 | Wegzug und Zuzug

fahren stufte das Gericht eine dem § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG ähnliche Regelung niederländischen Rechts als Verletzung der Niederlassungsfreiheit ein. Zwar verfolgte die Vorschrift mit der Aufteilung der Besteuerungshoheit generell einen durch ständige Rechtsprechung des EuGH etablierten legitimen Zweck, wonach es Mitgliedstaaten grundsätzlich gestattet ist, die auf ihrem Territorium gebildeten stillen Reserven zu besteuern.1 Die zu beurteilende Norm war aus Sicht des EuGH zur Erfüllung dieses Zwecks auch geeignet.2 Im Rahmen der Erforderlichkeit sei die Festsetzung und die Erhebung der Steuer indes getrennt zu betrachten.3 Die sofortige Festsetzung war dabei trotz möglicher zukünftiger Wertschwankungen nicht zu beanstanden.4 Die sofortige Erhebung führte aus Sicht des Gerichts hingegen mangels Erforderlichkeit zur Unverhältnismäßigkeit der Regelung. Die durch die sofortige Erhebung der Steuer entstehende Benachteiligung in Form des Liquiditätsnachteils gegenüber sich innerhalb der Niederlande bewegenden Gesellschaften könne abgemildert werden, wenn dem Steuerpflichtigen die Wahl der aufschiebenden Zahlung des Steuerbetrages zugestanden würde. Gleichzeitig wäre hierdurch der verfolgte Zweck, die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten, gewährleistet.5 Vor diesem Hintergrund war zunächst ungeklärt, ob auch § 12 Abs. 1 KStG ungerechtfertigterweise in die Grundfreiheiten eingreift. Im Gegensatz zu seinem niederländischen Pendant gewährt § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG durch seine Verweisung auf § 4g EStG dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit einer ratierlichen Stundung der Steuer über einen Zeitraum von maximal fünf Wirtschaftsjahren. Ob diese Möglichkeit die Benachteiligung des auferlegten Liquiditätsnachteils so abmilderte, dass § 12 Abs. 1 KStG sich als verhältnismäßig erweist, wurde jedoch unterschiedlich beantwortet.6

12.41 EuGH-Verfahren in der Rs. DMC und Verder LabTec. In der Rs. DMC7 stellte der EuGH fest, dass die Erhebung der Steuer auf noch nicht realisierte stille Reserven über einen Zeitraum von fünf Jahren mit dem Ziel der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten in Anbetracht des mit der Zeit steigenden Risikos der Nichteinbringung der Steuer eine angemessene und verhältnismäßige Maßnahme sei.8 Das Gericht wog damit das Nichteinbringungsrisiko gegen die Benachteiligung des Steuerpflichtigen ab und sah jedenfalls einen Stundungszeitraum von fünf Jahren als angemessenen Mittelweg an. In der Rs. Verder LabTec9 bestätigte der EuGH diese Auffassung, indem er aus dem DMC-Urteil einen Schluss a minori ad maius zog: Wenn eine über fünf Jahre gestreckte Erhebung der Steuer bereits die Anforderungen der Verhältnismäßigkeit erfüllt, dann muss eine über zehn Jahre ge1 EuGH v. 13.12.2005 – C-446/03 – Marks & Spencer, DStR 2005, 2168, (2171 Rz. 45); v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, DStR 2011, 2334 (2338 Rz. 45 m.w.N.). 2 EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, DStR 2011, 2334 (2339 Rz. 48). 3 EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, DStR 2011, 2334 (2339 Rz. 50 f.). 4 EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, DStR 2011, 2334 (2339 Rz. 50 f.). 5 EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, DStR 2011, 2334 (2341 f. Rz. 73). 6 Kahle/Beinert, FR 2015, 585 (589 Fn. 66 m.w.N.). 7 EuGH v. 23.1.2014 – C-164/12 – DMC, DStR 2014, 193. 8 EuGH v. 23.1.2014 – C-164/12 – DMC, DStR 2014, 193 (198 Rz. 62). 9 EuGH v. 21.5.2015 – C-657/13 – Verder LabTec, DStR 2015, 1166.

748 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

B. Wegzugskonstellationen | Rz. 12.43 Kap. 12

streckte Erhebung dies „zwangsläufig“ tun. Insofern ist im Lichte dieser Rechtsprechung bei Regelungen, die die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten anstreben und im Zuge dessen eine Steuer auf die noch nicht realisierten stillen Reserven von Wirtschaftsgütern festsetzen, dann von ihrer Europarechtskonformität auszugehen, wenn sie dem Steuerpflichtigen eine ratierliche Stundung der Steuer über mindestens fünf Jahre ermöglicht. Schlussfolgerungen. § 12 KStG verstößt damit in seiner jetzigen Form nach sehr verbreiteter Auffassung nicht (mehr) gegen europäische Grundfreiheiten.1 Auch Bedenken hinsichtlich möglicher Diskriminierungen beschränkt Steuerpflichtiger oder die Benachteiligung wegen einer sofortigen Erhebung der Steuer bei Umlaufvermögen sind durch die Änderungen des § 4g EStG durch das ATADUmsG mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeräumt.2 Letztlich könnte die Vorschrift aber gegen europäisches Sekundärrecht in Form der ATAD verstoßen, da die derzeitige deutsche Umsetzung nicht berücksichtigt, dass die Vorschriften zur Streckung der Zahlung (ausweislich der niederländischen und englischen Version der ATAD) auf Ebene der Steuererhebung und nicht wie § 12 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 i.V.m. § 4g EStG durch die Bildung eines Ausgleichspostens auf Ebene der Gewinnermittlung ansetzen.3 Diese Diskussion ist als offen anzusehen.

12.42

bb) Besteuerungsfolgen für den Gesellschafter (1) Vorbemerkung Fallgruppen. Die steuerlichen Konsequenzen, die der Wegzug einer Kapitalgesellschaft für ihre Gesellschafter hat, sind für jeden einzelnen Gesellschafter gesondert zu prüfen. Sie hängen maßgeblich davon ab, ob – ein Gesellschafter steuerlich im Inland oder im Ausland ansässig ist; – der Gesellschafter seinerseits eine Kapitalgesellschaft oder eine natürliche Person (bzw. eine Personengesellschaft, an der natürliche Personen beteiligt sind) ist; – ein Gesellschafter, wenn er eine natürliche Person ist, seinen Anteil an der Kapitalgesellschaft im Betriebsvermögen oder im Privatvermögen hält; und – ein Gesellschafter, wenn er eine natürliche Person ist und seinen Anteil im Privatvermögen hält, wesentlich beteiligt i.S.v. § 17 EStG ist.

1 Vgl. Kahlenberg/Kudert, DB 2015, 1377 (1378); Pohl in BeckOK KStG, § 12 Rz. 47 (Stand: 1.3.2022); Lampert in Gosch4, KStG, § 12 Rz. 77; Mundfortz in Frotscher/Drüen, § 12 KStG Rz. 54 (Stand: Januar 2022); Kolbe in H/H/R, § 12 KStG Anm. 16 (Stand: April 2021); Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 42 (Stand: Juni 2017). 2 In Bezug auf beschränkt Steuerpflichtige (vor der Erweiterung des § 4g EStG durch das ATADUmsG) Bedenken äußernd: Lampert in Gosch, KStG, § 12 Rz. 79; Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 58 (Stand: Juni 2017). 3 Mundfortz in Frotscher/Drüen, § 12 KStG Rz. 56 (Stand: Januar 2022).

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 749

12.43

Kap. 12 Rz. 12.44 | Wegzug und Zuzug

(2) Kapitalgesellschaft als Gesellschafter

12.44 Im Inland ansässige Kapitalgesellschaft. Ist Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft, die ihren Sitz verlegt, wiederum eine im Inland ansässige Kapitalgesellschaft, ist nach den allgemeinen Vorschriften der Gewinn aus der Veräußerung des Anteils an der weggezogenen Kapitalgesellschaft auch nach einer Verlegung des Verwaltungssitzes in Deutschland im Rahmen der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht (Welteinkommen) des Gesellschafters steuerpflichtig. Die Verlegung des Verwaltungssitzes der (Tochter-)Kapitalgesellschaft führt im Grundsatz nicht dazu, dass der Anteil künftig einer anderen (ausländischen) Betriebsstätte des Gesellschafters zugeordnet werden muss, so dass das Besteuerungsrecht Deutschlands nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Der Wegzug führt damit in diesem Fall nicht zu einer Steuerpflicht auf Ebene des Gesellschafters. Ist die Beteiligung hingegen nach dem Wegzug einer ausländischen Betriebsstätte des Gesellschafters zuzuordnen (z.B. weil eine Vertriebsgesellschaft ihren Verwaltungssitz in das Ausland verlegt, um die in einer ausländischen Betriebsstätte des Gesellschafters produzierten Waren im Ausland zu vertreiben), kann die Entstrickungsregelung in § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG auf Ebene des Gesellschafters eingreifen (fiktive Veräußerung des Anteils an der wegziehenden Kapitalgesellschaft mit Anwendung des § 8b Abs. 2, 3 KStG). 12.45 Im Ausland ansässige Kapitalgesellschaft als Gesellschafter. Ist eine im Ausland ansässige Kapitalgesellschaft Gesellschafter einer wegziehenden Kapitalgesellschaft, wird Deutschland in der Regel bereits vor dem Wegzug der Gesellschaft kein Besteuerungsrecht bezüglich eines Veräußerungsgewinns haben (vgl. Art. 13 Abs. 5 OECDMA 2017); etwas anderes gilt grundsätzlich nur, wenn die Beteiligung einer inländischen Betriebsstätte der als Gesellschafter beteiligten ausländischen Kapitalgesellschaft zugeordnet werden kann (vgl. Art. 13 Abs. 2 OECD-MA 2017). Beispiel: Eine niederländische B.V. mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in den Niederlanden hält Anteile an einer in Deutschland ansässigen GmbH. Die B.V. hat keine Betriebsstätte in Deutschland. Verlegt die GmbH ihren Verwaltungssitz von Deutschland in die Niederlande, sind die Einkünfte aus der Veräußerung der Anteile an der GmbH zwar nach wie vor inländische Einkünfte im Sinne der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht und damit in Deutschland steuerbar (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG). Da die B.V. in Deutschland jedoch über keine Betriebsstätte verfügt, der die Beteiligung an der GmbH zugeordnet werden kann, dürfen nach dem DBA Niederlande nur die Niederlande den Gewinn aus der Veräußerung der GmbH-Anteile besteuern (vgl. Art. 13 Abs. 5 DBA Niederlande 2012); Deutschland hat damit auch vor der Verlegung des Verwaltungssitzes der GmbH kein Besteuerungsrecht bezüglich des Veräußerungsgewinns. Würde die Beteiligung vor und nach der Verlegung des Verwaltungssitzes hingegen einer deutschen Betriebsstätte der B.V. zuzuordnen sein, hätte Deutschland ein Besteuerungsrecht, das auch nach der Verlegung des Verwaltungssitzes fortbestehen würde. Der Wegzug der GmbH in die Niederlande würde daher keine Entstrickungsbesteuerung (§ 12 Abs. 1 Satz 1 KStG) auslösen.

750 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

B. Wegzugskonstellationen | Rz. 12.48 Kap. 12

(3) Natürliche Person (Anteile im Privatvermögen) Entstrickung einer wesentlichen Beteiligung. Ist an einer wegziehenden Kapitalgesellschaft als Gesellschafter eine natürliche Person beteiligt, die ihre Beteiligung im Privatvermögen hält, richten sich die steuerlichen Konsequenzen maßgeblich danach, ob die Beteiligung innerhalb der letzten fünf Jahre zu irgendeinem Zeitpunkt mindestens 1 % betragen hat und es sich daher um eine wesentliche Beteiligung i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG handelt.

12.46

Ist dies der Fall, löst der Wegzug der Kapitalgesellschaft, an der die Beteiligung besteht, eine Entstrickungsbesteuerung dann aus, wenn Deutschland durch die Sitzverlegung das Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an der Kapitalgesellschaft verliert oder dieses beschränkt wird (§ 17 Abs. 5 Satz 1 EStG). Denn der durch eine Sitzverlegung bedingte Ausschluss oder die hierdurch verursachte Beschränkung des Besteuerungsrechts stehen nach § 17 Abs. 5 Satz 1 EStG der Veräußerung der Anteile zum gemeinen Wert gleich. Regelmäßig keine Entstrickung. Diese Voraussetzungen werden allerdings nur in den seltensten Fällen erfüllt sein. Denn nach den von Deutschland abgeschlossenen DBA ist das Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften regelmäßig allein dem Ansässigkeitsstaat des Veräußerers zugewiesen (vgl. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA 2017). Nur in einigen DBA knüpft die Verteilungsnorm für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften daran an, wo die Kapitalgesellschaft, an der Anteile veräußert werden, steuerlich ansässig ist (z.B. Art. 13 Abs. 3 des für die Tschechische Republik fortgeltenden DBA Tschechoslowakei und Art. 13 Abs. 2 DBA Bulgarien) bzw. nach welchem Recht die veräußerte Gesellschaft gegründet wurde (z.B. Art. 14 Abs. 3 DBA Jugoslawien). Gilt der Gesellschafter für Zwecke der Anwendung des DBA als in Deutschland ansässig und verlegt die Kapitalgesellschaft ihren Verwaltungssitz (und damit ihre DBA-Ansässigkeit) in einen ausländischen Staat, kann dies somit im Einzelfall dazu führen, dass aus Sicht des Gesellschafters das Besteuerungsrecht Deutschlands ausgeschlossen oder beschränkt wird.

12.47

Beispiel: Ist eine in Deutschland ansässige natürliche Person an einer GmbH beteiligt, die ihren Verwaltungssitz von Deutschland in die Tschechische Republik verlegt, kann der Gewinn aus der Veräußerung dieser Anteile künftig nur noch in der Tschechischen Republik besteuert werden, weil das einschlägige DBA für die Zuweisung des Besteuerungsrechts nicht an die Ansässigkeit des Gesellschafters, sondern an die Ansässigkeit der Gesellschaft anknüpft, die mit der Verlegung des Verwaltungssitzes vom Inland in die Tschechische Republik wechselt (Art. 13 Abs. 3 DBA Tschechische Republik). Es kommt somit zu einem Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts und damit im Grundsatz zu einer fiktiven Veräußerung der Anteile an der Gesellschaft (§ 17 Abs. 5 Satz 1 EStG). Wegen des EU-Bezugs kommt es jedoch nicht zu einer Sofortbesteuerung (§ 17 Abs. 5 Satz 2 und 3 EStG).

Nicht-DBA-Fall. Das Besteuerungsrecht Deutschlands bezüglich potentieller Veräußerungsgewinne der Gesellschafter kann durch die Sitzverlegung einer Kapitalgesellschaft zudem dann im Einzelfall ausgeschlossen oder beschränkt werden, wenn

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 751

12.48

Kap. 12 Rz. 12.48 | Wegzug und Zuzug

der im Ausland ansässige Gesellschafter bislang in einem Staat ansässig ist, mit dem Deutschland kein DBA abgeschlossen hat. Beispiel: An einer niederländischen B.V. mit Verwaltungssitz in Deutschland ist eine natürliche Person beteiligt, die in einem Staat ansässig ist, mit dem Deutschland kein DBA abgeschlossen hat. Verlegt die niederländische B.V. ihren Verwaltungssitz (zurück) in die Niederlande, wäre der Gesellschafter mit den Einkünften aus der Veräußerung der Anteile an der niederländischen B.V. in Deutschland nicht mehr beschränkt einkommensteuerpflichtig (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG), so dass durch die Sitzverlegung das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen wird. Zu einer Anwendung von § 17 Abs. 5 Satz 1 EStG (Veräußerungsfiktion zum gemeinen Wert) käme es aber auch in diesem Fall nicht, weil der Verwaltungssitz der niederländischen B.V. in einen EU-Mitgliedstaat verlegt wird (Rückausnahme in § 17 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 EStG). In diesen Fällen ist der Gewinn aus einer späteren Veräußerung der Anteile jedoch ungeachtet der Bestimmungen eines DBA (treaty override)1 in der gleichen Art und Weise zu besteuern, wie die Veräußerung dieser Anteile zu besteuern gewesen wäre, wenn keine Sitzverlegung stattgefunden hätte (§ 17 Abs. 5 Satz 3 EStG). Diese Regelung wird durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG flankiert, der bei Anteilen, auf die § 17 Abs. 5 Satz 2 EStG anzuwenden ist, eine beschränkte Steuerpflicht der Einkünfte aus der späteren Veräußerung dieser Anteile anordnet. Entsprechendes gilt für die Verlegung des Satzungssitzes und der Hauptverwaltung einer SE (§ 17 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 EStG).

12.49 Rechtsfolgen. Die Rechtsfolge der Entstrickungsregelung für wesentliche Beteiligungen von natürlichen Personen unterscheidet sich von § 12 Abs. 1 KStG dadurch, dass im Anwendungsbereich von § 12 Abs. 1 KStG die Gewinnrealisierung über die Ausgleichspostenmethodik nur über einen Zeitraum von fünf Jahren gestreckt werden kann, während es bei § 17 Abs. 5 Satz 2 EStG in EU-Sachverhalten zu einer zeitlich unbeschränkten Steuerstundung kommt. Diese unbefristete Stundung gilt indes nicht für die Sitzverlegung in EWR- oder Drittstaaten. Darüber hinaus werden in den Fällen des § 17 Abs. 5 Satz 2 EStG auch spätere Wertveränderungen durch die Anknüpfung an die spätere Veräußerung in § 17 Abs. 5 Satz 3 EStG erfasst. Dies kann die Gefahr einer Doppelbesteuerung mit sich bringen.2 Erfolgt in Nicht-EU-Fällen bereits eine Entstrickung und Versteuerung allein aufgrund der Verlegung der Geschäftsleitung, werden spätere Wertschwankungen durch die sofortige Besteuerung nach § 17 Abs. 5 Satz 1 EStG dagegen nicht erfasst.3 Die Sitzverlegung in einen Nicht-EU-Staat kann für den Gesellschafter daher unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich weniger einschneidend sein als der Wegzug der (Tochter-)Kapitalgesellschaft in einen EU-Staat. 12.50 Nicht wesentliche Beteiligungen. Für Anteile an Kapitalgesellschaften im Privatvermögen einer natürlichen Person, die nicht die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG erfüllen (nicht wesentliche Beteiligungen), fehlt eine Entstrickungsvorschrift. Die Verlegung des Verwaltungssitzes der Kapitalgesellschaft, an der die im Inland 1 Schön, DStJG 43 (2020), 563 (608). 2 Vgl. Mundfortz in Frotscher/Drüen, § 12 KStG Rz. 123 f. (Stand: Januar 2022); Kolbe in H/ H/R, § 12 KStG Anm. 37 (Stand: April 2021). 3 Diese Differenzierung für „systemwidrig und nicht europarechtskonform“ haltend Schmidt in H/H/R, § 17 EStG Anm. 352 a.E. (Stand: September 2017).

752 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

B. Wegzugskonstellationen | Rz. 12.54 Kap. 12

steuerlich ansässige natürliche Person beteiligt ist, hat daher für die natürliche Person keine steuerlichen Auswirkungen. Keine weiteren Besteuerungsfolgen. Weitere Besteuerungsfolgen ergeben sich auf Gesellschafterebene nicht. Insbesondere können sich bei der Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft in einen Mitgliedstaat der EU oder des EWR keine Einkünfte aus Kapitalvermögen für den Gesellschafter ergeben, weil die Gesellschaft aus der Sicht des deutschen Steuerrechts nicht aufgelöst wird und demzufolge auch keine Auskehrungen an den Gesellschafter angenommen werden können.

12.51

(4) Natürliche Person (Anteile im Betriebsvermögen) Allgemeine Entstrickungsregelung. Für Anteile im Betriebsvermögen einer natürlichen Person kann bei einem Ausschluss oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts Deutschlands die allgemeine Entstrickungsvorschrift in § 4 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 EStG eingreifen. Eine Ausnahme für EU-Sachverhalte besteht (anders als bei § 17 Abs. 5 Satz 1 EStG für Anteile im Privatvermögen einer natürlichen Person) nicht. Eine solche Entstrickung sollte aber nur in Ausnahmefällen denkbar sein, weil allein die Verlegung des Verwaltungssitzes der Kapitalgesellschaft in einen anderen Staat im Regelfall nicht dazu führen wird, dass sich die Zuordnung der Beteiligung zu einer inländischen Betriebsstätte des Gesellschafters verändert.

12.52

2. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Personengesellschaft vom Inland in einen EU-/EWR-Staat (Fallgruppe PersG 1.1 und PersG 1.2) a) Sachverhalt Anhand des folgenden Beispiels sollen die gesellschafts- und steuerrechtlichen Konsequenzen der Verlegung des Verwaltungssitzes einer Personengesellschaft in einen EU-/EWR-Staat verdeutlicht werden.

12.53

Beispiel: Die X-GmbH ist die alleinige geschäftsführende Komplementärin der X-KG; die X-KG hat sich auf die Herstellung von Teilen und Zubehör für Kraftfahrzeuge spezialisiert. Die Gesellschafter der X-KG beschließen, den Verwaltungssitz der X-KG von Hamburg in einen Gründungstheoriestaat zu verlegen. Auch der Geschäftsführer der X-GmbH verlegt seinen Wohnsitz dorthin und wird fortan nahezu ausschließlich von dort aus tätig. Im Betriebsvermögen der X-KG ruhen stille Reserven.

b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen Verlegung des Verwaltungssitzes kollisionsrechtlich zulässig, sachrechtlich nach BGH nicht möglich (Fallgruppe PersG 1.1). Vor Inkrafttreten des MoPeG ist auf Basis der Rechtsprechung1 die Verlegung des Verwaltungssitzes in einen Gründungstheoriestaat kollisionsrechtlich möglich. Denn aus Sicht des der Sitztheorie folgenden 1 BGH v. 27.5.1957 – II ZE 317/55, WM 1957, 999 (1000); KG v. 16.4.2012 – 25 W 39/12, ZIP 2012, 1668 f.; OLG Schleswig v. 14.11.2011 – 2 W 48/11 (rkr.), GmbHR 2012, 800 ff.

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 753

12.54

Kap. 12 Rz. 12.54 | Wegzug und Zuzug

deutschen Personengesellschaftskollisionsrechts wird auf das Recht des Zuzugsstaats verwiesen. Das Kollisionsrecht des Gründungstheoriestaates spricht eine Rückverweisung auf deutsches Recht aus, die von diesem angenommen wird. Sachrechtlich ist dem nach überwiegender Auffassung jedoch der Weg versperrt (s. oben Rz. 12.9 und Rz. 12.24). Ein ausländischer Verwaltungssitz würde danach nicht in ein deutsches Handelsregister eingetragen werden können; es fehlt insoweit an der notwendigen Anknüpfung für die Registerzuständigkeit. Somit ergeben sich zwar kollisionsrechtlich keine Hindernisse für eine Verwaltungssitzverlegung, jedoch führt diese sachrechtlich voraussichtlich zur Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft.1

12.55 Abweichende Auffassung, Rechtslage nach Inkrafttreten des MoPeG (Fallgruppe PersG 1.2). Zu einem anderen Ergebnis gelangt man mit der im Vordringen befindlichen Ansicht2 bereits jetzt und spätestens mit Inkrafttreten des MoPeG. Danach stehen der Verwaltungssitzverlegung registergängiger Personengesellschaften sachrechtliche Erwägungen nicht mehr im Weg. Nach geltendem Recht könne bereits ein von dem Verwaltungssitz abweichender Registersitz gewählt werden, nach § 706 BGBMoPeG wird die abweichende Festlegung eines Vertragssitzes ausdrücklich zulässig sein. Die X-KG wäre bereits heute und ist nach Inkrafttreten des § 706 BGB-MoPeG (ggf. i.V.m. § 105 Abs. 3 HGB-MoPeG, § 161 Abs. 2 HGB) mithin weiter nach deutschem Personengesellschaftsrecht zu behandeln. Dies hat zur Folge, dass die X-KG sowohl aus deutscher Sicht als auch aus Sicht des Zuzugsstaates ihre Identität als deutsche KG behält. c) Steuerliche Konsequenzen

12.56 Keine tatsächliche Betriebsaufgabe. Der Wegzug der X-KG in die Niederlande führt nicht zu einer (tatsächlichen) Betriebsaufgabe i.S.v. § 16 Abs. 3 EStG. Wird ein Gewerbebetrieb in andere Geschäftsräume verlegt, handelt es sich nämlich nicht um eine Betriebsaufgabe, selbst wenn die Verlegung mit einer vorübergehenden Betriebseinstellung verbunden ist. Entscheidend ist, ob sich der ursprüngliche und der anderenorts fortgeführte Betrieb bei wirtschaftlicher Betrachtung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung nach den Verhältnissen des Einzelfalls als wirtschaftlich identisch darstellen und demgemäß eine Fortführung des bisherigen Unternehmens – eventuell unter Änderung der innerbetrieblichen Struktur oder der Rechtsform – anzunehmen ist.3 Der wirtschaftliche Betrieb der X-KG ist auch nach der Verlegung des Verwaltungssitzes in die Niederlande identisch mit dem vor der Sitzverlegung bestehenden Betrieb. 1 Fleischer in MünchKomm/HGB5, Vor § 105 Rz. 355. 2 Vgl. statt vieler Koch, ZHR 173 (2009), 101 ff.; Schäfer in Staub5, § 106 HGB Rz. 19; Walden, Das Kollisionsrecht der Personengesellschaften im deutschen, europäischen und USamerikanischen Recht, 2001, 128 ff.; Rumpf/Fingerhuth, IPRax 2008, 90 (93 f.); Pluskat, WM 2004, 601 (609); Roth in Hopt41, § 106 HGB Rz. 8; Haas in Röhricht/von Westphalen/Haas5, § 106 HGB Rz. 11; Fleischer in MünchKomm/HGB5, § 106 Rz. 29 f.; Pentz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn4, § 13 HGB Rz. 20, 26. 3 Vgl. BFH v. 19.4.1966 – I 221/63, BStBl. III 1966, 459; v. 28.6.2001 – IV R 23/00, BStBl. II 2003, 124.

754 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

B. Wegzugskonstellationen | Rz. 12.59 Kap. 12

Vollständige Entstrickung steht gem. § 16 Abs. 3a Halbs. 1 EStG Betriebsaufgabe gleich. Nach § 16 Abs. 3a Halbs. 1 EStG, steht der Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechtes hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung sämtlicher Wirtschaftsgüter des Betriebs einer Betriebsaufgabe gleich. Für die Entstrickung einzelner Wirtschaftsgüter gilt die Entnahmefiktion des § 4 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 EStG. Die Überführung von (Teil-)Betrieben oder einzelnen Wirtschaftsgütern in ausländische Betriebstätten ist ein in beiden Vorschriften als Regelbeispiel aufgeführter Fall des Ausschlusses des deutschen Besteuerungsrechtes (§ 4 Abs. 1 Satz 4, § 16 Abs. 3a Halbs. 2 EStG). Seit der Einführung des § 16 Abs. 3a EStG kommt es im Ergebnis daher nicht mehr darauf an, ob man der früheren Rechtsprechung des BFH folgend („Theorie der finalen Betriebsaufgabe“)1 in der Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland in Verbindung mit dem Verlust des Besteuerungsrechtes nach dem betreffenden DBA eine Betriebsaufgabe erblickt, da diese Rechtsfolge jetzt jedenfalls gem. § 16 Abs. 3a EStG angeordnet wird.

12.57

Teilweise oder vollständige Entstrickung. Sollte die X-KG ihre Produktion in Deutschland belassen und lediglich ihren Ort der Geschäftsleitung in die Niederlande verlegen, würde die X-KG auch nach der Sitzverlegung noch über eine inländische Betriebsstätte verfügen. In diesem Fall sollte es lediglich zur Entstrickung einzelner Wirtschaftsgüter kommen können (§ 4 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 EStG), nicht aber zu einer fiktiven Betriebsausgabe gem. § 16 Abs. 3a Halbs. 1 EStG. Das Beispiel macht deutlich, dass die Verlegung des Verwaltungssitzes der X-KG in das Ausland nicht zwangsläufig zur Aufdeckung sämtlicher stiller Reserven im Betriebsvermögen der X-KG führt.

12.58

Steuerliche Auswirkungen bei Verlust der Rechtsfähigkeit als deutsche Personengesellschaft. Folgt man der Auffassung, dass nach der Verlegung des Verwaltungssitzes das niederländische Sachrecht auf die X-KG anwendbar ist und diese fortan nur eine niederländische Personengesellschaft sein kann, liegt nach der hier vertretenen Auffassung dennoch aus steuerlicher Sicht keine tatsächliche Betriebsaufgabe vor. Es ist – jedenfalls in EU/EWR-Sachverhalten – davon auszugehen, dass sich der Wechsel der Rechtsform der X-KG in eine Rechtsform niederländischen Rechte jedenfalls aus steuerlicher Sicht identitätswahrend vollzieht. Aus ertragsteuerlicher Sicht liegt nach hier vertretener Auffassung ein Wechsel der Rechtsform zwischen verschiedenen Personengesellschaftsformen vor. Ein solcher homogener Formwechsel stellt nach allgemeinen Grundsätzen – auch in rein inländischen Sachverhalten – ein ertragsteuerliches „Nullum“ und ist aus diesem Grund noch nicht einmal im UmwStG geregelt. Liegt in Bezug auf einzelne oder sämtliche Wirtschaftsgüter des (Teil-)Betriebs eine Entstrickung vor, können jedoch die Entstrickungsvorschriften in § 4 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 EStG bzw. § 16 Abs. 3a Halbs. 1 EStG eingreifen.

12.59

1 BFH v. 28.4.1971 – I R 55/66, BStBl. II 1971, 630; v. 13.10.1976 – I R 261/70; v. 28.3.1984 – I R 191/79, BStBl. II 1984, 664.

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 755

Kap. 12 Rz. 12.60 | Wegzug und Zuzug

3. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft vom Inland in einen Drittstaat mit Gründungstheorie (Fallgruppe KapG 1) a) Sachverhalt

12.60 Die Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft in einen Nicht-EUbzw. -EWR-Staat, der die Gründungstheorie vertritt, vollzieht sich außerhalb des Anwendungsbereichs des Unionsrechts und kann daher potentiell andere Folgen nach sich ziehen als die Verwaltungssitzverlegung in einen EU-/EWR-Staat. Beispiel: A und B sind Gesellschafter der X-Holding GmbH, die alle Geschäftsanteile an der A-GmbH hält. Sie beschließen, den Verwaltungssitz der X-Holding GmbH nach Kanada zu verlegen; die Geschäftsführung für die X-Holding GmbH wird in der Folge auch tatsächlich von Kanada aus wahrgenommen.

b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen

12.61 Identitätswahrende Verlegung des Verwaltungssitzes. Nach Änderung des § 4a GmbHG ist es einer GmbH grundsätzlich möglich, ihren Verwaltungssitz auch in einen Drittstaat zu verlegen (s. Kapitel 2 Rz. 2.43). Bei Anwendung der in Deutschland geltenden Sitztheorie kommt es im Beispielsfall allerdings zu einer Gesamtrechtsverweisung auf das kanadische Recht; dies schließt das kanadische Kollisionsrecht mit ein. Nach dem kanadischen Kollisionsrecht unterliegt eine zugezogene Gesellschaft dem Recht ihres Gründungsstaats (Gründungstheorie); das ist hier das deutsche Recht. Diese Rückverweisung nimmt Deutschland an (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 EGBGB). Die X-Holding GmbH unterliegt damit auch nach der Verlegung ihres Verwaltungssitzes nach Kanada dem deutschen Gesellschaftsstatut. Dies hat zur Folge, dass sie sowohl nach deutschem als auch nach kanadischem Recht ihre Identität als (deutsche) GmbH beibehält (Fallgruppe KapG 1 – s. Rz. 12.22). c) Steuerliche Konsequenzen aa) Besteuerungsfolgen für die Gesellschaft

12.62 Keine Auflösung und Abwicklung. Auch bei der Verlegung des Verwaltungssitzes in einen Drittstaat, in dem die Gründungstheorie gilt, kann § 11 KStG mangels tatsächlicher Auflösung und Abwicklung im Grundsatz keine Bedeutung haben. Steuerliche Auswirkungen können sich auch in dieser Wegzugskonstellation ausschließlich aus § 12 Abs. 1 KStG ergeben. Nur dann, wenn die Kapitalgesellschaft wegen der Verlegung des Verwaltungssitzes tatsächlich abgewickelt werden sollte, kann Raum für die Anwendung von § 11 KStG sein. 12.63 Besondere Entstrickungsvorschrift in § 12 Abs. 3 KStG a.F. Hat die Kapitalgesellschaft ihren Satzungssitz in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR (z.B. in dem Beispiel in Deutschland), wird mit der Verlegung des Verwaltungssitzes in einen Drittstaat regelmäßig nicht die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR enden. Da die Kapitalgesellschaft auch nach der Verlegung des Verwaltungssitzes somit unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig in 756 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

B. Wegzugskonstellationen | Rz. 12.66 Kap. 12

einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR bleibt, war die frühere Sonderregelung in § 12 Abs. 3 Satz 1 KStG a.F. in dem Beispiel nicht anwendbar. Die Verlegung des Verwaltungssitzes in einen Drittstaat führt jedoch (ungeachtet der Aufrechterhaltung der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR) regelmäßig dazu, dass die Kapitalgesellschaft nach den Vorschriften des betreffenden DBA als in dem Drittstaat ansässig gilt (Art. 4 Abs. 3 OECD-MA 2017). In diesem Fall waren die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 Satz 2 KStG a.F. erfüllt. Nach der Aufhebung des § 12 Abs. 3 KStG a.F. durch das KöMoG ergeben sich die steuerlichen Folgen eines solchen Wegzugs ausschließlich nach der allgemeinen Entstrickungsregelung in § 12 Abs. 1 KStG. bb) Besteuerungsfolgen für den Gesellschafter

Allgemeine Entstrickungsregelungen. Auf Ebene des Gesellschafters sind die allgemeinen Entstrickungsvorschriften in § 12 Abs. 1 KStG (körperschaftsteuerpflichtige Anteilseigner, hierzu in Rz. 12.49) und § 17 Abs. 5 Satz 1 EStG1 (Veräußerungsfiktion zum gemeinen Wert bei natürlichen Personen als Anteilseignern, hierzu in Rz. 12.51) anwendbar. Nach der Aufhebung des § 12 Abs. 3 KStG a.F. durch das KöMoG führt die Verlegung des Verwaltungssitzes in einen Drittstaat nicht mehr zu einer fiktiven Auflösung der Kapitalgesellschaft. Es stellt sich damit mit Wirkung ab dem VZ 2022 auch nicht mehr die Frage, ob es wegen der durch § 12 Abs. 3 KStG a.F. ehemals angeordneten entsprechenden Anwendung von § 11 KStG zu steuerlichen Folgen beim Gesellschafter im Rahmen einer fiktiven Liquidation der (Tochter-)Kapitalgesellschaft kommt.

12.64

4. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Personengesellschaft vom Inland in einen Drittstaat mit Gründungstheorie (Fallgruppen PersG 1.1 und 1.2) a) Sachverhalt Auch die Verlegung des Verwaltungssitzes einer Personengesellschaft in einen Drittstaat vollzieht sich außerhalb des Anwendungsbereichs des Unionsrechts.

12.65

Beispiel: Die X-GmbH ist alleinige geschäftsführende Komplementärin der gewerblich tätigen X-KG. Die Gesellschafter der X-KG beschließen, den Verwaltungssitz der X-KG von Berlin nach New York zu verlegen. Auch der Geschäftsführer der X-GmbH verlegt seinen Wohnsitz in die USA und wird fortan von dort aus für die X-GmbH tätig. In Deutschland bleiben keine Aktivitäten der X-KG zurück, so dass die X-KG nach dem Wegzug in Deutschland über keine Betriebsstätte im steuerlichen Sinne mehr verfügt.

b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen Identitätswahrende Verlegung des Verwaltungssitzes. Spätestens nach künftigem2 Recht (also nach Inkrafttreten des MoPeG am 1.1.2024) kann auch eine Personenge1 Die Ausnahme für EU-/EWR-Sachverhalte in § 17 Abs. 5 Satz 2 EStG ist für die Verlegung des Verwaltungssitzes in Drittstaaten nicht anwendbar. 2 Zur derzeitigen Rechtslage vgl. oben Rz. 12.8.

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 757

12.66

Kap. 12 Rz. 12.66 | Wegzug und Zuzug

sellschaft ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlegen, ohne dass das deutsche Sachrecht daran die Auflösung der Gesellschaft knüpft. Ihr Schicksal richtet sich allein danach, ob der Zuzugsstaat – hier also die USA – auf die zugezogene Gesellschaft sein eigenes Recht (Sitztheorie) oder das Recht des Gründungsstaats Deutschland (Gründungstheorie) anwendet (s. Rz. 12.14). Nach dem einschlägigen US-amerikanischen Kollisionsrecht unterliegt eine zugezogene Gesellschaft dem Recht ihres Gründungsstaats; das ist hier das deutsche Recht. Diese Rückverweisung nimmt Deutschland an (Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Sowohl die X-GmbH als auch die X-KG unterliegen damit auch nach der Verlegung ihres jeweiligen Verwaltungssitzes in die USA dem deutschen Gesellschaftsstatut. Dies hat zur Folge, dass sie sowohl aus deutscher als auch aus US-amerikanischer Sicht ihre Identität als (deutsche) GmbH bzw. KG beibehalten.1 In jedem Fall behält die X-KG ihre Identität als deutsche KG ab dem Jahr 2024 (Inkrafttreten der Änderungen durch das MoPeG, Rz. 12.9). c) Steuerliche Konsequenzen

12.67 Da sich der Wegzug somit identitätswahrend vollzieht, führt der Wegzug der X-KG in die USA zwar nicht zu einer Betriebsaufgabe i.S.v. § 16 Abs. 3 EStG, wohl aber in dem Beispiel zu einer solchen nach § 16 Abs. 3a Halbs. 1 EStG. Insoweit gilt hier das zum Wegzug einer Personengesellschaft in einen EU/EWR-Staat Gesagte entsprechend (s. Rz. 12.60 ff.). Eine Verschärfung der steuerlichen Konsequenzen gegenüber dem Wegzug in einen EU/EWR-Staat ergibt sich aber insoweit, als in Drittstaatskonstellationen keine Steuerstundung über fünf Jahre möglich ist (vgl. im Umkehrschluss den nur für EU/EWR-Sachverhalte anwendbaren § 36 Abs. 5 EStG). 5. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft vom Inland in einen Drittstaat mit Sitztheorie (Fallgruppe KapG 2) a) Sachverhalt

12.68 Die Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft in einen Drittstaat, der die Sitztheorie vertritt, unterscheidet sich von der Verlegung in einen Gründungstheorie-Drittstaat durch die gespaltene kollisionsrechtliche Würdigung dieses Sachverhalts durch Deutschland und den Zuzugsstaat. Beispiel: A ist Gesellschafter der X-GmbH, die alle Geschäftsanteile an der A-GmbH hält. Er beschließt, den Verwaltungssitz der X-GmbH in den Drittstaat X zu verlegen, in dem die Sitztheorie gilt. Die Geschäftsführung der X-GmbH wird in der Folge auch tatsächlich vom Drittstaat X aus wahrgenommen.

1 Voraussetzung für dieses Ergebnis ist, dass das deutsche Sachrecht – entsprechend der hier vertretenen Auffassung – die Verlegung des Verwaltungssitzes durch eine Personengesellschaft ohne Identitätsverlust zulässt; a.A. Gesell in diesem Handbuch, Kapitel 2 Rz. 2.47.

758 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

B. Wegzugskonstellationen | Rz. 12.70 Kap. 12

b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen

Statutenverdopplung. Eine GmbH darf nach deutschem Sachrecht ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlegen. Nimmt man mit der hier vertretenen Ansicht an, dass § 4a GmbHG auch einen kollisionsrechtlichen Gehalt hat1, unterliegt die X-GmbH nach der Sitzverlegung aus deutscher Sicht weiterhin deutschem Sachrecht. Da im Staat X die Sitztheorie gilt, beurteilt dieser Staat die X-GmbH nach seinem nationalen Sachrecht. Es kommt zu einer Statutenverdopplung (Fallgruppe KapG 2). Da die X-GmbH die Gründungsvoraussetzungen für Kapitalgesellschaften im Staat X nicht erfüllt (sie ist insbesondere nicht in ein Register des Staates X eingetragen), wird sie dort voraussichtlich als Personengesellschaft des Staates X behandelt. Folgt man der Ansicht, die § 4a GmbHG als reine Sachnorm interpretiert, folgt aus der Sitztheorie ein Verweis auf das Recht des Staates X, der den Verweis annimmt. Nur in diesem Fall stellt sich die Frage nach den Folgen für die X-GmbH. Mit der h.M., kommt es dann zur Auflösung der X-GmbH und zur Fortführung des Betriebes in einer nach dem Recht des Staates X neu zu gründenden (Personen-)Gesellschaft. Die Sitzverlegung ist danach in diesem Fall nicht identitätswahrend möglich. Der Vorgang des Wegzugs kann zwar auch als Formwechsel sui generis erklärt werden. Diese Sichtweise, die zu einer rechtlichen Identität zwischen der weggezogenen Kapitalgesellschaft und der durch den Zuzug im Ausland entstehenden (ausländischen) Personengesellschaft führen würde, ist jedoch bislang in der Rechtsprechung nicht anerkannt. Das Unionsrecht hat für diese Konstellation keine Bedeutung, weil der Verwaltungssitz in einen Drittstaat verlegt wird.

12.69

c) Steuerliche Konsequenzen Drohende Gewinnrealisierung bei Auflösung und Neugründung. Für die steuerliche Behandlung des Wegzugs kommt es damit entscheidend darauf an, wie sich die Transformation von einer GmbH deutschen Rechts in eine Personengesellschaft des ausländischen Rechts gesellschaftsrechtlich vollzieht. Ist gesellschaftsrechtlich von einer Auflösung und Neugründung mit Vermögensübergang auszugehen, ist die Gesellschaft auch steuerrechtlich als aufgelöst anzusehen (Anwendung von § 11 KStG). Hieran ändert auch die Streichung des § 12 Abs. 3 KStG a.F. durch das KöMoG nichts. Durch § 12 Abs. 3 KStG a.F. wurde eine Auflösung der Gesellschaft fingiert und eine entsprechende Anwendung des § 11 KStG auch für den Fall angeordnet, dass die Gesellschaft z.B. in einen Drittstaat verzog, welcher die Gründungstheorie verfolgte, so dass im konkreten Fall eine zivilrechtliche Auflösung ausblieb. Liegt aber bereits gesellschaftsrechtlich eine Auflösung vor, bedarf es hierfür keiner gesonderten steuerlichen Anordnung. Jedenfalls liegt in einem solchen Fall eine Auflösung als erste Voraussetzung einer Besteuerung nach § 11 KStG zivil- und steuerrechtlich vor. Zwar sollen sich steuerliche Folgen nach der Auflösung einer Kapitalgesellschaft nach allgemeinen Grundsätzen erst dann ergeben, wenn diese auch tatsächlich abgewickelt wird.2 Geht man davon aus, dass es zu einem Vermögensübergang auf die 1 So auch J. Schmidt in Michalski3, § 4a GmbHG Rz. 14; vgl. zum Streitstand oben Rz. 12.13. 2 Vgl. Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 510 (Stand: März 2022); Kolbe in H/H/R, § 12 KStG Anm. 32 und 61 (Stand: April 2021).

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 759

12.70

Kap. 12 Rz. 12.70 | Wegzug und Zuzug

neu gegründete (ausländische) Personengesellschaft kommt, müsste richtigerweise jedoch gleichzeitig auch eine Abwicklung der deutschen Kapitalgesellschaft angenommen werden. Anders ließe sich nicht erklären, warum zwar das Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft nach deren Wegzug ins Ausland der (ausländischen) Personengesellschaft zugerechnet werden kann, es jedoch dennoch nicht zu einer Abwicklung bei der Kapitalgesellschaft gekommen sein soll. Die Anwendung von § 11 KStG hätte zur Folge, dass die gesamten stillen Reserven in dem Betriebsvermögen der GmbH aufgedeckt und versteuert werden müssten. Dies wäre selbst insoweit der Fall, als z.B. eine deutsche Betriebsstätte verbleibt und das Besteuerungsrecht Deutschlands hinsichtlich eines Gewinns aus der Veräußerung des Betriebsstättenvermögens tatsächlich gar nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Einschneidende steuerliche Konsequenzen würden sich auch auf Ebene des Gesellschafters ergeben, bei dem sich nach den allgemeinen Vorschriften ein Auflösungsgewinn- oder -verlust ergeben würde. Gewinnrealisierung bei verdeckter Gewinnausschüttung. Selbst wenn man eine Abwicklung der Kapitalgesellschaft infolge des Wegzugs und die damit verbundene Anwendung von § 11 KStG ablehnen sollte, könnte sich eine Besteuerung auch aus den Vorschriften über die verdeckte Gewinnausschüttung ergeben. Da die neu gegründete (ausländische) Personengesellschaft nach dem Wegzug Inhaberin des Betriebsvermögens der weggezogenen Kapitalgesellschaft ist, könnte dieser Vorgang aus steuerlicher Sicht als verdeckte Gewinnausschüttung der Kapitalgesellschaft an ihre Anteilseigner und Wiedereinlage in die (ausländische) Personengesellschaft erklärt werden. Eine solche verdeckte Gewinnausschüttung vollzieht sich nach allgemeinen Grundsätzen unter Aufdeckung sämtlicher stiller Reserven in dem ausgeschütteten (Sach-)Vermögen der Kapitalgesellschaft.1 Im Ergebnis würden sich identische steuerliche Folgen für die Kapitalgesellschaft und die Gesellschafter wie bei einer Anwendung von § 11 KStG (Auflösung und Abwicklung) ergeben. Formwechsel sui generis. Sofern man den Wegzug dagegen selbst bei einem Statutenwechsel als Formwechsel sui generis ansieht, der sich aus gesellschaftsrechtlicher Sicht identitätswahrend vollzieht, stellt sich die Frage, ob sich in diesem Fall weniger einschneidende steuerliche Folgen für die Kapitalgesellschaft und deren Gesellschafter ergeben. Denkbar wäre insbesondere eine Anwendung der Vorschriften des UmwStG auf diesen Formwechsel sui generis. Der persönliche Anwendungsbereich des UmwStG könnte für einen solchen Vorgang mittlerweile eröffnet sein. Mit der ersatzlosen Aufhebung des § 1 Abs. 2 UmwStG zum 1.1.2022 durch das KöMoG wurde der Anwendungsbereich des UmwStG in weiten Teilen internationalisiert. Der sachliche Anwendungsbereich des UmwStG ist nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwStG für den Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft i.S.d. § 190 Abs. 1 UmwG „oder vergleichbare ausländische Vorgänge“ eröffnet. Geht man davon aus, dass sich der Formwechsel sui generis aus gesellschaftsrechtlicher Sicht identitätswahrend vollzieht, könnten die für die Prüfung der Vergleichbarkeit relevanten Kriterien auch bei einem solchen Formwechsel erfüllt sein.2 In diesem Fall 1 Vgl. Gosch4, § 8 KStG Rz. 383. 2 Zur Vergleichbarkeit z.B. Möhlenbrock in D/P/M, § 1 KStG Rz. 111 ff. und zu einem grenzüberschreitenden Formwechsel in Rz. 111b (Stand: Dezember 2015).

760 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

B. Wegzugskonstellationen | Rz. 12.73 Kap. 12

würden für den Vorgang die Regelungen der §§ 9 Satz 1, 3 bis 8 UmwStG gelten. Insbesondere könnte in einem solchen Fall auf Antrag die Aufdeckung der stillen Reserven auf Ebene der Kapitalgesellschaft vermieden werden (§§ 9 Satz 1, 3 Abs. 2 UmwStG). Dies gilt jedoch nur insoweit, als es nicht zu einer Entstrickung kommt (§§ 9 Satz 1, 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG).1 Diese steuerlichen Folgen sind aber alles andere als gesichert. Insbesondere könnte man bei der Verlegung des Verwaltungssitzes in einen Sitztheorie-Drittstaat an der Erfüllung der Vergleichbarkeitskriterien zweifeln, wenn sich der hierdurch hervorgerufene „Formwechsel“ aufgrund des Verlustes der Rechtsfähigkeit der deutschen GmbH im Inland und der Neugründung einer ausländischen Personengesellschaft vollzieht. Aus den Vorschriften des Unionsrechts kann für diese Konstellation jedenfalls keine entsprechende Anwendung der Vorschriften des UmwStG abgeleitet werden, weil der Wegzug in einem Drittstaat nicht dem Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit unterfällt. Es bleibt daher dabei, dass eine (zumindest partielle) Ertragsteuerneutralität des Wegzugs in einen Sitztheorie-Drittstaat über die Vorschriften des UmwStG nicht gesichert ist, selbst wenn man den Wegzug in den Drittstaat als Formwechsel sui generis begreift. Eine verbindliche Klärung mit der Finanzverwaltung vor Durchführung der Maßnahme ist daher dringend zu empfehlen. Steuerliche Behandlung bei Statutenverdoppelung. Nimmt man in dieser Konstellation eine Statutenverdoppelung vor, spricht sehr viel dafür, dass es auch aus steuerlicher Sicht nicht zu einer Auflösung und Abwicklung der deutschen Kapitalgesellschaft kommt und dieser aus deutscher steuerlicher Sicht weiterhin unverändert ihr gesamtes Betriebsvermögen zuzurechnen ist. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob die allgemeine Entstrickungsregelung (§ 12 Abs. 1 KStG) eingreift.

12.71

6. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Personengesellschaft vom Inland in einen Drittstaat mit Sitztheorie (Fallgruppe PersG 2) a) Sachverhalt Die gesellschafts- und steuerrechtlichen Folgen, die eintreten, wenn eine Personengesellschaft ihren Verwaltungssitz in einen Drittstaat mit Sitztheorie verlegt, werden anhand des nachfolgenden Beispiels erörtert.

12.72

Beispiel: Die X-GmbH ist alleinige Komplementärin der gewerblich tätigen X-KG und alleine zur Geschäftsführung befugt. Sie verlegt ihren Verwaltungssitz nebst einziger Betriebsstätte von Deutschland in den Staat X, in dem die Sitztheorie gilt. Der Kommanditist A verbleibt in Deutschland. Das mit dem Staat X geschlossene DBA entspricht dem OECD-MA.

b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen Auflösung und Neugründung. Das künftige2 deutsche Sachrecht (§ 706 BGB-MoPeG) gestattet Personengesellschaften, ihren Sitz ins Ausland zu verlegen (s. 1 Möhlenbrock in D/P/M, § 1 KStG Rz. 112a. (Stand: Dezember 2015). 2 Zur derzeitigen Rechtslage vgl. oben Rz. 12.8.

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 761

12.73

Kap. 12 Rz. 12.73 | Wegzug und Zuzug

Rz. 12.14). Nach der in Deutschland geltenden Sitztheorie unterliegt die X-GmbH nach der Sitzverlegung jedoch der Rechtsordnung des Staates X. Da auch im Staat X die Sitztheorie gilt, nimmt dieser den Rechtsverweis an und es kommt zu einem Statutenwechsel (Fallgruppe PersG 2). Da die X-GmbH die Gründungsvoraussetzungen für Kapitalgesellschaften im Staat X nicht erfüllt (sie ist insbesondere nicht in ein Register des Staats X eingetragen), wird sie dort als Personengesellschaft des Staats X behandelt. Da die X-GmbH alleinige zur Geschäftsführung berechtigte Gesellschafterin der X-KG ist, wird mit der Verlegung ihres Verwaltungssitzes auch der Verwaltungssitz der X-KG in den Staat X verlegt mit der Folge, dass auch die X-KG ihre Identität als deutsche KG verliert. Im Staat X kann sie nur in einer entsprechenden Rechtsform des Staats X am Rechtsverkehr teilnehmen. c) Steuerliche Konsequenzen

12.74 Vermögensübergang bei Auflösung und Neugründung. Auch in diesem Fall stellt sich die Vorfrage, wie sich die Transformation von einer (GmbH & Co.) KG deutschen Rechts in eine Personengesellschaft des ausländischen Rechts gesellschaftsrechtlich vollzieht. Nach der h.M. kommt es hier zur Auflösung und Neugründung mit Vermögensübergang (s. Rz. 12.26). 12.75 Betriebsaufgabe. Wird aber die deutsche GmbH & Co. KG infolge der Sitzverlegung aufgelöst und geht das Vermögen auf eine (nach dem Recht des Staates X) neu gegründete Personengesellschaft über, kommt es hier steuerlich zunächst zu einer Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 Satz 1 EStG). Dies hat zur Folge, dass der Gesellschafter A – unabhängig davon, ob die Betriebsstätte ebenfalls in den Staat X verlegt wird – die stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern, die der deutschen Betriebsstätte funktional zuzurechnen sind (u.a. auch das Betriebsgrundstück), aufzudecken und zu versteuern hat. Deutschland hätte für einen entsprechenden Betriebsaufgabegewinn auch das Besteuerungsrecht (Art. 6 Abs. 1, 4, Art. 13 Abs. 1, 2 OECD-MA 2017). 12.76 UmwStG nicht anwendbar. Vermeiden ließe sich die Aufdeckung und Versteuerung der stillen Reserven nur, wenn in diesem Fall die Voraussetzungen des § 24 UmwStG erfüllt wären. Dies ist jedoch nicht der Fall. Zwar hat diese Vorschrift einen globalen Anwendungsbereich, die sachlichen Voraussetzungen der Vorschrift sind aber nicht erfüllt. Denn durch die Verlagerung der einzigen Betriebsstätte in den Staat X unterliegen die von ihr erwirtschafteten laufenden Einkünfte und Veräußerungsgewinne nach Art. 7 Abs. 1, 13 Abs. 1 OECD-MA 2017 ab dem Wegzug der Besteuerung im Staat X. Eine ertragsteuerneutrale Einbringung nach § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG setzt jedoch voraus, dass das Besteuerungsrecht Deutschlands hinsichtlich der Besteuerung des eingebrachten Betriebsvermögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. 12.77 § 6 Abs. 5 EStG nicht anwendbar. Aus diesem Grund scheitert auch eine Anwendung von § 6 Abs. 5 EStG, der ebenfalls voraussetzt, dass die „Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist“. Überdies würde es sich hierbei um einen Fall der Übertragung von Betriebsvermögen zwischen Schwesterpersonengesellschaften handeln; bisher ist noch nicht abschließend geklärt, ob auch ein solcher Fall von § 6 Abs. 5 762 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

B. Wegzugskonstellationen | Rz. 12.80 Kap. 12

EStG erfasst ist.1 Gegen eine Anwendung von § 6 Abs. 3 EStG scheint zu sprechen, dass die Übertragung hierfür unentgeltlich erfolgen müsste. Da der Gesellschafter Mitunternehmer der neu gegründeten (ausländischen) Personengesellschaft wird, könnte möglicherweise hierin eine Gewährung von Gesellschaftsrechten als Gegenleistung für die Einbringung der Wirtschaftsgüter gesehen werden. Formwechsel sui generis. Sofern man auch in diesem Fall einen Formwechsel sui generis sieht, könnten dagegen die Vorschriften des UmwStG einschlägig sein (vgl. im Einzelnen Rz. 12.70). Dies ist jedoch alles andere als geklärt.

12.78

7. Grenzüberschreitender Formwechsel einer Kapitalgesellschaft (Fallgruppe KapG 3) a) Sachverhalt Bei der Verlegung des Satzungssitzes einer Kapitalgesellschaft unterscheidet sich bereits der gesellschaftsrechtliche Rahmen grundlegend von Fällen, in denen lediglich der Verwaltungssitz verlegt wird.

12.79

Beispiel: Die XYZ-AG mit Sitz und Geschäftsleitung in München stellt seit Jahrzehnten erfolgreich Waschmaschinen her. Die Hauptversammlung der XYZ-AG beschließt, die Rechtsform der XYZ-AG im Wege des grenzüberschreitenden Formwechsels in die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft nach dem Recht des Großherzogtums Luxemburg umzuwandeln und den Satzungssitz der Gesellschaft nach Luxemburg zu verlegen.

b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen Identitätswahrender Formwechsel. Die Hauptversammlung der XYZ-AG kann gem. §§ 333 ff. UmwG) die Umwandlung der Rechtsform der XYZ-AG im Wege eines grenzüberschreitenden Formwechsels ohne Auflösung, Abwicklung oder Liquidation in eine Rechtsform des Großherzogtums Luxemburg und damit verbunden die Verlegung ihres satzungsmäßigen Sitzes unter Beibehaltung ihrer Rechtspersönlichkeit von Deutschland nach Luxemburg beschließen. Das Wirksamwerden des grenzüberschreitenden Formwechsels hat keine Änderung der Zuordnung von Rechten, Pflichten und Rechtspositionen zur Folge. Vielmehr bestimmt § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG i.V.m. § 333 Abs. 2 Nr. 1 UmwG u.a., dass das gesamte Aktiv- und Passivvermögen der Gesellschaft, einschließlich aller Verträge, Kredite, Rechte und Pflichten, bei der umgewandelten Gesellschaft verbleibt (Fallgruppe KapG 3).

1 Vgl. auf der einen Seite BFH v. 15.4.2010 – IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971 (für eine Anwendung von § 6 Abs. 5 EStG) und auf der anderen Seite BFH v. 25.11.2009 – I R 72/08, BStBl. II 2010, 471 (gegen eine Anwendung von § 6 Abs. 5 EStG); anhängiges Verfahren des BVerfG – 2 BvL 8/13.

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 763

12.80

Kap. 12 Rz. 12.81 | Wegzug und Zuzug

c) Steuerliche Konsequenzen

12.81 Verlegung in einen EU/EWR-Staat. Kommt es zu einem grenzüberschreitenden Formwechsel im Anschluss an die EuGH-Urteile VALE1 und Polbud2 bzw. zukünftig auf der Grundlage der durch die GesRL-RL geänderten Vorschriften des UmwG (Rz. 12.21), ist für eine Besteuerung nach § 11 KStG von vornherein kein Raum, weil sich der Wegzug nach Luxemburg identitätswahrend vollzieht. In diesem Fall ist allein die Entstrickungsregelung des § 12 Abs. 1 KStG anwendbar. Verlegt die Gesellschaft ausschließlich ihren Satzungssitz und verbleibt der Verwaltungssitz (Ort der Geschäftsleitung) im Inland, bleibt auch regelmäßig die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht der Gesellschaft erhalten, da der Verwaltungssitz in der Regel dem Ort der Geschäftsleitung i.S.d. § 10 AO entspricht.3 Eine Entstrickung (§ 12 Abs. 1 Satz 1 KStG) sollte dann die Ausnahme sein. Erst bei gleichzeitiger Verlegung von inländischem Satzungs- und Verwaltungssitz oder bei Verlegung des Satzungssitzes, während der Verwaltungssitz sich bereits im Ausland befindet, kommt ein Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts und damit eine Besteuerung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG in Betracht. 12.82 Verlegung in einen Drittstaat. Die Anwendung von § 11 KStG zur Auflösung und Abwicklung auf die Verlegung des Satzungssitzes einer deutschen Kapitalgesellschaft in das Ausland setzt voraus, dass die Kapitalgesellschaft tatsächlich aufgelöst und abgewickelt wird. Es reicht danach nicht aus, dass die Kapitalgesellschaft abzuwickeln ist oder nach gesellschaftsrechtlichen Maßstäben als aufgelöst gilt. Damit es zu einer Besteuerung auf Ebene der Kapitalgesellschaft kommt, muss vielmehr auch eine Abwicklung stattfinden.4 Allein die Fiktion einer Auflösung führt noch nicht zu einer Aufdeckung der stillen Reserven, da die allgemeinen Realisationsgrundsätze durch die Auflösung nicht außer Kraft gesetzt werden. Auch der durch das KöMoG aufgehobene § 12 Abs. 3 KStG a.F. ging offenbar davon aus, dass die Verlegung des Satzungssitzes noch nicht zwingend zu einer Abwicklung führt und es deshalb auch nicht zwangsläufig zu einer Aufdeckung der stillen Reserven kommt; andernfalls hätte keine entsprechende Anwendung von § 11 KStG angeordnet werden müssen, sondern es wäre § 11 KStG unmittelbar anwendbar gewesen und es hätte des § 12 Abs. 3 KStG a.F. nicht bedurft.5 Festzuhalten ist danach, dass es zu einer Besteuerung auf Ebene der gesellschaftsrechtlich als aufgelösten Kapitalgesellschaft nur insoweit kommt, als diese nach allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen während der etwaigen Abwicklung (Liquidation) einen Gewinn erzielt. Wird wie in dem gebildeten Beispiel lediglich der Satzungssitz in das Ausland verlegt, verbleibt aber der Ort der Geschäftsleitung in Deutschland, sollte es durch diesen Vorgang regelmäßig nicht zu einer Entstrickung von Wirtschaftsgütern (§ 12 Abs. 1 Satz 1 KStG) kommen. 1 2 3 4

EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10 – VALE, NJW 2012, 2715. EuGH, v. 25.10.2017 – C-106/16 – Polbud, DStR 2017, 2684. Vgl. Musil in HHSp, § 10 AO Rz. 37 (Stand: Oktober 2020). Hackemann in Bott/Walter, KStG, § 12 Rz. 66 (Stand: September 2021); vgl. Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 510 (Stand: März 2022); Kolbe in H/H/R, § 12 KStG Anm. 61 (Stand: April 2021); Lampert in Gosch4, § 12 KStG Rz. 157 ff. 5 Vgl. Kolbe in H/H/R, § 12 KStG Anm. 32 (Stand: April 2021).

764 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

B. Wegzugskonstellationen | Rz. 12.83 Kap. 12

Gesellschafter (Verlegung in einen EU/EWR-Staat). Im Falle des grenzüberschreitenden Formwechsels (EuGH-Rechtsprechung in der Rs. VALE und Polbud bzw. zukünftig auf der Grundlage der GesR-RL) können sich steuerliche Folgen für den Gesellschafter dann ergeben, wenn das Besteuerungsrecht Deutschlands hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an der Kapitalgesellschaft ausgeschlossen oder beschränkt wird (Rz. 12.48 ff.). Hiervon abgesehen sollten sich jedoch keine steuerlichen Folgen für den Gesellschafter ergeben, wenn die angestrebte Rechtsform des Formwechsels die einer aus deutscher Sicht anderen Kapitalgesellschaft nach dem Recht des Zuzugsstaats ist. Es gibt keine Rechtsnorm, die Regelungen für die Besteuerung der Anteilseigner bei einer grenzüberschreitenden Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft anderer Rechtsform bereithält. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwStG erwähnt lediglich „den Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft [...] oder vergleichbare ausländische Vorgänge“, womit der Gesetzgeber eine Regelung für die Besteuerung eines solchen „homogenen Formwechsels“ bereits innerhalb der deutschen Rechtsordnung nicht trifft.

Der Vorgang sollte aber nach allgemeinen Grundsätzen keine ertragsteuerlichen Folgen für die Gesellschafter haben.1 Es ist allgemeine Meinung, dass sich der homogene Formwechsel identitätswahrend vollzieht und auch das Steuerrecht dieser Wertung folgt; der homogene Formwechsel ist ertragsteuerlich folglich als „Nullum“ anzusehen.2 Dies gilt neben der Gesellschafts- auch für die Gesellschafterebene, da ein Formwechsel innerhalb des Kapitalgesellschaftsrechts auch zu keiner ertragsteuerlichen Realisation im Hinblick auf die Anteile an der formgewechselten Gesellschaft führt.3 Auch die Finanzverwaltung impliziert mit dem Umwandlungserlass 2011 diese Auffassung, indem sie nur den sog. „kreuzenden Formwechsel“ zwischen Kapital- und Personengesellschaften und nicht den homogenen Formwechsel als Veräußerungstatbestand aufführt.4 Die steuerliche Behandlung des homogenen Formwechsels zwischen zwei Kapitalgesellschaften beruht darauf, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung zu den prägenden Merkmalen eines Formwechsels „die Änderung der Rechtsform eines Rechtsträgers unter Wahrung seiner rechtlichen Identität, und zwar grundsätzlich unter Beibehaltung des Kreises der Anteilseigner“ gehört.5 Eine Vermögensübertragung findet zivilrechtlich nicht statt.6 Diese Merkmale gelten auch für Formwechselvorgänge nach ausländischem Recht.7 Die Behandlung eines solchen 1 Z.B. Graw in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, UmwStG, § 1 Rz. 11; Schnitter in Frotscher/Drüen, § 9 UmwStG Rz. 3 (Stand: Januar 2022). 2 Vgl. Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl9, § 9 UmwStG Rz. 3; Abele in Sagasser/Bula/Brünger6, Umwandlungen, 5., § 28 Rz. 22. 3 Vgl. Brinkmann in Schneider/Ruoff/Sistermann, Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 2012, H 0.14. 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. II 2011, 1314 Rz. 00.03. 5 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. II 2011, 1314 Rz. 01.11. 6 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. II 2011, 1314 Rz. 01.11. 7 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. II 2011, 1314 Rz. 01.39.

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 765

12.83

Kap. 12 Rz. 12.83 | Wegzug und Zuzug

Formwechsels als ertragsteuerliches „Nullum“ beruht somit nicht auf einer besonderen gesetzlichen Anordnung, sondern ergibt sich bereits daraus, dass ein solcher Vorgang tatbestandlich nach allgemeinen steuerlichen Grundsätzen nicht zu einem Realisationsvorgang führt. Für die steuerliche Behandlung als „Nullum“ ist somit keine eigenständige steuerliche Vorschrift erforderlich. Selbiges sollte allein schon aufgrund der Niederlassungsfreiheit für vergleichbare grenzüberschreitende Formwechsel in das EU/EWR-Ausland gelten. Nach der hier vertretenen Meinung bringt der grenzüberschreitende Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft der Rechtsordnung eines anderen EU/EWR-Staates somit keine ertragsteuerlichen Folgen für die Gesellschafter mit sich. Eine steuerliche Auswirkung ergibt sich aber dann, wenn der Rechtsformwechsel in der Form einer ausländischen Gesellschaft mündet, die mit einer deutschen Personengesellschaft vergleichbar ist. Dieser Vorgang wäre dann im Grundsatz als vergleichbarer ausländischer Vorgang von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwStG erfasst. Die Vergleichbarkeit ist anhand eines Rechtsformvergleiches festzustellen.1 Ist die Vergleichbarkeit gegeben, ergeben sich Besteuerungsfolgen nach den Vorschriften der §§ 9, 3 bis 8 und 18 UmwStG.

12.84 Gesellschafter (Verlegung in einen Drittstaat). Bezüglich der steuerlichen Folgen auf Ebene des Gesellschafters ist zu beachten, dass die Kapitalgesellschaft mit der Verlegung des Satzungssitzes nicht etwa aus steuerlicher Sicht transparent wird oder als Personengesellschaft zu behandeln ist, sondern nach wie vor als Kapitalgesellschaft besteuert wird. Dies hat im Fall der Verlegung des Satzungssitzes in einen Drittstaat zur Folge, dass auch für den Gesellschafter die allgemeinen Grundsätze für die Beteiligung an einer in Auflösung befindlichen Kapitalgesellschaft gelten, wenn man der Auffassung folgt, die den Beschluss über die Satzungssitzverlegung als Auflösungsbeschluss interpretiert. Danach erzielt der Gesellschafter Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG mit den Bezügen, die während der Liquidationsphase der Körperschaft anfallen und die nicht in der Rückzahlung von Nennkapital bestehen und auch nicht aus dem steuerlichen Einlagekonto der Kapitalgesellschaft stammen. Ohne die tatsächliche Auskehrung von Vermögen an die Anteilseigner ergeben sich danach zunächst keine steuerlichen Folgen auf Ebene des Gesellschafters. Sollte man den Beschluss sogar als nichtig erachten, ergeben sich keine Änderungen bei der Besteuerung des Anteilseigners. Auch hier gilt das Zuflussprinzip unverändert fort. d) Europäische Gesellschaft (SE)

12.85 Keine Auflösung und Neugründung bei Verlegung des Satzungssitzes. Der Satzungssitz und die Hauptverwaltung (Verwaltungssitz) einer SE müssen nach Art. 7 Satz 1 SE-VO in demselben Mitgliedstaat liegen. Eine SE kann danach nur gleichzeitig ihren Satzungssitz und die Hauptverwaltung (in einen anderen Mitgliedstaat der 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. II 2011, 1314 Rz. 01.27; vgl. Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl9, § 1 UmwStG Rz. 50; Mückl in BeckOK, UmwStG, § 1 Rz. 173 (Stand: Juni 2022).

766 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

B. Wegzugskonstellationen | Rz. 12.88 Kap. 12

EU oder des EWR1) verlegen. Dabei wird auf der einen Seite in Art. 8 Abs. 1 Satz 1 SE-VO ausdrücklich bestimmt, dass eine Verlegung des Satzungssitzes zulässig ist. Auf der anderen Seite wird in Art. 8 Abs. 1 Satz 2 SE-VO ausdrücklich klargestellt, dass diese Verlegung weder zur Auflösung der SE noch zur Gründung einer neuen juristischen Person führt. Nationales Steuerrecht anwendbar. Für die Besteuerung der SE bestehen in der SEVO keine Regelungen. In den Erwägungsgründen der SE-VO und in Art. 9 Abs. 1 Buchst. c Doppelbuchst. ii SE-VO wird vielmehr klargestellt, dass das Steuerrecht nicht von der SE-VO erfasst wird und daher die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten und das Unionsrecht im Bereich des Steuerrechts für die SE gelten. Die SE unterliegt damit im Grundsatz den allgemeinen Vorschriften über die Besteuerung von Kapitalgesellschaften (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG). Bestimmte steuerliche Vorgaben enthält Art. 12 Abs. 1 der Fusionsrichtlinie 2009/133/EG. Danach darf die Verlegung des Satzungssitzes einer SE oder die damit verbundene Beendigung der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht in einem Mitgliedstaat nicht dazu führen, dass die stillen Reserven in dem Aktiv- und Passivvermögen der SE aufgedeckt werden. Dies gilt allerdings nur insoweit, als das Vermögen der SE weiterhin tatsächlich einer Betriebsstätte der SE in dem Wegzugsstaat zugerechnet werden kann. Diese Regelung auf Ebene der SE wird flankiert durch Art. 14 Abs. 1, wonach die Sitzverlegung allein keinen Veräußerungsgewinn auf Gesellschafterebene ergeben darf.2 In Art. 14 Abs. 2 wird den Mitgliedstaaten allerdings ausdrücklich das Recht vorbehalten, den Gewinn aus einer späteren Veräußerung der Anteile an der SE im Wegzugsstaat zu besteuern.

12.86

Allgemeine Entstrickungsregelung. Für den Fall des Wegzugs einer SE aus Deutschland in einen anderen Mitgliedstaat der EU ist § 12 Abs. 1 KStG anzuwenden.

12.87

Anteilseigner. Für Körperschaften als Anteilseigner der SE ist nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 KStG die Regelung in § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG entsprechend anwendbar. Danach gelten die allgemeinen Rechtsfolgen der Entstrickung (Veräußerungsfiktion zum gemeinen Wert) nicht für Anteile an einer SE in den Fällen der Sitzverlegung der SE nach Art. 8 SE-VO. Für natürliche Personen, welche die Anteile an der SE in einem Betriebsvermögen halten, gilt § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG unmittelbar. Der Gewinn aus einer späteren Veräußerung der Anteile kann dann jedoch gem. § 15 Abs. 1a Satz 1 EStG ungeachtet der Bestimmungen eines DBA in der gleichen Art und Weise besteuert werden, als wenn keine Sitzverlegung stattgefunden hätte;3 besteuert werden damit im Wege eines treaty override auch die stillen Reserven, die nach dem Wegzug der SE entstehen, weil der spätere Veräußerungsgewinn nicht auf den gemeinen Wert zum Zeitpunkt des Ausschlusses des Besteuerungsrechts Deutschlands be-

12.88

1 Zur Sitzverlegung in einen Mitgliedstaat des EWR vgl. Ziff. 10a der Anlage XXII zu Art. 77 des EWR-Vertrags unter Bezugnahme auf den Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 93/2002 v. 25.6.2002, ABl. EG Nr. L 266 v. 3.10.2002, 69. 2 Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 6 und 48 (Stand: März 2022). 3 Entsprechendes gilt für die verdeckte Einlage der Anteile in eine Kapitalgesellschaft, die Auflösung der SE, eine Kapitalherabsetzung oder eine Ausschüttung oder Verwendung von Beträgen aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S.d. § 27 KStG.

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Kap. 12 Rz. 12.88 | Wegzug und Zuzug

grenzt wird (Gefahr der Doppelbesteuerung).1 Für natürliche Personen mit Anteilen an der SE im Privatvermögen besteht eine Ausnahme von der Veräußerungsfiktion zum gemeinen Wert in § 17 Abs. 5 Satz 2 EStG (s. Rz. 12.53). Der spätere Veräußerungsgewinn kann dann ungeachtet eines DBA besteuert werden (§ 17 Abs. 5 Satz 3 EStG). Gleiches gilt bei den gem. § 15 Abs. 1a Satz 2 EStG gleichgestellten Vorgängen (§ 17 Abs. 5 Satz 4 EStG). 8. Grenzüberschreitender Formwechsel einer Personengesellschaft (Fallgruppe PersG 3) a) Sachverhalt

12.89 Eine Personengesellschaft kann, auch wenn Art. 86a Abs. 1 GesR-RL nur Kapitalgesellschaften nennt, nach nicht unstr. Auff. im Wege eines grenzüberschreitenden Formwechsels analog §§ 190 ff. UmwG in europarechtskonformer Auslegung identitätswahrend die Rechtsform eines anderen EU-/EWR-Staates annehmen. Beispiel: Die Gesellschafter der ABC OHG, die Software-Produkte für Arztpraxen entwickelt, beschließen, die Rechtsform der ABC OHG im Wege eines grenzüberschreitenden Formwechsels in die Rechtsform einer Personengesellschaft nach dem Recht eines EU-/EWR-Staates umzuwandeln, ihren Verwaltungssitz aber vorerst noch in Hamburg zu belassen. Auch die einzige bisherige Betriebsstätte der ABC-OHG verbleibt in Deutschland.

b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen

12.90 Grenzüberschreitender Formwechsel. Die Gesellschafter der ABC OHG können analog §§ 190 ff. UmwG in europarechtskonformer Auslegung die Umwandlung der Rechtsform der ABC OHG im Wege eines grenzüberschreitenden Formwechsels ohne Auflösung, Abwicklung oder Liquidation in eine Rechtsform eines EU-/EWRStaates beschließen. Das Wirksamwerden des grenzüberschreitenden Formwechsels hat keine Änderung der Zuordnung von Rechten, Pflichten und Rechtspositionen zur Folge. Auch für den grenzüberschreitenden Formwechsel von Personengesellschaften gilt, dass das gesamte Aktiv- und Passivvermögen der Gesellschaft, einschließlich aller Verträge, Kredite, Rechte und Pflichten, bei der umgewandelten Gesellschaft verbleibt (Fallgruppe PersG 3). Ob zugleich der Verwaltungssitz in den Zuzugsstaat verlegt werden muss, ist aus Perspektive des Zuzugsstaates zu beurteilen.2 Darauf hingewiesen werden muss allerdings, dass der identitätswahrende grenzüberschreitende Formwechsel von Personengesellschaften nach wie vor in der Praxis eine untergeordnete Rolle spielt und sich deshalb aus gesellschaftsrechtlicher Sicht erhebliche Unsicherheiten ergeben, ob und in welcher Form eine solche Umwandlung vollzogen werden kann. 1 Hierzu Mundfortz in Frotscher/Drüen, § 12 KStG Rz. 123 f. (Stand: Januar 2022); zu einer möglichen Doppelbesteuerung Kolbe in H/H/R, § 12 KStG Rz. 37 (Stand: April 2021); Pfirrmann in Brandis/Heuermann, § 12 KStG Rz. 70 (Stand: August 2022); Lenz in Erle/ Sauter3, § 12 KStG Rz. 57. 2 Vgl. Stiegler, ZGR 2017, 312 (335).

768 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

C. Zuzugskonstellationen | Rz. 12.94 Kap. 12

c) Steuerliche Konsequenzen Keine Betriebsaufgabe bei inländischem Verwaltungssitz. Solange die Gesellschaft ihren tatsächlichen Sitz (Verwaltungssitz) in Deutschland behält und sich die Umwandlung aus gesellschaftsrechtlicher Sicht identitätswahrend vollzieht, sollte sich durch die Umwandlung in eine ausländische Personengesellschaft aus Sicht des deutschen Steuerrechts nichts ändern. Insbesondere sollten die Wirtschaftsgüter der deutschen Betriebsstätte der Gesellschaft zugeordnet bleiben. Es sollte also nicht zu einer Aufdeckung stiller Reserven kommen. Es ist allerdings zu empfehlen, die steuerlichen Folgen eines solchen grenzüberschreitenden Formwechsels vorab mit der Finanzverwaltung abzustimmen.

12.91

Betriebsaufgabe bei Verlegung des Verwaltungssitzes. Verlegt die Gesellschaft später auch ihren Verwaltungssitz nach Luxemburg und wird die Betriebsstätte in Deutschland aufgegeben, ist steuerlich im Grundsatz von einer Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3a Halbs. 1 EStG auszugehen und es kommt zur steuerpflichtigen Aufdeckung aller stillen Reserven. Deutschland hätte für einen entsprechenden Betriebsaufgabegewinn auch das Besteuerungsrecht (Art. 13 Abs. 1 und 2 DBA Luxemburg).

12.92

C. Zuzugskonstellationen I. Allgemeine gesellschafts- und kollisionsrechtliche Rahmenbedingungen 1. Nationales Gesellschaftsrecht Nationales Gesellschaftsrecht. In Zuzugsfällen ist – wie auch in Wegzugsfällen – zunächst nach dem einschlägigen nationalen Sachrecht der zuziehenden Gesellschaft zu klären, ob die Verlegung des Verwaltungssitzes nach Deutschland zulässig ist. Während dies in den angelsächsischen Staaten seit jeher unproblematisch möglich ist, steht das Sachrecht anderer, vor allem auch kontinentaleuropäischer Staaten einer solchen Sitzverlegung oftmals entgegen. Lässt aber schon das Sachrecht eines Staats die Sitzverlegung aus diesem Staat heraus nicht zu, so dass eine nach dessen Recht gegründete Gesellschaft die jeweilige Landesgrenze nicht „lebend“ überschreiten kann, besteht auch aufseiten des Zuzugsstaats – selbst wenn er die Gründungstheorie anwendet – keine Möglichkeit, die zuziehende Gesellschaft als solche anzuerkennen. Denn eine nach dem Gründungsstatut nicht mehr existierende Gesellschaft kann in keinem anderen Staat als solche fortbestehen und anerkannt werden.

12.93

2. Internationales Gesellschaftsrecht Sitztheorie in Deutschland. Die in Deutschland nach wie vor geltende Sitztheorie wirkt sich in Fällen, in denen eine im Ausland gegründete Gesellschaft ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt, in der Weise aus, dass die zuziehende ausländische Gesellschaft in Deutschland nicht als solche anerkannt wird. So unterliegt etwa eine in Zürich als AG gegründete und dort als solche eingetragene Aktiengesellschaft, die ihren Verwaltungssitz nach Berlin verlegt, bei Anwendung der Sitztheorie nicht mehr dem schweizerischen, sondern dem deutschen Gesellschaftsrecht. ManSchnittker/Schümmer/Pitzal | 769

12.94

Kap. 12 Rz. 12.94 | Wegzug und Zuzug

gels Beachtung der aktienrechtlichen Gründungsvorschriften und insbesondere mangels Eintragung in ein deutsches Handelsregister ist sie keine deutsche Kapitalgesellschaft und umzuqualifizieren. Es ist zu ermitteln, welche konkrete Rechtsform sich aus der Aktivität der Gesellschaft ergibt, so dass eine Schweizer AG mit mindestens zwei Aktionären regelmäßig als OHG oder als GbR des deutschen Rechts anzusehen ist.1 Hat die Schweizer AG hingegen nur einen Aktionär, kommt eine Umqualifizierung in eine deutsche Personengesellschaft nicht in Betracht, da das deutsche Personengesellschaftsrecht eine Einpersonen-Personengesellschaft nicht kennt.2 Eine Umqualifizierung ist aus deutscher Perspektive nur insofern möglich, als die Schweizer AG erlischt und durch den Alleinaktionär als Einzelperson oder als Einzelkaufmann fortgeführt wird.3 Hinsichtlich ihres Vermögens einschließlich aller Aktiva und Passiva tritt nach § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB (analog) Anwachsung an den alleinigen Aktionär ein.4 Hintergrund ist der durch die Sitztheorie bezweckte Schutz des eigenen Rechtsverkehrs, indem vorwiegend im Inland tätige Gesellschaften in das Korsett der nationalen Rechtsordnung gezwungen werden.5 3. Europarecht

12.95 Anerkennung erforderlich. Verlegt eine Gesellschaft aus einem Mitgliedstaat der EU ihren Verwaltungssitz nach Deutschland, zwingt das EU-Recht allerdings zu einer anderen Bewertung. Die maßgeblichen Grundsätze hat der EuGH in den Rs. Centros6, Überseering7 und Inspire Art8 entwickelt. Danach ist die in einem EU-Staat nach dessen Vorschriften wirksam gegründete Gesellschaft in einem anderen Vertragsstaat auf der Grundlage der im AEUV garantierten Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) – unabhängig von dem Ort ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes – in der Rechtsform anzuerkennen, in der sie gegründet wurde.9 Das gilt selbst dann, wenn die Gesellschaft im Ausland nur ihren gründungs- bzw. satzungsmäßigen Sitz hat, während sie von vornherein ihren tatsächlichen Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt und hier auch ihre Geschäfte betreibt und auf diese Weise bewusst die Gründungsvorschriften am Ort ihrer tatsächlichen Geschäftstätigkeit umgeht.10 Diese Grundsätze gelten dabei nicht nur für Kapitalgesellschaften, sondern auch für Personengesellschaften.11 Auch gelten sie für Gesellschaften aus dem EWR entspre-

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Zuletzt BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, NJW 2009, 289 (291). Wall in Hausmann/Odersky, IPR in der Notar- und Gestaltungspraxis4, § 18 Rz. 25. Wall in Hausmann/Odersky, IPR in der Notar- und Gestaltungspraxis4, § 18 Rz. 25. Wall in Hausmann/Odersky, IPR in der Notar- und Gestaltungspraxis4, § 18 Rz. 25; DNotI, DNotI-Report 2021, 9, (13); Luy, DNotZ 2019, 484, (487); Cramer, DStR 2018, 2435, (2437). Vgl. Rehm in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 1.51. EuGH v. 9.3.1999 – C-212/97 – Centros, ZIP 1999, 438. EuGH v. 5.11.2002 – C-208/00 – Überseering, ZIP 2002, 2037. EuGH v. 30.9.2003 – C-167/01 – Inspire Art, ZIP 2003, 1885. BGH v. 14.3.2005 – II ZR 5/03, ZIP 2005, 805 m.w.N. EuGH v. 30.9.2003 – C-167/01 – Inspire Art, ZIP 2003, 1885 Rz. 96 f., 137 ff. m.w.N. Vgl. Saenger in FS P+P Pöllath + Partners, 295 (297).

770 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

C. Zuzugskonstellationen | Rz. 12.98 Kap. 12

chend; denn nach Art. 31 EWR-Abkommen können sich auch diese auf die Niederlassungsfreiheit berufen.1 Europarechtliche Gründungstheorie. Für den Zuzug von Gesellschaften aus EU-/ EWR-Staaten hat der EuGH damit de facto die Gründungstheorie etabliert („europarechtliche Gründungstheorie“).2 Das bedeutet, dass Gesellschaften aus diesen Staaten, die ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegen, hier als solche anzuerkennen sind.

12.96

4. Völkerrecht Staatsvertragliche Gründungstheorie. Neben diesen europarechtlich bedingten Ausnahmen von der Geltung der Sitztheorie gilt die Gründungstheorie in Deutschland auch für Gesellschaften, die aus Drittstaaten stammen, mit denen Deutschland einen Staatsvertrag geschlossen hat, der ein spezielles Anknüpfungskriterium enthält („staatsvertragliche Gründungstheorie“). Entsprechende Drittstaaten werden für Zwecke dieses Beitrags als „qualifizierte“ Drittstaaten, alle übrigen als „einfache“ Drittstaaten bezeichnet.

12.97

Ein Beispiel für einen solchen Staatsvertrag stellt der mit den USA geschlossene Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag von 19543 dar. Der darin enthaltene Artikel XXV Abs. 2 wird vom BGH zu Recht als Kollisionsnorm interpretiert, mit der Deutschland sich im Verhältnis zu den USA de facto zur Anwendung der Gründungstheorie verpflichtet hat.4 Solche staatsvertraglichen Regelungen gehen nach Art. 3 EGBGB der gewohnheitsrechtlichen Geltung der Sitztheorie vor.5 Auch im Verhältnis zu den USA gilt daher für Zuzugsfälle die Gründungstheorie. Eine Fortgeltung der Gründungstheorie mit der Konsequenz der fortbestehenden Rechts- und Parteifähigkeit einer britischen Limited trotz tatsächlichem Verwaltungssitz in Deutschland wie unter der Geltung der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49, 54 AEUV folgt nicht aus dem Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich vom 24.12.2020 (ABl. 2020 L 444, 2020), weil es keine Vorschriften enthält, die ausdrücklich und unmittelbar die Niederlassungsfreiheit gewähren, sondern sich aus seinem Anhang SERVIN-1 Nr. 10 vielmehr ergibt, dass die Parteien des Abkommens die Niederlassungsfreiheit gerade nicht in Bezug nehmen oder vereinbaren wollten.6

12.98

1 BGH v. 19.9.2005 – II ZR 372/03; dazu Rehm, DK 2006, 166. 2 Bayer in Lutter/Hommelhoff18, § 4a GmbHG Rz. 9; Eidenmüller, JZ 2004, 24 (25); Leible/ Hoffmann, ZIP 2003, 925 (926). 3 Deutsch/US-amerikanischer Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag v. 29.10.1954, BGBl. II 1956, 487, in Kraft seit 14.7.1956, BGBl. II 1956, 763. 4 BGH v. 5.7.2004 – II ZR 389/02, BGHZ 153, 353; Rehm, JZ 2005, 304; Rehm in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 1.84. 5 Umfassende Nachweise zu den einschlägigen Abkommen bei Rehm in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 2 Rz. 6, 12 ff. 6 OLG München v. 5.8.2021 – 29 U 2411/21 Kart, EuZW 2021, 955, Ls. 2; so auch OLG Celle v. 5.9.2022 – 9 W 73/22 -, juris Rz. 6.

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 771

Kap. 12 Rz. 12.99 | Wegzug und Zuzug

5. Grenzüberschreitender Hereinformwechsel a) Bisheriger Rechtsrahmen

12.99 Anforderungen an den Zuzug einer EU/EWR-Kapitalgesellschaft nach Deutschland. Für den Zuzug einer EU/EWR-Kapitalgesellschaft nach Deutschland fanden bisher die Formwechselvorschriften des UmwG (§§ 190 ff.) in europarechtskonformer Anwendung unter vorwirkender Berücksichtigung der GesR-RL und die für die neue Rechtsform geltenden Gründungsvorschriften entsprechend Anwendung.1 12.100 Anforderungen an den Zuzug von EU-/EWR-Personengesellschaften. Die grenzüberschreitende Umwandlung von Personengesellschaften wird weder durch das MoPeG noch durch das deutsche Umwandlungsrecht geregelt. Die Umwandlungsfähigkeit von Personengesellschaften ergibt sich allein und ausschließlich aus der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49, 54 AEUV.2 Die Anforderungen an den Formwechselprozess ergeben sich aus deutscher Sicht richtigerweise aus den §§ 190 ff. UmwG in europarechtskonformer Auslegung sowie dem deutsche Personengesellschaftssachrecht.3 b) Rechtsrahmen nach der GesR-RL

12.101 Den Hereinformwechsel4 behandelt im Wesentlichen § 345 UmwG. Danach hat das Vertretungsorgan des formwechselnden Rechtsträgers (d.h. der ausländischen Gesellschaft) – nachdem im Wegzugstaat alle Verfahren und Formalitäten ordnungsgemäß durchgeführt worden sind (vgl. hierzu oben Rz. 12.19 ff.) – die Gesellschaft neuer Rechtsform (d.h. die formgewechselte deutsche Gesellschaft) in das für sie zuständige Register anzumelden. Nach § 345 Abs. 1 Satz 2 UmwG sind der Anmeldung der Formwechselplan, der insbesondere auch den Gesellschaftsvertrag bzw. die Satzung

1 Winter in Schmitt/Hörtnagl9, § 191 UmwG Rz. 45; vgl. KG v. 21.3.2016 – 22 W 64/15, DStR 2016, 1427 für den Zuzug einer französischen S.à.r.l.; dazu Winter/Marx/De Decker, DStR 2016, 1997; Richter/Backhaus, DB 2016, 1625; Seibold, ZIP 2017, 456; Stiegler, NZG 2016, 835; Wachter, GmbHR 2016, 738; Zwirlein, ZGR 2017, 114; OLG Nürnberg v. 19.6.2013 – 12 W 520/13, NZG 2014, 349 für den Zuzug einer luxemburgischen S.à.r.l.; OLG Nürnberg v. 13.2.2012 – 12 W 2361/11, NZG 2012, 468; OLG Düsseldorf v. 19.7.2017 – 3 Wx 171/16, DStR 2017, 2345 für den Zuzug einer niederländischen B.V.; frühere „Checkliste“ der Registerrichter des AG Charlottenburg bei Melchior, GmbHR 2014, R311; Franz, EuZW 2016, 930; jeweils zum Zuzug englischer Kapitalgesellschaften aus Anlass des Brexit Leible/Galneder/Wißling, RIW 2017, 718; Süß, ZIP 2018, 1277; von der Höh/Hagemann, DB 2017, 830; zur grenzüberschreitenden Mobilität von PersGes Stiegler, ZGR 2017, 312. 2 Heckschen/Knaier, GmbHR 2022, 613 (622); Heckschen, GWR 2021, 1 (3 f.); Stiegler, ZGR 2017, 312 (333 ff.). 3 Siehe zum Ganzen Stiegler, ZGR 2017, 312 (339 ff.); Knaier, DNotZ 2021, 148 (153 ff.); a.A. OLG Oldenburg v. 30.6.2020 – 12 W 23/20, DNotZ 2021, 148, wonach sich ein Formwechsel zwischen Personengesellschaften immer außerhalb des Umwandlungsgesetzes vollziehe. 4 Siehe hierzu auch Brandi/Schmidt, DB 2022, 1880 (1889).

772 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

C. Zuzugskonstellationen | Rz. 12.103 Kap. 12

der Gesellschaft neuer Rechtsform enthält, und ggf. eine Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer beizufügen. §§ 198 Abs. 3, 199 UmwG sind auf die formwechselnde Gesellschaft nicht anzuwenden (§ 345 Abs. 1 Satz 3 UmwG). Die von der zuständigen Stelle des Wegzugsstaates ausgestellte Formwechselbescheinigung ist dem zuständigen deutsche Registergericht über das Europäische System der Registervernetzung zu übermitteln und wird als Nachweis der ordnungsgemäßen Erledigung der vorangehenden Verfahren und Formalitäten nach dem Recht des Wegzugsstaates anerkannt. Die Prüfungskompetenz des deutschen Registergerichts erstreckt sich insbesondere darauf, ob gegebenenfalls eine Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer geschlossen worden ist und ob die Vorschriften zur Gründung der Gesellschaft neuer Rechtsform eingehalten worden sind. Nach Eintragung der formgewechselten deutschen Gesellschaft teilt das deutsche Registergericht das Wirksamwerden des grenzüberschreitenden Formwechsels dem Register des Wegzugsstaates mit. 6. Zusammenfassung der Zuzugsfälle Fallgruppen. Die für Zuzugsfälle geltenden gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

12.102

Kapitalgesellschaften. Verlegt eine in einem ausländischen Staat gegründete Kapitalgesellschaft ihren Verwaltungssitz nach Deutschland,

12.103

– wird sie in Deutschland als solche anerkannt, wenn sie in einem EU-/EWR-Staat gegründet worden ist und nach dem für sie geltenden Gesellschaftsrecht des Wegzugstaats der Wegzug zulässig ist (Fallgruppe KapG 1); – wird sie in Deutschland als solche anerkannt, wenn sie in einem Drittstaat gegründet worden ist, mit dem Deutschland einen Staatsvertrag mit spezifischer Anknüpfung geschlossen hat („qualifizierter Drittstaat“), vorausgesetzt, der Wegzug ist nach dem Gesellschaftsrecht des betreffenden Drittstaats zulässig (Fallgruppe KapG 2); – wird sie in Deutschland nicht als solche anerkannt, sondern wird (aus deutscher Sicht) umqualifiziert, wenn sie in einem Drittstaat gegründet worden ist, mit dem Deutschland keinen Staatsvertrag geschlossen hat („einfacher Drittstaat“) (Fallgruppe KapG 3); Mehrpersonen-Kapitalgesellschaften werden in eine OHG oder GbR zwangsangeglichen, Einpersonen-Kapitalgesellschaften erlöschen und ihr Vermögen geht in ihrem Alleingesellschafter als Einzelperson oder Einzelkaufmann auf. Ferner kann eine EU-/EWR-ausländische Kapitalgesellschaft durch grenzüberschreitenden Formwechsel (identitätswahrend) eine Rechtsform deutschen Rechts annehmen und am Rechtsverkehr als deutsche Gesellschaft teilnehmen; die Verlegung des Satzungs- und ggf. auch des Verwaltungssitzes ist in diesem Fall notwendige Begleiterscheinung (Fallgruppe KapG 4).

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 773

Kap. 12 Rz. 12.104 | Wegzug und Zuzug

12.104 Personengesellschaften. Verlegt eine in einem ausländischen Staat gegründete Personengesellschaft ihren Verwaltungssitz nach Deutschland, – wird sie in Deutschland als solche anerkannt, wenn sie in einem EU-/EWR-Staat gegründet worden ist und nach dem für sie geltenden Gesellschaftsrecht des Wegzugstaats der Wegzug zulässig ist (Fallgruppe PersG 1); – wird sie in Deutschland als solche anerkannt, wenn sie in einem Drittstaat gegründet worden ist, mit dem Deutschland einen Staatsvertrag mit spezifischer Anknüpfung geschlossen hat („qualifizierter Drittstaat“), vorausgesetzt, der Wegzug ist nach dem Gesellschaftsrecht des betreffenden Drittstaats zulässig (Fallgruppe PersG 2); – wird sie in Deutschland nicht als solche anerkannt, sondern wird aufgelöst und als deutsche OHG oder GbR neu gegründet, wenn das Sachrecht des Gründungsstaats den Wegzug nicht gestattet (Fallgruppe PersG 3). Ferner kann eine EU-/EWR-ausländische Personengesellschaft durch grenzüberschreitenden Formwechsel (identitätswahrend) eine Rechtsform deutschen Rechts annehmen und am Rechtsverkehr als deutsche Gesellschaft teilnehmen; die Verlegung des Verwaltungssitzes ist in diesem Fall notwendige Begleiterscheinung (Fallgruppe PersG 4). 7. Rechtliche Einordnung der Transformationsphase

12.105 Transformationsphase ungeklärt. In Fällen des grenzüberschreitenden Formwechsels erfolgt kein Vermögensübergang, sondern die formwechselnde Gesellschaft nimmt identitätswahrend eine Rechtsform deutschen Rechts an. Das gesamte Aktivund Passivvermögen der formwechselnden Gesellschaft, einschließlich aller Verträge, Kredite, Rechte und Pflichten, verbleibt bei der formgewechselten Gesellschaft. Im Übrigen ist, wie schon mit Blick auf die Wegzugfälle festgestellt, die Frage nach den genauen rechtlichen Konsequenzen eines Statutenwechsels bzw. der Verdoppelung der Statuten bislang unbeantwortet. Was es genau bedeutet, wenn in Zuzugsfällen eine Gesellschaft nach der Verlegung ihres Verwaltungssitzes nach Deutschland nicht mehr als solche in der Identität ihres Gründungsstatuts anerkannt wird, ist also offen. Die h.M. scheint auch hier anzunehmen, dass die Gesellschaft infolge der Verlegung des Verwaltungssitzes in ihrem Gründungsstaat (mit oder ohne Liquidation) aufgelöst und im Zuzugsstaat neu gegründet wird. Ebenso scheint auch in Zuzugsfällen allgemein davon ausgegangen zu werden, dass die neu gegründete Gesellschaft das Vermögen der aufgelösten Gesellschaft übernimmt; ungeklärt ist auch in diesen Fällen, wie sich der Vermögensübergang (insbesondere hinsichtlich solcher Vermögensgegenstände, für deren Übertragung grundsätzlich die Mitwirkung eines Notars erforderlich ist) zivilrechtlich wirksam vollzieht.

774 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

C. Zuzugskonstellationen | Rz. 12.109 Kap. 12

II. Steuerliche Rahmenbedingungen des Zuzugs 1. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft aus einem EU-/ EWR-Staat mit Gründungstheorie ins Inland (Fallgruppe KapG 1) a) Sachverhalt Die gesellschafts- und steuerrechtlichen Folgen, die eintreten, wenn eine Kapitalgesellschaft ihren Verwaltungssitz aus einem EU-/EWR-Staat ins Inland verlegt, werden anhand des nachfolgenden Beispiels erörtert.

12.106

Beispiel: Die niederländische A-B.V. mit Sitz in Amsterdam verlegt ihren Verwaltungssitz nach Hannover. Die Geschäftsführung für die A-B.V. wird in der Folge auch tatsächlich von Hannover aus wahrgenommen. Nach dem niederländischen Sachrecht ist die Verlegung des Verwaltungssitzes einer Gesellschaft ins Ausland zulässig, im niederländischen Recht gilt die Gründungstheorie.

b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen

Identitätswahrender Zuzug. Da in den Niederlanden die Gründungstheorie gilt, kann die A-B.V. aus niederländischer Sicht ihren Verwaltungssitz identitätswahrend nach Deutschland verlegen. Ungeachtet der von Deutschland vertretenen Sitztheorie ist Deutschland nach den Vorschriften zur Niederlassungsfreiheit in Art. 49 AEUV bei Gesellschaften mit Satzungssitz in einem EU-/EWR-Staat dazu verpflichtet, die ausländische Kapitalgesellschaft als solche anzuerkennen (Fallgruppe KapG 1). Damit ist die Verwaltungssitzverlegung der A-B.V. insgesamt identitätswahrend möglich.

12.107

c) Steuerliche Konsequenzen Verstrickung. Die Verlegung des Verwaltungssitzes in das Inland hat auf der einen Seite zur Folge, dass die A-B.V., da sie nach dem Rechtstypenvergleich für Zwecke der Besteuerung in Deutschland als Kapitalgesellschaft einzuordnen ist, wegen ihres inländischen Ortes der Geschäftsleitung unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig in Deutschland wird (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG). Hierdurch kann sich erstmals eine Zurechnung von Wirtschaftsgütern der Kapitalgesellschaft zu einer inländischen Betriebsstätte ergeben. Soweit Wirtschaftsgüter der Kapitalgesellschaft der inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte zuzurechnen sind (z.B. Beteiligungen an Kapitalgesellschaften), kommt es zur Begründung eines deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der betreffenden Wirtschaftsgüter.

12.108

Exkurs: Rechtstypenvergleich. Der steuerrechtliche Rechtstypenvergleich dient dem Abgleich ausländischer rechtlicher Entitäten darauf, ob diese – wären sie deutsche Rechtsformen – steuerrechtlich als Körperschaften oder Personengesellschaften anzusehen sind.1 Ein Rechtstypenvergleich im engeren Sinne kann dabei angesichts § 1

12.109

1 Röder, IStR 2021, 795; RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RFHE 27, 73 (77) (Venezuela); aus der jüngeren Rechtsprechung BFH v. 18.5.2021 – I R 12/18, DStRE 2021, 1245 und BFH v. 18.5.2021 – I B 75/20 (AdV), BFH/NV 2021, 1489.

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 775

Kap. 12 Rz. 12.109 | Wegzug und Zuzug

Abs. 1 Nr. 1 KStG im Hinblick auf die in Deutschland gesellschaftsrechtlich vorkommenden Kapitalgesellschaften vorgenommen werden, die kraft KStG automatisch Körperschaftsteuersubjekt sind. Im Kern ist anhand der Würdigung einer ausländischen Gesellschaft in ihrer Gesamtheit, unter Beachtung ihrer wirtschaftlichen Stellung und ihres rechtlichen Aufbaus nach dem ausländischen Recht aus deutscher Perspektive abzuwägen, ob sich die ausländische Gesellschaft mehr dem Typ der (deutschen) Personengesellschaft oder der (deutschen) Kapitalgesellschaft annähert.1 Ohne Ansehung des Einzelfalls lässt sich dabei abstrakt sagen, dass bei Personengesellschaften die Personen der Gesellschafter im Vordergrund stehen, diese die Geschäfte selbst (Selbstorganschaft) ausführen, persönlich haften und ihre Gesellschaftsanteile nicht frei auf Dritte übertragen können, während bei einer Kapitalgesellschaft die Gesellschafter der Gesellschaft „mehr unpersönlich“ gegenüber stehen, diese den Gläubigern nicht persönlich haften, ihre Anteile im Grundsatz frei übertragen können und nicht an der eigentlichen Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft beteiligt sein müssen.2 Konkret zur US-amerikanischen LLC hat das BMF ein Schreiben zum Rechtstypenvergleich veröffentlicht,3 das im Grundsatz auch auf andere Rechtstypenvergleiche verallgemeinert werden kann.4 In jüngerer Zeit – und vor allem bereits im Hinblick auf das MoPeG (vgl. insbesondere auch Rz. 12.9 f.) – wird dabei in Rechtsprechung und Literatur über die Maßgeblichkeit und Wertigkeit der im BMF-Schreiben zur US-amerikanischen LLC genannten Kriterien (zueinander) diskutiert.5 Dabei haben sich insbesondere die Kriterien Geschäftsführung und Vertretung, formale Gründungsvoraussetzungen sowie Haftung und Gewinnverteilung als besonders bedeutsam herauskristallisiert.6 Insbesondere das Merkmal der (beschränkten) Haftung wird teilweise als „Super-Kriterium“ bezeichnet.7 Auf der anderen Seite ist verständlich, dass Kriterien wie die Lebensdauer der Gesellschaft insbesondere angesichts der nach dem ab 1.1.2024 geltenden § 724 BGB in der Fassung des MoPeG bei Ausscheiden eines Gesellschafters für Personengesellschaften im Grundsatz geltenden Fortsetzungslösung an Bedeutung und Unterscheidungskraft verlieren.

12.110 Während das KStG in § 12 Abs. 1 eine eigenständige allgemeine Entstrickungsvorschrift kennt, enthält das KStG keine allgemeine Regelung für die steuerlichen Folgen einer erstmaligen steuerlichen Verstrickung von Wirtschaftsgütern in Deutschland. Über den Verweis in § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG, wonach sich nach den Vorschriften des 1 Röder, IStR 2021, 795; RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RFHE 27, 73 (79 f.) (Venezuela); aus der jüngeren Rechtsprechung BFH v. 18.5.2021 – I R 12/18, DStRE 2021, 1245 Rz. 13 und BFH v. 18.5.2021 – I B 75/20 (AdV), BFH/NV 2021, 1489 Rz. 18. 2 Vgl. Röder, IStR 2021, 795; (799 f.); RFH v.12.2.1930 – VI A 899/27, RFHE 27, 73 (80) (Venezuela). 3 BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA – 22/04, BStBl. I 2004, 411 (LLC-Schreiben). 4 Linn/Maywald, IStR 2021, 825 (826). 5 Röder, IStR 2021, 795 (799, 802 ff.); BFH v. 18.5.2021 – I R 12/18, DStRE 2021, 1245 Rz. 18 ff. und BFH v. 18.5.2021 – I B 75/20 (AdV), BFH/NV 2021, 1489 Rz. 19 ff., 29. 6 Röder, IStR 2021, 795 (799, 802 ff.); BFH v. 18.5.2021 – I R 12/18, DStRE 2021, 1245 Rz. 18 ff. und BFH v. 18.5.2021 – I B 75/20 (AdV), BFH/NV 2021, 1489 Rz. 29. 7 Röder, IStR 2021, 795 (804).

776 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

C. Zuzugskonstellationen | Rz. 12.111 Kap. 12

EStG bestimmt, was als Einkommen gilt und wie das Einkommen zu ermitteln ist, ist die durch das SEStEG eingefügte allgemeine einkommensteuerliche Verstrickungsvorschrift auch für Kapitalgesellschaften anzuwenden (§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG). Danach steht die Begründung des Besteuerungsrechts Deutschlands einer Einlage gleich; diese Einlage ist im Grundsatz (Ausnahme vgl. Rz. 12.117) mit dem gemeinen Wert zu bewerten (§ 6 Abs. 1 Nr. 5a Halbs. 1 EStG). Die Kapitalgesellschaft bzw. SE hat wegen der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht fortan auch ein steuerliches Einlagekonto i.S.v. § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG zu führen.1 Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5a Halbs. 2 EStG2 ist die Einlage, wenn der Steuerpflichtige in einem anderen Staat einer Besteuerung auf Grund des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts dieses Staates (Entstrickung im anderen Staat) unterliegt, mit dem Wert anzusetzen, den der andere Staat der Besteuerung zugrunde legt, höchstens jedoch mit dem gemeinen Wert. Dies weicht von der Wertverknüpfungsregelung des Art. 5 Abs. 5 ATAD3 ab. Diese verlangt, dass der (Zugangs-)Bewertung im Aufnahmestaat der Wert, den der Abgabestaat für seine Entstrickungsbesteuerung zugrunde gelegt hat, beigemessen wird. § 6 Abs. 1 Nr. 5a Halbs. 2 EStG hält sich an diese Vorgabe der ATAD nur insoweit, als der vom Abgabestaat angesetzte Wert den deutschen gemeinen Wert unterschreitet.4 Ist der vom Abgabestaat angesetzte Wert hingegen höher als der deutsche gemeine Wert, setzt Deutschland dennoch – entgegen Art. 5 Abs. 5 ATAD – allein den gemeinen Wert für Zwecke der inländischen Verstrickung an. In Höhe der Differenz zwischen dem Wert, den der Abgabestaat angesetzt hat, und dem deutschen gemeinen Wert droht mithin eine Doppelbesteuerung (stiller Reserven).5 In der Literatur wird insoweit vertreten, dass ein solches Vorgehen auf Fälle zu beschränken sei, in denen die (Abgangs-)Bewertung des Abgabestaates den nach Art. 5 Abs. 6 ATAD geforderten Marktwert (d.h. den deutschen gemeinen Wert) nachweislich und offenkundig verfehlt.6 Überschießend wurde Art. 5 Abs. 5 ATAD durch § 6 Abs. 1 Nr. 5a Halbs. 2 EStG insoweit umgesetzt, als der Anwendungsbereich von § 6 Abs. 1 Nr. 5a Halbs. 2 EStG nicht allein EU/EWR-Abgabestaaten, sondern alle Abgabestaaten und zudem auch natürliche Personen erfasst. An einer Umsetzung des nach Erwägungsgrund 10 der ATAD geforderten Streitbeilegungsverfahren bei Differenzen des Abgabe- und Aufnahmestaates hinsichtlich des richtigen anzusetzenden Marktwertes fehlt es in § 6 Abs. 1 Nr. 5a Halbs. 2 EStG. 1 Als Anfangsbestand des steuerlichen Einlagekontos gilt der zum Zeitpunkt des Eintritts in die Steuerpflicht vorhandene Bestand der nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen (§ 27 Abs. 2 Satz 3 KStG). Die Verstrickung allein führt u.E. nicht zu einem Zugang in das steuerliche Einlagekonto (lediglich fiktive Einlage). 2 Halbs. 2 eingefügt durch das ATADUmsG v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2035. 3 Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates vom 12.7.2016 mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts. 4 Vgl. hierzu auch Desens, DStR 2022, 1588 (1592); unkritisch dagegen Kudert/Kielawa-Buzala, IStR 2021, 605 (610). 5 Desens, DStR 2022, 1588 (1592); Hagemann/Link, IWB 2021, 471 (477). 6 Desens, DStR 2022, 1588 (1592); Hagemann/Link, IWB 2021, 471 (477).

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 777

12.111

Kap. 12 Rz. 12.112 | Wegzug und Zuzug

12.112 Gesellschafter. Auf Gesellschafterebene kommt es durch den Zuzug im Grundsatz zu keinen steuerlichen Auswirkungen in Deutschland. Zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung des Besteuerungsrechts Deutschlands hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile kann es durch die Verlegung des Verwaltungssitzes in das Inland (zumindest hinsichtlich eines deutschen Besteuerungsrechts) nicht kommen. 2. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Personengesellschaft aus einem EU-/EWR-Staat mit Gründungstheorie ins Inland (Fallgruppe PersG 1) a) Sachverhalt

12.113 Die Verlegung des Verwaltungssitzes einer Personengesellschaft aus einem EU-/ EWR-Staat mit Gründungstheorie ins Inland wird anhand des folgenden Beispiels illustriert. Beispiel: Die niederländische NL-CV hat eine Betriebsstätte und ein Betriebsgrundstück in Köln. An ihr sind A (ansässig in den Niederlanden) und B (ansässig in Deutschland) beteiligt. Sie beschließen, den Verwaltungssitz von Amsterdam nach Köln zu verlegen. Es wird unterstellt, dass nach dem niederländischen Sachrecht die Verlegung des Verwaltungssitzes einer Personengesellschaft ins Ausland zulässig ist. Im niederländischen Recht gilt die Gründungstheorie.

b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen

12.114 Identitätswahrender Zuzug. Da nach dem niederländischen Sachrecht die Verlegung des Verwaltungssitzes einer Personengesellschaft ins Ausland zulässig ist und nach der in den Niederlanden geltenden Gründungstheorie niederländisches Recht auch nach der Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland anwendbar bleibt, „überlebt“ die NL-CV die Sitzverlegung aus niederländischer Sicht unbeschadet. Deutschland ist nach der „europarechtlichen Gründungstheorie“ zur Anerkennung der NLCV als solcher verpflichtet (Fallgruppe PersG 1). Die NL-CV nimmt damit am Rechtsverkehr auch in Deutschland als solche teil, es gilt für sie weiter das niederländische Gesellschaftsstatut. c) Ertragsteuerliche Konsequenzen

12.115 Keine Betriebsaufgabe. Wegen des identitätswahrenden Zuzugs kommt es nicht zur Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG), so dass die stillen Reserven in den der deutschen Betriebsstätte funktional zuzurechnenden Wirtschaftsgütern (u.a. auch in dem Betriebsgrundstück) für Zwecke der Besteuerung in Deutschland nicht aufzudecken und zu versteuern sind. 12.116 Keine Entnahmefiktion. Da Deutschland das Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinnes aus der Veräußerung der Wirtschaftsgüter der deutschen Betriebsstätte und des Betriebsgrundstückes behält (Art. 6 Abs. 1 und 4, Art. 13 Abs. 1 und 3 DBA Niederlande) und dieses Recht nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird, kommen 778 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

C. Zuzugskonstellationen | Rz. 12.121 Kap. 12

auch die Entnahmefiktionen nach § 4 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 EStG und § 16 Abs. 3a Halbs. 1 EStG nicht zum Zuge. Der Zuzug löst mithin in Deutschland keine ertragsteuerlichen Folgen aus. Steuerliche Verstrickung. Hinsichtlich der Wirtschaftsgüter der zuziehenden Gesellschaft kann es in Deutschland zur erstmaligen steuerlichen Verstrickung (gem. § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG) kommen; sie sind dann (nach § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG) im Grundsatz mit dem gemeinen Wert anzusetzen (zur Ausnahme im Rahmen der Bewertungsverknüpfung vgl. Rz. 12.117 und 12.124).

12.117

Falls der Zuzug nach Deutschland im Abgabestaat einer Besteuerung auf Grund des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts des Abgabestaates (Entstrickung im anderen Staat) unterliegt, greift für die Bewertung der Wirtschaftsgüter § 6 Abs. 1 Nr. 5a Halbs. 2 EStG ein (vgl. hierzu Rz. 12.117).

12.118

Grunderwerbsteuerliche Konsequenzen. Da die Sitzverlegung der NL-CV nach Deutschland zivilrechtlich weder tatsächlich noch fiktiv die Auflösung der NL-CV zur Folge hat, sie vielmehr auch nach der Sitzverlegung in Deutschland als solche anerkannt wird, kommt es vorliegend nicht zu einem Rechtsträgerwechsel. Der Zuzug der NL-CV nach Deutschland löst deshalb auch keine Grunderwerbsteuer aus.1

12.119

3. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft aus einem Drittstaat mit Gründungstheorie ins Inland (Fallgruppe KapG 3) a) Sachverhalt Die Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft aus einem Drittstaat mit Gründungstheorie ins Inland wird anhand des folgenden Beispiels illustriert.

12.120

Beispiel: Die schweizerische CH-AG hat eine Betriebsstätte und ein Betriebsgrundstück in Köln. An ihr sind A (ansässig in der Schweiz) und B (ansässig in Deutschland) beteiligt. Sie beschließen, den Verwaltungssitz von Zürich nach Köln zu verlegen. Das Schweizer Sachrecht gestattet die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland, ohne dass dies die Identität der betreffenden Schweizer Gesellschaft verändert. Nach dem Schweizer Kollisionsrecht gilt in der Schweiz die Gründungstheorie.

b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen Kein identitätswahrender Zuzug. Zwar kann eine in der Schweiz gegründete Gesellschaft nach Schweizer Recht ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlegen; ob dies identitätswahrend geschehen kann, hängt jedoch von dem im Zuzugsstaat geltenden Kollisionsrecht ab. Da Deutschland in Bezug auf Gesellschaften, die aus einem einfachen Drittstaat (wie der Schweiz) zuziehen, die Sitztheorie anwendet, wird die CHAG nach der Sitzverlegung in Deutschland nicht als solche anerkannt (Fallgruppe KapG 3). Aus deutscher Sicht liegt vielmehr mit dem Grenzübertritt eine andere Ge1 Vgl. Behrens in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 24.115.

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 779

12.121

Kap. 12 Rz. 12.121 | Wegzug und Zuzug

sellschaft vor. Da die formalen Anforderungen für die Neugründung oder Umwandlung einer Kapitalgesellschaft durch die zuziehende Gesellschaft nicht erfüllt sind, wird die Gesellschaft fortan als deutsche Personengesellschaft (OHG oder GbR, vgl. § 105 Abs. 2 HGB) bzw. bei nur einem Gesellschafter als Einzelperson bzw. Einzelkaufmann am Rechtsverkehr teilnehmen. Hieran ändert sich auch dadurch nichts, dass die CH-AG aus Sicht ihres Gründungsstaats (Schweiz) nach der Sitzverlegung in gleicher Identität fortbesteht (Statutenverdoppelung).1 c) Steuerliche Konsequenzen aa) Leitlinien der Rechtsprechung des BFH

12.122 Grundsätze. Verlegt eine in einem einfachen Drittstaat gegründete Kapitalgesellschaft wie die CH-AG ihren Verwaltungssitz von ihrem Gründungsstaat (Schweiz) nach Deutschland und wird sie dadurch – jedenfalls nach deutschem Internationalen Gesellschaftsrecht – zu einer Personengesellschaft des deutschen Rechts, müsste sich hierdurch grundsätzlich auch ihre steuerliche Einordnung ändern. Eine solche Gesellschaft, die vor ihrem Zuzug noch nach dem Rechtstypenvergleich als (ausländische) Kapitalgesellschaft einzuordnen war, wäre nach der (durch die Sitzverlegung veranlassten) Transformation in eine GbR oder OHG deutschen Rechts steuerlich an sich per se als Personengesellschaft einzuordnen, denn das deutsche Steuerrecht knüpft für Zwecke der Zuordnung deutscher Gesellschaften zur Körperschaft- oder Einkommensteuer streng an die zivilrechtliche Rechtsform an.2 Der Durchführung eines Rechtstypenvergleichs bedarf es in diesen Fällen nicht mehr. 12.123 Behandlung als Kapitalgesellschaft durch BFH. Der BFH sieht dies allerdings seit langem anders. Schon in der sog. Liechtenstein-Entscheidung setzte sich der BFH zwar ausführlich mit der zivilrechtlichen Sitztheorie auseinander, folgerte daraus aber – anders als der BGH – nicht, dass die ausländische Gesellschaft mit dem Grenzübertritt als solche aufhört zu existieren und sie fortan als Personengesellschaft deutschen Rechts am Rechtsverkehr teilnimmt, sondern beließ es bei der Feststellung, dass die ausländische Kapitalgesellschaft ihre Rechtsfähigkeit verliert.3 Der Mangel der Rechtsfähigkeit im Inland schloss nach Auffassung des BFH aber die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht der Liechtensteinischen AG nicht aus. Diese sei zwar keine deutsche Kapitalgesellschaft gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG a.F. oder sonstige juristische Person des privaten Rechts gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG mehr, nach § 1 1 BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, NJW 2009, 289 – Trabrennbahn; vgl. auch Bayer/ Schmidt, ZHR 173 (2009), 735 (740 f.); Rehm/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 1.113; a.A. Bartels, ZHR 176 (2012), 412 (421 ff.). 2 Siehe insbesondere BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 zur steuerlichen Einordnung der GmbH & Co. KG. 3 BFH v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972 zu einer Liechtensteinischen AG („Voraussetzung für die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit einer Kapitalgesellschaft oder sonstigen juristischen Person des Privatrechts ist deshalb ihre Rechtsfähigkeit.“); zur Anknüpfung an das Zivilrecht vgl. auch allgemein BFH v. 13.12.1989 – I R 98-99/86, BStBl. II 1990, 468; eine ausführliche Darstellung des Meinungsstands vor der Entscheidung des BFH v. 23.6.1992 findet sich bei Münch in D/P/M, § 1 KStG Rz. 78 f. (Stand: Juni 2022).

780 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

C. Zuzugskonstellationen | Rz. 12.124 Kap. 12

Abs. 1 Nr. 5 KStG (i.V.m. § 3 Abs. 1 KStG) seien aber auch nicht rechtsfähige Vereine, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckvermögen des privaten Rechts körperschaftsteuerpflichtig, wenn diese nach Organisation und Struktur einer deutschen Kapitalgesellschaft entsprechen.1 Der BFH begründete seine Auffassung insbesondere damit, dass § 1 Abs. 1 KStG eine alternative Anknüpfung an den (Satzungs-)Sitz oder den Ort der Geschäftsleitung enthalte und deshalb implizit davon ausgehe, dass der Gesetzgeber auch bei Bestehen eines ausländischen Satzungssitzes und eines inländischen Ortes der Geschäftsleitung von einer unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht ausgegangen sei.2 Im Ergebnis wurde die Liechtensteinische AG damit als unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig behandelt, da sie nach den Feststellungen des BFH nach liechtensteinischem Recht in allen wesentlichen Punkten wie eine deutsche AG ausgestaltet war.3 Ganz ähnlich verfuhr der BFH auch in späteren Entscheidungen, in denen es um eine spanische S.A.4, eine rumänische Kapitalgesellschaft5 und eine Schweizer AG6 ging, die jeweils ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt hatten. Damit, ob die zum 13.12.20067 erfolgte Änderung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG hieran etwas ändert, beschäftigte sich der BFH bislang nicht.8 Das erwähnte BFH-Urteil zu einer Schweizer AG9 aus dem Jahr 2010 betraf die Veranlagungszeiträume 1999– 2001. Zum 13.12.2006 wurde § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG dahingehend neu gefasst, dass unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaften „insbesondere“ die deutschen Kapitalgesellschaftsformen einschließlich der Europäischen Gesellschaft sind. Einige Literaturstimmen bejahen insoweit die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht auch ausländischer Kapitalgesellschaften und ähnlicher Gebilde nach Zuzug nach Deutschland bereits aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG.10 Dem ist zu widersprechen. 1 BFH v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972; für unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht im Ergebnis auch BFH v. 29.1.2003 – I R 6/99, BStBl. II 2004, 1043 zu einer USKapitalgesellschaft mit inländischem Verwaltungssitz; aus der Literatur Münch in D/P/M, § 1 KStG Rz. 87b (Stand: Juni 2022); Kolbe in H/H/R, § 12 KStG Rz. 58 (Stand: April 2021) m.w.N.; Knobbe-Keuk, StuW 1990, 372 (375); OFD Hannover v. 15.4.2005 – S 2700 – 2 – StO 241, FR 2006, 193 Rz. 2.1; anders noch OFD Köln v. 21.2.1985 – S 1301 - 213 – St 112, FR 1985, 297 („Sie ähnelt auch nicht einem nicht rechtsfähigen Verein i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG, da sie als Gesellschaft organisiert ist.“); Finanzbehörde Hamburg v. 15.1.1985 – 53 – S 2071 – 3/82, DB 1985, 258. 2 BFH v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972; Knobbe-Keuk, StuW 1990, 372 (376). 3 Der BFH bestätigte diese Rechtsprechung insbesondere in seinem Urt. v. 24.3.1998 – I R 49/96, BStBl. II 1998, 649, in dem es um die abkommensrechtliche Beurteilung von Zahlungen ging, die eine US-amerikanische Inc. mit Geschäftsleitung in Deutschland an ihre US-amerikanische Muttergesellschaft leistete. 4 BFH v. 23.6.1993 – I R 31/92, BFH/NV 1994, 661 (663). 5 BFH v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437 mit Verweis auf § 1 Abs. 1 KStG. 6 BFH v. 8.9.2010 – I R 6/09, BFHE 231, 75 unter Hinweis auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. 7 Art. 3 Nr. 2 des Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) vom 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. 8 Kahler in BeckOK KStG, 13. Edition Stand: 1.7.2022, § 1 Rz. 73. 9 BFH v. 8.9.2010 – I R 6/09, BFHE 231, 75 unter Hinweis auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. 10 Kahler in BeckOK KStG, 13. Edition Stand: 1.7.2022, § 1 Rz. 73; Lampert in Gosch4, § 1 Rz. 108.

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 781

12.124

Kap. 12 Rz. 12.124 | Wegzug und Zuzug

Immer noch erfolgt kein identitätswahrender Zuzug der ausländischen Gesellschaft. Diese ist für Zwecke des deutschen Internationalen Privatrechts und Gesellschaftsrechts als Personengesellschaft – und damit gerade nicht als Kapitalgesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG – anzusehen. Weder konnte, noch wollte der Gesetzgeber im Körperschaftsteuerrecht das Gesellschaftsrecht oder das deutsche Internationale Privatrecht ändern. An dem Umstand, dass der BFH die nicht identitätswahrend zugezogenen, nunmehr als Personengesellschaft anzusehenden Gesellschaften vermittelnd als Körperschaftsteuersubjekte unter § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG fasst, ändert obiges wiederum nichts.1

12.125 Die Rechtsprechung des BFH stellt einen Kompromiss dar, indem sie zwar die Sitztheorie anwendet, daraus aber lediglich den Verlust der Rechtsfähigkeit der ausländischen Kapitalgesellschaft ableitet und nicht die Existenz der zugezogenen ausländischen Kapitalgesellschaft als solcher infrage stellt. Diese Rechtsprechung kann für sich in Anspruch nehmen, dass sie eine Vielzahl von steuer- und gesellschaftsrechtlichen Folgeproblemen vermeidet, die sich aus der Rechtsprechung des BGH zur modifizierten Sitztheorie ergeben.2 Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen im Gründungsstaat die Gründungstheorie angewendet wird, mit der Folge, dass die nach Deutschland zugezogene Gesellschaft aus Sicht ihres Gründungsstaats auch nach der Sitzverlegung als solche fortbesteht. 12.126 Dies ändert jedoch nichts daran, dass der BFH mit seiner Rechtsprechung dem BGH seine Gefolgschaft verweigert. Dies ist spätestens seit dem Jersey-Urteil3 und der Trabrennbahn-Entscheidung4 offenkundig. Gerade vor dem Hintergrund dieser sehr deutlichen Entscheidungen des BGH war es daher für viele überraschend, dass der BFH auch in seiner jüngsten Entscheidung, in der es um eine nach Deutschland zugezogene Schweizer AG ging, an seiner bisherigen Rechtsprechung festhielt, ohne die streitige Rechtsfrage zuvor dem gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vorzulegen.5 12.127 Interessant dürfte sein, wie der BFH künftig in Fällen entscheiden wird, in denen eine Gesellschaft ihren Verwaltungssitz aus einem Staat nach Deutschland verlegt, dessen Sachrecht einen Wegzug der nach seinem Recht gegründeten Gesellschaften verbietet. Die Vereinbarkeit eines solchen Verbots mit dem Europarecht hat auch der EuGH zwischenzeitlich ausdrücklich anerkannt, indem er in seiner Cartesio-Entscheidung der Republik Ungarn als Gründungsstaat zubilligte, einer nach ungarischem Recht gegründeten Gesellschaft im Wegzugsfalle ihre rechtliche Existenz abzuerkennen („Geschöpftheorie“). Ein solcher Fall unterscheidet sich damit grundlegend von dem zuvor beschriebenen Fall des Zuzugs einer Schweizer AG, da das Sachrecht der Schweiz die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland ja gerade gestattet und 1 2 3 4 5

A.A. Kahler in BeckOK KStG, 13. Edition Stand: 1.7.2022, § 1 Rz. 77. Vgl. Binz/Mayer, BB 2005, 2361 (2363); Meilicke, GmbHR 2003, 793 (800). BGH v. 1.7.2002 – II ZR 380/00, NJW 2002, 3539. BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, NJW 2009, 289. Vgl. Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 15.174 m.w.N.

782 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

C. Zuzugskonstellationen | Rz. 12.128 Kap. 12

das schweizerische Kollisionsrecht sogar vorsieht, dass die Gesellschaft als solche fortbesteht. Denn kann eine Gesellschaft schon nach dem Recht ihres Gründungsstaats die Grenze nicht „lebend“ überschreiten, kann in Deutschland auch kein Rechtsgebilde „ankommen“, dessen ausländische Rechtsform Deutschland anerkennen könnte. Dies müsste sich dann auch auf die steuerliche Beurteilung eines solchen Sachverhalts auswirken. bb) Konkrete steuerliche Folgen Nach BFH keine Besteuerungsfolgen. Der BFH hat bisher zu den steuerlichen Folgen der Verlegung des Verwaltungssitzes im Einzelnen noch nicht Stellung genommen. Er scheint aber – unabhängig von unionsrechtlichen Erwägungen – davon auszugehen, dass eine ausländische Kapitalgesellschaft auch nach ihrem Zuzug nach Deutschland – zumindest über die „Brücke“ des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG – dasselbe Steuersubjekt darstellt wie vorher.1 Durch die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Inland tritt damit nur ein Wechsel von der beschränkten zur unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht ein. Dies hat zur Folge, dass der Zuzug auch mit Blick auf Wirtschaftsgüter, die schon vor dem Zuzug in einer deutschen Betriebsstätte steuerlich erfasst waren, steuerneutral möglich ist, da es insoweit nicht zu einer Vermögensübertragung auf einen anderen Rechtsträger kommt. Die Voraussetzungen für eine Schlussbesteuerung der Betriebsstätte nach § 12 Abs. 1 KStG liegen in diesem Fall folglich nicht vor. Für den Gesellschafter hat die Identität des Körperschaftsteuersubjekts zur Folge, dass nicht von einem gewinnrealisierenden Tausch der Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft in Anteile/Mitgliedschaften an einem neu entstehenden Körperschaftsteuersubjekt ausgegangen werden muss (§ 6 Abs. 6 EStG, § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG) und es auch nicht zu einem Auflösungsgewinn/-verlust kommt (§ 17 Abs. 4 EStG).2 Seit dem VZ 2021 ist zudem § 8 Abs. 1 S. 4 KStG zu beachten. Wichtigster Anwendungsfall der Regelung ist die „private company limited by shares“ (Limited) mit Satzungssitz im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland und Verwaltungssitz im Inland im Lichte der rechtlichen Konsequenzen des Brexits.3 Auch findet die Norm Anwendung in Fällen, in denen NichtEU/EWR-Staaten-Gesellschaften, die nach einem Rechtstypenvergleich einer Körperschaft i.S.d. § 1 Abs. 1 KStG entsprechen, ihren Ort der Geschäftsleitung in Deutschland haben, jedoch aufgrund der in Deutschland insoweit geltenden Sitztheorie nicht 1 Vgl. BFH v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972 („Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht der M-AG zu bejahen.“); für eine Identität offenbar auch Klein in H/H/R, § 1 KStG Anm. 28 (Stand: Oktober 2022): „Verlegt eine im Ausland gegründete KapGes. erstmals ihren stl. Anknüpfungspunkt in das Inland, löst die Verlegung selbst im Hinblick auf das deutsche KStG keine Konsequenzen aus.“ 2 Zum Formwechsel einer deutschen AG in eine GmbH bereits BFH v. 19.8.1958 – BStBl. III 1958, 468: „Ein Wechsel von einer der im § 1 Abs. 1 Ziff. 1 KStG aufgezählten Formen der Kapitalgesellschaft in eine andere ist daher steuerlich nur dann ein Vorgang der Beendigung und Neugründung, wenn er es auch nach Handelsrecht ist.“ 3 Hey/Isler/Janetzko/Meier/Pfirrmann/Schallmoser/Semelka/Wilk in H/H/R, § 8 KStG Rz. 62 (Stand: Oktober 2022); Micker in BeckOK KStG, 13. Edition Stand: 1.7.2022, § 8 Rz. 102.

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 783

12.128

Kap. 12 Rz. 12.128 | Wegzug und Zuzug

als juristische Person anzuerkennen sind.1 Nach der Gesetzesbegründung2 des § 8 Abs. 1 S. 4 KStG bestehen dessen Rechtsfolgen darin, dass – entgegen der zivilrechtlichen Behandlung als Personengesellschaften – steuerlich eine Behandlung der Gesellschaft als Körperschaft erfolgt. Insbesondere sind Einnahmen und andere Vorteile für Kapitalgewährungen, für Tätigkeiten eines Gesellschafters im Dienst seiner Gesellschaft oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern nach allgemeinen Grundsätzen und nach Maßgabe von § 4 Abs. 4 EStG als Aufwendungen der Kapitalgesellschaft und Einkünften der Gesellschafter zu behandeln.3 Vgl. im Übrigen zu § 8 Abs. 1 S. 4 KStG und der vorherigen Norm des § 12 Abs. 4 KStG a.F. die obigen Ausführungen (Rz. 12.34). Die Vorschrift bestätigt damit, dass die fehlende Rechtsfähigkeit aus steuerlicher Sicht nicht zu einer Transparenz des Rechtsgebildes führt, sondern weiterhin aus steuerlicher Sicht eine Körperschaft vorliegt.

12.129 Hinsichtlich der laufenden Besteuerung ist daneben zu beachten, dass das ausländische Gebilde unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig wird und deshalb erstmals ein steuerliches Einlagenkonto zu führen hat (§ 27 Abs. 1 Satz 1, Abs. 7 KStG).4 Hinsichtlich der Wirtschaftsgüter der zuziehenden Gesellschaft kann es zur erstmaligen steuerlichen Verstrickung in Deutschland kommen (Rz. 12.114; Rz. 12.116 f.). 12.130 Kritik. Kritisch anzumerken bleibt, dass die Rechtsprechung des BFH zu einem dauerhaften Auseinanderfallen von Zivilrecht und Steuerrecht führt. Denn im Ergebnis wird eine Personengesellschaft deutschen Rechts für Zwecke der Besteuerung in Deutschland als Körperschaftsteuersubjekt behandelt. Neben möglichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen ein solches Ergebnis stellt sich in solchen Fallkonstellationen die Frage, welche steuerlichen Konsequenzen es hat, wenn die Gesellschafter einer durch den Zuzug einer ausländischen Kapitalgesellschaft entstandenen GbR oder OHG beschließen, ihre Gesellschaft (z.B. aus Gründen des Haftungsschutzes) schnellstmöglich in eine GmbH umzuwandeln. Zivilrechtlich dürfte sich dies anhand des UmwG lösen lassen. Aus steuerlicher Sicht müsste dieser Vorgang dann zu ignorieren sein, weil es sich nicht um den Formwechsel einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft, sondern um den Wechsel eines Körperschaftsteuersubjekts in ein Körperschaftsteuersubjekt anderer Rechtsform handeln würde, auf den das UmwStG nicht anwendbar ist. Eine Herausforderung ähnlicher Art würde die BFH-Rechtsprechung in Fällen verursachen, in denen die zuziehende ausländische Kapitalgesellschaft lediglich einen Gesellschafter hat. In diesem Fall ist das Vermögen der ausländischen Kapitalgesellschaft aus dem Blickwinkel des deutschen Gesellschaftsrechts dem Al1 Hey/Isler/Janetzko/Meier/Pfirrmann/Schallmoser/Semelka/Wilk in H/H/R, § 8 KStG Anm. 62 (Stand: Oktober 2022); Micker in BeckOK KStG, 13. Edition Stand: 1.7.2022, § 8 Rz. 102. 2 BT-Drucks. 19/30470, 42. 3 BT-Drucks. 19/30470, 42; Micker in BeckOK KStG, 13. Edition Stand: 1.7.2022, § 8 Rz. 104. 4 Zur Ausdehnung auf Körperschaften nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG durch § 27 Abs. 7 KStG Dötsch in D/P/M, § 27 KStG Rz. 29 (Stand: Juni 2022). Als Anfangsbestand des steuerlichen Einlagekontos gilt der zum Zeitpunkt des Eintritts in die Steuerpflicht vorhandene Bestand der nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen (§ 27 Abs. 2 Satz 3 KStG).

784 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

C. Zuzugskonstellationen | Rz. 12.134 Kap. 12

leingesellschafter zuzurechnen. In diesem Fall einen Rechtstypenvergleich anzuwenden hieße, in besonders deutlicher Form die zivilrechtliche Realität zu ignorieren, da hier nach deutschem Verständnis überhaupt keine Gesellschaft mehr vorhanden wäre, die man zum Gegenstand eines Rechtstypenvergleiches machen könnte. Solche grundlegenden dogmatischen Schwierigkeiten ließen sich vermeiden, wenn die steuerliche Würdigung solcher Zuzugsfälle auf der Grundlage des geltenden deutschen Internationalen Gesellschaftsrechts erfolgen würde.1

12.131

4. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Personengesellschaft aus einem Drittstaat mit Gründungstheorie ins Inland (Fallgruppe PersG 3) a) Sachverhalt Die Folgen, die sich ergeben, wenn eine Personengesellschaft ihren Verwaltungssitz aus einem Drittstaat mit Gründungstheorie in das Inland verlegt, lassen sich anhand des folgenden Beispiels aufzeigen.

12.132

Beispiel: Die kanadische K-LP hat eine Betriebsstätte in Münster. An ihr sind X (ansässig in Toronto) und Y (ansässig in Münster) beteiligt. Beide beschließen, den Verwaltungssitz von Toronto nach Münster zu verlegen. Das kanadische Sachrecht gestattet die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland, ohne dass dies die Identität der betreffenden kanadischen Gesellschaft verändert. Nach dem kanadischen Kollisionsrecht gilt in Kanada die Gründungstheorie.

b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen Kein identitätswahrender Zuzug. Kanada vertritt, wie eine Vielzahl der Mitgliedstaaten des British Commonwealth, die Gründungstheorie, weshalb aus kanadischer Sicht die K-LP auch nach der Sitzverlegung kanadischem Recht unterliegt. Da Deutschland hingegen – jedenfalls in Fällen der hier einschlägigen Fallgruppe PersG 3, d.h. des Zuzugs von Gesellschaften aus einfachen Drittstaaten – nach wie vor die Sitztheorie anwendet, wird die K-LP hier nach deutschem Recht beurteilt. Dies hat zur Folge, dass sie als solche umqualifiziert und ihr Betrieb fortan im Rechtskleid einer deutschen GbR oder OHG geführt wird.

12.133

c) Steuerliche Konsequenzen aa) Grundsatz: Aufdeckung aller stillen Reserven infolge Betriebsaufgabe Betriebsaufgabe. Auch in diesem Fall stellt sich damit die Vorfrage, wie sich die Transformation von einer ausländischen Personengesellschaft (K-LP) in eine Personengesellschaft des deutschen Rechts (GbR oder OHG) gesellschaftsrechtlich voll-

1 So auch noch OFD Köln v. 21.2.1985 – S 1301 - 213 – St 112, FR 1985, 297 („Bei der inländischen Besteuerung wird danach von einer Mitunternehmerschaft oder, sofern nur ein Gesellschafter vorhanden ist, von einem Einzelunternehmen auszugehen sein.“) zu einer englischen Ltd. mit Verwaltungssitz in Deutschland.

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 785

12.134

Kap. 12 Rz. 12.134 | Wegzug und Zuzug

zieht. Kommt es hier – was die h.M.1 anzunehmen scheint – zur Auflösung, Liquidation und Neugründung mit einem Vermögensübergang von der aufgelösten auf die neu gegründete Gesellschaft, ist hinsichtlich der K-LP zunächst von einer Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 Satz 1 EStG) auszugehen. Dies hat grundsätzlich zur Folge, dass die Gesellschafter der K-LP – unabhängig davon, wo sie selbst ansässig sind – die stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern, die der deutschen Betriebsstätte funktional zuzurechnen sind (u.a. auch das Betriebsgrundstück), aufzudecken und zu versteuern haben. Deutschland hat für einen entsprechenden Betriebsaufgabegewinn auch mit Blick auf den in Toronto ansässigen X das Besteuerungsrecht (Art. 6 Abs. 1 und 4, Art. 13 Abs. 1 und 2 DBA Kanada). bb) Ausnahme: Steuerneutrale Vermögensübertragung durch Einbringung

12.135 Anwendung des UmwStG. Vermeiden ließe sich die Aufdeckung und Versteuerung der stillen Reserven nur, wenn in diesem Fall die Voraussetzungen des § 24 UmwStG erfüllt wären. Da diese Vorschrift einen globalen Anwendungsbereich hat, steht ihrer Anwendung nicht im Wege, dass es sich bei der zuziehenden Gesellschaft um eine kanadische Personengesellschaft handelt.2 Nach § 24 Abs. 1 und 2 UmwStG kann bei der Einbringung eines Betriebs oder Teilbetriebs in eine inländische Personengesellschaft, bei der der Einbringende Mitunternehmer wird, das eingebrachte Betriebsvermögen mit dem Buchwert angesetzt werden, soweit das Recht Deutschlands hinsichtlich der Besteuerung des eingebrachten Betriebsvermögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird.3 Ein Ausschluss des Besteuerungsrechts hinsichtlich der einbringenden Personen besteht aufgrund der unbeschränkten Steuerpflicht des Y und der beschränkten Steuerpflicht des X (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) sowie der Zuweisung des Besteuerungsrechts nach Art. 6 Abs. 1 und 4, Art. 13 Abs. 1 und 2 DBA Kanada nicht. 12.136 Auch ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts Deutschlands hinsichtlich der eingebrachten Wirtschaftsgüter ist nicht ersichtlich. Eine solche Beschränkung läge z.B. vor, soweit die Einbringung zu einer Anrechnung ausländischer Einkommen- oder Körperschaftsteuer auf die deutsche Steuer führen würde. Eine 1 BGH v. 25.5.2009 – II ZR 60/08, ZIP 2009, 1863; Roth in Hopt41, Einl. vor § 105 HGB, Rz. 29; Eberhard in BeckHdb. PersG5, § 28 Rz. 34; von Thunen in BeckOGK, IntPersGR Rz. 107 (Stand: Juli 2022); Ege/Klett, DStR 2012, 2442 (2447); Frobenius, DStR 2009, 487 (492); Hermanns, MittBayNot 2016, 297 (304); Herrler, DNotZ 2009, 484 (490); König/ Bormann DNotZ 2008, 652 (659); Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europäisches Unternehmensund Kapitalmarktrecht6, § 7 Rz. 7.84; Langhein in MünchKomm/HGB5, § 106 HGB, Rz. 30; Stiegler, Grenzüberschreitende Sitzverlegungen, S. 98; Weller, ZGR 2008, 835 (861); vgl. auch BGH v. 2.6.2008 – II ZB 1/06, NJW 2008, 2914; Kindler in MünchKomm/BGB6, IntGesR, Rz. 830; Weller in MünchKomm/GmbHG4, Einl. GmbHG, Rz. 378; Hornberger, Rechtsformwahrende Sitzverlegung, Verschmelzungen und Formwechsel von Personengesellschaften innerhalb der EU, S. 116. 2 Vgl. Patt in D/P/M, § 24 UmwStG Rz. 111 (Stand: Juni 2022); Benecke/Schnittker in W/R/ S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 15.33. 3 Vgl. zu diesen Voraussetzungen im Einzelnen Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 15.165 ff.

786 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

C. Zuzugskonstellationen | Rz. 12.138 Kap. 12

Anrechnung kommt nach der Auflösung der K-LP nur hinsichtlich der dem beschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter X zuzurechnenden Einkünfte in Betracht. Nach Art. 7 und 13 DBA Kanada unterliegen sowohl die Einkünfte aus dem laufenden Geschäft der neuen deutschen Personengesellschaft als auch eventuelle Veräußerungsgewinne jedoch dem deutschen Besteuerungsrecht. Eine Anrechnung in Deutschland als Quellenstaat kommt nicht in Betracht. Die Einbringung der Wirtschaftsgüter in die neue deutsche Personengesellschaft sollte somit gem. § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG zu Buchwerten möglich sein. Da diese Rechtsfolge jedoch nicht gesichert ist, sollten diese in jedem Fall vorab mit der Finanzverwaltung abgestimmt werden. Antragserfordernis. Von dieser Möglichkeit kann allerdings nur auf Antrag Gebrauch gemacht werden. Die Schwierigkeit wird in der Praxis in einem solchen Fall darin bestehen, dass den Gesellschaftern der zuziehenden ausländischen Gesellschaft gar nicht bewusst ist, dass sich im Zeitpunkt der Sitzverlegung ihre bisherige Gesellschaft auflöst und eine neue gegründet wird. Dementsprechend werden sie auch nicht daran denken, im Rahmen einer steuerlichen Erklärung für ihre Gesellschaft einen Antrag auf Buchwertfortführung zu stellen. Im Ergebnis dürfte jedoch auch dies einer Buchwertfortführung nicht entgegenstehen, denn der dazu erforderliche Antrag ist erst im Rahmen der Schlussbilanz der Übernehmerin zu stellen (§ 20 Abs. 2 Satz 3, 24 Abs. 2 Satz 3 UmwStG). Wissen aber die Gesellschafter einer zugezogenen Gesellschaft nicht, dass sie tatsächlich eine neue deutsche Gesellschaft gegründet haben, werden sie für diese auch keine steuerliche Schlussbilanz abgeben. Wenn dieses – z.B. geläutert durch einen Betriebsprüfer oder einen möglichen Erwerber im Rahmen einer Due-Diligence-Prüfung – nachgeholt wird, sollte auch der Antrag noch gestellt werden können.1

12.137

5. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft aus einem den Wegzug nicht gestattenden EU/EWR-Staat ins Inland (Fallgruppe KapG 1 – Umkehrschluss) a) Sachverhalt Die Auswirkungen, die sich ergeben, wenn das Sachrecht des Wegzugsstaats die Verlegung des Verwaltungssitzes nicht gestattet, sollen an dem folgenden Beispiel verdeutlicht werden.

1 Vgl. als Parallele hierzu die Einbringungen von Betriebsvermögen in Personengesellschaften, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln. In diesem Fall möchte die Finanzverwaltung nach UmwStE Rz. 24.03 § 20 Abs. 2 S. 3 entsprechend anwenden und den Zeitpunkt als maßgebend ansehen, zu dem eine steuerliche Schlussbilanz hätte abgegeben werden müssen; vgl. hierzu auch Class/Weggenmann in BeckOK UmwStG, 22. Edition Stand 1.7.2022, § 24 Rz. 1063; a.A. Frist läuft nicht ab, Fristende ist jedoch zwingend die materielle Bestandskraft des Steuerbescheids des Zuzugjahres Fuhrmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 24 UmwStG Rz. 713 (Stand: April 2022).

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 787

12.138

Kap. 12 Rz. 12.138 | Wegzug und Zuzug Beispiel: Die ungarische A-Kft. (Kapitalgesellschaft) entschließt sich, ihren Verwaltungssitz nach Deutschland zu verlegen. Die Geschäftsführung für die A-Kft. wird in der Folge von Deutschland aus wahrgenommen. Nach dem ungarischen Sachrecht können Gesellschaften, die nach dem Recht Ungarns gegründet worden sind, weder ihren statutarischen noch ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlegen. Ungarn wendet überdies kollisionsrechtlich die Sitztheorie an.

b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen

12.139 Keine Anerkennung durch das ausländische Sachrecht. Da das ungarische Gesellschaftsrecht für nach ungarischem Recht gegründete Gesellschaften vorsieht, dass sie bei einer Verlegung ihres Verwaltungssitzes ins Ausland aufgelöst werden, besteht auch die ungarische A-Kft. nach der Verlegung ihres Verwaltungssitzes von Ungarn nach Deutschland als solche nicht fort. Für eine Anerkennung der A-Kft. als ausländische Kapitalgesellschaft ist somit in Deutschland kein Raum (Umkehrschluss aus Fallgruppe KapG 1). In Deutschland kann die Gesellschaft – jedenfalls nach deutschem Internationalen Gesellschaftsrecht – fortan nur als (neu gegründete) Personengesellschaft des deutschen Rechts am Rechtsverkehr teilnehmen (z.B. als GbR oder als OHG). 12.140 Anerkennung, wenn das Sachrecht des Gründungsstaats den Wegzug gestattet. Für den Fall, dass das Sachrecht des ausländischen Staats die Verlegung des Verwaltungssitzes (unabhängig von der kollisionsrechtlichen Geltung der Sitztheorie) gestattet, ist Deutschland dagegen nach den unionsrechtlichen Vorgaben dazu verpflichtet, die Rechtsfähigkeit der ausländischen Gesellschaft im Inland anzuerkennen (Fallgruppe KapG 1). Die gesellschaftsrechtlichen Folgen und die steuerlichen Folgen sind in diesem Fall dieselben wie bei einem Zuzug einer Gesellschaft aus einem EU-/ EWR-Staat, in dem die Gründungstheorie gilt (Rz. 12.113). c) Steuerrechtliche Konsequenzen aa) Grundsatz: Auflösung und Neugründung

12.141 Auch wenn die gesellschaftsrechtliche Beurteilung dieses Falles im Ergebnis dem entspricht, was auch im Falle des Zuzugs einer Gesellschaft aus einem einfachen Drittstaat gilt, können die steuerlichen Folgen dieser beiden Fälle grundlegend voneinander abweichen. Denn anders als im Falle des Zuzugs aus einem der Gründungstheorie anhängenden einfachen Drittstaat besteht eine Gesellschaft, die aus einem Staat zuzieht, in dem bereits das Sachrecht die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland untersagt, schon nach dem für die zuziehende Gesellschaft geltenden Gründungsstatut nach dem Grenzübertritt als solche nicht fort. Diesen (zivilrechtlichen) Gesichtspunkt hat der BFH zwar in seinen bisherigen Entscheidungen nicht aufgegriffen. Da aber auch er zumindest an das (ausländische) Zivilrecht anzuknüpfen scheint, wenn er den Rechtstypenvergleich auf entsprechende (zugezogene) ausländische Rechtsgebilde anwendet, dürfte es nicht überraschen, wenn er im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis käme, dass die ungarische A-Kft. nach dem Zuzug gar nicht mehr als solche existiert. Auch das Europarecht würde den BFH hier nicht zu einer anderen Beurteilung zwingen, da Deutschland nach der in Art. 49 AEUV verbrieften 788 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

C. Zuzugskonstellationen | Rz. 12.144 Kap. 12

Niederlassungsfreiheit nicht gehalten ist, ein „Mehr“ an Rechtsfähigkeit anzuerkennen, als der Wegzugsstaat dem ausländischen Rechtsgebilde zugesteht.1 bb) Anwendbarkeit des UmwStG Geht man aber – wie hier vertreten – davon aus, dass es durch die Verlegung des Verwaltungssitzes in einem solchen Fall nach übereinstimmender Sicht der beteiligten Staaten zu einer Auflösung der ausländischen Kapitalgesellschaft und zur Fortführung deren Betriebs in einer neuen inländischen Personengesellschaft kommt, stellt sich die Frage, ob ein solcher Vorgang den Vorschriften des UmwStG unterliegt.2 Ohne eine Anwendung des UmwStG müssten sämtliche stillen Reserven in dem Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft aufgedeckt werden, da es zu einem Vermögensübergang auf eine Personengesellschaft kommt, was nach allgemeinen Grundsätzen wegen des Wechsels des Besteuerungsregimes zur Aufdeckung der stillen Reserven führt.3 Aber auch wenn das UmwStG zur Anwendung käme, müsste auf Gesellschafterebene eine Auskehrung des Vermögens der Körperschaft angenommen werden (vgl. § 7 UmwStG), die bei den Anteilseignern zu Einkünften aus Kapitalvermögen und einem Auflösungsgewinn bzw. -verlust führen könnte.

12.142

Persönlicher Anwendungsbereich eröffnet. Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) vom 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050 wurde § 1 Abs. 2 UmwStG gestrichen und das UmwStG teilglobalisiert.4 Es ist nicht mehr erforderlich, dass der umwandelnde Rechtsträger nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats der EU oder des EWR gegründet ist und sich Sitz und Ort der Geschäftsleitung innerhalb des Hoheitsgebietes der EU oder des EWR befinden, auch wenn beides in Anbetracht der A-Kft. zuvor bereits zu bejahen war.

12.143

Sachlicher Anwendungsbereich nicht eröffnet. Der sachliche Anwendungsbereich des UmwStG ist nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwStG für den Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft i.S.d. § 190 Abs. 1 UmwG „oder vergleichbare ausländische Vorgänge“ eröffnet (zur Vergleichbarkeit ausländischer Umwandlungsvorgänge allgemein s. Kapitel 6 Rz. 6.102 ff.). Die sich aus dem Blickwin-

12.144

1 In den Fällen des Zuzugs aus einem Gründungstheorie-EU- oder -EWR-Staat folgt die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht dagegen nach der Neufassung des § 1 Abs. 1 KStG durch das SEStEG unmittelbar aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, vgl. OFD Hannover v. 28.2.2007 – S 2700 – 2 – StO 242, BeckVerw 103896 unter Rz. 2.4, Rengers in Brandis/Heuermann, § 1 KStG Rz. 207 (Stand: August 2022). 2 Im Folgenden wird nur auf den Fall eingegangen, dass die Personengesellschaft aus steuerlicher Sicht eine Mitunternehmerschaft darstellt. Für den Fall, dass eine vermögensverwaltende Personengesellschaft vorliegt, könnte eine Steuerneutralität des „Formwechsels“ bereits nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG scheitern, wonach der Buchwertansatz hinsichtlich der übergehenden Wirtschaftsgüter voraussetzt, dass diese Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft werden; zu den hiermit verbundenen (zum Teil willkürlichen) Besteuerungsfolgen vgl. Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 31 ff. (Stand: Juni 2022). 3 Patt in D/P/M, § 25 UmwStG Rz. 14 (Stand: Juni 2022). 4 Desens, DStR 2022, 1588 (1593).

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 789

Kap. 12 Rz. 12.144 | Wegzug und Zuzug

kel des deutschen Internationalen Gesellschaftsrechts vollziehende Transformation der A-Kft. in eine inländische Personengesellschaft müsste danach mit einem Formwechsel nach §§ 190 ff. UmwG vergleichbar sein. Teilweise wird davon ausgegangen, dass der grenzüberschreitende Formwechsel von vornherein keinen vom UmwStG erfassten Vorgang darstellt, da das UmwStG sich ausschließlich auf einen Formwechsel nach einer ausländischen Rechtsordnung und nicht auf grenzüberschreitende Vorgänge erstrecke.1 Bei der Prüfung der Vergleichbarkeit sind nach der hier vertretenen Auffassung im Grundsatz allerdings auch die Wertungen der Niederlassungsfreiheit in Art. 49 des AEUV in der Ausprägung der Urteile des EuGH in der Rs. Cartesio2 und Rs. VALE3 zu berücksichtigen, wonach in EU-/EWR-Sachverhalten eine identitätswahrende Umwandlung in eine Gesellschaftsform des Zuzugsstaats möglich sein muss. Ein solcher grenzüberschreitender Formwechsel ist danach jedoch nur dann möglich, wenn die Voraussetzungen für einen rein nationalen Formwechsel eingehalten werden. Hieran fehlt es, wenn die Kapitalgesellschaft lediglich ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegt, dabei jedoch nicht auch gleichzeitig die übrigen Voraussetzungen für einen Formwechsel einhält, insbesondere wegen des weiter bestehenden Satzungssitzes im Ausland auch weiterhin deutlich macht, dass sie eine Gesellschaft in einer Rechtsform des Wegzugsstaats bleiben soll. Der sachliche Anwendungsbereich des UmwStG ist danach – auch unter Berücksichtigung des Unionsrechts – voraussichtlich nicht eröffnet. 6. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Personengesellschaft aus einem den Wegzug nicht gestattenden EU-/EWR-Staat ins Inland (Fallgruppe PersG 1 – Umkehrschluss) a) Sachverhalt

12.145 Beispiel:

Die U-KG aus Ungarn hat eine Betriebsstätte und ein Betriebsgrundstück in Köln. An der UKG sind die Gesellschafter A (ansässig in Ungarn) und B (ansässig in Deutschland) beteiligt. Sie beschließen gemeinsam, nun den Verwaltungssitz der U-KG von Budapest nach Köln zu verlegen. Nach dem ungarischen Sachrecht können Gesellschaften, die nach dem Recht Ungarns gegründet worden sind, weder ihren statutarischen noch ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlegen. Ungarn wendet überdies kollisionsrechtlich die Sitztheorie an.

b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen

12.146 Kein identitätswahrender Zuzug. Da nach dem Recht Ungarns die Verlegung des Verwaltungssitzes einer Personengesellschaft in das Ausland unzulässig ist, kann sie als solche nach einer Sitzverlegung ins Ausland nicht fortbestehen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die ungarische Gesellschaft nach ungarischem Recht als aufgelöst gilt und nach ihrer Sitzverlegung als in der Form einer deutschen GbR oder

1 Möhlenbrock in D/P/M, § 1 UmwStG Rz. 111 (Stand: Juni 2022). 2 EuGH v. 16.12.2008 – C-210/06 – Cartesio, NJW 2009, 569. 3 EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10 – VALE, NJW 2012, 2715.

790 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

C. Zuzugskonstellationen | Rz. 12.148 Kap. 12

OHG neu gegründete Personengesellschaft am Rechtsverkehr in Deutschland teilnimmt1 (Umkehrschluss aus Fallgruppe PersG 1). c) Steuerliche Konsequenzen aa) Vorbemerkung Betriebsaufgabe. Die Auflösung der U-KG stellt steuerlich eine Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 Satz 1 EStG) dar; dies hat grundsätzlich zur Folge, dass deren Gesellschafter A (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) und B die stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern, die der deutschen Betriebsstätte funktional zuzurechnen sind (u.a. auch in dem Betriebsgrundstück), aufzudecken und zu versteuern haben. Deutschland hätte für einen entsprechenden Betriebsaufgabegewinn auch das Besteuerungsrecht (Art. 6 Abs. 1 und 4, Art. 13 Abs. 1 und 2 DBA Ungarn).

12.147

Die Besteuerung der stillen Reserven könnte allerdings unterbleiben, wenn vorliegend eine Übertragung der Wirtschaftsgüter auf die (neu gegründete) deutsche GbR/ OHG buchwertneutral möglich wäre. Dies wäre der Fall, wenn die Voraussetzungen des § 24 UmwStG oder des § 6 Abs. 5 EStG bzw. § 6 Abs. 3 EStG erfüllt wären. bb) Umwandlung nach § 24 UmwStG Nach § 24 Abs. 1 und 2 UmwStG, der uneingeschränkt auf grenzüberschreitende Umwandlungen auf in- und ausländische Personengesellschaften anwendbar ist,2 kann bei der Einbringung eines Betriebs oder Teilbetriebs in eine inländische Personengesellschaft, bei der der Einbringende Mitunternehmer wird, das eingebrachte Betriebsvermögen mit dem Buchwert angesetzt werden, soweit das Recht Deutschlands hinsichtlich der Besteuerung des eingebrachten Betriebsvermögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird.3 Ein Ausschluss des Besteuerungsrechts hinsichtlich der einbringenden Personen besteht aufgrund der unbeschränkten Steuerpflicht des B und der beschränkten Steuerpflicht des A (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) sowie der Zuweisung des Besteuerungsrechts nach Art. 6 Abs. 1 und 4, Art. 13 Abs. 1 und 2 DBA Ungarn nicht. Auch ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts Deutschlands hinsichtlich der eingebrachten Wirtschaftsgüter ist nicht ersichtlich. Die Einbringung der Wirtschaftsgüter in die neue deutsche Personengesellschaft sollte somit gem. § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG zu Buchwerten möglich sein. Mit Blick auf den Antrag, der für einen Buchwertansatz im Zuge der Umwandlung erforderlich ist, gelten die Ausführungen, die oben bezüglich der zuziehenden kanadischen Personengesellschaft (K-LP) gemacht wurden (Rz. 12.143), entsprechend.

1 Vgl. EuGH v. 16.12.2008 – C-210/06 – Cartesio, NJW 2009, 569. 2 Vgl. Patt in D/P/M, § 24 UmwStG Rz. 17 (Stand: Juni 2022); Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 15.33. 3 Vgl. zu diesen Voraussetzungen im Einzelnen Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 15.165 ff.

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 791

12.148

Kap. 12 Rz. 12.149 | Wegzug und Zuzug

cc) Buchwertübertragung nach anderen Vorschriften

12.149 Keine Anwendung von § 6 Abs. 5 EStG. Die Möglichkeit der buchwertneutralen Übertragung nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG besteht im vorliegenden Fall möglicherweise nicht, da sie tatbestandlich ggf. nur die Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern, nicht aber die von betrieblichen Einheiten erfasst.1 Auch eine Übertragung nach § 6 Abs. 3 EStG kommt vorliegend nicht in Betracht, da danach eine buchwertneutrale Übertragung nur möglich ist, wenn sie unentgeltlich erfolgt, nicht aber, wenn sie – wie im Beispielsfall – gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten vorgenommen wird. 7. Grenzüberschreitender Formwechsel einer Kapitalgesellschaft (Fallgruppe KapG 4) a) Sachverhalt

12.150 Verlegt eine Kapitalgesellschaft sowohl ihren Verwaltungs- als auch den Satzungssitz in das Inland, stellen sich gleichzeitig die bereits beschriebenen gesellschaftsrechtlichen Fragen der Verlegung des Verwaltungs- und Satzungssitzes. Beispiel: Die Generalversammlung der LIE-AG beschließt, die Rechtsform der LIE-AG im Wege des grenzüberschreitenden Formwechsels in die Rechtsform einer deutschen Aktiengesellschaft umzuwandeln und den statutarischen Sitz der Gesellschaft von Vaduz nach Berlin zu verlegen.

b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen

12.151 Identitätswahrender Zuzug. Eine liechtensteinische AG kann unter den Voraussetzungen des Art. 234 des liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrechts (PGR) (und ggf. unter weiteren Voraussetzungen) deutschem Recht unterstellt werden und ihren Sitz nach Deutschland verlegen. Mit Bewilligung des Amtes für Justiz ist der Zuzug nach Deutschland ohne Auflösung, i.d. identitätswahrend möglich (Fallgruppe KapG 4). c) Steuerliche Konsequenzen

12.152 Keine Betriebsaufgabe (vgl. Rz. 12.115); keine Entnahmefiktion (vgl. Rz. 12.116); steuerliche Verstrickung (vgl. Rz. 12.117 f.).

1 A.A. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002 (2011/0973858), BStBl. I 2011, 1279 Rz. 6, wonach es unschädlich ist, „wenn die überführten Wirtschaftsgüter einen Betrieb, Teilbetrieb bilden oder es sich insgesamt um einen Mitunternehmeranteil handelt“.

792 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

C. Zuzugskonstellationen | Rz. 12.155 Kap. 12

8. Grenzüberschreitender Formwechsel einer Personengesellschaft (Fallgruppe PersG 3) a) Sachverhalt Beispiel: Der in Deutschland ansässige A-Konzern erwirbt alle Anteile an der bisher in Luxemburg gewerblich tätigen und dort auch ansässigen LUX-S.C.S. (und an deren einziger vollhaftender Gesellschafterin); die LUX-S.C.S. verfügt in Deutschland seit Jahren über eine Betriebsstätte, in deren Wirtschaftsgütern hohe stille Reserven liegen. Um Entscheidungsabläufe künftig zu beschleunigen, beschließt der A-Konzern, die LUX-S.C.S. grenzüberschreitendend in eine deutsche KG formzuwechseln.

12.153

b) Konkrete gesellschafts- und kollisionsrechtliche Folgen Identitätswahrender Zuzug. Nach Ansicht des OLG Oldenburg knüpfe der Formwechsel „nur“ an die grenzüberschreitende Sitzverlegung der Gesellschaft an1 und sei die Frage, ob der grenzüberschreitende Formwechsel auch identitätswahrend durchgeführt werden kann, nach dem Recht Herkunftslandes zu beurteilen.2 Dies ist nach luxemburgischen Recht der Fall,3 so dass die LUX-S.C.S. identitätswahrend in eine deutsche KG formwechseln kann.4 Nach der zutreffenden Ansicht der Literatur5 kann die LUX-S.C.S. analog §§ 190 ff. UmwG in europarechtskonformer Auslegung identitätswahrend die Rechtsform einer deutschen Kommanditgesellschaft annehmen.

12.154

c) Steuerliche Konsequenzen Im Grundsatz Betriebsaufgabe. Wenn die VALE-Grundsätze hier nicht zur Anwendung kommen, entsprechen die steuerlichen Konsequenzen in diesem Fall denen, die auch in den Fällen eintreten, in denen eine Personengesellschaft (nur) ihren Verwaltungssitz aus einem Staat, in dem das Sachrecht den Wegzug verbietet, nach Deutschland verlegt. Die Auflösung der LUX-S.C.S würde dementsprechend steuerlich zu einer Betriebsaufgabe (nach § 16 Abs. 3 EStG) führen, was grundsätzlich zur Folge hätte, dass die Gesellschafter der LUX-S.C.S. die stillen Reserven, die in den Wirtschaftsgütern der deutschen Betriebsstätte liegen, aufzudecken und zu versteuern hätten. Zur möglichen Anwendung von § 24 UmwStG, § 6 Abs. 3 EStG und § 6 Abs. 5 EStG gilt das zur angesprochenen Fallgruppe Gesagte entsprechend (s. Rz. 12.148 f.). Im Falle des identitätswahrenden grenzüberschreitenden Formwechsels kommt es dagegen nicht zu einer Betriebsaufgabe, sondern sind die allgemeinen Entstrickungs- und Verstrickungsregelungen anwendbar.

1 2 3 4 5

OLG Oldenburg v. 30.6.2020 – 12 W 23/20 Rz. 11, DNotZ 2021, 148 (151). OLG Oldenburg v. 30.6.2020 – 12 W 23/20 Rz. 12, DNotZ 2021, 148 (151). OLG Oldenburg v. 30.6.2020 – 12 W 23/20 Rz. 13, DNotZ 2021, 148 (151). OLG Oldenburg v. 30.6.2020 – 12 W 23/20 Rz. 11, DNotZ 2021, 148 (151). Stiegler, ZGR 2017, 312 (339 ff.); Knaier, DNotZ 2021, 148 (153 ff.).

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 793

12.155

Kap. 12 Rz. 12.156 | Wegzug und Zuzug

D. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen I. Vorbemerkung

12.156 Die Prüfung der steuerlichen Konsequenzen des Weg- oder Zuzugs einer Personenoder Kapitalgesellschaft hat stets mit der Ermittlung der gesellschaftsrechtlichen Konsequenzen des jeweiligen Vorgangs zu beginnen. II. Wegzugsfälle 1. Gesellschaftsrechtliche Konsequenzen

12.157 Gesellschaftsrechtlich lassen sich Wegzugsfälle im Wesentlichen in zwei Fallgruppen einteilen: – Zur ersten Fallgruppe gehören die Fälle, in denen eine in Deutschland gegründete Kapitalgesellschaft ihren Verwaltungssitz in einen anderen Staat verlegt, der diese Gesellschaft nach der Sitzverlegung gesellschaftsrechtlich als solche anerkennt, so dass der Wegzug identitätswahrend erfolgen kann (identitätswahrender Wegzug)1, sowie solche Fälle, in denen eine in Deutschland gegründete Kapital- oder Personengesellschaft durch identitätswahrenden Formwechsel die Rechtsform nach dem Recht eines EU-/EWR-Staats annimmt. Hierzu gehören Fälle, in denen eine in Deutschland gegründete – Kapitalgesellschaft ihren Verwaltungssitz in einen Staat verlegt, der Mitglied der EU oder des EWR ist; – Kapitalgesellschaft ihren Verwaltungssitz in einen Drittstaat verlegt, nach dessen internationalem Gesellschaftsrecht die Gründungstheorie gilt; – Kapital- oder Personengesellschaft durch identitätswahrenden Formwechsel die Rechtsform nach dem Recht eines EU-/EWR-Staats annimmt. – In Fällen der zweiten Fallgruppe verlegt eine in Deutschland gegründete Gesellschaft ihren Sitz in einen anderen Staat, der diese Gesellschaft nach der Sitzverlegung gesellschaftsrechtlich nicht als solche anerkennt, so dass der Betrieb der wegziehenden Gesellschaft in einer Rechtsform des Zuzugsstaats fortgeführt wird. Im Regelfall bedeutet dies – zumindest nach bislang herrschender Meinung – die Auflösung der in Deutschland gegründeten Gesellschaft und die Gründung einer neuen ausländischen Gesellschaft (identitätsändernder Wegzug). Dies ist anzunehmen, wenn eine in Deutschland gegründete – Personengesellschaft ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlegt2; – Kapitalgesellschaft ihren Verwaltungssitz in einen Drittstaat verlegt, nach dessen internationalem Gesellschaftsrecht die Sitztheorie gilt. 1 Dies gilt jedenfalls ab 1.1.2024 mit Inkrafttreten des MoPeG auch für Personengesellschaften, vgl. oben Rz. 12.9. 2 Das gilt jedenfalls dann, wenn man annimmt, dass eine deutsche Personengesellschaft ihren Verwaltungssitz nicht im Ausland haben kann, vgl. oben Rz. 12.9.

794 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

D. Zusammenfassung, Schlussfolgerungen | Rz. 12.160 Kap. 12

2. Steuerrechtliche Konsequenzen a) Vorbemerkung Die Unterscheidung zwischen einem identitätswahrenden und einem identitätsändernden Wegzug ist auch steuerlich von Bedeutung.

12.158

b) Identitätswahrende Wegzugsfälle – In Fällen eines identitätswahrenden Wegzugs einer Kapitalgesellschaft kommt es zur Aufdeckung und Besteuerung stiller Reserven in Deutschland nur, wenn und soweit Deutschland sein Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts verliert oder dieses beschränkt wird (§ 12 Abs. 1 Satz 1 KStG – s. Rz. 12.37 ff.). Die Besteuerung der stillen Reserven kann dabei in Fällen des Wegzugs in einen EU/EWR-Mitgliedstaat über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren gestreckt werden (§ 12 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 KStG i.V.m. § 4g EStG – s. Rz. 12.38).

12.159

– Verlegt eine Personengesellschaft ihren Verwaltungssitz ins Ausland, ohne ihre Identität zu verlieren, kommt es zur Aufdeckung und Besteuerung stiller Reserven in Deutschland nur insoweit, als ein bisher einer deutschen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist (§ 4 Abs. 1 Satz 4 EStG – s. Rz. 12.57 f.); Gleiches gilt, wenn und soweit das Besteuerungsrecht Deutschlands bezüglich des Gewinns aus einer späteren Veräußerung sämtlicher Wirtschaftsgüter eines Betriebs oder Teilbetriebs ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 16 Abs. 3a Halbs. 1 EStG). c) Identitätsändernde Wegzugsfälle Verliert eine Personen- oder Kapitalgesellschaft durch die Sitzverlegung ins Ausland ihre Identität, hat dies stets potentiell die Aufdeckung sämtlicher stiller Reserven zur Folge: – Dies ergibt sich mit Blick auf eine wegziehende Personengesellschaft daraus, dass in einem solchen Fall von einer Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3a Halbs. 1 EStG auszugehen ist (s. Rz. 12.59). – Für eine wegziehende Kapitalgesellschaft resultiert dies aus § 11 KStG bzw. aus den Grundsätzen der verdeckten Gewinnausschüttung (s. Rz. 12.70). – Verlegt eine Personen- oder Kapitalgesellschaft ihren Verwaltungs- und Satzungssitz oder lediglich ihren Satzungssitz in einen Mitgliedstaat der EU oder des EWR und erfüllt alle Voraussetzungen, die der Zuzugsstaat an einen innerstaatlichen Formwechsel stellt, kann es nach den Grundsätzen der EuGH-Entscheidungen in der Rs. VALE1 und Polbud2 bzw. zukünftig auf der Grundlage der GesR-RL zu einem identitätswahrenden grenzüberschreitenden Formwechsel kommen. In die1 EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10 – VALE, NJW 2012, 2715. 2 EuGH v. 25.10.2017 – C-106/16 – Polbud, DStR 2017, 2684.

Schnittker/Schümmer/Pitzal | 795

12.160

Kap. 12 Rz. 12.160 | Wegzug und Zuzug

sem Fall greifen grundsätzlich (punktuell) die allgemeinen Entstrickungsregeln (§ 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG im Falle des Wegzugs einer Personengesellschaft, s. Rz. 12.92; § 12 Abs. 1 KStG im Falle des Wegzugs einer Kapitalgesellschaft, s. Rz. 12.81). III. Zuzugsfälle 1. Gesellschaftsrechtliche Konsequenzen

12.161 In Zuzugsfällen ist die gesellschaftsrechtliche Situation ähnlich wie in Wegzugsfällen; denn auch diese lassen sich in zwei wesentliche Fallgruppen einteilen: – Zur ersten Fallgruppe gehören solche Fälle, in denen die zuziehende Gesellschaft nach ihrer Sitzverlegung in Deutschland als solche anerkannt wird (identitätswahrender Zuzug). Dies ist anzunehmen, wenn die zuziehende Gesellschaft – in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR gegründet worden ist und nach dem für sie geltenden Gesellschaftsrecht des Wegzugsstaats die Sitzverlegung zulässig ist; – die zuziehende Gesellschaft in einem Drittstaat gegründet worden ist, mit dem Deutschland einen Staatsvertrag mit spezifischer Anknüpfung geschlossen hat („qualifizierter Drittstaat“), und das Gesellschaftsrecht des betreffenden Drittstaats den Wegzug zulässt; – in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR gegründet worden ist und durch identitätswahrenden Formwechsel eine Rechtsform deutschen Rechts annimmt. – In den Fällen der zweiten Fallgruppe verliert die zuziehende Gesellschaft mit dem Zuzug ihre Existenz als ausländische Gesellschaft und führt in Deutschland ihren Betrieb in einer deutschen Rechtsform fort (identitätsändernder Zuzug). Hiervon ist auszugehen, wenn die zuziehende Gesellschaft – in einem Drittstaat gegründet worden ist, mit dem Deutschland keinen Staatsvertrag mit spezifischer Anknüpfung geschlossen hat („einfacher Drittstaat“); – in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR gegründet worden ist, nach dessen Sachrecht (Gesellschaftsrecht) der Wegzug nach seinem Recht gegründeter Gesellschaften nicht gestattet ist. 2. Steuerrechtliche Konsequenzen a) Vorbemerkung

12.162 Auch in Zuzugsfällen ist die Frage, ob sich ein Zuzug identitätswahrend oder identitätsändernd vollzieht, steuerlich von Bedeutung. 12.163–12.168 Einstweilen frei.

796 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

D. Zusammenfassung, Schlussfolgerungen | Rz. 12.170 Kap. 12

b) Identitätswahrende Zuzugsfälle – Verlegt eine ausländische Personengesellschaft ihren Verwaltungssitz nach Deutschland, ohne ihre Identität zu verlieren, hat dies in Deutschland zunächst keine steuerlichen Folgen, insbesondere liegt in diesem Fall keine Betriebsaufgabe i.S.d. § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG vor (s. Rz. 12.115). Soweit Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft durch den Zuzug nach Deutschland hier erstmalig steuerlich verstrickt werden, sind diese grundsätzlich mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 4 Abs. 1 Satz 8 EStG, § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG – s. Rz. 12.117).

12.169

– Gleiches gilt für eine ausländische Kapitalgesellschaft, die ihren Verwaltungssitz unter Wahrung ihrer Identität nach Deutschland verlegt. Auch sie löst dadurch in Deutschland zunächst keine steuerlichen Konsequenzen aus. Die durch den Zuzug in Deutschland erstmals steuerlich verstrickten Wirtschaftsgüter werden im Grundsatz mit dem gemeinen Wert angesetzt (§ 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG, § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG – s. Rz. 12.110 mit Ausnahme in Rz. 12.111). c) Identitätsändernde Zuzugsfälle – Verliert hingegen eine ausländische Personengesellschaft, die ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt, dadurch ihre Identität, führt dies steuerlich zu einer Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 Satz 1 EStG) mit der Folge, dass grundsätzlich die stillen Reserven solcher Wirtschaftsgüter, die einer deutschen Betriebsstätte zuzuordnen sind, aufzudecken und in Deutschland zu versteuern sind (s. Rz. 12.134 und 12.147). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Vermögensübertragung von der ausländischen auf die inländische Personengesellschaft ausnahmsweise steuerlich zu Buchwerten möglich ist; dies ist der Fall, wenn die Voraussetzungen des § 24 UmwStG oder des § 6 Abs. 5 EStG erfüllt sind (s. Rz. 12.135 ff. und 12.148 f.). – Beim identitätsändernden Zuzug einer Kapitalgesellschaft sind die steuerlichen Folgen nicht in allen Fällen gleich: Erfolgt der Zuzug aus einem Drittstaat, in dem die Gründungstheorie gilt, geht der BFH nämlich für steuerliche Zwecke davon aus, dass die zuziehende Kapitalgesellschaft – unabhängig von der Wertung des Internationalen Gesellschaftsrechts – ihre Identität als Körperschaft nicht verliert (s. Rz. 12.122 ff.). Konsequenterweise kommt es deshalb in einem solchen Fall auch nicht zur Aufdeckung stiller Reserven (s. Rz. 12.128). Vielmehr entsprechen die steuerlichen Folgen hier denen, die in Fällen gelten, in denen der Zuzug auch zivilrechtlich identitätswahrend erfolgt (s. Rz. 12.108 ff.). Verlegt hingegen eine Kapitalgesellschaft ihren Sitz aus einem Staat, dessen Sachrecht eine solche Sitzverlegung verbietet, geht die Gesellschaft nach dem Recht ihres Gründungsstaats unter (s. Rz. 12.139) und kann – auch für Zwecke des deutschen Steuerrechts – nicht als ausländische Körperschaft fortbestehen. Stattdessen ist in einem solchen Fall von einer Auflösung und Neugründung auszugehen. Dies zieht steuerlich die Aufdeckung aller stillen Reserven nach sich und löst in Deutschland eine Steuerpflicht insoweit aus, als stille Reserven auf Wirtschaftsgüter entfallen, die bereits (eine loSchnittker/Schümmer/Pitzal | 797

12.170

Kap. 12 Rz. 12.170 | Wegzug und Zuzug

gische Sekunde vor Zuzug) einer deutschen Betriebsstätte zuzuordnen sind (s. Rz. 12.141). – Verlegt eine Personen- oder Kapitalgesellschaft sowohl ihren Verwaltungssitz als auch ihren statutarischen Sitz nach Deutschland und nimmt sie unter Berufung auf die vom EuGH in der Rs. VALE1 entwickelten Grundsätze eine deutsche Rechtsform an, kann dieser Vorgang, so alle Voraussetzungen eines rein innerstaatlichen Formwechsels erfüllt sind, steuerlich identitätswahrend und damit steuerlich neutral geschehen. Erstmalig in Deutschland steuerlich verstrickte Wirtschaftsgüter sind dann grundsätzlich mit dem gemeinen Wert anzusetzen (s. Rz. 12.1084 ff. und 12.135 a.E.).

1 EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10 – VALE, NJW 2012, 2715.

798 | Schnittker/Schümmer/Pitzal

Kapitel 13 Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im Internationalen Steuerrecht A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . II. Grundlagen 1. Realisationsprinzip . . . . . . . . . 2. Entstrickung und Verstrickung von Wirtschaftsgütern . . . . . . 3. Nutzungsentstrickung und Nutzungsverstrickung . . . . . . III. Bestehender Rechtsrahmen steuerlicher Entstrickungs- und Verstrickungsregelungen im betrieblichen Bereich 1. Allgemeines Entstrickungsund Verstrickungskonzept für Einzelwirtschaftsgüter . . . . . . 2. Entstrickungs- und Verstrickungsregelungen bei Sachund Funktionsgesamtheiten . 3. Spezielle Regelungen zur internationalen Vermögens- und Erfolgsabgrenzung . . . . . . . . . IV. Anforderungen des höherrangigen Rechts 1. Primäres Unionsrecht (Grundfreiheiten) . . . . . . . . . . . . . . . . . a) National Grid Indus . . . . b) DMC . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verder Lab Tec . . . . . . . . . 2. Sekundäres Unionsrecht (Anti-Tax-Avoidance-Directives – ATAD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . B. Transfer eines Einzelwirtschaftsguts vom Inland in eine ausländische Betriebsstätte I. Rechtsentwicklung der Entstrickungsbesteuerung 1. Von der finalen Entnahmetheorie mit aufgeschobener Gewinnrealisierung zum allgemeinen Entstrickungskonzept

13.1 13.2 13.6 13.9 13.11

13.13 13.14 13.15

13.16 13.17 13.20 13.23 13.27 13.35

a) Finaler Entnahmebegriff der Rechtsprechung . . . . b) Finanzverwaltung: Entnahme mit aufgeschobener Gewinnrealisierung . c) Überführungen in ausländische Nicht-DBA- und DBA-Anrechnungsbetriebsstätten . . . . . . . . . d) Aufgabe des finalen Entnahmebegriffs durch den BFH . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einführung eines allgemeinen Entstrickungskonzepts durch das SEStEG a) Grundzüge des Entstrickungskonzepts . . . . . . . . b) Leerlaufen der Entstrickungsbesteuerung nach dem BFH-Urteil v. 17.7.2008 – I R 77/06 . . . 3. Einführung der § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG mit echter Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Entstrickungsregelungen a) Rückwirkende Bestätigung und Verschärfung der Rechtslage durch das SEStEG und das JStG 2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme zur Verfassungsmäßigkeit der Rückwirkung c) Ergebnis für Überführungen bis Ende 2010 . . . . . . 5. Anpassung der Entstrickungsregelungen an das Unionsrecht durch das ATADUmsG II. Verhältnis der Entstrickungstatbestände zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13.38 13.42

13.45 13.46

13.49

13.54

13.57

13.60

13.68 13.71 13.73

Gerten | 799

Kap. 13 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR 1. Verhältnis der Entstrickungstatbestände zu § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG a) Rechtslage vor Einführung der Entstrickungsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.74 b) Rechtslage nach Einführung der Entstrickungsbesteuerung . . . . . . . . . . . 13.79 c) Überführung von Wirtschaftsgütern in ausländische Gesamthands- und Sonderbetriebsvermögen 13.84 2. Verhältnis der Entstrickungstatbestände zu § 1 Abs. 5 AStG (AOA) a) Grundkonzeption des AOA . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.85 b) Anwendbarkeit der allgemeinen Entstrickungstatbestände bei Neuzuordnung von Wirtschaftsgütern infolge Umsetzung des AOA (passive Entstrickung) . . . . . . . . . . . . . . . 13.90 c) Aufdeckung stiller Reserven als Folge der (anzunehmenden) Innentransaktion . . . . . . . . . . . . . . . . 13.93 3. Verhältnis der Entstrickungstatbestände zu § 1 Abs. 3b AStG (Funktionsverlagerung) 13.95 4. Verhältnis der Entstrickungstatbestände zu § 1 Abs. 3c AStG (DEMPE) . . . . . . . . . . . 13.98 III. Tatbestandliche Voraussetzungen der Entstrickungsregelungen 1. Grundtatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG/§ 12 Abs. 1 Satz 1 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.100 a) Bestehen eines inländischen Besteuerungsrechts 13.101 b) Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder Nutzung eines Wirtschaftsguts . . . . . . . . . . . . 13.104 c) Ausschluss oder Beschränkung des inländischen Besteuerungsrechts 13.112

800 | Gerten

2. Regelbeispiel in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG (Ausschluss oder Beschränkung des Besteuerungsrechts bei Zuordnungswechsel des Wirtschaftsguts) a) Anforderungen an einen Zuordnungswechsel i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG/ § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG 13.115 b) Zuordnungswechsel allein nicht ausreichend, um Entstrickung auszulösen 3. Anwendung der Entstrickungsregelungen auf Personengesellschaften als Unternehmensträger . . . . . . . . . . . . 13.129 a) Überführung eines Wirtschaftsguts aus dem inländischen Stammhaus einer Personengesellschaft in deren ausländische Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . 13.130 b) Entgeltliche Übertragungen auf eine ausländische Personengesellschaft außerhalb des § 6 Abs. 5 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.132 c) Wegzug einzelner Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . 13.133 4. Anwendung der Entstrickungsregelungen auf Kapitalgesellschaften als Unternehmensträge . . . . . . . . . . . . . . . . 13.135 IV. Rechtsfolgen der Entstrickung . 13.137 1. Behandlung der Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte in der Gewinnermittlung a) Kein Abgang des Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen . . . . . . . . 13.138 b) Ansatz des gemeinen Werts aufgrund der Entstrickung . . . . . . . . . . . . . 13.140 c) Zuordnung des erhöhten Abschreibungsaufwands zum Ergebnis der ausländischen Betriebsstätte . . 13.142 2. Behandlung der Nutzungsentstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.143

Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR | Kap. 13 3. Wirkung der Entstrickung in anderen Vorschriften . . . . . . . 13.144 V. Der Ausgleichsposten gem. § 4g EStG 1. Inhalt des Wahlrechts . . . . . . 13.145 2. Auflösung des Ausgleichspostens nach § 4g EStG . . . . . . . . 13.147 3. Rückführung des Wirtschaftsguts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.151 C. Transfer eines Einzelwirtschaftsguts vom Ausland in das inländische Stammhaus oder eine inländische Betriebsstätte I. Rechtsentwicklung der Verstrickungsregelungen 1. Vom finalen Einlagebegriff zum allgemeinen Verstrickungskonzept . . . . . . . . . . . . 13.154 2. Einführung eines allgemeinen Verstrickungskonzepts durch das SEStEG . . . . . . . . . . . . . . . 13.155 3. Anpassung der Verstrickungsregelungen an das Unionsrecht durch das ATADUmsG . . . . . 13.157 II. Verhältnis der Verstrickungsregelungen zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.162 III. Tatbestandliche Voraussetzungen der Verstrickungsregelungen . . . 13.164 1. Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts . . 13.165 2. Begründung des deutschen Besteuerungsrechts . . . . . . . . . 13.166 3. Verstärkung des deutschen Besteuerungsrechts . . . . . . . . . . . 13.167 IV. Rechtsfolgen der Verstrickung 1. Begründung des deutschen Besteuerungsrechts . . . . . . . . . 13.169 2. Verstärkung des deutschen Besteuerungsrechts . . . . . . . . . . . 13.170 D. Sonderfälle der steuerlichen Entstrickung und Verstrickung I. Überführungen bei unbeschränkter Steuerpflicht im Inland 1. Überführungen im Ausland . 13.171 2. Wegzug aus dem Inland . . . . 13.172 II. Überführungen bei beschränkter Steuerpflicht im Inland

1. Überführungen aus inländischer Betriebsstätte in das Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.173 2. Überführungen aus dem Ausland in eine inländische Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . 13.175 III. Entstrickung und Verstrickung ohne zurechenbares Verhalten des Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . 13.178 1. Zulässigkeit der passiven Entstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.179 2. Sonderfall: Änderung von Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zum Abkommensverständnis gewerblich geprägter Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.183 3. Zulässigkeit der passiven Verstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.188 E. Überführungen und Übertragungen auf Personengesellschaften gem. § 6 Abs. 5 Satz 1 bis 3 EStG I. Abgrenzung der Betriebsstätten von Gesellschaft und Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.189 II. Überführung in das SBV bei einer ausländischen Personengesellschaft (§ 6 Abs. 5 Satz 2 EStG) 1. Überführung ist Realisationstatbestand vor und nach 2006 a) Ansicht der Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.193 b) Eigene Ansicht: Nur Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG . . . . . . . . . . . 13.196 2. Anwendbarkeit des § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG bei Überführungen in ausländisches SBV a) Anwendbarkeit des § 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG auf grenzüberschreitende Überführungen . . . . . . . . 13.197 b) Behandlung nach dem Ansatz der Verwaltung . 13.198 c) Behandlung bei Annahme einer Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG . . . . . 13.200

Gerten | 801

Kap. 13 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR 3. Verfassungs- und unionsrechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . 13.202 III. Übertragungen in das Gesamthandsvermögen einer ausländischen Personengesellschaft (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG) 1. Unentgeltliche und entgeltliche Übertragungen mit Rechtsträgerwechsel gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG . . . . . . . . . 13.204 2. Übertragungen aus einem inländischen Betriebs- in ein ausländisches Gesamthandsvermögen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG) a) Vorrang der Veräußerung vor der fiktiven Entnahme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.207 b) Sicherstellung der stillen Reserven i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG . . . . . . . . . . . 13.210 3. Unentgeltliche Übertragungen aus einem inländischen Betriebsvermögen in ein ausländisches Gesamthandsver-

mögen (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.215 4. Übertragungen aus einem inländischen SBV in ein ausländisches Gesamthandsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.216 5. Verfassungs- und unionsrechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . 13.217 IV. Übertragungen zwischen ausländischen SBV und/oder ausländischem Gesamthandsvermögen (§ 6 Abs. 5 Satz 1 und Satz 3 Nr. 2 EStG) 1. Vorrang der Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG vor der Entstrickung . . . . . . . . . . . . . . 13.219 2. Buchwertansatz gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG möglich . 13.221 V. Übertragungen zwischen den ausländischen SBV verschiedener Mitunternehmer (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 EStG) . . . . . . . . . . . . 13.223 F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . 13.226

Literatur: Becker/van der Ham, Neuregelung der Besteuerung immaterieller Werte im internationalen Kontext nach § 1 Abs. 3c AStG – Ist die Umsetzung des DEMPE-Konzepts gelungen?, IStR 2022, 217; Benecke, Entstrickung und Verstrickung bei Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens, NWB Fach 3, 2007, 14733; Benecke/Schnitger, Neuregelungen des UmwStG und der Entstrickungsnormen durch das SEStEG, IStR 2006, 765; Blöchle, Anwendungsbereich für die Entstrickungsregelung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG nach Aufgabe der finalen Entnahmelehre beim Wegzug von Personengesellschaftern, IStR 2009, 645; Blumers, DBA-Betriebsstätten-Zurechnungen in der jüngeren Zeit, DB 2008, 1765; Böhmer/Schewe/Schlücke, Neujustierung der Grenzen des deutschen Besteuerungsrechts durch das ATAD-UmsG und das KöMoG, FR 2021, 765; Bron, Zum Risiko der Entstrickung durch den Abschluss bzw. die Revision von DBA – Überlegungen zu Outbound-Investitionen unter besonderer Berücksichtigung von Art. 13 Abs. 4 OECD-MA, § 6 AStG sowie von Umstrukturierungen, IStR 2012, 904; Desens, Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen und ertragsteuerrechtliche Grundprinzipien von Umstrukturierungen, DStJG 43 (2020), 73; Desens, Der Leistungsfähigkeitsgedanke und die Entstrickung im Spiegel der europäischen Freizügigkeitsrechte, FR 2022, 681; Desens, Paradigmenwechsel in der Entstrickungsbesteuerung?, DStR 2022, 1588; Ditz, Aufgabe der finalen Entnahmetheorie – Analyse des BFH-Urteils vom 17.7.2008 und seiner Konsequenzen, IStR 2009, 115; Ditz/Rupp, Entstrickung und Verstrickung: Aktuelle Fragen und ATADUmsG, ISR 2021, 413; Ditz/Schneider, Änderungen des Betriebsstättenerlasses durch das BMF-Schreiben vom 25.8.2009, DStR 2010, 81; Ditz/Seibert, Referentenentwurf einer Funktionsverlagerungsverordnung, Ubg 2022, 398; Dötsch/Pung, SEStEG: Die Änderungen des KStG, DB 2006, 2648; Fehling, Was ist das Mindestschutzniveau in der „Anti-BEPS-Richt-

802 | Gerten

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Kap. 13 Rz. 13.1 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR nach § 12 Abs. 1 KStG, DB 2009, 430; Wassermeyer, Entstrickungsbesteuerung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, FS für Krawitz, 2010, 483; Wassermeyer, Die abkommensrechtliche Aufteilung von Unternehmensgewinnen zwischen den beteiligten Vertragsstaaten, IStR 2012, 277; Wilke, Entstrickungsbesteuerung nach der „ATAD“-Umsetzung, IStR 2020, 366; Zöller/Steffens, Der Brexit im deutschen Ertragsteuerrecht – Gesetzgeber sieht Handlungsbedarf, IStR 2019, 286.

A. Einführung 13.1 Im Zentrum des Beitrags steht die steuerliche Behandlung der dauerhaften Übertragung und der vorübergehenden Überlassung von Einzelwirtschaftsgütern des betrieblichen Bereichs zwischen Stammhaus und im Ausland oder im Inland belegener Betriebsstätte durch einen im Inland unbeschränkt oder beschränkt Steuerpflichtigen. I. Problemstellung

13.2 Betriebsstätten haben als unselbstständiger Teil eines Betriebs1 keine eigene Rechtspersönlichkeit. Das Betriebsvermögen einer ausländischen Betriebsstätte und das Betriebsvermögen des inländischen Stammhauses werden aus der Sicht des deutschen Steuerrechts als einheitliches Betriebsvermögen des unbeschränkt Steuerpflichtigen angesehen. Die Einkünfteermittlungsvorschriften des nationalen deutschen Steuerrechts kennen keine Selbstständigkeitsfiktion der Betriebsstätte für „Leistungsbeziehungen“ im Verhältnis zum Stammhaus.2 Nach unilateralen Gewinnermittlungsvorschriften ist somit ein in die ausländische Betriebsstätte überführtes Wirtschaftsgut – selbst wenn die Überführung gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 Abs. 1 KStG eine Ersatzrealisation auslöst – auch nach der Überführung in der Gesamtbilanz des Betriebs auszuweisen, da eine sog. Innentransaktion vorliegt. Dies gilt sowohl im NichtDBA-Fall als auch bei Überführungen in DBA-Anrechnungs- und DBA-Freistellungsbetriebsstätten.3 Überführungen zwischen Unternehmensteilen desselben Be1 Jeder Betrieb i.S.d. § 15 EStG hat zumindest eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte (das Stammhaus). Daneben kann er eine Vielzahl anderer Betriebsstätten unterhalten, die in ihrer Summe zusammen mit dem Stammhaus den einheitlichen Betrieb bilden. Die Buchführungspflicht nach Handels- und Steuerrecht (§§ 238 Abs. 1 HGB, 146 Abs. 2 AO) umfasst stets das gesamte Unternehmen einschließlich der ausländischen Betriebsstätten (Störk/Lewe in BeckBilanzkomm13, § 238 Rz. 142). Inländische Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens haben Bücher und Unterlagen für steuerrechtliche Zwecke im Inland nach deutschen Vorschriften zu führen und aufzubewaren (Störk/Lewe in BeckBilanzkomm13, § 238 Rz. 142; Drüen in Tipke/Kruse, § 146 AO Rz. 38 [Stand: Mai 2022]). Im Einzelnen zu Buchführungspflichten bei Betriebsstätten Schaumburg/Puls in Schaumburg, IntStR5, Rz. 21.25–21.30. 2 Siehe BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 (zur Rechtslage 1995); Wassermeyer, IStR 2012, 277 (277). 3 Soweit mit Einführung der Selbstständigkeitsfiktion der Betriebsstätte (Authorized OECD Approach – AOA) in das nationale deutsche Außensteuerrecht (§ 1 Abs. 5 AStG) der Einkünftezuordnung „anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen“ (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2

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A. Einführung | Rz. 13.3 Kap. 13

triebs vollziehen sich daher erfolgsneutral zum Buchwert, da für beide Unternehmensteile im Inland und im Ausland dieselben Gewinnermittlungsgrundsätze für einen einheitlichen Betrieb anzuwenden sind.1 Es liegen nach nationalen Gewinnermittlungsvorschriften weder eine Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG oder eine Veräußerung noch in der aufnehmenden Betriebsstätte eine Einlage oder eine Anschaffung vor. Die seit 2006 geltende Entstrickungsbesteuerung gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG stellt eine gesetzliche Durchbrechung dieses Grundprinzips dar.2 Dieses allgemeine Entstrickungsprinzip knüpft an die Überführung des Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte die Rechtsfolge einer gewinnrealisierenden „fiktiven“ Entnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG) bzw. „fiktiven“ Veräußerung (§ 12 Abs. 1 KStG), deren Folgen im EU/EWR-Fall durch die Möglichkeit, einen Ausgleichsposten gem. § 4g EStG bilden zu können, abgemildert werden können. Auch im Fall der Entstrickung bleibt das Wirtschaftsgut Teil des einheitlichen Betriebsvermögens. Die deutschen Regelungen zur steuerlichen Entstrickung und Verstrickung von Einzelwirtschaftsgütern im Bereich des Betriebsvermögens haben in der jüngeren Vergangenheit eine wechselvolle Entwicklung genommen: – Finale Entnahmetheorie und Entstrickung. Der gefestigten deutschen Rechtspraxis hat es schon vor Einführung der Entstrickungsregelungen entsprochen, auf Grundlage der finalen Entnahmetheorie3 im Zeitpunkt der Überführung eines Wirtschaftsguts in eine DBA-Freistellungsbetriebsstätte – trotz der weiterhin bestehenden Zugehörigkeit des Wirtschaftsguts zum Betrieb – die bis dahin gebildeten inländischen stillen Reserven dem Grunde nach zu besteuern, aber diese Besteuerung durch eine Billigkeitsmaßnahme der Finanzverwaltung (Ausgleichsposten)4 abzumildern (vgl. Rz. 13.38 ff.). – Kodifizierung der finalen Entnahmetheorie durch SEStEG (ab 2006). Für nach dem 31.12.2005 endende Wirtschaftsjahre hat der Gesetzgeber die Theorie der finalen Entnahme in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 Abs. 1 KStG gesetzlich geregelt. Danach steht einer Entnahme für betriebsfremde Zwecke der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsicht-

1 2 3 4

AStG) zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zugrunde zu legen sind, ändert dies nichts an diesem Befund. Denn es handelt sich dabei um eine bloße Einkünftekorrekturvorschrift, nicht hingegen um eine Vorschrift zur Einkünfteermittlung von in- oder ausländischer Betriebsstätte; BFH v. 24.11.2021 – I B 44/21 (AdV), IStR 2022, 281; Schaumburg, IntStR5, Rz. 21.67 (vgl. dazu Rz. 13.93 f.). Wassermeyer in W/R/S2, Rz. 2.15. Schaumburg, IntStR5, Rz. 21.40–21.45. BFH v. 16.7.1969 – I 266/65, BStBl. II 1970, 175. Vgl. Buciek, DStZ 2000, 636 (636) mit Hinweis auf das Wahlrecht der aufgeschobenen Gewinnrealisierung in BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.6.1. In den Fällen der Überführung in eine DBA-Anrechnungsbetriebsstätte und eine Nicht-DBA-Betriebsstätte galt das nach allgemeiner Meinung nicht, wenn die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt war; vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.6.1.

Gerten | 805

13.3

Kap. 13 Rz. 13.3 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

lich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts gleich. Ebenfalls durch SEStEG wurde die Ausgleichspostenmethode in § 4g EStG aufgenommen (vgl. Rz. 13.49 ff.). – Diese im Wege der Auslegung des allgemeinen Entnahmetatbestands gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG bewirkte Gewinnrealisierung hat nach Aufgabe der finalen Entnahmelehre durch den BFH1 in 2008 ihr Ende gefunden. Es fehlt wegen der zeitlich unbegrenzten Rückwirkung dieser Rechtsprechungsänderung vor Einführung der Entstrickungsregelungen in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG an einer Rechtsgrundlage, auf deren Grundlage im Zuge der Innentransaktion eine Aufdeckung der stillen Reserven angenommen werden könnte (vgl. Rz. 13.46 ff.). – Der Gesetzgeber hat hierauf im JStG 2010 mit einem zeitlich bis zum Steuerjahr 2005 zurückwirkenden Nichtanwendungsgesetz reagiert. Durch Einfügen eines Regelbeispiels (§ 4 Abs. 1 Satz 4 EStG) mit dem Ziel, den Hauptanwendungsfall von § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG klarstellend zu erläutern, sollte zugleich der Rechtsprechung des BFH zur Aufgabe der Theorie der finalen Entnahme der Boden entzogen werden (vgl. Rz. 13.57 ff.). – In der Folgezeit hat der EuGH in seiner Rechtsprechung (namentlich in den Rs. National Grid Indus, DMC, Verder Lab Tec) Leitlinien entwickelten, welche die primärrechtlichen Grenzen mitgliedstaatlicher Entstrickungsregelungen zunehmend klarer konturiert haben (vgl. Rz. 13.16 ff.). – Diese Leitlinien bilden nunmehr durch Aufnahme von Regelungen zur Übertragung von Vermögenswerten in die ATAD-Richtlinien (Anti Tax Avoidance Directives),2 den von allen Mitgliedstaaten verpflichtend einzuhaltenden sekundärrechtlichen Mindeststandard für steuerliche Entstrickungs- und Verstrickungstatbestände (vgl. Rz. 13.27 ff.), der vom deutschen Gesetzgeber mit ATADUmsG3 in das nationale Steuergesetzt umgesetzt worden ist (vgl. Rz. 13.71 f., 13.157 ff.).

13.4 Anknüpfung an unilaterale und DBA-Gewinnabgrenzungsvorschriften. Sowohl die finale Entnahmelehre als auch die § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG knüpfen als tatbestandliche Voraussetzungen nicht an einen positiv formulierten Entstrickungstatbestand oder Katalog von Entstrickungstatbeständen an. Der Anknüpfungspunkt für die Annahme einer (fiktiven) Entnahme ist vielmehr von der Rechtsfolgenseite her damit beschrieben, dass das deutsche Besteuerungsrecht für die im Veräußerungsgewinn abgebildeten und im Inland entstandenen stillen Reserven eines Wirtschaftsguts ausgeschlossen oder beschränkt sein muss.4 Diese Regelungstechnik ist Ausgangspunkt erheblicher Widersprüche zwischen gesetzlicher Regelung, höchstrichterlicher deutscher Finanzrechtsprechung und der Rechtsprechung des EuGH. Denn der BFH führt in seiner Entscheidung zur Aufgabe der Theorie der 1 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 2 ATAD I, RL (EU) 2016/1164 v. 12.7.2016, ABl. EU 2916 Nr. L 193, 1; konkretisiert durch ATAD II, RL (EU) 2017/952 v. 29.5.2017, ABl. EU 2017 Nr. L 144, 1. 3 Gesetz v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2035. 4 Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 373a (Stand: April 2022).

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A. Einführung | Rz. 13.5 Kap. 13

finalen Entnahme ergänzend aus, dass bei Überführungsvorgängen ins Ausland der Besteuerungszugriff Deutschlands auf die im Inland entstandenen stillen Reserven nach dem gewandelten Verständnis des Abkommensrechts auch bei einer DBA-Freistellung erhalten bleibe, so dass deren Erfassung auch dann nicht beeinträchtigt sei, wenn die Realisation im Ausland erfolge.1 Demgegenüber ging der EuGH in der Rs. National Grid Indus,2 in welcher er die Unionsrechtmäßigkeit einer vorgezogenen Wertzuwachsbesteuerung durch den Herkunftsstaat bestätigte, davon aus, dass stille Reserven (ebenso wie stille Lasten) ab dem Zeitpunkt der Überführung eines Wirtschaftsguts ins Ausland nur noch dem Aufnahmestaat zuzuordnen sind. Aufgeworfene Problemfelder in der Praxis. Der Praktiker ist im Zusammenhang mit der Überführung von Einzelwirtschaftsgütern vom Inland in eine ausländische Betriebsstätte und vom Ausland in das inländische Stammhaus oder eine inländische Betriebsstätte gegenwärtig insbesondere mit folgenden Fragen konfrontiert: – Zahlreiche Altfälle (Überführungen bis Ende 2009) sind nach wie vor offen. Die umfangreichen gesetzgeberischen Aktivitäten im Bereich der Entstrickungsvorschriften mit zum Teil umfassender Rückwirkung und nach wie vor ausstehende höchstrichterliche Rechtsprechung zur Zulässigkeit dieser Rückwirkung3 haben zur Folge, dass eine Vielzahl von Altfällen verfahrensrechtlich noch offen und Rechtsbehelfsverfahren bzw. finanzgerichtliche Verfahren bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung ausgesetzt sind. Im Einzelnen betrifft dies insbesondere – Überführungen bis Ende 2005. Der Gesetzgeber hat im JStG 2010 die Entstrickungsregelungen in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG und die „Ausgleichspostenmethode“ in § 4g EStG rückwirkend für alle Veranlagungszeiträume vor 2006 für anwendbar erklärt. Hier könnte streitig sein, ob wegen eines Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot ein Realisationsvorgang besteuert werden darf. Sind im Zuge einer Überführung nach der Billigkeitsregelung im früheren Betriebsstättenerlass vom 24.12.1999 Ausgleichsposten (für Anlagevermögen) gebildet worden, die sodann gewinnerhöhend korrespondierend zur AfA oder nach 10 Jahren zwangsweise insgesamt aufgelöst werden müssen, stellte sich ebenfalls die Frage, ob dies hinzunehmen ist (Rz. 13.65 ff.).

1 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; vgl. Wassermeyer, DB 2007, 1176 (1177); Wassermeyer in W/R/S2, Rz. 2.16; kritisch Meyer in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, EStG, § 4 Rz. 618.1, 622. 2 EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, IStR 2012, 27; bestätigt in EuGH v. 21.5.2015 – C-657/13 – Verder Lab Tec, IStR 2015, 440. 3 Vgl. nur anhängiges Revisionsverfahren (Az. des BFH: I R 99/15) zur Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Rückwirkung (vorgehend FG Düsseldorf v. 19.11.2015 – 8 K 3664/11 F, IStR 2016, 118, das entschieden hat, die rückwirkende Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG in der Fassung des JStG 2010 auf den Veranlagungszeitraum 2005 sei nicht verfassungswidrig). Das Revisionsverfahren wurde bis zu einer Entscheidung des BVerfG betreffend die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften (Az. 2 BvL 8/13) ausgesetzt.

Gerten | 807

13.5

Kap. 13 Rz. 13.5 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

– Überführungen ab 2006 bis Ende 2009. Es sind viele Fragen zur Auslegung und Wirkungsweise der Entstrickungsregelungen in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG und deren Vereinbarkeit mit dem verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot offen (Rz. 13.67 ff.). – Entstrickung bei Überführungen von Einzelwirtschaftsgütern vom Inland in eine ausländische Betriebsstätte. Besondere Fragen stellen sich zum Verhältnis der Entstrickungsregelungen zu den Korrekturvorschriften des Außensteuerrechts (Rz. 13.85 ff.), Abgrenzungs- und Anwendungsfragen auf Tatbestandsebene der allgemeinen Enstrickungsregelungen (Rz. 13.100 ff.), die Möglichkeiten zur Abmilderung der Folgen der Sofortversteuerung durch Bildung und Auflösung des Ausgleichspostens nach § 4g EStG (Rz. 13.145 ff.) sowie Frage zur Zulässigkeit einer passive Entstrickung ohne zurechenbares Verhalten des Steuerpflichtigen (Rz. 13.178 ff.). – Verstrickung bei Überführung von Einzelwirtschaftsgütern vom Ausland in das inländische Stammhaus oder eine inländische Betriebsstätte. Hier stellen sich insbesondere Fragen in Bezug auf Anwendungs- und Wirkungsweise der fakultativen Einlagebesteuerung (Welcome Tax) bei Verstärkung des deutschen Besteuerungsrechts (Rz. 13.159 f.) und Anwendungsfragen in Bezug auf die durch das ATADUmsGG neu eingeführten Wertverknüpfungen mit den Steuerwerten der Herkunftsstaaten (Rz. 13.157 f.). – Überführungen auf ausländische Personengesellschaften. Besondere Fragen stellen sich bei Überführung eines Wirtschaftsguts aus einem inländischen Betrieb oder Sonderbetriebsvermögen in ein ausländisches Gesamthands- oder Sonderbetriebsvermögen (vgl. unter Rz. 13.129 ff. und 13.189 ff.). Viele der relevanten Vorgänge sind Außentransaktionen mit Gewinnauswirkung im Herkunftsbetriebsvermögen (Entnahmen oder Veräußerungen), was die grundsätzliche Frage zum Verhältnis dieser Realisationstatbestände und der Buchwertanordnung in § 6 Abs. 5 Satz 1 bis 3 EStG zu den Entstrickungsregelungen aufwirft. II. Grundlagen 1. Realisationsprinzip

13.6 Das deutsche Ertragsteuerrecht folgt dem Markteinkommens- und dem Realisationsprinzip, wonach grundsätzlich nur am Markt verwertete und wertbestätigte Leistungen als Einkommen der Besteuerung unterliegen, während nichtrealisierte Wertsteigerungen (stille Reserven) nicht der Besteuerung unterworfen werden. Gleichwohl ordnet das deutsche Steuerrecht in bestimmten Fällen eine Besteuerung stiller Reserven auch ohne Realisationsakt an, wenn anderenfalls im betrieblichen Bereich entstandene stille Reserven gar nicht versteuert würden.1 13.7 Dies ist der Hintergrund für die Vorschriften des nationalen Steuerrechts zur Abgrenzung des steuerverhafteten betrieblichen vom steuerlich unbeachtlichen außerbetrieblichen Bereich (Entnahmen, § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG und Einlagen, § 4 1 Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 9.450: Besteuerung stiller Reserven ohne Realisationsakt als ultima ratio.

808 | Gerten

A. Einführung | Rz. 13.10 Kap. 13

Abs. 1 Satz 8 EStG). Bei der betrieblichen Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich ist dem Unterschiedsbetrag zwischen den zu vergleichenden Betriebsvermögen der Wert der Entnahmen hinzuzurechnen und der Wert der Einlagen ist abzuziehen. Das ist deshalb erforderlich, weil Gewinn nur ist, was durch den Betrieb erwirtschaftet worden ist. Was entnommen wird, ist im Betrieb erwirtschaftet worden und daher zu erfassen. Was eingelegt wird, kommt von außen in den Betrieb, ist nicht im Betrieb erwirtschaftet worden und daher nicht zu erfassen.1 Zugleich erklären sich so die Vorschriften für grenzüberschreitende Sachverhalte zur Abgrenzung internationaler Besteuerungsbefugnisse durch die allgemeinen Entstrickungstatbestände in § 4 Abs. 1 Satz 3 ff. EStG und § 12 Abs. 1 KStG. Die Vorschriften zur steuerlichen Erfassung stiller Reserven bei Eintritt in die und bei Ausscheiden aus der Steuerpflicht konkretisieren die internationale Abgrenzung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Staaten, wobei der Begriff der Besteuerungsbefugnis das Recht eines Staates umschreibt, einen Sachverhalt wegen dessen Bezug zum Territorium dieses Staates der Besteuerung zu unterwerfen2 Die gegenläufigen Interessen einerseits des Fiskus an einer letztmaligen Erfassung stiller Reserven und andererseits der Steuerpflichtigen eine Steuerlast ohne korrespondierenden Mittelzufluss zu verhindern oder jedenfalls hinauszuschieben, liegen dabei auf der Hand.3

13.8

2. Entstrickung und Verstrickung von Wirtschaftsgütern Als Entstrickung im steuerlichen Sinne wird gemeinhin der Verlust oder die Beschränkung des staatlichen Besteuerungszugriffs auf die in einem Einzelwirtschaftsgut ruhenden nichtrealisierten Wertzuwächse (stillen Reserven) bezeichnet.4 Eine Entstrickungsbesteuerung (exit tax) wirkt dem Verlust inländischen Steuersubstrats entgegen, indem sie die Aufdeckung und Versteuerung der stillen Reserven anordnet. Die Entstrickungsbesteuerung stellt damit eine Ausnahme vom Realisationsprinzip dar, denn sie fingiert eine Verwirklichung der stillen Reserven (Ersatzrealisationstatbestände) mit der Folge, dass eine Steuer entsteht, ohne dass der Steuerpflichtige einen entsprechenden Mittelzufluss hat.5

13.9

Die Verstrickung im steuerlichen Sinne ist der Gegenpol zur Entstrickung. Unter der Verstrickung wird daher allgemein der Eintritt eines Steuersubjekts oder Steuerobjekts in die deutsche Besteuerungshoheit verstanden. Durch die Anordnung der Bewertung eines in die inländische Besteuerungshoheit eintretenden Wirtschaftsguts mit dem gemeinen Wert wird sichergestellt, dass nur auf deutschem Hoheitsgebiet zukünftig entstehende Gewinne (stille Reserven) dem deutschen Steuerzugriff unterliegen.6

13.10

1 2 3 4 5 6

Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 9.360. Lampert in Gosch, KStG4, § 12 Rz. 1. Schnitger, Die Entstrickung im Steuerrecht, ifst 487 (2013), S. 11. Schnitger, Die Entstrickung im Steuerrecht, ifst 487 (2013), S. 11. Loschelder in Schmidt, EStG41, § 4 Rz. 240. Ditz/Rupp, ISR 2021, 413 (413 f.); Schnitger, Die Entstrickung im Steuerrecht, ifst 487 (2013), 13.

Gerten | 809

Kap. 13 Rz. 13.11 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

3. Nutzungsentstrickung und Nutzungsverstrickung

13.11 Bezugspunkt der steuerlichen Entstrickung und Verstrickung bei dauerhafter Überführung von Wirtschaftsgütern ins Inland oder Ausland ist der Gewinn aus der Veräußerung des Wirtschaftsguts. Seit der erstmaligen gesetzlichen Einführung eines allgemeinen Regelungswerks zur Besteuerung von Entstrickungs- und Verstrickungsvorgängen durch das SEStEG hat auch das Begriffspaar der „Nutzungsentstrickung“ sowie „Nutzungsverstrickung“ Bedeutung erlangt. Gemeint sind damit Fälle, in denen ein Wirtschaftsgut nicht auf Dauer, sondern nur vorübergehend einer im Ausland oder im Inland belegenen Betriebstätte überlassen wird. Es findet also kein Zuordnungswechsel des Wirtschaftsguts statt, mit der Folge, dass das Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung weder ausgeschlossen noch beschränkt wird. Es kommt stattdessen zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung hinsichtlich des Besteuerungsrechts an den laufenden Einkünften.1 13.12 In Anlehnung an die Sachentnahme und die Nutzungsentnahme unterscheidet auch der allgemeine Entstrickungstatbestand zwischen dem Ausschluss oder der Beschränkung des inländischen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts. Da es nach nationalem Recht keine Nutzungseinlagen gibt, sind jedoch Nutzungsverstrickungen im Gegensatz zu sonstigen fiktiven Verstrickungseinlagen bei Begründung des deutschen Besteuerungsrechts an dem Gewinn aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts nicht vorgesehen.2 III. Bestehender Rechtsrahmen steuerlicher Entstrickungs- und Verstrickungsregelungen im betrieblichen Bereich 1. Allgemeines Entstrickungs- und Verstrickungskonzept für Einzelwirtschaftsgüter

13.13 Die zentralen Vorschriften des allgemeinen steuerlichen Entstrickungs- und Verstrickungskonzepts in Bezug auf Einzelwirtschaftsgüter finden sich in § 4 Abs. 1 EStG und der Parallelvorschrift des § 12 Abs. 1 KStG: – § 4 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 EStG (eingefügt durch SEStEG)3 enthält ein allgemeines Entstrickungsprinzip, indem der Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder Nutzung eines Wirtschaftsguts der Entnahme für betriebsfremde Zwecke gleichgestellt wird. Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts liegt nach dem Regelbeispiel in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG (eingefügt durch JStG 2010)4 insbesondere dann vor, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Für diese 1 Schnitger, Die Entstrickung im Steuerrecht, ifst 487 (2013), 14; Kahle/Eichholz/Kindich, Ubg 2016, 132 (133). 2 Hackemann in Bott/Walter, § 12 KStG Rz. 29 (Stand: September 2021). 3 Gesetz v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. 4 Gesetz v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768.

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A. Einführung | Rz. 13.13 Kap. 13

Fälle ordnet § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 Alt. 1 EStG im Hinblick auf die international verbreitete Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes die Bewertung zum gemeinen Wert statt zum Teilwert an. – § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG (eingefügt durch SEStEG) stellt korrespondierend zum Entstrickungstatbestand die Begründung des deutschen Besteuerungsrechts an dem Gewinn aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts einer Einlage gleich (Verstrickungstatbestand). Für diese Fälle ordnet § 6 Abs. 1 Nr. 5a Halbs. 1 EStG die Bewertung zum gemeinen Wert statt zum Teilwert an; die Bewertungsvorschrift wird durch § 6 Abs. 1 Nr. 5a Halbs. 2 EStG (eingefügt durch ATADUmsG) dahingehend ergänzt, dass in dem Fall, dass das Wirtschaftsgut bei Überführung ins Inland im Ausland einer Entstrickungsbesteuerung unterlegen hat, die Einlage mit dem Wert zu erfolgen hat, den der Herkunftsstaat der Entstrickungsbesteuerung zugrunde gelegt hat, höchstens aber mit dem gemeinen Wert. – § 4 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 EStG und § 4 Abs. 1 Satz 9 EStG (eingefügt durch ATADUmsG)1 erweitert den steuerlichen Verstrickungstatbestand auf Fälle der Verstärkung des deutschen Besteuerungsrechts in Bezug auf den Gewinn aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts. Anders als der allgemeine Entstrickungstatbestand (§ 4 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 EStG) knüpfte der allgemeine Verstrickungstatbestand (§ 4 Abs. 1 Satz 8 EStG) bis zu seiner Ergänzung durch das ATADUmsG nur an die Begründung, nicht an die Verstärkung des deutschen Besteuerungsrechts an. Zu einer solchen Verstärkung – das Gesetz spricht von dem Wegfall einer Beschränkung – des deutschen Besteuerungsrechts kann es etwa auf Grund der Überführung eines Wirtschaftsguts aus einer Anrechnungsbetriebsstätte in eine inländische Betriebsstätte oder ins inländische Stammhaus des Steuerpflichtigen kommen. Denn dadurch entfällt die deutsche Verpflichtung zur Anrechnung ausländischer Steuer und das bislang eingeschränkte deutsche Besteuerungsrecht erstarkt zu einem uneingeschränkten Besteuerungsrecht. Gesetzestechnisch ist der Verstrickungstatbestand als Wahlrecht („Antragsverstrickung“) des Steuerpflichtigen in Verstärkungsfällen, in denen im Herkunftsstaat eine Schlussbesteuerung stattfindet, ausgestaltet. Bei Ausübung des Wahlrechts löst die Überführung eines Wirtschaftsguts aus einer ausländischen Betriebsstätte ins Inland in einem ersten Schritt zunächst eine fiktive Entnahme aus (§ 4 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 EStG), für die § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 Alt. 2 EStG (eingefügt durch ATADUmsG) eine Wertverknüpfung mit dem Wert anordnet, mit dem das Wirtschaftsgut im Herkunftsstaat einer Schlussbesteuerung unterworfen worden ist, der Höhe nach jedoch begrenzt auf den gemeinen Wert des Wirtschaftsguts. Hierdurch werden nicht nur im Herkunftsstaat, sondern auch in Deutschland die stillen Reserven aufgedeckt. Eine Doppelbesteuerung wird durch Anrechnung der ausländischen Steuer (§ 34c EStG) vermieden.2 In einem zweiten Schritt gilt das Wirtschaftsgut sodann nach § 4 Abs. 1 Satz 9 EStG als unmittelbar nach der Entnahme wieder eingelegt. Für die Bewertung dieser fiktiven (Wieder-)Einlage sieht § 6 Abs. 1 Nr. 5b EStG (eingefügt durch ATADUmsG) eine korrespondierende 1 Gesetz v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2035. 2 BT-Drucks. 19/28652, 32.

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Kap. 13 Rz. 13.13 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

Wertverknüpfung vor, wonach die Einlage mit dem Wert anzusetzen ist, den der Herkunftsstaat der Besteuerung zugrunde legt, höchstens jedoch mit dem gemeinen Wert. – § 4g EStG ermöglicht bei Verbringung von Einzelwirtschaftsgütern aus dem inländischen Stammhaus oder der inländischen Betriebsstätte eines Steuerpflichtigen in einen anderen EU-/EWR-Staaten auf Antrag eine Streckung der Versteuerung des Entnahmegewinns durch Bildung eines über fünf Wirtschaftsjahre aufzulösenden Ausgleichspostens. – § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG (eingefügt durch SEStEG) enthält eine zum allgemeinen Entstrickungskonzept des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG strukturgleiche Parallelnorm inklusiver eigener Bewertungsvorschrift, die den Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder Nutzung eines Wirtschaftsguts der Veräußerung oder Überlassung des Wirtschaftsguts zum gemeinen Wert gleichstellt. Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts liegt nach dem Regelbeispiel in § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG (eingefügt durch JStG 2010) insbesondere dann vor, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnendes WG einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist. – Über die Verweisungsnorm des § 8 Abs. 1 KStG findet die allgemeine Verstrickungsregelung des § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG Anwendung. § 12 Abs. 1 Satz 3 KStG (eingefügt durch ATADUmsG) erweitert den steuerlichen Verstrickungstatbestand auf Fälle der Verstärkung des deutschen Besteuerungsrechts in Bezug auf den Gewinn aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts. – § 12 Abs. 1a KStG (eingefügt durch ATADUmsG) erklärt § 4 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2, Satz 8 Halbs. 2, Satz 9 und Satz 10 EStG im Fall der Begründung des Besteuerungsrechts oder des Wegfalls einer Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts, das der außerbetrieblichen Sphäre einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse zuzuordnen ist, für entsprechend anwendbar. 2. Entstrickungs- und Verstrickungsregelungen bei Sach- und Funktionsgesamtheiten

13.14 Für Betriebe und Teilbetriebe finden sich ferner Sonderregelungen für den Fall des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts für Wirtschaftsgüter aus Sach- und Funktionsgesamtheiten. Von Bedeutung sind insbesondere: – § 16 Abs. 3a EStG der parallel zu § 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG die Erfassung inländischer stiller Reserven bei Verlagerung von Betrieben und Teilbetrieben ins Ausland sicherstellen soll. § 36 Abs. 5 EStG sieht für diese Fälle auf Antrag des Steuerpflichtigen eine zinslos zeitlich gestreckte Entrichtung der auf den Aufgabegewinn entfallenden Steuer in fünf gleichen Jahresraten vor.

812 | Gerten

A. Einführung | Rz. 13.15 Kap. 13

– Das Umwandlungssteuerrecht kennt unter anderem mit § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG (Verschmelzung auf eine Personengesellschaft), § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG (Verschmelzung auf eine Kapitalgesellschaft), § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG (Einbringung in eine Kapitalgesellschaft) oder § 24 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UmwStG (Einbringung in eine Personengesellschaft) ebenfalls eine Reihe von Entstrickungsregelungen bei Umwandlungen mit Auslandsbezug, bei denen es sich jedoch nicht um konstitutive Ersatzrealisationstatbestände, sondern um Rückausnahmen vom Steueraufschub, die zur Besteuerung qua bereits verwirklichter Realisationstatbestände führen.1 3. Spezielle Regelungen zur internationalen Vermögens- und Erfolgsabgrenzung Neben den allgemeinen steuerlichen Entstrickungs- und Verstrickungsregelungen finden sich eine Vielzahl von speziellen Regelungen zur internationalen Vermögensund Erfolgsabgrenzung, die mit ähnlicher Zielrichtung den Zugriff auf der Besteuerung im Inland unterliegendes Steuersubstrat sicherstellen sollen: – Durch das AmtshilfeRLUmsG2 haben die von der OECD entwickelten Grundsätze zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes bei der Betriebsstättengewinnabgrenzung (AOA) Eingang in § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG und § 1 Abs. 5 AStG gefunden. Die Fiktion des Bestehens schuldrechtlicher Vereinbarungen zwischen dem Stammhaus und in einem anderen Staat belegener Betriebsstätte und deren Bewertung nach Fremdvergleichsgrundsätzen wirft die Frage auf, ob die Vorschrift als eigenständiger (spezieller) Ersatzrealisationstatbestand neben den allgemeinen Entstrickungsvorschriften anzusehen ist (dazu Rz. 13.93 f.). Ferner wirft die Umsetzung des AOA und die damit einhergehende Zuordnung von Wirtschaftsgütern bei Betriebsstätten Fragen der passiven Entstrickung auf (dazu Rz. 13.90 f.). – In § 1 Abs. 3b AStG (neugefasst durch AbzStEntModG)3 finden sich Vorschriften zur Funktionsverlagerung. Auf Tatbestandsseite wurde die Legaldefinition einer Funktionsverlagerung dahingehend geändert, dass Wirtschaftsgüter „oder“ sonstige Vorteile zu verlagern sind. Die Vorschriften zur Funktionsverlagerung gelten über § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG auch im Verhältnis zwischen Stammhaus und Betriebsstätte. Es stellen sich Fragen des Verhältnisses der Vorschrift zu den allgemeinen Entstrickungsregelungen (dazu Rz. 13.95 ff.). – Mit § 1 Abs. 3c AStG (eingefügt durch AbzStEntModG) findet sich eine Neuregelung der Besteuerung von Erträgen aus immateriellen Werten im internationalen Kontext im Gesetz. Dazu wurde das aus dem BEPS-Abschlussbericht (Aktionspunkte 8–10) stammende DEMPE-Konzept4 und eine Definition des Begriffs der 1 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht9, S. 269; Meyer in Kirchhof/Kulosa/ Ratschow, EStG, § 4 Rz. 613.1; Desens, FR 2022, 681 (682). 2 Gesetz v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 3 Gesetz v. 2.6.2021, BGBl. I 2021, 1259. 4 DEMPE = Entwicklung (Development), Verbesserung (Enhancement), Erhaltung (Maintenance), Schutz (Protection) und Verwertung (Exploitation) immaterieller Werte.

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13.15

Kap. 13 Rz. 13.15 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

immateriellen Werte gesetzlich verankert und eine Zuordnung von Erträgen aus der Verwertung immaterieller Werte für Besteuerungszwecke auf Basis der DEMPE-Funktionen vorgesehen.1 Die Vorschriften gelten über § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG auch im Verhältnis zwischen Stammhaus und Betriebsstätte. Auch hier stellen sich Fragen der passiven Entstrickung (dazu Rz. 13.98 f.). IV. Anforderungen des höherrangigen Rechts 1. Primäres Unionsrecht (Grundfreiheiten)

13.16 Der EuGH war in der Vergangenheit wiederholt mit steuerlichen Entstrickungsregelungen von Mitgliedstaaten befasst, die grundsätzlich eine Schlechterstellung von grenzüberschreitenden Verlagerungen von Wirtschaftsgütern gegenüber innerstaatlichen Sachverhalten zur Folge haben, bei denen keine Besteuerung erfolgt. Dabei hat der EuGH Regelungen zur Besteuerung nicht realisierter Wertzuwächse zumeist am Maßstab der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV), vereinzelt aber auch an der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) überprüft. Die Abgrenzung beider Grundfreiheiten ist auf der Rechtfertigungsebene von untergeordneter Bedeutung, da die vom EuGH herangezogenen Rechtfertigungsgründe für beide Freiheiten gelten. Sie kann aber auf Ebene des sachlichen und persönlichen Anwendungsbereichs Bedeutung erlangen, da nur die Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs auch bei Sachverhalten mit Bezug zu Drittstaaten Geltung beansprucht.2 a) National Grid Indus

13.17 In der Rechtssache National Grid Indus3 hatte der EuGH Gelegenheit sich mit der niederländischen Entstrickungsbesteuerung bei Sitzverlegung in einen anderen Mitgliedstaat zu befassen.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die unter National Grid Indus firmierende Klägerin, eine nach niederländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft, hatte ihren tatsächlichen Verwaltungssitz zunächst in den Niederlanden und verlegte diesen dann in das Vereinigte Königreich. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie eine Forderung in Pfund Sterling gegen eine im vereinigten Königreich ansässige Gesellschaft, hinsichtlich derer nach einer Steigerung des Kurses des Pfund Sterling gegenüber dem niederländischen Gulden ein nicht realisierter Kursgewinn entstanden war. Zwar blieb die Klägerin aufgrund Errichtung nach niederländischem Recht grundsätzlich in den Niederlanden unbeschränkt steuerpflichtig. Aufgrund des DBA Niederlande/Vereinigtes Königreich musste die Klägerin ab der Verlegung ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes jedoch als im Vereinigten Königreich ansässig betrachtet werden. Da die Klägerin nach der Verlegung ihres Sitzes nicht mehr über eine Betriebsstätte in den Niederlanden verfügte, kam die Befugnis zur Besteuerung des Unternehmensgewinns und der Vermögenserträge nach der Sitzverlegung nach DBA ausschließlich dem Vereinigten Königreich zu. Aufgrund des DBA und des niederländischen Ertragsteuerrechts besteuerten die niederländischen Steuerbehörden den Wertzuwachs aus dem Kursgewinn und forderten die sofortige Zahlung der Steuer.

1 Dazu Becker/van der Ham, IStR 2022, 217 ff.; Greil, IStR 2021, 960 (961). 2 Lampert in Gosch, KStG4, § 12 Rz. 52. 3 EuGH v. 29.11.2011 – Rs. C-371/10 – National Grid Indus, IStR 2012, 27.

814 | Gerten

A. Einführung | Rz. 13.20 Kap. 13

Der vorlegende Gerechtshof Amsterdam meinte, dass nach den Urteilen in der Rs. Lasteyrie du Saillant1 und in der Rs. N2 nicht ausgeschlossen werden könne, dass die niederländische Besteuerung des Wertzuwachses als unverhältnismäßig angesehen werden könnte, da sie zu einer sofort fälligen Steuerschuld führe und nach der Verlegung des Sitzes des betreffenden Unternehmens auftretende Wertminderungen nicht berücksichtige.

13.18

Der EuGH hat in seiner Entscheidung erkannt, dass eine an die Überführung von Wirtschaftsgütern in einen anderen Mitgliedstaat anknüpfende Besteuerung eine grundsätzlich verbotene Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstelle. Die Schlussbesteuerung der nicht realisierten Wertzuwächse könne aber grundsätzlich gerechtfertigt werden, da die Besteuerung dem legitimen Ziel diene, die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den betreffenden Mitgliedstaaten nach dem Territorialitätsprinzip zu gewährleisten. Eine eventuelle spätere Wertminderung der Forderung müsse nicht berücksichtigt werden. Hingegen beurteilte der EuGH die sofortige Einziehung der Steuer auf die nicht realisierten Wertzuwächse zum Zeitpunkt der Sitzverlegung in einen anderen Mitgliedstaat als unverhältnismäßig. Als weniger stark beeinträchtigende Maßnahme käme eine Regelung in Betracht, die dem Steuerpflichtigen die Wahl lasse zwischen einerseits der sofortigen Zahlung des Steuerbetrags, was zu einem Liquiditätsnachteil führe, die Gesellschaft aber vom späteren Verwaltungsaufwand befreie, und andererseits einer Aufschiebung der Zahlung dieses Steuerbetrags, gegebenenfalls zzgl. Zinsen entsprechend der geltenden nationalen Regelung.

13.19

b) DMC In der Rechtssache DMC3 war der EuGH im Zusammenhang mit Entstrickungsregelungen erstmals mit dem deutschen Steuerrecht befasst, wenn auch zum Umwandlungssteuerrecht.

Die Klägerin war eine Kapitalgesellschaft österreichischen Rechts mit Sitz in Österreich. Die Klägerin war gemeinsam mit einer ebenfalls österreichischen Gesellschaft, deren Rechtsnachfolgerin sie durch Verschmelzung geworden ist, im Streitjahr 2000 Kommanditistin der DMC KG mit Sitz in Deutschland. Mit steuerlicher Rückwirkung auf den 31.12.2000 hatten die Kommanditisten der DMC KG sämtliche Kommanditanteile im Wege der Sacheinlage gegen Gewährung neuer Anteile in die Komplementär-GmbH der KG (DMC GmbH) eingebracht. Hierdurch erlosch die KG. In der Übernahmebilanz der aufnehmenden DMC GmbH wurde das übernommene Vermögen mit den Buchwerten angesetzt. Im Rahmen einer Betriebsprüfung stellte das FA fest, dass die Kommanditisten als körperschaftsteuerpflichtige Mitunternehmer infolge der Auflösung der KG keine Betriebsstätte mehr im deutschen Hoheitsgebiet hatten. Nach Art. 7 DBA Deutschland/Österreich hatte Deutschland kein Besteuerungsrecht mehr hinsichtlich des Gewinns der Klägerin aus einer Veräußerung der ihr im Gegenzug für die Einbringung ihrer Kommanditanteile gewährten Gesellschaftsanteile an der DMC GmbH hatten. Nach dem im Streitjahr geltenden UmwStG 1995 war für diese Fälle eine Buchwertfortführung ausgeschlossen. Vielmehr war das übernommene Vermögen bei der übernehmen1 EuGH v. 11.3.2004 – C-9/02 – Lasteyrie du Saillant, IStR 2004, 551. 2 EuGH v. 7.9.2006 – C-470/04 – N, IStR 2006, 702. 3 EuGH v. 23.1.2014 – C-164/12 – DMC, IStR 2014, 106.

Gerten | 815

13.20

Kap. 13 Rz. 13.20 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR den Gesellschaft gem. § 20 Abs. 3 UmwStG 1995 mit dem Teilwert anzusetzen. Das führte korrespondierend zu einem Gewinnausweis bei den Kommanditisten (§ 20 Abs. 4 UmwStG 1995). Allerdings war in diesem Fall die Möglichkeit einer Zahlung der durch die Einbringung ausgelösten Steuer in fünf gleichen Jahresraten vorgesehen, ohne dass Stundungszinsen erhoben wurden (§ 20 Abs. 6 i.V.m. § 21 Abs. 2 Sätze 3 bis 6 UmwStG 1995)

13.21 Das vorlegende FG Hamburg1 äußerte Zweifel an der Vereinbarkeit des in § 20 Abs. 3 UmwStG 1995 vorgesehenen Mechanismus mit dem Unionsrecht. Dieser Mechanismus führe zur sofortigen Besteuerung der im deutschen Hoheitsgebiet entstandenen stillen Reserven, da der Vermögensinhaber in Deutschland hinsichtlich der Gewinne aus einer späteren Veräußerung des Vermögens nicht mehr steuerpflichtig sei. 13.22 Der EuGH hat in seiner Entscheidung zunächst erkannt, dass die im Ausgangsverfahren streitgegenständlichen Vorschriften des UmwStG 1995 weniger die Niederlassungsfreiheit als vielmehr den Vorgang der Übertragung von Vermögen zwischen einer Kommanditgesellschaft und einer Kapitalgesellschaft beträfen und daher im Hinblick auf die Kapitalverkehrsfreiheit zu prüfen seien. Die unterschiedliche Behandlung von inländischen Gesellschaftern und solchen mit Sitz im Ausland bei der Besteuerung der Wertzuwächse sei geeignet, Investoren von einer Beteiligung an einer deutschen KG abzuhalten, weil sie bei einer späteren Umwandlung ihrer Beteiligung in Anteile einer Kapitalgesellschaft die Steuer auf den Gewinn im Zusammenhang mit den im deutschen Hoheitsgebiet entstandenen nicht realisierten Wertzuwächsen sofort entrichten müssen. Das Ziel der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten könne eine solche Regelung jedoch rechtfertigen, wenn der Mitgliedstaat seine Besteuerungsbefugnis hinsichtlich der in seinem Hoheitsgebiet entstandenen stillen Reserven bei ihrer tatsächlichen Realisierung nicht ausüben kann.2 Es sei verhältnismäßig, wenn ein Mitgliedstaat, um die Ausübung seiner Steuerhoheit zu sichern, die Steuer auf die in seinem Hoheitsgebiet entstandenen nicht realisierten Wertzuwächse dann festsetze, wenn seine Steuerbefugnis in Bezug auf den betroffenen Investor ende, im Streitfall zu dem Zeitpunkt, in dem der Investor seine Anteile an einer Kommanditgesellschaft in Anteile einer Kapitalgesellschaft umwandele. Hinsichtlich der Erhebung der Steuer auf die nicht realisierten Wertzuwächse sei dem Steuerpflichtigen die Wahl zu lassen zwischen der sofortigen Zahlung der Steuer und einer Stundung des Steuerbetrags, gegebenenfalls zzgl. Zinsen nach der geltenden nationalen Regelung. In diesem Zusammenhang stelle die Staffelung der Zahlung der vor der tatsächlichen Realisierung der stillen Reserven geschuldeten Steuer in fünf Jahresraten in Anbetracht des mit der Zeit steigenden Risi1 FG Hamburg v. 26.1.2012 – 2 K 224/10, EFG 2012, 1206. 2 In seinem Schlussurteil hat das vorlegende FG Hamburg (Urteil v. 15.4.2015 – 2 K 66/14, EFG 2015, 1404) den EuGH in Übereinstimmung mit weiten Teilen des Schrifttums so verstanden, dass es für die Frage des Fortbestehen des Besteuerungsrechts auf die sachliche Steuerpflicht ankommt, wobei die Verhaftung der stillen Reserven durch den Ansatz des Buchwertes bei der übernehmenden Gesellschaft ausreichen soll, ohne dass es auf die Verstrickung stiller Reserven in den Anteilen beim Gesellschafter ankäme (es also nicht derselbe Stpflichtige sein muss, bei dem diese besteuert werden). Die hiergegen eingelegte NZB hat der BFH (Beschluss v. 30.9.2015 – I B 66/15, IStR 2015, 974) als unbegründet zurückgewiesen.

816 | Gerten

A. Einführung | Rz. 13.25 Kap. 13

kos der Nichteinbringung eine Maßnahme dar, die für die Erreichung des Ziels, die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren, angemessen und verhältnismäßig sei. c) Verder Lab Tec In der Rechtssache Verder Lab Tec1 hatte der EuGH Gelegenheit, sich unmittelbar mit den Entstrickungsregelungen des deutschen EStG auseinanderzusetzen, wenn auch zur Rechtslage nach dem in Streitjahr 2005 noch anwendbaren Betriebsstättenerlass:

13.23

Das vorlegende FG Düsseldorf2 meinte, die nationale Regelung im Bereich der fraglichen Erhebung verstieße gegen die Niederlassungsfreiheit. Außerdem könne diese Regelung im Licht des Urteils National Grid Indus nicht gerechtfertigt werden, da die Bundesrepublik Deutschland nach dem Grundsatz der steuerlichen Territorialität das Recht habe, die stillen Reserven zu besteuern, die sich in der Zeit bis zur Überführung der fraglichen Wirtschaftsgüter in eine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Betriebsstätte gebildet hätten. Auch wenn es als verhältnismäßig angesehen werden könne, dass die stillen Reserven schon im Zeitpunkt der Überführung der fraglichen Wirtschaftsgüter festgesetzt würden, könne es nicht verhältnismäßig sein, die Steuer auf diese stillen Reserven – wenn auch gestreckt auf fünf oder zehn Jahre – zu erheben, bevor sie aufgedeckt worden seien.

13.24

Der EuGH prüfte die streitgegenständliche Regelung am Maßstab der Niederlassungsfreiheit. Die Entstrickungsregelung führe dazu, dass die stillen Reserven im Zusammenhang mit Wirtschaftsgütern, die in eine in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland belegene Betriebsstätte überführt werden, anlässlich der Überführung aufgedeckt und besteuert werden, während bei einer vergleichbaren Überführung im Inland die stillen Reserven nur dann besteuert werden, wenn sie tatsächlich aufgedeckt werden. Diese Ungleichbehandlung sei geeignet, eine Gesellschaft deutschen Rechts davon abzuhalten, ihre Wirtschaftsgüter in einen anderen Mitgliedstaat zu überführen. Allerdings könne diese Beschränkung gerechtfertigt werden. Die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten sei ein vom Gerichtshof anerkanntes legitimes Ziel. Ein Mitgliedstaat habe nach dem Grundsatz der steuerlichen Territorialität im Fall der Überführung

13.25

Die unter Verder LabTec firmierende Klägerin ist eine deutsche KG mit Sitz in Deutschland. Seit 2005 befasste sich die Klägerin ausschließlich mit der Verwaltung eigener Patent-, Marken- und Gebrauchsmusterrechte, welche sie im Mai 2005 auf ihre Betriebsstätte in den Niederlanden übertrug. Im Rahmen einer Betriebsprüfung gelangte das Finanzamt zu der Ansicht, die Überführung dieser Rechte müsse unter Aufdeckung der damit verbundenen stillen Reserven mit dem Fremdvergleichswert im Zeitpunkt der Überführung erfolgen. Allerdings sollten diese stillen Reserven, deren Wert nicht bestritten wurde, nicht sofort in voller Höhe der Besteuerung unterliegen. Aus Billigkeitsgründen sei der Betrag der stillen Reserven durch einen Merkposten in gleicher Höhe zu neutralisieren und linear über einen Zeitraum von zehn Jahren gewinnerhöhend aufzulösen.

1 EuGH v. 21.5.2015 – C-657/13 – Verder Lab Tec, IStR 2015, 440. 2 FG Düsseldorf v. 5.12.2013 – 8 K 3664/11 F, EFG 2014, 119.

Gerten | 817

Kap. 13 Rz. 13.25 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

von Wirtschaftsgütern in eine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Betriebsstätte das Recht, die in seinem Hoheitsgebiet vor der Überführung entstandenen stillen Reserven zum Zeitpunkt des Wegzugs des Steuerpflichtigen zu besteuern. Es sei verhältnismäßig, wenn ein Mitgliedstaat, um die Ausübung seiner Steuerhoheit zu sichern, die Steuer auf die in seinem Hoheitsgebiet entstandenen stillen Reserven im Zusammenhang mit den aus seinem Hoheitsgebiet überführten Wirtschaftsgütern dann festsetzt, wenn seine Steuerbefugnis in Bezug auf die betroffenen Wirtschaftsgüter endet. Eine auf fünf Jahre gestaffelte Erhebung der Steuer auf die stillen Reserven statt einer sofortigen Erhebung sei als eine verhältnismäßige Maßnahme zur Erreichung dieses Ziels angesehen worden. Erst recht müsse dies für eine – wie im Streitfall – auf zehn Jahre gestaffelte Erhebung gelten.

13.26 In seinem Schlussurteil ist das FG Düsseldorf1 davon ausgegangen, dass die Überführung eines bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnenden Wirtschaftsgutes in eine ausländische, in einem DBA-Staat gelegene Betriebsstätte schon vor Einfügung des Satzes 4 in den Anwendungsbereich von § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG gefallen sei. Denn bei der Vorschrift handele es sich um einen Gefährdungstatbestand. Zu einem Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG komme es immer dann, wenn die Besteuerung des jeweiligen Wirtschaftsgutes der Steuerhoheit der Bundesrepublik entzogen werde. Dies sei nach dem Verständnis des Gesetzgebers unabhängig von allgemeinen abkommensrechtlichen Grundsätzen schon immer dann der Fall, wenn der deutsche Steueranspruch nicht mehr durchsetzbar oder die Durchsetzung gefährdet sei. Zudem hat das FG Düsseldorf die rückwirkende Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG in der Fassung des JStG 2010 auf den Veranlagungszeitraum 2005 als nicht verfassungswidrig angesehen. Denn durch die Neuregelung sei eine Rechtslage rückwirkend gesetzlich festgeschrieben worden, die vor der Rechtsprechungsänderung einer gefestigten Rechtsprechung und einheitlichen langjährigen Verwaltungspraxis entsprochen habe. Über die eingelegte Revision hat der BFH noch nicht entschieden.2 2. Sekundäres Unionsrecht (Anti-Tax-Avoidance-Directives – ATAD)

13.27 Die in der Rechtsprechung des EuGH entwickelten Leitlinien, welche die primärrechtlichen Grenzen mitgliedstaatlicher Entstrickungsregelungen konturiert haben, bilden nunmehr durch Aufnahme von Regelungen zur Übertragung von Vermögenswerten in die Richtlinien zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken, die sog. ATAD (Anti Tax Avoidance Directives),3 den von allen Mitgliedstaaten verpflichtend

1 FG Düsseldorf v. 19.11.2015 – 8 K 3664/11 F, EFG 2016, 209. 2 Das beim BFH anhängige Revisionsverfahren (Az. I R 99/15) wurde durch Beschluss v. 14.6.2017 ausgesetzt bis zur Entscheidung des BVerfG über das Normenkontrollersuchen des I. Senats (Vorlagebeschluss v. 10.4.2013 – I R 80/12, HFR 2013, 1015) betreffend die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwestergesellschaften (Az. des BVerfG: 2 BvL 8/13); vgl. dazu Wacker, DStJG 41 (2018), 423 (428). 3 ATAD I, RL (EU) 2016/1164 v. 12.7.2016, ABl. EU 2916 Nr. L 193, 1; konkretisiert durch ATAD II, RL (EU) 2017/952 v. 29.5.2017, ABl. EU 2017 Nr. L 144, 1.

818 | Gerten

A. Einführung | Rz. 13.30 Kap. 13

einzuhaltenden sekundärrechtlichen Mindeststandard für steuerliche Entstrickungstatbestände.1 Die ATAD verfolgen das Ziel, unfairen Steuerwettbewerb und aggressiver Steuerplanung in der EU zu bekämpfen. Sie sind im Kontext der Bemühungen von G20 und OECD und der EU gegen unfairen Steuerwettbewerb im Rahmen der BEPS-Initiative zu sehen, die sich gegen Base Erosion and Profit Shifting richtet und neben Steuervermeidungspraktiken der Steuerpflichtigen auch staatliches Verhalten in den Blick nimmt, welches derartige Gestaltungen erst ermöglicht.2 Die ATAD dienen dem Schutz der inländischen Körperschaftsteuerbemessungsgrundlagen der Mitgliedstaaten (Art. 3 ATAD). Sie sind daher grundsätzlich nur auf körperschaftsteuerpflichtige Unternehmen anwendbar (Art. 1 Abs. 1 ATAD).

13.28

Neben Vorgaben für die Missbrauchsbekämpfung macht der Richtliniengeber der ATAD rechtsverbindliche Vorgaben für die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse durch die Mitgliedstaaten. Insbesondere die Regelungen in Art. 5 ATAD zur Übertragung von Vermögenswerten enthalten allgemeine Vorgaben zur Zuordnung und Erfassung stiller Reserven zur Vermeidung von Besteuerungslücken.3 Mit Art. 5 ATAD enthält eine sekundärrechtliche Regelung erstmals die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Einführung einer Entstrickungsbesteuerung.4 Die Vorschriften der ATAD sollen zugleich sicherstellen, dass im Falle des Abzugs von Vermögenswerten aus dem Steuergebiet eines Staates, der betreffende Staat die in seinem Hoheitsgebiet entstandenen Wertsteigerungen besteuern kann, selbst wenn diese zum Zeitpunkt der Übertragung noch gar nicht realisiert worden sind.5

13.29

Anknüpfungspunkt für eine steuerliche Entstrickung sind nach Art. 5 Abs. 1 ATAD die nachstehenden Vorgänge:

13.30

– Übertragung von Vermögenswerten vom Hauptsitz des Steuerpflichtigen an seine in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittland belegene Betriebsstätte, soweit der Herkunftsstaat aufgrund der Übertragung das Besteuerungsrecht für die übertragenen Vermögenswerte verliert; – Übertragung von Vermögenswerten von einer in einem Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen an den Hauptsitz oder an eine andere Betriebsstätte in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittland, soweit der Herkunftsstaat aufgrund der Übertragung das Besteuerungsrecht für die übertragenen Vermögenswerte verliert;

1 Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2, Rz. 17.15; Lampert in Gosch, KStG4, § 12 Rz. 50 („Paradigmenwechsel“); Musil, FR 2018, 933 (940). 2 Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht2, Rz. 7.70, 13.148; Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2, Rz. 17.1 ff. 3 Hey, DStJG 41 (2018), 9 (28). 4 Wilke, IStR 2020, 366 (366). 5 Erwägungsgrund (10) zur ATAD.

Gerten | 819

Kap. 13 Rz. 13.30 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

– Verlegung des Steuersitzes des Steuerpflichtigen in einen anderen Mitgliedstaat oder in ein Drittland, mit Ausnahme der Vermögenswerte, die tatsächlich weiterhin einer Betriebsstätte im Herkunftsstaat zuzurechnen sind; – Übertragung der von einer Betriebsstätte ausgeübten Geschäftstätigkeit von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat oder in ein Drittland, soweit der Herkunftsstaat aufgrund der Übertragung das Besteuerungsrecht für die übertragenen Vermögenswerte verliert. Für die hier allein interessierenden ersten beiden Konstellationen ist der Begriff der „Übertragung von Vermögenswerten“ näher definiert als Vorgang, bei dem ein Mitgliedstaat das Besteuerungsrecht für die übertragenen Vermögenswerte verliert, wobei die Vermögenswerte im rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentum desselben Steuerpflichtigen verbleiben (Art. 2 Abs. 6 ATAD). Zum Umfang der Entstrickung ordnet Art. 5 Abs. 1 ATAD eine Besteuerung zum Marktwert des Vermögenswerts abzgl. seines steuerlichen Werts an.

13.31 Der Steuerpflichtige hat nach Art. 5 Abs. 2 ATAD das Recht, die Zahlung der durch Entstrickung entstehenden Steuer – durch Teilzahlung über einen Zeitraum von fünf Jahren – aufzuschieben, wenn der Zuzugsstaat der EU oder dem EWR angehört. Bei Übertragung von Vermögenswerten in ein Drittland hat der Steuerpflichtige kein entsprechendes Wahlrecht und die Entstrickungsbesteuerung erfolgt sofort. Im Falle des Zahlungsaufschubs können die Mitgliedstaaten Zinsen verlangen und zusätzlich kann die Zahlungsstreckung von der Stellung einer Sicherheit abhängig gemacht werden, wenn ein nachweisliches und tatsächliches Risiko besteht, dass die Steuer nicht eingezogen werden kann (Art. 5 Abs. 3 Sätze 1 und 2 ATAD). In bestimmten Fällen endet ein Zahlungsaufschub, etwa wenn der übertragene Vermögensgegenstand veräußert oder in einen nicht der EU oder dem EWR angehörenden Drittstaat verlagert wird, der Steuerpflichtige seinen Sitz in einen Drittstaat verlegt, Insolvenz anmeldet oder fälligen Ratenzahlungspflichten nicht nachkommt (Art. 5 Abs. 4 ATAD). 13.32 Nach Art. 5 Abs. 5 ATAD ist der Zuzugsstaat verpflichtet, die übertragenen Vermögenswerte korrespondierend mit dem vom Herkunftsstaat ermittelten Wert anzusetzen. Entspricht der im Herkunftsstaat angesetzte Wert nicht dem Marktwert, soll der Zugzugsstaat diese Festsetzung durch Nutzung der bestehenden Streitbeilegungsmechanismen anfechten können.1 Die Wertverknüpfung des steuerlichen Ansatzes übertragener Vermögenswerte im Herkunfts- und Zuzugsstaat erfolgt im Interesse des Steuerpflichtigen, da so innerhalb der EU abgesichert wird, dass im Zuzugsstaat ein höheres Abschreibungsvolumen genutzt werden kann und eine (erneute) steuerliche Erfassung derselben stillen Reserven bei späterer Veräußerung oder Weiterübertragung des Vermögensgegenstands vermieden wird.2 13.33 Die ATAD sind Richtlinien i.S.v. Art. 288 AEUV, die sich insbesondere auf Art. 115 AEUV stützen, der allgemein zum Erlass von „Richtlinien für die Angleichung derje1 Erwägungsgrund (10) zur ATAD. 2 Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2, Rz. 17.56.

820 | Gerten

A. Einführung | Rz. 13.35 Kap. 13

nigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die sich unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Binnenmarkts auswirken“ ermächtigt. Als Richtlinien sind die ATAD von den Mitgliedstaaten in innerstaatliches Recht umzusetzen. Die Richtlinien sollen ein Mindestschutzniveau garantieren, welches es den Mitgliedstaaten erlaubt, zum Schutz der inländischen Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage strengere Vorschriften beizubehalten oder einzuführen (Art. 3 ATAD). Infolge dieses Mindestschutzkonzepts steht es den Mitgliedstaaten einerseits frei, strengere Abwehrregeln beizubehalten oder einzuführen, andererseits ist es ihnen nicht gestattet, dieses Schutzniveau zu unterschreiten und mildere Vorschriften beizubehalten oder einzuführen.1

Als sekundäres Unionsrecht genießen die ATAD Anwendungsvorrang gegenüber dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten. Ihre letztverbindliche Auslegung obliegt dem EuGH (Art. 19 EUV), der unabhängig davon, ob die Mitgliedstaaten zur Umsetzung der ATAD neue Regelungen schaffen müssen oder auf bereits vorhandene Vorschriften zurückgreifen können, zur letztverbindlichen Auslegung berufen ist.2 Nicht an den ATAD zu messen sind hingegen nationale Regelungen, soweit diese über die Vorgaben der Richtlinien hinausgehen, also den persönlichen Anwendungsbereich der ATAD überschreiten (vgl. Rz. 13.71, 13.157 ff. zur Anwendbarkeit der deutschen Regelungen auch auf Einkommensteuersubjekte) oder strengere Regelungen enthalten (vgl. Rz. 13.159 f. zur deutschen Verstrickungsbesteuerung).3 In diesen Fällen unterliegen die Vorschriften des nationalen Rechts einer Prüfung durch den EuGH grundsätzlich nur anhand der allgemeinen Regelungen des Unionsrechts, namentlich der Grundfreiheiten.4 Allerdings behält sich der EuGH auch bei einer überschießenden Richtlinienumsetzung durch die Mitgliedstaaten, im Interesse der Unionsrechtsordnung an einer einheitlichen Auslegung der aus dem Unionsrecht übernommenen Bestimmungen, eine Prüfung am Maßstab des entsprechenden Richtlinienrechts vor.5

13.34

3. Verfassungsrecht Das deutschen Ertragsteuerrecht kennt keinen Grundsatz der generellen Besteuerung stiller Reserven im Bereich des Betriebsvermögens. Insbesondere führen – im Inlandsfall – Übertragungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte mangels Rechtsträgerwechsels nicht zu einer Realisation stiller Reserven. Vorschriften zur Aufdeckung und Besteuerung nicht realisierter Wertzuwächse (Ersatzrealisationstatbestände) nur bei grenzüberschreitendem Handeln des Steuerpflichtigen bedürfen daher bereits im Lichte von Art. 3 Abs. 1 GG der Rechtfertigung.6 1 2 3 4

Fehling, DB 2016, 2862. Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2, Rz. 17.15. Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht2, Rz. 17.15. Zum unionsrechtlichen Prüfungsmaßstab im Hinblick auf das Mindestschutzkonzept der ATAD auch Fehling, DB 2016, 2862 (2865). 5 EuGH v. 18.10.1990 – C-297/88 und C-197/89, EuZW 1991, 319; v. 10.12.2020 – C-620/ 19, HFR 2021, 331; dazu auch Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV, Art. 288 Rz. 131 (75. EL Januar 2022). 6 Lampert in Gosch, KStG4, § 12 Rz. 50.

Gerten | 821

13.35

Kap. 13 Rz. 13.36 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

13.36 Die vorgezogene Entstrickungsbesteuerung bedarf daher als Beeinträchtigung des Gleichheitssatzes in seinen spezifisch steuerrechtlichen Ausprägungen des Prinzips der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit sowie des Prinzips der Folgerichtigkeit aus Sicht des nationalen Verfassungsrecht einer Rechtfertigung.1 Die Rechtsfolgen der Ersatzrealisation können insbesondere bei Überführungen in Drittstaaten gravierend sein, fehlt es in diesen Fällen doch an Möglichkeiten der zeitlichen Streckung der Steuerzahlung zur Abmilderung des Besteuerungszugriffs. Wenngleich daher zum Teil ein Aufschub der Besteuerung bis zum tatsächlichen Realisationszeitpunkt für verfassungsrechtlich geboten erachtet wird,2 stellt die ohne Ersatzrealisation (als ultima ratio) eintretende Gefährdung des deutschen Steueraufkommens einen hinreichenden Rechtfertigungsgrund für den vorgezogenen Steuerzugriff dar.3 Zum Teil wird sogar weitergehend unter Hinweis auf das verfassungsrechtliche Prinzip der Folgerichtigkeit von einem Gebot der Ersatzrealisation zur Absicherung einer gleichmäßigen Besteuerung ausgegangen.4 13.37 Ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit mit nationalem Verfassungsrecht sind die verschiedenen Fragestellungen zur Zulässigkeit steuerlicher Rückwirkung im Zuge der Aktivitäten des Steuergesetzgebers in Bezug auf die allgemeinen Entstrickungstatbestände zu betrachten. Dazu im Detail Rz. 13.60 ff.

B. Transfer eines Einzelwirtschaftsguts vom Inland in eine ausländische Betriebsstätte I. Rechtsentwicklung der Entstrickungsbesteuerung 1. Von der finalen Entnahmetheorie mit aufgeschobener Gewinnrealisierung zum allgemeinen Entstrickungskonzept a) Finaler Entnahmebegriff der Rechtsprechung

13.38 Die gefestigte Rechtsprechung des BFH ging bei der Auslegung des Begriffs der Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG von einem finalen, betriebsübergreifenden Verständnis aus.5 Danach lag eine Entnahme für betriebsfremde Zwecke gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG nur vor, wenn ein Wirtschaftsgut aus dem betrieblichen in den privaten 1 Schnitger, Die Entstrickung im Steuerrecht, ifst 487 (2013), S. 102 ff.; Meyer in Kirchhof/ Kulosa/Ratschow, EStG, § 4 Rz. 647; a.A. Desens, DStJG 43 (2020), 73 (84 ff., 88, 100) m.w.N. 2 Oppel, ISR 2016, 298 (302). 3 Meyer in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, EStG, § 4 Rz. 647 m.w.N. 4 Schnitger, Die Entstrickung im Steuerrecht, ifst 487 (2013), S. 105 f. mit dem Hinweis, dass die Vereinbarkeit der Entstrickungsbesteuerung mit dem Gleichheitssatz die Erarbeitung eines einheitlichen, dem Gebot der Folgerichtigkeit entsprechenden Konzepts erfordert. 5 Vgl. Piltz, JbFStR 2006, 64 (65); BFH v. 7.10.1974 – GrS 1/73, BStBl. II 1975, 168; anders der RFH v. 21.10.1936 – VI A 473/35, RStBl. 1937, 424 mit der Tendenz zu einem allgemeinen Entstrickungsgrundsatz, da die Finanzierung der ausländischen Betriebstätte durch den inländischen Betrieb stets als Entnahme beim inländischen Unternehmen zu behandeln sei.

822 | Gerten

B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.41 Kap. 13

Bereich oder aber von einem „betrieblichen Bereich“ in einen anderen „betrieblichen Bereich“ überging und dabei die Besteuerung der stillen Reserven nicht mehr gewährleistet war. Der GrS des BFH hat für die denkbaren Auslegungen des Merkmals „Betrieb“ (weite, mittlere, enge Auslegung) in § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG eine bereichsspezifische Auslegung vertreten: Der Wortsinn des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG lasse es zu, unter einem „Betrieb“ sowohl das gesamte betriebliche Vermögen als auch nur eine wirtschaftliche Einheit innerhalb eines betrieblichen Organismus zu sehen.1 Eine Entnahme „für betriebsfremde Zwecke“ könne sich damit sowohl auf das gesamte betriebliche Vermögen als auch nur auf die jeweilige wirtschaftliche Einheit beziehen. Nach dem jeweiligen Regelungsbereich sei entweder – so der GrS – ein enger Betriebsbegriff anzuwenden, bei dem jede betriebliche Einheit des Steuerpflichtigen isoliert betrachtet werde, oder ein weiter Betriebsbegriff, der die verschiedenen betrieblichen Einheiten als Einheit umfasse.2 Bei der Prüfung, ob durch die Übertragung des Wirtschaftsguts von einem Betrieb in einen anderen Betrieb die Gefahr der Entstrickung stiller Reserven entstand, waren nur die unmittelbaren Folgen für die Einkommensteuer zu berücksichtigen. Die Folgen bei der Gewerbesteuer waren außer Acht zu lassen.3

13.39

Nach den Grundsätzen des sog. finalen Entnahmebegriffs nahm der BFH in langjähriger Rechtsprechung an, ein Wirtschaftsgut werde entnommen, wenn es aus einem inländischen Betrieb in eine ausländische DBA-Freistellungsbetriebsstätte des Steuerpflichtigen überführt werde.4 Anknüpfungspunkt der Besteuerung war der physische Akt des Verbringens über die Grenze in eine bestehende DBA-Freistellungsbetriebsstätte, nicht aber jede nachträgliche rechtliche Statusänderung für das deutsche Besteuerungsrecht für den Veräußerungsgewinn, z.B. durch Abschluss eines DBA mit Freistellungsmethode für Betriebsstättengewinne.5

13.40

Der BFH leitete das Vorliegen einer Entnahme hierbei nicht aus einem „engen Betriebsbegriff“ ab. Die Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte des gleichen Unternehmers führe grundsätzlich nicht zur Lösung des bisherigen betrieblichen Funktionszusammenhangs und damit grundsätzlich nicht zur Verwendung für „betriebsfemde Zwecke“.6 Maßgebend für den BFH, trotz der Innentransaktion von einer Entnahme „für betriebsfremde Zwecke“ auszugehen, war, dass die Besteuerung der stillen Reserven im Sinne des Beschlusses des GrS7 nicht „si-

13.41

1 BFH v. 7.10.1974 – GrS 1/73, BFHE 114, 189 = BStBl. II 1975, 168. 2 BFH v. 22.9.2011 – IV R 33/08, BStBl. II 2012, 10 zu § 4 Abs. 4a EStG. 3 Zur Begründung Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 338 m.w.N. (Stand: April 2022). 4 BFH v. 24.11.1982 – I R 123/78, BStBl. II 1983, 113; v. 16.12.1975 – VIII R 3/74, BStBl. II 1976, 246; v. 30.5.1972 – VIII R 111/69, BStBl. II 1972, 760; v. 28.4.1971 – I R 55/66, BStBl. II 1971, 630; v. 16.7.1969 – I 266/65, BStBl. II 1970, 175; s. auch Roser, DStR 2008, 2389 (2390). 5 Vgl. BFH v. 16.12.1975 – VIII R 3/74, BStBl. II 1976, 246. 6 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; a.A. Kessler/Huck, StuW 2005, 194 (198). 7 BFH v. 7.10.1974 – GrS 1/73, BStBl. II 1975, 168.

Gerten | 823

Kap. 13 Rz. 13.41 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

chergestellt“ war. Denn nach damaliger Auslegung des Betriebsstättenartikels in Art. 7 OECD-MA war der in der ausländischen Betriebsstätte nach der Überführung erzielte Veräußerungsgewinn für das Wirtschaftsgut – auch soweit er die bis zur Überführung in Deutschland entstandenen stillen Reserven umfasste – nur dem Ergebnis der ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen und in Deutschland nach dem im Einzelfall anwendbaren DBA freizustellen.1 An der Rechtsprechung zur finalen Entnahmelehre wurde jedoch stets kritisiert, dass der Entnahmebegriff überfordert werde, wenn man ihn zum Instrument der Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven mache: Die Funktion des Entnahmebegriffs liege in der Abgrenzung der Betriebssphäre von der Privatsphäre; wenn dabei auch stille Reserven besteuert würden, sei dies nicht das primäre Ziel des Tatbestands. „Betriebsfremde Zwecke“ bei der Entnahme könnten daher nur Zwecke sein, die der Entnahme des Stpfl. „für sich oder für seinen Haushalt“ wertungsmäßig gleichwertig seien.2 b) Finanzverwaltung: Entnahme mit aufgeschobener Gewinnrealisierung

13.42 Die Finanzverwaltung war diesen Grundsätzen des BFH gefolgt. Der Betriebsstättenerlass vom 24.12.19993 und dessen Vorgängerschreiben4 gingen davon aus, dass bei der Überführung von Wirtschaftsgütern des inländischen Stammhauses in eine ausländische DBA-Freistellungsbetriebsstätte die Aufdeckung der stillen Reserven zum Fremdvergleichspreis im Zeitpunkt der Überführung eintrat.5 Der Fremdvergleichspreis war der Preis, den unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen vereinbart hätten.6 13.43 Der Betriebsstättenerlass vom 24.12.19997 erlaubte es, auf Antrag (Wahlrecht) die stillen Reserven eines Wirtschaftsguts im Zeitpunkt der Überführung sofort aufzudecken und zu versteuern oder die Realisation mittels eines Ausgleichspostens (längstens 10 Jahre) zu strecken, bis ggf. ein Gewinnrealisierungstatbestand in der ausländischen Betriebsstätte eintrat. Das Wahlrecht stand unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen natürlichen Personen und körperschaftsteuerpflichtigen juristischen Personen zu. Nach dem geänderten Betriebsstättenerlass vom 25.8.20098 bleiben solche Ausgleichsposten „alten Rechts“, die vor dem 1.1.2006 auf der Grundlage des Betriebsstättenerlasses gebildet wurden, von der rückwirkenden Einführung der Ausgleichspostenmethode in § 4g EStG unberührt, obwohl der Gesetzgeber in § 4g EStG ein restriktiveres gesetzliches Modell der aufgeschobenen Gewinnrealisierung geschaffen hat. 1 Zur Entwicklung der Rechtsprechung s. auch Musil in H/H/R, § 4 EStG Anm. 191 ff. (Stand: Juni 2022). 2 Zusammenfassend Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 340 m.w.N. (Stand: April 2022). 3 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.6.1. 4 BMF v. 12.2.1990 – S 2135/S 1300, BStBl. I 1990, 72. 5 Diese Problematik betraf ausschließlich die Überführungen in DBA-Freistellungsbetriebsstätten, da für Überführungen in andere ausländische Betriebsstätten schon kein Realisationstatbestand angenommen wurde. 6 Vgl. Kaminski, DStR 1996, 1794 (1794). 7 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.6.1 Buchst. d. 8 BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888.

824 | Gerten

B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.46 Kap. 13

Bei Ausübung des früheren Wahlrechts durfte für Anlagevermögen in der inländischen Stammhausbilanz und der Gesamtbilanz des Betriebs ein Ausgleichsposten gebildet werden, der den Entnahmegewinn in einer Nebenrechnung neutralisieren sollte.1 Aus dem Blickwinkel der Bilanz des inländischen Stammhauses kommt es durch diese Technik für den Zeitpunkt der Überführung zu einer Erhöhung des Buchwerts des überführten Wirtschaftsguts auf den – nicht realisierten – Fremdvergleichswert und der Bildung eines passiven Ausgleichspostens in Höhe des „step up“. Die Erhöhung des Buchwertansatzes führt zu einem sonstigen innerbilanziellen betrieblichen Ertrag, der durch die gewinnmindernde Bildung des Ausgleichspostens wieder neutralisiert wird. Der Merkposten musste beim Ausscheiden des Wirtschaftsguts aus der ausländischen Betriebsstätte gewinnwirksam aufgelöst werden. Bei abnutzbaren Anlagegütern war der Merkposten zeitanteilig nach der Nutzungsdauer (korrespondierend zur AfA) in der ausländischen Betriebsstätte aufzulösen. Unabhängig davon war ein Merkposten, der noch zehn Jahre nach der Überführung des Wirtschaftsguts in der Bilanz im inländischen Stammhaus ausgewiesen wurde, zu diesem Zeitpunkt zwingend aufzulösen, selbst wenn das Wirtschaftsgut in der Betriebsstätte bis zur Schrottreife genutzt werden sollte. Beim Umlaufvermögen durfte entsprechend verfahren werden, wenn das überführte Wirtschaftsgut am Bilanzstichtag noch nachweisbar in der ausländischen Betriebsstätte vorhanden war.2

13.44

c) Überführungen in ausländische Nicht-DBA- und DBAAnrechnungsbetriebsstätten Diese Überführungsvorgänge führten nicht zu Entnahmen, selbst wenn das deutsche Besteuerungsrecht der Höhe nach dadurch beschränkt wurde, dass auf einen Veräußerungsgewinn eine ausländische Steuer gem. § 34c EStG anzurechnen war.3

13.45

d) Aufgabe des finalen Entnahmebegriffs durch den BFH Durch Urteil vom 17.7.20084 hat der BFH seine langjährige Rechtsprechung geändert und den vorbeschriebenen finalen Entnahmebegriff für die Überführung eines Wirtschaftsguts aus dem Inland in eine ausländische DBA-Freistellungsbetriebsstätte für die Rechtslage bis Ende 1998 aufgegeben. Nunmehr reicht es für die Annahme einer Entnahme i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht mehr aus, wenn ein Wirtschaftsgut 1 Vgl. das Beispiel 1 bei Kaminski, DStR 1996, 1794 (1795). 2 Eine dauernde Wertminderung sollte bei Ermittlung des Fremdvergleichspreises für Umlaufvermögen berücksichtigt werden, so dass eine Teilwertabschreibung im Überführungszeitraum Vorrang vor der Ausgleichsposten-Methode hatte, vgl. Kaminski, DStR 1996, 1794 (1795). 3 Piltz, JbFStR 2006, 64 (68). 4 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. Die Entscheidung des BFH ist zur Rechtslage vor Einführung des § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG ergangen (Streitjahr 1995). Die Folgen einer Überführung einzelner Wirtschaftsgüter von einem Betriebsvermögen auf ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen waren für dieses Streitjahr noch nicht gesetzlich geregelt, § 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG erfasste erst Überführungsvorgänge nach dem 31.12.1998.

Gerten | 825

13.46

Kap. 13 Rz. 13.46 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

im Zuge einer Innentransaktion ins Ausland überführt und dadurch die Besteuerung im Inland gebildeter stiller Reserven gefährdet wird. Es muss zukünftig für eine Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG eine Verwendung des Wirtschaftsguts für betriebsfremde Zwecke im Rahmen einer Außentransaktion vorliegen.1

13.47 Die Entscheidung des BFH beruht auf einer geänderten Auslegung der Gewinnabgrenzungsregeln innerhalb des Betriebsstättenartikels in Art. 7 Abs. 1 und 2 OECD-MA: Deutschland stehe das Besteuerungsrecht für die bis zur Überführung angesammelten stillen Reserven auch dann zu, wenn das Wirtschaftsgut nach der Überführung aus der ausländischen Betriebsstätte heraus veräußert werde.2 Die Überführung in eine DBA-Freistellungsbetriebsstätte schließt damit im Ergebnis nur die Besteuerung „künftiger“ Wertsteigerungen durch Deutschland als Stammhausstaat aus.3 Für die Annahme einer Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG auf Grundlage der finalen Entnahmetheorie reicht es nach Ansicht des BFH nicht aus, wenn die Besteuerung der bis zum Überführungszeitpunkt entstandenen stillen Reserven nach der Überführung nur gefährdet wird, weil der Besteuerungszugriff für den deutschen Fiskus möglicherweise praktisch erschwert ist. 13.48 Der BFH bekräftigt in der Entscheidung v. 17.7.2008 – I R 77/06, durch die Überführung in die ausländische Betriebsstätte werde der bisherige betriebliche Funktionszusammenhang des Wirtschaftsguts mit dem inländischen Betrieb nicht gelöst. Es fehlt für eine Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG damit an einer Verwendung des Wirtschaftsguts „für betriebsfremde Zwecke“, da die Überführung eine Innentransaktion sei. Im Lichte der durch das AmtshilfeRLUmsG4 in § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG und § 1 Abs. 5 AStG implementierten Grundsätze zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes bei der Betriebsstättengewinnabgrenzung und der Fiktion des Bestehens schuldrechtlicher Vereinbarungen zwischen dem Stammhaus und in einem anderen Staat belegener Betriebsstätte (vgl. Rz. 13.85 ff.) ist dies erwähnenswert, da der BFH den Besteuerungszugriff im Überführungszeitpunkt nach Aufgabe der Theorie der finalen Entnahme auch nicht alternativ auf die von der OECD zur Auslegung des Art. 7 OECD-MA entwickelte Selbstständigkeitsfiktion der Betriebstätte nach dem sog. „Functionally Separate Entity Approach“ stützt. Denn diese Auslegung des Betriebsstättenartikels durch die OECD, wonach im Einheitsunternehmen Leistungsbeziehungen zwischen den Unternehmensteilen (Stammhaus und Betriebsstätten) fingiert würden, sei jedenfalls – so der BFH in der Entscheidung vom 17.7.2008 – I R 77/06 – nach der Rechtslage des Streitjahres 1995 im deutschen Recht nicht implementiert und könne keine nationalen Realisationstatbestände begründen.

1 Musil in H/H/R, § 4 EStG Anm. 191 (Stand: Juni 2022). 2 Der BFH lässt in den Gründen der Entscheidung allerdings offen, welcher der im Schrifttum zu Art. 7 OECD-MA vertretenen Gewinnabgrenzungsmethoden für den Veräußerungsgewinn zwischen Stammhaus und Betriebsstätte er zuneigt. Er favorisiert die Erwirtschaftungsmethode, vgl. Roser, DStR 2008, 2389 (2391 ff.). 3 Prinz, JbFStR 2007, 309 (319). 4 Gesetz v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809.

826 | Gerten

B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.50 Kap. 13

2. Einführung eines allgemeinen Entstrickungskonzepts durch das SEStEG a) Grundzüge des Entstrickungskonzepts Der Gesetzgeber hat schon vor Aufgabe des finalen Entnahmebegriffs durch den BFH1 im SEStEG2 mit Wirkung ab 2006 einen „allgemeinen“ Entstrickungstatbestand in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und in § 12 Abs. 1 KStG eingefügt.3 Es besteht nach der Literatur ein Bedürfnis für einen solchen allgemeinen Gewinnrealisierungstatbestand, da sonst in Deutschland angesammelte stille Reserven in einem Wirtschaftsgut (insbesondere bei selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgütern, wie Patenten, aber auch hinsichtlich des Firmenwerts) durch Überführung in eine Betriebsstätte in einem niedrig besteuernden Staat der deutschen Besteuerung entzogen werden könnten, wenn die Freistellungsmethode anwendbar wäre.4 Nach dem Tatbestand der Entstrickungsnormen stehen der „Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland“ für den Gewinn aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts einer Entnahme für betriebsfremde Zwecke (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG) oder einer Veräußerung (§ 12 Abs. 1 KStG) „gleich“. Die Regelungen enthalten eine „Veräußerungs- und Entnahmefiktion“. Die fiktive Entnahme des Wirtschaftsguts wird nicht mit dem Teilwert, sondern mit dem gemeinen Wert bewertet (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG).

13.49

Nach der Gesetzesbegründung5 wollte der Gesetzgeber mit dem Tatbestandsmerkmal des „Ausschlusses des deutschen Besteuerungsrechts“ für den Veräußerungsgewinn den Fall regeln, dass ein Wirtschaftsgut in eine ausländische DBA-Freistellungsbetriebsstätte überführt wird. Die „Beschränkung“ des deutschen Besteuerungsrechts für den Veräußerungsgewinn sollte erstmals den Fall erfassen, dass ein Wirtschaftsgut in eine ausländische DBA-Anrechnungs- oder Nicht-DBA-Betriebsstätte überführt wird, weil in diesem Fall das inländische Steueraufkommen durch die Anrechnung ausländischer Steuer auf die deutsche Steuer für den Veräußerungsgewinn gemindert werde.6 Der Gesetzgeber wollte in den Entstrickungsnormen offenkundig die „abstrakte Betrachtung“ im Gesetz verankern und ging davon aus, dass bereits im Zeitpunkt der Überführung für den – hypothetischen – späteren Veräußerungsgewinn in der ausländischen Betriebsstätte materiell-rechtlich feststehe, dass das

13.50

1 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 2 Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften v. 7.12.2006 (SEStEG), BGBl. I 2006, 2782. 3 Vgl. Piltz, JbFStR 2006, 64 (66 u. 68) mit Hinweis auf einen früheren Gesetzesentwurf in §§ 8, 15, 27 EStG-E 1975, BT-Drucks. 7/1470. 4 Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 355a (Stand: April 2022): Nach den §§ 7 ff. AStG i.V.m. § 20 Abs. 2 AStG könne zwar die Veräußerung eines überführten Wirtschaftsguts unter Anrechnung der ausländischen Steuern im Inland besteuert werden, diese Vorschriften schützten das deutsche Besteuerungsrecht aber nicht ausreichend, wenn die Überführung in eine Betriebsstätte mit aktiver Tätigkeit erfolgte. 5 BT-Drucks. 16/2710, 28. 6 BT-Drucks. 16/2710, 28.

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Kap. 13 Rz. 13.50 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt sei.1 Ob der Wortlaut der Norm tatsächlich diese abstrakte Betrachtung vorgab, war jedoch nach Einführung der Norm sehr umstritten.2

13.51 In § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG wird eine Entnahme „für betriebsfremde Zwecke“ fingiert, da das Wirtschaftsgut trotz der Entstrickung weiterhin dem einheitlichen Betriebsvermögen auch nach Überführung in die ausländische Betriebsstätte angehört. Es erfolgt keine Übertragung des (rechtlichen oder wirtschaftlichen) Eigentums wie bei den „echten“ Gewinnrealisierungstatbeständen der Veräußerung, der Einlage in eine Kapitalgesellschaft, der Nutzungseinlage und der Funktionsverlagerung nach § 1 AStG, die unter das Realisationsprinzip fallen.3 13.52 Als allgemeine Entstrickungsnormen umfassen § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und in § 12 Abs. 1 KStG aber nicht mehr – wie beim finalen Entnahmebegriff – nur die Überführung eines Wirtschaftsguts in eine DBA-Freistellungsbetriebsstätte, sondern auch die Überführungen in ausländische Anrechnungs-, Nicht-DBA-Betriebsstätten4 oder aus DBA-Anrechnungs- in DBA-Freistellungsbetriebsstätten (objektbezogene Änderungen).5 Ferner löst der nachträgliche Abschluss eines DBA mit Freistellungsmethode für Betriebsstättengewinne nach Überführung des Wirtschaftsguts in die frühere Nicht-DBA-Betriebsstätte eine fiktive Entnahme/Veräußerung ohne Handlung des Steuerpflichtigen aus.6 Erfasst werden auch sonstige subjektbezogene Änderungen in der Person des Steuerpflichtigen mit Auswirkungen auf das Besteuerungsrecht für den Veräußerungsgewinn (etwa Wegzugsfälle). Zudem führen „Nutzungsentstrickungen“ durch – vorübergehende – „Nutzungsüberlassungen“ von inländischen Wirtschaftsgütern an ausländische Betriebsstätten zu einer Gewinnrealisation,

1 Vgl. BT-Drucks. 16/2710, 28 u. 44. Der Gesetzgeber unterstellte die Kontinuität der Rechtsprechung des BFH zur abkommensrechtlichen Verteilung der Besteuerungsrechte für den Veräußerungsgewinn eines Wirtschaftsguts in der ausländischen Betriebsstätte nach Art. 7, 13 OECD-MA, wie sie vor BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 bestand. 2 Vgl. Wassermeyer in FS Krawitz (2010), 483 (494): „Der Tatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG kann erst bei einer tatsächlichen Veräußerung oder Entnahme des überführten Wirtschaftsguts in der ausländischen Betriebsstätte erfüllt sein, weil erst dann feststeht, ob das deutsche Besteuerungsrecht für die inländischen stillen Reserven tatsächlich ausgeschlossen oder beschränkt wird, so dass es einer teleologischen Reduktion bedarf, um die Rechtsfolge des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG in die logische Sekunde vor die Veräußerung zurückzuversetzen.“ Zur entgegenstehenden Auslegung der Entstrickungsnormen als Gefährdungstatbestände vgl. unten Rz. 13.119. 3 Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 357a, 358 (Stand: April 2022). 4 Dies soll auch gelten, wenn nach dem sog. Pauschalierungserlass (BMF v. 10.4.1984 – IV C 6 - S 2293 – 11/84, BStBl. I 1984, 252) ein Antrag gestellt wird, die ausländische Steuer auf den Veräußerungsgewinn pauschaliert nach § 34c EStG anzurechnen; vgl. Piltz, JbFStR 2006, 64 (69). 5 Musil in H/H/R, § 4 EStG Anm. 220 f. (Stand: Juni 2022); Frotscher/Watrin in Frotscher/ Geurts, § 4 EStG Rz. 373 ff., 377 ff., 383 ff. mit Beispielen (Stand: April 2022); Schaumburg, IntStR5, Rz. 6.385 ff. 6 Vgl. Piltz in JbFStR 2006, 64 (68) mit Hinweis auf die früher andere Rechtslage nach BFH v. 16.12.1975 – VIII R 3/74, BStBl. II 1976, 246.

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B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.55 Kap. 13

wenn nach dem DBA das deutsche Besteuerungsrecht für den Gewinn aus der Nutzungsüberlassung ausgeschlossen ist.1

Es handelt sich wegen des sachlichen Anwendungsbereichs der § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG/§ 12 Abs. 1 KStG um gegenüber dem allgemeinen Entnahmebegriff in § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG und den allgemeinen Realisationstatbeständen losgelöste eigenständige Realisationstatbestände, was die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis der verschiedenen Tatbestände zueinander – vor allem bei Überführungen und Übertragungen auf ausländische Personengesellschaften – aufwirft.2 Vgl. hierzu Rz. 13.189 ff.

13.53

b) Leerlaufen der Entstrickungsbesteuerung nach dem BFH-Urteil v. 17.7.2008 – I R 77/06 Sowohl die „finale“ Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG als auch die „fiktiven“ Entnahmen/Veräußerungen gem. §§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, 12 Abs. 1 KStG knüpfen tatbestandlich an die abkommensrechtliche Verteilung des Besteuerungsrechts für den Gewinn aus der (tatsächlichen) Veräußerung des Wirtschaftsguts nach dem DBA-Betriebsstättenartikel an. Beim finalen Entnahmebegriff des BFH lag eine Verwendung für „betriebsfremde Zwecke“ nur deshalb vor, weil die Besteuerung der inländischen stillen Reserven nach der Überführung nicht sichergestellt war. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG verlangen den „Ausschluss“ oder die „Beschränkung“ des deutschen Besteuerungsrechts für den Veräußerungsgewinn.

13.54

Da der BFH seit der Entscheidung im Urt. v. 17.7.2008 – I R 77/063 nunmehr die Auffassung vertritt, nach der Überführung des Wirtschaftsguts in eine DBA-Freistellungsbetriebsstätte der Betriebsstättenstaat dürfe bei Veräußerung des Wirtschaftsguts im Ausland nach Art. 7 OECD-MA nur die auf seinem Hoheitsgebiet entstandenen und angesammelten stillen Reserven besteuern und Deutschland dürfe die bis zur Überführung entstandenen stillen Reserven des Wirtschaftsguts weiterhin besteuern, lag eine „finale Entnahme“ nicht mehr vor und es drohten auch § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG ins Leere zu gehen, da das deutsche Besteuerungsrecht nicht i.S.d. Regelungen ausgeschlossen oder beschränkt war. Diese Konsequenz wird zutreffend von der überwiegenden Auffassung im Schrifttum für die Überführung des Wirtschaftsguts in DBA-Freistellungsbetriebsstätten, in DBA-Anrechnungsbetriebsstätten und in Nicht-DBA-Betriebsstätten bejaht.4 Ob die abkommensrecht-

13.55

1 Vgl. Musil in H/H/R, § 4 EStG Anm. 232 (Stand: Juni 2022); Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 388 ff. (Stand: April 2022); Krüger/Heckel, NWB 2009, 36538 (36541); Wassermeyer in FS Krawitz (2010), 483; zum Wegzug von Personengesellschaftern Blöchle, IStR 2009, 645 ff. 2 Vgl. zur Funktion der Entstrickungsnormen als Realisationstatbestände Ditz in W/R/S2, Rz. 12.8 ff.; Benecke, NWB Fach 3, 14734 (14745 u. 14747) = NWB 37/2007, 3232 (3243 u. 3245); Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 353a, 357 ff. (Stand: April 2022). 3 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 4 Vgl. zur Diskussion Musil in H/H/R, § 4 EStG Anm. 228 f. (Stand: Juni 2022); befürwortend Köhler in FS Krawitz (2010), 213 (229); Körner, IStR 2009, 741 (742 f.); Schneider/ Oepen, FR 2009, 22, (28); Prinz, DB 2009, 807 (810 f.); Roser, DStR 2008, 2389 (2393); Schaumburg, IntStR5, Rz. 6.382; Wassermeyer in FS Krawitz (2010), 483 (498 f.).

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Kap. 13 Rz. 13.55 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

liche Beurteilung des BFH zur Verteilung des Besteuerungsrechts für einen Veräußerungsgewinn in der ausländischen Betriebsstätte zutrifft und aus Sicht der ausländischen Betriebsstättenstaaten geteilt wird, wird allerdings auch bezweifelt.1 Es wird abweichend vertreten, § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG seien als Gefährdungstatbestände auszulegen, so dass ein „Ausschluss“ oder eine „Beschränkung“ des deutschen Besteuerungsrechts immer im Zeitpunkt des Grenzübertritts des Wirtschaftsguts vorlägen, ohne dass es darauf ankomme, ob dies materiell-rechtlich zutreffend sei.2

13.56 Das BMF belegte das BFH, Urt. v. 17.7.2008 – I R 77/063 im Hinblick auf die geplante Einfügung eines § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG durch das Jahressteuergesetz (JStG) 2010 mit einem Nichtanwendungserlass. Hierin geht das BMF davon aus, dass das o.g. BFHUrteil keine Konsequenzen für die Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG habe.4 Die Finanzverwaltung hat den Betriebsstättenerlass in Tz. 2.6 für nach dem 31.12.2005 endende Wirtschaftsjahre an die durch das SEStEG eingeführten Steuerentstrickungs- und Verstrickungsvorschriften angepasst, ohne auf etwaige Konsequenzen aus dem BFH, Urt. v. 17.7.2008 – I R 77/06 einzugehen.5 Dies erwies sich rückblickend als voreilig, jedenfalls aber zu optimistisch. Denn der Gesetzgeber hat in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG eine vom finalen Entnahmebegriff der Rechtsprechung losgelöste neue Regelungskonzeption umgesetzt und sich mit der tatbestandlichen Anknüpfung an die Verteilung der Besteuerungsrechte nach dem jeweiligen DBA-Betriebsstättenartikel für einen Veräußerungsgewinn des überführten Wirtschaftsguts „sehenden Auges“ der Gefahr ausgesetzt, dass die DBA-Auslegung der Rechtsprechung von der Einschätzung des Gesetzgebers bei Gesetzeserlass abweichen kann. 3. Einführung der § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG mit echter Rückwirkung

13.57 In Reaktion auf das BFH-Urteil v. 17.7.2008 – I R 77/06,6 welches somit nach vielfach vertretener Meinung auf die Rechtslage vor und nach 2006 auszustrahlen drohte, hat der Gesetzgeber § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG durch das JStG 2010 eingeführt. Nach beiden Regelungen ist das deutsche Besteuerungsrecht i.S.d.

1 Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 375c bis 375g (Stand: April 2022); Musil in H/H/R, § 4 EStG Anm. 229 (Stand: Juni 2022); Mitschke, FR 2009, 326 (328); Mitschke, IStR 2010, 95; Mitschke, Ubg 2010, 355 (357). 2 Musil, FR 2011, 545 (549); Musil, FR 2012, 32. 3 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 4 BMF v. 20.5.2009 – IV C 6 - S 2134/07/10005, BStBl. I 2009, 671. Das BMF folgt mutmaßlich der Argumentation Mitschkes (Ubg 2010, 355 [356 f.]), der BFH müsse bei einer Entscheidung zu § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG zur Rechtslage ab 2006 den erkennbar gewordenen Willen des Gesetzgebers des SEStEG, die stillen Reserven bei Überführung in eine ausländische Betriebsstätte besteuern zu wollen, beachten und zu einer anderen Auslegung über die Verteilung der Besteuerungsrechte in Art. 7 OECD-MA für den Veräußerungsgewinn gelangen. 5 BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888. 6 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464.

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B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.60 Kap. 13

§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG „ausgeschlossen“ oder „beschränkt“, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut nunmehr „einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen“ ist. Beide Normen sind nach der Gesetzesbegründung „klarstellende Regelbeispiele“.1 Mit den Neuregelungen will der Gesetzgeber zudem festschreiben, dass im Zeitpunkt des Zuordnungswechsels die Prüfung des „Ausschlusses“ oder der „Beschränkung“ des deutschen Besteuerungsrechts für den (hypothetischen) Veräußerungsgewinn in der ausländischen Betriebsstätte stattfinden muss. Zweifache echte Rückwirkung. § 52 Abs. 8b EStG und § 34 Abs. 8 KStG i.d.F. des JStG 2010 ordnen im Wege einer echten Rückwirkung die Anwendung der Entstrickungsnormen gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG/§ 12 Abs. 1 KStG für den Veranlagungszeitraum 2006 an. Für Wirtschaftsjahre, die vor dem 1.1.2006 endeten, gelten die Entstrickungsnormen für den Zuordnungswechsel eines Wirtschaftsguts aus der inländischen Betriebsstätte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen in eine DBA-Freistellungsbetriebsstätte und aus der inländischen Betriebsstätte eines beschränkt Steuerpflichtigen in dessen ausländische Betriebsstätte. Die zugehörigen Regelbeispiele gelten in allen Fällen, in denen auch die zugrunde liegenden Entstrickungsnormen anzuwenden sind (§ 52 Abs. 8b Satz 3 EStG, § 52 Abs. 16a Satz 1 EStG/§ 34 Abs. 8 Satz 1 bis 3 KStG).

13.58

Zweifelhafte Regelungstechnik. Ob die Aufnahme der Regelbeispiele in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG/§ 12 Abs. 1 Satz 2 KStG notwendig und effektiv war, ist streitig. Es wird argumentiert, der Grundtatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG gehe nach dem BFHUrteil v. 17.7.2008 (I R 77/06) für die Überführung in ausländische Betriebsstätten ins Leere und könne auch durch das Regelbeispiel nicht konkretisiert werden.2 Werden § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG/§ 12 Abs. 1 KStG als Gefährdungstatbestände verstanden, hat der jeweilige Grundtatbestand hingegen schon vor der Einführung der Regelbeispiele die Überführungsfälle erfasst.3

13.59

4. Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Entstrickungsregelungen a) Rückwirkende Bestätigung und Verschärfung der Rechtslage durch das SEStEG und das JStG 2010 Die Rückwirkung der Entstrickungsnormen ist differenziert zu betrachten. Für den Veranlagungszeitraum 2006 stellt sich die Frage, ob Überführungen in DBA-Anrechnungs-, Nicht-DBA-Betriebsstätten sowie Nutzungsentstrickungen aufgrund vorü-

1 Vgl. BT-Drucks. 17/3549, 19. 2 Vgl. Lendewig/Jaschke, StuB 2011, 90 (94); Gosch in Kirchhof/Seer21, § 49 EStG Rz. 16, der § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG als Regelbeispiel der „Finalität“ und nicht als erforderliche Fiktion einer Entnahme bei Verbringung des Wirtschaftsguts in die Auslandsbetriebsstätte ansieht. 3 Vgl. dazu Musil, FR 2011, 545 (549); Lendewig/Jaschke, StuB 2011, 90 ff.; Richter/Heyd, Ubg 2011, 172 ff.; Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 375g (Stand: April 2022).

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13.60

Kap. 13 Rz. 13.60 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

bergehender Nutzungsüberlassungen, die nach dem 31.12.2005 und vor dem Inkrafttreten des SEStEG erfolgt sind, rückwirkend als Realisationstatbestände behandelt werden dürfen. Für Überführungen in DBA-Freistellungsbetriebsstätten und Überführungsvorgänge beschränkt Steuerpflichtiger gilt die rückwirkende Anwendbarkeit der Entstrickungsnormen samt der Regelbeispiele auch für Vorgänge vor dem 1.1.2006. b) Stellungnahme zur Verfassungsmäßigkeit der Rückwirkung aa) Verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstäbe

13.61 Das BVerfG hat in der der rückwirkenden Anordnung der Entstrickungsregelungen für Überführungen in DBA-Freistellungsbetriebsstätten und der beschränkt Steuerpflichtigen durch das JStG 2010 vergleichbaren Konstellation der „echten“ rückwirkenden Kodifizierung der Verwaltungspraxis der Mehrmütterorganschaft entschieden, belastende Steuergesetze dürften ihre Wirksamkeit grundsätzlich nicht auf bereits abgeschlossene Tatbestände erstrecken; der Gesetzgeber dürfe daran nicht ungünstigere Folgen knüpfen als diejenigen, von denen der Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen durfte. Das Rückwirkungsverbot, das seinen Grund im Vertrauensschutz habe, trete aber dann zurück, wenn sich kein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte, etwa weil die Rechtslage unklar und verworren war.1 Bestehe eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung und finanzbehördliche Praxis zu einer bestimmten Steuerrechtsfrage, könne der Steuerpflichtige gegenüber einer rückwirkenden gesetzlichen Festschreibung dieser Rechtsanwendungspraxis grundsätzlich kein schutzwürdiges Vertrauen für sich reklamieren, wenn er eine hiervon abweichende Rechtsauffassung vertrete und seine betrieblichen Dispositionen an dieser abweichenden Auffassung ausgerichtet habe. Dies gelte unabhängig von der Frage, ob der BFH mit der Änderung seiner Rechtsprechung zu einer bestimmten Rechtsfrage das bei gleich gebliebener Gesetzeslage schon bisher „richtige Recht“ zutreffend erkannt oder die frühere Rechtslage fortentwickelnd neu gestaltet habe.2 13.62 Für die Rückwirkungsproblematik bei Überführungen in DBA-Anrechnungs-, Nicht-DBA-Betriebsstätten sowie Nutzungsentstrickungen aufgrund vorübergehender Nutzungsüberlassungen innerhalb des Veranlagungszeitraums 2006 ist Prüfungsmaßstab die sog. Veranlagungsrechtsprechung des BVerfG. Für den Bereich des Einkommensteuerrechts wird die Änderung von Normen mit Wirkung für den laufenden Veranlagungszeitraum vom BVerfG der Kategorie der unechten Rückwirkung zugeordnet.3 Wenn der Gesetzgeber das Einkommensteuerrecht während des laufen1 BVerfG v. 15.10.2008 – 1 BvR 1138/06, BFH/NV 2009, 110. 2 BVerfG v. 15.10.2008 – 1 BvR 1138/06, BFH/NV 2009, 110. 3 Vgl. die Rückwirkungsbeschlüsse I bis III des BVerfG v. 7.7.2010 – 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/ 04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1 ff., sowie 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BVerfGE 127, 61 ff. und v. 7.7.2010 – 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06, BVerfGE 127, 31 ff. Zu vororganschaftlichen Mehrabführungen BVerfG v. 14.12.2022 – 2 BvL 7/13, 18/ 14, DStR 2023, 807.

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B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.64 Kap. 13

den Veranlagungszeitraums umgestaltet und die Rechtsänderungen auf dessen Beginn bezieht, bedürfen die belastenden Wirkungen stets einer hinreichenden Begründung nach den Maßstäben der Verhältnismäßigkeit. Hier muss der Normadressat eine Enttäuschung seines Vertrauens in die alte Rechtslage – so das BVerfG – nur hinnehmen, soweit dies aufgrund besonderer, gerade die Rückanknüpfung rechtfertigender öffentlicher Interessen unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist. bb) Überführungen in DBA-Anrechnungs-, Nicht-DBA-Betriebsstätten und bei vorübergehender Nutzungsüberlassung Die Überführung eines Wirtschaftsguts aus dem inländischen Stammhaus in eine DBA-Anrechnungsbetriebsstätte und in eine Nicht-DBA-Betriebsstätte sowie die Annahme einer fiktiven Entnahme/Veräußerung in den Fällen der vorübergehenden Nutzungsüberlassung werden für den Veranlagungszeitraum 2006 rückwirkend erstmals der Besteuerung unterworfen. Die geänderte gefestigte Rechtslage bestand bis dahin darin, keine Realisationstatbestände anzunehmen. Die Voraussetzungen, die das BVerfG aufgestellt hat, unter denen unechte rückwirkende Gesetzesänderungen gerechtfertigt werden können, sind nicht erfüllt.1 Denn in all diesen Fällen liegen Innentransaktionen vor, in denen der Gesetzgeber bis zum VZ 2006 kein Bedürfnis einer Besteuerung gesehen hat. Damit hätte der Gesetzgeber diese Vorgänge, die von den Steuerpflichtigen innerhalb des VZ 2006 im Bewusstsein durchgeführt wurden, keinen Realisationstatbestand auszulösen, nicht rückwirkend besteuern dürfen. Die Bildung des Ausgleichspostens gem. § 4g EStG führt zwingend zu einer Besteuerung i.H.v. 20 % der stillen Reserven und vermag die Verhältnismäßigkeit der rückwirkenden Regelung nicht zu begründen.

13.63

cc) Überführung in DBA-Freistellungsbetriebsstätten Überblick und erhebliche Rechtsfrage. Zu entscheiden ist in diesem Bereich, ob der Gesetzgeber die durch das BFH, Urt. v. 17.7.2008 – I R 77/062 umgestaltete gefestigte Rechtspraxis wiederhergestellt hat.3 Bei Anwendung der verfassungsrechtlichen Kriterien kann den im Schrifttum vielfach geäußerten Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Regelungen nur zugestimmt werden.4

1 Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 362d und 362e zu Überführungen, der allerdings ebenfalls der Meinung ist, die rückwirkende Regelung erfasse diese Fallgruppe nicht, und Rz. 364 zu den „Nutzungsentnahmen“ (Stand: April 2022). 2 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 3 Vgl. so auch BT-Drucks. 17/3549, 27. 4 Vgl. Musil, FR 2011, 545 (550); Drüen in Brandis/Heuermann, § 4 EStG Rz. 486 (Stand: März 2022); Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 362b, 364 (Stand: April 2022); a.A. Mitschke, FR 2011, 706 (708 f.).

Gerten | 833

13.64

Kap. 13 Rz. 13.64 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

Überführung in DBA-FreistellungsBetriebsstätte

Bis 31.12.1998

Ab 1.1.1999 bis 31.12.2005

Ohne rückwirkende Gesetzesänderung: keine Entnahme nach BFH – I R 77/06

Ohne rückwirkende Gesetzesänderung: h.M.: keine Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG/keine Veäußerung gem. § 12 Abs. 1 KStG, auch kein Buchwertansatz gem. § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG; zwar „Sicherstellung der stillen Reserven“ nach BFH – I R 77/06 gewährleistet, aber keine Überführung zwischen „zwei Betrieben“ Mutmaßliche Ansicht der Verwaltung: Entnahme mit Buchwertansatz gem. § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG

Ab 1.1.2006 bis 31.12.2010

Ohne rückwirkende Gesetzesänderung: h.M.: keine Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG/keine Veräußerung gem. § 12 Abs. 1 KStG, auch kein Buchwertansatz gem. § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG; „Sicherstellung der stillen Reserven“ nach BFH – I R 77/ 06 gewährleistet, aber keine Überführung zwischen „zwei Betrieben“; Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, aber kein „Ausschluss“ des Besteuerungsrechts nach BFH – I R 77/06 Verwaltung: zwar § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG erfüllt, aber drohende Anwendung des Buchwertansatzes gem. § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG Nach rückwirkender Nach rückwirkender Nach rückwirkender Gesetzesänderung: Gesetzesänderung: Gesetzesänderung: Zuordnungswechsel Zuordnungswechsel Zuordnungswechsel führt zu fiktiver Entführt zu fiktiver Entnah- führt zu fiktiver Entnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 3/4 me (§ 4 Abs. 1 Satz 3/4 nahme (§ 4 Abs. 1 EStG) zum gemeinen Satz 3/4 EStG) zum ge- EStG) zum gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 meinen Wert (§ 6 Abs. 1 Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG); keine SicherstelEStG); keine SicherstelNr. 4 EStG). lung der stillen Reserven lung der stillen Resergem. § 6 Abs. 5 Satz 1 ven gem. § 6 Abs. 5 Halbs. 2 EStG. Satz 1 Halbs. 2 EStG.

13.65 Wiederherstellung der Rechtslage bis zum 31.12.1998. Für die Überführung eines Wirtschaftsguts in eine DBA-Freistellungsbetriebsstätte wird die langjährige Rechtspraxis (Annahme einer Gewinnrealisation mit der Möglichkeit der aufgeschobenen Gewinnrealisierung) durch die rückwirkende Einführung des Tatbestands der fiktiven Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG samt des Regelbeispiels in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG und der fiktiven Veräußerung gem. § 12 Abs. 1 KStG für Überführungen bis zum 31.12.1998 im Ergebnis wiederhergestellt. In diesem Bereich kann die rückwirkende Gesetzesänderung den Anforderungen des BVerfG für die vorbeschriebene

834 | Gerten

B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.67 Kap. 13

Ausnahmefallgruppe genügen. Die Entscheidung des BFH v. 17.7.2008 – I R 77/061 mit der Aufgabe des finalen Entnahmebegriffs und dem damit verbundenen endgültigen Wegfall der Rechtsgrundlage für die Besteuerung der stillen Reserven bedeutete für diese Fallgruppe eine grundlegende Änderung der gefestigten Rechtspraxis. Rechtstechnisch hat der Gesetzgeber allerdings das Entstrickungskonzept mit einer so vorher nicht existenten Rechtsgrundlage rückwirkend eingeführt, woraus verfassungsrechtliche Bedenken abgeleitet werden.2 Die Annahme einer verfassungswidrigen Rückwirkung durch das BVerfG allein deshalb, weil das Ergebnis der früheren Rechtslage nunmehr auf der „fiktiven Entnahme“ gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und „fiktiven Veräußerung“ gem. § 12 Abs. 1 KStG als Rechtsgrundlage statt auf Grundlage einer „echten“ Entnahme nach § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG bewirkt wird, ist aber unwahrscheinlich. Entscheidend ist unabhängig von der technischen Umsetzung, dass das Ergebnis der früheren Rechtspraxis wiederhergestellt wird.3

Keine verbotene Rückwirkung für Überführungen zwischen 1999 und Ende 2005. Von einer klarstellenden – die frühere Rechtspraxis bestätigenden – rückwirkenden gesetzlichen Regelung durch den Gesetzgeber kann man für Überführungen ab dem 1.1.1999 bis zum 31.12.2005 streng betrachtet nicht sprechen, da das BFH, Urt. v. 17.7.2008 – I R 77/064 den Vorbehalt enthält, dass zu dieser Rechtslage keine Aussage getroffen wird. Es ist jedoch anzuerkennen, dass der Gesetzgeber mit Einfügung der Regelung in § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG auch für diese Zeiträume bei Überführung des Wirtschaftsguts in eine ausländische DBA-Freistellungsbetriebsstätte von einer Entnahme mit der Möglichkeit der aufgeschobenen Gewinnrealisierung ausgegangen ist. Möglich ist es daher, eine Ausstrahlungswirkung der BFH-Entscheidung v. 17.7.2008 – I R 77/065 auf die in der damaligen Rechtspraxis gefestigte Auslegung des Merkmals „Sicherstellung der stillen Reserven“ in § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG zu bejahen. Diese kann es rechtfertigen, die Voraussetzungen der Ausnahmefallgruppe des BVerfG für echte rückwirkende Gesetzesänderungen als erfüllt anzusehen. Wer hingegen allein die rückwirkende Einführung des Entstrickungskonzepts als neuer Rechtsgrundlage anstelle der damaligen Entnahmeregelung als verfassungsrechtlich bedenklich ansieht, wird auch für diese Fallgruppe zu einer verfassungswidrigen Rückwirkung kommen.6

13.66

Verfassungswidrige Rückwirkung für Zeiträume von 2006 bis Ende 2010. Für Überführungen nach dem 31.12.2005, die zu fiktiven Entnahmen gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 4 EStG und fiktiven Veräußerungen führen, ist die rückwirkende zeitliche Geltung verfassungswidrig.7 Es bestand von Beginn an Streit darüber, ob ein

13.67

1 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 2 Vgl. Musil, FR 2011, 545 (550); Drüen in Brandis/Heuermann, § 4 EStG Rz. 486 (Stand: März 2022); Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 362c, 364 (Stand: April 2022). 3 Im Ergebnis gl.A. Mitschke, FR 2011, 706 (708). 4 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 5 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 6 Vgl. Musil, FR 2011, 545 (550); Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 362c (Stand: April 2022). 7 A.A. Musil, FR 2011, 545 (550).

Gerten | 835

Kap. 13 Rz. 13.67 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

„Ausschluss“ oder eine „Beschränkung“ des deutschen Besteuerungsrechts für die im Inland gebildeten stillen Reserven bei späterer tatsächlicher Veräußerung des Wirtschaftsguts nach Überführung in eine DBA-Freistellungsbetriebsstätte im Sinne der Regelungen vorlag. Mit der gewählten Regelungstechnik hat der Gesetzgeber die Entstrickung gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG/§ 12 Abs. 1 KStG tatbestandlich von einer schon damals umstrittenen DBA-Auslegungsfrage als rechtlicher Vorfrage abhängig gemacht.1 Er hat bei dieser Konzeption den „Fehler“ gemacht, sich auf den Fortbestand der damaligen Rechtsprechung des BFH zu verlassen, das deutsche Besteuerungsrecht werde rechtlich für Veräußerungsgewinne von Betriebsstättenvermögen gem. Art. 7 OECD-MA nach einer Überführung ausgeschlossen oder beschränkt, statt allein aufgrund des Verbringens eine Entnahmefiktion zu regeln.2 Zudem war angesichts des missverständlichen Wortlauts von Beginn an streitig, ob der erforderliche „Ausschluss“ oder die notwendige „Beschränkung“ des deutschen Besteuerungsrechts schon bei der Überführung oder erst bei tatsächlicher Veräußerung des Wirtschaftsguts vorliegen können. Der Gesetzgeber hat erst durch das JStG 2010 an den Entstrickungsnormen rückwirkende „Reparaturen“ mit zweifelhaftem Ausgang ausgeführt. Folglich können § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG nicht als klarstellende Bestätigung einer zuvor gefestigten und anerkannten Rechtslage (ab dem 1.1.2006) angesehen werden. Die rückwirkende Einführung des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG erfüllt somit die Anforderungen des BVerfG zur Rechtfertigung echter Rückwirkungen nicht.3 c) Ergebnis für Überführungen bis Ende 2010

13.68 Soweit der Gesetzgeber im Veranlagungszeitraum 2006 vor Inkrafttreten des SEStEG die dauerhaften Überführungen von Wirtschaftsgütern in ausländische DBA-Anrechnungs- und Nicht-DBA-Betriebsstätten sowie vorübergehende Nutzungsüberlassungen an ausländische Betriebsstätten rückwirkend als Realisationsvorgänge gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG behandelt, steht dem das verfassungsrechtliche Verbot der echten Rückwirkung entgegen. Dies gilt für alle Überführungen. 13.69 Soweit der Gesetzgeber für Überführungen in ausländische DBA-Freistellungsbetriebsstätten vor dem 1.1.2011 von einer Gewinnrealisation im Zeitpunkt der Überführung ausgeht, ist zwischen den Überführungsvorgängen in EU/EWR-Betriebsstätten und Betriebsstätten in Drittstaaten zu unterscheiden. Eine verfassungswidrige echte Rückwirkung der Regelungen in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und des § 12 Abs. 1 Satz 1 und 2 KStG liegt (nur) für Überführungsvorgänge ab dem 1.1.2006 in alle DBA-Freistellungsbetriebsstätten vor. Sind die Entstrickungsnormen nicht anwendbar, liegen nach dem BFH, Urt. v. 17.7.2008 – I R 77/ 1 Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 (1484); Wassermeyer, DB 2006, 1176 ff.; Prinz, DB 2009, 807 ff. 2 Vgl. Gosch in Kirchhof/Seer21, § 49 EStG Rz. 16. 3 A.A. Musil, FR 2011, 545 (550); Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 375f und 375g (Stand: April 2022), die die Entstrickungsnormen als Gefährdungstatbestände ansehen.

836 | Gerten

B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.72 Kap. 13

061 auch keine „echten“ Entnahmen mehr vor. Die rückwirkende Sofortbesteuerung der Überführung von Wirtschaftsgütern beschränkt Steuerpflichtiger verstößt nicht gegen das Rückwirkungsverbot, da die gefestigte Rechtspraxis für diese Fallgruppe immer von einer Gewinnrealisation ausging (vgl. näher Rz. 13.174) Eine Entscheidung des BFH zur Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Rückwirkung in einem anhängigen Revisionsverfahren2 steht noch aus. Das Verfahren wurde bis zu einer Entscheidung des BVerfG betreffend die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwestergesellschaften (Az. 2 BvL 8/13) ausgesetzt.3

13.70

5. Anpassung der Entstrickungsregelungen an das Unionsrecht durch das ATADUmsG Im Zuge der Umsetzung der ATAD in nationales Recht hat der Gesetzgeber die allgemeinen Entstrickungsvorschriften in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG insgesamt unverändert gelassen, da die Vorgaben der ATAD zur Entstrickungsbesteuerung im betrieblichen Bereich bereits nach bisher geltenden Recht ausreichend umgesetzt waren. Auch hinsichtlich der Bewertungsvorschriften ergab sich kein Anpassungsbedarf, da der Herkunftsstaat nach Art. 5 ATAD zur Bewertung der überführten Wirtschaftsgüter mit dem Marktwert berechtigt ist.

13.71

Anpassungsbedarf ergab sich jedoch in Bezug auf die Vorgabe der ATAD zur Abmilderung der Steuerbelastung ohne korrespondierenden Liquiditätszufluss, soweit ein Wirtschaftsgut in eine EU-/EWR-Betriebsstätte überführt wird. Das Wahlrecht zur Bildung eines Ausgleichspostens nach § 4g EStG steht nunmehr nicht mehr allein unbeschränkt Steuerpflichtigen, sondern auch beschränkt Steuerpflichtigen zu. Außerdem ist die Bildung eines Ausgleichspostens nicht mehr auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens beschränkt und auch Überführungen in Betriebsstätten in EWRStaaten fallen in den Anwendungsbereich, sofern durch diese Amtshilfe im Sinne des EU-Amtshilfegesetzes bzw. der Amtshilferichtlinie und gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung im Sinne der Beitreibungsrichtlinie geleistet werden (§ 4g Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 36 Abs. 5 Satz 1 EStG). Ferner soll die Regelung nun auch im Falle einer passiven Entstrickung (dazu Rz. 13.178 ff.) zur Anwendung kommen, dazu entfällt die Bezugnahme auf eine Entstrickung infolge eines Zuordnungswechsels und es wird (nur) auf den Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG abgestellt.4

13.72

1 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BFHE 222, 402 = BStBl. II 2009, 464. 2 Az. des BFH: I R 99/15; vorgehend FG Düsseldorf v. 19.11.2015 – 8 K 3664/11 F, IStR 2016, 118 (rückwirkende Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG in der Fassung des JStG 2010 auf den Veranlagungszeitraum 2005 nicht verfassungswidrig). 3 Dazu Wacker, DStJG 41 (2018), 423 (428). Wann mit einer Entscheidung des BVerfG zu rechnen ist, war bei Drucklegung noch nicht abzusehen. Das BVerfG hat das Verfahren seit 2018 in seine Jahresvorschau aufgenommen. Im Februar und März 2021 haben u.a. das IDW und die BRAK Stellungnahmen nach § 27a BVerfGG abgegeben. 4 Böhmer/Schewe/Schlücke, FR 2021, 765 (769).

Gerten | 837

Kap. 13 Rz. 13.73 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

II. Verhältnis der Entstrickungstatbestände zu anderen Vorschriften

13.73 Im Einzelnen ergeben sich Fragen des Verhältnisses der allgemeinen Entstrickungsregelungen zur Bewertungsvorschrift des § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG und zu den außensteuerlichen Einkünftekorrekturvorschriften des § 1 AStG (insbesondere im Hinblick auf die Implementierung des AOA in nationales Recht, die Regelungen zur Funktionsverlagerung sowie die Normierung des DEMPE-Konzepts): 1. Verhältnis der Entstrickungstatbestände zu § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG a) Rechtslage vor Einführung der Entstrickungsbesteuerung

13.74 Es handelt sich bei § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG um eine Bewertungsvorschrift, die im aufnehmenden Betrieb den zwingenden Ansatz des überführten Wirtschaftsguts zum Buchwert vorgibt. Denklogisch setzt die Regelung einen in diesen Fällen verwirklichten Ersatzrealisationstatbestand voraus, dessen Folgen abgemildert werden sollen.1 Der Gesetzgeber und weite Teile des Schrifttums gehen auf der Tatbestandsseite von einem „engen“ Betriebsbegriff mit einer Entnahme im abgebenden Betrieb und einer Einlage im aufnehmenden Betrieb sowie auf der Rechtsfolgenseite von einem „weiten“ oder „mittleren“ Betriebsbegriff aus, so dass bei Sicherstellung des Besteuerungszugriffs auf die stillen Reserven die Wirkung der Gewinnrealisation unterdrückt werden soll.2 Dieser Auffassung wird auch hier gefolgt. Bei einem „weiten“ Betriebsbegriff wird hingegen schon ein Realisationstatbestand verneint und § 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG als deklaratorische Regelung angesehen.3 Im abgebenden Betrieb entsteht dem Grunde nach ein Entnahmegewinn, bei dem das Wirtschaftsgut aufgrund einer Buchwertverknüpfung mit dem Ansatz im aufnehmenden Betrieb abweichend von § 6 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 EStG mit dem Buchwert anzusetzen ist, wenn die Besteuerung der stillen Reserven „sichergestellt“ ist, um hierdurch die Gewinnauswirkung aus dem verwirklichten Realisationstatbestand zu unterdrücken.4 Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG ist die Frage, ob die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist, nunmehr Voraussetzung für den Buchwertansatz im Ziel- und im Herkunfts-Betrieb. Das Merkmal der „Sicherstellung der stillen Reserven“ in § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG, welches nach dem finalen Entnahmebegriff der Rechtsprechung gerade für die Frage zu prüfen war, ob die Entnahme dem Grunde nach verwirklicht worden war, ist unter Geltung des § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG auf die Ebene der Bewertungsvorschrift verschoben und damit vom Realisationstatbestand abgekoppelt worden.5 13.75 Dies wirft die Frage auf, ob mit Einführung des § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG der finale Entnahmebegriff der Rechtsprechung – ohne Berücksichtigung des BFH-Urteils 1 Niehus/Wilke in H/H/R, § 6 EStG Anm. 1500 (Stand: Juni 2022) mit Hinweis auf Wehrheim/Nickel, BB 2006, 1361 (1364). 2 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht9, S. 273 ff.; Niehus/Wilke in H/H/R, § 6 EStG Anm. 1500 (Stand: Juni 2022) m.w.N. 3 Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht24, Rz. 9.361. 4 BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 1. 5 Bode in Kirchhof/Seer21, § 4 EStG Rz. 92.

838 | Gerten

B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.76 Kap. 13

vom 17.7.2008 (I R 77/06)1 – vom Gesetzgeber modifiziert worden und damit ab 1999 jede Überführung in eine ausländische Betriebsstätte als Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG anzusehen ist. Der Gesetzgeber hat im Gesetzgebungsverfahren – allerdings ohne Begründung – die Auffassung vertreten, eine tatbestandliche Überführung zwischen „zwei Betrieben“ i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG liege vor, wenn ein Wirtschaftsgut steuerneutral (unentgeltlich) in eine ausländische DBA-Freistellungsbetriebsstätte überführt werde, es sei denn, die Besteuerung der stillen Reserven sei nicht „sichergestellt“.2 Vor dem BFH, Urt. v. 17.7.2008 – I R 77/063 ging der Gesetzgeber bei der Überführung des Wirtschaftsguts in eine DBA-Freistellungsbetriebsstätte davon aus, die Besteuerung der inländischen stillen Reserven sei nicht „sichergestellt“. Folgt man der Gesetzesbegründung (und mutmaßlichen Verwaltungsmeinung) zu § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG („Überführung in ausländische Betriebsstätte = Überführung in einen anderen Betrieb i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG“), war § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG nach dem Vorstellungsbild des Gesetzgebers vor BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 bei der Überführung in eine DBA-Freistellungsbetriebsstätte nicht erfüllt. Denn die Besteuerung der im Inland gebildeten stillen Reserven war nicht i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG „sichergestellt“. Deutschland durfte nach damaliger Betrachtung den in der ausländischen Betriebsstätte erzielten Veräußerungsgewinn nach Art. 7 OECDMA nicht besteuern. Bei der Überführung in DBA-Anrechnungs- und Nicht-DBABetriebsstätten war die Besteuerung der stillen Reserven hingegen i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG „sichergestellt“, da Deutschland jeweils im Rahmen des Welteinkommens den in der ausländischen Betriebsstätte erzielten Veräußerungsgewinn besteuern durfte. Durch das BFH-Urt. v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 änderte sich – aus Sicht der Gesetzesbegründung und wohl auch der Finanzverwaltung – die Betrachtung für die Überführung in DBA-Freistellungsbetriebsstätten, da Deutschland nunmehr die bis zur Überführung entstandenen stillen Reserven auch noch bei Veräußerung in der ausländischen Betriebsstätte besteuern durfte. Entgegen der Intention des Gesetzgebers war nunmehr die Besteuerung der stillen Reserven i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG „sichergestellt“ und die Entnahme mit dem Buchwert anzusetzen. Es sollte nach Absicht des Gesetzgebers im Ergebnis der Gedanke der finalen Entnahmetheorie des BFH (Eintritt der Gewinnrealisierung dem Grunde nach) trotz der besonderen Bewertungsvorschrift gesetzlich verankert und die bisherige Handhabung (Aufdeckung der stillen Reserven mit Billigkeitsmaßnahme im Betriebsstättenerlass) fortgeführt werden.4 Ob der Gesetzgeber aufgrund der Überführung trotz der Innentransaktion stets auch von einer verwirklichten Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 1

1 2 3 4

BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. BT-Drucks. 14/23, 173 f. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. Der BFH hat im Urt. v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 zur Rechtslage vor Einführung des § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG (Streitjahr 1995) entschieden und angedeutet, die Frage, ob eine Entnahme mit Gewinnrealisierung gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG vorliege, könne für Streitjahre nach Inkrafttreten des § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG anders zu beurteilen sein; vgl. auch Ditz in W/R/S2, Rz. 12.18 m.w.N.

Gerten | 839

13.76

Kap. 13 Rz. 13.76 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

Satz 2 EStG oder einem anderen erfüllten Realisationstatbestand ausging, liegt zwar nahe, ist aber unklar.1

13.77 Umstritten ist, ob der Gesetzgeber in § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG Überführungen eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte überhaupt erfasst hat, weil er im Wortlaut der Regelung eine Überführung zwischen „zwei Betrieben“ des Steuerpflichtigen verlangt. Ob der BFH das inländische Betriebsvermögen und die ausländische Betriebsstätte als „zwei Betriebe“ i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG ansehen könnte, ist nicht entschieden. Dies wäre eine Abkehr von der zur alten Rechtslage im BFH, Urt. v. 17.7.2008 – I R 77/062 vertretenen Auslegung, eine ausländische Betriebsstätte sei kein „anderer Betrieb“, sondern nur ein ausländischer Betriebsteil desselben Betriebs des Steuerpflichtigen.3 Bliebe der BFH bei seiner bisherigen Sichtweise, wäre § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG tatbestandlich nicht erfüllt. Die Finanzverwaltung verneint wohl auch für die Rechtslage nach dem 31.12.1998 für Überführungen von Wirtschaftsgütern in ausländische Betriebsstätten, dass dem Grunde nach Entnahmen oder andere Realisationstatbestände verwirklicht werden.4 Es wird von der wohl h.M. im Schrifttum5 vertreten, § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG gehe für die Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte ins Leere. Folgt man dem, konnte die Einführung des § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG für Überführungen in eine ausländische Betriebsstätte nach dem 31.12.1998 die Buchwertfortführung nicht ermöglichen. Dem Steuerpflichtigen stand weiterhin lediglich das Wahlrecht nach dem Betriebsstättenerlass vom 24.12.19996 zu.

1 Vgl. dazu Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 354 (Stand: April 2022); diese sehen einen ersten Versuch des Gesetzgebers darin, das Problem der Entstrickung allgemein zu lösen, indem § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG eingeführt wurde. Danach sei bei der Überführung eines einzelnen Wirtschaftsguts von einem Betriebsvermögen des Stpfl. in ein anderes Betriebsvermögen desselben Stpfl. (nur) dann der Buchwert fortzuführen, wenn die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt sei. Abgesehen von den systematischen Bedenken gegen diese Vorschrift, die nur eine Bewertungsvorschrift, aber kein Gewinnrealisierungstatbestand sei, also nur anwendbar gewesen sei, wenn ein Gewinnrealisierungstatbestand verwirklicht worden sei, habe diese Regelung das Problem der Entstrickung schon deshalb nicht lösen können, weil sie mehr als ein Betriebsvermögen desselben Stpfl. voraussetze. Der Fehler im Gesetzgebungsverfahren habe darin gelegen, dass der Begriff „Betriebsvermögen“ anstelle des Begriffs „Betriebsstätte“ benutzt worden sei. 2 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 3 Vgl. Kessler/Huck, StuW 2006, 193 (199) m.w.N. 4 Nach BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 (Betriebsstättenerlass) liegen bei Überführungen nach dem 31.12.1998 und vor dem 1.1.2006 keine Entnahmen bei Überführungen in DBA-Anrechnungs- und Nicht-DBA-Betriebsstätten vor, da Innentransaktionen innerhalb des Betriebs vorliegen. 5 Vgl. zur Diskussion, ob eine Überführung „zwischen zwei Betrieben“ vorlag oder in diesen Fällen die Besteuerung der stillen Reserven „sichergestellt“ war, die Ausführungen bei Gosch in Kirchhof/Seer21, § 49 EStG Rz. 16; Niehus/Wilke in H/H/R, § 6 EStG Anm. 1500 (Stand: Juni 2022); Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 354, 364 (Stand: April 202); Buciek, DStZ 2000, 636 (637); Ditz in W/R/S2, Rz. 12.18; Haarmann in JbFStR 2006, 166 (166); Kessler, IStR 2004, 841 (846); Prinz, DB 2009, 807 (810). 6 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076.

840 | Gerten

B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.80 Kap. 13

Sähe man dies mit der Gesetzesbegründung anders, könnte man für die Rechtslage ab dem 1.1.1999 im Ergebnis zu einem Buchwertansatz gem. § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG im inländischen Herkunfts-Betrieb kommen. Es läge trotz der Innentransaktion eine Überführung zwischen „zwei Betrieben“ vor und es wäre auch bei Überführung des Wirtschaftsguts in eine ausländische DBA-Freistellungsbetriebsstätte nach dem BFH, Urt. v. 17.7.2008 – I R 77/061 die Besteuerung der stillen Reserven im Sinne der Norm „sichergestellt“.2 Nicht zu erwarten steht, dass der BFH sich die Sichtweise der Finanzverwaltung zu § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG zu eigen machen könnte, eine Besteuerung der stillen Reserven sei nur dann „sichergestellt“, wenn Deutschland sowohl die bis zur Überführung entstandenen stillen Reserven als auch die „künftigen“ stillen Reserven besteuern dürfe.3 Dieser Sichtweise ist der BFH in anderem Zusammenhang bereits überzeugend entgegengetreten.4 Es wird durch die Sofortbesteuerung im Zeitpunkt der Überführung auch ein deutsches Besteuerungsrecht hinsichtlich künftiger Gewinne nicht gesichert oder realisiert, da Deutschland ein solches im DBAFall nicht zusteht und die Besteuerung der bis zur Überführung entstandenen stillen Reserven nichts mit dem Besteuerungsrecht der danach entstandenen stillen Reserven zu tun hat.5

13.78

b) Rechtslage nach Einführung der Entstrickungsbesteuerung In § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 EStG ist durch das JStG 2010 eine Verweisung aufgenommen worden, nach der § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG „entsprechend“ anzuwenden ist. Dieser Verweis soll jedenfalls bei Rückwirkung (gem. § 52 Abs. 16a Satz 1 EStG partiell, vgl. Rz. 13.58) in allen Fällen gelten, in denen auch § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG anzuwenden ist. Der Gesetzgeber will durch Einfügung dieses (rückwirkenden) Verweises verhindern, dass die im Inlandsfall zwingende Buchwertfortführung gem. § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG in den betroffenen Überführungsfällen zur Anwendung kommt. Es handelt sich um eine Regelung mit echter Rückwirkung, die an abgeschlossene Überführungsvorgänge anknüpft.6

13.79

Regelungsziel. Die angeordnete „entsprechende Geltung“ des § 4 Abs. 1 Satz 4 in § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 EStG soll vorgeben, dass das deutsche Besteuerungsrecht für den bei Zuordnungswechsel hypothetischen Veräußerungsgewinn in der ausländischen Betriebsstätte nach dem Zuordnungswechsel in die ausländische Betriebsstätte gem. § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG nicht mehr „sichergestellt“ ist und demnach der Buchwertansatz gem. § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG nicht in Betracht kommt. Die Regelung

13.80

1 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 2 Vgl. Ditz, IStR 2009, 115, 119; Musil, FR 2011, 545 (547). 3 Vgl. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 7 Satz 2. Das BMF-Schreiben soll nach Rz. 40 für alle noch offenen Fälle gelten und erfasst wegen der rückwirkenden Aufnahme des Verweises auf § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG in § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 EStG auch Überführungsvorgänge vor 2006. 4 BFH v. 28.10.2009 – I R 99/08, BFH/NV 2010, 346. 5 Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 375m (Stand: April 2022). 6 Niehus/Wilke in H/H/R, § 6 EStG Anm. 1509 (Stand: Juni 2022); Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 362a ff. (Stand: April 2022).

Gerten | 841

Kap. 13 Rz. 13.80 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

zielt somit wohl darauf, dem Rechtsanwender die Auslegung des Betriebsstättenartikels (Art. 7 OECD-MA) zur Verteilung des Besteuerungsrechts für den Veräußerungsgewinn für das Wirtschaftsgut nach dem BFH, Urt. v. 17.7.2008 – I R 77/061 wiederum im Sinne der Finanzverwaltung vorzugeben.2 Wird die Buchwertfortführung gem. § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG ausgeschlossen, ist das Wirtschaftsgut bei der anzunehmenden fiktiven Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 4 EStG oder fiktiven Veräußerung gem. § 12 Abs. 1 KStG mit dem gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG) anzusetzen.

13.81 Nach der im Schrifttum mehrheitlich vertretenen und zutreffenden Auffassung3 sind § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG als Entstrickungsvorschriften mit eigenen Bewertungsregelungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG) anzusehen, die der Bewertungsregelung in § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG ohnehin vorgehen. Ob alle Vorgänge, die vom Tatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG erfasst werden, dem Grunde nach nicht unter § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG fallen können sollen,4 ist aber zweifelhaft. Dies lässt sich allenfalls bei Innentransaktionen bejahen, wenn man § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG von vornherein mangels einer Überführung zwischen „zwei Betrieben“ nicht für anwendbar hält. Hiergegen spricht aber, dass für die Rechtslage ab 1999 unklar ist, ob der Gesetzgeber nicht auch für die Überführung in eine ausländische Betriebsstätte von einem verwirklichten Realisationstatbestand ausging (vgl. Rz. 13.75 ff.) und der Gesetzgeber mit Einfügung des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG gerade auch § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG angepasst hat. Auch bei Innentransaktionen dürfte ein Überschneidungsbereich zwischen beiden Normen bestehen.5 Der bestehende Normenwiderspruch zwischen § 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG (Buchwertansatz im Herkunfts-Betriebsvermögen) und § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG ist zugunsten der spezielleren Entstrickungsregelung in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG aufzulösen.6 Bei Überführungen und Übertragungen von Wirtschaftsgütern (mit und ohne Rechtsträgerwechsel) in ausländische Sonderbetriebs- und Gesamthandsvermögen, die auch unter die Entstrickungsnormen fallen sollen, besteht nach hier vertretener Ansicht kein Vorrang dieser Normen vor den daneben ebenfalls erfüllten echten Realisationstatbeständen i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 1 bis 3 EStG (vgl. Rz. 13.84, 13.189 ff.).

1 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 2 Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 375g (Stand: April 2022). 3 Piltz in JbFStR 2006, 64 (67); Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 397 (Stand: April 2022); Niehus/Wilke in H/H/R, § 6 EStG Anm. 1503 (Stand: Juni 2022); a.A. Drüen in Brandis/Heuermann, § 4 EStG Rz. 486 (Stand: März 2022); Stadler/Elser, BB 2006, Special 8, 18. 4 So Niehus/Wilke in H/H/R, § 6 EStG Anm. 1506 (Stand: Juni 2022). 5 Gl.A. wohl auch Benecke, NWB Fach 3, 14733 (14747) = NWB 37/2007, 3231 (3245); Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 397 (Stand: April 2022). 6 A.A. Ditz in W/R/S2, Rz. 12.11 m.w.N.: § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG (vor Einfügung des Verweises in § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 EStG) sei nicht hinreichend klar zu entnehmen, vorrangig vor § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG zu sein. Vielmehr schließe § 6 Abs. 5 EStG, der innerhalb seines tatbestandlichen Anwendungsbereichs zwingend den Buchwertansatz vorschreibe, die Gewinnauswirkung aus der fiktiven Entnahme aus.

842 | Gerten

B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.82 Kap. 13

Die Finanzverwaltung war sich wohl nicht sicher, ob der im Schrifttum bei Innentransaktionen befürwortete Vorrang des § 4 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 vor § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG gilt. Durch das BFH-Urteil v. 17.7.2008 – I R 77/061 lagen nach h.M. keine „fiktiven“ Entnahmen bei der Überführung in eine DBA-Freistellungsbetriebsstätte mehr vor, da das deutsche Besteuerungsrecht für einen Veräußerungsgewinn gem. Art. 7 OECD-MA nach der Überführung nicht i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG „ausgeschlossen“ wurde. Zudem war auch für die Auslegung des Merkmals „Beschränkung“ und die Frage, ob die Realisation – wenn überhaupt – schon bei Überführung oder erst bei späterer tatsächlicher Veräußerung ausgelöst wurde, streitig.2 Dem BMF-Schr. v. 8.12.2011 zu § 6 Abs. 5 EStG3 ist keine klare Aussage zum Verhältnis der Normen zu entnehmen. Die Finanzverwaltung äußert sich in Rz. 7 Satz 2 zur Auslegung des Merkmals der „Sicherstellung der stillen Reserven“ für Überführungen in alle ausländischen Betriebsstätten. Sie schafft zudem in Rz. 7 Satz 2 des BMF-Schreibens vom 8.12.2011 eine Ersatzbegründung für Überführungen in DBA-Freistellungsbetriebsstätten seit Geltung des § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG (ab dem 1.1.1999, vgl. Rz. 13.58), indem sie für das Merkmal „Sicherstellung der stillen Reserven“ in § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG verlangt, dass auch die Besteuerung der „künftigen“ stillen Reserven (nach der Überführung im Ausland gebildet) im Inland gewährleistet sein muss.4 Diese Auslegung der Finanzverwaltung ist nicht vereinbar mit der Rechtsprechung des BFH, die bislang stets nur auf die bis zum Grenzübertritt des Wirtschaftsguts entstandenen stillen Reserven abgestellt hat.5 Dies hat der BFH in anderem Zusammenhang bestätigt (vgl. bereits Rz. 13.78).6 Mit diesem Verweis 1 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 2 Aus Sicht der Finanzverwaltung (BMF v. 20.5.2009 – IV C 6 - S 2134/07/10005, BStBl. I 2009, 671) waren zwar § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG/§ 12 Abs. 1 KStG trotz des BFH-Urteils v. 17.7.2008 einschlägig, es drohte aber aus Sicht der Finanzverwaltung eine Auslegung des § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG in der Weise, dass die Besteuerung der im Inland entstandenen Reserven nach der Überführung aufgrund des BFH-Urteils v. 17.7.2008 als „sichergestellt“ anzusehen und auch eine Überführung „zwischen zwei Betrieben“ gegeben war. Durch die rückwirkende Einfügung des Verweises auf § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG in § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 EStG für alle Veranlagungszeiträume vor und nach 2006 soll (rückwirkend für Zuordnungswechsel in DBA-Freistellungsbetriebsstätten sowie bei beschränkt Steuerpflichtigen und für die Zukunft in sämtliche ausländischen Betriebsstätten) der Buchwertansatz über § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG für die Entstrickungstatbestände ausgeschlossen werden. 3 Das BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 ist „zur Anwendung des § 6 Abs. 5 EStG in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts v. 20.12.2001 (BGBl. I 2001, 3858, BStBl. I 2002, 35, BStBl. I 2011, 1394), zuletzt geändert durch das Jahressteuergesetz 2010 v. 8.12.2010 (BGBl. I 2010, 1768)“ ergangen und findet nach Rz. 40 in allen noch offenen Verfahren Anwendung. Damit gilt es für alle Überführungsvorgänge seit dem Inkrafttreten der Norm, da nur die Regelungen des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG zwischenzeitlich abgeschafft und im UntStFG 2001 wieder eingeführt wurden, hingegen § 6 Abs. 5 Sätze 1 u. 2 EStG seit der Einführung zum 1.1.1999 unverändert geblieben sind. 4 Dies kann bei Überführung in eine DBA-Freistellungsbetriebsstätte niemals der Fall sein, vgl. Prinz, JbFStR 2007, 310 (319). 5 Drüen in Brandis/Heuermann, § 4 EStG Rz. 486c (Stand: März 2022). 6 BFH v. 28.10.2009 – I R 99/08, BFH/NV 2010, 346.

Gerten | 843

13.82

Kap. 13 Rz. 13.82 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

könnte allerdings auch beabsichtigt sein, der mutmaßlichen Auffassung der Finanzverwaltung Ausdruck zu verleihen, dass die Vorschriften in §§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, 12 Abs. 1 KStG auch alle nach einer ersten Entstrickung noch anwachsenden stillen Reserven erfassen, so dass die Anwendung der Vorschriften für jedes Wirtschaftsjahr nach der ersten Entstrickung permanent zu prüfen ist.1

13.83 Für die Fälle der Überführung in DBA-Anrechnungsbetriebsstätten und in NichtDBA-Betriebsstätten ist das BMF-Schreiben. v. 8.12.20112 in Rz. 1 und 7 wohl so zu verstehen, dass die Finanzverwaltung für Zuordnungswechsel nach dem 31.12.2005 (vgl. Rz. 13.58) von einer fiktiven Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 4 EStG bzw. fiktiven Veräußerung gem. § 12 Abs. 1 KStG ausgeht. Durch Einfügung des Verweises in § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 EStG auf § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG soll auch in diesen Fällen ausgeschlossen werden, dass eine „Sicherstellung“ der stillen Reserven im Sinne der Norm angenommen werden kann (vgl. Rz. 13.80).3 c) Überführung von Wirtschaftsgütern in ausländische Gesamthands- und Sonderbetriebsvermögen

13.84 Besonders problematisch ist in diesem Bereich, ob die vom Gesetzgeber als „fiktive Entnahme“ und „fiktive Veräußerung“ konzipierten Entstrickungstatbestände gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG überhaupt tatbestandlich erfüllt sein können, wenn auch die Voraussetzungen eines echten Ersatzrealisationstatbestands erfüllt sind (Rangverhältnis der Realisationstatbestände). Der Gesetzgeber wollte mit § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG auch die Fälle des Verlusts des deutschen Besteuerungsrechts infolge eines Rechtsträgerwechsels erfassen.4 Bei der Überführung und Übertragung eines Wirtschaftsguts in ausländische Sonderbetriebs- und Gesamthandsvermögen liegen „echte Entnahmen“ gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG sowie tauschähnliche Einbringungen vor, die im Anwendungsbereich des § 6 Abs. 5 Satz 1 bis 3 EStG dennoch zwingend zum Buchwert durchzuführen sind.5 Es stellt sich daher die Frage, ob die Verweisung auf § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG geeignet ist, die tatbestandlich in § 6 Abs. 5 Sätze 1 bis 3 EStG erforderliche „Sicherstellung der stillen Reserven“ zu verneinen, wenn der Realisationstatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG selbst überhaupt nicht zur Anwendung kommt (vgl. Rz. 13.193 ff.). Dies ist nicht der Fall. Denn das Tatbestandsmerkmal des „Zuordnungswechsels“ zwischen Betriebsstätten „desselben Steuerpflichtigen“ setzt voraus, dass das Wirtschaftsgut demselben Betrieb und demselben Rechtsträger auch nach dem Grenzübertritt weiter zuzurechnen bleibt, so dass § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG nicht einschlägig ist.6 1 Vgl. Ditz in W/R/S2, Rz. 12.12. 2 BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279. 3 Ohne die rückwirkende Einfügung des § 4 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 EStG würde die Finanzverwaltung für Überführungen in DBA-Anrechnungsbetriebsstätten und in NichtDBA-Betriebsstätten die Besteuerung der im Inland entstandenen und der künftigen stillen Reserven als „sichergestellt“ ansehen. 4 BT-Drucks. 16/2710, 26. 5 Vgl. Kempermann in W/R/S2, Rz. 3.47. 6 Drüen in Brandis/Heuermann, § 4 EStG Rz. 487 (Stand: März 2022); Niehus/Wilke in H/ H/R, § 6 EStG Anm. 1537, 1596 (Stand: Juni 2022).

844 | Gerten

B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.87 Kap. 13

2. Verhältnis der Entstrickungstatbestände zu § 1 Abs. 5 AStG (AOA) a) Grundkonzeption des AOA Durch das AmtshilfeRLUmsG1 wurde § 1 AStG mit Wirkung zum 1.1.2013 in den Abs. 4 und 5 neu gefasst und um einen Abs. 6 ergänzt. Hierdurch wurde der Authorized OECD Approach (AOA) ins deutsche Steuerrecht implementiert. Mit dem AOA hat die OECD-Maßstäbe zur Aufteilung von Unternehmensgewinnen auf Stammhaus und Betriebsstätte entwickelt und hierzu die Betriebsstätte aus steuerlicher Sicht einem rechtlich selbstständigen Unternehmen gleichgestellt (sog. functional separate entity approach). Auf der Grundlage des § 1 Abs. 6 AStG trat zudem am 18.10.2014 die Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV)2 in Kraft. Ergänzend hat die Finanzverwaltung im Jahr 2016 in den Verwaltungsgrundsätzen Betriebsstättengewinnaufteilung (VWG BsGa)3 zu Detailfragen der Gewinnermittlung bei Betriebsstätten Stellung genommen.

13.85

Nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG sind Geschäftsbeziehungen i.S.v. § 1 AStG auch Geschäftsvorfälle zwischen Stammhaus und in einem anderen Staat belegener Betriebsstätte (sog. anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen). § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG sieht die Anwendung von § 1 Abs. 1 und Abs. 3–4 AStG für die Einkünfteabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte vor. Eine Einkünftekorrektur setzt voraus, dass die nicht fremdvergleichskonformen Bedingungen zu einer Minderung der inländischen Einkünfte (bei beschränkter Steuerpflicht) bzw. zu einer Erhöhung der ausländischen Einkünfte (bei unbeschränkter Steuerpflicht) führen. Führt der AOA hingegen zu einer Minderung des deutschen Steuersubstrats, erfolgt keine Einkünftekorrektur nach § 1 AStG.4 In diesen Fällen kann sich eine Beschränkung des inländischen Besteuerungsrechts jedoch aus einem anzuwendende DBA ergeben.5

13.86

§ 1 Abs. 5 Satz 2 AStG normiert den zentralen Grundsatz, dass bei der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Rahmen der Gewinnabgrenzung eine Betriebsstätte wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln ist. Folge ist die Anerkennung von (fiktiven) schuldrechtlichen Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte (sog. dealings).6 Diese liegen nach § 16

13.87

1 Gesetz v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 2 Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Betriebsstätten nach § 1 Abs. 5 des Außensteuergesetzes (Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung – BsGaV) v. 17.10.2014, BGBl. I 2014, 1603. 3 Grundsätze für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf die Aufteilung der Einkünfte zwischen einem inl. Unternehmen und seiner ausl. Betriebsstätte und auf die Ermittlung der Einkünfte der inl. Betriebsstätte eines ausl. Unternehmens nach § 1 Abs. 5 AStG und der BetriebsstättengewinnaufteilungsVO (Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung – VWG BsGa), BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001 - 03, BStBl. I 2017, 182. 4 BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001 - 03, BStBl. I 2017, 182 (VWG BsGa) Tz. 20. 5 Pohl in Brandis/Heuermann, § 1 AStG Rz. 196 (Stand: März 2022). 6 Vgl.§§ 16 ff. BsGaV.

Gerten | 845

Kap. 13 Rz. 13.87 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

Abs. 1 BsGaV vor, wenn wirtschaftliche Vorgänge festgestellt werden, (1) die im Verhältnis zwischen der Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen eine Änderung der Zuordnung von Personalfunktionen, Vermögenswerte, Chancen und Risiken1 erforderlich machen oder (2) die, wären die Betriebsstätte und das übrige Unternehmen voneinander unabhängige Unternehmen, durch schuldrechtliche Vereinbarungen geregelt würden oder zur Geltendmachung von Rechtspositionen führen würden.2

13.88 § 1 Abs. 5 Satz 3 und 4 folgt dem von der OECD entwickelten sog. two-step-approach. Danach sind in einem ersten Schritt Personalfunktionen, Vermögenswerte, Chancen und Risiken sowie das Dotationskapital des Unternehmens dem Stammhaus bzw. der Betriebsstätte entsprechend der Ansässigkeit der dafür maßgeblichen Entscheidungsträger zuzuordnen.3 In einem zweiten Schritt sind die Geschäftsbeziehungen auf Basis der vorgenannten Zuordnung zu identifizieren und einem Fremdvergleich zu unterziehen.4 Die fremdvergleichskonformen (fiktiven) Verrechnungspreise führen zu fiktiven Betriebseinnahmen und -ausgaben (§ 16 Abs. 2 BsGaV), die in der Hilfs- und Nebenrechnung zu erfassen sind (§ 3 Abs. 2 Satz 3 BsGaV).5 13.89 Das Wahlrecht, einen Ausgleichsposten nach § 4g EStG zu bilden, wird durch § 1 Abs. 5 AStG nicht eingeschränkt (§ 1 Abs. 5 Satz 6 AStG). Die Regelung stellt klar, dass die aus unionsrechtlichen Gründen gebotene Vergünstigung des § 4g EStG nicht durch eine nachrangige Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 5 AStG ins Leere laufen soll.6 § 1 Abs. 5 Satz 6 AStG stellt jedoch nicht selber die Rechtgrundlage für die Bildung eines Ausgleichspostens dar, sondern setzt eine solche voraus. Die Tatbestandsmerkmale einer Entstrickungsnorm (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG/§ 12 Abs. 1 Satz 1 KStG) müssen daher vorliegen.7 Unionsrechtlich problematisch sind daher Fallkonstellationen, in denen ein allgemeiner Entstrickungstatbestand nicht erfüllt ist, gleichwohl aber eine Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 5 AStG vorzunehmen ist. Als Beispiel ist etwa zu denken an eine in einem EU/EWR-Staat ansässige Kapitalgesellschaft mit inländischer Betriebsstätte, zu der ein für Zwecke des Unternehmens genutztes inländisches Grundstück gehört. Löst die Kapitalgesellschaft die inländische Betriebsstätte auf, behält das inländische Grundstück zurück und vermietet dieses fortan an einen fremden Dritten weiter, so führt die Auflösung der Betriebsstätte bezogen auf das 1 Vgl. §§ 5–11 BsGaV. 2 Pohl in Brandis/Heuermann, § 1 AStG Rz. 197 (Stand: März 2022). 3 Vlg. § 1 BsGaV – wie die Zuordnung zu erfolgen hat ist den § 4 BsGaV (Zuordnung von Personalfunktionen), § 5 BsGAV (Zuordnung von materiellen WG), § 6 BsGaV (Zuordnung von immateriellen WG), § 7 BsGaV (Zuordnung von Beteiligungen, Finanzanlagen u.Ä.), § 8 BsGaV (Zuordnung von sonstigen Vermögenswerten), § 9 BsGaV (Zuordnung von Geschäftsvorfällen), § 10 BsGaV (Zuordnung von Chancen und Risiken) und § 11 BsGaV (Zuordnung von Sicherungsgeschäften) zu entnehmen. 4 Pohl in Brandis/Heuermann, § 1 AStG Rz. 198 (Stand: März 2022). 5 Rasch/Wenzel, ISR 2015, 128 (128 f.). 6 Vgl. BR-Drucks. 302/12, 107 (RegE JStG 2013). 7 Pohl in Brandis/Heuermann, § 1 AStG Rz. 202 (Stand: März 2022); zu einzelnen Beispielsfällen vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001 - 03, BStBl. I 2017, 182 (VWG BsGa) Tz. 20 ff.

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B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.91 Kap. 13

Grundstück weder zu einem Ausschluss noch zu einer Beschränkung des inländischen Besteuerungsrechts (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f EStG und Art. 13 Abs. 1 OECDMA), so dass § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG keine Anwendung findet. Als Folge der Auflösung der Betriebsstätte gilt jedoch nach Auffassung der Finanzverwaltung das Grundstück als an das Stammhaus veräußert1 und es käme nach § 1 Abs. 5 AStG zur Aufdeckung der in dem Grundstück enthaltenen stillen Reserven.2 In diesem Fall kann kein Ausgleichsposten nach § 4g EStG gebildet werden, es droht eine unionsrechtswidrige Sofortbesteuerung. b) Anwendbarkeit der allgemeinen Entstrickungstatbestände bei Neuzuordnung von Wirtschaftsgütern infolge Umsetzung des AOA (passive Entstrickung) Das Verhältnis der allgemeinen Entstrickungstatbestände (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG/ § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG) zu den in § 1 Abs. 5 AStG normierten Fremdvergleichsgrundsätzen ist weiterhin unklar. Die Finanzverwaltung geht offenbar davon aus, dass es zu einer fiktiven Entnahme i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG kommen kann, wenn Zuordnungsgegenstände i.S.d. §§ 5 ff. BsGaV zum Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung der BsGaV statt bislang der inländischen Betriebsstätte nunmehr dem übrigen ausländischen Unternehmen, zu dem die Betriebsstätte gehört, zuzuordnen sind.3 Die Vorgaben des § 1 Abs. 5 AStG zum anzustellenden Fremdvergleich sollen demnach zumindest auch im Rahmen der Zuordnungsentscheidung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG Anwendung finden.

13.90

Es stellt sich daher die Frage nach dem Verhältnis der allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften bzw. von § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG zu den in § 1 Abs. 5 Satz 2 bis 4 AStG normierten Fremdvergleichsgrundsätzen, insbesondere danach, ob es auch im Rahmen der allgemeinen Gewinnermittlungs- und Zuordnungsvorschriften nach § 4 Abs. 1 EStG auf die maßgebliche Personalfunktion ankommen soll, denn ein solcher Ansatz war der Vorschrift bisher fremd.4 Hieran bestehen nach wohl überwiegender Meinung im Schrifttum ernstliche Zweifel. Denn entsprechend der Stellung der Vorschrift als Einkünftekorrekturtatbestand baut die Regelung auf einer durch den Steuerpflichtigen vorgenommenen Gewinnermittlung auf und regelt Fälle, in denen deutsches Steuersubstrat durch eine nicht fremdvergleichskonforme Gewinnermittlung gemindert wird.5 Zudem findet § 1 Abs. 5 AStG dem Wortlaut und der Systematik

13.91

1 BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001 – 03, BStBl. I 2017, 182 (VWG BsGa) Tz. 68. 2 Abgewandeltes Beispiel nach Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 101 (Stand: März 2022). 3 BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001 - 03, BStBl. I 2017, 182 (VWG BsGa) Tz. 453. 4 Ditz in W/A/D2, Rz. 6.134. 5 Wassermeyer in Wassermeyer, DBA, Art. 7 MA Rz. 380 (Stand: Januar 2022); Gosch, FS BFH, 1027 (1041); Leich/Nowak, IStR 2022, 281 (283); a.A. wohl Leonhardt/Tcherveniachki in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 2812 ff. (Stand: Mai 2022); differenzierend und maßgeblich auf die Steuerverstrickung im ausländischen Staat abstellend Desens, DStR 2022, 1588 (1590).

Gerten | 847

Kap. 13 Rz. 13.91 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

nach nur auf die Ermittlung und Bepreisung der Innentransaktionen zwischen Unternehmen und Betriebsstätte (die nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen) Anwendung und es ist fraglich, ob eine solche Innentransaktion durch eine Gesetzesänderung begründet werden kann.1 Ob der Gesetzgeber mit der Änderung zugleich auch eine Zuordnungsregelung für § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG schaffen wollte, bleibe zudem unklar, denn auch die Gesetzesbegründung gibt hierüber keinen Aufschluss. Dort heißt es lediglich, dass „durch die Gesetzesänderung [...] für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes klare, an internationale Grundsätze angepasste, innerstaatliche Regelungen geschaffen“ werden und dass „bisher [...] lediglich teilweise ausdrückliche, gesetzliche Regelungen, vor allem in § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG und § 12 Abs. 1 KStG“ bestanden haben.2

13.92 In diesem Sinne hat sich auch die Rechtsprechung positioniert, soweit sie bisher – zuletzt zur Frage der Entstrickung infolge Zuordnungswechsels bei personallosen Betriebsstätten3 – mit der Frage der Maßgeblichkeit der Einkünftekorrekturregelungen des § 1 AStG für die allgemeinen Entstrickungsregelungen befasst war. Die allgemeine Entstrickungsregelung in § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG und die Neuregelung in § 1 Abs. 5 AStG stünden in ihrem „tatbestandlich-systematischen Ausgangspunkt“ wie in ihren Rechtswirkungen „unverbunden“ nebeneinander; § 1 Abs. 5 AStG sei als Einkünftekorrekturvorschrift zu qualifizieren, die allgemeine Entstrickungsregelung in § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG hingegen als allgemeine Gewinnermittlungsvorschrift. Dem Wortlaut des § 1 Abs. 5 AStG und insbesondere dessen Satz 3 lasse sich nicht entnehmen, dass außerhalb des Anwendungsbereichs des § 1 AStG und insbesondere für die allgemeine Gewinnermittlung nach §§ 4 ff. EStG eine Veranlassungsprüfung (allein) nach den in den jeweiligen Unternehmensteilen ausgeübten Personalfunktionen vorzunehmen wäre. Eine entsprechende Ausstrahlwirkung könne in § 1 Abs. 5 AStG auch nicht hineingelesen werden. Hierfür spräche auch die systematische Stellung der Vorschrift im AStG.4 c) Aufdeckung stiller Reserven als Folge der (anzunehmenden) Innentransaktion

13.93 In der Gesetzesbegründung zur Implementierung des AOA in § 1 Abs. 5 AStG wird für die als Geschäftsbeziehungen anzuerkennenden (anzunehmenden) Innentransaktionen (dealings) ausgeführt, aufgrund der anzusetzenden Fremdvergleichspreise könne es zur Aufdeckung stiller Reserven kommen, die in der Gesamtsteuerbilanz noch nicht bilanziell realisiert seien.5 Diese Realisationsvorgänge sollten sich – so die Begründung weiter – über mehrere Veranlagungszeiträume hinweg ausgleichen, wenn die innerbetriebliche Gewinnrealisierung, die steuerlich zu erhöhten fiktiven Anschaffungskosten führe, später tatsächlich als Außentransaktion stattfinde, oder 1 Wassermeyer in Wassermeyer, DBA, Art. 7 MA Rz. 380 (Stand: Januar 2022). 2 Vgl. BR-Drucks. 302/12, 101 (RegE JStG 2013). 3 BFH v. 24.11.2021 – I B 44/21 (AdV), IStR 2022, 284; so auch vorgehend FG Saarland v. 30.3.2021 – 1 V 1374/20, IStR 2021, 634. 4 BFH v. 24.11.2021 – I B 44/21 (AdV), IStR 2022, 284. 5 Vgl. BR-Drucks. 302/12, 104 (RegE JStG 2013).

848 | Gerten

B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.95 Kap. 13

wenn die innerbetriebliche Realisierung in späteren Jahren durch erhöhte Abschreibungen wegen der erhöhten fiktiven Anschaffungskosten kompensiert werde. Die Fiktion des Bestehens schuldrechtlicher Vereinbarungen zwischen dem Stammhaus und in einem anderen Staat belegener Betriebsstätte und deren Bewertung nach Fremdvergleichsgrundsätzen wirft die Frage auf, ob die Vorschrift als eigenständiger (spezieller) Ersatzrealisationstatbestand neben den allgemeinen Entstrickungsvorschriften anzusehen ist.1 Oder ob nicht die Überführung eines Wirtschaftsguts in die ausländische Betriebsstätte zum Fremdvergleichspreis unter Geltung der Selbstständigkeitsfiktion der Betriebsstätte, die den Charakter als Innentransaktion gerade negieren soll, vorrangig als echte Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG anzusehen ist.2 Diese Frage wird man unter Hinweis auf die fehlende materiell-rechtliche Verschränkung der allgemeinen Entstrickungsregelungen einerseits und der Regelungen des § 1 Abs. 5 AStG zum Fremdvergleichsgrundsatz bei der Betriebsstättengewinnabgrenzung andererseits verneinen können. Denn vorzugswürdig ist die Rechtsansicht, die davon ausgeht, die allgemeine Entstrickungsregelung und die Neuregelung in § 1 Abs. 5 AStG stünden in ihrem tatbestandlich-systematischen Ausgangspunkt wie in ihren Rechtswirkungen unverbunden nebeneinander.3 Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden (vgl. Rz. 13.92).

13.94

3. Verhältnis der Entstrickungstatbestände zu § 1 Abs. 3b AStG (Funktionsverlagerung) Bei grenzüberschreitenden Übertragungen von betrieblichen Einheiten oder Tätigkeitsbereichen innerhalb eines Einheitsunternehmens unterliegen die einzelnen Übertragungen von Wirtschaftsgütern der Beurteilung durch den Fremdvergleich. Da jedoch bei Übertragung ganzer betrieblicher Funktionen auch geschäftswertbildende Faktoren übergehen können, deren Erfassung im Wege der Einzelbewertung nicht möglich ist, hat der Gesetztgeber im UntStRefG 20084 Regelungen zur Funktionsverlagerung geschaffen, die grundsätzlich eine Gesamtbewertung einer übertragenen Funktion (Transferpaket) verlangen.5 Durch das AbzStEntModG6 ist die Vorschrift in § 1 Abs. 3b AStG übernommen worden. Dabei wurde die Legaldefinition einer Funktionsverlagerung dahingehend geändert, dass Wirtschaftsgüter „oder“ sonstige Vorteile zu verlagern sind, ohne dass damit inhaltlicher Veränderungen verbunden sein soll.7

1 Loschelder in Schmidt41, § 4 EStG Rz. 251. 2 Zur Problematik Wassermeyer, IStR 2012, 277 (278 f.) auch zur Frage des Realisationszeitpunkts; zum Konkurrenzverhältnis Benecke, NWB Fach 3, 14733 (14745) = NWB 37/2007, 3232 (3243). 3 Gosch, FS BFH, 1027 (1041). 4 Gesetz v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. 5 Dazu Pohl in Brandis/Heuermann, § 1 AStG Rz. 135 ff. (Stand: März 2022). 6 Gesetz v. 2.6.2021, BGBl. I 2021, 1259. 7 BT-Drucks. 19/27632, 74.

Gerten | 849

13.95

Kap. 13 Rz. 13.96 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

13.96 Der Anwendungsbereich der allgemeinen Entstrickungsregelungen (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG/§ 12 Abs. 1 Satz 1 KStG) erfasst auch die Funktionsverlagerung im grenzüberschreitenden Einheitsunternehmen, soweit das Besteuerungsrecht an einem Wirtschaftsgut ausgeschlossen oder beschränkt wird.1 Für das Verhältnis des § 1 AStG zu den allgemeinen Entstrickungstatbeständen wird aufgrund der klarstellenden Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 4 AStG2 ganz überwiegend von einer Idealkonkurrenz ausgegangen, bei der ein Sachverhalt unter den Tatbestand mehrere Bestimmungen fällt, die (weitestgehende) Rechtsfolge aber nur einmal eintritt.3 13.97 Während eine grenzüberschreitende Verlagerung betrieblicher Funktionen auf Tatbestandsseite sowohl den Tatbestand der allgemeinen Entstrickungsregelgungen (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG/§ 12 Abs. 1 Satz 1 KStG) als auch den Tatbestand der Funktionsverlagerung (§ 1 Abs. 3b AStG) erfüllen kann,4 ergeben sich auf der Rechtsfolgenseite gleichwohl Unterschiede. Denn die allgemeinen Entstrickungsregelungen sehen eine Einzelbewertung der übertragenen Einzelwirtschaftsgüter vor, während § 1 Abs. 3b AStG als Grundsatz eine Gesamtbewertung des Transferpakets vorschreibt.5 4. Verhältnis der Entstrickungstatbestände zu § 1 Abs. 3c AStG (DEMPE)

13.98 Dem durch das AbzStEntModG6 in das nationale Steuerrecht (§ 1 Abs. 3c AStG) überführten DEMPE-Konzept liegt eine wirtschaftliche Betrachtungsweise (substance over form) zugrunde. Diese sieht vor, dass die zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen Eingentumsverhältnisse an einem immateriellen Wert nur noch den Ausgangspunkt der Verrechnungspreisanalyse darstellen, während die Gewinnzuordnung nach Maßgabe der wesentlichen Wertschöpfungsbeiträge der DEMPE-

1 Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 101 (Stand: März 2022); zur Überführung von Sachgesamtheiten Prinz in JbFStR 2007, 309 (318); Roser, DStR 2008, 2389 (2393). 2 Eingefügt als Satz 3 durch Gesetz v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912 (UntStRefG 2008), Satz 4 seit Gesetz v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809 (AmtshilfeRLUmsG). 3 Pohl in Brandis/Heuermann, § 1 AStG Rz. 18 (Stand: März 2022); Drüen in Brandis/Heuermann, § 4 EStG Rz. 486 (Stand: März 2022); Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 101 (Stand: März 2022); im Überschneidungsbereich mit den Funktionsverlagerungen i.S.d. § 1 Abs. 3 AStG, der vorliegt, wenn man mit der Gesetzesbegründung auch Zuordnungswechsel mit Rechtsträgerwechsel als Entstrickungen ansieht, sind die Funktionsverlagerungen speziellere Regelungen, die die Entstrickungsnormen verdrängen, vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 (VWG FVerl) Rz. 8; Ditz in W/ R/S2, Rz. 12.25; Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 357 bis 359d (Stand: April 2022). 4 Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 323 (Stand: März 2022) zur Frage der Beurteilung von Geschäftschancen als Wirtschaftsgüter. 5 § 3 Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV) vom 12.8.2008, BGBl. I 2008, 1680; vgl. Ditz/Seibert, Ubg 2022, 398 (400) zu im RefE einer FVerlV vorgesehenen Verschärfungen bei der Gesamtbewertung des Transferpakets, etwa der Berücksichtigung von Steuereffekten (Exit Tax, Tax Amortisation Benefit) bei der Ermittlung des Einigungsbereichs. 6 Gesetz v. 2.6.2021, BGBl. I 2021, 1259.

850 | Gerten

B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.100 Kap. 13

Funktionen1 im Hinblick auf diesen Wert vorzunehmen ist. In einem ersten Schritt ist zu ermitteln, welcher Unternehmensteil die Funktionen jeweils ausübt, die damit verbundenen Risiken kontrolliert und trägt und Vermögenswerte einsetzt. In einem zweiten Schritt ist denjenigen Unternehmensteilen, welche die Funktionen ausüben und Risiken tragen, der Ertrag aus dem jeweiligen immateriellen Wert anteilig zuzuordnen.2 In Anlehnung an die Implementierung des AOA (vgl. Rz. 13.90 ff.) stellt sich auch im Hinblick auf die erstmalige Anwendung des DEMPE-Konzepts nach innerstaatlichem Recht die Frage, ob dies einen Realisierungsvorgang unter Aufdeckung stiller Reserven zur Folge haben kann.3 Dies sollte unabhängig von dem Befund, dass einem solchen Ergebnis auch hier die fehlende materiell-rechtliche Verschränkung der allgemeinen Entstrickungsregelungen und der Regelungen des § 1 AStG entgegensteht, schon aufgrund der konzeptionellen Struktur des § 1 Abs. 3c AStG nicht der Fall sein. Denn es erscheint bereits äußerst zweifelhaft, ob der mit dem DEMPE-Konzept in Einklang stehende Gewinnanspruch einem isolierten Übertragungsvorgang überhaupt zugänglich ist, also unabhängig vom zivilrechtlichen bzw. wirtschaftlichen Eigentum übertragen werden kann, denn es handelt sich gerade nicht um eine zivilrechtliche Position, sondern um einen rein unter Fremdüblichkeitsgesichtspunkten bestimmten theoretischen Gewinnanspruch.4 Es kann daher zum Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung des § 1 Abs. 3c AStG zu einer von der bisherigen Ergebniszuordnung abweichenden Gewinnallokation, nicht jedoch zu einer Aufdeckung stiller Reserven kommen.5

13.99

III. Tatbestandliche Voraussetzungen der Entstrickungsregelungen 1. Grundtatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG/§ 12 Abs. 1 Satz 1 KStG Der Grundtatbestand der allgemeinen Entstrickungstatbestände in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG erfasst unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtige. Die Vorschriften ordnen die Steuerentstrickung mit dem gemeinen Wert an, wenn das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts ausgeschlossen oder beschränkt wird.

1 DEMPE = Entwicklung (Development), Verbesserung (Enhancement), Erhaltung (Maintenance), Schutz (Protection) und Verwertung (Exploitation). 2 Dazu ausführlich Leonhardt, IStR 2021, 628 (629 f.); Kußmaul/Pfirmann/Nikolaus, Ubg 2022, 429 (432 ff.) jeweils mit Kritik zum geringen Konkretisierungsgrad der Umsetzung des DEMPE-Konzepts in nationales Recht. 3 Leonhardt, IStR 2021, 628 (631). 4 Greinert in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 2407 ff. (Stand: Mai 2022); Leonhardt, IStR 2021, 628 (632); Nientimp/Stein/Hundebeck, DStR 2016, 2871 (2873); Kußmaul/Pfirmann/Nikolaus, Ubg 2022, 429 (433). 5 Leonhardt, IStR 2021, 628 (633).

Gerten | 851

13.100

Kap. 13 Rz. 13.101 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

a) Bestehen eines inländischen Besteuerungsrechts

13.101 In persönlicher Hinsicht setzt die Beeinträchtigung (Verlust oder Beschränkung) eines Besteuerungsrechts zunächst voraus, dass überhaupt ein inländisches Besteuerungsrecht besteht. Dabei ist zwischen im Inland unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen zu unterscheiden. 13.102 Bei unbeschränkt Steuerpflichtigen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG/§ 1 Abs. 1 KStG) ergibt sich ein inländisches Besteuerungsrecht grundsätzlich aus dem in § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG bzw. § 1 Abs. 2 KStG verankerten Welteinkommensprinzip. Jedoch kann das inländische Besteuerungsrecht aufgrund eines DBA ausgeschlossen sein, wenn die Bundesrepublik Deutschland als Ansässigkeitsstaat abkommensrechtlich nach der Freistellungsmethode (Art. 23A OECD-MA) verpflichtet ist, Einkünfte zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung von der inländischen Besteuerung auszunehmen. Hingegen bleibt es bei einem Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, wenn mit dem ausländischen Staat ein DBA besteht, das zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung die Anrechnungsmethode (Art. 23B OECD-MA) vorsieht oder wenn mit einem ausländischen Staat kein DBA besteht.1 13.103 Bei beschränkt Steuerpflichtigen (§ 1 Abs. 4 EStG/§ 2 KStG) steht der Bundesrepublik Deutschland ein Besteuerungsrecht nur für deren inländische Einkünfte zu (§ 49 EStG/§ 2 Nr. 1 KStG). Besteht mit dem Ansässigkeitsstaat des im Inland beschränkt Steuerpflichtigen ein DBA, welches der Bundesrepublik als Quellenstaat das Besteuerungsrecht für die inländischen Einkünfte einräumt, entfällt bei Anwendung der Freistellungsmethode (Art. 23A OECD-MA) zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung nur das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats, nicht jedoch das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland.2 b) Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder Nutzung eines Wirtschaftsguts

13.104 In sachlicher Hinsicht setzen die allgemeinen Entstrickungstatbestände voraus, dass das inländische Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts besteht. aa) Tatbestandlich erfasste Wirtschaftsgüter

13.105 Tatbestandlich erfasst sind sämtliche aktiven und passiven Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens. Das gilt auch für solche Wirtschaftsgüter, die in der Steuerbilanz nicht ausgewiesen sind, sei es mangels konkreter Bilanzierungsfähigkeit, aufgrund Aktivierungsverbots für nicht entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (§ 5 Abs. 2 EStG) oder weil Wirtschaftsgüter auf null abgeschrieben worden sind.

1 Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 309 (Stand: März 2022). 2 Kolbe in H/H/R, § 12 KStG Anm. 29 (Stand: Juni 2022).

852 | Gerten

B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.107 Kap. 13

Zum Teil wird eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der allgemeinen Entstrickungstatbestände auf konkret bilanzierungsfähige Wirtschaftsgüter angenommen.1 Begründet wird dies mit dem Zuschnitt der allgemeinen Entstrickungstatbestände, deren Hauptanwendungsfall Wirtschaftsgüter betreffe, die das Betriebsvermögen nicht verlassen und nach wie vor beim Steuerpflichtigen zu bilanzieren seien. Bestätigt würde dieses Verständnis durch die Konzeption des § 4g Abs. 1 Satz 1 EStG, der von der Existenz eines Buchwerts ausgehe. Dieser Sichtweise kann nicht gefolgt werden. Die allgemeinen Entstrickungstatbestände sind nicht auf konkret bilanzierungsfähige Wirtschaftsgüter beschränkt.2 Eine einschränkende Auslegung steht im Widerspruch zur Intention des Gesetzgebers, eine umfassende Aufdeckung und Besteuerung im Inland enstandener stiller Reserven von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens sicherzustellen.3 Zum anderen ergibt sich ein umfassender Anwendungsbereich auch aus der Konzeption der allgemeinen Entstrickungstatbestände, die auf Tatbestandsseite das Bestehen eines inländischen Besteuerungsrechts voraussetzen, welches im Hinblick auf die Veräußerungs- und Nutzungsalternative nicht auf bilanzierungsfähige Wirtschaftsgüter beschränkt ist.

13.106

Teilweise wird ferner vertreten, der Anwendungsbereich der allgemeinen Entstrickungstatbestände sei auf aktive Wirtschaftsgüter beschränkt. Danach sollen die Entstrickungsvorschriften nicht für passive Wirtschaftsgüter (Schulden) gelten.4 Zur Begründung wird auf den Gesetzeswortlaut verwiesen, der auf Aktiva zugeschnitten sei, und auf die Intention des Gesetzgebers, stille Reserven der Besteuerung zu unterwerfen, die in Vermögenswerten gespeichert seien. Zudem wurde in der Vergangenheit auf die Konzeption des § 4g EStG verwiesen, der sich – bis zu seiner Neufassung durch das ATADUmsG – ausschließlich auf Aktivwerte (Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens) bezogen habe. Eine Beschränkung auf aktive Wirtschaftsgüter findet keine Stütze im Gesetz. Tatbestandlich von den allgemeinen Entstrickungsvorschriften erfasst sind aktive und passive Wirtschaftsgüter gleichermaßen.5 Nicht realisierte Wertzuwächse sind bei passiven Wirtschaftsgütern ebenso denkbar wie bei aktiven Wirtschaftsgütern. Zu denken ist etwa an Währungsgewinne, die sich bei auf fremde Währungen lautenden Forderungen ebenso ergeben können wie bei Fremdwährungsverbindlichkeiten. Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Entstrickungstatbestände auf nicht realisierte Wertzuwächse auf der Aktivseite der Bilanz lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen.6

13.107

1 Meyer in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, EStG, § 4 Rz. 652. 2 Wie hier Drüen in Brandis/Heuermann, § 4 EStG Rz. 486b mit Rz. 455 (Stand: März 2022); Lampert in Gosch4, § 12 KStG Rz. 104; Kolbe in H/H/R, § 12 KStG Anm. 30 (Stand: Juni 2022); Dötsch/Pung, DB 2006, 2648. 3 BT-Drucks. 16/2710, 28; Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 320 (Stand: März 2022). 4 Meyer in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, EStG, § 4 Rz. 652.1; Frotscher/Watrin in Frotscher/ Geurts, § 4 EStG Rz. 372b (Stand: April 2022). 5 Wie hier Drüen in Brandis/Heuermann, § 4 EStG Rz. 486b mit Rz. 455 (Stand: März 2022). 6 Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 319 (Stand: März 2022).

Gerten | 853

Kap. 13 Rz. 13.108 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

bb) Gewinn aus der Veräußerung oder Nutzung

13.108 In der Veräußerungsalternative besteht ein inländisches Besteuerungsrecht, wenn der Gewinn aus der Veräußerung, würde das Wirtschaftsgut tatsächlich veräußert, der Besteuerung in der Bundesrepublik Deutschland unterläge.1 In der Nutzungsalternative besteht ein inländisches Besteuerungsrecht, wenn ein aus der Nutzung eines Wirtschaftsguts erzielter Gewinn, würde das Wirtschaftsgut tatsächlich entgeltlich zur Nutzung überlassen, in der Bundesrepublik Deutschland besteuert werden könnte.2 13.109 Während in Bezug auf die Frage des Besteuerungsrechts am Gewinn aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts weitestgehend Klarheit besteht, wirft das Tatbestandsmerkmal des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Nutzung eines Wirtschaftsguts nach wie vor Fragen auf. So wird vertreten, insoweit sei auf das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich eines Entgelts für die Nutzungsüberlassung abzustellen.3 Nach überzeugender Ansicht ist Ausgangspunkt der Nutzungsalternative der Befund, dass Wirtschaftsgüter entweder nur dem Stammhaus oder nur einer Betriebsstätte zugerechnet werden können. Erfolgt keine Veränderung der Zuordnung (Veräußerungsalternative), sondern überlässt z.B. das inländische Stammhaus das Wirtschaftsgut nur vorübergehend einer oder mehreren ausländischen Betriebsstätten, kann das deutsche Besteuerungsrecht zwar nicht an einem Veräußerungsgewinn, wohl aber an dem ausländischen Gewinnanteil berührt sein, der auf der betrieblichen Nutzung des Wirtschaftsguts durch die ausländische Betriebsstätte beruht.4 Es sollen insbesondere Fälle erfasst werden, in denen das Wirtschaftsgut einer inländischen Betriebsstätte oder dem inländischen Stammhaus zugeordnet wird, jedoch entweder (1) zeitlich befristet in eine ausländische Betriebsstätte überführt wird und die Überlassung unter fremden Dritten auf Grund eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Rechtsverhältnisses erfolgt wäre oder (2) im Inland verbleibt und von einer oder mehreren ausländischen Betriebsstätten desselben Rechtsträgers gleichzeitig oder nacheinander genutzt wird. Um sicherzustellen, dass auch der (potentielle) Gewinnanteil aus der Nutzung, der in der ausländischen Betriebsstätte anfällt, in die deutsche Besteuerung einbezogen wird, fingieren § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG eine Nutzungsentnahme bzw. § 12 Abs. 1 KStG eine Nutzungsvergütung, die im Inland steuerpflichtig ist. Es kommt daher für die Beurteilung des Bestehens eines inländischen Besteuerungsrechts auf die die Möglichkeit zur Besteuerung des Gewinns aus der betrieblichen Nutzung des Wirtschaftsguts in der (ausländischen) Betriebsstätte an.5 1 Kolbe in H/H/R, § 12 KStG Anm. 30 (Stand: Juni 2022); Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 319 (Stand: März 2022). 2 Kolbe in H/H/R, § 12 KStG Anm. 30 (Stand: Juni 2022). 3 Wassermeyer, IStR 2008, 176 (178), der zugleich auf die fehlenden abkommensrechtliche Möglichkeit hinweist, dieses Besteuerungsrecht zu beschränken, womit die Vorschrift praktisch leer liefe; ähnlich Kolbe in H/H/R, § 12 KStG Anm. 30 (Stand: Juni 2022). 4 Hackemann in: Bott/Walter, § 12 KStG Rz. 2 (Stand: September 2021) unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/2710, 28). 5 Hackemann in Bott/Walter, § 12 KStG Rz. 29 (Stand: September 2021); Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 325 f. (Stand: März 2022).

854 | Gerten

B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.112 Kap. 13

cc) Abgrenzung von vorübergehender Nutzungsüberlassung und Überführung Die vorübergehende Nutzungsüberlassung erfasst Sachverhalte, in denen ein materielles oder immaterielles Wirtschaftsgut nur zeitlich begrenzt in der ausländischen Betriebsstätte genutzt wird, wenn die Überlassung unter Dritten aufgrund eines Miet-, Pacht- oder eines ähnlichen Vertrags erfolgt wäre oder es sich um Wirtschaftsgüter handelt, die von mehreren Betriebsstätten genutzt werden.1 Beispiele sind Produktionspatente oder Warenzeichen, die durch mehrere Betriebsstätten genutzt werden. Dann ist das Wirtschaftsgut selbst (das Patent bzw. das Warenzeichen) nur einer einzigen Betriebsstätte oder dem Stammhaus zuzuordnen, während der Gewinn aus deren Nutzung in den ausländischen Betriebsstätten entsteht. Entsprechendes gilt für materielle Wirtschaftsgüter.2 Dauerhafte Überführungen an ausländische Betriebsstätten bewirken hingegen eine geänderte Zuordnung des Wirtschaftsguts in die ausländische Betriebsstätte hinein gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG bzw. § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG.

13.110

Als Differenzierungsmerkmal zur Abgrenzung der Nutzungsüberlassung von der Überführung kann auf die Dauer der Überlassung des Wirtschaftsguts abgestellt werden. Eine dauerhafte Überführung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn das Nutzungsrecht zeitlich unbefristet überlassen wird, d.h. beim Nutzungsberechtigten endgültig verbleibt, oder sich das überlassene Recht während der Dauer seiner Nutzung in seinem wirtschaftlichen Wert erschöpft. Neben dem temporären Moment kann auf die Ausschließlichkeit der Überlassung eines Wirtschaftsguts abgestellt werden. So spricht die langfristige sowie ausschließliche Nutzung eines Wirtschaftsguts in der Betriebsstätte für dessen Übertragung (dauerhafter Nutzungswechsel). Ist dagegen nur eine vorübergehende, nicht exklusive Nutzung des Wirtschaftsguts durch die Betriebsstätte vorgesehen bzw. ist bei der Übertragung des Wirtschaftsguts noch nicht abzusehen, wie lange es in der Betriebsstätte zum Einsatz kommt, liegt die Annahme einer vorübergehenden Nutzungsüberlassung nahe.3

13.111

c) Ausschluss oder Beschränkung des inländischen Besteuerungsrechts Auslösendes Moment für die Entstrickungstatbestände ist der Ausschluss oder die Beschränkung des inländischen Besteuerungsrechts. Neben den Fällen des Entfallens eines persönlichen Anknüpfungspunkts der Besteuerung im Inland, bilden die Fälle des Fortfalls sachlicher Anknüpfungspunkte eines inländischen Besteuerungszugriffs in Bezug auf ein konkretes Wirtschaftsgut den wesentlichen Anwendungsbereich der allgemeinen Entstrickungstatbestände. 1 BT-Drucks. 16/2710, 28; Benecke, NWB Fach 3, 14733 (14752) = NWB 37/2007, 3232 (3249) mit Hinweis auf BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.4, nicht geändert im BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888. 2 Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 390, 393 u. 394 (Stand: April 2022); Schaumburg, IntStR5, Rz. 18.53 ff. 3 Ditz in Schönfeld/Ditz2, DBA, Art. 7 (2008) DBA, Rz. 174; Kahle/Eichholz/Kindich, Ubg 2016, 132 (133).

Gerten | 855

13.112

Kap. 13 Rz. 13.113 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

aa) Besteuerungsrecht am Veräußerungsgewinn

13.113 Nach der Gesetzesbegründung erfasst der durch das SEStEG eingefügte allgemeine Entstrickungstatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG als Entnahmen für betriebsfremde Zwecke insbesondere die Überführung eines Wirtschaftsguts von einem inländischen Betrieb in eine ausländische Betriebsstätte des Steuerpflichtigen, wenn der Gewinn der ausländischen Betriebsstätte auf Grund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der inländischen Besteuerung freigestellt oder die ausländische Steuer im Inland anzurechnen ist.1 Als Hauptanwendungsfälle der allgemeinen Entstrickungstatbestände werden diskutiert: – Dauerhafte Überführung eines Wirtschaftsguts vom Inland ins Ausland Der Gesetzgeber hatte mit dem Tatbestandandsmerkmal des Ausschlusses eines inländischen Besteuerungsrechts demnach in erster Linie die Überführung eines Wirtschaftsguts in eine Betriebsstätte in einem DBA-Staat mit Freistellungsmethode im Blick. Insoweit sollte die von der Rechtsprechung entwickelte Lehre der finalen Entnahme erstmals kodifiziert werden. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des BFH, derzufolge der inländische Besteuerungszugriff auf im Inland entstandene stille Reserven nach gewandeltem Abkommensverständnis auch bei einer DBA-Freistellung erhalten bleibe,2 wird im Schrifttum vertreten, dass es auch im Falle der Überführung eines Wirtschaftsguts vom Inland in eine Freistellungsbetriebsstätte zu keinem Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts kommt.3

Mit dem Tatbestandsmerkmal der Beschränkung des inländischen Besteuerungsrechts zielte der Gesetzgeber auf die Überführung eines Wirtschaftsguts in eine Betriebsstätte in einen DBA-Staat mit Anrechnungsmethode oder in einen NichtDBA-Staat ab, da in diesem Fall eine Anrechnung ausländischer Steuer nach § 34c EStG in Betracht kommt.4 Insoweit geht der Tatbestand der allgemeinen Entstrickungsregelung über die auf der finalen Entnahmelehre beruhende (frühere) BFHRechtsprechung hinaus, die lediglich in Fällen der Überführung in eine Freistellungsbetriebsstätte von einer Entnahme für betriebsfremde Zwecke ausging. Im Schrifttum wird vertreten, dass es auch im Falle der Überführung eines Wirtschaftsguts vom Inland in eine Anrechnungs- bzw. Nicht-DBA-Betriebsstätte zu keiner Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts kommt. Zum einen stehe im Zeitpunkt der Überführung nicht fest, ob eine ausländische Steuer überhaupt entstehen werde; zum anderen könne sich eine Anrechnungsverpflichtung nur auf eine ausländische Steuer beziehen, für die der ausländische Staat ein Besteuerungsrecht habe, dies sei nur für nach dem Zeitpunkt der Überführung entstehende stille Reserven der Fall, hinsichtlich derer es an einem inländischen Besteuerungsrecht fehle.5 1 2 3 4

BT-Drucks. 16/2710, 28. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. Kolbe in H/H/R, § 12 KStG Anm. 31 (Stand: Juni 2022) m.w.N. Bode in Kirchhof/Seer21, § 4 EStG Rz. 107; Drüen in Brandis/Heuermann, § 4 EStG Rz. 486c (Stand: März 2022). 5 Kolbe in H/H/R, § 12 KStG Anm. 35 (Stand: Juni 2022) m.w.N.; kritisch auch Loschelder in Schmidt41, § 4 EStG Rz. 251.

856 | Gerten

B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.114 Kap. 13

– Dauerhafte Überführung eines Wirtschaftsguts im Ausland Eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts wird ferner angenommen, wenn ein Wirtschaftsgut von einer Betriebsstätte in einem DBA-Staat mit Anrechnungsmethode bzw. in einem Nicht-DBA-Staat in eine Betriebsstätte in einem DBA-Staat mit Freistellungsmethode überführt wird.1 Dem wird entgegen gehalten, dass nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG die Entnahme bereits mit Überführung des Wirtschaftsguts in die Anrechnungsbetriebsstätte fingiert werde, so dass kein Raum für eine erneute Entstrickung bleibe (dazu Rz. 13.171).2 – Zuordnungswechsel ohne physische Überführung eines Wirtschaftsguts Die allgemeinen Entstrickungstatbestände könne auch ohne physische Überführung eines Wirtschaftsguts erfüllt werden, etwa wenn infolge geänderter tatsächlich-funktionaler Nutzung eines Wirtschaftsguts ein rechtlicher Zuordnungswechsel eintritt. Darüber hinaus sollen Entstrickungsvorgänge – ohne ein Handeln des Steuerpflichtigen – eintreten können (sog. passive Entstrickung). Die Entstrickungsnormen verlangen weder eine „Entstrickungshandlung“ noch einen „Entstrickungswillen“.3 Diskutierte Beispiele betreffen den Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens mit Geltung der Freistellungsmethode für Betriebsstättengewinne4 und das Ausscheiden einer Zwischengesellschaft gem. §§ 7 ff. AStG aus der Hinzurechnungsbesteuerung durch Ausweitung ihres Geschäftsbetriebs.5 Denkbar ist auch, dass ein Staat, der Betriebsstätteneinkünfte nicht besteuert, sein nationales Recht ändert und eine in Deutschland anrechenbare Steuer erhebt.6 bb) Besteuerungsrecht am Nutzungsgewinn Der Nutzungstatbestand gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG/§ 12 Abs. 1 Satz 1 KStG greift ein, wenn das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Nutzung eines Wirtschaftsguts ausgeschlossen oder beschränkt wird. Der (höhere) Gewinn aus der (verbilligten/unentgeltlichen) Nutzung eines Wirtschaftsguts wäre ohne die Entstrickungsregelungen der nutzenden Betriebsstätte zuzuordnen, da der wirt1 Bode in Kirchhof/Seer21, § 4 EStG Rz. 107; Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 367, 377 (Stand: April 2022). 2 Meyer in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, EStG, § 4 Rz. 662 m.w.N. 3 Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 373a, 373b (Stand: April 2022). 4 Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 383a (Stand: April 2022); ablehnend Bode in Kirchhof/Seer21, § 4 EStG Rz. 107; Förster, DB 2007, 72 ff. Von einer Entstrickung gehen jedenfalls der Gesetzgeber und die Finanzverwaltung aus, wie anhand der Regelungen im neu abgeschlossenen DBA Liechtenstein erkennbar ist. Die Bundesrepublik hat im Protokoll zum neuen DBA in Nr. 4 zu Art. 13 (Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen) für Entstrickungen ausdrücklich eine Regelung vereinbart, nach der Deutschland seinen Besteuerungsanspruch aus der fiktiven Entnahme durchsetzen kann und ein Ausgleichsposten gem. § 4g EStG gebildet werden darf. Vgl. dazu Lüdicke, FR 2011, 1077 (1081). 5 Zur Diskussion dieser Fallgruppe vgl. Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 383a bis 387a (Stand: April 2022). 6 Ditz in W/R/S, Rz. 14.11.

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13.114

Kap. 13 Rz. 13.114 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

schaftliche Wert der Nutzung bei der nutzenden Betriebsstätte anfällt.1 Wird das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Nutzung eines Wirtschaftsguts ausgeschlossen oder beschränkt, gilt der gemeine Wert der Nutzung gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 EStG als entnommen oder gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG das Wirtschaftsgut als zu diesem Wert an die ausländische Betriebsstätte überlassen. Die Entstrickung führt also zu einer fingierten Entnahme der (konkreten) Nutzung als solcher.2 2. Regelbeispiel in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG (Ausschluss oder Beschränkung des Besteuerungsrechts bei Zuordnungswechsel des Wirtschaftsguts) a) Anforderungen an einen Zuordnungswechsel i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG/ § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG

13.115 Anknüpfung des Regelbeispiels

§ 4 Abs. 1 Satz 4 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG regeln, dass ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts vorliegt, wenn ein „bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist“. Der Gesetzgeber gibt somit vor, durch den Zuordnungswechsel des Wirtschaftsguts werde der Tatbestand der Entstrickungsnormen erfüllt.

13.116 Der BFH beurteilt die Zuordnung eines Wirtschaftsguts zum Stammhaus oder zu einer Betriebsstätte gem. Art. 7 OECD-MA nach tatsächlich-funktionalen Kriterien.3 Hieran anknüpfend sind § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG formuliert. Entscheidend ist nicht, dass das Wirtschaftsgut physisch über die Grenze in die ausländische Betriebsstätte verbracht wird. Der Besteuerungszeitpunkt liegt erst im Zeitpunkt des Wechsels der tatsächlich-funktionalen Zuordnung des Wirtschaftsguts in die ausländische Betriebsstätte. Ob der Zuordnungswechsel geschieht, bestimmt sich somit nach steuerrechtlichen Kriterien unabhängig vom Willen des Steuerpflichtigen.4 13.117 Diese Auslegung dürfte der Meinung der Finanzverwaltung entsprechen. Im Betriebsstättenerlass vom 25.8.20095 wurden Auslegungsfragen zu den Entstrickungsnormen noch nicht behandelt. In den Verwaltungsgrundsätzen Betriebsstättengewinnaufteilung geht die Finanzverwaltung von einem Anwendungsvorrang der allgemeinen Entstrickungsregelgungen gegenüber der Einkünftekorrekturvorschrift des § 1 Abs. 5 AStG aus, sofern letztere nicht zu weiterreichenden Korrekturen führt.6 1 Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 391 (Stand: April 2022). 2 Drüen in Brandis/Heuermann, § 4 EStG Rz. 488 m.w.N. (Stand: März 2022). 3 Vgl. z.B. BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138; v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414; v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; zur Rechtsprechungsentwicklung Blumers, DB 2009, 1765 ff.; Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 375l (Stand: April 2022). 4 Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 375l (Stand: April 2022). 5 BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888. 6 BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001 - 03, BStBl. I 2017, 182 Rz. 20.

858 | Gerten

B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.119 Kap. 13

Nach Aussagen im Schreiben zur Anwendung der DBA auf Personengesellschaften stimmen die Grundsätze des § 1 Abs. 5 AStG zur Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum Stammhaus oder zu einer Betriebsstätte mit der Rechtsprechung zum tatsächlich-funktionalen Zusammenhang überein.1 Benecke geht davon aus, schon vor Einfügung der Regelbeispiele in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG durch das JStG 2010 habe der Gesetzgeber in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG den Sachverhalt erfassen wollen, dass sich die Zuordnung eines Wirtschaftsguts zu einer bestimmten Betriebsstätte nach tatsächlich-funktionalen Kriterien verändere.2 Der Tatbestand der Entstrickungsnorm erfasst alle Zuordnungswechsel von Wirtschaftsgütern – unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtiger – aus inländischen Betriebsstätten in ausländische Betriebsstätten unabhängig davon, ob es sich um ausländische DBA-Freistellungs-, DBA-Anrechnungs- oder Nicht-DBA-Betriebsstätten handelt. Hierunter fallen sowohl Wirtschaftsgüter materieller oder immaterieller Art einschließlich eines Firmenwerts, die zum Anlagevermögen oder zum Umlaufvermögen (Warenlieferungen an die Betriebsstätte) gehören.3 Unerheblich ist, ob mehrere einzelne Wirtschaftsgüter „auf einmal übertragen“ werden, die keinen Teilbetrieb darstellen, so dass dem Grunde nach auch Funktionsverlagerungen unter die Entstrickungsnormen fallen. Da allein der nach rechtlichen Kriterien zu bestimmende „Zuordnungswechsel“ den Tatbestand der Entstrickungsregelungen verwirklichen soll, dürften auch rechtlich veränderte Zuordnungen von Wirtschaftsgütern – etwa bei Begründung von Betriebsstätten (Geschäftsleitungs-, Vertreter- oder Dienstleistungsbetriebsstätten)4 – ohne Zutun des Steuerpflichtigen zur Entstrickung führen (vgl. hierzu auch Rz. 13.178 ff.).

13.118

b) Zuordnungswechsel allein nicht ausreichend, um Entstrickung auszulösen aa) These von den Entstrickungsnormen als Gefährdungstatbeständen Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG i.V.m. Satz 4 EStG und des § 12 Abs. 1 KStG seien Gefährdungstatbestände. Danach soll allein der Zuordnungswechsel zur Entstrickung führen, ohne dass es auf einen tatsächlichen Ausschluss oder eine tatsächliche Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts ankomme, weil nach dem Zuordnungswechsel ein späterer Besteuerungszugriff auf die im ausländischen Veräußerungs- oder Entnahmegewinn abgebildeten inländischen stillen Reserven (möglicherweise) tatsächlich erschwert, dessen Ermittlung schwierig und ungeklärt sei, ob der ausländische Staat die deutsche Sicht zur Gewinnabgrenzung für den in der ausländischen Betriebsstätte erzielten Veräußerungsgewinn teile.5 1 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 (2014/0599097), BStBl. I 2014, 1258 Tz. 2.2.4.1. 2 Benecke, NWB Fach 3, 14733 (14736) = NWB 37/2007, 3232 (3234). 3 Überblick bei Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 370 ff. (Stand: April 2022) auch zur Übertragung von Verbindlichkeiten. 4 Zu Beispielen s. Schaumburg, IntStR5, Rz. 21.100–21.213. 5 So Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 375f, 375g (Stand: April 2022); Drüen in Brandis/Heuermann, § 4 EStG Rz. 486c (Stand: März 2022); Schaumburg, IntStR5, Rz. 6.386; Musil, FR 2011, 445 (549) m.w.N.; Musil, FR 2012, 32 (32).

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13.119

Kap. 13 Rz. 13.119 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

Die Urteile des EuGH in den Rs. National Grind Indus1 und Verder LabTec2 werden von den Vertretern dieser Auffassung als Beleg für die Richtigkeit ihrer Auslegung herangezogen, denn der EuGH habe dort für den betrieblichen Bereich die Verschiebung von Wirtschaftsgütern im Rahmen eines Betriebs in das Ausland als Gefährdung des mitgliedstaatlichen (niederländischen) Besteuerungsrechts angesehen und den Besteuerungszugriff auf die im Inland bis zur Überführung entstandenen stillen Reserven dem Grunde nach gebilligt.3 Dieser Sichtweise hat sich auch die instanzgerichtliche Finanzrechtsprechung angeschlossen.4 Eine Entscheidung des BFH zu dieser Rechtsfrage steht noch aus.5

13.120 Dieser Auffassung wird hier nicht gefolgt. Die Entstrickungsnormen sind konzeptionell keine Gefährdungstatbestände. Denn der Gesetzgeber hat für die verschiedenen Varianten der dauerhaften Überführung eines Wirtschaftsguts in DBA-Freistellungsbetriebsstätten und in Anrechnungs- sowie Nicht-DBA-Betriebsstätten nach der Gesetzesbegründung (s. Rz. 13.50) bewusst differenzierende Tatbestandsmerkmale in die Entstrickungsnormen aufgenommen. Hätte der Gesetzgeber Gefährdungstatbestände schaffen wollen, hätte es jeweils nur eines Tatbestandsmerkmals (z.B. einer „möglichen Beschränkung“ des deutschen Besteuerungsrechts) bedurft. Die Vertreter der vorgenannten Auffassung berücksichtigen daher nicht hinreichend, dass der Gesetzgeber in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG – über den Überführungsfall in ausländische Betriebsstätten als Hauptanwendungsfall – deutlich hinausgehende Entstrickungsnormen schaffen wollte, die sämtliche rechtlichen und tatsächlichen (objektund subjektbezogenen) Vorgänge erfassen sollen, die eine Statusverschlechterung hinsichtlich des deutschen Besteuerungsrechts für den Veräußerungsgewinn des jeweiligen Wirtschaftsguts bewirken. Der Gesetzgeber wollte zwar primär ein „bedrohtes“ deutsches Besteuerungsrecht sichern, aber auch Gewinnabgrenzungsfragen entscheiden, indem er an den Zuordnungswechsel des Wirtschaftsguts als Innentransaktion besondere Ersatzrealisationstatbestände geknüpft hat. Dies wird belegt dadurch, dass der Gesetzgeber für vorübergehende Überführungen mit der Tatbestandsalternative der „Nutzungsentstrickung“ in den Entstrickungsnormen reine Gewinnabgrenzungsfragen geregelt hat (vgl. Rz. 13.110 f.). Es wird auch nicht wirklich deutlich, worin die „gestiegene“ Gefährdung des deutschen Besteuerungsrechts für die im Inland gebildeten stillen Reserven durch das BFH-Urteil v. 17.7.2008 – I R 77/066 im Vergleich zur Rechtslage unter der finalen Entnahmelehre bei Überführungen in DBA-Freistellungsbetriebsstätten liegen soll. Das unilaterale Besteuerungsrecht um1 EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, IStR 2012, 27. 2 EuGH v. 21.5.2015 – C-657/13 – Verder LabTec, IStR 2015, 440. 3 Mitschke, DStR 2012, 629 (633); ähnlich Hruschka, DStR 2011, 2343; wohl auch Rautenstrauch/Seitz, Ubg 2012, 14. 4 FG Düsseldorf v. 19.11.2015 – 8 K 3664/11 F, IStR 2016, 118 – Rev. I R 99/15; FG Köln v. 16.2.2016 – 10 K 2335/11, rkr., IStR 2016, 384; 5 Das Revisionsverfahren I R 99/15 (vorgehend FG Düsseldorf v. 19.11.2015 – 8 K 3664/11 F, IStR 2016, 118) wurde bis zu einer Entscheidung des BVerfG betreffend die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften (Az. 2 BvL 8/13) ausgesetzt. 6 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464.

860 | Gerten

B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.120 Kap. 13

fasst bei unbeschränkt Steuerpflichtigen im Rahmen des Welteinkommensprinzips stets alle Einkünfte, das Wirtschaftsgut ist auch nach Entstrickung in der Gesamtbilanz des Betriebs weiterhin auszuweisen und Deutschland kann aus seiner Sicht den zutreffenden nationalen Steueranspruch bei tatsächlicher Veräußerung des Wirtschaftsguts im Ausland autonom festsetzen. Wird der Überführungsvorgang als Innentransaktion (mit Gewinnrealisation und anschließend erhöhter gegenläufiger AfA in der ausländischen Betriebsstätte, vgl. Rz. 13.110 f.) nach den Grundsätzen des BFH-Urteils v. 17.7.2008 – I R 77/061 nicht besteuert und kommt es auf die Verteilung des Besteuerungsrechts nach dem DBA bei tatsächlicher Veräußerung des Wirtschaftsguts in der ausländischen Betriebsstätte an, „droht“ dem deutschen Fiskus nur ein Verständigungsverfahren mit dem anderen Vertragsstaat über seinen Anteil am Veräußerungsgewinn im Rahmen des Besteuerungsverfahrens.2 Wählt der Gesetzgeber bewusst eine differenzierende tatbestandliche Anknüpfung in den Entstrickungsnormen, die auf die materiell-rechtliche Vorfrage der DBA-rechtlichen Verteilung des Besteuerungsrechts nach dem Betriebsstättenartikel für den hypothetischen Veräußerungsgewinn des Wirtschaftsguts abstellen, muss er sich für die Auslegung an diesem Konzept festhalten lassen. Es bleibt dann die „offene Flanke“, dass sich die abkommensrechtliche Beurteilung der Verteilung des Besteuerungsrechts ändern kann und die Voraussetzungen der Norm – hier nach dem BFH, Urt. v. 17.7.2008 – I R 77/063 – dann (mutmaßlich) nicht mehr erfüllt sind. Dieser „Konstruktionsmangel“ kann nicht dadurch beseitigt werden, nach Änderung der Rechtsprechung zur Auslegung der Art. 7, 13 OECD-MA die Entstrickungsnormen – entgegen dem bekundeten historischen Willen des Gesetzgebers – in Gefährdungstatbestände „umzudeklarieren“. 1 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 2 Überzeugend Blöchle, IStR 2009, 645 (646); A.A. Mitschke, Ubg 2010, 355 ff.; Musil, FR 2011, 545 (549). Beide gehen nicht hinreichend darauf ein, dass Deutschland bei einem unbeschränkt Steuerpflichtigen auf der Grundlage des Welteinkommensprinzips stets den Teil des tatsächlichen ausländischen Veräußerungsgewinns, mit dem inländische stille Reserven abgegolten werden und den es unter Beachtung des DBA für angemessen hält, der Besteuerung durch eine Steuerfestsetzung unterwerfen kann. Sieht der andere Staat einen Teil der Einkünfte als Einkünfte der ausländischen Betriebsstätte an, ist dies in einem Verständigungsverfahren zu klären. Es bleibt – insbesondere im DBA-Anrechnungs- und Nicht-DBA-Fall – völlig offen, was es nach Meinung Musils konkret bedeuten soll, dass die Gefährdung des deutschen Steuerzugriffs „naturgemäß vom Verhalten des ausländischen Staates bestimmt wird“. Problematisch ist, dass die Besteuerung der Entstrickung als Innentransaktion von beiden Autoren nicht in eine Betrachtung der Fragen der Gewinnabgrenzung eingebettet wird. Im Nicht-DBA- und DBA-Anrechnungsfall steht der inländischen Realisation die ebenfalls in die deutsche Gewinnermittlung eingehende erhöhte AfA aus dem Entstrickungswert in der ausländischen Betriebsstätte gegenüber. Hier geht es im Ergebnis nur um eine vorgezogene Besteuerung im Inland, die überhaupt keinen Gefährdungstatbestand verlangt. Unzulässig ist es, als Vergleichsfall für die Gefährdung des Besteuerungsrechts auf den reinen Inlandsfall abzustellen, in dem alle stillen Reserven des Wirtschaftsguts dem Steuerzugriff unterliegen. Letzteres scheint aber der Meinung der Finanzverwaltung zu entsprechen, vgl. Rz. 7 Satz 2 des BMF, Schr. v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279. 3 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464.

Gerten | 861

Kap. 13 Rz. 13.121 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

13.121 Den aus dem EuGH-Urteil National Grid Indus und den Folgeentscheidungen für die Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 Abs. 1 KStG abgeleiteten Schlussfolgerungen der Vertreter der Gegenmeinung ist ebenfalls nicht zuzustimmen. Geklärt ist durch die Entscheidung National Grid Indus nur, dass ein Besteuerungszugriff aufgrund der Entstrickung auch schon vor der späteren tatsächlichen Veräußerung des Wirtschaftsguts in der ausländischen Betriebsstätte unter den weiteren Vorgaben der Entscheidung keine Verletzung der Niederlassungsfreiheit begründet. Der EuGH hat sich in der Entscheidung zur Verteilung des Besteuerungsrechts zwischen Betriebsstätten- und Stammhausstaat für einen im Ausland erzielten Veräußerungsgewinn für das Wirtschaftsgut nicht geäußert. Ob die Auslegung des BFH-Urteils v. 17.7.2008 – I R 77/06,1 für die bis zur Überführung gebildeten stillen Reserven dürfe der Stammhausstaat auch noch nach der Überführung den späteren Veräußerungsgewinn nach Art. 7 OECD-MA anteilig besteuern, zutrifft oder nicht, ist vom EuGH nicht angesprochen worden.2 Der EuGH beurteilt dort erstens die Frage, ob der festgesetzte niederländische Steueranspruch mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist und erkennt an, ein Mitgliedstaat, der bei der Verlagerung betrieblicher Einheiten die bis zum Wegzug entstandenen stillen Reserven besteuern wolle, dürfe dies ohne Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit beanspruchen.3 Auf einer zweiten Stufe prüft der EuGH dann die Modalitäten des niederländischen Besteuerungszugriffs und kommt zu dem Ergebnis, eine ungemilderte Steuererhebung auf die „fiktiv“ realisierten stillen Reserven ohne mildernde Maßnahmen sei nicht mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar. Prüfungsmaßstab des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren ist, ob eine Regelung des nationalen Rechts im Zusammenspiel mit den DBA-Regelungen mit den Grundfreiheiten vereinbar ist. Die Einwirkung der Grundfreiheiten auf das Recht der Doppelbesteuerungsabkommen ist unter zwei verschiedenen Ebenen zu betrachten. Nach der insoweit herrschenden Auffassung gebieten die Grundfreiheiten den Vertragsstaaten, die ein Doppelbesteuerungsabkommen abschließen, nicht, wie die Besteuerung zwischen dem Ansässigkeitsstaat und im Quellenstaat (der Verteilungsmechanismus) aufgeteilt wird. Davon zu unterscheiden ist die an den Grundfreiheiten messbare weitere Frage, welche konkreten Auswirkungen die Aufteilung der Besteuerungsrechte nach dem Abkommen im Zusammenspiel mit den nationalen Steuerrechten der Vertragsstaaten für den betroffenen Steuerpflichtigen hat. Die Mitgliedstaaten müssen nach herrschender Auffassung bei der Ausübung ihrer nach dem DBA und dem nationalen Recht bestehenden Steuerhoheiten die Grundfreiheiten beachten.4 13.122 Keine Folgerungen für die Auslegung der Entstrickungsnormen. Aus der EuGHEntscheidung National Grid Indus und den Folgeentscheidungen (Rz. 13.16 ff.) kann somit nichts dafür abgeleitet werden, dass die vom Gesetzgeber in den Entstri1 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 2 Kessler/Philipp, DStR 2012, 267 (270); Prinz, GmbHR 2012, 195 (198). 3 A.A. Wassermeyer, IStR 2012, 277 (281), der diese Aussagen der EuGH-Entscheidung infrage stellt. 4 Zum Verhältnis der Grundfreiheiten zum DBA- und nationalen Recht vgl. Ismer in V/L7, Einleitung DBA Rz. 264 ff.; Schönfeld/Häck in S/D2, Systematik Rz. 136 ff., beide mit Nachweisen zur EuGH-Rechtsprechung.

862 | Gerten

B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.125 Kap. 13

ckungsnormen verankerten Tatbestandsmerkmale des „Ausschlusses“ und der „Beschränkung“ des deutschen Besteuerungsrechts schon dann erfüllt sind, wenn ein deutsches Besteuerungsrecht für die im Inland gebildeten stillen Reserven nach dem Wegzug „gefährdet“ ist. Dies ist ausschließlich eine Auslegungsfrage des nationalen Rechts.1 Mit anderen Worten: Die missglückte Formulierung der Tatbestandsmerkmale der nationalen deutschen Entstrickungsvorschriften (vgl. Rz. 13.120) kann durch die EuGH-Rechtsprechung nicht im Wege einer unionsrechskonformen Auslegung geheilt werden. Denn der EuGH hat nur ausgesprochen, dass ein Mitgliedstaat auf der Grundlage eines Entstrickungstatbestands (aus seinem nationalen Recht im Zusammenspiel mit dem DBA) ein Besteuerungsrecht für die im Inland bis zur Verlagerung der betrieblichen Einheit gebildeten stillen Reserven ohne Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit beanspruchen darf. Auch aus dem sekundären Unionsrecht, namentlich der Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Einführung einer Entstrickungsbesteuerung (Art. 5 ATAD), ergibt sich kein anderes Auslegungsergebnis. Soweit eine Richtlinienbestimmung, die sich auch im Falle eines Umsetzungsverstoßes nur gegen den Mitgliedstaat selbst richtet, nicht zutreffend umgesetzt wurde, kann sich der Mitgliedstaat nicht zu Lasten seiner Bürger unmittelbar auf die Richtlinienbestimmungen berufen.2 In einem solchen Fall kann der Umsetzungsmangel auch nicht durch Auslegung des entgegenstehenden Gesetzeswortlauts korrigiert werden.3

13.123

bb) Zusammenwirken von Regelbeispiel und Grundtatbestand Nach der Einfügung der Regelbeispiele in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG/§ 12 Abs. 1 Satz 2 KStG ist geklärt, dass der Zuordnungswechsel des Wirtschaftsguts maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung ist, ob ein überführungsbedingter „Ausschluss“ oder eine „Beschränkung“ des deutschen Besteuerungsrechts für den hypothetischen Veräußerungsgewinn eintritt.

13.124

Regelungsintention des Gesetzgebers. Die Regelbeispiele in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG setzen bei Prüfung der DBA-rechtlichen Auslegungsfrage zur Verteilung der Besteuerungsrechte nach dem Betriebsstättenartikel (Art. 7 OECD-MA) an. Für die Prüfung des Merkmals des „Ausschlusses des deutschen Besteuerungsrechts“ sollen die Regelbeispiele als unilaterale Regelung die entgegenstehenden Aussagen des BFH-Urteils v. 17.7.2008 – I R 77/064 zur Auslegung des Betriebsstättenartikels bei Überführungen in DBA-Freistellungsbetriebsstätten abbedingen. Im Anwendungsbereich des Tatbestandsmerkmals der „Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts“ stellt sich bei Anwendung der Grundsätze des BFH-Urteils v. 17.7.2008 – I R 77/065 das Problem, dass – wenn die Bundesrepublik das Besteue-

13.125

1 Zutreffend Prinz, GmbHR 2012, 195 (198). 2 EuGH v. 8.10.1987 – Rs. 80/86 – Kolpinghuis Nijmegen, HFR 1988, 594; EuGH v. 3.5.2005 – C-387/02 u.a. – Berlusconi, DVBl. 2005, 840. 3 BFH v. 18.4.1991 – V R 122/89, BFHE 165, 104. 4 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 5 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464.

Gerten | 863

Kap. 13 Rz. 13.125 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

rungsrecht für die bis zum Zeitpunkt der Überführung des Wirtschaftsguts entstandenen stillen Reserven beanspruchen darf – nach § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG keine ausländischen, sondern inländische Einkünfte vorlägen, für die eine Anrechnung ausländischer Steuern nach § 34c Abs. 1 EStG nicht in Betracht käme.1 Bei Überführungen in ausländische Nicht-DBA-Betriebsstätten gilt dies ebenso. Hier hängt die Verpflichtung Deutschlands, die ausländische Steuer auf den in der ausländischen Betriebsstätte erzielten späteren Veräußerungsgewinn anzurechnen, und damit die konkrete Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts zusätzlich davon ab, mit welchem Buchwert das Wirtschaftsgut nach dem Recht des ausländischen Betriebsstättenstaats bei der Überführung angesetzt wird.2 Zudem sollen die Regelbeispiele die Einwände Wassermeyers3 „überschreiben“, der für bestimmte Fallkonstellationen der Überführung von Umlaufvermögen überzeugend dargelegt hat, dass der Grundtatbestand in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG oder § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG trotz der Anrechnungsverpflichtung ausländischer Steuer nicht erfüllt ist.4

13.126 Regelbeispiele als unilaterale Auslegungsvorgaben für das DBA

§ 4 Abs. 1 Satz 4 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG enthalten nach hier vertretener Ansicht somit vergleichbar mit § 50d Abs. 10 EStG5 eine unilaterale Auslegungsvorgabe ähnlich einer Fiktion für die DBA-Auslegung und im Nicht-DBA-Fall für das einfache Recht. Die Norm soll den Grundtatbestand nicht verdeutlichen. Kraft Gesetzes soll das sich aus der materiell-rechtlichen Prüfung ergebende Ergebnis, dass der Grundtatbestand in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG oder § 12 Abs. 1 KStG nach dem BFH, Urt. v. 17.7.2008 – I R 77/066 regelmäßig weder für das Tatbestandsmerkmal des „Ausschlusses“ noch der „Beschränkung“ des deutschen Besteuerungsrechts erfüllt sein dürfte, nicht zur Anwendung kommen. Diese Regelungstechnik ist vergleichbar mit einem unilateralen treaty override.7 Ein solcher wurde jedenfalls in der Ver-

1 Zutreffend Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 375f, 381 u. 381a (Stand: April 2022) auch zum Abzug der ausländischen Steuer von der Bemessungsgrundlage nach § 26 Abs. 1 u. 6 KStG, § 34c Abs. 2 EStG. 2 Vgl. Piltz in JbFStR 2006, 64 (69), s. dort auch den Hinweis auf den Antrag, ausländische Steuer zu pauschalieren. 3 Vgl. Wassermeyer, DB 2006, 2420 ff. zur Zuordnung eines ausländischen Produktionsgewinns zu den inländischen Einkünften nach Überführung von Umlaufvermögen in die ausländische Betriebsstätte; diesem wohl zustimmend Benecke, NWB Fach 3, 14733 (14738) = NWB 37/2007, 3232 (3237). Das „deutsche Besteuerungsrecht“ i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG umfasst bei unbeschränkt Steuerpflichtigen im Rahmen des Welteinkommensprinzips sowohl die im Ausland erzielten Einkünfte, die nach Veranlassungsgesichtspunkten dem inländischen Stammhaus zuzurechnen sind, als auch die ausländischen Einkünfte, die in einer ausländischen Betriebsstätte (§ 34d Abs. 1 Nr. 2 EStG) durch die Veräußerung oder Entnahme des dorthin überführten Wirtschaftsguts erzielt werden. 4 Grundsätzlich kann es aber zu einer Anrechnungsverpflichtung Deutschlands hinsichtlich ausländischer Steuer auf den Veräußerungsgewinn kommen, soweit er auf im Inland angelegte stille Reserven entfällt, vgl. dazu Blöchle, IStR 2009, 645, (646 f.). 5 Vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138: § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG enthalte eine unilaterale fingierende Einkunftsqualifikation. 6 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BFHE 222, 402 = BStBl. II 2009, 464. 7 Ein echter treaty override existiert nicht, da § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht an den für das DBA relevanten Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung des Wirtschaftsguts in der ausländischen Betriebsstätte anknüpft.

864 | Gerten

B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.129 Kap. 13 gangenheit nach dem Grundsatz des lex specialis methodisch als möglich und als verfassungsgemäß angesehen.1

Im Ergebnis wird dem deutschen Rechtsanwender durch die Regelbeispiele in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG hinreichend deutlich im Sinne einer rechtlichen Fiktion für die Subsumtion unter den Grundtatbestand vorgegeben, er habe im DBA-Freistellungs- und im DBA-Anrechnungsfall davon auszugehen, dass das deutsche Besteuerungsrecht nach dem Betriebsstättenartikel für einen späteren Veräußerungsgewinn i.S.d. Entstrickungsnormen ausgeschlossen oder beschränkt ist. Die Fiktion des Regelbeispiels wird – hier liegt ein wesentlicher Unterschied zur Auslegung der Normen als Gefährdungstatbestände – aber verdrängt, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt des Zuordnungswechsels feststeht, dass das deutsche Besteuerungsrecht für den Veräußerungsgewinn tatsächlich weder ausgeschlossen noch beschränkt sein wird. Dies ist der Fall, wenn DBA-Aktivitätsklauseln, DBA- und unilaterale Rückfallklauseln (z.B. die Regelungen in §§ 20 Abs. 2 AStG, 50d Abs. 9 und 10 EStG) eingreifen, welche ein deutsches Besteuerungsrecht für den Veräußerungsgewinn erhalten sollen. Diese Regelungen schließen die Entstrickung aus.2 Im NichtDBA-Fall wird die Fiktion des Regelbeispiels verdrängt, wenn nach dem Ansatz im Inland zum Fremdvergleichspreis im ausländischen Betriebsstättenstaat ein Buchwertansatz erfolgt, so dass tatsächlich keine anzurechnende ausländische Steuer auf die im späteren Veräußerungsgewinn abgebildeten inländischen stillen Reserven entstehen kann.

13.127

Tatbestand trotz Regelbeispiel nach Teilen der Literatur nicht erfüllt Die vorstehende Auffassung entspricht nicht der im Schrifttum vielfach vertretenen Auffassung, die Regelbeispiele könnten die Mängel des Grundtatbestands der Entstrickungsnormen nicht heilen. Es wird insbesondere vertreten, der Gesetzgeber habe § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 2 EStG deutlicher als echte Fiktionen statt als Regelbeispiele ausgestalten müssen, um sein Ziel zu erreichen. Der nicht erfüllte Grundtatbestand könne nicht durch Einfügung eines Regelbeispiels fingiert werden,3 so dass §§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, 12 Abs. 1 KStG in den Überführungsfällen weiterhin keine Entstrickungen bewirken könnten. Es bestehen in Überführungsfällen wegen dieser verbleibenden Auslegungsfrage in jedem Fall gute Erfolgsaussichten für eine Klage.

13.128

3. Anwendung der Entstrickungsregelungen auf Personengesellschaften als Unternehmensträger Bei Personengesellschaften als Unternehmensträger stellt sich bei Zuordnungswechsel von Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens in das Ausland die Frage, ob 1 Zur Einteilung von Ausprägungen des treaty override vgl. Schwenke, FR 2012, 443 (443); Gosch, IStR 2008, 413 ff. Zur Verfassungsmäßigkeit vgl. die Normenkontrolle an das BVerfG BFH v. 10.1.2012 – I R 66/09, DStR 2012, 949. 2 Vgl. Benecke, NWB Fach 3, 14733 (14738) = NWB 37/2007, 3232 (3237); Ditz in W/R/S2, Rz. 12.12; Roser, DStR 2008, 2389 (2394). 3 Vgl. vor allem Gosch in Kirchhof/Seer21, § 49 EStG Rz. 16; ebenso Kolbe in H/H/R, § 12 KStG Anm. 40 (Stand: Juni 2022); a.A. Musil, FR 2011, 545 (550); Richter/Heyd, Ubg 2011, 172 (176).

Gerten | 865

13.129

Kap. 13 Rz. 13.129 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

eine gesellschaftsbezogene (Trennungsbetrachtung)1 oder eine gesellschafterbezogene (Transparenzbetrachtung)2 Sichtweise anzulegen ist. Dies hat Auswirkungen darauf, ob bei Personengesellschaften, an denen sowohl Körperschaften als auch natürliche Personen beteiligt sind, die Verbringung von Wirtschaftsgütern in das Ausland anteilig nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG zu beurteilen ist oder wie mit nur teilweisem Wechsel der Zuordnung, etwa im Falle des Wegzugs einzelner Gesellschafter umzugehen ist. a) Überführung eines Wirtschaftsguts aus dem inländischen Stammhaus einer Personengesellschaft in deren ausländische Betriebsstätte

13.130 Der Wortlaut des Regelbeispiels in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG stellt darauf ab, dass ein bisher einer inländischen Betriebsstätte „des Steuerpflichtigen“ zuzuordnendes Wirtschaftsgut nunmehr einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Der Begriff des Steuerpflichtigen ist auslegungsbedürftig. Aufgrund des Transparenzprinzips im deutschen Ertragsteuerrecht fällt die Personengesellschaft als solche nicht unter das Tatbestandsmerkmal „des Steuerpflichtigen“. Die Personengesellschaft ist vielmehr Gewinnerzielungs- und Gewinnermittlungssubjekt. Da die Regelbeispiele an die abkommensrechtliche Betrachtung anknüpfen, nach der Betriebsstätten einer Personengesellschaft den Mitunternehmern anteilig zuzurechnen sind (vgl. Rz. 13.109 f.), erscheint die gesetzliche Formulierung auch zutreffend zu sein. Nach abkommensrechtlicher Sichtweise geht das Wirtschaftsgut aus einer inländischen Betriebsstätte „aller Mitunternehmer“ in eine ausländische Betriebsstätte „aller Mitunternehmer“ über. Das Merkmal „des Steuerpflichtigen“ ist allerdings ebenfalls in § 4g EStG für die Bildung eines Ausgleichspostens enthalten. Wer der Auffassung folgt, ein Ausgleichsposten gem. § 4g EStG sei innerbilanziell zu bilden, muss diesen in der Steuerbilanz der Personengesellschaft auf der Gewinnermittlung erster Stufe erfassen.3 13.131 Gesellschafts- oder gesellschafterbezogene Auslegung. Vor Einfügung des Regelbeispiels ist zu der aufgeworfenen Frage, ob der Entstrickungstatbestand bei einer inländischen Personengesellschaft gesellschaftsbezogen oder gesellschafterbezogen anzuwenden ist, weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung eine Aussage getroffen worden. Nach vorzugswürdiger Ansicht sind die Entstrickungsnormen gesellschaftsbezogen anzuwenden, d.h., auf den hier betrachteten Überführungsfall findet nur § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG Anwendung.4 Dies ergibt sich daraus, dass in diesen Fällen die steuerliche Gewinnermittlung auf Ebene der Gesellschaft betroffen ist, so dass die Gewinnauswir1 Meyer in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, EStG, § 4 Rz. 649.1. 2 Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 365 (Stand: April 2022). 3 Die Möglichkeit, einen Ausgleichsposten für Überführungen in der Steuerbilanz einer inländischen Personengesellschaft zu bilden, wird überwiegend bejaht, vgl. Prinz in JbFStR 2007, 309 (321); Heuermann in Brandis/Heuermann, § 4g EStG Rz. 5 (Stand: März 2022). 4 Vgl. Kolbe in H/H/R, § 4g EStG Anm. 15, 19 (Stand: Juni 2022); Prinz in JbFStR 2007, 309 (319); für die gesellschafterbezogene Transparenzbetrachtung Benecke, NWB Fach 3, 14733 (14749) = NWB 37/2007, 3232 (3248); Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 365 (Stand: April 2022).

866 | Gerten

B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.133 Kap. 13

kungen in ihrer Steuerbilanz eintreten.1 Ferner folgt dies aus dem Ansatz des Ausgleichspostens nach § 4g EStG in der Gewinnermittlung erster Stufe. Hieran hat sich nach Einfügung der Regelbeispiele in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG nichts geändert. Der Gesetzgeber hat nirgendwo angedeutet, dass er durch das Merkmal des „Steuerpflichtigen“ in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG die bisher ungeklärte Frage im Sinne der gesellschafterbezogenen Betrachtung hat regeln wollen. Sähe man dies anders, müsste die Frage einer Entstrickung (Ausschluss oder Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts) aus Sicht der jeweiligen Mitunternehmer differenziert beurteilt werden. Wenn an einer inländischen Mitunternehmerschaft ausländische Mitunternehmer oder inländische Körperschaften beteiligt wären, wäre für jeden Mitunternehmer über das Konkurrenzverhältnis von § 12 Abs. 1 KStG und § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG zu entscheiden.2 b) Entgeltliche Übertragungen auf eine ausländische Personengesellschaft außerhalb des § 6 Abs. 5 EStG Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann der Gesellschafter einer Personengesellschaft einzelne Wirtschaftsgüter seines Betriebsvermögens an die Gesellschaft wie ein fremder Dritter entgeltlich veräußern.3 Eine vollentgeltliche Veräußerung, die keine Berührungspunkte zu den zwingenden Buchwertübertragungen gem. § 6 Abs. 5 EStG (vgl. dazu Rz. 13.204) aufweist, liegt vor, wenn die Gegenleistung der Personengesellschaft keine Gewährung von Gesellschaftsrechten umfasst (z.B. ein Kaufpreis, eine Schuldübernahme oder die Einräumung einer Darlehensforderung). Veräußert der Gesellschafter ein Wirtschaftsgut an „seine“ Personengesellschaft zu fremdüblichen Bedingungen, stellt dieser Vorgang insgesamt und einheitlich eine entgeltliche Veräußerung dar (Vorrang der Veräußerung).4 Eine fremdübliche Veräußerung schließt die Anwendung der Entstrickungsnormen aus, da echte Realisationstatbestände die „fiktive“ Entnahme verdrängen.5

13.132

c) Wegzug einzelner Gesellschafter Kommt es beispielsweise durch Wegzug einzelner Gesellschafter bei nach außensteuerrechtlichen Grundsätzen anzustellender Transparenzbetrachtung – etwa bei inländischen gewerblich geprägten Personengesellschaften im DBA-Fall – dazu, dass die Zuordnung von Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens nur teilweise wechselt (subjektbezogene Entstrickung), kommt es nur zu einer anteiligen Ersatzrealisation nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, die in einer Ergänzungsbilanz für den betroffenen Gesellschafter abzubilden ist.6 Zur Frage des Wegzugs des Gesellschafters 1 Meyer in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, EStG, § 4 Rz. 649.1. 2 Vgl. Prinz in JbFStR 2007, 309 (321). 3 Vgl. z.B. BFH v. 26.4.2012 – IV R 44/09, BFH/NV 2012, 1513; v. 11.12.1997 – IV R 28/97, BFH/NV 1998, 836; v. 25.7.1995 – VIII R 25/94, BStBl. II 1996, 684; v. 3.5.1993 – GrS 3/ 92, BStBl. II 1993, 616. 4 Vgl. BFH v. 26.4.2012 – IV R 44/09, BFH/NV 2012, 1513; v. 11.12.2001 – VIII R 58/98, BStBl. II 2002, 420; v. 31.3.1977 – IV R 54/72, BStBl. II 1977, 415. 5 Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 366a (Stand: April 2022). 6 Meyer in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, EStG, § 4 Rz. 649.2 ff. m.w.N.

Gerten | 867

13.133

Kap. 13 Rz. 13.133 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

nach Einlage von Betriebsvermögen oder einer Beteiligung gem. § 17 EStG in eine inländische gewerblich geprägte Gesellschaft vgl. Rz. 13.183 ff.

13.134 Sind vom Zuordnungswechsel Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens eines Gesellschafters betroffen, so sind die Folgen der Ersatzrealisation in seiner Sonderbilanz auszuweisen.1 Im EU-/EWR-Fall kann in der Sonderbilanz des Gesellschafters auch ein Ausgleichsposten (§ 4g EStG) gebildet werden. Zur Frage, ob die Entstrickungsregelung mit Ansatz des gemeinen Werts nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG Vorrang vor der Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 5 Satz 2 und 3 EStG hat vgl. Rz. 13.84. 4. Anwendung der Entstrickungsregelungen auf Kapitalgesellschaften als Unternehmensträge

13.135 Anders als § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG sieht § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG bei Ausschluss oder Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts keine fiktive Entnahme, sondern eine fiktive Veräußerung oder Nutzung des Wirtschaftsguts zum gemeinen Wert vor. Die tatbestandlichen Probleme der strukturgleichen Normen sind identisch mit den bereits dargestellten Auslegungsfragen zu § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG.2 13.136 Umstritten ist, ob die Sondervorschriften für die Überführung betrieblicher Einheiten (§ 16 Abs. 3a i.V.m. § 36 Abs. 5 EStG) über die Verweisungsnormen der § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG (betreffend Gewinnermittlung) und § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG (betreffend die Erhebung) auch bei Verlegung betrieblicher Einheiten von Körperschaften vorrangig vor den allgemeinen Entstrickungsregelungen Anwendung finden3 oder ob es insoweit bei der Anwendung von § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG bleibt.4 Ausweislich der Gesetzesbegründung5 soll die einkommensteuerrechtliche Regelung auch bei Körperschaften Anwendung finden. Von Bedeutung war die Unterscheidung in der Vergangenheit u.a. wegen der Möglichkeit im Falle der Anwendbarkeit von §§ 16 Abs. 3a i.V.m. 36 Abs. 5 EStG, anders als nach § 4g EStG a.F., auch im EWR-Fall die Auswirkungen der Entstrickung abmildern zu können. Aufgrund des weitgehenden Gleichlaufs von § 4g EStG und § 36 Abs. 5 EStG jeweils i.d.F. ATADUmsG dürfte die Frage der Anwendbarkeit daher an Bedeutung verloren haben. IV. Rechtsfolgen der Entstrickung

13.137 Auf Rechtsfolgenseite der allgemeinen Entstrickungstatbestände des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG (Entnahmefiktion) und des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG (Veräußerungs-/Überlassungsfiktion) ist zwischen der Veräußerungsalternative, nur für diese wird eine Er1 Meyer in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, EStG, § 4 Rz. 649.3 f. 2 Vgl. den Überblick bei Lenz in Erle/Sauter3, § 12 KStG Rz. 31–56. 3 Meyer in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, EStG, § 4 Rz. 650.1; Schnitger, Die Entstrickung im Steuerrecht, ifst 487 (2013), 44; Kolbe in H/H/R, § 12 KStG Anm. 18 (Stand: Juni 2022), der die; 4 Lampert in Gosch4, § 12 KStG Rz. 36; Pfirrmann in Brandis/Heuermann, § 12 KStG Rz. 24 (Stand: März 2022). 5 BT-Drucks. 17/3549, 17.

868 | Gerten

B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.140 Kap. 13

satzrealisation durch Aufdeckung der in den betroffenen Wirtschaftsgütern gespeicherten stillen Reserven angeordnet, und der Nutzungsalternative zu unterscheiden, für die eine Nutzungsüberlassung zum gemeinen Wert angeordnet wird. 1. Behandlung der Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte in der Gewinnermittlung a) Kein Abgang des Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen Rechtsfolge einer Entstrickung ist die Aufdeckung der bis dahin entstandenen stillen Reserven, da § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG nicht anwendbar ist (s. Rz. 13.79 ff.). Das Wirtschaftsgut gilt im Zeitpunkt des Zuordnungswechsels zum gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG) als entnommen. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG gilt das Wirtschaftsgut zu diesem Preis als veräußert.

13.138

Die Entstrickungsnormen sind Ersatzrealisationstatbestände, die sich von den allgemeinen Realisationstatbeständen dadurch unterscheiden, dass es weder zum Übergang des rechtlichen und wirtschaftlichen Eigentums an dem Wirtschaftsgut noch zu einem Außenumsatz mit einer anderen Person kommt. Aufgrund der fiktiven Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG bzw. der fiktiven Veräußerung gem. § 12 Abs. 1 KStG verändert sich das Betriebsvermögen des gesamten Betriebs insgesamt nicht.1 Handelsrechtlich führt die Überführung in die ausländische Betriebsstätte nicht zu einem veränderten Bilanzausweis.2

13.139

b) Ansatz des gemeinen Werts aufgrund der Entstrickung Nach der Methode der aufgeschobenen Gewinnrealisierung im alten Betriebsstättenerlass3 durfte aufgrund der innerbetrieblichen Überführung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens insgesamt kein Gewinn oder Verlust entstehen. Es wurde im Zuge der Entnahme mit Aufdeckung der stillen Reserven (Fremdvergleichspreis ./. Buchwert der Stammhausbilanz) der Ausgleichsposten in der Stammhausbilanz gebildet. Korrespondierend hatte die ausländische DBA-Freistellungsbetriebsstätte diesen Wert gewinnmindernd fortzuschreiben, d.h., die AfA in der ausländischen Betriebsstätte und der dortige Buchwert bestimmten sich nach den (aufgestockten) Anschaffungskosten in Höhe des Fremdvergleichspreises.4 Bei einer Gesamtbetrachtung „über die Zeit“ minderten sich also aus deutscher Sicht bei späterem Ausscheiden oder einer vollständigen Abschreibung des Wirtschaftsguts die aus dem Betriebsstättenstaat stammenden Einkünfte im gleichen Umfang wie die im Inland aufgrund der Entnahme erhöhten Einkünfte. Die Entnahme führte zeitlich zu einer Vorverlagerung der Aufdeckung der stillen Reserven. Der überarbeitete Betriebsstättenerlass vom 25.8.20095 trifft keine Aussagen zur bilanziellen Behandlung 1 Vgl. Benecke, NWB Fach 3, 14733 (14742) = NWB 37/2007, 3232 (3240); Lenz in Erle/ Sauter3, § 12 KStG Rz. 54. 2 Kolbe in H/H/R, § 12 KStG Anm. 26 (Stand: Juni 2022). 3 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.6.1 Buchst. a. 4 Vgl. Kessler/Huck, StuW 2005, 194 (196) mit tabellarischer Übersicht. 5 Vgl. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888.

Gerten | 869

13.140

Kap. 13 Rz. 13.140 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

der Entstrickung. Nach den VWG BsGa1 sind die Grundsätze des alten Betriebsstättenerlasses ohne große inhaltliche Änderung fortzuführen.

13.141 Fraglich ist daher, ob die Überführung eines Wirtschaftsguts und eine damit einhergehende Entstrickungsbesteuerung im deutschen Stammhaus innerhalb der Steuerbilanz oder außerbilanziell abzubilden ist. Nach herrschender und hier vertretener Ansicht handelt es sich bei den Entstrickungsvorschriften um innerbilanziell wirkende Regelungen.2 Das Wirtschaftsgut scheidet beim Zuordnungswechsel nur aus dem Stammhausvermögen aus und ist aus der Stammhausbilanz auszubuchen. Die Gesamtbilanz des Betriebs wird nicht berührt, da der Grundsatz der Vollständigkeit der Bilanz es gebietet, das Wirtschaftsgut weiter in der Bilanz für das Gesamtunternehmen auszuweisen. Es kommt in der „Stammhausbilanz“ zum Ausweis des Entstrickungsertrags (gemeiner Wert ./. Buchwert). In der Betriebsstättenbilanz kommt es zur Buchung einer (fiktiven) Einlage des Wirtschaftsguts zum gemeinen Wert, der künftige AfA-Bemessungsgrundlage ist. In der Gesamtbilanz des Betriebs für deutsche Einkünfteermittlungszwecke werden demnach das Wirtschaftsgut auf den gemeinen Wert aufgestockt und der Entstrickungsertrag ausgewiesen sowie gegenläufig in der Betriebsstättenbilanz die erhöhte AfA abgesetzt und der erhöhte Abschreibungsaufwand verbucht.3 c) Zuordnung des erhöhten Abschreibungsaufwands zum Ergebnis der ausländischen Betriebsstätte

13.142 Nach Veranlassungsgesichtspunkten ist der gewinnmindernde erhöhte Abschreibungsaufwand nach dem Zuordnungswechsel des Wirtschaftsguts – wie schon vor 2006 – der Gewinnermittlung der ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen.4 Liegt die ausländische Betriebsstätte in einem DBA-Freistellungsstaat, sind im Inland das Stammhausergebnis (mit Entstrickungsgewinn) und der Ausgleichsposten gem. § 4g EStG auszuweisen, das „über Zeit“ geminderte ausländische Betriebsstättenergebnis wird unter Einbezug in den Progressionsvorbehalt freigestellt. Liegt die ausländische Betriebsstätte in einem DBA-Anrechnungs- oder Nicht-DBA-Staat, ist ohnehin der Gesamtgewinn des Betriebs im Inland zu versteuern, so dass der Entstrickungsgewinn (abzgl. des Ausgleichspostens gem. § 4g EStG) des Stammhauses im Überführungsjahr durch den erhöhten Abschreibungsaufwand in der Betriebsstätte über die Zeit neutralisiert wird. Dies kann zu Anrechnungsüberhängen ausländischer Steuern führen, wenn der Betriebsstättenstaat von einer niedrigeren AfA in der Betriebsstätte ausgeht, weil er keinen „step up“ auf den Fremdvergleichspreis im Zeitpunkt der dortigen Verstrickung vornimmt. 1 BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001 - 03, BStBl. I 2017, 182 (VWG BsGa) Rz. 20. 2 Meyer in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, § 4 EStG Rz. 612.1; Kolbe in H/H/R, § 12 KStG Anm. 26 (Stand: Juni 2022); Lenz in Erle/Sauter3, § 12 KStG Rz. 15 u. 54; Wassermeyer, DB 2009, 430 (431); § 12 Abs. 1 KStG fingiert ohnehin eine Veräußerung und keine Entnahme und ist daher ein innerbilanzieller Vorgang. 3 Meyer in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, § 4 EStG Rz. 612.2 m.w.N.; Geils, DB 2019, 1466 (1469). 4 Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 398 (Stand: April 2022).

870 | Gerten

B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.145 Kap. 13

2. Behandlung der Nutzungsentstrickung Nutzungsentnahmen dienen im nationalen Recht der Neutralisierung nicht als Betriebsausgaben anzuerkennender (verbuchter) Aufwendungen eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens und werden mit den tatsächlichen Selbstkosten – bestehend aus den als Betriebsausgaben im Rahmen des Betriebsvermögens abgezogenen Gesamtaufwendungen einschließlich der festen und variablen Kosten, der AfA und der Finanzierungskosten sowie Erhaltungsaufwendungen – bewertet.1 Hingegen wird die Nutzungsentstrickung gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 EStG bzw. § 12 Abs. 1 KStG auf der Grundlage eines fiktiven fremdüblichen Entgelts für die Nutzungsüberlassung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bewertet. Nach den VWG BsGa bezieht sich der Ertragsausweis auf die Differenz zwischen dem gemeinen Wert der Nutzungsüberlassung und den der Betriebsstätte belasteten Kosten.2 Im Ergebnis werden also die im inländischen Stammhaus tatsächlich gebuchten Betriebsausgaben nicht nur neutralisiert, sondern ein Gewinn ausgewiesen, soweit der gemeine Wert der Nutzungsüberlassung diese übersteigt.

13.143

3. Wirkung der Entstrickung in anderen Vorschriften Die Finanzverwaltung ist der Auffassung, dass mit der fiktiven Entnahme eines Wirtschaftsguts aus einem inländischen Betriebsvermögen eine Sperrfristverletzung gem. § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG einhergeht.3 Dies dürfte auch für andere ertragsteuerliche Regelungen gelten, die schädliche Rechtsfolgen an Entnahmen knüpfen (vgl. §§ 4 Abs. 4, 34a EStG). Dem ist im Schrifttum mit der Begründung entgegen getreten worden, eine fiktive Entnahmen bzw. eine fiktive Veräußerung stellten aufgrund der Fiktion keine schädlichen Ereignisse dar.4

13.144

V. Der Ausgleichsposten gem. § 4g EStG 1. Inhalt des Wahlrechts Die Regelung des § 4g EStG wurde mit der Aufnahme der Entstrickungsnormen in das Gesetz aufgenommen und galt zunächst erstmals für den Veranlagungszeitraum 2006, wurde jedoch durch das Jahressteuergesetz 2010 rückwirkend auch auf Wirtschaftsjahre ausgedehnt, die vor dem 1.1.2006 endeten.5 Durch das ATADUmsG hat der Gesetzgeber die Vorschrift an das Unionsrecht angepasst.6 Insbesondere wurde

1 Vgl. Drüen in Brandis/Heuermann, § 4 EStG Rz. 495 „Nutzungsentnahme“ (Stand: März 2022). 2 BMF v. 22.12.2016 (VWG BsGa) – IV B 5 - S 1341/12/10001 - 03, BStBl. I 2017, 182 Rz. 20. 3 BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 23. 4 Ritzer in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 7, Entstrickungs- und Verstrickungsregeln, Rz. 123. 5 Heuermann in Brandis/Heuermann, § 4g EStG Rz. 4 (Stand: März 2022). 6 Vgl. zur Kritik der bisherigen Regelung Endert in Frotscher/Geurts, § 4g EStG Rz. 5 (Stand: April 2022); Kessler/Winterhalter/Huck, DStR 2007, 133 ff.; Kolbe in H/H/R, § 4g EStG Anm. 5 (Stand: Juni 2022).

Gerten | 871

13.145

Kap. 13 Rz. 13.145 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

der Anwendungsbereich der Vorschrift erweitert auf beschränkt Steuerpflichtige, auf alle Arten von Wirtschaftsgütern und auf die Staaten des EWR. Zudem wird durch die Streichung des Merkmals des Zuordnungswechsels klargestellt, dass der Ausgleichsposten auch bei sog. passiver Entstrickung Anwendung findet. Die geänderte Vorschrift ist rückwirkend in allen offenen Fällen anzuwenden (§ 52 Abs. 8a EStG).

13.146 Bei einem Vergleich mit der Rechtslage vor Einfügung des § 4g EStG bleibt die Vorschrift in der Fassung des ATADUmsG hinter dem von der Finanzverwaltung im Betriebsstättenerlass vom 24.12.19991 eingeräumten Wahlrecht der aufgeschobenen Gewinnrealisierung zurück, gleichwohl steht die Vorschrift nach ganz überwiegender Meinung mit dem Unionsrecht in Einklang.2 Die Entwicklung und ein Vergleich der Regelungen zum Ausgleichsposten werden aus der folgenden Tabelle deutlich3: Betriebsstätten-Ver- § 4g EStG (SEStEG) waltungsgrundsätze

§ 4g EStG (ATADUmsG)

Sachlicher Anwendungsbereich

Anlage- und Umlaufvermögen, das in eine ausländische DBA-Freistellungsbetriebsstätte überführt wird

Anlagevermögen, das in eine EU-Betriebsstätte überführt wird (nicht in EWRStaaten!)

Alle Arten von Wirtschaftsgütern, die in eine EU- oder EWRBetriebsstätte überführt werden

Persönlicher Anwendungsbereich

Unbeschränkt einkommen- und körperschaftsteuerpflichtige natürliche und juristische Personen

Unbeschränkt einkommen- und körperschaftsteuerpflichtige natürliche und juristische Personen; Mitunternehmerschaften bei Überführungen in deren EU-Betriebsstätten

Unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtige

Ausübung des Wahlrechts

Auf Antrag

Auf unwiderruflichen Antrag durch Bildung innerhalb der Steuerbilanz; nur einheitlich für alle Wirtschaftsgüter in einem Wirtschaftsjahr

Auf unwiderruflichen Antrag; für jedes Wirtschaftsgut gesondert

In der Steuerbilanz

In der Steuerbilanz als Bilanzierungshilfe4

Bildung des Aus- In der Steuerbilanz gleichspostens

1 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. 2 Kolbe in H/H/R, § 12 KStG Anm. 16 (Stand: Juni 2022) m.w.N. 3 Vgl. Kessler/Winterhalter/Huck, DStR 2007, 133 (134) mit eigenen Einfügungen; Endert in Frotscher/Geurts, § 4g EStG Rz. 2, 6 ff. u. 15 ff. (Stand: April 2022); Prinz in JbFStR 2007, 309 (320 ff.). 4 Nach überwiegender Ansicht handelt es sich um eine Bilanzierungshilfe in Gestalt eines Merkpostens (Reddig in Kirchhof/Seer21, § 4g EStG Rz. 3), wobei analog zur Frage der Zuordnung der Entstrickungsbesteuerung zur ersten oder zweiten Stufe der Gewinnermitt-

872 | Gerten

B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.146 Kap. 13 Betriebsstätten-Ver- § 4g EStG (SEStEG) waltungsgrundsätze

§ 4g EStG (ATADUmsG)

Auflösung des Ausgleichspostens

Entsprechend der Restnutzungsdauer (AfA) bei abnutzbaren WG

1/5 je Wirtschaftsjahr 1/5 je Wirtschaftsjahr bei abnutzbaren und nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern (Bildungsjahr und folgende vier Jahre)

Zwangsweise Auflösung

Veräußerung, Untergang, spätestens nach Ablauf von zehn Jahren

Fälle des § 4g Abs. 2 EStG: Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen durch Veräußerung oder anderer Realisationstatbestand im Ausland, Überführung in Nicht-EU-Betriebsstätte; spätestens nach 5 Jahren, da ratierliche Auflösung (Vollabschreibung)

§ 4g Abs. 2 HS 1 EStG verweist § 36 Abs. 5 EStG, der die von Art. 5 Abs. 4 ATAD angeordneten Auflösungsgründe regelt; HS 2 eröffnet bei Gefährdung des Steueranspruchs die Möglichkeit, eine Sicherheitsleistung zu verlangen; wird diese nicht erbracht, ist der Ausgleichsposten aufzulösen

Passive Entstrickung

Nicht anwendbar

Nach VWG BsGa1 soll § 4g EStG im Wege der Billigkeit auch auf tatbestandlich nicht erfasste Sachverhalte Anwendung finden, wenn es infolge Inkrafttretens der BsGaV zu einem Zuordnungswechsel kommt

Durch Streichung des Merkmals des Zuordnungswechsels kann Ausgleichsposten auch bei passiver Entstrickung gebildet werden2

lung fraglich ist, ob dieser innerhalb der Steuerbilanz oder außerbilanziell auszuweisen ist. Nach herrschender und hier vertretener Ansicht ist von einer Bildung des Ausgleichspostens innerhalb der Steuerbilanz auszugehen (so auch Endert in Frotscher/Geurts, § 4g EStG Rz. 24 (Stand: Juni 2022); Kolbe in H/H/R, § 4g EStG Anm. 20 f. (Stand: Juni 2022); Lenz in Erle/Sauter3, § 12 KStG Rz. 58 ff.; Wassermeyer, DB 2008, 430 (430); Heuermann in Brandis/Heuermann, § 4g EStG Rz. 11 (Stand: März 2022); Hoffmann, DB 2007, 652 ff.); nach a.A. Ansatz außerhalb der Steuerbilanz in der Bilanz der Betriebsstätte, aus der das Wirtschaftsgut ausscheidet (Kramer, DB 2007, 2338 sowie DB 2008, 433); differenzierend Geils, DB 2019, 1466 (1469), der zwischen der Behandlung in der Steuerbilanz (Ermittlung des Gesamtgewinns) und in der Stammhausbilanz sowie der Hilfs- und Nebenrechnung der Betriebsstätte (Gewinnabgrenzung) unterscheidet. 1 BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001 - 03, BStBl. I 2017, 182 (VWG BsGa) Tz. 453, 457; zur Kritik Meyer in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, EStG, § 4g Rz. 27.1. 2 BT-Drucks. 19/28652, 33.

Gerten | 873

Kap. 13 Rz. 13.147 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

2. Auflösung des Ausgleichspostens nach § 4g EStG

13.147 Nach der Grundkonzeption in § 4g Abs. 2 Satz 1 EStG ist der Ausgleichsposten im Wirtschaftsjahr der Bildung und den folgenden Wirtschaftsjahren jeweils zu 1/5 gewinnwirksam aufzulösen. Eine kürzere tatsächliche Restnutzungsdauer des überführten Wirtschaftsguts ist unerheblich. Der jeweilige Auflösungsbetrag zählt zum laufenden Gewinn im inländischen Betriebsvermögen. Von der durch Art. 5 Abs. 3 ATAD eingeräumten Möglichkeit, die fünfjährige Steuerstreckung zu verzinsen, hat der deutsche Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht.1 13.148 Die Regelungen zu einer vorzeitigen Auflösung des Ausgleichspostens wurden durch das ATADUmsG modifiziert. Sie sind angelehnt an die Vorgaben in Art. 5 Abs. 3 und 4 ATAD. Regelungstechnisch bedient sich der Gesetzgeber in § 4g Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 EStG einer Rechtsgrundverweisung auf die in § 36 Abs. 5 Satz 4 Nr. 1–5 EStG genannten Tatbestände für die Auflösung der gestundeten Steuer in den Fällen des § 16 Abs. 3a EStG.2 Im Einzelnen sind dies: – Ausscheiden des Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen (Veräußerung, Entnahme oder sonstige Verlagerung in einen Nicht-EU-/EWR-Staat); – Einstellung, Veräußerung des Betriebs oder dessen Verlagerung in einen NichtEU-/EWR-Staat; – Beendigung der persönlichen (unbeschränkten) Steuerpflicht im Inland oder in einem EU-/EWR-Staat oder Begründung der Ansässigeit in einem Nicht-EU-/ EWR-Staat; – Insolvenz des Steuerpflichtigen; – Steuerrückstand im Zusammenhang mit der Ratenzahlung.

13.149 Nach § 4g Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 EStG führt nicht nur ein bereits tatsächlich eingetretener Steuerrückstand (§ 4g Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 5 Satz 4 Nr. 5 EStG), sondern auch eine von der Finanzverwaltung zu treffende Prognose, dass ein künftiger Steueranspruch aus der Auflösung des Ausgleichspostens gefährdet erscheint und der Steuerpflichte darüber hinaus dem Verlangen der Behörde auf Sicherheitengestellung nicht nachkommt, zu einer sofortigen Auflösung des Ausgleichspostens.3 Die Regelung ist an Art. 5 Abs. 3 Unterabs. 2 ATAD angelehnt. 13.150 Ferner führt ein Verstoß gegen Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten (§ 4g Abs. 5 Satz 2 EStG) zur Sofortauflösung des Ausgleichspostens. Insoweit verweist § 4g Abs. 5 EStG in der durch das ATADUmsG ergänzten Fassung auf § 36 Abs. 5 Satz 8 EStG und ermöglicht es einem erklärungspflichtigen Steuerpflichtigen, die Anzeige des Eintritts eines die sofortige Auflösung des Ausgleichspostens auslösenden

1 Heinicke in Schmidt41, § 4g EStG Rz. 10; Reddig in Kirchhof/Seer21, § 4g EStG Rz. 35; BTDrucks. 16/3369, 5. 2 Reddig in Kirchhof/Seer21, § 4g EStG Rz. 26. 3 Reddig in Kirchhof/Seer21, § 4g EStG Rz. 32.

874 | Gerten

B. Transfer eines EinzelWG vom Inland in eine ausländ. BS | Rz. 13.153 Kap. 13

Ereignisses anstatt „unverzüglich“ erst im Rahmen der nächsten Steuererklärung anzuzeigen.1 3. Rückführung des Wirtschaftsguts Die Rückführung eines Wirtschaftsguts, für das ein Ausgleichsposten im Zeitpunkt der Überführung gebildet wurde, aus einer ausländischen Betriebsstätte in das Inland war bis zur Änderung der Vorschrift durch das ATADUmsG in § 4g Abs. 3 EStG a.F. geregelt. Die gesetzliche Konzeption wich – trotz des Verweises in § 4g Abs. 3 Satz 2 EStG auf § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO – von der früheren Behandlung im Betriebsstättenerlass vom 24.12.1999 ab,2 die die Rückführung als rückwirkendes Ereignis für das Überführungsjahr behandelt und die dort eingetretene Gewinnrealisierung wieder rückgängig gemacht hat.3

13.151

Nach der Regelungskonzeption des § 4g Abs. 3 EStG a.F. ist im Fall einer Rückführung des Wirtschaftsguts vor Ablauf des 5-Jahres-Zeitraums der gebildete Ausgleichsposten ohne Auswirkung auf den Gewinn aufzulösen und das Wirtschaftsgut mit einem besonderen Rückführungswert anzusetzen, der AfA-Bemessungsgrundlage im Inland für die Jahre nach der Rückführung ist. Bei der Berechnung dieses inländischen Rückführungswerts gem. § 4g Abs. 3 EStG ist u.a. auch der Unterschiedsbetrag zwischen dem sich nach ausländischem Recht ergebenden Rückführungsbetrag (also einem eventuellen Entstrickungswert) und dem nach ausländischem Recht ermittelten Buchwert im Zeitpunkt der Rückführung zu berücksichtigen. Diese Wertverknüpfung kann im Einzelfall problematisch sein und einen Anreiz geben, das Wirtschaftsgut erst nach Ablauf der 5-Jahres-Frist in das Inland zurückzuführen.4 Denn in diesem Fall liegt eine Verstrickung des Wirtschaftsguts nach allgemeinen Grundsätzen vor, so dass sich der Wertansatz des Wirtschaftsguts dann nach dem gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG) im Rückführungszeitpunkt bestimmt.

13.152

Die Vorschrift des § 4g Abs. 3 EStG a.F. wurde durch das ATADUmsG ersatzlos aufgehoben, und zwar mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2021 (§ 52 Abs. 1 EStG). Für frühere Veranlagungszeiträume ist die Vorschrift daher noch bedeutsam. Bei der Rückführung des Wirtschaftsguts ist mithin kein besonderer Wert mehr anzusetzen, vielmehr gilt für die Bewertung nach § 6 Abs. 1 Nr. 5a Halbs. 1 EStG der gemeine Wert bzw. nach Halbs. 2 die Wertverknüpfung mit dem im Herkunftsstaat angesetzten Wert. Im Übrigen hat die ersatzlose Aufhebung von § 4g Abs. 3 EStG a.F.

13.153

1 Heuermann in Brandis/Heuermann, § 4g EStG Rz. 4c (Stand: März 2022); BT-Drucks. 19/ 28652, 34. 2 Im Fall der Rückführung des Wirtschaftsguts aus der ausländischen Betriebsstätte in das inländische Stammhaus war ein im inländischen Stammhaus gebildeter Ausgleichsposten nach BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Tz. 2.6.2 in vollem Umfang neutral aufzulösen oder eine gewählte Sofortbesteuerung im Wege der Berichtigung auf Grundlage eines rückwirkenden Ereignisses rückgängig (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO) zu machen. 3 Benecke, NWB Fach 3, 14733 (14754) = NWB 37/2007, 3232 (3252). 4 Vgl. Kessler/Winterhalter/Huck, DStR 2007, 133 (135 ff.).

Gerten | 875

Kap. 13 Rz. 13.153 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

zur Folge, dass noch bestehende Ausgleichsposten auch für ins inländische Betriebsvermögen zurückgeführte Wirtschaftsgüter fortzuführen und sukzessive aufzulösen sind.1

C. Transfer eines Einzelwirtschaftsguts vom Ausland in das inländische Stammhaus oder eine inländische Betriebsstätte I. Rechtsentwicklung der Verstrickungsregelungen 1. Vom finalen Einlagebegriff zum allgemeinen Verstrickungskonzept

13.154 Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung von im Ausland entstandenen stillen Reserven bei Begründung des deutschen Besteuerungsrechts müssen für die Frage, ob bei Überführung von Wirtschaftsguts aus einem ausländischen Betrieb oder einer ausländischen Betriebsstätte eines Steuerpflichtigen in das inländische Stammhaus oder eine inländische Betriebsstätte eine Einlage anzunehmen ist, die Grundsätze entsprechend Anwendung finden, die bei Überführung vom Inland in eine ausländische Betriebsstätte gelten. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des BFH zum finalen Entnahmebegriff exstierte daher ein spiegelbildlicher finaler Einlagebegriff, der die Begründung eines deutschen Besteuerungsrechts infolge Überführung eines Wirtschaftsguts von einer Freistellungsbetriebsstätte ins Inland als Einlage behandelte.2 2. Einführung eines allgemeinen Verstrickungskonzepts durch das SEStEG

13.155 Der Gesetzgeber hat mit dem SEStEG in § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG spiegelbildlich zu § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG einen allgemeinen Verstrickungstatbestand geschaffen. Die Vorschrift normiert für den Zeitpunkt der Verstrickung eine Einlagefiktion. Das zugeführte Wirtschaftsgut wird mit der Begründung des inländischen Besteuerungsrechts als in das inländische Betriebsvermögen eingelegt behandelt und ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 5a Halbs. 1 EStG mit dem gemeinen Wert im Zeitpunkt der Zuführung anzusetzen.3 Der Wertansatz korrespondiert daher nicht notwendigerweise mit einem etwaigen Wertansatz, den der ausländische Herkunftsstaat, aus dem das Wirtschaftsguts ins Inland überführt wird, im Rahmen einer potentiellen Entstrickungsbesteuerung angesetzt hat.4 Dem unilateral vorgegebenen Ansatz eines Werts wurde entgegen gehalten, dass dieser nur in den wenigsten Fällen zu einem zutreffenden Ergebnis führe, da es bei einer Überführung von Wirtschaftsgütern oder einem bloßen Zuordnungswechsel keinen am Markt bestätigten Preis für die betroffenen Wirtschaftsgüter gibt, der als Grundlage für den anzusetzenden gemeinen Wert herangezogen werden könne. Die Anwendung von (nationalen) Bewertungsvorschriften führe nur selten zum selben Ergebnis in beiden betroffenen Staaten. Bei Ansatz 1 2 3 4

Reddig in Kirchhof/Seer21, § 4g EStG Rz. 35. Musil in H/H/R, § 4 EStG Anm. 306, 321 (Stand: Juni 2022). Loschelder in Schmidt41, § 4 EStG Rz. 254. Dötsch/Pung, DB 2006, 2648 (2651).

876 | Gerten

C. Transfer eines EinzelWG v. Ausl. in das inländ. Stammhaus/BS | Rz. 13.158 Kap. 13

eines unter dem (nach deutschen Regelungen ermittelten) gemeinen Wert im Herkunftsstaat drohte bislang eine doppelte Nichtbesteuerung in Höhe der Bewertungsdifferenz; umgekehrt drohe eine Doppelbesteuerung, wenn der Herkunftsstaat einen über dem deutschen gemeinen Wert liegenden Wertansatz gewählt hatte.1 Die Vorschrift setzt ferner voraus, dass erstmals ein inländisches Besteuerungsrecht in Bezug auf den Gewinn aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts begründet wurde. Im Gegensatz zum Entstrickungstatbestand ist die Nutzung von Wirtschaftsgütern vom allgemeinen Verstrickungstatbestand nicht erfasst. Anders als der allgemeine Entstrickungstatbestand knüpfte § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG bislang auch nur an die Begründung des deutschen Besteuerungsrechts an. Fälle einer Verstärkung des deutschen Besteuerungsrechts sind nicht erfasst. Zu einer solchen Verstärkung kommt es insbesondere dann, wenn ein Wirtschaftsgut aus einer ausländischen Betriebsstätte in einem Staat mit DBA-Anrechnung oder einem Nicht-DBA-Staat in das inländische Stammhaus des Steuerpflichtigen überführt wird. Hierdurch entfällt die deutsche Anrechnungsverpflichtung und das bislang eingeschränkte Besteuerungsrecht erstarkt zu einem uneingeschränkten Besteuerungsrecht.2

13.156

3. Anpassung der Verstrickungsregelungen an das Unionsrecht durch das ATADUmsG Zur Vermeidung unabgestimmter Besteuerungsfolgen verlangen die ATAD sowohl in den Fällen einer Begründung als auch einer Verstärkung des Besteuerungsrechts die grundsätzliche Anerkennung des vom anderen Staat im Rahmen einer Entstrickungsbesteuerung zugrunde gelegten Werts, sofern dieser „dem Marktwert“ entspricht (Art. 5 Abs. 5 ATAD). Die Regelungen sollen bewirken, dass Wirtschaftsgüter, an denen bislang kein inländisches Besteuerungsrecht bestanden hat, bei Überführung in eine inländische Betriebsstätte ungeachtet einer Besteuerung von stillen Reserven aufgrund des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts im Herkunftsstaat für steuerliche Zwecke stets mit dem Wert anzusetzen sind, den der Herkunftsstaat der Besteuerung zugrunde legt.3 Ziel ist es, dass vom Besteuerungsrecht des Herkunftsstaats erfasste stille Reserven nicht im Inland steuerverstrickt werden.4

13.157

Um die Vorgabe der Wertverknüpfung umzusetzen, wurde durch das ATADUmsG die Bewertungsregel des § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG um einen zweiten Halbsatz dahingehend ergänzt, dass in dem Fall, dass das Wirtschaftsgut bei Überführung ins Inland im Herkunftsstaat einer Entstrickungsbesteuerung unterlegen hat, die Einlage mit dem Wert zu erfolgen hat, den der Herkunftsstaat der Entstrickungsbesteuerung zugrunde gelegt hat, höchstens aber mit dem gemeinen Wert.5 Ob durch die gesetz-

13.158

1 Böhmer/Schewe/Schlücke, FR 2021, 765 (769). 2 Musil in H/H/R, § 4 EStG Anm. 321 ff. (Stand: Juni 2022); Böhmer/Schewe/Schlücke, FR 2021, 765 (770). 3 Bode in Kirchhof/Seer21, § 4 EStG Rz. 111. 4 BR-Drucks. 245/21, 35. 5 Böhmer/Schewe/Schlücke, FR 2021, 765 (770).

Gerten | 877

Kap. 13 Rz. 13.158 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

lich vorgesehene Wertverknüpfung eine doppelte Nichtbesteuerung der stillen Reserven tatsächlich wirksam verhindert werden kann, wird im Schrifttum kritisch beurteilt. Insbesondere in den Fällen, in denen im Ausland keine Entstrickungsbesteuerung erfolgt sei, bleibe es nach dem Wortlaut der durch das ATADUmsG neugefassten Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 5a Halbs. 2 EStG im Inland beim Ansatz mit dem gemeinen Wert. Im Gegensatz zum ebenfalls neu eingefügten § 6 Abs. 1 Nr. 5b EStG verlangt der zweite Halbsatz des § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG eine „Besteuerung auf Grund des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts“ des abgebenden Staates. In EU-Fällen dürfte dies wegen der Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Einführung einer Entstrickungsbesteuerung im Betriebsvermögen von Kapitalgesellschaften (Art. 5 Abs. 1 ATAD) regelmäßig der Fall sein, soweit Körperschaften betroffen sind; die Regelung ist aber auf Drittstaaten genauso anwendbar. Damit bleibe eine steuerfreie Verstrickung zum gemeinen Wert bei nicht erfolgter Entstrickungsbesteuerung im Ausland weiter möglich.1

13.159 Aufgrund der Verpflichtung der Umsetzung der ATAD sah sich der Gesetzgeber ferner veranlasst, auch die bisher nicht erfassten Fälle der Verstärkung eines deutschen Besteuerungsrechts gesetzlich zu regeln. Dazu wurde einerseits § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG um einen zweiten Halbsatz erweitert. Eine fiktive Entnahme ist danach auf Antrag auch in den Fällen anzunehmen, „in denen die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts entfällt und in einem anderen Staat eine Besteuerung auf Grund des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts dieses Staates hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung des Wirtschaftsguts erfolgt“. Zusätzlich wurde in einem neu eingefügten § 4 Abs. 1 Satz 9 EStG gesetzlich geregelt, dass in den Fällen der Antragsentstrickung (§ 4 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 EStG) das Wirtschaftsgut als unmittelbar nach der Entnahme wieder eingelegt gilt. Die Entnahme nach § 4 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 EStG ist mit dem Wert anzusetzen, den der andere Staat der Besteuerung zugrunde gelegt hat, höchstens jedoch mit dem gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG). Die fiktive Einlage nach § 4 Abs. 1 Satz 9 EStG ist ebenfalls mit dem Wert anzusetzen, den der andere Staat der Besteuerung zugrunde legt, höchstens jedoch mit dem gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5b EStG). Für Körperschaften wurde eine strukturgleiche Regelung in § 12 Abs. 1 Satz 3 KStG eingefügt. 13.160 Die Überführung eines Wirtschaftsgutes aus einer ausländischen in eine inländische Betriebsstätte löst danach zunächst eine fiktive Entnahme aus, die korrespondierend mit dem Wert anzusetzen ist, den auch der ausländische Staat im Rahmen seiner Entstrickungsbesteuerung angesetzt hat. Hierdurch werden sowohl in Deutschland die stillen Reserven aufgedeckt (sog. Welcome Tax)2 als auch im ausländischen Betriebsstättenstaat. Eine Doppelbesteuerung wird aber in diesen Fällen regelmäßig durch Anrechnung der ausländischen Steuern nach § 34c EStG bzw. § 26 KStG vermieden.3 Sodann gilt das Wirtschaftsgut eine logische Sekunde später als in die inländische Betriebsstätte eingelegt mit dem im Rahmen der fiktiven Entstrickung/Ent1 Böhmer/Schewe/Schlücke, FR 2021, 765 (770). 2 Dazu Kudert/Kielawa-Buzała, IStR 2021, 605 (606 f.). 3 BT-Drucks. 19/28652, 32.

878 | Gerten

C. Transfer eines EinzelWG v. Ausl. in das inländ. Stammhaus/BS | Rz. 13.163 Kap. 13

nahme angesetzten Wert. Hierdurch wird im Ergebnis sichergestellt, dass die in den überführten Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven noch in der Anrechnungsbetriebstätte aufgedeckt werden; durch den Wertansatz im Rahmen der Einlagefiktion werden die vom anderen Staat besteuerten stillen Reserven nicht erneut erfasst und es wird neues Abschreibungspotential generiert.1 Dieses Zusammenspiel aus fiktiver Entnahme und Einlage führt damit im Grundsatz zu einer Abgrenzung der Besteuerungssphären (ausländische und inländische Betriebsstätte) mit einer Zuordnung der stillen Reserven zu der Sphäre, in der sie jeweils entstanden sind.2

Durch das ATADUmsG wird § 12 KStG ferner um einen neuen Abs. 1a KStG ergänzt. Die Vorschrift erklärt die Regelungen des EStG für Verstrickungssachverhalte bei Begründung des inländischen Besteuerungsrechts oder bei Wegfall einer Beschränkung des inländischen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts für entsprechend anwendbar, wenn dieses Wirtschaftsgut der außerbetrieblichen Sphäre einer Körperschaft zuzuordnen ist. Ausweislich der Gesetzesbegründung3 soll § 12 Abs. 1a KStG die Verpflichtung zur Wertverknüpfung aus Art. 5 Abs. 5 ATAD umsetzen, der hinsichtlich des Wertansatzes im Fall der erstmaligen Verstrickung von Wirtschaftsgütern oder dem Wegfall einer Beschränkung des Besteuerungsrechts nicht zwischen Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens und Wirtschaftsgütern der außerbetrieblichen Sphäre einer Körperschaft differenziert. Die Vorschrift hat besondere Relevanz für Körperschaften, die unstreitig eine außerbetriebliche Sphäre haben, insbesondere beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften sowie vermögensverwaltende Vereine oder Stiftungen; während für (unbeschränkt) steuerpflichtige Kapitalgesellschaften und andere Körperschaften i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KStG auch weiterhin vom Fehlen einer außerbetrieblichen Sphäre auszugehen sein sollte.4

13.161

II. Verhältnis der Verstrickungsregelungen zu anderen Vorschriften Ebenso wie die allgemeinen Entstrickungsregelungen sind auch die allgemeinen Verstrickungstatbestände steuerliche Gewinnermittlungsvorschriften und stehen als solche unabhängig neben den Einkünftekorrekturvorschriften des § 1 AStG, die nur zu einer Erhöhung der inländischen Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen oder zur Minderung der ausländischen Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen führen können.5 Insoweit kann auf Rz. 13.85 ff. verwiesen werden.

13.162

Nach Ansicht der Finanzverwaltung gelten die Grundsätze des § 1 Abs. 3b AStG und der FVerlV6 auch für Funktionsverlagerungen ins Inland.7 Wenn daher Funktionen

13.163

1 BT-Drucks. 19/28652, 32 f. 2 Böhmer/Schewe/Schlücke, FR 2021, 765 (770); Kudert/Kielawa-Buzała, IStR 2021, 605 (609 ff.). 3 BT-Drucks. 19/28652, 44. 4 Böhmer/Schewe/Schlücke, FR 2021, 765 (772). 5 BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001 - 03, BStBl. I 2017, 182 (VWG BsGa) Tz. 10. 6 Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV) vom 12.8.2008 (BGBl. I 2008, 1680). 7 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 (VWG FVerl) Tz. 3.

Gerten | 879

Kap. 13 Rz. 13.163 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

von einer ausländischen Betriebsstätte in das inländische Stammhaus oder von einem ausländischen Stammhaus in eine inländische Betriebsstätte verlagert werden, ist auch in diesem Fall ein Transferpaket zu bewerten und im Rahmen einer anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung gem. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG abzurechnen. Das Transferpaket soll dann, vergleichbar einer Kaufpreisallokation, den ins Inland überführten Wirtschaftsgütern und sonstigen Vermögenswerten zuzuordnen sein. Soweit Einzelwirtschaftsgüter im Transferpaket enthalten sind, kommt es zu einer fiktiven Einlage (§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG). Soweit das Transferpaket Vermögenswerte ohne Wirtschaftsguteigenschaft enthält (insbesondere einen anteiligen Geschäfts- oder Firmenwert), kommt eine (fiktive Einlage) nicht in Betracht, so dass der auf diesen Teil des Transferpakets entfallende Betrag eine fiktive Betriebsausgabe darstellt.1 III. Tatbestandliche Voraussetzungen der Verstrickungsregelungen

13.164 Konzeptionell unterscheiden die allgemeinen Verstrickungsregelungen zwischen der Verstrickung von Wirtschaftsgütern infolge erstmaliger Begründung eines inländischen Besteuerungsrechts (Verstrickungseinlage) und infolge Fortfalls einer Beschränkung eines inländischen Besteuerungsrechts (Verstärkungseinlage).2 Die Verstrickungseinlage ist in § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG normiert. Über § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG ist die Regelung auch bei Körperschaften anwendbar.3 Die Verstärkungseinlage ist als Entnahme- und Wiedereinlagefiktion in § 4 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2, Satz 9 EStG bzw. als Veräußerungs- und Anschaffungsfiktion in § 12 Abs. 1 Satz 3 KStG geregelt. Tatbestandlich schließen sich die Verstrickungseinlage und die Verstärkungseinlage gegenseitig aus. Anders als bei der Verstrickungseinlage erfolgt die Verstärkungseinlage nur auf Antrag des Steuerpflichtigen.4 1. Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts

13.165 Anknüpfungspunkt der allgemeinen Verstrickungsregelungen ist das inländische Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts. Im Gegensatz zum Entstrickungstatbestand ist die Nutzung von Wirtschaftsgütern vom allgemeinen Verstrickungstatbestand nicht erfasst. Der Anwendungsbereich der Verstrickungsregelungen bezieht sich zwar ihrem Wortlaut nach nur auf einzelne Wirtschaftsgüter; anders als im spiegelbildlichen Fall des § 16 Abs. 3a EStG fehlt es jedoch an speziellen Regelungen für die Verlegung betrieblicher Einheiten. Die Vorschrift findet daher auch auf Sachgesamtheiten Anwendung.5 1 Ditz in W/A/D2, Rz. 6.301. 2 Zu den Begrifflichkeiten Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 378 ff. (Stand: März 2022). 3 Bode in Kirchhof/Seer21, § 4 EStG Rz. 110. 4 Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 381 (Stand: März 2022). 5 Meyer in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, § 4 EStG Rz. 852.

880 | Gerten

C. Transfer eines EinzelWG v. Ausl. in das inländ. Stammhaus/BS | Rz. 13.168 Kap. 13

2. Begründung des deutschen Besteuerungsrechts Tatbestandsvoraussetzung der Begründung des inländischen Besteuerungsrechts ist, dass Deutschland vor der Überführung des Wirtschaftsguts kein Besteuerungsrecht an dessen stillen Reserven hatte und dieses Recht auch erst durch das die Verstrickung auslösende Moment erwirbt. Als Anwendungsfälle kommen insbesondere in Betracht:1

13.166

– Überführung eines Wirtschaftsguts aus einer ausländischen Betriebsstätte (Staat mit DBA-Freistellung) in das inländische Stammhaus; – Überführung eines Wirtschaftsguts aus dem ausländischen Stammhaus oder einer anderen ausländischen Betriebsstätte in die inländische Betriebsstätte; – bei einem inländischen Stammhaus Überführung eines Wirtschaftsguts aus einer ausländischen Betriebsstätte (Staat mit DBA-Freistellung) in eine ausländische Betriebsstätte (Staat mit DBA-Anrechnung); – Kündigung eines DBA mit Freistellungsmethode oder Übergang von der Freistellungsmethode zur Anrechnungsmethode durch Änderung eines DBA. 3. Verstärkung des deutschen Besteuerungsrechts Tatbestandsvoraussetzung der Verstärkung des inländischen Besteuerungsrechts ist, dass Deutschland bereits vor der Überführung des Wirtschaftsguts ein eingeschränktes Besteuerungsrecht an dessen stillen Reserven zustand und diese Beschränkung durch das die Verstärkung auslösende Moment entfällt. Als Anwendungsfälle kommen insbesondere in Betracht:2

13.167

– Überführung eines Wirtschaftsguts aus einer ausländischen Betriebsstätte (Staat mit DBA-Anrechnung) in das inländische Stammhaus; – Überführung eines Wirtschaftsguts aus einer ausländischen Betriebsstätte (NichtDBA-Staat) in das inländische Stammhaus. In diesen Fällen wurde das Wirtschaftsgut bereits vor der Überführung in der deutschen Steuerbilanz des Einheitsunternehmens erfasst. Das Besteuerungsrecht hinsichtlich der stillen Reserven steht dem Betriebsstättenstaat als Belegenheitsstaat und Deutschland als Ansässigkeitsstaat zu. Das deutsche Besteuerungsrechts wird jedoch durch die Verpflichtung zur Anrechnung der ausländischen Steuer beschränkt.3 Dabei ist es irrelevant, ob sich eine Anrechnung ausländischer Steuer aus einem DBA oder allein aus § 34c EStG bzw. § 26 KStG ergibt.4 Durch die Überführung des Wirtschaftsguts in das deutsche Stammhaus entfällt die Verpflichtung zur Anrech-

1 Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 Rz. 426 (Stand: April 2022); Kudert/Kielawa-Buzała, IStR 2021, 605 (607). 2 Kudert/Kielawa-Buzała, IStR 2021, 605 (607). 3 Kudert/Kielawa-Buzała, IStR 2021, 605 (607 f.). 4 Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 381 (Stand: März 2022).

Gerten | 881

13.168

Kap. 13 Rz. 13.168 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

nung der ausländischen Steuer. Es liegt eine Verstärkung des inländischen Besteuerungsrechts vor. IV. Rechtsfolgen der Verstrickung 1. Begründung des deutschen Besteuerungsrechts

13.169 Rechtsfolge des Eintritts der Steuerverstrickung durch erstmalige Begründung eines inländischen Besteuerungsrechts ist, dass der Eintritt in das deutsche Besteuerungsrecht als Einlage behandelt wird. Diese fiktive Einlage ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 5a Halbs. 1 EStG mit dem gemeinen Wert zu bewerten oder nach § 6 Abs. 1 Nr. 5a Halbs. 2 EStG mit dem im Herkunftsstaat der Besteuerung zugrunde gelegten Wert, wenn das Wirtschaftsgut dort einer Entstrickungsbesteuerung unterliegt. Findet im Herkunftsstaat eine Entstrickungsbesteuerung statt, so besteht hinsichtlich des Wertansatzes der fiktiven Einlage kein Wahlrecht, sondern es ist zwingend von einer Verknüpfung mit dem Steuerwert des Herkunftsstaats auszugehen, der Höhe nach jedoch beschränkt auf den gemeinen Wert.1 2. Verstärkung des deutschen Besteuerungsrechts

13.170 Die Verstärkungseinlage ist regelungstechnisch ausgestaltet als eine fakultative Entnahme- und Wiedereinlagefiktion (§ 4 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2, Satz 9 EStG) bzw. Veräußerungs- und Anschaffungsfiktion (§ 12 Abs. 1 Satz 3 KStG) zum Steuerwert des Herkunftsstaats (begrenzt auf den gemeinen Wert). Im Gegensatz zur Verstrickungs-Einlage erfolgt die Verstärkungs-Einlage nur auf Antrag des Steuerpflichtigen. Ziel der Regelung ist es, Hemmnisse bei der Überführung von WG ins Inland zu vermeiden.2 Durch eine zielgenaue Antragstellung lassen sich ausländische Steuern optimaler anrechnen und Risiken einer Doppelbesteuerung in Form von Anrechnungsüberhängen (vgl. Rz. 13.142) vermindern.3 Umstritten ist, ob die bedingt durch eine fiktive Verstärkungseinlage ausgelöste Sofortbesteuerung in Deutschland (Welcome Tax) durch einen Ausgleichsposten nach § 4g EStG abgemildert werden kann.4 Zutreffend ist dies abzulehnen, da es in Verstärkungsfällen bereits an den Tatbestandsvoraussetzungen des § 4g Abs. 1 Satz 1 EStG fehlt, die eine Beschränkung des inländischen Besteuerungsrechts zugunsten eines EU-/EWR-Staats erfordern.

1 2 3 4

Loschelder in Schmidt41, § 4 EStG Rz. 254. BT-Drucks. 19/28652, 33. Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 381 (Stand: März 2022). Dagegen Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 382 (Stand: März 2022); dafür Kudert/ Kielawa-Buzała, IStR 2021, 605 (608).

882 | Gerten

D. Sonderfälle der steuerlichen Entstrickung und Verstrickung | Rz. 13.171 Kap. 13

D. Sonderfälle der steuerlichen Entstrickung und Verstrickung I. Überführungen bei unbeschränkter Steuerpflicht im Inland 1. Überführungen im Ausland Fraglich ist, ob eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts angenommen werden kann, wenn ein Wirtschaftsgut von einer Betriebsstätte in einem DBA-Staat mit Anrechnungsmethode bzw. in einem Nicht-DBA-Staat in eine Betriebsstätte in einem DBA-Staat mit Freistellungsmethode überführt wird (Überführungen im Ausland). Die Regelbeispiele sind nicht einschlägig, da sie nur den Zuordnungswechsel eines Wirtschaftsguts vom Inland in das Ausland erfassen. Innerhalb des Grundtatbestands ist stets die Prüfung erforderlich, ob vor dem Vorgang, an den die Entstrickung anknüpfen soll, ein deutsches Besteuerungsrecht für den Veräußerungsgewinn bestanden hat, das nach diesem Vorgang eingeschränkt wird. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG erfassen daher auch manche Überführungsvorgänge zwischen ausländischen Betriebsstätten. So liegt ein „Ausschluss“ des deutschen Besteuerungsrechts vor, wenn ein Wirtschaftsgut aus einer ausländischen Anrechnungsbetriebsstätte oder Nicht-DBA-Betriebsstätte in eine DBA-Freistellungsbetriebsstätte überführt wird.1 Das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik wird jedoch nicht beschränkt,2 wenn ein Wirtschaftsgut aus einer ausländischen Betriebsstätte mit Anrechnungsmethode in eine andere ausländische Betriebsstätte mit Anrechnungsmethode überführt wird. In diesem Fall bleibt das deutsche Besteuerungsrecht (die Besteuerung unter Anrechnung der ausländischen Steuern) unverändert. Das gilt auch dann, wenn der Staat, in den das Wirtschaftsgut überführt wird, ein höheres Steuerniveau hat als der Staat, aus dem es überführt wird. Dann muss Deutschland zwar einen höheren Steuerbetrag anrechnen, die inländische Steuer wird also reduziert, oder wenn das Wirtschaftsgut in einen DBA-Staat überführt wird und nach dem dann einschlägigen DBA der Quellensteuerabzug des Quellenstaats höher ist als nach dem DBA mit dem Staat, aus dem das Wirtschaftsgut überführt worden ist.3 Ungeklärt ist die weitere Frage, ob die Entstrickungsnormen nach der ersten Überführung eines Wirtschaftsguts ins Ausland mit Aufdeckung der stillen Reserven ausgeschlossen sind oder ob es sich um Dauertatbestände handelt, die auch spätere Statusveränderungen für das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Veräußerungsgewinns durch den Wechsel in weitere ausländische Betriebsstätten erfassen.4 Nach zutreffender Ansicht dürfen die Entstrickungsnormen nur den jeweils ersten Zuordnungswechsel des Wirtschaftsguts erfassen, der eine Statusverschlechterung des deutschen Besteuerungsrechts für den Veräußerungsgewinn begründet.

1 Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 377 (Stand: April 2022); Benecke, NWB Fach 3, 14733 (14739) = NWB 37/2007, 3232 (3238). 2 Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 382, 382a (Stand: April 2022). 3 Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 382, 382a (Stand: April 2022). 4 Ditz in W/R/S2, Rz. 14.11.

Gerten | 883

13.171

Kap. 13 Rz. 13.172 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

2. Wegzug aus dem Inland

13.172 Unter § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG fällt grundsätzlich auch die Verlagerung einer ganzen Betriebsstätte und daher auch die „Sitzverlegung“ einer Personengesellschaft, die als Verlegung der Geschäftsleitungsbetriebsstätte zu behandeln ist. Vorrangig gilt für diese Fallgruppe allerdings § 16 Abs. 3a EStG. Gleiches gilt für den Wegzug einer gewerblich tätigen natürlichen Person, wenn damit die Verlagerung einer Betriebsstätte (i.d.R. des „Stammhauses“) verbunden ist.1 § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG gilt gem. § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG nicht für Anteile an einer Europäischen Gesellschaft oder Europäischen Genossenschaft in den Fällen der Sitzverlegung. II. Überführungen bei beschränkter Steuerpflicht im Inland 1. Überführungen aus inländischer Betriebsstätte in das Ausland

13.173 Transferiert ein beschränkt Steuerpflichtiger Wirtschaftsgüter aus einer inländischen Betriebsstätte in das ausländische Stammhaus oder in eine andere ausländische Betriebsstätte, ist der deutsche Besteuerungszugriff auf den Veräußerungsgewinn des Wirtschaftsguts nach dem Territorialitätsprinzip auf die im Inland entstandenen stillen Reserven beschränkt (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG).2 13.174 Vor Einführung der §§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, 12 KStG wurde die grenzüberschreitende Überführung von materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern durch einen beschränkt steuerpflichtigen Unternehmensträger immer als Ersatzrealisationsvorgang behandelt.3 Die Entstrickungsnormen in §§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, 12 Abs. 1 KStG finden nunmehr (rückwirkend auch für VZ vor 2006 ohne Verfassungsverstoß, vgl. Rz. 13.44 ff.) auf beschränkt steuerpflichtige Unternehmensträger ebenfalls Anwendung. Unter die §§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, 12 Abs. 1 KStG fallen daher auch Überführungen von Wirtschaftsgütern aus der inländischen Betriebsstätte eines beschränkt Steuerpflichtigen in das ausländische Stammhaus oder in eine andere ausländische Betriebsstätte des Unternehmens, wenn hierdurch der „Ausschluss“ oder die „Beschränkung“ des deutschen Besteuerungsrechts für den Veräußerungsgewinn bewirkt wird.4 Seit der Neufassung des § 4g EStG durch das ATADUmsG können auch beschränkt Steuerpflichtige im EU-/EWR-Fall die Folgen der Sofortversteuerung durch Bildung eines Ausgleichspostens abmildern. 2. Überführungen aus dem Ausland in eine inländische Betriebsstätte

13.175 Der Begriff der Verstrickung bezeichnet den Fall der Zuführung stiller Reserven eines Wirtschaftsguts durch den Steuerpflichtigen in ein inländisches Betriebsvermögen, 1 Vgl. Blöchle, IStR 2009, 645 ff.; Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 366a (Stand: April 2022). 2 Kessler/Huck, StuW 2005, 193 (194); Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 367 f. (Stand: April 2022). 3 Kessler/Huck, StuW 2005, 193 (197) mit Hinweis auf BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.6.3; Benecke, NWB Fach 3, 14733 (14737) = NWB 37/ 2007, 3232 (3236). 4 Vgl. Gosch in Kirchhof/Seer21, § 49 EStG Rz. 16.

884 | Gerten

D. Sonderfälle der steuerlichen Entstrickung und Verstrickung | Rz. 13.178 Kap. 13

wenn diese stillen Reserven bislang nicht der inländischen Besteuerung unterlegen haben.1 Der Gesetzgeber geht spiegelbildlich zur Entstrickung als fiktiver Entnahme von einer fiktiven Einlage aus. Dies gilt sowohl für Steuerpflichtige, die der Einkommensteuer unterliegen, als auch für Körperschaftsteuersubjekte.2 Grundtatbestand der Verstrickung ist § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG, der eine fiktive Einlage für den Fall annimmt, dass das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung des Wirtschaftsguts „begründet“ wird. In diesem Fall setzt Deutschland das Wirtschaftsgut mit dem gemeinen Wert an (§ 6 Abs. 1 Nr. 5a Halbs. 1 EStG), wobei in dem Fall, dass das Wirtschaftsgut bei Überführung ins Inland im Ausland einer Entstrickungsbesteuerung unterlegen hat, die Einlage mit dem Wert zu erfolgen hat, den der Herkunftsstaat der Entstrickungsbesteuerung zugrunde gelegt hat, höchstens aber mit dem gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5a Halbs. 2 EStG). Ob es zu einer Entstrickung im Ausland kommt, richtet sich ausschließlich nach ausländischem Steuerrecht. Die Abschreibungen im Inland bestimmen sich nach dem Einlagewert (Fremdvergleichspreis) als Bemessungsgrundlage. Weicht der gemeine Wert vom Teilwert des Wirtschaftsguts ab, kann bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung im Inland auf den Teilwert abgeschrieben werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG). Das Wahlrecht einer fiktiven Verstrickungsbesteuerung (Welcome Tax mit korrespondierender Erhöhung des AfA-Volumens) besteht im Falle beschränkter Steuerpflicht nicht, da zwangsläufig nur Fälle der Begründung, nicht jedoch Fälle der Verstärkung eines inländischen Besteuerungsrechts betroffen sein können.

13.176

Die Sachverhalte, die zu einer Verstrickung führen, sind nicht kongruent mit den Tatbeständen der Entstrickung. Eine Verstrickung tritt nicht ein, wenn ein Wirtschaftsgut einer inländischen Betriebsstätte vorübergehend zur Nutzung überlassen wird. Hauptanwendungsfälle der Verstrickung sind somit die Überführung eines Wirtschaftsguts aus einer DBA-Freistellungsbetriebsstätte in das inländische Stammhaus, die Überführung eines Wirtschaftsguts aus einem ausländischen Stammhaus in die inländische Betriebsstätte und Änderungen des DBA-Status des Wirtschaftsguts (z.B. bei Übergang von der Freistellungsmethode zur Anrechnungsmethode aufgrund eines DBA-Aktivitätsvorbehalts, gem. § 20 Abs. 2 AStG und bei Kündigung eines DBA).3

13.177

III. Entstrickung und Verstrickung ohne zurechenbares Verhalten des Steuerpflichtigen Schließlich können passive Steuerentstrickungsvorgänge – ohne ein Handeln des Steuerpflichtigen – eintreten. Die Entstrickungsnormen verlangen weder eine „Entstrickungshandlung“ noch einen „Entstrickungswillen“.4 Diskutierte Beispiele betref1 Vgl. Prinz in JbFStR 2007, 292 (309). 2 Das Einlagekonto gem. § 27 KStG soll sich nicht erhöhen, vgl. Benecke, NWB Fach 3, 14733 (14755) = NWB 37/2007, 3232 (3253). 3 Benecke, NWB Fach 3, 14733 (14755) = NWB 37/2007, 3232 (3253). 4 Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 373a, 373b (Stand: April 2022).

Gerten | 885

13.178

Kap. 13 Rz. 13.178 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

fen den Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens mit Geltung der Freistellungsmethode für Betriebsstättengewinne1 und das Ausscheiden einer Zwischengesellschaft gem. §§ 7 ff. AStG aus der Hinzurechnungsbesteuerung durch Ausweitung ihres Geschäftsbetriebs.2 Denkbar ist auch, dass ein Staat, der Betriebsstätteneinkünfte nicht besteuert, sein nationales Recht ändert und eine in Deutschland anrechenbare Steuer erhebt.3 1. Zulässigkeit der passiven Entstrickung

13.179 Gegenwärtig nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob es zu einem den Tatbestand der allgemeinen Entstrickungsregelungen verwirklichenden Ausschluss oder einer Beschränkung des inländischen Besteuerungsrechts auch ohne ein dem Steuerpflichtigen zurechenbares Verhalten kommen kann (sog. passive Entstrickung). Tatbestandlich knüpfen die § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG nur an die Tatsache der Entstrickung an und machen den Eintritt der Rechtsfolgen nicht davon abhängig, auf welche Weise diese Entstrickung erfolgt. 13.180 Die Finanzverwaltung hält einen Einfluss des Steuerpflichtigen auf die zum Ausschluss oder einer Beschränkung des inländischen Besteuerungsrechts führenden Umstände für nicht erforderlich. Der Tatbestand des Ausschlusses oder der Beschränkung des inländischen Besteuerungsrechts i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG setze kein (willensgetragenes) aktives Verhalten des Steuerpflichtigen voraus.4 Er könne unabhängig von einer Handlung des Steuerpflichtigen durch eine Änderung der rechtlichen Ausgangssituation ausgelöst werden, z.B. infolge der erstmaligen Anwendbarkeit eines erstmals abgeschlossenen oder revidierten Doppelbesteuerungsabkommens. Auch der Gesetzgeber geht erkennbar von der grundsätzlichen Zulässigkeit einer passiven Entstrickung aus. Dies belegen die gesetzgeberischen Begleitmaßnahmen zur Verhinderung steuerlicher Entstrickungen infolge des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union.5 Zudem soll ausweislich der Gesetzesbegründung zum durch das ATADUmsG neugefassten § 4g EStG die Vorschrift auch im Falle einer passiven Entstrickung zur Anwendung kommen.6 1 Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 383a (Stand: April 2022); ablehnend Bode in Kirchhof/Seer21, § 4 EStG Rz. 107; Förster, DB 2007, 72 ff. Von einer Entstrickung gehen jedenfalls der Gesetzgeber und die Finanzverwaltung aus, wie anhand der Regelungen im neu abgeschlossenen DBA Liechtenstein erkennbar ist. Die Bundesrepublik hat im Protokoll zum neuen DBA in Nr. 4 zu Art. 13 (Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen) für Entstrickungen ausdrücklich eine Regelung vereinbart, nach der Deutschland seinen Besteuerungsanspruch aus der fiktiven Entnahme durchsetzen kann und ein Ausgleichsposten gem. § 4g EStG gebildet werden darf. Vgl. dazu Lüdicke, FR 2011, 1077 (1081). 2 Zur Diskussion dieser Fallgruppe vgl. Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 383a bis 387a (Stand: April 2022). 3 Ditz in W/R/S2, Rz. 12.12. 4 BMF v. 26.10.2018 – IV B 5-S 1348/07/10002-01, BStBl. I 2018, 1104. 5 Dazu Zöller/Steffens, IStR 2019, 286. 6 BT-Drucks. 19/28652, 33.

886 | Gerten

D. Sonderfälle der steuerlichen Entstrickung und Verstrickung | Rz. 13.181 Kap. 13

Im steuerrechtlichen Schrifttum findet der Eintritt der Besteuerungsfolge auch für den Fall, dass die Verwirklichung des § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG auf einer Ursache beruht, die dem Steuerpflichtigen nicht zuzurechnen ist, zum Teil Unterstützung.1 Überwiegend wird die Verwirklichung der Entstrickungstatbestände durch Ausschluss oder Beschränkung eines inländischen Besteuerungsrechts ohne zurechenbares Verhalten des Steuerpflichtigen jedoch kritisch gesehen.2 Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass eine Steuer nur entstehe, wenn die Verwirklichung des Tatbestands dem Steuerpflichtigen nach dem Rechtsgedanken des § 38 AO zugerechnet werden könne.3 Auch verfassungsrechtlich sei eine solche Auslegung der Ersatzrealisationstatbestände geboten, da eine Ersatzrealisation nur dann verhältnismäßig sei, wenn sie an ein willensgetragenes Verhalten des Steuerpflichtigen anknüpfe.4 Insoweit wird auch darauf verwiesen, dass nach herrschender Ansicht bloße Rechtsänderungen keine Entnahmewirkung i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG herbeiführen könnten. Nichts anderes könne für § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG gelten, der eine Entnahme fingiere.5 Dem letztgenannten Argument ist zwar entgegen zu halten, dass der Ersatzrealisationstatbestand der Entstrickung mit der Schaffung eigener Tatbestände durch den Gesetzgeber und der Aufgabe des finalen Entnahmebegriffs durch die Rechtsprechung keine besondere Form der Entnahme (mehr) darstellt und die Fiktion der Entnahme in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG als Rechtsfolgenverweis keine weitere Tatbestandsvoraussetzung begründet.6 Anderenfalls kämen man ggf. auch bei § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG, der keine Entnahme, sondern eine Veräußerung fingiert, zu abweichenden Ergebnissen. Gleichwohl wird hier im Ergebnis der Auffassung gefolgt, die eine Entstrickungsbesteuerung aufgrund Ausschlusses oder Beschränkung eines inländischen Besteuerrungsrechts nur in Verbindung mit einem dem Steuerpflichtigen zurechenbaren Verhalten als verhältnismäßig und verfassungsrechtlich zulässig ansieht. Denn bloße Änderungen der Rechtslage lösen noch kein Erfordernis einer Ersatzrealisation im Sinne einer ultima ratio-Besteuerung aus, da der Steuerzugriff – anders als etwa bei Überführung ins Ausland – regelmäßig nicht beeinträchtigt ist. Auch ist der teilweise zur Rechtfertigung der Zulässigkeit passiver Entstrickung angeführte Schutz der Interessen der Steuerpflichtigen durch verfassungsrechtliche Schranken (z.B. Rückwirkungsverbot) bei der innerstaatlichen Umsetzung von DBA-Änderungen7 lückenhaft, da ggf. auch nicht diesen Schranken unterliegende Akteure über den Ein1 Lampert in Gosch4, § 12 KStG Rz. 103; Ditz in W/A/D2, Rz. 6.60; Musil in H/H/R, § 4 EStG Anm. 230 (Stand: Juni 2022); Desens, FR 2022, 681 (683); Desens, DStR 2022, 1588 (1590). 2 Bode in Kirchhof/Seer21, EStG, § 4 Rz. 107; Förster, DB 2007, 72 (73); Reiter, IStR 2012, 357 (362); Bron, IStR 2012, 904 (907); Kessler/Spychalski, IStR 2019, 193 (202); Kraft/Ungemach, DStZ 2020, 440 (452); wohl auch Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 383a (Stand: April 2022); Kudert/Kahlenberg, FR 2019, 250 (251); Ditz/Rupp, ISR 2021, 413 (420). 3 Hackemann in Bott/Walter, § 12 KStG Rz. 31 (Stand: September 2021). 4 Meyer in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, EStG, § 4 Rz. 647, 663. 5 Meyer in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, EStG, § 4 Rz. 663.1. 6 Desens, DStR 2022, 1588 (1590), der abweichend von der hier vertretenen Auffassung die bloße Änderung der Rechtslage als Auslöser für eine Entstrickung genügen lässt. 7 Musil in H/H/R, § 4 EStG Anm. 230 (Stand: Juni 2022)

Gerten | 887

13.181

Kap. 13 Rz. 13.181 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

tritt bzw. die Herbeiführung der Besteuerungsfolgen entscheiden können (etwa im Falle der Kündigung eines DBA durch den anderen Vertragsstaat oder des EU-/ EWR-Austritts).

13.182 Die instanzgerichtliche Finanzrechtsprechung1 hat sich bisher kritisch zur Frage der Zulässigkeit einer passiven Entstrickung geäußert. Zur Begründung wird u.a. auf Bedenken gegen die Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verwiesen. Dieser gebiete dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln.2 Nach höchstrichterlicher Finanzrechtsprechung begründe die Versteuerung stiller Reserven eines Wirtschaftsguts ohne vorheriges Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen und ohne dass sich die Liquidität des Steuerpflichtigen erhöht hätte, einen Verstoß gegen das in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Prinzip der folgerichtigen Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit.3 Ein solcher Verstoß sei auch nicht mit den faktischen Schwierigkeiten beim Vollzug des späteren Besteuerungszugriffs zu rechtfertigen.4 Der BFH hat sich bislang noch nicht zur Frage der Zulässigkeit der passiven Entstrickung positioniert.5 2. Sonderfall: Änderung von Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zum Abkommensverständnis gewerblich geprägter Personengesellschaften

13.183 Ein weiterer Fall der passiven Entstrickung kann sich bei Änderungen von Rechtsprechung und Verwaltungspraxis ergeben. Praktisches Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit ist das geänderte Abkommensverständnis zur Qualifikation von Einkünften vermögensverwaltender, gewerblich geprägter Personengesellschaften als Gewinne eines Unternehmens i.S.d. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA. 13.184 Frühere Verwaltungsmeinung. Die Finanzverwaltung vertrat die gefestigte Auffassung, eine gewerblich geprägte Personengesellschaft vermittle dem Mitunternehmer Unternehmensgewinne i.S.d. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA.6 Verfügte die gewerblich geprägte Personengesellschaft über eine Betriebsstätte, so hat nach der Verwaltungsmeinung der Belegenheitsstaat der Betriebsstätte das Besteuerungsrecht für die der Betriebsstätte zuzurechnenden Gewinne. Diese Auffassung der Finanzverwaltung wurde in der Gestaltungspraxis, abgesichert durch verbindliche Auskünfte der Finanzbehörden, genutzt, um eine Wegzugsbesteuerung für Anteile an inländischen Kapitalgesellschaften des Privatvermögens gem. § 6 AStG und die Entstrickungstatbestände des § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG in Bezug auf Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens zu vermeiden. 1 FG Saarland v. 30.3.2021 – 1 V 1374/20, IStR 2021, 634; FG Münster v. 10.8.2022 – 13 K 559/19 G,F, EFG 2023, 37 – Rev. BFH I R 41/22. 2 BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, HFR 2008, 859; BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BFH/NV 2009, 338. 3 Vorlagebeschluss des BFH v. 10.4.2013 – I R 80/12, BStBl. II 2013, 1004 (Az. BVerfG: 2 BvL 8/13). 4 FG Saarland v. 30.3.2021 – 1 V 1374/20, IStR 2021, 634 unter Verweis auf BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; BFH v. 28.10.2009 – I R 99/08, BStBl. II 2011, 1019. 5 Die Frage offenlassend BFH v. 24.11.2021 – I B 44/21 (AdV), IStR 2022, 284. 6 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.1.

888 | Gerten

D. Sonderfälle der steuerlichen Entstrickung und Verstrickung | Rz. 13.186 Kap. 13

In einem ersten Schritt wird die inländische Beteiligung im Wege der verdeckten Einlage (gegen ausschließliche Erhöhung der gesamthänderisch gebundenen Rücklage)1 in die gewerblich geprägte Personengesellschaft übertragen. In ähnlicher Weise wurden auch andere Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens in das Betriebsvermögen einer gewerblich geprägten Personengesellschaft übertragen. Anschließend zog der einlegende Gesellschafter in das Ausland um. Die Finanzverwaltung ließ für die tatsächliche und funktionale Zurechnung der Beteiligung und Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens zur inländischen Betriebsstätte (des Mitunternehmers) die Zugehörigkeit zum Gesamthandsvermögen der inländischen gewerblich geprägten Personengesellschaft genügen.2 Die eingelegten Anteile und sonstigen Wirtschaftsgüter blieben danach auch nach dem Wegzug weiterhin im Inland steuerverstrickt, so dass im Fall der späteren Veräußerung unmittelbar der Anteile oder Wirtschaftsgüter oder mittelbar der Mitunternehmeranteile durch den nunmehr im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen der Veräußerungsgewinn aus der Beteiligung uneingeschränkt in Deutschland steuerpflichtig war. Eine Entstrickung gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG lag nach diesem Verständnis nicht vor, da das deutsche Besteuerungsrecht für die eingelegte Beteiligung und Wirtschaftsgüter durch den Wegzug des Mitunternehmers nicht beeinträchtigt wurde.

13.185

Die Auslegung der Finanzverwaltung wurde im Schrifttum nicht geteilt. Nach tatsächlicher Betätigung der vermögensverwaltenden gewerblich geprägten Personengesellschaft liegen nach dieser Ansicht keine Unternehmensgewinne i.S.d. Art. 7 OECDMA vor.3 Die Zuordnung der eingelegten Beteiligung zu einer inländischen Betriebsstätte kann somit nicht erreicht werden. Maßgeblicher Realisationstatbestand für die Entstrickung ist in diesem Fall § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, da der Wegzug des Gesellschafters dazu führt, dass das deutsche Besteuerungsrecht für die eingelegte Beteiligung nach Art. 13 OECD-MA nach dem Wegzug dem neuen Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters zusteht und das deutsche Besteuerungsrecht aus § 15 Abs. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG „ausgeschlossen“ ist.4 Das Regelbeispiel in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG ist nicht erfüllt, da kein Zuordnungswechsel in eine ausländische Betriebsstätte vorliegt. Der BFH hat in inzwischen ständiger Spruchpraxis abschließend entschieden, auf die Einkünfte der Mitunternehmer gewerblich geprägter Personengesellschaften könnten nicht allein wegen der innerstaatlichen Gewerblichkeitsfiktionen, wie die kapitalistische Prägung oder gewerbliche Infektion nach Maßgabe des § 15 Abs. 3 EStG, die DBA-Regelungen über die Unternehmensgewinne in Art. 7, 13 OECD-MA zur Anwendung kommen.5 Dies entzog der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung die Grundlage, da trotz der Einlage der Beteiligung bzw. der Wirt-

13.186

1 Vgl. BMF v. 11.7.2011 – IV C 6 - S 2178/09/10001, BStBl. I 2011, 713 unter II.2.b. 2 Vgl. zur Frage der funktionalen Zuordnung in diesem Zusammenhang Blöchle, IStR 2009, 645 (647); Oenings/Seitz in W/R/S2, Rz. 12.41 bis 12.63. 3 Vgl. Oenings in W/R/S2, Rz. 10.12, 10.47 u. 10.53; zur Vertiefung Blöchle, IStR 2009, 645 ff. 4 Nach Einlage in die gewerblich geprägte Personengesellschaft und Wegzug des Gesellschafters ist die Beteiligung aus deutscher Sicht Betriebsvermögen einer gewerblich geprägten Personengesellschaft, die gem. § 12 AO im Inland eine Betriebsstätte unterhält. 5 BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, FR 2012, 39 ff.; v. 9.12.2010 – I R 49/09, BStBl. II 2011, 482; v. 28.4.2010 – I R 81/09, DStR 2010, 1220.

Gerten | 889

Kap. 13 Rz. 13.186 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

schaftsgüter in das Betriebsvermögen das Besteuerungsrecht für den Veräußerungsgewinn gem. Art. 13 OECD-MA dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters zusteht.

13.187 Zur Verhinderung von erheblichen Steuerausfällen hat der Gesetzgeber mit § 50i EStG eine Regelung geschaffen, die im Wege eines treaty override die Besteuerung späterer Veräußerungs- bzw. Entnahmegewinne in den Fällen ermöglicht, in denen aufgrund des bisherigen Rechtsverständnisses der Finanzverwaltung auf eine Besteuerung verzichtet wurde. Damit führt die Regelung des § 50i EStG zu einer Besteuerung, auch wenn das betreffende DBA insoweit ein Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland ausschließt, so dass ein Ausschluss des Besteuerungsrechts i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG bzw. § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG nicht vorliegt.1 In einer früheren Fassung setzte § 50i Abs. 1 EStG tatbestandlich weder den Ausschluss noch die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts an den steuerneutral übertragenen Anteilen oder Wirtschaftsgütern voraus. Folge war, dass es aufgrund der von § 50i Abs. 1 EStG selbst angeordneten Steuerverhaftung auch bei einem künftigen Wegzug nicht zur Anwendung der allgemeinen Entstrickungsregeln und zur Aufdeckung stiller Reserven erst bei Veräußerung der Anteile oder Wirtschaftsgüter kam. Daher findet sich nunmehr in § 50i Abs. 1 Satz 1 Nr. EStG (i.d.F. des BEPSUmsG)2 das zusätzliche Tatbestandsmerkmal, dass „das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung oder Entnahme dieser Wirtschaftsgüter oder Anteile ungeachtet der Anwendung dieses Absatzes vor dem 1.1.2017 ausgeschlossen oder beschränkt worden“ sein muss.3 In Fällen des Ausschlusses oder der Beschränkung des inländischen Besteuerungsrechts bis zum 31.12.2016 bleibt es danach weiterhin bei einer abkommensüberschreibenden Besteuerung von Veräußerungsgewinnen und bis zur Veräußerung auch laufender Einkünfte in Deutschland. Für alle Vorgänge ab dem 1.1.2017, die zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts führen (etwa durch Wegzug), ist § 50i Abs. 1 EStG nicht mehr anwendbar, sondern es greifen die allgemeinen Entstrickungsregelungen (§ 4 Abs. 1 Satz 3; § 16 Abs. 3a EStG; § 12 Abs. 1 KStG).4 3. Zulässigkeit der passiven Verstrickung

13.188 Als Konsequenz der Auffassung der Finanzverwaltung,5 dass die Entstrickung keine aktive Handlung des Steuerpflichtigen voraussetze, sondern auch durch Änderung der Rahmenbedingungen ausgelöst werden könne, wird umgekehrt abgeleitet, dass der Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode durch Änderung eines DBA oder bei Kündigung eines DBA mit Freistellungsmethode eine passive Verstrickung zur Folge hat.6 Auch im Schrifttum wird in Anlehnung an die Rechtslage 1 2 3 4

Kolbe in H/H/R, § 12 KStG Anm. 18 (Stand: Juni 2022) m.w.N. Gesetz v. 20.12.2016 (BGBl. I 2016, 3000). Pohl in Brandis/Heuermann, § 50i EStG Rz. 2 (Stand: März 2022). Gosch in Kirchhof/Seer21, § 50i EStG Rz. 4; Rasch in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, § 50i EStG Rz. 47 f. 5 BMF v. 26.10.2018 – IV B 5-S 1348/07/10002-01, BStBl. I 2018, 1104. 6 Briesemeister/Hoffmann/Nacke in Littmann/Bitz/Pust, § 4 EStG Rz. 287 (Stand: Juni 2022).

890 | Gerten

E. Überführungen und Übertragungen auf PersGes, § 6 Abs. 5 S. 1 | Rz. 13.190 Kap. 13

bei der Entstrickung überwiegend vertreten, dass es nicht darauf ankomme, ob eine Maßnahme an ein zurechenbares Verhalten des Steuerpflichtigen anknüpfe, da weder eine Verstrickungshandlung noch eine Verstrickungswille erforderlich seien.1 Zum Teil wird die passive Verstrickung auch unter Hinweis auf die ratio der Verstrickungsregelungen, Doppelbesteuerungen zu vermeiden, eingeschränkt für zulässig erachtet, soweit sie sich im konkreten Einzelfall zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken.2 Dem ist zuzustimmen, wobei im Zuge der Verstrickung die Frage der (Zugangs-)Bewertung besondere Beachtung im Hinblick auf die Vermeidung einer doppelten Besteuerung von stillen Reserven verdient. In einer idealen Welt setzen der Abgabestaat und Deutschland als Aufnahmestaat übereinstimmend den gemeinen Wert (Marktwert) an. Eine Wertverknüpfung zwischen Wertansatz im Abgabe- und im Aufnahmestaat – wie in § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG vorgesehen – kann praktischen Vollzugsinteressen der beteiligten Staaten und dem Schutz des Steuerpflichtigen vor doppelter Besteuerung stiller Reserven Rechnung tragen.3 Für den Fall der (passiven) Verstrickung durch Modifikation von DBA wird man einem (rückwirkenden) Steuereingriff in bereits entstandene stille Reserven jedoch zurecht verfassungsrechtliche Zweifel entgegen halten müssen.4

E. Überführungen und Übertragungen auf Personengesellschaften gem. § 6 Abs. 5 Satz 1 bis 3 EStG I. Abgrenzung der Betriebsstätten von Gesellschaft und Gesellschafter Die Finanzverwaltung geht davon aus, die Beteiligung einer im Inland ansässigen Person an einer ausländischen Personengesellschaft führe aus deutscher abkommensrechtlicher Sicht stets zu einer ausländischen Betriebsstätte des Gesellschafters.5 Nach ihrer Auffassung stehen sich Mitunternehmer und Personengesellschaft wie Stammhaus und Betriebsstätte gegenüber, d.h. die Personengesellschaft wird generell als eigenständige Gewinnermittlungsebene gegenüber dem Gesellschafter negiert.6

13.189

Die Betrachtung muss jedoch differenzierter erfolgen. Nach zutreffender herrschender Meinung im Schrifttum7 ist aus der Sicht des deutschen Steuerrechts die Personengesellschaft einerseits transparent und andererseits als Gewinnerzielungssubjekt anerkannt. Inländische und ausländische Personengesellschaften sind „Betriebs-

13.190

1 Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 425 (Stand: April 2022); Oellerich in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, § 6 EStG Rz. 2435. 2 Meyer in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, § 4 EStG Rz. 857.1. 3 Desens, DStR 2022, 1588 (1592) mit Kritik an der Umsetzung der Wertverknüpfung bei Verstrickung zu Lasten des Steuerpflichtigen in § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG. 4 Ritzer in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, UmwStG, Anhang 7, Entstrickungs- und Verstrickungsregeln, Rz. 58 m.w.N. 5 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.1, 2.2.3 u. 4.1.1.1.1. 6 Vgl. Wassermeyer in W/R/S2, Rz. 2.9 u. 2.10. 7 Vgl. Wassermeyer in W/R/S2, Rz. 2.12 ff.; Kempermann in W/R/S2, Rz. 2.66 ff.; Blöchle, IStR 2009, 645 (648 ff.); Blumers, DB 2008, 1765 (1769 f.).

Gerten | 891

Kap. 13 Rz. 13.190 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

stättengewinnerzielungssubjekte“. Die Personengesellschaft ist also selbst Inhaberin der von ihr unterhaltenen Betriebsstätte(n). Da die Personengesellschaft regelmäßig nicht „Unternehmen“ im Sinne des DBA ist, ist jedem Mitunternehmer die von der Personengesellschaft unterhaltene Betriebsstätte wie eine eigene „zuzurechnen“. Diese Zurechnung bewirkt, dass die Personengesellschaft dem Mitunternehmer ihre Betriebsstätte wie eine eigene vermittelt, der Mitunternehmer innerhalb seines Gewinnanteils gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausländische Betriebsstätteneinkünfte erzielt und ein Leistungsaustausch zwischen Personengesellschaft und Gesellschafter anerkannt werden kann.1

13.191 Abgrenzung von Mitunternehmer- und Gesellschaftsbetriebsstätten. Neben der durch eine originär gewerblich tätige inländische oder ausländische Personengesellschaft vermittelten Betriebsstätte (Gesellschaftsbetriebsstätte), kann jeder Gesellschafter zusätzlich in eigener Person im Zusammenhang mit seiner Personengesellschaftsbeteiligung einen Gewerbebetrieb (ein „Unternehmen“ i.S.d. DBA) unterhalten, der dann auch über eine eigene Betriebsstätte verfügt (Mitunternehmerbetriebsstätte). In dieser Betriebsstätte kann es zur Verwaltung von Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters kommen und aus dieser Betriebsstätte heraus kann ein Leistungsaustausch mit der Personengesellschaft erfolgen.2 Sonderbetriebsvermögen (SBV) kann also entweder einer eigenen Betriebsstätte des Mitunternehmers oder einer Betriebsstätte der Gesellschaft zugeordnet werden, die diese dem Gesellschafter (anteilig) vermittelt.3 Maßgeblich für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern nach nationalem Steuerrecht und im Nicht-DBA-Fall ist nach der Rechtsprechung des BFH eine Veranlassungsprüfung nach Maßgabe der wirtschaftlichen Zugehörigkeit zu den in den einzelnen Betriebsstätten entfalteten betrieblichen Tätigkeiten.4 Für die Zurechnung eines Wirtschaftsguts zu einer Betriebsstätte auf Grundlage der meisten DBA verlangt der BFH, dass das jeweilige Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte tatsächlich-funktional zuzuordnen ist.5 Durch die Überlassung eines Wirtschaftsguts durch einen Mitunternehmer an eine Gesellschaft zur Nutzung entsteht noch keine Betriebsstätte des überlassenen Gesellschafters am Ort der Nutzung.6 Die Beteiligung des Mitunternehmers an einer Kapitalgesellschaft, die zum SBV II gehört, wird regelmäßig der Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzuordnen sein, wobei eine Zuordnung zu einer Betriebsstätte des Gesellschafters selbst nicht ausgeschlossen ist.7 An diesen aus dem Veranlassungsprinzip abgeleiteten Grundsätzen zur Zuordnung von Wirtschaftsgütern hat sich nach hier vertretener Auffassung auch durch

1 Vgl. Kempermann in W/R/S2, Rz. 2.66; Rosenberg/Farle in W/R/S2, Rz. 11.5. 2 Vgl. Kempermann in W/R/S2, Rz. 2.86. 3 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414; v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356; v. 10.7.2002 – I R 71/01, BStBl. II 2003, 191. 4 BFH v. 29.11.2017 – I R 58/15, BFH/NV 2018, 684. 5 BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138; v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414; v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510; v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; vgl. vertiefend Blumers, DB 2008, 1765 (1769 f.). 6 Vgl. Kempermann in W/R/S2, Rz. 2.86. 7 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414.

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E. Überführungen und Übertragungen auf PersGes, § 6 Abs. 5 S. 1 | Rz. 13.194 Kap. 13

die Umsetzung des Authorized OECD Approach (AOA) in § 1 Abs. 5 und 6 AStG nichts geändert (vgl. Rz. 13.90 ff.).1 Besonderheiten. Bei mehrstöckigen Personengesellschaften gelten die Betriebsstätten jeder Personengesellschaft zugleich als Betriebsstätten der Gesellschafter der letzten Obergesellschaft, so dass bei einer doppelstöckigen Personengesellschaftsstruktur die Betriebsstätten der Unter- und der Obergesellschaft den Gesellschaftern der Obergesellschaft zuzurechnen sind. Die Einkünfte der Untergesellschaft sind nicht der Betriebsstätte der Obergesellschaft zuzurechnen.2

13.192

II. Überführung in das SBV bei einer ausländischen Personengesellschaft (§ 6 Abs. 5 Satz 2 EStG) 1. Überführung ist Realisationstatbestand vor und nach 2006 a) Ansicht der Finanzverwaltung Finanzverwaltung: zwingende Realisation. Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist der Transfer eines Einzelwirtschaftsguts durch einen Mitunternehmer in sein SBV bei einer ausländischen Mitunternehmerschaft ein gewinnrealisierender Vorgang.3 Allerdings nennt die Finanzverwaltung keine Rechtsgrundlage für den Realisationstatbestand.4 Die Finanzverwaltung stützte sich wohl für den Zeitraum vom 1.1.1999 bis zum 31.12.2005 auf eine Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG (Entnahme für betriebsfremde Zwecke)5 und ging sodann – aufgrund dessen Rückwirkung bei Überführungen in DBA-Freistellungsbetriebsstätten und bei beschränkt Steuerpflichtigen – durchgehend von einer Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG als speziellerer Vorschrift aus (vgl. Rz. 13.60 ff.).

13.193

Zuordnungswechsel des Wirtschaftsguts. Die Voraussetzung in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG, das Wirtschaftsgut, welches zuvor einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnen sei, müsse nunmehr einer ausländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen „zuzuordnen“ sein, ist bei der Überführung eines Wirtschaftsguts aus einem inländischen Betrieb in das SBV des Gesellschafters bei einer ausländischen Personengesellschaft erst erfüllt, wenn nach den Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung6 ein tatsächlich-funktionaler Nutzungszusammenhang des Wirtschaftsguts mit dem Betrieb der ausländischen Personengesellschaft begründet wird. Es ist aber zweifelhaft, ob das Tatbestandsmerkmal des „Zuordnungswechsels“ zwischen Betriebsstätten „desselben Steuerpflichtigen“ erfüllt

13.194

1 Gosch in Kirchhof/Seer21, § 49 EStG Rz. 18; BFH v. 24.11.2021 – I B 44/21 (AdV), IStR 2022, 284. 2 Vgl. Wassermeyer in W/R/S2, Rz. 2.33. 3 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.6.4 (nicht geändert durch BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888). 4 Vgl. Ditz/Schneider, DStR 2010, 81 (85); Kessler/Huck, StuW 2005, 193 (199). 5 Vgl. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 in Rz. 1, nach dem auch beim Buchwertansatz stets eine Entnahme und Einlage vorliegen sollen. 6 BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138; v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414.

Gerten | 893

Kap. 13 Rz. 13.194 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

ist, da hierfür das Wirtschaftsgut demselben Betrieb und demselben Rechtsträger auch nach dem Grenzübertritt weiter zuzurechnen sein muss, es nunmehr aber dem Betrieb der Personengesellschaft zuzurechnen ist (vgl. Rz. 13.196).

13.195 Überführung in das SBV als Nutzungsentstrickung. Die vorübergehende Überführung eines Wirtschaftsguts in das SBV eines Mitunternehmers bei einer ausländischen Personengesellschaft kann den „Ausschluss“ oder die „Beschränkung“ des Besteuerungsrechts Deutschlands hinsichtlich des Gewinns aus der Nutzung des Wirtschaftsguts bewirken.1 b) Eigene Ansicht: Nur Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG

13.196 Stellungnahme. Beim Wechsel eines Wirtschaftsguts aus einem inländischen Betrieb des Mitunternehmers in „sein“ SBV bei einer ausländischen Mitunternehmerschaft liegt nach hier vertretener Meinung nur eine „echte“ Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG mit anschließender Einlage in das SBV vor.2 Dies folgt aus der Wertung in § 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG, der genau die Überführung aus einem Betrieb des Mitunternehmers in das SBV bei einer Mitunternehmerschaft regelt und als Bewertungsvorschrift die verwirklichte Entnahme als vorhergehenden Realisationstatbestand voraussetzt (vgl. Rz. 13.138).3 Die Anwendbarkeit der Entstrickungsregelungen ist in solchen Fällen (rückwirkend und ab 2011) schon dem Grunde nach nicht gegeben, da das Wirtschaftsgut aus dem inländischen Herkunftsbetriebsvermögen gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG entnommen wird und dieser echte Ersatzrealisationstatbestand die in den Entstrickungsnormen angenommenen fiktiven Entnahmen verdrängt.4 Die Gleichstellung des Zuordnungswechsels des Wirtschaftsguts mit einer Entnahme in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG setzt zwingend voraus, dass das Wirtschaftsgut auch nach dem Entstrickungsvorgang noch demselben Betrieb zuzurechnen ist.5 Das Wirtschaftsgut ist nach der Entnahme aber einem anderen Gewinnermittlungssubjekt (dem Betrieb der Personengesellschaft) zuzuordnen.

1 Vgl. weiterführend Ditz in W/R/S2, Rz. 14.41. 2 Dies folgt daraus, dass nach nationaler Betrachtungsweise das SBV der Mitunternehmer dem Betrieb der Personengesellschaft zuzurechnen ist; vgl. Frotscher/Watrin in Frotscher/ Geurts, § 4 EStG Rz. 375k (Stand: April 2022); Prinz, DB 2009, 807 (811); Wassermeyer in W/R/S2, Rz. 2.8 und wohl auch Ditz in W/R/S2, Rz. 12.6. 3 Zum Streit um die Reichweite des Betriebsbegriffs vgl. BFH v. 25.11.2009 – I R 72/08, BStBl. II 2010, 471; für einen weiter gehenden Betriebsbegriff bei Schwestergesellschaften BFH v. 15.4.2010 – IV B 105/09, BFH/NV 2010, 1345; zum Betriebsbegriff in § 4 Abs. 4a EStG vgl. BFH v. 22.9.2011 – IV R 33/08, BStBl. I 2012, 10. 4 Gl.A. Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 375k (Stand: April 2022); Wassermeyer in W/R/S2, Rz. 2.19; Schneider/Oepen, FR 2009, 22 (28); a.A. wohl Ditz in W/R/ S2, Rz. 12.15. 5 Meyer in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, § 4 EStG Rz. 651.

894 | Gerten

E. Überführungen und Übertragungen auf PersGes, § 6 Abs. 5 S. 1 | Rz. 13.199 Kap. 13

2. Anwendbarkeit des § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG bei Überführungen in ausländisches SBV a) Anwendbarkeit des § 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG auf grenzüberschreitende Überführungen Gesetzesbegründung. Der Gesetzgeber ging bei Einführung des § 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG davon aus, die Norm erfasse auch die Überführung von Wirtschaftsgütern in alle ausländischen Betriebsstätten.1

13.197

b) Behandlung nach dem Ansatz der Verwaltung Kein Buchwertansatz bei Entstrickung. Folgt man der mutmaßlichen Auffassung der Verwaltung, die Entstrickungsnormen seien als speziellere Regelungen vor der Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG maßgeblicher Realisationstatbestand, ist die Frage nach dem Verhältnis der Entstrickungsregelung zu § 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG aufgeworfen (vgl. Rz. 13.196).2 Die Finanzverwaltung hält § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG nicht für anwendbar. Die in § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 i.V.m. Abs. 5 Satz 2 EStG angeordnete „entsprechende Anwendung“ des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG soll die Auslegung absichern, dass die Besteuerung der stillen Reserven des Wirtschaftsguts nach Überführung in das ausländische SBV nicht i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 2 „sichergestellt“ ist. Ob diese Verweisung nicht ins Leere geht, weil kein Zuordnungswechsel i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG vorliegt, scheint die Finanzverwaltung selbst zu beschäftigen (vgl. Rz. 13.194 und 13.196). Sie verlangt nunmehr entgegen der Rechtsprechung auch, die künftigen stillen Reserven, die erst nach der Überführung gebildet werden, müssen für die Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven dem inländischen Steuerzugriff unterliegen.3 Die Entnahme soll im Ergebnis gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 EStG zum gemeinen Wert erfolgen.

13.198

Keine Aussage zu unilateralen und DBA-Aktivitäts- und Rückfallklauseln. Die Meinung der Finanzverwaltung, die Besteuerung der stillen Reserven sei i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG wegen des Verweises auf § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG „nicht sichergestellt“, kann jedenfalls keinen Bestand haben, wenn DBA-Aktivitätsklauseln oder Rückfallklauseln oder § 50d Abs. 9 u. 10 EStG zur Anwendung kommen, um das deutsche Besteuerungsrecht für die Veräußerung des Betriebsstättenvermögens oder für eine Sondervergütung, die für die Nutzungsüberlassung an die Personengesellschaft gezahlt wird, zu erhalten.4 Eine Äußerung der Finanzverwaltung hierzu fehlt

13.199

1 Siehe BT-Drucks. 14/23, 173; ebenso Körner, IStR 2009, 741 (746); Prinz, DB 2009, 807 (809 f., 811); Schneider/Oepen, FR 2009, 22 (26 f.); Buciek, DStZ 2000, 636 (637); Kempermann in W/R/S2, Rz. 3.45 ff.; Wassermeyer in W/R/S2, Rz. 2.16. 2 Für einen Überführungsvorgang in eine rechtlich unselbstständige ausländische Betriebsstätte ist nach hier vertretener Ansicht § 6 Abs. 5 EStG die nachrangige Vorschrift (vgl. Rz. 13.79 ff.). 3 BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 7. 4 Nach BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 4.2.1 sind Gewinne aus der Veräußerung beweglichen und unbeweglichen Vermögens einer Betriebsstätte grundsätzlich im Betriebsstättenstaat zu versteuern, es sei denn, die Freistellung ist

Gerten | 895

Kap. 13 Rz. 13.199 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

bislang. Nach hier vertretener Auffassung sind diese besonderen Regelungen vorrangig, d.h., es darf nicht abstrakt von einem „Ausschluss“ oder der „Beschränkung“ des Besteuerungsrechts nach geänderter Zuordnung des Wirtschaftsguts zu einer ausländischen Betriebsstätte gem. § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG und damit von einer Entstrickung ausgegangen werden, wenn sich Deutschland das Besteuerungsrecht durch solche Regelungen für eine konkrete Veräußerung/Nutzungsüberlassung weiterhin sichert (vgl. Rz. 13.127). In diesem Fall ist auch die Besteuerung der stillen Reserven i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG weiterhin „sichergestellt“.1 c) Behandlung bei Annahme einer Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG

13.200 Zwingender Buchwertansatz. Nach hier vertretener Meinung läuft der Verweis auf § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG in § 6 Abs. 5 Satz 1 ins Leere. Maßgeblicher Realisationstatbestand bei der Überführung ist die Entnahmeregelung in § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG. Der Gesetzgeber hat in den zeitlichen Anwendungsregelungen (§§ 52 Abs. 8b und 16a EStG) ausdrücklich angeordnet, die Verweisung greife nur dann ein, wenn auch die Entstrickungsnorm anzuwenden sei. Bei Nichteingreifen des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG kann der Verweis auf § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG demnach nicht ausschließen, dass die Besteuerung der im Inland entstandenen stillen Reserven i.S.d. § 6 Abs. 5 EStG „sichergestellt“ sein kann. Zu demselben Ergebnis kommt, wer von einem generellen Vorrang des § 6 Abs. 5 EStG vor § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG ausgeht.2 Zudem liegt kein „Zuordnungswechsel“ i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG vor (vgl. Rz. 13.196). 13.201 Konkrete Prüfung der Beeinträchtigung des deutschen Besteuerungsrechts. Es ist für den konkreten Überführungsfall in das ausländische SBV zu prüfen, ob bei der Veräußerung des Wirtschaftsguts im ausländischen Sonderbetriebsvermögen die Besteuerung der im Inland gebildeten stillen Reserven i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG gewährleistet bleibt. Diese Beurteilung ist ausschließlich anhand der deutschen Sichtweise zur Gewinnabgrenzung, der Aufteilung der Besteuerungsrechte nach Art. 7 OECD-MA und der etwaigen DBA-Rückfallklauseln sowie des § 50d Abs. 9 u. 10 EStG vorzunehmen (vgl. Rz. 13.127). Der Sichtweise der Finanzverwaltung,3 die Besteuerung der stillen Reserven sei nur dann „sichergestellt“, wenn der deutsche Besteuerungszugriff auch künftige stille Reserven und damit den gesamten ausländischen Veräußerungs- und Entnahmegewinn umfasse, ist nicht zu folgen.

wegen solcher Klauseln ausgeschlossen (Tz. 4.1.1.2). Außerdem können sich Qualifikationskonflikte aufgrund unterschiedlicher Einordnung der ausländischen Personengesellschaft durch den Ansässigkeitsstaat ergeben, die zu Doppelbesteuerungen oder Doppelfreistellungen führen können (Tz. 4.1.4), auf die dann DBA-Rückfallklauseln oder die Regelungen in § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG und § 50d Abs. 10 EStG anzuwenden sein können; vgl. Benecke, NWB Fach 3, 14733 (14739) = NWB 37/2007, 3232 (3237). 1 Vgl. auch Ditz in W/R/S2, Rz. 12.31 zur Anwendbarkeit des § 1 AStG in diesen Fällen. 2 Vgl. etwa Prinz, DB 2009, 807 (811). 3 BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 7 Satz 2.

896 | Gerten

E. Überführungen und Übertragungen auf PersGes, § 6 Abs. 5 S. 1 | Rz. 13.204 Kap. 13

3. Verfassungs- und unionsrechtliche Bedenken Verfassungswidrige Rückwirkung. Der deutsche Steuerzugriff bei Überführung, welcher nach Auffassung der Finanzverwaltung im Ergebnis zum Tragen kommen soll, ist zudem den an anderer Stelle dargestellten verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt (vgl. Rz. 13.64 ff.). Soweit Wirtschaftsgüter in ein SBV überführt werden, das als DBA-Freistellungsbetriebsstätte des Mitunternehmers anzusehen ist, ist für die Beurteilung der Rückwirkung im Einzelnen zu prüfen, ob nach der Rechtslage zum jeweiligen Überführungszeitpunkt nach damaliger gefestigter Rechtspraxis von einer Entnahme nach der finalen Entnahmetheorie auszugehen war.1 Falls dies nicht der Fall gewesen sein sollte, wären die vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen zur Rechtfertigung einer „echten“ rückwirkenden Norm nicht erfüllt, da der Gesetzgeber dann nicht das Vertrauen in eine gefestigte Rechtspraxis wiederhergestellt hätte (vgl. Rz. 13.64 ff.).

13.202

Unionsrechtliche Bedenken. Zudem sind die Fragen der Vereinbarkeit eines deutschen Steuerzugriffs mit dem Unionsrecht aufgeworfen. Eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit liegt vor. Die Überführung eines Wirtschaftsguts aus dem inländischen Betrieb eines Mitunternehmers in das SBV des Mitunternehmers bei einer inländischen Personengesellschaft ist eine zwingend zum Buchwert zu bewertende Entnahme ohne Gewinnrealisation (§ 4 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG). Die Finanzverwaltung vertritt bei Überführungen auf ausländische Personengesellschaften die Auffassung, es komme zur Entstrickung, bei der ein Ausgleichsposten gem. § 4g EStG generell nicht gebildet werden könne.2 Diese ungemilderte Sofortbesteuerung steht in EU-Fällen evident im Widerspruch zu den dargelegten Rechtfertigungsanforderungen, die im EuGH-Urteil National Grid Indus3 aufgestellt worden sind.

13.203

III. Übertragungen in das Gesamthandsvermögen einer ausländischen Personengesellschaft (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG) 1. Unentgeltliche und entgeltliche Übertragungen mit Rechtsträgerwechsel gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG Regelungssystematik. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 bis 3 EStG erfassen Fallgestaltungen, in denen Wirtschaftsgüter mit einem Rechtsträgerwechsel bei derselben oder zwischen verschiedenen Mitunternehmerschaften oder Mitunternehmern unentgeltlich oder 1 Vgl. hierzu auch Prinz, DB 2009, 807, (809 f.); Schneider/Oepen, FR 2009, 22 (26 ff.). 2 BMF v. 20.5.2009 – IV C 6 - S 2134/07/10005, BStBl. I 2009, 671 Rz. 2.6.4. Der Wortlaut des § 4g Abs. 1 EStG, der für Überführungen in ausländische Betriebsstätten desselben Steuerpflichtigen die Möglichkeit des Ausgleichspostens eröffnet, könnte indes erfüllt sein. Denn die Überführung in ein ausländisches Sonderbetriebsvermögen kann als Überführung in eine ausländische Mitunternehmerbetriebsstätte angesehen werden, weil die Personengesellschaft selbst dem Mitunternehmer anteilig eine Betriebsstätte vermittelt. Ob § 4g EStG betriebsbezogen oder gesellschafterbezogen auszulegen ist, ist noch nicht abschließend geklärt. 3 EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, DStR 2011, 2334, IStR 2012, 27.

Gerten | 897

13.204

Kap. 13 Rz. 13.204 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

entgeltlich bewegt werden. Wird ein Wirtschaftsgut auf einen anderen Rechtsträger übertragen, liegt bei unentgeltlichen Übertragungen i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG im Herkunfts-Betriebsvermögen eine Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG (Übertragung für betriebsfremde Zwecke) und bei entgeltlichen Übertragungen im HerkunftsBetriebsvermögen ein Veräußerungsvorgang (tauschähnliche Übertragung) vor.1 Diese Übertragungen erfolgen zwingend zum Buchwert, wenn im Ziel-Betriebsvermögen die Besteuerung der stillen Reserven des Wirtschaftsguts „sichergestellt“ ist, da gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG die Regelung des § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG „entsprechend“ gilt.2

13.205 Verdeckte Einlagen. Unentgeltlichkeit i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG bedeutet, dass von der aufnehmenden Gesellschaft keine Gegenleistung erbracht wird. Die Finanzverwaltung und h.M. nehmen eine solche unentgeltliche verdeckte Einlage an, wenn der Gegenwert des Wirtschaftsguts ausschließlich einem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto der Gesellschaft und keinem Kapital- oder Darlehenskonto des Gesellschafters gutgeschrieben wird.3 13.206 Gewährung von Gesellschaftsrechten. Entgeltlichkeit (Voll- oder Teilentgeltlichkeit) ist gegeben, wenn dem Übertragenden eine Gegenleistung von der Personengesellschaft gewährt wird. Eine Gegenleistung kann in Sachen oder Rechten (z.B. der Einräumung einer Darlehensforderung gegen die Gesellschaft), befreienden Schuldübernahmen durch die Gesellschaft und in Gesellschaftsrechten bestehen. Zum Ansatz des Buchwerts im Herkunfts- und Ziel-Betriebsvermögen gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG darf dem Übertragenden ausschließlich eine Gegenleistung in Form von Gesellschaftsrechten gewährt werden (vgl. zur Übertragung eines Wirtschaftsguts auf eine ausländische Personengesellschaft außerhalb des § 6 Abs. 5 EStG gegen Veräußerung Rz. 13.131). Dies geschieht auf der Grundlage einer „kontenbezogenen Betrachtung“, wenn ein festes oder variables steuerliches Kapitalkonto des Mitunternehmers im Zuge der Einbringung des Wirtschaftsguts begründet oder erhöht wird.4 Dies gilt auch in den sog. Kombinationsfällen, wenn der Wert des eingebrachten Wirtschaftsguts zum Teil einem steuerlichen Kapitalkonto des Gesellschafters und zum Teil einer gesamthänderisch gebundenen Rücklage gutgeschrieben wird.5 Andere Gegenleistun1 BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 8; v. 11.7.2011 – IV C 6 - S 2178/09/10001, BStBl. I 2011, 713 unter II.1. 2 BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 10. 3 BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 15; v. 11.7.2011 – IV C 6 - S 2178/09/10001, BStBl. I 2011, 713 unter II.1. und II.2. 4 Ein steuerliches Kapitalkonto liegt nach übereinstimmender Auffassung des BFH und der Finanzverwaltung vor, wenn auf dem Kapitalkonto laufend oder bei Ausscheiden des Mitunternehmers Verluste verbucht werden (vgl. BFH v. 16.10.2008 – IV R 98/06, BStBl. II 2009, 272; BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 14 Satz 2 und v. 11.7.2011 – IV C 6 - S 2178/09/10001, BStBl. I 2011, 713 unter I.). Für Zwecke des Steuerrechts wird allein darauf abgestellt, ob auch ohne Änderung der Beteiligungsquote eine Gutschrift auf einem unveränderlichen oder variablen steuerlichen Kapitalkonto erfolgt, vgl. zu den Differenzen zur zivilrechtlichen Betrachtung Weidmann, FR 2012, 205 ff. u. 344 ff. 5 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, DStR 2008, 2001; v. 24.1.2008 – IV R 37/06, DStR 2008, 764; v. 24.4.2007 – I R 35/05, BStBl. II 2008, 253.

898 | Gerten

E. Überführungen und Übertragungen auf PersGes, § 6 Abs. 5 S. 1 | Rz. 13.208 Kap. 13

gen führen als vollentgeltliche oder teilentgeltliche Übertragungen ganz oder teilweise zur Gewinnrealisation.1 2. Übertragungen aus einem inländischen Betriebs- in ein ausländisches Gesamthandsvermögen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG) a) Vorrang der Veräußerung vor der fiktiven Entnahme? Tauschähnlicher Vorgang. Die Übertragung zwischen dem (Sonder-)Betriebsvermögen des Mitunternehmers und dem Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten (durch Gutschrift auf einem Kapitalkonto des Gesellschafters oder dessen Minderung) ist im Inlandsfall als entgeltlicher tauschähnlicher Vorgang zu beurteilen, der gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 und 2 EStG zwingend zum Buchwert erfolgt.2

13.207

Subsidiarität der Entstrickungsnorm. Der Gesetzgeber wollte mit § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG auch die Fälle des Verlusts des deutschen Besteuerungsrechts infolge eines Rechtsträgerwechsels erfassen.3 § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG mit der Rechtsfolge der fiktiven Entnahme kann für die von § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG erfassten Sachverhalte bei entgeltlichen Übertragungen mit Rechtsträgerwechsel entgegen der Auffassung des Gesetzgebers nicht zur Anwendung kommen. Es liegen Veräußerungsvorgänge (Außenumsätze) aus Sicht des abgebenden Betriebsvermögens vor.4 § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG zielt mit dem Merkmal des Zuordnungswechsels aber ersichtlich nur auf Zuordnungsänderungen eines Wirtschaftsguts, die Innentransaktionen sind (vgl. Rz. 13.196).5

13.208

1 Nach Ansicht der Finanzverwaltung im BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 15 führt im Anwendungsbereich des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG jede neben den Gesellschaftsrechten gewährte „andere Gegenleistung“ anteilig zur Gewinnrealisation (sog. reine Bruttobetrachtung). Die Rechtsprechung des BFH nimmt in Fällen des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG erst dann eine Veräußerung an, wenn die gewährte andere Gegenleistung (neben den Gesellschaftsrechten) den Buchwert des Wirtschaftsguts übersteigt, vgl. BFH v. 11.12.2001 – VIII R 58/98, BStBl. II 2002, 420; v. 6.9.2000 – IV R 18/99, BStBl. II 2001, 22. 2 Vgl. BFH v. 15.7.1976 – I R 17/74, BStBl. II 1976, 748; Prinz, DB 2009, 807 (810 f.); die Gewährung einer anderen Gegenleistung als von Gesellschaftsrechten kann nicht zum Buchwert erfolgen, vgl. Ditz in W/R/S2, Rz. 12.35 f. 3 BT-Drucks. 16/2710, 26. 4 Vgl. Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 375k (Stand: April 2022); Prinz, DB 2009, 807 (809 u. 810); Wassermeyer in FS Krawitz, 2010, 483 (495); Wassermeyer in W/R/S2, Rz. 2.19. 5 Allerdings ist auch bei Übertragungen in ein Gesamthandsvermögen trotz des Rechtsträgerwechsels streitig, ob eine Zuordnungsbetrachtung anzustellen und das Wirtschaftsgut aufgrund des Rechtsträgerwechsels nunmehr einer anderen Betriebsstätte als vorher tatsächlich und funktional zuzuordnen ist, vgl. zum Streitstand Blumers, DB 2008, 1765 (1770).

Gerten | 899

Kap. 13 Rz. 13.209 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

13.209 Andere Auffassung der Finanzverwaltung. Der Gesetzgeber geht auch in diesen Fällen von der Anwendbarkeit des § 4 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 4 EStG aus (vgl. Rz. 13.208).1 Dem dürfte auch die Finanzverwaltung beipflichten. Nach ihrer Meinung dürfte durch die Überführung eines Wirtschaftsguts aus einem inländischen Betriebsvermögen in ein ausländisches Gesamthandsvermögen auch ein Zuordnungswechsel in eine ausländische Betriebsstätte „desselben Steuerpflichtigen“ i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG vorliegen, da die ausländische Personengesellschaft dem Mitunternehmer eine ausländische Betriebsstätte vermittelt (vgl. Rz. 13.190, 13.196).2 Dies gilt als „Ausschluss oder Beschränkung“ des Besteuerungsrechts mit der Folge der Gewinnrealisation im inländischen Betriebsvermögen. Ein Ausgleichsposten gem. § 4g EStG kann in diesen Fällen nach Meinung der Finanzverwaltung nicht gebildet werden (s. Rz. 13.145 ff.). b) Sicherstellung der stillen Reserven i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG

13.210 Gesetzesbegründung. Der Gesetzgeber ging bei Einführung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG auf Grundlage der finalen Entnahmetheorie davon aus, die Besteuerung der stillen Reserven sei bei einem Transfer des Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte „nicht sichergestellt“, wenn mit dem Betriebsstättenstaat ein FreistellungsDBA bestehe.3 Ob dies auch gelten sollte, wenn kein DBA oder ein AnrechnungsDBA vorliegt, ist aus der Gesetzesbegründung nicht ersichtlich.4 13.211 Sicht der Rspr. bei DBA-Freistellungsbetriebsstätten. Wird dem inländischen Mitunternehmer bei späterer Veräußerung oder Entnahme des Wirtschaftsguts in der ausländischen Betriebsstätte von der ausländischen Personengesellschaft ein Gewinnanteil zugerechnet, in dem der ausländische Veräußerungs- oder Entnahmegewinn anteilig enthalten ist, hat Deutschland diesen Gewinnanteil in DBA-Freistellungsfällen entsprechend Art. 7 i.V.m. Art. 23A OECD-MA aus der inländischen Bemessungsgrundlage (mit Ansatz im Progressionsvorbehalt) auszuklammern. Auf der Grundlage des BFH-Urteils v. 17.7.2008 – I R 77/065 ist die frühere Auslegung überholt, nach Übertragung des Wirtschaftsguts auf eine Personengesellschaft mit DBAFreistellungsbetriebsstätte sei die Besteuerung der inländischen stillen Reserven „nicht sichergestellt“. Der BFH bejaht dort das Bestehen eines anteiligen deutschen Besteuerungsrechts für den auf die inländischen stillen Reserven entfallenden Anteil des Veräußerungsgewinns auch bei Übertragung des Wirtschaftsguts auf eine ausländische Personengesellschaft.6 Daher ist grundsätzlich auch die Besteuerung der im Inland entstandenen stillen Reserven gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG „sichergestellt“, soweit diese dem inländischen Mitunternehmer durch eine Ergänzungsbilanz zugeord1 2 3 4 5 6

Vgl. BT-Drucks. 16/2710, 26. Vgl. Ditz in W/R/S2, Rz. 12.18. Vgl. BT-Drucks. 14/23, 173; Buciek, DStZ 2000, 636 (636). Vgl. Körner, IStR 2009, 741 (746); Schneider/Oepen, FR 2009, 22 (27). BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. Ob dies zutrifft, ist str., vgl. Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 375k (Stand: April 2022); Wassermeyer in W/R/S2, Rz. 2.19 – „Aufgabe der finalen Entnahmetheorie am falschen Fall“.

900 | Gerten

E. Überführungen und Übertragungen auf PersGes, § 6 Abs. 5 S. 1 | Rz. 13.213 Kap. 13

net bleiben.1 Allerdings wird die Auslegung des BFH im Schrifttum2 und von Vertretern der Finanzverwaltung3 in Zweifel gezogen. Übertragungen in Nicht-DBA- und DBA-Anrechnungsbetriebsstätten. Bei Übertragungen auf ausländische Personengesellschaften mit Sitz in DBA-Anrechnungsund Nicht-DBA-Betriebsstätten-Staaten kann Deutschland auf den im Gewinnanteil des Mitunternehmers enthaltenen Teil des ausländischen Veräußerungs- oder Entnahmegewinns, soweit er auf im Inland gebildeten stillen Reserven beruht, ohnehin unter Anrechnung ausländischer Steuer oder vollständig zugreifen, wenn diese dem inländischen Mitunternehmer durch eine Ergänzungsbilanz zugeordnet werden.4 Die Besteuerung der im Inland gebildeten stillen Reserven ist gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG „sichergestellt“.

13.212

Verweis auf § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG wirkungslos. Die Wirkung des Verweises auf die „entsprechende Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG“ in § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG, die in diesem Zusammenhang auch bei Übertragungen mit Rechtsträgerwechsel eine „Sicherstellung der stillen Reserven“ ausschließen soll, unterliegt denselben Bedenken, die oben unter Rz. 13.196 und 13.208 zu § 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG dargelegt worden sind. Eine „entsprechende Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG“ kann in Fällen, in denen als zugrunde liegender Realisationstatbestand § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG gar nicht anzuwenden ist, die Auslegung des Merkmals „Sicherstellung der stillen Reserven“ in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG nicht beeinflussen. Der Verweis geht mangels eines Zuordnungswechsels des Wirtschaftsguts bei „demselben Steuerpflichtigen“ i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG ins Leere. Es bedarf ohnehin einer gewissen Vorstellungskraft, um den Verweis auf § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG in § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 EStG auch in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG hineinzulesen und daraus eine präzise Aussage abzuleiten. Denn in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG heißt es nur, „Satz 1 EStG gilt entsprechend“. Ob das Merkmal des „Zuordnungswechsels“ in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG von der inländischen Betriebsstätte eines Steuerpflichtigen in eine ausländische Betriebsstätte alle unter § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG fallenden Fallgestaltungen entgeltlicher und unentgeltlicher Natur mit und ohne Rechtsträgerwechsel über die zweifach „entsprechend“ angeordnete Anwendung des § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG umfassen kann, ist zweifelhaft. Nach hier vertretener Auffassung ist die Verweisung zu unbestimmt. Dies scheint auch die Finanzverwaltung zu befürchten. Ihre Auffassung, § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG erfordere nach Übertragung ins Ausland die Sicherstellung des Besteuerungsrechts auch für die „künftigen“ (nach der Überführung gebildeten) stillen Reserven und damit für den gesamten ausländischen Veräußerungs- und Entnahmegewinn5 – was jedenfalls bei Überführungen in DBA-Freistellungsbetriebsstätten niemals gewährleistet ist –, wirkt wie eine „Hilfsbegründung“ für das Leerlaufen der Verweiskette.

13.213

1 2 3 4 5

Vgl. Schindler in Kirchhof/Seer21, § 6 EStG Rz. 226. Vgl. Wassermeyer in W/R/S2, Rz. 2.19. Mitschke, FR 2009, 326 (327); Mitschke, FR 2008, 1144 (1145). Vgl. Schindler in Kirchhof/Seer21, § 6 EStG Rz. 226. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 7 Satz 2.

Gerten | 901

Kap. 13 Rz. 13.214 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

13.214 Verhältnis zu unilateralen und DBA-Aktivitäts- und Rückfallklauseln. Selbst wenn man dies nicht so sieht und den Verweis auf § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG grundsätzlich für anwendbar hält, gewährleisten DBA-Aktivitätsklauseln, §§ 20 Abs. 2 AStG, 50d Abs. 9 und 10 EStG – wenn diese ein deutsches Besteuerungsrecht für den Veräußerungsgewinn in der ausländischen Betriebsstätte erhalten – die Buchwertfortführung gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG (vgl. Rz. 13.199). 3. Unentgeltliche Übertragungen aus einem inländischen Betriebsvermögen in ein ausländisches Gesamthandsvermögen (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG)

13.215 Leerlaufen des Verweises auf § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG. Wird das Wirtschaftsgut nach inländischen Maßstäben in das Gesamthandsvermögen der ausländischen Personengesellschaft verdeckt eingelegt, ist im Inland eine Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG verwirklicht.1 Auch diese geht nach hier vertretener Auffassung der fiktiven Entnahme des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG vor. Da § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG als Realisationstatbestand nicht zur Anwendung kommt und kein Zuordnungswechsel i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG vorliegt, geht der Verweis auf die „entsprechende Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG“ in § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG ins Leere (vgl. Rz. 13.196, 13.207 ff.). 4. Übertragungen aus einem inländischen SBV in ein ausländisches Gesamthandsvermögen

13.216 Hier ergeben sich keine Besonderheiten. Es liegen entweder verdeckte Einlagen oder Einbringungen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten vor, die Entstrickungen gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG ausschließen. Demzufolge kann § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG eine Buchwertfortführung bewirken. 5. Verfassungs- und unionsrechtliche Bedenken

13.217 Verfassungsrechtliche Fragen. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist – soweit man entgegen der hier vertretenen Auffassung zu einer ungemilderten Besteuerung der stillen Reserven im Übertragungszeitpunkt kommt – auch bei Übertragungen gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG die Frage aufgeworfen, ob der Gesetzgeber rückwirkend eine feststehende Rechtspraxis kodifiziert oder verschärft hat (vgl. Rz. 13.80 ff.). Die Entstrickungsnormen haben in den Übertragungsfällen keine Verschärfung der Rechtslage bewirkt, da die Übertragungen mit Rechtsträgerwechsel bereits nach anderen Realisationstatbeständen zwingend zur Aufdeckung der stillen Reserven führten. Es bestand für Übertragungen auf ausländische Personengesellschaften mit DBA-Freistellungsbetriebsstätten aber keine gesicherte Rechtspraxis, nach der diese stets zu einer Gewinnrealisierung unter Ausschluss des Buchwertansatzes gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG führten. Ob solche Vorgänge im Auslandsfall auf der Grundlage des sog. Mitunternehmererlasses2 oder ab 2001 über § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG eine zwingende Buchwertfortführung zur Folge hatten oder eine Gewinnrealisation be1 Vgl. Ditz in W/R/S2, Rz. 12.35. 2 BMF v. 20.12.1977 – IV B 2 - S 2241 - 231/77, BStBl. I 1978, 8.

902 | Gerten

E. Überführungen und Übertragungen auf PersGes, § 6 Abs. 5 S. 1 | Rz. 13.219 Kap. 13

wirkt haben,1 ist bislang nicht abschließend geklärt, selbst wenn § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG seit dem Veranlagungszeitraum 2001 für Übertragungen auf ausländische Gesamthandsvermögen generell für anwendbar gehalten wurde. Soweit es zur rückwirkenden Verschärfung der Rechtslage (bei Annahme eines zuvor nicht bestehenden Realisationsvorgangs) kommt, dürfte ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot anzunehmen sein. Unionsrechtliche Fragen. Ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit liegt aufgrund der seitens der Finanzverwaltung angenommenen ungemilderten Aufdeckung der stillen Reserven in den Übertragungsfällen vor. Da diese Realisationsvorgänge über § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG im Inlandsfall zwingend zum Buchwert erfolgen, wird die Übertragung des Wirtschaftsguts auf eine EU/EWR-Personengesellschaft schlechter behandelt und der Liquiditätsnachteil aus der Steuerfestsetzung nicht gemildert. Dies ist mit den Vorgaben des EuGH in der National-Grid-Indus-Entscheidung2 nicht vereinbar.3

13.218

IV. Übertragungen zwischen ausländischen SBV und/oder ausländischem Gesamthandsvermögen (§ 6 Abs. 5 Satz 1 und Satz 3 Nr. 2 EStG) 1. Vorrang der Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG vor der Entstrickung

Subsidiarität der Entstrickungsnormen. Es wird bei Verlagerung eines Wirtschaftsguts zwischen den SBV desselben Mitunternehmers eine „echte“ Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG verwirklicht, weil die Übertragung in der Weise erfolgt, dass vom Mitunternehmer zunächst das Wirtschaftsgut aus dem ersten SBV (Betrieb der ersten Personengesellschaft) entnommen und dann in das zweite SBV (Betrieb der zweiten Personengesellschaft) eingelegt wird.4 Dies gilt auch im Auslandsfall und beim Wechsel aus einem inländischen SBV in ein ausländisches SBV des Mitunternehmers. Die Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Gesamthandsvermögen einer inländischen/ausländischen Personengesellschaft in das Gesamthandsvermögen einer ausländischen Schwesterpersonengesellschaft mit ausländischer Betriebsstätte erfolgt ebenfalls – je nach Ausgestaltung des Vorgangs – als gewinnrealisierende Entnahme aus der Herkunfts-Gesellschaft gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG mit anschließender Einlage oder als Veräußerung des Wirtschaftsguts zwischen den Personengesellschaften. 1 Vgl. die zeitraumbezogene Betrachtung bei Prinz, DB 2009, 807 (810 f.) und BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 2 EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, DStR 2011, 2334, IStR 2012, 27. 3 Allerdings ist an eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 6 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. Satz 1 Halbs. 2, § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG zu denken. Diese könnte darin bestehen, die die Buchwertfortführung ausschließende Verweisung in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG über § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG auf § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG nur dann anzuwenden, wenn der zugrunde liegende Realisationstatbestand § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG ist. Da dies nach hier vertretener Meinung bei Übertragungen und verdeckten Einlagen in ausländische Gesamthandsvermögen nie der Fall sein kann, müssten auch diese Sachverhalte im EU-Fall über § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG zwingend zum Buchwert erfolgen. 4 Vgl. in diesem Sinne auch BFH v. 25.11.2009 – I R 72/08, BStBl. II 2010, 471; abweichend BFH v. 15.4.2010 – IV B 105/09, BFH/NV 2010, 1345.

Gerten | 903

13.219

Kap. 13 Rz. 13.219 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

Denkbar sind auch Kettenübertragungen zwischen den Gesamthands- und Sonderbetriebsvermögen des Mitunternehmers bei beiden Gesellschaften mit hintereinander geschalteten Entnahmen und Einlagen. Diese „echten“ Entnahmen haben Vorrang vor der Entstrickungsbesteuerung gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG (vgl. Rz. 13.193 ff.).

13.220 Entstrickungsnormen bei Auslandsübertragungen anwendbar? Beim Wechsel eines Wirtschaftsguts zwischen den SBV desselben Mitunternehmers bei verschiedenen ausländischen Mitunternehmerschaften oder zwischen ausländischen Gesamthandsvermögen ist überdies zweifelhaft, ob die Entstrickungsnormen verwirklicht werden können, denn das Wirtschaftsgut ist bereits einer ausländischen Betriebsstätte des Mitunternehmers bei der Personengesellschaft oder einer ausländischen Mitunternehmerbetriebsstätte zugeordnet und wechselt in eine andere ausländische Betriebsstätte (vgl. Rz. 13.171).1 Der Wortlaut des Regelbeispiels in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG ist nicht erfüllt, da dieses den Zuordnungswechsel aus einer inländischen Betriebsstätte in eine ausländische Betriebsstätte voraussetzt. 2. Buchwertansatz gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG möglich

13.221 Verweis auf § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG wirkungslos. Der Übertragungsvorgang kann auch im Auslandsfall unter § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG fallen, wenn die Besteuerung der stillen Reserven „sichergestellt“ ist. Liegen Übertragungsvorgänge ausschließlich zwischen ausländischen SBV oder ausländischen Gesamthandsvermögen vor, geht der Verweis auf den „entsprechend anwendbaren § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG“ in § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2, Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG ins Leere, da das Wirtschaftsgut nicht zuvor einer inländischen Betriebsstätte zugeordnet war und es auch an einem „Zuordnungswechsel“ fehlt (vgl. auch Rz. 13.196). Für die Auslegung des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG, ob die Besteuerung der stillen Reserven „sichergestellt“ ist, ist allein die Sichtweise des BFH2 heranzuziehen. 13.222 Übertragungen zwischen Schwesterpersonengesellschaften. Die Anwendbarkeit des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG ist aber nicht für alle denkbaren Sachverhalte gewährleistet. Der IV. Senat des BFH sieht zwar in verfassungskonformer Auslegung des § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG auch die Übertragung eines Wirtschaftsguts zwischen den Gesamthandsvermögen zweier (in- und ausländischer) Schwesterpersonengesellschaften als Fall der Buchwertverknüpfung gem. § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG an.3 Dem folgen der I. Senat des BFH4 und die Finanzverwaltung5 nicht, welche § 6 Abs. 5 Satz 1 bis 3 1 Ob § 4 Abs. 1 Satz 3 ein „Einmal- oder ein Dauertatbestand“ ist, ist überdies streitig und ungeklärt. Hält man die Regelung für einen Einmaltatbestand, die nur die erste Entstrickung erfasst, fehlt es beim Wechsel des Wirtschaftsguts von einer ausländischen Betriebsstätte (Gesamthands- oder SBV) in eine weitere ausländische Betriebsstätte (Gesamthands- oder SBV) des Mitunternehmers an einer Entstrickung gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, vgl. Wassermeyer in FS Krawitz, 2010) 483 (497). 2 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 3 BFH v. 15.4.2010 – IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971. 4 BFH v. 25.11.2009 – I R 72/08, BStBl. II 2010, 471; FG Berlin-Brandenburg v. 20.3.2012 – 11 K 11149/07, rkr., EFG 2012, 1235. 5 BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 18.

904 | Gerten

E. Überführungen und Übertragungen auf PersGes, § 6 Abs. 5 S. 1 | Rz. 13.225 Kap. 13

EStG nicht für anwendbar halten. Dieser Streit ist auch erheblich für die Geltung des § 6 Abs. 5 EStG bei Übertragung eines Wirtschaftsguts aus einer inländischen Schwesterpersonengesellschaft (mit inländischer Betriebsstätte) in eine ausländische Schwesterpersonengesellschaft mit ausländischer Betriebsstätte1 sowie bei Übertragungen zwischen zwei ausländischen Betriebsstätten, die zwei ausländische Schwesterpersonengesellschaften dem Mitunternehmer vermitteln. V. Übertragungen zwischen den ausländischen SBV verschiedener Mitunternehmer (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 EStG) Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG. In den Fällen des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 EStG kommt es zum unentgeltlichen Übergang des Wirtschaftsguts auf einen anderen Steuerpflichtigen, der das Wirtschaftsgut in seinem SBV bei derselben Mitunternehmerschaft – wie zuvor der Übertragende – hält. Der unentgeltliche Übertragungsvorgang bewirkt aus deutscher Sicht eine mit dem Teilwert zu bewertende Entnahme des Wirtschaftsguts des bisherigen Mitunternehmers gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG aus dessen ausländischem Sonderbetriebsvermögen sowie eine Einlage beim neuen Rechtsinhaber in dessen ausländisches Sonderbetriebsvermögen.2 Daher ist nach hier vertretener Meinung wegen der vorrangigen „echten Entnahme“ kein Raum für die Anwendung der Entstrickungsnormen. Außerdem gilt dies, weil das Wirtschaftsgut nur im Ausland bewegt wird (s. Rz. 13.194).

13.223

Buchwertansatz trotz Entstrickung möglich. Hält man die Entstrickungsnorm für anwendbar, ist jedenfalls das Regelbeispiel in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG nicht erfüllt, da das Wirtschaftsgut nicht aus einer inländischen Mitunternehmerbetriebsstätte oder inländischen Betriebsstätte stammt, die die Gesellschaft dem Mitunternehmer vermittelt. Es kann eine Übertragung zum Buchwert gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 EStG anzunehmen sein, wenn die Besteuerung der im Inland gebildeten stillen Reserven „sichergestellt“ ist. Da der Tatbestand des Regelbeispiels in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG nicht erfüllt ist, geht die Verweisung in § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 i.V.m. Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 EStG ins Leere (vgl. auch Rz. 13.196). Es sind die Grundsätze des BFH-Urteils v. 17.7.2008 – I R 77/063 anzuwenden und zu prüfen, ob ein „Ausschluss“ oder die „Beschränkung“ des deutschen Besteuerungsrechts nach der materiell-rechtlichen Rechtslage im Einzelfall eintritt. Wird allerdings die Auffassung vertreten, die Entstrickungsnorm i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG sei vorrangig vor allen Übertragungsvorgängen, die unter § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG fallen können, käme man zum Ansatz des gemeinen Werts (vgl. Rz. 13.81 ff.).

13.224

§ 50d Abs. 10 EStG verhindert Entstrickung. Bei der Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem SBV eines Inländers in das SBV eines Steuerausländers bei derselben ausländischen Mitunternehmerschaft ist die Besteuerung der stillen Reserven

13.225

1 Abkommensrechtlich liegt der Wechsel des Wirtschaftsguts aus einer inländischen Betriebsstätte in eine ausländische Betriebsstätte vor, da die beiden Schwesterpersonengesellschaften dem Mitunternehmer jeweils anteilig Betriebsstätten vermitteln. 2 BFH v. 20.5.2010 – IV R 42/08, BStBl. II 2010, 820. 3 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464.

Gerten | 905

Kap. 13 Rz. 13.225 | Transfer von Einzelwirtschaftsgütern im IntStR

dann „nicht sichergestellt“ i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG, wenn das Besteuerungsrecht für den Veräußerungsgewinn nach Art. 13 Abs. 5 OECD-MA dem Ansässigkeitsstaat des anderen Mitunternehmers zufällt. Allerdings setzt diese Auffassung voraus, dass die Rückfallklausel des § 50d Abs. 10 EStG – entgegen der Meinung der Finanzverwaltung1 – den Verlust des Besteuerungsrechts bezüglich der stillen Reserven des Wirtschaftsguts im SBV nicht verhindern kann. Ob die Finanzverwaltung bei Eingreifen des § 50d Abs. 10 EStG auf die Besteuerung der Entstrickung verzichten muss, ist ungeklärt, nach hier vertretener Meinung aber erforderlich (vgl. Rz. 13.79 f., 13.199, 13.213).

F. Zusammenfassung 13.226 Das Kapitel hat gezeigt, dass die steuerliche Behandlung der Überführung eines Wirtschaftsguts vom Inland in eine ausländische Betriebsstätte und vom Ausland in ein inländisches Stammhaus oder eine Betriebsstätte auf der Grundlage der allgemeinen Entstrickungs- und Verstrickungsregelungen nach wie vor nicht als geklärt angesehen werden kann. Auf nahezu jeder Prüfungsebene sind für Vorgänge aus der Vergangenheit und nach gegenwärtiger Rechtslage Zweifelsfragen aufgeworfen, die mit hohem Begründungsaufwand gelöst werden müssen. Rechtsbehelfsverfahren und Rechtsstreitigkeiten sind langwierig. Bisweilen besteht selbst für lange zurückliegende Veranlagungszeiträume noch keine Rechtssicherheit. In der Vergangenheit ließen die Aktivitäten des Gesetzgebers nicht immer ein planvolles Handeln zur systematischen Umsetzung eines einheitlichen, steuerlichen Verstrickungskonzepts erkennen. Hier können die Vorgaben durch die ATAD zur Implementierung eines europäischen Mindeststandards richtungsweisend für eine zukunftsfähige, rechtssichere und administrierbare Verstrickungsbesteuerung sein. Die verbindliche Vorgabe einer grenzüberschreitenden steuerlichen Wertverknüpfung beim Transfer von Einzelwirtschaftsgütern hat das Potential, Verfahrens- und Prozessrisiken in allen, an einem Transfer beteiligten Jurisdiktionen zu minimieren. Wenngleich sich die Vorgaben der ATAD und ihre Umsetzung durch die Mitgliedstaaten in der Praxis erst noch bewähren müssen, ist ein Anfang gemacht. Und auf inter- und supranationaler Ebene stehen mit der OECD, G20 und weiteren Institutionen Akteure bereit, die es schon in der jüngeren Vergangenheit verstanden haben, Momentum für das Anliegen eines international abgestimmten Steuerrechtsrahmens nutzbar zu machen.

1 Vgl. Rz. 5.1 des BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354.

906 | Gerten

3. Teil Praxisrelevante Einzelaspekte

Kapitel 14 Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Maßgeblichkeit und handelsbilanzielle Bezüge bei Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Verschmelzung von Kapital- auf Personengesellschaften (§§ 3–10 UmwStG) I. Wertansätze und Gewinnermittlung bei der übertragenden Körperschaft 1. Gewinnermittlungsgrundsätze für die umwandlungssteuerliche Schlussbilanz . . . . . . . . . . 2. Grundregel des § 3 Abs. 1 UmwStG: Ansatz zum gemeinen Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Antragswahlrecht zum Ansatz von Buch- oder Zwischenwerten (§ 3 Abs. 2 UmwStG) a) Voraussetzungen zur Nutzung des Antragswahlrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedingung des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG: Betriebsvermögen und Sicherstellung einer Besteuerung mit ESt/KSt . . c) Bedingung des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG: Sicherstellung des deutschen Besteuerungsrechtes d) Bedingung des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UmwStG: Eine Gegenleistung darf nicht gewährt werden oder muss in Gesellschaftsrechten bestehen .

14.1 14.6

14.13 14.24

14.30

14.32

14.56

e) Antragstellung und verfahrensrechtliche Fragen 14.60 4. Steuerliche Konsequenzen des Wertansatzes . . . . . . . . . . . . . . 14.64 II. Wertansätze und Gewinnermittlung bei der übernehmenden Personengesellschaft oder natürlichen Person 1. Wertverknüpfung von Übertragungs- und Übernahmebilanz (§ 4 Abs. 1 Satz 1 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.68 2. Beteiligungskorrekturgewinn (§ 4 Abs. 1 Satz 2, 3 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.75 3. Eintritt in die Rechtsstellung des Überträgers/Fußstapfentheorie (§ 4 Abs. 2, 3 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.79 4. Übernahmefolgegewinn (§ 6 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.83 III. Behandlung der Anteile der Anteilseigner der übertragenden Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.92 IV. Besonderheiten beim Formwechsel von einer Kapital- in eine Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . 14.97 D. Verschmelzung von Kapital- auf Kapitalgesellschaften (§§ 11–13 UmwStG) I. Wertansätze und Gewinnermittlung bei der übertragenden Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.100 II. Wertansätze und Gewinnermittlung bei der übernehmenden Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.107

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Kap. 14 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte III. Behandlung der Anteile der Anteilseigner der übertragenden Körperschaft 1. Anwendungsbereich und Grundsatz des Ansatzes zum gemeinen Wert . . . . . . . . . . . . 14.110 2. Antragswahlrecht zum Ansatz des Buchwertes (§ 13 Abs. 2 UmwStG) a) Vorbemerkungen . . . . . . 14.112 b) Ausschluss oder Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . 14.113 c) Anwendung der Fusionsrichtlinie (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG) . . 14.117 3. Fußstapfentheorie auf Anteilseignerebene . . . . . . . . . . . . . . . 14.118 E. Ab- und Aufspaltung von Kapitalgesellschaften I. Ab- und Aufspaltung von Kapital- auf Kapitalgesellschaften (§ 15 UmwStG) 1. Zivilrechtliche Zulässigkeit und Rückgriff auf §§ 11–13 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.119 2. Übertragungs- und Übernahmebilanz im Spaltungsfall . . 14.122 3. Teilbetriebserfordernis als Voraussetzung zum Buchwertansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.126 4. Missbrauchsvorschriften des § 15 Abs. 2 UmwStG . . . . . . . 14.133 II. Ab- und Aufspaltung von Kapital- auf Personengesellschaften (§ 16 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . 14.137 F. Einbringung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft I. Wertansätze und Gewinnermittlung bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft 1. Regelbewertung zum gemeinen Wert a) Erstbewertung . . . . . . . . . 14.138 b) Folgebewertung . . . . . . . 14.141

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2. Auf Antrag Bewertung mit dem Buchwert bzw. Zwischenwert a) Voraussetzungen des Buchwert- bzw. Zwischenwertansatzes . . . . . . . . . . 14.143 b) Einzelfragen der Bewertung zum Buch- oder Zwischenwert . . . . . . . . . 14.146 c) Antragstellung und Bilanzberichtigung . . . . . . . 14.150 d) Steuerliche Rechtsnachfolge 3. Verhältnis zum Handelsrecht 14.162 4. Einbringungsfolgegewinn . . 14.163 II. Wertansätze und Gewinnermittlung beim Einbringenden 1. Einbringungsgewinn und Wertverknüpfung . . . . . . . . . 14.164 2. Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile . . . . . . . . . . . . . 14.170 III. Besonderheiten bei Pensionszusagen zugunsten von einbringenden Mitunternehmern 1. Bilanzierung von Pensionszusagen bei Mitunternehmerschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.173 2. Fall 1: Pensionszusage als steuerlich unbeachtliche Gewinnverteilungsabrede . . . . . . . . . . 14.175 3. Fall 2: Bildung einer Pensionsrückstellung und einer korrespondierenden Forderung nur beim begünstigten Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.176 4. Fall 3: Bildung einer Pensionsrückstellung und einer quotalen Forderung bei allen Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.177 IV. Gewinnermittlung im Rahmen der rückwirkenden Besteuerung des Anteilseigners nach § 22 Abs. 1 UmwStG 1. Einbringungsgewinn I . . . . . 14.178 2. Nachträgliche Anschaffungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.183 3. Antrag auf Buchwertaufstockung bei der übernehmenden Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 14.184

Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte | Kap. 14 V. Besonderheiten beim Formwechsel von einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . 14.190 G. Anteilstausch I. Wertansatz und Gewinnermittlung bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft 1. Regelbewertung zum gemeinen Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.192 2. Bewertungswahlrecht beim qualifizierten Anteilstausch . . 14.194 II. Wertansatz und Gewinnermittlung beim Einbringenden 1. Veräußerungspreis der eingebrachten Anteile und Wertansatz der erhaltenen Anteile 14.197 2. Einbringungsgewinn . . . . . . . 14.201

3. Steuerliche Rechtsnachfolge . 14.202 III. Rückwirkende Besteuerung beim Anteilstausch und der Miteinbringung von Anteilen an Kapitalgesellschaften bei Sacheinlage (§ 22 Abs. 2 UmwStG) 1. Einbringungsgewinn II . . . . . 14.203 2. Nachträgliche Anschaffungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.205 H. Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Personengesellschaft (§ 24 UmwStG) . . . . . . . . . 14.206 I. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.218

Literatur: Adrian/Fey, Verpflichtungsübernahme nach dem AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz, StuB 2014, 53; Adrian/Fey, Verpflichtungsübernahmen, Schuldbeitritte und Erfüllungsübernahmen in der Steuerbilanz – Anmerkungen zum BMF-Schreiben vom 30.11.2017, StuB 2018, 85; Adrian/Franz, Änderungen der Unternehmensbesteuerung durch das AmtshilferichtlinieUmsetzungsgesetz, BB 2013, 1879; Ausschuss Steuerrecht des Deutschen Anwaltsvereins, Stellungnahme zum Entwurf des BMF bezüglich des Umwandlungssteuererlasses 2011, NZG 2011, 819; Adrian/Heinemann, §§ 4f und 5 Abs. 7 EStG n.F. Praxis – 4. Leitthema: Bilanzsteuerrecht, StbJb. 2014/2015, 307; Bärwaldt/Hoefling, Grenzüberschreitender Formwechsel: Das Urteil des EuGH in der Rs. „Polbud“ in der praktischen Anwendung, DB 2017, 3051; Bayer/ Schmidt, Grenzüberschreitende Mobilität von Gesellschaften: Formwechsel durch isolierte Satzungssitzverlegung, ZIP 2017, 2225; Behrens/Renner, Buchwertfortführung bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften in sog. Treuhand-KG, BB 2016, 683; Beinert/Benecke, Internationale Aspekte der Umstrukturierung von Unternehmen – Erster Teil: Entstrickung und Umwandlungen sowie FusionsRL und Teilbetriebsbegriff im UmwStG 2006, FR 2010, 1009; Benecke/Beinert, Internationale Aspekte der Umstrukturierung von Unternehmen – Zweiter Teil: Umwandlungen nach §§ 3 ff. und §§ 11 ff. UmwStG sowie Anwendung des § 50d Abs. 9 EStG, FR 2010, 1120; Benecke/Möllmann, Die Gewährung „sonstiger Gegenleistungen“ bei Einbringungsvorgängen nach dem Steueränderungsgesetz 2015, FR 2016, 741; Benecke/Schnitger, Neuregelung des UmwStG und der Entstrickungsnormen durch das SEStEG, IStR 2006, 765; Benz/Placke, Die neue gesetzliche Regelung durch das AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz zur „angeschafften Drohverlustrückstellung“ in § 4f und § 5 Abs. 7 EStG, DStR 2013, 2653; Benz/ Rosenberg, Ausgewählte Problemfragen im Zusammenhang mit Einbringungen nach §§ 20 ff. UmwStG, DB 2011, 1354; Benz/Rosenberg, Einbringung von Unternehmensteilen in eine Kapitalgesellschaft und Anteilstausch (§§ 20–23 UmwStG), DB 2012, 38; Bilitewski/Heinemann, Die Beschränkung der „sonstigen Gegenleistung“ in Einbringungsfällen nach dem Entwurf der Bundesregierung zum ProtErklUmsG vom 27.03.2015, Ubg 2015, 513; Binder/Riedel, Aufgabe des Gesamtplans im BMF-Schreiben zu § 6 Abs. 3 EStG – jedoch keine Erleichterung für Einbringungen nach dem UmwStG?, DB 2020, 1587; Blumers, Teilbetriebe und wesentliche Betriebsgrundlagen – zugleich Anm. zu BFH-Urteil vom 7.4.2010 – I R 96/08, DB 2010, 1567 und 1670; Blumers, Downstream Merger systemgerecht interpretiert, DB 2018, 3087; Bodden, Verschmelzung und Formwechsel von Kapitalgesellschaften auf gewerbliche Personengesell-

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Kap. 14 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte schaften nach dem SEStEG (§§ 3–10 UmwStG n.F.), FR 2007, 66; Bogenschütz, Umwandlung von Kapital- in Personengesellschaften, Ubg 2011, 393; Bolik/Selig-Kraft, Kaum zu heben – Steuerfolgen der Realisierung stiller Lasten nach dem BMF-Schreiben vom 30.11.2017 – Verpflichtungsübernahmen, Schuldbeitritte und Erfüllungsübernahmen, NWB 2018, 851; Bolk, Auflösung von Ergänzungsbilanzen nach § 24 UmwStG, DStR 2018, 424; Brähler/Göttsche/ Rauch, Verlustnutzung von Kapitalgesellschaften bei Umwandlungen – Eine ökonomische Vorteilhaftigkeitsanalyse, ZfB 2009, 1175; Brandi, Grenzüberschreitender (Heraus-)Formwechsel – praktische Erfahrungen und Vergleich mit Reformvorschlägen im EU Company Law Package, BB 2018, 2626; Brandi/Schmidt, Der grenzüberschreitende Formwechsel nach dem RegE zum UmRUG, DB 2022, 1880; Breuninger/Schade, Zur Frage der Buchwertfortführung in Fällen der Spaltung eines Unternehmens, GmbHR 2006, 219; Broemel/Kölle, Erweiterte Gewerbesteuerkürzung nach Umstrukturierungen – Grenzen des Vergangenheitsbezugs, Ubg 2018, 431; Broemel/Kölle, Die BFH-Rechtsprechung zu § 15 Abs. 2 S. 3-4 UmwStG – Neue Freiheiten für steuerliche Umstrukturierungen und ihre Grenzen, DStR 2022, 513; Bron, Sonstige Gegenleistungen im Rahmen von Umwandlungen (§§ 20, 21 und 24 UmwStG) nach dem „Protokollerklärungsumsetzungsgesetz“, DB 2015, 940; Brühl, Anmerkung zu einer Entscheidung des FG Hamburg, Urteil vom 18.09.2018 (6 K 77/16) – Zur Buchwertfortführung bei einer Abspaltung, GmbHR 2019, 145; Brühl/Weiss, „Check the box“ from good old Germany – Die Option zur Besteuerung als Körperschaft nach dem Entwurf des KöMoG, DStR 2021, 889; Brühl/Weiss, Keine Besteuerungsschaukel! – Die Rückoption zur transparenten Besteuerung nach dem Entwurf des KöMoG, DStR 2021, 945; Brühl/Weiss, Die Option zur Körperschaftsbesteuerung nach der endgültigen Fassung des KöMoG, DStR 2021, 1617; Bumiller, Die Nachveräußerungssperre bei Spaltungen, NWB 2019, 1738; Bungert, 20 Jahre grenzüberschreitende Umwandlungen in der EU – Umsetzung der Mobilitätsrichtlinie dringend erwartet, DB 2022, Heft 7, M4; Bungert/Strothotte, Die grenzüberschreitende Spaltung nach dem Referentenentwurf des UmRUG, BB 2022, 1411; Bungert/Strothotte, Die Regierungsentwürfe zu grenzüberschreitenden Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechseln, DB 2022, 1818; Bungert/Wansleben, Grenzüberschreitende Spaltungen nach dem Richtlinienentwurf der EUKommission, DB 2018, 2094; Bünning, Steuerbilanzrechtliche Regelungen im Umwandlungssteuererlass 2011, BB 2012, 243; Bünning, Einschränkungen der Buchwertverknüpfung bei Einbringungen nach § 21 und § 24 UmwStG, BB 2017, 171; Bunzeck/Eberts, Verschmelzungen vor den Hintergründen des § 22 UmwStG, IWB 2012, 95; Cordes/Kraft, Regierungsentwurf zum Optionsmodell – Körperschaftsteuer ab 2022 auch für Personengesellschaften?, FR 2021, 401; Damas, Einführung in das neue Umwandlungssteuerrecht, DStZ 2007, 129; Danz, Das Subjektsteuerprinzip – Begriff, Rechtfertigung und Auswirkungen, FR 2018, 160; Demuth, Unternehmensumstrukturierung mit handelsbilanzieller Wertaufstockung und steuerlicher Buchwertfortführung, KÖSDI 2010, 16997; Demuth, Beratungspraktische Hinweise zur Verschmelzung von Kapitalgesellschaften nach dem neuen UmwStErlass, KÖSDI 2012, 17784; Demuth, Hinweise zum Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts aus Beratersicht, KÖSDI 2021, 22241; Demuth, KöMoG: Immobiliengesellschaft als optierende Gesellschaft – Beratungsüberlegungen und Gestaltungshinweise, NWB 2021, 2586; Desens, Steuerrechtliche Zweifelsfragen bei Einbringungen in Kapitalgesellschaften, DStR 2010, Beihefter zu Heft 46, 80; Desens, Der Leistungsfähigkeitsgedanke und die Entstrickung im Spiegel der europäischen Freizügigkeitsrechte, FR 2022, 681; Diller/Grottke, Die Konzeption von Teilwert und gemeinem Wert – dargestellt am Beispiel des Wechsels vom Teilwert zum gemeinen Wert im Rahmen des SEStEG, SteuerStud 2007, 69; Dörfler/Rautenstrauch/Adrian, Verlustnutzung bei Verschmelzung von Körperschaften vor und nach Änderung des § 12 Abs. 3 UmwStG durch das SEStEG, BB 2006, 1657; Dörfler/Spitz, Das Optionsmodell zur Besteuerung mit Körperschaftsteuer für Personenhandelsgesellschaften nach dem KöMoG, ErbStB 2022, 14; Dötsch/Pung, Das EuGH-Urteil in der Rs. SEVIC: Mögliche Auswirkungen auf das Umwandlungssteuerrecht, DK 2006, 258; Dötsch/Pung, SEStEG – Die Änderungen des UmwStG, Teil I und Teil II, DB 2006, 2704 und 2763; Dreßler/Kompolsek, Weitere Globalisierung des Um-

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Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte | Kap. 14 wandlungssteuerrechts durch das KöMoG – Neue Möglichkeiten und fortbestehende Hürden, WPg 2021, 1243; Drinhausen/Keinath, Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie, BB 2022, 1346; Drinhausen/Keinath, Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie, BB 2022, 1923; Dürr, Buchwertansatz bei Abwärtsverschmelzung einer deutschen Kapitalgesellschaft mit ausländischem Anteilseigner auf ihre Tochtergesellschaft?, DStZ 2018, 576; Eberhardt, Transfer stiller Reserven in das Ausland beim Downstream-Merger – Wertansatz des § 11 Abs. 2 Satz 2 UmwStG bei Abwärtsverschmelzung mit Anteilseignern im Ausland, IWB 2017, 681; Eberhardt, Kein Transfer stiller Reserven in das Ausland beim Down-Stream-Merger mit ausländischen Anteilseignern – BFH, Urteile v. 30.5.2018 – I R 35/16 und I R 31/16, IWB 2019, 172; Eckl, Der neue Umwandlungssteuererlass, CFlaw 2011, 312; Eggert, Berücksichtigung von Sonderbetriebsvermögen im Optionsmodell des KöMoG – Überlegungen zur Sicherung der Buchwertfortführung, BBK 2021, 628; Eggert, Nochmals: Sonderbetriebsvermögen im Optionsmodell des KöMoG – BMF-Schreiben mit Lösungsansätzen, BBK 2021, 1091; Ettinger/Mörz, Ausgewählte Problemfelder und praktische Gestaltungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit der Neuregelung der §§ 20, 21 und 24 UmwStG durch das Steueränderungsgesetz 2015 („Lex Porsche“), GmbHR 2016, 154; Figna/Fürstenau, Steuerliche Praxisfragen bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen, BB-Special 1/2010, 12; Förster, Der finale Umwandlungssteuererlass 2011 – wichtige Abweichungen gegenüber der Entwurfsfassung, GmbHR 2012, 237; Förster, Aktuelle Gefahrenbereiche des § 18 Abs. 3 UmwStG, DB 2016, 789; Förster/Felchner, Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personenunternehmen nach dem Referentenentwurf zum SEStEG, DB 2006, 1072; Förster/Förster, Zurückbehaltung und Ausgliederung von wesentlichen Betriebsgrundlagen bei der Übertragung von Mitunternehmeranteilen, FR 2016, 596; Förster/Staaden, Übertragung von Verpflichtungen mit Ansatz- und Bewertungsvorbehalten (§§ 4f, 5 Abs. 7 EStG), Ubg 2014, 1; Förster/Wendland, Einbringung von Unternehmensteilen in Kapitalgesellschaften – Auswirkungen des SEStEG auf Umwandlungsvorgänge, BB 2007, 631; Förster/ Werthebach, Immer noch offene Fragen bei Verpflichtungsübernahmen, Schuldbeitritten und Erfüllungsübernahmen, BB 2019, 299; Fuhrmann, KöMoG: Das Optionsmodell im Umwandlungssteuerrecht – Praxisrelevante Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Wechsel des Besteuerungsregimes, NWB 2021, 2356; Fuhrmann/Demuth, Pensionszusagen bei Unternehmensumwandlung, -verkauf und -einstellung, KÖSDI 2006, 15082; Gebert/Blasius, § 5 Abs. 1 EStG – Neukonturierung des Maßgeblichkeitsprinzips – Anm. zum BMF-Schreiben v. 12.3.2010, FR 2010, 398, FR 2010, 408; Gemmel/Schultes-Schnitzlein, Einbringungen i.S.d. §§ 20, 21 UmwStG, NWB 2012, 731; Geyrhalter/Weber, Transnationale Verschmelzungen – im Spannungsfeld zwischen SEVIC Systems und der Verschmelzungsrichtlinie, DStR 2006, 146; Gille, Missbrauchstypisierungen im neuen Umwandlungssteuerrecht: Verstoß gegen die Fusionsrichtlinie?, IStR 2007, 194; Girlich/Philipp, Entstrickungsaspekte bei der Hinausverschmelzung von Kapitalgesellschaften, Ubg 2012, 150; Gosch, Über Entstrickungen – Stand des unnötig komplexen „Entstrickungssteuerrechts“ und absehbare Entwicklungen, IWB 2012, 779; Gosch, Rechtmäßigkeit der Entstrickungsbesteuerung nach § 20 UmwStG 1995 – EuGH, Urteil vom 23.1.2014 – Rs. C-164/12, DMC Beteiligungsgesellschaft, IWB 2014, 183; Gragert, AdV bei Mindestgewinnbesteuerung nach § 10d EStG, NWB 2011, 4007; Gsödl/ Wuttke, Ertragsteuerliche Neutralität der (grenzüberschreitenden) Abwärtsverschmelzung bei Kapitalgesellschaften – Anmerkung zu den Urteilen des FG Rheinland-Pfalz v. 12.4.2016 – 1 K 1001/14 und des FG Düsseldorf v. 22.4.2016 – 6 K 1947/14 K, G, DStR 2016, 2326; Gude, „Where is my mind?“ – Immaterielle Wirtschaftsgüter als Hindernis für die Buchwertfortführung bei Spaltungen gemäß § 15 Abs. 1 S. 2 UmwStG – Ist die Maßgabe durch die Finanzverwaltung (insoweit) statthaft?, DStR 2022, 1463; Hageböke/Stangl, „Globalisierung“ des UmwStG durch das KöMoG und Einbringungen durch Drittstaatengesellschafter – Eine Bestandsaufnahme unter Berücksichtigung der „DMC“-Rechtsprechung, Ubg 2021, 242; Hagemann/Jakob/Ropohl/Viebrock, SEStEG – Das neue Konzept der Verstrickung und Entstrickung sowie die Neufassung des Umwandlungssteuerrechts, NWB-Sonderheft 1/2007, 1;

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Kap. 14 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte Hahn, Die Veräußerung spaltungsgeborener Anteile – Überlegungen zu BFH v. 3.8.2005 und zur Spaltungsregelung nach dem SEStEG, GmbHR 2006, 462; Hänsch, Bilanzierung übertragener Pensionsverpflichtungen beim Übernehmer – Neubewertung nach § 5 Abs. 7 EStG mit Praxisfall, BBK 2016, 888; Hänsch, Aktuelles zu Schuldübernahmen, -beitritten und Erfüllungsübernahmen – Eine praxisnahe Kommentierung des BMF-Schreibens vom 30.11.2017, BBK 2018, 321; Heckschen/Knaier, Größte Reform des Umwandlungsrechts – nicht nur Richtlinienumsetzung! (Teil II), GmbHR 2022, 613; Heinemann, Verschmelzung von Kapitalgesellschaften nach dem neuen UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 133; Helios/Meinert, Steuerrechtliche Behandlung von Bewertungseinheiten im Rahmen von Umwandlungen, Ubg 2011, 592; Herlinghaus, Betriebsbegriff und „Gesamtplan“ bei Unternehmensveräußerungen und -umstrukturierungen, FR 2014, 441; Heurung/Engel/Schröder, Auf- und Abspaltung von Körperschaften – Analyse des Entwurfs eines BMF-Schreibens zur Anwendung des UmwStG 2006, GmbHR 2011, 617; Hoffmann, Ausgliederung von Pensionsverpflichtungen; Bilanzierung bei übernehmender Gesellschaft, DStR 2013, 580; Hoffmann, Die grenzüberschreitende Verschmelzung auf eine deutsche Personenhandelsgesellschaft, NZG 2019, 1208; Holle/Krüger/Weiss, Die geplante Erweiterung der persönlichen Anwendbarkeit des UmwStG durch das KöMoG – Globalisierung des UmwStG?, IStR 2021, 489; Holle/Weiss, Verschmelzung, Spaltung und die Kosten für den Vermögensübergang nach § 12 Abs. 2 UmwStG, DStR 2018, 167; Holle/Weiss, Zur Buchwertfortführung unter dem Umwandlungssteuergesetz bei stillen Lasten der übertragenen Sachgesamtheit, FR 2019, 833; Hörtnagl, Die Einbringung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen in eine Kapitalgesellschaft (§ 20 UmwStG) nach dem SEStEG, Stbg 2007, 257; Honert/Geimer, Neue Möglichkeiten der steuerorientierten Umstrukturierung, in Wachter (Hrsg.), Vertragsgestaltung im Zivil- und Steuerrecht, Festschrift Spiegelberger, Bonn 2009, 247; Horst, Behandlung stiller Lasten bei Umwandlungen und im M&A-Prozess, FR 2015, 824; Hruschka, Umwandlung Kapital- auf Personengesellschaften (§§ 3 ff. UmwStG), DStR 2012, Beihefter zu Heft 2, 4; Huber/Marat, Steuerneutraler Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine vermögensverwaltende Personengesellschaft, DB 2011, 1823; Jacobsen, Vorschlag zur vollständigen Globalisierung des Umwandlungssteuerrechts, DStZ 2021, 489; Jochum/Hemmelrath, Der grenzüberschreitende Hinausformwechsel in Europa: Ein Beitrag zur richterlichen Weitsicht und zum RL-Vorschlag der EU-Kommission v. 25.4.2018 für die Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132, IStR 2019, 517; Käbisch/ Bunzeck, Grenzüberschreitende Umstrukturierungen nach dem Erlassentwurf zum UmwStG vom 2.5.2011, IWB 2011, 392; Kaeser, Einbringungstatbestände (§§ 20 ff. UmwStG), DStR 2012, Beihefter zu Heft 2, 13; Kahle, Abgrenzung von Gesellschafterkonten bei Personengesellschaften, DStZ 2010, 720; Kahle, Steuerliche Gewinnermittlung nach dem BilMoG, StuB 2011, 163; Kahle, Zur Zukunft der Besteuerung der Personengesellschaften, FR 2022, 377; Kahle, Zur Ertragsbesteuerung der Personengesellschaften nach MoPeG und KöMoG, StuB 2022, 881; Kahle/Braun, Bilanzierung angeschaffter Rückstellungen in der Steuerbilanz – Zugleich Besprechung des BMF-Schreibens v. 30.11.2017, FR 2018, 100, FR 2018, 197; Kahle/Braun/ Burger, Ausgewählte Entwicklungen der Ertragsbesteuerung von Betriebsstätten, FR 2018, 717; Kahle/Hiller/Vogel, Bewertungswahlrechte und Bewertungsmaßstäbe im Umwandlungsfall in Handels- und Steuerbilanz, FR 2012, 789; Kahle/Kindich, Die finalen Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung als (vorläufiger) Abschluss der Umsetzung des „Authorised OECD Approach“, GmbHR 2017, 341; Kahle/Mock, Zur Bilanzierung von Beteiligungen an Personengesellschaften, DStZ 2022, 231; Kahle/Schulz/Vogel, Auswirkungen des BilMoG auf die Besteuerung der Unternehmen, Ubg 2011, 178; Kahle/Vogel, Fiktive Steueranrechnung in Umwandlungsfällen, ISR 2013, 234; Kahlenberg, Steuerentstrickung bei Abwärtsverschmelzung mit ausländischer Anteilseignerin, PIStB 2019, 33; Kai, Einbringung von Betriebsvermögen in Personengesellschaften nach dem UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 165; Kempf/Nitzschke, Überlegungen zur Abwärtsverschmelzung bei ausländischen Anteilseignern, IStR 2022, 73; Kessler/Philipp, Steuerlicher Übertragungsstichtag als maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Teilbetriebsvoraussetzung? – Anmerkungen zur geplanten Änderung

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Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte | Kap. 14 der Verwaltungsauffassung, DStR 2011, 1065; Kessler/Philipp, Steuerrechtliche Behandlung der Anteile an der übernehmenden Körperschaft im Rahmen des downstream-merger – Anm. zur Verwaltungsauffassung im Umwandlungssteuererlass-Entwurf vom 2.5.2011, DB 2011, 1658; Kindler, Unternehmensmobilität nach „Polbud“: Der grenzüberschreitende Formwechsel in Gestaltungspraxis und Rechtspolitik, NZG 2018, 1; Klaproth, Nachspaltungsveräußerungssperre bei isolierter Anwendung von § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG, DK 2017, 443; Klingberg/Nitzschke, Grenzüberschreitende Umwandlungen am Beispiel grenzüberschreitender Verschmelzungen, Ubg 2011, 451; Klingebiel, SEStEG (Stand 12.7.2006) – Umwandlung einer Körperschaft in eine Personengesellschaft, DK 2006, 600; Knaier, Unionales Umwandlungsrecht – Die Zukunft der Unternehmensmobilität im Binnenmarkt, GmbHR 2018, 607; Koch, Steuerbilanzielle Antragswahlrechte nach UmwStG – Fallstricke und Praxistipps, BB 2011, 1067; Köhler/Käshammer, Umwandlung von Kapitalgesellschaften mit ausländischen Anteilseignern in Personengesellschaften nach dem UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 301; Kollruss, Abwärtsverschmelzung mit ausländischer Anteilseignerin, WPg 2020, 183; Kotyrba/ Scheunemann, Ausgewählte Praxisschwerpunkte im Umwandlungssteuererlass 2011, BB 2012, 223; Kraft/Dombrowski, Die praktische Umsetzung des „Authorized OECD Approach“ vor dem Hintergrund der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung, FR 2014, 1105; Kraft/Michel, Unionsrechtliche Problembereiche bei der Abwärtsverschmelzung von Kapitalgesellschaften mit ausländischen Anteilseignern, EWS 2017, 317; Kraft/Poley, Zweifelsfragen bei der Hereinverschmelzung von Kapital- auf Personengesellschaften – eine Fallstudien-gestützte Analyse, FR 2014, 1; Kroener/Momen, Neuerungen des UmwSt-Erlasses 2011 – Ein Überblick, DB 2012, 71; Krohn, „Kosten für den Vermögensübergang“ – Ein unterschätztes Prüfungsfeld im Rahmen von aktuellen Betriebsprüfungen, DB 2018, 1755; Krohn/Greulich, Ausgewählte Einzelprobleme des neuen Umwandlungssteuerrechts aus der Praxis, DStR 2008, 646; Kühn, DBA- und Unionsrechtskonformität der Behandlung einer Abwärtsverschmelzung von Kapitalgesellschaften mit ausländischen Anteilseignern, IStR 2021, 153; Kußmaul/Gottfreund, Die Option zur Körperschaftsbesteuerung nach § 1a KStG-E, StB 2021, 161; Lammel/Wasmeier, Grenzüberschreitender Rechtsformwechsel auch ohne Liquidation an der Grenze, IWB 2018, 137; Lemaitre/Schönherr, Die Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften durch Verschmelzung und Formwechsel nach der Neufassung des UmwStG durch das SEStEG, GmbHR 2007, 173; Lenz/Adrian, Besitzzeitanrechnung bei Umwandlungen und Einbringungen – Zugleich Anm. zum BFH-Urteil vom 16.04.2014 (I R 44/13, DB 2014 S. 1716), DB 2014, 2670; Levedag, Einbringung und Einlage von Privatvermögen in vermögensverwaltende und gewerbliche Personengesellschaften, GmbHR 2013, 243; Ley, Einbringungen nach §§ 20, 24 UmwStG in der Fassung des SEStEG, FR 2007, 109; Ley/Bodden, Verschmelzung und Spaltung von inländischen Kapitalgesellschaften nach dem SEStEG (§§ 11–15 UmwStG n.F.), FR 2007, 265; Linn, Das EuGH-Urteil in der Rs. DMC und der Vorlagebeschluss des FG Düsseldorf – Ende der Diskussionen um die Wegzugssteuer?, IStR 2014, 136; Linn/Pignot, Neues zur Wegzugsbesteuerung – Jüngere Entscheidungen und neue Perspektiven, IWB 2018, 114; Ludwig/Leidel, Abwärtsverschmelzung mit ausländischen Anteilseignern – neue BFH-Rechtsprechung und ihre Auswirkungen in der Praxis, IStR 2019, 433; Maetz, Der Teilbetrieb des UmwStG im Spannungsfeld zwischen Realisations-, Subjektsteuerund Kontinuitätsprinzip, Baden-Baden 2017; Mattern, Vorsicht bei Umwandlungsvorgängen mit dem gewerbesteuerlichen Schachtelprivileg! – Zugleich Anmerkungen zum BFH-Urteil vom 16.4.2014, I R 44/13, DStR 2014, 2376; Mayer, Zuordnung offener Rücklagen iSd § 7 UmwStG zu Alt-Gesellschaftern trotz Erfassung in der Gesamthand der übernehmenden Mitunternehmerschaft – Anmerkungen zum BFH-Urteil v. 11.4.2019 – IV R 1/17, DStR 2019, 1789; Meining/Glutsch, Erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG beim Formwechsel einer GmbH in eine GmbH & Co. KG mit anschließendem Verkauf des letzten Grundstücks, Ubg 2015, 405; Melan/Wecke, Reichweite und Rechtfertigung von § 4f EStG im Umwandlungssteuerfall, Ubg 2017, 253; Melchior, Zuzug einer GmbH aus einem anderen EUMitgliedsstaat nach Deutschland – leicht gemacht?, GmbHR 2014, R305; Micker/Kühn, Pra-

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Kap. 14 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte xisprobleme bei der Abwärtsverschmelzung von Kapitalgesellschaften – Folgen aus der Rechtsprechung des I. Senats, Ubg 2020, 196; Micker/Schwarz, Europarechtskonforme Entstrickung von Privat- und Betriebsvermögen – EuGH, Urteil vom 21.12.2016 – Rs. C-503/14, Kommission gegen Portugal, IWB 2017, 344; Micker/Uphues, Die Auslegung des Teilbetriebsbegriffs im Steuerrecht – Fortbestehender Dualismus oder zukünftige Einheitsdefinition?, Ubg 2021, 320; Mitschke, National Grid Indus – Ein Phyrrussieg für die Gegner der Sofortversteuerung? – Zugleich eine Erwiderung auf Körner, in diesem Heft S. 1, IStR 2012, 6; Mitschke, Nochmals: Das EuGH-Urteil in der Rs. DMC – Ende der Diskussionen um die Wegzugsteuer? – Eine Erwiderung auf Linn, IStR 2014, 136 ff., IStR 2014, 214; Mitschke, Das EuGH-Urteil in der Rechtssache C-292/16 (A) v. 23.11.2017 – ein „Staatsstreich“ gegen den Unionsgesetzgeber?, IStR 2018, 65; Mühle, Steuerliche Behandlung von Umwandlungskosten bei Unternehmenstransaktionen, DStZ 2006, 63; Müller, FG Düsseldorf legt deutsche Entstrickungsbesteuerung dem EuGH vor, ISR 2014, 58; Müller, Entstrickungsbesteuerung bei Einbringung einer EUAnrechungsbetriebsstätte, ISR 2018, 58; Müller, Fehlende Stundungsmöglichkeit bei Einbringung einer ausländischen Betriebsstätte in eine ausländische KapGes. unionsrechtswidrig, DB 2018, 27; Müller-Etienne/Doster, Der (immer noch) verunglückte § 24 Abs. 5 UmwStG – Nachbesserungsbedarf für den Gesetzgeber, DStR 2013, 1924; Müller/Maiterth, Besteuerung der Umwandlung einer Körperschaft in ein Personenunternehmen nach dem zweiten Teil des UmwStG n.F.: eine ökonomische und steuersystematische Analyse, WPg 2007, 249; Mutscher, Anwendungsbereich der fiktiven Steueranrechnung im UmwStG, IStR 2010, 820; Neu/Schiffers/Watermeyer, Praxisrelevante Schwerpunkte aus dem UmwStE-Entwurf, GmbHR 2011, 729; Neumann, Spaltung von Kapitalgesellschaften nach dem UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 141; Nitzschke, Folgerungen aus der Rechtsprechung des BFH zu gewerblich geprägten Personengesellschaften für Umwandlungen, IStR 2011, 838; Nöcker, StÄndG 2015 – ein „überschießendes“ Nichtanwendungsgesetz? – „Echte“ Zuzahlungen und die Neuregelung des § 24 UmwStG, DB 2016, 72; Oppel, Einbringung einer Anrechnungsbetriebsstätte in ausländische Kapitalgesellschaften – EuGH, Urteil v. 23.11.2017 – Rs. C-292/16 „A“, IWB 2018, 324; Orth, Anwendbarkeit des § 6b EStG auf einen Einbringungsgewinn I, DStR 2011, 1541; OrtmannBabel/Bolik/Füldner, Gestaltungsüberlegungen zur Hebung stiller Lasten in der Steuerbilanz, StuB 2012, 335; Ott, Einbringung in eine Kapitalgesellschaft nach den §§ 20-23 UmwStG i.d.F. des SEStG, StuB 2007, 10; Ott, Steuerklauseln beim Anteilstausch i.S.v. § 21 UmwStG, DStZ 2009, 90; Ott, Einbringung in eine Kapitalgesellschaft, StuB 2011, 620; Ott, Der neue Umwandlungssteuer-Erlass vom 11.11.2011, StuB 2012, 131; Ott, Verschmelzung von Gewinnund Verlust-Kapitalgesellschaften, StuB 2014, 488; Ott, Sonstige Gegenleistungen bei Einbringungen nach den §§ 20, 21 und 24 UmwStG – Ein Update nach Verabschiedung des StÄndG 2015, StuB 2015, 909; Ott, Der Begriff der sonstigen Gegenleistung bei Einbringungen nach UmwStG – Diskussion ausgewählter Gestaltungsmöglichkeiten, StuB 2016, 812; Ott, Gesellschafterdarlehen bei Verschmelzung einer GmbH auf ihren Alleingesellschafter – Anmerkungen zum BFH-Urteil vom 9.4.2019 – X R 23/16, StuB 2019, 729; Ott, Ausgewählte Fragen zum Optionsmodell nach dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts, DStZ 2021, 559; Patt, Die steuerliche Behandlung der Einbringung von Unternehmensteilen in eine Kapitalgesellschaft oder Europäische Genossenschaft und des Anteilstauschs nach dem SEStEG, DK 2006, 730; Patt, Der neue UmwSt-Erlass ist (noch) nicht da! Aber: Entwurf eines Anwendungsschreibens liegt vor, DB 2011, Heft 22, M10; Peetz, Spaltung und Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, GmbHR 2020, 467; Philipp, Grenzüberschreitender downstream merger: Umwandlungssteuerliche Behandlung der Anteile an der Übernehmerin – Anmerkung zu FG Düsseldorf vom 22.04.2016 – 6 K 1947/14 K, G, RS1206802, DB 2016, 2022; Pitzal, Übergang von Rücklagen nach § 6b EStG bei Abspaltungen von Körperschaften und Einbringungen in Kapitalgesellschaften, DStR 2011, 2373; Pohl, Ausgewählte internationale Aspekte des neuen Umwandlungssteuererlasses, IWB 2012, 177; Prinz, SEStEG und Bilanzrecht: Wegfall des umwandlungssteuerlichen Maßgeblichkeitsprinzips, StuB 2007, 125; Prinz, Steuerliches Entstrickungskonzept – gelungen oder reparaturbedürftig?, GmbHR 2012,

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Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte | Kap. 14 195; Prinz, Anwendungsfragen bei der Verpflichtungsübernahme – Sind die Regelungen zur entgeltlichen Schuldübertragung (§§ 4f, 5 Abs. 7 EStG) systemwidrig oder fiskal erforderlich? Das in Vorbereitung befindliche BMF-Schreiben enthält aus Sicht der Praxis problematische Rechtspositionen, DB 2017, Heft 26, M28; Prinz, Globalisierung des deutschen Umwandlungssteuerrechts durch das KöMoG – Begrüßenswert, aber unvollständig, FR 2021, 561; Prinz, Grenzüberschreitende Mobilität von Personengesellschaften – ein vergessenes „Rechtskapitel“?, DB 2022, Heft 25, M4; Prinz, Internationale Personengesellschaften: Option gem. § 1a KStG bei ausländischen Mitunternehmern, FR 2023, 1; Prinz/Otto, Neues BMF-Anwendungsschreiben vom 30.11.2017 zu §§ 4f, 5 Abs. 7 EStG, GmbHR 2018, 497; Prinz zu Hohenlohe/Rautenstrauch/Adrian, Der Entwurf des SEStEG: Geplante Änderungen bei inländischen Verschmelzungen – Entscheidungshilfen für geplante Umwandlungen anhand einer Vorteilhaftigkeitsbetrachtung, GmbHR 2006, 623; Rapp, Einbringung von Mitunternehmeranteilen in Kapitalgesellschaften nach § 20 UmwStG – Umstrukturierungshindernis Gesellschafterverbindlichkeiten?, DStR 2017, 580; Rasche, Steuerliche Risiken bei der Abwärtsverschmelzung („down-stream merger“), GmbHR 2010, 1188; Rasche, Einbringung von Unternehmensteilen in Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften nach dem UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 149; Rautenstrauch/Seitz, National Grid Indus: Europarechtliche Implikationen für den Wegzug und die internationale Umwandlung von Gesellschaften, Ubg 2012, 14; Reiche, Zur Einordnung von Beteiligungen als wesentliche Betriebsgrundlagen im Umwandlungssteuerrecht, DStR 2006, 1205; Richter, Die Neuregelung zu „sonstigen Gegenleistungen“ in § 24 Abs. 2 S. 2 UmwStG, DStR 2016, 840; Richter/Heyd, Die Konkretisierung der Entstrickungsregelungen und Kodifizierung der finalen Betriebsaufgabe durch das Jahressteuergesetz 2010, Ubg 2011, 172; Riedel, Besteuerung stiller Reserven und stiller Lasten bei der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften, FR 2012, 1109; Riedel, Die Neuregelung der sog. angeschafften Rückstellungen nach § 4f und § 5 Abs. 7 EStG, FR 2014, 6; Riedel, Anmerkungen zum Entwurf eines BMF-Schreibens zu §§ 4f und 5 Abs. 7 EStG, Ubg 2017, 580; Riedel, Das Umwandlungssteuerrecht der Mitunternehmerschaft – Eine Analyse der § 6 Abs. 5 EStG, § 24 UmwStG und der Realteilung anhand der Prinzipien der Umwandlungs- und Mitunternehmerbesteuerung, 2018; Riedel, Zur (fehlenden) Systematik bei der Umwandlungsbesteuerung von Mitunternehmerschaften – Unterschiede zwischen § 6 Abs. 5 EStG, § 24 UmwStG und der Realteilung, Ubg 2018, 148; Riedel, Umwandlungsbesteuerung – Rechtliche Grundlagen und Grundprinzipien sowie deren Umsetzung bei der Umstrukturierung von Kapital- und Personengesellschaften, StuW 2019, 225; Ritzer/Stangl, Geplante Änderungen im Konzernsteuerrecht durch das ProtErklUmsG, DStR 2015, 849; Rödder, Verschmelzung von Kapital- auf Kapitalgesellschaften – Kritische Anmerkungen zu einschlägigen Textziffern des UmwSt-Erlass-Entwurfs vom 2.5.2011, DStR 2011, 1059; Rödder, Zur geplanten Neuregelung für andere Gegenleistungen bei Einbringungen in Kapitalgesellschaften, Ubg 2015, 329; Rödder/Rogall, Fortschreibung des Entwurfs des neuen Umwandlungssteuererlasses – Anmerkungen zur Version vom 9.9.2011, Ubg 2011, 753; Rödder/Schaden, Zur Besteuerung des down-stream-merger, Ubg 2011, 40; Rödder/Schumacher, Das kommende SEStEG – Teil I: Die geplanten Änderungen des EStG, KStG und AStG – Der Regierungsentwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften, und Teil II, DStR 2006, 1481 und 1525; Rödder/Schumacher, Das SEStEG – Überblick über die endgültige Fassung und die Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf, DStR 2007, 369; Rogall, Die Abspaltung aus Kapitalgesellschaften und die Zuordnung neutralen Vermögens, DB 2006, 66; Rogall, Wesentliche Aspekte des neuen Umwandlungssteuererlasses, NZG 2011, 810; Rogall/Dreßler, Neue Grenzen und neue Möglichkeiten für Einbringungen in PersGes. gem. § 24 UmwStG, DB 2015, 1981; Rombach/Kahle, Auswirkungen der Option nach § 1a KStG auf die GrESt und ErbSt, DB 2022, 1856; Ronneberger, Umwandlungskosten bei der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften, NWB 2017, 954; Sauter, Schlussbilanzen bei Spaltungen, in Wassermeyer/Mayer/Rieger (Hrsg.), Umwandlungen im Zivil- und Steuerrecht, Festschrift Widmann, Berlin 2000, 99; Schaaf/Hannweber, Reichweite

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Kap. 14 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte der sonstigen Gegenleistung i.S.d. § 20 UmwStG, DStZ 2016, 155; Schaarwächter, Gewerbesteuerliches Schachtelprivileg bei unterjähriger Einbringung von Anteilen aus dem Privat- in das Betriebsvermögen – Unterschiedliche Sichtweise von BFH und BMF, GmbH-StB 2015, 79; Schaden/Ropohl, Verschmelzung und Auf-/Abspaltung von Kapital- auf Kapitalgesellschaften – Der Entwurf des neuen Umwandlungssteuererlasses – Anmerkungen aus der Praxis, BBSpecial 1/2011, 11; Schaflitzl/Götz, Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Personengesellschaft (§ 24 UmwStG), DB 2012, Beilage 1, 56; Schaflitzl/ Götz, Verschmelzungen zwischen Kapitalgesellschaften, Spaltungen von Kapitalgesellschaften und damit verbundene gewerbesteuerliche Regelungen, DB 2012, Beilage 1, 25; Schaflitzl/Widmayer, Die Besteuerung von Umwandlungen nach dem Regierungsentwurf des SEStEG, BBSpecial 8/2006, 36; Schall, EuGH bestätigt grenzüberschreitenden Rechtsformwechsel in der EU!, DB 2017, Heft 45, M4; Scheidmann, Steuerliche Optimierung von Auslandsbeteiligungen und Finanzanlagen bei ausländischen Betriebsstätten, Stbg 2014, 492; Scheifele, Transaktionskosten im Steuerrecht – Teil I, Ubg 2018, 129; Schell, Internationale Bezüge bei Verschmelzungen zwischen Körperschaften – Fragestellungen im Lichte des neuen Umwandlungssteuererlasses, FR 2012, 101; Schiffers, Optionsmodell für Personengesellschaften nach dem Körperschaftsteuermodernisierungsgesetz: handels- und steuerbilanzielle Aspekte bei der optierenden Gesellschaft, DStZ 2021, 530; Schiffers/Jacobsen, Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG): Optionsmodell für Personengesellschaften, DStZ 2021, 348; Schindler, Die Beschränkung der Hebung stiller Lasten auf der Seite des Übertragenden durch § 4f EStG, GmbHR 2014, 561; Schmidt, EU Company Law Package 2018 – Mehr Digitalisierung und Mobilität von Gesellschaften (Teil 2), DK 2018, 273; Schmitt/Keuthen, Positive und negative Ergänzungsbilanzen bei Einbringungen i. S. von § 24 UmwStG, DStR 2013, 1565; Schmitt/Keuthen, Stille Lasten bei der Verschmelzung von Körperschaften, DStR 2015, 2521; Schmitt/Schloßmacher, Das Antragswahlrecht im UmwStG, DB 2010, 522; Schmitt/Schloßmacher, Downstream-Merger mit ausländischen Anteilseignern, DStR 2010, 673; Schneider, Der grenzüberschreitende Formwechsel der GmbH ins EU-Ausland, DB 2018, 941; Schneider/Ruoff/Sistermann, Brennpunkte des Umwandlungssteuer-Erlasses 2011, FR 2012, 1; Schnell/Krohn, Ausgewählte praxisrelevante „Fallstricke“ des UmwStE 2011: Zur steuerlichen Schlussbilanz als eigenständiger Bilanz und zum Ansatz der übergehenden Wirtschaftsgüter und den Ansatzwahlrechten – Zum europäischen Teilbetriebsverständnis der Finanzverwaltung – Probleme der rückwirkenden Einbringungsgewinnbesteuerung und Übernahmefolgegewinn gem. § 6 UmwStG, DB 2012, 1057; Schönherr/Lemaitre, Grundzüge und ausgewählte Aspekte bei Einbringungen in Kapitalgesellschaften nach dem SEStEG, GmbHR 2007, 459; Schönfeld, Ausgewählte internationale Aspekte des neuen Umwandlungssteuererlasses, IStR 2011, 497; Schulte, Grenzüberschreitende Umwandlungen und Spaltungen, GmbHR 2020, 139; Schultes-Schnitzlein/Kaiser, Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft – Handelsrechtliche und steuerrechtliche Implikationen, NWB 2009, 3519; Schultz/Debnar, Übertragungen von Passiva im AIFM-StAnpG: Steuerliche Anschaffungserträge und Aufwandsverteilungen sind Realität, BB 2014, 107; Schulz-Trieglaff, Verlust des deutschen Besteuerungsrechts bei Abwärtsverschmelzung mit ausländischen Anteilseignern – BFH bestätigt die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung; Anmerkung zum Urteil des BFH v. 30.5.2018 – I R 31/16, IStR 2019, 76, IStR 2019, 362; Schulze zur Wiesche, Betriebsund Anteilsveräußerungen, Tarifbegünstigung, Gesamtplanrechtsprechung, DStR 2015, 1161; Schumacher, Bewertungswahlrechte im Umwandlungssteuerrecht – Rechtsprechung des BFH zur Maßgeblichkeit und zur Veräußerung nach Spaltung, WPg 2006, 518; Schumacher, Kann ein Mitunternehmeranteil eine wesentliche Betriebsgrundlage für Zwecke des Umwandlungssteuerrechts darstellen?, DStR 2010, 1606; Schumacher/Neitz-Hackstein, Verschmelzung und Spaltung zwischen inländischen Kapitalgesellschaften, Ubg 2011, 409; Schwenke, Europarechtliche Vorgaben und deren Umsetzung durch das SEStEG, DStZ 2007, 234; Seer/Krumm, Die Stichtagsregelung des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs bei unterjähriger Einlage und Einbringung aus dem Privatvermögen, FR 2010, 677; Sistermann, Umwandlung Kapital- auf

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Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte | Kap. 14 Kapitalgesellschaften, DStR 2012, Beihefter zu Heft 2, 9; Sistermann/Beutel, Spaltung und Begründung von wirtschaftlichem Eigentum – Gestaltungsmöglichkeiten nach dem Entwurf des Umwandlungssteuer-Erlasses vom 2.5.2011, DStR 2011, 1162; Sistermann/Brinkmann, Mindestbesteuerung nach § 10d Abs. 2 EStG – Anmerkungen zum BMF-Schreiben vom 19.10.2011, DStR 2011, 2230; Sparfeld, Grenzüberschreitender Formwechsel nach „Polbud“, WPg 2018, 55; Stadler/Elser/Bindl, Vermögensübergang bei Verschmelzungen auf eine Personengesellschaft oder auf eine natürliche Person und Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft – Kritische Anmerkungen zum Umwandlungssteuererlass, DB 2012, Beilage 1, 14; Stadler/Jetter, Grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften und steuerliches Einlagekonto, IStR 2009, 336; Stangl, Ausgewählte Zweifels- und Praxisfragen zur Einbringung nach dem UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 253; Stangl/ Grundke, Zeitpunkt des Vorliegens eines Teilbetriebs – Neue Einschränkungen durch den geplanten UmwSt-Erlass?, DB 2010, 1851; Stein/Dorn, Erbschaftsteuerliche Begünstigung: Fallstricke und Lösungen der Übertragung von Mitunternehmeranteilen mit Sonderbetriebsvermögen nach der aktuellen BFH-Rechtsprechung, DStR 2022, 1238; Stelmaszczyk, Die neue Umwandlungsrichtlinie – harmonisierte Verfahren für grenzüberschreitende Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechsel, GmbHR 2020, 61; Stenert, Wirkt sich die Wahl der Bruttooder Nettomethode im Rahmen des § 24 UmwStG auf die Höhe der Steuer aus? – Zugleich Anmerkung zu FG Niedersachsen v. 9.9.2019 –3 K 52/17, DStR 2020, 1776; Stiegler, Grenzüberschreitende Sitzverlegung einer Kapitalgesellschaft von Luxemburg nach Deutschland, NZG 2014, 351; Stiegler, Grenzüberschreitende Umwandlung einer französischen GmbH, NZG 2016, 835; Stiegler, Hereinformwechsel in eine Kommanditgesellschaft, NZG 2020, 979; Stimpel, Umwandlung von Kapital- in Personengesellschaften nach dem UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 123; Strahl, Einbringung in eine Kapitalgesellschaft nach dem neuen Umwandlungssteuerrecht, KÖSDI 2007, 15442; Strahl, Einbringung in Personengesellschaften, Ubg 2011, 433; Strahl, Hochaktuelle Einflussfaktoren auf Gestaltungen im Unternehmenssteuerrecht, Stbg 2015, 441; Strahl, Neues zur Buchwertübertragung bei Umstrukturierungen und vorweggenommener Erbfolge, KÖSDI 2020, 21857; Strecker/Carlé, KöMoG: Behandlung des Sonderbetriebsvermögens im Rahmen des Optionsmodells – Steuerliche Herausforderungen und Lösungsansätze, NWB 2021, 2022; Sureth/Maßbaum, Die Einbringung von Unternehmensteilen in eine Kapitalgesellschaft, SteuerStud 2011, 321; Sydow, Neues bei der Exit-Tax: EuGH erklärt Fünftelungsregelung zur Besteuerung stiller Reserven und Bankgarantien für unionsrechtskonform – Anmerkungen zum EuGH-Urteil vom 23.1.2013 – Rs. C-164/12, DMC, DB0647665, DB 2014, 265; Teiche, Maßgeblichkeit bei Umwandlungen – trotz SEStEG?, DStR 2008, 1757; Teichmann, Grundlinien eines europäischen Umwandlungsrechts: Das „EU-Company Law Package 2018“, NZG 2019, 241; Teichmann/Knaier, Grenzüberschreitender Formwechsel nach „Polbud“, GmbHR 2017, 1314; Thömmes/Schulz/Eismayr/Müller, Kritische Anmerkungen zum SEStBeglG, IWB 2006, 507; Uphues, Der nationale und der europäische Teilbetriebsbegriff im Vergleich, DStR 2022, 2521; DStR 2022, 2284; Viebrock/Hagemann, Verschmelzungen mit grenzüberschreitendem Bezug – „Fallstricke“ beim Übertragungs- und Übernahmeergebnis, FR 2009, 737; Wachter, Grenzüberschreitender HereinFormwechsel in die deutsche GmbH, GmbHR 2016, 738; Wachter, Grenzüberschreitender Formwechsel in eine deutsche GmbH & Co. KG, DB 2020, 2281; Wacker, Zurückbehalt wesentlicher Betriebsgrundlage bei Einbringung, DStR 2018, 1019; Wacker/Krüger/Levedag/Loschelder, Zum Optionsmodell nach dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts – oder: eventus varios res nova semper habet, in: DStR 2021, Beihefter zu Heft 41, 3; Weber, Abwärtsverschmelzung unter Beteiligung ausländischer Anteilseigner – Aktuelle Entwicklungen vor dem Hintergrund der Entscheidungen des FG Düsseldorf vom 22.04.2016 und des FG Rheinland-Pfalz vom 12.04.2016, DK 2016, 390; Wälzholz, Much ado about nothing: Geplante Änderung des Umwandlungssteuergesetzes durch das ProtZollkodexAnpG, DStZ 2015, 449; Wälzholz, Gestaltungsprobleme der Unternehmensnachfolge nach Inkrafttreten des KöMoG, ZEV 2022, 10; Weber-Grellet, Berücksichtigung von Verpflichtungsübernah-

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Kap. 14 Rz. 14.1 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte men, Schuldbeitritten und Erfüllungsübernahmen mit vollständiger oder teilweiser Schuldfreistellung – Anwendung der Regelungen in § 4f und § 5 Abs. 7 EStG – Erläuterungen und Anmerkungen zum BMF-Schreiben vom 30.11.2017 (BStBl. I 2017 S. 1619 = DB 2017 S. 3029), DB 2018, 661; Weber/Hahne, Einbringung in Kapitalgesellschaften, Ubg 2011, 420; Weiss, Keine Gewinnrealisierung beim grenzüberschreitenden Down-Stream-Merger – FG Düsseldorf, Urteil vom 22.4.2016 – 6 K 1947/14 K, G, IWB 2016, 498; Wendt, Konkurrenz von § 7 GewStG und § 18 Abs. 3 UmwStG, FR 2016, 172; Wildermuth, Die Einbringung von Betriebsvermögen in eine Personengesellschaft nach § 24 UmwStG, Ubg 2013, 234; Wildermuth, Umstrukturierung von Personenhandelsgesellschaften, 2019; Wicke, Optionen und Komplikationen bei der Umsetzung des Richtlinienvorschlags zum grenzüberschreitenden Formwechsel (Teil I), DStR 2018, 2642; Winter/Marx/De Decker, Von Paris nach Charlottenburg – zur Praxis grenzüberschreitender Formwechsel, DStR 2016, 1997; Winter/Marx/De Decker, Von Frankfurt nach Rom – zur Praxis grenzüberschreitender „Hinausformwechsel“, DStR 2017, 1664; Zimmermann, Handelsbilanzielle und steuerliche Folgen einer Abwärtsverschmelzung – Eine Fallstudie zum „down-stream-merger“, BBK 2018, 964; Zwirner, BilMoG: Eigenkapitalgefährdung durch die Steuerabgrenzung (nicht nur) bei (früheren) Umwandlungsfällen – Zugleich: Anmerkungen zu einem die Gewinnrücklagen übersteigenden Verrechnungsbetrag, DB 2010, 737.

A. Einleitung 14.1 Wenn der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt wird, bleibt wegen der Geltung des Realisationsprinzips (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG) die Differenz zwischen dem Buchwert und einem höheren Marktwert (gemeinem Wert) so lange nicht besteuert, bis diese Differenz durch eine Transaktion vom Markt bestätigt wird. In diesem Zeitpunkt hat derjenige, dem der Vermögenszuwachs zufällt, diesen zu versteuern.1 Überträgt ein Unternehmer etwa sein Vermögen auf eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten, so liegt aus ökonomischer Sicht ein Tausch vor: Hingegeben werden Wirtschaftsgüter und erlangt wird eine Beteiligung. Das Leistungsfähigkeitsprinzip und das sich daraus abgeleitete Individual- bzw. Subjektsteuerprinzip2 verlangen die Aufdeckung der stillen Reserven. Es kommt zu einem Wechsel des Steuersubjekts. Wenn der Wert der Beteiligung größer ist als der Buchwert der hingegebenen Wirtschaftsgüter, wurde ein Gewinn realisiert. Im Ergebnis führt der Tausch im Grundsatz zur Gewinnrealisierung. Es fehlt allerdings an einem Marktpreis, so dass der Wert des getauschten Vermögens nur geschätzt werden kann.

14.2 Eine Aufdeckung der stillen Reserven hätte allerdings zur Folge, dass der gesamte in der Vergangenheit entstandene Wertzuwachs zu versteuern wäre. Dies ist problematisch, weil es zu einer hohen Liquiditätsbelastung durch die anfallenden Steuerzahlungen kommen kann. Das Realisationsprinzip beruht ja gerade auf der Erkenntnis, 1 Vgl. im Einzelnen zum Realisationsprinzip z.B. Kahle/Braun in Hachmeister/Kahle/Mock/ Schüppen3, § 252 HGB Rz. 147 ff. 2 Vgl. ausführlich zum Individual- bzw. Subjektsteuerprinzip z.B. Danz, FR 2018, 160 ff.; Wildermuth, Umstrukturierung von Personenhandelsgesellschaften, 32 ff.; Riedel, Das Umwandlungssteuerrecht der Mitunternehmerschaft, 6 ff.

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A. Einleitung | Rz. 14.5 Kap. 14

„dass Liquidität vorhanden sein muss, wenn aus Reinvermögenszugängen Steuerzahlungen geleistet werden sollen. Die Besteuerung unentgeltlich übertragener stiller Reserven verbietet sich aus dieser Sicht.“1 Der Gesetzgeber hat vor diesem Hintergrund mit dem UmwStG Regelungen geschaffen, die die Übertragung von Vermögen zum Buchwert zulassen. Das Gesetz beruht auf der Erwägung, dass betriebswirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen nicht durch Steuerzahlungen belastet werden sollten.2 Folglich kommt es zu einer Änderung der personellen Zuordnung stiller Reserven, was im Widerspruch zu dem Grundsatz steht, „das Einkommen der Person zuzurechnen, die es durch ihre Tätigkeit erwirtschaftet hat“3. Der Gesetzgeber nimmt diesen Widerspruch im Interesse einer ökonomisch vernünftigen Besteuerung hin, aber natürlich nur unter der Bedingung, dass die übertragenen stillen Reserven auch später dem Zugriff des Fiskus unterworfen sind. Der Verstoß der Buchwertverknüpfung gegen das aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip abgeleitete Individual- bzw. Subjektsteuerprinzip ist zudem aufgrund des Markteinkommensprinzips und des Übermaßverbots gerechtfertigt.4

14.3

Die zentrale Ausnahme zu der grundsätzlichen Möglichkeit von steuerneutralen Umstrukturierungen besteht darin, dass keine spezifischen steuerlichen Regelungen diesen entgegenstehen dürfen, was in erster Linie bei grenzüberschreitenden Umwandlungen der Fall ist. Wird bei diesen Vorgängen das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Erfassung eines ggf. entstehenden Veräußerungsgewinns ausgeschlossen oder beschränkt, kommt insoweit eine steuerneutrale Umstrukturierung nicht in Betracht.

14.4

Im Folgenden werden Fragestellungen der steuerlichen Gewinnermittlung und zugehörige verfahrensrechtliche Fragen (z.B. Antragstellung auf einen Buchwertansatz) behandelt, die im Zusammenhang mit den im UmwStG geregelten Umwandlungsfällen stehen. Selbstverständlich gibt es im grenzüberschreitenden Kontext zahlreiche weitere Möglichkeiten der Umstrukturierung außerhalb des UmwStG, für welche ebenfalls besondere Herausforderungen im Bereich der steuerlichen Gewinnermittlung auftreten können. Stellvertretend sei hier auf den Wegzug bzw. Zuzug von Gesellschaften (s. Kapitel 12), die grenzüberschreitende Funktionsverlagerung (s. Kapitel 16) oder die grenzüberschreitende Überführung einzelner Wirtschaftsgüter (s. Kapitel 13) hingewiesen, welche im Folgenden ausgeblendet bleiben.

14.5

1 Schreiber/Kahle/Ruf, Besteuerung der Unternehmen5, 483 f. Wer für eine Besteuerung der stillen Reserven plädiert, müsste konsequent das Realisationsprinzip aus der Gewinnermittlung verbannen, um die periodischen Wertzuwächse zu versteuern. 2 Vgl. BT-Drucks. 12/6885 v. 24.2.1994, 12. 3 Schreiber/Kahle/Ruf, Besteuerung der Unternehmen5, 483. 4 Vgl. Kahle in Haun/Kahle/Goebel, Außensteuerrecht, Einf. Ent- und Verstrickung, Rz. 25 (Stand: Dez. 2021); Riedel, StuW 2019, 225 (228). Zur Einordnung der Entstrickungsbesteuerung unter Leistungsfähigkeitsaspekten vgl. ergänzend Desens, FR 2022, 681.

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Kap. 14 Rz. 14.6 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

B. Maßgeblichkeit und handelsbilanzielle Bezüge bei Umwandlungen 14.6 Umwandlungssteuerliche Maßgeblichkeit. Über den Maßgeblichkeitsgrundsatz des § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG finden die handelsrechtlichen GoB Eingang in die steuerliche Gewinnermittlung (insb. § 252 HGB). Im Zuge des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG)1 ist die Maßgeblichkeit auf die sog. materielle Maßgeblichkeit reduziert worden, d.h., eine Maßgeblichkeit konkreter Wertansätze oder auch eine umgekehrte Maßgeblichkeit steuerlicher Ansätze für die Handelsbilanz besteht nicht mehr.2 Bis zur Einführung des SEStEG3 galt der die materielle, formelle und umgekehrte Maßgeblichkeit einschließende Maßgeblichkeitsgrundsatz auch im Umwandlungsfall. Dieses von der Finanzverwaltung bis dahin vertretene Konzept der umwandlungssteuerlichen Maßgeblichkeit knüpfte insbesondere an die formelle Maßgeblichkeit an.4 Durch das SEStEG wurde das umwandlungssteuerliche Maßgeblichkeitsprinzip aufgegeben.5 Im UmwStG findet sich zwar keine ausdrückliche Kodifizierung der Nichtgeltung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes, jedoch geht diese eindeutig aus der Gesetzesbegründung hervor.6 Spätestens mit der Einführung des BilMoG wäre das umwandlungssteuerliche Maßgeblichkeitsprinzip ohnehin nicht mehr haltbar gewesen. Dieser gesetzgeberische Wille ergibt sich zudem aus dem Regelansatz zum gemeinen Wert beim übertragenden Rechtsträger, mit dem bereits eine Durchbrechung des Anschaffungskostenprinzips einhergehen kann.7 Die Wertansätze in der steuerlichen Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers werden somit unabhängig von den Wertansätzen in der Handelsbilanz ermittelt. 14.7 Die Aufgabe des umwandlungssteuerlichen Maßgeblichkeitsgrundsatzes war auch deshalb notwendig geworden, da ansonsten die Regelrechtsfolge der Aufdeckung der stillen Reserven durch Ansatz der gemeinen Werte im In- und Auslandsfall u.U. nicht möglich gewesen wäre.8 Das umwandlungssteuerliche Entstrickungskonzept, das regelmäßig den Ansatz des gemeinen Wertes verlangt, hätte ohne Möglichkeit zur handelsrechtlichen Aufstockung nicht umgesetzt werden können.9 Des Weiteren kennen 1 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, BilMoG) v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. 2 Vgl. im Einzelnen z.B. Kahle, StuB 2011, 163 ff.; Kahle/Schulz/Vogel, Ubg 2011, 178 ff. 3 Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782, sowie eingehend und differenzierend Kahle, Maßgeblichkeitsprinzip des § 5 Abs. 1 EStG, in HdJ, VII/1 (Februar 2022); Prinz in Prinz/Kanzler (Hrsg.), Handbuch BilStRecht, 4. Aufl. 2021 Teil A Kap. III. 4 Vgl. Prinz, StuB 2007, 125 (126). Ob allerdings tatsächlich nach altem Recht eine umfassende umwandlungssteuerliche Maßgeblichkeit herrschte, ist fraglich, vgl. Prinz, StuB 2007, 125 (129), mit Verweis auf BFH v. 19.10.2005 – I R 38/04, BStBl. II 2006, 568. 5 Vgl. BT-Drucks. 16/2710 v. 25.9.2006, 34; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/ 10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.04 und 11.05; Prinz, StuB 2007, 125; Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 56 (Stand: Juni 2018); Rödder, DStR 2011, 1059 (1060). 6 Vgl. BT-Drucks. 16/2710 v. 25.9.2006, 34; Prinz, StuB 2007, 125 (129). 7 Vgl. Honert/Geimer in FS Spiegelberger, 247 (248). 8 Vgl. Prinz, StuB 2007, 125 (125). 9 Vgl. Prinz, StuB 2007, 125 (129).

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B. Maßgeblichkeit und handelsbilanzielle Bezüge bei Umw. | Rz. 14.10 Kap. 14

zahlreiche EU-ausländische Staaten ein Maßgeblichkeitsprinzip deutscher Prägung nicht,1 wodurch bei Beibehaltung der umwandlungssteuerlichen Maßgeblichkeit grenzüberschreitende Umwandlungen vor gravierende bilanzielle Hürden gestellt worden wären. Weiterhin wäre ansonsten in bestimmten Fällen eine Anknüpfung an ausländisches Handelsbilanzrecht notwendig geworden, was aber schwer umsetzbar gewesen wäre.2 Folglich bestehen fortan echte steuerliche Wahlrechte beim übertragenden bzw. übernehmenden Rechtsträger.3 Dadurch ergeben sich auch steuerplanerische Möglichkeiten.4 Da steuer- und handelsrechtliche Wertansatzwahlrechte unabhängig voneinander genutzt werden können, kommt als Gestaltungsmittel ein handels- oder steuerrechtlicher Step-up infrage.

14.8

Handelsrechtlicher Step-up. Auf der einen Seite würde ein handelsrechtlicher Stepup einen höheren Eigenkapitalausweis in der Handelsbilanz nach sich ziehen, was etwa im Hinblick auf die bilanzielle Solidität und bestimmte Ratingerfordernisse oder das Kredit-Standing5 bzw. vor dem Hintergrund von Basel II6 und auch Basel III (europäische Anforderungen an eine Kerneigenkapitalquote für Finanzunternehmen im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise) sinnvoll sein könnte, und auf der anderen Seite bei steuerlichem Buchwertansatz keine Besteuerung der stillen Reserven erfordern.7 Zusätzlich könnten sich Verbesserungen im Hinblick auf die Escape-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG im Rahmen der Zinsschranke ergeben.8

14.9

Steuerrechtlicher Step-up. Andererseits kann aber auch ein steuerlicher Step-up sinnvoll sein, um etwa vorhandene Verlustvorträge noch rechtzeitig vor dem Untergang durch den Umwandlungsvorgang mit dem entstehenden Übertragungsgewinn zu verrechnen und für die Folgejahre das Abschreibungspotential zu erhöhen.9 Im Rahmen der Verlustnutzung waren bisher die Regelungen zur Mindestbesteuerung des § 10d Abs. 2 EStG zu beachten, die so weit führen konnten, dass ein (ggf. teilweiser) Untergang der Verlustvorträge vorzuziehen war.10 Nachdem der BFH mit Beschluss vom 26.8.201011 aber Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Mindest-

14.10

1 Vgl. Prinz, StuB 2007, 125 (125); vgl. zum Maßgeblichkeitsgrundsatz in Europa z.B. Schön, Steuerliche Maßgeblichkeit in Deutschland und Europa; Schanz/Schanz, StuW 2009, 311 ff. 2 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 97; Rödder/Schumacher, DStR 2007, 369 (372). 3 Vgl. Prinz, StuB 2007, 125 (129). 4 Vgl. Honert/Geimer in FS Spiegelberger, 247 (248). 5 Vgl. Teiche, DStR 2008, 1757. 6 Vgl. Mutscher in Frotscher/Drüen, § 20 UmwStG Rz. 309 (Stand: April 2021); Prinz, StuB 2007, 125 (130). 7 Vgl. Zwirner, DB 2010, 737. 8 Vgl. Honert/Geimer in FS Spiegelberger, 247 (250). 9 Vgl. Honert/Geimer in FS Spiegelberger, 247 (253 f.); Dörfler/Rautenstrauch/Adrian, BB 2006, 1657 (1660); Prinz, StuB 2007, 125 (129). Zu beachten ist hierbei jedoch, dass körperschaft- und gewerbesteuerliche Verlustvorträge häufig nicht gleich groß sind. 10 Vgl. Brähler/Göttsche/Rauch, ZfB 2009, 1175 (1188 f.). 11 Vgl. BFH v. 26.8.2010 – I B 49/10, BStBl. II 2011, 826.

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Kap. 14 Rz. 14.10 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

besteuerung im Falle eines rechtlich bedingten endgültigen Verlustuntergangs geäußert hatte, reagierte das BMF mit Schreiben vom 19.10.20111. Dem Steuerpflichtigen ist es seitdem auf Antrag möglich, die Vollziehung der Mindestbesteuerung auszusetzen, wenn ansonsten ein endgültiger Verlustuntergang aufgrund von § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG droht.2 Fraglich ist, ob hiervon nur die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften umfasst ist. Ebenso sollten die Umwandlung einer Kapital- in eine Personengesellschaft nach §§ 3 ff. UmwStG und der Spaltungsfall mit dem partiellen Verlustuntergang aufgrund von § 15 Abs. 3 UmwStG umfasst sein. Trotzdem kann es dann sinnvoll sein, einen (partiell) steuerpflichtigen Übertragungsgewinn in Kauf zu nehmen, wenn der Barwert der durch die höheren Abschreibungen generierten Steuerersparnisse die durch die Aufdeckung der stillen Reserven verursachte Ertragsteuerbelastung übersteigt.3 Selbst für nicht abschreibungsfähige Wirtschaftsgüter kann ein Step-up sinnvoll sein, da dieser einen späteren Veräußerungsgewinn verringert.4 Weiterhin könnte ein steuerlicher Step-up bei Kapitalgesellschaften zu verbesserten Möglichkeiten einer Einlagenrückgewähr i.S.v. § 27 KStG führen.5

14.11 Rechtsgrundlage für einen handelsrechtlichen Step-up ist § 24 UmwG. Diese Norm erlaubt eine Buchwertverknüpfung mit der Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers. Wird dieses Wahlrecht nicht ausgeübt, erfolgt ein Ansatz zu den Anschaffungskosten (§ 253 Abs. 1 HGB).6 Soll die Bewertung anhand des Anschaffungskostenprinzips erfolgen, so ist strittig, ob zwingend der gemeine Wert anzusetzen ist,7 oder ob – zumindest bei Sacheinbringungen8 – auch ein Zwischenwert in Form der erforderlichen Beteiligungswertberichtigung (Nennbetrag zzgl. evtl. Aufgeld der neuen Anteile) möglich ist.9 Die Wahl eines beliebigen Zwischenwertes wird aber zu Recht abgelehnt.10 Zu beachten ist, dass die beteiligten Parteien, vor allem, wenn sie 1 Vgl. BMF v. 19.10.2011 – IV C 2 - S 2741/10/10002, BStBl. I 2011, 974; vgl. hierzu Sistermann/Brinkmann, DStR 2011, 2230 ff.; Gragert, NWB 2011, 4007 ff. 2 Vgl. BMF v. 19.10.2011 – IV C 2 - S 2741/10/10002, BStBl. I 2011, 974 Rz. 1. Wenn ein rechtlicher Grund für den Verlustuntergang vorliegt, ist die AdV auf Veranlagungszeiträume beschränkt, die vor dem (schädlichen) Ereignis liegen, vgl. BMF v. 19.10.2011 – IV C 2 - S 2741/10/10002, BStBl. I 2011, 974 Rz. 2. 3 Vgl. Rauenbusch, DB 1988, 1073 (1074); Müller/Maiterth, WPg 2007, 249 (255 f.). 4 Vgl. Honert/Geimer in FS Spiegelberger, 247 (256). 5 Vgl. Prinz, StuB 2007, 125 (130). 6 Vgl. Forst/Schaaf/Hannweber in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht4, Rz. 1857. 7 Mit Anschaffungskosten i.S.d. § 24 UmwG sind die Aufwendungen gemeint, die dem übernehmenden Rechtsträger durch die Umwandlung (evtl. auch im Rahmen einer Kapitalerhöhung) entstehen, vgl. Bula/Thees in S/B/B, Umwandlungen5, § 5 Rz. 9. Unter Geltung des Fremdvergleichsgrundsatzes kann unterstellt werden, dass diese Anschaffungskosten dem gemeinen Wert entsprechen; ähnlich Schubert/Gadek in BeckBilanzkomm13, § 255 HGB Rz. 36; Ley/Bodden, FR 2007, 265 (272). 8 Regelmäßig, wenn der übernehmende Rechtsträger eine Kapitalerhöhung durchführt, vgl. Priester/Hennrichs in Lutter/Winter6, § 24 UmwG Rz. 44. 9 Vgl. Priester/Hennrichs in Lutter/Winter6, § 24 UmwG Rz. 45; Adler/Düring/Schmaltz6, § 255 HGB Rz. 97. 10 Vgl. Kahle in Baetge/Kirsch/Thiele, § 255 HGB Rz. 43 (Stand: Dez. 2021); Hörtnagl in S/ H9, § 24 UmwG Rz. 31; Bula/Thees in S/B/B, Umwandlungen5, § 5 Rz. 41.

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B. Maßgeblichkeit und handelsbilanzielle Bezüge bei Umw. | Rz. 14.12 Kap. 14

nahestehende Personen sind, aufgrund vertraglicher Vereinbarungen die Anschaffungskosten ohnehin bestimmen können,1 womit häufig ein gewünschter (tatsächlicher) Zwischenwert umgesetzt werden könnte. Als problematisch ist jedoch die nicht gegebene Parallelität der Wertansatzwahlrechte zwischen Handels- und Steuerbilanz zu qualifizieren. Handelsrechtlich gilt für den übertragenden Rechtsträger § 17 Abs. 2 Satz 2 UmwG, der die Regelungen der §§ 238 ff. HGB als analog anwendbar erklärt, womit die Buchwerte fortzuführen sind.2 Während handelsrechtlich der Wertansatz beim übertragenden Rechtsträger also zwingend ist, beim Übernehmenden jedoch gem. § 24 UmwG gewählt werden kann, verhält sich dies im UmwStG teilweise diametral.3 So hat etwa gem. §§ 3, 11 UmwStG der übertragende Rechtsträger das Bewertungswahlrecht. Lediglich in Einbringungsfällen (§§ 20 Abs. 2, 21 Abs. 1, 24 Abs. 2 UmwStG) steht auch umwandlungssteuerrechtlich dem übernehmenden Rechtsträger dieses Wahlrecht zu. Unter Zuhilfenahme des umwandlungssteuerlichen Maßgeblichkeitsgrundsatzes wollte die Finanzverwaltung vor SEStEG diese Divergenz zwischen Handels- und Steuerbilanz lösen und einen einheitlichen Wertansatz erzwingen. Nicht zuletzt auch deswegen, weil der BFH dieser Vorgehensweise mehrfach widersprochen hat,4 wurde der Maßgeblichkeitsgrundsatz für Umwandlungsvorgänge schließlich aufgegeben.5

Nachlaufende bzw. phasenverschobene Maßgeblichkeit. Früher war strittig, ob es beim übernehmenden Rechtsträger eine sog. nachlaufende Maßgeblichkeit gibt. Danach müssten bestimmte Wirtschaftsgüter, die im Rahmen des Umwandlungsvorgangs in der Handelsbilanz höher als in der Steuerbilanz bewertet wurden, zum nächsten Bilanzstichtag aufgrund der dann wieder geltenden Maßgeblichkeit des § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeschrieben werden.6 Die Finanzverwaltung hat im UmwStE endgültig die Abkehr auch von einer solchen phasenverschobenen Maßgeblichkeit bestätigt.7 Nach BilMoG war eine andere Auffassung auch schwerlich möglich, da die phasenverschobene

1 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz6, § 255 HGB Rz. 97; Hörtnagl in S/H9, § 24 UmwG Rz. 30. 2 Zu berücksichtigen ist die Wertaufholungspflicht aufgrund § 253 Abs. 5 HGB. §§ 17 Abs. 2, 24 UmwG gelten nicht für den Fall des Formwechsels, vgl. Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 53 (Stand: Juni 2018); Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 9 (Stand: Dez. 2021). Im Fall des Formwechsels sind handelsrechtlich daher zwingend die Buchwerte fortzuführen, vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 9 UmwStG Rz. 48. 3 Vgl. Teiche, DStR 2008, 1757; Bula/Thees in S/B/B, Umwandlungen5, § 5 Rz. 16, 29; van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 19. 4 Vgl. BFH v. 19.10.2005 – I R 38/04, BStBl. II 2006, 568; v. 5.6.2007 – I R 97/06, BStBl. II 2008, 650. 5 Explizit für den Formwechsel schon: BMF v. 4.7.2006 – IV B 2 - S 1909 – 12/06, BStBl. I 2006, 445. 6 Vgl. Teiche, DStR 2008, 1757 (1758); Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 57 (Stand: Juni 2018). 7 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.04; Bogenschütz, Ubg 2011, 393 (397); Rödder, DStR 2011, 1059 (1060); Schumacher/Neitz-Hackstein, Ubg 2011, 409 (413); Rupp in Patt/Rupp/Aßmann, Der neue Umwandlungssteuererlass, 36; Schnitter in Frotscher/Drüen, § 3 UmwStG Rz. 81 (Stand: Sept. 2019); Goebel/Ungemach/Reifarth, DStZ 2010, 649 ff.

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14.12

Kap. 14 Rz. 14.12 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

Wertaufholung eine formelle Maßgeblichkeit voraussetzte,1 welche seitdem nicht mehr vorhanden ist. Auf die materielle Maßgeblichkeit kann sich eine phasenverschobene Wertverknüpfung nicht stützen, da diese gleiche Wertansätze verlangt.2 Zudem besteht ein steuerlicher Bewertungsvorbehalt aufgrund von § 5 Abs. 6 EStG, unter welchen auch die umwandlungssteuerrechtlichen Vorschriften – etwa der §§ 3, 4, 11, 12 UmwStG – zu subsumieren sind.3 Danach tritt der übernehmende Rechtsträger – z.B. gem. § 4 Abs. 2 Satz 1 UmwStG – ohnehin in die Wertaufholungsverpflichtung des übertragenden Rechtsträgers ein. Für eine phasenverschobene Wertaufholung aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes gibt es daher keine Rechtsgrundlage.4

C. Verschmelzung von Kapital- auf Personengesellschaften (§§ 3–10 UmwStG) I. Wertansätze und Gewinnermittlung bei der übertragenden Körperschaft 1. Gewinnermittlungsgrundsätze für die umwandlungssteuerliche Schlussbilanz

14.13 Die übertragende Kapitalgesellschaft hat eine steuerliche Schlussbilanz (= Übertragungsbilanz) zu erstellen.5 Diese Pflicht ergibt sich aus dem Zusammenspiel von § 2 Abs. 1 und § 3 UmwStG.6 Dies gilt nicht nur für inländische, sondern auch für ausländische Körperschaften, die unter den sachlichen Anwendungsbereich des UmwStG fallen. Es kommt nicht darauf an, ob die übertragende Kapitalgesellschaft in Deutschland steuerpflichtig oder zur Führung von Büchern verpflichtet ist,7 sondern, ob eine solche Schlussbilanz für inländische Besteuerungszwecke (etwa auf Anteilseignerebene) benötigt wird.8 Praktisch schwierig umsetzbar dürfte im Einzelfall die Aufstellung einer Schlussbilanz bei einer ausländischen übertragenden Körperschaft für einen inländischen Minderheitsgesellschafter sein,9 insb. wenn jener diese nur für Zwecke des § 7 UmwStG benötigt.10 Nur wenn die steuerliche Schlussbilanz für inländische Besteuerungszwecke nicht benötigt wird, ist ihre Vorlage entbehrlich.11 1 2 3 4 5

6 7 8 9 10 11

Vgl. Teiche, DStR 2008, 1757 (1761). Vgl. Teiche, DStR 2008, 1757 (1761). Vgl. Ley/Bodden, FR 2007, 265 (272); Haritz/Paetzold, FR 1998, 352 (355). In diesem Sinne auch Teiche, DStR 2008, 1757 (1763); Haritz/Paetzold, FR 1998, 352 (358); Mertgen in H/M/B5, § 3 UmwStG Rz. 74. Zu einzelnen, auch umwandlungsspezifischen Posten in der Schlussbilanz vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.05; Birkemeier in R/ H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 93; Möhlenbrock/Werner in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 22 (Stand: Dez. 2021). Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 90. Vgl. Thömmes et al., IWB 2006, 507 (512); Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 93. Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 95, 242. Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 278; Reifarth in Goebel/Ungemach, § 3 UmwStG Rz. 136; Staats in Lademann3, § 3 UmwStG Rz. 83. Vgl. van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 39. Vgl. BT-Drucks. 16/2710 v. 25.9.2006, 37; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/ 10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.02; Steierberg in Haase/Hofacker3, § 3 UmwStG Rz. 25.

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C. Verschmelzung von Kapital- auf PersGes (§§ 3–10 UmwStG) | Rz. 14.16 Kap. 14

Im Fall der Verschmelzung einer Körperschaft auf eine Personengesellschaft ist die Erstellung der steuerlichen Schlussbilanz auch trotz einer fehlenden inländischen Steuerpflicht der übertragenden Körperschaft für die inländische Besteuerung relevant, wenn ein Mitunternehmer der übernehmenden Personengesellschaft oder die übernehmende natürliche Person in Deutschland der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht unterliegt.1 Auch wenn die ausländische übertragende Körperschaft inländisches Vermögen (etwa eine Betriebsstätte) besitzt, ist die Erstellung einer steuerlichen Schlussbilanz notwendig.2 Wird keine vollständige Schlussbilanz vorgelegt – z.B., wenn Auslandsvermögen nicht einbezogen wird –, so kann das Antragswahlrecht des § 3 Abs. 2 UmwStG grundsätzlich nicht genutzt werden.3

14.14

Die Schlussbilanz (§ 2 Abs. 1 UmwStG) ist einen Tag vor dem umwandlungsrechtlichen Umwandlungsstichtag aufzustellen,4 und zwar zwingend nach deutschen Gewinnermittlungsregeln.5 Eine solche Vorgehensweise verlangt allein der Sinn und Zweck der Vorschrift, aber auch die Definition des Buchwerts in § 1 Abs. 5 Nr. 4 UmwStG.6 Hieraus können sich Fragestellungen ergeben, wenn der Ansässigkeitsstaat der übertragenden Körperschaft ebenso eine Schlussbilanz, allerdings ermittelt nach seinem (ausländischen) Gewinnermittlungsrecht, verlangt. Dies wird zumindest regelmäßig der Fall sein. Zwar vermeiden DBA und auch die analoge Umsetzung der FRL7 in den einzelnen Staaten grundsätzlich eine Doppelbesteuerung, jedoch kann eine solche durch eine unterschiedliche Gewinnermittlung im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden.

14.15

Abbildung stiller Lasten bei Übertragung passivierungsbeschränkter Verpflichtungen. Aus den zur Verpflichtungsübernahme aufgestellten Rechtsprechungsgrundsätzen des BFH8 resultiert ein steuerliches Gestaltungspotential zur Hebung stiller

14.16

1 Vgl. BT-Drucks. 16/2710 v. 25.9.2006, 37; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/ 10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.02; Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 173 (173 f.); Mertgen in H/M/B5, § 3 UmwStG Rz. 80. 2 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 93. 3 Vgl. van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 40. 4 Vgl. Schlösser/Reichl/Rapp in S/B/B, Umwandlungen5, § 11 Rz. 32. 5 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 95; Möhlenbrock/Werner in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 23 (Stand: Dez. 2021); Steierberg in Haase/Hofacker3, § 3 UmwStG Rz. 25; Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1077). Strittig ist, ob auch eine Handelsbilanz mit steuerlicher Überleitungsrechnung gem. § 60 Abs. 2 Satz 1 EStDV als steuerliche Schlussbilanz anerkannt werden kann, befürwortend Förster, GmbHR 2012, 237 (238), ablehnend Krohn/Greulich, DStR 2008, 646 (647). 6 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 95. 7 Vgl. Richtlinie 2009/133/EG über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, Abspaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, sowie für die Verlegung des Sitzes einer Europäischen Gesellschaft oder einer Europäischen Genossenschaft von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat vom 19.10.2009 (ABl. EG Nr. L 310, 34), zuletzt geändert durch Richtlinie 2013/13/EU des Rates vom 13.5.2013 (ABl. Nr. L 141, 30). 8 Nach zum asset-deal ergangener BFH-Rechtsprechung gilt der Grundsatz der Neutralität von Anschaffungsvorgängen jedoch nicht nur in der den Anschaffungsvorgang abbildenden Eröffnungsbilanz, sondern auch in der Folgebilanz und zudem unabhängig davon, ob

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Kap. 14 Rz. 14.16 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

Lasten1, so dass sich der Gesetzgeber vor diesem Hintergrund veranlasst sah, die steuerliche Behandlung von Schuldübernahmen im AIFM-StAnpG2 für steuerliche Übertragungsstichtage nach dem 28.11.20133 neu zu regeln. Wenn Verpflichtungen übertragen werden, die beim ursprünglich Verpflichteten Ansatzverboten, -beschränkungen oder Bewertungsvorbehalten unterlegen haben, ist der sich aus diesem Vorgang beim Veräußerer ergebende Aufwand nicht sofort abzugsfähig, sondern wird im Wirtschaftsjahr der Schuldübernahme und den nachfolgenden 14 Wirtschaftsjahren4 gleichmäßig verteilt als Betriebsausgabe abgezogen (§ 4f Abs. 1 Satz 1 EStG). Die ursprünglichen Passivierungsbeschränkungen, die für den Übertragenden galten, sind in der auf das Ende des Wirtschaftsjahres aufzustellenden Steuerbilanz des Übernehmenden, in das die Übertragung der Verpflichtung fällt, wieder anzuwenden (§ 5 Abs. 7 Satz 1 EStG). Dies gilt für die Schuldübernahme sowie die wirtschaftlichen Verpflichtungsübertragungen, den Schuldbeitritt bzw. die Erfüllungsübernah-

1 2 3

4

die Schuldübernahme im Rahmen eines Erwerbs gegen Schuldfreistellung oder im Rahmen einer befreienden Schuldübernahme gem. §§ 414 ff. BGB erfolgt, vgl. BFH v. 16.12.1009 – I R 102/08, BStBl. II 2011, 566; BFH v. 14.12.2011 – I R 72/10, BStBl. II 2017, 1226; BFH v. 12.12.2012 – I R 69/11, BStBl. II 2017, 1232; BFH v. 12.12.2012 – I R 28/11, BStBl. II 2017, 1265; hierzu im Einzelnen Schultz, DB 2010, 364 f.; Schlotter, Ubg 2010, 635 ff.; Schönherr/Krüger, DStR 2010, 1709 ff.; Prinz/Adrian, StuB 2011, 171 ff.; Prinz, FR 2011, 1015 ff.; Bareis, FR 2012, 385 ff.; Prinz/Adrian, StuB 2012, 259 ff.; Schlotter, BB 2012, 951 ff.; Schönherr/Krüger, DStR 2012, 829 ff.; Künkele/Zwirner, SteuK 2012, 197 ff.; Prinz/ Hörhammer, StbJb. 2012/2013, 307 (319 ff.); Kahle/Braun, FR 2018, 197 (198 f.). Vgl. Gosch, BFH/PR 6/2013, 182; Hoffmann, DStR 2013, 580 (581); Ortmann-Babel/Bolik/ Füldner, StuB 2012, 331 (335). Gesetz zur Anpassung des Investmentsteuergesetzes und anderer Gesetze an das AIFMUmsetzungsgesetz (AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz, AIFM-StAnpG) v. 18.12.2013, BGBl. I 2013, 4318. Bereits vor Einfügung der §§ 4f, 5 Abs. 7 EStG galten laut Finanzverwaltung steuerliche Aktivierungs- und Passivierungsverbote des § 5 EStG beim Ansatz über dem Buchwert nicht für die umwandlungssteuerliche Schlussbilanz. Zudem vertrat die Finanzverwaltung die Auffassung, dass im Rahmen eines Anschaffungsvorgangs erworbene Schuldposten, die einem steuerlichen Passivierungsverbot unterliegen, zwar in der den Anschaffungsvorgang abbildenden Eröffnungsbilanz ausgewiesen werden, in der folgenden steuerlichen Schlussbilanz jedoch aufgrund der steuerlichen Passivierungsverbote erfolgswirksam aufzulösen sein sollen, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.16 i.V.m. Rz. 03.06; vgl. hierzu auch Möhlenbrock/Werner in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 36 ff. (Stand: Dez. 2021); Dötsch/Stimpel in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 23 ff. (Stand: Juni 2018); a.A. Ley/Bodden, FR 2007, 265 (269); Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 76; Rödder in R/H/vL3, § 11 UmwStG Rz. 138 ff.; Rödder, DStR 2011, 1059 (1061); Rödder/Rogall, Ubg 2011, 753 (754); Riedel, FR 2012, 1109 (1110); Demuth, KÖSDI 2012, 17784 (17785); Desens, GmbHR 2007, 1202 (1203); Früchtl in Eisgruber2, § 3 UmwStG Rz. 58; Bron in Kraft/Edelmann/Bron2, § 3 UmwStG Rz. 72; BFH v. 16.12.1009 – I R 102/08, BStBl. II 2011, 566; BFH v. 14.12.2011 – I R 72/10, BStBl. II 2017, 1226; BFH v. 12.12.2012 – I R 69/11, BStBl. II 2017, 1232; BFH v. 12.12.2012 – I R 28/11, BStBl. II 2017, 1265. Die Finanzverwaltung stellt im BMF-Schreiben klar, dass sich der Verteilungszeitraum auf 14 Wirtschaftsjahre und nicht auf Zeitjahre bezieht, vgl. BMF v. 30.11.2017 – IV C 6 - S 2133/14/10001, BStBl. I 2017,1619 Rz. 16; vgl. auch Selig-Kraft/Beeger in Kanzler et al.7, § 4f EStG Rz. 30.

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C. Verschmelzung von Kapital- auf PersGes (§§ 3–10 UmwStG) | Rz. 14.18 Kap. 14

me, gleichermaßen (§ 5 Abs. 7 Satz 2 EStG). Für den sich aus § 5 Abs. 7 Sätze 1-3 ergebenden Erwerbsgewinn, der aus der Auflösung oder Abwertung der Rückstellung resultiert, kann i.H.v. 14/15 eine gewinnmindernde Rücklage in der Steuerbilanz des Erwerbers gebildet werden (Wahlrecht), die in den nachfolgenden 14 Wirtschaftsjahren außerbilanziell jeweils mindestens zu 1/14 gewinnerhöhend aufzulösen ist (Auflösungszeitraum; § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG).

Die Auswirkungen der §§ 4f, 5 Abs. 7 EStG bei Umwandlungen sind nicht abschließend geklärt, da eine Änderung des UmwStG bisher unterblieben ist.1 Die h.M. in der Literatur hält die Regelungen zu den angeschafften Rückstellungen bei Umwandlungsvorgängen grundsätzlich für anwendbar.2 Im BMF-Schreiben v. 30.11.2017 geht die Finanzverwaltung von der Anwendbarkeit der §§ 4f, 5 Abs. 7 EStG auf Umwandlungen und Einbringungen aus.3 Nähere Ausführungen lässt das Schreiben aber vermissen.

14.17

Nur im Falle eines homogenen Formwechsels (Kapitalgesellschaft in Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft in Personengesellschaft) liegt kein Übertragungsvorgang vor.4 Ertragsteuerlich kommt es aber im Falle eines kreuzenden Formwechsels (Personengesellschaft in Kapitalgesellschaft oder umgekehrt, vgl. Rz. 14.97 ff., 14.190) zu einer Übertragung von Wirtschaftsgütern und damit zu einer Anwendbarkeit der §§ 4f, 5 Abs. 7 EStG, obwohl es zivilrechtlich nicht zu einer Schuldübertragung zwischen zwei Rechtsträgern gekommen ist.5

14.18

1 Vgl. z.B. Riedel, FR 2014, 6 (11); Bohnhardt in H/M/B5, § 4 UmwStG Rz. 99; Ott, StuB 2014, 488 (492). 2 Vgl. Riedel, FR 2014, 6 (11); Krumm in Brandis/Heuermann, § 4f EStG Rz. 21a (Stand: Dez. 2021); Heinemann, StbJb. 2014/2015, 307 (323); Melan/Wecke, Ubg 2017, 253 ff.; Ott, StuB 2014, 488 (492); Bohnhardt in H/M/B5, § 4 UmwStG Rz. 99; Horst, FR 2015, 824 ff.; Möhlenbrock/Werner in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 40 (Stand: Dez. 2021); Schnitter in Frotscher/Drüen, § 3 UmwStG Rz. 88a (Stand: Sept. 2019); Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 82; Martini in W/M, § 3 UmwStG Rz. 293 (Stand: Nov. 2021); a.A. Adrian/ Fey, StuB 2014, 53 (56); Adrian, StbJb. 2014/2015, 307 (322); Adrian/Fey, StuB 2018, 85 (90); Schmitt in S/H9, § 3 UmwStG Rz. 36b; Staats in Lademann3, § 3 UmwStG Rz. 31; Schmitt/Keuthen, DStR 2015, 2521 ff., nach welchen die Voraussetzungen des § 4f EStG nicht vorliegen, da nach § 3 Abs. 1 bzw. § 11 Abs. 1 UmwStG bei einer Umwandlung zum gemeinen Wert oder Zwischenwert die Verpflichtungen in der Schlussbilanz keinen Passivierungsbeschränkungen unterliegen. 3 Vgl. BMF v. 30.11.2017 – IV C 6 - S 2133/14/10001, BStBl. I 2017, 1619 Rz. 19; vgl. auch Prinz, DB 2017, Heft 26, M28 (M29). Siehe hierzu auch Kahle/Braun, FR 2018, 197 ff.; Prinz/Otto, GmbHR 2018, 497 ff.; Förster/Werthebach, BB 2019, 299 ff.; Adrian/Fey, StuB 2018, 85 ff.; Weber-Grellet, DB 2018, 661 ff.; Bolik/Selig-Kraft, NWB 2018, 851 ff.; Hänsch, BBK 2018, 321 ff. 4 Vgl. Schober in H/H/R, § 4f EStG Anm. 11 (Stand: Aug. 2019). 5 Vgl. Horst, FR 2015, 824 (830); Klingberg in Deubert/Förschle/Störk, Sonderbilanzen6, Rz. L 200; Prinz/Otto, GmbHR 2018, 497 (503); vgl. auch Hörtnagl in S/H9, § 1 UmwStG Rz. 46; Moszka in Semler/Stengel/Leonhard5, Anhang UmwStG. Steuerliche Grundlagen des Umwandlungsrechts Rz. 633 ff. Aufgrund dieser zivilrechtlichen Lage könnten die Steuerpflichtigen versuchen, der Anwendung der §§ 4f, 5 Abs. 7 EStG entgegenzutreten, vgl. Hörner in Frotscher/Geurts, § 4f EStG Rz. 32 (Stand: Okt. 2018). Martini in W/M, § 3 UmwStG Rz. 310 (Stand: Nov. 2021), spricht sich für keine Anwendung der §§ 4f, 5 Abs. 7 EStG beim Formwechsel aus.

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Kap. 14 Rz. 14.19 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

14.19 Erfolgt die Umwandlung zu Buchwerten, sind die Passivierungsvorbehalte, die der übertragende Rechtsträger zu berücksichtigen hatte, auch beim übernehmenden Rechtsträger anwendbar, wodurch die stillen Lasten ohne Aufdeckung von dem übernehmenden Rechtsträger fortgeführt werden.1 Daher sind die §§ 4f, 5 Abs. 7 EStG nur in Fällen einer Umwandlung zum gemeinen Wert oder Zwischenwert zu beachten.2 Bei der Bewertung von Pensionsrückstellungen sind die Restriktionen des § 6a EStG anzuwenden (z.B. § 3 Abs. 1 Satz 2 UmwStG), wodurch die §§ 4f, 5 Abs. 7 EStG verdrängt werden.3 14.20 Ausnahmeregelung. Nach der m.E. zutreffenden h.M. im Schrifttum unterliegen auch Umwandlungsvorgänge im Grundsatz der Rückausnahme des § 4f Abs. 1 Satz 3 EStG, nach der die Regelung zur Aufwandsverteilung nicht für Betriebsveräußerungen und Betriebsaufgaben gilt.4 Umwandlungen stellen nach der Veräußerungsfiktion des Umwandlungssteuererlasses ein Veräußerungsgeschäft dar,5 wodurch die Voraussetzung dieser Ausnahmeregelung erfüllt wird.6 Daher wäre es folgerichtig, dass sich der im Zuge der Umwandlung realisierte Aufwand sofort im Übertragungsergebnis auswirkt. Nach dem BMF-Schreiben ist § 4f Abs. 1 Satz 4 EStG entsprechend bei Umwandlungen und Einbringungen von Teilbetrieben nach dem UmwStG anwendbar.7 Bei einer Teilbetriebsveräußerung oder -aufgabe ist ein Veräußerungs- oder Aufgabeverlust um den Aufwand aus einer Schuldübernahme i.S.d. § 4f Abs. 1 Satz 1 EStG zu vermindern, soweit diese den Verlust begründet oder erhöht hat (§ 4f Abs. 1 Satz 4 EStG).

1 Vgl. Riedel, FR 2014, 6 (12); Adrian/Fey, StuB 2014, 53 (56); Hörner in Frotscher/Geurts, § 4f EStG Rz. 32 (Stand: Okt. 2018); Ott, StuB 2014, 488 (492); Horst, FR 2015, 824 (825). 2 Vgl. Riedel, FR 2014, 6 (12); Hörner in Frotscher/Geurts, § 4f EStG Rz. 32 (Stand: Okt. 2018); Ott, StuB 2014, 488 (492); Horst, FR 2015, 824 (825); Förster/Werthebach, BB 2019, 299 (301); Prinz/Otto, GmbHR 2018, 497 (504); Adrian/Fey, StuB 2018, 85 (90); Schnitter in Frotscher/Drüen, § 3 UmwStG Rz. 88a (Stand: Sept. 2019). 3 Vgl. Hörner in Frotscher/Geurts, § 4f EStG Rz. 32 (Stand: Okt. 2018); Ott, StuB 2014, 488 (492); Horst, FR 2015, 824 (826). 4 Vgl. Krumm in Brandis/Heuermann, § 4f EStG Rz. 34 (Stand: Dez. 2021); Riedel, FR 2014, 6 (10); Ott, StuB 2014, 488 (493); Schober in H/H/R, § 4f EStG Anm. 16 (Stand: Aug. 2019); Schultz/Debnar, BB 2014, 107 (109); Förster/Staaden, Ubg 2014, 1 (7); Horst, FR 2015, 824 (831); Prinz/Otto, GmbHR 2018, 497 (504); Förster/Werthebach, BB 2019, 299 (301); Schmitt in S/H9, § 3 UmwStG Rz. 36c; Schmitt/Keuthen, DStR 2015, 2521 (2525); a.A. BT-Drucks. 18/68 (neu) v. 20.11.2013, 73; Benz/Placke, DStR 2013, 2653 (2656); Schindler, GmbHR 2014, 561 (565); Schindler in Kirchhof/Seer21, § 4f EStG Rz. 16; Melan/ Wecke, Ubg 2017, 253 (256); Möhlenbrock/Werner in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 40 (Stand: Dez. 2021); Schnitter in Frotscher/Drüen, § 3 UmwStG Rz. 88a (Stand: Sept. 2019); Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 83; Martini in W/M, § 3 UmwStG Rz. 297 (Stand: Nov. 2021). 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 00.02. 6 Vgl. Riedel, FR 2014, 6 (12); Schober in H/H/R, § 4f EStG Anm. 16 (Stand: Aug. 2019); Hörner in Frotscher/Geurts, § 4f EStG Rz. 33 (Stand: Okt. 2018); Ott, StuB 2014, 488 (493); Neumann-Tomm in Lademann, § 4f EStG Rz. 52 (Stand: März 2018). 7 Vgl. BMF v. 30.11.2017 – IV C 6 - S 2133/14/10001, BStBl. I 2017, 1619 Rz. 19; Horst, FR 2015, 824 (826); a.A. Melan/Wecke, Ubg 2017, 253 (258).

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C. Verschmelzung von Kapital- auf PersGes (§§ 3–10 UmwStG) | Rz. 14.24 Kap. 14

Rechtsfolge. Geht man von der Anwendung der §§ 4f, 5 Abs. 7 EStG auf Umwandlungen aus, kommt es bei einer Umwandlung zum gemeinen Wert oder Zwischenwert beim übertragenden Rechtsträger zu einer Streckung des Aufwands und beim übernehmenden Rechtsträger zu einer Ertragsverteilung.1 Der übernehmende Rechtsträger ist aufgrund der Rechtsnachfolgeregelung nach § 4f Abs. 1 Satz 7 EStG bzw. auch nach §§ 4 Abs. 2 Satz 1, 12 Abs. 3 UmwStG an die Aufwandsverteilung des übertragenden Rechtsträgers gebunden, so dass der noch nicht aufgelöste Aufwandsposten auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht.2 Gleichzeitig kommt beim übernehmenden Rechtsträger § 5 Abs. 7 EStG zur Anwendung.

14.21

Da es in der Gesamtschau nicht sachgemäß erscheint, zunächst eine Realisierung der stillen Lasten beim übertragenden Rechtsträger zu erzwingen und anschließend eine Besteuerung des Erwerbsgewinns beim übernehmenden Rechtsträger vorzuschreiben,3 wird in der Literatur m.E. zutreffend befürwortet, dass auch bei einer Umwandlung zu gemeinen Werten die bilanzsteuerrechtlichen Passivierungsverbote und Bewertungsvorbehalte in der Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers beachtet werden (§ 3 Abs. 1 Satz 1 UmwStG), so dass sich dies aufgrund der Wertverknüpfung auch beim übernehmenden Rechtsträger auswirkt (§ 4 Abs. 1 Satz 1 UmwStG).4

14.22

Die Vorgaben der §§ 3 ff. UmwStG zur Gewinnermittlung gelten analog für die Ermittlung des Gewerbeertrags in Umwandlungsfällen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 UmwStG).

14.23

2. Grundregel des § 3 Abs. 1 UmwStG: Ansatz zum gemeinen Wert In der steuerlichen Schlussbilanz sind die übergehenden Wirtschaftsgüter grundsätzlich mit ihrem gemeinen Wert anzusetzen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 UmwStG). Dies gilt auch für nicht entgeltlich erworbene und selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter (§ 3 Abs. 1 Satz 1 UmwStG). Davon ist insbesondere ein originärer Geschäfts- oder Firmenwert erfasst. Folglich kommt es zu einer umfassenden Aufdeckung stiller Reserven, die zu versteuern sind, sofern nicht eine Befreiungsvorschrift zur Anwendung kommt, wie etwa § 8b Abs. 2 KStG bezüglich der Anteile an Tochterkapitalgesellschaften (sofern auf diese in der Vergangenheit keine steuerwirksame Teilwertabschreibung vorgenommen wurde [§ 8b Abs. 2 Satz 4 KStG]) oder die Freistellung von ausländischen Betriebsstättenerfolgen nach einem DBA.5

1 Vgl. Riedel, FR 2014, 6 (12); Horst, FR 2015, 824 (832); Hänsch, BBK 2016, 888 (891); a.A. Schmitt/Keuthen, DStR 2015, 2521 ff., nach welchen § 5 Abs. 7 EStG nicht anwendbar ist, da die übernommenen Verpflichtungen beim ursprünglich Verpflichteten keinen Passivierungsbeschränkungen unterlegen haben. 2 Vgl. Ott, StuB 2014, 488 (493); Riedel, FR 2014, 6 (12); Melan/Wecke, Ubg 2017, 253 (257 f.). 3 Vgl. Riedel, FR 2014, 6 (13). 4 Siehe z.B. Ott, StuB 2014, 488 (493); Riedel, FR 2014, 6 (13); Rödder in R/H/vL3, § 12 UmwStG Rz. 61 ff. 5 Vgl. Schaflitzl/Widmayer in Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 109.

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14.24

Kap. 14 Rz. 14.25 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

14.25 Definition gemeiner Wert; Bewertung als Sachgesamtheit. Für die Definition des gemeinen Wertes im UmwStG wird zunächst auf § 9 Abs. 2 BewG1 – verstanden als Einzelveräußerungspreis – zurückzugreifen sein.2 Dabei könnte der gemeine Wert über dem Teilwert liegen,3 da dieser ggf. noch eine Gewinnmarge beinhaltet.4 Da der Teilwert jedoch auch Synergie- und Konzerneffekte berücksichtigt, ist auch die umgekehrte Situation möglich.5 Der Ansatz zum gemeinen Wert scheint bei einem Geschäfts- oder Firmenwert nicht zu passen, weil er nicht einzelveräußerbar ist, der gemeine Wert aber definiert ist als ein Marktpreis, den ein fremder Dritter für das einzelne Wirtschaftsgut zahlen würde.6 Der Geschäfts- oder Firmenwert ist eine Residualgröße, der sich zutreffend aus dem Unterschiedsbetrag zwischen dem gemeinen Wert bzw. Gesamtkaufpreis für die Sachgesamtheit und dem Saldo der gemeinen Werte der einzelnen aktiven (also unter Aufdeckung der stillen Reserven) und passiven Wirtschaftsgüter (somit unter Berücksichtigung der stillen Lasten) ergibt.7 Da es bei einer Verschmelzung nicht zu einer Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern, sondern von einer Sachgesamtheit kommt, wird auch eine Modifikation des gemeinen Wertes i.S.d. § 9 Abs. 2 BewG spezifisch für Umwandlungszwecke vorgeschlagen.8 In jedem Fall ist für die Ermittlung des Firmenwerts vom Gesamtwert des über1 Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BewG wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. 2 Vgl. Prinz, StuB 2007, 125 (128); Bogenschütz, Ubg 2011, 393 (398); Reifarth in Goebel/ Ungemach, § 3 UmwStG Rz. 21; Schnitter in Frotscher/Drüen, § 3 UmwStG Rz. 94 (Stand: Sept. 2019); zu Begriff und Ermittlung des gemeinen Werts vgl. im Einzelnen Kahle/Hiller in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht4, Rz. 923 ff. 3 Vgl. Prinz, StuB 2007, 125 (128); Benecke/Schnitger, IStR 2006, 765 (766); Reifarth in Goebel/Ungemach, § 3 UmwStG Rz. 21. 4 Vgl. Bula/Thees in S/B/B, Umwandlungen5, § 5 Rz. 17; Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 101; Klingebiel, DK 2006, 600 (601 f.); Mertgen in H/M/B5, § 3 UmwStG Rz. 90; Bron in Kraft/Edelmann/Bron2, § 3 UmwStG Rz. 87. 5 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 102; Steierberg in Haase/Hofacker3, § 3 UmwStG Rz. 40; Prinz zu Hohenlohe/Rautenstrauch/Adrian, GmbHR 2006, 623 (624); Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 (1485); Diller/Grottke, SteuerStud 2007, 69 (72); Mertgen in H/M/B5, § 3 UmwStG Rz. 92. Auch in Abhängigkeit von der Art des zu bewertenden Wirtschaftsguts kann der gemeine Wert höher oder niedriger als der Teilwert sein, vgl. im Einzelnen Kaminski et al., BB-Beilage 3/2004, 1 ff.; Kahle/Hiller in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht4, Rz. 931. 6 Vgl. Dötsch/Pung, DB 2006, 2704 (2708); Klingberg in Brandis/Heuermann, § 3 UmwStG Rz. 20 (Stand: Juni 2020); Schmitt in S/H9, § 3 UmwStG Rz. 44; Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 105. 7 Vgl. Desens, GmbHR 2007, 1202 (1204); Möhlenbrock/Werner in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 34 (Stand: Dez. 2021); Klingberg in Brandis/Heuermann, § 3 UmwStG Rz. 20 (Stand: Juni 2020); Schmitt in S/H9, § 3 UmwStG Rz. 30; Schnitter in Frotscher/Drüen, § 3 UmwStG Rz. 102 (Stand: Sept. 2019); Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 105; a.A. Bodden, FR 2007, 66 (69), der sich für den Teilwert als natürliche Obergrenze ausspricht. Siehe hierzu auch Reifarth in Goebel/Ungemach, § 3 UmwStG Rz. 23; Bron in Kraft/Edelmann/Bron2, § 3 UmwStG Rz. 88. 8 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 103 f.; Steierberg in Haase/Hofacker3, § 3 UmwStG Rz. 41.

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C. Verschmelzung von Kapital- auf PersGes (§§ 3–10 UmwStG) | Rz. 14.27 Kap. 14

gehenden Vermögens auszugehen.1 Aus praktischer Sicht dürften die Unterschiede zwischen Teilwert und gemeinem Wert jedoch geringfügig sein.2 Die Finanzverwaltung hat zudem klargestellt, dass der gemeine Wert generell nicht in Bezug auf jedes einzelne Wirtschaftsgut ermittelt werden muss, sondern vielmehr eine Bewertung als Sachgesamtheit zu erfolgen hat.3 Hierbei ist auf allgemein anerkannte ertragswertoder zahlungsstromorientierte Verfahren zurückzugreifen; grundsätzlich gilt die Bewertungshierarchie des § 11 Abs. 2 BewG.4 Für Pensionsrückstellungen gilt jedoch ein Bewertungsvorbehalt (Rz. 14.29). Warum der Gesamtwert dann analog § 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG im Verhältnis der Teilwerte (und nicht der gemeinen Werte) auf die einzelnen Wirtschaftsgüter verteilt werden soll,5 ist unklar.6 Die Bewertung mit dem gemeinen Wert soll ebenso bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, Auslandsumwandlungen mit Inlandsbezug sowie Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug nach deutschen und unabhängig von ausländischen Bewertungsregeln erfolgen.7 Hierbei wird die Finanzverwaltung im Einzelfall auf sog. Spontanauskünfte gegenüber dem ausländischen Staat zurückgreifen.8

14.26

Grundsätzlich gehen im Rahmen des Umwandlungsvorgangs alle bilanzierungsfähigen aktiven und passiven Wirtschaftsgüter sowie Rechnungsabgrenzungsposten und sonstige Posten auf den übernehmenden Rechtsträger über.9 Selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter sind – ungeachtet § 5 Abs. 2 EStG – anzusetzen. Dies gilt zumindest dann, wenn ein Ansatz zum gemeinen Wert erfolgt. Wird der Buchwertansatz gewählt, so werden selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter nicht aktiviert.10

14.27

1 Vgl. Dötsch/Pung, DB 2006, 2704 (2705); Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1525 (1527). 2 Vgl. Diller/Grottke, SteuerStud 2007, 69 (74). 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.07; Rödder, DStR 2011, 1059 (1061); Schumacher/Neitz-Hackstein, Ubg 2011, 409; Förster, GmbHR 2012, 237 (239). 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.07; weitergehend Bogenschütz, Ubg 2011, 393 (398). 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.09 Satz 2. Gl.A. Früchtl in Eisgruber2, § 3 UmwStG Rz. 67; Möhlenbrock/Werner in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 31 (Stand: Dez. 2021); Mertgen in H/M/B5, § 3 UmwStG Rz. 93; Klingberg in Brandis/Heuermann, § 3 UmwStG Rz. 20a (Stand: Juni 2020). 6 Vgl. Schumacher/Neitz-Hackstein, Ubg 2011, 409 (410); Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 112; Schmitt in S/H9, § 3 UmwStG Rz. 30, 47; Martini in W/M, § 3 UmwStG Rz. 218 f. (Stand: Nov. 2021); Schnitter in Frotscher/Drüen, § 3 UmwStG Rz. 99 (Stand: Sept. 2019); Bron in Kraft/Edelmann/Bron2, § 3 UmwStG Rz. 90; Kutt/Carstens in FGS/ BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 139; Ruoff in Schneider/Ruoff/Sistermann, Umwandlungssteuer-Erlass 2011, Rz. 3.27; Schnell/Krohn, DB 2012, 1057 (1061 f.). 7 Vgl. BT-Drucks. 16/2710 v. 25.9.2006, 37; Möhlenbrock/Werner in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 28 (Stand: Dez. 2021); Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 111. 8 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 111. 9 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 72; Mertgen in H/M/B5, § 3 UmwStG Rz. 87. 10 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 75.

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Kap. 14 Rz. 14.28 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

14.28 Zwischenwertansatz. Bei einem Zwischenwertansatz hat eine einheitliche und gleichmäßige Aufstockung aller Wirtschaftsgüter anhand der stillen Reserven bzw. Lasten (Ausnahme: Pensionsrückstellungen) zu erfolgen.1 Hierbei ist (sofern vorhanden) auch ein Geschäfts- oder Firmenwert inkludiert; d.h., eine Vorgehensweise anhand der sog. „Stufentheorie“ bzw. „modifizierten Stufentheorie“, bei welchen ein Geschäfts- oder Firmenwert erst nachrangig aufgedeckt wird,2 ist nicht möglich.3 Die Aufgabe der Anwendung der Stufentheorie erfordert zudem im Falle des Zwischenwertansatzes grundsätzlich die Durchführung einer Unternehmensbewertung.4 Es ist also auch dann ein Geschäfts- oder Firmenwert (anteilig) zu bilanzieren, wenn noch nicht alle stillen Reserven in anderen Wirtschaftsgütern aufgedeckt sind.5 14.29 Pensionsrückstellungen. Eine Ausnahme besteht für Pensionsrückstellungen; diese werden mit dem Wert nach § 6a EStG, also dem Teilwert, angesetzt (§ 3 Abs. 1 Satz 2 UmwStG). Der tatsächliche Wert der Pensionsverpflichtung liegt regelmäßig über dem Wert nach § 6a EStG,6 so dass „bei einer Bewertung der Pensionsverpflichtung in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Gesellschaft zum gemeinen Wert steuerlich regelmäßig Aufwand entstehen“7 würde. Wenn in den Pensionsverpflichtungen solche stillen Lasten enthalten sind, die aber in der steuerlichen Übertragungsbilanz aufgrund des Ansatzes mit dem Wert nach § 6a EStG nicht ausgewiesen werden dürfen, erscheint es sinnvoll, einen im Rahmen der Umwandlung entstehenden originären Geschäfts- oder Firmenwert zumindest nur mit dem um die stillen Lasten verminderten Betrag zu aktivieren.8 Wenn die stillen Lasten den Firmenwert übersteigen, wurde bisher teilweise vertreten, dass in Höhe des übersteigenden Betrags ein passiver Ausgleichsposten beim übertragenden Rechtsträger in der Schlussbilanz anzusetzen sei.9 Die Finanzverwaltung stellt im UmwStE zwar klar, 1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.25. 2 Vgl. im Einzelnen Kahle in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht4, Rz. 1418 f. 3 Vgl. schon Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 75, 249; Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 128 (Stand: Juni 2018); Förster, GmbHR 2012, 237 (239); Forst/Schaaf/ Hannweber in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht4, Rz. 1917. 4 Vgl. Stadler/Elser/Bindl, DB 2012, 14 (20), die auch darauf hinweisen, dass die Höhe des Geschäfts- oder Firmenwerts Konfliktpotential im Rahmen von Betriebsprüfungen in sich birgt. 5 Kritisch diesbezüglich aus systematischer Sicht: Bünning, BB 2012, 243 (245). 6 Vgl. BFH v. 15.10.1997 – I R 58/93, BStBl. II 1998, 305; Bogenschütz, Ubg 2011, 393 (397); Reifarth in Goebel/Ungemach, § 3 UmwStG Rz. 40; Staats in Lademann3, § 3 UmwStG Rz. 111. 7 Schaflitzl/Widmayer in Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 110. 8 Vgl. Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 49 (Stand: Juni 2018); Schaflitzl/Widmayer in Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 110; Dötsch/Pung, DB 2006, 2704 (2705); Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1525 (1527); Mertgen in H/M/B5, § 3 UmwStG Rz. 95; Bünning, BB 2012, 243 (246); Steierberg in Haase/Hofacker3, § 3 UmwStG Rz. 33 f. 9 Vgl. Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 173 (175); Honert/Geimer in FS Spiegelberger, 247 (249); dies fordert auch Rödder in R/H/vL3, § 11 UmwStG Rz. 179 f.; Bron in Kraft/ Edelmann/Bron2, § 3 UmwStG Rz. 104; als nicht zulässig sehen dies Birkemeier in R/H/ vL3, § 3 UmwStG Rz. 106, und Schnitter in Frotscher/Drüen, § 3 UmwStG Rz. 103 (Stand: Sept. 2019), an.

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C. Verschmelzung von Kapital- auf PersGes (§§ 3–10 UmwStG) | Rz. 14.30 Kap. 14

dass ein über dem Wert nach § 6a EStG liegender gemeiner Wert der Pensionsrückstellung den Wert nach § 3 Abs. 1 UmwStG steuerlich nicht mindern darf, geht aber gleichzeitig davon aus, dass durch die stillen Lasten in Pensionsrückstellungen der Unternehmenswert insgesamt betriebswirtschaftlich sehr wohl gemindert ist.1 M.a. W.: Die stillen Lasten in Pensionsrückstellungen sollen nicht steuermindernd wirken und dürfen auch den Firmenwert nicht mindern. Diese Vorgehensweise ist unsystematisch und kritikwürdig.2 Es können nicht auf der einen Seite stille Reserven besteuert werden, wenn auf der anderen Seite stille Lasten nicht berücksichtigt werden. Dies kann zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen Übermaßbesteuerung führen.3 Es handelt sich hierbei zudem um einen Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip. 3. Antragswahlrecht zum Ansatz von Buch- oder Zwischenwerten (§ 3 Abs. 2 UmwStG) a) Voraussetzungen zur Nutzung des Antragswahlrechts Auf Antrag können die übergehenden Wirtschaftsgüter einheitlich mit dem Buchwert oder einem Zwischenwert (höchstens jedoch mit dem gemeinen Wert) angesetzt werden, soweit die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 UmwStG erfüllt sind. Es handelt sich um ein Bewertungs- und Ansatzwahlrecht.4 Der Buchwert ist gem. § 1 Abs. 5 Nr. 4 UmwStG derjenige Wert, der sich nach den steuerrechtlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung in einer für den steuerlichen Übertragungsstichtag aufzustellenden Steuerbilanz ergibt oder ergäbe. § 3 Abs. 2 UmwStG nennt folgende Voraussetzungen, die kumulativ erfüllt sein müssen: – Die übergehenden Wirtschaftsgüter müssen Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft oder natürlichen Person werden und es muss sichergestellt sein, dass sie später der Besteuerung mit ESt oder KSt unterliegen. – Das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter bei den Gesellschaftern der übernehmenden Personengesellschaft oder bei der natürlichen Person darf nicht ausgeschlossen oder beschränkt sein. – Eine Gegenleistung darf nicht gewährt werden, kann aber in Gesellschaftsrechten bestehen.

1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.24; Rödder, DStR 2011, 1059 (1061). 2 Ebenfalls kritisch Schumacher/Neitz-Hackstein, Ubg 2011, 409 (410); a.A. Rupp in Patt/ Rupp/Aßmann, Der neue Umwandlungssteuererlass, 35; Stimpel, GmbHR 2012, 123 (124). 3 Vgl. Rödder in R/H/vL3, § 11 UmwStG Rz. 179; Rödder, DStR 2011, 1059 (1061). 4 Vgl. Möhlenbrock/Werner in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 35 (Stand: Dez. 2021); Bron in Kraft/Edelmann/Bron2, § 3 UmwStG Rz. 129; Staats in Lademann3, § 3 UmwStG Rz. 121.

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14.30

Kap. 14 Rz. 14.31 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

14.31 Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 UmwStG sind bei einer Personengesellschaft als übernehmendem Rechtsträger gesellschafterbezogen zu prüfen.1 D.h., die Voraussetzungen müssen jeweils bezogen auf jeden Gesellschafter der Personengesellschaft – spätestens ab dem steuerlichen Übertragungsstichtag2 – vorliegen, ansonsten kommt der gemeine Wert zum Ansatz. Bei Vorliegen der Voraussetzungen kann es gesellschafterbezogen zu einem anteiligen Buchwertansatz (bzw. anteiligen Zwischenwertansatz) kommen, dann aber einheitlich bei allen Wirtschaftsgütern.3 b) Bedingung des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG: Betriebsvermögen und Sicherstellung einer Besteuerung mit ESt/KSt

14.32 Mit der ersten Bedingung soll die Besteuerung der in den übergehenden Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven mit ESt oder KSt sichergestellt werden. Es kommt nicht darauf an, ob es sich um inländische oder ausländische ESt oder KSt handelt,4 solange die ausländische Steuer der deutschen ESt oder KSt vergleichbar ist.5 Dies kann aber dahingestellt bleiben, da es im Zusammenspiel mit § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG ohnehin zu einer Sicherstellung der inländischen Besteuerung kommt.6 14.33 Das übergehende Vermögen muss zudem Betriebsvermögen der Übernehmerin werden (Betriebsvermögenseigenschaft); damit wird eine steuerneutrale Verschmelzung dann ausgeschlossen, wenn der wegen § 8 Abs. 2 KStG als gewerblich behandelte übertragende Rechtsträger nur vermögensverwaltend tätig war und der übernehmende Rechtsträger kein Betriebsvermögen besitzt (z.B. natürliche Person oder Personengesellschaft mit Einkünften aus VuV).7 Insoweit ist auch § 8 UmwStG zu beachten. 1 Vgl. BT-Drucks. 16/2710 v. 25.9.2006, 37; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/ 10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.11; Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 157, 230; Schultes-Schnitzlein/Kaiser, NWB 2009, 3519 (3521); Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 50 (Stand: Juni 2018); Früchtl in Eisgruber2, § 3 UmwStG Rz. 79; Reifarth in Goebel/Ungemach, § 3 UmwStG Rz. 53; Klingberg in Brandis/Heuermann, § 3 UmwStG Rz. 26 (Stand: Juni 2020); Schnitter in Frotscher/Drüen, § 3 UmwStG Rz. 107 (Stand: Sept. 2019); Staats in Lademann3, § 3 UmwStG Rz. 121. 2 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 230; Bron in Kraft/Edelmann/Bron2, § 3 UmwStG Rz. 128; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.11; Reifarth in Goebel/Ungemach, § 3 UmwStG Rz. 51. 3 Vgl. Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1073); Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1525 (1530); Reifarth in Goebel/Ungemach, § 3 UmwStG Rz. 53. 4 Vgl. Schaflitzl/Widmayer in Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 111; Benecke in PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, Rz. 1038; Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 181; Möhlenbrock/Werner in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 82 (Stand: Dez. 2021); Klingberg in Brandis/Heuermann, § 3 UmwStG Rz. 28 (Stand: Juni 2020); Staats in Lademann3, § 3 UmwStG Rz. 129. 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.17; Klingberg in Brandis/Heuermann, § 3 UmwStG Rz. 28 (Stand: Juni 2020). 6 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 181. 7 Vgl. Möhlenbrock/Werner in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 75 (Stand: Dez. 2021); Klingberg in Brandis/Heuermann, § 3 UmwStG Rz. 27 (Stand: Juni 2020); Staats in Lademann3, § 3 UmwStG Rz. 124; Gaffron in Widmann/Bauschatz, § 3 UmwStG Rz. 96.

934 | Braun

C. Verschmelzung von Kapital- auf PersGes (§§ 3–10 UmwStG) | Rz. 14.35 Kap. 14

Wenn das Vermögen der übertragenden Körperschaft nicht Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft wird, so liegt eine Betriebsaufgabe vor und es kommt der gemeine Wert zum Ansatz. Auch wenn die übernehmende natürliche Person oder ein Mitunternehmer selbst nicht steuerpflichtig oder steuerbefreit sind, muss der gemeine Wert angesetzt werden.1 Grundsätzlich gilt aber, dass es für die Anwendung des § 3 UmwStG nicht notwendig ist, dass das übergehende Vermögen vollumfänglich Betriebsvermögen der übernehmenden natürlichen Person oder Personengesellschaft wird.2 Das Vermögen, das beim Übernehmenden nicht Betriebsvermögen (sondern etwa Privatvermögen) wird, muss demzufolge in der Schlussbilanz mit dem gemeinen Wert angesetzt werden.3 Für die ins Betriebsvermögen übergehenden Wirtschaftsgüter wird dadurch das Bewertungswahlrecht nicht berührt.4 Zebragesellschaft. Bei einer Zebragesellschaft, bei der die übernehmende Gesellschaft selbst nicht gewerblich tätig ist, die Beteiligung an dieser aber zumindest teilweise zu einem Betriebsvermögen gehört, ist die Bedingung des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG laut Finanzverwaltung vollumfänglich nicht erfüllt.5 Diese Vorgehensweise wird von Teilen der Literatur zu Recht kritisiert.6 Zumindest insofern die Anteile an der übernehmenden Personengesellschaft zu einem Betriebsvermögen gehören, muss ein Buch- oder Zwischenwertansatz möglich sein.7

14.34

Gewerbesteuerliche Entstrickung. Die Voraussetzung, dass das übergehende Vermögen beim übernehmenden Rechtsträger Betriebsvermögen wird, ist nicht nur durch gewerbliches Betriebsvermögen (§ 15 Abs. 2 EStG), sondern auch durch landund forstwirtschaftliches (§ 13 EStG) und das der selbstständigen Arbeit (§ 18 EStG)

14.35

1 Vgl. BT-Drucks. 16/2710 v. 25.9.2006, 37. 2 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 40, 46. 3 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 170; Martini in W/M, § 3 UmwStG Rz. 5, 320, 791 (Stand: Mai 2019, Nov. 2021); Reifarth in Goebel/Ungemach, § 3 UmwStG, Rz. 62; Schnitter in Frotscher/Drüen, § 3 UmwStG Rz. 135 (Stand: Sept. 2019). 4 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 170. 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.16; gl.A. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 177; Trossen in R/H/vL3, § 8 UmwStG Rz. 56 f.; Staats in Lademann3, § 3 UmwStG Rz. 128; Früchtl in Eisgruber2, § 8 UmwStG Rz. 56 f.; Möhlenbrock in D/P/M, § 8 UmwStG Rz. 11 (Stand: Dez. 2011); Greve in H/M/B5, § 8 UmwStG Rz. 46; Martini in W/M, § 3 UmwStG Rz. 822 ff. (Stand: Nov. 2021); Cöster in Haase/Hofacker3, § 8 UmwStG Rz. 47; Steierberg in Haase/Hofacker3, § 3 UmwStG Rz. 57. 6 Vgl. Bogenschütz, Ubg 2011, 393 (400); Stadler/Elser/Bindl, DB 2012, Beilage 1, 14 (17 f.); Stimpel, GmbHR 2012, 123 (125); Behrens/Renner, BB 2016, 683 (684 f.); Levedag, GmbHR 2013, 243 (245); Huber/Marat, DB 2011, 1823 (1827 f.); Mertgen in H/M/B5, § 3 UmwStG Rz. 108; Schmitt in S/H9, § 3 UmwStG Rz. 139; Schnitter in Frotscher/Drüen, § 3 UmwStG Rz. 139 (Stand: Sept. 2019); Bron in Kraft/Edelmann/Bron2, § 3 UmwStG Rz. 196 ff.; Illing/Jäschke in Widmann/Bauschatz, § 8 UmwStG Rz. 35. 7 Vgl. Bogenschütz, Ubg 2011, 393 (400).

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Kap. 14 Rz. 14.35 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

dienende Betriebsvermögen erfüllt.1 Es ist folglich für die Ausübung des Bewertungswahlrechts des § 3 Abs. 2 UmwStG unerheblich, wenn bei dem übernehmenden Unternehmen die stillen Reserven nicht mehr der GewSt unterliegen. Ein allgemeiner gewerbesteuerlicher Entstrickungstatbestand existiert nicht.2 Folglich kann etwa im Fall der Verschmelzung einer Steuerberatungs-GmbH auf eine Steuerberatungs-Partnerschaftsgesellschaft mit Einkünften i.S.d. § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG das Bewertungswahlrecht ausgeübt werden.3 Allerdings ist in diesem Zusammenhang § 18 Abs. 3 UmwStG zu beachten.4 Ob das Betriebsvermögen im In- oder im Ausland liegt, spielt für Zwecke des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG keine Rolle.5 c) Bedingung des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG: Sicherstellung des deutschen Besteuerungsrechtes aa) Grundfälle

14.36 Das deutsche Besteuerungsrecht kann im Wesentlichen in zwei Fällen beschränkt oder ausgeschlossen werden. Zum einen liegt eine Beschränkung dann vor, wenn Deutschland zwar das grundsätzliche Besteuerungsrecht behält, aber nach der Umwandlung eine ausländische Steuer anrechnen muss.6 Zum anderen ist ein Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts z.B. dann gegeben, wenn die Doppelbesteuerung vor der Umwandlung aufgrund eines DBA (Aktivitätsvorbehalt) oder einer vergleichbaren Regelung (§ 20 Abs. 2 AStG) durch die Anrechnungsmethode und nach der Umwandlung beim übernehmenden Rechtsträger durch Freistellung vermieden wird.7 14.37 Verhältnis umwandlungssteuerrechtlicher und allgemeiner Entstrickungsnormen. Das Besteuerungsrecht Deutschlands wird i.d.R. dann nicht beschränkt, wenn in Deutschland eine Betriebsstätte verbleibt, der die Wirtschaftsgüter der übertragen1 Vgl. Martini in W/M, § 3 UmwStG Rz. 5, 815 ff. (Stand: Mai 2019, Nov. 2021); Schmitt in S/H9, § 3 UmwStG Rz. 76; Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 160; Möhlenbrock/Werner in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 75 (Stand: Dez. 2021); Schnitter in Frotscher/Drüen, § 3 UmwStG Rz. 135 (Stand: Sept. 2019); Staats in Lademann3, § 3 UmwStG Rz. 125. 2 Vgl. BFH v. 14.6.1988 – VIII R 387/83, BStBl. II 1989, 187; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.18; Bron in Kraft/Edelmann/Bron2, § 3 UmwStG Rz. 239. 3 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 160; Bogenschütz, Ubg 2011, 393 (400). 4 Hiernach unterliegt ein Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs oder eines Teilbetriebs der übernehmenden Personengesellschaft bzw. natürlichen Person innerhalb von fünf Jahren nach der Umwandlung der GewSt (§ 18 Abs. 3 UmwStG). Dies gilt entsprechend bei der Veräußerung oder Aufgabe eines Anteils an der übernehmenden Personengesellschaft innerhalb des Fünf-Jahreszeitraums. Zur Konkurrenz von § 18 Abs. 3 UmwStG und § 7 GewStG vgl. Wendt, FR 2016, 172 f.; Förster, DB 2016, 789 ff. 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.15. 6 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 188; Hagemann et al., NWB-Sonderheft 1/ 2007, 1 (20); Steierberg in Haase/Hofacker3, § 3 UmwStG Rz. 61; Staats in Lademann3, § 3 UmwStG Rz. 136. 7 Vgl. BT-Drucks. 16/2710 v. 25.9.2006, 37 f.; Klingberg in Brandis/Heuermann, § 3 UmwStG Rz. 29 (Stand: Juni 2020).

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C. Verschmelzung von Kapital- auf PersGes (§§ 3–10 UmwStG) | Rz. 14.39 Kap. 14

den Kapitalgesellschaft zugerechnet werden können. Ob eine Beschränkung oder ein Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts vorliegt, ist am steuerlichen Übertragungsstichtag zu prüfen; entsteht erst nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag eine Beschränkung, sind die allgemeinen Vorschriften des § 4 Abs. 1 Satz 3 ff. EStG – im Wege einer tatsächlichen Entstrickung – heranzuziehen.1 Im Anwendungsbereich des UmwStG sind die dort definierten Entstrickungsnormen ansonsten lex specialis gegenüber den einkommen- und körperschaftsteuerlichen Entstrickungsnormen.2 Auch aufgrund dieses Verständnisses sollen die durch das JStG 2010 eingefügten Regelbeispiele der §§ 4 Abs. 1 Satz 4 EStG, 12 Abs. 1 Satz 2 KStG im Erlasswege auf die umwandlungssteuerliche Entstrickung angewandt werden.3 Dieser Vorgehensweise fehlt jedoch die gesetzliche Grundlage und ist insofern kritisch zu sehen.4 Vor der Umwandlung muss ein deutsches Besteuerungsrecht überhaupt bestanden haben, um von einer Beschränkung des Besteuerungsrechts im Rahmen des § 3 Abs. 2 UmwStG sprechen zu können.5 So liegt eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts nicht vor, wenn Deutschland bereits bei der übertragenden Körperschaft an der Besteuerung der stillen Reserven (z.B. aufgrund eines DBA mit Freistellungsmethode) gehindert ist.6

14.38

bb) Inlandsverschmelzung mit Auslandsbezug (1) Inländische Verschmelzung mit ausländischen Anteilseignern Im Rahmen der Verschmelzung auf eine Personengesellschaft findet ein Steuersubjektwechsel statt. Während die übertragende Kapitalgesellschaft selbst KSt-Subjekt ist, werden bei der übernehmenden Personengesellschaft die Mitunternehmer möglicherweise ESt-Subjekt. Grundsätzlich ist ein Buch- oder Zwischenwertansatz dann möglich, wenn die Mitunternehmer unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig sind und eine Besteuerung der Einkünfte analog § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG im 1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.11; Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 92, 94 (Stand: Juni 2018); Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (453); Schnitter in Frotscher/Drüen, § 3 UmwStG Rz. 154 (Stand: Sept. 2019). 2 Vgl. Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1012); Richter/Heyd, Ubg 2011, 172 (175); Klingberg/ Nitzschke, Ubg 2011, 451 (453); Stadler/Elser/Bindl, DB 2012, Beilage 1, 14 (18); Reifarth in Goebel/Ungemach, § 3 UmwStG Rz. 74. Zur Unterscheidung tatsächliche/rechtliche Entstrickung mit unterschiedlichen Entstrickungszeitpunkten vgl. Desens, DStR 2022, 1588–1598. Eingehend auch Kapitel 1, Rz. 1.31–1.35. 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.18; Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (453). 4 Vgl. zur Kritik Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (453); Stadler/Elser/Bindl, DB 2012, Beilage 1, 14 (18); Bron in Kraft/Edelmann/Bron2, § 3 UmwStG Rz. 230; Reifarth in Goebel/Ungemach, § 3 UmwStG Rz. 76. 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.19; Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 173 (175); Möhlenbrock/Werner in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 96 (Stand: Dez. 2021). 6 Vgl. BT-Drucks. 16/2710 v. 25.9.2006, 38; Schaflitzl/Widmayer in Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 113.

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14.39

Kap. 14 Rz. 14.39 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

Inland erfolgt.1 Die Beteiligung an einer Personengesellschaft gilt regelmäßig als Betriebsstätte des Mitunternehmers im Inland, sofern sich die geschäftliche Oberleitung dieser Personengesellschaft im Inland befindet.2 Im Regelfall ist somit bei einer Inlandsverschmelzung auch unter Beteiligung beschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner ein Buch- oder Zwischenwertansatz möglich.3 (2) Inländische Verschmelzung mit ausländischem Betriebsstättenvermögen

14.40 Freistellung. Besitzt die übertragende Kapitalgesellschaft eine ausländische Betriebsstätte, bei der eine Doppelbesteuerung nach Maßgabe der Freistellungsmethode vermieden wird, bestand vor und besteht nach der Verschmelzung kein Besteuerungsrecht, das ausgeschlossen oder beschränkt werden könnte. Dies gilt unabhängig davon, ob beschränkt oder unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner beteiligt sind. Ein Buch- oder Zwischenwertansatz ist für dieses sog. neutrale Vermögen demzufolge möglich.4 Wird dagegen der gemeine Wert auch für die Freistellungsbetriebsstätte angesetzt (Einheitlichkeit der Ausübung des Wertansatzes), so hat der auf die Freistellungsbetriebsstätte entfallende Aufstockungsbetrag keinen Einfluss auf den Übertragungsgewinn.5 Im Rahmen der Berechnung des Übernahmegewinns ist gem. § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG weiterhin der Ansatz des gemeinen Wertes für die Freistellungsbetriebsstätte zwingend erforderlich. 14.41 Anrechnung. Wird bei der Auslandsbetriebsstätte die Doppelbesteuerung mithilfe der Anrechnungsmethode vermieden, ist zu differenzieren, ob die Mitunternehmer der übernehmenden Personengesellschaft beschränkt oder unbeschränkt steuerpflichtig sind. Liegt unbeschränkte Steuerpflicht vor, so kann uneingeschränkt der Buch- oder Zwischenwertansatz gewählt werden. Ist ein Mitunternehmer jedoch beschränkt steuerpflichtig, so sind die Betriebsstätteneinkünfte, die diesem zuzuordnen sind, nach der Verschmelzung nicht mehr in Deutschland steuerpflichtig. Insofern wird das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen und es ist für das auf diesen Mitunternehmer entfallende Betriebsstättenvermögen zwingend der gemeine Wert anzusetzen.6 Ob in diesem Fall nach Maßgabe des § 3 Abs. 3 UmwStG allerdings eine fiktive ausländische Steuer anzurechnen ist, ist strittig; m.E. ist eine (fiktive) Anrech1 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 199; Hagemann et al., NWB-Sonderheft 1/ 2007, 1 (20). 2 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.3; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 357. 3 Vgl. Möhlenbrock/Werner in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 99 (Stand: Dez. 2021); Hagemann et al., NWB-Sonderheft 1/2007, 1 (20); Bron in Kraft/Edelmann/Bron2, § 3 UmwStG Rz. 245. Eine Beschränkung des deutschen Steuerrechts könnte jedoch möglicherweise bei einer Umwandlung in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft mit beschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern vorliegen, vgl. zur Problematik Nitzschke, IStR 2011, 838 ff. 4 Vgl. Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1077); Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 173 (182); Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 200; Reifarth in Goebel/Ungemach, § 3 UmwStG Rz. 88. 5 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 200. 6 Vgl. Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 103 (Stand: Juni 2019); Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 201; Reifarth in Goebel/Ungemach, § 3 UmwStG, Rz. 89.

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C. Verschmelzung von Kapital- auf PersGes (§§ 3–10 UmwStG) | Rz. 14.43 Kap. 14

nung zu gewähren, da auch bei einer Veräußerung des ausländischen Betriebsstättenvermögens eine Anrechnung stattgefunden hätte.1 Ohne DBA. Hat die übertragende Kapitalgesellschaft eine Betriebsstätte in einem Staat, mit dem kein DBA abgeschlossen ist, so ist auch hier nur ein Buch- oder Zwischenwertansatz möglich, wenn es sich um unbeschränkt steuerpflichtige Mitunternehmer handelt, die nach dem Welteinkommensprinzip in Deutschland steuerpflichtig sind. Bei beschränkt steuerpflichtigen Mitunternehmern sind die ausländischen Betriebsstätteneinkünfte in Deutschland nicht mehr steuerpflichtig, da § 49 EStG nur die inländischen Einkünfte beschränkt Steuerpflichtiger erfasst.2 Diesbezüglich muss also der gemeine Wert angesetzt werden.3 Die Aufstockung der Wirtschaftsgüter für den ausländischen Anteilseigner ist bei der übernehmenden Personengesellschaft mittels einer Ergänzungsbilanz diesem zuzuweisen.4 Das durch die Werterhöhung entstehende Abschreibungspotential verbleibt damit bei dem ausländischen Anteilseigner; im Inland kann das Abschreibungspotential dann nicht mehr genutzt werden, wenn es sich zusätzlich um eine Hinausverschmelzung handelt.5

14.42

Doppelbesteuerungsgefahr. Wenn im Rahmen einer ausländischen Anrechnungsbetriebsstätte nach ausländischem Recht eine Gewinnrealisierung vorzunehmen ist (gemeiner Wert oder Zwischenwert), während nach inländischem Recht jedoch eine Buchwertfortführung möglich ist, kann – im Fall, dass der Buchwertansatz gewählt wird – die ausländische Steuer im Inland nicht angerechnet werden, da keine Einkünfte vorliegen, auf die angerechnet werden könnte.6 Im Inland besteht hierbei keine Bindung an den ausländischen Wertansatz.7 Werden die stillen Reserven der Betriebsstätte nun später im Inland realisiert, kommt es zu einer erneuten Besteuerung; es resultiert eine Doppelbesteuerung.8 Um dies zu verhindern, wird empfohlen, das Wertansatzwahlrecht korrespondierend mit der ausländischen Gewinnrealisierung auszuüben.9

14.43

1 Gl.A. Schaflitzl/Widmayer in Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 117; Kahle/Vogel, ISR 2013, 234 (238); vgl. zur Diskussion Mutscher, IStR 2010, 820 (823); Pohl, IWB 2012, 177 (183 f.). 2 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 202. 3 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 202; Gaffron in Widmann/Bauschatz, § 3 UmwStG Rz. 120; Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 103 (Stand: Juni 2019); Hagemann et al., NWB-Sonderheft 1/2007, 1 (19); Pohl, IWB 2012, 177 (182). 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.24; Benecke/Beinert, FR 2010, 1120 (1124 f.). Die inländischen Beteiligten haben hier eine negative Ergänzungsbilanz aufzustellen, die ausländischen Beteiligten, für welche der gemeine Wert aufzudecken ist, positive Ergänzungsbilanzen, vgl. Pohl, IWB 2012, 177 (182). 5 Vgl. hierzu Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (458); Benecke/Beinert, FR 2010, 1120 (1124 f.). 6 Vgl. Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 112 (Stand: Dez. 2015). 7 Vgl. Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1077); Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 112 (Stand: Dez. 2015). 8 Vgl. Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 112 (Stand: Dez. 2015); Schaumburg, GmbHR 1996, 414 (416, Fn. 25). 9 Vgl. Mertgen in H/M/B5, § 3 UmwStG Rz. 166; Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 114 (Stand: Dez. 2015).

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Kap. 14 Rz. 14.43 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

Zu beachten ist, dass das Wertansatzwahlrecht einheitlich – auch für in- und ausländisches Betriebsvermögen – ausgeübt werden muss.1 cc) Auslandsverschmelzung mit Inlandsbezug (1) Auslandsverschmelzung mit inländischen Anteilseignern

14.44 Eine übertragende ausländische Körperschaft muss bereits dann eine Schlussbilanz erstellen, wenn die übernehmende Personengesellschaft einen im Inland beschränkt oder unbeschränkt steuerpflichtigen Mitunternehmer hat, da dies im Rahmen der §§ 4, 7 UmwStG notwendig ist.2 Es ist unerheblich, ob die ausländische Gesellschaft bis dahin in Deutschland steuerlich gar in Erscheinung getreten ist.3 Aus praktischer Sicht dürfte das Erfordernis einer nach deutschen Grundsätzen aufgestellten Schlussbilanz für einen inländischen Minderheitsgesellschafter nur schwer zu erbringen sein,4 was ein Umwandlungshindernis darstellen könnte.5 14.45 Da der unbeschränkt steuerpflichtige inländische Mitunternehmer weiterhin dem Welteinkommensprinzip unterliegt, dürfte das deutsche Besteuerungsrecht im Regelfall nicht beschränkt oder ausgeschlossen werden. Vor der Umwandlung ist zumeist eine inländische Steuerverhaftung der Anteile an der ausländischen Körperschaft gegeben,6 nach der Umwandlung liegt unbeschränkte Steuerpflicht im Rahmen der Mitunternehmereigenschaft vor.7 Auch bei beschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern kann Deutschland aufgrund von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG das Besteuerungsrecht behalten, wenn die Beteiligung zu einem inländischen Betriebsvermögen gehört.8 Wenn die übertragende ausländische Körperschaft Betriebsvermögen in DBA-Freistellungsstaaten hat, so hatte Deutschland daran vor und nach der Verschmelzung kein Besteuerungsrecht. Bzgl. Nicht-DBA- und Anrechnungsbetriebsstätten entsteht durch die Verschmelzung auf eine ausländische Personengesellschaft bzgl. inländischer Mitunternehmer erst ein direktes inländisches Besteuerungsrecht. Dies ist dem Wechsel vom Trennungs- zum Transparenzprinzip geschuldet. Für die Übernahmegewinnermittlung ist in diesen Fällen § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG zu beachten.9 Hieraus könnte sich auch ein Problem der Doppelbesteuerung ergeben.10 Vgl. hierzu im Einzelnen Rz. 14.49 ff. 1 Vgl. Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 113 (Stand: Dez. 2015); Martini in W/M, § 3 UmwStG Rz. 727 f. (Stand: Nov. 2021, Mai 2019). 2 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 212; Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 115 (Stand: Dez. 2015). 3 Vgl. Hagemann et al., NWB-Sonderheft 1/2007, 1 (23). 4 Vgl. Hagemann et al., NWB-Sonderheft 1/2007, 1 (23). 5 So Käbisch/Bunzeck, IWB 2011, 392 (395). 6 Vgl. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA. Dies ist jedoch nicht immer der Fall, vgl. z.B. Art. 13 Abs. 3 DBA Tschechien. 7 Vgl. Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 119 (Stand: Dez. 2015); Früchtl in Eisgruber2, § 3 UmwStG Rz. 102. 8 Vgl. Fey in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 453 (469). 9 Vgl. auch die Fallübersicht bei Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 119 (Stand: Dez. 2015). 10 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 60 (Stand: Juni 2018).

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C. Verschmelzung von Kapital- auf PersGes (§§ 3–10 UmwStG) | Rz. 14.47 Kap. 14

(2) Auslandsverschmelzung mit inländischem Betriebsstättenvermögen Verfügt die übertragende Körperschaft über eine inländische Betriebsstätte und ist ein Übertragungsgewinn zu ermitteln, so ist eine Schlussbilanz aufzustellen.1 Ist kein inländischer Gesellschafter beteiligt, so genügt die Aufstellung einer Schlussbilanz nur für das inländische Betriebsvermögen.2 Regelmäßig und unabhängig davon, ob die Freistellungs- oder Anrechnungsmethode oder gar kein DBA vereinbart ist, dürfte das deutsche Besteuerungsrecht bzgl. der inländischen Betriebsstätte nicht beschränkt und schon gar nicht ausgeschlossen werden. Demzufolge ist der Ansatz des inländischen Betriebsstättenvermögens zu Buch- bzw. Zwischenwerten grundsätzlich möglich.

14.46

dd) Hinausverschmelzung Zwar ist es zivilrechtlich nicht möglich, eine inländische Körperschaft auf eine ausländische Personengesellschaft zu verschmelzen.3 Auch das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie v. 22.2.2023 sieht trotz der im Schrifttum4 geforderten Erweiterung des Anwendungsbereichs auf Personenhandelsgesellschaften hieran keine Änderung vor.5 Steuerrechtlich ist dieser Fall für Verschmelzungen auf eine ausländische Übernehmerin allerdings geregelt6 und erfasst seit 2022 neben EU-/EWRFällen auch Drittstaatenkonstellationen. Hiernach ist zunächst zwischen inländi1 Vgl. Hagemann et al., NWB-Sonderheft 1/2007, 1 (23). 2 Vgl. Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 115 (Stand: Dez. 2015); Mertgen in H/ M/B5, § 3 UmwStG Rz. 80; Steierberg in Haase/Hofacker3, § 3 UmwStG Rz. 112. 3 Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.78. Auch nach Ausweitung des Anwendungsbereichs des UmwG auf grenzüberschreitende Verschmelzungen von Personenhandelsgesellschaften durch Art. 1 des Vierten Gesetzes zur Änderung des Umwandlungsgesetzes (4. UmwÄndG) v. 19.12.2018, BGBl. I 2018, 2694, werden Hinausverschmelzungen auf ausländische Personhandelsgesellschaften nach wie vor vom UmwG ausgeschlossen, vgl. Hoffmann, NZG 2019, 1208 (1208). 4 Vgl. Prinz, DB 2022, Heft 25, M4 (M4 f.); Schmidt, NZG 2022, 579 (580); Stelmaszczyk, GmbHR 2020, 61 (62 f.); Bayer/Schmidt, BB 2019, 1922 (1935); Bayer/Schmidt, BB 2017, 2114 (2118); Bungert/Becker, DB 2019, 1609; Bungert/Wansleben, DB 2018, 2094 (2095, 2104); Hilser, Grenzüberschreitende Rechtsformwechsel in der Europäischen Union, 366 f.; Wicke, DStR 2018, 2642 (2643); Kraft, BB 2019, 1864 (1865); Bormann/Stelmaszczyk, ZIP 2019, 300 (302); Bormann/Stelmaszczyk, ZIP 2019, 353 (354 f.); Wachter, GmbH-StB 2018, 283 (286); Wachter, GmbH-StB 2018, 317 (318, 329); Schmidt, GmbHR 2018, R292 (R293); Schmidt, DK 2018, 273 (285). 5 Vgl. Gesetz v. 22.2.2023, BGBl. I 2023 Nr. 51 v. 28.2.2023. Siehe auch Bungert/Reidt, DB 2022, 1369 (1369). 6 Durch das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050, hat der Gesetzgeber den persönlichen Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes für Umwandlungen unter Beteiligungen von Körperschaften als übertragendem Rechtsträger (Zweiter bis Fünfter Teil des UmwStG (§§ 3 bis 16 UmwStG)) mit Wirkung ab 1.1.2022 auf Drittstaatenfälle erweitert, wodurch zu einem Teil eine Globalisierung des Umwandlungssteuerrechts erfolgt ist; vgl. hierzu Prinz, FR 2021, 561 ff.; Dreßler/Kompolsek, WPg 2021, 1243 ff.; Hageböke/Stangl, Ubg 2021, 242 ff.; Holle/Krüger/Weiss, IStR 2021, 489 ff.; Jacobsen, DStZ 2021, 489 ff.

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14.47

Kap. 14 Rz. 14.47 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

schem und ausländischem Vermögen zu differenzieren. Für im Inland verbleibendes Vermögen, z.B. in Form einer Betriebsstätte, ist es grundsätzlich möglich, einen Buch- oder Zwischenwertansatz zu wählen. Problematisch kann sich diese Zurechnung jedoch für immaterielle Wirtschaftsgüter, Beteiligungen an anderen Kapitalgesellschaften sowie den Firmenwert erweisen. Nach der Zentralfunktion des Stammhauses1 werden immaterielle Wirtschaftsgüter unmittelbar dem Stammhaus zugerechnet. Auch Beteiligungen werden grundsätzlich dem Stammhaus zugerechnet, es sei denn, sie dienen der ausgeübten Tätigkeit der Betriebsstätte. Diese Wirtschaftsgüter dürften daher im Zweifelsfall dem Ansatz zum gemeinen Wert unterliegen.2 Jedoch ist grundsätzlich auf die tatsächliche Zugehörigkeit der Wirtschaftsgüter abzustellen.3 Da einzelne immaterielle Wirtschaftsgüter, etwa Patente u.Ä., unstreitig im Inland entstanden sind, müsste demnach eine Zuordnung dieser immateriellen Wirtschaftsgüter zu einer im Inland verbleibenden Betriebsstätte möglich sein.4 Zudem geht auch die Finanzverwaltung davon aus, dass sich durch eine grenzüberschreitende Umwandlung die Zuordnung von Wirtschaftsgütern grundsätzlich nicht ändert.5 Dennoch dürfte eine explizite Ausnahme von der Zentralfunktionsthese nur bei einem ausschließlichen Funktionszusammenhang des betroffenen Wirtschaftsguts mit der Betriebsstätte möglich sein.6 Insbesondere durch die Umsetzung des Authorized OECD Approach (AOA) in § 1 Abs. 5 AStG und der damit einhergehenden uneingeschränkten Selbständigkeitsfiktion für Betriebsstätten erscheint es fraglich, ob die bislang vertretene Zentralfunktionsthese künftig noch Bestand haben kann.7 Vielmehr

1 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, hierauf wird durch BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.20 verwiesen; zur Kritik an der Anwendung der Zentralfunktionsthese des Stammhauses im Umwandlungsfall Stadler/Elser/Bindl, DB 2012, Beilage 1, 14 (18 f.). 2 Strittig ist, ob allein durch die Zentralfunktion des Stammhauses schon zum steuerlichen Übertragungsstichtag eine Beschränkung des deutschen Steuerrechts vorliegt, wenn die Umwandlung mit Rückwirkung durchgeführt wird, vgl. zu dieser Problematik Klingberg/ Nitzschke, Ubg 2011, 451 (454); Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1015); Viebrock/Hagemann, FR 2009, 737 (745); vielmehr könnte die Zuordnungsänderung aufgrund der Zentralfunktion des Stammhauses einen tatsächlichen Vorgang darstellen, der erst zum Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Umwandlung wirksam wird. Dann müsste in der Schlussbilanz zunächst keine Aufdeckung der gemeinen Werte für die betroffenen Wirtschaftsgüter erfolgen, sondern erst, wenn die tatsächliche Überführung stattfindet. Dann wären auch nicht die umwandlungssteuerlichen, sondern die allgemeinen Entstrickungsnormen anzuwenden; vgl. im Einzelnen Schell, FR 2012, 101 (106); Girlich/Philipp, Ubg 2012, 150 (155 f.). 3 Vgl. Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 105 (Stand: Juni 2019); Bron in Kraft/ Edelmann/Bron2, § 3 UmwStG Rz. 255. 4 Vgl. Schaden/Ropohl, BB-Special 1/2011, 11 (12). 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.20. 6 Vgl. Girlich/Philipp, Ubg 2012, 150 (153). 7 Vgl. Kahle/Kindich, GmbHR 2017, 341 (345); Kahle/Kindich in Lübbehüsen/Kahle, Brennpunkte der Besteuerung von Betriebsstätten2, Rz. 4.426; Kahle/Eichholz in Haun/Kahle/ Goebel, Außensteuerrecht, § 4 EStG Rz. 64 (Stand: Okt. 2019); Adrian/Franz, BB 2013, 1879 (1882); Kraft/Poley, FR 2014, 1 (5); Kraft/Dombrowski, FR 2014, 1105 (1114).

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C. Verschmelzung von Kapital- auf PersGes (§§ 3–10 UmwStG) | Rz. 14.49 Kap. 14

sei nun nach § 1 Abs. 5 AStG eine Zuordnung der Wirtschaftsgüter anhand der von dem Stammhaus sowie der Betriebsstätte ausgeübten Funktionen vorzunehmen.1 Besitzt die übertragende inländische Körperschaft ausländische Betriebsstätten, so kann sich auch hieraus eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts ergeben. Dies gilt nicht für eine Freistellungsbetriebsstätte;2 hier gelten die Grundsätze der Inlandsverschmelzung mit Auslandsbezug (Rz. 14.40) entsprechend. Bei einer Anrechnungsbetriebsstätte und unbeschränkt in Deutschland steuerpflichtigen Mitunternehmern wird aufgrund der Transparenz der übernehmenden ausländischen Personengesellschaft das deutsche Besteuerungsrecht nicht beschränkt (dass keine GewSt mehr anfällt, spielt keine Rolle, Rz. 14.35), womit ein Buch- oder Zwischenwertansatz möglich ist.3 Sind an der übernehmenden Personengesellschaft beschränkt oder nicht in Deutschland steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt, wird das deutsche Besteuerungsrecht beeinträchtigt und ein Ansatz des gemeinen Wertes insofern erzwungen.4 Bei einer EU-Anrechnungsbetriebsstätte ist hierbei eine fiktive ausländische Steuer, die bei Veräußerung der Wirtschaftsgüter angefallen wäre, gem. § 3 Abs. 3 UmwStG nach den Grundsätzen des § 26 KStG anzurechnen, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden.5 Auch bei einer Nicht-DBA-Betriebsstätte verliert Deutschland sein Besteuerungsrecht in Bezug auf nicht unbeschränkt steuerpflichtige Mitunternehmer der übernehmenden Personengesellschaft, was diesbezüglich einen Ansatz der gemeinen Werte nach sich zieht.6

14.48

ee) Hereinverschmelzung Durch Ausweitung des Anwendungsbereichs des UmwG auf bestimmte grenzüberschreitende Verschmelzungen von Personenhandelsgesellschaften (§§ 305 ff. UmwG bzw. §§ 122a ff. UmwG a.F.) durch Art. 1 des 4. UmwÄndG7 ist nun auch zivilrecht1 Vgl. Scheidmann, Stbg 2014, 492 (501); Kahle/Kindich in Lübbehüsen/Kahle, Brennpunkte der Besteuerung von Betriebsstätten2, Rz. 4.426; Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 105 (Stand: Juni 2019). 2 Vgl. Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 109 (Stand: Dez. 2015); Schnitter in Frotscher/Drüen, § 3 UmwStG Rz. 175 (Stand: Sept. 2019). 3 Vgl. Schaflitzl/Widmayer, BB-Special 8/2006, 36 (42). 4 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 205; Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 108 (Stand: Dez. 2015); Schaflitzl/Widmayer, BB-Special 8/2006, 36 (42). 5 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 302; bei enger Auslegung des Gesetzestextes dürfte eine Anrechnung bei der Hinausverschmelzung auf eine ausländische Personengesellschaft jedoch nicht möglich sein, da die Fusionsrichtlinie nur auf Körperschaften anzuwenden ist, so Mutscher, IStR 2010, 820 (824); dass eine fiktive Anrechnung jedoch davon abhängen soll, dass übernehmender Rechtsträger eine Körperschaft ist, und bei Hinausverschmelzung auf eine Personengesellschaft diese nicht gewährt werden soll, verstößt gegen den Grundsatz der Rechtsformneutraliät und dürfte auch einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit darstellen; im Ergebnis ebenso Schaflitzl/Widmayer in Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 118; Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 302; Kahle/Vogel, ISR 2013, 234 (238 f.). 6 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 206. 7 Vgl. Viertes Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes (4. UmwÄndG) v. 19.12.2018, BGBl. I 2018, 2694.

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14.49

Kap. 14 Rz. 14.49 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

lich die Hereinverschmelzung auf eine deutsche Personenhandelsgesellschaft (§ 306 Abs. 1 Nr. 2 UmwG bzw. § 122b Abs. 1 Nr. 2 UmwG a.F.) mit in der Regel nicht mehr als 500 Arbeitnehmern zulässig.1 Grundsätzlich hat auch hier die übertragende ausländische Körperschaft, unabhängig davon, ob sie zur Buchführung verpflichtet ist oder der inländischen Steuerpflicht unterliegt, eine Schlussbilanz nach deutschem Recht gem. § 3 UmwStG aufzustellen; dies ist für Zwecke der Besteuerung der offenen Rücklagen gem. § 7 UmwStG sowie der Bestimmung des Übernahmeergebnisses nach § 4 UmwStG erforderlich.2 Häufig wird damit von der ausländischen übertragenden Körperschaft Unmögliches verlangt.3 Daher werden Vereinfachungsregelungen vorgeschlagen, die eine Ermittlung der Schlussbilanz auch in Anknüpfung an die ausländische Handelsbilanz zulassen.4

14.50 Wenn die übertragende Körperschaft eine Freistellungsbetriebsstätte (gemessen am deutschen DBA-Netz) besitzt, hat Deutschland vor und nach der Umwandlung kein Besteuerungsrecht; es gelten die Grundsätze der Inlandsverschmelzung mit Auslandsbezug (Rz. 14.40). Bei einer Anrechnungsbetriebsstätte oder einer Betriebsstätte in einem Nicht-DBA-Staat könnte5 sich, sofern es sich um unbeschränkt steuerpflichtige Mitunternehmer der übernehmenden Personengesellschaft handelt, erstmals ein deutsches Besteuerungsrecht an den Wirtschaftsgütern der Betriebsstätte ergeben.6 Wird ein Buch- oder Zwischenwertansatz gewählt, so schlägt dieser auch auf dieses Betriebsstättenvermögen durch.7 Hier besteht eine Doppelbesteuerungsgefahr. Denn zum einen ist hier der Wortlaut nach § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG einschlägig,

1 Vgl. Hoffmann, NZG 2019, 1208 (1208 f.); Hörtnagl in S/H9, § 122b UmwG Rz. 14. 2 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 208; Schreiber/Kahle/Ruf, Besteuerung der Unternehmen5, 823. 3 Vgl. Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (456). 4 Vgl. Martini in W/M, § 3 UmwStG Rz. 511 (Stand: Nov. 2021); Figna/Fürstenau, BB-Special 1/2010, 12 (17); Benecke/Beinert, FR 2010, 1120 (1126); Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (456). 5 Zu beachten ist allerdings, dass bereits ein indirektes Besteuerungsrecht bestand, da vor der Umwandlung das ausländische Betriebsstättenvermögen indirekt in den Anteilen an der ausländischen Körperschaft, die von inländischen Anteilseignern gehalten werden, enthalten ist; durch die Umwandlung entsteht sodann ein unmittelbares Besteuerungsrecht an den Wirtschaftsgütern der ausländischen Betriebsstätte, vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 60 (Stand: Juni 2018). 6 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 211. 7 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 211; Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 116 (Stand: Dez. 2015). Denn § 3 Abs. 2 UmwStG ist grundsätzlich lex specialis zu § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG, vgl. van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 43; umstritten ist aber, ob der Verstrickungsfall im UmwStG überhaupt geregelt ist und aufgrund möglicherweise fehlender Regelung auf die Verstrickungsnormen der §§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2, 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG zurückgegriffen werden kann, mit der Konsequenz, dass das ausländische Betriebsvermögen mit dem vom ausländischen Staat im Rahmen seiner Entstrickungsbesteuerung angesetzten Wert für deutsche Besteuerungszwecke zu übernehmen ist oder mit dem gemeinen Wert zu bewerten ist, sofern im Ausland keine Entstrickungsbesteuerung erfolgt, vgl. dies bejahend Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (453); a.A. Benecke/Beinert, FR 2010, 1120 (1126); Heinemann, GmbHR 2012, 133 (136).

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C. Verschmelzung von Kapital- auf PersGes (§§ 3–10 UmwStG) | Rz. 14.53 Kap. 14

d.h., es entsteht diesbezüglich ein Übernahmegewinn.1 Da aber in der Übertragungsbilanz für dieses Betriebsstättenvermögen ein Buch- oder Zwischenwertansatz zur Anwendung kommen kann, unterliegen die stillen Reserven bei einer späteren Realisierung nochmals einer Ertragsbesteuerung.2 Hier wird eine teleologische Reduktion zur Nichtanwendung des § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG empfohlen.3 Im Zweifel könnte die Anrechnungs-/Nicht-DBA-Betriebsstätte bereits im Vorhinein zum gemeinen Wert an die übernehmende deutsche Personengesellschaft übertragen werden.

Besitzt die übertragende ausländische Körperschaft eine deutsche Betriebsstätte, so wird dabei das deutsche Besteuerungsrecht nicht eingeschränkt, womit ein Ansatz des Buch- oder Zwischenwertes möglich ist.4 Es ist grundsätzlich eine Schlussbilanz nur für die inländische Betriebsstätte aufzustellen, wenn keine inländischen Gesellschafter an der übertragenden Körperschaft beteiligt sind.5 Anderenfalls ist zu prüfen, ob eine Schlussbilanz evtl. für die Ermittlung eines Übernahmeergebnisses benötigt wird.

14.51

Bei einer Hereinverschmelzung zum Buch- oder Zwischenwert kann auch die Frage der Zentralfunktion des Stammhauses aufkommen. Verbleibt im Staat der übertragenden Gesellschaft eine Betriebsstätte, können evtl. einzelne Wirtschaftsgüter (insb. Geschäfts- oder Firmenwert, immaterielle Wirtschaftsgüter etc.) aufgrund der Zentralfunktion des Stammhauses dennoch als ins Inland überführt gelten (Rz. 14.47). Auch hier stellt sich sodann die Verstrickungsproblematik (Rz. 14.50, dort Fn. 3).6

14.52

ff) Sonderfragen EuGH-Rechtsprechung. Wird aufgrund eines Umwandlungsvorgangs deutsches Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt, ist diesbezüglich der gemeine Wert anzusetzen. Es folgt eine Sofortbesteuerung ohne Stundungsmöglichkeit auch innerhalb der EU/EWR; § 4g EStG ist nicht anwendbar, da keine Entnahme vorliegt.7 In den Rs. National Grid Indus8 und z.B. Kommission/Portugal9 hat der EuGH entschie1 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 60 (Stand: Juni 2018); Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1080). 2 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 60 (Stand: Juni 2018). 3 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 60 (Stand: Juni 2018); Stadler/Elser/Bindl, DB 2012, Beilage 1, 14 (21); Benecke/Beinert, FR 2010, 1120 (1124), befürworten dies, sofern keine Verstrickungsgrundsätze Anwendung finden sollten. 4 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 209. 5 Vgl. Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 115 (Stand: Dez. 2015). 6 Vgl. hierzu Schell, FR 2012, 101 (108). 7 Vgl. Dötsch/Pung, DB 2006, 2704 (2705); Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 130 (Stand: Juni 2018). 8 Vgl. EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10, ECLI:EU:C:2011:785 – National Grid Indus, IStR 2012, 27 ff.; vgl. dazu auch Kapitel 1 Rz. 1.34; Prinz, GmbHR 2012, 195 ff.; Gosch, IWB 2012, 779 ff.; Mitschke, IStR 2012, 6 ff. 9 Vgl. EuGH v. 6.9.2012 – C-38/10, ECLI:EU:C:2012:521 – Kommission/Portugal, EuZW 2012, 947 ff. Der EuGH hat die Grundsätze der Rs. National Grid Indus nicht nur in der Rs. Kommission/Portugal wiederholt, sondern auch in weiteren Folgeentscheidungen wie z.B. EuGH v. 31.1.2013 – C-301/11, ECLI:EU:C:2013:177 – Kommission/Niederlande, ISR 2013, 225 f.; EuGH v. 25.4.2013 – C-64/11, ECLI:EU:C:2013:264 – Kommission/König-

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14.53

Kap. 14 Rz. 14.53 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

den, dass im Falle des Wegzugs einer Kapitalgesellschaft eine Entstrickungsbesteuerung im Wegzugszeitpunkt zwar gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt, aber durch den Zweck der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten gerechtfertigt sowie verhältnismäßig und damit zulässig ist, wenn für die daraus resultierende Steuerlast eine Stundungsmöglichkeit besteht. Diese Rechtsprechung hat der EuGH bestätigt und in der Rs. DMC1 und A Oy2 auf die umwandlungssteuerlichen Entstrickungsnormen übertragen.3 In der Rs. DMC hatte der EuGH zur Europarechtskonformität einer Stundungsregelung des UmwStG 1995 Stellung genommen, die eine ratierliche Steuererhebung über einen Zeitraum von fünf Jahren vorsah und ihr Regelungsinhalt zweifelsfrei an § 4g EStG erinnert.4 Der EuGH sah eine Einziehung der Steuer in fünf Jahresraten ohne tatsächliche Realisierung vor dem Hintergrund des mit der Zeit steigenden Risikos einer Nichteinbringung als verhältnismäßig an. Im Gegensatz zum Urteil im Fall DMC ging es im Urteil der Rs. A Oy nicht um die steuerliche Behandlung im Betriebsstättenstaat, sondern um die Besteuerung im Ansässigkeitsstaat des Stammhauses.5 Die Fortführung der EuGH-Rechtsprechung zu grenzüberschreitenden Unternehmenstransaktionen und die Erweiterung auf grenzüberschreitende Einbringungsfälle entsprechend § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, Abs. 7 i.V.m. § 3 Abs. 3 UmwStG, die gleichfalls eine sofortige Besteuerung, ähnlich der finnischen Regelung, vorsehen, hat für Deutschland weitreichende Konsequenzen und macht eine europarechtskonforme Anpassung des UmwStG notwendig.6 Dies gilt gleichermaßen für grenzüberschreitende Verschmelzungen, so dass für die aus einer umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickung i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG entstehende Steuerlast – zumindest in EU-/EWR-Fällen – eine Stundungsmöglichkeit, z.B. analog § 4g EStG, geschaffen werden muss.7

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4 5 6 7

reich Spanien, ISR 2013, 225 f., EuGH v. 18.7.2013 – C-261/11, ECLI:EU:C:2013:480 – Kommission/Niederlande, ISR 2013, 311 ff., oder EuGH v. 21.12.2016 – C-503/14, ECLI: EU:C:2016:979 – Kommission/Portugal, IStR 2017, 69 ff., vgl. hierzu Micker/Schwarz, IWB 2017, 344 ff. Vgl. EuGH v. 23.1.2014 – C-164/12, ECLI:EU:C:2014:20 – DMC, IStR 2014, 106 ff.; vgl. dazu Linn, IStR 2014, 136 ff.; Gosch, IWB 2014, 183 ff.; Mitschke, IStR 2014, 214 ff. Vgl. EuGH v. 23.11.2017 – C-292/16, ECLI:EU:C:2017:888 – A Oy, IStR 2018, 32 ff.; vgl. hierzu Linn/Pignot, IWB 2018, 114 ff.; Mitschke, IStR 2018, 65 ff.; Reuter, EuZW 2018, 83 ff.; Oppel, IWB 2018, 324 ff.; Müller, ISR 2018, 58 ff. Bereits zuvor eine Anwendung auf das UmwStG bejahend Rautenstrauch/Seitz, Ubg 2012, 14 (22); Hruschka, DStR 2012, Beihefter zu Heft 2, 4 (6); Girlich/Philipp, Ubg 2012, 150 (159); dagegen eher verneinend Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 90 (Stand: Juni 2018). Vgl. Sydow, DB 2014, 265 (265); Müller, ISR 2014, 58 (59); Kahle in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht4, Rz. 3016. Vgl. Linn/Pignot, IWB 2018, 114 (118); Kahle/Braun/Burger, FR 2018, 717 (726). Vgl. Reuter, EuZW 2018, 83 (84); Mitschke, IStR 2018, 65 (67); Oppel, IWB 2018, 324 (328); Müller, ISR 2018, 58 (60); Kahle/Braun/Burger, FR 2018, 717 (726); Micker/Schwarz, IWB 2017, 344 (349). Ebenso Mitschke, IStR 2018, 65 (67); Oppel, IWB 2018, 324 (328); Müller, ISR 2018, 58 (61); Kahle in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht4, Rz. 2995; Micker/Schwarz, IWB 2017, 344 (344); Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 288 (Stand: Jan. 2020); Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 196.

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C. Verschmelzung von Kapital- auf PersGes (§§ 3–10 UmwStG) | Rz. 14.57 Kap. 14

Umgehung einer verstrickungsbedingten Doppelbesteuerung. Wirtschaftsgüter, die im Rahmen der Verschmelzung verstrickt werden, sind je nach Ausübung des Wahlrechts anzusetzen.1 Im Rahmen des Buchwert- oder Zwischenwertansatzes ergibt sich folglich ein Ansatz unter dem gemeinen Wert. Muss im Staat der übertragenden Gesellschaft – analog zu den deutschen umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsnormen – der gemeine Wert angesetzt werden, besteht die Gefahr einer Doppelbesteuerung.2 Um dies zu verhindern, wird vorgeschlagen, die betroffenen Wirtschaftsgüter bereits vor der Verschmelzung zum gemeinen Wert zu übertragen.3 Dies muss dann aber bereits vor dem (ggf. rückwirkenden) steuerlichen Übertragungsstichtag erfolgen.4

14.54

Hinzurechnungsbesteuerung. Ob eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts vorliegt, wenn nach der Umwandlung die Hinzurechnungsbesteuerung nicht mehr anwendbar ist, ist bisher noch ungeklärt. Die h.M. geht in diesem Fall aber von keiner Beschränkung aus.5

14.55

d) Bedingung des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UmwStG: Eine Gegenleistung darf nicht gewährt werden oder muss in Gesellschaftsrechten bestehen Wenn für den Vermögensübergang eine nicht in Gesellschaftsrechten bestehende Gegenleistung gewährt wird, kommt es zwingend zu einer Aufdeckung der stillen Reserven. Damit soll verhindert werden, „dass die Wirtschaftsgüter im Rahmen einer Verschmelzung entgeltlich veräußert werden.“6 Eine schädliche Gegenleistung kann in bar oder durch die Gewährung von anderen Vermögenswerten (insb. Darlehensforderung) erfolgen.7

14.56

Die Frage der Qualität der Gegenleistung richtet sich allein nach Zivilrecht, so dass insoweit die Einräumung eines Darlehenskontos eine schädliche Gegenleistung darstellt, auch wenn diese steuerlich als Eigenkapital anzusehen ist, sog. funktionales Eigenkapital (Korrektur auf der 2. Gewinnermittlungsstufe).8 Die Einräumung von

14.57

1 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 197. 2 Für inländische Besteuerungszwecke im Verschmelzungsfall ist es grundsätzlich unerheblich, ob im Ausland eine Entstrickungsbesteuerung stattgefunden hat oder nicht, vgl. Heinemann, GmbHR 2012, 133 (136). Vgl. zur Verstrickungsproblematik eingehend Rz. 14.50, dort Fn. 3. 3 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 197. 4 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 298. 5 Vgl. Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 173 (175); uneindeutig jedoch Schaflitzl/Widmayer, BB-Beilage 8/2006, 36 (41). 6 Brähler/Krenzin, Umwandlungssteuerrecht11, 81. 7 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.21; Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 216; Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 121 (Stand: Dez. 2015); Dötsch/Pung, DB 2006, 2704 (2709); Bron in Kraft/Edelmann/Bron2, § 3 UmwStG Rz. 275 ff.; Früchtl in Eisgruber2, § 3 UmwStG Rz. 103. 8 Vgl. Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 122 (Stand: Dez. 2015); Steierberg in Haase/Hofacker3, § 3 UmwStG Rz. 64; Reifarth in Goebel/Ungemach, § 3 UmwStG Rz. 119; Klingberg in Brandis/Heuermann, § 3 UmwStG Rz. 32 (Stand: Juni 2020); Staats in Lademann3, § 3 UmwStG Rz. 154.

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Kap. 14 Rz. 14.57 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

handelsrechtlichen Kapitalkonten jeglicher Art ist hingegen unschädlich, auch wenn sie Entnahmen ermöglichen.1 Im Rahmen des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UmwStG ist also die Abgrenzung zwischen den Kapitalkonten I und II und dem Darlehenskonto zu klären. Die Abgrenzung dürfte von der Finanzverwaltung nach steuerlichen Grundsätzen vorgenommen werden.2

14.58 Zahlungen an ausscheidende Anteilseigner, insb. Abfindungszahlungen, die vom übernehmenden Rechtsträger geleistet werden, sind ebenfalls unschädlich i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UmwStG.3 Selbiges sollte auch dann gelten, wenn die Zahlungen an ausscheidende Anteilseigner durch Anteilseigner des übertragenden oder übernehmenden Rechtsträgers oder durch den übertragenden Rechtsträger selbst geleistet werden.4 Auch dann, wenn ein Anteilseigner nicht komplett ausscheidet, sondern nur einen Teil seines bisherigen Anteils abgibt und dafür eine (Teil-)Abfindung erhält, sollte diesbezüglich kein schädlicher Vorgang i.S.v. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UmwStG vorliegen.5 14.59 Liegt eine schädliche Gegenleistung nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UmwStG vor, so führt dies nicht unmittelbar zum Ansatz der gemeinen Werte. Vielmehr sind die Buchwerte einheitlich um den Betrag der Gegenleistung aufzustocken, was im Regelfall einem Zwischenwertansatz entsprechen dürfte.6 e) Antragstellung und verfahrensrechtliche Fragen

14.60 Einheitliche Antragstellung. Der Antrag, die übergehenden Wirtschaftsgüter zum Buchwert oder Zwischenwert anzusetzen, ist einheitlich zu stellen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Damit hat im Falle des Zwischenwertansatzes eine gleichmäßige und einheitliche Aufstockung der Buchwerte aller Wirtschaftsgüter bis zum Zwischenwert zu erfolgen. Es ist also unzulässig, verschiedene Wertkategorien für verschiedene Wirtschaftsgüter zu wählen.7 Grundsätzlich können verschiedene Anteilseigner das Bewertungswahlrecht nicht unterschiedlich ausüben.8 Ein einheitlicher Ansatz über alle 1 Vgl. Dötsch/Pung, DB 2006, 2704 (2709). 2 Vgl. Dötsch/Pung, DB 2006, 2704 (2709); Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 122 (Stand: Dez. 2015); Bron in Kraft/Edelmann/Bron2, § 3 UmwStG Rz. 277; Reifarth in Goebel/Ungemach, § 3 UmwStG Rz. 120; zur Abgrenzung von Gesellschafterkonten bei Personengesellschaften vgl. im Einzelnen Ley, DStR 2009, 613 ff.; Kahle, DStZ 2010, 720 ff. 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.22; Schnitter in Frotscher/Drüen, § 3 UmwStG Rz. 188 (Stand: Sept. 2019); hierzu Heinemann, GmbHR 2012, 133 (135). 4 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 222 f. 5 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 224. 6 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.23; Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 131 (Stand: Juni 2018); Klingberg in Brandis/ Heuermann, § 3 UmwStG Rz. 32 (Stand: Juni 2020). 7 Vgl. Klingebiel, DK 2006, 600 (602); Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 128 (Stand: Juni 2018); Steierberg in Haase/Hofacker3, § 3 UmwStG Rz. 67. 8 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 259; Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 66 (Stand: Juni 2018).

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C. Verschmelzung von Kapital- auf PersGes (§§ 3–10 UmwStG) | Rz. 14.61 Kap. 14

Gruppen hinweg kann aber problematisch sein, weil es im Hinblick auf das Besteuerungsrecht Deutschlands verschiedene Gruppen von Wirtschaftsgütern geben kann.1 Es ist daher auch unschädlich, wenn aufgrund des Nichterfüllens bestimmter Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 UmwStG einzelne Wirtschaftsgüter zwingend mit dem gemeinen Wert – möglicherweise auch partiell bezogen auf einzelne Anteilseigner – angesetzt werden müssen, für andere hingegen wahlweise ein Buchwertansatz möglich ist.2 Werden in der steuerlichen Schlussbilanz einzelne Wirtschaftsgüter aufgrund einer notwendigen Wertaufholung aufgewertet, so berührt diese Vorgehensweise das umwandlungssteuerrechtliche Bewertungswahlrecht nicht.3 Zeitpunkt der Antragstellung und zuständiges Finanzamt. Der Antrag, die übergehenden Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert bzw. einem Zwischenwert anzusetzen, ist vom übertragenden Rechtsträger4 spätestens bis zur erstmaligen Abgabe der steuerlichen Schlussbilanz bei dem für die Besteuerung der übertragenden Körperschaft zuständigen Finanzamt (§ 20 AO) zu stellen (§ 3 Abs. 2 Satz 2 UmwStG).5 Ist die Umwandlung bereits im Handelsregister eingetragen, geht die Zuständigkeit im Verschmelzungsfall auf das Finanzamt des übernehmenden Rechtsträgers über.6 Auch der Antrag ist dann vom übernehmenden Rechtsträger zu stellen.7 Letzteres dürfte der Regelfall sein.8 Dem Wortlaut zufolge müsste bei einer ausländischen übertragenden Körperschaft der Antrag beim zuständigen ausländischen Finanzamt gestellt werden.9 Da die nach deutschen Gewinnermittlungsregeln aufgestellte Schlussbilanz und das Bewertungswahlrecht allerdings für inländische Besteuerungszwecke benötigt werden, ist in die1 Vgl. Schaflitzl/Widmayer in Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 112, mit Beispiel. 2 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 260; Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 131 (Stand: Juni 2018). 3 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 250. 4 Die konkrete Wahlrechtsausübung obliegt dabei zumindest bis zur Handelsregistereintragung der Umwandlung dem für die Bilanzaufstellung zuständigen Organ des übertragenden Rechtsträgers; bei einer AG also dem Vorstand, bei einer GmbH dem Geschäftsführer. Nach der Handelsregistereintragung geht das Bewertungswahlrecht im Regelfall auf den Gesamtrechtsnachfolger über, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.28; Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 271 ff. Auch im Falle, dass der übertragende Rechtsträger eine ausländische Körperschaft ist, steht dieser das Bewertungswahlrecht zu, auch wenn im Falle inländischer Minderheitsgesellschafter teilweise Billigkeitsregelungen vorgeschlagen werden, vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 278; van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 41 f. 5 Dies gilt auch dann, wenn zum übergehenden Vermögen Beteiligungen an in- oder ausländischen Mitunternehmerschaften gehören, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/ 10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.27. 6 Zu beachten ist, dass dies nicht im Falle der Ab- oder Aufspaltung gilt, vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 280; gem. §§ 26 Satz 2, 27 AO kann die Zuständigkeit auch beim Finanzamt des übertragenden Rechtsträgers verbleiben. 7 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.28; Stimpel, GmbHR 2012, 123 (126); Staats in Lademann3, § 3 UmwStG Rz. 178. 8 Vgl. Bogenschütz, Ubg 2011, 393 (401). 9 Vgl. Benecke in PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, Rz. 1032.

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14.61

Kap. 14 Rz. 14.61 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

sen Fällen ersatzweise auf ein inländisches Finanzamt zurückzugreifen. Wenn die übernehmende Gesellschaft eine inländische Personengesellschaft ist, so ist das für die Feststellung der Einkünfte dieser übernehmenden Gesellschaft zuständige Finanzamt maßgebend.1 Unterbleibt jedoch eine inländische Feststellung der Einkünfte, so ist zu differenzieren. Hat bei einer reinen Auslandsverschmelzung mit inländischen Anteilseignern der ausländische übertragende Rechtsträger eine inländische Betriebsstätte, so ist gem. § 18 Abs. 1 Nr. 2 AO das Betriebsstättenfinanzamt zuständig;2 alternativ ist das zuständige Finanzamt einer inländischen Betriebsstätte der ausländischen übernehmenden Personengesellschaft heranzuziehen.3 Sind lediglich inländische Anteilseigner vorhanden, so ist gem. § 18 Abs. 2 Satz 1 AO das für den Anteilseigner nach §§ 19 bzw. 20 AO zuständige Finanzamt verantwortlich; Gleiches gilt, wenn Übernehmerin eine natürliche Person ist.4

14.62 Formerfordernisse des Antrags. Der Antrag auf Buchwertfortführung bzw. Zwischenwertansatz ist konstitutiv.5 Er ist bedingungsfeindlich6 und es bestehen keine Formerfordernisse.7 Der Steuerpflichtige muss gegenüber dem Finanzamt bestätigen, dass die eingereichte Steuerbilanz auch als steuerliche Schlussbilanz dienen soll.8 Dies ist bei Buchwertumwandlungen wohl der Regelfall.9 Zudem sollte die Einreichung der regulären Steuerbilanz ohne separate Übertragungsbilanz oder Antrag auf Buchwert-/Zwischenwertansatz nicht unmittelbar zu einem sanktionierenden Ansatz der gemeinen Werte führen.10 Vielmehr dürfte der Antrag – entweder durch Erklärung oder durch Einreichung der Übertragungsbilanz – auch erst zeitlich nach der Einreichung der regulären Steuerbilanz erfolgen können.11 Erst wenn endgültig kein 1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.27. 2 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 284. 3 So wohl BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.27, mit Verweis auf BMF v. 11.12.1989 – IV A 5 - S 0120 – 4/89, BStBl. I 1989, 470, geändert durch BMF v. 2.1.2001 – IV A 4 - S 0121 – 2/00, BStBl. I 2001, 40. 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.27; Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 71 (Stand: Juni 2018); Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 284; Mertgen in H/M/B5, § 3 UmwStG Rz. 101. 5 Vgl. Eckl, Cflaw 2011, 312 (316). 6 D.h., der Antrag darf nicht an den Eintritt bestimmter Ereignisse geknüpft werden. Nicht erlaubt ist demzufolge ein variabler Betrag oder eine Vorbehaltsklausel, wenn der Zwischenwertansatz von den zur Verfügung stehenden Verlustvorträgen oder den Ergebnissen einer Betriebsprüfung abhängig gemacht werden soll, vgl. hierzu Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 267; Schmitt in S/H9, § 3 UmwStG Rz. 70; Heinemann, GmbHR 2012, 133 (134); Bron in Kraft/Edelmann/Bron2, § 3 UmwStG Rz. 162. 7 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.29; Steierberg in Haase/Hofacker3, § 3 UmwStG Rz. 70; Klingberg in Brandis/Heuermann, § 3 UmwStG Rz. 40 (Stand: Juni 2020). 8 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.01, 03.29; hierzu im Einzelnen Bogenschütz, Ubg 2011, 393 (401); Schumacher/Neitz-Hackstein, Ubg 2011, 409 (409, 411). 9 Vgl. Stadler/Elser/Bindl, DB 2012, Beilage 1, 14 (15). 10 Vgl. Stimpel, GmbHR 2012, 123 (124); a.A. Hruschka, DStR 2012, Beihefter zu Heft 2, 4 (5). 11 Vgl. Stimpel, GmbHR 2012, 123 (124).

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C. Verschmelzung von Kapital- auf PersGes (§§ 3–10 UmwStG) | Rz. 14.64 Kap. 14

Antrag mehr gestellt wird, sind von Amts wegen die gemeinen Werte anzusetzen. Soll ein Zwischenwert angesetzt werden, muss der Vomhundertsatz oder der absolute aufzudeckende Betrag mitgeteilt werden.1 Aus Gründen der Nachweisbarkeit wird zudem generell zu einer schriftlichen Antragstellung geraten.2 Ein einmal gestellter Antrag ist unwiderruflich3 und kann nicht mehr geändert werden, auch wenn die Schlussbilanz noch nicht eingereicht ist.4 Das Einreichen von regulären Steuerbilanzen im Rahmen der laufenden Gewinnermittlung hat keinen Einfluss auf das Antragswahlrecht.5 Bilanzänderung und -berichtigung. Die Wahlrechtsausübung kann auch mithilfe einer Bilanzänderung gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht verändert werden; unabhängig davon ist eine Bilanzberichtigung i.R.d. § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG nach den allgemeinen Grundsätzen möglich bzw. etwa im Rahmen einer späteren Betriebsprüfung notwendig.6 Bei der Wahl des Zwischenwertansatzes soll eine Betriebsprüfung so lange keine Korrektur erfordern, als die korrigierten Werte weiterhin zwischen Buchwert und gemeinem Wert liegen.7

14.63

4. Steuerliche Konsequenzen des Wertansatzes Übertragungsgewinn. Um keinen Übertragungsgewinn zu realisieren, wird die übertragende Kapitalgesellschaft in ihrer Schlussbilanz die Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert ansetzen. Wenn zwingend der gemeine Wert anzusetzen ist oder die Kapitalgesellschaft in ihrer Schlussbilanz einen höheren Wertansatz als den Buchwert wählt, ist der daraus entstehende Übertragungsgewinn voll steuerpflichtig, und zwar auch für Zwecke der GewSt (§ 18 Abs. 1 Satz 1 UmwStG). „Der Übertragungsgewinn muss ... zwangsläufig steuerpflichtig sein, da er durch die freiwillige Auflösung von stillen Reserven entsteht.“8 Entsteht für im Ausland belegenes Vermögen oder bei im Ausland ansässigem übertragenden Rechtsträger ein steuerpflichtiger Übertragungs-

1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.29. 2 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 264; Stadler/Elser/Bindl, DB 2012, Beilage 1, 14 (15). 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.29. 4 Vgl. Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 65 (Stand: Juni 2018); Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 285; Schmitt in S/H9, § 3 UmwStG Rz. 72; Schnitter in Frotscher/Drüen, § 3 UmwStG Rz. 117 (Stand: Sept. 2019); a.A. Mertgen in H/M/B5, § 3 UmwStG Rz. 102; Bron in Kraft/Edelmann/Bron2, § 3 UmwStG Rz. 163. 5 Vgl. Förster, GmbHR 2012, 237 (238). 6 Vgl. Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 65 (Stand: Juni 2018); Förster, GmbHR 2012, 237 (238); Steierberg in Haase/Hofacker3, § 3 UmwStG Rz. 74; Reifarth in Goebel/Ungemach, § 3 UmwStG Rz. 147; Staats in Lademann3, § 3 UmwStG Rz. 175. Eine Bilanzberichtigung steht ausweislich des UmwStE der Unwiderruflichkeit des Antrags nicht entgegen, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.30. 7 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.30; zur Kritik vgl. Stimpel, GmbHR 2012, 123 (127). 8 Brähler/Krenzin, Umwandlungssteuerrecht11, 87, im Original z.T. Fettdruck.

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14.64

Kap. 14 Rz. 14.64 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

gewinn im Ausland, ist die darauf entrichtete ausländische Steuer gem. § 26 KStG auf die KSt auf den im Inland steuerpflichtigen Übertragungsgewinn anzurechnen.1

14.65 Übertragungsverlust. Ein Übertragungsverlust kann entweder durch Umwandlungskosten oder durch die Bewertung von Wirtschaftsgütern mit einem über dem gemeinen Wert liegenden Buchwert entstehen.2 Im letzteren Fall wird für die betroffenen Wirtschaftsgüter eine Abschreibung auf den gemeinen Wert gefordert,3 was sich jedoch nicht direkt dem Gesetzeswortlaut entnehmen lässt.4 14.66 Umwandlungskosten. Die übertragende Körperschaft hat die auf sie entfallenden nicht objektbezogenen Umwandlungskosten (z.B. Notargebühren, Gerichtskosten, Kosten der Erstellung der Schlussbilanz, Beratungskosten) selbst zu tragen, d.h., sie kann diese Kosten sofort als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) abziehen.5 Die Umwandlungskosten sind in der steuerlichen Schlussbilanz als Verbindlichkeiten zu passivieren, sofern sie am Übertragungsstichtag noch nicht bezahlt worden sind. Sie mindern somit den Gewinn der übertragenden Körperschaft sowie das auf die übernehmende Personengesellschaft übergehende Vermögen.6 Grundsätzlich gilt aber, dass Umwandlungskosten je nach Veranlassung dem übertragenden oder dem übernehmenden Rechtsträger zugeordnet werden müssen; es gibt kein Zuordnungswahlrecht.7 Bei der übertragenden Körperschaft sind solche Umwandlungskosten abzugsfähig, die durch die Umwandlung in ihrer Person verursacht und damit in einem Kausalzusammenhang mit dem Vermögensübergang entstanden sind, sich somit spezifisch auf den Übertragungsvorgang beziehen, und für die rechtliche Vollziehung der Verschmelzung notwendig sind.8 14.67 Besonderheit bei Mitunternehmeranteilen. Besitzt die übertragende Kapitalgesellschaft einen Mitunternehmeranteil und wird im Rahmen der Verschmelzung ein 1 Vgl. Möhlenbrock/Werner in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 134 (Stand: Dez. 2021). 2 Vgl. Möhlenbrock/Werner in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 135 (Stand: Dez. 2021); Bogenschütz, Ubg 2011, 393 (397); Klingberg in Brandis/Heuermann, § 3 UmwStG Rz. 43 (Stand: Juni 2020). 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.12; Möhlenbrock/Werner in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 47 (Stand: Dez. 2021); a.A. Winkler/Golücke, BB 2003, 2602 (2605), zur Rechtslage vor SEStEG. 4 Vgl. Rupp in Patt/Rupp/Aßmann, Der neue Umwandlungssteuererlass, 36. 5 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 300. Objektbezogene Umwandlungskosten, insb. die GrESt (außer bei einer Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG), sind hingegen grundsätzlich als Anschaffungsnebenkosten zu aktivieren, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.34. 6 Vgl. Martini in W/M, § 3 UmwStG Rz. 600 f. (Stand: Nov. 2021); Schmitt in S/H9, § 3 UmwStG Rz. 137; BFH v. 23.11.2022 – I R 25/20, DStR 2023, 212 zu § 12 Abs. 2 UmwStG. 7 Vgl. BFH v. 22.4.1998 – I R 83/96, BStBl. II 1998, 698; v. 15.10.1997 – I R 22/96, BStBl. II 1998, 168; Möhlenbrock/Werner in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 152 (Stand: Dez. 2021); Wild/ Angelini in Goebel/Ungemach, § 4 UmwStG Rz. 128. 8 Vgl. hierzu ausführlich Scheifele, Ubg 2018, 129 (137); Holle/Weiss, DStR 2018, 167 (171 f.); Ronneberger, NWB 2017, 954 (956); Möhlenbrock/Werner in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 153 (Stand: Dez. 2021); Schmitt in S/H9, § 3 UmwStG Rz. 137. Siehe auch Krohn, DB 2018, 1755 ff.

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C. Verschmelzung von Kapital- auf PersGes (§§ 3–10 UmwStG) | Rz. 14.69 Kap. 14

Wertansatz über dem Buchwert gewählt, so hat auch in der Ergänzungsbilanz für die übernehmende Gesellschaft bei dieser Mitunternehmerschaft eine entsprechende Aufstockung zu erfolgen; dies ist der sog. Spiegelbildmethode geschuldet.1 Der Wertansatz des Mitunternehmeranteils hat diese Ergänzungsbilanzen und das Sonderbetriebsvermögen inkl. eventueller stiller Reserven zu berücksichtigen.2 II. Wertansätze und Gewinnermittlung bei der übernehmenden Personengesellschaft oder natürlichen Person 1. Wertverknüpfung von Übertragungs- und Übernahmebilanz (§ 4 Abs. 1 Satz 1 UmwStG) Die übernehmende Personengesellschaft hat in der Übernahmebilanz die Wertansätze aller Wirtschaftsgüter, Rechnungsabgrenzungsposten, Sammelposten nach § 6 Abs. 2a EStG und sonstiger Posten der übertragenden Kapitalgesellschaft in deren Schlussbilanz (§ 3 UmwStG) zu übernehmen („Buchwertverknüpfung“, § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwStG, obwohl womöglich der angesetzte gemeine Wert übernommen wird).3 Hierbei spielt es keine Rolle, ob die übertragende Körperschaft ein steuerbefreiter oder ausländischer Rechtsträger ist.4 Die spätere Besteuerung der stillen Reserven wird damit sichergestellt, sofern nicht in der steuerlichen Schlussbilanz die Bewertung zum gemeinen Wert erfolgte. Aufgedeckte stille Reserven in der Übertragungsbilanz führen bei der übernehmenden Personengesellschaft bzw. deren Gesellschaftern zu einem höheren Übernahmeergebnis nach § 4 Abs. 4 Satz 1 UmwStG bzw. zu einer Erhöhung der steuerpflichtigen offenen Rücklagen nach § 7 UmwStG.5

14.68

Bei der Verschmelzung zur Aufnahme stellt der Verschmelzungsvorgang handelsund steuerrechtlich einen laufenden Geschäftsvorfall dar, so dass eine explizite Übernahmebilanz nicht erstellt werden muss.6 Vielmehr spiegelt sich der Verschmelzungsvorgang dann in der nächsten regulären Jahresbilanz wider. Bei der Verschmelzung

14.69

1 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 142, 263; vgl. auch BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.17. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.05; Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 263. 3 Zu einzelnen Bilanzpositionen in der Übernahmebilanz vgl. van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 22 ff. Die Wertverknüpfung ist in der steuerrechtlichen Übernahmebilanz im Gegensatz zur handelsrechtlichen Übernahmebilanz zwingend, vgl. Forst/Schaaf/Hannweber in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht4, Rz. 1922. 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.01; Pung/ Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 8 (Stand: Dez. 2021); Früchtl in Eisgruber2, § 4 UmwStG Rz. 11; Klingberg in Brandis/Heuermann, § 4 UmwStG Rz. 15 (Stand: Juni 2020). 5 Vgl. Klingebiel, DK 2006, 600 (603); Brähler/Krenzin, Umwandlungssteuerrecht11, 95 f. 6 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.03; Hörtnagl in S/H9, § 24 UmwG Rz. 4; van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 13; Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 7 (Stand: Dez. 2021); Forst/Schaaf/Hannweber in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht4, Rz. 1854; es sei denn, die übernehmende Personengesellschaft hat bisher gem. § 4 Abs. 3 EStG bilanziert, vgl. Martini in W/M, § 4 UmwStG Rz. 83 (Stand: Okt. 2021); Steierberg in Haase/Hofacker3, § 4 UmwStG Rz. 17; Klingberg in Brandis/Heuermann, § 4 UmwStG Rz. 15 (Stand: Juni 2020).

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Kap. 14 Rz. 14.69 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

zur Neugründung muss hingegen eine Übernahmebilanz (= steuerliche Eröffnungsbilanz) erstellt werden.1

14.70 Die Buchwertverknüpfung muss nicht zwingend in der Gesamthandsbilanz der übernehmenden Personengesellschaft vollzogen werden. Vielmehr können sich die übernommenen Werte auch in den Ergänzungsbilanzen der Mitunternehmer niederschlagen, soweit sich hieraus keine Auswirkungen auf die Ermittlung des Übernahmegewinns oder zukünftiger laufender Gewinne ergeben. Die Wertverknüpfung muss sich also insgesamt unter Einbezug der Gesamthandsbilanz sowie der Ergänzungsbilanzen ergeben.2 14.71 Wenn Wirtschaftsgüter nicht zu Betriebsvermögen werden (Rz. 14.33), ist zwingend der gemeine Wert anzusetzen. Diese Wirtschaftsgüter gehen mit dem Wert in der Schlussbilanz gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwStG auf die Übernehmerin über, gelten aber direkt eine juristische Sekunde später als entnommen.3 Des Weiteren kann ein Zuordnungswechsel dahingehend stattfinden, dass bisheriges Betriebs- oder Privatvermögen zu Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers wird.4 Zu beachten ist der Grundsatz des Vorrangs von Sonderbetriebsvermögen vor (anderem) Betriebsvermögen.5 14.72 Bilanzberichtigungen oder Änderungen aufgrund einer Betriebsprüfung in der Schlussbilanz führen aufgrund der Wertverknüpfung korrespondierend auch zu einer Bilanzberichtigung in der Übernahmebilanz (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO).6 Die Ermittlung der Übernahmeergebnisse – sofern diese in Deutschland zu besteuern sind – erfolgt im Rahmen einer einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung (§ 180 AO).7 14.73 Hereinverschmelzung. Immer dann, wenn eine Übernahmebilanz für deutsche Besteuerungszwecke benötigt wird, ist es erforderlich, dass der übertragende Rechtsträger eine Übertragungsbilanz erstellt. Relevanz entfaltet dies insb. bei der Hereinverschmelzung. Für den Fall, dass eine ausländische Körperschaft mit ausländischen Anteilseignern (die nicht an der Übernehmerin beteiligt sind) ohne inländisches Betriebsvermögen auf eine inländische Personengesellschaft verschmolzen wird, besteht weder für ein Übertragungs- noch für ein Übernahmeergebnis ein inländisches Be-

1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.03; van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 15; Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 7 (Stand: Dez. 2021). 2 Vgl. Bohnhardt in H/M/B5, § 4 UmwStG Rz. 37; Brähler/Krenzin, Umwandlungssteuerrecht11, 113; van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 18; Schlösser/Reichl/Rapp in S/B/B, Umwandlungen5, § 11 Rz. 352. 3 Vgl. van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 50. 4 Vgl. van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 51; Schlösser/Reichl/Rapp in S/B/B, Umwandlungen5, § 11 Rz. 349. 5 Vgl. im Einzelnen Kahle in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht4, Rz. 1531 ff. 6 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 8 (Stand: Dez. 2021). 7 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 82 (Stand: Dez. 2015).

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C. Verschmelzung von Kapital- auf PersGes (§§ 3–10 UmwStG) | Rz. 14.75 Kap. 14

steuerungsrecht.1 Da die Mitunternehmer der Übernehmerin aber im Inland zumindest beschränkt steuerpflichtig sind, muss eine Übertragungsbilanz aufgestellt werden.2 Sobald eine Übertragungsbilanz aufzustellen ist, dürfte das übergehende Vermögen bei der übernehmenden Personengesellschaft auch nicht entsprechend den Verstrickungsregelungen der §§ 4 Abs. 1 Satz 8, 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG zu behandeln sein.3 An die ausländische Schlussbilanz kann für inländische Besteuerungszwecke nicht angeknüpft werden. Ausländisches Vermögen. Grundsätzlich hat die Übernahmebilanz einer inländischen Personengesellschaft auch sämtliches ausländisches Vermögen zu enthalten, unabhängig davon, ob dieses im Inland steuerpflichtig ist oder nicht.4 Hierbei sind ausschließlich die deutschen Gewinnermittlungregelungen i.V.m. § 3 UmwStG anzuwenden.5 Auf ausländisches Bilanzrecht kann aus verfassungsrechtlichen Gründen für inländische Zwecke nicht abgestellt werden.6 Ggf. ist daher für ausländische Zwecke eine gesonderte Gewinnermittlung nach ausländischen Bilanzierungsvorschriften durchzuführen. Hat die übertragende Körperschaft eine DBA-Freistellungsbetriebsstätte, ist insoweit § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG zu beachten.

14.74

2. Beteiligungskorrekturgewinn (§ 4 Abs. 1 Satz 2, 3 UmwStG) Wenn der übernehmende Rechtsträger an der übertragenden Körperschaft beteiligt ist, hat er diese Anteile zum steuerlichen Übertragungsstichtag mit dem Buchwert, erhöht um steuerwirksame Abschreibungen früherer Jahre (die nicht zwischenzeitlich rückgängig gemacht worden sind) sowie um Abzüge nach § 6b EStG und ähnliche Abzüge (Wertaufholung), höchstens mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 UmwStG). Die aus dieser Zuschreibung entstehenden Erträge (Beteiligungskorrekturgewinn) erhöhen den laufenden Gewinn des übernehmenden Rechtsträgers; für einen sich hieraus ergebenden Gewinn finden § 8b Abs. 2 Satz 4, 5 KStG sowie § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a Satz 2, 3 EStG Anwendung (§ 4 Abs. 1 Satz 3 UmwStG), so dass die Zuschreibungen in der Regel voll steuerpflichtig sind7 und

1 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 6 Fall k) (Stand: Dez. 2021). 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.02; Pung/ Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 12 (Stand: Dez. 2021). 3 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 12 (Stand: Dez. 2021). 4 Vgl. van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 39. 5 Vgl. BT-Drucks. 16/2710 v. 25.9.2006, 37; van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 39. 6 Vgl. van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 39; Bohnhardt in H/M/B5, § 4 UmwStG Rz. 88; Schmitt in S/H9, § 4 UmwStG Rz. 27; BT-Drucks. 16/2710 v. 25.9.2006, 37. 7 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.08; Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1074); van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 55; Früchtl in Eisgruber2, § 4 UmwStG Rz. 51; Klingberg in Brandis/Heuermann, § 4 UmwStG Rz. 19 (Stand: Juni 2020); sofern eine Teilwertabschreibung – etwa aufgrund des Teileinkünfteverfahrens – nur zu 60 % steuermindernd nutzbar war, ist auch die Zuschreibung nur zu 60 % steuerpflichtig, vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 14 (Stand: Juni 2018), wobei Stimpel hierfür keinen Anwendungsfall sieht, vgl. Stimpel, GmbHR 2012, 123 (128).

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14.75

Kap. 14 Rz. 14.75 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

auch nicht Teil des Übernahmeergebnisses sind.1 § 4 Abs. 1 Satz 2, 3 UmwStG betrifft überwiegend den up-stream-merger, da im Falle des down-stream- und side-stepmerger die übernehmende Gesellschaft regelmäßig keine Kapitalbeteiligung an der Überträgerin halten dürfte.2 „Durch den Beteiligungskorrekturgewinn sollen steuerwirksame Wertminderungen der Vergangenheit, die mit dem Beteiligungsansatz in Zusammenhang stehen, anlässlich der Umwandlung korrigiert werden.“3 Ein Beteiligungskorrekturgewinn ist nur für Anteile im Betriebsvermögen zu ermitteln; hierzu gehören auch Anteile im Betriebsvermögen eines Anteilseigners, die gem. § 5 Abs. 3 UmwStG als in das Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft eingelegt gelten,4 nicht jedoch Anteile i.S.v. § 17 EStG, die gem. § 5 Abs. 2 UmwStG als in das Betriebsvermögen eingelegt gelten.5

14.76 Teilwertabschreibungen. Die Regelung zielt insbesondere auf Teilwertabschreibungen ab, die noch voll steuerwirksam vorgenommen wurden. Seit 1999 besteht aber auch für Kapitalanteile in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG ein Wertaufholungsgebot. Hierbei soll § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwStG als spezialgesetzliche Regelung Vorrang vor dem allgemeinen Wertaufholungsgebot haben, so dass die steuerwirksamen Teilwertabschreibungen vor den steuerlich nicht anerkannten Teilwertabschreibungen rückgängig zu machen seien.6 Wenn der steuerliche Übertragungsstichtag und der reguläre Bilanzstichtag zusammenfallen, ist die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Wertaufholungsgebot des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4, Nr. 2 Satz 3 EStG und der Zuschreibung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwStG zu klären, sofern am Bilanzstichtag die Voraussetzung der dauernden Wertminderung nicht mehr vorliegt.7 Im Rahmen der Ermittlung des Buchwerts der Anteile in der regulären Jahresbilanz der Übernehmerin ist das Wertaufholungsgebot des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4, Nr. 2 Satz 3 EStG nämlich bereits zu berücksichtigen, so dass nach § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwStG nur noch eine weitergehende Korrektur infrage käme.8 Insoweit wird die 1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.08; Pung/ Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 14 (Stand: Juni 2018); Staats in Lademann3, § 4 UmwStG Rz. 41. 2 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 16 (Stand: Juni 2018); Schlösser/Reichl/Rapp in S/B/B, Umwandlungen5, § 11 Rz. 355; Bünning, BB 2012, 243 (246). 3 Hagemann et al., NWB Sonderheft 1/2007, 1 (16); vgl. auch Benecke in PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, Rz. 1105. 4 Vgl. Schmitt in S/H9, § 4 UmwStG Rz. 48; Früchtl in Eisgruber2, § 4 UmwStG Rz. 52. 5 Vgl. Schlösser/Reichl/Rapp in S/B/B, Umwandlungen5, § 11 Rz. 356; Steierberg in Haase/ Hofacker3, § 4 UmwStG Rz. 46. 6 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.07; Dötsch/Pung, DB 2006, 2704 (2710); Staats in Lademann3, § 4 UmwStG Rz. 43; aber entgegen BFH v. 19.8.2009 – I R 2/09, BStBl. II 2010, 760; hierzu und mit Hinweis auf ein eventuelles Leerlaufen der Regelung Rupp in Patt/Rupp/Aßmann, Der neue Umwandlungssteuererlass, 47; zur Kritik auch Schumacher/Neitz-Hackstein, Ubg 2011, 409 (412); Stadler/ Elser/Bindl, DB 2012, Beilage 1, 14 (20); Stimpel, GmbHR 2012, 123 (128); Bünning, BB 2012, 243 (246); Kutt/Carstens in FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 163. 7 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 17 (Stand: Dez. 2021). 8 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 17 (Stand: Dez. 2021); Stadler/Elser/Bindl, DB 2012, Beilage 1, 14 (20); Bünning, BB 2012, 243 (246).

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C. Verschmelzung von Kapital- auf PersGes (§§ 3–10 UmwStG) | Rz. 14.79 Kap. 14

Wertaufholung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwStG im Wesentlichen durch § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4, Nr. 2 Satz 3 EStG überlagert.1 Abzüge nach § 6b EStG. § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwStG erfasst neben Teilwertabschreibungen auch Abzüge nach § 6b EStG und ähnliche Abzüge, etwa nach R 6.5 und R. 6.6 EStR 2012. Bis zum 31.12.1998 konnten stille Reserven aus Kapitalgesellschaftsanteilen im Rahmen einer § 6b-Rücklage übertragen werden. Das Wertaufholungsgebot des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. Nr. 1 Satz 4 EStG greift in diesem Fall nicht, weil Abzüge nach § 6b EStG die steuerlichen Anschaffungskosten reduzieren.2 Im Umwandlungsfall ist daher eine Wertaufholung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwStG vorzunehmen.3 Der Anwendungsfall einer Wertaufholung auf Anteile, auf die eine Rücklage nach § 6b EStG übertragen wurde, ist im geltenden Recht auf § 6b Abs. 10 EStG beschränkt und daher aufgrund dort geregelter restriktiver Anwendungsvoraussetzungen nunmehr ein Ausnahmefall im Rahmen von Umwandlungen.

14.77

Auswirkungen auf das Übernahmeergebnis. Die Anteile gehen mit diesem erhöhten Wert in die Ermittlung des Übernahmeergebnisses ein. Der Buchwert der Anteile an der Kapitalgesellschaft kann sich also erhöhen, was zur Folge hat, dass ein Übernahmegewinn entsprechend geringer und ein Übernahmeverlust entsprechend höher ist.

14.78

Die im Wert ggf. um einen Beteiligungskorrekturgewinn erhöhten Anteile des übernehmenden Rechtsträgers am Übertragenden fallen im Zuge der Umwandlung weg und werden durch die zugegangenen Wirtschaftsgüter ersetzt. Obwohl bei der aufnehmenden Personengesellschaft die Werte der steuerlichen Schlussbilanz der schwindenden Körperschaft übernommen werden, kann noch ein Übernahmegewinn entstehen. Denn auch in den untergehenden Anteilen an der übertragenden Kapitalgesellschaft können stille Reserven enthalten sein. 3. Eintritt in die Rechtsstellung des Überträgers/Fußstapfentheorie (§ 4 Abs. 2, 3 UmwStG) Gemäß dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge tritt der übernehmende Rechtsträger in die Rechtsstellung der Überträgerin ein,4 was insbesondere für die Behandlung von Abschreibungen, gewinnmindernden Rücklagen sowie Teilwertabschreibungen von Bedeutung ist (§ 4 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Konsequenz daraus ist bspw., dass der übernehmende Rechtsträger bzgl. des Wertaufholungsgebotes des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG (auch i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG) an die historischen (fortgeführten) Werte der übertragenden Körperschaft gebunden ist,5 und zwar auch 1 Vgl. Schmitt in S/H9, § 4 UmwStG Rz. 49; van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 61; Förster, GmbHR 2012, 237 (240); Steierberg in Haase/Hofacker3, § 4 UmwStG Rz. 49. 2 Vgl. van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 57; vgl. auch § 6b Abs. 10 Satz 3 EStG. 3 Vgl. van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 57 ff. 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.09. 5 Vgl. auch BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.11; Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 18 (Stand: Dez. 2021); Schlösser/Reichl/Rapp in S/B/B, Umwandlungen5, § 11 Rz. 368.

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14.79

Kap. 14 Rz. 14.79 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

dann, wenn diese höher sein sollten als ein in der Übertragungsbilanz angesetzter gemeiner Wert.1 Bei einer Umwandlung zum gemeinen Wert oder zum Zwischenwert sollen übernommene Verpflichtungen, die beim ursprünglich Verpflichteten Ansatzverboten (z.B. Drohverlustrückstellungen gem. § 5 Abs. 4a EStG), -beschränkungen oder Bewertungsvorbehalten unterlegen haben, zwar in der den Anschaffungsvorgang abbildenden Eröffnungsbilanz ausgewiesen werden, in der folgenden steuerlichen Schlussbilanz jedoch aufgrund der steuerlichen Passivierungsverbote erfolgswirksam aufzulösen sein, da die ursprünglichen Passivierungsbeschränkungen, die für den Übertragenden galten, in der auf das Ende des Wirtschaftsjahres aufzustellenden Steuerbilanz des Übernehmenden, in das die Übertragung der Verpflichtung fällt, wieder anzuwenden sind (§ 5 Abs. 7 Satz 1 EStG; vgl. eingehend Rz. 14.16 ff.). Für den sich aus § 5 Abs. 7 Sätze 1-3 ergebenden Erwerbsgewinn, der aus der Auflösung oder Abwertung der Rückstellung resultiert,2 kann i.H.v. 14/15 eine gewinnmindernde Rücklage in der Steuerbilanz des Erwerbers gebildet werden (Wahlrecht), die in den nachfolgenden 14 Wirtschaftsjahren jeweils mindestens zu 1/ 14 gewinnerhöhend aufzulösen ist (Auflösungszeitraum; § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG). Bei einem Buchwertansatz gelten etwaige selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter der übertragenden Körperschaft beim Übernehmenden als selbst geschaffen.3 Rücklagen – etwa nach §§ 6b, 7g EStG oder R 6.5, 6.6 EStR 2012 – sind von der übernehmenden Gesellschaft so fortzuführen, wie sie von dem übertragenden Rechtsträger hätten fortgeführt werden können.4 Für die übergegangenen Wirtschaftsgüter selbst kann hingegen im Regelfall keine § 6b-Rücklage gebildet werden oder § 7g EStG in Anspruch genommen werden, da die Verschmelzung für diese Zwecke keinen Anschaffungsvorgang darstellt.5 Ebenso finden die Regelungen zur Behandlung geringwertiger Wirtschaftsgüter (§ 6 Abs. 2, 2a EStG) deswegen keine Anwendung.6

14.80 Vorbesitzzeiten und Behaltensfristen. Wenn die Dauer der Zugehörigkeit eines Wirtschaftsgutes zum Betriebsvermögen für Besteuerungszwecke relevant wird, ist der Zeitraum seiner Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen der übertragenden Kapitalgesellschaft der übernehmenden Personengesellschaft anzurechnen (§ 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG). Dies betrifft etwa Vorbesitzzeiten im Rahmen der steuerfreien Rücklagen (§ 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG: sechsjährige Zugehörigkeit zum Anlage1 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 20 (Stand: Dez. 2021); Steierberg in Haase/ Hofacker3, § 4 UmwStG Rz. 56; Klingberg in Brandis/Heuermann, § 4 UmwStG Rz. 20 (Stand: Juni 2020); a.A. Benecke in PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, Rz. 1107. 2 Vgl. Kahle, DB 2014, Beilage Nr. 4, 1 (13); Förster/Staaden, Ubg 2014, 1 (8). 3 Vgl. Steierberg in Haase/Hofacker3, § 4 UmwStG Rz. 55. Ausnahme hiervon ist jedoch ein im Rahmen der Umwandlung entstehender originärer Geschäfts- oder Firmenwert; dieser gilt als im Rahmen der Umwandlung angeschafft, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.16. 4 Vgl. van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 82; Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 18 (Stand: Dez. 2021); Schlösser/Reichl/Rapp in S/B/B, Umwandlungen5, § 11 Rz. 374 f. 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.14; van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 83; Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 21 (Stand: Dez. 2021); Bogenschütz, Ubg 2011, 393 (401). 6 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 21 (Stand: Dez. 2021).

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C. Verschmelzung von Kapital- auf PersGes (§§ 3–10 UmwStG) | Rz. 14.81 Kap. 14

vermögen einer inländischen Betriebsstätte des veräußernden Steuerpflichtigen) bzw. für Zwecke der Beteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG: ununterbrochene Beteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft mit der Mehrheit der Stimmrechte von Beginn ihres Wirtschaftsjahres an) oder Behaltefristen i.R.d. § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG.1 Auch für die Sieben-Jahres-Frist des § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG ist der bisher abgelaufene Zeitraum auf Ebene des übertragenden Rechtsträgers anzurechnen.2 Der BFH verneint jedoch die Anwendbarkeit der Besitzzeitanrechnung nach § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG auf § 9 Nr. 2a und Nr. 7 GewStG und weist darauf hin, dass die Besitzzeitanrechnung durch die „Dauer der Zugehörigkeit“ auf einen Zeitraum (wie z.B. § 9 Nr. 7 GewStG a.F.) abstellt und damit das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg als zeitpunktbezogene Regelung („zu Beginn des Erhebungszeitraums“) nicht erfasst wird.3 Um die Voraussetzungen des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs zu erfüllen, ist somit eine rückwirkende Umwandlung (§ 2 Abs. 1 UmwStG) auf den Beginn des Erhebungszeitraums notwendig.4 Diese Grundsätze sollten auch für die zeitpunktbezogene Regelung zur Besteuerung von Streubesitzdividenden nach § 8b Abs. 4 KStG gelten, soweit es sich bei den Mitunternehmern der übernehmenden Personengesellschaft um Kapitalgesellschaften handelt.5 Zu beachten ist, dass DBA-Schachtelprivilegien regelmäßig nur Kapitalgesellschaften gewährt werden und damit § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG hierauf keine Anwendung findet.6 Im Rahmen der erweiterten gewerbesteuerlichen Kürzung für Grundbesitz bei Grundstücksunternehmen greift die Besitzzeitanrechnung nach § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG nicht nur für Zwecke von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, sondern auch für § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 2 GewStG.7 Abschreibungen. Sofern die Wirtschaftsgüter in der Schlussbilanz der übertragenden Kapitalgesellschaft aufgestockt werden, erhöht sich im Grundsatz auch die AfABemessungsgrundlage der Wirtschaftsgüter bei der übernehmenden Personengesellschaft (§ 4 Abs. 3 UmwStG), welche dadurch zusätzliches Abschreibungspotential erhält (Step-up). Dies verringert den laufenden Gewinn der übernehmenden Personen1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.15; van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 98; Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 28 (Stand: Dez. 2021); Schmitt in S/H9, § 4 UmwStG Rz. 75. 2 Vgl. Beutel et al. in Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht2, § 12 Rz. 140. 3 Vgl. BFH v. 16.4.2014 – I R 44/13, BStBl. II 2015, 303. Vgl. hierzu Schaarwächter, GmbHStB 2015, 79 ff. Kritisch hierzu Mattern, DStR 2014, 2376 ff.; Lenz/Adrian, DB 2014, 2670 ff.; van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 98; Martini in W/M, § 4 UmwStG Rz. 218 (Stand: Okt. 2021). 4 Vgl. Mattern, DStR 2014, 2376 (2378); Nöcker, FR 2014, 819 (820); Pung/Werner in D/P/ M, § 4 UmwStG Rz. 28 (Stand: Dez. 2021); Bohnhardt in H/M/B5, § 4 UmwStG Rz. 185; van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 98; offen: BFH v. 16.4.2014 – I R 44/13, BStBl. II 2015, 303 (305, Rz. 11). 5 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 28 (Stand: Dez. 2021). 6 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 30 (Stand: Dez. 2021); Schmitt in S/H9, § 4 UmwStG Rz. 75; Bohnhardt in H/M/B5, § 4 UmwStG Rz. 186; Schnitter in Frotscher/Drüen, § 4 UmwStG Rz. 110 (Stand: Nov. 2019); Staats in Lademann3, § 4 UmwStG Rz. 77. 7 Vgl. dazu ausführlich Meining/Glutsch, Ubg 2015, 405 ff.; Broemel/Kölle, Ubg 2018, 431 ff. Siehe auch van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 98.

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14.81

Kap. 14 Rz. 14.81 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

gesellschaft und damit ihre Steuerbelastung in der Zukunft. Auch im Falle von nicht abschreibbaren Wirtschaftsgütern oder bei einer Veräußerung der Wirtschaftsgüter unmittelbar nach der Umwandlung führt der Step-up zu einem geringeren Veräußerungsgewinn. Die Abschreibungsmethode der übertragenden Körperschaft ist von der übernehmenden Gesellschaft grundsätzlich zu übernehmen.1 In den Fällen des § 7 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 EStG (lineare und degressive Gebäude-AfA) wird die bisherige Bemessungsgrundlage der AfA um den Aufstockungsbetrag erhöht (§ 4 Abs. 3 UmwStG); der AfA-Satz bleibt unverändert.2 Es kommt folglich zu einer Verlängerung des Abschreibungszeitraumes.3 Wenn das Gebäude in den Fällen des § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG innerhalb der tatsächlichen Nutzungsdauer nicht vollständig abgeschrieben werden kann, so kann die AfA nach der Restnutzungsdauer des Gebäudes bemessen werden.4 Auch bei allen anderen übergegangenen Wirtschaftsgütern wird die AfA nach dem bisherigen Buchwert zzgl. des Aufstockungsbetrages bemessen (§ 4 Abs. 3 UmwStG). Dem Wortlaut dieser Norm zufolge müsste von der erhöhten Bemessungsgrundlage mit dem bisherigen AfA-Satz abgeschrieben werden, so dass es zu einer Verlängerung des Abschreibungszeitraumes käme.5 Nichtsdestotrotz ist es zulässig, die weitere AfA auf die Restnutzungsdauer des Wirtschaftsgutes zu verteilen, die nach den Verhältnissen am steuerlichen Übertragungsstichtag neu zu schätzen ist.6 Wenn in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Kapitalgesellschaft im Rahmen einer Aufstockung ein Geschäfts- oder Firmenwert erstmalig oder aufgestockt ausgewiesen wird, erfolgt die AfA bei der übernehmenden Personengesellschaft über 15 Jahre (§ 7 Abs. 1 Satz 3 EStG), unabhängig von der Restnutzungsdauer

1 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 18 (Stand: Dez. 2021); Schlösser/Reichl/ Rapp in S/B/B, Umwandlungen5, § 11 Rz. 372; Schnitter in Frotscher/Drüen, § 4 UmwStG Rz. 85 (Stand: Nov. 2019); Früchtl in Eisgruber2, § 4 UmwStG Rz. 73; Weigert in Kraft/ Edelmann/Bron2, § 4 UmwStG Rz. 97; Staats in Lademann3, § 4 UmwStG Rz. 63. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.10; van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 106; Schnitter in Frotscher/Drüen, § 4 UmwStG Rz. 113, 115 (Stand: Nov. 2019). 3 Vgl. Hagemann et al., NWB-Sonderheft 1/2007, 1 (15); Steierberg in Haase/Hofacker3, § 4 UmwStG Rz. 59. 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.10; Schnitter in Frotscher/Drüen, § 4 UmwStG Rz. 114 (Stand: Nov. 2019). 5 Vgl. Martini in W/M, § 4 UmwStG Rz. 160 (Stand: Okt. 2021); Schnitter in Frotscher/Drüen, § 4 UmwStG Rz. 86 (Stand: Nov. 2019); Steierberg in Haase/Hofacker3, § 4 UmwStG Rz. 61. 6 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.10; BFH v. 29.11.2007 – IV R 73/02, BStBl. II 2008, 407; van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 107; Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 35 (Stand: Dez. 2015); Schlösser/Reichl/ Rapp in S/B/B, Umwandlungen5, § 11 Rz. 149; Schnitter in Frotscher/Drüen, § 4 UmwStG Rz. 86 (Stand: Nov. 2019); Martini in W/M, § 4 UmwStG Rz. 162 (Stand: Okt. 2021); Bohnhardt in H/M/B5, § 4 UmwStG Rz. 169; Schmitt in S/H9, § 4 UmwStG Rz. 60; a.A. Steierberg in Haase/Hofacker3, § 4 UmwStG Rz. 61; zu einem Beispiel vgl. Brähler/Krenzin, Umwandlungssteuerrecht11, 164 f.

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C. Verschmelzung von Kapital- auf PersGes (§§ 3–10 UmwStG) | Rz. 14.83 Kap. 14

eines bereits vor der Umwandlung bilanzierten Geschäfts- oder Firmenwerts.1 D.h. auch, dass ggf. ein derivativer und originärer Geschäfts- oder Firmenwert zu einem einheitlichen Geschäfts- oder Firmenwert zusammenzufassen sind („Einheitstheorie“).2 Teilwertabschreibungen. Es ist strittig, ob unmittelbar nach der Umwandlung eine Teilwertabschreibung bei einzelnen Wirtschaftsgütern vorgenommen werden darf, wenn der gemeine Wert höher als der Teilwert liegt.3 Wenn es sich aufgrund von § 4 Abs. 2 Satz 1 UmwStG als lex specialis im Rahmen des Eintritts in die Rechtsstellung des Überträgers um keinen Anschaffungsvorgang handelt, würde dies für die Zulässigkeit einer sofortigen Teilwertabschreibung sprechen.4 Andererseits sind im Rahmen der Verschmelzung objektbezogene Kosten (z.B. GrESt) als Anschaffungsnebenkosten zu aktivieren, was wiederum die Anschaffungsfiktion stützt.5

14.82

4. Übernahmefolgegewinn (§ 6 UmwStG) Konfusion. Wenn zwischen der Überträgerin und der Übernehmerin vor der Umwandlung Vertragsverhältnisse bestanden, erlöschen diese im Rahmen des Vermögensübergangs durch Konfusion. Konfusion tritt zivilrechtlich durch die Eintragung der Umwandlung ins Handelsregister ein.6 Demzufolge enthält die steuerliche Schlussbilanz grundsätzlich noch sämtliche Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber dem übernehmenden Rechtsträger (und auch gegenüber den Gesellschaftern der übernehmenden Personengesellschaft).7 Auf Ebene der Übernehmerin sind For1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.10; van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 108; Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 38 (Stand: Dez. 2015); Staats in Lademann3, § 4 UmwStG Rz. 89. Für eine Aufteilung in einen originären und einen derivativen Geschäfts- oder Firmenwert hingegen Wild/Angelini in Goebel/Ungemach, § 4 UmwStG Rz. 77; Schmitt in S/H9, § 4 UmwStG Rz. 33, 91; Bohnhardt in H/M/B5, § 4 UmwStG Rz. 164; Schnitter in Frotscher/Drüen, § 4 UmwStG Rz. 122a (Stand: Nov. 2019); Steierberg in Haase/Hofacker3, § 4 UmwStG Rz. 60; Klingberg in Brandis/Heuermann, § 4 UmwStG Rz. 18. 2 Vgl. auch zur Diskussion Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 38 (Stand: Dez. 2015); Weigert in Kraft/Edelmann/Bron2, § 4 UmwStG Rz. 102. Vgl. zur Einheitstheorie Kulosa in Schmidt41, § 6 EStG Rz. 313. 3 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 34 (Stand: Dez. 2015); Weigert in Kraft/ Edelmann/Bron2, § 4 UmwStG Rz. 105. 4 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 34 (Stand: Dez. 2015). 5 Vgl. BMF v. 18.1.2010 – IV C 2 - S 1978-b/0, BStBl. I 2010, 70; Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 34, 47 (Stand: Dez. 2021); Weigert in Kraft/Edelmann/Bron2, § 4 UmwStG Rz. 105. Bei einer Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG darf jedoch die GrESt nicht als Anschaffungsnebenkosten aktiviert werden, vgl. BFH v. 20.4.2011 – I R 2/ 10, BStBl. II 2011, 761. Stadler/Elser/Bindl wollen die Urteilsgrundsätze auch auf Anteilsvereinigungen im Rahmen einer Umwandlung anwenden, vgl. Stadler/Elser/Bindl, DB 2012, 14 (22). 6 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 130; van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 29. 7 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 130; van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 29.

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14.83

Kap. 14 Rz. 14.83 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

derungen und Verbindlichkeiten sowie Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten gegenüber einem Verschmelzungsbeteiligten grundsätzlich eine logische Sekunde nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag auszubuchen.1 Dieser Vorgang wirkt sich nicht auf das steuerliche Ergebnis des übernehmenden Unternehmens aus, wenn die Bilanzansätze bei den Verschmelzungsbeteiligten korrespondieren. Denn in diesem Fall steht dem Wegfall der Verbindlichkeit bei einem beteiligten Rechtsträger der Wegfall einer Forderung beim anderen Rechtsträger in gleicher Höhe gegenüber.

14.84 Entstehung eines Übernahmefolgegewinns. Es kann zu einem bei der Übernehmerin steuerlich zu erfassenden sog. Übernahmefolgegewinn kommen (§ 6 UmwStG), sofern die Forderungen und Verbindlichkeiten zum steuerlichen Übertragungsstichtag in unterschiedlicher Höhe bilanziert waren „oder wenn ein Verschmelzungsbeteiligter Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten gegenüber dem anderen Verschmelzungsbeteiligten gebildet hat und Letzterer die entsprechende noch nicht realisierte Forderung aufgrund des Vorsichtsprinzips nicht ausweist“2. Im Einzelfall dürfte die unterschiedliche Bewertung von Forderungen und Verbindlichkeiten auf das Imparitätsprinzip nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 HGB zurückzuführen sein, demzufolge Forderungen tendenziell niedriger (Niederstwertprinzip) als Verbindlichkeiten (Höchstwertprinzip) ausgewiesen werden.3 Abzinsungen, Teilwertabschreibungen oder der Forderungskauf unter dem Nennwert sind weitere Beispiele, die zu einem Übernahmefolgegewinn führen können.4 Im grenzüberschreitenden Kontext können sich auch Differenzen aus der Währungsumrechnung ergeben.5 Auch dann, wenn eine Teilwertabschreibung einer Forderung steuerlich nicht oder nicht vollständig geltend gemacht werden konnte, ist ein daraus resultierender Übernahmefolgegewinn voll steuerpflichtig.6 Kein Übernahmefolgegewinn entsteht, sofern bereits eine 1 Vgl. Schlösser/Reichl/Rapp in S/B/B, Umwandlungen5, § 11 Rz. 387; in diesem Moment entsteht auch ein eventueller Übernahmefolgegewinn, vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 6 UmwStG Rz. 13. Werden im Rückwirkungszeitraum neue Darlehensverhältnisse o.Ä. zwischen Übernehmer und Überträger eingegangen, so sind diese steuerlich als nicht existent zu behandeln, vgl. Beutel et al. in Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht2, § 12 Rz. 130; Martini in W/M, § 6 UmwStG Rz. 51 (Stand: Feb. 2022); Birkemeier in R/H/vL3, § 6 UmwStG Rz. 76. 2 Beutel et al. in Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht2, § 12 Rz. 125; zum denkbaren, aber praktisch eher selten anzutreffenden Fall des Übernahmefolgeverlustes vgl. Beutel et al. in Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht2, § 12 Rz. 129; Martini in W/M, § 6 UmwStG Rz. 31, 162 (Stand: Feb. 2022). 3 Vgl. auch Birkemeier in R/H/vL3, § 6 UmwStG Rz. 24; Klingberg in Brandis/Heuermann, § 6 UmwStG Rz. 1 (Stand: Juli 2020). Vgl. zum Imparitätsprinzip ausführlich z.B. Kahle/ Braun in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen3, § 252 HGB Rz. 132. 4 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 6 UmwStG Rz. 65 ff.; Schlösser/Reichl/Rapp in S/B/B, Umwandlungen5, § 11 Rz. 384; Bron in Kraft/Edelmann/Bron2, § 6 UmwStG Rz. 26; Behrendt in Haase/Hofacker3, § 6 UmwStG Rz. 15. 5 Vgl. Bron in Kraft/Edelmann/Bron2, § 6 UmwStG Rz. 27; Martini in W/M, § 6 UmwStG Rz. 56 (Stand: Feb. 2022); vgl. grundlegend zur Währungsumrechnung Kahle/Hiller in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht4, Rz. 989 ff. 6 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 06.02; Stimpel, GmbHR 2012, 123 (132); a.A. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 143.

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C. Verschmelzung von Kapital- auf PersGes (§§ 3–10 UmwStG) | Rz. 14.86 Kap. 14

Korrektur nach den Grundsätzen der verdeckten Gewinnausschüttung stattgefunden hat.1 Ebenfalls kein Übernahmefolgegewinn entsteht, wenn eine Teilwertabschreibung aufgrund der Wertaufholungsverpflichtung in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. Nr. 1 Satz 4 EStG ohnehin rückgängig zu machen ist.2 Auch bei der Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf ihren (Allein-)Gesellschafter liegt trotz der Vereinigung einer wertgeminderten Forderung des Gesellschafters mit einer Darlehensverbindlichkeit der übertragenden Kapitalgesellschaft ausnahmsweise kein steuerpflichtiger Konfusions- bzw. Übernahmefolgegewinn vor.3 Wenn im grenzüberschreitenden Fall – etwa durch ausländische Bilanzierungsregeln – die Höhe von Bilanzposten von einem nach inländischen Bilanzierungsregelungen ermittelten Wert abweicht, kann grundsätzlich kein Übernahmefolgegewinn entstehen, da die für inländische Besteuerungszwecke benötigten Bilanzen immer nach deutschen Gewinnermittlungsregelungen aufgestellt werden müssen. Für das Entstehen eines Übernahmefolgegewinns spielt der Wertansatz aufgrund von § 3 UmwStG (Buchwert, Zwischenwert, gemeiner Wert) grundsätzlich keine Rolle4 und ist zudem unabhängig von den Beteiligungsverhältnissen.5 Lediglich dann, wenn die übernehmende Personengesellschaft erst im Zuge der Umwandlung gewerblich tätig wird (vorher bspw. lediglich vermögensverwaltend), gilt eine eventuelle Forderung bzw. Verbindlichkeit im Regelfall mit dem Teilwert nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG als eingelegt und in Höhe der Differenz zum Wert in der Übertragungsbilanz ergibt sich dann ein Übernahmefolgegewinn.6

14.85

Bildung einer steuerfreien Rücklage. Der Übernahmefolgegewinn kann in dem Wirtschaftsjahr, in das der steuerliche Übertragungsstichtag fällt, durch eine steuerfreie Rücklage neutralisiert werden (§ 6 Abs. 1 Satz 1 UmwStG). Diese war bis Inkrafttreten des BilMoG ebenso in der Handelsbilanz zu bilden;7 nach BilMoG ist dies aufgrund des Wegfalls der umgekehrten Maßgeblichkeit nicht mehr möglich und ferner nicht mehr notwendig.8 Es besteht das Wahlrecht, diese Rücklage auch nur für einen Teil des Übernahmefolgegewinns zu bilden. Sie ist in den auf das Wirtschaftsjahr, in dem der steuerliche Übertragungsstichtag liegt, folgenden drei Wirtschaftsjahren zu mindestens einem Drittel gewinnerhöhend aufzulösen (§ 6 Abs. 1 Satz 2

14.86

1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 06.01; Cordes/Dremel/Carstens in FGS/BDI, Der neue Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 208; Förster, GmbHR 2012, 237 (240). 2 Vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 142. 3 Vgl. BFH v. 9.4.2019 – X R 23/16, BStBl. II 2019, 483; vgl. dazu Ott, StuB 2019, 729 ff. 4 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 6 UmwStG Rz. 8, 71. 5 Vgl. Martini in W/M, § 6 UmwStG Rz. 36 (Stand: Feb. 2022); Schnitter in Frotscher/Drüen, § 6 UmwStG Rz. 8 (Stand: Okt. 2021). 6 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 6 UmwStG Rz. 29. 7 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 06.03; Stöber in Lademann3, § 6 UmwStG Rz. 17. 8 Vgl. Rupp in Patt/Rupp/Aßmann, Der neue Umwandlungssteuererlass, 58.

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Kap. 14 Rz. 14.86 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

UmwStG). Ein höherer Auflösungsbetrag ist möglich.1 Wenn die übernehmende Personengesellschaft den auf sie übergangenen Betrieb innerhalb von fünf Zeitjahren nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag in eine Kapitalgesellschaft einbringt oder ohne triftigen Grund veräußert oder aufgibt, entfällt die Anwendbarkeit des § 6 UmwStG rückwirkend (§ 6 Abs. 3 UmwStG).2 Unschädlich ist hingegen die Veräußerung eines Teilbetriebs oder einzelner Mitunternehmeranteile.3

14.87 Der Übernahmefolgegewinn oder die Auflösung der Rücklage führen zu einem voll zu versteuernden laufenden Gewinn; es fällt GewSt an. Der Übernahmefolgegewinn zählt nicht zum Übernahmeergebnis i.S.d. § 4 Abs. 4–7 UmwStG.4 Da § 4 Abs. 4 Satz 3 UmwStG für den Übernahmefolgegewinn nicht gilt, ist dieser auch dann in voller Höhe anzusetzen, wenn am steuerlichen Übertragungsstichtag nicht alle Anteile an der übertragenden Körperschaft zum Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft gehören.5 Die vollumfängliche Steuerpflicht des Übernahmefolgegewinns ist insbesondere in den Fällen zu kritisieren, in denen sich eine vorangegangene Teilwertabschreibung – z.B. aufgrund von § 8b Abs. 3 Satz 3, 4 ff. KStG – steuerlich nicht ausgewirkt hat. Dann darf auch die Zuschreibung im Rahmen der Anwendung des § 6 UmwStG, der insoweit lex specialis zu § 8b Abs. 3 Satz 9 KStG ist, nicht steuerpflichtig sein.6 14.88 Handelt es sich um Forderungen, Verbindlichkeiten oder Rückstellungen, die im Verhältnis zwischen übertragendem und übernehmendem Rechtsträger (bei übernehmender Personengesellschaft also im Gesamthandsvermögen) stehen, gelten die obigen Grundsätze. Wenn Forderungen/Verbindlichkeiten zwischen einem beschränkt oder unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft und der übertragenden Körperschaft bestehen, kommt es zivilrechtlich zu keiner Konfusion.7 Eine Verbindlichkeit der übertragenden Körperschaft geht ins Ge1 Vgl. Rupp in Patt/Rupp/Aßmann, Der neue Umwandlungssteuererlass, 58; Behrendt in Haase/Hofacker3, § 6 UmwStG Rz. 24; Klingberg/Loose in Brandis/Heuermann, § 6 UmwStG Rz. 31 (Stand: Juli 2020); Stöber in Lademann3, § 6 UmwStG Rz. 18. 2 Zudem sollen auch die Veräußerung, Einbringung oder Aufgabe sämtlicher Anteile des übernehmenden Rechtsträgers schädlich i.S.d. § 6 Abs. 3 UmwStG sein, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 06.03; kritisch diesbezüglich Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 145. 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 06.09; Pung/ Werner in D/P/M, § 6 UmwStG Rz. 40 (Stand: Aug. 2016); Birkemeier in R/H/vL3, § 6 UmwStG Rz. 103. Werden jedoch alle Mitunternehmeranteile an der übernehmenden Personengesellschaft veräußert, so liegt wohl ein Anwendungsfall des § 6 Abs. 3 UmwStG vor, vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 6 UmwStG Rz. 40 (Stand: Aug. 2016). 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 06.02; Pung/ Werner in D/P/M, § 6 UmwStG Rz. 16 (Stand: Aug. 2016); Gehrmann in Goebel/Ungemach, § 6 UmwStG Rz. 10. 5 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 6 UmwStG Rz. 77. 6 Gl.A. Neu/Schiffers/Watermeyer, GmbHR 2011, 729 (733); vorsichtig kritisch auch Rupp in Patt/Rupp/Aßmann, Der neue Umwandlungssteuererlass, 58. 7 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 6 UmwStG Rz. 30, 91; Schlösser/Reichl/Rapp in S/B/B, Umwandlungen5, § 11 Rz. 392.

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C. Verschmelzung von Kapital- auf PersGes (§§ 3–10 UmwStG) | Rz. 14.91 Kap. 14

samthandsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft über, die korrespondierende Forderung auf Ebene des Mitunternehmers ist ins Sonderbetriebsvermögen einzustellen (entweder Einlage, zu bewerten nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG [falls Privatvermögen] oder Überführung nach § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG [falls Betriebsvermögen]).1 Auch Forderungen der übertragenden Körperschaft gegenüber einem Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft gehen ins Gesamthandsvermögen über; die korrespondierende Verbindlichkeit stellt allerdings normalerweise nur dann (negatives) Sonderbetriebsvermögen dar, wenn die Finanzmittel zum Erwerb von Wirtschaftsgütern verwendet wurden, die an die Personengesellschaft zur Nutzung überlassen wurden.2 Ansonsten liegt Privatvermögen oder (anderes) Betriebsvermögen vor.3 Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen Mitunternehmer und Personengesellschaft sind korrespondierend zu bilanzieren;4 eine eventuell hierfür notwendige Wertanpassung stellt einen Übernahmefolgegewinn i.S.d. § 6 Abs. 2 UmwStG dar.5 Bestehen Forderungen oder Verbindlichkeiten gegenüber einer übernehmenden natürlichen Person, muss es zu einer Konfusion kommen, „da eine natürliche Person keine Forderung gegen sich selbst haben kann“ (Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB).6 Dies gilt ebenso, wenn die natürliche Person als Einzelunternehmer die Forderung bzw. Verbindlichkeit in einem anderen Betriebsvermögen oder im Privatvermögen hält.7

14.89

Werden zwei Körperschaften auf eine übernehmende Personengesellschaft verschmolzen, können gleichermaßen Übernahmefolgeergebnisse aufgrund von Forderungen, Verbindlichkeiten und Rückstellungen zwischen diesen beiden Körperschaften entstehen.8

14.90

Pensionsrückstellung. Ein Übernahmefolgegewinn kann sich weiterhin aufgrund von Pensionsverpflichtungen ergeben. Bei der Verschmelzung auf eine natürliche Person ist eine für sie gebildete Pensionsrückstellung erfolgswirksam aufzulösen.9 Bei der Verschmelzung auf eine Personengesellschaft bleiben Pensionsrückstellungen für Gesellschafter der übertragenden Körperschaft (z.B. Gesellschafter-Geschäftsführer)

14.91

1 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 6 UmwStG Rz. 30 (Stand: Aug. 2016); Birkemeier in R/H/vL3, § 6 UmwStG Rz. 31, 91 f.; Schlösser/Reichl/Rapp in S/B/B, Umwandlungen5, § 11 Rz. 393 f. 2 Vgl. Schneider in H/H/R, § 15 EStG Anm. 751 (Stand: April 2022); Krumm in Kirchhof/ Seer21, § 15 EStG Rz. 339; Birkemeier in R/H/vL3, § 6 UmwStG Rz. 31; Schlösser/Reichl/ Rapp in S/B/B, Umwandlungen5, § 11 Rz. 397. 3 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 6 UmwStG Rz. 31. 4 Vgl. im Einzelnen Kahle in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht4, Rz. 1459 ff. 5 Vgl. BFH v. 19.5.1993 – IV R 105/94, BStBl. II 1997, 277; v. 3.2.2005 – VIII R 28/98, BStBl. II 2000, 347; Birkemeier in R/H/vL3, § 6 UmwStG Rz. 94; Schlösser/Reichl/Rapp in S/B/B, Umwandlungen5, § 11 Rz. 395 f.; Martini in W/M, § 6 UmwStG Rz. 194 (Stand: Feb. 2022). 6 Birkemeier in R/H/vL3, § 6 UmwStG Rz. 56. 7 Vgl. im Einzelnen Birkemeier in R/H/vL3, § 6 UmwStG Rz. 56 ff. 8 Vgl. Schlösser/Reichl/Rapp in S/B/B, Umwandlungen5, § 11 Rz. 386. 9 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 06.07; van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 31; Birkemeier in R/H/vL3, § 6 UmwStG Rz. 60; Pung/Werner in D/P/M, § 6 UmwStG Rz. 18 (Stand: Aug. 2016).

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Kap. 14 Rz. 14.91 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

grundsätzlich bestehen.1 Entstehen nach der Verschmelzung weitere Pensionsansprüche, so wird die Pensionsrückstellung weiter aufgestockt, jedoch ist der Aufstockungsbetrag (nicht der bereits vor der Umwandlung erdiente Teil) als Sondervergütung gleichzeitig in der Sonderbilanz durch einen Aktivposten (Forderung) zu korrigieren.2 Die übernehmende Personengesellschaft hat die Pensionsrückstellungen bei fortbestehendem Dienstverhältnis grundsätzlich mit dem Teilwert nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG zu bewerten.3 Strittig ist die Frage, ob das Dienstverhältnis endet, wenn der Gesellschafter Mitunternehmer der Personengesellschaft wird;4 wenn dies befürwortet wird, muss dies natürlich zunächst ebenso dann gelten, wenn der Gesellschafter im Rahmen eines Angestelltenvertrags nachfolgend für die übernehmende Personengesellschaft tätig wird.5 Dementsprechend kann keine Bewertung zum Teilwert gem. § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG erfolgen; stattdessen ist eine Bewertung zum Anwartschaftsbarwert (§ 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG) vorzunehmen.6 Dieser dürfte regelmäßig niedriger als der Teilwert nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG sein, so dass ein Übernahmefolgegewinn entsteht.7 Die h.M. geht davon aus, dass ein solcher Übernahmefolgegewinn auf Ebene der Gesamthand entsteht, so dass § 6 Abs. 1 UmwStG zur Anwendung kommt.8 Die Finanzverwaltung vertritt im UmwStE 1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 06.04; BFH v. 22.6.1977 – I R 8/75, BStBl. II 1977, 798; Schlösser/Reichl/Rapp in S/B/B, Umwandlungen5, § 11 Rz. 399; Birkemeier in R/H/vL3, § 6 UmwStG Rz. 41; Behrendt in Haase/Hofacker3, § 6 UmwStG Rz. 33. Die folgende Vorgehensweise gilt ebenso, wenn es sich um Pensionsansprüche eines Gesellschafters der übernehmenden Personengesellschaft gegen die übertragende Körperschaft handelt, der aber nicht Anteilseigner der übertragenden Körperschaft ist, vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 6 UmwStG Rz. 54. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 06.06; van Lishaut in R/H/vL3, § 4 UmwStG Rz. 32; Birkemeier in R/H/vL3, § 6 UmwStG Rz. 47; Früchtl in Eisgruber2, § 3 UmwStG Rz. 22; auch die Aufzinsung für den vor der Umwandlung erdienten Teil darf nicht als Sonderbetriebseinnahme behandelt werden, vgl. Neumann, GmbHR 2002, 996 (998). 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 06.05. 4 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 6 UmwStG Rz. 18, 34 (Stand: Aug. 2016). 5 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 6 UmwStG Rz. 42; Neumann, GmbHR 2002, 996; Schlösser/ Reichl/Rapp in S/B/B, Umwandlungen5, § 11 Rz. 400, mit Verweis auf BFH v. 16.2.1967 – IV R 62/66, BStBl. III 1967, 222. 6 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 6 UmwStG Rz. 42; Pung/Werner in D/P/M, § 6 UmwStG Rz. 18, 34 (Stand: Aug. 2016); Neumann, GmbHR 2002, 996 (997); Gehrmann in Goebel/ Ungemach, § 6 UmwStG Rz. 24; Fuhrmann/Demuth, KÖSDI 2006, 15082 (15084 m.w.N.); FG Nürnberg v. 26.6.2002 – V 229/98, GmbHR 2002, 1255 (rkr.); FG Münster v. 18.3.2011 – 4 K 343/08 F, BB 2011, 1904; Stöber in Lademann3, § 6 UmwStG Rz. 34; offen: Schmitt in S/H9, § 6 UmwStG Rz. 18. 7 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 6 UmwStG Rz. 42; Behrendt in Haase/Hofacker, § 6 UmwStG Rz. 34; FG Münster v. 18.3.2011 – 4 K 343/08 F, BB 2011, 1904; Stöber in Lademann3, § 6 UmwStG Rz. 34. 8 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 6 UmwStG Rz. 34 (Stand: Aug. 2016); Neumann, GmbHR 2002, 996; Birkemeier in R/H/vL3, § 6 UmwStG Rz. 44; Früchtl in Eisgruber2, § 3 UmwStG Rz. 22. Die anders lautende Auffassung hinsichtlich der Erfassung in der Sonderbilanz, die die Finanzverwaltung in der unveröffentlichten Entwurfsversion des UmwStE v. 9.9.2011, Rz. 06.06 noch vertrat, wurde in der finalen Fassung des UmwStE v. 11.11.2011 gestrichen.

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C. Verschmelzung von Kapital- auf PersGes (§§ 3–10 UmwStG) | Rz. 14.93 Kap. 14

jedoch die Auffassung, dass steuerlich das Dienstverhältnis fortbesteht, womit kein Übernahmefolgegewinn entstehen würde, da eine Bewertung zum Teilwert erfolgt.1 Diese geänderte Verwaltungsauffassung steht entgegen der h.M. in der Literatur und ist nicht nachvollziehbar.2 III. Behandlung der Anteile der Anteilseigner der übertragenden Körperschaft Anschaffungs-/Einlagefiktion. Der Gesetzgeber geht bei der Ermittlung des Übernahmeergebnisses davon aus, dass die übernehmende Personengesellschaft am steuerlichen Übertragungsstichtag alle Anteile an der übertragenden Körperschaft in ihrem Betriebsvermögen (Gesamthands- oder Sonderbetriebsvermögen) hält.3 Ist dies nicht der Fall – die übernehmende Personengesellschaft hält am steuerlichen Übertragungsstichtag keine oder nicht alle Anteile an der übertragenden Körperschaft in ihrem Betriebsvermögen –, führt § 5 UmwStG den vom Gesetzgeber unterstellten Ausgangsfall fiktiv herbei, was systematisch erforderlich ist.4 In den Fällen, in denen die Anschaffungs- bzw. Einlagefiktionen des § 5 UmwStG erfüllt sind, gelten die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft als zum steuerlichen Übertragungsstichtag in das Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft eingelegt bzw. als von der übernehmenden Personengesellschaft angeschafft, so dass sie an der Ermittlung des Übernahmeergebnisses nach § 4 Abs. 4, 5 UmwStG teilnehmen. Anderenfalls ordnet § 4 Abs. 4 Satz 3 UmwStG an, dass kein Übernahmeergebnis zu ermitteln ist, wenn die Anteile nicht originär oder nach § 5 UmwStG zum Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft gehören.

14.92

Wenn der übernehmende Rechtsträger Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag, aber vor dem handelsrechtlichen Umwandlungsbeschluss (also im steuerlichen Rückwirkungszeitraum) anschafft, gelten diese als am steuerlichen Übertragungsstichtag angeschafft; diese Fiktion erfasst die Anschaffung einzelner oder aller Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft (§ 5 Abs. 1 UmwStG). Dies gilt auch für die Anteile abgefundener und ausscheidender Anteilseigner. Der Buchwert der Anteile, der für die Ermittlung des Übernahmeergebnisses nach § 4 Abs. 4, 5 UmwStG maßgeblich ist, ergibt sich im Fall des Er-

14.93

1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 06.05 (a.A. noch BMF v. 25.3.1998 – IV B 7-S 1978-21/98, BStBl. I 1998, 268 Rz. 06.03); Bayerisches Landesamt für Steuern v. 23.10.2009 – S 1978a.1.1-2/9 St31/St32, DStR 2009, 2318; Stimpel, GmbHR 2012, 123 (132); Bron in Kraft/Edelmann/Bron2, § 6 UmwStG Rz. 71 f.; Behrendt in Haase/Hofacker3, § 6 UmwStG Rz. 34; FG Baden-Württemberg v. 16.12.2019 – 8 K 892/16, EFG 2020, 1140 – Rev. BFH VIII R 17/20; Werneburg in H/M/B5, § 6 UmwStG Rz. 31; Dommermuth in H/H/R, § 6a EStG Anm. 109 (Stand: Juni 2022); Jäschke/Illing in Widmann/Bauschatz, § 6 UmwStG Rz. 42. 2 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 6 UmwStG Rz. 34 (Stand: Aug. 2016). 3 Vgl. Damas, DStZ 2007, 129 (133); Pung in D/P/M, § 5 UmwStG Rz. 1 (Stand: April 2016); Klingberg/Loose in Brandis/Heuermann, § 5 UmwStG Rz. 1 (Stand: Juni 2020). 4 Vgl. Damas, DStZ 2007, 129 (133); Pung in D/P/M, § 5 UmwStG Rz. 1 (Stand: April 2016); Früchtl in Eisgruber2, § 5 UmwStG Rz. 4; Klingberg/Loose in Brandis/Heuermann, § 5 UmwStG Rz. 1 (Stand: Juni 2020).

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Kap. 14 Rz. 14.93 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

werbs der Anteile aus den Anschaffungskosten und bei ausscheidenden Anteilseignern aus der Abfindungssumme.1

14.94 Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft, die am steuerlichen Übertragungsstichtag zu einem (inländischen oder ausländischen)2 Betriebsvermögen eines Anteilseigners gehörten, gelten als an diesem Stichtag zum Buchwert, erhöht um Abschreibungen sowie um Abzüge nach § 6b EStG und ähnliche Abzüge, die in früheren Jahren steuerwirksam vorgenommen worden sind (Beteiligungskorrekturgewinn, hierzu auch Rz. 14.75), als in die Personengesellschaft überführt (§ 5 Abs. 3 Satz 1 UmwStG). D.h., der Gewinn ist so zu ermitteln, als ob die Anteile an der Kapitalgesellschaft am Übertragungsstichtag zum Buchwert in die Personengesellschaft eingelegt worden sind. Im abgebenden Betriebsvermögen sind die Anteile – ohne Überprüfung der Bewertung nach § 6 EStG – auszubuchen.3 Anteile an der untergehenden Kapitalgesellschaft, die im Privatvermögen eines Gesellschafters der übernehmenden Gesellschaft gehalten werden und als Beteiligungen i.S.d. § 17 EStG anzusehen sind, gelten im Grundsatz als zu ihren Anschaffungskosten zum steuerlichen Übertragungsstichtag in die Personengesellschaft eingelegt (§ 5 Abs. 2 UmwStG). Im Gegensatz zur allgemeinen Beteiligungsgrenze des § 17 Abs. 1 EStG gehören hierzu auch Anteile unter einem Prozent, die auf einer Einbringung von Anteilen i.S.d. § 17 Abs. 1 EStG unter dem gemeinen Wert oder auf einer Sacheinlage (§ 20 Abs. 1 UmwStG) beruhen (§ 17 Abs. 6 EStG). Nach der derzeitigen Rechtslage wird für Minderheitsgesellschafter, die ihre Anteile im Privatvermögen halten und deren Beteiligung unter einem Prozent liegt, kein Übernahmeergebnis ermittelt (§ 4 Abs. 4 Satz 3 UmwStG).4 Sie werden nur nach § 7 UmwStG besteuert. Nach der Gesetzessystematik müssten auch diese Anteile in die Ermittlung des Übernahmeergebnisses einbezogen werden, weil die Veräußerung dieser Anteile seit dem VZ 2009 grundsätzlich steuerpflichtig ist (§ 20 Abs. 2 EStG).5 14.95 Die Einlage- und Überführungsfiktion des § 5 Abs. 2, 3 UmwStG gilt ebenso für beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner und auch dann, wenn ein deutsches Besteuerungsrecht nach einem DBA ausgeschlossen ist.6 Ob die Beteiligung im Betriebs1 Vgl. Pung in D/P/M, § 5 UmwStG Rz. 17 (Stand: April 2016). 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 05.09. i.V.m. 05.07; Brähler/Krenzin, Umwandlungssteuerrecht11, 131. 3 Vgl. Stimpel, GmbHR 2012, 123 (129). Eine eventuelle Wertaufholung bzgl. der Anteile ergibt sich in diesem Fall dann nicht aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG, sondern findet im Rahmen der Ermittlung des Beteiligungskorrekturgewinns statt, so Stimpel, GmbHR 2012, 123 (129). Die Rechtsfolgen hieraus ergeben sich dabei noch im Betriebsvermögen des Anteilseigners bei der übertragenden Körperschaft, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 05.11. 4 Bei der Ermittlung der 1-%-Grenze sind eigene Anteile, die die übertragende Körperschaft an sich hält, nicht zu berücksichtigen, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/ 10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 05.06. 5 Vgl. Brähler/Krenzin, Umwandlungssteuerrecht11, 132. 6 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 05.07; Pung in D/P/M, § 5 UmwStG Rz. 40 (Stand: April 2016); Stadler/Elser/Bindl, DB 2012, Beilage 1, 14 (23); Köhler/Käshammer, GmbHR 2012, 301 (305).

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C. Verschmelzung von Kapital- auf PersGes (§§ 3–10 UmwStG) | Rz. 14.96 Kap. 14

oder Privatvermögen liegt, ist nach inländischen Grundsätzen zu bestimmen.1 Ob jedoch ein Übernahmeergebnis tatsächlich dann besteuert werden kann, ist nachfolgend im Rahmen der §§ 4, 7 UmwStG festzustellen.2 Im DBA-Fall analog Art. 13 Abs. 5 OECD-MA findet keine Besteuerung des Übernahmeergebnisses im Inland statt; auch eine Umqualifikation des Übernahmegewinns in einen inländischen Betriebsstättengewinn erfolgt nicht.3 Hält ein ausländischer Anteilseigner die Anteile an der übertragenden Körperschaft in einem ausländischen Betriebsvermögen, so liegt im Inland nur unter Anwendung der isolierenden Betrachtungsweise des § 49 Abs. 2 EStG ein Besteuerungstatbestand vor; insofern wird die Betriebsvermögenseigenschaft außer Acht gelassen.4 Es soll dann § 5 Abs. 2 UmwStG und nicht § 5 Abs. 3 UmwStG zur Anwendung gelangen,5 wofür die Beteiligungsvoraussetzung des § 17 EStG erfüllt sein muss.6 Besteuerung der offenen Rücklagen. Der Besteuerung der offenen Rücklagen nach § 7 UmwStG liegt die Übertragungsbilanz der übertragenden Körperschaft zugrunde, worin das Eigenkapital durch einen Übertragungsgewinn erhöht oder durch einen Übertragungsverlust verringert sein kann.7 Zweck der Zurechnung ist, das deutsche Besteuerungsrecht an den offenen Rücklagen des übertragenden Rechtsträgers auch gegenüber solchen Anteilseignern sicherzustellen, bei denen ein Übernahmegewinn i.S.d. § 4 Abs. 4 UmwStG nicht in Deutschland besteuert werden könnte.8 Sofern stille Lasten in Pensionsrückstellungen bei der Ermittlung des Übertragungsergebnisses nicht berücksichtigt werden können (vgl. Rz. 14.29), besteht die Gefahr, dass nicht vorhandenes Vermögen besteuert wird.9 Den Anteilseignern werden die offenen Rücklagen entsprechend ihrem Anteil am Nennkapital der übertragenden Körper-

1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 05.07. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 05.07. 3 Vgl. Stadler/Elser/Bindl, DB 2012, Beilage 1, 14 (23). Im Regelfall unterbleibt bei beschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern damit die inländische Besteuerung eines Übernahmeergebnisses, vgl. Stimpel, GmbHR 2012, 123 (129). Nur wenn kein DBA besteht oder das DBA nicht an Art. 13 Abs. 5 OECD-MA ausgerichtet ist (z.B. Art. 13 Abs. 3 DBA Tschechien), erfolgt eine inländische Besteuerung, vgl. Stadler/Elser/Bindl, DB 2012, Beilage 1, 14 (23). 4 Vgl. Martini in W/M, § 5 UmwStG Rz. 185 (Stand: Jan. 2020); Köhler/Käshammer, GmbHR 2012, 301 (305). 5 Vgl. Pung in D/P/M, § 5 UmwStG Rz. 40 (Stand: April 2016); Martini in W/M, § 5 UmwStG Rz. 186 (Stand: Nov. 2021); Köhler/Käshammer, GmbHR 2012, 301 (305); Bron in Kraft/Edelmann/Bron2, § 5 UmwStG Rz. 85. 6 Vgl. Martini in W/M, § 5 UmwStG Rz. 186 (Stand: Nov. 2021); Köhler/Käshammer, GmbHR 2012, 301 (305). 7 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 07.04; Pung/ Werner in D/P/M, § 7 UmwStG Rz. 8 (Stand: Juni 2018). 8 Vgl. BT-Drucks. 16/2710 v. 25.9.2006, 40; Birkemeier in R/H/vL3, § 7 UmwStG Rz. 3; BFH v. 11.4.2019 – IV R 1/17, BStBl. II 2019, 501 Rz. 15; Rupp in Goebel/Ungemach, § 7 UmwStG Rz. 8; Schnitter in Frotscher/Drüen, § 7 UmwStG Rz. 6 (Stand: Okt. 2021). 9 Vgl. Neu/Schiffers/Watermeyer, GmbHR 2011, 729 (733); Pung/Werner in D/P/M, § 7 UmwStG Rz. 8 (Stand: Juni 2018).

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14.96

Kap. 14 Rz. 14.96 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

schaft1 als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zugerechnet (§ 7 Satz 1 UmwStG). Dabei ist das Eigenkapital laut Übertragungsbilanz um den Bestand des steuerlichen Einlagekontos, welcher sich nach der Nennkapitalherabsetzung i.S.d. § 29 Abs. 1 KStG i.V.m. § 28 Abs. 2 Satz 1 KStG ergibt, zu vermindern. Sofern kein Sonderausweis i.S.d. § 28 Abs. 1 KStG vorliegt, erhöht die Nennkapitalherabsetzung vollumfänglich das steuerliche Einlagekonto; ist hingegen ein Sonderausweis i.S.d. § 28 Abs. 1 KStG vorhanden, so ist dieser zunächst zu vermindern und erst danach das steuerliche Einlagekonto zu erhöhen.2 Dadurch wird sichergestellt, dass der Sonderausweis nicht steuerfrei an die Anteilseigner ausgekehrt werden kann.3 Bei einer reinen Auslandsverschmelzung mit inländischen (Minderheits-)Gesellschaftern kann die Ermittlung eines steuerlichen Einlagekontos jedoch praktisch schwierig sein, wenn ein steuerliches Einlagekonto bisher noch nicht festgestellt wurde.4 Anteile i.S.d. § 17 EStG an der übertragenden Körperschaft gelten aufgrund der Einlagefiktion des § 5 Abs. 2 UmwStG nicht nur zur Ermittlung des Übernahmeergebnisses, sondern auch für Zwecke der fiktiven Ausschüttung der offenen Rücklagen nach § 7 UmwStG als in das Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers eingelegt.5 Die zuzurechnenden offenen Rücklagen werden daher als Gewinn der Gesamthand der übernehmenden Personengesellschaft und nicht als Sondergewinn der bisherigen Anteilseigner behandelt.6 Wenn es sich nicht um einen Formwechsel, sondern um eine Verschmelzung auf eine bestehende Personengesellschaft handelt, so ist steuerbilanziell durch Aufstockungen in der Gesamthandsbilanz sowie durch korrespondierende Bildung von negativen Ergänzungsbilanzen sicherzustellen, dass die zuzurechnenden offenen Rücklagen nach § 7 UmwStG nur von den Alt-Gesellschaftern der übertragenden Kapitalgesellschaft versteuert werden.7 Findet im Rahmen von § 5 Abs. 2 UmwStG eine Umqualifikation von Privat- in Betriebsvermögen statt, so soll dies gleichfalls für Zwecke des § 7 UmwStG gelten, so dass dort grundsätzlich das Teileinkünfteverfahren zur Anwendung kommt.8 Bei beschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern liegen insofern keine Einkünfte aus Kapi-

1 Hält die übertragende Körperschaft eigene Anteile, so bleiben diese bei der Ermittlung der Beteiligungsverhältnisse außen vor, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 07.05. 2 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 7 UmwStG Rz. 9 (Stand: Juni 2018). 3 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 7 UmwStG Rz. 10 (Stand: Juni 2018). 4 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 7 UmwStG Rz. 8 (Stand: Juni 2018); gem. § 29 Abs. 6 KStG gilt in diesem Fall der Bestand der nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen hilfsweise als steuerliches Einlagekonto. 5 Vgl. BFH v. 11.4.2019 – IV R 1/17, BStBl. II 2019, 501 Rz. 16. Vgl. hierzu auch Mayer, DStR 2019, 1789 ff. 6 Vgl. BFH v. 11.4.2019 – IV R 1/17, BStBl. II 2019, 501 Leitsatz, Rz. 14, 19; Birkemeier in R/H/vL3, § 7 UmwStG Rz. 42. 7 Vgl. Mayer, DStR 2019, 1789 (1791 f.). 8 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 07.07; damit wird der sog. „weiten Einlagefiktion“ gefolgt, vgl. Bogenschütz, Ubg 2011, 393 (406); Stadler/Elser/Bindl, DB 2012, Beilage 1, 14 (24); Köhler/Käshammer, GmbHR 2012, 301 (305).

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C. Verschmelzung von Kapital- auf PersGes (§§ 3–10 UmwStG) | Rz. 14.97 Kap. 14

talvermögen (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG), sondern Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) vor.1 IV. Besonderheiten beim Formwechsel von einer Kapital- in eine Personengesellschaft Aus handelsrechtlicher Sicht ist beim Formwechsel Unternehmensidentität gegeben. Steuerrechtlich ist dies nicht der Fall, da die Personengesellschaft kein eigenes EStSubjekt darstellt; es wird ein Vermögensübergang zwischen verschiedenen Steuersubjekten fingiert. Der Formwechsel wird ertragsteuerlich gem. § 9 UmwStG entsprechend den Grundsätzen für den Vermögensübergang von einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft behandelt. Die §§ 3–8, 10 UmwStG sind hierbei einschlägig.2 Diese Vorschriften gelten für vergleichbare ausländische Vorgänge analog (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwStG), und zwar auch dann, wenn ein solcher Vorgang nach ausländischem Recht nicht als „Formwechsel“ betrachtet wird.3 Grundsätzlich ist es für die Anwendung des § 9 UmwStG unerheblich, ob an der Kapitalgesellschaft inländische, EU-/EWR-ausländische oder in Drittstaaten ansässige Gesellschafter beteiligt sind und welche Rechtsform die Anteilseigner haben.4 Generell ist jedoch fraglich, ob es überhaupt einen grenzüberschreitenden Formwechsel geben kann.5 Stattdessen dürfte ein „tatsächlich grenzüberschreitender Formwechsel“ nur in Form eines Sitz- oder Statutenwechsels möglich sein, so wie auch der EuGH z.B. in seinen Urteilen zur Rs. Vale oder zur Rs. Polbud einen grenzüberschreitenden Formwechsel innerhalb der EU für möglich hält.6 Bei einer identitätswahrenden Sitz1 Vgl. Stadler/Elser/Bindl, DB 2012, Beilage 1, 14 (24); Klingberg/Loose in Brandis/Heuermann, § 7 UmwStG Rz. 17b (Stand: Juli 2020). 2 § 6 Abs. 1 UmwStG kann bei einem Formwechsel mangels verschiedener Rechtsträger nicht einschlägig sein, § 6 Abs. 2, 3 UmwStG hingegen schon, vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 6 UmwStG Rz. 8. 3 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 67; Früchtl in Eisgruber2, § 9 UmwStG Rz. 3. 4 Vgl. Birkemeier in R/H/vL3, § 9 UmwStG Rz. 16; C. Kraft in Kraft/Edelmann/Bron2, § 9 UmwStG Rz. 16; Schnitter in Frotscher/Drüen, § 9 UmwStG Rz. 9 (Stand: Okt. 2021); Anissimov in Lademann3, § 9 UmwStG Rz. 6. 5 Vgl. Hahn, IStR 2005, 677 (678); Hahn in PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, Rz. 825; Birkemeier in R/H/vL3, § 9 UmwStG Rz. 23; Abele in S/B/B, Umwandlungen5, § 28 Rz. 12; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.101; a.A. Geyrhalter/Weber, DStR 2006, 146 (150); C. Kraft in Kraft/Edelmann/Bron2, § 9 UmwStG Rz. 21. 6 Vgl. hierzu Hahn in PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, Rz. 825, 828; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.101; hierzu auch EuGH v. 16.12.2008 – C-201/06, ECLI:EU:C:2008:104 – Cartesio, Slg. 2008, I-9641; EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10, ECLI:EU:C:2012:440 – Vale, DB 2012, 1614. Bestätigt durch EuGH v. 25.10.2017 – C-106/16, ECLI:EU:C:2017:804 – Polbud, ZIP 2017, 2145 ff.; vgl. zu Polbud Bayer/Schmidt, ZIP 2017, 2225 ff.; Bärwaldt/Hoefling, DB 2017, 3051 ff.; Lammel/Wasmeier, IWB 2018, 137 ff.; Teichmann/Knaier, GmbHR 2017, 1314 ff.; Sparfeld, WPg 2018, 55 ff.; Kindler, NZG 2018, 1 ff.; Schall, DB 2017, Heft 45, M4 f. Entgegen dem Urteil in der Rs. Vale kommt es in der Rs. Polbud nicht darauf an, ob „die Gesellschaft tatsächlich die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Zielland“ anstrebt, Schall, DB 2017, Heft 45, M4 (M5). Ausländische Formwechsel mit Inlandsbezug bzw. inländische Formwechsel mit Auslandsbezug sind denkbar; hier gelten die Grundsätze aus Rz. 14.44 ff., 14.39 ff.

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14.97

Kap. 14 Rz. 14.97 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

verlegung verwandelt eine Gesellschaft ihre Rechtsform in die eines anderen EU-/ EWR-Staates, ohne ihre eigene Rechtspersönlichkeit zu verlieren, und verlegt ihre zukünftigen Aktivitäten sowie den Ort der geschäftlichen Oberleitung in diesen anderen EU-/EWR-Staat. Somit verlegt eine EU-/EWR-Gesellschaft lediglich ihren Verwaltungs- und Satzungssitz in einen anderen EU-/EWR-Staat, ohne dass die Gesellschaft im bisherigen EU-/EWR-Staat aufgelöst wird und im neuen EU-/EWR-Staat neu errichtet werden muss.1 Nach § 333 Abs. 1 UmwG ist eine isolierte Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes ausreichend, auf eine Verlegung des Verwaltungssitzes kommt es nicht an.2

14.98 Im deutschen Gesellschaftsrecht war der grenzüberschreitende Formwechsel bislang nicht explizit geregelt, weshalb in Rechtsprechung und Literatur diskutiert wurde, welche Vorschriften aus deutscher Sicht auf den grenzüberschreitenden Formwechsel anzuwenden sind.3 Auch das OLG Frankfurt hat den „Hinausformwechsel“ in der ersten obergerichtlichen Entscheidung hierzu anerkannt, indem es einer deutschen GmbH ermöglicht hat, ihren Satzungssitz nach Italien zu verlegen und dabei zugleich die Rechtsform der S.r.l. anzunehmen.4 Für grenzüberschreitende Umstrukturierungen von Personengesellschaften hat das OLG Oldenburg den grenzüberschreitenden identitätswahrenden Hereinformwechsel einer Luxemburger Personengesellschaft (Société en commandite simple (S. C. S.)) in eine deutsche Personengesellschaft (KG) zugelassen.5 1 Vgl. z.B. § 333 Abs. 1 UmwG. Der Aufnahmestaat muss die nach dem Recht des Gründungsstaats errichtete Gesellschaft in seine Rechtsordnung aufnehmen, und zwar ohne deren vorherige Auflösung und Neugründung zu verlangen. Folglich ist in dem Rahmen, in dem das innerstaatliche Recht des Aufnahmestaates einen Formwechsel zulässt, dies auch für eine aus einem Mitgliedstaat zuziehende Gesellschaft möglich. Die Gesellschaft selbst übt also beim grenzüberschreitenden Formwechsel ihre Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV aus. Eine Luxemburger S.a.r.l. kann sich bei Sitzverlegung nach Deutschland somit nicht nur in eine deutsche GmbH, sondern z.B. auch in eine deutsche KG umwandeln. 2 Dies ist Ausfluss des EuGH-Urteils Polbud (EuGH v. 25.10.2017 – C-106/16, ECLI:EU: C:2017:804 – Polbud, ZIP 2017, 2145 ff.), vgl. Brandi/Schmidt, DB 2022, 1880 (1882). 3 Während das OLG Nürnberg (OLG Nürnberg v. 19.6.2013 – 12 W 520/13, NZG 2014, 349; hierzu Stiegler, NZG 2014, 351 f.) für eine Anwendung der §§ 190 ff. UmwG plädiert, hält das AG Charlottenburg (Checkliste des AG Charlottenburg, GmbHR 2014, R311 f.; hierzu Schmidt, Grenzüberschreitender Formwechsel, 103 f.; Melchior, GmbHR 2014, R305 f.) Art. 8 SE-VO (Verordnung (EG) 2157/2001) überwiegend für anwendbar. Das KG (KG v. 21.3.2016 – 22 W 64/15, DStR 2016, 1427 ff.; hierzu Winter/Marx/De Decker, DStR 2016, 1997 ff.; Stiegler, NZG 2016, 835 f.; Wachter, GmbHR 2016, 738 ff.) hingegen hat entschieden, dass die für den Formwechsel einer deutschen Gesellschaft anwendbaren Vorschriften (§§ 190 ff. UmwG) analog und nicht die Regelungen zur Sitzverlegung einer SE (Art. 8 SE-VO (Verordnung (EG) 2157/2001)) anzuwenden sind. Demgegenüber hat aber das OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf v. 19.7.2017 – 3 Wx 171/16, DB 2017, 2539 ff.) wiederum auf die Checkliste des AG Charlottenburg verwiesen. 4 Vgl. OLG Frankfurt v. 3.1.2017 – 20 W 88/15, DB 2017, 779; hierzu Winter/Marx/De Decker, DStR 2017, 1664 ff.; Schneider, DB 2018, 941 ff.; Jochum/Hemmelrath, IStR 2019, 517 ff. Auch das OLG Frankfurt hält die §§ 190 ff. UmwG für analog anwendbar. 5 Vgl. OLG Oldenburg v. 30.6.2020 – 12 W 23/20 (HR), NZG 2020, 992 ff.; zu einer Einordnung vgl. Stiegler, NZG 2020, 979 ff.; Wachter, DB 2020, 2281 ff.

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C. Verschmelzung von Kapital- auf PersGes (§§ 3–10 UmwStG) | Rz. 14.98 Kap. 14

Die neue Umwandlungsrichtlinie1 enthält nun erstmalig einheitliche Unionsregelungen für den grenzüberschreitenden Formwechsel (Art. 86a-86t GesRRL) von EU-/ EWR-Kapitalgesellschaften.2 Durch das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie3 wurde der grenzüberschreitende Formwechsel von AG, KGaA, SE4 und GmbH in §§ 333 ff. UmwG neu geregelt.5 Personengesellschaften werden jedoch weder von der Umwandlungsrichtlinie noch vom UmRUG erfasst.6 Damit ist z.B. der Formwechsel zwischen einer deutschen Kapitalgesellschaftsform (AG, KGaA und GmbH) und einer ausländischen Personengesellschaftsform oder der Formwechsel einer ausländischen Kapitalgesellschaftsform in eine deutsche Personengesellschaftsform (OHG oder KG) nicht vom Anwendungsbereich erfasst.7 Grenzüberschreitende Formwechsel unter Einbezug von Personenhandelsgesellschaften in der EU müssen daher auch weiterhin auf den Diskriminierungsschutz der Niederlassungsfreiheit8 nach Art. 49 i.V.m. Art. 54 AEUV gestützt werden und sind auf Basis der nach Maßgabe des Internationalen Privatrechts zu bestimmenden entsprechenden anwendbaren innerstaatlichen Umwandlungsnormen durchzuführen, was in der Praxis zu Rechtsunsicherheiten führt sowie aufgrund mangelnder struktureller Verfahrensvorgaben langwierig und mühsam ist.9

1 Am 1.1.2020 ist die Richtlinie (EU) 2019/2121 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.11.2019 zur Änderung der gesellschaftsrechtlichen Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen in Kraft getreten (ABl. EU Nr. L 321, 1 ff.). Die Richtlinie musste von den Mitgliedstaaten bis zum 31.1.2023 in nationales Recht umgesetzt werden, vgl. hierzu Schulte, GmbHR 2020, 139 ff.; Stelmaszczyk, GmbHR 2020, 61 ff. 2 Vgl. Jochum/Hemmelrath, IStR 2019, 517 (520 f.). Zuvor hat am 25.4.2018 die EU-Kommission das „Company Law Package“ vorgelegt, welches einen Vorschlag für die Kodifizierung grenzüberschreitender Umwandlungen enthält, vgl. dazu Brandi, BB 2018, 2626 ff.; Wicke, DStR 2018, 2642 ff.; Jochum/Hemmelrath, IStR 2019, 517 ff. 3 Gesetz v. 22.2.2023, BGBl. I 2023 Nr. 51 v. 28.2.2023. Zum zeitlichen Anwendungsbereich s. Rz. 1.9, Spiegelstrich „Europäisches Umwandlungsrecht“. Vgl. zum Regierungsentwurf (BT-Drucks. 20/3822) Bungert/Strothotte, DB 2022, 1818 ff.; Drinhausen/Keinath, BB 2022, 1923 ff. Zu einer Übergangsvorschrift für Altfälle vgl. § 355 UmwG. 4 Vgl. im Einzelnen Drinhausen/Keinath, BB 2022, 1346 (1354). Siehe auch Art. 9 Abs. 1 Buchst. c Doppelbuchst. ii SE-VO (Verordnung (EG) 2157/2001). 5 Vgl. ausführlich Drinhausen/Keinath, BB 2022, 1346 (1353 ff.); Brandi/Schmidt, DB 2022, 1880 (1882 ff.); Heckschen/Knaier, GmbHR 2022, 613 (617 ff.). 6 Vgl. z.B. Stelmaszczyk, GmbHR 2020, 61 (62); Prinz, DB 2022, Heft 25, M4 (M5); Wicke, DStR 2018, 2642 (2643); Bungert in FS Krieger, 109 (111); Brandi/Schmidt, DB 2022, 1880 (1882). 7 Vgl. Drinhausen/Keinath, BB 2022, 1346 (1353). 8 Vgl. zur Anwendbarkeit auf Personengesellschaften EuGH v. 16.12.2008 – C-201/06, ECLI:EU:C:2008:104 – Cartesio, Slg. 2008, I-9641. 9 Vgl. Prinz, DB 2022, Heft 25, M4 (M5); Stelmaszczyk, GmbHR 2020, 61 (62); Drinhausen/ Keinath, BB 2022, 1346 (1353); Wicke, DStR 2018, 2642 (2643); Brandi/Schmidt, DB 2022, 1880 (1882). Siehe dazu auch Drinhausen in Semler/Stengel/Leonhard5, Einleitung C Rz. 7 ff., 36 ff.

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Kap. 14 Rz. 14.99 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

14.99 Aufgrund der Tatsache, dass der Formwechsel handelsrechtlich eine identitätswahrende Umwandlungsform ist, verzichtet das Handelsrecht bei der Kapitalgesellschaft auf die Erstellung einer Übertragungsbilanz.1 Abweichend hiervon verlangt jedoch das Steuerrecht auf der Ebene der Kapitalgesellschaft eine Übertragungsbilanz und bei der Personengesellschaft eine Eröffnungsbilanz (§ 9 Satz 2 UmwStG). Diese sind auf den Zeitpunkt der Registereintragung des Formwechsels aufzustellen,2 sofern nicht ein Rückbezug nach § 9 Satz 3 UmwStG erfolgt.

D. Verschmelzung von Kapital- auf Kapitalgesellschaften (§§ 11–13 UmwStG) I. Wertansätze und Gewinnermittlung bei der übertragenden Körperschaft

14.100 Grundsätzlich entsprechen die Regelungen in § 11 UmwStG zum Wertansatz denjenigen in § 3 UmwStG. Unterschiede ergeben sich lediglich daraus, dass durch die Verschmelzung kein Wechsel vom Trennungs- zum Transparenzprinzip erfolgt, sondern das Trennungsprinzip auch beim übernehmenden Rechtsträger zur Anwendung kommt. Die übertragende Kapitalgesellschaft hat eine steuerliche Schlussbilanz zu erstellen. Dies gilt nicht nur für inländische, sondern gleichermaßen für ausländische Körperschaften, die unter den sachlichen Anwendungsbereich des UmwStG fallen. Es sind inländische Gewinnermittlungsregelungen anzuwenden, eine Anknüpfung an ausländische Wertansätze ist nicht möglich; gleichwohl stellt diese Anforderung in der Praxis eine hohe Hürde dar.3 Nur wenn die steuerliche Schlussbilanz für inländische Besteuerungszwecke nicht benötigt wird, ist ihre Vorlage entbehrlich.

14.101 Ansatz zum gemeinen Wert. In der steuerlichen Schlussbilanz sind die übergehenden Wirtschaftsgüter grundsätzlich mit ihrem gemeinen Wert anzusetzen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 UmwStG). Dies gilt ebenso für nicht entgeltlich erworbene und selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter (§ 11 Abs. 1 Satz 1 UmwStG). Davon ist insbesondere ein originärer Geschäfts- oder Firmenwert erfasst. Ein Geschäfts- oder Firmenwert muss selbst dann angesetzt werden, wenn der Betrieb der übertragenden Gesellschaft nicht fortgeführt wird.4 Auf Ebene der übernehmenden Körperschaft könnte dann eine sofortige Teilwertabschreibung des Geschäfts- oder Firmenwerts nötig werden.5 Insgesamt kommt es im gesetzlichen Regelfall zu einer umfassenden Aufdeckung stiller Reserven, es entsteht ein Übertragungsgewinn. Zur Definition des ge-

1 Vgl. Prinz, StuB 2007, 125 (126); Gehrmann in Goebel/Ungemach, § 9 UmwStG Rz. 5. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 09.01; Birkemeier in R/H/vL3, § 9 UmwStG Rz. 52; Dorn in Haase/Hofacker3, § 9 UmwStG Rz. 14. 3 Vgl. Schaflitzl/Götz, DB 2012, Beilage 1, 25 (26). 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.03; Klingberg in Brandis/Heuermann, § 11 UmwStG Rz. 28 (Stand: Nov. 2020); Wernicke in Lademann3, § 11 UmwStG Rz. 107/4. 5 Vgl. Schaflitzl/Götz, DB 2012, Beilage 1, 25 (26).

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D. Verschmelzung von KapGes auf KapGes (§§ 11–13 UmwStG) | Rz. 14.103 Kap. 14

meinen Wertes Rz. 14.25, zum Sonderfall der Pensionsrückstellungen (Teilwert nach § 11 Abs. 1 Satz 2 UmwStG) Rz. 14.25. Ansatz zum Buch- oder Zwischenwert; Auslandsverschmelzung mit Inlandsbezug. Auf Antrag (Rz. 14.60 ff., § 11 Abs. 3 i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 2 UmwStG) können die übergehenden Wirtschaftsgüter jedoch mit einem Buch- oder Zwischenwert angesetzt werden (§ 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Dies ist jedoch nur möglich, wenn die Bedingungen aus § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1–3 UmwStG kumulativ zum steuerlichen Übertragungsstichtag erfüllt sind. Diese entsprechen im Wesentlichen den Bedingungen aus § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1–3 UmwStG, so dass sinngemäß auf Rz. 14.30 ff. verwiesen wird. Unterschiede ergeben sich z.B. dann, wenn aufgrund des Trennungsprinzips für eine Beeinträchtigung des deutschen Besteuerungsrechts nicht auf den übernehmenden Mitunternehmer, sondern auf die übernehmende Körperschaft abzustellen ist. Bei der Verschmelzung zweier ausländischer Kapitalgesellschaften, welche über inländisches Betriebsvermögen verfügen, ist die deutsche Besteuerung mit Körperschaftsteuer gewährleistet (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Das deutsche Besteuerungsrecht wird durch die Verschmelzung weder beschränkt noch ausgeschlossen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG). Somit kann die übertragende Kapitalgesellschaft den Buch- oder Zwischenwertansatz wählen.

14.102

Hinausverschmelzung. Die Möglichkeit zum Buch- oder Zwischenwertansatz besteht im Fall der Hinausverschmelzung (Rz. 14.47 f.) einer inländischen Kapitalgesellschaft auf eine ausländische Kapitalgesellschaft dann, wenn das Vermögen in einer Betriebsstätte in Deutschland verbleibt. Der Betriebsstätte im Inland können aber aufgrund der Zentralfunktion des Stammhauses (der Kapitalgesellschaft im Ausland) Wirtschaftsgüter entzogen werden, die dem Ansatz zum gemeinen Wert unterliegen. Eine mögliche Einschränkung könnte sich jedoch aus § 1 Abs. 5 AStG und dem darin umgesetzten AOA ergeben (vgl. Rz. 14.43). Bei einer Hinausverschmelzung mit Anrechnungsbetriebsstätte (kein DBA oder DBA mit Anrechnungsmethode) wird demzufolge im Verschmelzungsfall auf eine ausländische Körperschaft das deutsche Besteuerungsrecht generell ausgeschlossen,1 bei einer Verschmelzung auf eine ausländische Personengesellschaft ist dies jedoch abhängig von der Steuerpflicht der Mitunternehmer (Rz. 14.48). Bei einer EU-Anrechnungsbetriebstätte ist bei Ansatz des gemeinen Wertes eine fiktive ausländische Steuer gem. § 3 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 3 UmwStG anzurechnen. Durch die Verletzung der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsnorm kommt es zu einer sofortigen Besteuerung, ohne dass eine Stundungsmöglichkeit wie in § 4g EStG besteht, was der EuGHRechtsprechung zufolge gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt (vgl. Rz. 14.53).2 Die Fortführung der EuGH-Rechtsprechung zu grenzüberschreitenden Unternehmenstransaktionen und die Erweiterung auf grenzüberschreitende Einbringungsfälle, die gleichfalls eine sofortige Besteuerung, ähnlich der finnischen Regelung, vorsehen,

14.103

1 Vgl. Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (454). 2 Vgl. EuGH v. 23.11.2017 – C-292/16, ECLI:EU:C:2017:888 – A Oy, IStR 2018, 32 ff.; vgl. hierzu Wildermuth, Umstrukturierung von Personenhandelsgesellschaften, 152; Linn/Pignot, IWB 2018, 114 ff.; Mitschke, IStR 2018, 65 ff.; Reuter, EuZW 2018, 83 ff.; Oppel, IWB 2018, 324 ff.; Müller, ISR 2018, 58 ff.; Müller, DB 2018, 27 f.

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Kap. 14 Rz. 14.103 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

hat für Deutschland weitreichende Konsequenzen und macht eine europarechtskonforme Anpassung des UmwStG notwendig.1 Dies gilt gleichermaßen für grenzüberschreitende Verschmelzungen, so dass für die aus einer umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickung i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG entstehende Steuerlast – zumindest in EU-/EWR-Fällen – eine Stundungsmöglichkeit, z.B. analog § 4g EStG, geschaffen werden muss.2 Aufgrund des Verbleibs im Trennungsprinzip verweist § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG in Abweichung zu § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG lediglich auf eine Sicherstellung der Besteuerung mit KSt.3 Durch diese Voraussetzung soll sichergestellt werden, dass durch die Verschmelzung bisher steuerlich verstrickte Wirtschaftsgüter nicht endgültig der deutschen Besteuerung entzogen werden.4 § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG ist nicht erfüllt, wenn die übernehmende Körperschaft zwar unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, jedoch persönlich steuerbefreit ist (§ 5 KStG, z.B. gemeinnützige Körperschaft).5 Ein Buchwertansatz ist in diesem Fall nur möglich, wenn das übergehende Vermögen bei der übernehmenden Körperschaft einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S.d. § 14 AO bzw. einen Betrieb gewerblicher Art i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG und i.S.d. § 4 KStG bildet.6

14.104 Hereinverschmelzung. Bei einer Hereinverschmelzung mit inländischer Betriebsstätte, für die der Buchwert angesetzt werden soll, und einer Anrechnungsbetriebsstätte stellt sich die Verstrickungsproblematik.7 Fällt hier beim übertragenden Staat bereits eine Steuer auf die dort möglicherweise erzwungene Aufdeckung der stillen Reserven der Anrechnungsbetriebsstätte an, so findet bei einem (einheitlichen) Buchwert1 Vgl. Reuter, EuZW 2018, 83 (84); Mitschke, IStR 2018, 65 (67); Oppel, IWB 2018, 324 (328); Müller, ISR 2018, 58 (60); Kahle/Braun/Burger, FR 2018, 717 (726); Micker/Schwarz, IWB 2017, 344 (349). 2 Ebenso Mitschke, IStR 2018, 65 (67); Oppel, IWB 2018, 324 (328); Müller, ISR 2018, 58 (61); Kahle in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht4, Rz. 2995; Micker/Schwarz, IWB 2017, 344 (344); Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 288 (Stand: Jan. 2020); Birkemeier in R/H/vL3, § 3 UmwStG Rz. 196. 3 Zur Kritik an der – in der finalen Fassung zwar entschärften, aber dennoch – sonderbaren Auslegung der Sicherstellung der Besteuerung mit KSt bei der Verschmelzung auf eine Organgesellschaft der Finanzverwaltung in Rz. 11.08 UmwStE 2011, BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, vgl. Rödder, DStR 2011, 1059 (1062); Schumacher/Neitz-Hackstein, Ubg 2011, 409 (410 f.); Schaflitzl/Götz, DB 2012, Beilage 1, 25 (27 f.); Sistermann, DStR 2012, Beihefter zu Heft 2, 9 (10); Edelmann in Kraft/Edelmann/ Bron2, § 11 UmwStG Rz. 251. 4 Vgl. Beutel et al. in Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht2, § 11 Rz. 38; Benecke/ Schnitger, IStR 2006, 765 (774). 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.07; Brähler/Krenzin, Umwandlungssteuerrecht11, 214; Bärwaldt in H/M/B5, § 11 UmwStG Rz. 40; Schlösser/Reichl/Rapp in S/B/B, Umwandlungen5, § 11 Rz. 81; Schmitt in S/H9, § 11 UmwStG Rz. 97; Ruoff in Schneider/Ruoff/Sistermann, Umwandlungssteuer-Erlass 2011, Rz. 11.11. 6 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.07; Rödder in R/H/vL3, § 11 UmwStG Rz. 240; Schlösser/Reichl/Rapp in S/B/B, Umwandlungen5, § 11 Rz. 81. 7 Vgl. Benecke/Beinert, FR 2010, 1120 (1125).

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D. Verschmelzung von KapGes auf KapGes (§§ 11–13 UmwStG) | Rz. 14.105 Kap. 14

ansatz zum einen keine Anrechnung dieser Steuer nach § 26 KStG statt und zum anderen droht bei einer späteren Realisierung der stillen Reserven in der Anrechnungsbetriebsstätte eine erneute Besteuerung – diesmal in Deutschland –, wodurch eine Doppelbesteuerung vorliegen würde.1 Ein Ansatz des gemeinen Wertes für dieses Anrechnungsbetriebsstättenvermögen lässt sich wohl nicht auf den Vorrang der Verstrickungsnormen stützen, womit nur noch der Billigkeitsweg verbleibt.2 Inlandsverschmelzung mit Auslandsbezug. Findet ein inländischer Down-streamMerger3 unter Beteiligung ausländischer Anteilseigner an der übertragenden Körperschaft statt (Inlandsverschmelzung mit Auslandsbezug), so führt dies zunächst nicht zu einem Durchgangserwerb der eigenen Anteile bei der übernehmenden Körperschaft, sondern zu einem Direkterwerb durch die Anteilseigner der übertragenden Muttergesellschaft.4 Um einen Buchwertansatz für die Anteile an der übernehmenden Körperschaft sicherzustellen, müssen laut Finanzverwaltung die Bedingungen des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 3 UmwStG erfüllt sein5 – allerdings bei den Anteilseignern und nicht bei der übertragenden Körperschaft.6 Sind die Anteilseigner im Ausland ansässig, die übertragende Körperschaft aber im Inland, ergibt sich hieraus nach der aktuellen Auffassung der Finanzverwaltung häufig eine Beeinträchtigung des deutschen Besteuerungsrechts, welche so vor dem UmwStE nicht zu einer Aufdeckung stiller Reserven führte.7 Die Anteile, die die übertragende an der übernehmenden Körperschaft besitzt, waren vor der Umwandlung in Deutschland (zumindest im Rahmen des § 8b KStG) steuerverhaftet; nach der Umwandlung werden die Anteile an der übertragenden Körperschaft durch Anteile an der übernehmenden Körperschaft ersetzt. Da eine Beteiligungsebene wegfällt, sind nun ausländische Anteilseigner der übertragenden Körperschaft direkt an der übernehmenden Körperschaft beteiligt, womit Deutschland das Besteuerungsrecht an den Anteilen der übernehmenden Körperschaft insoweit verliert, als das DBA dem Ansässigkeitsstaat des 1 Vgl. Benecke/Beinert, FR 2010, 1120 (1125). 2 Vgl. Benecke/Beinert, FR 2010, 1120 (1126); Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 113 (Stand: Dez. 2015); ebenfalls zur Kritik Schaflitzl/Götz, DB 2012, Beilage 1, 25 (26 f.). 3 Vgl. allgemein Zimmermann, BBK 2018, 964 ff.; Wegener, DB 2018, 2071 ff. 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.18; befürwortend Schönfeld, IStR 2011, 497 (501); vgl. im Einzelnen Aßmann in Patt/Rupp/Aßmann, Der neue Umwandlungssteuererlass, 73; Schmidt in Goebel/Ungemach, § 11 UmwStG Rz. 164. 5 § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG muss dagegen nicht erfüllt sein, da Anteilseigner als natürliche Personen oder Mitunternehmer auch nicht der KSt unterliegen können und für diese – sofern inlandsansässig – der Buchwertansatz möglich bleibt; kritisch hierzu Aßmann in Patt/Rupp/Aßmann, Der neue Umwandlungssteuererlass, 74, begrüßend jedoch Sistermann, DStR 2012, Beihefter zu Heft 2, 9 (10); vgl. im Einzelnen Rasche, GmbHR 2010, 1188 ff. 6 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.19; kritisch hierzu Schaflitzl/Götz, DB 2012, Beilage 1, 25 (29); Schell, FR 2012, 101 (102). 7 Vgl. Schumacher/Neitz-Hackstein, Ubg 2011, 409 (412); Aßmann in Patt/Rupp/Aßmann, Der neue Umwandlungssteuererlass, 74; Sistermann, DStR 2012, Beihefter zu Heft 2, 9 (10).

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14.105

Kap. 14 Rz. 14.105 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

ausländischen Anteilseigners das Besteuerungsrecht zuweist (dies ist normalerweise der Fall, Art. 13 Abs. 5 OECD-MA).1 Vor Veröffentlichung des UmwStE wurden solche Anteile regelmäßig als eigene Anteile, mithin nicht als übergehende Wirtschaftsgüter i.S.d. § 11 UmwStG behandelt und erfolgsneutral ausgebucht.2 Danach kam es auf die Anteilseigner zuvor nicht an; stille Reserven in den Anteilen der Überträgerin an der Übernehmerin wurden früher nicht besteuert, stattdessen wurden die stillen Reserven in den Anteilen der Gesellschafter an der Überträgerin fortgeführt.3 Nach der aktuellen Auffassung der Finanzverwaltung kann somit aber bei der übertragenden Körperschaft ein Übertragungsgewinn entstehen, der mindestens nach § 8b Abs. 2, 3 KStG steuerpflichtig ist.4 Die Auffassung der Finanzverwaltung wird im Schrifttum überwiegend abgelehnt (vgl. hierzu auch Kapitel 10 Rz. 10.54).5 Der BFH hat sich jedoch dieser Rechtsauffassung der Finanzverwaltung im UmwStE angeschlossen und damit bestätigt.6 Demzufolge kann ein Down-stream-Merger mit ausländischen Anteilseignern nur dann steuerneutral erfolgen, wenn die Besteuerung der stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern der Muttergesellschaft sichergestellt ist und die stillen Reserven des auf den Anteilseigner übergegangenen Wirtschaftsguts

1 Vgl. Schell, FR 2012, 101 (102); Pohl, IWB 2012, 177 (183); Hölzl/Kiermair/Kölbl in Eisgruber2, § 11 UmwStG Rz. 107; eine Ausnahme stellt aber etwa das DBA Tschechien dar. 2 Vgl. Rödder, DStR 2011, 1059 (1063); Rödder/Schmidt-Fehrenbacher in FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 250; kritisch hierzu jedoch Aßmann in Patt/Rupp/Aßmann, Der neue Umwandlungssteuererlass, 74. 3 Vgl. Rödder, DStR 2011, 1059 (1064); Rödder/Schmidt-Fehrenbacher in FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 250. 4 Vgl. Schaflitzl/Götz, DB 2012, Beilage 1, 25 (30). 5 Vgl. Schmitt/Schlossmacher, DStR 2010, 673 (675); Beinert, FR 2010, 1120 (1126 f.); Rödder, DStR 2011, 1059 (1064); Rödder/Schaden, Ubg 2011, 40 (44 ff.); Schumacher/NeitzHackstein, Ubg 2011, 409 (412); Schönfeld, IStR 2011, 497 (501); Kessler/Philipp, DB 2011, 1658 (1661 ff.); Schaflitzl/Götz, DB 2012, Beilage 1, 25 (29); Schell, FR 2012, 101 (102); Gsödl/Wuttke, DStR 2016, 2326 (2330); Weiss, IWB 2016, 498 (503 f.); Bünning, BB 2016, 1457 (1457); Philipp, DB 2016, 2022 (2025 f.); Dürr, DStZ 2018, 576 (581 f.); Kempf/ Nitzschke, IStR 2022, 73 (75 ff.); Rödder in R/H/vL3, § 11 UmwStG Rz. 152 ff.; Bärwaldt in H/M/B5, § 11 UmwStG Rz. 66; Schmitt in S/H9, § 11 UmwStG Rz. 101, 124 ff.; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.49; Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 412 ff. (Stand: Jan. 2020); Henkel/Port in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen5, Rz. 11.120; Hölzl/Kiermair/Kölbl in Eisgruber2, § 11 UmwStG Rz. 107. Auch von der finanzgerichtlichen Rechtsprechung wird die Auffasung der Finanzverwaltung abgelehnt, vgl. FG Rheinland-Pfalz v. 12.4.2016 – 1 K 1001/14, EFG 2016, 1392 (Vorinstanz BFH I R 35/16); FG Düsseldorf v. 22.4.2016 – 6 K 1947/14 K, G, EFG 2016, 951 (Vorinstanz BFH I R 31/16); vgl. hierzu Gsödl/Wuttke, DStR 2016, 2326 ff.; Philipp, DB 2016, 2022 ff.; Weber, DK 2016, 390 ff.; Weiss, IWB 2016, 498 ff.; Eberhardt, IWB 2017, 681 ff.; Dürr, DStZ 2018, 576 (579 ff.). 6 Vgl. BFH v. 30.5.2018 – I R 31/16, BStBl. II 2019, 136; v. 30.5.2018 – I R 35/16, BFH/NV 2019, 46. Vgl. hierzu Blumers, DB 2018, 3087 f.; Schulz-Trieglaff, IStR 2019, 362 ff.; Ludwig/Leidel, IStR 2019, 433 ff.; Kahlenberg, PIStB 2019, 33 ff.; Eberhardt, IWB 2019, 172 ff.; Kollruss, WPg 2020, 183 ff.; Kempf/Nitzschke, IStR 2022, 73 ff. Vgl. zur Unionsrechts- und DBA-Konformität Kühn, IStR 2021, 153 ff.; Kempf/Nitzschke, IStR 2022, 73 (77 ff.); Kraft/ Michel, EWS 2017, 317 ff.

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D. Verschmelzung von KapGes auf KapGes (§§ 11–13 UmwStG) | Rz. 14.108 Kap. 14

„Beteiligung an der Tochtergesellschaft“ weiterhin bei ihm der deutschen Besteuerung unterliegen.1

Beteiligungskorrekturgewinn. § 11 Abs. 2 Satz 2, 3 UmwStG stellt sicher, dass die Anteile an der übernehmenden Körperschaft, so die Übertragende solche besitzt, mit dem um Abschreibungen und steuerfreie Rücklagen korrigierten Buchwert anzusetzen sind und ein sich daraus ergebender Beteiligungskorrekturgewinn voll zu versteuern ist (§ 8b Abs. 2 Satz 4, 5 KStG i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 3 UmwStG). Die Norm entspricht sinngemäß § 4 Abs. 1 Satz 2, 3 UmwStG, so dass auf Rz. 14.75 ff. verwiesen wird.

14.106

II. Wertansätze und Gewinnermittlung bei der übernehmenden Körperschaft Wertverknüpfung. Die übernehmende Kapitalgesellschaft ist gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 UmwStG an die Wertansätze in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Kapitalgesellschaft gebunden (Wertverknüpfung). Damit sind die stillen Reserven, die bei der übertragenden Gesellschaft noch keiner Besteuerung unterlagen, bei der übernehmenden Gesellschaft weiterhin steuerverhaftet. Die Wertverknüpfung soll die Besteuerung der in den übergehenden Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven sicherstellen. Das Eigenkapital der übertragenden und übernehmenden Körperschaft wird im Ergebnis addiert. Bzgl. des steuerlichen Einlagekontos sind die Vorschriften des § 29 KStG zu beachten.2

14.107

Die Aufstellung einer steuerlichen Übernahmebilanz ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Vielmehr hat die übernehmende Körperschaft in der auf den steuerlichen Übertragungsstichtag folgenden Steuerbilanz die Übernahme des Vermögens als laufenden Geschäftsvorfall zu berücksichtigen.3 In der Regel ist aber die Aufstellung einer Übernahmebilanz aus praktischen Gründen zu empfehlen.4 Im Fall der Verschmelzung durch Neugründung werden die übergehenden Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Eröffnungsbilanz der neu gegründeten Kapitalgesellschaft aufgenommen.5 Vgl. zur Wertverknüpfung weitergehend Rz. 14.68 f. Beteiligungskorrekturgewinn; Fußstapfentheorie. Auch hier gelten die Regelungen zum Beteiligungskorrekturgewinn, diesmal für Anteile der übernehmenden an der übertragenden Körperschaft, aus § 4 Abs. 1 Satz 2, 3 UmwStG analog (§ 12 Abs. 1 1 Vgl. BFH v. 30.5.2018 – I R 31/16, BStBl. II 2019, 136 (2. und 3. Leitsatz); v. 30.5.2018 – I R 35/16, BFH/NV 2019, 46 (2. und 3. Leitsatz). Gl.A. Schulz-Trieglaff, IStR 2019, 362 (364); Benecke, FR 2010, 1120 (1127); Rasche, GmbHR 2010, 1188 (1190 ff.); Heinemann, GmbHR 2012, 133 (139); Dötsch/Stimpel in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 92 ff. (Stand: Nov. 2019); Weber, DK 2016, 390 (392 ff.); Eberhardt, IWB 2017, 681 (682 ff.); Eberhardt, IWB 2019, 172 (175 f.); Blumers, DB 2018, 3087 (3087 f.); Micker/Kühn, Ubg 2020, 196 (196). 2 Zu Besonderheiten im Falle der grenzüberschreitenden Verschmelzung vgl. Stadler/Jetter, IStR 2009, 336 ff. 3 Vgl. Klingberg in Deubert/Förschle/Störk, Sonderbilanzen6, Rz. K 118; Brähler/Krenzin, Umwandlungssteuerrecht11, 235; Klingberg in Brandis/Heuermann, § 12 UmwStG Rz. 17b (Stand: Okt. 2021); Junior in Frotscher/Drüen, § 12 UmwStG Rz. 5 (Stand: Jan. 2022). 4 Vgl. Schießl in W/M, § 12 UmwStG Rz. 8 (Stand: Okt. 2013). 5 Vgl. Brähler/Krenzin, Umwandlungssteuerrecht11, 235; Schmidt in Goebel/Ungemach, § 12 UmwStG Rz. 9.

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14.108

Kap. 14 Rz. 14.108 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

Satz 2 UmwStG), vgl. Rz. 14.75 ff. Auch bzgl. des Eintritts in die steuerliche Rechtsstellung (Fußstapfentheorie) gelten § 4 Abs. 2, 3 UmwStG entsprechend (§ 12 Abs. 3 UmwStG) (Rz. 14.79 ff.).

14.109 Übernahmefolgegewinn. Wie bei der Vermögensübertragung auf Personengesellschaften kann es bei der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften zur Entstehung eines Übernahmefolgegewinns kommen (§ 6 UmwStG), allerdings nur nach Maßgabe der Beteiligungsquote der übernehmenden Kapitalgesellschaft am Kapital der übertragenden Kapitalgesellschaft (§ 12 Abs. 4 Satz 2 UmwStG). Der Übernahmefolgegewinn ist nicht – wie etwa der Übernahmegewinn nach § 12 Abs. 2 UmwStG – begünstigt, sondern ist im Grundsatz voll steuerpflichtig.1 Für den Fall des Up-streamMerger besteht somit die Möglichkeit der Bildung einer Rücklage (§ 12 Abs. 4 UmwStG i.V.m. § 6 Abs. 1 UmwStG). Die Möglichkeit der Rücklagenbildung besteht nicht für einen aus der Auflösung von Rückstellungen entstandenen Übernahmefolgegewinn; § 12 Abs. 4 UmwStG beschränkt die Anwendung des § 6 UmwStG auf die Konfusionswirkung von Forderungen und Verbindlichkeiten. Ansonsten gelten die Grundsätze zum Übernahmefolgegewinn bei der Verschmelzung einer Körperschaft auf eine Personengesellschaft entsprechend (Rz. 14.83 ff.). III. Behandlung der Anteile der Anteilseigner der übertragenden Körperschaft 1. Anwendungsbereich und Grundsatz des Ansatzes zum gemeinen Wert

14.110 Die Anteilseigner der übertragenden Kapitalgesellschaft erhalten für ihre Anteile an dieser Gesellschaft im Regelfall Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft. Ohne eine explizite Vorschrift im UmwStG würde dieser Anteilstausch bei den Anteilseignern im Grundsatz steuerliche Folgen nach sich ziehen (§ 6 Abs. 6 EStG). Besondere Regelungen für die Anteilseigner der übernehmenden Kapitalgesellschaft sind nicht erforderlich, da sich bei ihnen durch den Verschmelzungsvorgang i.d.R. keine steuerlichen Auswirkungen ergeben. Die Verschmelzung kann aber zum Wegfall einer Beteiligung i.S.d. § 17 EStG führen, wenn die Anteile an der Übernehmerin im Privatvermögen gehalten werden. Andererseits ist es denkbar, dass „infolge der Verschmelzung eine Beteiligung im Sinne von § 17 EStG erst entsteht.“2 Die Rechtsfolgen für die Anteilseigner der übertragenden Kapitalgesellschaft sind – vorbehaltlich § 20 Abs. 4a EStG – in § 13 UmwStG geregelt. Diese Norm kommt nur insoweit zur Anwendung, als die Gesellschafter für ihre untergehenden Anteile an der Überträgerin Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft erhalten. Für die Anteile, die die Übernehmerin an der Überträgerin hält, findet § 13 UmwStG daher keine Anwendung.3 Mithin greift § 13 UmwStG beim Up-stream-Merger nicht; insoweit ist § 12 Abs. 2 UmwStG einschlägig.4 1 Vgl. Beutel et al. in Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht2, § 12 Rz. 131; entsprechend kann ein Übernahmefolgeverlust in voller Höhe abgezogen werden. 2 Beutel et al. in Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht2, § 12 Rz. 198. 3 Vgl. Schmitt in S/H9, § 13 UmwStG Rz. 7. 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 13.01; Schmitt in S/H9, § 13 UmwStG Rz. 11; Dötsch/Werner in D/P/M, § 13 UmwStG Rz. 6 (Stand: Feb. 2020); Neumann in R/H/vL3, § 13 UmwStG Rz. 20.

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D. Verschmelzung von KapGes auf KapGes (§§ 11–13 UmwStG) | Rz. 14.112 Kap. 14

Im Grundsatz gelten die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft als zum gemeinen Wert veräußert; die Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft gelten als zum gemeinen Wert angeschafft (§ 13 Abs. 1 UmwStG). Dogmatisch liegt ein Veräußerungs- und Anschaffungsvorgang tatsächlich nicht vor, vielmehr wird ein solcher fingiert.1 Es entsteht ein fiktiver Veräußerungsgewinn in Höhe der Differenz zwischen dem Buchwert bzw. den Anschaffungskosten und dem gemeinen Wert der Anteile. Die Anschaffungskosten treten an die Stelle des Buchwertes, wenn der Gesellschafter die Anteile nicht im Betriebsvermögen hält (§ 13 Abs. 2 Satz 3 UmwStG).

14.111

2. Antragswahlrecht zum Ansatz des Buchwertes (§ 13 Abs. 2 UmwStG) a) Vorbemerkungen Auf Antrag2 werden die Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft mit dem Buchwert (bzw. den bisherigen Anschaffungskosten) der Anteile an der übertragenden Körperschaft angesetzt (§ 13 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Die Wahl eines Zwischenwertes ist nicht möglich.3 Im Falle des Buchwertansatzes werden die stillen Reserven, die in den alten Anteilen enthalten waren, auf die neuen Anteile übertragen, und zwar unabhängig von der Ausübung des Bewertungswahlrechts des § 11 Abs. 2 UmwStG auf der Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft. Somit wird dem Inhaber von Rechten an der übertragenden Körperschaft eine steuerneutrale Verschmelzung ermöglicht, andererseits aber die Besteuerung der in den Anteilen an der übertragenden Körperschaft liegenden stillen Reserven sichergestellt. Auch bei einer Auslandsverschmelzung bei im Inland bestehender beschränkter Steuerpflicht der übertragenden Gesellschaft oder unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtiger Gesellschafter findet § 13 UmwStG Anwendung.4 Der Buchwertansatz setzt voraus, dass – das Recht Deutschlands hinsichtlich der Besteuerung eines Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Körperschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG) oder – die Mitgliedstaaten der EU bei einer Verschmelzung Art. 8 FRL anzuwenden haben (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG). 1 Vgl. hierzu Schmitt in S/H9, § 13 UmwStG Rz. 5 f. 2 Der Antrag ist vom jeweiligen Anteilseigner bei dem für ihn zuständigen Finanzamt zu stellen, bei Anteilen im Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens oder im Sonderbetriebsvermögen ist der Antrag bei dem für das Unternehmen zuständigen Finanzamt zu stellen; liegen die Anteile im Gesamthandsvermögen, haben die vertretungsbefugten Organe dieser Mitunternehmerschaft den Antrag bei dem für diese zuständigen Finanzamt zu stellen, vgl. Schmitt in S/H9, § 13 UmwStG Rz. 33; ansonsten gelten für die Antragstellung die Grundsätze des Antrags im Rahmen der §§ 3, 11 UmwStG sinngemäß, vgl. Rz. 14.60 ff. 3 Vgl. Schmitt in S/H9, § 13 UmwStG Rz. 2; Knöller in Eisgruber2, § 13 UmwStG Rz. 32; Hagemann/Stürcken in Haase/Hofacker3, § 13 UmwStG Rz. 30; Schmidt in Goebel/Ungemach, § 13 UmwStG Rz. 5; Nitzschke in Brandis/Heuermann, § 13 UmwStG Rz. 32 (Stand: Nov. 2020); Junior in Frotscher/Drüen, § 13 UmwStG Rz. 32 (Stand: April 2022). 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 13.04; Schmitt in S/H9, § 13 UmwStG Rz. 4.

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14.112

Kap. 14 Rz. 14.113 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

b) Ausschluss oder Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG)

14.113 Inlandsverschmelzung mit Auslandsbezug. Wird eine inländische Kapitalgesellschaft auf eine inländische Kapitalgesellschaft unter Beteiligung ausländischer Gesellschafter verschmolzen (Inlandsverschmelzung mit Auslandsbezug), tauschen die ausländischen Anteilseigner Anteile an inländischen Kapitalgesellschaften. Es kann nicht zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich der Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft kommen.1 Aus deutscher Sicht besteht kein Regelungsbedürfnis, wenn Deutschland nach dem DBA (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA) oder aufgrund von Regelungen des nationalen Steuerrechts (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e i.V.m. § 17 EStG) vor der Verschmelzung kein Besteuerungsrecht an Gewinnen aus der Veräußerung der Anteile an dem übertragenden Unternehmen hat.2 14.114 Auslandsverschmelzung mit Inlandsbezug. Im Fall der Verschmelzung zweier ausländischer Kapitalgesellschaften3 unter Beteiligung inländischer, unbeschränkt steuerpflichtiger Gesellschafter (Auslandsverschmelzung mit Inlandsbezug) ist der Ansatz der erhaltenen Anteile an der übernehmenden Gesellschaft zum Buchwert möglich, sofern das DBA mit dem Sitzstaat der aufnehmenden Kapitalgesellschaft Deutschland nicht das Besteuerungsrecht entzieht.4 Sofern Deutschland, bedingt durch die Verschmelzung, künftig ausländische Steuern anzurechnen hat, liegt eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts vor.5 Für die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts ist hierbei die theoretische Möglichkeit, ausländische Steuern anrechnen zu müssen, ausreichend; ob Deutschland tatsächlich ausländische Steuern anrechnet, ist unerheblich.6 1 Vgl. Schreiber/Kahle/Ruf, Besteuerung der Unternehmen5, 825; Heß in Lademann3, § 13 UmwStG Rz. 77. 2 Vgl. Beutel et al. in Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht2, § 12 Rz. 175. 3 Durch das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050, hat der Gesetzgeber den persönlichen Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes für Umwandlungen unter Beteiligungen von Körperschaften als übertragendem Rechtsträger (Zweiter bis Fünfter Teil des UmwStG (§§ 3 bis 16 UmwStG)) auf Drittstaatenfälle erweitert, wodurch zu einem Teil eine Globalisierung des Umwandlungssteuerrechts erfolgt ist; vgl. hierzu Prinz, FR 2021, 561 ff.; Dreßler/Kompolsek, WPg 2021, 1243 ff.; Hageböke/Stangl, Ubg 2021, 242 ff.; Holle/Krüger/Weiss, IStR 2021, 489 ff.; Jacobsen, DStZ 2021, 489 ff. 4 Vgl. Schreiber/Kahle/Ruf, Besteuerung der Unternehmen5, 824; insoweit sind im EU-Kontext Art. 13 Abs. 3 der deutschen DBA mit Zypern, mit Tschechien sowie der Slowakischen Republik zu beachten, vgl. Beutel et al. in Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht2, § 12 Rz. 184; Schmitt in S/H9, § 13 UmwStG Rz. 44; Winkeljohann/Fuhrmann, Handbuch Umwandlungssteuerrecht, 795. Bei einer Verschmelzung von zwei Kapitalgesellschaften desselben ausländischen Staates (innerstaatliche Auslandsverschmelzung) kann sich eine Veränderung des deutschen Besteuerungsrechts ohnehin nicht ergeben, weil vor wie nach der Verschmelzung dasselbe DBA zur Anwendung gelangt, vgl. Brähler/Krenzin, Umwandlungssteuerrecht11, 307. 5 Vgl. Brähler/Krenzin, Umwandlungssteuerrecht11, 310. 6 Vgl. Neumann in R/H/vL3, § 13 UmwStG Rz. 65.

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D. Verschmelzung von KapGes auf KapGes (§§ 11–13 UmwStG) | Rz. 14.117 Kap. 14

Das Besteuerungsrecht Deutschlands kann durch die Verschmelzung nicht beschränkt werden, wenn Deutschland sowohl nach dem DBA mit dem Sitzstaat der aufnehmenden Kapitalgesellschaft als auch nach dem DBA mit dem Sitzstaat der übertragenden Kapitalgesellschaft kein Besteuerungsrecht bezüglich der Anteile hat.1 Hinausverschmelzung. Im Fall der Verschmelzung einer inländischen Kapitalgesellschaft auf eine ausländische Kapitalgesellschaft (Hinausverschmelzung; vgl. zur Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs auf Drittstaatenfälle Rz. 14.114) sind Gewinne aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile bei im Inland unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern im Grundsatz unabhängig vom Sitz der Kapitalgesellschaft zu versteuern (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA).2 Das DBA mit dem Sitzstaat der aufnehmenden Kapitalgesellschaft kann jedoch das deutsche Recht zur Besteuerung dieser Veräußerungsgewinne ausschließen oder beschränken. Wenn es sich um einen beschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner der übertragenden inländischen Kapitalgesellschaft handelt, ist regelmäßig der gemeine Wert anzusetzen. Denn im Zuge der Hinausverschmelzung geht das deutsche Unternehmen unter; Deutschland verliert das Besteuerungsrecht, da weder das Unternehmen noch der beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner als Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung in Deutschland infrage kommen.3

14.115

Hereinverschmelzung. Im Fall der Hereinverschmelzung wird das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft unabhängig von der Ansässigkeit der Anteilseigner weder ausgeschlossen noch beschränkt; folglich ist der Ansatz zum Buchwert bzw. den Anschaffungskosten möglich. Während inländische Anteilseigner den Buchwertansatz wählen werden, „um die sofortige Besteuerung der in den Anteilen enthaltenen stillen Reserven zu vermeiden“4, werden die erhaltenen Anteile ausländischer Anteilseigner im Inland steuerlich verstrickt, so dass sie zum gemeinen Wert angesetzt werden sollten. Allerdings ist das Bewertungswahlrecht nach § 13 Abs. 2 UmwStG für die ausländischen Anteilseigner irrelevant, wenn nach dem DBA das Besteuerungsrecht für den Gewinn aus der Veräußerung der Anteile beim Sitzstaat des Gesellschafters liegt (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA).5

14.116

c) Anwendung der Fusionsrichtlinie (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG) Nach Art. 8 FRL dürfen die EU-Mitgliedstaaten6 den Anteilstausch auf der Ebene der Anteilseigner des übertragenden Unternehmens nicht besteuern. Auf Antrag können die Anteilseigner bei einer EU-Verschmelzung bezüglich der erhaltenen An1 2 3 4 5 6

Vgl. Schreiber/Kahle/Ruf, Besteuerung der Unternehmen5, 824. Vgl. Schreiber/Kahle/Ruf, Besteuerung der Unternehmen5, 825. Vgl. Brähler/Krenzin, Umwandlungssteuerrecht11, 312. Schreiber/Kahle/Ruf, Besteuerung der Unternehmen5, 827. Vgl. Schreiber/Kahle/Ruf, Besteuerung der Unternehmen5, 827. Zu beachten ist, dass EWR-Staaten nicht unter die FRL fallen, vgl. Dötsch/Werner in D/P/ M, § 13 UmwStG Rz. 50 (Stand: Feb. 2020); Hagemann/Stürcken in Haase/Hofacker3, § 13 UmwStG Rz. 36.

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14.117

Kap. 14 Rz. 14.117 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

teile die bisherigen Buchwerte bzw. Anschaffungskosten ihrer Anteile an dem übertragenden Unternehmen ansetzen, und zwar auch dann, wenn die grenzüberschreitende Verschmelzung nach Anwendung des § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG zu einer Beeinträchtigung des deutschen Besteuerungsrechts führt. Wenn Art. 8 FRL zur Anwendung kommt, besteht zwar die Möglichkeit der steuerneutralen Verschmelzung im Zeitpunkt der Umwandlung (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 1 UmwStG). Jedoch ist der Gewinn aus einer späteren Veräußerung der erworbenen Anteile ungeachtet der Bestimmungen eines DBA in der gleichen Art und Weise zu besteuern wie die Veräußerung der Anteile an der übertragenen Körperschaft zu besteuern wäre (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 UmwStG).1 Folglich unterliegen sowohl vor dem Zeitpunkt der Verschmelzung gebildete Wertsteigerungen als auch nach diesem Zeitpunkt entstandene Wertsteigerungen der Besteuerung.2 Bestimmte Tatbestände sind der Veräußerung der Anteile gleichgestellt (z.B. die verdeckte Einlage, die Auflösung der ausländischen Körperschaft sowie die Rückzahlung und Auskehrung von Beträgen aus dem steuerlichen Einlagekonto der ausländischen Körperschaft, § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UmwStG i.V.m. § 15 Abs. 1a Satz 2 EStG). Es liegt ein treaty override vor. Wenn auch der Ansässigkeitsstaat des übernehmenden Unternehmens diesen Veräußerungsgewinn der Besteuerung unterwirft, besteht die Gefahr der Doppelbesteuerung,3 denn Deutschland rechnet die im Ausland erhobene Steuer nicht an (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 UmwStG).4 Diese Doppelbesteuerung lässt sich nur durch ein aufwendiges Verständigungsverfahren abmildern. Ob ein Antrag auf Buchwert-/Anschaffungskostenfortführung gestellt werden sollte, ist also immer einzelfallabhängig zu prüfen.5 3. Fußstapfentheorie auf Anteilseignerebene

14.118 Die Anteile an der übernehmenden Körperschaft treten im Falle des Buchwertansatzes (bzw. des Ansatzes der bisherigen Anschaffungskosten) steuerlich an die Stelle der Anteile an der übertragenden Körperschaft (Fußstapfentheorie; § 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). D.h., sie treten somit in die „Rechtsstellung“ der bisherigen Anteile ein.6 Dies gilt nicht, wenn gem. § 13 Abs. 1 UmwStG der gemeine Wert angesetzt werden 1 Diese Regelung basiert auf Art. 8 Abs. 6 FRL. Hiernach sind die Mitgliedstaaten nicht gehindert, den Gewinn aus der Veräußerung der erworbenen Anteile in gleicher Weise zu besteuern wie einen Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an dem übertragenden Unternehmen, vgl. Dötsch/Werner in D/P/M, § 13 UmwStG Rz. 52 (Stand: Feb. 2020). 2 Vgl. BT-Drucks. 16/2710 v. 25.9.2006, 41; Neumann in R/H/vL3, § 13 UmwStG Rz. 74; Hagemann/Stürcken in Haase/Hofacker3, § 13 UmwStG Rz. 37. 3 Vgl. Klingberg in PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, Rz. 1389; Neumann in R/ H/vL3, § 13 UmwStG Rz. 75; Edelmann in Kraft/Edelmann/Bron2, § 13 UmwStG Rz. 113; Nitzschke in Brandis/Heuermann, § 13 UmwStG Rz. 37 (Stand: Nov. 2020). 4 Vgl. Hagemann et al., NWB Sonderheft 1/2007, 1 (30); Brähler/Krenzin, Umwandlungssteuerrecht11, 311. 5 Vgl. Hagemann et al., NWB Sonderheft 1/2007, 1 (30). 6 Zu sich hieraus ergebenden Konsequenzen vgl. insb. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 13.11.

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E. Ab- und Aufspaltung von Kapitalgesellschaften | Rz. 14.119 Kap. 14

muss; es kommt dann bspw. nicht zu einer Besitzzeitanrechnung oder einem Eintritt in Wertaufholungspflichten.1

E. Ab- und Aufspaltung von Kapitalgesellschaften I. Ab- und Aufspaltung von Kapital- auf Kapitalgesellschaften (§ 15 UmwStG) 1. Zivilrechtliche Zulässigkeit und Rückgriff auf §§ 11–13 UmwStG Eine Auf- und Abspaltung nach § 123 UmwG war nach früherem Recht nur zwischen Körperschaften mit inländischem Sitz möglich;2 eine grenzüberschreitende Spaltung war lediglich steuerlich geregelt,3 aufgrund der bislang fehlenden zivilrechtlichen Grundlagen allerdings praktisch von geringer Relevanz.4 Eine Änderung war mit Berufung auf die europäische Niederlassungsfreiheit, die Fusionsrichtlinie und das EuGH-Urteil Sevic Systems5 notwendig, so dass eine grenzüberschreitende Spaltung nicht nur steuerrechtlich, sondern auch zivilrechtlich zulässig ist.6 Aufgrund der neuen Umwandlungsrichtlinie7 ist nun auch zivilrechtlich die grenzüberschreitende Spaltung (Art. 160a bis 160u GesRRL) von EU-/EWR-Kapitalgesellschaften möglich.8 Die grenzüberschreitende Spaltung bei Kapitalgesellschaften nach der neuen Umwandlungsrichtlinie spätestens mit Wirkung ab 1.3.2023 erfasst nicht Spaltungen zur Aufnahme und auch keine Drittstaatenspaltungen.9 Unter Wahrung der bewährten 1 Vgl. Schmitt in S/H9, § 13 UmwStG Rz. 23; Neumann in R/H/vL3, § 13 UmwStG Rz. 42. 2 Vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 19; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.100. 3 Für „vergleichbare ausländische Vorgänge“ ist § 15 UmwStG analog anzuwenden (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwStG). 4 Vgl. zu Praxisfällen Bungert, DB 2022, Heft 7, M4 (M5). Zu stattdessen durchführbaren Ersatzkonstruktionen, die jedoch regelmäßig nicht steuerneutral durchführbar sind, vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.100 m.w.N.; Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 45 ff.; Herzig in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 127 (141). 5 Vgl. EuGH v. 13.12.2005 – C-411/03, ECLI:EU:C:2005:762 – Sevic Systems, Slg. 2005, I10825. 6 Vgl. Sagasser in S/B/B, Umwandlungen5, § 18 Rz. 202; Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 51 f.; Fey in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 453 (456 f.). 7 Am 1.1.2020 ist die Richtlinie (EU) 2019/2121 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.11.2019 zur Änderung der gesellschaftsrechtlichen Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen in Kraft getreten (ABl. EU Nr. L 321, 1 ff.). Die Richtlinie musste von den Mitgliedstaaten bis zum 31.1.2023 in nationales Recht umgesetzt werden, vgl. hierzu Schulte, GmbHR 2020, 139 ff.; Stelmaszczyk, GmbHR 2020, 61 ff. 8 Zuvor hat am 25.4.2018 die EU-Kommission das „Company Law Package“ vorgelegt, welches einen Vorschlag für die Kodifizierung grenzüberschreitender Umwandlungen enthält, vgl. dazu Wicke, DStR 2018, 2642 ff.; Jochum/Hemmelrath, IStR 2019, 517 ff. 9 Vgl. im Einzelnen Stelmaszczyk, GmbHR 2020, 64; Schulte, GmbHR 2020, 143 ff. Kritisch Bungert in FS Krieger, 109 (111); Teichmann, NZG 2019, 241 (243); Bungert/Wansleben, DB 2018, 2094 (2095); Schmidt, DK 2018, 273 (275 f.); Knaier, GmbHR 2018, 607 (622 f.).

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14.119

Kap. 14 Rz. 14.119 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

Systematik und der Grundsätze des deutschen Umwandlungsrechts wurden die grenzüberschreitenden Umwandlungen durch das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie1 in einem neuen 6. Buch des Umwandlungsgesetzes (§§ 305 bis 345 UmwG) zusammengefasst und neu kodifiziert. Dabei sind die grenzüberschreitenden Spaltungen zur Neugründung von AG, KGaA, SE und GmbH in §§ 320 ff. UmwG und grenzüberschreitende Spaltungen zur Aufnahme von mitbestimmungsfreien Gesellschaften in § 332 UmwG geregelt worden.2 Damit ist im Einklang mit der Umwandlungsrichtlinie grundsätzlich nur die Spaltung zur Neugründung möglich (§ 320 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Unter bestimmten Voraussetzungen ist jedoch auch eine grenzüberschreitende Spaltung zur Aufnahme vorgesehen. Eine Spaltung zur Aufnahme können nur Gesellschaften vornehmen, die im Fall der Spaltung einer inländischen (Kapital-)Gesellschaft in den letzten sechs Monaten vor Offenlegung des Spaltungsplans durchschnittlich weniger als 400 Arbeitnehmer3 bzw. im Fall der Aufnahme durch eine inländische (Kapital-)Gesellschaft in den letzten sechs Monaten vor Bekanntmachung des Spaltungsplans durchschnittlich weniger als vier Fünftel der nach dem ausländischen Mitbestimmungsrecht maßgeblichen Zahl an Arbeitnehmern beschäftigen (§ 320 Abs. 1 Nr. 2 UmwG i.V.m. § 332 UmwG).

14.120 Grundsätzlich gelten die Regelungen zur Verschmelzung von Kapital- auf Kapitalgesellschaften in §§ 11–13 UmwStG analog auch für die Ab- und Aufspaltung von Kapital- auf Kapitalgesellschaften (§ 15 Abs. 1 Satz 1 UmwStG), weswegen die Ab- und Aufspaltung auch als Teilverschmelzung bezeichnet wird.4 § 15 UmwStG legt lediglich darüber hinausgehende, weitere Voraussetzungen fest, die erfüllt werden müssen, um auch im Spaltungsfall einen Buch- oder Zwischenwertansatz wählen zu können. 14.121 Die Rechtsfolgen der §§ 11–13 UmwStG treten natürlich „nur insoweit ein, als Vermögen übergeht und Anteile gewährt werden.“5 Hierfür ist ein Aufteilungsmaßstab notwendig; gem. § 15 Abs. 3 UmwStG erfolgt die Aufteilung der verbleibenden und untergehenden Verluste im Verhältnis der gemeinen Werte des verbleibenden und übergehenden Vermögens. Dieser wirtschaftlich korrekte Aufteilungsmaßstab sollte daher gleichermaßen in allen weiteren Fällen, in denen ein Aufteilungsmaßstab benötigt wird (z.B. beim Beteiligungskorrekturgewinn oder bei der Anwendung der §§ 12 Abs. 2, 13 UmwStG), angewendet werden.6 Ein Ansatz der Buchwerte, Zwischenwerte oder gemeinen Werte ist demzufolge nur für das übergehende Vermögen, 1 Gesetz v. 22.2.2023, BGBl. I 2023 Nr. 51 v. 28.2.2023. Vgl. zum Regierungsentwurf (BTDrucks. 20/3822) Bungert/Strothotte, DB 2022, 1818 ff.; Drinhausen/Keinath, BB 2022, 1923 ff. Das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie ist mit einem Monat Verspätung zum 1.3.2023 in Kraft getreten, jedoch seit 1.2.2023 anwendbar, vgl. Rz. 1.9, Spiegelstrich „Europäisches Umwandlungsrecht“. 2 Vgl. ausführlich Bungert/Strothotte, BB 2022, 1411 ff.; Heckschen/Knaier, GmbHR 2022, 613 (613 ff.). 3 400 entspricht vier Fünftel der nach dem Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsrichtsrat (Drittelbeteiligungsgesetz, DrittelbG v. 18.5.2004, BGBl. I 2004, 974) maßgeblichen Zahl von regelmäßig mehr als 500 Arbeitnehmern. 4 Vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 4. 5 Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 56. 6 Vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 89.

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E. Ab- und Aufspaltung von Kapitalgesellschaften | Rz. 14.122 Kap. 14

nicht für das zurückbleibende Vermögen möglich; Letzteres wird weiterhin mit dem Buchwert bewertet.1 Da § 15 Abs. 1 Satz 2 UmwStG jedoch an „den einen“ Teilbetrieb anknüpft, dürfte es möglich sein, beim Übergang mehrerer Teilbetriebe das Wahlrecht für jeden Teilbetrieb gesondert auszuüben.2 Dies ist insbesondere im grenzüberschreitenden Kontext interessant, wenn im Rahmen der Hereinspaltung ein Teilbetrieb mit Anrechnungsbetriebsstätte oder Nicht-DBA-Betriebsstätte mit übergeht; da eine Betriebsstätte häufig (aber nicht immer) einen Teilbetrieb darstellen dürfte,3 kann für diese der gemeine Wert angesetzt werden und so eine sinnvolle Verstrickung erreicht werden, während für das restliche (im Rahmen eines Teilbetriebs) hereingespaltene Vermögen unverändert bei Erfüllung der restlichen Voraussetzungen ein Ansatz zum Buch- oder Zwischenwert möglich sein sollte (s. anderenfalls die Verstrickungsproblematik bei der Hereinverschmelzung, Rz. 14.49 ff., 14.104) Eine Hinausspaltung dürfte im Grundsatz – wie die Hinausverschmelzung – vollkommen steuerneutral nicht möglich sein (s. insoweit Rz. 14.47 f., 14.103).4 Dies gilt insbesondere dann, wenn ausländisches, nicht freigestelltes Betriebsstättenvermögen übertragen wird oder ein inländischer Teilbetrieb oder Bestandteile dessen aufgrund der Zentralfunktion des Stammhauses als übertragen gelten oder tatsächlich physisch übergehen. 2. Übertragungs- und Übernahmebilanz im Spaltungsfall Auch im Spaltungsfall muss der übertragende Rechtsträger gem. § 11 Abs. 1 UmwStG eine Schlussbilanz aufstellen.5 Im Gegensatz zur Verschmelzung werden im Spaltungsfall jedoch grundsätzlich Teilbetriebe auf einen oder mehrere Rechtsträger übertragen. Daher dürfte es im Einzelfall sinnvoll sein, entsprechende Teilschlussbilanzen für das jeweilige zu übertragende Vermögen aufzustellen, auch wenn dies gesetzlich nicht erforderlich ist.6 Im Falle der Abspaltung könnten bspw. dann für den abgespaltenen und den zurückbleibenden Teil jeweils Schlussbilanzen aufgestellt 1 Vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 196. 2 Vgl. Herzig/Förster, DB 1995, 338 (347); Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 197; Dötsch/Stimpel in D/P/M, § 15 UmwStG Rz. 374 (Stand: Nov. 2017); Hörtnagl in S/H9, § 15 UmwStG Rz. 249 f.; Schießl in W/M, § 15 UmwStG Rz. 537 (Stand: Jan. 2014). 3 Umgekehrt jedoch sollte ein Teilbetrieb immer eine Betriebsstätte darstellen. Grundsätzlich verlangt ein Teilbetrieb eine „gewisse Selbstständigkeit“, eine Betriebsstätte hingegen nicht. Zudem setzt ein Teilbetrieb als Untereinheit eines Gesamtunternehmens voraus, dass das Gesamtunternehmen einen weiteren Teilbetrieb besitzt (vgl. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 78 (Stand: Okt. 2018)), eine Betriebsstätte hingegen ebenfalls nicht. Eine Betriebsstätte wiederum kann ihrerseits auch aus mehreren Teilbetrieben bestehen. 4 Vgl. zur Hinausspaltung Fey in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 453 (466 f.). 5 Dies gilt auch bei einer unterjährigen Abspaltung, vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 94; es ist nicht eindeutig, ob im Fall der unterjährigen Abspaltung lediglich eine Bewertung der übergehenden Wirtschaftsgüter und nicht des gesamten Vermögens notwendig ist, bejahend Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 94. 6 Vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 40; Bula/Thees in S/B/B, Umwandlungen5, § 19 Rz. 19.

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14.122

Kap. 14 Rz. 14.122 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

werden. Vor Veröffentlichung des UmwStE war strittig, ob diese Teilschlussbilanzen eine Gesamtschlussbilanz ersetzen können.1 Die Finanzverwaltung lässt diese Vorgehensweise für die Abspaltung ausdrücklich zu und verlangt die Aufstellung einer Teilschlussbilanz für das übertragene Vermögen; eine Gesamtschlussbilanz soll bei einer Abspaltung demnach nicht erstellt werden.2 Unter wirtschaftlicher Betrachtung ist die Erstellung von Teilschlussbilanzen sinnvoll,3 zumal eine Teilschlussbilanz im Einzelfall aussagekräftiger sein dürfte als eine Gesamtschlussbilanz, die etwa im Falle der Abspaltung auch Vermögen enthält, das nicht übertragen wird.

14.123 Geschäfts- oder Firmenwert. Bzgl. des Ansatzes eines Geschäfts- oder Firmenwertes können sich Besonderheiten ergeben. Grundsätzlich gilt, dass der Geschäfts- oder Firmenwert im Spaltungsfall nicht einen bestimmten Bruchteil des Gesamtfirmenwertes darstellt, sondern vielmehr spezifisch für den übergehenden Teilbetrieb ermittelt werden muss.4 Der Geschäfts- oder Firmenwert ist in diesem Fall dann als der Betrag zu ermitteln, um den dem Erwerber dieser Teilbetrieb mehr wert war, als der Erwerb lediglich einer Reihe von Einzelwirtschaftsgütern, die in ihrer Gesamtheit noch keinen funktionsfähigen Betrieb darstellen würden.5 14.124 Wertverknüpfung; Beteiligungskorrekturgewinn; Fußstapfentheorie; Übernahmefolgegewinn. Die in der (Teil-)Schlussbilanz angesetzten Werte hat die übernehmende Gesellschaft in Anwendung von § 12 Abs. 1 UmwStG zu übernehmen (Wertverknüpfung). Im Fall der Up-stream-Spaltung ist ein Beteiligungskorrekturgewinn zu ermitteln (§ 12 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2, 3 UmwStG, Rz. 14.75 ff.). Selbiges gilt für die Down-stream-Aufspaltung (§ 11 Abs. 2 Satz 2, 3 UmwStG, Rz. 14.106);6 soweit bei der Down-stream-Abspaltung die Anteile an der übernehmenden Gesellschaft bei der übertragenden verbleiben, sollte die Ermittlung eines Beteiligungskorrekturgewinns entbehrlich sein.7 Die entstehende Wertaufholung dürfte im Regelfall nur anteilig vorzunehmen sein.8 Begrenzt auf den übertragenen Vermögensteil tritt die übernehmende Gesellschaft ebenso in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Gesellschaft ein („Fußstapfentheorie“, Rz. 14.79 ff., 14.108). Zu beachten ist aus verfahrensrechtlicher Sicht, dass im Falle der Abspaltung die übertragende Gesellschaft Steuerschuldner für den Zeitraum vor der Umwandlung bleibt.9 Für einen eventuellen Übernahmefolgegewinn gilt § 12 Abs. 4 UmwStG entsprechend (Rz. 14.109 i.V.m. 14.83 ff.). 1 Vgl. Bula/Thees in S/B/B, Umwandlungen5, § 19 Rz. 20; Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 40. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.14. 3 Ebenso bejahend Sauter in FS Widmann, 99 (112); s. hierzu auch Budde in W/M, § 24 UmwG Rz. 79 (Stand: Feb. 2021); ablehnend dagegen Bula/Thees in S/B/B, Umwandlungen5, § 19 Rz. 21. 4 Vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 96. 5 Vgl. BFH v. 20.8.1986 – I R 185/82, BStBl. II 1987, 455. 6 Vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 201. 7 So Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 202. 8 Vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 101. 9 Vgl. BFH v. 7.8.2002 – I R 99/00, BStBl. II 2003, 835; Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 104.

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E. Ab- und Aufspaltung von Kapitalgesellschaften | Rz. 14.127 Kap. 14

Anteilseignerebene. Auch für die Anteilseigner der übertragenden Körperschaft gelten die Grundsätze des § 13 UmwStG analog (Rz. 14.110 ff.). Zu beachten ist allerdings, dass bei einer Abspaltung regelmäßig kein vollständiger, sondern nur ein anteiliger Anteilstausch stattfindet.1 Bei der Aufspaltung kommt es hingegen grundsätzlich zu einem vollständigen Anteilstausch; wenn der Anteilseigner hier dann die Beteiligung an der Überträgerin gegen Anteile an mehreren übernehmenden Körperschaften tauscht, ist eine Aufteilung notwendig. Hierbei soll das Umtauschverhältnis im Spaltungsplan herangezogen werden, nachrangig das Verhältnis der gemeinen Werte.2

14.125

3. Teilbetriebserfordernis als Voraussetzung zum Buchwertansatz Doppeltes Teilbetriebserfordernis. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 UmwStG kann sowohl auf Gesellschafts- als auch auf Anteilseignerebene nur dann ein Buchwertansatz gewählt werden, wenn auf den oder die übernehmenden Rechtsträger mindestens ein Teilbetrieb übergeht und das beim übertragenden Rechtsträger verbleibende Vermögen ebenfalls einen Teilbetrieb darstellt (doppeltes Teilbetriebserfordernis).3 Wohl entgegen der Verwaltungsauffassung verlangt die h.M., dass im Falle der Abspaltung mindestens ein Teilbetrieb zurückbleiben muss, nicht jedoch ausschließlich ein Teilbetrieb zurückbleiben darf.4 Praktisch dürfte dies jedoch von geringer Relevanz sein, da Wirtschaftsgüter, die weder eine wesentliche Betriebsgrundlage darstellen noch nach wirtschaftlichen Maßstäben einem Teilbetrieb zuzuordnen sind, ohnehin frei zugeordnet werden können (Rz. 14.130 f.).5

14.126

Fiktive Teilbetriebe. § 15 Abs. 1 Satz 3 UmwStG erhebt im Wege der Fiktion Mitunternehmeranteile (auch Teile von Mitunternehmeranteilen)6 und 100 %-Anteile an Kapitalgesellschaften (mittel- oder unmittelbare Beteiligung)7 zum Teilbetrieb; die

14.127

1 Vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 108. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.43. 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.01; Stuber-Köth in Lademann3, § 15 UmwStG Rz. 38. 4 Vgl. zur Kritik Schaflitzl/Götz, DB 2012, Beilage 1, 25 (32); Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 132; Förster, GmbHR 2012, 237 (241 f.); Dworschak in Kraft/Edelmann/ Bron2, § 15 UmwStG Rz. 35 ff.; die Verwaltungsauffassung befürwortend dagegen Neumann, GmbHR 2012, 141 (142). Bei der Aufspaltung und dem übergehenden Vermögen bei der Abspaltung dürfte dagegen zutreffend das „Nur-Teilbetriebserfordernis“ gelten, vgl. Ley/Bodden, FR 2007, 265 (279). 5 Vgl. Kotyrba/Scheunemann, BB 2012, 223 (225). 6 Zu beachten ist, dass bei Mitunternehmeranteilen oder Teilen von Mitunternehmeranteilen auch das (anteilige) Sonderbetriebsvermögen mit übertragen wird, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.04. Dies gilt zumindest dann, wenn das Sonderbetriebsvermögen funktional wesentlich ist; eine wirtschaftliche Zuordenbarkeit reicht für den Mitübertragungszwang offenbar nicht aus, da ein Mitunternehmeranteil nur ein fiktiver Teilbetrieb ist, vgl. im Einzelnen Neumann, GmbHR 2012, 141 (146). 7 Vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 190; Nitzschke in Brandis/Heuermann, § 15 UmwStG Rz. 69 (Stand: Nov. 2020); Bleifeld in Frotscher/Drüen, § 15 UmwStG Rz. 129 (Stand: Juni 2021); Stuber-Köth in Lademann3, § 15 UmwStG Rz. 75; Jacobsen/ Happel in Widmann/Bauschatz, § 15 UmwStG Rz. 98.

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Kap. 14 Rz. 14.127 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

Übertragung solcher Anteile im Wege der Spaltung erfüllt daher im Allgemeinen immer das Teilbetriebserfordernis. Dabei sollte es unerheblich sein, ob es sich um eine in- oder ausländische Mitunternehmerschaft bzw. Körperschaft handelt, an der die Anteile gehalten werden.1 Ist eine 100 %-Beteiligung an einer Körperschaft gleichzeitig wesentliche Betriebsgrundlage eines „originären“ Teilbetriebs, so soll die Fiktion des § 15 Abs. 1 Satz 3 UmwStG nicht anwendbar sein.2 Dies steht entgegen der h.M. in der Literatur, nach welcher die Teilbetriebsfiktion des § 15 Abs. 1 Satz 3 UmwStG vorrangig vor der Zuordnung als wesentliche Betriebsgrundlage eines anderen Teilbetriebs sein soll.3 Zumindest für den Mitunternehmeranteil als fiktivem Teilbetrieb gilt diese Regelung nicht; da dieser ertragsteuerlich gar kein Wirtschaftsgut darstellt,4 wäre eine Einordnung als wesentliche Betriebsgrundlage auch nicht möglich.5 Die Einordnung einer 100 %-Beteiligung als nach wirtschaftlichen Maßstäben zuordenbares Wirtschaftsgut sollte jedoch die Teilbetriebsfiktion nicht außer Kraft setzen.6

14.128 Teilbetriebsdefinition. Der Begriff des Teilbetriebs wird in § 15 UmwStG nicht definiert. In Anlehnung an die BFH-Rechtsprechung zu § 16 EStG ist ein Teilbetrieb „ein mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebs, der für sich betrachtet alle Merkmale eines Betriebs i. S. d. Einkommensteuergesetzes aufweist und für sich lebensfähig ist“.7 In der Fusionsrichtlinie wird der Teilbetrieb als „die Gesamtheit der in einem Unternehmensteil einer Gesellschaft vorhandenen aktiven und passiven Wirtschaftsgüter, die in organisatorischer Hinsicht einen selbständigen Betrieb, d.h. eine aus eigenen Mitteln funktionsfähige Einheit, darstellen“8, definiert. Die europäische Definition des Teilbetriebsbegriffs

1 Zumindest für Kapitalgesellschaftsanteile ebenso Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 187. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.06; ebenso Dötsch/Stimpel in D/P/M, § 15 UmwStG Rz. 171 (Stand: Nov. 2017); Schießl in W/M, § 15 UmwStG Rz. 91 (Stand: Jan. 2014); Luce/Class in Haase/Hofacker3, § 15 UmwStG Rz. 55. 3 Vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 188; Asmus in H/M/B5, § 15 UmwStG Rz. 114; Hörtnagl in S/H9, § 15 UmwStG Rz. 103; Jacobsen/Happel in Widmann/Bauschatz, § 15 UmwStG Rz. 100; Bleifeld in Frotscher/Drüen, § 15 UmwStG Rz. 136 (Stand: Juni 2021); Nitzschke in Brandis/Heuermann, § 15 UmwStG Rz. 73 (Stand: Nov. 2020); Stegemann, DStR 2002, 1549 (1551); Blumers, BB 1997, 1876 (1878). 4 Vgl. z.B. BFH v. 25.2.2010 – IV R 49/08, BStBl. II 2010, 726; Kahle in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht4, Rz. 1346. 5 Vgl. Schumacher, DStR 2010, 1606 f.; Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 34, 63 (Stand: Jan. 2017, Nov. 2019); Reiche, DStR 2006, 1205 (1210); anders allerdings noch in der Entwurfsversion des Umwandlungssteuererlasses v. 2.5.2011, Rz. 15.05, vgl. auch zur Entschärfung in der finalen Version Rödder/Rogall, Ubg 2011, 753 (757). 6 Vgl. Förster, GmbHR 2012, 237 (241). 7 R 16 Abs. 3 Satz 1 EStR 2012. Vgl. zur Rechtsprechung BFH v. 1.2.1989 – VIII R 33/85, BStBl. II 1989, 458 (460). 8 Richtlinie 2009/133/EG v. 19.10.2009, ABl. EU Nr. L 310, 34, Art. 2 Buchst. j. Zum nationalen/europäischen Teilbetriebsverständnis umfassend Uphues, DStR 2022, 2251 und 2584.

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E. Ab- und Aufspaltung von Kapitalgesellschaften | Rz. 14.129 Kap. 14

unterscheidet sich von der nationalen Begrifflichkeit in einzelnen Punkten.1 So stellt etwa ein Teilbetrieb im Aufbau einen Teilbetrieb nach nationaler Definition,2 nicht jedoch nach europäischer Definition dar.3 Europäischer Teilbetriebsbegriff. Die Finanzverwaltung hat sich im UmwStE dazu entschieden, grundsätzlich den europäischen Teilbetriebsbegriff auf Spaltungen anzuwenden (hierzu auch Kapitel 1 Rz. 1.38 ff.).4 Dies war zwar im Fall der grenzüberschreitenden Spaltung schon so,5 ansonsten war aber die Meinung vorherrschend, dass der nationale Teilbetriebsbegriff lediglich richtlinienkonform auszulegen sei.6 Sofern der europäische Teilbetriebsbegriff dann enger als der nationale sei, sei im Zweifelsfall mit der nationalen Definition ein Teilbetrieb zu bejahen.7 Dies will die Finanzverwaltung offenbar unterbinden. Zumindest fiktive Teilbetriebe i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 3 UmwStG sollen – entgegen der Definition in der FRL – jedoch weiterhin Teilbetriebe darstellen.8 In Ausweitung der restriktiven Verwaltungsauffassung wird der europäische Teilbetriebsbegriff jedoch direkt wieder eingeschränkt: Nach nationaler Auslegung war es vor Veröffentlichung des UmwStE nicht möglich, dass für funktional wesentliche Betriebsgrundlagen und wirtschaftlich dem Teilbetrieb zuordenbare Wirtschaftsgüter9 die Nutzungsüberlassung (bspw. Vermietung und Verpachtung) ausreichend war.10 Dies soll weiterhin so bleiben,11 obwohl der europäi1 Vgl. Schmitt in S/H9, § 20 UmwStG Rz. 87; Dworschak in Kraft/Edelmann/Bron2, § 15 UmwStG Rz. 50; Nitzschke in Brandis/Heuermann, § 15 UmwStG Rz. 60 (Stand: Nov. 2020). 2 Vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 146, jedoch mit Rekursion auf den „alten“ Umwandlungssteuererlass v. 25.3.1998 – IV B 7 - S 1978 – 21/98, IV B 2 - S 1909 – 33/98, BStBl. I 1998, 268 Rz. 15.10. 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.03; Kessler/ Philipp, DStR 2011, 1065 (1068); Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 95 (Stand: Aug. 2015); Neumann, GmbHR 2012, 141 (143); kritisch bzgl. dieser Schlussfolgerung Schumacher/ Neitz-Hackstein, Ubg 2011, 409 (416); Sistermann, DStR 2012, Beihefter zu Heft 2, 9 (12). 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.02; Eckl, CFlaw 2011, 312 (313); Heurung/Engel/Schröder, GmbHR 2011, 617 (618). 5 Vgl. Hörtnagl in S/H9, § 15 UmwStG Rz. 56. 6 Vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 141, 160; Asmus in H/M/B5, § 15 UmwStG Rz. 62; ausführlich zum Teilbetriebsbegriff Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1019 ff.); Blumers, DB 2001, 722 ff.; Maetz, Der Teilbetrieb des UmwStG im Spannungsfeld zwischen Realisations-, Subjektsteuer- und Kontinuitätsprinzip; Micker/Uphues, Ubg 2021, 320 (321 ff.). 7 Vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 142; Asmus in H/M/B5, § 15 UmwStG Rz. 63; Nitzschke in Brandis/Heuermann, § 15 UmwStG Rz. 61 (Stand: Nov. 2020). 8 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.02. 9 Ein Teilbetrieb muss alle funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen sowie diesem Teilbetrieb nach wirtschaftlichen Zusammenhängen zuordenbaren Wirtschaftsgüter beinhalten, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.02; diese sind auch vollumfänglich mit zu übertragen, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.07; zur dahingehend noch nicht eindeutigen Lage der Entwurfsversion v. 2.5.2011 vgl. Rödder/Rogall, Ubg 2011, 753 (755 f.); Rogall, NZG 2011, 810 (812); Patt, DB 2011, Heft 22, M10 (M12). 10 Vgl. BFH v. 7.4.2010 – I R 96/08, BStBl. II 2011, 467; v. 16.2.1996 – I R 183/94, BStBl. II 1996, 342. 11 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.07.

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14.129

Kap. 14 Rz. 14.129 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

sche Teilbetriebsbegriff der h.M. zufolge Konträres erfordern würde.1 Zumindest wird im UmwStE explizit festgelegt, dass die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 AO) ausreichend ist,2 auch wenn dieses erst mit der Spaltung begründet wird, d.h., das zivilrechtliche Eigentum bei der übertragenden Gesellschaft zurückbleibt.3

14.130 Funktional wesentliche Betriebsgrundlagen. Werden funktional wesentliche Wirtschaftsgüter von mehreren Teilbetrieben genutzt, so müssen Grundstücke z.B. real geteilt oder bei Unmöglichkeit dessen muss zumindest ein Bruchteilseigentum vereinbart werden; ansonsten liegt ein Spaltungshindernis vor.4 Diese – unveränderte – Verwaltungsauffassung wird bereits seit einiger Zeit kritisiert.5 Aus ökonomischer Sicht sollte grundsätzlich das wirtschaftliche (Mit-)Eigentum an einer wesentlichen Betriebsgrundlage ausreichen.6 Wenn ein Wirtschaftsgut, das zwar keine funktional wesentliche Betriebsgrundlage darstellt, aber nach wirtschaftlichen Zusammenhängen zuordenbar ist, von mehreren Teilbetrieben genutzt wird, ist eine Zuordnung vorzunehmen; ein Spaltungshindernis liegt in diesem Fall zumindest nicht vor.7 14.131 Zuordnung nach wirtschaftlichen Zusammenhängen. Nicht funktional wesentliche Wirtschaftsgüter müssen nach wirtschaftlichen Zusammenhängen den jeweiligen Teilbetrieben zugeordnet werden;8 eine freie Zuordnung wie vor dem UmwStE9 soll dahingehend nicht mehr möglich sein. Nach damaliger (strittiger) Auffassung konnten neben dem Teilbetrieb nämlich weitere nicht funktional wesentliche Wirtschaftsgüter mit übertragen werden oder beim übertragenden Rechtsträger verbleiben.10 Der Zwang zur wirtschaftlichen Zuordnung schließt diese Vorgehensweise künftig für zuordenbare Wirtschaftsgüter aus; gleichzeitig wird die freie Zuordenbarkeit 1 Vgl. Blumers, DB 2010, 1670 (1672); Blumers, DB 2001, 722 (725); Schaflitzl/Götz, DB 2012, Beilage 1, 25 (34); differenzierend mit Hinweis auf EuGH v. 15.1.2002 – C-43/00, ECLI:EU:C:2002:15 – Andersen og Jensen, Slg. 2002, I-394, jedoch Schumacher in R/H/ vL3, § 15 UmwStG Rz. 154. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.07; vgl. hierzu Sistermann/Beutel, DStR 2011, 1162 (1163 f.). 3 Vgl. Neumann, GmbHR 2012, 141 (143). 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.08; vgl. hierzu im Einzelnen Eckl, CFlaw, 2011, 312 (314); Heurung/Engel/Schröder, GmbHR 2011, 617 (619 f.); Meier in Goebel/Ungemach, § 15 UmwStG Rz. 81 f., 92; Jacobsen/Happel in Widmann/Bauschatz, § 15 UmwStG Rz. 116. 5 Vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 155. Vgl. mit Blick auf immaterielle Wirtschaftsgüter Gude, DStR 2022, 1463 ff. 6 Vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 155, auch zu einzelnen Beispielen zur Begründung des wirtschaftlichen Eigentums. 7 Vgl. Neumann, GmbHR 2012, 141 (144 f.); Schaflitzl/Götz, DB 2012, Beilage 1, 25 (34). 8 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.02, 15.07; s. auch Dötsch/Stimpel in D/P/M, § 15 UmwStG Rz. 133 ff. (Stand: Nov. 2017). 9 Vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 156; Schießl in W/M, § 15 UmwStG Rz. 45 (Stand: Jan. 2014); Sistermann, DStR 2012, Beihefter zu Heft 2, 9 (12); Schaflitzl/Götz, DB 2012, Beilage 1, 25 (34). 10 So Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 133; für das „Nur-Teilbetriebserfordernis“ bei der Aufspaltung Ley/Bodden, FR 2007, 265 (279).

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E. Ab- und Aufspaltung von Kapitalgesellschaften | Rz. 14.133 Kap. 14

dann explizit zugelassen, wenn eine Zuordnung nach wirtschaftlichen Maßstäben nicht möglich ist.1 Eine Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs „wirtschaftlicher Zusammenhang“ wäre wünschenswert; momentan ist unklar, wann ein solcher vorliegen soll.2 Zeitpunkt des Vorliegens der Teilbetriebsvoraussetzungen. Um die Bewertungswahlrechte der §§ 11 Abs. 2, 13 Abs. 2 UmwStG in Anspruch nehmen zu können, müssen die Teilbetriebsvoraussetzungen bereits zum steuerlichen Übertragungsstichtag3 und nicht erst zum Zeitpunkt der Eintragung der Spaltung in das Handelsregister oder im Zeitpunkt des Spaltungsbeschlusses vorliegen.4 Die Teilbetriebsvoraussetzung kann also im Rückwirkungszeitraum nicht mehr „nachträglich“ erfüllt werden. Diese Änderung der Verwaltungsauffassung wird heftig kritisiert,5 zum einen, da sich dies keineswegs aus dem europäischen Teilbetriebsverständnis ergäbe,6 und zum anderen sei die Auffassung dogmatisch inkonsequent.7 Zudem führe diese „willkürliche Änderung“ der Verwaltungsauffassung zu einer „unnötigen Erschwernis künftiger Umwandlungsmaßnahmen“.8 Umgekehrt muss es dann allerdings wohl ausreichen, wenn die Teilbetriebsvoraussetzung zwar am steuerlichen Übertragungsstichtag erfüllt ist, jedoch im Rückwirkungszeitraum entfällt; dies dürfte einer steuerneutralen Spaltung dann nicht entgegenstehen.9

14.132

4. Missbrauchsvorschriften des § 15 Abs. 2 UmwStG Im Gegensatz zum Teilbetriebserfordernis führt eine Nichterfüllung der Missbrauchsvorschriften des § 15 Abs. 2 UmwStG nur zu einem Entfall des Buchwertansatzes nach § 11 Abs. 2 UmwStG; die Anteilseignerebene (§ 13 Abs. 2 UmwStG) ist hiervon nicht betroffen.

1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.09; Vogt in Eisgruber2, § 15 UmwStG Rz. 153. 2 Vgl. Schumacher/Neitz-Hackstein, Ubg 2011, 409 (417); Sistermann, DStR 2012, Beihefter zu Heft 2, 9 (12); Förster, GmbHR 2012, 237 (241). 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.03–15.05. 4 Letzteres war vor der Veröffentlichung des UmwStE 2011 die gängige und akzeptierte Vorgehensweise, vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 169 f.; Eckl, CFlaw 2011, 312 (314). 5 Vgl. Eckl, CFlaw 2011, 312 (315); Kessler/Philipp, DStR 2011, 1065 (1066 f.); Stangl/Grundke, DB 2010, 1851 (1853); Ausschuss Steuerrecht des Deutschen Anwaltsvereins, NZG 2011, 819 (822); Schaflitzl/Götz, DB 2012, Beilage 1, 25 (33); Schumacher/Neitz-Hackstein, Ubg 2011, 409 (416); Schießl in W/M, § 15 UmwStG Rz. 32.2 (Stand: März 2016); Sistermann, DStR 2012, Beihefter zu Heft 2, 9 (13); Förster, GmbHR 2012, 237 (240); die Verwaltungsauffassung verteidigend Neumann, GmbHR 2012, 141 (143 f.). 6 Vgl. Benz/Rosenberg, DB 2011, 1354 (1357). 7 Vgl. Heurung/Engel/Schröder, GmbHR 2011, 617 (618). 8 Schaflitzl/Götz, DB 2012, Beilage 1, 25 (33). 9 Vgl. Förster, GmbHR 2012, 237 (240); dies ebenfalls befürchtend und kritisierend Neumann, GmbHR 2012, 141 (144); zur ähnlichen Problematik bzgl. des Wegfalls wesentlicher Betriebsgrundlagen im Rückwirkungszeitraum Schaflitzl/Götz, DB 2012, Beilage 1, 25 (35).

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14.133

Kap. 14 Rz. 14.134 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

14.134 Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 UmwStG ist ein Buch- oder Zwischenwertansatz nicht möglich, wenn fiktive Teilbetriebe i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 3 UmwStG innerhalb der letzten drei Jahre vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag durch die Übertragung von Wirtschaftsgütern, die keinen Teilbetrieb darstellen, erworben oder aufgestockt wurden. Die Regelung zielt darauf ab, dass einzelne Wirtschaftsgüter nicht (steuerneutral)1 vor der Spaltung in die Mitunternehmerschaft eingelegt bzw. überführt oder an die Kapitalgesellschaft übertragen werden können und sodann Bestandteil des fiktiven Teilbetriebs werden, der dann steuerneutral abgespalten werden kann.2 Schädlich ist hierbei nur ein Vorgang, bei welchem die stillen Reserven in den erworbenen oder aufgestockten Wirtschaftsgütern nicht oder nicht vollständig aufgedeckt wurden.3 Anwendungsfall hierfür wäre etwa eine Übertragung oder Überführung nach § 6 Abs. 5 EStG oder eine Buchwerteinbringung nach § 21 UmwStG.4 Bei einer verdeckten Einlage hingegen werden die stillen Reserven aufgedeckt, so dass hierin wohl kein schädlicher Vorgang i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 1 UmwStG zu sehen ist.5 Wird die Übertragung von einem Dritten (auch bspw. einem Anteilseigner der Überträgerin) durchgeführt, so ist dies generell unschädlich.6 Praktische Bedeutung erlangt die Vorschrift nur dann, wenn im Rahmen der Ab- oder Aufspaltung die Wirtschaftsgüter nicht ohnehin einem Teilbetrieb zugeordnet werden können.7 Sofern Wirtschaftsgüter nach wirtschaftlichen Maßstäben einem Teilbetrieb zugeordnet werden können, müssen sie diesem zugeordnet werden.8 Nur wenn dies nicht gewollt ist und das jeweilige Wirtschaftsgut daher im Vorhinein einem fiktiven Teilbetrieb zugeordnet werden soll, kann § 15 Abs. 2 Satz 1 UmwStG eingreifen. Bei Wirtschaftsgütern, die nach wirtschaftlichen Maßstäben sowieso nicht zugeordnet werden können, ist generell eine freie Zuordnung möglich (Rz. 14.131),9 womit eine Notwendigkeit einer vorgelagerten Übertragung/Einlage/Überführung gar nicht besteht. Im Falle der Abspaltung soll die Anwendung des § 11 Abs. 2 UmwStG sogar dann ausgeschlossen sein, wenn der schädlich erworbene oder aufgestockte fiktive Teilbetrieb nicht übertragen wird, sondern der zurückbleibende Teilbetrieb ist.10 Dies widerspricht der h.M. und wird daher auch heftig kritisiert, da der Gesetzeswortlaut 1 Werden die stillen Reserven in dem übertragenen oder eingelegten bzw. überführten Wirtschaftsgut schon mit der Übertragung oder Einlage/Überführung aufgedeckt, so ist dies unschädlich i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 1 UmwStG, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/ 08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.16; ebenso muss eine Unschädlichkeit vorliegen, wenn die betroffenen Wirtschaftsgüter gar keine stillen Reserven beinhalten, vgl. Schumacher/Neitz-Hackstein, Ubg 2011, 409 (417). 2 Vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 211; Luce/Class in Haase/Hofacker3, § 15 UmwStG Rz. 111. 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.16; Bleifeld in Frotscher/Drüen, § 15 UmwStG Rz. 144 (Stand: Juni 2021). 4 Vgl. Neumann, GmbHR 2012, 141 (147). 5 Vgl. Neumann, GmbHR 2012, 141 (147); Schaflitzl/Götz, DB 2012, Beilage 1, 25 (35). 6 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.19. 7 Vgl. zur praktischen Bedeutung auch Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 212. 8 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.02, 15.07. 9 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.09. 10 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.17.

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E. Ab- und Aufspaltung von Kapitalgesellschaften | Rz. 14.135 Kap. 14

diese Vorgehensweise nicht erlaubt; vielmehr erfordert die Anwendung des § 15 Abs. 2 Satz 1 UmwStG, dass der fiktive Teilbetrieb selbst übertragen wird.1 Ebenfalls missbräuchlich – und damit der Anwendung des Bewertungswahlrechts des § 11 Abs. 2 UmwStG entgegenstehend – ist die Veräußerung an eine außenstehende Person oder die Schaffung der Veräußerungsvoraussetzungen durch die Spaltung (§ 15 Abs. 2 Satz 2–4 UmwStG). Schädlich ist die durch Spaltung erreichte Veräußerung von Anteilen an der übertragenden und übernehmenden Körperschaft.2 Unter den Veräußerungsbegriff sollen auch Verschmelzungen, Auf- und Abspaltungen, Einbringungen und der Formwechsel fallen.3 Da eine Spaltung grundsätzlich die Fortsetzung des bisherigen unternehmerischen Engagements in anderer Rechtsform ermöglichen soll,4 ist insbesondere die Aufnahme des Formwechsels in den Katalog der schädlichen Veräußerungstatbestände nicht zu rechtfertigen.5 Die Anteilseigner der übertragenden Körperschaft gelten nicht als außenstehende Personen, so dass § 15 Abs. 2 Satz 2–4 UmwStG auf diese grundsätzlich nicht anwendbar sind;6 dies ist zudem notwendig, um nicht verhältniswahrende Spaltungen überhaupt zu ermöglichen.7 Ebenso sollen konzerninterne Umstrukturierungen unschädlich sein, sofern nicht unmittelbar nach der Spaltung eine Veräußerung an außenstehende Personen erfolgt.8 Zu beachten ist allerdings, dass der Erwerb von Anteilen im Rückwirkungszeitraum nicht zurückbezogen wird.9 § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG enthält eine unwiderlegbare gesetzliche Vermutung10 zum Vorliegen einer schädlichen Veräußerung i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG. Danach liegt eine Schädlichkeit dann vor, wenn innerhalb von fünf Jahren nach dem 1 Vgl. Heurung/Engel/Schröder, GmbHR 2011, 617 (621); Schumacher/Neitz-Hackstein, Ubg 2011, 409 (417); Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 216; Hörtnagl in S/H9, § 15 UmwStG Rz. 121; Dworschak in Kraft/Edelmann/Bron2, § 15 UmwStG Rz. 111; a.A. Rogall, DB 2006, 66 (68); Dötsch/Stimpel in D/P/M, § 15 UmwStG Rz. 184 (Stand: März 2021). 2 Vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 225; Heurung/Engel/Schröder, GmbHR 2011, 617 (622). 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.24. 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.22. 5 Vgl. Heurung/Engel/Schröder, GmbHR 2011, 617 (622); Schumacher/Neitz-Hackstein, Ubg 2011, 409 (418); Schaflitzl/Götz, DB 2012, Beilage 1, 25 (35). 6 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.26; Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 229; Asmus in H/M/B5, § 15 UmwStG Rz. 152; Dötsch/Stimpel in D/P/M, § 15 UmwStG Rz. 231 (Stand: März 2021); Schießl in W/M, § 15 UmwStG Rz. 237 (Stand: Jan. 2014); Hörtnagl in S/H9, § 15 UmwStG Rz. 199; Nitzschke in Brandis/Heuermann, § 15 UmwStG Rz. 100 (Stand: Nov. 2020); Schöneberger/ Bultmann in S/B/B, Umwandlungen5, § 20 Rz. 57. 7 Vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 229; Dötsch/Stimpel in D/P/M, § 15 UmwStG Rz. 418 (Stand: Juni 2021); Schießl in W/M, § 15 UmwStG Rz. 270 (Stand: Jan. 2014); Hörtnagl in S/H9, § 15 UmwStG Rz. 201; Asmus in H/M/B5, § 15 UmwStG Rz. 154. 8 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.26; vgl. im Einzelnen Aßmann in Patt/Rupp/Aßmann, Der neue Umwandlungssteuererlass, 95. 9 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.26. 10 Vgl. BFH v. 3.8.2005 – I R 62/04, BStBl. II 2006, 391.

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14.135

Kap. 14 Rz. 14.135 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

steuerlichen Übertragungsstichtag an der übertragenden oder übernehmenden Körperschaft im Inland oder im Ausland Anteile veräußert werden, die mehr als 20 % der Anteile an der übertragenden Körperschaft darstellen, die vor Wirksamwerden der Spaltung bestanden.1 § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG wird insoweit durch Satz 4 eingeschränkt, als eine Veräußerung unterhalb der 20-%-Grenze und außerhalb der Fünf-Jahresfrist unschädlich ist.2 Dieser Ansicht hat sich nun auch der BFH angeschlossen. Demzufolge gelten die Voraussetzungen für eine schädliche Veräußerung, die einer Buchwertfortführung entgegenstehen, nur dann als geschaffen, wenn innerhalb der Fünfjahresfrist die 20-%-Grenze überschritten wird. § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG hat keinen eigenständigen, von Satz 4 losgelösten Anwendungsbereich und ist demnach kein eigenständiger Ausschlussgrund für eine Buchwertfortführung. Die Sätze 3 und 4 des § 15 Abs. 2 UmwStG bilden vielmehr eine einheitliche Missbrauchsvermeidungsregelung, so dass § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG nur zur Anwendung kommt, wenn die in Satz 4 beschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind.3 Bei Berechnung der 20-%-Grenze sind alle Veräußerungen aller Anteilseigner zusammenzurechnen; Mehrfachveräußerungen zählen nur einmal.4 Probleme könnte zu1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.27, mit Hinweis auf BFH v. 3.8.2005 – I R 62/04, BStBl. II 2006, 391. 2 Vgl. Dötsch/Stimpel in D/P/M, § 15 UmwStG Rz. 277(Stand: Nov. 2019); Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 241 f.; Schumacher, WPg 2006, 518; Hörtnagl in S/H9, § 15 UmwStG Rz. 149; Dworschak in Kraft/Edelmann/Bron2, § 15 UmwStG Rz. 134; Nitzschke in Brandis/Heuermann, § 15 UmwStG Rz. 106 (Stand: Nov. 2020); Vogt in Eisgruber2, § 15 UmwStG Rz. 283 f.; Bleifeld in Frotscher/Drüen, § 15 UmwStG Rz. 200 (Stand: Juni 2021); Herzig/Förster, DB 1995, 338 (345); Breuninger/Schade, GmbHR 2006, 219 (220); Bumiller, NWB 2019, 1738 (1742 f.); Weiss, GmbHR 2018, 1086 (1087 f.); Brühl, GmbHR 2019, 145 (146); Meier in Goebel/Ungemach, § 15 UmwStG Rz. 179; zumindest für die Fünf-Jahresfrist explizit bestätigend BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.32; a.A. jedoch Neumann, GmbHR 2012, 141 (148); Klaproth, DK 2017, 443 (444 ff.); Schießl in W/M, § 15 UmwStG Rz. 294 (Stand: März 2016); Peetz, GmbHR 2020, 467 (473); wohl auch Dieterlen/Golücke, GmbHR 2004, 1264 (1265 f.); a.A. hinsichtlich der 20-%-Grenze Finanzministerium Brandenburg v. 16.7.2014 – 35 – S 1978b – 2014/ 001, DStR 2014, 2180 (2181); Finanzbehörde Hamburg v. 13.4.2015 – S 1978c – 2012/002 – 53, DStR 2015, 1871. 3 Vgl. BFH v. 11.8.2021 – I R 39/18, BFH/NV 2022, 297; vgl. hierzu Broemel/Kölle, DStR 2022, 513 ff.; Schumacher, FR 2022, 218 ff.; Graw, Ubg 2022, 162 f.; Weißgerber, Ubg 2022, 163 ff.; Kölbl, Ubg 2022, 165 ff.; Schimmele, EStB 2022, 41 f.; Bünning, BB 2022, 242. Gl.A. FG Berlin-Brandenburg v. 31.5.2018 – 9 K 9143/16, EFG 2018, 1681 im 2. Rechtszug zu BFH I R 27/18; vgl. hierzu Weiss, GmbHR 2018, 1086 ff.; Bumiller, NWB 2019, 1738 ff.; Peetz, GmbHR 2020, 467 ff. A.A. FG Hamburg v. 18.9.2018 – 6 K 77/16, EFG 2019, 140 (Vorinstanz BFH I R 39/18); vgl. hierzu Weiss, StuB 2019, 158 ff.; Bumiller, NWB 2019, 1738 ff.; Peetz, GmbHR 2020, 467 ff. Nach dem Urteil des FG Hamburg v. 18.9.2018 waren die Regelungen der Sätze 3 und 4 des § 15 Abs. 2 UmwStG separat zu prüfen. Wenn durch die Spaltung nachweislich die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen werden (bspw. durch vertragliche Vereinbarungen zwischen den späteren Vertragsparteien), sollte eine Spaltung zu Buchwerten auch dann nicht möglich sein, wenn die schädliche Veräußerung erst nach Ablauf der Fünfjahresfrist erfolgt oder die 20-%-Grenze nicht überschritten wird. 4 Vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 263.

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E. Ab- und Aufspaltung von Kapitalgesellschaften | Rz. 14.137 Kap. 14

dem die Börsennotierung der an einer Spaltung beteiligten Gesellschaften hervorrufen.1 Die Feststellungslast für das Überschreiten der 20-%-Grenze hat jedoch in jedem Fall die Finanzverwaltung;2 Nachweisschwierigkeiten könnten sich hier bei grenzüberschreitenden Spaltungen bzw. Spaltungen mit ausländischen Anteilseignern ergeben. Fraglich ist generell, ob eine solche pauschalisierende Regelung überhaupt zulässig ist oder ob nicht zumindest (aus europarechtlichen Gründen) die Möglichkeit eines Gegenbeweises bestehen müsste.3 Mit der gleichen Begründung ist aus europarechtlichen Gründen auch die Regelung in § 15 Abs. 2 Satz 5 UmwStG abzulehnen.4 Danach kann § 11 Abs. 2 UmwStG in Fällen der Trennung von Gesellschafterstämmen nur dann angewendet werden, wenn die Beteiligungen an der übertragenden Körperschaft seit mindestens fünf Jahren vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag bestanden haben. Änderungen in der Beteiligungshöhe sind jedoch unschädlich.5 Ein Gesellschafterstamm stellt eine Gruppe von Gesellschaftern dar, die in einem wie auch immer ausgeprägten Zugehörigkeitsverhältnis (z.B. Familie, gleich gerichtete Interessen) stehen.6 Im grenzüberschreitenden Fall kann bei nicht vorhandenen anderen Begründungen möglicherweise ein in- und ausländischer Gesellschafterstamm unterstellt werden, wenn man annimmt, dass jeweils unterschiedliche Interessenlagen in dieser Weise abgegrenzt werden können. Findet sich kein Zugehörigkeitsverhältnis, so kann auch ein Gesellschafter alleine einen Gesellschafterstamm begründen.7 Diese Missbrauchsnorm tritt Gestaltungen entgegen, bei welchen ein Erwerber mittels Kapitalerhöhung an der übertragenden Gesellschaft beteiligt wird und sodann im Rahmen einer nicht verhältniswahrenden Spaltung zu null ein Teilbetrieb steuerneutral auf diesen übergehen soll.8

14.136

II. Ab- und Aufspaltung von Kapital- auf Personengesellschaften (§ 16 UmwStG) Die §§ 3–8, 10 und 15 UmwStG gelten gem. § 16 UmwStG bei einem Vermögensübergang einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft durch Auf- oder Ab1 Vgl. im Einzelnen Hörtnagl in S/H9, § 15 UmwStG Rz. 197; Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 264. 2 Vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 264. 3 Vgl. Hahn, GmbHR 2006, 462 (464 f.); Gille, IStR 2007, 194 (196 f.); Schwenke, DStZ 2007, 234 (247) für den Fall des § 22 UmwStG; Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 227, 240, 245; Sistermann, DStR 2012, Beihefter zu Heft 2, 9 (13); a.A. Neumann, GmbHR 2012, 141 (148). 4 Vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 272. 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.36. 6 Vgl. Dötsch/Stimpel in D/P/M, § 15 UmwStG Rz. 337 (Stand: Nov. 2017); Hörtnagl in S/ H9, § 15 UmwStG Rz. 222; Asmus in H/M/B5, § 15 UmwStG Rz. 188; Schumacher in R/H/ vL3, § 15 UmwStG Rz. 273; bei verbundenen Unternehmen ist auf die Konzernspitze abzustellen, vgl. Fey in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 453 (464 f.). 7 Vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 273; Bleifeld in Frotscher/Drüen, § 15 UmwStG Rz. 227 (Stand: Sept. 2021). 8 Vgl. Schumacher in R/H/vL3, § 15 UmwStG Rz. 271, mit Rekursion auf BT-Drucks. 12/ 6885 v. 24.2.1994, 23, Beispiel 1.

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Kap. 14 Rz. 14.137 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

spaltung entsprechend, soweit Vermögen übergeht. Zwar verweist § 15 UmwStG seinerseits auf die analoge Anwendung der §§ 11–13 UmwStG, aufgrund des direkten Verweises auf die §§ 3–8 UmwStG in § 16 UmwStG sind diese jedoch vorrangig.1 Bei der übertragenden Kapitalgesellschaft ist das übergehende Betriebsvermögen unter Beachtung der hierfür notwendigen Voraussetzungen grundsätzlich mit dem gemeinen Wert, auf Antrag gleichfalls mit dem Buchwert oder einem höheren Wert (maximal dem gemeinen Wert), anzusetzen. Das übertragene Vermögen muss bei der Spaltung Teilbetriebscharakter haben; im Fall der Abspaltung muss bei der übertragenden Kapitalgesellschaft ein Teilbetrieb verbleiben (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UmwStG, Rz. 14.126 ff.). Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, so sind die gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter anzusetzen. Wenn der Buchwert angesetzt wird, entsteht kein Übertragungsgewinn; wird ein höherer Wert angesetzt, so unterliegt der bei der übertragenden Kapitalgesellschaft entstehende Übertragungsgewinn der KSt und der GewSt (§ 3 i.V.m. § 16 Satz 1 UmwStG). Bei der übernehmenden Personengesellschaft ist das übergehende Betriebsvermögen mit den gleichen Werten wie bei dem übertragenden Unternehmen anzusetzen (Wertverknüpfung, § 4 Abs. 1 i.V.m. § 16 Satz 1 UmwStG; s. Rz. 14.68 ff.). Auch ansonsten kann auf die Ausführungen in Kapitel C (Rz. 14.14 ff.) und Kapitel E.I (Rz. 14.119 ff.) verwiesen werden.

F. Einbringung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft I. Wertansätze und Gewinnermittlung bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft 1. Regelbewertung zum gemeinen Wert a) Erstbewertung

14.138 Die Kapitalgesellschaft hat das eingebrachte Vermögen (Betrieb, Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil) in ihrer Steuerbilanz grundsätzlich zum gemeinen Wert anzusetzen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 UmwStG). Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine inländische oder ausländische übernehmende Gesellschaft handelt.2 Auf die Wertansätze in der Handelsbilanz kommt es nicht an (Rz. 14.6). Der übernehmende Rechtsträger erstellt im Bereich des § 20 UmwStG keine gesonderte Schlussbilanz; vielmehr wird in der „normalen“ Steuerbilanz die Einbringung abgebildet.3 Wenn ein Mitunternehmeranteil eingebracht wird und der übernehmende Rechtsträger den gemeinen Wert ansetzt, hat die Mitunternehmerschaft die aufgestockten Werte in Ergänzungsbilanzen zu übernehmen.4 1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 16.01. 2 Vgl. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 208 (Stand: April 2015); Jäschke in Lademann3, § 20 UmwStG Rz. 19. 3 Vgl. Hötzel/Kaeser in FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 347; Förster, GmbHR 2012, 237 (243); Kroener/Momen, DB 2012, 71 (73). 4 Vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 251; Ott, StuB 2012, 131 (134).

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F. Einbringung in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft | Rz. 14.139 Kap. 14

Die Ermittlung des gemeinen Wertes der Sachgesamtheit erfolgt analog zu § 3 Abs. 1 Satz 1 UmwStG (Rz. 14.25).1 Die Bewertung zum gemeinen Wert erfolgt nicht bezogen auf jedes einzelne übertragene Wirtschaftsgut, sondern bezogen auf die Gesamtheit der übertragenen aktiven und passiven Wirtschaftsgüter (Bewertung als Sachgesamtheit).2 Der Saldo der gemeinen Werte der aktiven und passiven Wirtschaftsgüter bildet den gemeinen Wert des Betriebsvermögens.3 Hierbei sind folglich auch selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter einschließlich eines Geschäfts- oder Firmenwertes einzubeziehen.4 Entsprechend sind halbfertige Arbeiten und selbstständig abrechenbare Teilleistungen nicht nur mit den bisher angefallenen Selbstkosten, sondern auch mit den darin enthaltenen anteiligen Gewinnen zu erfassen.5 Steuerfreie Rücklagen sind vollständig aufzulösen.6 Pensionsrückstellungen sind hingegen nach § 6a EStG zu bewerten (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 UmwStG), dieser Teilwert darf nicht überschritten werden. Die in diesen Rückstellungen enthaltene stille Last in Höhe der Differenz zwischen dem Teilwert nach § 6a EStG und dem gemeinen Wert der Verpflichtung darf auch nicht den Geschäfts- oder Firmenwert mindern (zur Diskussion Rz. 14.29).7 Da für den übernehmenden Rechtsträger die steuerlichen Ansatzverbote des § 5 EStG im Zeitpunkt der Einbringung nicht gelten,8 ist davon auszugehen, „dass bei der Ermittlung des gemeinen Werts der eingebrachten Sachgesamtheit steuerrecht-

1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.17 i.V.m. Rz. 03.07; Bäuml in Kraft/Edelmann/Bron2, § 20 UmwStG Rz. 235. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.17 i.V.m. Rz. 03.07; demgegenüber für eine einzelwirtschaftsgutbezogene Ermittlung des gemeinen Wertes Herlinghaus in R/H/vL3, § 20 UmwStG Rz. 243; Hötzel/Kaeser in FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 340. 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.17; Bäuml in Kraft/Edelmann/Bron2, § 20 UmwStG Rz. 238. 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.17; Hötzel/Kaeser in FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 345; Menner in H/M/B5, § 20 UmwStG Rz. 418; Schmitt in S/H9, § 20 UmwStG Rz. 285; Ley, FR 2007, 109; Herlinghaus in R/H/vL3, § 20 UmwStG Rz. 244; Nitzschke in Brandis/Heuermann, § 20 UmwStG Rz. 78c (Stand: Juni 2020). Wenn die übernehmende Gesellschaft die Bewertung zum gemeinen Wert vornimmt, ohne jedoch einen originären Geschäfts- oder Firmenwert auszuweisen, handelt es sich um einen Zwischenwertansatz, vgl. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 204 (Stand: April 2015). 5 Vgl. BFH v. 10.7.2002 – I R 79/01, BStBl. II 2002, 784; Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 200 (Stand: April 2015). 6 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.17; Pitzal, DStR 2011, 2373 (2377). 7 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.17 i.V.m. Rz. 03.08, Rz. 23.18; a.A. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 199 (Stand: April 2015); Herlinghaus in R/H/vL3, § 20 UmwStG Rz. 257. 8 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.20.

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Kap. 14 Rz. 14.139 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

liche Passivierungsverbote keine Bedeutung haben.“1 Damit sind z.B. Drohverlustrückstellungen mit dem gemeinen Wert zu passivieren.2 Die Bewertung mit dem gemeinen Wert bzw. mit dem Teilwert i.S.d. § 6a EStG ist nach den Verhältnissen zum steuerlichen Übertragungsstichtag (§ 20 Abs. 5, 6 EStG) vorzunehmen.3 Die Aufteilung des gemeinen Wertes der Sachgesamtheit auf die einzelnen Wirtschaftsgüter erfolgt analog zu § 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG im Verhältnis der Teilwerte der übergehenden Wirtschaftsgüter,4 was eine zusätzliche Ermittlung der Teilwerte erforderlich macht.5

14.140 Abbildung stiller Lasten bei Übertragung passivierungsbeschränkter Verpflichtungen. Wenn Verpflichtungen übertragen werden, die beim ursprünglich Verpflichteten Ansatzverboten, -beschränkungen oder Bewertungsvorbehalten unterlegen haben, ist der sich aus diesem Vorgang beim Veräußerer ergebende Aufwand nicht sofort abzugsfähig, sondern wird im Wirtschaftsjahr der Schuldübernahme und den nachfolgenden 14 Wirtschaftsjahren gleichmäßig verteilt als Betriebsausgabe abgezogen (§ 4f Abs. 1 Satz 1 EStG; hierzu eingehend Rz. 14.16 ff.). Erfolgt die Schuldübernahme im Rahmen einer Veräußerung oder Aufgabe eines gesamten Betriebs oder der Veräußerung oder Aufgabe eines gesamten Mitunternehmeranteils, ist der sich aus der Schuldübernahme ergebende Aufwand sofort in vollem Umfang abzugsfähig (§ 4f Abs. 1 Satz 3 EStG). Die ursprünglichen Passivierungsbeschränkungen, die für den Übertragenden galten, sind in der auf das Ende des Wirtschaftsjahres aufzustellenden Steuerbilanz des Übernehmenden, in das die Übertragung der Verpflichtung fällt, wieder anzuwenden (§ 5 Abs. 7 Satz 1 EStG). Für den sich aus § 5 Abs. 7 Sätze 1-3 ergebenden Erwerbsgewinn, der aus der Auflösung oder Abwertung der Rückstellung resultiert, kann i.H.v. 14/15 eine gewinnmindernde Rücklage in der Steuerbilanz des Erwerbers gebildet werden (Wahlrecht), die in den nachfolgenden 14 Wirtschaftsjahren jeweils mindestens zu 1/14 gewinnerhöhend aufzulösen ist (Auflösungszeitraum; § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG). § 4f Abs. 1 Satz 1 EStG ist auch auf passivierungsbeschränkte Verpflichtungen im Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft anwendbar, denn nach dem ertragsteuerlichen Transparenzprinzip und der damit einhergehenden Übertragung der ideellen Anteile an den Wirtschaftsgütern der Gesamthand und gegebenenfalls Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens des Mitunternehmers kommt es zu einer anteiligen Übertragung der passivierungsbeschränkten Verpflichtungen im Ge-

1 Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 251. 2 Vgl. Hötzel/Kaeser in FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 345; Gemmel/Schultes-Schnitzlein, NWB 2012, 731 (735). 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.17 i.V.m. Rz. 03.09. 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.17 i.V.m. Rz. 03.09; Hötzel/Kaeser in FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 339, Anm. zu Rz. 20.17. 5 Vgl. Ott, StuB 2012, 131 (134).

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F. Einbringung in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft | Rz. 14.140 Kap. 14

samthandsvermögen der Mitunternehmerschaft.1 Nach § 4f Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 EStG findet bei der Veräußerung oder Aufgabe des gesamten Mitunternehmeranteils, d.h. der Anteil am Gesamthandsvermögen sowie das dem Mitunternehmer zuzurechnende Sonderbetriebsvermögen, keine Aufwandsstreckung nach § 4f Abs. 1 Satz 1, 2 EStG statt.2

Wird nur ein Teil des Mitunternehmeranteils veräußert, findet die Ausnahmeregelung nach § 4f Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 EStG keine Anwendung, so dass der Aufwand aus der Übertragung der ideellen Anteile an den Verpflichtungen über 15 Jahre zu verteilen ist. Bei einer späteren Aufgabe oder Veräußerung des restlichen Mitunternehmeranteils sollte der Ausnahmetatbestand nach § 4f Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 EStG auch für das noch nicht verbrauchte Abzugspotenzial gelten.3 Bei der Veräußerung eines Teils des Mitunternehmeranteils sind die weiteren Ausnahmeregelungen von der Aufwandsverteilung nach § 4f Abs. 1 Satz 3 EStG zu beachten, so dass die zeitliche Streckung des Aufwands dennoch ausbleiben kann.4 Sachgerecht ist die Anwendung von § 4f Abs. 1 Satz 4 EStG auch für die Veräußerung eines Teils des Mitunternehmeranteils, was zu einer wirtschaftlichen Gleichstellung mit der Teilbetriebsveräußerung führt.5 Nach § 5 Abs. 7 Satz 3 EStG gilt zur Sicherung des Transparenzprinzips § 5 Abs. 7 Satz 1 EStG ebenso für den entgeltlichen Erwerb eines Mitunternehmeranteils.6 Da wirtschaftlich die Verpflichtungen auf den Erwerber übergehen, zivilrechtlich jedoch die Personengesellschaft Verpflichteter bleibt, sind die (anteiligen) stillen Lasten in der Ergänzungsbilanz des übernehmenden Mitunternehmers abzubilden und die Gesamthandsbilanz bleibt davon unberührt.7 Dementsprechend muss die stille Last im 1 Vgl. BMF v. 30.11.2017 – IV C 6 - S 2133/14/10001, BStBl. I 2017, 1619 Rz. 20; vgl. auch Riedel, Ubg 2017, 580 (583). Gl.A. Förster/Staaden, Ubg 2014, 1 (5); Schultz/Debnar, BB 2014, 107 (109); Förster/Staaden, BB 2016, 1323 (1323); Krumm in Brandis/Heuermann, § 4f EStG Rz. 22 (Stand: Dez. 2021); Heinemann, StbJb. 2014/2015, 307 (321); NeumannTomm in Lademann, § 4f EStG Rz. 41 (Stand: März 2018); Schober in H/H/R, § 4f EStG Anm. 11 (Stand: Aug. 2019). A.A. Dannecker/Rudolf, BB 2014, 2539 (2540 f.); Schindler, GmbHR 2014, 561 (564); Schindler in Kirchhof/Seer21, § 4f EStG Rz. 12; Hörner in Frotscher/Geurts, § 4f EStG Rz. 29 (Stand: Okt. 2018); Adrian, StbJb. 2014/2015, 307 (320 f.). 2 Vgl. z.B. Krumm in Brandis/Heuermann, § 4f EStG Rz. 35a (Stand: Dez. 2021). 3 Vgl. Förster/Staaden, Ubg 2014, 1 (7); Krumm in Brandis/Heuermann, § 4f EStG Rz. 33 (Stand: Dez. 2021); Riedel, Ubg 2014, 421 (424); Hörner in Frotscher/Geurts, § 4f EStG Rz. 30 (Stand: Okt. 2018). 4 Vgl. Förster/Staaden, BB 2016, 1323 (1325); Dannecker/Rudolf, BB 2014, 2539 (2541). 5 Vgl. Förster/Staaden, Ubg 2014, 1 (6); Förster/Staaden, BB 2016, 1323 (1324 f.); Dannecker/Rudolf, BB 2014, 2539 (2541); Hörner in Frotscher/Geurts, § 4f EStG Rz. 42 (Stand: Okt. 2018); a.A. Benz/Placke, DStR 2013, 2653 (2655); OFD Magdeburg v. 2.6.2014 – S 2133-27-St21, DStR 2014, 1546 (1548 f.). 6 Vgl. Schindler, GmbHR 2014, 786 (789); Korn/Strahl, KÖSDI 2014, 18746 (18750). Bei einem Erwerb eines Mitunternehmeranteils greift grundsätzlich § 5 Abs. 7 Satz 1 EStG nicht, denn zivilrechtlich werden die Verpflichtungen der Personengesellschaft dieser zugerechnet und damit nicht von dem Erwerber des Mitunternehmeranteils übernommen, vgl. z.B. Benz/Placke, DStR 2013, 2653 (2659); Schultz/Debnar, BB 2014, 107 (110). 7 Vgl. BT-Drucks. 18/68 (neu) v. 20.11.2013, 74; Förster/Staaden, Ubg 2014, 1 (10); Korn/ Strahl, KÖSDI 2014, 18746 (18750); Benz/Placke, DStR 2013, 2653 (2659).

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Kap. 14 Rz. 14.140 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

Gesamthandsvermögen im Zeitpunkt der Übertragung des Mitunternehmeranteils zunächst gemäß dem Prinzip der Neutralität der Anschaffungskosten in der Ergänzungsbilanz mit dem Verkehrswert erfasst werden und dann zum folgenden Abschlussstichtag entsprechend der geltenden Passivierungsvorbehalte gewinnerhöhend ausgebucht oder im Wert korrigiert werden.1 Die Möglichkeit zur Bildung einer gewinnmindernden Rücklage nach § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG besteht ebenfalls in der Ergänzungsbilanz.2 Dieses Wahlrecht können die betroffenen Mitunternehmer individuell ausüben.3 § 5 Abs. 7 Satz 6 EStG gilt entsprechend. § 5 Abs. 7 Satz 3 EStG hat allein beim übernehmenden Gesellschafter Auswirkungen auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer. Die Norm ist sowohl bei der Übertragung eines gesamten Mitunternehmeranteils als auch bei der Übertragung eines Teilmitunternehmeranteils anzuwenden.4 Die Veräußerung eines Mitunternehmerteilanteils kann zu einer Erhöhung der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage der Gesamthand und damit der Gewinnanteile der übrigen Mitunternehmer führen; dies sollte bei der Gestaltung gesellschaftsvertraglicher Steuerklauseln einbezogen werden.5 Nach dem BMF-Schreiben ist § 4f Abs. 1 Satz 4 EStG entsprechend bei Umwandlungen und Einbringungen von Teilbetrieben nach dem UmwStG anwendbar.6 Bei einer Teilbetriebsveräußerung oder -aufgabe ist ein Veräußerungs- oder Aufgabeverlust um den Aufwand aus einer Schuldübernahme i.S.d. § 4f Abs. 1 Satz 1 EStG zu vermindern, soweit diese den Verlust begründet oder erhöht hat (§ 4f Abs. 1 Satz 4 EStG). b) Folgebewertung

14.141 Wenn das eingebrachte Betriebsvermögen mit dem gemeinen Wert angesetzt wird, ist hinsichtlich der Rechtsfolgen für die übernehmende Gesellschaft danach zu unterscheiden, ob die Einbringung im Wege der Einzel- oder der Gesamtrechtsnachfolge vollzogen wurde (§ 23 Abs. 4 UmwStG).7 1 Vgl. Watrin in Frotscher/Geurts, § 5 EStG Rz. 448h (Stand: März 2019); Benz/Placke, DStR 2013, 2653 (2659); Ley, DStR 2007, 589 (594); Schindler, GmbHR 2014, 786 (789); Förster/Staaden, BB 2016, 1323 (1326). 2 Vgl. Lüdenbach/Hoffmann, GmbHR 2014, 123 (127); Dannecker/Rudolf, BB 2014, 2539 (2540). 3 Vgl. Dannecker/Rudolf, BB 2014, 2539 (2540); Krumm in Brandis/Heuermann, § 5 EStG Rz. 242g (Stand: Dez. 2021); Lüdenbach/Hoffmann, GmbHR 2014, 123 (127). 4 Vgl. Neumann-Tomm in Lademann, § 5 EStG Rz. 2253 (Stand: März 2022); Schindler, GmbHR 2014, 786 (790); M. Prinz, Ubg 2013, 57 (66); Reddig in Kirchhof/Seer21, § 5 EStG Rz. 234. 5 Vgl. Benz/Placke, DStR 2013, 2653 (2659); Förster/Staaden, BB 2016, 1323 (1325); Levedag, GmbHR 2009, 13 ff. 6 Vgl. BMF v. 30.11.2017 – IV C 6 - S 2133/14/10001, BStBl. I 2017, 1619 Rz. 19; Horst, FR 2015, 824 (826); a.A. Melan/Wecke, Ubg 2017, 253 (258). 7 Zur Problematik dieser Abgrenzung, auch mit Blick auf Vorgänge nach einer ausländischen Rechtsordnung, vgl. Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 112–118 (Stand: Okt. 2020). Wenn eine Einbringung sowohl im Wege der Gesamtrechtsnachfolge als auch im Wege

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F. Einbringung in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft | Rz. 14.142 Kap. 14

Es kommt nicht zu einem Eintritt der übernehmenden Kapitalgesellschaft in die steuerliche Rechtsstellung des Einbringenden, wenn die Einbringung im Wege der Einzelrechtsnachfolge zum gemeinen Wert erfolgt. Vielmehr liegt ein Anschaffungsgeschäft des übernehmenden Rechtsträgers vor, so dass die Kapitalgesellschaft die Absetzung für Abnutzung im Rahmen des § 7 EStG frei wählen kann;1 sie ist nicht an die AfA-Methode des Einbringenden gebunden; die Nutzungsdauer ist neu zu schätzen. Für geringwertige Wirtschaftsgüter steht der Übernehmerin die Bewertungsfreiheit nach § 6 Abs. 2, 2a EStG offen.2 Die übernehmende Gesellschaft trifft keine Zuschreibungspflicht, wenn sie ein Wirtschaftsgut übernimmt, auf das der Einbringende eine Teilwertabschreibung vorgenommen hat und der Wert am steuerlichen Übertragungsstichtag noch nicht wieder angestiegen ist, sich danach aber erhöht.3 Zum steuerlichen Übertragungsstichtag gilt der vom Einbringenden angesetzte (niedrigere) Teilwert gem. § 23 Abs. 4 Halbs. 1 UmwStG als Anschaffungskosten, so dass das Wertaufholungsgebot (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4, Nr. 2 Satz 3 EStG) nicht zum Tragen kommt.4 Im Fall der Gesamtrechtsnachfolge tritt die Übernehmerin die steuerliche Rechtsnachfolge des Einbringenden an; daher sind die Abschreibungsbeträge wie bei einem Zwischenwertansatz gem. § 23 Abs. 3 UmwStG (Rz. 14.158 ff.) zu ermitteln (§ 23 Abs. 4 Halbs. 2 UmwStG).5 Eine Anrechnung von Besitz- und Verbleibenszeiten erfolgt in beiden Fällen des § 23 Abs. 4 UmwStG nicht.6 Verstrickung. Wenn durch den Einbringungsvorgang das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebs oder Teilbetriebs erstmalig begründet wird, erfolgt die Bewertung dieser Wirtschaftsgüter beim übernehmenden Rechtsträger nach dem Willen des Gesetzgebers zum Zeitpunkt der Einbringung mit dem vom ausländischen Staat im Rahmen seiner Entstrickungsbesteuerung angesetzten Wert oder mit dem gemeinen Wert, wenn im Aus-

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der Einzelrechtsnachfolge erfolgt, wird der Vorgang für Zwecke des § 23 Abs. 4 UmwStG einheitlich als Gesamtrechtsnachfolge beurteilt. Dies ist etwa bei der Verschmelzung einer KG auf eine GmbH mit gleichzeitigem Übergang des Sonderbetriebsvermögens im Wege der Einzelrechtsnachfolge der Fall, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.20; Ritzer in R/H/vL3, § 23 UmwStG Rz. 253; Widmann in W/ M, § 23 UmwStG Rz. 229 (Stand: Mai 2008). Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.21; Wochinger in Kraft/Edelmann/Bron2, § 23 UmwStG Rz. 38. Vgl. Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 125 (Stand: Okt. 2020); Wochinger in Kraft/Edelmann/Bron2, § 23 UmwStG Rz. 38. Vgl. Herzig/Rieck/Gehring, BB 1999, 575 (579); Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 125 (Stand: Okt. 2020). Vgl. Ritzer in R/H/vL3, § 23 UmwStG Rz. 246. Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.19. Vgl. Ritzer in R/H/vL3, § 23 UmwStG Rz. 255; Bilitewski in H/M/B5, § 23 UmwStG Rz. 21; Widmann in W/M, § 23 UmwStG Rz. 410 (Stand: März 2009); Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 128, 133 (Stand: Okt. 2020); Schmitt in S/H9, § 23 UmwStG Rz. 99.

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Kap. 14 Rz. 14.142 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

land keine Entstrickungsbesteuerung erfolgt.1 Auf die konkrete Ausübung des Antragswahlrechts nach § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG (Rz. 14.143 ff.) kommt es hier nicht an, denn die Begründung des deutschen Besteuerungsrechts stellt eine Einlage dar, so dass das ausländische Betriebsvermögen mit dem vom ausländischen Staat im Rahmen seiner Entstrickungsbesteuerung angesetzten Wert für deutsche Besteuerungszwecke zu übernehmen ist oder der gemeine Wert zum Tragen kommt, sofern im Ausland keine Entstrickungsbesteuerung erfolgt (§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG).2 Durch die Bewertung zum gemeinen Wert bzw. durch die Wertverknüpfung werden eingelegte stille Reserven der Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens von der deutschen Besteuerung ferngehalten.3 Im Gegensatz zum Verschmelzungsfall (Rz. 14.50, dort Fn. 3) ist die Anwendung der allgemeinen Verstrickungsnormen beim Einbringungsfall damit unstrittig.4 § 23 Abs. 1 UmwStG gilt für diese Wirtschaftsgüter nicht, vielmehr kommt § 23 Abs. 4 UmwStG zur Anwendung.5 Die Möglichkeit eines Buchwertansatzes für das übrige eingebrachte Betriebsvermögen bleibt hiervon unberührt.6 2. Auf Antrag Bewertung mit dem Buchwert bzw. Zwischenwert a) Voraussetzungen des Buchwert- bzw. Zwischenwertansatzes

14.143 Abweichend von § 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG darf das eingebrachte Betriebsvermögen auf Antrag – unabhängig vom Wertansatz in der Handelsbilanz7 (Rz. 14.6) – mit seinem Buchwert oder mit einem Zwischenwert angesetzt werden (§ 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG), sofern die folgenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: – Es muss sichergestellt sein, dass das eingebrachte Vermögen bei der übernehmenden Körperschaft der Besteuerung mit KSt unterliegt (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UmwStG). – Das übernommene Betriebsvermögen darf kein negatives Kapital ausweisen, d.h., die Passivposten des eingebrachten Betriebsvermögens (ohne das Eigenkapital) dürfen die Aktivposten nicht übersteigen (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG). – Das Recht Deutschlands hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens bei dem übernehmenden Rechtsträger darf weder ausgeschlossen noch beschränkt werden (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG). 1 Vgl. BT-Drucks. 16/2710 v. 25.9.2006, 43; Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 197, 228 (Stand: Juni 2020, März 2018); Ley, FR 2007, 109; Förster/Wendland, BB 2007, 631; Schmitt/Schlossmacher, DB 2010, 522; a.A. Herlinghaus in R/H/vL3, § 20 UmwStG Rz. 309; Koch in Widmann/Bauschatz, § 20 UmwStG Rz. 321. 2 Vgl. BT-Drucks. 16/2710 v. 25.9.2006, 43; Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 252. 3 Vgl. Schreiber/Kahle/Ruf, Besteuerung der Unternehmen5, 795. 4 Vgl. auch Benecke/Beinert, FR 2010, 1120 (1125 f.). 5 Vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 326; a.A. Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 7, 51 (Stand: Okt. 2020); Wochinger in Kraft/Edelmann/Bron2, § 23 UmwStG Rz. 10. 6 Vgl. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 197, 228 (Stand: Juni 2020, März 2018); Schmitt in S/H9, § 20 UmwStG Rz. 297. 7 Vgl. BT-Drucks. 16/2710 v. 25.9.2006, 43; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/ 10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.20.

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F. Einbringung in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft | Rz. 14.143 Kap. 14

– Werden neben den neuen Gesellschaftsanteilen auch sonstige Gegenleistungen gewährt, darf der gemeine Wert dieser nicht mehr betragen als 25 % des Buchwerts des eingebrachten Betriebsvermögens oder 500.000 €, höchstens jedoch den Buchwert des eingebrachten Betriebsvermögens (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 UmwStG).1 Wenn der Einbringende neben den Gesellschaftsanteilen noch sonstige Gegenleistungen erhält, wird das eingebrachte Betriebsvermögen abweichend von § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG mindestens mit dem gemeinen Wert der neben den neuen Anteilen gewährten sonstigen Gegenleistungen angesetzt, wenn dieser den sich nach § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG ergebenden Wert übersteigt (§ 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG, „Zwang zum Ansatz von Zwischenwerten“2). Behält der Einbringende Wirtschaftsgüter in einem zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang3 mit der Einbringung eines Betriebs zurück, die wesentliche Betriebsgrundlagen4 sind, ist keine Einbringung nach § 20 UmwStG anzunehmen, da die Voraussetzungen des § 20 UmwStG nicht erfüllt sind, sondern vielmehr die Übertragung einer Vielzahl von Einzelwirtschaftsgütern gegen den Erwerb einer Beteiligung an der übernehmenden Kapitalgesellschaft5; es sei denn, es handelt sich bei den übertragenen Wirtschaftsgütern für sich genommen um einen Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil oder es kann von einem Anteilstausch nach § 21 UmwStG ausgegangen werden.6 Nicht ausreichend ist 1 Vgl. zu den sonstigen Gegenleistungen Benecke/Möllmann, FR 2016, 741 ff.; Ott, StuB 2015, 909 ff.; Ott, StuB 2016, 812 ff.; Bron, DB 2015, 940 ff.; Ettinger/Mörz, GmbHR 2016, 154 ff.; Wälzholz, DStZ 2015, 449 ff.; Bilitewski/Heinemann, Ubg 2015, 513 ff.; Ritzer/ Stangl, DStR 2015, 849 (853 ff.); Rödder, Ubg 2015, 329 ff.; Rapp, DStR 2017, 580 ff.; Schaaf/Hannweber, DStZ 2016, 155 ff. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.19; bei der Bemessung der Anschaffungskosten der neuen Anteile ist der gemeine Wert der anderen Wirtschaftsgüter abzuziehen, § 20 Abs. 3 Satz 3 UmwStG. 3 Bei Einbringungsfällen ist auch die Gesamtplanrechtsprechung zu prüfen, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.07. Dies wird von der Literatur zu Recht vehement kritisiert, vgl. z.B. Herlinghaus in R/H/vL3, § 20 UmwStG Rz. 106 ff.; Menner in H/M/B5, § 20 UmwStG Rz. 69, 165, je m.w.N.; Schulze zur Wiesche, DStR 2015, 1161 (1165 f.); Förster/Förster, FR 2016, 596 (603 ff.); Herlinghaus, FR 2014, 441 (451 ff.). 4 Bei der Bestimmung der wesentlichen Betriebsgrundlagen gilt eine auf den jeweiligen Betrieb bezogene funktionale Betrachtungsweise, auf eine quantitative Betrachtungsweise kommt es nicht an, vgl. BFH v. 29.11.2017 – I R 7/16, BStBl. II 2019, 738 Rz. 27; BFH v. 25.11.2009 – I R 72/08, BStBl. II 2010, 471; BFH v. 16.12.2009 – I R 97/08, BStBl. II 2010, 808; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.06; Menner in H/M/B5, § 20 UmwStG Rz. 65. 5 Es kommt dann zu einer Gewinnrealisierung der übertragenen Einzelwirtschaftsgüter nach den allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen, vgl. BFH v. 9.11.2011 – X R 60/09, BStBl. II 2012, 638 Rz. 29; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.07. 6 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.06 f.; Schmitt in S/H9, § 20 UmwStG Rz. 75; Menner in H/M/B5, § 20 UmwStG Rz. 66; Hofacker in Haase/Hofacker3, § 20 UmwStG Rz. 55 f.; Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 64 (Stand: Nov. 2019); Herlinghaus in R/H/vL3, § 20 UmwStG Rz. 80, 95; BFH v. 29.11.2017 – I R 7/ 16, BStBl. II 2019, 738; zum BFH-Urteil vgl. Wacker, DStR 2018, 1019 f.

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Kap. 14 Rz. 14.143 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

es, wenn zwar wesentliche Wirtschaftsgüter nicht eingebracht werden, aber weiterhin zur Nutzung überlassen werden und der übernehmende Rechtsträger dadurch ein obligatorisches Nutzungsrecht erhält.1

14.144 Grenzüberschreitende Einbringung. Im internationalen Kontext ist insbesondere die dritte Bedingung relevant. Wenn ein inländischer Betrieb oder Teilbetrieb eines unbeschränkt Steuerpflichtigen in eine ausländische EU-/EWR-Kapitalgesellschaft eingebracht wird (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG), so dass bei der Übernehmerin eine Betriebsstätte im Inland verbleibt, wird die ausländische Kapitalgesellschaft beschränkt steuerpflichtig. Sie kann auf Antrag den Buch- oder Zwischenwert ansetzen. Denn das eingebrachte Betriebsvermögen bleibt in Deutschland steuerverhaftet und es kommt zu keiner Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts. Deutschland hat aufgrund des Art. 13 Abs. 2 OECD-MA das Besteuerungsrecht der Betriebsstättengewinne. Allerdings besteht für einige Wirtschaftsgüter nach Auffassung der Finanzverwaltung ein Zuordnungsgebot zum Stammhaus (Zentralfunktion des Stammhauses),2 so dass insoweit das deutsche Besteuerungsrecht verloren geht.3 Beteiligungen und Finanzmittel, die dem Gesamtunternehmen dienen, immaterielle Wirtschaftsgüter und der originäre Geschäfts- oder Firmenwert dürfen hiernach grundsätzlich nur dem Stammhaus zugerechnet werden.4 Eine mögliche Einschränkung könnte sich jedoch aus § 1 Abs. 5 AStG und dem darin umgesetzten AOA ergeben (vgl. Rz. 14.47). Verbleibt durch die Einbringung keine Betriebsstätte im Inland, wird das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen und es kommt zum Ansatz des Betriebsvermögens zum gemeinen Wert und damit zur Besteuerung der stillen Reserven. 14.145 Die dritte Voraussetzung kann zudem die Einbringung von ausländischem Betriebsstättenvermögen einer inländischen Kapitalgesellschaft in eine in einem anderen EU-/EWR-Staat steuerlich ansässige Kapitalgesellschaft betreffen, sofern die Betriebsstättenerfolge vor der Einbringung durch das entsprechende DBA mit Deutschland nicht von der deutschen Besteuerung freigestellt sind. Im Falle von ausländischen Betriebsstätten, bei denen die Freistellungsmethode greift, kann das deutsche Besteuerungsrecht durch die Einbringung nicht beschränkt oder ausgeschlossen werden, 1 Vgl. BFH v. 29.11.2017 – I R 7/16, BStBl. II 2019, 738 Rz. 33; BFH v. 7.4.2010 – I R 96/08, BStBl. II 2011, 467; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.06. 2 Vgl. zur Kritik z.B. Haun/Reiser/Mödinger, GmbHR 2010, 637 (640); Kessler/Jehl, IWB 2007, 833 (835 f.); Blumers, DB 2006, 856; Nitzschke in Brandis/Heuermann, § 20 UmwStG Rz. 84a (Stand: Juni 2020). 3 Vgl. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 226 (Stand: Juni 2017); Bäuml in Kraft/Edelmann/ Bron2, § 20 UmwStG Rz. 287. 4 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, bestätigt durch BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888 Rz. 2.4; vgl. ebenfalls BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 345 Rz. 2.2.4.1. Finanzmittel, die durch die Betriebsstätte erwirtschaftet wurden, gehören nur dann zu deren Betriebsvermögen, wenn sie zur Absicherung der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte erforderlich sind oder der Betriebsstätte zur Finanzierung von beschlossenen oder in absehbarer Zeit vorgesehenen Investitionen dienen.

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F. Einbringung in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft | Rz. 14.146 Kap. 14

weil Deutschland bereits vor der Einbringung die Besteuerung der Gewinne der Betriebsstätte nicht zustand.1 In diesem Fall ist der Ansatz frei wählbar, „da es für die deutsche Besteuerung irrelevant ist, was mit den Wirtschaftsgütern der ausländischen Betriebsstätte geschieht.“2 Eine Betriebsstätte im Ausland, dessen DBA mit Deutschland die Anrechnungsmethode vorsieht, kann nicht steuerneutral in eine nicht in Deutschland ansässige EU-/EWR-Kapitalgesellschaft eingebracht werden, weil im Wege der Einbringung das Besteuerungsrecht für die Betriebsstättenerfolge auf den EU-/EWR-Staat übertragen wird, in dem die übernehmende Kapitalgesellschaft steuerlich ansässig ist.3 Das Betriebsvermögen muss daher mit dem gemeinen Wert angesetzt werden (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG).4 Bei einer EU-Anrechnungsbetriebstätte ist bei Ansatz des gemeinen Wertes eine fiktive ausländische Steuer, die bei Veräußerung der Wirtschaftsgüter angefallen wäre, gem. § 20 Abs. 7 i.V.m. § 3 Abs. 3 UmwStG nach den Grundsätzen des § 26 KStG anzurechnen, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden.5 Es kommt zu einer Besteuerung eines fiktiven Gewinns, ohne dass eine Stundungsmöglichkeit wie in § 4g EStG besteht, was der EuGH-Rechtsprechung zufolge gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt (vgl. Rz. 14.53).6 Die Erweiterung der Rechtsprechung des EuGH auf grenzüberschreitende Einbringungsfälle entsprechend § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, Abs. 7 i.V.m. § 3 Abs. 3 UmwStG, welche gleichfalls eine sofortige Besteuerung, ähnlich der finnischen Regelung, vorsehen, hat für Deutschland weitreichende Konsequenzen und macht eine europarechtskonforme Anpassung des UmwStG notwendig.7 b) Einzelfragen der Bewertung zum Buch- oder Zwischenwert Zwischenwertansatz. Wenn die übernehmende Kapitalgesellschaft einen Zwischenwert wählt, ist eine gleichmäßige Aufstockung der Buchwerte der aktiven und passiven Wirtschaftsgüter des eingebrachten Vermögens vorzunehmen, d.h., die in den 1 Vgl. Benz/Rosenberg in Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 155; Benz/Rosenberg, DB 2012, Beilage 1, 38 (44). 2 Benz/Rosenberg in Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 156. 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1380 Rz. 20.36; Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 226b (Stand: Juni 2017). Wenn im Rahmen einer grenzüberschreitenden Einbringung eine in einem anderen EU-Mitgliedstaat liegende Betriebsstätte eingebracht wird, verzichtet der Mitgliedstaat der einbringenden Gesellschaft gem. Art. 10 Abs. 1 Satz 1 FRL endgültig auf seine Besteuerungsrechte aus dieser Betriebsstätte. 4 Nach wohl h.M. verstößt die so erfolgende Besteuerung nicht gegen europäisches Recht, vgl. Dötsch/Pung, DK 2006, 258 (261); Benz/Rosenberg in Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 156; zur Anrechnung einer fiktiven ausländischen Steuer vgl. § 20 Abs. 7 UmwStG. 5 Diese fiktive Anrechnung entspricht der Vorgabe des Art. 10 Abs. 2 FRL. 6 Vgl. EuGH v. 23.11.2017 – C-292/16, ECLI:EU:C:2017:888 – A Oy, IStR 2018, 32 ff.; vgl. hierzu Linn/Pignot, IWB 2018, 114 ff.; Mitschke, IStR 2018, 65 ff.; Reuter, EuZW 2018, 83 ff.; Oppel, IWB 2018, 324 ff.; Müller, ISR 2018, 58 ff.; Müller, DB 2018, 27 f. 7 Vgl. Reuter, EuZW 2018, 83 (84); Mitschke, IStR 2018, 65 (67); Oppel, IWB 2018, 324 (328); Müller, ISR 2018, 58 (60); Kahle/Braun/Burger, FR 2018, 717 (726); Micker/Schwarz, IWB 2017, 344 (349).

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Kap. 14 Rz. 14.146 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

Buchwerten enthaltenen stillen Reserven sind prozentual gleichmäßig aufzudecken.1 Folglich ist eine gezielte Auflösung stiller Reserven nicht erlaubt.2 Die übernehmende Gesellschaft kann frei bestimmen, in welchem Maße stille Reserven aufgedeckt werden sollen;3 im Antrag (Rz. 14.60 ff.) muss aber ausdrücklich angegeben werden, in welcher Höhe oder zu welchem Prozentsatz dies geschehen soll.4 Bei der gleichmäßigen Aufstockung sind auch selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter und ein Geschäfts- oder Firmenwert zu berücksichtigen.5 Ebenso sind steuerfreie Rücklagen einzubeziehen.6 Die Ansätze in der Handelsbilanz sind für den Ansatz eines Zwischenwerts nicht maßgeblich (Rz. 14.6).7 Auch beim Zwischenwertansatz ist der Ansatz der Pensionsrückstellungen auf den Wert nach § 6a EStG begrenzt.8

14.147 Einheitlichkeit des Buchwertansatzes. Einem Antrag auf Fortführung der Buchwerte steht nicht entgegen, dass zum Teil Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert zu bewerten sind.9 Geht das Besteuerungsrecht für bestimmte Wirtschaftsgüter (z.B. aufgrund der Zentralfunktion des Stammhauses) gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG verloren,10 so sind nur die betroffenen Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert anzusetzen; im Übrigen bleibt ein Buchwert-Ansatz möglich.11 1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.14; Menner in H/M/B5, § 20 UmwStG Rz. 406; Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 205 (Stand: April 2015); Schlösser/Reichl/Rapp in S/B/B, Umwandlungen5, § 11 Rz. 643; Schmitt in S/H9, § 20 UmwStG Rz. 300; so bereits zur alten Rechtslage BFH v. 24.5.1984 – I R 166/78, BStBl. II 1984, 747. 2 Vgl. BFH v. 10.7.2002 – I R 79/01, BStBl. II 2002, 784; Kußmaul, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre8, 437. 3 Vgl. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 205 (Stand: April 2015). 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.21 i.V.m. 03.29; zu systematischen Bedenken vgl. Hötzel/Kaeser in FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 348. 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.18 und 23.14 i.V.m. 03.25; Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 207 (Stand: April 2015); Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 335; Herlinghaus in R/H/vL3, § 20 UmwStG Rz. 365; Bäuml in Kraft/ Edelmann/Bron2, § 20 UmwStG Rz. 305; Schmitt in S/H9, § 20 UmwStG Rz. 307; Nitzschke in Brandis/Heuermann, § 20 UmwStG Rz. 87 (Stand: Juni 2020); Koch in Widmann/Bauschatz, § 20 UmwStG Rz. 317; demgegenüber die sog. Stufentheorie vertretend Menner in H/M/B5, § 20 UmwStG Rz. 407; Widmann in W/M, § 20 UmwStG Rz. R 621 (Stand: August 2007). 6 Vgl. Menner in H/M/B5, § 20 UmwStG Rz. 406; Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 206a (Stand: April 2015); Schmitt in S/H9, § 20 UmwStG Rz. 306, 308; Herlinghaus in R/H/vL3, § 20 UmwStG Rz. 365; a.A. Widmann in W/M, § 20 UmwStG, Rz. R 625 (Stand: August 2007). 7 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.18 i.V.m. 03.25. 8 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.18. 9 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.18 i.V.m. Rz. 03.13. 10 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.19 i.V.m. Rz. 03.20. 11 Vgl. Menner in H/M/B5, § 20 UmwStG Rz. 399; Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 197 (Stand: Juni 2020); Schmitt in S/H9, § 20 UmwStG Rz. 296; ein Zwischenwertansatz liegt insgesamt nicht vor; a.A. Ley, FR 2007, 109.

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F. Einbringung in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft | Rz. 14.150 Kap. 14

Einbringungskosten. Die übernehmende Kapitalgesellschaft kann den Buchwertansatz auf entsprechenden Antrag hin auch dann wählen, wenn sie Einbringungskosten1 zu aktivieren hat, die unmittelbar der Übernahme bestimmter Wirtschaftsgüter zuzuordnen sind (sog. objektbezogene Kosten)2; hierzu zählt insbesondere die durch die Einbringung ausgelöste Grunderwerbsteuer.3 Aus der Sicht der Übernehmerin stellt der Einbringungsvorgang ein Anschaffungsgeschäft dar, so dass objektbezogene Kosten zu den Anschaffungskosten der eingebrachten Wirtschaftsgüter zählen.4 Im Fall der Aktivierung solcher Kosten liegt also kein Zwischenwertansatz vor, wenn im Übrigen die Buchwerte angesetzt werden.5

14.148

Unmöglichkeit eines Buchwertansatzes. Ein Ansatz zum Buchwert ist ausgeschlossen, wenn der gemeine Wert der Sachgesamtheit geringer ist als die Summe der Buchwerte der übertragenen Wirtschaftsgüter.6 In diesem Fall ist das einzelne Wirtschaftsgut zu dem unter dem Buchwert liegenden gemeinen Wert anzusetzen.

14.149

c) Antragstellung und Bilanzberichtigung Antragstellung. Der Buchwert oder ein Zwischenwert kann nur auf Antrag angesetzt werden; das Antragsrecht steht nur der übernehmenden Gesellschaft zu.7 Der Antrag 1 Zu den Einbringungskosten zählen Auszahlungen, „die im Zusammenhang mit der Durchführung der Einbringung oder Umwandlungsmaßnahme stehen“, Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 233 (Stand: Sept. 2021); regelmäßig führen Einbringungskosten zu sofort abzugsfähigen Betriebsausgaben. 2 Vgl. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 234 (Stand: Sept. 2021). 3 Vgl. BFH v. 17.9.2003 – I R 97/02, BStBl. II 2004, 686; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.01; Menner in H/M/B5, § 20 UmwStG Rz. 433 f.; Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 235 (Stand: Sept. 2021); Schmitt in S/H9, § 20 UmwStG Rz. 404; Widmann in W/M, § 20 UmwStG Rz. R 721 f. (Stand: August 2007); Müller, DB 1997, 1433; Bäuml in Kraft/Edelmann/Bron2, § 20 UmwStG Rz. 359; a.A. Orth, GmbHR 1998, 511; Schmidt/Hageböke, DStR 2003, 1813. Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Grunderwerbsteuer, die infolge einer Sacheinlage von Gesellschaftsanteilen aufgrund einer Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 GrEStG) ausgelöst wird, von der übernehmenden Gesellschaft nicht als Anschaffungskosten zu aktivieren; sie ist eine sofort abzugsfähige Betriebsausgabe, vgl. BFH v. 20.4.2011 – I R 2/10, BStBl. II 2011, 761; Borggräfe, DStR 1980, 123; Müller, DB 1997, 1433; Behrens, DStR 2008, 338; a.A. z.B. FG München v. 21.6.2005 – 2 K 3182/02, EFG 2007, 252 (Vorinstanz BFH VIII R 52/06); Menner in H/M/ B5, § 20 UmwStG Rz. 433; Schmitt in S/H9, § 20 UmwStG Rz. 306, 308; Widmann in W/ M, § 20 UmwStG Rz. R 722 (Stand: August 2007); Bäuml in Kraft/Edelmann/Bron2, § 20 UmwStG Rz. 359; Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 236 (Stand: Sept. 2021). 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.01. 5 Vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 335. 6 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.18 i.V.m. Rz. 03.12; Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 203 (Stand: April 2015); Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 252; a.A. Schumacher/Neitz-Hackstein, Ubg 2011, 409 (411); Hötzel/Kaeser in FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 340. 7 Vgl. Menner in H/M/B5, § 20 UmwStG Rz. 366; Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 209 (Stand: April 2015); Schmitt in S/H9, § 20 UmwStG Rz. 262, 264; Ott, StuB 2011, 620 (625); Widmann in W/M, § 20 UmwStG Rz. R 417 (Stand: August 2007); Herlinghaus in R/H/

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14.150

Kap. 14 Rz. 14.150 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

ist bei dem für die Besteuerung der übernehmenden Kapitalgesellschaft zuständigen Finanzamt (§ 20 AO) zu stellen, und zwar spätestens bis zur erstmaligen Abgabe der steuerlichen Schlussbilanz der übernehmenden Gesellschaft (§ 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG). Unter der Schlussbilanz wird die Steuerbilanz des übernehmenden Rechtsträgers zum Ende des Geschäftsjahres verstanden, in dem die Einbringung steuerlich wirksam geworden ist.1 Das Finanzamt hat ohne einen Antrag zwingend den gemeinen Wert anzusetzen.2 Wenn die übernehmende Kapitalgesellschaft im EU-/EWR-Ausland ansässig ist, muss die Anzeige beim deutschen Betriebsstättenfinanzamt (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 AO) erfolgen.3 Es ist strittig, ob der Antrag konkludent (z.B. durch Abgabe der Steuerbilanz) gestellt werden kann.4 Der Antrag muss inhaltlich hinreichend und klar bestimmt sein, er bedarf aber keiner besonderen Form.5 Ein bereits gestellter Antrag kann nicht geändert oder widerrufen werden,6 selbst dann nicht, wenn er vor der Abgabe der steuerlichen Schlussbilanz erfolgte.7 Auch mit Zustimmung des Finanzamts kommt eine Änderung des Antrags nicht in Betracht.8 Für jeden Einbringungsvorgang kann der Antrag nur einheitlich gestellt werden,9 so dass es nicht zu einer teilweisen Aufstockung und zu einer teilweisen Buchwertfort-

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vL3, § 20 UmwStG Rz. 264; Hofacker in Haase/Hofacker3, § 20 UmwStG Rz. 104; Mutscher in Frotscher/Drüen, § 20 UmwStG Rz. 237 (Stand: Feb. 2022). Vgl. Kaeser, DStR 2012, Beihefter zu Heft 2, 13 (15); Förster, GmbHR 2012, 237 (243); Kroener/Momen, DB 2012, 71 (73). Wird eine Steuerbilanz nicht aufgestellt, ist auf die Handelsbilanz mit einer Überleitungsrechnung nach § 60 Abs. 2 EStDV abzustellen, vgl. Neu/Schiffers/Watermeyer, GmbHR 2011, 729, zu Rz. 20.20–20.22; Ott, StuB 2012, 131 (135). Vgl. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 191 (Stand: Juni 2020); Strahl in Carlé/Korn/Stahl/ Strahl, Umwandlungen – Der neue Umwandlungssteuer-Erlass2, 92 Rz. 159. Vgl. Benz/Rosenberg in Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 158; Jäschke in Lademann3, § 20 UmwStG Rz. 67. Vgl. z.B. Hötzel/Kaeser in FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 347 f.; ein ausdrücklicher Antrag ist dem Risiko eines konkludenten Antrags vorzuziehen, „da gerade ein Buchwertansatz nicht ohne weiteres in der Steuerbilanz erkennbar sein dürfte“, Kaeser, DStR 2012, Beihefter zu Heft 2, 13 (15); gl.A. z.B. Demuth, KÖSDI 2010, 16997; Schmitt/ Schlossmacher, DB 2010, 522; Koch, BB 2011, 1067 (1068); Widmann in W/M, § 20 UmwStG Rz. R 439 (Stand: Mai 2009). Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.24 i.V.m. 03.29. Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.24; Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 213 (Stand: Juni 2017); Schmitt in S/H9, § 20 UmwStG Rz. 318. Vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 258; a.A. Hötzel/Kaeser in FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 351. Vgl. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 209 (Stand: April 2015); Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 258 f. Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.18 i.V.m. Rz. 03.13.

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F. Einbringung in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft | Rz. 14.152 Kap. 14

führung bei einem Einbringungsvorgang kommen kann.1 Bei Vorliegen mehrerer Einbringungsvorgänge können die Anträge unterschiedlich ausgeübt werden.2 Die Finanzverwaltung lässt bisher ungeklärt, ob das Antragswahlrecht bei grenzüberschreitenden Einbringungen auch dem übernehmenden ausländischen Rechtsträger zusteht, „wenn das durch einen in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtigen eingebrachte Vermögen weder vor noch nach der Einbringung in Deutschland steuerverstrickt war.“3 Diese Frage dürfte zu bejahen sein.4 Wenn Mitunternehmeranteile eingebracht werden, ist der Antrag gleichfalls durch die übernehmende Kapitalgesellschaft zu stellen.5 Bei einem Ansatz zum gemeinen Wert oder einem Zwischenwert hat die Mitunternehmerschaft, deren Anteile eingebracht werden, diese Werte im Rahmen von für die Mitunternehmer aufzustellenden Ergänzungsbilanzen zu übernehmen.6 Die Einbringung von mehreren Mitunternehmeranteilen wird seitens des Gesetzgebers nicht als ein einheitlicher Vorgang angesehen, sondern es wird auf den einzelnen Gesellschafter abgestellt (gesellschafterbezogene Betrachtungsweise), so dass für den einen Gesellschafter eine Aufstockung erfolgen kann, für den anderen Gesellschafter aber nicht.7

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Bilanzberichtigung. Wenn sich die übernehmende Gesellschaft für den Ansatz zu gemeinen Werten entschieden hat, diese aber nicht korrekt ermittelt werden, was im Rahmen einer späteren Betriebsprüfung offenkundig werden kann, wirkt sich eine Änderung der gemeinen Werte rückwirkend auf den Einbringungszeitpunkt gewinnmindernd oder gewinnerhöhend aus (Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG);8 es besteht keine Bindung an die bilanzierten Werte. Demgegenüber werden

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Vgl. Förster/Wendland, BB 2007, 631 (632); Sureth/Maßbaum, SteuerStud 2011, 321 (324). Vgl. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 192 (Stand: Juni 2020). Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 257. Ebenso Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 257. Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.22; Schmitt/Schlossmacher, DB 2010, 522; Desens, DStR 2010, Beihefter zu Heft 46, 80; Schneider/Ruoff/Sistermann, FR 2012, 1 (9 f.). Dadurch wird die Mitunternehmerschaft an die beantragten Werte gebunden, vgl. Kaeser, DStR 2012, Beihefter zu Heft 2, 13 (15); hier ergibt sich ein Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des BFH, wonach der Mitunternehmeranteil mangels Wirtschaftsguteigenschaft nicht in der Bilanz der Kapitalgesellschaft, sondern nur bei der Personengesellschaft bewertet werden kann, vgl. BFH v. 30.4.2003 – I R 102/01, BStBl. II 2004, 804; für den Fall der Einbringung eines Mitunternehmeranteils bei einer weiter bestehenden Mitunternehmerschaft ist dies strittig, vgl. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 209c m.w.N. (Stand: April 2015). 6 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.22; Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 212 (Stand: Juni 2017). 7 Vgl. BT-Drucks. 16/2710 v. 25.9.2006, 43. 8 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.24; Strahl in Carlé/Korn/Stahl/Strahl, Umwandlungen – Der neue Umwandlungssteuer-Erlass2, 93 Rz. 161; Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 214 (Stand: Juni 2017); Hofacker in Haase/Hofacker3, § 20 UmwStG Rz. 109.

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Kap. 14 Rz. 14.152 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

Zwischenwerte nicht korrigiert;1 es empfiehlt sich daher, den Ansatz zum Zwischenwert, der auch knapp unter dem gemeinen Wert bleiben kann, zu wählen, wenn nur ein bestimmtes Übernahmeergebnis erzielt werden soll (etwa zum Ausgleich eines Übernahmegewinns mit laufenden Verlusten).2 d) Steuerliche Rechtsnachfolge aa) Steuerliche Rechtsnachfolge im Fall der Buchwerteinbringung

14.153 Fußstapfentheorie. Die übernehmende Kapitalgesellschaft tritt hinsichtlich des übertragenen Betriebsvermögens im Grundsatz in die steuerliche Rechtsstellung des Einbringenden ein, wenn sie das übernommene Vermögen nicht mit dem gemeinen Wert ansetzt (§ 23 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 3 Halbs. 1 UmwStG, „Fußstapfentheorie“3, Rz. 14.79 ff.). Damit kommt es „zu einer wirtschaftsgutbezogenen steuerlichen Rechtsnachfolge“.4 14.154 Die übernehmende Gesellschaft hat im Fall des Buchwertansatzes die vom Einbringenden gebildeten steuerfreien Rücklagen (z.B. Reinvestitionsrücklage gem. § 6b EStG5, Rücklage für Ersatzbeschaffung gem. R 6.6 EStR 2012)6, Rechnungsabgrenzungsposten, Sammelposten und Rückstellungen fortzuführen.7 Dies gilt z.B. gleichfalls für einen Ausgleichsposten nach § 4g EStG.8 Wenn im Sacheinlagegegenstand eine Pensionsrückstellung enthalten ist, wird sie bei der Übernehmerin mit dem Teilwert gem. § 6a Abs. 3 EStG passiviert.9 Ein originärer Geschäfts- oder Firmenwert unterliegt auch bei der übernehmenden Gesellschaft dem Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG, während ein beim Einbringenden bereits aktivierter Geschäfts- oder Firmenwert bei der Übernehmerin fortgeführt wird.10 Steuerlich relevante Tatbestände, die der Einbringende verwirklicht hat (z.B. Herstellereigenschaft, Zeitpunkt der An-

1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.24; a.A. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 259; differenzierend Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 214 (Stand: Juni 2017). Eine Verteilung auf die Einzelwirtschaftsgüter ist einer Bilanzberichtigung zugänglich, nicht aber der insgesamt angesetzte Zwischenwert, vgl. Hötzel/ Kaeser in FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 352. 2 Vgl. Benz/Rosenberg, DB 2012, Beilage 1, 38 (43). 3 So z.B. Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 17 (Stand: Okt. 2020). 4 Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 326. 5 Zur Frage der Zuordnung von § 6b-Rücklagen zum eingebrachten Betriebsvermögen vgl. Pitzal, DStR 2011, 2373 (2377 f.). 6 Vgl. im Einzelnen Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 69–78 (Stand: Okt. 2020). 7 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.06; Jäschke in Lademann3, § 23 UmwStG Rz. 4; zur steuerlichen Rechtsnachfolge bezüglich des Übergangs von Bewertungseinheiten (§ 5 Abs. 1a S. 2 EStG) auf die Übernehmerin vgl. Helios/Meinert, Ubg 2011, 592 ff. 8 Vgl. Bilitewski in H/M/B5, § 23 UmwStG Rz. 45 f.; Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 61 (Stand: Okt. 2020). 9 Vgl. im Einzelnen Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 59 (Stand: Okt. 2020). 10 Vgl. Widmann in W/M, § 23 UmwStG Rz. 155 (Stand: Mai 2008); Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 79 f. (Stand: Okt. 2020).

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F. Einbringung in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft | Rz. 14.157 Kap. 14

schaffung oder Herstellung, Höhe der Anschaffungs- oder Herstellungskosten), werden der übernehmenden Gesellschaft zugerechnet.1 Die übernehmende Gesellschaft ist an die bisherige AfA-Bemessungsgrundlage der übertragenen Wirtschaftsgüter, die bisherige AfA-Methode und die Ermittlung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer gebunden.2 Die Übernehmerin kann einen Wechsel der AfA-Methode insoweit vornehmen, „wie dies auch bei dem Einbringenden nach den gesetzlichen Vorschriften zulässig gewesen wäre.“3 Ebenso werden Sonderabschreibungen und erhöhte Absetzungen von der übernehmenden Gesellschaft weitergeführt; sollte der Einbringende diese nicht vollständig ausgenutzt haben, ist bei der Übernehmerin eine Nachholung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften möglich.4

14.155

Wenn der Einbringende Abschreibungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (§ 7 Abs. 1 Satz 7 EStG) oder Teilwertabschreibungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, Nr. 2 Satz 2 EStG) vorgenommen hat und die Voraussetzungen für diese Abschreibungen nach dem Einbringungsstichtag entfallen, hat die übernehmende Gesellschaft Zuschreibungen (§ 7 Abs. 1 Satz 7 Halbs. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4, Nr. 2 Satz 3 EStG) vorzunehmen.5 Die übernehmende Gesellschaft kann für geringwertige Wirtschaftsgüter die Bewertungsfreiheit des § 6 Abs. 2 EStG nicht in Anspruch nehmen; sie ist an die vom Einbringenden gewählte Methode gebunden.6 Der Grundsatz der steuerlichen Rechtsnachfolge erstreckt sich ebenfalls auf die Eingliederungsvoraussetzungen bei der körperschaftsteuerlichen Organschaft.7 Wenn Anteile an einer Kapitalgesellschaft eingebracht werden, die steuerrechtlich in bestimmter Weise steuerverstrickt oder sperrfristverhaftet sind, gilt diese steuerliche Qualität der Anteile bei der übernehmenden Gesellschaft weiter.8

14.156

Besitzzeitanrechnung. Sofern die Dauer der Zugehörigkeit eines Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen für die Besteuerung von Bedeutung ist, wird der Zeitraum

14.157

1 Vgl. Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 51 (Stand: Okt. 2020). 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.06; Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 327 (mit Beispiel); Biesold in Haase/Hofacker3, § 23 UmwStG Rz. 17. 3 Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 53 (Stand: Okt. 2020), der als Beispiel einen Wechsel von der degressiven AfA bei beweglichen Wirtschaftsgütern zu einer linearen AfA (aber nicht umgekehrt, § 7 Abs. 3 EStG) anführt. 4 Vgl. Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 53 (Stand: Okt. 2020). 5 Vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 327; Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 54, 57 (Stand: Okt. 2020). 6 Vgl. Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 55 (Stand: Okt. 2020); zum Sammelposten nach § 6 Abs. 2a EStG vgl. im Einzelnen Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 56 (Stand: Okt. 2020). 7 Vgl. BFH v. 28.7.2010 – I R 89/09, BStBl. II 2011, 528; Schmitt in S/H9, § 23 UmwStG Rz. 33; Widmann in W/M, § 23 UmwStG Rz. 46 (Stand: Mai 2011); Ritzer in R/H/vL3, § 23 UmwStG Rz. 91 f.; Biesold in Haase/Hofacker3, § 23 UmwStG Rz. 36 ff. 8 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.06 f.; Widmann in W/M, § 23 UmwStG Rz. 50 und 109 (Stand: März 2009); Biesold in Haase/ Hofacker3, § 23 UmwStG Rz. 34; Ritzer in R/H/vL3, § 23 UmwStG Rz. 52.

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Kap. 14 Rz. 14.157 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

seiner Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen des Einbringenden der übernehmenden Kapitalgesellschaft angerechnet (§ 23 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG; vgl. Rz. 14.80).1 Diese Anrechnung der Vorbesitzzeit ist insbesondere für § 6b EStG relevant.2 Es ist für die Besitzzeitanrechnung unerheblich, ob die Einbringung im Wege der Einzelrechtsnachfolge oder der Gesamtrechtsnachfolge vollzogen wurde.3 bb) Modifizierte steuerliche Rechtsnachfolge im Fall der Einbringung zum Zwischenwert

14.158 Modifizierte Fußstapfentheorie. Auch im Fall der Einbringung zum Zwischenwert tritt die übernehmende Gesellschaft im Grundsatz in die steuerliche Rechtsnachfolge hinsichtlich der steuerlichen Gewinnermittlung ein (§ 23 Abs. 1, 3 i.V.m. § 12 Abs. 3 Halbs. 1 UmwStG). Auf die Art der Einbringung kommt es dabei nicht an.4 Eine Modifizierung der steuerlichen Rechtsnachfolge erfolgt insoweit, als beim Zwischenwertansatz stille Reserven aufgedeckt werden und daher in § 23 Abs. 3 Satz 1 UmwStG eine steuerliche Regelung für den Aufstockungsbetrag enthalten ist. 14.159 Bei zu einem Zwischenwert eingebrachten Wirtschaftsgütern bemisst sich die Absetzung für Abnutzung nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zzgl. des Aufstockungsbetrags, sofern nach § 7 Abs. 1, 4, 5 oder 6 EStG abgeschrieben wird (§ 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwStG).5 Die übernehmende Kapitalgesellschaft ist an die AfAMethode gebunden;6 es ist bei beweglichen Wirtschaftsgütern strittig, ob dies auch für die vom Einbringenden geschätzte Nutzungsdauer des übergehenden Wirtschaftsguts gilt.7 Der verbleibende Restbuchwert ist im letzten Jahr der Nutzungsdauer zusätzlich abzuschreiben.8 Sollte das AfA-Volumen vor dem Ablauf der Nutzungs-

1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.06; Jäschke in Lademann3, § 23 UmwStG Rz. 4a. 2 Vgl. im Einzelnen Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 69 (Stand: Okt. 2020). 3 Vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 328. 4 Vgl. Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 83 (Stand: Okt. 2020). 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.15; Reifarth in Goebel/Ungemach, § 23 UmwStG Rz. 31. 6 Vgl. Ritzer in R/H/vL3, § 23 UmwStG Rz. 198; Bilitewski in H/M/B5, § 23 UmwStG Rz. 61; Schmitt in S/H9, § 23 UmwStG Rz. 79; Widmann in W/M, § 23 UmwStG Rz. 234 (Stand: Mai 2008); Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 90 (Stand: Okt. 2020); Nitzschke in Brandis/ Heuermann, § 23 UmwStG Rz. 60 (Stand: Juli 2020); Jacobsen/Happel in Widmann/Bauschatz, § 23 UmwStG Rz. 121. 7 Zustimmend BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.15; Bilitewski in H/M/B5, § 23 UmwStG Rz. 61; Widmann in W/M, § 23 UmwStG Rz. 244 (Stand: Mai 2008); ablehnend Ritzer in R/H/vL3, § 23 UmwStG Rz. 201, 207, mit Bezug auf BFH v. 29.11.2007 – IV R 73/02, BStBl. II 2008, 407; Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 93 (Stand: Okt. 2020); Schmitt in S/H9, § 23 UmwStG Rz. 79. 8 Vgl. Schreiber/Kahle/Ruf, Besteuerung der Unternehmen5, 503; Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 337; Nitzschke in Brandis/Heuermann, § 23 UmwStG Rz. 63 (Stand: Juli 2020); a.A. Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 92 (Stand: Okt. 2020) – Restbuchwert bleibt bis zum Abgang des eingelegten Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen bestehen.

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F. Einbringung in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft | Rz. 14.159 Kap. 14

dauer verbraucht sein, ist in dem verbleibenden Nutzungszeitraum ein Abzug von AfA nicht mehr möglich.1 Wenn im Fall der linearen AfA bei Gebäuden nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG die volle Absetzung innerhalb der tatsächlichen Nutzungsdauer nicht erreicht wird, „kann die AfA nach der Restnutzungsdauer des Gebäudes bemessen werden“2. Bei zu einem Zwischenwert eingebrachten Wirtschaftsgut, für das die AfA bisher nach § 7 Abs. 2 EStG vorgenommen wurde, tritt im Einbringungszeitpunkt an die Stelle des Buchwerts der von der Kapitalgesellschaft angesetzte Zwischenwert (§ 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 UmwStG). Damit ist der Zwischenwert die Bemessungsgrundlage der weiteren AfA; im Zeitpunkt der Einbringung ist die Restnutzungsdauer neu zu schätzen.3 Bei der Einbringung zu Zwischenwerten tritt die übernehmende Kapitalgesellschaft gem. § 23 Abs. 3 i.V.m. § 12 Abs. 3 Halbs. 1 UmwStG auch bezüglich erhöhter Absetzungen und Sonderabschreibungen in die Rechtsstellung des Einbringenden ein.4 Die Sonderabschreibungen bleiben von dem Aufstockungsbetrag unberührt,5 während der Aufstockungsbetrag die Bemessungsgrundlage für die erhöhte Absetzung erhöht.6 Von der Bewertungsfreiheit des § 6 Abs. 2 EStG (geringwertige Wirtschaftsgüter) kann auch bei einem Zwischenwertansatz kein Gebrauch gemacht werden.7 Wenn bei der Einbringung eines Betriebs oder Teilbetriebs ein originärer Geschäftsoder Firmenwert auf die übernehmende Gesellschaft übergeht, bildet der auf diesen entfallende Aufstockungsbetrag die Bemessungsgrundlage für die AfA nach § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG.8

1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.15. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.15, mit Verweis auf BFH v. 7.6.1977 – VIII R 105/73, BStBl. II 1977, 606. 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.15; Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 96 (Stand: Okt. 2020); Reifarth in Goebel/Ungemach, § 23 UmwStG Rz. 35; Jacobsen/Happel in Widmann/Bauschatz, § 23 UmwStG Rz. 123; a.A. (Beibehaltung des bisherigen AfA-Satzes) Ritzer in R/H/vL3, § 23 UmwStG Rz. 214; Schmitt in S/H9, § 23 UmwStG Rz. 84; Widmann in W/M, § 23 UmwStG Rz. 266 (Stand: Mai 2008). 4 Vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 337; Widmann in W/M, § 23 UmwStG Rz. 247 (Stand: Mai 2008); Bilitewski in H/M/B5, § 23 UmwStG Rz. 65. 5 Vgl. Bilitewski in H/M/B5, § 23 UmwStG Rz. 65; Schmitt in S/H9, § 23 UmwStG Rz. 87; Widmann in W/M, § 23 UmwStG Rz. 247 (Stand: Mai 2008); Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 98 (Stand: Okt. 2020). 6 Vgl. Schmitt in S/H9, § 23 UmwStG Rz. 87; Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 99 (Stand: Okt. 2020); a.A. Widmann in W/M, § 23 UmwStG Rz. 247 (Stand: Mai 2008). 7 Vgl. Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 87 (Stand: Okt. 2020). 8 Vgl. Schmitt in S/H9, § 23 UmwStG Rz. 88; Widmann in W/M, § 23 UmwStG Rz. 261 (Stand: Mai 2008); Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 102 (Stand: Okt. 2020).

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Kap. 14 Rz. 14.160 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

14.160 Bei einem Zwischenwertansatz sind steuerfreie Rücklagen anteilsmäßig aufzulösen.1 Die Auflösung richtet sich nach dem durch den Zwischenwertansatz bestimmten Prozentsatz; im Übrigen tritt die Übernehmerin in die steuerliche Rechtsnachfolge des Einbringenden ein.2 14.161 Die Anrechnung von Besitz- und Verbleibenszeiten gilt gleichermaßen bei einer Übernahme zu Zwischenwerten (vgl. Rz. 14.80, 14.157).3 3. Verhältnis zum Handelsrecht

14.162 Bildung eines Ausgleichspostens. Die Wertabweichungen zwischen der Handelsund der Steuerbilanz können durch die Bildung eines steuerlichen Ausgleichspostens auf der Aktiv- oder der Passivseite ausgeglichen werden. Es besteht keine Pflicht zum Ansatz eines solchen Korrekturpostens.4 Nach Auffasung der Finanzverwaltung muss ein Mindestkapital in der Steuerbilanz auch nicht nachvollzogen werden. Folglich ist eine Aufstockung und damit die Bewertung zu einem Zwischenwert in der Steuerbilanz nicht notwendig. Sollte der Buchwert des eingebrachten Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils niedriger sein als das in der Handelsbilanz ausgewiesene Kapital, ist die Aktivierung eines Ausgleichspostens erforderlich.5 Dieser Ausgleichsposten ist kein Wirtschaftsgut, er gehört nicht zum Betriebsvermögen i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG; er wird nicht abgeschrieben und beeinflusst das steuerliche Einlagekonto nicht („Luftposten“)6. Der Ausgleichsposten fällt erfolgsneutral weg, soweit stille Reserven aufgedeckt werden und es insoweit zu einer Angleichung von Handels- und Steuerbilanz kommt.7 Auf die Höhe des Veräußerungspreises des Einbringenden und die Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile nach § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG nimmt der Ausgleichsposten keinen Einfluss.8 4. Einbringungsfolgegewinn

14.163 Es entsteht bei der übernehmenden Gesellschaft ein Einbringungsfolgegewinn, soweit zwischen dem Einbringenden und der übernehmenden Kapitalgesellschaft vor der Einbringung Forderungen und Verbindlichkeiten bestanden haben, die unter1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.14; Schmitt in S/H9, § 23 UmwStG Rz. 73; Bilitewski in H/M/B5, § 23 UmwStG Rz. 59; Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 84 (Stand: Okt. 2020); a.A. Widmann in W/M, § 20 UmwStG Rz. R 625 f. (Stand: August 2007). 2 Vgl. im Einzelnen Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 84 (Stand: Okt. 2020). 3 Vgl. Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 42, 104 (Stand: Okt. 2020); Schmitt in S/H9, § 23 UmwStG Rz. 29; Bilitewski in H/M/B5, § 23 UmwStG Rz. 13, 22; Widmann in W/M, § 23 UmwStG Rz. 240 (Stand: März 2009); Ritzer in R/H/vL3, § 23 UmwStG Rz. 197. 4 Vgl. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 210 (Stand: April 2015); Bäuml in Kraft/Edelmann/ Bron2, § 20 UmwStG Rz. 339. 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.20. 6 So Herlinghaus in R/H/vL3, § 20 UmwStG Rz. 261; Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 255; Bäuml in Kraft/Edelmann/Bron2, § 20 UmwStG Rz. 337. 7 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.20. 8 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.20.

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F. Einbringung in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft | Rz. 14.164 Kap. 14

schiedlich bewertet wurden, oder soweit durch den Vermögensübergang Rückstellungen aufgelöst werden (Rz. 14.83 ff.). Dieser kann in eine den Gewinn mindernde Rücklage gestellt werden, die in den folgenden drei Wirtschaftsjahren zu jeweils einem Drittel gewinnerhöhend aufzulösen ist (§ 23 Abs. 6 i.V.m. § 6 Abs. 1 UmwStG).1 II. Wertansätze und Gewinnermittlung beim Einbringenden 1. Einbringungsgewinn und Wertverknüpfung Veräußerungspreis des Einbringenden. Der Wert, den die übernehmende Kapitalgesellschaft bei der Bewertung der übertragenen Wirtschaftsgüter wählt, gilt für den Einbringenden als Veräußerungspreis (§ 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG);2 eine abweichende Vereinbarung zwischen den Beteiligten gilt als unerheblich.3 Ein Ansatz über dem Buchwert führt beim Einbringenden zu einem Veräußerungsgewinn („originärer Einbringungsgewinn“4 oder „Einbringungsgewinn im engeren Sinn“5; Unterschiedsbetrag zwischen Veräußerungspreis und Buchwert des eingebrachten Vermögens).6 Hier sind im Fall der Einbringung eines Mitunternehmeranteils oder bei der Einbringung durch eine Mitunternehmerschaft Ergänzungsbilanzen zu berücksichtigen.7 Wird Sonderbetriebsvermögen durch eine Sacheinlage eingebracht, entsteht in Höhe der Differenz zwischen dem Ansatz in der Sonderbilanz und dem Wertansatz bei der übernehmenden Gesellschaft ein Einbringungsgewinn.8 Wirtschaftsgüter, für die infolge der Einbringung das deutsche Besteuerungsrecht erstmalig begründet wird und daher bei der Übernehmerin mit dem gemeinen Wert angesetzt werden, bleiben bei der Ermittlung des Veräußerungspreises i.S.d. § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG unberücksichtigt.9

1 Die Möglichkeit der Bildung einer gewinnmindernden Rücklage entfällt rückwirkend, wenn der übernehmende Rechtsträger den eingebrachten Betrieb innerhalb von fünf Jahren nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag in eine andere Kapitalgesellschaft einbringt oder ohne triftigen Grund veräußert bzw. aufgibt, vgl. § 6 Abs. 3 UmwStG; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.04. 2 Wenn der Gewinn aus dem eingebrachten Betriebsvermögen nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wird, ist die Gewinnermittlung zum steuerlichen Übertragungsstichtag auf den Betriebsvermögensvergleich umzustellen, vgl. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 241 (Stand: Sept. 2021); Schmitt in S/H9, § 20 UmwStG Rz. 403. 3 Vgl. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 250 (Stand: Sept. 2021). 4 So Benz/Rosenberg in Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 160. 5 Vgl. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 246 (Stand: Sept. 2021). 6 Wenn beim übernehmenden Rechtsträger objektbezogene Kosten aktiviert werden (z.B. Grunderwerbsteuer auf übertragene Grundstücke), wirkt sich dies auf den Einbringungsgewinn beim übertragenden Unternehmen nicht aus, vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 260. 7 Vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 260. 8 Vgl. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 246 (Stand: Sept. 2021). 9 Vgl. Schmitt in S/H9, § 20 UmwStG Rz. 373; Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 250b (Stand: Sept. 2021); Menner in H/M/B5, § 20 UmwStG Rz. 481; Herlinghaus in R/H/vL3, § 20 UmwStG Rz. 382.

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14.164

Kap. 14 Rz. 14.165 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

14.165 Werteverknüpfung. Aufgrund dieser Werteverknüpfung zwischen der Bewertung des eingebrachten Vermögens bei der Übernehmerin nach § 20 Abs. 2 UmwStG und dem für den Einbringenden maßgebenden Veräußerungspreis nach § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG erübrigt sich beim Einbringenden bei der Berechnung des Einbringungsgewinns eine eigenständige Prüfung, ob die in der Steuerbilanz der übernehmenden Gesellschaft ermittelten Werte zutreffend ermittelt worden sind.1 Wenn der von der übernehmenden Gesellschaft angesetzte Wert betragsmäßig korrigiert werden muss, kommt es aufgrund der Werteverknüpfung auch bei bereits bestandskräftiger Veranlagung zugleich zu einer Änderung des für die Ermittlung des Einbringungsgewinns zu berücksichtigenden Veräußerungspreises.2 Im Falle von Streitigkeiten über die Höhe des Einbringungswerts kann der Einbringende aber eine gerichtliche Klärung bewirken, da ihm als Drittbetroffener (aufgrund der Werteverknüpfung nach § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG) ein Anfechtungsrecht (§ 40 AO) gegen die maßgebliche Steuerfestsetzung der übernehmenden Gesellschaft zusteht.3 14.166 Einbringungsgewinn im weiteren Sinne. Wenn im Zusammenhang mit einer Sacheinlage nach § 20 Abs. 1 UmwStG unwesentliche Betriebsgrundlagen nicht mit in die Kapitalgesellschaft eingebracht, sondern in das Privatvermögen überführt werden, kommt es zu einer Aufdeckung stiller Reserven; dieser Gewinn führt nicht zu einem Einbringungsgewinn, weil er nicht aus der Aufdeckung stiller Reserven im eingebrachten Vermögen resultiert. „Es handelt sich vielmehr um die Realisierung stiller Reserven als ursächliche Folge der Sacheinlage nach § 20 Abs. 1 UmwStG (Einbringungsgewinn im weiteren Sinne).“4 14.167 Einbringungskosten. Der Einbringende kann ihm im Zusammenhang mit der Einbringung entstehende Kosten als Betriebsausgaben abziehen.5 Diese Einbringungskosten mindern den Einbringungsgewinn bzw. führen zu einem Einbringungsverlust, wenn das eingebrachte Betriebsvermögen mit dem gemeinen Wert oder einem Zwischenwert angesetzt wurde; sie mindern den laufenden Gewinn im Fall des Buchwertansatzes.6 Es besteht bezüglich der Frage nach der Zurechnung der Einbringungskosten beim Einbringenden oder der übernehmenden Gesellschaft kein Zuordnungswahlrecht; vielmehr richtet sich die Aufteilung nach dem objektiven Veranlas-

1 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 111/05, BStBl. II 2008, 536 (zu § 20 UmwStG a.F.); Patt in D/ P/M, § 20 UmwStG Rz. 250 (Stand: Sept. 2021). 2 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 111/05, BStBl. II 2008, 536 (zu § 20 UmwStG a.F.); v. 20.4.2011 – I R 97/10, BStBl. II 2011, 815 (zu § 20 UmwStG a.F.); Hötzel/Kaeser in FGS/ BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 346; Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 250 (Stand: Sept. 2021). 3 Vgl. BFH v. 8.6.2011 – I R 79/10, BFH/NV 2012, 128; Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 250 (Stand: Sept. 2021). 4 Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 246 (Stand: Sept. 2021), im Einzelnen Rz. 247, 255 ff. 5 Vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 260; dies gilt nicht für sog. objektbezogene Kosten; zum Umfang der Einbringungskosten des Einbringenden vgl. im Einzelnen Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 253 (Stand: März 2018). 6 Vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 295; a.A. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 252 (Stand: März 2018): Einbringungskosten mindern stets nur den Einbringungsgewinn.

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sungsprinzip.1 Wenn sich Einbringungskosten nicht eindeutig dem Einbringenden oder der übernehmenden Gesellschaft zuordnen lassen, kommt eine schätzweise Verteilung oder eine vertragliche Aufgliederung dieser Kosten durch zivilrechtliche Absprachen in Betracht.2 Eine vertragliche Absprache, die auf eine Verschiebung der Kostentragung abzielt, obwohl sich diese Kosten sachlich zuordnen lassen, wird steuerlich aber nicht anerkannt.3 Sperr- und Behaltensfristen. Auch wenn der übernehmende Rechtsträger den Antrag auf Buchwertfortführung wirksam gestellt hat, führt die Einbringung womöglich zu einer neuen Beurteilung bereits verwirklichter Sachverhalte beim Einbringenden, weil sich die Einbringung vor allem auf gesetzlich angeordnete Sperr- und Behaltensfristen4 auswirken kann.5

14.168

§ 6b EStG findet auf den Einbringungsgewinn Anwendung, sofern sich in dem eingebrachten Betriebsvermögen durch § 6b EStG begünstigte Wirtschaftsgüter befinden.6 Dies ist insofern bemerkenswert, als § 6b EStG nach Auffassung der Finanzverwaltung auf einen Einbringungsgewinn I oder II (§ 22 UmwStG) keine Anwendung findet (Rz. 14.179).7

14.169

2. Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile Originäre Anschaffungskosten. Der Wert, mit dem die übernehmende Gesellschaft das eingebrachte Vermögen ansetzt, gilt für den Einbringenden gem. § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG auch als Anschaffungskosten der von der übernehmenden Kapitalgesellschaft neu erhaltenen Anteile (originäre Anschaffungskosten)8. Werden daneben noch andere Wirtschaftsgüter als Gegenleistung gewährt, so ist deren gemeiner Wert vom Veräußerungspreis abzuziehen und nur der Restbetrag als Anschaffungskosten

1 Vgl. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 233, 252 (Stand: Sept. 2021, März 2018); Mühle, DStZ 2006, 63; so für den Fall der Verschmelzung zweier Kapitalgesellschaften: BFH v. 22.4.1998 – I R 83/96, BStBl. II 1998, 698. 2 Vgl. Menner in H/M/B5, § 20 UmwStG Rz. 430; Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 233 (Stand: Sept. 2021). 3 Vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 260; Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 233 (Stand: Sept. 2021). 4 Vgl. insb. §§ 6 Abs. 3 Satz 2, 6 Abs. 5 Satz 4, 6 Abs. 5 Satz 6, 16 Abs. 3 Satz 3 EStG, §§ 6 Abs. 3, 18 Abs. 3, 22 Abs. 1, 24 Abs. 5 UmwStG, §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG. 5 Vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 260; im Einzelnen Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 242–244 (Stand: Sept. 2021). 6 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.26; Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 261 (Stand: Aug. 2016); Goebel/Ungemach in Goebel/Ungemach, § 20 UmwStG, Rz. 150. 7 Vgl. Benz/Rosenberg, DB 2012, Beilage 1, 38 (43). 8 So Benz/Rosenberg in Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 164; Hofacker in Haase/Hofacker3, § 20 UmwStG Rz. 188; zur Aufteilung der Anschaffungskosten auf einbringungsgeborene Anteile alten Rechts und übrige erhaltene Anteile vgl. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 300 (Stand: April 2013).

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14.170

Kap. 14 Rz. 14.170 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

der Geschäftsanteile zu betrachten (§ 20 Abs. 3 Satz 3 UmwStG). Die originären Anschaffungskosten (ggf. bereits reduziert in Höhe des gemeinen Wertes einer sonstigen Gegenleistung) vermindern sich um den Buchwert von Entnahmen und erhöhen sich um den Wert von Einlagen, die nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag stattfinden (§ 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG).1

14.171 Verstrickung. Wenn ein in Deutschland Steuerpflichtiger ausländisches Betriebsvermögen in eine ausländische Kapitalgesellschaft einbringt und vor und nach der Einbringung kein deutsches Besteuerungsrecht an dem Gewinn aus der Veräußerung des eingebrachten (ausländischen) Betriebsvermögens besteht, gilt gem. § 20 Abs. 3 Satz 2 UmwStG für den Einbringenden insoweit der gemeine Wert des eingebrachten Betriebsvermögens im Zeitpunkt der Einbringung als Anschaffungskosten der von der übernehmenden Kapitalgesellschaft gewährten Anteile (Verstrickung mit dem gemeinen Wert)2. Somit wird bei einer späteren Veräußerung der Anteile die Besteuerung der im eingebrachten Vermögen vorhandenen stillen Reserven vermieden.3 Diese Regelung ist nur in den Fällen von Bedeutung, „in denen die aufnehmende Gesellschaft auf Antrag Buch- oder Zwischenwerte angesetzt hat.“4 14.172 Einbringungskosten, die der Einbringende trägt, obwohl sie der Übernehmerin zuzuordnen sind (z.B. GrESt), können nicht sofort als Betriebsausgaben abgezogen werden, sondern stellen zusätzliche Anschaffungskosten der durch die Sacheinlage erhaltenen Anteile dar.5 III. Besonderheiten bei Pensionszusagen zugunsten von einbringenden Mitunternehmern 1. Bilanzierung von Pensionszusagen bei Mitunternehmerschaften

14.173 Nach früherer Rechtsauffassung wurde eine Pensionszusage einer Mitunternehmerschaft an einen Mitunternehmer steuerlich nicht anerkannt; vielmehr stellten Pensionszusagen an Mitunternehmer Gewinnverteilungsabreden dar, weshalb Pensionsrückstellungen in der Steuerbilanz nicht gebildet werden durften.6 Nach der neuen Rechtsprechung des BFH hat die Personengesellschaft für eine Pensionszusage, die einem Gesellschafter erteilt wurde, auch in der Steuerbilanz eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten (§ 249 Abs. 1 HGB) zu bilden (§§ 5 Abs. 1 Satz 1, 6a EStG).7

1 Vgl. im Einzelnen Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 299 (Stand: April 2013). 2 So BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.34. 3 Vgl. Schreiber/Kahle/Ruf, Besteuerung der Unternehmen5, 814; Hötzel/Kaeser in FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 356. 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.34. 5 Vgl. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 298 (Stand: April 2012); Schmitt in S/H9, § 20 UmwStG Rz. 380. 6 Vgl. BFH v. 16.2.1967 – IV R 62/66, BStBl. III 1967, 222. 7 Vgl. BFH v. 2.12.1997 – VIII R 15/96, BFH/NV 1998, 779.

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F. Einbringung in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft | Rz. 14.174 Kap. 14

Auch nach dem BilMoG beinhaltet § 6a EStG nach Auffassung der Finanzverwaltung1 und der h.M. im Schrifttum2 kein eigenständiges steuerliches Wahlrecht. In der Sonderbilanz des begünstigten Gesellschafters ist abweichend vom Realisationsprinzip eine Forderung als korrespondierender Aktivposten zu aktivieren;3 der Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft wird also nicht gemindert.4 Bis zum Urteil des BFH v. 14.2.2006 war es unklar, ob die Forderung quotal bei allen Mitunternehmern oder nur bei dem begünstigten Mitunternehmer auszuweisen war.5 Diese Rechtsprechung des BFH wurde seitens der Finanzverwaltung aber erst durch das BMF-Schreiben v. 29.1.2008 anerkannt.6 Damit bestanden bis zum Zeitpunkt des Ergehens dieses BMF-Schreibens die folgenden drei Konstellationen:7 – Bei der Mitunternehmerschaft wurde keine Pensionsrückstellung gebucht. – Bei der Mitunternehmerschaft wurde eine Pensionsrückstellung gebucht bei gleichzeitiger Buchung einer Forderung im Sonderbetriebsvermögen des begünstigten Mitunternehmers. – Bei der Mitunternehmerschaft wurde eine Pensionsrückstellung gebucht bei gleichzeitiger quotaler Buchung einer Forderung im Sonderbetriebsvermögen bei allen Mitunternehmern. Die Finanzverwaltung gewährte das Wahlrecht, Pensionszusagen, die vor dem 31.12.2007 gemacht wurden, bei der Mitunternehmerschaft in jeder dieser drei Konstellationen weiterzuführen.8 Damit muss der UmwStE zu allen drei Fällen Regelungen treffen.

1 Vgl. BMF v. 12.3.2010 – IV C 6 - S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239 Rz. 4 und 9 ff. 2 Vgl. Kahle, StuB 2011, 163 (167); Anzinger/Schleiter, DStR 2010, 395 (398); Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, DB 2009, 2570 ff.; Döring/Heger, DStR 2009, 2064 (2068); Geberth/Blasius, FR 2010, 408 (409); Hennrichs, Ubg 2009, 533 (533, 541 f.); Höfer/Rhiel/Veit, DB 2009, 1605 (1608); Hoffmann, StuB 2009, 515 (516); Hoffmann, StuB 2010, 209 (210); Klein, NWB 2010, 2042 (2044); Mitschke, FR 2010, 214 (219); Rätke/Theile, BBK 2010, 306 (309); Richter, GmbHR 2010, 505 (506); Weber-Grellet, DB 2009, 2402 (2403). 3 Vgl. BFH v. 16.10.2008 – IV R 82/06, BFH/NV 2009, 581; BFH v. 14.2.2006 – VIII R 40/ 03, BStBl. II 2008, 182; BFH v. 30.3.2006 – IV R 25/04, BStBl. II 2008, 171; BMF v. 29.1.2008 – IV B 2 - S 2176/07/0001, BStBl. I 2008, 317 Rz. 5; Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291 (304); Ley, KÖSDI 2008, 16204 (16205); Sievert/Kardekewitz, Ubg 2008, 617; a.A. Fuhrmann/Demuth, WPg 2007, 77. 4 Vgl. Tiede in H/H/R, § 15 EStG Anm. 538 (Stand: August 2017); Wacker in Schmidt41, § 15 EStG Rz. 586; Prinz, FR 2010, 736 (742). 5 Vgl. BFH v. 14.2.2006 – VIII R 40/03, BStBl. II 2008, 182. 6 Vgl. BMF v. 29.1.2008 – IV B 2 - S 2176/07/0001, BStBl. I 2008, 317 Rz. 3. 7 Vgl. Benz/Rosenberg, DB 2012, Beilage 1, 38 (43). 8 Vgl. BMF v. 29.1.2008 – IV B 2 - S 2176/07/0001, BStBl. I 2008, 317 Rz. 20, zur Billigkeitsregelung Rz. 5.

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14.174

Kap. 14 Rz. 14.175 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

2. Fall 1: Pensionszusage als steuerlich unbeachtliche Gewinnverteilungsabrede

14.175 Wenn die Personengesellschaft unter Bezug auf das BMF, Schr. v. 29.1.2008 keine Pensionsrückstellung passiviert hat,1 gilt bei der Einbringung von Mitunternehmeranteilen die Rechtslage nach dem UmwStE 1998.2 Hiernach muss die übernehmende Kapitalgesellschaft erstmalig eine Pensionsrückstellung einbuchen, wenn eine Mitunternehmerschaft in eine Kapitalgesellschaft eingebracht wird. Folglich wird in Höhe dieser „übernommenen“ Verpflichtung eine sonstige Gegenleistung (neben der Ausgabe neuer Anteile) an den Einbringenden angenommen, zu dessen Gunsten die Pensionszusage gewährt worden ist. Der gemeine Wert der Pensionszusage als Barwert aller künftigen Leistungen mindert den Buchwert bzw. die Anschaffungskosten der im Rahmen der Einbringung gewährten Anteile. Wenn der gemeine Wert der Pensionszusage höher ist als der Buchwert des eingebrachten Vermögens, ist der Buchwert auf den Zwischenwert aufzustocken (§ 20 Abs. 2, Abs. 4 Satz 2 UmwStG 1995).3 3. Fall 2: Bildung einer Pensionsrückstellung und einer korrespondierenden Forderung nur beim begünstigten Gesellschafter

14.176 Bei der Einbringung des Mitunternehmeranteils in die Kapitalgesellschaft übernimmt Letztere die in der Steuerbilanz der Personengesellschaft passivierte Pensionsrückstellung in Höhe des nach § 6a EStG zulässigen Wertes.4 Diese Übernahme stellt keine zusätzliche Gegenleistung neben der Ausgabe neuer Anteile i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG dar.5 Dabei gilt der Erdienenszeitraum als nicht unterbrochen.6 Die in der Sonderbilanz aktivierte Forderung wird nicht mit eingebracht; vielmehr wird sie durch den begünstigten Mitunternehmer entnommen, der damit einen nach § 15 EStG steuerpflichtigen Entnahmegewinn in Höhe des gemeinen Wertes der Pensionszusage erzielt.7 Um diese Besteuerung zu vermeiden, kann der einbringende Mitunternehmer einen Antrag stellen, dass die Forderung aus der Pensionszusage nicht als entnommen gilt, sondern als sog. Restbetriebsvermögen behandelt wird.8 Wenn der Pensionsfall eintritt, wird der in der Zeit des Bestehens der Mitunternehmerschaft erdiente Teil der Pensionszusage beim begünstigten (ehemaligen) Mitunternehmer gem. § 15 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG besteuert, während der übrige Teil der Pension nach §§ 19, 24 Nr. 2 EStG der Besteuerung unterliegt. Im Grundsatz hat die Aufteilung der laufenden Pensionszahlungen in nach1 Vgl. BMF v. 29.1.2008 – IV B 2 - S 2176/07/0001, BStBl. I 2008, 317 Rz. 20. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.29, mit Verweis auf BMF v. 25.3.1998 – IV B 7 - S 1978-21/98, BStBl. I 1998, 268 Rz. 20.41–20.47. 3 Vgl. BMF v. 25.3.1998 – IV B 7 - S 1978-21/98, BStBl. I 1998, 268 Rz. 20.41 ff. 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.29. 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.29. 6 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.31; dies gilt für alle Arten der Einbringung, vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 263. 7 Vgl. Benz/Rosenberg, DB 2012, Beilage 1, 38 (43). 8 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.28, mit Verweis auf BFH v. 10.2.1994 – IV R 37/92, BStBl. II 1994, 564.

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F. Einbringung in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft | Rz. 14.178 Kap. 14

trägliche Einnahmen aus der ehemaligen Mitunternehmerstellung einerseits und Einnahmen i.S.d. §§ 19, 24 Nr. 2 EStG andererseits nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu erfolgen. Soweit die Pensionsanwartschaft nach der Einbringung unverändert fortbesteht, wird eine Aufteilung nach dem Verhältnis der Erdienenszeiträume vor und nach der Umwandlung (pro rata temporis) nicht beanstandet.1 4. Fall 3: Bildung einer Pensionsrückstellung und einer quotalen Forderung bei allen Gesellschaftern Die Besteuerung erfolgt im Grundsatz wie im Fall 2, wenn die Forderung quotal bei allen Mitunternehmern ausgewiesen wird. Allerdings wird im Rahmen der Einbringung die Forderung auf Pensionszahlung aus den Sonderbetriebsvermögen der nicht begünstigten Mitunternehmer ausgebucht. Der so entstehende Aufwand kann mit laufenden Gewinnen der Mitunternehmerschaft oder mit einem eventuell entstehenden Einbringungsgewinn ausgeglichen werden.2 Bei dem begünstigten Mitunternehmer entsteht infolge der Erhöhung seiner Forderung aus der Pensionszusage in korrespondierender Höhe ein steuerpflichtiger Ertrag,3 der im Grundsatz der Besteuerung gem. § 15 EStG unterliegt.4

14.177

IV. Gewinnermittlung im Rahmen der rückwirkenden Besteuerung des Anteilseigners nach § 22 Abs. 1 UmwStG 1. Einbringungsgewinn I Ein nachträglich steuerpflichtiger Einbringungsgewinn i.S.d. § 22 Abs. 1 UmwStG entsteht, wenn es sich um eine Sacheinlage unter dem gemeinen Wert gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG handelt und eine Veräußerung der erhaltenen Anteile durch den Einbringenden innerhalb der Sperrfrist von sieben Jahren erfolgt (§ 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG) oder ein der Veräußerung gleichgestellter Ersatzrealisationstatbestand verwirklicht wird (§ 22 Abs. 1 Satz 6 UmwStG).5 Die Einbringung gilt rück1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.32. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.33; Benz/ Rosenberg, DB 2012, Beilage 1, 38 (44). 3 „Die Pensionszusage gilt als von den übrigen Mitunternehmern ohne Gegenleistung übernommen“, Benz/Rosenberg, DB 2012, Beilage 1, 38 (44). 4 Aus Billigkeitsgründen wird dem begünstigten Gesellschafter gestattet, die Besteuerung des Ertrags aus dem Zuwachs der Pensionszusage auf 15 Wirtschaftsjahre zu strecken, indem er in seinem Restbetriebsvermögen eine Rückstellung i.H.v. 14/15 bildet, die in den folgenden 14 Jahren linear aufgelöst wird, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/ 10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.33, mit Verweis auf BMF v. 29.1.2008 – IV B 2 - S 2176/ 07/0001, BStBl. I 2008, 317 Rz. 5; es wird vorausgesetzt, dass im Zeitpunkt der Einbuchung der Rückstellung beim begünstigten Gesellschafter kein Verlust entsteht. 5 Vgl. auch BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. E 20.03; vgl. zu den Ersatzrealisationstatbeständen im Einzelnen BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.18–22.27; Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 300–313; Stangl/Kaeser in FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 409–460; Bunzeck/Eberts, IWB 2012, 95 ff.

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14.178

Kap. 14 Rz. 14.178 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

wirkend als zum gemeinen Wert vorgenommen.1 § 22 UmwStG betrifft auch grenzüberschreitende und ausländische Einbringungen.2

14.179 Wenn § 22 Abs. 1 UmwStG erfüllt ist, wird der Gewinn aus der Einbringung rückwirkend im Wirtschaftsjahr der Einbringung als sog. „Einbringungsgewinn I“ besteuert. Die nachträglich zu versteuernden stillen Reserven werden für jedes seit dem Einbringungszeitpunkt abgelaufene Zeitjahr um ein Siebtel abgebaut (Abschmelzen nach der Siebtel-Regelung). § 6b EStG gilt nach Auffassung der Finanzverwaltung für den Einbringungsgewinn I nicht.3 Der Einbringungsgewinn I ermittelt sich wie folgt (§ 22 Abs. 1 Satz 3 UmwStG):4 ./. ./. ./. = ./. =

gemeiner Wert des Betriebsvermögens im Zeitpunkt der Einbringung gemeiner Wert der darin enthaltenen Kapitalgesellschaftsanteile Kosten für den Vermögensübergang Wert, mit dem die aufnehmende Ges. das eingebrachte BV angesetzt hat (abzgl. der darin enthaltenen Kapitalgesellschaftsanteile) Einbringungsgewinn I vor Siebtelregelung Verringerung um je 1/7 pro abgelaufenes Zeitjahr seit Einbringung zu versteuernder Einbringungsgewinn I

14.180 Der gemeine Wert des eingebrachten Betriebsvermögens ist zum Zweck des § 22 Abs. 1 UmwStG auf den steuerlichen Übertragungsstichtag (Einbringungszeitpunkt) zu ermitteln.5 Diese Ermittlung könnte sich in der Praxis schwierig gestalten, weil diese Werte erst mit der Verwirklichung des die rückwirkende Besteuerung auslösenden Ereignisses ermittelt werden müssen, was erst nach Ablauf eines Zeitraums von bis zu sieben Jahren der Fall sein kann. Der Veräußerungspreis für die Anteile stellt mit wachsendem zeitlichen Abstand der Anteilsveräußerung zum Einbringungszeitpunkt keine verlässliche Grundlage für die Bewertung des eingebrachten Vermögens

1 Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 UmwStG gilt eine schädliche Anteilsveräußerung als rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO; dies gilt entsprechend auch für einen Ersatzrealisationstatbestand nach § 22 Abs. 1 Satz 6 UmwStG; vgl. auch BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. E 20.04; Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 228. 2 Vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 288. 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.07; Jäschke in Lademann3, § 22 UmwStG Rz. 12a; a.A. Stangl/Kaeser in FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 395; Patt in D/P/M, § 22 UmwStG Rz. 59 (Stand: März 2018); Böhmer/Wegener in Widmann/Bauschatz, § 22 UmwStG Rz. 72; Orth, DStR 2011, 1541. 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.08; Wochinger in Kraft/Edelmann/Bron2, § 3 UmwStG Rz. 8; Wulff-Dohmen in Haase/Hofacker3, § 22 UmwStG Rz. 91. 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. E 20.03; Stangl/Kaeser in FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 397; Nitzschke in Brandis/Heuermann, § 22 UmwStG Rz. 45 (Stand: Juni 2020).

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F. Einbringung in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft | Rz. 14.181 Kap. 14

mehr dar.1 Die Finanzverwaltung trägt für diese steuerbegründenden Umstände die Beweislast.2 Pensionsrückstellungen sind auch im Rahmen des § 22 Abs. 1 UmwStG nach § 6a EStG zu bewerten.3 Der gemeine Wert des eingebrachten Betriebsvermögens wird gemindert um den Wert, mit dem die übernehmende Gesellschaft das eingebrachte Vermögen angesetzt hat (§ 22 Abs. 1 Satz 3 UmwStG). Wenn in dem gemeinen Wert des eingebrachten Betriebsvermögens auch eingebrachte Wirtschaftsgüter enthalten sind, für die vor der Einbringung kein deutsches Besteuerungsrecht bestand, wird unabhängig vom Wertansatz nach § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG deren gemeiner Wert abgezogen.4 Behandlung von Anteilen an Kapitalgesellschaften. Wenn zum eingebrachten Vermögen nach § 20 Abs. 1 UmwStG auch Anteile an Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften gehören, wird bei der Ermittlung des Einbringungsgewinns I weder der gemeine Wert der Anteile noch der Wert, mit dem die Anteile bei der übernehmenden Gesellschaft angesetzt werden, berücksichtigt. Vielmehr kommt § 22 Abs. 2 UmwStG zur Anwendung (§ 22 Abs. 1 Satz 5 UmwStG). Eine Ausnahme von dieser Regel folgt aus § 22 Abs. 1 Satz 5 Halbs. 2 UmwStG. Hiernach umfasst der Einbringungsgewinn I auch die stillen Reserven von Anteilen an Kapitalgesellschaften, die bei einer Sacheinlage mit eingebracht wurden, sofern das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile ausgeschlossen oder beschränkt ist.5

1 Vgl. Dötsch/Pung, DB 2006, 2763 (2766); Patt, DK 2006, 730 (737); Fuhrmann/Strahl in Carlé/Korn/Stahl/Strahl, Umwandlungen – Der neue Umwandlungssteuer-Erlass2, 100 Rz. 184. Wenn bei der Einbringung in der Handelsbilanz Verkehrswerte angesetzt worden sind, können diese einen Anhaltspunkt zur Ermittlung des gemeinen Wertes i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 3 UmwStG liefern, vgl. Jäschke in Lademann3, § 22 UmwStG Rz. 10; Stangl/ Kaeser in FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 397. 2 Vgl. Dötsch/Pung, DB 2006, 2763 (2766); Kußmaul, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre8, 440; Fuhrmann/Strahl in Carlé/Korn/Stahl/Strahl, Umwandlungen – Der neue Umwandlungssteuer-Erlass2, 101 Rz. 184; Bilitewski in H/M/B5, § 22 UmwStG Rz. 109; Patt in D/P/ M, § 22 UmwStG Rz. 55 (Stand: Dez. 2011); Stangl in R/H/vL3, § 22 UmwStG Rz. 295. Es wird empfohlen, zeitnah zur Einbringung Beweisvorsorge hinsichtlich der wertbegründenden Tatsachen zu treffen, vgl. Strahl, KÖSDI 2007, 15442; Forst/Radmer, EStB 2007, 112; Patt in D/P/M, § 22 UmwStG Rz. 55 (Stand: Dez. 2011); Stangl/Kaeser in FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 397. 3 Vgl. Stangl/Kaeser in FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 397 f.; Patt in D/P/ M, § 22 UmwStG Rz. 55 (Stand: Dez. 2011); Jäschke in Lademann3, § 22 UmwStG Rz. 10. 4 Vgl. Patt in D/P/M, § 22 UmwStG Rz. 56 (Stand: März 2018). 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.11; es ist nicht geklärt, ob § 22 Abs. 1 Satz 5 Halbs. 2 UmwStG auch im Fall der Ersatzrealisationstatbestände nach § 22 Abs. 1 Satz 6 UmwStG zur Anwendung kommt, da in 22 Abs. 1 Satz 5 Halbs. 2 UmwStG ein entsprechender Verweis fehlt: befürwortend Nitzschke in Brandis/Heuermann, § 22 UmwStG Rz. 56 (Stand: Juni 2020); Mutscher in Frotscher/Drüen, § 22 UmwStG Rz. 213 (Stand: Dez. 2020); zweifelnd Patt in D/P/M, § 22 UmwStG Rz. 53a (Stand: Dez. 2011); a.A. Bilitewski in H/M/B5, § 22 UmwStG Rz. 19; offen Schmitt in S/H9, § 22 UmwStG Rz. 69; Stangl in R/H/vL3, § 22 UmwStG Rz. 328.

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14.181

Kap. 14 Rz. 14.182 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

14.182 Kosten für den Vermögensübergang. Aufgrund der Berücksichtigung der Kosten für den Vermögensübergang bei der Ermittlung des Einbringungsgewinns I wird der laufende Gewinn des Einbringenden im Jahr der Einbringung im Nachhinein entsprechend erhöht, soweit diese Kosten im Jahr der Einbringung bereits den laufenden Gewinn des Einbringenden oder den originären Einbringungsgewinn gemindert haben.1 2. Nachträgliche Anschaffungskosten

14.183 In Höhe des der Besteuerung zugrunde gelegten Einbringungsgewinns I liegen nachträgliche Anschaffungskosten auf die erhaltenen Anteile vor (§ 22 Abs. 1 Satz 4 UmwStG). Die Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile erhöhen sich rückwirkend zum Einbringungsstichtag.2 Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Steuer auf den Einbringungsgewinn I entrichtet wurde. Es wird kein besonderer Nachweis oder ein Antrag zur Berücksichtigung der nachträglichen Anschaffungskosten verlangt; vielmehr erfolgt die Berücksichtigung der nachträglichen Anschaffungskosten kraft Gesetzes von Amts wegen.3 Im Fall der Veräußerung eines Teils der erhaltenen Anteile erhöht der Einbringungsgewinn I nur die Anschaffungskosten der tatsächlich veräußerten Anteile,4 also nicht des Gesamtbestands der erhaltenen Anteile.5 3. Antrag auf Buchwertaufstockung bei der übernehmenden Gesellschaft

14.184 Erhöhungsbetrag. Wenn der Einbringende den Einbringungsgewinn I zu versteuern hat (§ 22 Abs. 1 UmwStG), kann die übernehmende Gesellschaft im Grundsatz auf Antrag den Ansatz der von ihr übernommenen Wirtschaftsgüter in ihrer Steuerbilanz um den Einbringungsgewinn I (Erhöhungsbetrag) im Wirtschaftsjahr der Veräußerung der Anteile oder eines gleichgestellten Ereignisses (§ 22 Abs. 1 Satz 1, Satz 6 Nr. 1–6 UmwStG) erhöhen, soweit der Einbringende die auf den Einbringungsgewinn I entfallende Steuer entrichtet hat6 und dies durch die Vorlage einer Beschei1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.09. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.10; Bilitewski in H/M/B5, § 22 UmwStG Rz. 142; Schmitt in S/H9, § 22 UmwStG Rz. 50, 58; Stangl in R/H/vL3, § 22 UmwStG Rz. 281, 300; Widmann in W/M, § 22 UmwStG Rz. 186 (Stand: Februar 2008); Nitzschke in Brandis/Heuermann, § 22 UmwStG Rz. 54 (Stand: Juni 2020); Mutscher in Frotscher/Drüen, § 22 UmwStG Rz. 229 (Stand: Dez. 2020); Wulff-Dohmen in Haase/Hofacker3, § 22 UmwStG Rz. 103; Jäschke in Lademann3, § 22 UmwStG Rz. 12; Graw in Bordewin/Brandt, § 22 UmwStG Rz. 164 (Stand: Juni 2020); a.A. Patt in D/P/M, § 22 UmwStG Rz. 61b (Stand: März 2018); Eisgruber in Eisgruber2, § 22 UmwStG Rz. 117. 3 Vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 229; Patt in D/P/M, § 22 UmwStG Rz. 61 (Stand: März 2018). 4 Vgl. Widmann in W/M, § 22 UmwStG Rz. 186 (Stand: Februar 2008); Patt in D/P/M, § 22 UmwStG Rz. 61 (Stand: März 2018). 5 So Strahl, KÖSDI 2007, 15442 (15451); Hörtnagl, Stbg 2007, 257 (265, Fn. 104). 6 Zur Entrichtung der Steuer vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.12; Engers/Kröner/Kaeser in FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 488–490; Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 189–198 (Stand: Okt. 2020).

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F. Einbringung in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft | Rz. 14.186 Kap. 14

nigung des Finanzamts des Einbringenden nach § 22 Abs. 5 UmwStG nachgewiesen wurde (§ 23 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Praktisch kommt es zu einer Neubewertung der ursprünglichen Sacheinlage.1 Damit wird sichergestellt, dass die beim Einbringenden rückwirkend besteuerten stillen Reserven nicht doppelt besteuert werden. Verrechnung des Aufstockungsbetrags. Die Aufstockung der Wirtschaftsgüter in der Steuerbilanz der übernehmenden Gesellschaft erhöht nicht ihren steuerpflichtigen Gewinn (§ 23 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 UmwStG). Zunächst wird die Buchwertaufstockung mit dem steuerlichen Ausgleichsposten i.S.d. Rz. 20.20 des UmwStE 2011 verrechnet.2 Ein übersteigender Betrag erhöht sodann den Steuerbilanzgewinn; dieser Erhöhungsbetrag wird durch eine Kürzung außerhalb der Steuerbilanz neutralisiert. Der Aufstockungsbetrag wird als Zugang im steuerlichen Einlagekonto (§ 27 KStG) erfasst, soweit er nicht Korrekturbetrag zum Stammkapital ist.3

14.185

Zeitpunkt der Aufstockung und Verteilung des Aufstockungsbetrags. Die Aufstockung in der Steuerbilanz der übernehmenden Kapitalgesellschaft4 erfolgt zu Beginn des Wirtschaftsjahres, in das die Veräußerung der erhaltenen Anteile oder eines gleichgestellten Ereignisses fällt.5 Sie ist wirtschaftsgutbezogen und gleichmäßig vorzunehmen; eine selektive Aufstockung einzelner Wirtschaftsgüter kommt also nicht in Betracht.6 Es werden nur Wirtschaftsgüter aufgestockt, die durch eine Sacheinlage gem. § 20 Abs. 1 UmwStG erworben und gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG unterhalb des gemeinen Wertes bewertet wurden; eine Zuweisung des Erhöhungsbetrags auf andere Wirtschaftsgüter ist unzulässig.7 Die Aufstockung erfolgt im Verhältnis der stillen Reserven und der stillen Lasten in den eingebrachten Wirtschaftsgütern im steuerlichen Einbringungszeitpunkt.8 Dabei sind auch originäre immaterielle Wirtschaftsgüter einschließlich eines Geschäftswerts zu berücksichtigen.9 Der Aufsto-

14.186

1 Vgl. Dötsch/Pung, DB 2006, 2763 (2766); Kußmaul, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre8, 440. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.07. 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.07; Ritzer in R/H/vL3, § 23 UmwStG Rz. 138; Widmann in W/M, § 23 UmwStG Rz. 631 (Stand: Mai 2008); Dötsch/Pung, DB 2006, 2763 (2767); Ley, FR 2007, 109 (116); Schönherr/Lemaitre, GmbHR 2007, 459 (463). 4 Im Fall der Einbringung eines Mitunternehmeranteils wird die Aufstockung in einer positiven Ergänzungsbilanz bei der Personengesellschaft vorgenommen, vgl. z.B. Bilitewski in H/M/B5, § 23 UmwStG Rz. 119. 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.16; Schmitt in S/H9, § 23 UmwStG Rz. 50; Ritzer in R/H/vL3, § 23 UmwStG Rz. 148; Bilitewski in H/M/B5, § 23 UmwStG Rz. 97; Wochinger in Kraft/Edelmann/Bron2, § 23 UmwStG Rz. 41. 6 Vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 330; Ritzer in R/H/vL3, § 23 UmwStG Rz. 115, 160; Bilitewski in H/M/B5, § 23 UmwStG Rz. 97. 7 Vgl. Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 212 (Stand: Okt. 2020). 8 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.08; Fuhrmann/Strahl in Carlé/Korn/Stahl/Strahl, Umwandlungen – Der neue Umwandlungssteuer-Erlass2, 113 Rz. 207; Benz/Rosenberg in Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 203; Förster/ Wendland, BB 2007, 631 (636); Ritzer in R/H/vL3, § 23 UmwStG Rz. 164. 9 Vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 330.

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Kap. 14 Rz. 14.186 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

ckungsbetrag ist gleichfalls auf Schulden und steuerfreie Rücklagen zu verteilen, soweit hierin stille Reserven enthalten sind.1

14.187 Erfordernis der Betriebsvermögenszugehörigkeit. Eine Aufstockung setzt voraus, dass die eingebrachten Wirtschaftsgüter noch zum Betriebsvermögen der übernehmenden Kapitalgesellschaft gehören (§ 23 Abs. 2 Satz 2 UmwStG), und zwar zum Zeitpunkt der Veräußerung der erhaltenen Anteile oder eines gleichgestellten Ereignisses.2 Ist ein Wirtschaftsgut, auf das stille Reserven entfallen, mittlerweile bereits aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden, ist insoweit keine Buchwertaufstockung möglich. In Höhe des Aufstockungsbetrags liegt eine sofort abziehbare Betriebsausgabe im Zeitpunkt des schädlichen Ereignisses vor, wenn das Wirtschaftsgut in der Zwischenzeit zum gemeinen Wert übertragen wurde (§ 23 Abs. 2 Satz 2 UmwStG)3 oder untergegangen ist.4 Der auf das Wirtschaftsgut entfallende (anteilige) Aufstockungsbetrag geht verloren, wenn die Übertragung nicht zum gemeinen Wert erfolgte.5 Eine Buchwertaufstockung scheidet im Fall der Weitereinbringung der Wirtschaftsgüter zum Buch- oder Zwischenwert aus,6 während sie im Fall der unentgeltlichen Übertragung möglich ist, wenn der gemeine Wert bzw. der Teilwert angesetzt wurde.7 14.188 Antragstellung. Der Antrag nach § 23 Abs. 2 Satz 1 UmwStG ist nicht an eine Frist gebunden und bedarf keiner besonderen Form.8 Die Höhe und die Zuordnung des Aufstockungsbetrags müssen aus dem Antrag eindeutig erkennbar sein.9 1 Vgl. Engers/Kröner/Kaeser in FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 486; Ritzer in R/H/vL3, § 23 UmwStG Rz. 161. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.09; Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 331; der Beginn des Wirtschaftsjahres, in das das schädliche Ereignis fällt, ist also unerheblich; dieser Zeitpunkt wird in der Literatur aber präferiert, vgl. z.B. Ritzer in R/H/vL3, § 23 UmwStG Rz. 149; wohl auch Engers/Kröner/ Kaeser in FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 486. 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.09; Ott, StuB 2007, 10 (14); Sureth/Maßbaum, SteuerStud 2011, 321 (326); Widmann in W/M, § 23 UmwStG Rz. 629 (Stand: Mai 2008); der Erhöhungsbetrag führt auch in diesem Fall zu einem Zugang zum steuerlichen Einlagekonto, vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 331; Ritzer in R/H/vL3, § 23 UmwStG Rz. 139; zu den Möglichkeiten einer Übertragung zum gemeinen Wert vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 331; Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 215 ff. (Stand: Okt. 2020). 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.09; Engers/Kröner/Kaeser in FGS/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 487. 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.09; Ritzer in R/H/vL3, § 23 UmwStG Rz. 141; Bilitewski in H/M/B5, § 23 UmwStG Rz. 104. 6 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.09; Bilitewski in H/M/B5, § 23 UmwStG Rz. 104; Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 226 (Stand: Okt. 2020); a.A. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 332; Ritzer in R/H/vL3, § 23 UmwStG Rz. 143; Förster/Wendland, BB 2007, 631 (636). 7 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.09. 8 Vgl. Ritzer in R/H/vL3, § 23 UmwStG Rz. 102; Widmann in W/M, § 23 UmwStG Rz. 606.1 (Stand: Mai 2008). 9 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.07.

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F. Einbringung in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft | Rz. 14.190 Kap. 14

Erhöhtes Abschreibungspotential. Wird dieses Wahlrecht zur Buchwertaufstockung wahrgenommen, wird das zukünftige steuerliche Ergebnis der übernehmenden Gesellschaft durch die zusätzliche Abschreibung aus den aufgestockten Wirtschaftsgütern reduziert; die AfA oder AfS werden ab dem Beginn des Wirtschaftsjahres, in das das Ereignis fällt, das zu der Besteuerung des Einbringungsgewinns I führt, nach den um den Erhöhungsbetrag aufgestockten Anschaffungs- oder Herstellungskosten bemessen (§ 23 Abs. 3 Satz 2 UmwStG).1

14.189

V. Besonderheiten beim Formwechsel von einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft Aus handelsrechtlicher Sicht bleibt beim Formwechsel die Identität des Rechtsträgers gewahrt (vgl. auch Rz. 14.97). Steuerrechtlich ist jedoch von einem Rechtsträgerwechsel auszugehen, da die Personengesellschaft kein eigenes ESt-Subjekt darstellt; es wird ein Vermögensübergang zwischen verschiedenen Steuersubjekten fingiert. Der Formwechsel wird ertragsteuerlich gem. § 25 UmwStG entsprechend den Grundsätzen für die Einbringung eines Betriebs in eine Kapitalgesellschaft behandelt. Für die Besteuerung gelten somit die §§ 20 bis 23 analog (§ 25 Satz 1 UmwStG). Durch § 25 Satz 1 Alt. 2 UmwStG werden auch vergleichbare ausländische Vorgänge erfasst, d.h. § 25 UmwStG gilt ebenso für den Formwechsel einer EU-/EWR-Personengesellschaft in eine ausländische EU-/EWR-Kapitalgesellschaft (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Die Gesellschafter der formwechselnden EU-/EWR-Personengesellschaft müssen ebenfalls in einem EU-/EWR-Staat ansässig sein oder das Recht Deutschlands hinsichtlich der Besteuerung des Veräußerungsgewinns der erhaltenen Anteile an der Kapitalgesellschaft darf nicht ausgeschlossen oder beschränkt sein (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwStG). Generell ist jedoch fraglich, ob es überhaupt einen grenzüberschreitenden Formwechsel geben kann.2 Stattdessen dürfte ein „tatsächlich grenzüberschreitender Formwechsel“ nur in Form eines Sitz- oder Statutenwechsels möglich sein, so wie auch der EuGH z.B. in seinen Urteilen zur Rs. Vale oder zur Rs. Polbud einen grenzüberschreitenden Formwechsel innerhalb der EU für möglich hält (vgl. ausführlich Rz. 14.97 f.).3 Nach § 25 Satz 2 UmwStG ist zudem § 9 Satz 2 und 3 UmwStG entsprechend anzuwenden (vgl. hierzu Rz. 14.99). 1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.16; Patt in D/P/M, § 23 UmwStG Rz. 211, 230 ff. (Stand: Okt. 2020). 2 Vgl. Hahn, IStR 2005, 677 (678); Hahn in PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, Rz. 825; Birkemeier in R/H/vL3, § 9 UmwStG Rz. 23; Abele in S/B/B, Umwandlungen5, § 28 Rz. 12; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.101; a.A. Geyrhalter/Weber, DStR 2006, 146 (150). 3 Vgl. hierzu Hahn in PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, Rz. 825, 828; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.101; hierzu auch EuGH v. 16.12.2008 – C-201/06, ECLI:EU:C:2008:104 – Cartesio, Slg. 2008, I-9641; EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10, ECLI:EU:C:2012:440 – Vale, DB 2012, 1614. Bestätigt durch EuGH v. 25.10.2017 – C-106/16, ECLI:EU:C:2017:804 – Polbud, ZIP 2017, 2145 ff.; vgl. zu Polbud Bayer/Schmidt, ZIP 2017, 2225 ff.; Bärwaldt/Hoefling, DB 2017, 3051 ff.; Lammel/Wasmeier, IWB 2018, 137 ff.; Teichmann/Knaier, GmbHR 2017, 1314 ff.; Sparfeld, WPg 2018, 55 ff.; Kindler, NZG 2018, 1 ff.; Schall, DB 2017, Heft 45, M4 f. Entgegen dem Urteil in der Rs.

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14.190

Kap. 14 Rz. 14.191 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

14.191 Optionsmodell. Darüber hinaus räumt § 1a Abs. 1 KStG Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften auf unwiderruflichen Antrag das Wahlrecht ein, sich freiwillig dem Regime der Besteuerung von Kapitalgesellschaften nach dem Trennungsprinzip zu unterwerfen (sog. Optionsmodell, vgl. ausführlich Kapitel 20).1 Zivilrechtlich bleibt die optierende Gesellschaft nach wie vor eine Personengesellschaft, lediglich ertragsteuerlich wird sie wie eine Kapitalgesellschaft behandelt.2 Die Optionsausübung wird gem. § 1a Abs. 2 Satz 1, 2 KStG als Formwechsel i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 3 UmwStG behandelt, auf den die §§ 1 und 25 UmwStG und infolgedessen die §§ 20 bis 23 UmwStG anzuwenden sind, so dass der fiktive Formwechsel als eine Einbringung der jeweiligen Mitunternehmeranteile in eine Kapitalgesellschaft zu werten ist.3 Auf den Zeitpunkt, in dem der Formwechsel wirksam wird, müssen eine steuerliche Übertragungsbilanz bei der Personengesellschaft und eine Eröffnungsbilanz bei der fiktiven Kapitalgesellschaft aufgestellt werden (§ 25 Satz 2 i.V.m. § 9 Satz 2 UmwStG).4 Eine Rückbeziehung ist entgegen § 25 Satz 2 i.V.m. § 9 Satz 3 UmwStG nicht möglich (§ 1a Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 KStG). Wie beim echten Formwechsel sind ebenso beim fiktiven Formwechsel für die Steuerneutralität die Voraussetzungen der §§ 20 ff. UmwStG zu beachten, so dass die Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen grundsätzlich mit dem gemeinen Wert anzusetzen hat (§ 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG, vgl. Rz. 14.138 ff.), jedoch auf Antrag nach § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG einheitlich der Buch- oder ein Zwischenwert angesetzt werden kann (vgl. Rz. 14.143 ff.).5 Ein Ansatz zum gemeinen Wert oder zum Zwischenwert kann beim fiktiven Formwechsel gleichermaßen wie beim echten Formwechsel in gewissen Fällen vorteilhaft sein.6 Der Ansatz der Buch- oder Zwischenwerte ist nur möglich, wenn sämtliche Wirtschaftsgüter übertragen werden, die zu den funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Mitunternehmeranteils gehören (§ 20 Abs. 1 und 2 UmwStG). Problematisch kann dies insbesondere mit Blick auf funktional wesentliche Betriebsgrundlagen (vgl. Rz. 14.143) des Sonderbetriebsvermögens der Gesellschafter sein.7 Diese müssen im Rahmen eines separaten Ver-

1 2 3 4 5 6 7

Vale kommt es in der Rs. Polbud nicht darauf an, ob „die Gesellschaft tatsächlich die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Zielland“ anstrebt, Schall, DB 2017, Heft 45, M4 (M5). Es gelten die Grundsätze aus Rz. 14.144 f. Vgl. bspw. Wacker/Krüger/Levedag/Loschelder, DStR 2021, Beihefter zu Heft 41, 3 ff.; Brühl/Weiss, DStR 2021, 889 ff., 945 ff. und 1617 ff.; Cordes/Kraft, FR 2021, 401 ff. Vgl. Fuhrmann, NWB 2021, 2356 (2358); Wacker, DStR 2021, Beihefter zu Heft 41, 3 (7). Vgl. Rombach/Kahle, DB 2022, 1856 (1856). Zu grenzüberschreitenden Aspekten vgl. Prinz, FR 2023, 1. Vgl. Fuhrmann, NWB 2021, 2356 (2359); Schiffers, DStZ 2021, 530 (531); Ott, DStZ 2021, 559 (561); Schiffers/Jacobsen, DStZ 2021, 348 (359). Vgl. Demuth, NWB 2021, 2586 (2588); Kahle/Mock, DStZ 2022, 232 (241); Dorn/Dibbert, DB 2021, 706 (707). Vgl. Schiffers/Jacobsen, DStZ 2021, 348 (361 f.). Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 32; bspw. Eggert, BBK 2021, 628 ff. und 1091 ff.; Strecker/Carlé, NWB 2021, 2022 ff.; BT-Drucks. 19/ 28656 v. 19.4.2021, 23; BFH v. 29.11.2017 – I R 7/16, BStBl. II 2019, 738; Brühl/Weiss, DStR 2021, 889 (894); Kahle, FR 2022, 377 (381 f.); Kelm/Rindermann/Hennrichs, WPg 2021, 1166 (1173); Kußmaul/Gottfreund, StB 2021, 161 (164); Ott, DStZ 2021, 559 (562).

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F. Einbringung in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft | Rz. 14.191 Kap. 14

trages in das Gesamthandsvermögen der optierenden Gesellschaft übertragen werden.1 Geht das Sonderbetriebsvermögen nicht auf die optierende Personengesellschaft über und bleibt es nicht steuerverstrickt, gilt es im Zeitpunkt der Option als in das Privatvermögen der Gesellschafter übernommen, so dass die stillen Reserven realisiert werden.2 Ein Zurückbehalt auch bei fortbestehender Überlassung der wesentlichen Betriebsgrundlage ist nicht ausreichend.3 Bei der Überführung oder Übertragung in ein anderes Betriebsvermögen in einem zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang ist die Gesamtplanrechtsprechung zu prüfen.4 Werden die Buchwerte fortgeführt oder die Zwischenwerte angesetzt, tritt die fiktive Kapitalgesellschaft gleichfalls in die steuerliche Rechtsstellung der Personengesellschaft ein (§ 23 Abs. 1 UmwStG i.V.m. § 12 Abs. 3 Halbs. 1 UmwStG); Besitz- und Verbleibenszeiten der Personengesellschaft werden der fiktiven Kapitalgesellschaft angerechnet (§ 23 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG; vgl. Rz. 14.153 ff.). Beim Ansatz des gemeinen Wertes tritt die fiktive Kapitalgesellschaft aufgrund der angenommenen Gesamtrechtsnachfolge ebenso die steuerliche Rechtsnachfolge der Personengesellschaft an (§ 23 Abs. 4 Halbs. 2 UmwStG); eine Anrechnung von Besitzund Verbleibenszeiten erfolgt aber nicht (vgl. Rz. 14.141).5 Nach § 1a Abs. 4 KStG ist auf Antrag eine Rückoption möglich, die wie die Option als Formwechsel, in diesem Fall i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwStG, behandelt wird.6

1 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 34. 2 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 36, i.V.m. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.08; Strecker/ Carlé, NWB 2021, 2022 (2023); Dörfler/Spitz, ErbStB 2022, 14 (14 f.). Denn nach der Optionsausübung ist die Qualifikation als Sonderbetriebsvermögen beendet, vgl. Wälzholz, ZEV 2022, 10 (11); Demuth, KÖSDI 2021, 22241 (22244); Demuth, NWB 2021, 2586 (2589), mit Verweis auf Dorn/Dibbert, DB 2021, 706 (707). 3 Vgl. BFH v. 29.11.2017 – I R 7/16, BStBl. II 2019, 738. 4 Vgl. BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 35, i.V.m. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.07. Das BMFSchreiben gibt dabei ausdrücklich vor, dass die Grundsätze des BMF-Schreibens v. 20.11.2019 – IV C 6 - S 2241/15/10003, BStBl. I 2019, 1291 Rz. 10, in dem die Finanzverwaltung die Gesamtplanrechtsprechung im Rahmen des § 6 Abs. 3 und § 6 Abs. 5 EStG weitgehend aufgegeben hat, nicht anzuwenden sind. Die Gesamtplanbetrachtung wird hierbei jedoch von der h.M. in der Literatur zu Recht abgelehnt, vgl. Strecker/Carlé, NWB 2021, 2022 (2028); Ott, DStZ 2021, 559 (563); Eggert, BBK 2021, 628 (634 f.) und 1091 (1092, 1094); Schiffers/Jacobsen, DStZ 2021, 348 (372); Binder/Riedel, DB 2020, 1587 (1590 f.); Strahl, KÖSDI 2020, 21857 (21860 f.); Herlinghaus in R/H/vL3, § 20 UmwStG Rz. 106 ff.; Menner in H/M/B5, § 20 UmwStG Rz. 69, 165, m.w.N. 5 Ebenso hierzu Schiffers/Jacobsen, DStZ 2021, 348 (361 ff.). 6 Desgleichen ist eine Rückbeziehung entgegen § 9 Satz 3 UmwStG nicht möglich (§ 1a Abs. 4 Satz 2 KStG).

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Kap. 14 Rz. 14.192 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

G. Anteilstausch I. Wertansatz und Gewinnermittlung bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft 1. Regelbewertung zum gemeinen Wert

14.192 Grundsätzlich sind die eingebrachten Anteile bei der übernehmenden Gesellschaft mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG). Nach Auffassung der Finanzverwaltung erfolgt der Erwerb der eingebrachten Anteile im Rahmen eines Veräußerungs- und Anschaffungsvorgangs ohne 8 monatige Rückbeziehungsmöglichkeit.1 Auf den in der Handelsbilanz ausgewiesenen Wert kommt es insoweit nicht an (Rz. 14.6).2 14.193 Der gemeine Wert der Anteile ist auf den steuerlichen Zeitpunkt der Einbringung zu ermitteln.3 Für die Bestimmung des gemeinen Wertes kommt § 11 BewG zur Anwendung. Der Börsenwert zum Zeitpunkt der Einbringung ist vorrangig als gemeiner Wert maßgebend (§ 11 Abs. 1 BewG). Wenn sich der Anteilswert nicht aus dem Kurswert oder aus zeitnahen Verkäufen unter Marktbedingungen ableiten lässt, ist er unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft oder einer anderen anerkannten Methode zu ermitteln. Bezüglich der Anwendung des § 11 Abs. 2 BewG sind die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung der §§ 11, 95 bis 109 und 199 ff. BewG zu beachten, welche in die ErbStR 2019 (R B 11.1 ErbStR 2019) integriert sind.4 Es ist die Methode anzuwenden, die ein Erwerber bei der Bemessung des Kaufpreises zugrunde legen würde.5 Das vereinfachte Ertragswertverfahren (§ 11 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. §§ 199–203 BewG) dürfte anwendbar sein.6 2. Bewertungswahlrecht beim qualifizierten Anteilstausch

14.194 Auf Antrag ist gem. § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG der Ansatz des Buchwerts oder eines Zwischenwerts möglich, wenn die übernehmende Gesellschaft nach der Einbringung aufgrund ihrer Beteiligung einschließlich der eingebrachten Anteile nachweislich unmittelbar die Mehrheit der Stimmrechte an der erworbenen Gesellschaft hat (qualifi1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.07. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.07. Wenn die eingebrachten Anteile an der erworbenen Gesellschaft in der Steuerbilanz der übernehmenden Kapitalgesellschaft mit einem höheren Wert als in der Handelsbilanz ausgewiesen werden, handelt es sich um ein wirtschaftliches Aufgeld, das in dem steuerlichen Einlagekonto zu erfassen ist, vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 279. 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.08. 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.08, mit Verweis auf BMF v. 22.9.2011 – IV C 6 - S 2170/10/10001, BStBl. I 2011, 859. Vgl. im Einzelnen Kahle/Hiller/Vogel, FR 2012, 789 (792 ff.). 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.09. 6 Vgl. Kaeser, DStR 2012, Beihefter zu Heft 2, 13 (16); Kahle/Hiller/Vogel, FR 2012, 789 (794 ff.); Edelmann in Kraft/Edelmann/Bron2, § 21 UmwStG Rz. 74; Bauschatz in Widmann/Bauschatz, § 21 UmwStG Rz. 73.

1032 | Braun

G. Anteilstausch | Rz. 14.196 Kap. 14

zierter Anteilstausch, § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UmwStG) und soweit der gemeine Wert von sonstigen Gegenleistungen1, die neben den neuen Anteilen gewährt werden, nicht mehr beträgt als 25 % des Buchwerts der eingebrachten Anteile oder 500.000 €, höchstens jedoch den Buchwert der eingebrachten Anteile (§ 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UmwStG). Dieses Antragswahlrecht stellt ein autonomes steuerliches Wahlrecht dar; auf den Ansatz der eingebrachten Anteile in der Handelsbilanz der übernehmenden Gesellschaft kommt es nicht an (Rz. 14.6).2 Dies gilt gleichermaßen für nachfolgende Bilanzstichtage (keine „nachlaufende Maßgeblichkeit“).3 In jedem Fall sind die erworbenen Anteile höchstens mit dem gemeinen Wert zu bewerten (§ 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG). Wenn der gemeine Wert unterhalb des Buchwerts der eingebrachten Anteile liegt, ist der gemeine Wert anzusetzen.4 An die Stelle des Buchwerts treten die Anschaffungskosten, wenn die Anteile zum Privatvermögen des Einbringenden gehören (§ 21 Abs. 2 Satz 5 UmwStG).

14.195

Wenn der Einbringende neben den Gesellschaftsanteilen noch sonstige Gegenleistungen erhält (z.B. Gesellschafterdarlehen), sind die eingebrachten Anteile abweichend von § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG mindestens mit dem gemeinen Wert der sonstigen Gegenleistungen anzusetzen, wenn dieser Wert den sich nach § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG ergebenden Wert übersteigt (§ 21 Abs. 1 Satz 4 UmwStG).5 Der gemeine Wert der eingebrachten Anteile darf dabei nicht überschritten werden (§ 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG).6 Die eingebrachten Anteile an der erworbenen Gesellschaft sind zwingend mit dem gemeinen Wert anzusetzen, „soweit durch den Einbringungsvorgang ein deutsches Besteuerungsrecht erstmals begründet wird.“7 Antragstellung. Die Formalitäten der Antragstellung gelten wie im Rahmen des § 20 UmwStG (§ 21 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG, vgl. Rz. 14.150 ff.).8 1 Vgl. zu den sonstigen Gegenleistungen Benecke/Möllmann, FR 2016, 741 ff.; Ott, StuB 2015, 909 ff.; Ott, StuB 2016, 812 ff.; Bron, DB 2015, 940 ff.; Ettinger/Mörz, GmbHR 2016, 154 ff.; Wälzholz, DStZ 2015, 449 ff.; Bilitewski/Heinemann, Ubg 2015, 513 ff.; Bünning, BB 2017, 171 ff.; Ritzer/Stangl, DStR 2015, 849 (853 ff.); Rödder, Ubg 2015, 329 ff. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.11; Behrens in H/M/B5, § 21 UmwStG Rz. 202; Schmitt in S/H9, § 21 UmwStG Rz. 65. 3 Vgl. Patt in D/P/M, § 21 UmwStG Rz. 46 (Stand: Juni 2019). 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.09. 5 Vgl. auch BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.10; wenn die sonstige Gegenleistung kein Wirtschaftsgut darstellt, sondern es sich um rein schuldrechtliche, nicht bilanzierungsfähige Absprachen handelt (z.B. Vorzugsdividende), dürfte der Tatbestand der sonstigen Gegenleistung i.S.v. § 21 Abs. 1 Satz 4 UmwStG nicht erfüllt sein, vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 282; Nitzschke in Brandis/Heuermann, § 20 UmwStG Rz. 75b (Stand: Juni 2020). 6 Vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 281; Patt in D/P/M, § 21 UmwStG Rz. 51 (Stand: Juni 2019). 7 Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 282. 8 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.12, mit Verweis auf Rz. 20.21–20.23.

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14.196

Kap. 14 Rz. 14.196 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

Der übernehmende Rechtsträger muss den Antrag stellen; der Einbringende hat kein Antragsrecht. Ein Ansatz zu Buch- oder Zwischenwerten ist in der steuerlichen Schlussbilanz des Wirtschaftsjahres, in das die Einbringung fällt, oder in einer steuerlichen Einbringungsbilanz zu dokumentieren (§ 21 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG); damit ist die steuerliche Eröffnungsbilanz bzw. die nächste auf den Einbringungszeitpunkt folgende reguläre steuerliche Jahresbilanz der übernehmenden Kapitalgesellschaft i.S.v. §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG gemeint, in der die Einbringung eindeutig abgebildet wird, so dass es einer eigenständigen Einbringungs- bzw. Schlussbilanz nicht bedarf.1 Grund hierfür ist, dass in den Fällen der Einbringung der Anschaffungsvorgang in der Bilanz des übernehmenden Rechtsträgers angesetzt wird, in Verschmelzungsfällen aber in der Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers, in dem in einer regulären Bilanz ein derartiger Vorgang nicht wiedergegeben wird.2 II. Wertansatz und Gewinnermittlung beim Einbringenden 1. Veräußerungspreis der eingebrachten Anteile und Wertansatz der erhaltenen Anteile

14.197 Veräußerungspreis. Der Wert, mit dem die übernehmende Gesellschaft die eingebrachten Anteile ansetzt, gilt für den Einbringenden als Veräußerungspreis der eingebrachten Anteile und als Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile (§ 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG, „Grundsatz der strikten Wertverknüpfung“3). Damit bestimmt der Wertansatz bei der aufnehmenden Kapitalgesellschaft den Verkaufspreis des Einbringenden.4 Wenn es beim übernehmenden Rechtsträger zu einer Änderung des Wertansatzes – z.B. infolge einer Betriebsprüfung – kommt, ist aufgrund § 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG ebenso eine Änderung des Veräußerungspreises und der Anschaffungskosten der neuen Anteile vorzunehmen.5 14.198 Grenzüberschreitende Anteilseinbringung. Für grenzüberschreitende Anteilseinbringungen wird der Grundsatz der strikten Wertverknüpfung aufgegeben. Wird das deutsche Besteuerungsrecht für die Gewinne aus der Veräußerung der eingebrachten Anteile beschränkt oder ausgeschlossen, gilt für den Einbringenden der gemeine Wert der eingebrachten Anteile als deren Veräußerungspreis und als Anschaffungs1 Vgl. BFH v. 15.6.2016 – I R 69/15, BStBl. II 2017, 75; Edelmann in Kraft/Edelmann/Bron2, § 21 UmwStG Rz. 92; Behrens in H/M/B5, § 21 UmwStG Rz. 196; Schmitt in S/H9, § 21 UmwStG Rz. 67; Patt in D/P/M, § 21 UmwStG Rz. 49b (Stand: Juni 2019) i.V.m. § 20 UmwStG Rz. 211b (Stand: Juni 2017). 2 Vgl. Kaeser, DStR 2012, Beihefter zu Heft 2, 13 (15); Förster, GmbHR 2012, 237 (243); Kroener/Momen, DB 2012, 71 (73). Wird eine Steuerbilanz nicht aufgestellt, ist auf die Handelsbilanz mit einer Überleitungsrechnung nach § 60 Abs. 2 EStDV abzustellen, vgl. Neu/Schiffers/Watermeyer, GmbHR 2011, 729, zu Rz. 20.20–20.22; Ott, StuB 2012, 131 (135). 3 So Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 283. 4 Zur Vereinbarung von Steuerklauseln im Einbringungsvertrag vgl. Ott, DStZ 2009, 90. 5 Vgl. Patt in D/P/M, § 21 UmwStG Rz. 56 (Stand: Juni 2018); Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 283.

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G. Anteilstausch | Rz. 14.199 Kap. 14

kosten der erhaltenen Anteile (§ 21 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 UmwStG); auf den Wertansatz der eingebrachten Anteile durch den übernehmenden Rechtsträger kommt es insoweit nicht an.1 Dies gilt gleichermaßen, wenn das deutsche Besteuerungsrecht an den erhaltenen Anteilen ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 21 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 UmwStG). Aufgrund des Art. 13 Abs. 5 OECD-MA hat für die meisten DBA-Fälle der Sitzstaat des Anteilseigners das Besteuerungsrecht bei Veräußerung der Anteile. Somit kommt es nur im Ausnahmefall (z.B. DBA Tschechien) zu einer Beschränkung bzw. zu einem Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts. Wertansatzmöglichkeiten beim qualifizierten Anteilstausch. Eine Rückausnahme von § 21 Abs. 2 Satz 2 UmwStG ergibt sich aus § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG (qualifizierter Anteilstausch) kann der Einbringende auf Antrag den Buchwert bzw. einen Zwischenwert als Veräußerungspreis der eingebrachten Anteile und als Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile ansetzen, wenn bei einer späteren Veräußerung Gewinne aus den im Rahmen des Anteilstausches erhaltenen Anteilen in Deutschland besteuert werden können (§ 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG). In jedem Fall bestimmt der gemeine Wert die Obergrenze der Bewertung. Es werden zwei Fälle unterschieden, in denen das deutsche Besteuerungsrecht gegeben ist:2 – Das deutsche Besteuerungsrecht für den Veräußerungsgewinn hinsichtlich der erhaltenen Anteile ist weder ausgeschlossen noch beschränkt (§ 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UmwStG).3 – Das DBA weist Deutschland das Besteuerungsrecht für den Veräußerungsgewinn hinsichtlich der erhaltenen Anteile nicht zu, aber der Anteilstausch darf aufgrund der FRL nicht besteuert werden (§ 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 UmwStG).4 In diesem Fall kann der Gewinn aus einer späteren Veräußerung der erhaltenen Anteile in Deutschland besteuert werden, obwohl nach dem anwendbaren DBA ein deutsches Besteuerungsrecht nicht gegeben ist. Nach der FRL ist dieses treaty override gerechtfertigt.5 1 Vgl. Patt in D/P/M, § 21 UmwStG Rz. 59 (Stand: Juni 2018). 2 Der Wertansatz für die eingebrachte Beteiligung bei der übernehmenden Gesellschaft ist hierbei unerheblich (keine doppelte Buchwertverknüpfung), vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.15. 3 Vgl. im Einzelnen Patt in D/P/M, § 21 UmwStG Rz. 60a (Stand: Juni 2018); Edelmann in Kraft/Edelmann/Bron2, § 21 UmwStG Rz. 138 ff.; Bauschatz in Widmann/Bauschatz, § 21 UmwStG Rz. 101. 4 Vgl. im Einzelnen Patt in D/P/M, § 21 UmwStG Rz. 61 (Stand: Juni 2019); Edelmann in Kraft/Edelmann/Bron2, § 21 UmwStG Rz. 141 ff.; Bauschatz in Widmann/Bauschatz, § 21 UmwStG Rz. 101. 5 Nach Art. 8 Abs. 1 FRL darf der Anteilstausch nicht zu einer Besteuerung führen. Dem Mitgliedstaat des Einbringenden ist es aber gestattet, den Gewinn aus der späteren Veräußerung der im Rahmen des Anteilstausches erworbenen Anteile genauso zu besteuern, wie den Gewinn aus der Veräußerung der eingebrachten (getauschten) Anteile (Art. 8 Abs. 6 FRL). Der Sitzstaat der erwerbenden Gesellschaft kann gegen die gegen das DBA

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14.199

Kap. 14 Rz. 14.200 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

14.200 Antragstellung. Das Antragsrecht nach § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG steht nur dem Einbringenden zu.1 Gemäß § 21 Abs. 2 Satz 4 UmwStG ist der Antrag spätestens bis zur erstmaligen Abgabe der Steuererklärung bei dem für die Besteuerung des Einbringenden zuständigen Finanzamt zu stellen. Er bedarf keiner Form, kann also auch konkludent gestellt werden. Es ist strittig, ob für den Steuerpflichtigen ein einmal wirksam gestellter Antrag bindend ist.2 2. Einbringungsgewinn

14.201 Für die Besteuerung des aus dem Anteilstausch resultierenden Gewinns beim Einbringenden gelten die allgemeinen Regelungen zur Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften.3 Als Veräußerungs- bzw. Einbringungsgewinn ergibt sich folgender Betrag:4 ./. ./. =

Veräußerungspreis i.S.d. § 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG Einbringungskosten Buchwert der übertragenen Anteile (oder deren AK, § 21 Abs. 2 Satz 5 UmwStG) Einbringungsgewinn

Der Einbringungsgewinn entsteht im Einbringungszeitpunkt. Dieser bestimmt sich nach dem Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums der eingebrachten Anteile auf die übernehmende Gesellschaft.5 Eine Rückbeziehung des Anteilstausches liegt außerhalb des Regelungsbereichs des § 20 UmwStG.6 3. Steuerliche Rechtsnachfolge

14.202 Die erhaltenen Anteile treten in die steuerliche Rechtsnachfolge bezüglich der eingebrachten Anteile ein, sofern der Anteilstausch nicht durch Einzelübertragung zum gemeinen Wert erfolgte (§ 23 Abs. 1, 4 Halbs. 2 UmwStG). Somit tritt nicht die erwerbende Gesellschaft mit den erhaltenen Anteilen in die Rechtsstellung der einge-

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verstoßende Besteuerung Deutschlands nichts einwenden, da die übernehmende Kapitalgesellschaft stets in einem EU-/EWR-Staat steuerlich ansässig sein muss und dieser Staat folglich an die Vorgaben der FRL gebunden ist, vgl. Benz/Rosenberg in Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 170. Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.15; Behrens in H/M/B5, § 21 UmwStG Rz. 301; Nitzschke in Brandis/Heuermann, § 21 UmwStG Rz. 48 (Stand: Juni 2020). Bejahend Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 287; Schmitt in S/H9, § 21 UmwStG Rz. 110; a.A. Behrens in H/M/B5, § 21 UmwStG Rz. 305; Patt in D/P/M, § 21 UmwStG Rz. 65 (Stand: Juni 2018); Rabback in R/H/vL3, § 21 UmwStG Rz. 179; Edelmann in Kraft/ Edelmann/Bron2, § 21 UmwStG Rz. 148 ff. Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.16. Zu den Einbringungskosten der Übernehmerin und des Einbringenden vgl. Patt in D/P/ M, § 21 UmwStG Rz. 72 ff., 78 (Stand: Juni 2018). Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.17. Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.17.

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G. Anteilstausch | Rz. 14.203 Kap. 14

brachten Anteile (wie in den Fällen der Sacheinlage), sondern der Einbringende. Die steuerlichen Merkmale der hingegebenen Anteile gehen auf die erhaltenen Anteile über, so dass z.B. Sperrfristen fortgeführt werden oder ggf. Zuschreibungen vorzunehmen sind.1 Besitz- und Verbleibenszeiten werden auf die erhaltene Beteiligung angerechnet (§ 23 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG).2 III. Rückwirkende Besteuerung beim Anteilstausch und der Miteinbringung von Anteilen an Kapitalgesellschaften bei Sacheinlage (§ 22 Abs. 2 UmwStG) 1. Einbringungsgewinn II Wenn im Rahmen eines Anteilstausches (§ 21 Abs. 1 UmwStG) oder einer Sacheinlage (§ 20 Abs. 1 UmwStG) Anteile an einer Kapitalgesellschaft unter dem gemeinen Wert eingebracht werden, wird der Einbringungsvorgang rückwirkend besteuert, wenn der Einbringende nicht unter § 8b Abs. 2 KStG fällt und die eingebrachten Anteile durch die übernehmende Gesellschaft innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren nach dem Einbringungsvorgang veräußert werden (§ 22 Abs. 2 UmwStG). Dieser Einbringungsgewinn II ist rückwirkend im Veranlagungszeitraum des steuerlichen Übertragungsstichtages als Gewinn des Einbringenden aus der Veräußerung von Anteilen zu versteuern.3 Die Besteuerung eines Einbringungsgewinns II tritt ebenfalls dann ein, wenn und soweit ein Ersatzrealisationstatbestand innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist erfüllt wird (§ 22 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. Abs. 1 Satz 6 UmwStG).4 Der Einbringungsgewinn II ermittelt sich wie folgt (§ 22 Abs. 2 Satz 3 UmwStG):5 ./. ./. = ./. =

gemeiner Wert der eingebrachten Anteile im Zeitpunkt der Einbringung Kosten für den Vermögensübergang Wert, mit dem der Einbringende die erhaltenen Anteile angesetzt hat Einbringungsgewinn II vor Siebtelregelung zeitanteiliger Abbau um 1/7 entspr. dem Zeitraum zwischen Einbringung und Veräußerung zu versteuernder Einbringungsgewinn II

1 Vgl. Patt in D/P/M, § 21 UmwStG Rz. 69 (Stand: Juni 2018). 2 Vgl. Patt in D/P/M, § 21 UmwStG Rz. 39, 69 (Stand: Juni 2019, Juni 2018); es ist strittig, ob eine Besitzzeitanrechnung auch dann zum Tragen kommt, wenn die übertragenen Anteile im Privatvermögen des Einbringenden gehalten wurden; befürwortend Schmitt/ Schlossmacher, UmwStE 2011, 328; Schmitt in S/H9, § 23 UmwStG Rz. 34; Biesold in Haase/Hofacker3, § 23 UmwStG Rz. 42; Ritzer in R/H/vL3, § 23 UmwStG Rz. 87; Seer/Krumm, FR 2010, 677 (683); Widmann in W/M, § 23 UmwStG Rz. 45 (Stand: Mai 2011); a.A. Mutscher in Frotscher/Drüen, § 23 UmwStG Rz. 34 ff. (Stand: Dez. 2020); Patt in Patt/Rupp/ Assmann, Der neue Umwandlungssteuererlass, 162; BFH v. 16.4.2014 – I R 44/13, BStBl. II 2015, 303 Rz. 9; FG München v. 17.9.1991 – 7 K 7191/85, EFG 1992, 201 (rkr.). 3 Vgl. auch BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.12. 4 Vgl. zu den Ersatzrealisationstatbeständen im Einzelnen BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.18–22.27; Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 300–313. 5 Vgl. auch BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.14; Jäschke in Lademann3, § 22 UmwStG Rz. 23a.

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14.203

Kap. 14 Rz. 14.204 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

14.204 Der gemeine Wert der eingebrachten Anteile muss zur Berechnung des Einbringungsgewinns II (ggf. nachträglich) auf den Einbringungszeitpunkt ermittelt werden.1 Um den Einbringungsgewinn II zutreffend zu ermitteln, wird der Wertansatz der erhaltenen Anteile um den gemeinen Wert der sonstigen Gegenleistung (§ 20 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 6 UmwStG) erhöht.2 Die Höhe des Einbringungsgewinns II ist unabhängig von späteren Wertveränderungen der Anteile nach dem Zeitpunkt der Einbringung und vor dem der Weiterveräußerung der eingebrachten Anteile.3 2. Nachträgliche Anschaffungskosten

14.205 Eine nachträgliche Besteuerung des Einbringungsgewinns II führt bei der übernehmenden Gesellschaft gem. § 23 Abs. 2 Satz 3 UmwStG auf Antrag zu einer entsprechenden Erhöhung der Anschaffungskosten der eingebrachten Anteile, soweit der Einbringende die auf den Einbringungsgewinn II entfallende Steuer entrichtet hat4 und dies durch eine Bescheinigung des zuständigen Finanzamts i.S.v. § 22 Abs. 5 UmwStG nachgewiesen wird.5 Die Anschaffungskosten werden zum Zeitpunkt des schädlichen Ereignisses erhöht.6 Dieser Erhöhungsbetrag führt zu einer steuerfreien Betriebsvermögensmehrung und wird grundsätzlich als Zugang des steuerlichen Einlagekontos (§ 27 Abs. 1 KStG) der übernehmenden Kapitalgesellschaft erfasst.7 Rz. 23.09 UmwStE 2011 gilt hier entsprechend (Rz. 14.187). In gleicher Höhe entstehen gem. § 22 Abs. 2 Satz 4 UmwStG beim Einbringenden oder dessen Rechtsnachfolger nachträgliche Anschaffungskosten auf seine erhaltenen Anteile. Die Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile erhöhen sich rückwirkend zum Einbringungsstichtag,8 wobei ein entsprechender Antrag nicht zu stellen und es unerheblich ist, ob die Steuer auf den Einbringungsgewinn II entrichtet wurde.9 1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. E 20.06, 22.14. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.15; Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 298 f. 3 Vgl. Dötsch/Pung, DB 2006, 2763 (2770). 4 Zur Entrichtung der Steuer vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.12. 5 Der bei der aufnehmenden Gesellschaft nach § 8b Abs. 2 KStG begünstigte Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung der eingebrachten Anteile verringert sich entsprechend aufgrund der Erhöhung der Anschaffungskosten, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/ 08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.11; § 23 Abs. 2 Satz 3 UmwStG gilt für den Fall der Weitereinbringung der eingebrachten Anteile zum Buchwert auch bezüglich der auf der Weitereinbringung beruhenden Anteile (§ 23 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 7 UmwStG), zu einem Beispiel vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.11. 6 Vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 333. 7 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.11 i.V.m. 23.07; Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 333. 8 Wenn nur ein Teil der eingebrachten Anteile durch die übernehmende Kapitalgesellschaft veräußert wird, „entsteht auch nur insoweit ein Einbringungsgewinn II, der zu nachträglichen Anschaffungskosten sämtlicher erhaltener Anteile führt“, Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 299. 9 Vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 231.

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H. Einbringung eines Betriebs, TBs oder MUanteils in eine PersGes | Rz. 14.206 Kap. 14

H. Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Personengesellschaft (§ 24 UmwStG) § 24 UmwStG begünstigt ausschließlich die Einbringung von Betriebsvermögen in eine Personengesellschaft. Gegenstand der Sacheinlage i.S.d. § 24 UmwStG ist ein Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil. Bzgl. der Erfüllung der Kriterien des Teilbetriebsbegriffs vgl. Rz. 14.128. Eine 100 %-Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gilt laut Finanzverwaltung für Zwecke des § 24 UmwStG als Teilbetrieb (im Gegensatz zum Regelungsbereich des § 20 UmwStG).1 Dies steht zwar entgegen einschlägiger BFH-Rechtsprechung,2 wird jedoch von der h.M. in der Literatur unterstützt (insoweit auch Kapitel 1 Rz. 1.39).3 Die 100 %-Beteiligung muss am steuerlichen Übertragungsstichtag vorliegen und darf keine funktional wesentliche Betriebsgrundlage einer betrieblichen Sachgesamtheit sein, da sie sonst dieser zugeordnet werden muss.4 Die Einbringung eines Mitunternehmeranteils ist unabhängig davon, ob dieser eine wesentliche Betriebsgrundlage eines Betriebs darstellt, nach § 24 UmwStG begünstigt.5 Gehört zu dem Mitunternehmeranteil auch Sonderbetriebsvermögen, welches funktional wesentliche Betriebsgrundlagen enthält, muss selbiges in das Gesamthandsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft übertragen werden.6 Ebenso ist die Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils von § 24 UmwStG begünstigt; der entsprechende Teil des Sonderbetriebsvermögens, sofern dieses eine wesentliche Betriebsgrundlage darstellt, muss ebenfalls mit übertragen werden.7 Die Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter ist nicht von § 24 UmwStG begünstigt; zu prüfen ist in dem Fall § 6 Abs. 5 EStG.8 Bei einem Down-stream-Merger einer doppelstöckigen Personengesellschaft ist das Sonderbetriebsvermögen der übertragenden Gesellschaft bei der übernehmenden Gesellschaft von § 24 UmwStG begünstigt, wenn davon ausgegangen wird, dass der Mitunternehmeranteil an der übernehmenden Personengesellschaft mit übergeht.9 1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.02. 2 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; belegt mit Nichtanwendungserlass, vgl. BMF v. 20.5.2009 – IV C 6 - S 2134/07/10005, BStBl. I 2009, 671. 3 Vgl. Schaflitzl/Götz, DB 2012, Beilage 1, 56; Patt in D/P/M, § 24 UmwStG Rz. 95 (Stand: Nov. 2019); Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 343 f.; Trautmann in Kraft/Edelmann/ Bron2, § 24 UmwStG Rz. 34. 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.05 f.; vgl. hierzu auch Kai, GmbHR 2012, 165 (167); Förster, GmbHR 2012, 237 (244). 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.03. i.V.m. Rz. 20.12; Förster, GmbHR 2012, 237 (238). 6 Vgl. Patt in D/P/M, § 24 UmwStG Rz. 94 (Stand: Nov. 2019); Naumann in Goebel/Ungemach, § 24 UmwStG Rz. 97; Bauschatz/Levedag in Widmann/Bauschatz, § 24 UmwStG Rz. 90. 7 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.03. i.V.m. Rz. 20.11; Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 345. 8 Vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 343; Trautmann in Kraft/Edelmann/Bron2, § 24 UmwStG Rz. 41 ff. 9 Vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 343.

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14.206

Kap. 14 Rz. 14.207 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

14.207 Die Finanzverwaltung führt aus, dass der Einbringende als Gegenleistung für die Einbringung Gesellschaftsrechte erhalten kann und so zum Mitunternehmer wird oder seine Mitunternehmerstellung erweitert.1 Nur sofern der Einbringende Mitunternehmer der Personengesellschaft wird bzw. in verstärkter Form bleibt, sind die Grundsätze des § 24 Abs. 2–4 UmwStG anzuwenden.2 Die Erhöhung des Betriebsvermögens ist grundsätzlich auf dem Kapitalkonto zu buchen, welches die Beteiligungsverhältnisse zeigt; eine reine Verbuchung auf einem Darlehenskonto ist unzulässig.3 Erhält der Einbringende neben der Mitunternehmerstellung weitere Zuzahlungen, die nicht Betriebsvermögen der Personengesellschaft werden, so liegt insofern eine Veräußerung der eingebrachten Wirtschaftsgüter vor, die nicht von § 24 UmwStG begünstigt ist.4 14.208 Wertansatzwahlrecht. Das eingebrachte Betriebsvermögen ist in der Steuerbilanz der übernehmenden Personengesellschaft einschließlich der Ergänzungsbilanzen im Grundsatz mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 24 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 UmwStG). Pensionsrückstellungen sind mit dem Teilwert nach § 6a EStG zu erfassen (§ 24 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 UmwStG). Ein Buch- oder Zwischenwertansatz ist jedoch auf Antrag möglich, wenn das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des eingebrachten Betriebsvermögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 24 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UmwStG, insoweit auch Rz. 14.144 f., 14.208 f.) und der gemeine Wert von sonstigen Gegenleistungen5, die neben den neuen Gesellschaftsanteilen gewährt werden, nicht mehr beträgt als 25 % des Buchwerts des eingebrachten Betriebsvermögens oder 500.000 €, höchstens jedoch den Buchwert des eingebrachten Betriebsvermögens (§ 24 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG). Wenn die Personengesellschaft als Gegenleistung für das eingebrachte Vermögen neben den neuen Gesellschaftsanteilen noch sonstige Gegenleistungen gewährt, ist das eingebrachte Vermögen abweichend von § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG mindestens mit dem gemeinen Wert der sonstigen Gegenleistungen anzusetzen, wenn dieser Wert den sich nach § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG ergebenden Wert übersteigt (§ 24 Abs. 2 Satz 4 UmwStG, insoweit auch Rz. 14.143). Die Wahlrechtsausübung obliegt der übernehmenden Personengesellschaft, auch wenn ein Mitunternehmeranteil an einer weiter bestehenden Personengesellschaft eingebracht wird.6 Werden mehrere Betriebsvermögen eingebracht, kann das Wahlrecht für jedes

1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.07. 2 Vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 342. 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.07; Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 348 f. 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.08; Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 350. 5 Vgl. zu den sonstigen Gegenleistungen Richter, DStR 2016, 840 ff.; Nöcker, DB 2016, 72 ff.; Rogall/Dreßler, DB 2015, 1981 ff.; Benecke/Möllmann, FR 2016, 741 ff.; Ott, StuB 2015, 909 ff.; Ott, StuB 2016, 812 ff.; Bron, DB 2015, 940 ff.; Ettinger/Mörz, GmbHR 2016, 154 ff.; Wälzholz, DStZ 2015, 449 ff.; Bilitewski/Heinemann, Ubg 2015, 513 ff.; Bünning, BB 2017, 171 (175); Ritzer/Stangl, DStR 2015, 849 (857 f.); Rödder, Ubg 2015, 329 ff. 6 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.13; Patt in D/P/M, § 24 UmwStG Rz. 116 (Stand: April 2016).

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H. Einbringung eines Betriebs, TBs oder MUanteils in eine PersGes | Rz. 14.210 Kap. 14

Betriebsvermögen gesondert ausgeübt werden.1 Bzgl. der Bewertung des eingebrachten Betriebsvermögens gelten ansonsten grundsätzlich die Ausführungen zum Einbringungsfall nach § 20 UmwStG analog (vgl. Rz. 14.138 ff.).2 Der Antrag kann bis zur Abgabe der steuerlichen Schlussbilanz bei dem für die Besteuerung der übernehmenden Gesellschaft zuständigen Finanzamt gestellt werden (§ 24 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG) (vgl. zum Antragserfordernis Rz. 14.60 ff., 14.150). Grenzüberschreitende Einbringung. Im internationalen Kontext ist insbesondere die erste Bedingung relevant. Wird inländisches Vermögen einer deutschen Betriebsstätte in eine ausländische Personengesellschaft eingebracht, so wird das deutsche Besteuerungsrecht am Betriebsstättenvermögen regelmäßig nicht ausgeschlossen oder beschränkt; ein Buch- bzw. Zwischenwertansatz ist damit möglich, da das eingebrachte Vermögen weiterhin der inländischen Betriebsstätte zugeordnet wird (vgl. ebenso Kapitel 11 Rz. 11.23).3 Der Betriebsstätte im Inland können aber aufgrund der Zentralfunktion des Stammhauses (der Personengesellschaft im Ausland) Wirtschaftsgüter entzogen werden, die dem Ansatz zum gemeinen Wert unterliegen. Eine mögliche Einschränkung könnte sich jedoch aus § 1 Abs. 5 AStG und dem darin umgesetzten AOA ergeben (vgl. Rz. 14.47).

14.209

Wird hingegen ausländisches Betriebsstättenvermögen von einem inländischen Rechtsträger in eine ausländische Personengesellschaft eingebracht, so wird das deutsche Besteuerungsrecht weder eingeschränkt noch ausgeschlossen, wenn bei der ausländischen Betriebsstätte die Doppelbesteuerung nach Maßgabe der Freistellungsmethode vermieden wird, da sowohl vor als auch nach der Verschmelzung kein Besteuerungsrecht bestanden hat (vgl. Rz. 14.40, 14.145). Hat Deutschland mit dem ausländischen Staat im DBA die Anrechnungsmethode vereinbart oder wurde kein DBA verhandelt, wird das deutsche Besteuerungsrecht soweit nicht weiter eingeschränkt, als an der ausländischen Personengesellschaft inländische Gesellschafter beteiligt sind.4 Sind jedoch ausländische Gesellschafter an der ausländischen Personenhandelsgesellschaft beteiligt, geht deutsches Besteuerungsrecht verloren und der gemeine Wert ist anzusetzen.5 Durch die Verletzung der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsnorm kommt es zu einer sofortigen Besteuerung, ohne dass eine Stundungsmöglichkeit wie in § 4g EStG besteht, was der EuGH-Rechtsprechung zufolge gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt (vgl. Rz. 14.53).6 Die Erweiterung

14.210

1 Vgl. Patt in D/P/M, § 24 UmwStG Rz. 117 (Stand: April 2016), allerdings auch mit dem Hinweis, dass bei einem Betrieb mit mehreren Teilbetrieben das Wahlrecht nicht gesondert für jeden Teilbetrieb ausgeübt werden kann, da die Sachgesamtheit Betrieb den Einbringungsgegenstand Teilbetrieb überlagert. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.03. 3 Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 20.135; Wildermuth, Umstrukturierung von Personenhandelsgesellschaften, 152. 4 Vgl. Schreiber/Kahle/Ruf, Besteuerung der Unternehmen5, 817. 5 Vgl. ausführlich Schreiber/Kahle/Ruf, Besteuerung der Unternehmen5, 817. 6 Vgl. EuGH v. 23.11.2017 – C-292/16, ECLI:EU:C:2017:888 – A Oy, IStR 2018, 32 ff.; vgl. hierzu Wildermuth, Umstrukturierung von Personenhandelsgesellschaften, 152; Linn/Pignot, IWB 2018, 114 ff.; Mitschke, IStR 2018, 65 ff.; Reuter, EuZW 2018, 83 ff.; Oppel, IWB 2018, 324 ff.; Müller, ISR 2018, 58 ff.; Müller, DB 2018, 27 f.

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Kap. 14 Rz. 14.210 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

der Rechtsprechung des EuGH auf grenzüberschreitende Einbringungsfälle, welche gleichfalls eine sofortige Besteuerung, ähnlich der finnischen Regelung, vorsehen, hat für Deutschland weitreichende Konsequenzen und macht eine europarechtskonforme Anpassung des UmwStG notwendig.1 Bei der Einbringung von ausländischem Betriebsstättenvermögen in eine deutsche Personenhandelsgesellschaft wird das deutsche Besteuerungsrecht nicht eingeschränkt, so dass zwar ein Buchwertansatz möglich wäre, jedoch nicht zweckmäßig und damit bei einer Verstrickung der gemeine Wert vorzugswürdig erscheint.2

14.211 Negatives Betriebsvermögen. Im Gegensatz zur Einbringung nach § 20 UmwStG ist eine Einbringung nach § 24 UmwStG auch dann zum Buchwert möglich, wenn das eingebrachte Betriebsvermögen negativ ist, da eine dem § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG entsprechende Regelung in § 24 UmwStG fehlt.3 14.212 Einbringung ins Sonderbetriebsvermögen. Zudem ist es für eine Buchwertfortführung ausreichend, wenn das eingebrachte Betriebsvermögen zumindest teilweise Sonderbetriebsvermögen wird; eine ausnahmslose Zuordnung zum Gesamthandsvermögen ist nicht erforderlich.4 Zu beachten ist, dass der Einbringende als Gegenleistung Gesellschaftsrechte erhalten muss; demzufolge kann nicht das gesamte eingebrachte Vermögen ins Sonderbetriebsvermögen übergehen.5 Werden die Wirtschaftsgüter eines Teilbetriebs oder Betriebs ausschließlich in das Sonderbetriebsvermögen übertragen, liegt keine Veräußerung und damit kein Anwendungsfall des § 24 UmwStG vor; § 6 Abs. 5 EStG ist zu prüfen.6 14.213 Einnahmen-Überschussrechnung. Wendet der Einbringende sowie die aufnehmende Personengesellschaft die Einnahmen-Überschussrechnung an, ist nach einer Ansicht, der sich schlussendlich auch die Finanzverwaltung angeschlossen hat, keine Einbringungs- und Eröffnungsbilanz zu erstellen, sofern eine Buchwertfortführung erfolgt.7 Wird auf die Einbringungs- und Übergangsbilanz verzichtet, ist eine unmiss1 Vgl. Reuter, EuZW 2018, 83 (84); Mitschke, IStR 2018, 65 (67); Oppel, IWB 2018, 324 (328); Müller, ISR 2018, 58 (60); Kahle/Braun/Burger, FR 2018, 717 (726); Micker/Schwarz, IWB 2017, 344 (349). 2 Vgl. Schreiber/Kahle/Ruf, Besteuerung der Unternehmen5, 818. 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.04; Patt in D/P/M, § 24 UmwStG Rz. 127a (Stand: Mai 2016); Schmitt in S/H9, § 24 UmwStG Rz. 181; Jäschke in Lademann3, § 24 UmwStG Rz. 29a; Widmann in W/M, § 24 UmwStG Rz. 783 (Stand: Okt. 2020). 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.05; Schaflitzl/Götz, DB 2012, Beilage 1, 56. 5 Vgl. Schaflitzl/Götz, DB 2012, Beilage 1, 56; Rogall/Gerner in FGS/BDI, Der neue Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 502. 6 Vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 346. 7 Vgl. Strahl, Ubg 2011, 433 (435); Fuhrmann in W/M, § 24 UmwStG Rz. 1040, 1045 f. (Stand: Okt. 2020); BFH v. 14.11.2007 – XI R 32/06, BFH/NV 2008, 385; z.B. OFD Frankfurt/M. v. 24.10.2014 – S 1978d A – 4 – St 510, DStR 2015, 1312; OFD Nordrhein-Westfalen v. 9.2.2016 – S 1978d-2015/0005 – St 111, DStR 2016, 1031; OFD Niedersachsen v. 3.3.2017 – S 1978d – 10 – St 243, DStR 2017, 985; FM Schleswig-Holstein v. 2.11.2017 – VI 3013 – S 1978d – 011, DStR 2018, 354, bundeseinheitlich unter Aufhebung der Anwei-

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H. Einbringung eines Betriebs, TBs oder MUanteils in eine PersGes | Rz. 14.214 Kap. 14

verständliche Dokumentation des Umfangs des übertragenen Betriebsvermögens und des Buchwertansatzes bei der aufnehmenden Personengesellschaft durch entsprechende Aufzeichnungen erforderlich.1 Findet jedoch eine Wertaufstockung durch Ansatz des gemeinen Wertes oder eines Zwischenwertes statt, insbesondere, wenn neben den neuen Gesellschaftsanteilen sonstige Gegenleistungen gewährt werden, die zu einer teilweisen Aufdeckung der stillen Reserven führen, so ist eine Einbringungs- und Übergangsbilanz unter Anwendung der Regelungen des § 4 Abs. 1 EStG zu erstellen.2 Die Möglichkeit des sofortigen Rückwechsels zur Einnahmen-Überschussrechnung im Anschluss besteht weiterhin.3 Eine andere Ansicht, insbesondere die frühere Ansicht der Finanzverwaltung, geht jedoch davon aus, dass auch im Falle der Buchwertfortführung eine Einbringungsbilanz aufzustellen ist.4 Hierbei soll es möglich sein, dass ein Einnahmen-Überschussrechner bzgl. der Einbringung eine Schlussbilanz nach Betriebsvermögensvergleich erstellt und im Anschluss daran sofort wieder zur Einnahmen-Überschussrechnung zurückwechselt.5 Gleichfalls muss dieser Ansicht nach eine übernehmende Personengesellschaft, die die EinnahmenÜberschussrechnung anwendet, aufgrund eines Einbringungsvorgangs eine Eröffnungs- bzw. Aufnahmebilanz aufstellen.6 Steuerliche Rechtsnachfolge. Im Falle des Buchwertansatzes tritt die übernehmende Personengesellschaft in die Rechtsstellung des Einbringenden ein (§ 24 Abs. 4 i.V.m. § 23 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 3 Halbs. 1 UmwStG, vgl. Rz. 14.153 ff.). Wird ein Zwischenwert angesetzt, sind die Bemessungsgrundlagen für die Abschreibung zu erhöhen (§ 24 Abs. 4 i.V.m. § 23 Abs. 3 UmwStG, vgl. Rz. 14.158 ff.). Wählt die aufnehmende Personengesellschaft den gemeinen Wert, gelten die Wirtschaftsgüter als angeschafft, wenn diese im Zuge der Einzelrechtsnachfolge eingebracht wurden (vgl. Rz. 14.141); ansonsten (Gesamtrechtsnachfolge) kommen die Regelungen für den Ansatz eines Zwischenwerts zur Anwendung (§ 24 Abs. 4 i.V.m. § 23 Abs. 3, 4 UmwStG).

1 2 3 4

5 6

sung in BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.03. Die Finanzverwaltung bezieht sich auf das zur Realteilung ergangene Urteil des BFH v. 11.4.2013 – III R 32/12, BStBl. II 2014, 242. Siehe auch Bär/Merkle in H/M/B5, § 24 UmwStG Rz. 116; Patt in D/P/M, § 24 UmwStG Rz. 121 (Stand: April 2016) m.w.N. Vgl. OFD Nordrhein-Westfalen v. 9.2.2016 – S 1978d-2015/0005 – St 111, DStR 2016, 1031; Strahl, Stbg 2015, 441 (445); BFH v. 11.4.2013 – III R 32/12, BStBl. II 2014, 242 Rz. 42; Patt in D/P/M, § 24 UmwStG Rz. 121 (Stand: April 2016). Vgl. Strahl, Ubg 2011, 433 (435); OFD Nordrhein-Westfalen v. 9.2.2016 – S 1978d-2015/ 0005 – St 111, DStR 2016, 1031; OFD Niedersachsen v. 3.3.2017 – S 1978d – 10 – St 243, DStR 2017, 985. Vgl. OFD Nordrhein-Westfalen v. 9.2.2016 – S 1978d-2015/0005 – St 111, DStR 2016, 1031; OFD Niedersachsen v. 3.3.2017 – S 1978d – 10 – St 243, DStR 2017, 985. Vgl. Rasche in R/H/vL3, § 24 UmwStG Rz. 102; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/ 10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.03 i.V.m. R 4.5 Abs. 6 EStR 2012; BFH v. 26.5.1994 – IV R 34/92, BStBl. II 1994, 891, zu § 24 UmwStG a.F.; zur Kritik und Diskussion Strahl, Ubg 2011, 433 (435 f.). Vgl. Kai, GmbHR 2012, 165 (171); Bär/Merkle in H/M/B5, § 24 UmwStG Rz. 116; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.03. Vgl. Rasche in R/H/vL3, § 24 UmwStG Rz. 102.

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14.214

Kap. 14 Rz. 14.215 | Steuerliche Gewinnermittlung und verfahrensrechtliche Aspekte

14.215 Aufstellung von Ergänzungsbilanzen. Bei der Einbringung von Betriebsvermögen in eine Personengesellschaft „ist es erforderlich, die Kapitalkonten der Personengesellschaft so zu dotieren, dass sie das Verhältnis des Werts der Einlagen widerspiegeln.“1 Diesbezüglich kann die Erstellung von Ergänzungsbilanzen erforderlich werden. Ein anfallender Veräußerungsgewinn kann so steuerlich durch die Aufstellung negativer Ergänzungsbilanzen vermieden werden.2 Nach welcher Methode Ergänzungsbilanzen aufzustellen sind (d.h. Buchwert- oder Gemeiner-Wert-Ansatz in der Gesamthandsbilanz mit entsprechender Korrektur in den positiven oder negativen Ergänzungsbilanzen bzw. Brutto- oder Nettomethode3), ist steuergesetzlich nicht geregelt und deshalb dem Steuerpflichtigen überlassen.4 Ergänzungsbilanzen dienen grundsätzlich einer sachgerechten Umsetzung des Bewertungswahlrechts aus § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG.5 Die Ergänzungsbilanzen sind in den Folgejahren nach den allgemeinen Grundsätzen (AfA etc.) fortzuentwickeln.6 14.216 Einbringungsgewinn und Wertverknüpfung. Der Wert, mit dem das eingebrachte Betriebsvermögen in der Bilanz der Personengesellschaft einschließlich der Ergänzungsbilanzen für ihre Gesellschafter angesetzt wird, gilt für den Einbringenden als Veräußerungspreis (§ 24 Abs. 3 Satz 1 UmwStG, vgl. auch Rz. 14.164 ff.). 14.217 Missbrauchsklausel des § 24 Abs. 5 UmwStG. Durch die Missbrauchsvermeidungsvorschrift des § 24 Abs. 5 UmwStG soll verhindert werden, dass durch eine ganz oder teilweise ertragsteuerneutrale Einbringung zum Buch- oder Zwischenwert nach § 24 Abs. 1 UmwStG stille Reserven von Anteilen an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse auf ein Körperschaftsteuersubjekt überspringen und so die Voraussetzungen für eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme der Veräußerungsgewinnbefreiung nach § 8b Abs. 2 KStG geschaffen werden.7 Werden Körperschaftsanteile mit einem Wert unter dem gemeinen Wert eingebracht und werden jene Anteile innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt durch die übernehmende Personengesellschaft ganz oder teilweise veräußert oder 1 Schreiber/Kahle/Ruf, Besteuerung der Unternehmen5, 520. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.14. 3 Vgl. hierzu auch Stenert, DStR 2020, 1776 ff.; Schmitt/Keuthen, DStR 2013, 1565 (1567); Bolk, DStR 2018, 424 (426 f.); FG Niedersachsen v. 9.9.2019 – 3 K 52/17, EFG 2020, 298 – Rev. BFH IV R 27/19. 4 Vgl. Patt in D/P/M, § 24 UmwStG Rz. 126 (Stand: April 2016). 5 Vgl. Patt in D/P/M, § 24 UmwStG Rz. 125 (Stand: April 2016). Schmitt/Schlossmacher gehen – wohl entgegen der Verwaltungsmeinung – davon aus, dass nicht zwingend positive oder negative Ergänzungsbilanzen aufzustellen sind, um die stillen Reserven richtig zuzuordnen; stattdessen befürworten sie – wie auch in § 6 Abs. 5 EStG – die Zulässigkeit des Überspringens stiller Reserven auf andere Gesellschafter; davon dürfe dann die Steuerneutralität des § 24 UmwStG nicht beeinträchtigt werden, vgl. Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 356. 6 Vgl. hierzu Kahle in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht4, Rz. 1424 ff.; Bolk, DStR 2018, 424 (427 ff.); Schmitt/Keuthen, DStR 2013, 1565 (1571 ff.). 7 Vgl. BT-Drucks. 16/3369 v. 9.11.2006, 13 f.; Müller-Etienne/Doster, DStR 2013, 1924 (1924 f.); Wildermuth, Umstrukturierung von Personenhandelsgesellschaften, 154; Riedel, Ubg 2018, 148 (154 f.).

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I. Fazit | Rz. 14.218 Kap. 14

durch einen Vorgang nach § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 bis 5 UmwStG weiter übertragen und ist der Einbringende keine durch § 8b Abs. 2 KStG begünstigte Person, so ist § 22 Abs. 2, 3 und 5 bis 7 UmwStG (Vorschriften zum Einbringungsgewinn II, vgl. Rz. 14.203 ff.) insoweit entsprechend anzuwenden, als der Gewinn auf einen von § 8b Abs. 2 KStG begünstigten Mitunternehmer entfällt. Die Fristinitiierung sollte jedoch nicht auf solche Fälle angewendet werden, bei denen dem Einbringenden die bis zum Einbringungszeitpunkt entstandenen stillen Reserven durch Erstellung einer Ergänzungsbilanz zugeordnet wurden.1 Zudem sollte die Vorschrift nicht stille Reserven erfassen, die erst nach der Einbringung gebildet wurden.2

I. Fazit Im Falle rein nationaler Umwandlungsvorgänge ist eine steuerneutrale Buchwertfortführung im Regelfall unproblematisch möglich. Grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge führen jedoch häufig zu einer Beschränkung oder zu einem Ausschluss deutschen Besteuerungsrechts, wodurch eine vollständig steuerneutrale Umwandlung ausgeschlossen wird. Grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge sind gegenüber nationalen Umwandlungsvorgängen demzufolge weiterhin benachteiligt; europarechtlich erscheint dies bedenklich.

Die Gewinnermittlung im Umwandlungsfall erfolgt für inländische Zwecke grundsätzlich nach deutschen Gewinnermittlungsvorschriften. Im Rahmen grenzüberschreitender Umwandlungsvorgänge kann der Steuerpflichtige demzufolge vor der Situation stehen, dass der ausländische und der inländische Staat Umwandlungsbilanzen nach seinen jeweiligen – und im Zweifelsfall abweichenden – Gewinnermittlungsregelungen vorgelegt haben möchte. Dies kann dazu führen, dass unterschiedliche Gewinne ermittelt und besteuert werden müssen. Zudem ist das Bewertungswahlrecht – so es denn offensteht – einheitlich auszuüben, was bei Hereinumwandlungen im ausländischen Staat eine Gewinnrealisierung auslösen kann, wohingegen im Inland eine Buchwertfortführung mit späterer latenter Steuerbelastung erfolgt. Bezüglich der Harmonisierung der Gewinnermittlung im Umwandlungsfall ist in der EU somit der letzte Schritt noch nicht getan, was dem Spannungsverhältnis zwischen nationalstaatlicher Besteuerung und Harmonisierungsbestrebungen im Sinne des europäischen Binnenmarktes geschuldet ist. Es bleibt zu konstatieren, dass im Zweifelsfall wohl Ersterem der Vorzug eingeräumt wird. Zudem enthält der UmwStE schon im rein nationalen Fall diverse überschießende Regelungen, insbesondere, was die Nichtgeltung der Ansatzverbote des § 5 EStG in der Übertragungsbilanz und die anschließende „Wiedergeltung“ selbiger in der Folgebilanz des Übernehmers angeht. Umwandlungswilligen wird auf dem Weg zur steuerneutralen Umwandlung daher so mancher Stein in den Weg gelegt. 1 Vgl. Rödder/Schumacher, DStR 2007, 369 (376); Wildermuth, Umstrukturierung von Personenhandelsgesellschaften, 155; Rogall, NZG 2011, 810 (815). 2 Vgl. Müller-Etienne/Doster, DStR 2013, 1924 (1928); Rödder/Schumacher, DStR 2007, 369 (376).

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14.218

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Kapitel 15 Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu Betriebsstätten und Einkünfteabgrenzung A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Bedeutung der Betriebsstättenzuordnung bei internationalen Umwandlungen I. Bedeutung für die Entstrickung im Kontext internationaler Umwandlungen 1. Systematik der Entstrickungsnormen a) Grundlegung: Zwei Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtliche Entstrickung (UmwStG) . . . . . . . . . . . . c) Tatsächliche Entstrickung (EStG/KStG/AStG) . . . . . 2. Gemeinsames Tatbestandsmerkmal: Ausschluss und Beschränkung des Besteuerungsrechts . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedeutung der Betriebsstättenzuordnung für die umwandlungsbedingte Entstrickung a) Systematik . . . . . . . . . . . . b) Methoden der Betriebsstättenzuordnung . . . . . . c) Gewinnzuordnung oder Wirtschaftsgüterzuordnung? . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung für die Verstrickung im Kontext internationaler Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bedeutung für die Besteuerung der umwandlungsbedingten Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Einkünfteabgrenzung im Rückwirkungszeitraum . . . . . . . . . . . C. Grundsätze der Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu Betriebsstätten I. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zuordnung nach nationalem Recht

15.1

15.5 15.8 15.12

15.14

15.25 15.27 15.28 15.33 15.36 15.37

15.39

1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . 2. Zuordnungsgrundsätze a) Veranlassungsprinzip . . . b) Sonderfall: Zentralfunktion des Stammhauses (FinVerw) . . . . . . . . . . . . . c) Relevanz von § 1 Abs. 5 AStG (AOA) und BsGaV III. Zuordnung nach Abkommensrecht 1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . 2. Art. 13 OECD-MA . . . . . . . 3. Art. 7 OECD-MA . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . V. Zuordnung ausgewählter Wirtschaftsgüter 1. Unbewegliche Wirtschaftsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewegliche Wirtschaftsgüter 3. Beteiligungen (Holdingbetriebsstätte) . . . . . . . . . . . . 4. Immaterielle Wirtschaftsgüter (inkl. Goodwill, Knowhow) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sonstige Bilanzpositionen . D. Anwendungsbeispiele: Grenzüberschreitende Hinausverschmelzung von Kapitalgesellschaften I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . II. Kein Zurückbleiben einer inländischen Betriebsstätte . . . . . III. Zurückbleiben einer inländischen Produktionsbetriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zurückbleiben einer inländischen geschäftsleitenden Holdingbetriebsstätte . . . . . . . . . . . V. Zurückbleiben einer inländischen Beratungsbetriebsstätte VI. Zurückbleiben einer inländischen Vertriebsbetriebsstätte .

15.41 15.43 15.52 15.59 15.68 15.70 15.72 15.75

15.76 15.78 15.80 15.86 15.88

15.92 15.93 15.95 15.96 15.97 15.98

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Kap. 15 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern VII. Zurückbleiben einer inländischen Produktionsbetriebsstätte und spätere Einstellung der Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.99

VIII. Zurückbleiben einer personallosen Betriebsstätte . . . . . . . . . 15.100

Literatur: Andresen, Missverstandener Authorised OECD Approach bei inländischer Betriebsstätte mit mehrjährigen Verlusten, DB 2012, 879; Andresen/Busch, Betriebsstätten-Einkünfteabgrenzung: steuerliche Untiefen bei der Transformierung des Authorised OECD Approaches in nationales Recht, Ubg 2012, 451; Baldamus, Neues zur Betriebsstättengewinnermittlung, IStR 2012, 317; Becker, Die Besteuerung von Betriebstätten, DB 1989, 10; Baldamus, Neues zur Betriebsstättengewinnermittlung, IStR 2012, 317; Beinert/Benecke, Internationale Aspekte der Umstrukturierung von Unternehmen, FR 2010, 1009; Blumenberg, Seminar L: Wegzug und Zuzug von Kapitalgesellschaften, IStR 2009, 549; Blumenberg, Steuerfragen im Zusammenhang mit der Sitzverlegung der Europäischen Gesellschaften, in Spindler/Tipke/ Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS Schaumburg, Köln 2009, 559; Blumers, Die Europarechtswidrigkeit der Betriebsstättenzurechnung im Betriebsstättenerlass, DB 2006, 856; Böhmer/Wegener, Zum Verhältnis der Verstrickung zu sonstigen Vorschriften des nationalen Rechts, Ubg 2015, 69; Brähler/Blankemeyer, Steuerneutralität bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen zwischen Deutschland und EU-/EWR-Staaten – dargestellt am Beispiel Österreichs, RIW 2012, 288; Breuninger, Die „Zentralfunktion des Stammhauses“ bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS Schaumburg, Köln 2009, 587; Brunsbach/Endres/Lüdicke/Schnitger, Deutsche Abkommenspolitik, IFSt-Schrift Nr. 480, Berlin 2012; Desens, Der Leistungsfähigkeitsgedanke und die Entstrickung im Spiegel der europäischen Freizügigkeitsrechte, FR 2022, 681; Desens, Paradigmenwechsel in der Entstrickungsbesteuerung?, DStR 2022, 1588; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003; Ditz, Aufgabe der finalen Entnahmetheorie – Analyse des BFH-Urteils vom 17.7.2008 und seiner Konsequenzen, IStR 2009, 115; Ditz, Der „Authorised OECD Approach“ wird Wirklichkeit, ISR 2013, 261; Ditz/Tcherveniachki, Zuordnung von Beteiligungen an KapGes. zur Betriebsstätte einer Holding-PersGes., DB 2015, 2897; Dörr/Loose/Motz, Verschmelzungen nach dem neuen Umwandlungssteuererlass, NWB 2012, 566; Dötsch/Pung, Organträger-Personengesellschaft mit ausländischen Gesellschaftern: Zur Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 7 KStG, DB 2014, 1215; Endres/ Freiling, Musterfälle zu aktuellen Tendenzen in der deutschen Abkommenspolitik – Teil 2, PIStB 2012, 189; Förster, SEStEG: Rechtsänderungen im EStG, DB 2007, 72; Förster, Eine Neuordnung der Entstrickungsbesteuerung ist notwendig, in Jürgen Lüdicke/Mellinghoff/Rödder (Hrsg.), Nationale und internationale Unternehmensbesteuerung in der Rechtsordnung, FS Gosch, München 2016, 83; Girlich/Philipp, Entstrickungsaspekte bei der Hinausverschmelzung von Kapitalgesellschaften, Ubg 2012, 150; Goebel/Boller/Ungemach, Die Zuordnung von Beteiligungen zum Betriebsvermögen im nationalen und internationalen Kontext, IStR 2008, 643; Gosch, Keine Steuerentstrickung bei Übertragung eines Einzelwirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte, BFH/PR 2008, 499; Gosch, Aussprache zu Schönfeld, Internationale Aspekte von Umwandlungen, JbFSt 2011/2012, 230; Gosch, Rechtmäßigkeit der Entstrickungsbesteuerung nach § 20 UmwStG 1995 – EuGH, Urteil vom 23. 1. 2014 – Rs. C-164/12, DMC Beteiligungsgesellschaft, IWB 2014, 183; Gosch, Über die Zeit im Abkommensrecht, IStR 2015, 709; Gosch, JbFSt 2015/2016, 410; Gosch, Betriebsstätte und AOA, in Drüen/Hey/ Mellinghoff (Hrsg.), 100 Jahre Steuerrechtsprechung in Deutschland 1918-2018, FS BFH, Köln 2018, 1027; Gosch, Auf tönernen Füßen – Wurde der Verordnungsgeber ordnungsgemäß zu der „FVerlV“ und der „BsGaV“ ermächtigt?, ISR 2020, 116; Haarmann, Verschmelzung ins Ausland – Folgen der Aufgabe der finalen Entnahmetheorie, JbFSt 2010/2011, 210; Hagemann, Wider die No-Floating-Theorie im Abkommensrecht, StuW 2016, 172; Hagemann,

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Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern | Kap. 15 Zur (Un-)Möglichkeit von Floating Income im DBA-Recht – Zugleich Anmerkung zu FG München, Urt. v. 31.5.2017 – 9 K 3041/15, IStR 2017, 849; Haun/Reiser/Mödinger, Zweifelsfragen bei der Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen auf Personengesellschaften, GmbHR 2010, 637; Heerdt, Steuersubjektqualifikationskonflikte bei Einbringung in eine Kapitalgesellschaft, IStR 2012, 866; Hey, Schutz des Vertrauens in BFH-Rechtsprechung und Verwaltungspraxis, DStR 2004, 1897; Hruschka, Offene Fragen beim Rücktransport von Währungsverlusten, IStR 2008, 499; Hruschka, Funktional veranlasstes Betriebsstättenvermögen, in Gosch/Schnitger/Schön, Festschrift für Jürgen Lüdicke, München 2019, 295; Hruschka/ Hellmann, Bewertungswahlrechte bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, DStR 2010, 1961; Hruschka/Lüdemann, Das Veranlassungsprinzip als Maßstab zur innerstaatlichen Betriebsstättengewinnermittlung, IStR 2005, 76; Käbisch/Bunzeck, Grenzüberschreitende Umstrukturierungen nach dem Erlassentwurf zum UmwStG vom 2.5.2011, IWB 2011, 392; Kaeser, Verfassungs- und Gemeinschaftsrechtliche Probleme der Umsetzung des „Authorized OECD Approaches“ (AOA) ins deutsche Recht, in Lüdicke/Schnitger/Spengel, FS Endres, 2016; Kahle/Franke, Überführung von Wirtschaftsgütern in ausländische Betriebsstätten, IStR 2009, 406; Kahle/Kindich, Die finalen Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung als (vorläufiger) Abschluss der Umsetzung des „Authorised OECD Approach“, GmbHR 2017, 341; Kahle/Mödinger, Die Neufassung des Art. 7 OECD-MA im Rahmen der Aktualisierung des OECD-MA 2010, IStR 2011, 757; Kahle/Mödinger, Erfolgs- und Vermögensabgrenzung bei ausländischen Betriebsstätten, DB 2011, 2338; Kessler/Arnold, Zentralfunktion des Stammhauses, in Doppelbesteuerung: Zum 75. Geburtstag von Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Festgabe Wassermeyer, München 2015, Nr. 36; Kessler/Jehl, Kritische Analyse der Zentralfunktion des Stammhauses, IWB 2007, Fach 10 Gruppe 2, 1977; Klingberg/Nitzschke, Grenzüberschreitende Umwandlungen am Beispiel grenzüberschreitender Verschmelzungen, Ubg 2011, 451; Köhler, Grenzüberschreitende Outbound-Verschmelzung und Sitzverlegung vor dem Hintergrund der jüngsten BFH-Rechtsprechung, IStR 2010, 337; Korff/Erdem, Die Gewinnabgrenzung bei der grenzüberschreitenden Überführung von Wirtschaftsgütern in eine Betriebsstätte unter steuerplanerischen Gesichtspunkten, in Gosch/Grotherr/Bergmann (Hrsg.), Steuerplanung und Compliance (Loseblatt), Band II, Teil 4, 2.Thema; Kraft, Erfolgsabgrenzung bei Betriebsstätten nach den Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätzen, StbJb 2000/2001, 205; Kraft/Ungemach, Abkommensrechtliche Zuordnung von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen zu einer geschäftsleitenden Holding-Betriebsstätte, DStZ 2015, 716; Kraft/Ungemach, Deutsche Entstrickungsregelungen im Bereich des Betriebsvermögens – Bestandsaufnahme und aktuelle, praxisrelevante Entwicklungen, DStZ 2020, 440; Kramer, Gewinnabgrenzung und Gewinnermittlung bei Verbringung von Wirtschaftsgütern zwischen Betriebsstätten im Internationalen Steuerrecht, StuW 1991, 151; Kruse, Der Standort der Finanzgerichtsbarkeit gegenüber der Finanzverwaltung und der Steuergesetzgebung, DStJG 18 (1995), 115; Kumpf/Roth, Grundsätze der Ergebniszuordnung nach den neuen Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätzen, DB 2000, 741; Kußmaul/Richter/Heyd, Ausgewählte Problemfelder der Hinausverschmelzung von Kapitalgesellschaften aus Deutschland, IStR 2010, 73; Kußmaul/Ruiner, Zur Umsetzung des OECD functionally separate entity approach in nationales Recht, BB 2012, 2025; Kußmaul/Ruiner/Delarber, Leistungsbeziehungen in internationalen Einheitsunternehmen mit Blick auf die Änderung des Art. 7 OECD-MA und die geplante Änderung des § 1 AStG, Ubg 2011, 837; Möhlenbrock, Internationale Aspekte bei Umwandlungen nach dem SEStEG – das (künftige) BMF-Schreiben, Podiumsdiskussion, in Lüdicke (Hrsg.), Internationales Steuerrecht – Aufbruch oder Konsolidierung?, Köln 2011, 171; Musil, Die Ergänzung des Entstrickungstatbestands durch § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG – Herrscht nun endlich Klarheit?, FR 2011, 545; Neumann-Tomm, Die bloße Einkünftekorrekturfunktion des § 1 Abs. 5 AStG, IStR 2015, 907; Nientimp/Schwarz/Stein, Einkünfteermittlung nach dem AOA – Plädoyer für eine einheitliche Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes, IStR 2016, 487; Nouel, The New Article 7 of the OECD Model Tax Convention: The End of the Road?, BIT 2011, 5; Oestreicher/Schnitger/Wellens, Gewinnabgrenzung nach dem Authorised OECD Approach

Korff/Erdem | 1049

Kap. 15 Rz. 15.1 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern (AOA), Köln 2020; Petersen, Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer für beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften bei Investition über Betriebsstätten bzw. Personengesellschaften?, IStR 2012, 238; Prinz, Grundfragen und Anwendungsbereiche des Veranlassungsprinzips im Ertragsteuerrecht, StuW 1996, 267; Prinz, Gesetzgeberische Wirrungen um Grundsätze der Betriebsstättenbesteuerung, DB 2009, 807; Prinz, Grundlagen zum internationalen Umwandlungssteuerrecht, DB 2012, 820; Prinz, Steuerliches Entstrickungskonzept – gelungen oder reparaturbedürftig?, GmbHR 2012, 195; Roth, Zurechnung von Wirtschaftsgütern bei Betriebsstätten und Personengesellschaften, in Lüdicke (Hrsg.), Zurechnung von Wirtschaftsgütern im Internationalen Steuerrecht, Köln 2000, 87; Runge, Die Dotation einer Betriebsstätte, IStR 2002, 825; Schaumburg, Steuerliche Restriktionen bei internationalen Umwandlungen, GmbHR 2010, 1341; Schell, Internationale Bezüge bei Verschmelzungen zwischen Körperschaften, FR 2012, 101; Schell/Krohn, Ausgewählte praxisrelevante „Fallstricke“ des UmwStE 2011 (Teil 1), DB 2012, 1057; Schmidt, Sondervergütungen auf Abkommensebene – Was nun, Finanzverwaltung und Gesetzgeber?, DStR 2010, 2436; Schneider/Ruoff/Sistermann, Brennpunkte des Umwandlungssteuer-Erlasses 2011, FR 2012, 1; Schnitger, Die Entstrickung im Steuerrecht, IFSt-Schrift Nr. 487, 2013; Schnitger, Grundsätzliche Überlegungen zur Anwendung des AOA (insbesondere) nach innerstaatlichem Recht, StuW 2019, 195; Schönfeld, Anmerkung zu BFH vom 19.12.2007 – I R 66/06, IStR 2008, 370; Schönfeld, Ausgewählte Internationale Aspekte des neuen Umwandlungssteuererlasses, IStR 2011, 497; Schwenke, Ist das Veranlassungsprinzip bei Auslandsbetriebsstätten grenzenlos?, in Jürgen Lüdicke/Mellinghoff/Rödder (Hrsg.), Nationale und internationale Unternehmensbesteuerung in der Rechtsordnung, FS Gosch, München 2016, 377; Sieker, Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze, Podiumsdiskussion, in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Internationale Betriebsstättenbesteuerung, Köln 2001, 147; Stadler/Elser/Bindl, Vermögensübergang bei Verschmelzungen auf eine Personengesellschaft oder auf eine natürliche Person und Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft, DB 2012, Beilage 1, 14; Strunk/Kaminski, Anmerkungen zum Betriebsstättenerlaß, IStR 2000, 33; Ungemach, Europarechtliche und abkommensrechtliche Beurteilung der Entstrickungsregelungen des deutschen Umwandlungssteuerrechts, Ubg 2011, 251; Viebrock/Hagemann, Verschmelzung mit grenzüberschreitendem Bezug, FR 2009, 737; Wacker, Das Veranlassungsprinzip national und international – eine Zwischenbilanz aus Sicht des Ertragsteuerrechts, BB 2018, 2519; Wacker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht – Aktuelles zur Betriebsstättenzurechnung, DStR 2019, 836; Wassermeyer, Internationales Steuerrecht, Podiumsdiskussion, StbJb 1997/98, 493; Wassermeyer, Die Abgrenzung des Betriebsvermögens vom Privatvermögen, in Söhn (Hrsg.), Die Abgrenzung der Betriebs- oder Berufssphäre von der Privatsphäre im Einkommensteuerrecht, DStJG 3 (1980), 315; Wassermeyer, Diskriminierungsfreie Betriebsstättengewinnermittlung, IStR 2004, 733; Wassermeyer, Das Veranlassungsprinzip als Maßstab zur innerstaatlichen Betriebsstättengewinnermittlung, IStR 2005, 84; Wassermeyer, Verliert Deutschland im Fall der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte das Besteuerungsrecht?, DB 2006, 1176; Wassermeyer, Die abkommensrechtliche Aufteilung von Unternehmensgewinnen zwischen den beteiligten Vertragsstaaten, IStR 2012, 277; Wilke, Die geplanten Änderungen in § 1 AStG, IWB 2012, 271; Wolff/Eimermann, Neuerungen im DBA USA: Änderungsprotokoll vom 1.6.2006 zum DBA USA 1989 und dem Protokoll dazu, IStR 2006, 837.

A. Einführung 15.1 Ausgangsüberlegung. Im Rahmen der (ertrag-)steuerrechtlichen Würdigung einer Umwandlung treten regelmäßig Fragen der Zuordnung (Abgrenzung) von Wirtschaftsgütern und Einkünften zu Betriebsstätten (kurz: „Betriebsstättenzuordnung“) 1050 | Korff/Erdem

A. Einführung | Rz. 15.2 Kap. 15

auf. Praktischer Anknüpfungspunkt sind insoweit die mit einer Umwandlung regelmäßig verbundenen zivilrechtlichen und tatsächlichen Reorganisationsmaßnahmen, die je für sich auch steuerrechtlich zu einer geänderten Zuordnung von Wirtschaftsgütern und – dadurch bedingt – zu steuerbaren Einkünften führen können (s. im Einzelnen Rz. 15.5 ff.). Zu differenzieren ist hierbei zwischen Zuordnungsfragen, die sich aus der Anwendung des UmwStG1 ergeben, und solchen, die sich bei der laufenden Besteuerung der beteiligten Rechtsträger stellen. Im ersten Fall beeinflusst die Betriebsstättenzuordnung die Ermittlung umwandlungsbedingter Einkünfte nach dem UmwStG (z.B. verschmelzungsbedingter Übertragungsgewinn, vgl. § 11 UmwStG), im zweiten Fall die Ermittlung laufender Einkünfte. Im Fokus stehen soll nachfolgend die Besteuerung einer Umwandlung nach dem UmwStG, wobei für Zwecke der Abgrenzung auch in gebotener Kürze auf die Auswirkungen im Rahmen der laufenden Besteuerung eingegangen werden soll. Kontext und Bedeutung. Fragt man aus steuerrechtssystematischer Perspektive nach der grundsätzlichen Bedeutung der Betriebsstättenzuordnung für die Besteuerung einer Umwandlung nach dem UmwStG, so erschließt sich diese mit Blick auf die einschlägigen Rechtsgrundlagen des UmwStG nicht unmittelbar. Zuordnungsfragen treten insbesondere dort auf, wo Steuerrechtsnormen tatbestandlich an die Einkünfte einer Betriebsstätte anknüpfen und damit das Bedürfnis für eine gesonderte Ermittlung dieser Betriebsstätteneinkünfte begründen (z.B. § 34d Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a), § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG). Sind Betriebsstätteneinkünfte nach den Grundsätzen des Betriebsvermögensvergleichs (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG) zu ermitteln, hängt die Ermittlung der Einkünfte davon ab, welche Wirtschaftsgüter der Betriebsstätte als Betriebsvermögen zuzuordnen sind. Das UmwStG knüpft aber tatbestandlich (abgesehen von den Sondernormen zur fiktiven Steueranrechnung bei Anwendung der EU-Fusionsrichtlinie)2 nicht unmittelbar an Einkünfte oder Wirtschaftsgüter einer Betriebsstätte an. Schaut man genauer hin, zeigt sich jedoch eine mittelbare Bedeutung der Grundsätze der Betriebsstättenzuordnung bei der Anwendung der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalte.3 So ist für den Buchwert- oder Zwischenwertansatz als Voraussetzung zu prüfen, ob durch die Umwandlung das deutsche Besteuerungsrecht an den übergehenden stillen Reserven weder „ausgeschlossen“ noch „beschränkt“ wird (dazu Rz. 15.25 ff.). Insoweit stützt sich das UmwStG im Ergebnis auf die innerstaatlichen und abkommensrechtlichen Normen, die das deutsche Besteuerungsrecht begründen4 und dessen Ausübung zur Vermeidung einer internationalen Doppelbesteuerung regeln. Angesprochen sind damit insbesondere § 49 EStG, § 34c i.V.m. § 34d EStG, § 26 KStG und die Regelungen der DBA. Erst diese Regelungen knüpfen an die Einkünfte einer Betriebsstätte an und begründen damit den unmittelbaren tatbestandlichen Anknüpfungspunkt für eine Betriebsstättenzuordnung (z.B. § 49 Abs. 1 1 Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf Umwandlungen, die in den Anwendungsbereich des UmwStG fallen. 2 S. § 3 Abs. 3, § 20 Abs. 8 UmwStG. 3 Z.B. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG, zu weiteren Normen s. Rz. 15.8 f. 4 Dies sind nur Normen des innerstaatlichen Rechts, z.B. § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 EStG.

Korff/Erdem | 1051

15.2

Kap. 15 Rz. 15.2 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

Nr. 2 Buchst. a) EStG; § 34d Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG; Art. 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Art. 13 Abs. 2 OECD-MA). Die Betriebsstättenzuordnung wirkt sich somit allein wegen ihrer Bedeutung für die Anwendung der Entstrickungsvorbehalte des UmwStG auf die steuerliche Behandlung internationaler Umwandlungen aus. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass auch im Schrifttum allein von der „umwandlungsbedingten Entstrickung“ und dem „umwandlungsbedingten Ausschluss“ bzw. der „umwandlungsbedingten Beschränkung“ des deutschen Besteuerungsrechts die Rede ist.1 Aus diesem Blickwinkel ergibt sich der Gegenstand dieses Kapitels. S. aber auch zur Bedeutung für die Besteuerung der umwandlungsbedingten Einkünfte Rz. 15.36 und für die Einkünfteabgrenzung im Rückwirkungszeitraum Rz. 15.37 f.

15.3 Klassisches Beispiel zur Verdeutlichung der Problematik ist die Hinausverschmelzung einer inländischen Kapitalgesellschaft mit inländischem Betriebsstättenvermögen, die nach dem UmwStG nur unter der Bedingung (ertrag-)steuerneutral vollzogen werden kann, dass die zivilrechtlich übertragenen Wirtschaftsgüter nach der Umwandlung im Inland weiterhin steuerverhaftet sind, d.h. einer inländischen Betriebsstätte des übernehmenden Rechtsträgers zuzuordnen sind. Sind die übergehenden Wirtschaftsgüter hingegen nach der Umwandlung nicht mehr einer inländischen Betriebsstätte der übernehmenden Körperschaft zuzuordnen, sind bei der übertragenden Körperschaft zwingend die gemeinen Werte mit der Folge steuerbarer Einkünfte in Form eines Übertragungsgewinns anzusetzen (vgl. § 11 Abs. 1 UmwStG). Zu weiteren Beispielen s. Rz. 15.92 ff. 15.4 Aufbau und Abgrenzung. Um die Rolle der Betriebsstättenzuordnung im Kontext internationaler Umwandlungen sachgerecht zu erfassen, wird zunächst in Teil B die rechtliche Bedeutung von Zuordnungsfragen und deren Konsequenzen für die Besteuerung einer Umwandlung dargelegt. Anschließend werden in Teil C die insoweit maßgeblichen Zuordnungsgrundsätze ermittelt. In Teil D wird schließlich die praktische Bedeutung der Zuordnungsfragen exemplarisch an Fällen der grenzüberschreitenden Hinausverschmelzung von Kapitalgesellschaften aufgezeigt. Aus dem Themenzuschnitt und dem Verhältnis zu den anderen Kapiteln ergeben sich notwendigerweise Ein- und Abgrenzungen: So betreffen die nachfolgenden Überlegungen allein die Auslegung des einfachen Rechts, einschließlich des Rechts der Doppelbesteuerungsabkommen. Auf Fragen der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, insbesondere Unionsrecht, wird hingegen nicht eingegangen (s. zum Unionsrecht Kapitel 3). Zudem ist das Abkommensrecht hier nur insoweit Gegenstand der Überlegungen als es auf Tatbestandsebene (z.B. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwStG) um die Beurteilung der Entstehung umwandlungsbedingter Einkünfte geht (s.a. Rz. 15.36); hinsichtlich der abkommensrechtlichen Behandlung (Qualifikation) der auf Rechtsfolgenseite einmal entstandenen umwandlungsbedingten Einkünfte (z.B. eines Über-

1 S. etwa Pohl in Micker/Pohl, BeckOK KStG, § 12 Rz. 171 (Stand: Januar 2023); Kraft/Ungemach, DStZ 2020, 440; Schumacher in Lutter6, UmwG, Einleitung II (Umwandlungssteuerrecht) Rz. 29, Rz. 31; Heerdt, IStR 2012, 866; Baldamus, IStR 2012, 317; Ungemach, Ubg 2011, 251; Schaumburg, GmbHR 2010, 1341; Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1961.

1052 | Korff/Erdem

B. Bedeutung der Betriebsstättenzuordnung | Rz. 15.5 Kap. 15

tragungsgewinns, vgl. § 11 UmwStG) s. Kapitel 5. Zudem werden die für die steuerliche Beurteilung grenzüberschreitender Umwandlungen maßgebende Zuordnungsgrundsätze übergreifend dargestellt und (nur) anhand ausgewählter Fälle der grenzüberschreitenden Hinausverschmelzung veranschaulicht (dazu Teil C, Rz. 15.92 ff.); hinsichtlich der Rechtsgrundlagen und steuerlichen Behandlung einzelner Umwandlungsvorgänge sei an dieser Stelle auf die entsprechenden Kapitel 8 ff. verwiesen.

B. Bedeutung der Betriebsstättenzuordnung bei internationalen Umwandlungen I. Bedeutung für die Entstrickung im Kontext internationaler Umwandlungen 1. Systematik der Entstrickungsnormen a) Grundlegung: Zwei Fallgruppen Entstrickung im Kontext internationaler Umwandlungen. Bei internationalen Umwandlungen spielen Fragen der zwischenstaatlichen Aufteilung von Besteuerungsrechten und der damit verbundenen Entstrickung (zur Verstrickung s. Rz. 15.33 ff.) von Wirtschaftsgütern eine wichtige Rolle. Hintergrund ist die Sorge des deutschen Fiskus, dass vor der Umwandlung der deutschen Besteuerung unterliegende („verstrickte“) stille Reserven im Zuge der mit der Umwandlung verbundenen rechtlichen und tatsächlichen Reorganisation der beteiligten Unternehmen dem deutschen Steuerzugriff entzogen werden. Insoweit kommt – wie in Rz. 15.25 ff. dargestellt wird – der Betriebsstättenzuordnung maßgebende Bedeutung zu. – In Bezug auf die umwandlungsbedingte Änderung der (zivil-)rechtlichen Struktur der beteiligten Unternehmen (rechtliche Reorganisation) begegnet das Umwandlungssteuergesetz dieser Sorge insb. mit den sog. umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalten (s. im Einzelnen Rz. 15.8): Danach kann die Realisierung stiller Reserven (durch Ansatz des gemeinen Werts)1 nur insoweit mittels eines Buchwert- oder Zwischenwertansatzes vermieden werden, als durch die Umwandlung das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland an den umwandlungsbedingt übergehenden stillen Reserven (genauer: am Gewinn aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter, s. dazu Rz. 15.15, Rz. 15.28 ff.) weder ausgeschlossen noch beschränkt wird. Dadurch wird sichergestellt, dass eine Umwandlung nach dem Umwandlungssteuergesetz nur dann steuerneutral bzw. -begünstigt erfolgen kann, wenn diese nicht zu einer Verschlechterung des deutschen Besteuerungsrechts führt. Kommt es hingegen zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts, ist die Möglichkeit eines begünstigenden Buchwert- oder Zwischenwertansatzes versperrt und es sind zwingend die gemeinen Werte mit der Folge einer Aufdeckung und Besteuerung stiller Reserven anzusetzen. Für das (Fort-)Bestehen eines deutschen Besteuerungsrechts spielt die Zuordnung von Wirtschaftsgütern eine bedeutende Rolle: Insbesondere 1 Vgl. etwa § 3 Abs. 1, § 11 Abs. 1, § 13 Abs. 1, § 20 Abs. 1, § 21 Abs. 2 Satz 1, § 24 Abs. 1 UmwStG.

Korff/Erdem | 1053

15.5

Kap. 15 Rz. 15.5 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

bei solchen Umwandlungen, bei denen eine unselbständige Betriebsstätte im Inland verbleibt (z.B. bei der Hinausverschmelzung einer Kapitalgesellschaft mit im Inland verbleibender Betriebsstätte), hängt die Aufrechterhaltung des deutschen Besteuerungsrecht davon ab, welche Wirtschaftsgüter dieser Betriebsstätte oder ggf. dem ausländischen Stammhaus zuzuordnen sind. – Neben rechtlichen Reorganisationsmaßnahmen können auch die im Kontext einer Umwandlung stattfindenden Änderungen der tatsächlich-organisatorischen Struktur der Unternehmen (tatsächliche Reorganisationsmaßnahmen) einen Ausschluss oder eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts bewirken, was eine Entstrickungsbesteuerung nach den allgemeinen ertragsteuerlichen Entstrickungsregelungen (vgl. Rz. 15.12) zur Folge haben kann. Dies betrifft etwa die Anpassung der organisatorischen Ausgestaltung der Unternehmensabläufe an rechtliche oder betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten. Aus steuerlicher Perspektive ist in erster Linie die Reallokation einzelner oder aller in einem Unternehmen ausgeübten Funktionen auf eine andere als die bisherige Unternehmenseinheit relevant. Die Zusammenlegung betrieblicher Funktionen (z.B. zur Hebung von Synergieeffekten) oder deren Neuzuordnung zu einem anderen Unternehmensteil kann aus steuerlicher Sicht zu einer geänderten Zuordnung der zugrunde liegenden Wirtschaftsgüter und damit zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts mit der Folge einer Entstrickungsbesteuerung führen. In der Praxis ist daher von zentraler Bedeutung, wann es zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts kommt und in welchen Fällen auch eine grenzüberschreitende Umwandlung durch Sicherstellung einer inländischen Steuerverhaftung steuerneutral erfolgen kann.

15.6 Zwei Fallgruppen der Entstrickung. Aus der in Rz. 15.5 dargestellten Differenzierung zwischen umwandlungsbedingter Änderung der (zivil-)rechtlichen Struktur und der Änderung der tatsächlich-organisatorischen Struktur des umwandelnden Unternehmens ergibt sich, dass eine Entstrickung im Zusammenhang mit einem Umwandlungsvorgang zwei unterschiedliche Auslöser und damit grundsätzlich auf zwei Arten erfolgen kann: entweder in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht.1 Dogmatisch ergibt sich daraus eine Differenzierung in die Fallgruppen der rechtlichen (s. Rz. 15.8 ff.) und tatsächlichen (s. Rz. 15.12 f.) Entstrickung. Teilweise wird in diesem Kontext auch zwischen umwandlungsbedingter Entstrickung und allgemeiner Entstrickung anlässlich einer Umwandung2 oder zwischen passiver und aktiver Entstrickung unterschieden (vgl. auch Rz. 1.33; Rz. 10.236 ff.). Der Begriff der passiven Entstrickung ist allerdings im Sprachgebrauch von Rechtsprechung und Schrifttum3 be1 So auch Prinz, DB 2012, 820; Prinz, GmbHR 2012, 195 (196); Schneider/Ruoff/Sistermann, FR 2012, 1 (4); ähnlich auch Möhlenbrock in Lüdicke, Internationales Steuerrecht – Aufbruch oder Konsolidierung?, 171 (181); inhaltlich übereinstimmend mit den Bezeichnungen „aktive“ und „passive Entstrickung“ Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1014). 2 So etwa Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1961 (1963). 3 S. etwa BFH v. 24.11.2021 – I B 44/21, BStBl. II 2022, 431 („durch rein staatliches Handeln“); FG Münster v. 8.10.2022 – 13 K 559/19 G,F, DStR 2022, 2413; BMF v. 26.10.2018 – IV B 5 - S 1348/07/10002-01, IStR 2019, 192; Loschelder in Schmidt41, § 4 Rz. 246.

1054 | Korff/Erdem

B. Bedeutung der Betriebsstättenzuordnung | Rz. 15.8 Kap. 15

reits inhaltlich insofern vorbelastet, als er dort üblicherweise den etwas anders gelagerten Fall des Ausschlusses oder der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts ohne zurechenbare aktive Handlung des Steuerpflichtigen, insbesondere durch rein staatliches Handeln (z.B. durch Änderung des anwendbaren Rechts, etwa durch Neuabschluss oder Revision eines DBA) beschreibt. Der so üblicherweise verstandene Begriff der passiven Entstrickung ist aber nicht zwingend mit dem hier verwendeten Begriff der rechtlichen Entstrickung gleichzusetzen. Hier wird daher an dem Begriffspaar der rechtlichen (umwandlungsbedingten) und tatsächlichen Entstrickung festgehalten. Zeitliche Aspekte. Die Unterscheidung in die zwei Fallgruppen der rechtlichen und tatsächlichen Entstrickung hat insbesondere auch Auswirkungen auf den Zeitpunkt einer Entstrickungsbesteuerung. In zeitlicher Hinsicht unterscheiden sich die beiden Fallgruppen danach, dass eine Zuordnungsänderung im Fall der rechtlichen Entstrickung bereits rückwirkend zum steuerlichen Übertragungsstichtag und im Fall der tatsächlichen Entstrickung erst zum Zeitpunkt der tatsächlichen Änderung von Funktionen bzw. Verlagerung von Wirtschaftsgütern eintritt.

15.7

b) Rechtliche Entstrickung (UmwStG) Rechtliche Entstrickung. Eine umwandlungsbedingte Entstrickung („rechtliche Entstrickung“) liegt dann vor, wenn allein der (zivilrechtliche) Umwandlungsvorgang einen Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts (z.B. durch Neuzuordnung des Wirtschaftsguts) bedingt. In diesen Fällen kommt es zu einer Entstrickung, ohne dass es hierfür einer weiteren (über die Auslösung der Umwandlung hinausgehenden) Handlung des Steuerpflichtigen (z.B. tatsächliche Überführung eines Wirtschaftsguts) bedarf. Da die umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalte der Sicherstellung des deutschen Besteuerungsrechts dienen, knüpfen sie tatbestandlich an das Besteuerungsrecht aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter, des eingebrachten Betriebsvermögens bzw. der eingebrachten oder erhaltenen Anteile an. Maßgebend ist also die Veräußerungsgewinnbesteuerung. Eine rechtliche Entstrickung im Rahmen einer grenzüberschreitenden Umwandlung, insbesondere bei Hinausverschmelzungen, kann vor allem dann vorliegen, wenn in Deutschland keine Betriebsstätte zurückbleibt oder Deutschland das Besteuerungsrecht im Hinblick auf ausländische Anrechnungsbetriebsstätten verliert. Die rechtliche Entstrickung findet ihre Rechtsgrundlage in den Bewertungsvorschriften des UmwStG, die bei dem übertragenden Rechtsträger einen Ansatz des gemeinen Wertes mit der Folge steuerbarer Einkünfte (z.B. eines verschmelzungsbedingten Übertragungsgewinns, vgl. § 11 UmwStG) anordnen. Denn im Falle des Ausschlusses oder der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts sind die umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalte nicht erfüllt und ein Buch- oder Zwischenwertansatz scheidet aus. Dies hat auch Konsequenzen für den Zeitpunkt der Entstrickung: Da das Einkommen des übertragenden Rechtsträgers, in dem auch die umwandlungsbedingte (rechtliche) Entstrickung abgebildet wird, gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG (rückwirkend) auf den steuerlichen Übertragungsstichtag zu ermitteln ist, sind für die rechtliche Entstrickung auch die Verhältnisse zu eben diesem steuerlichen Übertragungsstichtag maßgebend (s.a. Rz. 15.16). Korff/Erdem | 1055

15.8

Kap. 15 Rz. 15.8 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

Zu den umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalten zählen: – § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG: Besteuerungsrecht am Gewinn aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter bei Verschmelzung einer Körperschaft auf eine Personengesellschaft/natürliche Person, beim Formwechsel einer Körperschaft in eine Personengesellschaft (§ 9 UmwStG) oder bei Aufspaltung oder Abspaltung von einer Körperschaft auf eine Personengesellschaft (§ 16 UmwStG). – § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG: Besteuerungsrecht am Gewinn aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter bei Verschmelzung von Körperschaften sowie bei Aufspaltung, Abspaltung und Teilübertragung zwischen Körperschaften (§ 15 UmwStG). – § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG: Besteuerungsrecht am Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Körperschaft bei Verschmelzung von Körperschaften sowie bei Aufspaltung, Abspaltung und Teilübertragung zwischen Körperschaften (§ 15 UmwStG). – § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG: Besteuerungsrecht am Gewinn aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens bei der Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft und beim Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft (§ 25 UmwStG). – § 21 Abs. 2 Satz 2, Satz 3 Nr. 1 UmwStG: Besteuerungsrecht am Gewinn aus der Veräußerung der eingebrachten Anteile (Satz 2 Halbs. 1) oder der erhaltenen Anteile (Satz 2 Halbs. 2; Satz 3 Nr. 1) beim Anteilstausch i.S.d. § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG und beim Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft (§ 25 UmwStG). – § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 i.V.m. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG: Besteuerungsrecht am Gewinn aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile bei Einbringung in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft. – § 24 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UmwStG: Besteuerungsrecht am Gewinn aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens bei Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Personengesellschaft.

15.9 Weitere Normen des UmwStG, die an den Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts anknüpfen, enthalten etwa: – § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG: Kein Ausschluss und keine Beschränkung des Besteuerungsrechts am Gewinn aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile als Anwendungsvoraussetzung des UmwStG in Einbringungsfällen nach Abs. 3 Nr. 1 bis 4 (Verstrickungsvorbehalt). – § 3 Abs. 3 Satz 2 UmwStG: Zurechnung der übertragenen Wirtschaftsgüter zu einer EU-Betriebsstätte als Voraussetzung für fiktive Steueranrechnung bei Verschmelzung i.S.d. Art. 10 FRL. – § 20 Abs. 3 Satz 2 UmwStG: Fortbestehender Ausschluss des Besteuerungsrechts am Gewinn aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens bei Ein1056 | Korff/Erdem

B. Bedeutung der Betriebsstättenzuordnung | Rz. 15.12 Kap. 15

bringungen in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft (Bewertung der erhaltenen Anteile mit dem gemeinen Wert bei Einbringung nicht steuerverstrickten Betriebsvermögens). – § 22 Abs. 1 Satz 5 Halbs. 2 UmwStG: Besteuerungsrecht am Gewinn aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile bei Einbringungen in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft. Ansicht der FinVerw. zur rechtlichen Entstrickung wegen umwandlungsbedingter Zuordnungsänderung. Nach Ansicht der FinVerw. soll sich im Falle einer grenzüberschreitenden Umwandlung die abkommensrechtliche Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer in- oder ausländischen Betriebsstätte grundsätzlich nicht ändern (Rz. 03.20 Satz 1 UmwStE).1 Das hat zur Folge, dass grundsätzlich keine rechtliche Entstrickung allein wegen einer umwandlungsbedingten Zuordnungsänderung stattfindet. Davon unabhängig besteht allerdings die Möglichkeit einer rechtlichen Entstrickung aufgrund des Wechsels der persönlichen Steuerpflicht. So wird von der FinVerw. als Beispiel für eine umwandlungsbedingte (rechtliche) Entstrickung der Fall genannt, dass eine deutsche Kapitalgesellschaft mit einer ausländischen Anrechnungs-Betriebsstätte und auslandsansässigen Anteilseignern in eine Personengesellschaft formgewechselt wird (Rz. 03.20 Satz 3 UmwStE).

15.10

§ 4g EStG und Unionsrecht. Im Fall der rechtlichen Entstrickung ist der insoweit entstehende Entstrickungsgewinn (z.B in Form eines Übertragungsgewinns, vgl. § 3, § 11 UmwStG) sofort zu versteuern. Die Möglichkeit einer Bildung eines Ausgleichspostens nach § 4g EStG besteht insoweit nicht. Zur Vereinbarkeit mit unionsrechtlichen Vorgaben s. Kapitel 3.2

15.11

c) Tatsächliche Entstrickung (EStG/KStG/AStG) Tatsächliche Entstrickung. Führt – wie im Regelfall3 – der Umwandlungsvorgang unmittelbar selbst zu keinem Wechsel der Zuordnung von Wirtschaftsgütern, kann sich diese allerdings aus weiteren tatsächlichen Handlungen des Steuerpflichtigen ergeben, die sich im (zeitlichen) Zusammenhang mit der Umwandlung ereignen. Dies betrifft etwa die anlässlich der Umwandlung vollzogene (tatsächliche) Verlagerung von Funktionen oder Personal einer Betriebsstätte auf das Stammhaus mit der Folge, dass auch die zugehörigen Wirtschaftsgüter nunmehr dem Stammhaus zuzuordnen sind. In zeitlicher Hinsicht können solche Maßnahmen etwa im steuerlichen Rückwirkungszeitraum, am Tag der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Umwandlung (Eintragung im Handelsregister) oder auch erst danach erfolgen. Nach der Systematik des UmwStG stellen die umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalte nur auf den Ausschluss und die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts durch den (zivil-)rechtlichen Umwandlungsvorgang als solchen ab.4 Zudem sind in zeitli1 2 3 4

BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314. S. dazu auch Desens, FR 2022, 681; Desens, DStR 2022, 1588. Vgl. auch Rz. 03.20 UmwStE. Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1961 (1963).

Korff/Erdem | 1057

15.12

Kap. 15 Rz. 15.12 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

cher Hinsicht nur die Verhältnisse zum steuerlichen Übertragungsstichtag (vgl. § 2 UmwStG) maßgebend. Daraus folgt, dass auch nur umwandlungsbedingte (rechtliche) Entstrickungsvorgänge für den Buchwert- bzw. Zwischenwertansatz schädlich sind und ein Ausschluss oder eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag nicht mehr von den umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalten erfasst wird.1 Erfolgt eine tatsächliche Entstrickung nach dem steuerlichen Umwandlungsstichtag, hindert dies mithin nicht die Steuerneutralität des Umwandlungsvorgangs nach dem UmwStG. Sie kann aber die Tatbestandsvoraussetzungen der allgemeinen Entstrickungsvorschriften des § 4 Abs. 1 Satz 3 f., § 16 Abs. 3a EStG, § 12 KStG und § 1 Abs. 5 (ggf. i.V.m. Abs. 3b) AStG erfüllen und so gleichwohl zu einer steuerwirksamen Gewinnrealisierung führen. Zu beachten ist in diesen Fällen, dass die Entstrickung bei dem übernehmenden Rechtsträger erfolgt und nicht bei dem übertragenden Rechtsträger; dessen Steuerpflicht endet vielmehr mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags.2

15.13 § 4g EStG und Unionsrecht. Im Fall der tatsächlichen Entstrickung ist auf die Möglichkeit einer Ausgleichspostenbildung nach § 4g EStG hinzuweisen. Zur unionsrechtlichen Problematik mit Blick auf die Grundfreiheiten und Art. 5 ATAD s. Kapitel 3.3 2. Gemeinsames Tatbestandsmerkmal: Ausschluss und Beschränkung des Besteuerungsrechts

15.14 Überblick. Gemeinsame Tatbestandsvoraussetzung der Entstrickungsvorschriften ist der Ausschluss bzw. die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts. Dabei stellen die hier im Vordergrund stehenden umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalte auf den Ausschluss und die Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter, des eingebrachten Betriebsvermögens, bzw. der eingebrachten oder erhaltenen Anteile (im Folgenden vereinfachend: übertragene Wirtschaftsgüter) ab. Bei der Anwendung dieser beiden Entstrickungsalternativen – Ausschluss (Alt. 1) oder Beschränkung (Alt. 2) des Besteuerungsrechts – sind folgende Aspekte zu berücksichtigen: 15.15 Gegenstand des Besteuerungsrechts. Die umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalte stellen allein auf das Besteuerungsrecht am Gewinn aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter ab. Unter Veräußerung ist grundsätzlich die Übertragung des rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums an den Wirtschaftsgütern zu verstehen.4 Da die Entstrickungsvorbehalte der Sicherung des einmal begründeten Besteuerungsrechts dienen, kommt es aber nur darauf an, ob ein Besteuerungsrecht an einem gedachten (fiktiven) Veräußerungsgewinn noch bestünde. Anknüpfungspunkt ist daher keine tatsächliche, sondern eine fingierte Veräuße1 2 3 4

Stv. Schmitt in S/H9, § 3 Rz. 88; Bron in Kraft/Edelmann/Bron2, § 3 Rz. 268 ff. Vgl. Rz. 02.10 UmwStE; van Lishaut in R/H/vL3, § 2 Rz. 11. S. dazu auch Desens, FR 2022, 681; Desens, DStR 2022, 1588. Pfirrmann in Brandis/Heuermann, EStG/KStG/GewStG, § 12 KStG Rz. 35 (Stand: Dezember 2021).

1058 | Korff/Erdem

B. Bedeutung der Betriebsstättenzuordnung | Rz. 15.18 Kap. 15

rung. Dabei repräsentiert der Veräußerungsgewinn die bis dahin aufgelaufenen stillen Reserven. Handelt es sich bei den übertragenen Wirtschaftsgütern um Betriebsstättenvermögen, stellt sich die Frage, ob auf die (Veräußerungs-)Gewinnaufteilung oder allein auf die Wirtschaftsgüterzuordnung abzustellen ist (dazu ausf. Rz. 15.28 ff.). Die Besteuerung der Einkünfte aus der Nutzung der jeweiligen Wirtschaftsgüter (z.B. Dividenden, Lizenzgebühren etc.) ist hingegen bei der Anwendung der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalte irrelevant; sie kann aber bei der Anwendung der allgemeinen einkommen- bzw. körperschaftsteuerrechtlichen Entstrickungsregelungen im zeitlichen Kontext der Umwandlung eine Rolle spielen (Fall der tatsächlichen Entstrickung, vgl. Rz. 15.12). Zeitpunkt. Der Ausschluss und die Beschränkung des Besteuerungsrechts sind im Rahmen der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalte auf den Zeitpunkt des steuerlichen Übertragungsstichtags (§ 2 Abs. 1 UmwStG) zu prüfen.1 Auf diesen Zeitpunkt wird bei Umwandlungsvorgängen i.S.d. §§ 3 bis 19 UmwStG der umwandlungsbedingte Übergang des Vermögens für steuerliche Zwecke (Einkommens- und Vermögensermittlung) fingiert. Da die Fiktion nur den zivilrechtlichen Vermögensübergang betrifft, sind der Prüfung im Übrigen die tatsächlichen Umstände zum steuerlichen Übertragungsstichtag zugrunde zu legen. Eine Rückwirkung der tatsächlichen Umstände (z.B. zum Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Umwandlung) bewirkt § 2 Abs. 1 UmwStG nicht. Das entspricht dem Zweck der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalte, die eine nahtlose steuerliche Verhaftung stiller Reserven sicherstellen sollen. Besteht z.B. zum steuerlichen Umwandlungsstichtag keine inländische Betriebsstätte, wird diese aber anschließend im Rückwirkungszeitraum begründet, wird das Bestehen einer inländischen Betriebsstätte (und damit der Anknüpfungspunkt für ein deutsches Besteuerungsrecht) nicht rückwirkend auf den steuerlichen Übertragungsstichtag fingiert. Das meint die FinVerw. offenbar mit den Ausführungen in Rz. 02.15 Satz 1 UmwStE, wonach das Vorliegen eines Besteuerungsrechts nicht rückwirkend fingiert werden kann.

15.16

Erfasste Steuern. Nach h.M. und der Verwaltungsauffassung2 ist nur eine Besteuerung mit Einkommen- oder Körperschaftsteuer relevant, nicht eine Besteuerung mit Gewerbesteuer (keine gewerbesteuerliche Entstrickung).3 Davon zu unterscheiden ist, dass bei einer Entstrickung aufgrund des Verlusts des einkommen- oder körperschaftsteuerlichen Besteuerungsrechts der dadurch entstehende Entstrickungsgewinn über § 18 Abs. 3 UmwStG bzw. § 7 GewStG auch der GewSt unterliegt.

15.17

Ausschluss des Besteuerungsrechts. Ein Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich eines Veräußerungsgewinns liegt vor, wenn nach der Umwandlung entweder bereits nach nationalem Steuerrecht kein Besteuerungsanspruch mehr besteht oder Deutschland seinen nach nationalem Recht bestehenden Besteuerungsanspruch aufgrund einer abkommensrechtlichen Pflicht zur Freistellung des Veräußerungsgewinns vollständig nicht mehr wahrnehmen darf.

15.18

1 UmwStE Rz. 02.15; Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 11 Rz. 265 m.w.N. 2 UmwStE Rz. 03.18 a.E. 3 A.A. Martini in Widmann/Mayer, § 3 Rz. 845.

Korff/Erdem | 1059

Kap. 15 Rz. 15.19 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

15.19 Beschränkung des Besteuerungsrechts. Eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich eines Veräußerungsgewinns liegt vor, wenn Deutschland nach der Umwandlung zwar nach nationalem Steuerrecht ein Besteuerungsrecht hinsichtlich des Veräußerungsgewinns weiterhin begründet, dieses aber hinsichtlich der Höhe oder des Umfangs der Besteuerung nicht vollständig ausüben kann. Dies meint insbesondere eine abkommensrechtliche Pflicht zur Anrechnung ausländischer Steuern oder eine abkommensrechtliche Begrenzung des anwendbaren Steuersatzes. Die h.M. lässt auch eine im nationalen Recht (unilateral) begründete Pflicht zur Anrechnung ausländischer Steuern nach § 34c Abs. 1 EStG ausreichen. Auch soll eine Pflicht zum Abzug ausländischer Steuern nach § 34c Abs. 2 EStG genügen. Hinzuweisen ist schließlich auf den Sonderfall des § 50 Abs. 3 EStG. Nach h.M. soll schon das reine Bestehen der abstrakten (innerstaatlichen oder abkommensrechtlichen) Pflicht zur Anrechnung bzw. zum Abzug ausländischer Steuern ausreichen.1 Das konkrete Entstehen einer anrechenbaren ausländischen Steuer oder gar deren tatsächliche Anrechnung im Inland sind nicht erforderlich. Daraus wird die (zweifelhafte) Charakterisierung der Entstrickungstatbestände als „abstrakte Gefährdungstatbestände“ abgeleitet. 15.20 Leerlaufen? Hinzuweisen ist an dieser Stelle zudem auf die noch nicht abschließend geklärte Frage, ob die Entstrickungsvorschriften im Lichte des BFH-Urteils v. 17.7.2008 – I R 77/06 (Aufgabe der Theorie der finalen Entnahme) leerlaufen.2 Trotz der im Schrifttum3 vorgetragenen guten Argumente für das Leerlaufen haben das FG Düsseldorf und das FG Köln dies im Hinblick auf § 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG verneint.4 Teilweise wird das Leerlaufen zumindest für die umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalte verneint, sofern der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts durch einen umwandlungsbedingten Rechtsträgerwechsel ausgelöst wird.5 Damit verbunden ist die Fragestellung, ob für die Prüfung des Ausschlusses oder der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts auf die Gewinnzuordnung oder die Wirtschaftsgüterzuordnung (dazu Rz. 15.28 ff.) bzw. nur die vor der Umwandlung entstandenen oder auch die danach entstehenden stillen Reserven abzustellen ist (dazu Rz. 15.22).

1 S. stellvertretend Drüen in Brandis/Heuermann, § 4 EStG Rz. 486c (Stand: November 2020). 2 Speziell zum UmwStG s. auch Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1012 f.). 3 S. u.a. Wassermeyer, DB 2006, 1176 (1180); Gosch, BFH/PR 2008, 499 (500); Ditz, IStR 2009, 115 (120 f.); Prinz, DB 2009, 807 (810); Kahle/Franke, IStR 2009, 406 (409). 4 FG Düsseldorf v. 19.11.2015 – 8 K 3664/11 F, Rz. 44 ff.; FG Köln v. 16.2.2016 – 10 K 2335/ 11, Rz. 47 – Rev. I R 99/15; ebenso Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4 EStG Anm. 228; Musil, FR 2011, 545 (549); § 4 Rz. 246; Drüen in Brandis/Heuermann, § 4 EStG Rz. 486c (Stand: November 2020); Förster, DB 2007, 72 (73); Förster in FS Gosch, 2016, 83 (94); Schnitger, Die Entstrickung im Steuerrecht, IFSt-Schrift Nr. 487, 2013, 62; Nöcker in Bordewin/Brandt, EStG, § 4 Rz. 457. 5 Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 20 Rz. 304; Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 20 UmwStG Rz. 227 (Stand: Dezember 2022); Gosch, IWB 2014, 183.

1060 | Korff/Erdem

B. Bedeutung der Betriebsstättenzuordnung | Rz. 15.21 Kap. 15

Relative und absolute Betrachtung. Die Entstrickungsvorschriften unterscheiden sich in ihrem Wortlaut teilweise danach, ob das Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt „wird“ oder ob es ausgeschlossen oder beschränkt „ist“. – Spricht der Tatbestand davon, dass ein Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt „wird“,1 so knüpft es daran an, ob ein bestimmtes Ereignis einen Ausschluss oder eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts bewirkt. Darauf stellen etwa die allgemeinen Entstrickungsvorschriften und die umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalte ab.2 Der Ausschluss oder die Beschränkung ist dann durch eine vergleichende Betrachtung zu ermitteln, nämlich durch einen Vergleich des Besteuerungsrechts unmittelbar vor mit dem Besteuerungsrecht unmittelbar nach dem entscheidenden Ereignis (relative Betrachtung). Aus dem Umstand, dass es auf eine vergleichende, auf die Feststellung einer Verschlechterung gerichtete Betrachtung und nicht nur auf eine Betrachtung eines einzelnen Besteuerungsrechts nach dem Ereignis ankommt, ergibt sich, dass vor dem Ereignis zumindest ein eingeschränktes Besteuerungsrecht bestanden haben muss.3 Ein Ausschluss des Besteuerungsrechts liegt daher nicht vor, wenn bereits vor dem Ereignis kein Besteuerungsrecht bestand oder dieses schon durch eine DBA-Freistellung ausgeschlossen war; es kann nur ein unbeschränktes oder beschränktes Besteuerungsrecht ausgeschlossen werden. Eine Beschränkung des Besteuerungsrechts liegt nicht vor, wenn bereits vor dem Ereignis kein Besteuerungsrecht bestand, dieses durch eine DBA-Freistellung ausgeschlossen war oder bereits durch eine Anrechnungsverpflichtung nach DBA oder nationalem Recht beschränkt war; es kann nur ein unbeschränktes Besteuerungsrecht beschränkt werden. – Stellt der Tatbestand hingegen darauf ab, ob das Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt „ist“,4 so kommt es nur auf die Prüfung eines Besteuerungsrechts zu einem einzigen Zeitpunkt an. So stellt etwa § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG darauf ab, ob das Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt „ist“. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob ein bestehendes Besteuerungsrecht durch ein Ereignis verschlechtert bzw. eingeschränkt wird. Vielmehr ist allein der Zustand eines Besteuerungsrechts zu einem bestimmten Zeitpunkt entscheidend, d.h. ob dessen Ausübung durch eine Anrechnungsverpflichtung eingeschränkt oder durch eine Freistellungsverpflichtung ausgeschlossen ist (absolute Betrachtung). Es kommt nur auf die Vorschriften zur Ausübung des deutschen Besteuerungsrechts an (Anrechnungs- und Freistellungsnormen). Anders als die Fallgruppe der relativen Betrachtung erfasst der Begriff des Ausschlusses hier nicht den Fall, dass nach nationalem Recht bereits kein Besteuerungsrecht begründet wird.

1 Abweichend vom Wortlaut fällt nach h.M. unter diese Fallgruppe auch § 21 Abs. 2 Satz 2 f., s. nur Schmitt in S/H9, § 21 Rz. 91, 102 m.w.N. 2 S. aber auch § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b), § 22 Abs. 1 Satz 5 Halbs. 2 UmwStG. 3 Gl. Ergebnis UmwStE Rz. 03.19; Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1961 (1962). 4 Z.B. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b), § 22 Abs. 1 Satz 5 Halbs. 2 UmwStG.

Korff/Erdem | 1061

15.21

Kap. 15 Rz. 15.22 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

15.22 Besteuerungsrecht hinsichtlich nach Umwandlung entstehender stiller Reserven ist irrelevant. Bei der Prüfung, ob ein Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt „wird“, kommt es nach der Logik der zuvor dargestellten relativen Betrachtung (s. Rz. 15.21) nur darauf an, ob das Besteuerungsrecht hinsichtlich derjenigen stillen Reserven ausgeschlossen oder beschränkt wird, die während des Bestehens des deutschen Besteuerungsrechts entstanden sind. Denn zum einen repräsentiert der (fiktive) „Veräußerungsgewinn“ unmittelbar zum Zeitpunkt nach dem relevanten Ereignis (z.B. der Umwandlung) nur die stillen Reserven, die bis zu diesem Zeitpunkt entstanden sind. Zum anderen sind dies auch nur stille Reserven, an denen unmittelbar vor dem relevanten Ereignis noch ein Besteuerungsrecht bestand, da die umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalte ihrem Zweck nach nur den Verlust des einmal begründeten Besteuerungsrechts an stillen Reserven zu vermeiden suchen. Dem scheint auch die FinVerw. zu folgen, wenn sie in Rz. 03.19 UmwStE für einen Ausschluss des Besteuerungsrechts voraussetzt, dass zuvor ein (zumindest beschränktes) Besteuerungsrecht bestanden haben muss. Das hat zur Folge, dass der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich der stillen Reserven, die nach dem relevanten Ereignis (z.B. der Umwandlung) entstehen, nicht tatbestandsmäßig ist, denn an diesen begründet Deutschland schon kein Besteuerungsrecht.1 15.23 „Soweit“. Bei einer Mehrzahl von übergehenden Wirtschaftsgütern ist der Entstrickungsvorbehalt für jedes einzelne Wirtschaftsgut separat (objektbezogen) zu prüfen. Tatbestandlicher Anknüpfungspunkt ist das Wort „soweit“, das einen Buchwertbzw. Zwischenwertansatz für diejenigen Wirtschaftsgüter ermöglicht, aber auch zugleich auf diejenigen Wirtschaftsgüter beschränkt, hinsichtlich derer das deutsche Besteuerungsrechts nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Das bedeutet, dass ein Buchwert- bzw. Zwischenwertansatz auch möglich ist, wenn das Besteuerungsrecht an einem Teil der Wirtschaftsgüter ausgeschlossen oder beschränkt wird, hinsichtlich einem anderen Teil der Wirtschaftsgüter hingegen unverändert bleibt. Davon zu trennen ist die Frage der Einheitlichkeit der Wahlrechtsausübung: Hinsichtlich derjenigen Wirtschaftsgüter, die die Voraussetzungen eines Entstrickungsvorbehalts erfüllen (auch wenn dies nur ein Teil der insgesamt übergehenden Wirtschaftsgüter ist), kann für diese nur einheitlich der jeweilige Buch- oder Zwischenwert angesetzt werden. 15.24 Treaty Override. Ein nationales Treaty Override, welches eine grundsätzlich bestehende abkommensrechtliche Pflicht zur Freistellung von Einkünften oder Anrechnung ausländischer Steuern oder zur Begrenzung des anwendbaren Steuersatzes suspendiert, ist bei der Prüfung des Ausschlusses bzw. der Beschränkung des Besteuerungsrechts zu berücksichtigen und verhindert für die Zeit seiner Anwendbarkeit den Ausschluss bzw. die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts. Entfallen die Voraussetzungen des Treaty Override und sind deshalb die zuvor suspendierten Abkommensvorschriften wieder anwendbar, so können diese ex nunc zu einem Ausschluss oder zu einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts führen. Inso1 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; Kolbe in Herrmann/Heuer/Raupach, § 12 KStG Anm. 31 (Stand: Juli 2022) m.w.N.

1062 | Korff/Erdem

B. Bedeutung der Betriebsstättenzuordnung | Rz. 15.26 Kap. 15

weit sind allerdings nicht mehr die umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalte, sondern die allgemeinen Entstrickungsvorschriften des EStG und KStG anwendbar (Fall der tatsächlichen Entstrickung, vgl. Rz. 15.12). 3. Bedeutung der Betriebsstättenzuordnung für die umwandlungsbedingte Entstrickung a) Systematik

Tatbestandlicher Anknüpfungspunkt. Es wurde in Rz. 15.2 dargelegt, dass den Grundsätzen der Betriebsstättenzuordnung bei der steuerlichen Behandlung internationaler Umwandlungen mittelbare Bedeutung bei der Anwendung der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalte (Fall der rechtlichen Entstrickung) zukommt. Tatbestandlicher Anknüpfungspunkt sind die Tatbestandsmerkmale des Ausschlusses und der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts am Gewinn aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter. Die Betriebsstättenzuordnung entscheidet grundsätzlich über das Besteuerungsrecht an den stillen Reserven der umwandlungsbedingt übergehenden Wirtschaftsgüter und damit letztlich (mittelbar) über die Steuerneutralität einer Umwandlung bzw. die Frage einer umwandlungsbedingten Entstrickung. Entsprechendes gilt für die Anwendung der allgemeinen Entstrickungsvorschriften für den Fall einer tatsächlichen Entstrickung. Die im Schrifttum und in der Praxis oft isoliert hervorgehobene „Betriebsstättenzuordnung“ steht daher aus systematischer Sicht nicht für sich allein, sondern stellt einen Teilaspekt der ertrag- bzw. umwandlungssteuerrechtlichen Dogmatik der Entstrickung (und Verstrickung, vgl. Rz. 15.33 ff.) von Besteuerungssubstrat (Betriebsstättenvermögen) dar.

15.25

Bedeutung der Betriebsstättenzuordnung von Wirtschaftsgütern bei internationalen Umwandlungen. Sind die im Anwendungsbereich des UmwStG übergehenden Wirtschaftsgütern einer in- oder ausländischen (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätte (i.S.d. § 12 AO und Art. 5 OECD-MA) des übertragenden Rechtsträgers zuzuordnen und bestand deshalb vor der Umwandlung ein zumindest eingeschränktes deutsches Besteuerungsrecht an dem Gewinn aus der Veräußerung dieses Betriebsstättenvermögens, so hängt die Möglichkeit des Buchwert- oder Zwischenwertansatzes hinsichtlich der übertragenen Wirtschaftsgüter davon ab, dass der entsprechende Veräußerungsgewinn auch nach der Umwandlung noch beim übernehmenden Rechtsträger (mindestens) in gleicher Weise im Inland besteuert werden kann. Das beurteilt sich nach den innerstaatlichen Normen, die das deutsche Besteuerungsrecht begründen, sowie den abkommensrechtlichen und innerstaatlichen Normen zur Vermeidung internationaler Doppelbesteuerungen. Hinsichtlich der Gewinne aus der Veräußerung von Betriebsstättenvermögen sind dies insbesondere § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG, § 34c i.V.m. § 34d Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG, Art. 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und Art. 13 Abs. 2 OECD-MA. Diese Normen knüpfen an Einkünfte (Gewinne) bzw. Vermögen einer Betriebsstätte an und begründen damit den unmittelbaren Anknüpfungspunkt für eine Betriebsstättenzuordnung:

15.26

– So begründet § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht ein Besteuerungsrecht hinsichtlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb, für den im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird. Insoweit verlangt § 49 Abs. 1 Nr. 2 Korff/Erdem | 1063

Kap. 15 Rz. 15.26 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

Buchst. a EStG nach einer gesonderten Ermittlung der Einkünfte der Betriebsstätte. Sind die Betriebsstätteneinkünfte nach den Grundsätzen des Betriebsvermögensvergleichs (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG) zu ermitteln,1 hängt die Ermittlung der Einkünfte insbesondere davon ab, welche Wirtschaftsgüter der Betriebsstätte als Betriebsvermögen zuzuordnen sind. Gleiches gilt für § 34d Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, der im Rahmen unbeschränkter Steuerpflicht i.V.m. § 34c EStG, § 26 KStG ein Besteuerungsrecht einschränkt für Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die durch eine in einem ausländischen Staat belegene Betriebsstätte erzielt werden. – Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA weist das Besteuerungsrecht für Gewinne eines Unternehmens auch dem Staat zu, in dem das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit durch eine dort belegene Betriebsstätte ausübt und die Gewinne dieser Betriebsstätte nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA zuzurechnen sind. – Art. 13 Abs. 2 OECD-MA weist das Besteuerungsrecht für Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens auch dem Staat zu, in dem das Unternehmen eine Betriebsstätte hat, wenn das Vermögen Betriebsvermögen dieser Betriebsstätte ist. b) Methoden der Betriebsstättenzuordnung

15.27 Direkte und indirekte Methode. Für die Betriebsstättengewinnabgrenzung (und die in deren Rahmen stattfindende Wirtschaftsgüterzuordnung) haben sich in der Praxis grds.2 zwei Methoden herausgebildet: Nach der sog. indirekten Methode3 wird der nach deutschem Steuerrecht ermittelte Gesamtgewinn des Einheitsunternehmens nach einem sachgerechten4 Aufteilungsschlüssel5 auf Stammhaus und Betriebsstätte (n) aufgeteilt; insoweit ist i.d.R. keine gesonderte Betriebsstättenbuchführung erforderlich und die Gewinnabgrenzung erfolgt konzeptionell nach der Gewinnermittlung des Gesamtunternehmens.6 Dabei kann die indirekte Methode sowohl für den ausländischen Betriebsstättengewinn eines inländischen Unternehmens als auch (aber praktisch i.d.R. ungünstiger) für den inländischen Betriebsstättengewinn eines ausländischen Unternehmens angewendet werden.7 Nach der grundsätzlich vorrangig

1 Zu beachten ist aber, dass auch bei der (Betriebsstätten-)Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG das der Betriebsstätte zuzuordnende Betriebsvermögen zu bestimmen ist. 2 Zu gemischten Methoden s. Wassermeyer in Wassermeyer, DBA, Art. 7 OECD-MA Rz. 191. 3 Siehe BS-VWG, Rz. 2.3.2; Wassermeyer in Wassermeyer, DBA, Art. 7 OECD-MA Rz. 190. 4 Ob der Aufteilungsschlüssel sachgerecht ist, richtet sich nach dem Aufteilungsmaßstab in der Rechtsnorm, für deren Anwendung die Gewinnaufteilung erfolgt. Ist dies Art. 7 OECD-MA, ist der Aufteilungsschlüssel sachgerecht, wenn er den Grundsätzen des Fremdvergleichs bzw. AOA genügt, vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 MA Rz. 190 (Stand: Oktober 2013). 5 Vgl. für mögliche Aufteilungsschlüssel etwa BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.3.2. 6 Vgl. Andresen in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten Handbuch2, Rz. 4.8. 7 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 MA Rz. 190 (Stand: Oktober 2013).

1064 | Korff/Erdem

B. Bedeutung der Betriebsstättenzuordnung | Rz. 15.27 Kap. 15

anzuwendenden1 sog. direkten Methode2 ist der Betriebsstättengewinn durch Aufstellung einer gesonderten (ggf. abgeleiteten) Betriebsstättenbilanz nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln, womit zugleich die Zuordnung des auf die Betriebsstätte entfallenden Gewinns erfolgt. Dies setzt in der Regel auch eine gesonderte Betriebsstättenbuchführung voraus. Anders als bei der indirekten Methode erfolgt bei der direkten Methode somit keine Gewinnzerlegung, sondern eine Gewinnzuordnung mittels einer eigenen (Teil-)Gewinnermittlung. Nach diesem Verständnis erfolgt die Gewinnabgrenzung innerhalb der Gewinnermittlung und ist damit ein Teil derselben.3 Die Betriebsstätte wird insoweit für die Einkünfteermittlung als wirtschaftlich (nicht rechtlich) selbständige Einheit behandelt.4 Auch bei der direkten Methode ist aber im Ausgangspunkt die Betriebsstättenbilanz (gedanklich) als Ausschnitt der Gesamtbilanz des Unternehmens zu verstehen, so dass etwa in der Betriebsstättenbilanz nur Aktiva und Passiva der Gesamtbilanz anzusetzen sind und allein aus der Anwendung der direkten Methode keine Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen Betriebsstätten fingiert werden können.5 Die direkte Methode liegt etwa auch § 1 Abs. 5 AStG und Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017 zugrunde.6 Beide Methoden schließen sich im Übrigen nicht wechselseitig aus. Vielmehr können sie sich zu einer sog. gemischten Methode ergänzen und insoweit nebeneinander angewendet werden: So kann (und wird in der Praxis) etwa grundsätzlich nach der direkten Methode verfahren, während für Vermögen, Erträge und Aufwendungen, die nach den tatsächlichen Verhältnissen nicht ausschließlich einer Betriebsstätte zugeordnet werden können, nach der indirekten Methode eine Aufteilung im Schätzungswege erfolgt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung,7 der Verwaltungsauffassung,8 der Auffassung der OECD9 sowie der herrschenden Auffassung im steuerrechtlichen Schrifttum10 ist 1 Vgl. BFH v. 28.3.1985 – IV R 80/82, BStBl. II 1985, 405; BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63; s. auch Ditz in Schönfeld/Ditz, DBA, 2. Aufl. 2019, Art. 7 OECD-MA Rz. 119. 2 Siehe BS-VWG, Rz. 2.3.1; Wassermeyer in Wassermeyer, DBA, Art. 7 OECD-MA Rz. 188. 3 Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, 51; s. auch Andresen in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten Handbuch2, Rz. 4.8; bei beschränkt Steuerpflichtigen erfolgt die Gewinnabgrenzung in diesem Fall letztlich mittels der Gewinnermittlung. 4 BFH v. 20.3.2002 – II R 84/99, BFH/NV 2002, 1017; BFH v. 17.11.1999 – I R 7/99, BStBl. II 2000, 605. 5 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 MA Rz. 188 (Stand: Oktober 2013). 6 Gleichwohl wirkt § 1 Abs. 5 AStG nicht auf Ebene der ersten Stufe der Gewinnermittlung, da die Norm nur als einseitige Korrekturvorschrift zu Lasten des Steuerpflichtigen konzipiert wurde; s. ferner Kaeser in Wassermeyer, DBA, Art. 7 OECD-MA Rz. 419. 7 BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24; v. 28.6.1972 – I R 35/70, BStBl. II 1972, 785. 8 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, zuletzt geändert durch BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888, Rz. 2.3. 9 Siehe Art. 7 Ziff. 52 OECD-Musterkommentar 2008 (OECD-MK 2008). Im Zuge der Neufassung von Art. 7 OECD-MA durch die OECD-MA-Revision 2010 wurde die indirekte Methode des Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2008 nunmehr gestrichen. 10 Loschelder in Schmidt41, § 50 EStG Rz. 30; Hruschka/Lüdemann, IStR 2005, 76 (79) m.w.N.

Korff/Erdem | 1065

Kap. 15 Rz. 15.27 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

vorzugsweise die direkte Methode anzuwenden. Die indirekte Methode wird dagegen als eine Hilfslösung angesehen, die lediglich in Ausnahmefällen anzuwenden ist.1 Vor diesem Hintergrund konzentrieren sich die folgenden Ausführungen auf die direkte Methode. c) Gewinnzuordnung oder Wirtschaftsgüterzuordnung?

15.28 Gewinnzuordnung oder Wirtschaftsgüterzuordnung? Die umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalte stellen darauf ab, ob der Gewinn aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter ausgeschlossen oder beschränkt wird. Handelt es sich bei den übertragenen Wirtschaftsgütern um Betriebsstättenvermögen, so müsste es nach dem Regelungswortlaut allein auf die Zuordnung (Abgrenzung) des gedachten Veräußerungsgewinns unmittelbar nach der Umwandlung und dessen steuerliche Behandlung im Inland ankommen. Die FinVerw. vertritt in Rz. 03.18 UmwStE hingegen offenbar die Auffassung, dass in entsprechender Anwendung von § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG bzw. § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG allein schon ein Wechsel der Zuordnung eines Wirtschaftsguts von der inländischen in eine ausländische Betriebsstätte einen Ausschluss bzw. eine Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Veräußerungsgewinns bewirkt. Maßgebend wäre danach nicht mehr das konkret bestimmte Besteuerungsrecht an dem Veräußerungsgewinn, sondern allein die Zuordnung des Wirtschaftsguts. Relevant sind diese unterschiedlichen Sichtweisen insbesondere für die Fälle, in denen ein bisher einer inländischen (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätte zuzuordnendes Wirtschaftsgut aufgrund einer Umwandlung nicht mehr einer inländischen Betriebsstätte des übernehmenden Rechtsträgers, sondern dessen ausländischer Betriebsstätte zuzuordnen ist (z.B. Fall der Hinausverschmelzung von Kapitalgesellschaften). aa) Zuordnung des Veräußerungsgewinns

15.29 Wortlaut: Maßgeblichkeit der Gewinnzuordnung (Gewinnabgrenzung). Die umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalte knüpfen tatbestandlich an das Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts an. Nach deren Zweck, das einmal entstandene (nicht das zukünftig ggf. entstehende) Besteuerungsrecht an stillen Reserven zu sichern, kann es nur auf den Gewinn aus einer gedachten Veräußerung der übernehmenden Rechtsträgers unmittelbar nach der Umwandung ankommen, der dann auch folgerichtig nur diese bereits im Inland steuerverhafteten stillen Reserven repräsentiert (vgl. Rz. 15.15, Rz. 15.22). Das Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung von Betriebsstättenvermögen bestimmt sich grundsätzlich nach der Zuordnung dieses (gedachten) Veräußerungsgewinns zu einer Betriebsstätte (sog. Betriebsstättenprinzip).

1 Gosch in Kirchhof/Seer21, § 34d EStG Rz. 8; Loschelder in Schmidt41, § 50 EStG Rz. 31; Roth in Herrmann/Heuer/Raupach, § 49 EStG Anm. 252 (Stand: Juli 2009); kritisch zum Vorrang der direkten Methode Kraft, StbJb. 2000/2001, 205 (213 ff.); differenzierend Kramer, StuW 1991, 151 (152 ff.).

1066 | Korff/Erdem

B. Bedeutung der Betriebsstättenzuordnung | Rz. 15.31 Kap. 15

Zuordnung von Veräußerungsgewinnen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Zuordnung des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts der Zuordnung dieses Wirtschaftsguts folgt. So sind Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, die aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts resultieren und saldiert letztlich den Gewinn aus der Veräußerung ausmachen, der Betriebsstätte zuzuordnen, der auch das veräußerte Wirtschaftsgut zuzuordnen war.1 Die Zuordnung des Wirtschaftsguts ist also grundsätzlich der entscheidende Maßstab für die Abgrenzung (Zuordnung) des Veräußerungsgewinns und damit zugleich für das Besteuerungsrecht an dem Gewinn aus dessen Veräußerung.

15.30

Zuordnungswechsel. Doch ist zu beachten, dass bei Anwendung des Veranlassungsprinzips als Gewinnabgrenzungsmaßstab nach Ansicht des BFH2 bei zeitlich aufeinander folgender Zuordnung eines Wirtschaftsguts zu verschiedenen Betriebsstätten der Gewinn aus dessen Veräußerung in dem Umfang anteilig der Betriebsstätte zuzuordnen ist, in dem das Vermögen der Betriebsstätte tatsächlich zuzuordnen war und in dem die realisierten Gewinne durch jene Betriebsstätte erwirtschaftet wurden. Insoweit kann es insbesondere bei einem Zuordnungswechsel von einer inländischen zu einer ausländischen Betriebsstätte zu einer Aufteilung des Veräußerungsgewinns bzw. -erlöses aufgrund verschiedener Wertschöpfungsbeiträge auf mehrere Betriebsstätten kommen. Demzufolge kann der Gewinn aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts, das zum Zeitpunkt der Veräußerung einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist, in dem Umfang weiterhin im Inland ohne Freistellungs- oder Anrechnungsverpflichtung besteuert werden, in dem die Wertsteigerung zeitlich während der Zugehörigkeit zu einer inländischen Betriebsstätte entstanden ist. Das hat zur Folge, dass der Veräußerungsgewinn auch nach dem Zuordnungswechsel weiterhin im Inland besteuert werden kann, soweit er auf in der inländischen Betriebsstätte entstandene stille Reserven entfällt. Nach der Rechtsprechung des BFH3 gilt dies aus innerstaatlicher wie aus abkommensrechtlicher Sicht selbst dann, wenn im Veräußerungszeitpunkt keine inländische Betriebsstätte mehr besteht, wie z.B. beim Wegzug des Steuerpflichtigen; es handelt sich dann im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht um nachträgliche inländische Betriebsstätteneinkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, wofür Deutschland nach Art. 13 Abs. 2 OECD-MA das Besteuerungsrecht weiterhin zusteht.4 Das Besteuerungsrecht hinsichtlich im Inland entstandener stiller Reserven (auf die es auch nur ankommt, vgl. Rz. 15.15, Rz. 15.22) wird nach dieser Sichtweise bei einem Zuordnungswechsel nicht ausgeschlossen oder beschränkt. Dies gilt u.E. auch für den Fall der rechtlichen Entstrickung nach dem

15.31

1 van der Ham/Lieber in Gosch/Kroppen/Grotherr, Art. 7 MA Rz. 389 (Stand: Juni 2022); Ditz in Schönfeld/Ditz2, Art. 7 (2008) Rz. 147; Bärsch in Herrmann/Heuer/Raupach, § 49 EStG Rz. 320 (Stand: August 2019). 2 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; s.a. Wassermeyer, IStR 2005, 84 (87 f.); Wassermeyer, IStR 2004, 733 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 MA Rz. 243 (Stand: Oktober 2013). 3 BFH v. 28.10.2009 – I R 99/08, BStBl. II 2011, 1019; BFH v. 20.5.2015 – I R 75/14, BFH/ NV 2015, 1687. 4 Dürrschmidt in V/L7, Vor Art. 6 bis 7 Rz. 8 m.w.N.; s. allg. Bärsch/Quilitzsch in Flick/Wassermeyer/Kempermann, Art. 7 Rz. 208 ff. (Stand: Oktober 2020).

Korff/Erdem | 1067

Kap. 15 Rz. 15.31 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

UmwStG, wenn man das Eintreten des übernehmenden Rechtsträgers in die steuerliche Rechtsposition des übertragenden Rechtsträgers (vgl. § 4 Abs. 2, § 23 Abs. 1 UmwStG) zweckgerichtet weit interpretiert.1 Geht man hingegen davon aus, dass die steuerliche Gesamtrechtsnachfolge nicht so weit reicht, wäre das Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines nach der Umwandlung keiner inländischen Betriebsstätte des übernehmenden Rechtsträgers zuzuordnenden Wirtschaftsguts stets vollständig ausgeschlossen, weil es zu keinem Zeitpunkt einer inländischen Betriebsstätte des übernehmenden Rechtsträgers zuzuordnen war.2 Eine Aufteilung des Veräußerungsgewinns scheidet dann aus und allein die Zuordnung des Wirtschaftsguts zur „neuen“ inländischen Betriebsstätte des übernehmenden Rechtsträgers würde eine Entstrickung verhindern. Zu einer Entstrickung durch einen Zuordnungswechsel würde man zudem dann gelangen, wenn man der Ansicht folgen würde, dass bereits die abstrakte Gefahr eines Ausschlusses oder einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts bei der Anwendung der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickung tatbestandsmäßig ist (sog. abstrakte Gefährdungstatbestände).3 bb) Zuordnung des Wirtschaftsguts (§ 4 Abs. 1 Satz 4 EStG analog)

15.32 FinVerw: Unmittelbare Maßgeblichkeit der Wirtschaftsgüterzuordnung. Die FinVerw. geht im UmwStE davon aus, dass die Tatbestandsmerkmale des Ausschlusses und der Beschränkung des Besteuerungsrechts in den umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalten gleichbedeutend mit den entsprechenden Tatbestandsmerkmalen in den allgemeinen Entstrickungsregelungen der § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG auszulegen sind.4 Dem ist zwar im Grundsatz zuzustimmen. Die FinVerw. folgert daraus aber, dass § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG bzw. § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG bei der Auslegung der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalte entsprechend (nicht: direkt) zu berücksichtigen seien.5 Danach liegt ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts insbesondere vor, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Die Ansicht der FinVerw. hat zur Folge, dass es innerhalb der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalte entgegen ihrem klaren Wortlaut nicht mehr auf das nach allgemeinen Gewinnabgrenzungsmaßstäben genau ermittelte Besteuerungsrecht hinsichtlich eines Veräußerungsgewinns (dazu Rz. 15.29 ff.), sondern unmittelbar nur noch auf die Zuordnung eines Wirtschaftsguts ankommt. Nicht die Veräußerungsgewinnabgrenzung, sondern allein die Zuordnung des Wirtschaftsguts entscheidet nach diesem Verständnis über eine Entstrickung.6 Die Berücksichtigung der Regelungen in § 4 Abs. 1 1 Köhler, IStR 2010, 337 (343). 2 So Girlich/Philipp, Ubg 2012, 150. 3 Zur Diskussion Schmitt in S/H9, § 3 Rz. 86a m.w.N.; für konkreten Ausschluss bzw. konkrete Beschränkung auch Herlinghaus in R/H/vL3, § 20 Rz. 304 a.E. 4 UmwStE Rz. 03.18. 5 UmwStE Rz. 03.18. 6 Vgl. Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1961 (1962).

1068 | Korff/Erdem

B. Bedeutung der Betriebsstättenzuordnung | Rz. 15.34 Kap. 15

Satz 4 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG bei der Auslegung der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalte mag zwar im Interesse einer harmonischen Auslegung durchaus sachgerecht sein. Dem kann allerdings nur gefolgt werden, wenn man dem Regelbeispiel tatsächlich nur eine deklaratorisch-erläuternde Wirkung dergestalt zuspricht, dass es nochmals das feststellt, was auch sonst durch Auslegung ermittelter Inhalt der Begriffe Ausschluss oder Beschränkung des Besteuerungsrechts wäre bzw. sein könnte. Genau das ist aber unter Zugrundelegung des BFH-Urteils v. 17.7.20081 durchaus zweifelhaft. Verneint man das, wäre eine übereinstimmende Auslegung und eine analoge Anwendung abzulehnen, da im Zuge der Ergänzung der Regelungen in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG durch das JStG 2010 eine entsprechende Ergänzung der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalte gerade unterblieben ist.2 Die Frage hängt mit derjenigen zum Leerlaufen der Entstrickungsregelungen zusammen (vgl. Rz. 15.20). II. Bedeutung für die Verstrickung im Kontext internationaler Umwandlungen Verstrickung. Umgekehrt zur Situation der Entstrickung wird der Steuerpflichtige bei erstmaliger Begründung des inländischen Steuerzugriffs durch eine Umwandlung ein Interesse daran haben, dass der inländischen Besteuerung auch nur die ab dieser Steuerverstrickung entstehenden (zukünftigen) Wertsteigerungen unterliegen. Auch hier besteht das Bedürfnis, die Besteuerungsansprüche der betroffenen Staaten gerecht abzugrenzen. Im Gegensatz zur Entstrickung stellt sich jedoch im Zeitpunkt der Verstrickung im Inland nicht die Frage nach einer belastenden Besteuerung stiller Reserven (s. aber zur sog. antragsabhängigen „welcome-tax“ bei einer Verstärkung des deutschen Besteuerungsrechts Rz. 15.35). Die steuerlichen Regelungen über die Verstrickung in § 4 Abs. 1 Satz 8, Satz 9 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5a, Nr. 5b EStG stellen vielmehr durch eine sachgerechte (Anfangs-)Bewertung mit dem gemeinen Wert sicher, dass im Falle einer zukünftigen Realisation nur die während der inländischen Steuerverhaftung erwirtschafteten stillen Reserven besteuert werden. Ein Import schon gebildeter stiller Reserven in die inländische Steuerverhaftung (Verstrickung bereits entstandener stiller Reserven) wird damit vermieden.

15.33

Rechtliche und tatsächliche Verstrickung. Die zuvor für die Entstrickung bei dem übertragenden Rechtsträger dargestellten Grundsätze gelten entsprechend für die (erstmalige) Verstrickung stiller Reserven bei dem übernehmenden Rechtsträger. Dies betrifft etwa Fälle einer Hereinverschmelzung oder einer formwechselnden Umwandlung einer ausländischen Tochterkapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft. Auch in diesen Fällen ist zwischen einer rechtlichen und tatsächlichen Verstrickung zu unterscheiden, während die entscheidende Frage die Bewertung betrifft:

15.34

– Eine rechtliche Verstrickung liegt vor, wenn durch die Umwandlung erstmals ein deutsches Besteuerungsrecht begründet wird. Das UmwStG enthält keine besonderen Vorschriften für die Bewertung einer erstmaligen Steuerverstrickung im Inland, die im Interesse einer zwischenstaatlichen Aufteilung der Besteuerungsrechte 1 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 2 Gl.A. Schmitt in S/H9, § 3 Rz. 86.

Korff/Erdem | 1069

Kap. 15 Rz. 15.34 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

(kein Import stiller Reserven) eine Anfangsbewertung mit dem gemeinen Wert vorsehen. Es stellt sich aber die Frage, ob abweichend von den Bewertungsvorschriften des UmwStG beim übernehmenden Rechtsträger im Fall der Verstrickung die allgemeine Bewertungsvorschrift für Verstrickungen in § 6 Abs. 1 Nr. 5a i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG anwendbar ist. Während das verwaltungsnahe Schrifttum dies mit dem Argument des Vorrangs des UmwStG verneint, wird von einem anderen Teil im Schrifttum eine Anwendbarkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 5a i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG zumindest in der logischen Sekunde nach der Umwandlung bejaht.1 Zu beachten ist allerdings, dass nach der Systematik des UmwStG auch beim übernehmenden Rechtsträger ohnehin grundsätzlich der gemeine Wert anzusetzen ist, was je nach Fallgestaltung (z.B. es wird nur ausländisches Vermögen übertragen) im Ergebnis praktisch eine Verstrickungsbewertung ohne Import stiller Reserven ermöglicht. Aus diesem Blickwinkel kann also aus praktischen Erwägungen der zweckgerichtete Verzicht auf einen grundsätzlich möglichen Antrag auf Buchwert- oder Zwischenwertansatz durchaus von Vorteil sein. Wenn allerdings bereits verstricktes und zugleich noch nicht verstricktes Vermögen übertragen wird, ist der Grundsatz der einheitlichen Bewertung (dazu Rz. 15.23) zu beachten.2 In diesem Fall führt der Ansatz des gemeinen Wertes neben der Wertaufstockung des bis dato nicht verstrickten Vermögens zwangsläufig auch zur Realisation der stillen Reserven im bereits verstrickten Vermögen (einheitliches Bewertungswahlrecht).3 Im Übrigen bleibt zu erwägen, Wirtschaftsgüter schon vor der Umwandlung (durch tatsächliche Maßnahmen) zum gemeinen Wert zu übertragen. Darüber hinaus werden Besonderheiten zum Zeitpunkt der Verstrickung bei steuerlicher Rückwirkung diskutiert.4 – Eine tatsächliche Verstrickung liegt vor, wenn im (zeitlichen) Zusammenhang mit einer Umwandlung aufgrund tatsächlicher Maßnahmen (z.B. Überführung von Wirtschaftsgütern) erstmals ein deutsches Besteuerungsrecht begründet wird. Der erstmalige Ansatz der Wirtschaftsgüter erfolgt in diesem Fall zum gemeinen Wert nach den allgemeinen Regelungen in § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG.

15.35 Verstärkung des Besteuerungsrechts. Hinzuweisen ist schließlich auf die durch das ATADUmsG neu in § 4 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 Alt. 2 EStG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 9 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5b EStG eingeführte sog. welcome tax, welche im Falle einer Verstärkung des deutschen Besteuerungsrechts auf Antrag greift.5

1 2 3 4 5

S. nur Böhmer/Wegener, Ubg 2015, 69 (unter 3.2) m.w.N. Vgl. Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 11 Rz. 350. Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1961 (1965). Böhmer/Wegener, Ubg 2015, 69 (unter 3.2.3.) m.w.N. Zu Einzelheiten s. Korff/Erdem in Gosch/Grotherr/Bergmann, Steuerplanung und Compliance, Bd. II, Teil 4, 2. Thema, Rz. 350 ff.

1070 | Korff/Erdem

B. Bedeutung der Betriebsstättenzuordnung | Rz. 15.38 Kap. 15

III. Bedeutung für die Besteuerung der umwandlungsbedingten Einkünfte Von der Bedeutung der Betriebsstättenzuordnung für die Tatbestandsmerkmale der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalte (Bewertung auf „Tatbestandsseite“) ist deren Bedeutung für die steuerliche Behandlung der einmal entstandenen umwandlungsbedingten Einkünfte (Besteuerung auf „Rechtsfolgenseite“) zu trennen. So kann etwa ein Übertragungsgewinn nach DBA steuerfrei sein, soweit er auf Wirtschaftsgüter entfällt, die einer ausländischen DBA-Freistellungsbetriebsstätte zuzuordnen sind.1 Auch insoweit spielen die Grundsätze der Betriebsstättenzuordnung eine Rolle. Die Besonderheiten der abkommensrechtlichen Behandlung (Qualifikation) der umwandlungsbedingten Einkünfte ist allerdings nicht Gegenstand dieses Kapitels, sondern wird ausführlich in Kapitel 5 behandelt. Ähnliches gilt für die Bedeutung der Betriebsstättenzuordnung für die Besteuerung mit Gewerbesteuer, die ausführlich in Kapitel 21 behandelt wird.

15.36

IV. Einkünfteabgrenzung im Rückwirkungszeitraum Intersubjektive Einkünfteabgrenzung. Nach § 2 Abs. 1 UmwStG sind das Einkommen und das Vermögen der übertragenden Körperschaft sowie des übernehmenden Rechtsträgers so zu ermitteln, als ob das Vermögen der Körperschaft zum steuerlichen Übertragungsstichtag übergegangen wäre. Dies macht eine intersubjektive Abgrenzung von Einkünften zwischen der übertragenden Körperschaft und dem übernehmenden Rechtsträger erforderlich. Als Grundsatz gilt, dass alle nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag anfallenden Geschäftsvorfälle dem übernehmenden Rechtsträger zuzuordnen sind.2 Ähnliche Grundsätze gelten im Rahmen des § 20 Abs. 5 und 6, § 24 Abs. 4 Halbs. 2 UmwStG.

15.37

Betriebsstättengewinnabgrenzung im Rückwirkungszeitraum. Nach Verwaltungsauffassung werden Geschäftsvorgänge zwischen dem übertragenden und übernehmenden Rechtsträger im Rückwirkungszeitraum (vgl. § 2 Abs. 1 UmwStG) als bloße innerbetriebliche Vorgänge für ertragsteuerliche Zwecke nicht berücksichtigt, d.h. neutralisiert.3 Es ist allerdings fraglich, wie das Verhältnis der steuerlichen Rückwirkung nach § 2 Abs. 1 UmwStG zur allgemeinen Gewinnermittlung und -abgrenzung zu beurteilen ist. Verbleibt etwa im Fall der Hinausverschmelzung eine inländische Betriebsstätte, könnten sich die innerbetrieblichen Vorgänge auf die ab dem steuerlichen Übertragungsstichtag erstmals vorzunehmende Gewinnermittlung und -abgrenzung zwischen ausländischem Stammhaus und inländischer Betriebsstätte auswirken. Führt der innerbetriebliche Vorgang zu einem Zuordnungswechsel hinsichtlich eines Wirtschaftsguts von der inländischen Betriebsstätte in das ausländische Stammhaus, würden grundsätzlich die allgemeinen Regelungen in § 4 Abs. 1 Satz 3 f., § 16 Abs. 3a EStG, § 12 KStG, § 1 Abs. 5 AStG Anwendung finden. Im Falle der Entstrickung würde es sich der Sache nach um einen Fall der tatsächlichen Entstrickung handeln (s. Rz. 15.12).

15.38

1 S. zu weitergehenden Fallgruppen etwa Schmitt in S/H9, § 11 Rz. 70. 2 Tz. 02.10 f. UmwStE; Hörtnagl in S/H9, § 2 Rz. 42. 3 BFH v. 27.3.2019 – I R 20/17, BStBl. II 2020, 685; Tz. 02.13 UmwStE; zur streitigen Diskussion s. Dötsch/Werner in D/P/M, § 2 UmwStG Rz. 44 (Stand: Juni 2019) m.w.N.

Korff/Erdem | 1071

Kap. 15 Rz. 15.39 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

C. Grundsätze der Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu Betriebsstätten I. Systematik

15.39 Systematik (Überblick). Wie bereits in Rz. 15.2, Rz. 15.20 dargelegt wurde, findet die in Schrifttum und Praxis oft isoliert hervorgehobene Zuordnung von Betriebsstättenvermögen ihre unmittelbare Bedeutung bei der Anwendung der innerstaatlichen und abkommensrechtlichen Normen, die die Begründung bzw. die Ausübung des deutschen Besteuerungsrechts regeln. Im Kontext internationaler Umwandungen interessieren insbesondere die Regelungen, die das Besteuerungsrecht an unternehmerischen Einkünften nach dem sog. Betriebsstättenprinzip begründen bzw. aufteilen. Insoweit ist aus systematischer Sicht hinsichtlich der innerstaatlichen und der abkommensrechtlichen Normen zu differenzieren: – Für die Anwendung der nationalen Normen, die die Begründung des deutschen Besteuerungsrechts bzw. dessen Ausübung betreffen, hat sich grundsätzlich das sog. Veranlassungsprinzip in seiner (weitgehend ungeschriebenen) richterrechtlichen Konkretisierung als maßgeblicher wertender Zuordnungsmaßstab erwiesen. So gilt das Veranlassungsprinzip etwa bei der Begründung einer beschränkten Steuerpflicht mit inländischen Betriebsstätteneinkünften (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) oder bei der Bestimmung der ausländischen Einkünfte i.S.d. § 34d Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, hinsichtlich derer § 34c EStG eine Anrechnungsverpflichtung (mit der Folge einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts) begründet. Sonderfragen in diesem Zusammenhang betreffen die (Weiter-) Geltung der von der FinVerw. vertretenen sog. Zentralfunktion des Stammhauses (s. Rz. 15.54 ff.) sowie die Auswirkung der Einführung des AOA in § 1 Abs. 5 AStG i.V.m. BsGaV auf die Zuordnung nach dem Veranlassungsprinzip (s. Rz. 15.59 ff.). – Im Bereich des Abkommensrechts sind bei der Prüfung des Ausschlusses oder der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts am Gewinn aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts im Wesentlichen die Artt. 7 und 13 OECD-MA zu berücksichtigen.

15.40 FinVerw. Nach Ansicht der FinVerw. in Rz. 03.20 Satz 2 UmwStE sollen für die Prüfung einer Zuordnungsänderung die Grundsätze des Betriebsstättenerlasses maßgebend sein. Dieser pauschale Verweis ist problematisch, weil er die Unterschiede der im jeweiligen Einzelfall anzuwendenden Besteuerungsrechtsnormen außer Betracht lässt. Aus ihm ließe sich zwar durchaus ableiten, dass für die FinVerw. jedenfalls die Grundsätze der BsGaV für die Anwendung der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalte nicht maßgebend sind. Dieser Annahme widersprechen allerdings die Praxis der FinVerw. und die Ansicht verwaltungsnaher Stimmen im Schrifttum.1 1 Möhlenbrock/Werner/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 3 UmwStG Rz. 105 a.E. (Stand: Dezember 2021); Stimpel/Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 11 UmwStG Rz. 74 (Stand: September 2022).

1072 | Korff/Erdem

C. Grundsätze der Zuordnung von WG zu BS | Rz. 15.43 Kap. 15

II. Zuordnung nach nationalem Recht 1. Rechtsgrundlagen Überblick. Zu den nationalen Normen, die die Begründung bzw. Ausübung des deutschen Besteuerungsrechts an gewerblichen Einkünften regeln und wegen der Anknüpfung an „Betriebsstätteneinkünfte“ eine Zuordnung von Einkünften und Wirtschaftsgütern zu einer Betriebsstätte erfordern, gehören insbesondere

15.41

– § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG hinsichtlich der Begründung eines Besteuerungsrechts an inländischen Betriebsstätteneinkünften eines ausländischen Unternehmens (Inbound-Fall). – § 34c EStG bzw. § 26 KStG, die durch die Anrechnung oder den Abzug von ausländischen Steuern auf ausländische Betriebsstätteneinkünfte eines inländischen Unternehmens eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts für diese Betriebsstätteneinkünfte bewirken (Outbound-Fall). Eine Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer Betriebsstätte erfordert dabei § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG, der die ausländischen Betriebsstätteneinkünfte definiert, hinsichtlich derer eine Anrechnungs- bzw. Abzugspflicht nach § 34c EStG begründet wird. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch § 50 Abs. 3 EStG. Einheitliche Auslegung. Die Voraussetzung in § 34d Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, dass die Einkünfte „durch“ die Betriebsstätte erzielt werden müssen, wird nach allgemeiner Meinung gleichgesetzt mit der in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG enthaltenen Voraussetzung, dass „für“ die Einkünfte eine Betriebsstätte im Inland unterhalten wird (vgl. Rz. 15.45). Die Auslegung beider Merkmale, die der Sache nach eine Einkünfte- und Wirtschaftsgüterzuordnung verlangen, erfolgt daher übereinstimmend. Daher werden nachfolgend auch die Zuordnungsgrundsätze einheitlich dargestellt. Weitere Regelungen, die eine Betriebsstättenzuordnung verlangen und nach Ansicht des BFH gleichen Grundsätzen folgen, sind etwa § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, § 2 Abs. 1 Satz 1, § 9 Nr. 3 GewStG.1

15.42

2. Zuordnungsgrundsätze a) Veranlassungsprinzip Gewinnermittlung für die Betriebsstätte. Da das EStG kein besonderes Regelungsregime für die gesonderte Ermittlung der Einkünfte einer Betriebsstätte bereithält (s. aber zu vereinzelten Sonderregelungen §§ 34c Abs. 1 Satz 4, 50 Abs. 1 Satz 1 EStG; zu § 1 Abs. 5 AStG s. Rz. 15.59 ff.), ist davon auszugehen, dass sich die Ermittlung der Einkünfte einer Betriebsstätte im Ausgangspunkt nach denselben Grundsätzen richtet wie die Ermittlung der Einkünfte des Gesamtunternehmens.2 Der Fokus verengt sich gedanklich insoweit von dem Gewerbebetrieb des Gesamtunternehmens

1 BFH v. 17.11.1999 – I R 7/99, BStBl. II 2000, 605. 2 Becker, DB 1989, 10; Reinhold in Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht3, § 7 Rz. 353 („Schluss vom Mehr zum Weniger“).

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15.43

Kap. 15 Rz. 15.43 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

auf den örtlich und tätigkeitsbezogen umgrenzten Gewerbebetrieb der Betriebsstätte, für den Einkünfte gesondert zu ermitteln sind.1 Die Betriebsstätte wird insoweit für Zwecke der Gewinnermittlung (nach der direkten Methode, vgl. Rz. 15.27) als selbstständige wirtschaftliche Einheit angesehen.2 Die Einzelheiten der Gewinnermittlung für die Betriebsstätte richten sich nach der anzuwendenden Gewinnermittlungsart.3 Bei Einkünften aus Gewerbebetrieb ist der Gewinn (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG) in aller Regel durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG) zu ermitteln. Dafür sind der Betriebsstätte (verstanden als eigener Betrieb) Betriebsvermögen, Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben zuzuordnen. Im Gegensatz zur Gewinnermittlung für das Gesamtunternehmen geht es hier aber nicht nur um die Zuordnung zur betrieblichen Sphäre im Verhältnis zur privaten Sphäre (Ermittlung des Betriebsvermögens),4 sondern ergänzend dazu um die Zuordnung zur Sphäre der Betriebsstätte im Verhältnis zu den Betriebsstätten des übrigen Unternehmens (Ermittlung des Betriebsstättenvermögens). Maßstab für die Zuordnung ist aber jeweils – wenn auch mit teils modifiziertem Inhalt – das Veranlassungsprinzip.

15.44 Veranlassungsprinzip. Dem Veranlassungsprinzip kommt im deutschen innerstaatlichen Steuerrecht eine überragende dogmatische Bedeutung zu. Gesetzlicher Ausgangspunkt ist § 4 Abs. 4 EStG,5 der Betriebsausgaben definiert als Aufwendungen, die durch den Betrieb „veranlasst“ sind. Daneben bieten auch § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG und § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG gesetzliche Anknüpfungspunkte. Die Bedeutung des in Rechtsprechung und Schrifttum entwickelten Veranlassungsprinzips geht jedoch weiter: Wo die Normen des (Ertrag-)Steuerrechts die Begründung eines Zusammenhangs bzw. eine Zuordnungsentscheidung (hinsichtlich Einnahmen, Ausgaben, Einkünften, Verlusten, Wirtschaftsgütern etc.) verlangen, gibt das Veranlassungsprinzip für die Bestimmung dieses Zusammenhangs und die darauf aufbauende Zuordnungsentscheidung einen methodischen Rahmen vor, der anhand der jeweils betroffenen Norm durch Anwendung allgemeiner Auslegungskriterien mit sachgerechten Kriterien zu „füllen“ bzw. zu konkretisieren ist.6 Nach der BFH-Rechtsprechung7 und

1 Nicht entschieden werden soll an dieser Stelle, ob der in einer (inländischen) Betriebsstätte ausgeübte Betrieb wirklich einen eigenen Betrieb i.S.d. § 4 EStG, darstellt, s. zur Diskussion Wassermeyer in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstättenhandbuch2, Rz. 1.11; Schober in Herrmann/Heuer/Raupach, Vorbemerkungen zu §§ 4-7 EStG Anm. 88 (Stand: Dezember 2022); Drüen in Brandis/Heuermann, § 4 EStG Rz. 63 (Stand: November 2020); Korn in Korn, § 4 EStG Rz. 168 (Stand: Juni 2022). 2 BFH v. 17.11.1999 – I R 7/99, BStBl. II 2000, 605. 3 Becker, DB 1989, 10. 4 Dieser Schritt ist ggf. bereits zuvor auf Ebene des Gesamtunternehmens erfolgt. Aus diesem ersten Schritt folgt zugleich, dass der Betriebsstätte auch nur das zugeordnet werden kann, was zuvor der betriebliche Sphäre des Gesamtunternehmens zuzuordnen war. 5 Wassermeyer, IStR 2005, 84 (85). 6 Dazu grundlegend Wacker, BB 2018, 2519; s.a. Schönfeld/Erdem in Flick/Wassermeyer/ Baumhoff/Schönfeld, § 50d Abs. 3 EStG Rz. 405 (Stand: März 2022). 7 Für den Outbound-Fall BFH v. 17.11.1999 – I R 7/99, BStBl. II 2000, 605. Für den Inbound-Fall BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140.

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C. Grundsätze der Zuordnung von WG zu BS | Rz. 15.45 Kap. 15

der herrschenden Meinung im Schrifttum1 ist das Veranlassungsprinzip nicht nur für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum Betriebs- und Privatvermögen, sondern auch für die (sich daran anschließende) innerbetriebliche international-territoriale Zuordnung2 des Betriebsvermögens, insbesondere zu aus- und inländischen Betriebsstätten, maßgebend. Eine solche Zuordnung ist stets dann notwendig, wenn Normen des Steuerrechts schon von vornherein nur an einen bestimmten Teil der Einkünfte eines Unternehmens anknüpfen (z.B. beschränkte Steuerpflicht nur für Einkünfte einer inländischen Betriebsstätte, vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG) oder nur für einen Teil der Einkünfte eine gesonderte steuerliche Behandlung vorsehen (z.B. Anrechnung ausländischer Steuern nach § 34c, 34d EStG, § 26 KStG). BFH: Wirtschaftliche Zugehörigkeit. Der BFH legt das Veranlassungsprinzip als Maßstab für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu Betriebsstätten für die Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG und § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG grundsätzlich einheitlich aus.3 Entscheidendes Kriterium für eine Zuordnung zu einer (inländischen oder ausländischen) Betriebsstätte ist danach (nur) eine wirtschaftliche Veranlassung i.S. einer wirtschaftlichen (nicht: tatsächlichen)4 Zugehörigkeit der Wirtschaftsgüter zu der in der einzelnen Betriebsstätte entfalteten betrieblichen Tätigkeit.5 Die Betriebsstätte wird insoweit für Zwecke der Gewinnermittlung (nach der direkten Methode, vgl. Rz. 15.27) als selbstständige wirtschaftliche Einheit behandelt und ihr Gewinn auf der Grundlage dessen ermittelt, was durch ihre Tätigkeit und Existenz erwirtschaftet wurde.6 Dem folgt im Grundsatz auch die FinVerw.7 Die Veranlassungsprüfung (Zuordnungsentscheidung) hat dabei im Wege einer wertenden Gewichtung der im Inland und Ausland entfalteten Tätigkeiten zu erfolgen.8 Der BFH stellt hinsichtlich der Zuordnungskriterien teilweise auch auf die Veranlassung durch die Zweckbestimmung für die Belange (Funktion;9 Dienen)10 der Betriebsstät1 Andresen in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.62; Geurts in Frotscher, § 34d EStG Rz. 29 (Stand: Januar 2009); Girlich/Philipp, Ubg 2012, 150 (151 f.); Gosch in Kirchhof/Seer21, § 49 EStG Rz. 15; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 681; Prinz, StuW 1996, 267 (274); Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 18.14 f.; Wassermeyer, StbJb. 1997/98, 493 (507); Wassermeyer, IStR 2005, 84 ff. 2 Vgl. Hruschka, FS Jürgen Lüdicke, 295 (300). 3 BFH v. 29.11.2017 – I R 58/15, BFH/NV 2018, 684, Rz. 27, dort auch § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG und § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG einbezogen. 4 Zur Abgrenzung BFH v. 24.11.2021 – I B 44/21, BStBl. II 2022, 431, Rz. 19. 5 BFH v. 24.11.2021 – I B 44/21, BStBl. II 2022, 431, Rz. 19; BFH v. 29.11.2017 – I R 58/15, BFH/NV 2018, 684 Rz. 27; BFH v. 17.11.1999 – I R 7/99, BStBl. II 2000, 605; BFH v. 18.9.1996 – I R 59/95, BFHE 181, 419. 6 BFH v. 17.11.1999 – I R 7/99, BStBl. II 2000, 605; BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140. 7 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.2, 2.4. 8 BFH v. 29.11.2017 – I R 58/15, BFH/NV 2018, 684; vgl. für die Abgrenzung von Erwerbsund Privatsphäre BFH v. 4.7.1990 – GrS 2-3/88, BStBl. II 1990, 817. 9 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414 (funktionaler Zusammenhang). 10 BFH v. 1.4.1987 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550 (zu § 121 Abs. 2 Nr. 3 BewG a.F.) stellt die wirtschaftliche Zuordnung eines Wirtschaftsguts zu einer Betriebsstätte damit gleich, ob ein Wirtschaftsgut einer Betriebsstätte „dient“.

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15.45

Kap. 15 Rz. 15.45 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

te1 oder schlicht die Existenz der Betriebsstätte2 ab. Nicht anzuwenden sind nach Sicht des BFH hingegen die Besonderheiten der sog. funktionale Betrachtungsweise,3 die für die Auslegung im Rahmen der DBA-Betriebsstättenvorbehalte („tatsächliche Zugehörigkeit“)4 herangezogen wird.5

15.46 Fremdvergleichsgrundsatz. Es gibt im deutschen Gewinnermittlungsrecht keine Rechtsgrundlage dafür, die Betriebsstättengewinnermittlung nach innerstaatlichem Recht allgemein nach dem Fremdvergleichsgrundsatz vorzunehmen.6 Dem steht die Rechtsprechung des BFH, wonach die Betriebsstätte für Zwecke der Gewinnermittlung als selbständige wirtschaftliche Einheit angesehen werden soll,7 nicht entgegen, da der Fremdvergleichsgrundsatz darüber hinausgeht. Der Fremdvergleichsgrundsatz kann innerhalb des innerstaatlichen Rechts jedoch als ein durch Auslegung ermitteltes Hilfskriterium für die Ermittlung der Veranlassung herangezogen werden.8 Insoweit kann danach gefragt werden, ob der Betriebsstätte Einkünfte oder Wirtschaftsgüter zuzuordnen wären, wenn sie ein selbstständiges und unabhängiges Unternehmen wäre. Der Fremdvergleichsgrundsatz ist aber nicht der alleinige Maßstab für die Bestimmung der Veranlassung (dies ist die wirtschaftliche Zugehörigkeit, vgl. Rz. 15.45), so dass auch nicht die Grundsätze des § 1 Abs. 5 Satz 2 f. AStG das Veranlassungsprinzip normativ konkretisieren können (dazu Rz. 15.66). 15.47 Keine Attraktivkraft der Betriebsstätte; mehrere Betriebsstätten in einem Staat. Aus dem Erfordernis, dass (bei Bestehen mehrerer Betriebsstätten)9 einer Betriebs1 Vgl. BFH v. 12.10.2016 – I R 92/12, BStBl. II 2022, 123, Rz. 43 zur abkommensrechtlichen Zuordnung von Dotationskapital, die mit der innerstaatlichen Zuordnung nach dem Veranlassungsprinzip im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG „im Ergebnis“ übereinstimmen soll; BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89 (zur VSt); vgl. zur Gleichsetzung verschiedener Kriterien auch BFH v. 1.4.1987 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550 (zu § 121 Abs. 2 Nr. 3 BewG a.F.). 2 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; BFH v. 17.11.1999 – I R 7/99, BStBl. II 2000, 605; BFH v. 18.9.1996 – I R 59/95, BFH/NV 1997, 140. 3 Dazu ausf. Häck/Erdem in Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA-Schweiz, Art. 11 Rz. 86 (Stand: August 2022). 4 BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563 (zu DBA-Schweiz). 5 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414. 6 So schon Kumpf/Roth, DB 2000, 741 (744); Wassermeyer in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstättenhandbuch2, Rz. 1.31. 7 BFH v. 17.11.1999 – I R 7/99, BStBl. II 2000, 605; BFH v. 20.7.1988 – I R 48/84, BStBl. II 1989, 140. 8 Andresen in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 4.235; Wassermeyer, IStR 2005, 84 (85); vgl. auch BFH v. 12.10.2016 – I R 92/12, BStBl. II 2022, 123, Rz. 43 zur abkommensrechtlichen Zuordnung von Dotationskapital nach Art. 5 Abs. 2 DBA-Niederlande 1959, die mit der innerstaatlichen Zuordnung nach dem Veranlassungsprinzip im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG „im Ergebnis“ übereinstimmen soll. 9 Geht man davon aus, dass es sog. betriebsstättenlose Einkünfte grundsätzlich nicht geben kann, so stellt sich die Frage, ob es bei Vorliegen nur einer Betriebsstätte des Steuerpflichtigen im Ergebnis doch zu einer Art Attraktivkraft dieser einzigen Betriebsstätte kommt oder es weiterhin auf die konkrete Zuordnung ankommt, s. ersteres für den OutboundFall bejahend BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398; Gosch in Kirchhof/Seer21,

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C. Grundsätze der Zuordnung von WG zu BS | Rz. 15.48 Kap. 15

stätte Wirtschaftsgüter und Einkünfte konkret zugeordnet werden müssen, folgt im Umkehrschluss, dass ihr (und damit dem Besteuerungsrecht des Quellenstaats) nicht pauschal alle in einem Staat belegenen Wirtschaftsgüter und dort erzielten Einkünfte zuzuordnen sind (keine sog. Attraktivkraft der Betriebsstätte)1. Vielmehr folgt daraus, dass einer Betriebsstätte grundsätzlich auch außerhalb dieses Betriebsstättenstaats physisch belegene Wirtschaftsgüter und dort tatsächlich angefallene Einkünfte zugeordnet werden können.2 Im Kontext einer Hinausverschmelzung einer inländischen auf eine ausländische Körperschaft hat dies etwa zur Konsequenz, dass die übergehenden inländischen Wirtschaftsgüter der übertragenden inländischen Körperschaft nach der Umwandlung nicht ohne weiteres zwingend einer bereits zuvor bestehenden inländischen Betriebsstätte der übernehmenden ausländischen Körperschaft zuzuordnen sind. Ähnliches gilt bei der Begründung einer Betriebsstätte: Mehrere in einem Staat belegene örtliche Einrichtungen können bei der Prüfung des Vorliegens einer Betriebsstätte grundsätzlich nicht zusammengefasst werden, sondern sind isoliert zu würdigen, sodass auch begrifflich mehrere Betriebsstätten i.S.d. § 12 AO und/oder Art. 5 OECD-MA in einem Staat begründet werden können.3 Besteht aber ein funktionaler Zusammenhang unter technischen, organisatorischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten, sind die örtlichen Einrichtungen zusammenzufassen und einheitlich zu würdigen.4 Zweistufige Zuordnungsentscheidung. Vereinfachend ist die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu Stammhaus und Betriebsstätte(n) entsprechend der Qualifikation von (notwendigem und gewillkürtem) Betriebsvermögen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG) zweistufig vorzunehmen: – Stufe 1: Objektiver Zusammenhang (notwendiges Betriebsstättenvermögen) Zunächst sind Wirtschaftsgüter einer Betriebsstätte entsprechend den Grundsätzen des Veranlassungsprinzips nach objektiven Kriterien zuzuordnen. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei der Tätigkeit, den betrieblichen Funktionen (Zwecken) und betriebsinternen Abläufen in der Betriebsstätte zu. Konkret ist zu prüfen, ob das betreffende Wirtschaftsgut einer in einem Unternehmensteil ausgeübten Tätigkeit/Funktion tatsächlich dient oder objektiv zu dienen geeignet ist.5 Dies trifft nach der Rechtsprechung jedenfalls auf solche Wirtschaftsgüter zu, die das

1

2 3 4 5

§ 34d Rz. 8; krit. dazu (jedenfalls für den Inbound-Fall) Hagemann, IStR 2017, 849 und ausf. Hagemann, StuW 2016, 172. Vgl. in diesem Zusammenhang für den Inbound-Fall auch BFH v. 29.11.2017 – I R 58/15, BFH/NV 2018, 684. BFH v. 1.4.1987 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550; BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 MA Rz. 4, 184 (Stand: Oktober 2013); Reinhold in Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht3, § 7 Rz. 331; zur Abgrenzung s. BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; BFH v. 24.4.1975 – I R 204/73, BStBl. II 1975, 604. Vgl. BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140. Wassermeyer in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstättenhandbuch2, Rz. 1.6. Bärsch in Herrmann/Heuer/Raupach, § 49 EStG Anm. 181 (Stand: August 2019). Vgl. BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63 (zu § 121 Abs. 2 Nr. 3 BewG a.F.).

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15.48

Kap. 15 Rz. 15.48 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

wirtschaftliche Ergebnis der Betriebsstätte zwangsläufig und maßgeblich beeinflussen und ihre Erträge zu gewährleisten oder zu steigern imstande sind.1 – Stufe 2: Subjektiver Zusammenhang entsprechend dem Willen der Geschäftsleitung (gewillkürtes Betriebsstättenvermögen) Soweit allein auf Basis der objektiven Umstände ein Wirtschaftsgut nicht eindeutig entweder dem Stammhaus oder der Betriebsstätte zugeordnet werden kann (sog. ungebundenes Vermögen),2 ist u.E. (hilfsweise) die unternehmerische Zuordnungsentscheidung maßgeblich (s. aber zur Zentralfunktionsthese der FinVerw Rz. 15.54).3 Dabei ist der Geschäftsleitungswille allerdings nur zu berücksichtigen, soweit er nicht willkürlich oder vorgeschoben erscheint, d.h. im Widerspruch zu kaufmännischen und wirtschaftlichen Erfordernissen steht.4 Dafür dürfte es ausreichen, wenn das Wirtschaftsgut zumindest objektiv nützlich für die Betriebsstätte ist, z.B. durch Stärkung des Betriebsstättenvermögens. Der bilanziellen bzw. buchhalterischen Behandlung des betreffenden Wirtschaftsguts kommt in diesem Zusammenhang eine indizielle Bedeutung zu. Dem Konzept des gewillkürten Betriebsstättenvermögens steht zudem nicht die Rechtsprechung des BFH zur funktionalen Betrachtungsweise entgegen,5 zumal diese gerade bei Anwendung des Veranlassungsprinzips i.S. der wirtschaftlichen Zugehörigkeit nicht gilt (s. Rz. 15.45).

15.49 Anteilige Zuordnung. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob das Veranlassungsprinzip auch eine anteilige Zuordnung zulässt. Dies ist für die Fälle relevant, in denen ein funktionaler Zusammenhang sowohl zum Stammhaus als auch zu einer bzw. mehreren Betriebsstätten besteht. Beispiel: Eine Kapitalgesellschaft mit einem operativ tätigen Stammhaus im Inland unterhält in mehreren europäischen Staaten Vertriebsbetriebsstätten. Das Unternehmen erwirbt entgeltlich ein Markenrecht und vertreibt seine Produkte über die einzelnen Betriebsstätten unter Nutzung des Markenrechts. Fraglich ist, ob das Markenrecht (i) nur dem Stammhaus bzw. einer Betriebsstätte oder (ii) anteilig dem Stammhaus und/oder den Betriebsstätten zuzuordnen ist. Im ersten Fall stellt sich die Anschlussfrage, nach welchem Kriterium die einheitliche Zuordnung erfolgt. Im zweiten Fall muss ein geeigneter Aufteilungsschlüssel gefunden werden. 1 BFH v. 1.4.1987 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550; v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63; v. 9.11.1999 – II R 107/97, BFH/NV 2000, 688. 2 Dörr/Loose/Motz, NWB 2012, 566 (577 f.); Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1961; Kußmaul/Richter/Heyd, IStR 2010, 73 (74); Viebrock/Hagemann, FR 2009, 737 (744). 3 Zum Konzept des sog. gewillkürten Betriebsstättenvermögens Häck/Erdem in Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA-Schweiz, Art. 11 Rz. 86 (Stand: August 2022); Bärsch/Quilitzsch in Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA-Schweiz, Art. 7 Rz. 352 ff. (Stand: Oktober 2020); Gosch in Gosch/Kroppen/Grotherr, Art. 13 Rz. 83; im Ergebnis dagegen Hruschka, FS Jürgen Lüdicke, 295 (307, 309). 4 BFH v. 1.4.1987 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550; v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63; Gosch in Gosch/Kroppen/Grotherr, Art. 13 Rz. 83; Häck/Erdem in Flick/Wassermeyer/ Kempermann, DBA-Schweiz, Art. 11 Rz. 86 (Stand: August 2022) m.w.N. 5 Dazu Häck/Erdem in Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA-Schweiz, Art. 11 Rz. 86 (Stand: August 2022); a.A. Hruschka, FS Jürgen Lüdicke, 295 (307, 309).

1078 | Korff/Erdem

C. Grundsätze der Zuordnung von WG zu BS | Rz. 15.51 Kap. 15

Meinungsstand. Nach Ansicht des BFH1 schließt es die Gewinnzuordnung nach der direkten Methode (vgl. Rz. 15.27) nicht aus, Wirtschaftsgüter, die nicht eindeutig dem Stammhaus oder der inländischen Betriebsstätte zugeordnet werden können, im Wege der Schätzung sachgerecht aufzuteilen. Dies gelte insbesondere für die Aufteilung solcher Wirtschaftsgüter, die der Geschäftsführung und der allgemeinen Verwaltung des Stammhauses dienen und damit auch der inländischen Betriebsstätte zugutekommen. Nach diesen Grundsätzen könne ein vom Stammhaus aufgenommenes Darlehen, das zur Finanzierung der Geschäftsführung und der allgemeinen Verwaltung aufgenommen wurden, grundsätzlich anteilig auf die unterschiedlichen Betriebsstätten verteilt werden.2 Teilweise wird aber bezweifelt, ob diese Grundsätze auch für nicht betragsmäßig teilbare Wirtschaftsgüter gelten.3 Gewichtige Stimmen im Schrifttum befürworten indes mit guten Gründen eine anteilige Zuordenbarkeit generell für aktive und passive Wirtschaftsgüter.4 Dagegen steht nach anderer Auffassung eine anteilige Zuordnung bei faktisch nicht teilbaren Wirtschaftsgütern im Widerspruch zu den tatsächlichen Umständen, die auch letztlich für die Anwendung der Gewinnermittlungsregelungen maßgebend seien.5 Die Teilung eines Wirtschaftsgut als kleinste steuerbilanzielle Größe sei danach ausgeschlossen.6

15.50

Eigene Auffassung. U.E. ist der erstgenannten Auffassung zu folgen. Der Unteilbarkeitsgrundsatz als Gegenargument vermag nicht zu überzeugen:

15.51

– Zunächst ist zu bemerken, dass der deutschen Verwaltungspraxis eine Aufteilung für steuerbilanzielle Zwecke nicht fremd ist und etwa Gebäude gem. R 4.2 Abs. 4 Satz 1 EStR je nach Funktions- und Nutzungszusammenhang als separate Wirtschaftsgüter angesehen werden.7 Dies gilt selbst dann, wenn das Wirtschaftsgut für sich genommen zivilrechtlich unteilbar ist. Darüber hinaus kann bei einzelnen Wirtschaftsgütern eine anteilige Bilanzierung auch gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO gesetzlich vorgesehen sein. – Ferner könnte man den Unteilbarkeitsgrundsatz auch auf der Ertragsebene, d.h. gegen die Abgrenzung eines einheitlichen Gewinns zwischen Stammhaus und Betriebsstätte(n), anführen. Richtigerweise handelt es sich jedoch bei der Gewinn1 BFH v. 20.3.2002 – II R 84/99, BFH/NV 2002, 1017; s. aber BFH v. 27.1.2016 – X R 2/14, BStBl. II 2016, 534. 2 S. aber zu weiteren Anforderungen BFH v. 20.3.2002 – II R 84/99, BFH/NV 2002, 1017. 3 Vgl. Andresen in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.47; Nowotny, Betriebsstättengewinnermittlung, 173 f.; s.a. BFH v. 27.1.2016 – X R 2/14, BStBl. II 2016, 534. 4 Andresen in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.44 ff.; Wassermeyer, IStR 2004, 733 (734 f.); Wassermeyer, IStR 2005, 84 (86); Bärsch/Quilitzsch in Flick/ Wassermeyer/Kempermann, DBA-Schweiz, Art. 7 Rz. 335 ff. (Stand: Oktober 2020); vgl. allgemein auch Wassermeyer in Söhn, Die Abgrenzung der Betriebs- oder Berufssphäre von der Privatsphäre im Einkommensteuerrecht (DStJG 3), 315 (333 f.). 5 Hruschka/Lüdemann, IStR 2005, 76 (80): „normative Kraft des Faktischen. 6 Hruschka/Lüdemann, IStR 2005, 76 (79 f.) m.w.N.; Bärsch in Herrmann/Heuer/Raupach, § 49 EStG Anm. 260 (Stand: August 2019). 7 Für dieses Argument bereits Wassermeyer in Söhn, Die Abgrenzung der Betriebs- oder Berufssphäre von der Privatsphäre im Einkommensteuerrecht DStJG 3 (1979), 315 (334).

Korff/Erdem | 1079

Kap. 15 Rz. 15.51 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

abgrenzung um eine rein steuerliche Fiktion. Folgt man dieser Fiktion konsequent, ist es sachgerecht, diese auch auf der Vermögensebene anzuwenden, d.h., die dem Gewinn zugrunde liegenden Wirtschaftsgüter anteilig zuzuordnen. – Zwar ist zuzugeben, dass die anteilige Zuordnung mit einem gewissen praktischen Aufwand verbunden ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Funktionsund Nutzungsverhältnisse zwischen Stammhaus und Betriebsstätte(n) im Zeitablauf ändern. Auch gilt dies für die Bestimmung des im Einzelfall sachgerechten Aufteilungsmaßstabs (z.B. Wertschöpfungsbeiträge, Kosten).1 Allerdings relativiert sich dieser Nachteil, wenn man richtigerweise davon ausgeht, dass für eine trennscharfe Gewinnabgrenzung in den Fällen gemischt genutzter Wirtschaftsgüter auch bei der Methode der einheitlichen Zuordnung eine Korrektur zu erfolgen hat. Diese Korrektur ist auf der Aufwands- und Ertragsebene durchzuführen – in Analogie zur Nutzungsentnahme bzw. -einlage bei der Abgrenzung von Privatund Betriebsvermögen.2 Dies betrifft gleichermaßen die funktionsgerechte Erfassung eines Veräußerungsgewinns, nach der im Einzelfall eine Aufteilung auf Stammhaus und Betriebsstätte ungeachtet einer einheitlichen Wirtschaftsgutszuordnung sachgerecht sein kann. Letztlich führen somit bei konsequenter Anwendung beide Vorgehensweisen zum identischen Ergebnis und sollten im praktischen Aufwand auch vergleichbar sein. b) Sonderfall: Zentralfunktion des Stammhauses (FinVerw)

15.52 Nach FinVerw. grds. funktionaler Zusammenhang maßgebend. Entsprechend der BFH-Rechtsprechung und dem Schrifttum folgt grundsätzlich auch die FinVerw. nach Rz. 2.2 des Betriebsstättenerlasses der Zuordnung nach dem Veranlassungsprinzip. Einer Betriebsstätte sind demnach diejenigen Wirtschaftsgüter zuzuordnen, die der Erfüllung der Betriebsstättenfunktion dienen. Inwiefern dies auf ein konkretes Wirtschaftsgut zutrifft, richtet sich nach der Verwaltungsauffassung „immer“ nach den tatsächlichen Verhältnissen und insbesondere nach der Struktur, Organisation und Aufgabenstellung der Betriebsstätte im Unternehmen.3 15.53 Anteilige Zuordnung eines Wirtschaftsguts unzulässig. Nach Auffassung der FinVerw. können Wirtschaftsgüter nur entweder dem Stammhaus oder der Betriebsstätte zugeordnet werden.4 Eine anteilige Zuordnung ist aus Verwaltungssicht nicht möglich. 15.54 Zentralfunktionsthese. Die FinVerw. vertritt in Rz. 2.4 des sog. Betriebsstättenerlasses v. 24.12.19995 hinsichtlich der Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu Stammhaus 1 Bärsch/Quilitzsch in Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA-Schweiz, Art. 7 Rz. 337 (Stand: Oktober 2020); vgl. auch Vgl. Leonhardt/Tcherveniachki in Flick/Wassermeyer/ Baumhoff/Schönfeld, § 1 AStG Rz. 3061 (Stand: Oktober 2017). 2 Andresen in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.47. 3 BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888, Rz. 2.4. 4 BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888, Rz. 2.4. 5 BStBl. I 1999, 1076; geändert durch BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888.

1080 | Korff/Erdem

C. Grundsätze der Zuordnung von WG zu BS | Rz. 15.55 Kap. 15

(= Geschäftsleitungsbetriebsstätte) und Betriebsstätte(n) nach Maßgabe der im Stammhaus und Betriebsstätte(n) ausgeübten Funktionen die These von der sog. „Zentralfunktion des Stammhauses“. Danach soll dem Stammhaus offenbar eine (wie auch immer definierte,1 vgl. Rz. 15.55) „Zentralfunktion“ für das Gesamtunternehmen ausüben, so dass am Maßstab funktionaler Veranlassung insbesondere solche (ungebundenen/neutralen) Wirtschaftsgüter, die im Rahmen des Gesamtunternehmens eine übergreifende Funktion sowohl für das Stammhaus als auch für die Betriebsstätte(n) erfüllen, grundsätzlich dem Stammhaus zuzuordnen sind. Insofern soll dem Stammhaus eine Art Attraktivkraft für ungebundenes Vermögen zukommen. Hierzu führt das BMF im Betriebsstättenerlass v. 24.12.1999, Rz. 2.4 aus: „Wenn die Wirtschaftsgüter die ihnen im Rahmen des Gesamtunternehmens zugewiesene Funktion sowohl als Bestandteil des Betriebsvermögens des Stammhauses als auch einer Betriebsstätte erfüllen, hängt es entscheidend vom erkennbaren Willen der Geschäftsleitung ab, welchem Betriebsvermögen sie zuzuordnen sind (BFH v. 1. 4. 1987 II R 186/80, BStBl. II S. 550[60]); der buchmäßige Ausweis kann nur Indiz, nicht Voraussetzung der Zuordnung sein (BFH v. 29. 7. 1992 II R 39/89, BStBl. 1993 II S. 63[61]). Bei der Zuordnung ist die Zentralfunktion des Stammhauses zu beachten. Dem Stammhaus sind deshalb in der Regel zuzurechnen a) das Halten der dem Gesamtunternehmen dienenden Finanzmittel und b) Beteiligungen, wenn sie nicht einer in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit dienen (BFH v. 30. 8. 1995, BStBl. 1996 II S. 563[62]). Die von einer Betriebsstätte erwirtschafteten Finanzierungsmittel gehören grundsätzlich zu deren Betriebsvermögen, soweit sie zur Absicherung der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte erforderlich sind oder bei ihr zur Finanzierung von beschlossenen oder in absehbarer Zeit vorgesehenen Investitionen dienen sollen. Die darüber hinausgehenden, überschüssigen Mittel sind dem Stammhaus zuzurechnen.“

Definition der Zentralfunktion. Der Begriff der Zentralfunktion wird im Betriebsstättenerlass v. 24.12.1999 nicht definiert.2 Aus dem Kontext der Ausführungen lässt sich aber zumindest ableiten, dass die FinVerw. damit offenbar eine das Gesamtunternehmen (und nicht unmittelbar nur die Tätigkeit in einer konkreten Betriebsstätte) betreffende Funktion meint, die vom Stammhaus in ihrer Eigenschaft als Geschäftsleitungsbetriebsstätte ausgeübt wird und ihr daher zuzuordnen ist.3 Daraus kann gefolgert werden, dass die Zentralfunktion die Ausübung von Geschäftsleitungstätigkeiten (vgl. § 12 Satz 2 Nr. 1 AO) für das Gesamtunternehmen betrifft, die dem ganzen Unternehmen zugutekommt. Demzufolge sind die Wirtschaftsgüter dem Stammhaus zuzuordnen, die nach der Verkehrsauffassung typischerweise im Rahmen der Geschäftsleitung des Gesamtunternehmens genutzt werden.

1 Krit. zur fehlenden Definition der Zentralfunktion auch Strunk/Kaminski, IStR 2000, 33 (34); Schönfeld, IStR 2011, 497 (501). S. näher Rz. 15.44. 2 Krit. zur fehlenden Definition der Zentralfunktion auch Strunk/Kaminski, IStR 2000, 33 (34); Schönfeld, IStR 2011, 497 (501). 3 Vgl. Breuninger in FS Schaumburg, 2009, 587 (589).

Korff/Erdem | 1081

15.55

Kap. 15 Rz. 15.56 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

15.56 Erfasste Wirtschaftsgüter. Der Betriebsstättenerlass bezieht die Zentralfunktionsthese zwar nur auf die Zuordnung von Finanz(ierungs)mitteln1 und Beteiligungen (insb. Streubesitzbeteiligungen). Es ist aber kein Grund dafür ersichtlich, die Zentralfunktionsthese (wenn man sie denn anerkennt) nicht auch auf die Zuordnung anderer neutraler/ungebundener Wirtschaftsgüter zu beziehen, die ebenso wie Beteiligungen und Finanzmittel nicht unmittelbar der in einer Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit zugeordnet werden können. Daher geht das Schrifttum davon aus, dass etwa auch weitere immaterielle Wirtschaftsgüter (z.B. Patente, Lizenzrechte) inkl. eines Geschäfts- und Firmenwerts2 der Zuordnung nach der Zentralfunktionsthese unterliegen.3 15.57 Reichweite: Verdrängungswirkung? Im Schrifttum wird aus der Zentralfunktionsthese der FinVerw. geschlussfolgert, dass bestimmte Funktionen per se und unabhängig von den tatsächlichen Umständen lediglich durch das Stammhaus und nicht durch eine Betriebsstätte ausgeübt werden können. Dies habe zur Folge, dass die FinVerw. eine tatsächlich in einer Betriebsstätte ausgeübte Finanzierungs-, Holdingoder Lizenzgeberfunktion für steuerliche Zwecke nicht anerkenne.4 Auch wenn die FinVerw. in der Praxis teilweise sehr vorschnell auf die Zentralfunktionsthese zurückgreift,5 bietet der Wortlaut des Betriebsstättenerlasses für eine solche „absolute Verdrängungswirkung“ der Zentralfunktion keine Grundlage. Denn dort heißt es doch lediglich, dass die Zentralfunktion „zu beachten“ sei und dass deshalb dem Stammhaus „in der Regel“ (d.h. nicht stets ohne Ausnahme) bestimmte Wirtschaftsgüter zuzuordnen seien. Darüber hinaus wird die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum Stammhaus für beide dort genannten Beispielsfälle (Finanzmittel und Beteiligungen) wieder zugunsten einer Zuordnung zur Betriebsstätte zurückgenommen, wenn – im Falle von Finanzmitteln – diese zur Absicherung der Geschäftstätigkeit erforderlich sind oder der Finanzierung der Betriebsstätte dienen, oder – im Falle von Beteiligungen – das Wirtschaftsgut einer in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit dient. Nach dem Wortlaut des Betriebsstättenerlasses („in der Regel“) stellt die Zentralfunktionsthese zudem lediglich eine Vermutung dar, die im Einzelfall auf Grundlage der tatsächlichen Umstände widerlegt werden kann. Sie sollte somit den allgemeinen Grundsätzen (Zuordnung nach dem funktionalen Zusammenhang) zumindest nicht per se entgegenstehen. Auch einzelne Äußerungen von Vertretern der FinVerw. las1 Zu Finanzmitteln zählen Finanzanlagen, liquide Mittel und Geldanlagen des Umlaufvermögens, zu den erwirtschafteten Finanzierungsmitteln zählt das von der Betriebsstätte erwirtschaftete Eigenkapital, soweit es seinem (erkennbaren) Zweck nach der Finanzierung der Betriebsstätte gewidmet ist, s. Kumpf/Roth, DB 2000, 741 (746). Finanzierungsmittel können als Unterfall der Finanzmittel eingeordnet werden. 2 Kessler/Arnold, Festgabe Wassermeyer, 2015, Nr. 36 Rz. 6. 3 Wassermeyer, IStR 2012, 277 (280); Blumers, DB 2006, 856 (857); Kahle/Mödinger, DB 2011, 2338 (2339); Kessler/Jehl, IWB 2007, Fach 10 Gruppe 2, 1977 (1982). Nach Auffassung von Dötsch erfasst die Zentralfunktion des Stammhauses zudem von Stammhaus und Betriebsstätte gemeinsam genutzte Wirtschaftsgüter, vgl. Dötsch in Dötsch/Patt/Pung/ Möhlenbrock7, § 11 UmwStG Rz. 58. 4 Kessler/Arnold, FG Wassermeyer (2015), Nr. 36 Rz. 7. 5 S.a. Wassermeyer, IStR 2012, 277 (280).

1082 | Korff/Erdem

C. Grundsätze der Zuordnung von WG zu BS | Rz. 15.59 Kap. 15

sen auf dieses Verständnis schließen.1 Im Ergebnis vertritt die FinVerw. nach dieser Lesart die Auffassung, dass ungebundene Wirtschaftsgüter und bestimmte immaterielle Wirtschaftsgüter nur dann der Betriebsstätte zugeordnet werden können, wenn diese über die entsprechenden Funktionen verfügt. Eine Zuordnung dieser Wirtschaftsgüter allein aufgrund des Geschäftsleitungswillens dürfte somit nach Auffassung der FinVerw. nicht zulässig sein. Allein darauf kann sich der zentrale Kritikpunkt an der Zentralfunktionsthese beschränken. Leerlaufen der Zentralfunktionsthese bei rechtlicher Entstrickung. Unabhängig von der Frage, wie der in Satz 2 der Rz. 03.20 UmwStE enthaltene Verweis auf den Betriebsstättenerlass und insoweit auch auf die Anwendung der Zentralfunktionsthese zu verstehen ist, führt die Zentralfunktionsthese jedenfalls für den Fall der rechtlichen Entstrickung nicht zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung des Besteuerungsrechts, wenn im Inland eine Betriebsstätte verbleibt. Denn § 2 Abs. 1 UmwStG (s.a. § 20 Abs. 5 und 6, § 24 Abs. 4 Halbs. 2 UmwStG) regelt lediglich im Wege der Fiktion einen Übergang des Vermögens des übertragenden auf den übernehmenden Rechtsträger, jedoch keine fiktiven Zuordnungsänderungen von Wirtschaftsgütern von der deutschen Betriebsstätte zum ausländischen Stammhaus während des Rückwirkungszeitraums. Es ist – auch nach Ansicht der FinVerw. – auf die tatsächlichen Umstände zum steuerlichen Übertragungsstichtag abzustellen (s. Rz. 15.16). Zu diesem Zeitpunkt aber wird die Geschäftsleitung hinsichtlich des Geschäfts des übertragenden Rechtsträgers, auf die es im Rahmen der Zentralfunktionsthese letztlich ankommt, noch im Inland in einer Geschäftsleitungsbetriebsstätte ausgeübt. Im Rückwirkungszeitraum bestehen daher tatsächlich zwei Orte der Geschäftsleitung.2 Eine Zuordnung zu einer (angeblichen) Zentralfunktion des übernehmenden Rechtsträgers, ohne dass dieser tatsächlich Funktionen der Geschäftsleitung wahrnimmt, erscheint widersinnig und widerspräche auch den Ausführungen im Betriebsstättenerlass, wonach „immer [d.h. nicht nur „in der Regel“ wie bei der Formulierung zur Zentralfunktionsthese!] die tatsächlichen Verhältnisse und insbesondere Struktur, Organisation und Aufgabenstellung der Betriebsstätte im Unternehmen“ maßgebend sind. Eine geänderte Zuordnung nach Maßgabe der Zentralfunktionsthese kann somit – wenn überhaupt – erst bei tatsächlicher Verlagerung der inländischen Geschäftsleitungsfunktion eintreten.3

15.58

c) Relevanz von § 1 Abs. 5 AStG (AOA) und BsGaV Einführung des § 1 Abs. 5 AStG (AOA) i.V.m. BsGaV. Für VZ ab 2013 wurde mit der Regelung des § 1 Abs. 5 und 6 AStG der erstmals in Art. 7 OECD-MA 2010 ent1 In diese Richtung Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1961 (1963). 2 Ausf. Breuninger in FS Schaumburg, 587 (593); zur Diskussion s. auch Dörr/Loose/Motz, NWB 2012, 566 (577 f.); Dötsch in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock7, § 11 UmwStG Rz. 59; Girlich/Philipp, Ubg 2012, 150 (156); Käbisch/Bunzeck, IWB 2011, 392 (394); Klingberg/ Nitzschke, Ubg 2011, 451 (453 f.); Schneider/Ruoff/Sistermann, FR 2012, 1 (4); Schönfeld, IStR 2011, 497 (500 f.); Stadler/Elser/Bindl, DB 2012, Beilage 1, 14 (19). 3 Ähnlich Schell, FR 2012, 101 (106); Schell/Krohn, DB 2012, 1057 (1064); Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 86; Viebrock/Hagemann, FR 2009, 737 (745).

Korff/Erdem | 1083

15.59

Kap. 15 Rz. 15.59 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

haltene „Authorised OECD Approach“ (kurz: AOA) in innerstaatliches Recht umgesetzt. Kern des durch die OECD mit dem AOA eingeführten sog. „Functionally Separate Entity Approach“ ist eine uneingeschränkte Unabhängigkeits- und Selbstständigkeitsfiktion der Betriebsstätte. Auf dieser Grundlage werden zivilrechtlich nicht mögliche Innentransaktionen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte für Zwecke der Besteuerung als sog. anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen („Dealings“) fingiert (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 5 Satz 2 AStG) und mit dem Fremdvergleichspreis bewertet. Dies hat zur Folge, dass unter Anwendung anerkannter Verrechnungspreismethoden eine am Fremdvergleichsgrundsatz orientierte Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte(n) erfolgen kann. § 1 Abs. 6 AStG ermächtigt in diesem Zusammenhang das BMF (mit Zustimmung des Bundesrates), durch Rechtsverordnung u.a. „Einzelheiten des Fremdvergleichsgrundsatzes“ zu regeln. Auf dieser Grundlage wurde für nach dem 31.12.2014 beginnende Wirtschaftsjahre1 die Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV)2 erlassen, die u.a. konkrete Regelungen für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern enthält (insb. die Zuordnung von Wirtschaftsgütern nach Personalfunktionen). Die FinVerw. hat sich zur Betriebsstättengewinnabgrenzung nach § 1 Abs. 5 AStG i.V.m. BsGaV in den Verwaltungsgrundsätzen Betriebsstättengewinnabgrenzung v. 22.12.2016 (VWG BsGa)3 geäußert.

15.60 Fragestellung: Reichweite der Regelungswirkung des § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV. Es stellt sich die Frage, ob die in § 1 Abs. 5, 6 AStG und der BsGaV geregelten Grundsätze des AOA auch für die Anwendung der Gewinnermittlungsvorschriften des EStG zum Zwecke der allgemeinen Betriebsstättengewinnermittlung bzw. -abgrenzung gelten und damit insoweit das Veranlassungsprinzip verdrängen oder jedenfalls (potentiell abweichend von den bisherigen Grundsätzen der wirtschaftlichen Zugehörigkeit) inhaltlich konkretisieren. Angesprochen ist damit die Reichweite der Regelungswirkung des § 1 Abs. 5, 6 AStG und der BsGaV, die allgemein durch Auslegung zu ermitteln ist. Konkret ist danach zu fragen, ob § 1 Abs. 5, 6 AStG der Regelungsbefehl zu entnehmen ist, allgemein die Ermittlung bzw. Abgrenzung der Einkünfte einer Betriebsstätte nach dem EStG und damit auch die dort erforderliche Zuordnung von Wirtschaftsgütern, Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben nach Maßgabe der in § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV normierten AOA-Grundsätze vorzunehmen. Würde man diese Frage bejahen, hätten die AOA-Grundsätze das richter1 § 40 BsGaV. 2 Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Betriebsstätten nach § 1 Abs. 5 des Außensteuergesetzes (Betriebsstättengewinnaufteilungsverordung – BsGaV) vom 13.10.2014, BGBl. I 2014, 1603; zur Bedenken hinsichtlich der Frage, ob die Rechtsgrundlage des § 1 Abs. 6 AStG den Erlass der BsGaV in allen Teilen deckt s. Gosch, ISR 2020, 116. 3 Grundsätze für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf die Aufteilung der Einkünfte zwischen einem inländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte und auf die Ermittlung der Einkünfte der inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens nach § 1 Abs. 5 des Außensteuergesetzes und der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung – VWG BsGa), BMF, Schr. v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03, BStBl. I 2017, 182.

1084 | Korff/Erdem

C. Grundsätze der Zuordnung von WG zu BS | Rz. 15.62 Kap. 15

rechtlich entwickelte Veranlassungsprinzip oder zumindest den richterrechtlich entwickelten Maßstab der wirtschaftlichen Zugehörigkeit innerhalb des Veranlassungsprinzips abgelöst und wären an dessen Stelle getreten; es gälte im deutschen Steuerrecht mit dem AOA ein einheitlicher Maßstab für die Betriebsstättengewinnermittung und -abgrenzung und insoweit auch ein einheitlicher Maßstab für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern. Der Wortlaut beider Regelungen enthält keine Aussage zu der Frage, ob sie auch den Anspruch erheben, die Einkünfteermittlung für Zwecke des EStG zu regeln. Vielmehr spricht zunächst die tatbestandlich-systematische Stellung in § 1 AStG dafür, dass es sich bei dessen Abs. 5 AStG und damit auch bei der BsGaV um spezifische Einkünftekorrekturvorschriften und nicht um Einkünfteermittlungsvorschriften handelt (ausf. Rz. 15.66). Als Rechtsfolge ordnet § 1 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 AStG nämlich ausschließlich einen abweichenden Ansatz i.S. einer Erhöhung von Einkünften in Form eines Nettobetrags an.1 Deshalb verwundert es, dass im Schrifttum meist ohne Begründung schlicht davon ausgegangen wird, dass bei der Ermittlung bzw. Zuordnung von Betriebsstätteneinkünften und Betriebsstättenvermögen im Rahmen des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG und § 34d Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nunmehr ausschließlich die Grundsätze des § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV gelten, was dann auch mittelbare Wirkungen auf die Anwendung der Tatbestandsmerkmale des Ausschlusses und der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts innerhalb der Entstrickungsvorschriften in EStG, KStG und UmwStG hat. Gerade im Hinblick auf die hier interessierenden umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalte wird dies auch von verwaltungsnahen Stimmen im Schrifttum vertreten.2 Meinungsstand (Überblick). Die Ansicht der FinVerw. zu dieser Frage ist – wie in nachfolgender Rz. 15.62 dargestellt – nicht ganz klar. Soweit das Schrifttum sich mit dieser Frage auseinandersetzt, werden die nachfolgend in Rz. 15.63 ff. dargestellten drei Ansichten vertreten. Richtigerweise wird man – mit dem BFH – davon auszugehen haben, dass § 1 Abs. 5, 6 i.V.m. BsGaV eine reine Einkünftekorrekturvorschrift ist, die für die allgemeine Einkünfteermittlung und -abgrenzung nach dem EStG keine Regelungswirkung entfaltet; daher gilt dort (insbesondere für die Wirtschaftsgüterzuordnung) weiterhin das Veranlassungsprinzip in seiner richterrechtlichen Ausprägung als wirtschaftliche Zugehörigkeit (ausf. Rz. 15.66).

15.61

Ansicht der FinVerw. Die Ansicht der FinVerw. zu der Regelungsreichweite des § 1 Abs. 5 AStG ist auf Grundlage der anwendbaren Verwaltungsanweisungen nicht eindeutig zu ermitteln.

15.62

– Nach Rz. 03.20 UmwStE v. 11.11.2011 verweist die FinVerw. für die Beurteilung der Frage, ob eine Änderung der Zuordnung von Wirtschaftsgütern vorliegt, weiterhin auf den Betriebsstättenerlass v. 24.12.1999 (vgl. auch Rz. 15.40, Rz. 15.58). 1 Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 1 AStG Rz. 382, 402 (Stand: Juni 2019). 2 Möhlenbrock/Werner/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 3 UmwStG Rz. 105 a.E. (Stand: Dezember 2021); Stimpel/Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 11 UmwStG Rz. 74 (Stand: September 2022).

Korff/Erdem | 1085

Kap. 15 Rz. 15.62 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

– Im BMF-Schreiben v. 26.9.20141 zur Anwendung von DBA auf Personengesellschaften ist festgehalten, dass „für die Ermittlung des Gewinns, der einer ausländischen Betriebsstätte einer inländischen Personengesellschaft oder einer inländischen Betriebsstäte einer ausländischen Personengesellschaft nach Artikel 7 Absatz 2 OECD-MA [2010] zuzurechnen ist, [...] die Grundsätze des § 1 Absatz 5 AStG [gelten]“.2 Weiter heißt es dort im Kontext des Art. 13 Abs. 2 OECD-MA (der dort gleichbedeutend mit den DBA-Betriebsstättenvorbehalten ausgelegt wird, die eine „tatsächliche Zugehörigkeit“ verlangen), dass „Wirtschaftsgüter einer Personengesellschaft [...] Betriebsvermögen der im anderen Staat gelegenen Betriebsstätte der Personengesellschaft [...] [sind], wenn sie nach § 1 Absatz 5 AStG der Betriebsstätte zuzuordnen sind“.3 Daraus wird (auch neuerdings vom BFH)4 abgeleitet, dass die FinVerw. die AOA-Grundsätze des § 1 Abs. 5 AStG als allgemeine Einkünfterermittlungsvorschriften ansieht.5 Das ist allerdings nicht zwingend: Denn die dortigen Ausführungen beziehen sich auf die Auslegung des AOA im OECD-MA 2010, den § 1 Abs. 5 AStG umsetzen soll. Es ist daher denkbar, dass § 1 Abs. 5 AStG nur deshalb von der FinVerw. (zur entsprechenden Anwendung) in Bezug genommen wird, weil er schlicht die Kriterien für die Anwendung des AOA i.S.d. OECD-MA in einer für die Rechtsanwendungspraxis leicht und sicher handhabbaren Rechtsgrundlage verkörpert. Bei diesem Verständnis hätte § 1 Abs. 5 AStG für die FinVerw. nur erläuternde Wirkung. Die o.g. Aussagen im BMF-Schreiben v. 26.9.2014 ordnen demnach die (entsprechende) Anwendung der Kriterien des § 1 Abs. 5 AStG für Zwecke des OECD-MA 2010 nur deshalb an, weil Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 die Maßgeblichkeit der AOA-Grundsätze selbst anordnet. Eine solche explizite Anordnung fehlt indes innerhalb der allgemeinen Gewinnermittlungs- und -abgrenzungsvorschriften des EStG. Diese soll vielmehr erst begründet werden. Folge dieses Verständnisses wäre, dass die o.g. Aussagen der FinVerw. nicht auf die Begründung der Maßgeblichkeit von § 1 Abs. 5 AStG für die allgemeinen Gewinnermittlungs- und -abgrenzungsvorschriften übertragen werden können. Schließlich enthält auch die im BMF-Schreiben v. 26.9.2014 enthaltene Feststellung, dass „die Grundsätze dieser Vorschrift [§ 1 Abs. 5 AStG] in Grundzügen mit der Rechtsprechung zum funktionalen Zusammenhang überein[stimmen]“, keine Aussage zur Beantwortung der hier gestellten Fragestellung, welcher Maßstab – insbesondere für den Fall, dass beide Maßstäbe ausnahmsweise nicht zu demselben Ergebnis führen – für die allgemeine Gewinnermittlung und -abgrenzung gilt.6

1 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 (2014/0599097), BStBl. I 2014, 1258. 2 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 (2014/0599097), BStBl. I 2014, 1258, Rz. 2.2.3. 3 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 (2014/0599097), BStBl. I 2014, 1258, Rz. 2.2.4.1. 4 BFH v. 24.11.2021 – I B 44/21, BStBl. II 2022, 431. 5 Vgl. in diese Richtung Leonhardt/Tcherveniachki in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rz. 2812 (Stand: April 2017), s. dort aber dann Rz. 2814. 6 So wohl auch BFH v. 24.11.2021 – I B 44/21, BStBl. II 2022, 431, Rz. 26.

1086 | Korff/Erdem

C. Grundsätze der Zuordnung von WG zu BS | Rz. 15.62 Kap. 15

– In den VWG BsGa zeigt sich vielmehr, dass die FinVerw. offenbar davon ausgeht, dass die Grundsätze des AOA ausschließlich für Zwecke der Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 AStG (und zur entsprechenden „Ausfüllung“ des AOA i.S.d. DBA) gelten.1 So stellt Rz. 10 VWG BsGa klar, dass die Regelungen in „§ 1 Abs. 5 AStG und die BsGaV [...] Einkünftekorrekturvorschriften [...] [sind], die nur zu einer Erhöhung der inländischen Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen oder zur Minderung der ausländischen Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen führen können“. Dies ergebe sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG, auf den § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG verweise.2 Dem entspricht es, wenn in Rz. 9 VWG BsGa weiter ausgeführt wird, dass § 1 Abs. 5 AStG, die BsGaV und die VWG BsGa nicht anzuwenden sind, wenn zwar eine Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO, nicht aber i.S.d. Art. 5 OECD-MA besteht.3 Begründet wird dies damit, dass in diesen Fällen „mangels DBA-Betriebsstätte“ nicht i.S.d. § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG die Einkünfte zwischen einem inländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte aufzuteilen oder die Einkünfte zwischen einem ausländischen Unternehmen und seiner inländischen Betriebsstätte zu ermitteln seien.4 Das kann aber nur bedeuten, dass § 1 Abs. 5 AStG, die BsGaV und die VWG BsGa nach Ansicht der FinVerw. Keine Vorschriften für die allgemeine Gewinnermittlung i.S. des innerstaatlichen Rechts enthalten, da auch ohne Vorliegen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte für Zwecke des innerstaatlichen Rechts5 Einkünfte einer inländischen oder ausländischen Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO zu ermitteln sein können. Schließlich kann auch Rz. 461 VWG BsGa im Wege eines Umkehrschlusses6 in diese Richtung verstanden werden, wenn es dort heißt, dass die Betriebsstätten-VWG 1999 weiterhin in Fällen gelten, in denen § 1 Abs. 5 AStG nicht anwendbar ist, weil deren Anwendung zu keiner höheren Bemessungsgrundlage in Deutschland führt. Ein anderes Verständnis deuten hingegen die Ausführungen zur Anrechnung ausländischer Steuern an: So soll bei Anwendbarkeit eines DBA i.S.d. OECD-MA 2010 die Ermittlung der ausländischen Einkünfte für Zwecke der abkommensrechtlichen Steueranrechnung nach Maßgabe der VWG BsGa erfolgen.7 Dem ist allerdings solange keine Aussage für die innerstaatliche Betriebsstättengewinnermittlung zu entnehmen, wie man die Bestimmung der „ausländischen Einkünfte“ in § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG nach dem jeweiligen DBA vornimmt8 1 So auch Leonhardt/Tcherveniachki in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rz. 2809, 2814 (Stand: April 2017). 2 VWG BsGa Rz. 10. 3 VWG BsGa Rz. 9. 4 VWG BsGa Rz. 9 spricht davon, dass keine „Betriebsstättengewinnermittlung“ durchzuführen ist. Aus der Definition in VWG BsGa Rz. 8 a.E. ergibt sich aber, dass damit die beiden in § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG genannten Formen der „Betriebsstättengewinnaufteilung“ und der „Betriebsstättengewinnermittlung“ gemeint sind. 5 Insb. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 34d Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. 6 Leonhardt/Tcherveniachki in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rz. 2814 (Stand: April 2017). 7 VWG BsGa Rz. 22. 8 Offen BFH v. 17.11.2010 – I R 76/09, BStBl. II 2012, 276; dazu Wagner in Brandis/Heuermann, § 34c EStG Rz. 134 (Stand: Juli 2020); Jürgen Lüdicke in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 34c EStG Rz. 716 ff. (Stand: Oktober 2014): DBA maßgebend.

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Kap. 15 Rz. 15.62 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

(zur Begründung s. entsprechend die obigen Ausführungen zu BMF v. 26.9.2014.). Besteht kein DBA, so seien die ausländischen Einkünfte grundsätzlich nach dem Betriebsstättenerlass 1999 zu ermitteln, während jedoch – und das widerspricht dem bisher dargelegten Verständnis – die VWG BsGa (i.S. einer fiskalischen Meistbegünstigung) doch wieder maßgebend sein sollen, wenn deren Anwendung zu niedrigeren ausländischen Betriebsstätteneinkünften führen.1 Für die Anwendung der Zuordnungsgrundsätze des § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV im Rahmen der allgemeinen Gewinnermittlung und -abgrenzung sprechen zudem (wie auch neuerdings der BFH-Beschluss I B 44/21 zeigt)2 die Ausführungen in Rz. 451 ff. VWG BsGa, wonach offenbar die Zuordnungsgrundsätze der BsGaV für die Anwendung der allgemeinen Entstrickungsregelungen in § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG bzw. § 12 Abs. 1 Satz 1 und 2 KStG und der allgemeinen Verstrickungsregelung in § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG anzuwenden sind. Jedenfalls in der Praxis zeigt sich, dass die FinVerw. regelmäßig auf die Grundsätze der BsGaV zurückgreift oder zumindest deren Anwendung akzeptiert.

15.63 Schrifttum. Soweit das Schrifttum sich mit dieser Frage auseinandersetzt, werden die nachfolgend dargestellten drei Ansichten vertreten. 15.64 Ansicht 1: Unmittelbare Anwendung als allgemeiner Gewinnermittlungs- und abgrenzungsmaßstab. Teilweise wird vertreten,3 dass § 1 Abs. 5 AStG und die BsGaV Vorschriften zur allgemeinen Betriebsstättengewinnermittlung und -abgrenzung enthalten. Begründet wird dies durch eine differenzierte Betrachtung durch (isolierende) Aufteilung der Sätze des § 1 Abs. 5 AStG in zwei Sinneinheiten: So soll § 1 Abs. 5 Satz 1 (i.V.m. Abs. 1) eine reine Einkünftekorrekturvorschrift beinhalten, während § 1 Abs. 5 Sätze 2 bis 5 den Fremdvergleichsgrundsatz als allgemeinen Gewinnermittlungs- und -abgrenzungsmaßstab regeln. Teilweise wird auch zwischen dem ersten Schritt des AOA (Zuordnung nach Satz 3) und dem zweiten Schritt des AOA (Satz 1 und 4) differenziert.4 Eine Differenzierung nach Sätzen würde – so die vorgetragenen Argumente – nicht nur dem Willen des Gesetzgebers zur Verwirklichung verhelfen.5 Vielmehr spräche dafür auch der (insoweit offene) Wortlaut des § 1 Abs. 5 Satz 2 AStG, der die Selbstständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion nicht ausdrücklich auf die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes i.S.d. § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG beschränke und damit gewissermaßen implizit ganz „allgemein“ für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes anordne.6 Zudem enthielten die Sätze 2

1 VWG BsGa Rz. 23. 2 BFH v. 24.11.2021 – I B 44/21, BStBl. II 2022, 431, LS 1 und Rz. 24 das FA berief sich im dortigen Verfahren auf Rz. 451 VWG BsGa. 3 Andresen in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 4.47 ff.; Leonhardt/Tcherveniachki in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rz. 2812 (Stand: April 2017); Nientimp/Schwarz/Stein, IStR 2016, 487. 4 So wohl Andresen in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 4.48. 5 BT-Drucks. 17/1000, 61. 6 Leonhardt/Tcherveniachki in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rz. 2812 (Stand: April 2017).

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C. Grundsätze der Zuordnung von WG zu BS | Rz. 15.66 Kap. 15

bis 5 (anders als Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1) nicht das Erfordernis einer „Einkünfteminderung“ als Tatbestandsvoraussetzung und auch keine Einkünftekorrektur als Rechtsfolge, so dass sie auch nicht als Einkünftekorrekturvorschrift (sondern als „Bilanzierungsnorm“)1 zu klassifizieren seien.2 Ferner bestehe wegen fehlender gesetzlicher Regelungen ein Bedürfnis nach einer Anwendung des § 1 Abs. 5 AStG im Rahmen der allgemeinen Betriebsstättengewinnermittlung, die dann auch das weniger schutzwürdige, nur auf lückenfüllendem Richterrecht beruhende Veranlassungsprinzip verdrängen würde.3 Diese Ansicht hätte zur Folge, dass die Grundsätze und Wirkungen des AOA (insb. Vermögenszuordnung nach Personalfunktionen; anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen) bzw. jedenfalls der erste Schritt des AOA (stellt man nur auf Satz 3 ab) schon im Rahmen der steuerlichen Unterschiedsbetragsermittlung auf der ersten Stufe der Gewinnermittlung innerhalb der Steuerbilanz (Betriebsstättenbilanz) anzuwenden sind.4 Dies gälte dann konsequenterweise auch für die Ermittlung der Betriebsstätteneinkünfte für Zwecke des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG und § 34d Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Zur Kritik s. ausf. Rz. 15.66. Ansicht 2: Wertende Konkretisierung des Veranlassungsprinzips im Wege der Auslegung. Nach anderer Ansicht sollen (aber wiederum auf Basis der o.g. nach Sätzen differenzierenden Betrachtung) die Grundsätze des in § 1 Abs. 5 Sätze 2 ff., Abs. 6 AStG i.V.m. BsGaV enthaltenen AOA (zumindest) im Wege der (systematischen) Auslegung bei der Konkretisierung des Veranlassungsprinzips berücksichtigt werden.5 Mit anderen Worten wäre insoweit das Veranlassungsprinzip (nur) „im Lichte des § 1 Abs. 5 AStG“ auszulegen, ohne dass es einen unmittelbaren gesetzlichen Anwendungsbefehl dafür gäbe.6 Zur Kritik s. ausf. Rz. 15.66.

15.65

Kritik und (eigene) Ansicht 3: Reine Einkünftekorrekturvorschrift und Weitergeltung des Veranlassungsprinzips i.S. wirtschaftlicher Zugehörigkeit. Auch wenn sich für die Praxis eine Orientierung an der BsGaV durchaus anbietet, kann dem in

15.66

1 So zu Satz 3 Andresen in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 4.49. 2 Andresen in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 4.49 ff., insb. Rz. 4.52. 3 In diese Richtung wohl Leonhardt/Tcherveniachki in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rz. 2812 (Stand: April 2017); Nientimp/Schwarz/Stein, IStR 2016, 487 (489). 4 Andresen in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 4.57 zur Vermögenszuordnung nach § 1 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 AStG; Leonhardt/Tcherveniachki in Flick/ Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rz. 2812 (Stand: April 2017); a.A. Nientimp/Schwarz/Stein, IStR 2016, 487 (489). 5 Wacker, DStR 2019, 836 (839 f.): normative Konkretisierung des Veranlassungszusammenhangs; Andresen in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 4.33: Veranlassungsprinzip gilt zwar subsidiär fort, wird aber ggf. durch die spezifischeren Regelungen der AOA als lex specialis „ergänzt und ggf. begrenzt“; Bärsch in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 49 EStG Anm. 242, aber unter der Voraussetzung, dass die Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 5 AStG erfüllt sind (Stand: August 2019). 6 Das schlägt auch vor Neumann-Tomm, IStR 2015, 907 (908): „Auslegung im Lichte des § 1 Abs. 5 AStG“.

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Kap. 15 Rz. 15.66 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

der Sache nicht uneingeschränkt zugestimmt werden. Richtigerweise wird man mit der wohl h.M.1 davon ausgehen müssen, dass § 1 Abs. 5, 6 i.V.m. BsGaV insgesamt eine reine Einkünftekorrekturvorschrift darstellt, die für die allgemeine Einkünfteermittlung- und -abgrenzung nach dem EStG keine Regelungswirkung entfaltet bzw. keine Regelung zur Anwendung allgemeiner Einkünfteermittlungsvorschriften trifft. Daher gilt dort weiterhin das Veranlassungsprinzip in seiner richterrechtlichen Ausprägung als wirtschaftliche Zugehörigkeit. Dieser Ansicht hat sich auch jüngst der BFH in dem AdV-Beschluss I B 44/21 v. 24.11.20212 (also bei summarischer Prüfung) angeschlossen.3 Zwar lag dem AdV-Beschluss der Fall einer personallosen Betriebsstätte zugrunde. Die hier interessierenden rechtlichen Ausführungen des BFH4 lösen sich allerdings insoweit von den Besonderheiten des Streitfalls und betreffen die allgemeine Rechtsfrage, ob § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG rechtsfolgenseitig eine geänderte Zuordnung von Wirtschaftsgütern im Rahmen der Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG bzw. § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG bewirken kann.5 Darüber hinaus positioniert sich der BFH dort zu der noch allgemeineren Frage, ob sich § 1 Abs. 5 AStG außerhalb des Anwendungsbereichs des § 1 AStG auf die „allgemeine Gewinnermittlung nach §§ 4 ff. EStG“ auswirkt.

1 So schon Korff/Erdem in Gosch/Grotherr/Bergmann, Steuerplanung und Compliance, Bd. II, Teil 4, 2. Thema, Rz. 85; ebenso Gosch, IStR 2015, 709 (713); Gosch in Kirchhof/ Seer21, § 49 Rz. 15 f., 18, § 50a Rz. 19a; Gosch in FS BFH, 1027 (1034 f.); Schnitger, StuW 2019, 195 (197 ff.); Schwenke in FS Gosch, 377 (385); Kaeser in FS Endres, 179 (183); Schaumburg/Puls in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 21.22, Rz. 21.36; Kaeser in Wassermeyer, Art. 7 MA Rz. 700 f. (Stand: Oktober 2013); Oestreicher in Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 777; Schnitger/Borchert in Oestreicher/Schnitger/ Wellens, Gewinnabgrenzung nach dem AOA, Rz. 6.82; Ditz in Wassermeyer/Andresen/ Ditz, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 6.54; Ditz, ISR 2013, 261 (264); Neumann-Tomm, IStR 2015, 907; Kahle/Kindich, GmbHR 2017, 341 (345); in diese Richtung auch Wassermeyer, IStR 2012, 277. 2 BFH v. 24.11.2021 – I B 44/21, BStBl. II 2022, 431. 3 Hinzuweisen ist darauf, dass der Beschluss in BStBl. II 2022, 431 veröffentlicht wurde und damit die tragenden Rechtsausführungen von den Finanzbehörden grundsätzlich allgemein anzuwenden sind, s. Kruse, DStJG 18 (1995), 115 (124) („innerdienstliche Weisung“); Hey, DStR 2004, 1897 (1898); OFD Frankfurt a.M. v. 31.3.2014 – FG 2029 A-4-St 21; OFD Hannover v. 26.10.2007 – S 0069 – 1 – StO 143, BeckVerw 103634. 4 BFH v. 24.11.2021 – I B 44/21, BStBl. II 2022, 431 Rz. 25. Mit der Maßgeblichkeit der Personalfunktionen als Zuordnungskriterium für den spezifischen Fall sog. personalloser Betriebsstätten beschäftigt sich der BFH dort erst anschließend in Rz. 28 und zwar nur hilfsweise für den Fall, dass die (zuvor bei summarischer Prüfung abgelehnte) Anwendbarkeit des § 1 Abs. 5 AStG bei der allgemeinen Gewinnermittlung doch zu bejahen wäre. 5 BFH v. 24.11.2021 – I B 44/21, BStBl. II 2022, 431 Rz. 23-26. Aus Sicht des Prüfungsprogramms nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO beschäftigt sich der BFH dort bei summarischer Prüfung mit gewichtigen Gründen für eine „Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen“, die ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes begründen.

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C. Grundsätze der Zuordnung von WG zu BS | Rz. 15.66 Kap. 15

Die hier vertretene und herrschende Ansicht ergibt sich im Einzelnen aus folgenden Gründen: – § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG stellt tatbestandlich-systematisch1 eine reine Einkünftekorrekturvorschrift dar und keine allgemeine Gewinnermittlungsvorschrift. Die allgemeinen Gewinnermittlungs- und -abgrenzungsvorschriften des EStG (wozu auch § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG zählt) stehen – mit den Worten von Gosch2 und ihm folgend des BFH3 – in ihrem tatbestandlich-systematischen Ausgangspunk wie in ihren Rechtswirkungen unverbunden4 nebeneinander. § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG ordnet als Rechtsfolge eine entsprechende Anwendung seines Abs. 1 und damit letztlich eine Erhöhung von Einkünften (Nettobetrag) an. Damit knüpft § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG rechtsfolgenseitig an die nach allgemeinen Vorschriften des EStG bereits ermittelten Einkünfte an5 und entfaltet damit auch nur nach der Einkünfteermittlung seine Regelungswirkung: Einkommensteuerrechtsdogmatisch findet § 1 Abs. 5 AStG innerhalb der zweistufigen Gewinnermittlung erst auf der zweiten Stufe außerhalb der Steuerbilanz (Unterschiedsbetragsermittlung) Anwendung. § 1 Abs. 1 Satz 1, der zweifellos eine reine Einkünftekorrekturvorschrift darstellt, und § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG sind über diesen wortlaugetragenen Bezug6 unmittelbar miteinander verknüpft. Auch § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG kommt daher zweifellos nur die Funktion einer reinen Einkünftekorrekturvorschrift zu, sie ist insoweit systematisch passend im Tatbestand des § 1 AStG verortet. Darüber hinaus ist zu sehen, dass § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG die Einkünftekorrektur auch nur in Bezug auf Innentransaktionen (anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen) anordnet und damit keine Bedeutung für Außentransaktionen hat.7 Schließlich ist § 1 Abs. 5 AStG tatbestandlich nur einseitig zu Lasten des Steuerpflichtigen konzipiert, da er eine (fremdvergleichsunübliche) Minderung der inländischen bzw. eine Erhöhung der ausländischen Einkünfte voraussetzt.8 Der objektive Zweck des § 1 Abs. 5 AStG liegt daher nicht in der generellen (symmetrischen) Ermittlung von Betriebsstätteneinkünften und der damit verbundenen angemessenen Aufteilung der Besteuerungsrechte, sondern ausschließlich in der Erhöhung des inländischen Steueraufkommens.9 Auch wenn der Gesetzgeber historisch etwas anderes beabsichtigt haben mag (was nur ein zu gewichtendes Auslegungskriteri-

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Gosch in FS BFH, 1027 (1041). Gosch in FS BFH, 1027 (1041). BFH v. 24.11.2021 – I B 44/21, BStBl. II 2022, 431. Gosch in FS BFH, 1027 (1041): „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun“. Genauer: an einen vorläufig ermittelten Einkünftebetrag, s. Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 1 AStG Rz. 401 ff. (Stand: Juni 2019). Gosch in FS BFH, 1027 (1034): „Dieser Bezug ist eindeutig.“ Gosch in FS BFH, 1027 (1034). Insbesondere auf die einseitige Wirkungsweise stellt auch Schnitger, StuW 2019, 195 (198) ab. Hierzu auch Baldamus, IStR 2012, 317 (319); Endres/Freiling, PIStB 2012, 189 (191); Kußmaul/Ruiner, BB 2012, 2025 (2027 f.); Jürgen Lüdicke in Brunsbach/Endres/Lüdicke/ Schnitger, Deutsche Abkommenspolitik, IFSt-Schrift Nr. 480, 63; wohl auch kritisch Wilke, IWB 2012, 271 (274).

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Kap. 15 Rz. 15.66 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

um unter mehreren ist), hat sich dies in keiner Weise im Wortlaut und in der Systematik des Gesetzes niedergeschlagen. – Daneben beschränkt sich die Regelungswirkung des § 1 Abs. 5 Sätze 2 bis 5, Abs. 6 i.V.m. BsGaV auf die Konkretisierung der Einzelheiten des Fremdvergleichsgrundsatzes nur für die Anwendung des § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 AStG. Zwar mag Satz 3 zumindest auf den ersten Blick insoweit neutral formuliert sein, als er nur Einzelheiten „zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes“ regelt. Wie auch der BFH ausführt, lässt sich dem Wortlaut der Sätze 2 bis 5 des § 1 Abs. 5 AStG aber auch nicht unmittelbar entnehmen, dass sie unabhängig von und außerhalb des tatbestandlichen Anwendungsbereichs des § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG Regelungen für die allgemeine Einkünfteermittlung nach dem EStG enthalten. Vielmehr zeigt die systematische Verortung in § 1 Abs. 5 AStG, dass es sich um Vorschriften nur für Zwecke der Anwendung der in § 1 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 AStG geregelten Einkünftekorrektur handelt. Darauf sind die Sätze 2 ff. funktional ausgerichtet und beschränkt; sie bestimmen nichts über die Anwendung der Einkünftekorrekturvorschrift des § 1 AStG hinaus. Bei genauerer Betrachtung ist dies letztlich auch dem Wortlaut zu entnehmen, da § 1 Abs. 5 Satz 2 AStG die AOA-Grundsätze zwar nur „zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes“ regelt, womit dem Satzbau nach aber offensichtlich auf den in § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG genannten Fremdvergleichsgrundsatz Bezug genommen wird, der (über den Verweis in § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG) in § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG für Zwecke des § 1 AStG legaldefiniert ist. Die weitere Konkretisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes in § 1 Abs. 5 Satz 2 ff. AStG gilt daher nur für Zwecke der Anwendung des § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 mit dem Ziel einer Einkünftekorrektur. Auch § 1 Abs. 6 AStG verdichtet dieses Verständnis. Zudem könnten die AOA-Grundsätze in § 1 Abs. 5 Sätze 2 ff. AStG nur dann allein über den (an sich neutral verwendeten) Begriff des „Fremdvergleichsgrundsatzes“ als zwingend zu beachtender Maßstab in die allgemeine Betriebsstättengewinnermittlung und -abgrenzung transportiert werden, wenn der „Fremdvergleichsgrundsatz“ auch dort der allein entscheidende Maßstab ist; gerade das ist aber nicht der Fall: Der Fremdvergleichsgrundsatz ist nur ein (durch Auslegung ermitteltes) Hilfskriterium unter mehreren für die Bestimmung der maßgebenden Veranlassung1 und nicht selbst der allein entscheidende Maßstab für die Betriebsstättengewinnermittlung und -abgrenzung im EStG.2 Hinzu tritt ein weiteres Argument: Würde man bei der Einkünfteermittlung schon die AOA-Grundsätze in § 1 Abs. 5 Satz 2 ff. AStG anwenden, so wären die Einkünfte bereits nach allgemeinen Grundsätzen zutreffend i.S.d. § 1 Abs. 5 AStG ermittelt und die Einkünftekorrekturnorm des § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 AStG liefe leer; das aber widerspräche allgemeinen Auslegungsgrundsätzen. Nach alledem wirkt die isolierende Aufteilung der Sätze des § 1 Abs. 5 AStG angesichts dieser offensichtlichen engen systematischen Verknüpfung gekünstelt, was es dann auch ausschließt, die Regelungen in § 1 Abs. 5 Sätze 2 bis 5 AStG 1 Andresen in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 4.235; Wassermeyer, IStR 2005, 84 (85). S. auch Rz. 15.36. 2 Kumpf/Roth, DB 2000, 741 (744); Wassermeyer in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstättenhandbuch2, Rz. 1.31. S. auch Rz. 15.36.

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C. Grundsätze der Zuordnung von WG zu BS | Rz. 15.68 Kap. 15

bei der Auslegung des Veranlassungsprinzip im Wege einer wertenden Konkretisierung zu berücksichtigen.1 – An dieser beschränkten Regelungsreichweite des § 1 Abs. 5 AStG nehmen über § 1 Abs. 6 AStG auch die BsGaV und die in ihr enthaltenen Zuordnungsregelungen Teil. Die BsGaV findet ihre Rechtsgrundlage in § 1 Abs. 6 AStG, die das BMF mit Zustimmung des Bundesrates nur dazu ermächtigt, Einzelheiten des Fremdvergleichsgrundsatzes i.S.d. § 1 Abs. 1, 3 bis 3c und Abs. 5 durch Rechtsverordnung festzulegen. Damit sind die Grundsätze der BsGaV funktional ausgerichtet und beschränkt auf die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes i.S.d. § 1 Abs. 5 Sätze 2 ff. AStG, der seinerseits funktional auf die Anwendung der Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 AStG ausgerichtet und beschränkt ist. Für eine weitergehende Regelungswirkung der BsGaV für die Einkünfteermittlung – auch wenn diese ihr selbst entnommen werden könnte2 – fehlt ihr mithin die (verfassungsrechtlich) nötige Ermächtigungsgrundlage.3 Schicksal der Zentralfunktionsthese. Mit den Zuordnungsgrundsätzen des AOA in § 1 Abs. 5 AStG i.V.m. BsGaV ist die These der Zentralfunktion des Stammhauses (vgl. Rz. 15.54) nicht zu vereinbaren.4 Sie ist daher auch bei der Anwendung des § 1 Abs. 5 AStG nicht zu berücksichtigen. Da aber § 1 Abs. 5 AStG u.E. keinen allgemeinen Maßstab zur Gewinnermittlung und -abgrenzung enthält, führt die Norm allein auch nicht dazu, dass die FinVerw. die Zentralfunktionsthese (ungeachtet der an ihr geübten Kritik, vgl. Rz. 15.57 sowie ihres Leerlaufens im Rahmen einer rechtlichen Entstrickung, vgl. Rz. 15.58) insoweit aufgeben müsste.5

15.67

III. Zuordnung nach Abkommensrecht 1. Rechtsgrundlagen Grundsätze. Die umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorbehalte stellen durchweg auf das Besteuerungsrecht an dem Gewinn aus der Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter ab. Abzustellen ist also auf die Veräußerungsgewinnbesteuerung. Aus abkommensrechtlicher Sicht richtet sich die Verteilung der Besteuerungsrechte an Veräußerungsgewinnen im unternehmerischen Bereich grundsätzlich nach Art. 7 OECD-MA. Jedoch ordnet Art. 7 Abs. 4 OECD-MA an, dass vorrangig die (Rechtsfolgende der) speziellen Verteilungsartikel anzuwenden sind, auch wenn die betreffenden Einkünfte der Sache nach (auch) Unternehmensgewinne i.S.d. Art. 7 1 Ebenso BFH v. 24.11.2021 – I B 44/21, BStBl. II 2022, 431: „Eine entsprechende „Ausstrahlwirkung“ kann in § 1 Abs. 5 AStG auch nicht hineingelesen werden. Hierfür spricht auch die systematische Stellung der Vorschrift im AStG“. 2 So mit Hinweis auf § 3 Abs. 1 Satz 2 Schaumburg/Puls in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 21.36. 3 S. nur Schaumburg/Puls in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 21.36 m.w.N. 4 Baldamus, IStR 2012, 317 (319); Wassermeyer, IStR 2012, 277 (280); Schneider/Ruoff/Sistermann, FR 2012, 1 (4); in diese Richtung auch Ropohl/Sonntag in Haase/Hruschka, § 11 UmwStG Rz. 133; s.a. Kumpf/Roth, DB 2000, 741 (746) zur Vereinbarkeit bzgl. Finanzmittel mit der Selbständigkeitsfiktion. 5 Gl.A. Kahle/Kindich, GmbHR 2017, 341 (345); Gosch, JbFSt 2015/2016, 410.

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15.68

Kap. 15 Rz. 15.68 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

OECD-MA sind. Soweit demnach die Tatbestandsvoraussetzungen eines speziellen Verteilungsartikels erfüllt sind, richtet sich das Besteuerungsrecht grds. nach diesem Artikel. Eine Rückausnahme gilt hingegen, wenn der spezielle Verteilungsartikel wiederum einen Rückverweis auf Art. 7 OECD-MA enthält (sog. Betriebsstättenvorbehalt). Sind die Voraussetzungen dieses Betriebsstättenvorbehalts erfüllt, so ist nicht der spezielle Verteilungsartikel, sondern letztlich doch wieder Art. 7 OECD-MA anzuwenden. Art. 7 OECD-MA nimmt diesen Rückverweis als abschließend an.

15.69 Anzuwendende Verteilungsartikel (Überblick). Nach diesen Grundsätzen (s. Rz. 15.68) ist Art. 13 OECD-MA vorrangig für die Verteilung des Besteuerungsrechts an Veräußerungsgewinnen anzuwenden. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass Art. 13 OECD-MA keine Rückverweisung auf Art. 7 OECD-MA in Form eines sog. Betriebsstättenvorbehalts enthält (s. aber zur einheitlichen Auslegung i.S.d. Betriebsstättenvorbehalte durch die FinVerw. Rz. 15.70). Das bedeutet, dass Art. 7 OECD-MA nicht anzuwenden ist, soweit der Anwendungsbereich des Art. 13 OECD-MA reicht. Daraus ergeben sich Abgrenzungsfragen danach, welche Einkünfte unter Art. 13 OECD-MA und welche unter Art. 7 OECD-MA zu subsumieren sind (vgl. Rz. 15.71). 2. Art. 13 OECD-MA

15.70 Art. 13 Abs. 2 OECD-MA. Für die Betriebsstättenzuordnung von Gewinnen aus der Veräußerung beweglichen Betriebsvermögens einer Betriebsstätte stellt das OECDMA nicht auf die „tatsächliche“ Zugehörigkeit eines Wirtschaftsguts zur Betriebsstätte ab. Nach Art. 13 Abs. 2 OECD-MA wird ein entsprechender Veräußerungsgewinn vielmehr bereits dann im Betriebsstättenstaat besteuert, wenn das veräußerte bewegliche Vermögen als „Betriebsvermögen einer Betriebsstätte“ anzusehen ist. Da das Abkommen den Begriff „Betriebsvermögen“ regelmäßig nicht eigens definiert, ist nach (umstr.)1 Auffassung des BFH2 über Art. 3 Abs. 2 OECD-MA für eine Betriebsstättenzuordnung nach Art. 13 Abs. 2 OECD-MA (im Gegensatz zu den abkommensrechtlichen Betriebsstättenvorbehalten) das innerstaatliche Veranlassungsprinzip i.S. einer wirtschaftlichen Zugehörigkeit maßgebend, d.h. die allein auf innerstaatlichem Recht beruhende (steuer-)rechtliche Zuordnung zum steuerlichen Betriebs(stätten)vermögen. Die Einschränkung auf eine „tatsächliche“ Zugehörigkeit, die aus Sicht des BFH ein Abweichen von der rein (steuer-)rechtlichen Zugehörigkeit zulässt, enthält Art. 13 Abs. 2 eben nicht. Damit ist zugleich die Folge verbunden, dass es sich z.B. bei Beteiligungserträgen nicht entsprechend der sog. funktionalen Betrachtungsweise3 zwingend (wie bei einer „tatsächlichen“ Zugehörigkeit) um Nebenerträge einer (aktiven) Betriebsstättentätigkeit handeln muss, bei der nach der Verkehrsauffassung das Schwergewicht der in der Betriebsstätte ausgeübten Unternehmenstätigkeit liegt.4 Bei Personengesellschaften kann auch die steuerrechtliche Zugehörigkeit einer Beteiligung zum Gesamthandsvermögen oder Sonderbetriebs1 2 3 4

Zur Kritik etwa Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 MA Rz. 77a (Stand: Mai 2011). BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414. BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563. BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414.

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C. Grundsätze der Zuordnung von WG zu BS | Rz. 15.72 Kap. 15

vermögen1 der (originär gewerblich tätigen) Personengesellschaft dazu führen, dass die Beteiligung i.S.d. Art. 13 Abs. 2 Betriebsvermögen der Betriebsstätte der Personengesellschaft ist; hat die Personengesellschaft (oder der Mitunternehmer) allerdings mehr als eine Betriebsstätte, ist nach Sicht des BFH (wie beim Einzelunternehmen) zusätzlich zu prüfen, zu welcher Betriebsstätte ein vorrangiger Veranlassungszusammenhang besteht.2 Aus Sicht der FinVerw. ist Art. 13 Abs. 2 OECD-MA dagegen wie ein abkommensrechtlicher Betriebsstättenvorbehalt zu verstehen.3 Nach dieser Auffassung erfordert die Betriebsstättenzuordnung eines entsprechenden Veräußerungsgewinns die tatsächliche Zugehörigkeit des Quellenwirtschaftsguts zur Betriebsstätte. Dafür ist nach Verwaltungssicht wiederum die Zuordnung nach § 1 Abs. 5 AStG (d.h. insb. Personalfunktionen) maßgebend.4 Die FinVerw. stellt damit höhere Anforderungen an die Betriebsstättenzuordnung von Gewinnen aus der Veräußerung beweglichen Betriebsvermögens. Auf Basis der Rechtsauffassung des BFH reicht es für eine Betriebsstättenzuordnung aus, dass das betreffende Wirtschaftsgut als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden kann.5 Verhältnis zu Art. 7 OECD-MA. Hinsichtlich der Abgrenzung zwischen den Tatbeständen des Art. 13 Abs. 2 und Art. 7 herrscht die Ansicht vor, dass Art. 13 Abs. 2 die Veräußerung von Anlagevermögen betrifft, während Art. 7 auf die Veräußerung von Umlaufvermögen anzuwenden ist.6 Der BFH hat die Frage bisher offen gelassen. Praktisch zu entscheiden wäre dies nur, wenn man die Zuordnungsmaßstäbe in Art. 13 Abs. 2 und Art. 7 nicht als identisch einstufte. Vor Einführung des AOA legte zwar auch der BFH die Zuordnungsmaßstäbe in beiden Artikeln übereinstimmend nach dem Veranlassungsprinzip i.S. wirtschaftlicher Zugehörigkeit aus.7 Nach Einführung des AOA kann dies jedoch nunmehr in Zweifel gezogen werden.8

15.71

3. Art. 7 OECD-MA Abkommensrechtlicher Fremdvergleichsgrundsatz. Besteht mit dem Betriebsstättenstaat ein DBA, ist zu prüfen, inwieweit ein innerstaatlich bestehendes Besteuerungsrecht für einen nach den nationalen Grundsätzen ermittelten Betriebsstättengewinn abkommensrechtlich nach Art. 7 OECD-MA beschränkt wird. Die Prüfung erfolgt anhand des abkommensrechtlichen Fremdvergleichsgrundsatzes (Art. 7 Abs. 2 OECD-MA). Leitbild dieser Vorschrift ist die für Gewinnabgrenzungszwecke fiktiv verselbstständigte Betriebsstätte. Nach dem Fremdvergleichsgrundsatz werden die 1 Dazu BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414. 2 Vgl. BFH v. 29.11.2017 – I R 58/15, BFH/NV 2018, 684. 3 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 (2014/0599097), BStBl. I 2014, 1258 Rz. 2.2.4.1. 4 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 (2014/0599097), BStBl. I 2014, 1258 Rz. 2.2.4.1. 5 Hierzu auch Schönfeld, IStR 2011, 497 (498 f.). 6 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 MA Rz. 2; Gosch in Gosch/Kroppen/Grotherr, Art. 13 MA Rz. 5 (November 2019); a.A. Reimer in V/L, Art. 13 Rz. 6. 7 BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791; BFH v. 12.6.2013 – I R 47/12, BStBl. II 2014, 770; s. aber BFH 8.9.2010 – I R 74/09, BStBl. II 2014, 788. 8 Vgl. dazu etwa Gosch in Gosch/Kroppen/Grotherr, Art. 13 MA Rz. 84 (November 2019).

Korff/Erdem | 1095

15.72

Kap. 15 Rz. 15.72 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

Gewinne eines Unternehmens einer Betriebsstätte insoweit zugerechnet, als der ermittelte Gewinn einer fiktiv selbstständigen und vom Stammhaus unabhängigen Betriebsstätte zuzurechnen wäre (Dealing at Arm’s Length-Prinzip). Der abkommensrechtliche Fremdvergleichsgrundsatz ist nach der Literaturauffassung nicht nur für die Gewinnabgrenzung, sondern auch für die Zuordnung der zugrunde liegenden Wirtschaftsgüter maßgeblich.1

15.73 Bis Art. 7 OECD-MA 2008: Bisheriges Konzept der eingeschränkten Selbstständigkeit der Betriebsstätte. Niedergelegt ist der abkommensrechtliche Fremdvergleichsgrundsatz in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA. Bis zur Neufassung des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 im Rahmen der OECD-MA-Revision 2010 (s. unten Rz. 15.74) ging die wohl herrschende Auffassung, der auch der BFH2 gefolgt ist, vom Konzept der eingeschränkten Selbstständigkeit der Betriebsstätte aus. Dies bedeutet, dass eine Betriebsstätte für Zwecke des abkommensrechtlichen Fremdvergleichs nur im Verkehr mit Dritten die vollständige Selbstständigkeit aufweist, nicht jedoch im innerbetrieblichen Leistungsaustausch mit dem Stammhaus. Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätten sind als reine Innentransaktionen grundsätzlich steuerlich irrelevant und somit auch nicht Gegenstand des Fremdvergleichs.3 Nach diesem Konzept kann eine Betriebsstätte nur dann einen Gewinn erzielen, wenn auch das Gesamtunternehmen einen Gewinn erzielt. Die weit überwiegende Mehrzahl der von Deutschland abgeschlossenen DBA enthält noch den Fremdvergleichswortlaut, wie er vor der OECD-MA-Revision 2010 Bestand hatte. Den Maßstab für die Zuordnung entnahm der BFH dem im innerstaatlichen Recht geltenden Veranlassungsprinzip i.S. einer wirtschaftlichen Zugehörigkeit.4 15.74 Functionally Separate Entity Approach (AOA) gem. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010. Im Rahmen der OECD-MA-Revision 2010 wurden u.a. Art. 7 Abs. 2 OECDMA und die entsprechenden Erläuterungen im OECD-MK neu gefasst. Nach dem in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA nunmehr niedergelegten Functionally Separate Entity Approach, welcher seitens der OECD als Leitbild der Betriebsstättengewinnabgrenzung angesehen wird und mit dem Begriff des Authorised OECD Approach (AOA) belegt ist, wird eine Betriebsstätte als völlig selbstständiges und unabhängiges Unternehmen fingiert. Maßstab für die Zuordnung sind danach die maßgebenden Personalfunktionen. Auch fiktive Innentransaktionen (z.B. Darlehens-, Miet-, Dienstleistungs- oder Lizenzverhältnisse) zwischen Stammhaus und Betriebsstätte (sog. Dealings) sind hiernach zu berücksichtigen und zum Fremdvergleichspreis – also mit Gewinnauf-

1 Andresen in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.153; Nowotny, Betriebsstättengewinnermittlung, 52; Roth in Jürgen Lüdicke, Zurechnung von Wirtschaftsgütern im Internationalen Steuerrecht, 87 (110). 2 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 142. Zur Rechtsauffassung des BFH ausführlich Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 142 ff.; Korff, Abkommensrechtliche Besteuerungskonflikte, 301 ff. 3 Kußmaul/Ruiner/Delarber, Ubg 2011, 837 (838). 4 BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791; BFH v. 12.6.2013 – I R 47/12, BStBl. II 2014, 770.

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C. Grundsätze der Zuordnung von WG zu BS | Rz. 15.75 Kap. 15

schlag – abzurechnen.1 Durch das neue Konzept kann einer Betriebsstätte selbst dann ein Gewinn zugeordnet werden, wenn das Gesamtunternehmen einen Verlust erzielt. Aus deutscher Sicht hat die Neufassung bisher Eingang in die neuen DBA mit Armenien, Großbritannien, Irland, Japan, Liechtenstein, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen und den USA gefunden.2 Angesichts der höchstrichterlich entschiedenen3 Maßgeblichkeit ausschließlich älterer Fassungen des OECD-MK (und des OECD-MA) für die Abkommensauslegung (sog. statische Anwendung allein beim Abkommensabschluss vorliegender Fassungen des OECD-MK/-MA) bleibt abzuwarten, ob die angestrebte Umsetzung der uneingeschränkten fiktiven Betriebsstättenselbstständigkeit auch jene DBA betrifft, die eine dem Vorgängerwortlaut des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Norm enthalten.4 Aus innerstaatlicher Sicht ist § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG (sog. Reverse Treaty Override) zu berücksichtigen.5 IV. Zwischenergebnis Veranlassungsprinzip oder Personalfunktionen. Für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern und Betriebsstätteneinkünften sind folglich – je nach verfolgter Ansicht – entweder das Veranlassungsprinzip i.S. einer wirtschaftlichen Zugehörigkeit oder die Personalfunktionen i.S.d. AOA maßgebend. Hierauf aufbauend lässt sich das Bestehen eines inländischen Besteuerungsrechts sowie ein umwandlungsbedingt ggf. eintretender Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts im Falle eines Zuordnungswechsels bestimmen. Vor diesem Hintergrund werden die Einzelheiten beider Maßstäbe bei der nachfolgenden Betrachtung der Zuordnung ausgewählter Wirtschaftsgüter dargelegt. Hinsichtlich der AOA-Grundsätze wird entsprechend der Ansicht der FinVerw. auf die nationale Konkretisierung in der BsGaV zurückgegriffen.

1 Art. 7 Ziff. 20 OECD-MK; hierzu näher Kahle/Mödinger, IStR 2011, 757 ff.; Kußmaul/Ruiner/Delarber, Ubg 2011, 837 (840 ff.); Nouel, BIT 2011, 6 ff. Zur Diskussion der beiden unterschiedlichen Auslegungen des abkommensrechtlichen Fremdvergleichsgrundsatzes s. OECD, Report on the attribution of profits to permanent establishments v. 17.7.2008, Part 1 Rz. 59 ff. 2 S. die Abkommensübersicht bei Hemmelrath in Vogel/Lehner7, Art. 7 Rz. 90; nach Auffassung von Kahle/Mödinger betrifft dies ebenfalls das DBA Mexiko, vgl. Kahle/Mödinger, DB 2011, 2338 (2343). Daneben ist das DBA USA zu beachten, welches mit dem Vorgängerwortlaut des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA und zugleich mit einer Protokollregelung ausgestattet ist, durch die die uneingeschränkte Betriebsstättenselbständigkeit nach Literaturauffassung verankert wird; vgl. Klein in Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA USA, Art. 7 Rz. 3 u. 31; Wolff/Eimermann, IStR 2006, 837 (842); zurückhaltender Schmidt, DStR 2010, 2436 (2441); Wassermeyer, IStR 2012, 277. 3 Zur Absage an die dynamische Anwendung BFH v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, BStBl. II 2012, 106; v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 4 Insoweit kritisch Andresen, DB 2012, 879; Andresen/Busch, Ubg 2012, 451 (452); Jürgen Lüdicke in Brunsbach/Endres/Lüdicke/Schnitger, Deutsche Abkommenspolitik, IFStSchrift Nr. 480, 51 ff.; Wassermeyer, IStR 2012, 277. 5 Dazu VWG BsGa Rz. 11, Rz. 424 ff.; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 (2014/ 0599097), BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.3, Tz. 2.2.4.1.

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15.75

Kap. 15 Rz. 15.76 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

V. Zuordnung ausgewählter Wirtschaftsgüter 1. Unbewegliche Wirtschaftsgüter

15.76 Maßgeblichkeit des Belegenheitsprinzips. Bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern ist die Zuordnungsfrage regelmäßig unproblematisch. Grundstückserträge werden nach den innerstaatlichen Vorschriften üblicherweise im Belegenheitsstaat besteuert. Abkommensrechtlich wird das Besteuerungsrecht nicht beschränkt. Denn anstelle des Betriebsstättenprinzips des Art. 7 OECD-MA kommt das Belegenheitsprinzip des Art. 6 OECD-MA bzw. des Art. 13 Abs. 1 OECD-MA vorrangig zur Anwendung. Dies gilt unabhängig davon, ob die Einkünfte aus dem Grundvermögen im Rahmen eines Unternehmens erzielt werden oder nicht (Art. 6 Abs. 4 OECD-MA). 15.77 BsGaV (AOA). Für unbewegliches Vermögen, verstanden als materielles Wirtschaftsgut i.S.d. § 2 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 BsGaV, in dem die Geschäftstätigkeit einer Betriebsstätte ausgeübt wird, ordnet § 5 Abs. 2 Satz 3 BsGaV an, dass dieses der Betriebsstätte zuzuordnen ist. Dies entspricht dem Grundsatz des Art. 6 Abs. 1, Abs. 4, Art. 13 Abs. 1 OECD-MA und soll ausweislich der Verordnungsbegründung verhindern, dass durch fiktiven Mietaufwand das inländische Besteuerungssubstrat gemindert wird.1 2. Bewegliche Wirtschaftsgüter

15.78 Differenzierte Betrachtung. Bewegliche Wirtschaftsgüter sind auf Basis der allgemeinen Grundsätze nach funktionalen Gesichtspunkten i.S. eines wirtschaftlichen Zusammenhangs zuzuordnen. Die körperliche Belegenheit des betreffenden Wirtschaftsguts ist ein Indiz. Sie ist jedoch insbesondere dann nicht maßgebend, wenn das Wirtschaftsgut nur für einen kurzen Zeitraum in die Betriebsstätte verbracht wurde. Im Einzelnen gilt Folgendes: – Wirtschaftsgüter des beweglichen Sachanlagevermögens, insbesondere technische Anlagen und Maschinen, sind einer Betriebsstätte zuzuordnen, wenn sie zur Nutzung oder Verwertung in der Betriebsstätte eingesetzt werden oder dazu bestimmt sind. – Im Hinblick auf Wirtschaftsgüter des beweglichen Umlaufvermögens gilt Folgendes: Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sind dem Unternehmensteil zuzuordnen, in dem sie im Rahmen des Produktions- bzw. Dienstleistungsprozesses eingesetzt werden. Unfertige Erzeugnisse sind entsprechend den in den Unternehmensteilen entstandenen Anschaffungs- und Herstellungskosten zuzuordnen. Streitig ist die Zuordnung von fertigen Erzeugnissen, die vom Stammhaus produziert und von einer Vertriebsbetriebsstätte vertrieben werden. Wassermeyer ordnet die fertigen Erzeugnisse bis zur Realisierung des Außenumsatzes dem Stammhaus zu. Er begründet seine Ansicht im Wesentlichen damit, dass das Vermarktungs- und Vermögensrisiko im Hinblick auf die angefallenen Produktionskosten stets das Stammhaus trage und mangels Vertragsbeziehungen im Einheitsunternehmen 1 BR-Drucks. 401/14, 59.

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C. Grundsätze der Zuordnung von WG zu BS | Rz. 15.79 Kap. 15

nicht auf die Betriebsstätte verlagert werden könne.1 Der Außenumsatz werde entsprechend der Wertschöpfungsbeiträge von Stammhaus und Betriebsstätte verteilt. Im Falle eines Untergangs des Wirtschaftsguts vor dessen Veräußerung seien die bis zum Untergang entstandenen Aufwendungen dort gewinnmindernd zu berücksichtigen, wo sie angefallen sind. Nach anderer Auffassung seien die zum Verkauf bestimmten Wirtschaftsgüter sowie der Veräußerungserlös im Zeitpunkt des Außenumsatzes ausschließlich der Vertriebsbetriebsstätte zuzuordnen.2 Entscheidend ist u.E. die Frage, ob bzw. in welchem Umfang die Betriebsstätte Funktionen und Risiken (insbesondere ein etwaiges Verlustrisiko) trägt, oder diese (wie beispielsweise bei einer bloßen Vertriebstochtergesellschaft) beim Stammhaus verbleiben und die Betriebsstätte lediglich einen prozentualen Anteil des tatsächlich erzielten Veräußerungserlöses (sog. resale minus) erhält; soweit sich aufgrund der rechtlichen Unselbstständigkeit der Betriebsstätte keine unmittelbaren vertraglichen Zuordnungen ergeben, sind Funktionen und Risiken nach anderen Indikatoren (z.B. Berücksichtigung von Gewinnen/Verlusten bei der Gewinnermittlung/Incentivierung des (Vertriebs-)Managements der Betriebsstätte) zu bestimmen. Abhängig hiervon sind dann die Erlösverteilung sowie die Gewinnrealisierung auf Ebene des Stammhauses und der Betriebsstätte vorzunehmen. § 5 BsGaV (AOA). Die Zuordnung von beweglichen Wirtschaftsgütern, verstanden als materielle Wirtschaftsgüter (§ 2 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 BsGaV), richtet sich innerhalb der BsGaV nach § 5 BsGaV. Dessen Abs. 1 bestimmt in Form einer widerlegbaren Vermutung3 der „größten Bedeutung“ i.S.d. § 2 Abs. 5 BsGaV,4 dass für die Zuordnung eines materiellen Wirtschaftsguts vorrangig dessen Nutzung die maßgebliche Personalfunktion (§ 2 Abs. 5 BsGaV) darstellt. Als Personalfunktion ist dabei eine Geschäftstätigkeit (hier: die Nutzung eines Wirtschaftsguts) zu verstehen, die von eigenem Personal (§ 2 Abs. 4 BsGaV) des Unternehmens für das Unternehmen ausgeübt wird (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 BsGaV). Ein materielles Wirtschaftsgut ist also grundsätzlich der Betriebsstätte zuzuordnen, in der es tatsächlich durch eigenes Personal genutzt wird. Wird in einer anderen als der nutzenden Betriebsstätte eine andere Personalfunktion (insb. Anschaffung, Herstellung, Verwaltung, Veräußerung) in Bezug auf das materielle Wirtschaftsgut ausgeübt (sog. Personalfunktionenkonkurrenz),5 die gegenüber dessen Nutzung „eindeutig überwiegt“, so ordnet § 5 Abs. 2 BsGaV (in Form einer Widerlegung der Vermutung nach Abs. 1)6 eine Zuordnung zu dieser anderen Betriebsstätte an. Nach Verwaltungsansicht soll das eindeutige Überwiegen

1 Wassermeyer, IStR 2005, 84 (87); Wassermeyer, IStR 2012, 277 (278). 2 Hruschka/Lüdemann, IStR 2005, 76 (81). 3 VWG BsGa Rz. 41; Leonhardt/Tcherveniachki in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 1 AStG Rz. 2944 (Stand: Oktober 2017). 4 Danach ist als Grundsatz eine Personalfunktion für die Zuordnung maßgeblich, wenn der Ausübung dieser Personalfunktion im Verhältnis zu den in anderen Betriebsstätten ausgeübten Personalfunktionen die „größte Bedeutung“ zukommt. 5 VWG BsGa Rz. 43. 6 Bärsch in Herrmann/Heuer/Raupach, Anhang zu § 49 EStG Anm. 25 a.E. (Stand: Dezember 2017).

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15.79

Kap. 15 Rz. 15.79 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

im Sinne einer größeren wirtschaftlichen Bedeutung zu verstehen sein, die anhand qualitativer Gesichtspunkte, d.h. nach den jeweiligen Erfolgsbeiträge (Wertschöpfungsbeiträgen), und nicht nach quantitativen Gesichtspunkten (z.B. Kosten) zu bestimmen ist.1 Werden (mehrere)2 andere Personalfunktionen als die Nutzung gleichzeitig in verschiedenen (einschließlich der nutzenden)3 Betriebsstätten ausgeübt, die jeweils gegenüber der Nutzung eindeutig überwiegen, ist unter diesen anderen Personalfunktionen diejenige maßgebend, die die „größte Bedeutung“ für das materielle Wirtschaftsgut hat (§ 5 Abs. 3 BsGaV). Kann ein materielles Wirtschaftsgut nach alledem nicht eindeutig zugeordnet werden, so ist nach § 5 Abs. 4 BsGaV eine Zuordnung vorzunehmen, die den Abs. 1 bis 3 nicht widerspricht. Das räumt dem Unternehmen einen gewissen (von der FinVerw. zu respektierenden) Beurteilungsspielraum ein. Der Wortlaut des § 5 Abs. 4 BsGaV scheint auch offen dafür zu sein, den Fall einer anteiligen Zuordnung eines materiellen Wirtschaftsguts zu mehreren Betriebsstätten zu erfassen (vgl. aber möglicher Umkehrschluss aus § 6 Abs. 4 Satz 2 BsGaV). Nach Verwaltungsauffassung ist eine anteilige Zuordnung allerdings „grundsätzlich“ nicht anzuerkennen (Ausnahme: immaterielle Werte, s. § 6 Abs. 4 Satz 2 BsGaV).4 3. Beteiligungen (Holdingbetriebsstätte)

15.80 Anwendung der allgemeinen Grundsätze. Beteiligungen sind nach Ansicht der FinVerw. gemäß der Zentralfunktionsthese in der Regel dem Stammhaus zuzurechnen. Dagegen gelten nach der – u.E. zutreffenden – herrschenden Auffassung im Schrifttum und der jüngsten BFH-Rechtsprechung auch für Beteiligungen die allgemeinen Grundsätze, d.h., es erfolgt eine Zuordnung nach dem funktionalen Zusammenhang oder – bei ungebundenem Vermögen – nach dem Willen der Geschäftsleitung.5 15.81 Funktionaler Zusammenhang bei Beteiligungen. Zu klären ist somit, welche Anforderungen an einen funktionalen Zusammenhang bei Beteiligungen zu stellen sind. Die Tatsache, dass die Beteiligung das Vermögen der Betriebsstätte mehrt bzw. verstärkt, soll nach teilweise vertretener Ansicht nicht ausreichen.6 Vielmehr muss die Beteiligung der Betriebsstättentätigkeit dienen und zu ihrem Betriebsergebnis beitra-

1 VWG BsGa Rz. 43. 2 Unklar scheint, ob für § 5 Abs. 3 BsGaV auch in den anderen Betriebsstätten jeweils andere Personalfunktionen ausgeübt werden müssen (Personenfunktionenkonkurrenz) oder auch der Fall erfasst ist, dass dieselbe andere Personalfunktion in mehreren Betriebsstätten ausgeübt wird (Personalfunktionsaufteilung). 3 Bärsch in Herrmann/Heuer/Raupach, Anhang zu § 49 EStG Anm. 82 (Stand: Dezember 2017). 4 VWG BsGa Rz. 45 a.E., Rz. 84 a.E.; s.a. BR-Drucks. 401/14, 60. 5 In diesem Zusammenhang kritisch Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 13 OECDMA Rz. 77a m.w.N. (Stand: Mai 2011), wonach es bei der Anwendung des Art. 13 Abs. 2 OECD-MA – entgegen der BFH-Rechtsprechung – auf die tatsächliche Zugehörigkeit ankommen soll (analog zu Art. 10–12 und 21 OECD-MA). Eine Zuordnung (nur) nach dem Willen der Geschäftsleitung wäre nach dieser Auffassung nicht möglich. 6 Blumenberg in FS Schaumburg, 559 (574).

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C. Grundsätze der Zuordnung von WG zu BS | Rz. 15.82 Kap. 15

gen.1 Es kommt grundsätzlich auf ein wirtschaftliches Abhängigkeits- oder zumindest Unterstützungsverhältnis zwischen dem Geschäftszweck der Betriebsstätte und dem Betrieb der Beteiligungsgesellschaft an.2 In der Literatur wird als klassisches Beispiel eine Produktionsbetriebsstätte genannt, deren Produkte ausschließlich über Tochterkapitalgesellschaften vertrieben werden. In diesem Fall steht der Anteilsbesitz an den Vertriebskapitalgesellschaften in einem funktionalen Zusammenhang zu der Produktionstätigkeit, so dass die Anteile der Betriebsstätte zuzuordnen sind3 und die Beteiligungserträge insoweit auch in Einklang mit der BFH-Rechtsprechung als Nebenerträge einer aktiven Betriebsstättentätigkeit einzustufen sind. Gleiches kann für den Beteiligungsbesitz einer Vertriebsbetriebsstätte an weiteren Vertriebsgesellschaften gelten, sofern die Vertriebsbetriebsstätte in den Sitzstaaten der Beteiligungsunternehmen selbst Vertriebsfunktionen übernimmt und der Beteiligungsbesitz insoweit nach der funktionalen Betrachtungsweise durch die Betriebsstätte genutzt wird.4 Das FG Köln hat schließlich die funktionale Zugehörigkeit der Beteiligung an einer Produktionskapitalgesellschaft zur Vertriebsbetriebsstätte des Mutterunternehmens bejaht.5 Holdingbetriebsstätte. In der Praxis von besonderer Bedeutung ist die Frage, ob Beteiligungen auf Basis eines funktionalen Zusammenhangs auch einer sog. Holdingbetriebsstätte zugeordnet werden können. Hierbei ist zunächst zu beachten, dass die Tätigkeit der Holdingbetriebsstätte über das bloße Halten und Verwalten von Beteiligung(en) hinausgehen muss. Denn bei einer rein vermögensverwaltenden Tätigkeit liegen mangels Geschäftstätigkeit i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c, Art. 5 Abs. 1 OECDMA keine Unternehmensgewinne und somit auch keine Betriebsstätte vor.6 Jedoch stellt die Ausübung einer geschäftsleitenden Holdingfunktion7 (dazu Rz. 15.72) eine solche Geschäftstätigkeit dar (sog. Managementholdingbetriebsstätte). Gleichzeitig begründet die Ausübung von geschäftsleitenden Holdingfunktionen im Hinblick auf die Beteiligungsunternehmen einen hinreichenden funktionalen Zusammenhang für eine Zuordnung der jeweiligen Beteiligungen zur Holdingbetriebsstät-

1 BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771; Grützner in Gosch/Kroppen/Grotherr, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 49/1 (Stand: August 2004); Kaeser/Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 164 (Stand: August 2012). 2 Blumenberg, FS Schaumburg 2009, 559 (575); Goebel/Boller/Ungemach, IStR 2008, 643 (647). 3 Looks/Maier in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung2, Rz. 774; Sieker in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 147 (152). 4 In diese Richtung auch BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. 5 FG Köln v. 29.3.2007 – 10 K 4671/04, DStRE 2007, 1320. Im Revisionsverfahren (BFH v. 2.4.2008 – I R 38/07, BFH/NV 2009, 881) wurde die Sache aus anderen Gründen an das FG zurückverwiesen, mittlerweile ist das Verfahren in der Hauptsache erledigt. 6 Zur Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals zusammenfassend Korff, Abkommensrechtliche Besteuerungskonflikte, 196 ff. 7 Dazu ausf. Schönfeld/Erdem in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 50d Abs. 3 EStG Rz. 434 ff. mit Checkliste geschäftsleitender Funktionen dort in Rz. 459, zur Zuordnung dort Rz. 463 (Stand: März 2022).

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Kap. 15 Rz. 15.82 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

te.1 Diese Auffassung deckt sich mit der Ansicht des BFH2 sowie der herrschenden Meinung im Schrifttum.3 Im Übrigen bleibt zu beachten, dass in den Fällen einer geschäftsleitenden Holdingbetriebsstätte, die auch eine Finanzierungsfunktion gegenüber ihren Beteiligungsgesellschaften übernimmt, dieser insbesondere auch die entsprechenden Forderungen (Ausleihungen, Darlehen etc.) zuzuordnen sind.4

15.83 Geschäftsleitende Holdingfunktion.5 Vor diesem Hintergrund stellt sich in Ermangelung einer Definition die Frage, was genau unter einer geschäftsleitenden Holdingfunktion zu verstehen ist. U.E. gehören hierzu die üblichen Funktionen, die eine Managementholdinggesellschaft ausüben kann.6 Hierunter fällt einerseits die Ausübung einer einheitlichen Leitung durch die Betriebsstätte in Bezug auf die Gesellschaften, deren Anteile der Betriebsstätte zugeordnet werden (sollen). Hierbei sollte die einheitliche Leitung durch äußere Merkmale erkennbar sein, wie z.B. durch Richtlinien, schriftliche Weisungen und sonstige dokumentierte Führungsentscheidungen. Nicht ausreichend ist dagegen, wenn sich die Tätigkeit auf die Ausübung von Gesellschafterrechten beschränkt. Andererseits liegen Managementholdingfunktionen auch dann vor, wenn die Betriebsstätte Dienstleistungen gegenüber der Gesellschaft erbringt, deren Anteile der Betriebsstätte zugeordnet werden (sollen). Hierunter fallen insbesondere die Übernahme der Finanzbuchhaltung sowie die Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen EDV, Personal, Finanzen (z.B. Cash Pooling), Steuern und Recht. Nicht erforderlich ist u.E., dass die einheitliche Leitung bzw. die Erbringung von Dienstleistungen an mehrere Gesellschaften zu erfolgen hat; es reicht vielmehr aus, wenn geschäftsleitende Holdingfunktionen gegenüber derjenigen Gesellschaft ausgeübt werden, deren Anteile der Betriebsstätte zugeordnet werden (sollen).7 Selbst1 Schönfeld/Erdem in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 50d Abs. 3 EStG Rz. 463 (Stand: März 2022); Häck/Erdem in Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA-Schweiz, Art. 10 Rz. 144 (Stand: Oktober 2021); Schönfeld in Schönfeld/Ditz2, Art. 10 Rz. 203; Kraft/Ungemach, DStZ 2015, 716; Ditz/Tcherveniachki, DB 2015, 2897; Dötsch/Pung, DB 2014, 1215; s.a. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510; BFH v. 24.2.2005 – IV R 12/03, BStBl. II 2006, 361, juris Rz. 24; in Abgrenzung dazu zuvor noch BFH v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771. 2 BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. 3 Stv. Blumenberg in FS Schaumburg, 559 (576); Breuninger in FS Schaumburg, 587 (605 f.); Goebel/Boller/Ungemach, IStR 2008, 643 (648); Haun/Reiser/Mödinger, GmbHR 2010, 637 (640 f.); Looks/Maier in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung2, Rz. 777; Schönfeld, IStR 2008, 370 (371). 4 Blumenberg in FS Schaumburg, 559 (576). 5 Dazu ausf. Schönfeld/Erdem in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 50d Abs. 3 EStG Rz. 434 ff. mit Checkliste geschäftsleitender Funktionen dort in Rz. 459, zur Zuordnung dort Rz. 463, jew. m.w.N. (Stand: März 2022). 6 In Anlehnung an die Anforderungen an die Gewerblichkeit einer geschäftsleitenden Holdingpersonengesellschaft für Zwecke der Organträgereigenschaft gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG sowie an die eigene Wirtschaftstätigkeit i.S.d. § 50d Abs. 3 EStG. Siehe in diesem Zusammenhang Dötsch/Witt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, § 14 KStG Rz. 97 m.w.N. (Stand: Oktober 2009); Petersen, IStR 2012, 238 (243). 7 Zur Begründung Schönfeld/Erdem in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 50d Abs. 3 EStG Rz. 439 (Stand: März 2022).

1102 | Korff/Erdem

C. Grundsätze der Zuordnung von WG zu BS | Rz. 15.85 Kap. 15

verständlich sollte die Betriebsstätte für die Ausübung dieser Funktionen über die entsprechende personelle und sachliche Ausstattung verfügen. In welchem Umfang eine Managementholding-Betriebsstätte im konkreten Fall Geschäftsleitungsfunktionen gegenüber den ihr zuzuordnenden Tochtergesellschaften ausüben soll, hängt insbesondere davon ab, ob das Stammhaus ebenfalls Funktionen gegenüber diesen Tochtergesellschaften ausübt. Ist dies nicht der Fall, reichen in der Regel bereits geschäftsleitende Holdingmaßnahmen in einem geringeren Umfang für die Zuordnung der Beteiligungen zur Betriebsstätte aus. Andernfalls ist zu prüfen, ob eine Funktionenkonkurrenz bzw. -aufteilung durch eine Erweiterung der geschäftsleitenden Holdingfunktionen zugunsten der Betriebsstätte gelöst werden kann. Zuordnungsfrage bei Holdingbetriebsstätte nachrangig. In der Praxis wird regelmäßig die Frage im Fokus stehen, ob überhaupt dem Grunde nach eine geschäftsleitende Holdingbetriebsstätte vorliegt. Die Bedeutung der Zuordnungsfrage wird dahinter regelmäßig zurückstehen. Das liegt daran, dass die Hürden für die Annahme einer geschäftsleitenden Holdingtätigkeit bereits (jedenfalls nach Ansicht der FinVerw.) so hoch sind, dass die sich daran anschließende Zuordnung nahezu zwangsläufige Folge ist.1 In diesen Fällen kann sogar davon gesprochen werden, dass die Beteiligungen an den geleiteten Tochtergesellschaften „wesentliche Betriebsgrundlage“ der geschäftsleitenden Holdingtätigkeit sind. Denn ohne die Beteiligungen könnte die geschäftsleitende Holdingtätigkeit faktisch nicht ausgeübt werden; beide Elemente (Holdingtätigkeit und Beteiligungen an geleiteten Gesellschaften) sind untrennbar miteinander verbunden.2 Gleiches gilt demzufolge auch für das Verhältnis von Annahme einer geschäftsleitenden Holdingtätigkeit und der Zuordnung der geleiteten Beteiligungen zu dieser.

15.84

§ 7 BsGaV (AOA). Die Zuordnung von Beteiligungen richtet sich innerhalb der BsGaV nach § 7 BsGaV.

15.85

– Dessen Abs. 1 bestimmt in Form einer widerlegbaren Vermutung3 der „größten Bedeutung“ i.S.d. § 2 Abs. 5 BsGaV,4 dass für die Zuordnung einer Beteiligung vorrangig dessen Nutzung die maßgebliche Personalfunktion (§ 2 Abs. 5 BsGaV) darstellt. Als Personalfunktion ist dabei grds. eine Geschäftstätigkeit zu verstehen, die von eigenem Personal (§ 2 Abs. 4 BsGaV) des Unternehmens für das Unternehmen ausgeübt wird (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 BsGaV). Entscheidend ist aber, dass sich nach § 7 Abs. 1 Satz 2 BsGaV die Nutzung aus dem funktionalen Zusammen1 Schönfeld/Erdem in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 50d Abs. 3 EStG Rz. 463 (Stand: März 2022); Häck/Erdem in Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA-Schweiz, Art. 10 Rz. 144 (Stand: Oktober 2021); Schönfeld in Schönfeld/Ditz2, Art. 10 Rz. 203; s.a. BFH v. 24.2.2005 – IV R 12/03, BStBl. II 2006, 361, juris Rz. 24. 2 Zu alledem Schönfeld/Erdem in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 50d Abs. 3 EStG Rz. 463 (Stand: März 2022). 3 VWG BsGa Rz. 41; Leonhardt/Tcherveniachki in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 1 AStG Rz. 2944 (Stand: Oktober 2017). 4 Danach ist als Grundsatz eine Personalfunktion für die Zuordnung maßgeblich, wenn der Ausübung dieser Personalfunktion im Verhältnis zu den in anderen Betriebsstätten ausgeübten Personalfunktionen die „größte Bedeutung“ zukommt.

Korff/Erdem | 1103

Kap. 15 Rz. 15.85 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

hang zur Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte ergibt.1 Damit wird dem Wortlaut nach an die Rechtsprechung des BFH zur Zuordnung nach der tatsächlichen Zugehörigkeit i.S.d. DBA-Betriebsstättenvorbehalte angeknüpft, auf die insoweit grundsätzlich zurückgegriffen werden kann.2 Die Gleichsetzung mit den Zuordnungsgrundsätzen der DBA-Betriebsstättenvorbehalte entspricht auch der Ansicht der FinVerw, die in Rz. 103 VWG BsGa für die Zuordnung nach dem funktionalen Zusammenhang auf die DBA-Betriebsstättenvorbehalte und die zugehörigen Ausführungen im OECD-MK verweist. Entscheidend soll sein, dass die Beteiligung der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte „dient“.3 Grundsätzlich nicht ausreichend soll nach Ansicht der FinVerw. aber die Verwaltung der Beteiligung sein (und nach teilweise vertretener Ansicht auch nicht die zusätzliche Ausübung der Gesellschafterrechte).4 Die Möglichkeit der Zuordnung zu einer geschäftsleitenden Holdingbetriebsstätte (vgl. Rz. 15.82 ff.) ist damit aber keineswegs ausgeschlossen. Nach dem Wortlaut ist nicht ganz klar, was Anknüpfungspunkt für den Zusammenhang mit der Betriebsstätte ist. Im Sinne der AOA-Grundsätze (Personalfunktion) müsste es eigentlich auf den Zusammenhang mit der durch eigenes Personal ausgeübten Geschäftstätigkeit ankommen (vgl. § 2 Abs. 3, 4 BsGaV). Dann könnte aber nicht ausnahmslos auf die Grundsätze des BFH, die nicht entscheidend auf Personalfunktionen abstellen, zurückgegriffen werden. Ein objektbezogener Zusammenhang (z.B. bei personallosen Betriebsstätten) wäre dann etwa nicht ausreichend. Dafür spräche auch die Aussage im BMF-Schreiben v. 26.9.2014, dass die Zuordnungsätze des § 1 Abs. 5 AStG (gemeint sind somit alle, nicht nur diejenigen für Beteiligungen) nur „in Grundzügen mit der Rechtsprechung zum funktionalen Zusammenhang überein[stimmen]“. Zwingend ist dies aber nicht. § 7 Abs. 1 Satz 2 BsGaV, der Gegenstand der Auslegung ist, kann auch so verstanden werden, dass er im Wege einer Fiktion eine (an sich systemwidrige) Ausnahme von der Zuordnung nach Personalfunktionen regelt. Hierfür spräche etwa Rz. 103 VWG BsGa, in der ausdrücklich auf die Abweichung vom Nutzungsbegriff i.S.d. § 5 Abs. 1 BsGaV hingewiesen wird. Ist ein funktionaler Zusammenhang mit mehreren Betriebsstätten feststellbar (Personalfunktionsaufteilung), so ist nach § 7 Abs. 1 Satz 3 BsGaV der „überwiegende“ funktionale Zusammenhang für die Zuordnung maßgebend. Das Überwiegen ist gemäß Rz. 104 VWG BsGa vorrangig nach qualitativen Gesichtspunkten zu beurteilen, wobei auf die größte Bedeutung für die mit der Beteiligung verbundenen Chancen und Risiken abzustellen sein soll (vgl. entsprechend § 10 Abs. 4 BsGaV). Wenn keine qualitativen Kriterien feststellbar sind, ist subsidiär auf quantitative Kriterien abzustellen (vgl. Beispiel in Rz. 104 VWG BsGaV). 1 Zum Widerspruch zur Zuordnung nach der Personalfunktion i.S. OECD s. Häck/Erdem in Flick/Wassermeyer/Kempermann, Art. 10 Rz. 139 (Stand: Oktober 2021). 2 Ausf. dazu Häck/Erdem in Flick/Wassermeyer/Kempermann, Art. 10 Rz. 139 f. (Stand: Oktober 2021). 3 VWG BsGa Rz. 103; näher zur BFH Rspr. Häck/Erdem in Flick/Wassermeyer/Kempermann, Art. 10 Rz. 130 ff. (Stand: Oktober 2021), dort auch zum Vergleich der Auslegungsansätze von BFH, OECD und FinVerw. (BsGaV). 4 Bärsch in Herrmann/Heuer/Raupach, Anhang zu § 49 EStG Anm. 105 (Stand: Dezember 2017). VWG BsGa Rz. 106, 80.

1104 | Korff/Erdem

C. Grundsätze der Zuordnung von WG zu BS | Rz. 15.85 Kap. 15

– Wird in einer anderen als der „nutzenden“ Betriebsstätte eine andere Personalfunktion (insb. Anschaffung, Verwaltung, Risikosteuerung, Veräußerung, s. § 7 Abs. 2 Satz 2 BsGaV) in Bezug auf das materielle Wirtschaftsgut ausgeübt (sog. Personalfunktionenkonkurrenz),1 die gegenüber dessen Nutzung (verstanden als funktionaler Zusammenhang) „eindeutig überwiegt“, so ordnet § 7 Abs. 2 Satz 1 BsGaV (in Form einer Widerlegung der Vermutung nach Abs. 1)2 eine Zuordnung zu dieser anderen Betriebsstätte an. Dabei sollen im Rahmen des § 7 Abs. 2 BsGaV nach Ansicht der FinVerw. vorrangig auf die Anschaffung und nur in Ausnahmefällen auf die Verwaltung abzustellen sein. In Bezug auf die Anschaffung ist nach Rz. 105 VWG BsGa darauf abzustellen, aufgrund welcher Personalfunktion die Mittel für die Anschaffung erwirtschaftet wurden. Daher soll einer Betriebsstätte eine Beteiligung etwa nicht zugeordnet werden können, wenn die Mittel für den Erwerb nicht durch ihr zuzuordnende Personalfunktionen erwirtschaftet wurden, auch wenn die Betriebsstätte die Beteiligungen verwaltet (vgl. Beispiele in Rz. 105, 106 VWG BsGa). Das eindeutige Überwiegen soll nach Verwaltungsansicht im Sinne einer größeren wirtschaftlichen Bedeutung zu verstehen sein, die anhand qualitativer Gesichtspunkte, d.h. nach den jeweiligen Erfolgsbeiträgen (Wertschöpfungsbeiträgen) und nicht nach quantitativen Gesichtspunkten (z.B. Kosten) zu bestimmen ist.3 – Werden (mehrere)4 andere Personalfunktionen als die Nutzung gleichzeitig in verschiedenen (einschließlich der nutzenden)5 Betriebsstätten ausgeübt, die jeweils gegenüber der Nutzung eindeutig überwiegen, ist unter diesen anderen Personalfunktionen diejenige maßgebend, die die „größte Bedeutung“ für das materielle Wirtschaftsgut hat (§ 7 Abs. 3 BsGaV). – Kann eine Beteiligung nach alledem nicht eindeutig zugeordnet werden oder ändert sich der funktionale Zusammenhang häufig, so ist nach § 7 Abs. 4 BsGaV eine Zuordnung vorzunehmen, die den Abs. 1 bis 3 nicht widerspricht. Das räumt dem Unternehmen einen gewissen (von der FinVerw. zu respektierenden) Beurteilungsspielraum ein. Der Wortlaut des § 7 Abs. 4 BsGaV scheint auch offen dafür zu sein, den Fall einer anteiligen Zuordnung einer Beteiligung zu mehreren Betriebsstätten zu erfassen (vgl. aber möglicher Umkehrschluss aus § 6 Abs. 4 Satz 2 BsGaV). Nach Verwaltungsauffassung ist eine anteilige Zuordnung allerdings „grundsätzlich“ nicht anzuerkennen (Ausnahme: immaterielle Werte, s. § 6 Abs. 4 Satz 2 BsGaV).6 1 VWG BsGa Rz. 43. 2 Bärsch in Herrmann/Heuer/Raupach, Anhang zu § 49 EStG Anm. 25 a.E. (Stand: Dezember 2017). 3 VWG BsGa Rz. 43. 4 Unklar scheint, ob für § 5 Abs. 3 BsGaV auch in den anderen Betriebsstätten jeweils andere Personalfunktionen ausgeübt werden müssen (Personenfunktionenkonkurrenz) oder auch der Fall erfasst ist, dass dieselbe andere Personalfunktion in mehreren Betriebsstätten ausgeübt wird (Personalfunktionsaufteilung). S. aber VWG BsGa Rz. 106. 5 Bärsch in Herrmann/Heuer/Raupach, Anhang zu § 49 EStG Anm. 82 (Stand: Dezember 2017). 6 VWG BsGa Rz. 45 a.E., Rz. 107 a.E.; s.a. BR-Drucks. 401/14, 60.

Korff/Erdem | 1105

Kap. 15 Rz. 15.86 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

4. Immaterielle Wirtschaftsgüter (inkl. Goodwill, Know-how)

15.86 Offene Zuordnungsfragen. Nach der Zentralfunktionsthese der FinVerw. sind immaterielle Wirtschaftsgüter (Firmenwert, Kundenstamm, Rechte und Lizenzen, Patente etc.) in der Regel dem Stammhaus zuzuordnen (vgl. Rz. 15.54 ff.). Dagegen richtet sich die Zuordnung nach allgemeiner Auffassung wie bei anderen Wirtschaftsgütern auch nach dem Grundsatz des funktionalen Zusammenhangs. Was dies im Einzelnen bedeutet, ist jedoch im Detail völlig offen. Insbesondere sind unterschiedliche Auffassungen bei der OECD einerseits und Teilen der Literatur andererseits festzustellen. Dies sei anhand der nachfolgenden beiden Beispiele erläutert: Beispiel 1: Anders als beim Sachanlagevermögen soll es bei der Zuordnung eines selbst erstellten immateriellen Wirtschaftsguts nach Auffassung der OECD nicht auf die betriebliche Nutzung ankommen, sondern auf die Frage, bei welchem Unternehmensteil die wesentlichen Entscheidungsfunktionen im Hinblick auf die Übernahme des Entwicklungsrisikos, die Projektdurchführung usw. angesiedelt sind.1 Entwickelt das Stammhaus etwa in Eigenregie ein Patent und überlässt es der Betriebsstätte zur ausschließlichen Nutzung, wäre das Patent nach dem OECD-Ansatz dennoch dem Stammhaus zuzuordnen.2 Dagegen soll nach gewichtigen Stimmen im Schrifttum die Nutzung des Wirtschaftsguts ausschlaggebend sein. Hiernach wäre von einer Übertragung des Patents auf die Betriebsstätte auszugehen.3 Beispiel 2: Auch im Fall eines entgeltlich erworbenen Wirtschaftsguts (z.B. Markenrecht) soll es nach Ansicht der OECD auf die Personalfunktion ankommen, die über den Erwerb entscheidet.4 Die Entscheidungsfunktion wird in der Regel entweder im Stammhaus oder in der Betriebsstätte angesiedelt sein. Dies hätte zur Folge, dass das Wirtschaftsgut nur einem Unternehmensteil zugeordnet würde, selbst wenn das Wirtschaftsgut von mehreren Unternehmensteilen genutzt wird (z.B. Vertrieb durch Stammhaus und Betriebsstätte). Stellt man hingegen auf die Nutzung ab, wäre das Markenrecht – wie in der Literatur5 vertreten – anteilig dem Stammhaus und der Betriebsstätte zuzuordnen. Lösung für Beispiel 1 und 2: U.E. sind die unterschiedlichen Auffassungen von OECD und dem Schrifttum dadurch zu erklären, dass die OECD entsprechend dem Functionally Separate Entity Approach von einer völligen Selbstständigkeit der Betriebsstätte ausgeht. Die Nutzung des Patents durch die Betriebsstätte im Beispiel 1 würde bei diesem Konzept durch eine fiktive Nutzungsüberlassung abgebildet. Gleiches gilt bei der Nutzung durch den Unternehmensteil, dem das Markenrecht im Beispiel 2 nicht zugeordnet wird. 1 OECD, 2010 Report on the attribution of profits to permanent establishments v. 22.7.2010, Part 1 Rz. 83 ff. 2 Dies soll sogar dann gelten, wenn ein Patent von einer Forschungsbetriebsstätte entwickelt wird, die wesentlichen Entscheidungen im Hinblick auf das Eingehen des Entwicklungsrisikos aber im Stammhaus getroffen werden und die Betriebsstätte somit als bloßer „Auftragsforscher“ tätig wird; vgl. OECD, 2010 Report on the attribution of profits to permanent establishments v. 22.7.2010, Part 1 Rz. 87 u. 90. 3 Looks/Maier in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung2, Rz. 759. 4 OECD, 2010 Report on the attribution of profits to permanent establishments v. 22.7.2010, Part 1 Rz. 93 f. 5 So Andresen in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.79.

1106 | Korff/Erdem

C. Grundsätze der Zuordnung von WG zu BS | Rz. 15.87 Kap. 15

§ 6 BsGaV (AOA). Die Zuordnung von immateriellen Werten, verstanden als immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile (vgl. § 2 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 BsGaV),1 richtet sich innerhalb der BsGaV nach § 6 BsGaV. Unter immaterielle Werte fallen etwa Konzessionen und gewerbliche Schutzrechte, Nutzungsrechte, Filmrechte, Markenrechte, Patente, Rezepte, ungeschützte Erfindungen, Lizenzrechte, Dienstbarkeiten, Kundenstamm, Rechte aus vertraglichen Wettbewerbsverboten2 oder ein Geschäfts-, Firmen-, oder Praxiswert sowie Know-how.3 Nicht erfasst sind Forderungen, die unter § 7 oder § 8 BsGaV zu fassen sind, und Beteiligungen, die unter § 7 BsGaV fallen.4 – § 6 Abs. 1 bestimmt in Form einer widerlegbaren Vermutung5 der „größten Bedeutung“ i.S.d. § 2 Abs. 5 BsGaV,6 dass für die Zuordnung eines immateriellen Werts vorrangig dessen Schaffung7 oder Erwerb8 die maßgebliche Personalfunktion (§ 2 Abs. 5 BsGaV) darstellt. Als Personalfunktion ist dabei eine Geschäftstätigkeit (hier: die Schaffung oder der Erwerb eines Wirtschaftsguts) zu verstehen, die von eigenem Personal (§ 2 Abs. 4 BsGaV) des Unternehmens für das Unternehmen ausgeübt wird (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 BsGaV). Ein immaterielles Wirtschaftsgut ist also grundsätzlich der Betriebsstätte zuzuordnen, in der es tatsächlich durch eigenes Personal geschaffen oder erworben wird. Dabei übernehmen die beiden Alternativen die bekannte Unterscheidung zwischen selbst geschaffenen immateriellen Werten (dann ist die Schaffung die vorrangige maßgebliche Personalfunktion) und erworbenen immateriellen Werten (dann ist der Erwerb die vorrangige maßgebliche Personalfunktion). Die beiden Alternativen schließen sich mithin gegenseitig aus, es kann daher hinsichtlich eines immateriellen Werts keine Personalfunktionenkonkurrenz zwischen der Schaffung und dem Erwerb geben. Nach Ansicht der FinVerw. sind in diesem Kontext von besonderer Bedeutung für die Zuordnung die Personalfunktionen mit Bezug zur aktiven und qualifizierten unternehmerischen Entscheidung hinsichtlich der Übernahme der mit der Schaffung bzw. dem Erwerb des immateriellen Werts verbundenen Risiken (insb. Tragung der finanziellen Verluste bei Fehlschlag) und des aktiven Risikomanagements.9 Nicht entscheidend ist damit, wer formal die Entscheidungen trifft, insbesondere wenn der betreffende Entscheidungsträger selbst nicht über die Qualifi1 Vgl. Leonhardt/Tcherveniachki in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 1 AStG Rz. 2957 (Stand: Oktober 2017). Vgl. nun aber auch § 1 Abs. 3c Satz 2 AStG. 2 Aufzählung nach Leonhardt/Tcherveniachki in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 1 AStG Rz. 2957 (Stand: Oktober 2017). 3 VWG BsGa Rz. 85; BR-Drucks. 401/14, 60. 4 Leonhardt/Tcherveniachki in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 1 AStG Rz. 2957 (Stand: Oktober 2017). 5 VWG BsGa Rz. 41; Leonhardt/Tcherveniachki in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 1 AStG Rz. 2944 (Stand: Oktober 2017). 6 Danach ist als Grundsatz eine Personalfunktion für die Zuordnung maßgeblich, wenn der Ausübung dieser Personalfunktion im Verhältnis zu den in anderen Betriebsstätten ausgeübten Personalfunktionen die „größte Bedeutung“ zukommt. 7 Dazu ausf. VWG BsGa Rz. 86. 8 Dazu ausf. VWG BsGa Rz. 87. 9 VWG BsGa Rz. 88.

Korff/Erdem | 1107

15.87

Kap. 15 Rz. 15.87 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

kation für eine verantwortliche Entscheidung verfügt.1 Bei selbst geschaffenen immateriellen Werten des Anlagevermögens ist zudem zu berücksichtigen, dass diese wie bei einem rechtlich selbstständigen Unternehmen grundsätzlich nicht bilanzierungsfähig und deswegen auch nicht in der Hilfs- und Nebenrechnung auszuweisen sind, bis es über die Fiktion einer Veräußerung i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 BsGaV (anzunehmende schuldrechtliche Beziehung) des übrigen Unternehmens an die Betriebsstätte als erworben gilt (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BsGaV) i.V.m. § 5 Abs. 2 EStG.2 – Wird die Personalfunktion Erwerb oder Schaffung eines immateriellen Werts in verschiedenen Betriebsstätten ausgeübt (Personalfunktionsaufteilung, nicht -konkurrenz), so ist der immaterielle Wert nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BsGaV insgesamt der Betriebsstätte zuzuordnen, in der die Personalfunktion mit der „größten Bedeutung“ für den immateriellen Wert ausgeübt wird. Maßgebend für die größte Bedeutung ist nach Verwaltungsansicht die wirtschaftlichen Bedeutung, die vorrangig anhand qualitativer Gesichtspunkte, d.h. nach den jeweiligen Erfolgsbeiträge (Wertschöpfungsbeiträgen), und nur hilfsweise nach quantitativen Gesichtspunkten (z.B. Kosten) zu bestimmen ist.3 – Wird in einer anderen als der schaffenden bzw. erwerbenden Betriebsstätte eine andere Personalfunktion (insb. Nutzung, Verwaltung, Weiterentwicklung, Schutz oder Veräußerung, § 6 Abs. 2 Satz 2 BsGaV) in Bezug auf das immaterielle Wirtschaftsgut ausgeübt (sog. Personalfunktionenkonkurrenz),4 die gegenüber dessen Schaffung oder Erwerb „eindeutig überwiegt“, so ordnet § 6 Abs. 2 Satz 1 BsGaV (in Form einer Widerlegung der Vermutung nach Abs. 1)5 eine Zuordnung zu dieser anderen Betriebsstätte an. Nach Verwaltungsansicht soll das eindeutige Überwiegen im Sinne einer größeren wirtschaftlichen Bedeutung zu verstehen sein, die anhand qualitativer Gesichtspunkte, d.h. nach den jeweiligen Erfolgsbeiträgen (Wertschöpfungsbeiträgen), und nicht nach quantitativen Gesichtspunkten (z.B. Kosten) zu bestimmen ist.6 Werden (mehrere)7 andere Personalfunktionen als die Schaffung oder der Erwerb gleichzeitig in verschiedenen (einschließlich der schaffenden bzw. erwerbenden) Betriebsstätten ausgeübt, die jeweils gegenüber der Schaffung bzw. dem Erwerb eindeutig überwiegen, ist unter diesen anderen Personalfunktionen diejenige maßgebend, die die „größte Bedeutung“ für das immaterielle Wirtschaftsgut hat (§ 6 Abs. 3 BsGaV). Kann ein immaterielles Wirtschaftsgut nach alledem nicht eindeutig zugeordnet werden, so ist nach § 6 Abs. 4 1 2 3 4 5

VWG BsGa Rz. 89. VWG BsGa, Rz. 59. VWG BsGa Rz. 42, Rz. 90 mit Beispielen. VWG BsGa Rz. 43. Vgl. Bärsch in Herrmann/Heuer/Raupach, Anhang zu § 49 EStG Anm. 25 a.E. (Stand: Dezember 2017). 6 VWG BsGa Rz. 43. 7 Unklar scheint, ob für § 5 Abs. 3 BsGaV auch in den anderen Betriebsstätten jeweils andere Personalfunktionen ausgeübt werden müssen (Personenfunktionenkonkurrenz) oder auch der Fall erfasst ist, dass dieselbe andere Personalfunktion in mehreren Betriebsstätten ausgeübt wird (Personalfunktionsaufteilung).

1108 | Korff/Erdem

C. Grundsätze der Zuordnung von WG zu BS | Rz. 15.89 Kap. 15

Satz 1 BsGaV eine Zuordnung vorzunehmen, die den Abs. 1 bis 3 nicht widerspricht. Das räumt dem Unternehmen einen gewissen (von der FinVerw. zu respektierenden) Beurteilungsspielraum ein. Darüber hinaus räumt § 6 Abs. 4 Satz 2 BsGaV die Möglichkeit ein, dass ein immaterieller Wert auch anteilig zugeordnet werden kann auf Betriebsstätten, in denen auf Dauer die Personalfunktionen mit der größten Bedeutung ausgeübt werden. Die BsGaV regelt hingegen nicht, nach welchem Maßstab die Aufteilung zu erfolgen hat. Denkbar wäre insoweit etwa bei selbst geschaffenen immateriellen Werten eine Aufteilung nach Wertschöpfungsbeiträgen oder Kosten. U.E. liegt die Auswahl des Aufteilungsmaßstabs im Beurteilungsspielraum des Unternehmens, dessen Grenzen aber durch eine analoge Anwendung des § 6 Abs. 4 Satz 1 BsGaV zu bestimmen sind. 5. Sonstige Bilanzpositionen Grundsätzlich keine Relevanz. Im Rahmen der Gewinnzuordnung bzw. -abgrenzung sind weitere Bilanzpositionen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte(n) aufzuteilen. Dies betrifft etwa Finanzmittel, Verbindlichkeiten, Rückstellungen und das Eigenkapital bzw. Dotationskapital der Betriebsstätte. Aus der Perspektive der steuerlichen Ent- und Verstrickung bei internationalen Umwandlungen sind diese Vermögenswerte allerdings typischerweise von nur untergeordneter Bedeutung, da sie regelmäßig keine stillen Reserven bzw. stillen Lasten enthalten. Die Zuordnungsgrundsätze sollen aber gleichwohl, jedoch in der gebotenen Kürze, dargestellt werden:

15.88

Finanzmittel. Nach Auffassung der FinVerw. gilt – soweit das Veranlassungsprinzip und damit die BS-VWG 1999 anzuwenden sind – die Zentralfunktion des Stammhauses (dazu oben Rz. 15.54 ff.). Danach sind die dem Gesamtunternehmen dienenden Finanzmittel in der Regel dem Stammhaus zuzuordnen. Die von einer Betriebsstätte selbst erwirtschafteten Mittel sollen nur insoweit der Betriebsstätte zugeordnet werden können, als sie zur Absicherung der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte erforderlich sind oder bei ihr zur Finanzierung von beschlossenen oder in absehbarer Zeit vorgesehenen Investitionen dienen sollen.1 U.E. widerspricht ein derartiges Zuordnungsverständnis dem Grundsatz des funktionalen Zusammenhangs. Die in einer Betriebsstätte selbst erwirtschafteten Mittel stehen grundsätzlich in einem funktionalen Zusammenhang zu der Unternehmenseinheit, in der sie erwirtschaftet wurden.2 Sie können u.E. auch dann der Betriebsstätte zugeordnet werden, wenn sie nicht unmittelbar für Investitionen benötigt, sondern nur zu Liquiditätszwecken gehalten werden. Eine Zuordnung zum Stammhaus hat nur dann zu erfolgen, wenn erwirtschaftete Mittel z.B. von einem Konto auf den Namen der Betriebsstätte auf ein Konto auf den Namen des Stammhauses überwiesen wurden.3 Letztlich kommt es also auf die Zuordnungsentscheidung des Steuerpflichtigen an. Nach der BsGaV können

15.89

1 BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888, Rz. 2.4. 2 So auch Looks/Maier in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung2, Rz. 791 f.; wohl auch Gosch, JbFSt 2011/2012, 230 (233). 3 BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63; hierzu auch Andresen in Wassermeyer/ Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.101.

Korff/Erdem | 1109

Kap. 15 Rz. 15.89 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

Finanzmittel unter § 7 (vgl. dazu Rz. 15.85) oder § 8 BsGaV fallen. Entscheidend für die Abgrenzung ist, dass unter § 7 BsGaV nach wohl überwiegender Ansicht nur Vermögenswerte mit langfristiger Anlageabsicht fallen.1 Das ist etwa zweifelhaft für Finanzwerte des Umlaufvermögens (z.B. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen).2

15.90 Verbindlichkeiten und Rückstellungen. Die Wirtschaftsgüter der Passivseite sind gleichermaßen nach dem Veranlassungsprinzip zuzuordnen. Dies ist aus zwei Gründen zwingend. Zum einen können Rückstellungen oder Verbindlichkeiten in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit Wirtschaftsgütern der Aktivseite stehen. Im Hinblick auf solche Passivposten kann die Zuordnung nur der Zuordnung auf der Aktivseite folgen. Zum anderen betrifft die analoge Anwendung des Veranlassungsprinzips für Zwecke der Wirtschaftsgüterzuordnung das gesamte Spektrum an Wirtschaftsgütern; eine differenzierte Vorgehensweise bei der Zuordnung von aktiven und passiven Wirtschaftsgütern ist nicht sachgerecht. Vor diesem Hintergrund sind Rückstellungen und Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs einer Betriebsstätte dann zuzuordnen, wenn diese aus der Betriebsstättentätigkeit bzw. Funktionsausübung hervorgehen. Im Einzelnen sind hiermit etwa Pensionsrückstellungen für das Betriebsstättenpersonal, Garantierückstellungen für die von einer Betriebsstätte vertriebenen Produkte oder Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen angesprochen. Im Zusammenhang mit der Zuordnung aufgenommener Finanzmittel ist in praktischer Hinsicht die damit korrespondierende Verbindlichkeitszuordnung von wesentlicher Bedeutung, da diese für die Zuordnung des unternehmerischen Zinsaufwands maßgeblich ist. Nach der BFH-Rechtsprechung sind einer Betriebsstätte aufgenommene Mittel in den Fällen zuzuordnen, in denen es sich entweder um ein von der Betriebsstätte selbst aufgenommenes oder um ein seitens des Stammhauses aufgenommenes und an die Betriebsstätte weitergeleitetes Darlehen (sog. durchgeleitetes Darlehen) handelt.3 Der BFH stellt dabei zutreffend auf die betriebliche Veranlassung der Fremdkapitalaufnahme ab. Ist einer Betriebsstätte eine selbst aufgenommene oder durchgeleitete Darlehensverbindlichkeit funktional zuzuordnen, sind sowohl die entsprechenden Zinsaufwendungen als auch weitere mit der Darlehensaufnahme unmittelbar zusammenhängende Aufwendungen ebenfalls der Betriebsstätte zuzuordnen. Sofern Fremdmittel hingegen sowohl für Zwecke der Betriebsstätte als auch des Stammhauses aufgenommen werden, ist eine verursachungsgerechte Aufteilung und Zuordnung des Darlehens vorzunehmen; soweit das Darlehen der Betriebsstätte zuzuordnen ist, spricht man auch von sog. weitergeleitetem Fremdkapital.4 Nach der BsGaV sind die Passivposten grundsätzlich nach § 14 1 Bärsch in Herrmann/Heuer/Raupach, Anhang zu § 49 EStG Anm. 25 a.E. (Stand: Dezember 2017); Leonhardt/Tcherveniachki in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 1 AStG Rz. 3071 (Stand: Oktober 2017). 2 Leonhardt/Tcherveniachki in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 1 AStG Rz. 3071 (Stand: Oktober 2017). 3 BFH v. 12.1.1994 – II R 95/89, BFH/NV 1994, 690; v. 20.3.2002 – II R 84/99, BFH/NV 2002, 1017. 4 So auch Andresen in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.112; in diesem Zusammenhang ferner Runge, IStR 2002, 825 (827 f.).

1110 | Korff/Erdem

C. Grundsätze der Zuordnung von WG zu BS | Rz. 15.91 Kap. 15

BsGaV entsprechend der sog. direkten Methode zuzuordnen. Maßgeblich ist insoweit der unmittelbare Zusammenhang mit den der Betriebsstätte zugeordneten Vermögenswerten sowie mit den ihr zugeordneten Chancen und Risiken. Dotationskapital. Eine Betriebsstätte ist nicht nur an den aktiven und passiven Wirtschaftsgütern des Gesamtunternehmens, sondern ebenfalls am gesamtunternehmerischen Eigenkapital zu beteiligen. Das einer Betriebsstätte zuzuordnende Eigenkapital wird als sog. Dotationskapital bezeichnet. Das Dotationskapital kann insbesondere in Form von liquiden Mitteln (Bareinlagen bzw. thesaurierte Gewinne) bzw. durch Sacheinlagen geschaffen werden. Die FinVerw. vertritt im sog. Betriebsstättenerlass v. 24.12.1999 die Auffassung, dass eine Betriebsstätte im Hinblick auf ihre Funktionsausübung dann mit einem angemessenen Dotationskapital ausgestattet ist, wenn die Dotierung dem Fremdvergleichsgrundsatz standhält.1 Soweit sich im Wege des Fremdvergleichs herausstellt, dass einer Betriebsstätte übermäßig Fremdkapital zugewiesen wurde, wird bis zur Höhe des fremdvergleichskonformen Dotationskapitals eine entsprechende Umwidmung in Eigenkapital vorgenommen mit der Folge, dass sich der Zinsaufwand der Betriebsstätte verringert. Die Bestimmung des fremdvergleichskonformen Dotationskapitals ist nach dem Dafürhalten der FinVerw. durch einen äußeren Fremdvergleich oder im Schätzungswege unter Berücksichtigung der gesamtunternehmerischen Funktionsausübung vorzunehmen. U.E. ist in Übereinstimmung mit der herrschenden Literaturauffassung der Ansatz der FinVerw. zur Ermittlung des Dotationskapitals abzulehnen.2 Vielmehr ist das Dotationskapital als Residuum anzusehen, welches durch den Saldo aus der funktionsgerechten und fremdvergleichskonformen Zuordnung aktiver und passiver Wirtschaftsgüter zur Betriebsstätte gebildet wird.3 Dies entspricht auch dem vom BFH aufgestellten Grundsatz der Finanzierungsfreiheit, nach dem ein Steuerpflichtiger im Rahmen seiner Investitionsentscheidungen frei ist, eigen- oder fremdfinanziert zu investieren.4 Für das von der FinVerw. zusätzlich geforderte Kriterium einer (steuerlich) angemessenen Kapitalausstattung der Betriebsstätte verbleibt hiernach kein Raum; vielmehr ist die Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen nach den dafür explizit vorgesehenen allgemeinen Regelungen (betriebliche Veranlassung, Zinsschranke, Angemessenheit der Höhe der Zinsvergütungen) zu beurteilen. Unabhängig hiervon ist die nach Auffassung der Verwaltung ggf. erforderliche Umwidmung von Fremd- in Dotationskapital darüber hinaus insoweit als widersprüchlich anzusehen, als es im Einzelfall zur Umwidmung von Fremdkapital kommt, welches einer Betriebsstätte funktional zugehörig ist. Nach der BsGaV richtet sich die Bestimmung des Dotationskapitals grundsätzlich nach § 12 und § 13 BsGaV: So ist zur Ermittlung des Dotationskapitals 1 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, zuletzt geändert durch BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888, Rz. 2.5.1. 2 Vgl. Bärsch in Herrmann/Heuer/Raupach, § 49 EStG Anm. 280 m.w.N. (Stand: August 2019). 3 So auch Andresen in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.115; Hruschka, IStR 2008, 499 (501); Looks/Maier in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung2, Rz. 795; Roth in Herrmann/Heuer/Raupach, § 49 EStG Anm. 282 (Stand: Juli 2009). 4 BFH v. 8.12.1997 – GrS 1-2/95, BStBl. II 1998, 193.

Korff/Erdem | 1111

15.91

Kap. 15 Rz. 15.91 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern

inländischer Betriebsstätten ausländischer Unternehmen die sog. Kapitalaufteilungsmethode nach § 12 BsGaV maßgebend. Die Ermittlung des Dotationskapitals ausländischer Betriebsstätten inländischer Unternehmen richtet sich hingegen nach der sog. Mindestkapitalausstattungsmethode des § 13 BsGaV.1 Diese Differenzierung führt letztlich dazu, dass inländischen Betriebsstätten ein möglichst hohes und ausländischen Betriebsstätten ein möglichst niedriges Dotationskapital zugewiesen wird, so dass zugleich der Zinsabzug für Fremdkapital im Inland minimiert wird. Für die Einzelheiten sei auf Rz. 129 ff. VWG BsGa verwiesen.

D. Anwendungsbeispiele: Grenzüberschreitende Hinausverschmelzung von Kapitalgesellschaften I. Vorbemerkung

15.92 Nachfolgend werden anhand verschiedener Fälle Fragen der Entstrickung und Zuordnung von Wirtschaftsgütern am Beispiel der grenzüberschreitenden Hinausverschmelzung einer deutschen GmbH auf eine französische S.A. erläutert. Grundsätzlich gelten die Ausführungen entsprechend, falls die GmbH nicht auf die S.A. verschmolzen, sondern in eine Personengesellschaft (z.B. GmbH & Co. KG oder OHG) formwechselnd umgewandelt werden würde. II. Kein Zurückbleiben einer inländischen Betriebsstätte

15.93 Beispiel 1:

Die inländische A-GmbH wird auf ihre französische Mutterkapitalgesellschaft A-S.A. verschmolzen. Die A-GmbH fungiert ausschließlich als Landesholding und übt dementsprechend allein eine vermögensverwaltende Tätigkeit hinsichtlich der von ihr gehaltenen Beteiligungen aus. Die Voraussetzungen einer geschäftsleitenden Holding werden nicht erfüllt. Die Verschmelzung wird am 30.6.2022 beschlossen und im September 2022 wirksam. Steuerlicher Übertragungsstichtag ist der 31.12.2021. Die Verlagerung der Holdingfunktion erfolgt im August 2022, indem die für die Beteiligungsverwaltung zuständigen Mitarbeiter zu diesem Zeitpunkt zur A-S.A. wechseln.

1 Zur Unvereinbarkeit mit dem AOA i.S.d. OECD s. Leonhardt/Tcherveniachki in Flick/ Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rz. 3202 (Stand: April 2017).

1112 | Korff/Erdem

D. Anwendungsbsp.: Hinausverschmelzung v. KapGes | Rz. 15.93 Kap. 15

Lösung: Kein Verbleib einer inländischen DBA-Betriebsstätte. Im Inland verbleibt keine Betriebsstätte i.S.d. Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 DBA-Frankreich. Auch wenn in einem Übergangszeitraum zwischen dem steuerlichen Übertragungsstichtag und dem tatsächlichen Übergang der von der A-GmbH gehaltenen Beteiligungen noch eine vermögensverwaltende Funktion vom Inland aus wahrgenommen wird, begründet die A-S.A. hierdurch keine Betriebsstätte. Nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 DBA-Frankreich handelt es sich bei einer Betriebsstätte um eine feste Geschäftseinrichtung, in der die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Die Tätigkeit eines Unternehmens ist dabei als gewerbliche Tätigkeit zu verstehen (vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 6 DBA-Frankreich). Nach der Verschmelzung wird im Inland allerdings nur noch eine rein vermögensverwaltende Tätigkeit ausgeübt. Weil die Voraussetzungen einer geschäftsleitenden Holdingtätigkeit nicht erfüllt sind, wird die Schwelle zur Gewerblichkeit nicht überschritten. Umwandlungsbedingter Zuordnungswechsel. Die Frage einer Zuordnung stellt sich mangels inländischer Betriebsstätte nicht. Vielmehr kommt es zu einem umwandlungsbedingten Zuordnungswechsel zur französischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte der F-S.A. Kein deutsches Besteuerungsrecht nach Verschmelzung. Mangels Betriebsstätte im Inland ist Deutschland nach der Verschmelzung abkommensrechtlich an der Wahrnehmung seines Besteuerungsrechts an dem Gewinn aus der Veräußerung der zuvor von der A-GmbH gehaltenen Beteiligungen gehindert (Art. 7 Abs. 2 DBA-Frankreich). Da schon keine Betriebsstätte mehr im Inland verbleibt, stellt sich die Frage der Zuordnung von Wirtschaftsgütern oder Einkünften zur inländischen Betriebsstätte schon gar nicht. Rechtliche Entstrickung. Da der Verlust des deutschen Besteuerungsrechts allein umwandlungsbedingt durch die Verschmelzung bewirkt wird, liegt bei der A-GmbH ein Fall der rechtlichen Entstrickung i.S.d. § 11 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG vor: Das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter (hier: Beteiligungen der A-GmbH) bei der übernehmenden Körperschaft (hier: A-S.A.) wird ausgeschlossen, so dass keine Möglichkeit eines Buchwertoder Zwischenwertansatzes in der Schlussbilanz der A-GmbH besteht. Es sind vielmehr zwingend die gemeinen Werte anzusetzen (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 UmwStG), so dass bei der A-

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Kap. 15 Rz. 15.93 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern GmbH die bis zum steuerlichen Übertragungsstichtag entstandenen stillen Reserven aufzudecken und zu versteuern sind. Entstrickung nur zum steuerlichen Übertragungsstichtag. Die rechtliche Entstrickung findet im Zeitpunkt des steuerlichen Übertragungsstichtags statt (vgl. Rz. 15.16). Weil der Vermögensübergang für steuerliche Zwecke auf diesen Zeitpunkt (rückwirkend) fingiert wird, kommt es für steuerliche Zwecke auch schon zu diesem Zeitpunkt zum Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG. Das hat zur Folge, dass die im August 2022 stattfindende Verlagerung der Holdingfunktion keine Bedeutung mehr für die allgemeinen ertragsteuerlichen Entstrickungsvorschriften hat, da zu diesem Zeitpunkt bereits kein deutsches Besteuerungsrecht mehr besteht.

15.94 Beispiel 2:

Die inländische B-GmbH wird auf ihre französische Mutterkapitalgesellschaft B-S.A. verschmolzen. Die B-GmbH ist ausschließlich im Bereich der Verwaltung inländischen Grundvermögens tätig. Die Verschmelzung wird am 30.5.2022 beschlossen und im August 2022 wirksam. Steuerlicher Übertragungsstichtag ist der 31.12.2021. Die Verlagerung der Holdingfunktion erfolgt im Juni 2022, indem die für die Grundstücksverwaltung zuständigen Mitarbeiter zu diesem Zeitpunkt zur B-S.A. wechseln.

Lösung: Keine Entstrickung trotz fehlender inländischer Betriebsstätte. Wie im Beispiel 1 verbleibt im vorliegenden Sachverhalt keine inländische Betriebsstätte, da lediglich eine vermögensverwaltende Tätigkeit ausgeübt wird. Gleichwohl führt dies nicht zu einer rechtlichen Entstrickung zum steuerlichen Übertragungsstichtag. Die Einkünfte aus der Veräußerung des vor der Verschmelzung von der B-GmbH gehaltenen Grundvermögens können nämlich auch nach der Verschmelzung noch im Inland besteuert werden: Gemäß Art. 7 Abs. 1 DBA-Frankreich kann der Gewinn, die eine in Frankreich ansässige Person (hier: B-S.A.) aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens i.S.d. Art. 3 DBA-Frankreich bezieht, das in Deutschland belegen ist, in Deutschland (unbeschränkt) besteuert werden (sog. Belegenheitsprinzip). Auf die Zuordnung zu einer Betriebsstätte kommt es nicht an. Das bis zur Verschmelzung bestehende Besteuerungsrecht Deutschlands wird demzufolge weder i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG bzw. § 12 Abs. 1 KStG ausgeschlossen noch beschränkt, da das nach der Verschmelzung weiterhin bestehende inländische Besteuerungsrecht (§ 2 Nr. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG) abkommensrechtlich vollständig aufrechterhalten bleibt. Ein Verlust des Rechts zur Besteuerung mit Gewerbesteuer ist unschädlich und führt nicht zur Aufdeckung von stillen Reserven in dem inländischen Grundvermögen (Rz. 03.18 UmwStE; keine gewerbesteuerliche Entstrickung).

1114 | Korff/Erdem

D. Anwendungsbsp.: Hinausverschmelzung v. KapGes | Rz. 15.95 Kap. 15

III. Zurückbleiben einer inländischen Produktionsbetriebsstätte Beispiel 3: Die inländische C-GmbH wird auf ihre ausländische Mutterkapitalgesellschaft C-S.A. verschmolzen. Die C-GmbH fungiert als Produktionsunternehmen und verfügt in diesem Zusammenhang über im Inland selbst entwickelte Patente sowie über eine Beteiligung an einer mit dem Produktvertrieb exklusiv beauftragten inländischen Gesellschaft. Ferner verfügt die C-GmbH über eine Produktionsbetriebsstätte in Hong Kong. Die Verschmelzung wird am 30.6.2022 beschlossen und im September 2022 wirksam. Steuerlicher Übertragungsstichtag ist der 31.12.2021. Die Produktionstätigkeit wird im Inland unverändert fortgeführt.

Lösung: Betriebsstättenbegründung. Durch die unveränderte Ausübung der Produktionstätigkeit begründet die C-S.A. mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags eine Betriebsstätte im Inland und unterliegt insofern gem. § 2 Nr. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG der beschränkten Steuerpflicht. Kein Zuordnungswechsel und keine Entstrickung hinsichtlich inländischer Produktionswirtschaftsgüter. Die für die Ausübung der Produktionstätigkeit vorhandenen Wirtschaftsgüter sind unter Veranlassungsgesichtspunkten weiterhin einer inländischen Betriebsstätte (nun der C-S.A.) zuzuordnen (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Daher wird auch Deutschland nach Art. 7 Abs. 2 DBA-Frankreich abkommensrechtlich das uneingeschränkte Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung dieser Wirtschaftsgüter zugewiesen. Zum selben Ergebnis gelangt man, wenn die Zuordnung nach Maßgabe des § 5 BsGaV anhand der Personalfunktion der Nutzung vornimmt. Die Umwandlung beeinträchtigt folglich nicht das inländische Besteuerungsrecht im Hinblick auf die bis zum steuerlichen Übertragungsstichtag entstandenen stillen Reserven, so dass eine rechtliche Entstrickung un-

Korff/Erdem | 1115

15.95

Kap. 15 Rz. 15.95 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern terbleibt. Aufgrund der unveränderten Fortführung der Produktionstätigkeit im Inland stellt sich darüber hinaus nicht die Frage nach einer tatsächlichen Entstrickung. Kein Zuordnungswechsel und keine Entstrickung hinsichtlich inländischer Beteiligung. Es kommt auch nicht zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der inländischen Beteiligung. Die Beteiligung an der (exklusiv beauftragten) Vertriebsgesellschaft ist nämlich unter Veranlassungsgesichtspunkten eindeutig der inländischen Produktionsbetriebsstätte zuzuordnen. Gleiches gilt – auch nach Ansicht der FinVerw. in Rz. 103 VWG BsGa –, wenn man auf die Zuordnung nach § 7 BsGaV (funktionaler Zusammenhang zur Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte) abstellt. Kein Zuordnungswechsel und keine Entstrickung hinsichtlich im Inland selbst entwickelter Patente. In Bezug auf das im Zusammenhang mit der inländischen Produktionstätigkeit selbst entwickelte Patent stellt sich die Frage, ob dieses als Folge der Hinausverschmelzung nunmehr der C-S.A. zuzuordnen sind. Unter Veranlassungsgesichtspunkten ist das Patent weiterhin der inländischen Betriebsstätte zuzuordnen, so dass nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ein inländisches Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus dessen Veräußerung besteht und dieses abkommensrechtlich auch nicht ausgeschlossen wird (vgl. Art. 7 Abs. 2 DBA-Frankreich). Der funktionale Zusammenhang zwischen dem Patent und der im Inland ausgeübten unternehmerischen Tätigkeit (nunmehr durch die verbleibende Betriebsstätte der C-S.A.) bleibt von der Hinausverschmelzung unberührt. Mithin steht § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG einer Buchwertfortführung sämtlicher Wirtschaftsgüter der inländischen Tochtergesellschaft nicht entgegen. Diese Sichtweise entspricht der herrschenden Meinung in der Literatur.1 Gleichermaßen deckt sich diese Auffassung auch mit der in Rz. 03.20 UmwStE dargestellten Sichtweise der FinVerw, wonach die abkommensrechtliche Zuordnung von Wirtschaftsgütern durch eine grenzüberschreitende Umwandlung für sich genommen grundsätzlich nicht geändert wird. Zugleich wird in Rz. 03.20 UmwStE allerdings auf die Maßgeblichkeit des Betriebsstättenerlasses und insoweit auch auf die Anwendung der Zentralfunktionsthese verwiesen, um eine ggf. eintretende Änderung der Zuordnung festzustellen. Aufgrund der unveränderten Tätigkeitsausübung im Inland und des damit unveränderten funktionalen Zusammenhangs zwischen der Tätigkeitsausübung und den eingesetzten Patenten greift u.E. die Regelvermutung einer Stammhauszuordnung der Patente nicht. Insoweit kann vorliegend der von der Verwaltung anerkannte Gegenbeweis im Rahmen der Zentralfunktionsthese geführt werden. Die Einholung einer verbindlichen Auskunft ist in solchen Fällen empfehlenswert.2 Im Übrigen läuft die Zentralfunktionsthese nach hier vertretener Ansicht für den Fall der rechtlichen Entstrickung ohnehin leer (vgl. Rz. 15.58). Stellt man auf die Zuordnung nach § 6 BsGaV ab, so ist das Patent (selbst wenn die C-S.A. dessen Verwaltung übernähme) nach der Personalfunktion der Schaffung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BsGaV) und ggf. der Nutzung (§ 6 Abs. 2 BsGaV) ebenfalls der inländischen Betriebsstätte zuzuordnen (s. Rz. 91, 94 VWG BsGa). Rechtliche Entstrickung hinsichtlich Betriebsstätte in Hong Kong. Anders ist der Sachverhalt im Hinblick auf die Betriebsstätte in Hong Kong zu beurteilen. Zwar begründet die C-S. A. eine inländische Betriebsstätte. Dieser sind jedoch nicht die Einkünfte aus der Betriebsstätte in Hong Kong zuzuordnen. Es fehlt insoweit bereits an der Begründung eines inländischen Besteuerungsrechts nach § 2 Nr. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG (keine Zu1 Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1016); Brähler/Blankemeyer, RIW 2012, 288 (293); Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock7, § 3 UmwStG Rz. 40 f.; Ropohl/Sonntag in Haase/Hruschka, § 11 UmwStG Rz. 131 ff.; Schneider/Ruoff/Sistermann, FR 2012, 1 (4). 2 Zur Diskussion Girlich/Philipp, Ubg 2012, 150 (156); Käbisch/Bunzeck, IWB 2011, 392 (394); Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (453 f.); Schönfeld, IStR 2011, 497 (500 f.); hierzu auch Dötsch in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock7, § 11 UmwStG Rz. 58.

1116 | Korff/Erdem

D. Anwendungsbsp.: Hinausverschmelzung v. KapGes | Rz. 15.96 Kap. 15 rechnung der Einkünfte einer ausländischen „Unterbetriebsstätte“ zur inländischen „Oberbetriebsstätte“).1 Da Deutschland nach der Verschmelzung kein Besteuerungsrecht mehr hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der der Anrechnungs-Betriebsstätte in Hong Kong zuzuordnenden Wirtschaftsgüter hat, kommt es mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags insoweit zu einem Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts und daher zur rechtlichen Entstrickung durch zwingenden Ansatz des gemeinen Werts (§ 11 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG).2 Der Ansatz des gemeinen Werts betrifft allerdings nur die Wirtschaftsgüter, die nicht mehr der inländischen, sondern (weiterhin) der Betriebsstätte in Hong Kong zuzuordnen sind. Die Möglichkeit des Buchwert- oder Zwischenwertansatzes für die übrigen Wirtschaftsgüter, die nicht entstrickt werden (Produktionswirtschaftsgüter, Patent, Beteiligung), bleibt davon unberührt (s. „soweit“ in § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG).

IV. Zurückbleiben einer inländischen geschäftsleitenden Holdingbetriebsstätte Beispiel 4: Die inländische D-GmbH wird auf ihre französische Mutterkapitalgesellschaft D-S.A. verschmolzen. Die D-GmbH fungiert als Landesholding für inländische Beteiligungen. Entsprechend ist der Beteiligungsbesitz des D-Konzerns teilweise in der D-GmbH gebündelt. Neben der Holdingfunktion nimmt die D-GmbH hinsichtlich der Beteiligungen Geschäftsleitungsaufgaben wahr und erbringt Managementdienstleistungen gegenüber ihren Tochtergesellschaften. Die Verschmelzung wird am 30.6.2022 beschlossen und im September 2022 wirksam. Steuerlicher Übertragungsstichtag ist der 31.12.2021. Sowohl im Rückwirkungszeitraum als auch nach der Wirksamkeit der Verschmelzung wird die geschäftsleitende Holdingtätigkeit unverändert fortgeführt.

1 BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663. 2 Dötsch in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock7, § 11 UmwStG Rz. 61; Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (453); Stadler/Elser/Bindl, DB 2012, Beilage 1, 14 (19).

Korff/Erdem | 1117

15.96

Kap. 15 Rz. 15.96 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern Lösung: Betriebsstättenbegründung und Beteiligungszuordnung. Es entspricht der h.M. im Schrifttum und wohl auch der Ansicht des BFH, dass bei Ausübung einer geschäftsleitenden Funktion hinsichtlich des Beteiligungsbesitzes (aktive Vermögensverwaltung) einerseits eine Betriebsstätte i.S.d. des innerstaatlichen Rechts als auch des Abkommensrechts vorliegt und dieser andererseits Beteiligungen nach Maßgabe der funktionalen Betrachtungsweise zuzuordnen sind (s. dazu Rz. 15.82 ff.). Im vorliegenden Fall kommt es aufgrund des Zurückbleibens einer inländischen geschäftsleitenden Holdingbetriebsstätte sowie der unveränderten Fortführung der bisher in der Rechtsform einer GmbH im Inland ausgeübten (Geschäftsleitungs-)Tätigkeit durch eigenes Personal zu keiner Zuordnungsänderung im Hinblick auf die Beteiligungen. Dies gilt sowohl für eine Zuordnung nach Maßgabe des Veranlassungsprinzips als auch bei einer solchen nach Maßgabe des § 7 BsGaV (funktionaler Zusammenhang zur Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte). Insoweit sollte auch hier – wie im Beispiel 3 – die Regelvermutung einer Stammhauszuordnung der Beteiligungen nach der Zentralfunktionsthese nicht zutreffen und der Gegenbeweis geführt werden können. Auch in diesem Fall ist aber jedenfalls die Einholung einer verbindlichen Auskunft empfehlenswert. Im Übrigen läuft die Zentralfunktionsthese nach hier vertretener Ansicht für den Fall der rechtlichen Entstrickung ohnehin leer (vgl. Rz. 15.58). Folglich hat die Bundesrepublik auch nach der Verschmelzung ein Recht zur Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der zuvor von der D-GmbH gehaltenen Beteiligungen (§ 2 Nr. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG), das auch abkommensrechtlich nicht ausgeschlossen wird (vgl. Art. 7 Abs. 2 DBA-Frankreich). Die Beteiligungen bleiben steuerlich in der inländischen geschäftsleitenden Holdingbetriebsstätte verstrickt. Die Möglichkeit eines Buchwert- oder Zwischenwertansatzes wird nicht nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG ausgeschlossen. Hinzuweisen ist schließlich darauf, dass für den Fall, dass die DGmbH Beteiligungen an ausländischen (außer französischen) Gesellschaften hält, § 50 Abs. 3 EStG zu beachten und zu prüfen wäre, ob allein dadurch schon das inländische Besteuerungsrecht beschränkt wird.

V. Zurückbleiben einer inländischen Beratungsbetriebsstätte

15.97 Beispiel 5:

Die inländische E-GmbH wird auf ihre französische Mutterkapitalgesellschaft E-S.A. verschmolzen. Bei der E-GmbH handelt es sich um eine Gesellschaft, die im Bereich der betriebswirtschaftlichen Beratung tätig ist. Die Verschmelzung wird am 30.6.2022 beschlossen und im September 2022 wirksam. Steuerlicher Übertragungsstichtag ist der 31.12.2021. Die inländische (freiberufliche) Beratungstätigkeit wird in unveränderter personeller Aufstellung fortgeführt. Lösung: Betriebsstättenbegründung. Nach der Hinausverschmelzung der E-GmbH verbleibt aufgrund der weiter im Inland ausgeübten Beratungstätigkeit eine Betriebsstätte der E-S.A. Aufgrund des Umstands, dass im Inland freiberufliche Einkünfte erzielt werden, ergeben sich sowohl für die Begründung der beschränkten Steuerpflicht der E-S.A. gem. § 2 Nr. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG als auch aus abkommensrechtlicher Perspektive keine Besonderheiten. Während die inländische beschränkte Steuerpflicht an das Vorliegen einer Inlandsbetriebsstätte anknüpft, sind abkommensrechtlich Einkünfte aus selbstständiger Arbeit von Art. 12 DBA-Frankreich (Selbständige Tätigkeit) umfasst mit der Folge, dass das Besteuerungsrecht nur dem Vertragsstaat zusteht, in dem die (den Einkünften zugrunde liegende) selbstständige Tätigkeit unter Benutzung einer in diesem Vertragsstaat regelmäßig zur Verfügung stehenden ständigen Einrichtung ausgeübt wird.

1118 | Korff/Erdem

D. Anwendungsbsp.: Hinausverschmelzung v. KapGes | Rz. 15.98 Kap. 15 Betriebsstättenzuordnung der Büroausstattung. Die zur Ausübung der Beratungstätigkeit vorhandenen Wirtschaftsgüter – vorliegend ist damit die Ausstattung der Büroräumlichkeiten angesprochen – stehen unstreitig in einem funktionalen Zusammenhang mit der inländischen Betriebsstätte. Zu einer durch den Umwandlungsvorgang ausgelösten Zuordnungsänderung kommt es hinsichtlich dieser Wirtschaftsgüter nicht. Betriebsstättenzuordnung des Kundenstamms und Firmenwerts. Neben der Betriebs- und Geschäftsausstattung verfügt die übertragende E-GmbH über immaterielle Wirtschaftsgüter – insbesondere Kundenstamm und Firmenwert. Auch bei diesem Fall sollte es auf Basis der Zentralfunktionsthese zu keinem anderen Ergebnis kommen. Nach funktionaler Betrachtungsweise erfolgt weder im Hinblick auf den Kundenstamm noch auf den Firmenwert eine Zuordnungsänderung. Im Übrigen läuft die Zentralfunktionsthese nach hier vertretener Ansicht für den Fall der rechtlichen Entstrickung ohnehin leer (vgl. Rz. 15.58). Gleiches gilt bei einer Zuordnung nach § 6 Abs. 1 BsGaV nach Maßgabe der „Schaffung“ als Personalfunktion. Sowohl der Kundenstamm als auch der daraus im Wesentlichen hervorgehende Firmenwert wurden in der Vergangenheit vor allem durch den persönlichen Einsatz der Berater der EGmbH aufgebaut bzw. geschaffen. Kundenstamm und Firmenwert stellen sich als unmittelbare Folge der Beratungstätigkeit der Mitarbeiter der E-GmbH dar. Das zukünftige Vorhandensein bzw. die zukünftige Erhaltung dieser beiden Wirtschaftsgüter ist ausschließlich von der nunmehr in einer inländischen Betriebsstätte der E-S.A. fortgesetzten Tätigkeitsausübung abhängig. Eine umwandlungsbedingte Zuordnungsänderung stünde damit im Widerspruch zu den funktionalen Verhältnissen.1

VI. Zurückbleiben einer inländischen Vertriebsbetriebsstätte Beispiel 6: Die inländische F-GmbH wird auf ihre französische Mutterkapitalgesellschaft F-S.A. verschmolzen. Die F-GmbH fungiert als Vertriebsgesellschaft. Daneben hält die F-GmbH Minderheitsbeteiligungen an verschiedenen Gesellschaften sowie überschüssige Liquidität auf Termingeldkonten. Die Beteiligungen wurden aus Mitteln der Vertriebstätigkeit erworben, stehen aber sonst in keinem Zusammenhang mit der Vertriebstätigkeit. Der Bereich Finanzanlagen wird von einer Person aus dem Finanzbereich der F-S.A. mitverwaltet. Die Verschmelzung wird am 30.6.2022 beschlossen und im September 2022 wirksam. Steuerlicher Übertragungsstichtag ist der 31.12.2021. Die inländische Vertriebstätigkeit wird samt der Kapitalanlage unverändert fortgeführt. Lösung: Betriebsstättenzuordnung und Zentralfunktionsthese. Im Unterschied zu den beiden vorherigen Sachverhalten, in denen die Wirtschaftsgüter jeweils in einem eindeutigen funktionalen Zusammenhang zu der Betriebsstättentätigkeit stehen, dienen der Beteiligungsbesitz und die übrigen Kapitalanlagen vorliegend nicht der Stärkung der Vertriebstätigkeit. Die Kapitalanlagen sind vielmehr als ungebundene Wirtschaftsgüter anzusehen. Bei einer Zuordnung nach Maßgabe des Veranlassungsprinzips ist unter Zugrundelegung der Verwaltungsauffassung zur Zentralfunktion nicht eindeutig, ob die Beteiligungen und Termingelder weiterhin der inländischen Betriebsstätte zugeordnet werden können oder dem Stammhaus zuzuordnen sind. Nach Satz 1 der Rz. 03.20 UmwStE erfolgt durch die Umwandlung selbst kein Zuordnungswechsel; danach wäre eine Betriebsstättenzuordnung weiterhin zulässig. Andererseits wird in Satz 2 der Rz. 03.20 UmwStE auf den Betriebsstättenerlass und somit auf die Zentral1 Hierzu auch Benecke/Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 15.170; Haarmann, JbFSt 2010/2011, 210 (219).

Korff/Erdem | 1119

15.98

Kap. 15 Rz. 15.98 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern funktionsthese verwiesen. Danach wären aufgrund der Regelvermutung die Beteiligungen dem Stammhaus zuzurechnen, falls der Gegenbeweis nicht gelingt. Dieser könnte etwa dann geführt werden, wenn – anders als im Beispielsfall -eine inländische Betriebsstätte verbliebe, in der Kapitalanlagen auch nach der Umwandlung durch entsprechendes Personal verwaltet würden. Im Übrigen läuft die Zentralfunktionsthese nach hier vertretener Ansicht für den Fall der rechtlichen Entstrickung ohnehin leer (vgl. Rz. 15.58). U.E. wäre der Veranlassungszusammenhang zur inländischen Betriebsstättentätigkeit aufgrund der Erwirtschaftung der für den Erwerb aufgewendeten Mittel gegeben.1 Jedenfalls dürfen die ungebundenen Wirtschaftsgüter der Vertriebsbetriebsstätte nach Maßgabe gewillkürten Betriebsstättenvermögens zugeordnet werden, sofern die Zuordnung dem objektiv erkennbaren Zuordnungswillen des Steuerpflichtigen entspricht (insb. Erfassung in der inländischen Betriebsstättenbuchführung) und der Geschäftsleitungswille nicht im Widerspruch zu kaufmännischen und wirtschaftlichen Erfordernissen steht. BsGaV. Auch auf Grundlage von § 7 BsGaV sind die Beteiligungen der inländischen Betriebsstätte zuzuordnen: Da kein funktionaler Zusammenhang zur Geschäftstätigkeit der inländischen Betriebsstätte i.S.d. § 7 Abs. 1 BsGaV feststellbar ist, kommt nach Verwaltungsansicht (Rz. 105 VWG BsGa) der Personalfunktion, aufgrund der die Mittel zur „Anschaffung“ der Beteiligung erwirtschaftet wurden, wesentliche Bedeutung zu, während die Verwaltung allein regelmäßig keine Zuordnung rechtfertigt. Da die Mittel für die Anschaffung aufgrund der im Inland durch eigenes Personal ausgeübten Vertriebstätigkeit erwirtschaftet wurden, sind die Beteiligungen der inländischen Betriebsstätte zuzuordnen, auch wenn die F-S.A. die Verwaltungsfunktion übernimmt.

VII. Zurückbleiben einer inländischen Produktionsbetriebsstätte und spätere Einstellung der Tätigkeit

15.99 Beispiel 7:

Die inländische G-GmbH wird auf ihre französische Mutterkapitalgesellschaft G-S.A. verschmolzen. Die G-GmbH fungiert als Produktions- sowie als Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft. Die Verschmelzung wird am 30.6.2022 beschlossen und im September 2022 wirksam. Steuerlicher Übertragungsstichtag ist der 31.12.2021. Die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit wird in einer inländischen Betriebsstätte unverändert fortgeführt. Die Produktionstätigkeit wird dagegen nur bis Juni 2022 weiter in der Betriebsstätte ausgeübt. Ab Juli 2022 wird diese Funktion durch die G-S.A. wahrgenommen. Zu diesem Zweck werden die bis dato im Inland eingesetzten Produktionsanlagen nach Frankreich verbracht. Lösung: Kein umwandlungsbedingter Zuordnungswechsel und keine rechtliche Entstrickung. Im vorliegenden Sachverhalt erfolgt durch die Verschmelzung an sich kein Ausschluss und auch keine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts, da auch nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag der funktionale Zusammenhang zur inländischen Betriebsstättentätigkeit fortbesteht. Dies gilt sowohl für eine Zuordnung nach dem Veranlassungsprinzip als auch eine solche nach den Grundsätzen der BsGaV. Die Möglichkeit eines Buchwert- oder Zwischenwertansatzes wird folglich nicht nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG ausgeschlossen, so dass auch nicht zwingend die gemeinen Werte mit der Folge einer rechtlichen Entstrickung anzusetzen sind (vgl. § 11 Abs. 1 UmwStG).

1 Vgl. Häck/Erdem in Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA-Schweiz, Art. 11 Rz. 87 (Stand: August 2022).

1120 | Korff/Erdem

D. Anwendungsbsp.: Hinausverschmelzung v. KapGes | Rz. 15.100 Kap. 15 Nachträglicher Zuordnungswechsel und tatsächliche Entstrickung. Es stellt sich aber im Zeitpunkt der tatsächlichen Verlagerung der inländischen Produktionsfunktion auf die G-S.A. (Juli 2022) die Frage einer tatsächlichen Entstrickung. Diese wäre nach allgemeinen ertragsteuerlichen Entstrickungsregelungen (inkl. der ergänzenden Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 3b AStG)1 zu beurteilen und hätte keinen Einfluss auf die Steuerneutralität der Umwandlung nach § 11 UmwStG.

VIII. Zurückbleiben einer personallosen Betriebsstätte Beispiel 8:2 Die inländische F-GmbH wird auf ihre französische Mutterkapitalgesellschaft F-S.A. verschmolzen. Die F-GmbH unterhält im Inland auf einem gepachteten Grundstück Windenergieanlagen, verfügt aber selbst über keine eigenen Mitarbeiter (sog. personallose Betriebsstätte); die technische und kaufmännische Betriebsführung erfolgt durch zwei deutsche Servicebzw. Verwaltungsgesellschaften auf Grundlage von Betriebsführungs- und Serviceverträgen. Die Verschmelzung wird am 30.6.2022 beschlossen und im September 2022 wirksam. Steuerlicher Übertragungsstichtag ist der 31.12.2021. Auch nach der Umwandlung übernehmen keine Mitarbeiter der F-S.A. Funktionen in Bezug auf die inländischen Windenergieanlagen. Lösung: Zuordnung der Windenergieanlagen und umwandlungsbedingte (rechtliche) Entstrickung. Die Verschmelzung kann nur dann steuerneutral erfolgen, wenn in Bezug auf die inländischen Windenenergieanlagen das deutsche Besteuerungsrecht weder ausgeschlossen noch beschränkt wird (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG). Dafür ist erforderlich, dass nach der Umwandlung die Windenergieanlagen einer inländischen Betriebsstätte der F-S.A. zuzuordnen sind (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG; Art. 7 Abs. 2 DBA-Frankreich). Besteuerungsrechtsbegründung und inländische Betriebsstätte. Es ist bereits fraglich, ob nach der Verschmelzung überhaupt ein inländisches Besteuerungsrecht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG begründet wird. Zwar begründet die F-S.A. im Inland eine Betriebsstätte i.S.d. § 12 Satz 1 AO. Zweifel ergeben sich aber hinsichtlich der Zuordnung der Windenergieanlagen zu dieser inländischen Betriebsstätte. Ansicht 1: Zuordnung nach § 1 Abs. 5 AStG (AOA). Folgt man der Auffassung (vgl. Rz. 15.64 f.), dass die Grundsätze des § 1 Abs. 5 Sätze 2 ff. i.V.m. BsGaV auch für die allgemeine Einkünfteermittlung bzw. -abgrenzung im Rahmen der Bestimmung der inländischen Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG maßgebend sind, müsste man zunächst die (umstrittene)3 Frage klären, ob der inländischen Betriebsstätte das Personal der Service- und Verwaltungsgesellschaften und damit überhaupt Personalfunktionen zuzurechnen sind (vgl. § 2 Abs. 4 BsGaV). Zu prüfen wäre im Übrigen, ob im dann vorliegenden Fall einer personallosen Betriebsstätte nach § 1 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 AStG ausnahmsweise eine Zuordnung nach anderen Kriterien zu erfolgen hat. Verneint man beides, scheidet eine Zuordnung der Windenergieanlagen zur inländischen Betriebsstätte aus. (Eigene) Ansicht 2: Folgt man hingegen der hier (Rz. 15.66) vertretenen und vom BFH geteilten Ansicht, wonach im Rahmen des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG weiterhin auf das Veranlassungsprinzip i.S. einer wirtschaftlichen Zugehörigkeit abzustellen ist, sind die Windener1 Dazu Korff/Erdem in Gosch/Grotherr/Bergmann, Steuerplanung und Compliance, Bd. II, Teil 4, 2. Thema, Rz. 266 ff. 2 Angelehnt an BFH v. 24.11.2021 – I B 44/21, BStBl. II 2022, 431. 3 S. dazu BFH v. 24.11.2021 – I B 44/21, BStBl. II 2022, 431 Rz. 27.

Korff/Erdem | 1121

15.100

Kap. 15 Rz. 15.100 | Umwandlungsbedingte Zuordnung von Wirtschaftsgütern gieanlagen der inländischen Betriebsstätte zuzuordnen. Dies gilt dann auch für die Anwendung des Art. 7 Abs. 2 DBA-Frankreich, sodass das Besteuerungsrecht an den Windenergieanlagen durch die Umwandlung weder ausgeschlossen noch beschränkt wird.

1122 | Korff/Erdem

Kapitel 16 Funktionsverlagerungen A. Grenzüberschreitende Umstrukturierungen multinationaler Unternehmen durch Funktionsverlagerungen I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1 II. Gesetzliche Grundlagen der Funktionsverlagerung . . . . . . . . . . . . . . . 16.2 III. Rechtsentwicklung der nationalen Funktionsverlagerungsregelungen 16.5 B. Anwendungsrahmen der Regelungen zur Funktionsverlagerung . . 16.8 C. OECD Entwicklungen bei der Einordnung von Funktionsverlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.15 I. Hintergrund der OECD Arbeiten II. Überarbeitung durch das BEPS Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.16 III. Zusammenfassender Überblick über Kapitel IX OECD-Leitlinien . 16.17 IV. Übereinstimmung/Widersprüche zwischen den OECD-Leitlinien und dem innerstaatlichen Recht zur Funktionsverlagerung . . . . . . . . . . . 16.20 D. Funktionsverlagerungsregelungen im nationalen Recht I. Der Funktionsbegriff . . . . . . . . . . . . 16.23 II. Definition der Funktionsverlagerung 1. Tatbestandsmerkmal einer Funktionsverlagerung . . . . . . . 16.30

2. Kategorisierung von Verlagerungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.32 3. Negativabgrenzung . . . . . . . . . 16.40 4. Funktionsverdoppelung . . . . . 16.44 III. Begriff des Transferpakets . . . . . . . 16.47 IV. Bewertung des Transferpakets 1. Bewertungsverfahren . . . . . . . . 16.49 2. Gewinnpotentiale . . . . . . . . . . . 16.52 3. Kapitalisierungszins und -zeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.59 4. Ermittlung des Einigungsbereichs und Mittelwertvermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.63 V. Ausnahmen von der Transferpaketbewertung 1. Vermutung einer Nutzungsüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . 16.70 2. Escape-Klauseln des § 1 Abs. 3b Sätze 2 und 3 AStG . . . . . . . . . 16.73 3. Altes Recht: Escape-Klauseln des § 1 Abs. 3 S. 10 AStG a.F. . 16.74 4. Schadenersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche (§ 7 FVerlV) . . . . . . . . . . . . 16.75 VI. Preisanpassungsklausel des § 1a AStG (= § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG a.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.77 E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.83

Literatur: Bärsch/Ditz/Engelen/Quilitzsch, Die Reform des § 1 AStG – Überblick und erste kritische Würdigung, DStR 2021, 1785; Baumhoff/Greinert, Angemessene Lizenzsätze bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen, Ubg 2009, 544; Ditz, Praxisfall einer Verrechnungspreisprüfung und Funktionsverlagerung, IStR 2009, 421; Freudenberg/Peters, Steuerliche Allokation von Restrukturierungsaufwendungen im Kontext von Funktionsverlagerungen, BB 2008, 1424; Greil, Überblick zu aktuellen Entwicklungen im Bereich der Verrechnungspreise, IStR 2021, 967; Greil, Das Gewinnpotenzial als manifestierte Geschäftschance, IStR 2009, 202; Grotherr, Neufassung der Funktionsverlagerungsverordnung – 15 wichtige Neuerungen zur Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen ab dem VZ 2022 – Teil 1/Teil 2, IWB 2022, 625; IWB 2022, 672; Grotherr, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung: Anzeigepflicht, Besteuerungsgrundzüge und Neuerungen bei den Verrechnungspreisvorschriften,

Rasch/Leherpeur | 1123

Kap. 16 Rz. 16.1 | Funktionsverlagerungen DStZ 2022, 35; Hey, Verletzung fundamentaler Besteuerungsprinzipien durch die Gegenfinanzierungsmaßnahmen des Unternehmenssteuerreformgesetzes 2008, BB 2007, 1303; Kroppen/ Rasch/Eigelshoven, Die Behandlung der Funktionsverlagerungen im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 und der zu erwartenden Verwaltungsgrundsätze – Funktionsverlagerung IWB 2007, 2201; Kroppen/Rasch, Anmerkungen zu den Verwaltungsgrundsätzen Funktionsverlagerung vom 13.10.2010, IWB 2010, 824; Kroppen/Rasch, Funktionsverlagerung – der nächste Akt, Ergänzung der Escapeklausel des § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG IWB 2010, 316; Kroppen/Nientimp, Generalthema I: Funktionsverlagerung, IStR 2011, 650; Kuckhoff/Schreiber, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerungen aus Sicht der Betriebsprüfung (Teil II), IStR 1999, 353; Schwenke, Funktionsverlagerung über die Grenze, Verrechnungspreise und Funktionsausgliederung, StBJb 2007/08, 137; Wassermeyer, Funktionsverlagerung – Statement, FR 2008, 67; Rasch, Die Bestimmung fremdvergleichskonformer Lizenzen – oder: die Quadratur des Kreises?, ISR 2021, 3; Rasch, Neue Verrechnungspreisregelungen in § 1 AStG und § 89a AO Anmerkungen zu den Neuregelungen im Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz, IWB 2021, 441; Welling/Tiemann, Funktionsverlagerungsverordnung im Widerstreit mit internationalen Grundsätzen, FR 2008, 68; Zech, Funktionsverlagerung durch Zusammenlegung von Produktion und Vertrieb, IStR 2009, 418.

A. Grenzüberschreitende Umstrukturierungen multinationaler Unternehmen durch Funktionsverlagerungen I. Überblick

16.1 Bei internationalen Umstrukturierungen grenzüberschreitender Art als Inboundoder Outbound Fall geht es meist um die Transaktion von Anteilen, Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen als Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolge. Derartige Umstrukturierungen sind im UmwG, ergänzt durch das UmwStG geregelt. Eine ganz andere Form internationaler Umstrukturierungen sind sog. Funktionsverlagerungen, die nicht an Legaleinheiten, sondern an die Übertragung betrieblicher Funktionen als Gesamtpaket anknüfen. Darum soll es im Weiteren gehen. Verlagerungsgründe. Multinationale Unternehmen waren in der Vergangenheit und sind mehr denn je durch die zunehmende Digitalisierung und den technologischen Fortschritten in der Produktionssteuerung und Vertriebsorganisation sowie die sich stetig wandelnden Marktanforderungen gezwungen, Geschäftsprozesse und Abläufe im Unternehmen zu verändern. Dies reicht von Anpassungen in technologischer Hinsicht bis zur umfassenden Veränderung der Produktions- und/oder Vertriebsstruktur. Damit einhergehen kann eine Änderung der Zuordnung von Funktionen, materiellen wie immateriellen Wirtschaftsgütern sowie die Reallokation von Chancen und Risiken innerhalb einer Unternehmensgruppe. Als Reaktion können multinationale Unternehmen zu strategischen Neuausrichtungen veranlasst sein, welche sich im ersten Schritt oftmals im Rahmen klassischer M&A-Transaktionen abspielen. Davon inhaltlich abzugrenzen – jedoch nicht selten in unmittelbarem zeitlichem und kausalem Zusammenhang mit klassischen M&A-Transaktionen auftretend – sind funktionale Reorganisationen multinationaler Unternehmen. Funktionale Reorganisationen können zu einer Verlagerung im Inland geschaffener Vermögenswerte, Vorteile bzw. Gewinnpotenziale führen. Um sicherzustellen, dass 1124 | Rasch/Leherpeur

A. Funktionsverlagerungen in multinat. Unternehmen | Rz. 16.3 Kap. 16

im Inland geschaffene Werte bei einer grenzüberschreitenden Verlagerung nicht der deutschen Besteuerung entzogen werden, wurden mit dem Unternehmenssteuerreformgesetz 20081 erstmals spezifische gesetzliche Regelungen zur Besteuerung von sog. Funktionsverlagerungen geschaffen (§ 1 Abs. 3 Satz 9 ff. AStG). Zielrichtung der gesetzlichen Regelungen zur Funktionsverlagerung ist in erster Linie, die steuerlichen Folgen grenzüberschreitender, funktionaler Reorganisationen innerhalb einer Unternehmensgruppe aufzugreifen und einer Besteuerung in Deutschland zu unterwerfen. Auch wenn der Gesetzgeber damit eine besondere Berücksichtigung für die Funktionsverlagerungen geschaffen hat, so sind funktionale Reorganisationen häufig Ausgangspunkt für solche vom Gesetz vorgesehenen Transaktionen und sollten vom Rechtsanwender bei internationalen Umstrukturierungen berücksichtigt werden. II. Gesetzliche Grundlagen der Funktionsverlagerung

Es gibt keine gesetzlich verankerte oder allgemein feststehende Definition der Begrifflichkeit „Umstrukturierung der Geschäftstätigkeit“ (vgl. auch Tz. 9.1 OECD-Leitlinien). Dies ist auch wenig erstaunlich, da sowohl betriebswirtschaftliche als auch steuerrechtliche Aspekte genauso wie Organisationsthemen zur Definition beitragen könnten. Rein steuerrechtlich handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der seine Bestimmung erst durch die Knüpfung von bestimmten Rechtsfolgen an ausdrückliche Tatbestandsvoraussetzungen erlangen könnte. Aus der „Umstrukturierung der Geschäftstätigkeit“ als solcher ergeben sich aber nicht unmittelbar steuerliche Rechtsfolgen.2

16.2

Hintergrund der Regelung: Der Gesetzgeber hat in § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG a.F. und in § 1 Abs. 3b AStG n.F. die Gesamtbewertung als gesetzlichen Regelfall zur Bewertung des Transferpakets festgeschrieben. Er ist damit von dem vormals im Handelsrecht als auch im Steuerrecht vorherrschenden und international anerkannten und üblichen Grundsatz der Einzelbewertung abgewichen.3 Dabei war das Phänomen einer Funktionsverlagerung nicht neu, sondern kam schon seit Jahrzehnten in der wirtschaftlichen Praxis vor und musste daher auch vom bisherigen Steuerrecht bewältigt werden.4 Dazu dienten u.a. die Vorschriften der verdeckten Gewinnausschüttung, der verdeckten Einlage, der Entnahme und des § 1 AStG. Der Gesetzgeber sah

16.3

1 BStBl. I 2007, 1912. 2 Vgl. für eine ausführliche Diskussion, Rasch/Schmidtke, International Transfer Pricing Journal, 2011, 57 (58 f.). 3 Dazu BFH v. 22.11.1988 – VIII R 62/85, BStBl. II 1989, 359; Kroppen/Nientimp, IWB 2008, Fach 3 Gruppe 1, 2355 ff.; Schreiber, Ubg 2008, 433 (434); Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649 (1651 ff.); Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3 Gruppe 1, 2201 (2210); Spatscheck/Birken-Maier, AG 2008, 706 (707); Schwenke, StbJb. 2007/2008, S. 137 (146); Hey, BB 2007, 1303 (1308); Waldens, PIStB 2007, 209 (212); Kahle, Der Konzern 2007, 647 (650); Haas, Ubg 2008, 517 (518 ff.); Schwenke (Ansicht dargestellt von Richter/ Welling, FR 2008, 71 [74]) spricht insoweit von einem „eher betriebswirtschaftlichen“ Ansatz; Hofacker in Haase, § 1 AStG Rz. 252. Gegenteilige Auffassung der FinVerw. s. dort Anm. 63. 4 Zur kontroversen Diskussion der Besteuerung von Funktionsverlagerungen bereits vor der Einführung der Neuregelungen in § 1 Abs. 3 Sätze 9–13 AStG vgl. statt vieler Bodenmüller, Steuerplanung bei Funktionsverlagerungen ins Ausland, Düsseldorf 2004.

Rasch/Leherpeur | 1125

Kap. 16 Rz. 16.3 | Funktionsverlagerungen

diese steuerlichen Regelungen und den damit verbundenen Grundsatz der Einzelbewertung augenscheinlich nicht als ausreichend an, um eine Funktionsverlagerung einer sachgerechten Besteuerung zu unterwerfen. Die Abkehr von der Einzelbewertung wurde damit begründet, dass immaterielle Wirtschaftsgüter häufig durch die Betriebsprüfung nicht festgestellt und nachgewiesen werden könnten, so dass es durch die neue gesetzliche Regelung zu einer Beweiserleichterung komme, weil der Nachweis jedes einzelnen übertragenen Wirtschaftsgutes entfalle, da nur noch das Transferpaket bewertet werde.1 Der Gesetzgeber war und ist offensichtlich der Auffassung, dass die Summe der Preise für einzeln übertragene Wirtschaftsgüter (im Sinne einer Einzelbewertung) den Wert der Funktion regelmäßig nicht adäquat widerspiegelt.2 Aus seiner Sicht liegt der Wert bei einer Gesamtbetrachtung also regelmäßig über der Summe der Einzelwerte. Es soll daher augenscheinlich eine Art Geschäftswert besteuert werden (als Mehrwert3 über die Summe der Werte der einzelnen Wirtschaftsgüter hinaus),4 obwohl weder ein Betrieb noch ein Teilbetrieb übertragen werden muss, wie bisher § 1 Abs. 1 Satz 1 FVerlV 2008 eindeutig vorsah.5 Damit geht die gesetzliche Regelung deutlich über die Geschäftschancenlehre hinaus, die im Rahmen der verdeckten Gewinnausschüttung vom BFH6 entwickelt worden ist.7 Die Wahrnehmung jeder betrieblichen Funktion birgt in sich die Chance, in Zukunft einen Gewinn zu erzielen, aber auch, einen Verlust zu erleiden.8 1 Zur ursprgl Rechtslage, vgl. Schreiber, Ubg 2008, 433 (434). 2 Vgl. BT-Drucks. 16/4841, 86; BR-Drucks. 220/07, 144. 3 Haas, Ubg 2008, 517 (519), bemüht als mögliche Rechtfertigung für eine Besteuerung dieses Mehrwertes das Zitat von Aristoteles (384–322 v. Chr.): „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“, stellt dann aber heraus, dass die Besteuerung dieses Goodwills für den Regelfall einer Funktionsverlagerung „ökonomisch nicht gerechtfertigt“ sei. 4 Schreiber, Ubg 2008, 433 (435) verweist zur Rechtfertigung auf das Urteil des BFH v. 15.9.2004 (BFH v. 15.9.2004 – I R 7/2004, BStBl. II 2005, 867), in welchem der BFH ausführt, dass der Wert eines Unternehmens durch die Ertragskraft und nicht durch den Wert der Einzelwirtschaftsgüter bestimmt werde; Haas, Ubg 2008, 517 (519), kritisiert hieran aber zu Recht, dass es in dem Fall nicht um eine Verlagerung eines Unternehmens mit Schließung und Neuaufbau ging, sondern um die Übertragung eines „going concern“. 5 Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Absatz 1 des Außensteuergesetzes in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV) v. 12.8.2008, BGBl. 2008 I 1680. 6 BFH v. 30.8.1995 – I R 155/94, BFHE 178, 371; Anm. Pezzer, FR 1995, 906; BFH v. 12.10.1995 – I R 127/94, BFHE 179, 258; v. 11.6.1996 – I R 97/95, BFHE 181, 122; v. 13.11.1996 – I R 149/94, BFHE 181, 494; v. 18.12.1996 – I R 26/95, BFHE 182, 190; v. 13.11.1996 – I R 126/95, BFHE 182, 358; v. 12.6.1997 – I R 14/96, BFHE 183, 459; v. 22.11.1995 – I R 45/95, BFH/NV 1996, 645; v. 16.12.1998 – I R 96/95, BFH/NV 1999, 1125; v. 7.8.2002 – I R 64/01, BFH/NV 2003, 205; v. 9.7.2003 – I B 194/02, BFH/NV 2003, 1349. 7 In der Literatur ist im Anschluss an diese Rechtsprechung zwischen singulären Geschäftschancen und unternehmerischen Geschäftschancen unterschieden worden, wobei eine singuläre Geschäftschance als ein Einzelgeschäft mit konkreter Gewinnaussicht verstanden wird, während die unternehmerische Geschäftschance die Chance sein soll, aus der Wahrnehmung einer betrieblichen Funktion einen Gewinn zu erzielen. 8 Vgl. statt vieler Kroppen in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerlV, Anm. 102.

1126 | Rasch/Leherpeur

A. Funktionsverlagerungen in multinat. Unternehmen | Rz. 16.4 Kap. 16

Die Beschränkungen dieser Rechtsprechung will der Gesetz- und Verordnungsgeber mit den neuen Regelungen überwinden und umfassend zu einer Besteuerung wie bei einer Betriebsveräußerung kommen.1 Die Rechtfertigung einer Besteuerung unter Einbeziehung eines Geschäftswertes wird darin gesehen, dass eine Funktionsverlagerung ein Aliud zu der schlichten Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern sei,2 weil eine Organisationseinheit aus Zuständigkeiten, Wirtschaftsgütern und Vorteilen (eingearbeitete Mitarbeiter und Produktionskapazität), Entscheidungskompetenzen, Verantwortlichkeiten, Rechten, geschäftswertbildenden Faktoren sowie Ertragschancen und -risiken übertragen werde.3 Man wird danach sagen können, dass eine Funktionsverlagerung4 zwischen der schlichten Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern und einer Teilbetriebs-/Betriebsübertragung liegt.5 Zielrichtung gesetzlicher Funktionsverlagerungsregelungen. Die entscheidende Frage ist, ob im Rahmen einer Restrukturierung etwas Werthaltiges übertragen 1 Kroppen/Rasch, IWB 2008, Fach 3 Gruppe 1, 2339 (2342); Schreiber, Ubg 2008, 433 (434), geht davon aus, dass das Ziel des Gesetzgebers nicht die Ausweitung des nationalen Besteuerungsrechts, sondern die Beseitigung eines Vollzugsdefizits bei der Besteuerung von Funktionsverlagerungen sei. 2 Zur Diskussion des Begriffs der „Funktion“ vgl. Kroppen/Rasch, IWB 2008, Fach 3 Gruppe 1, 2339 (2341 f.); Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3 Gruppe 1, 2201 (2207 ff.); Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649; Pohl, JbFSt 2007/2008, S. 433 ff.; Jahndorf, FR 2008, 101; Frotscher, FR 2008, 49 (50); Looks/Scholz, BB 2007, 2541; Richter/ Welling, FR 2008, 71 (72); Borstell/Brüninghaus, WPg 2006, Sonderheft, 131 ff.; Borstell/ Schäperclaus, IStR 2008, 275; Crüger/Wintzer, GmbHR 2008, 306; Wulf, DB 2007, 2280; Zielke, DB 2007, 2781; Haas, Ubg 2008, 517 (518 ff.); Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, S. 541 ff.; Eisele, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung, S. 22; Bodenmüller, Steuerplanung bei Funktionsverlagerungen ins Ausland, S. 7; Kaminski, RIW 2007, 594 (599), kritisiert im Hinblick auf die Bestimmtheit des Begriffes insbesondere, dass es keine „Untergrenze“ gebe, von der an nicht mehr von einer Funktion auszugehen ist. 3 So Schreiber, Ubg 2008, 433 (435), die OECD spricht in Tz. 9.93 in diesem Zusammenhang von „functioning, economically integrated business unit“; a.A. aber Ditz, DStR 2006, 1625 (1627), Wassermeyer, DB 2007, 535 (538); Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3 Gruppe 1, 2201 (2211); Blumers, BB 2007, 1757 (1759); zu typischen Fallkonstellationen im Mittelstand vgl. Jenzen, NWB 2007, Fach 2, 9419 (9432 ff.). 4 Zu den in der Praxis unterschiedenen Arten der Funktionsverlagerung (Funktionsausgliederung, -abschmelzung, -abspaltung, -verdoppelung bzw. -vervielfachung) vgl. Kahle, Der Konzern 2007, 647 (648); Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649 (1650); Schwenke, StbJb. 2007/2008, S. 137 (141); Jahndorf, FR 2008, 101; Frotscher, FR 2008, 49 (50); Jenzen, NWB 2007, Fach 2, 9419 (9423 f.). 5 Ähnlich auch Borstell/Schäperclaus, IStR 2008, 275 (277); Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1945 (1946); Schwenke, StbJb. 2007/2008, S. 137 (138); Jenzen, NWB 2007, Fach 2, 9419 (9424); Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3 Gruppe 1, 2201 (2210); Looks/ Scholz, BB 2007, 2541 (2542); vgl. hierzu BR-Drucks. 220/07, 148; § 1 Abs. 1 Satz 2 FVerlV stellt ausdrücklich klar, dass „kein Teilbetrieb im steuerlichen Sinne“ vorliegen muss. Der konkrete Unterschied zwischen den beiden steuerlichen Begriffen „Funktion“ und „Teilbetrieb“ bleibt aber offen, vgl. Blumers, BB 2007, 1757 (1759 f.); Kaminski, RIW 2007, 595 (599); Welling/Tiemann, FR 2008, 68; zur Abgrenzung zum Teilbetrieb vgl. Brüninghaus/ Bodenmüller, DStR 2009, 1285.

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16.4

Kap. 16 Rz. 16.4 | Funktionsverlagerungen

wird. Werthaltig kann diese Übertragung nur sein, wenn ein fremder Dritter dem übertragenen Gut einen Wert beigemessen hat1 und wie der hieraus resultierende Fremdvergleichswert bestimmt werden kann.2

Um den Zuwachs an Gewinnpotential beim übernehmenden Unternehmen (im Ausland) in Erfahrung zu bringen und damit die gewünschte doppelte ertragswertorientierte Bewertung sicherstellen zu können, wurde zudem die Regelung des § 162 Abs. 3 Satz 3 AO eingefügt, nach der Schätzungen zu Lasten des inländischen Unternehmens zulässig sind, wenn ein ausländisches Konzernunternehmen seine – jedenfalls nach Ansicht des deutschen Gesetzgebers bestehenden – erhöhten Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 AO oder seine Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 AO nicht erfüllt. Das Ziel der ab 2008 geltenden Spezialregelungen für grenzüberschreitende Funktionsverlagerungen besteht darin, das Vollzugsdefizit bei der Besteuerung von Verlagerungen immaterieller Wirtschaftsgüter zu beseitigen, nicht hingegen darin, neue Besteuerungstatbestände zu schaffen.3 Insbesondere geht es darum, eine Besteuerung der Übertragung bzw. Überlassung folgender immaterieller Wirtschaftsgüter/Vorteile dem Grunde nach sicherzustellen:4 – selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter (diese unterliegen bislang einem Bilanzierungsverbot, so dass sich ihr Transfer in der Bilanz des abgebenden Unternehmens nicht zeigt), – Geschäftswert, – nicht gesondert in Erscheinung tretende immaterielle Wirtschaftsgüter (z.B. ungeschütztes Know-how) – Ertragszuwachs des die Funktion übernehmenden Unternehmens aus Standortvorteilen und Synergieeffekten.

Der Gesetzgeber will ferner sicherstellen, dass durch eine doppelte ertragswertorientierte Gesamtbewertung, d.h. durch eine Wertermittlung aus der Perspektive beider Unternehmen dafür gesorgt werden kann, dass sich die Höhe von Nutzungsüberlassungsgebühren am tatsächlichen Umsatz bzw. Ertrag des Lizenznehmers ausrichtet. III. Rechtsentwicklung der nationalen Funktionsverlagerungsregelungen

16.5 Entwickung der nationalen Funktionsverlagerungsregelungen. Mit dem UntStRefG 20085 wurden in dem seinerzeit neu gestalteten § 1 AStG erstmals nationale Spezialregelungen für grenzüberschreitende Funktionsverlagerungen zwischen nahestehenden Personen erlassen. Diese wurden zwischenzeitlich durch die Funktionsver1 Zur Relevanz des Fremdvergleichsgrundsatzes auch für die Fälle der Restrukturierung, vgl. Rasch in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap IX, Anm. 10. 2 Vgl. Kroppen/Nientimp, IStR 2011, 650 (650). 3 So auch Nawrath, DStR 2009, 2. 4 Schreiber in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerlV, Anm. 1. 5 UnStRefG 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912 = BStBl. I 2007, 630.

1128 | Rasch/Leherpeur

A. Funktionsverlagerungen in multinat. Unternehmen | Rz. 16.6 Kap. 16

lagerungsverordnung1 (FVerlV 2008) vom 12.8.2008 präzisiert, durch das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 8.4.20102 ergänzt und stellenweise redaktionell neu gefasst sowie anschließend durch das BMF-Schreiben v. 13.10.20103 erläutert. Die letzte umfassende Überarbeitung erfolgte in § 1 Abs. 3 AStG in der Form des Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetzes (AbzStEntModG) im Jahr 2021, mit der u.a. das DEMPE Konzept der OECD, einige Neuerungen wie u.a. die Bandbreitenbetrachtung und Methodenwahl angepasst wurden.4 So wurde auch die Funktionsverlagerung neu strukturiert. § 1 Abs. 3b AStG hat keine Entsprechung im bisherigen § 1 AStG und ist Resultat der Neugliederung des Abs. 3 in verschiedene, thematisch getrennte Absätze. In § 1 Abs. 3b AStG wird grds. der Inhalt aus § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG a.F. aufgenommen, wobei der Wortlaut leicht unterschiedlich ausfällt. Zum Beispiel steht nun vor „sonstigen Vorteile“ ein „oder“ statt einem „und“, wonach im Rahmen der Funktionsverlagerung nicht mehr zwingend Wirtschaftsgüter mit-übertragen oder mit-überlassen werden müssten. Bisher sah § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV 2008 explizit vor, dass eine Funktionsverlagerung nur vorliegt, wenn sowohl Wirtschaftsgüter als auch sonstige Vorteile übertragen oder überlassen werden. Das zuvor erwähnte DEMPE Konzept geht auf die Arbeiten der OECD zurück. Verbundene Unternehmen, die in Zusammenhang mit der Entwicklung, Erhaltung, Verbesserung, dem Schutz und der Verwertung der immateriellen Werte Wertschöpfungsfunktionen ausüben, sollen eine angemessene Vergütung erwarten können. Ein verbundenes Unternehmen, das Risiken im Zusammenhang mit der Entwicklung, Erhaltung, Verbesserung, dem Schutz und der Verwertung der immateriellen Werte übernimmt, muss nach den OECD-Leitlinien die Kontrolle über die Risiken ausüben und über die finanzielle Kapazität verfügen, die Risiken zu tragen. Daher soll untersucht werden, in welcher Weise und in welchem Umfang die Transaktionspartner zur Entwicklung, Erhaltung, Verbesserung, Verwertung und zum Schutz (= development, enhancement, maintenance, protection, exploitation = DEMPE Funktionen) der relevanten immateriellen Werte beigetragen haben. AbzStEntModG 2021, Rechtsverordnung 2022 und BMF-Schreiben. Zusätzlich zu der gesetzlichen Verankerung von Regelungen zu Funktionsverlagerungen wurde in § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG eine Ermächtigungsgrundlage für eine entsprechende Rechtsverordnung geschaffen.5 Das BMF-Schreiben v. 13.10.2010 „VerwaltungsgrundsätzeFunktionsverlagerung“6 – ursprünglich zum § 1 Abs. 3 S. 9 AStG a.F. erlassen, sind 1 BGBl. I 2008, 1680 = BStBl. I 2009, 34. 2 BGBl. I 2010, 386 = BStBl. I 2010, 334. 3 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 – VerwGr.FVerl. 4 Vgl. dazu ausführlich Rasch, IWB 2021, 441. 5 Für § 1 Abs. 3 S. 9 AStG a.F. wurde die sog. „Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV“ erlassen, welche die Regelungen des § 1 Abs. 3 Satz 9 ff. AStG konkretisieren sollte. 6 Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen nahe stehenden Personen in Fällen von grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen (Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung), BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774.

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16.6

Kap. 16 Rz. 16.6 | Funktionsverlagerungen

noch in Kraft.1 Die gesetzlichen Regelungen zur Funktionsverlagerung ebenso wie die FVerlV und die Verwaltungsgrundsätze FVerl wurden in der Fachliteratur außerordentlich stark kritisiert.2 Die gesetzlichen Änderungen sind im Zusammenhang mit den Verwaltungsgrundsätzen 2020 vom 3.12.20203 sowie den Verwaltungsgrundsätzen Verrechnungspreise vom 14.7.20214 zu sehen. Diese enthalten einige Änderungen und teilweise Verschärfungen in Bezug auf die aktuellen gesetzlichen Änderungen. In Verbindung mit den Änderungen in § 1 AStG, die jüngst durch das AbzStEntModG eingeführt worden sind, sind die gesetzlichen Regelungen und Ergänzungen durch die Verwaltungsgrundsätze sehr umfassend modernisiert. Die wesentlichen Änderungen in § 1 Abs. 3b AStG für den Bereich der Funktionsverlagerung lassen sich wie folgt zusammenfassen: – Anwendung ökonomisch anerkannter Bewertungsmethoden im hypothetischen Fremdvergleich; – Teilweiser Entfall der bisherigen Escape-Klauseln bei Funktionsverlagerungen; – Umsetzung des DEMPE-Konzepts der OECD für die Bestimmung angemessener Verrechnungspreise bei immateriellen Werten.

16.7 Funktionsverlagerungsverordnung. Am 31.8.2022 wurde der Entwurf der neuen Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen veröffentlicht, der am 7.10.2022 durch den Bundesrat bestätigt wurde5 (im Folgenden zitiert als: „FVerlV 2022“).6 Die FVerlV 2022 soll erstmals für Veranlagungszeiträume anzuwenden sein, die nach dem 31.12.2021 beginnen und die bisherige FVerlV ersetzen. Die aktuelle FVerlV beinhaltet insgesamt 10 Paragrafen, die sich am Aufbau der bisherigen FVerlV orientieren. Gestrichen wurden die konkretisierenden Regelungen zur Preisanpassungsklausel in § 1 Abs. 3 S. 11 f. AStG 2008 (vgl. §§ 9–11

1 Vgl. Rz. 3.87, BMF, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise v. 14.7.2021 – IV B 5 - S 1341/19/10017 :001. 2 Vgl. stellvertretend Schreiber in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl, Rz. 5, 5.1; Wassermeyer, FR 2008, 67 f. 3 Verwaltungsgrundsätze 2020 v. 3.12.2020 – IV B 5 - S 1341/19/10018 :001. Dazu Rasch, ISR 2021, 10, m.w.N. 4 BMF, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise v. 14.7.2021 – IV B 5 - S 1341/19/10017 :001. Dazu Rasch, IWB 2021, 654 m.w.N. 5 Veröffentlicht am 18.10.2022, BGBl. 2022 I 1803. 6 Verfügbar unter: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/beratungsvorgaenge/2022/04010500/0423-22.html;jsessionid=BB74AD8E48C4696FD98B55F92D171D81.2_cid365?nn= 4732016&cms_topNr= 423 %2F22#top-423/22. Der vorhergehende Referentenentwurf des BMF v. 5.7.2022 ist verfügbar unter: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/ DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_IV/20_Legislaturperiode/2022-07-05-FVerlV/0-Verordnung.html.

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B. Anwendungsrahmen der Regelungen zur Funktionsverlagerung | Rz. 16.8 Kap. 16

FVerlV 2008), da diese in Folge des AbzStEntModG in einen neuen § 1a AStG überführt wurden. Der Ausschluss der Anpassungsregelung im Falle von umsatz- oder gewinnabhängigen Lizenzvereinbarungen (vgl. § 9 FVerlV 2008) findet sich nun direkt im Gesetz wieder (in § 1a S. 6 Nr. 3 AStG). Für die Praxis relevante Änderungen finden sich jedoch durch den Wegfall von § 10 und 11 FVerlV 2008, in denen bestimmt wurde, wann im Rahmen einer Transferpaketbewertung eine erhebliche Preisabweichung vorliegt (§ 10 FVerlV 2008) und wie in derartigen Konstellationen eine angemessene Ausgleichszahlung zu bestimmen ist (§ 11 FVerlV 2008). Nach Auffassung des BMF sollen durch die FVerlV 2022 die sich in der gesetzlichen Norm des § 1 Abs. 3b AStG ergebenden Änderungen entsprechend reflektiert werden. Im Zuge dessen wurden jedoch leider Verschärfungen für den Steuerpflichtigen in der FVerlV 2022 vorgenommen, die aus unserer Sicht nicht mit der neuen gesetzlichen Regelung des § 1 Abs. 3b AStG begründet werden können. So wurde die in der Praxis überaus bedeutsame Vorschrift des § 4 Abs. 2 FVerlV 2008 ersatzlos gestrichen. Diese Regelung sah vor, dass auf Antrag des Steuerpflichtigen von einer Nutzungsüberlassung auszugehen sei, wenn zweifelhaft war, ob das Transferpaket zur Nutzung überlassen oder übertragen wurde. Da die steuerlichen Auswirkungen einer Einmalübertragung ungleich höher sind als bei einer Nutzungsüberlassung, dürften die Diskussionen in der Betriebsprüfung sich deutlich verschärfen. Zudem sind teilweise Einmalzahlungen im Ausland als Goodwill zu aktivieren und können nicht abgeschrieben werden, so dass die Änderung der Vorschrift eine ernsthafte Gefahr der Doppelbesteuerung darstellt. Zudem scheinen erhöhte Anforderungen für die Abweichung von einem unbegrenzten Kapitalisierungszeitraum im Rahmen der Transferpaketbewertung zu bestehen, da § 5 FVerlV 2022 einen Nachweis (und nicht mehr nur ein „Glaubhaftmachen“, vgl. § 6 FVerlV 2022) von Gründen für einen kürzeren (bestimmten) Zeitraum verlangt. Entsprechendes gilt für die Verwendung von gesetzlichen Ausgleichsansprüchen zur Bewertung einer Funktionsverlagerung. Auch hier muss der Steuerpflichtige jetzt die fehlende Übertragung von immateriellen Wirtschaftsgütern nachweisen, eine „Glaubhaftmachung“ soll nicht mehr ausreichen (vgl. § 8 FVerlV 2022). Inwieweit die Finanzverwaltung auf die oben genannten Neuerungen mit einer Überarbeitung der Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung reagiert, bleibt abzuwarten. Zumindest die Streichung der §§ 9–11 FVerlV 2008 erfordert u.E. eine Klarstellung in den Verwaltungsgrundsätzen Funktionsverlagerung.

B. Anwendungsrahmen der Regelungen zur Funktionsverlagerung Verhältnis der Korrekturnormen. § 1 AStG als Korrekturnorm zur Berichtigung von Einkünften bei Auslandsbeziehungen kommt in der aktuellen Fassung nur subsidiär bzw. als „Auffüllvorschrift“ zur Anwendung. Mithin haben die allgemeinen Korrekturvorschriften der verdeckten Gewinnausschüttung, verdeckten Einlage, Entnahme und Einlage zunächst Vorrang und eine Korrektur nach § 1 AStG kommt grundsätzlich nur dann (ergänzend) zur Anwendung, wenn die anderen Vorschriften Rasch/Leherpeur | 1131

16.8

Kap. 16 Rz. 16.8 | Funktionsverlagerungen

nicht greifen bzw. nur eine geringere Korrektur erlauben. Der BFH hat dazu in jüngerer Zeit entschieden, dass sich aus der Formulierung "unbeschadet anderer Vorschriften" in § 1 Abs. 1 AStG kein Vorrang des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ergibt. Beide Vorschriften überlagern einander vielmehr in dem Sinne, dass sich eine Gewinnkorrektur nach der einen Vorschrift erübrigt, wenn sie bereits nach der anderen vollzogen wurde. Soweit die Rechtsfolgen der beiden Vorschriften nicht voneinander abweichen, kann der Rechtsanwender wählen, welche von ihnen er vorrangig prüft.1

16.9 Nahestehende Person. Neben den grundlegenden Tatbestandsvoraussetzungen – wie dem Bestehen einer grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehung zu einer dem Steuerpflichtigen nahestehenden Person sowie einer daraus resultierenden Einkünfteminderung – sind weiterhin die in den nachfolgenden Abschnitten ausführlich dargestellten besonderen Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 3 AStG und deren Konkretisierung in der FVerlV und den Verwaltungsgrundsätzen FVerl für die Anwendbarkeit der Funktionsverlagerungsregelungen zu erfüllen. § 1 Abs. 2 AStG definiert den Begriff der nahestehenden Personen. Durch das ATAD-Umsetzungsgesetz 2021 wurden Änderungen im § 1 Abs. 2 AStG umgesetzt.2 Personengesellschaften oder Mitunternehmerschaften werden über § 1 Abs. 1 S. 2 AStG erfasst. In § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AStG wird weiterhin auf das Erfordernis einer wesentlichen Beteiligung abgestellt. Der sachliche Anwendungsbereich wird jedoch entsprechend Art. 2 Abs. 4 Buchstabe a) ATAD Richtlinie erweitert. Demnach ist eine wesentliche Beteiligung bei unmittelbarer oder mittelbarer Beteiligung von mindestens 25 % an dem gezeichneten Kapital, den Mitgliedschaftsrechten, den Beteiligungsrechten, den Stimmrechten oder dem Gesellschaftsvermögen anzunehmen. Es wird nicht mehr – wie bisher – ausschließlich auf den Anteil am gezeichneten Kapital abgestellt. Neu ist zudem, dass nunmehr auch dann ein „Nahestehen“ bei Anspruch auf mindestens ein Viertel des Gewinns oder Liquidationserlöses anzunehmen ist. Diese Erweiterung soll gemäß Gesetzesbegründung (S. 59 f.) Steuerumgehungen durch die Ausgabe von mit Mehrfachstimmrechten ausgestatteten oder stimmrechtslosen Anteilen, den Abschluss von Stimmbindungsverträgen oder vergleichbaren Vorgängen vermeiden.

16.10 Grenzüberschreitende Verlagerungen. Aufgrund der Zielrichtung des Außensteuergesetzes werden von der gesetzlichen Regelung zur Funktionsverlagerung (§ 1 Abs. 3b AStG = § 1 Abs. 3 Satz 9 ff. AStG a.F.) lediglich grenzüberschreitende Verlagerungsfälle erfasst. Nationale Vorgänge sind nach den Einzelbewertungsgrundsätzen – eventuell unter Heranziehung der Geschäftschancenlehre des BFH – zu beurteilen. Eine abweichende Regelung gilt lediglich für Betriebs- bzw. Teilbetriebsübertragungen. Nicht eindeutig geklärt ist, wie sich die Neuregelung in das Gesamtsystem der Korrekturnormen einfügt und ob sich der Steuerpflichtige unter Umständen selbst bei 1 BFH Urt. v. 27.11.2019 – I R 40/19, BFHE 268, 1. Dazu etwa Pfirrmann, BFH/PR 2021, 37; Busch, DB 2020, 2369; Andresen/Holtrichter, DStR 2021, 65; Heckerodt, DStRK 2020, 295; Kempermann, FR 2020, 1111. 2 BT-Drucks. 19/28925.

1132 | Rasch/Leherpeur

B. Anwendungsrahmen der Regelungen zur Funktionsverlagerung | Rz. 16.12 Kap. 16

eindeutiger Übertragung eines Betriebs oder Teilbetriebs auf die Einzelbewertung nach § 1 Abs. 3 S. 10, 3. Fall AStG berufen kann, wenn er ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut benennt. § 1 AStG einschließlich seines Abs. 3 gilt nur unbeschadet anderer Vorschriften. Der Vorschrift kommt nach § 1 Abs. 1 S. 3 AStG nur eine Ergänzungsfunktion bei weitergehenden Rechtsfolgen zu. Unter Berücksichtigung dieses Rangverhältnisses gilt hinsichtlich einer Gesamt- bzw. Einzelbewertung verschiedener Formen von Funktionsverlagerung u.E. Folgendes: – Gegenstand der Verlagerung ist ein Betrieb oder Teilbetrieb im steuerlichen Sinne. Die Bestimmung eines fehlenden oder die Korrektur eines unrichtigen Entgelts geschieht nach den allgemeinen Regeln auf Basis einer Gesamtbewertung. § 1 AStG führt nicht zu weitergehenden Rechtsfolgen nach § 1 Abs. 1 S. 4 AStG. – Gegenstand einer Verlagerung ist ein Teilbetrieb im funktionalen Sinne, ohne dass die engen Voraussetzungen eines steuerlichen Teilbetriebs erfüllt sind. Es gilt das vorstehend zum steuerlichen Teilbetrieb Gesagte. – Gegenstand der Verlagerung ist eine Funktion unterhalb der Schwelle eines funktionalen Teilbetriebs. Es gilt nach § 1 Abs. 3b AStG eine Gesamtbewertung des Transferpakets. Dies führt zum Ansatz geschäftswertbildender Faktoren. Inbound-Verlagerungen. Die Regierungsbegründung zum § 1 AStG a.F. sah zumindest vor, dass die Grundsätze spiegelbildlich auch auf Inbound-Verlagerungen Anwendung finden sollen. Die Verwaltungsgrundsätze FVerl berücksichtigen dies, wonach die im Erlass enthaltenen Regelungen gleichermaßen für Funktionsverlagerungen ins Inland gelten sollen.1

16.11

Anwendungszeitpunkt. Die Regelungen des § 1 Abs. 3 AStG a.F. in der Fassung des Unternehmenssteuerreformgesetzes 2008 waren erstmalig gem. § 21 Abs. 16 Satz 1 AStG für den Veranlagungszeitraum 2008 anzuwenden.2 Vor dem Veranlagungszeitraum 2008 bestanden keine gesonderten gesetzlichen Regelungen für Funktionsverlagerungen in Deutschland. Die Beurteilung, ob und inwieweit ein Besteuerungstatbestand gegeben war, war vielmehr auf Basis einer Einzelbewertung des betreffenden Wirtschaftsguts nach dem Teilwert oder gemeinen Wert sowie bei der Übertragung von Geschäftschancen unter Heranziehung der Geschäftschancenlehre des BFH vorzunehmen. Eine Ausnahme von der Einzelbewertung stellte lediglich die Betriebsbzw. Teilbetriebsübertragung dar (vgl. dazu vorstehend Rz. 16.10).

16.12

Die aktuellen Änderungen im Bereich der Verrechnungspreise (§ 1 Abs. 3–3c AStG und Preisanpassungsklausel in § 1a AStG) sind ab dem Veranlagungszeitraum 2022 anzuwenden (§ 21 Abs. 25 AStG).

1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 Rz. 3. 2 Vgl. Andresen/Schoppe, IStR 2009, 600 ff.; Ditz, IStR 2009, 421 (423); a.A. Zech, IStR 2009, 418 (420); einschränkend Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl, Rz. 247 ff.

Rasch/Leherpeur | 1133

Kap. 16 Rz. 16.13 | Funktionsverlagerungen

16.13 Verfassungsrechtliche Bedenken. Insbesondere aufgrund der Tatsache, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der Funktionsverlagerungsregelungen eine Fülle von unbestimmten Rechtsbegriffen verwendet und widersprüchliche Rechtsfolgeanwendungen zum Tragen kommen, wurden in der Fachliteratur vermehrt Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung geäußert.1 Zudem wird kritisch gesehen, dass die für die Rechtsanwendung wesentlichen Begrifflichkeiten fast ausnahmslos nicht im Gesetz selbst, sondern in der Rechtsverordnung definiert wurden.2 Ebenso bestehen Zweifel, ob die Rechtsverordnung nicht über die Ermächtigungsgrundlage hinausgeht.3 Musterverfahren sind dazu noch nicht anhängig. Zu empfehlen ist aber, dass in strittigen Fällen der Funktionsverlagerung Einspruch eingelegt wird. Die Anwendung des Gesetzes, auch in der Form des AbzStEntlModG, beinhaltet viele Fragestellungen, die einer näheren Überprüfung zugänglich sind. 16.14 Europarechtswidrigkeit. Die Regelungen des § 1 AStG standen in der Vergangenheit schon mehrfach in der Diskussion einer möglichen Europarechtswidrigkeit. Die im Zuge der Einführung der Funktionsverlagerungsregelungen vorgenommenen Änderungen des § 1 Abs. 3 AStG haben zu einer weiteren Verschärfung dieser Diskussion beigetragen. Insbesondere an den Stellen, wo die Regelungen des § 1 Abs. 3 AStG über den Fremdvergleichsgrundsatz hinausgehen, wie dies beispielsweise bei der Unterstellung von vollständiger Informationstransparenz, dem Ansatz des Mittelwertes sowie der 10-jährigen Preisanpassungsklausel zugunsten des deutschen Fiskus der Fall ist, drängen sich die Bedenken einer Europarechtswidrigkeit auf.4 Zu empfehlen ist auch hier (vgl. zuvor Rz. 16.13), dass in strittigen Fällen der Funktionsverlagerung Einspruch eingelegt und der Weg zum EuGH gesucht wird. Die Anwendung des Gesetzes, auch in der Form des AbzStEntlModG, beinhaltet viele Fragestellungen, die einer näheren Überprüfung zugänglich sind.

C. OECD Entwicklungen bei der Einordnung von Funktionsverlagerungen 16.15 I. Hintergrund der OECD Arbeiten Bereits im Januar 2005 organisierte das OECD „Centre for Tax Policy and Administration“ einen Roundtable zum Thema „Business Restructuring“. Anlass dafür war die zunehmende Bedeutung und Häufigkeit der Umstrukturierung der Geschäftstätigkeit durch multinationale Unternehmen und der daraus resultierenden steuerli-

1 Vgl. Schreiber in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl, Rz. 10 ff. u.a. unter Verweis auf zahlreiche kritische Stimmen in der Fachwelt. 2 Vgl. auch Schreiber in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl, Rz. 25, 25.1. 3 Vgl. Schreiber in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl, Rz. 26. 4 Vgl. Schreiber in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl, Rz. 29.

1134 | Rasch/Leherpeur

C. OECD Entwicklungen bei der Einordnung | Rz. 16.16 Kap. 16

chen Fragestellungen.1 An diesem ersten Roundtable zu diesem Thema haben Vertreter der OECD, aus China, Südafrika und Singapur, sowie Vertreter der Wirtschaft teilgenommen.2 Die Teilnehmer des Roundtable diskutierten eine Reihe von Problemen, einschließlich der Vorgehensweise in Betriebsprüfungen im Umgang mit der Thematik, einer Betrachtung aus Sicht der Doppelbesteuerungsabkommen, sowie aus der Verrechnungspreis- und der Umsatzsteuerperspektive. Als Ergebnis wurde herausgestellt, dass weder die OECD-Leitlinien noch das OECD-Musterabkommen, einschließlich des OECD-Musterkommentars, eine ausreichende Grundlage zur Beurteilung dieser Themen zur Verfügung stellen. Einigkeit bestand aber auch zu diesem Zeitpunkt, dass insbesondere die Verrechnungspreisproblematik, sei es bezogen auf den Zeitpunkt der Restukturierung der Unternehmensaktivität oder nach der Umstrukturierung, gleichermaßen wie die Problematik der Begründung von Betriebsstätten zu erheblicher Rechtsunsicherheit für die Rechtsanwender führe.3 Folgerichtig entschied das „Committee on Fiscal Affairs“, ein Projekt zu starten, um eine Leitlinie zu dem Thema zu entwickeln.4 Ergebnis dieses Projektes war das Kapitel IX der OECD Leitlinien 2010. II. Überarbeitung durch das BEPS Projekt Das BEPS-Projekt hat mit seinen 15 Aktionspunkten zahlreiche Veränderungen für die Verrechnungspreise gebracht. Im Anschluss an die Veröffentlichung des Berichts „Addressing Base Erosion and Profit Shifting“ (Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung – Situationsbeschreibung und Lösungsansätze) im Februar 2013 haben die OECD- und G20-Staaten im September 2013 einen 15-Punkte-Aktionsplan gegen 1 Vgl. Response of the Committee on Fiscal Affairs to the comments received on the September 2008 Discussion Draft on the Transfer Pricing Aspects of Business Restructuring, OECD, Centre for Tax Policy and Administration, 22.7.2010, Rz. 1; abrufbar unter http:// www.oecd.org/ctp/transfer-pricing/45690130.pdf. 2 Vgl. http://www.oecd.org/ctp/transfer-pricing/38436625.pdf. Ferner Greil, Funktionsverlagerung zwischen nahe stehenden Personen i.S.d. § 1 AStG – Theoretische Grundlagen und empirische Analyse, Diss. Würzburg, 2010, S. 70 f. 3 Vgl. Response of the Committee on Fiscal Affairs to the comments received on the September 2008 Discussion Draft on the Transfer Pricing Aspects of Business Restructuring, OECD, Centre for Tax Policy and Administration, 22.7.2010., Rz. 1. Vgl. auch Fn. 54. Siehe auch Zech, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen 2009: Die steuerliche Behandlung von Verrechnungspreisen, insbesondere bei Funktionsverlagerungen, nach der Unternehmenssteuerreform 2008, Diss. Münster, 2008, S. 65 f.; Baumhoff/Puls, IStR 2009, 73 (74 f.); Greil, IWB 2009, Gr. 1 F. 3, 2365 ff. 4 Dazu wurde eine gemeinsame Arbeitsgruppe („working party“) der WP1 und WP6 (Untergruppen des Committee on Fiscal Affairs, zuständig für das Musterabkommen und die Verrechnungspreisleitlinien) gegründet. Siehe dazu ausführlich: “Response of the Committee on Fiscal Affairs to the comments received on the September 2008 Discussion Draft on the Transfer Pricing Aspects of Business Restructuring, OECD, Centre for Tax Policy and Administration”, 22.7.2010., Rz. 2 ff. Vgl. auch Fn. 54 sowie Greil, Funktionsverlagerung zwischen nahe stehenden Personen i.S.d. § 1 AStG – Theoretische Grundlagen und empirische Analyse –, Diss. Würzburg, 2010, S. 70 f.

Rasch/Leherpeur | 1135

16.16

Kap. 16 Rz. 16.16 | Funktionsverlagerungen

Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung verabschiedet.1 In diesem Aktionsplan wurden 15 Maßnahmen in Bezug auf drei große Themenblöcke analysiert: Gewährleistung der Kohärenz der innerstaatlichen Vorschriften, die sich auf grenzüberschreitende Tätigkeiten auswirken, Stärkung der Substanzanforderungen in den bestehenden internationalen Standards und Erhöhung der Transparenz sowie der Planungssicherung.2 Der Fremdvergleichsgrundsatz ist auch nach Auffassung der OECD nach wie vor als der zweckmäßige und ausgewogene Standard anzusehen, um Finanzverwaltungen und Unternehmen in die Lage zu versetzen, die Verrechnungspreise zwischen verbundenen Unternehmen festzusetzen, und dabei Doppelbesteuerung zu verhindern. Weil nach Ansicht der OECD die bisherigen Leitlinien zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes jedoch die vertragliche Aufteilung von Funktionen, Vermögenswerten und Risiken in den Vordergrund gestellt haben, war damit das Risiko von Manipulationen verbunden. Diese Manipulationen wiederum könnten mit der Besteuerung der Transaktionen im Einklang mit der Wertschöpfung kollidieren. Einer der Schwerpunkte der Arbeiten an den Aktionspunkten 8-10 lag bei Aktionspunkt 9, der sich mit der vertraglichen Aufteilung der Risiken und der sich daraus ergebenden Zuordnung der Gewinne zu diesen Risiken auseinandersetzt. Die Gefahr ist, dass diese Risikoaufteilung möglicherweise nicht mit den tatsächlich durchgeführten Tätigkeiten übereinstimmt. AP 9 beschäftigt sich außerdem auch mit der Höhe der Rendite von Finanzierungsmitteln, die von kapitalstarken Mitgliedern eines multinationalen Konzerns bereitgestellt werden, wenn diese Rendite nicht mit dem Umfang der Tätigkeit übereinstimmt, die von der Finanzierungsgesellschaft ausgeübt wird. Hier liegt das besondere Augenmerk auf den sog. risikolosen „cash-boxes“, die in einer Transaktion lediglich Kapital zur Verfügung stellen, jedoch keine Funktionen übernehmen.3 Um diesem Ziel gerecht zu werden, verlangen die überarbeiteten Leitlinien eine sorgfältige Abgrenzung des tatsächlichen Geschäftsvorfalls zwischen den verbundenen Unternehmen. Dies geschieht auf der Basis der Analyse der vertraglichen Beziehungen zwischen den Beteiligten in Abgleich zum tatsächlichen Verhalten. Das Verhalten soll zusätzlich zu den vertraglichen Vereinbarungen oder an deren Stelle berücksichtigt werden, sofern die Verträge nicht vollständig sind oder nicht durch das Verhalten der Beteiligten bestätigt werden. In den Fällen, in denen der Geschäftsvorfall zwischen verbundenen Unternehmen nicht der kaufmännischen Rationalität entspricht, sehen die Leitlinien die Nichtanerkennung der betreffenden Vereinbarung für Verrechnungspreiszwecke vor.4 1 Für einen umfassenden Überblick, vgl. Mank/Thomson in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. V, Anm. 3. 2 Vgl. S. 3, OECD (2017), Gewährleistung der Übereinstimmung zwischen Verrechnungspreisergebnissen und Wertschöpfung: Aktionspunkte 8-10: Abschlussbericht 2015, OECD/G20 Projekt Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung, OECD Publishing, Paris. http://dx.doi.org/10.1787/9789264274297-de, hiernach als „OECD (2017), Aktionspunkte 8-10“ zitiert. 3 OECD (2017), Aktionspunkte 8-10, S. 9. 4 Vgl. OECD (2017), Aktionspunkte 8-10, S. 10.

1136 | Rasch/Leherpeur

C. OECD Entwicklungen bei der Einordnung | Rz. 16.18 Kap. 16

Für das hier interessierende Kapitel IX zum Business Restructuring und dessen Überarbeitung gibt es in Bezug auf die Risiken sehr relevante Feststellungen. Die OECD definiert Risiken als den Effekt der Unsicherheit auf die Ziele der Geschäftstätigkeit. Nach Auffassung der OECD bestehen bei allen Transaktionen eines Unternehmens, bei jeder Aktivität, die zur Nutzung von Geschäftschancen unternommen wird, in jedem Fall, wenn ein Unternehmen Geld ausgibt oder Einkünfte erwirtschaftet, Unsicherheit und es werden Risiken eingegangen. Dies hat in der Vergangenheit wohl dazu geführt, Steuerplanungsstrategien auf der Basis vertraglicher Umverteilungen der Risiken zu verfolgen, teilweise ohne jede Änderung der Geschäftstätigkeit. Um diese aus Sicht der OECD abzulehnenden Steuerplanungen zu vermeiden, bestimmt der Bericht, dass „Risiken, die vertraglich von einem Beteiligten übernommen werden, der in Wirklichkeit keine sinnvolle und konkret definierte Kontrolle über diese Risiken ausüben kann oder der nicht über die finanzielle Kapazität verfügt, die Risiken zu tragen, demjenigen Beteiligten zugeordnet werden, der eine solche Kontrolle ausübt und der über die finanzielle Kapazität verfügt, die Risiken zu tragen.“1 III. Zusammenfassender Überblick über Kapitel IX OECD-Leitlinien Kapitel IX OECD-Leitlinien teilt sich in der neuen Fassung in zwei große Abschnitte auf (zuvor: vier Teile). Nach der Bestimmung des Geltungsbereichs und der Abgrenzung und der Anwendung des Art. 9 OECD MA in Bezug auf Kapitel IX der OECDLeitlinien und gegenüber Art. 7 OECD MA, beschäftigt sich Teil I (Tz. 9.10 – 9.97 OECD-Leitlinien) mit der fremdvergleichskonformen Vergütung für die Umstrukturierung der Geschäftstätigkeit als solcher. Dieser Teil I enthält auch zusammengefasste Überlegungen im Hinblick auf Risiken, die nach Ansicht der OECD bei der Umstrukturierung von Geschäftsaktivitäten eine besondere Rolle spielen, verweist aber auf Abschnitt D in Kapitel I der OECD-Leitlinien, weil die Risiken an dieser Stelle in der aktualisierten Fassung aus 2017 umfassend erörtert werden. Teil II (Tz. 9.98–9.131 OECD-Leitlinien) untersucht die Vergütung für konzerninterne Geschäftsvorfälle nach einer Umstrukturierung der Geschäftstätigkeit. Die bisher im Teil IV (Tz. 9.161–9.194 OECD-Leitlinien 2010) erörterte Frage, inwieweit der tatsächlich getätigte Geschäftsvorfall anzuerkennen ist, findet teilweise Eingang in Teil I, steht dort aber unter der Vorgabe, dass die Geschäftsvorfälle so weit wie möglich abzugrenzen sind (dazu noch im Einzelnen). Die beiden Teile I und II lassen sich sehr grob wie folgt inhaltlich darstellen:

16.17

Fremdübliche Vergütung für die Restrukturierung. Restrukturierungen umfassen die Übertragung von Funktionen, Wirtschaftsgütern und/oder Risiken mit einem verbundenen Gewinn-/Verlustpotential zwischen verbundenen Unternehmen. Restrukturierungen können auch die Beendigung oder umfassende Neuverhandlung von bestehenden Vereinbarungen umfassen. Kapitel IX OECD-Leitlinien, Teil II beschäftigt sich mit der Anwendung des Fremdvergleichsprinzips und der OECD-Leitlinien auf die Restrukturierung selbst, und insbesondere mit den Voraussetzungen, wann der Fremdvergleichsgrundsatz eine Vergütung für die Übertragung von Funk-

16.18

1 OECD (2017), Aktionspunkte 8-10, S. 11.

Rasch/Leherpeur | 1137

Kap. 16 Rz. 16.18 | Funktionsverlagerungen

tionen, Wirtschaftsgütern und/oder Risiken erfordert bzw. wann eine Entschädigung für die Kündigung oder die umfassende Neuverhandlung von bestehenden Vereinbarungen angezeigt ist. Teil II kann insgesamt wie folgt zusammengefasst werden: – Es ist von wesentlicher Bedeutung, die Hintergründe und die Restrukturierung selbst zu verstehen. Dies schließt sowohl die sich einstellenden Veränderungen als auch die Auswirkungen auf die ausgeübten Funktionen der beteiligten Parteien, die zugrunde liegenden betriebswirtschaftlichen Motive und die erwarteten Vorteile der Restrukturierung sowie schließlich die realistischen Optionen der beteiligten Unternehmen. – Das Gewinn-/Verlustpotential selbst ist kein Wirtschaftsgut, sondern ist vielmehr mit Rechten oder anderen Wirtschaftsgütern verbunden. Das Fremdvergleichsprinzip verlangt nicht schlechthin eine Kompensation für ein Gewinn-/Verlustpotential. Es ist vielmehr zu untersuchen, ob es Rechte oder sonstige Wirtschaftsgüter gibt, denen ein Gewinn-/Verlustpotential innewohnt und die eine Vergütung rechtfertigen. – Ob die Übertragung eines Gewinn-/Verlustpotential im Rahmen einer Restrukturierung eine fremdvergleichskonforme Transaktion ist, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, die u.a. die folgenden umfassen: – Die realistischen verfügbaren Optionen des abtretenden und des aufnehmenden Unternehmens im Fremdvergleich, basierend auf den Rechten und anderen Wirtschaftsgütern der Parteien zu Beginn der Restrukturierung, die das Gewinn-/Verlustpotential bestimmen der jeweiligen Partei; sowie – der erwartete Gewinn des abtretenden und des aufnehmenden Unternehmens nach der Restrukturierung und die erforderliche Kompensation für die Aufgabe des Gewinnpotentials des abtretenden Unternehmens für die Fälle, in denen das abtretenden Unternehmen Rechte oder sonstige Wirtschaftsgüter übertragen oder abgetreten hat, denen ein Gewinnpotential innewohnt. Es gibt nach Auffassung der Verfasser der OECD keine Vermutung in dem Sinne, dass jedwede Beendigung eines Vertrags oder umfassende Neuverhandlung von bestehenden Vereinbarungen eine Entschädigungszahlung erfordert. Um herauszufinden, ob eine Entschädigungszahlung im Drittvergleich gezahlt würde, ist es wichtig die Umstände zum Zeitpunkt der Restrukturierung, insbesondere die Rechte und sonstige Wirtschaftsgüter der Parteien sowie die realistischen Alternativen im Fremdvergleich zu bestimmen. Die wesentlichen zu berücksichtigenden Umstände umfassen u.a. folgende Fragestellungen: War der alte Vertrag schriftlich formalisiert und enthielt der Vertrag eine Entschädigungsklausel? Stehen die entsprechenden Entschädigungsklauseln im Einklang mit dem Fremdgleich? Sind entsprechende Entschädigungsansprüche im jeweiligen Handelsrecht kodifiziert oder gibt es einschlägige Rechtsprechung? Wäre ein fremder Dritter bereit, eine Entschädigung an die Partei zu zahlen, die die Beendigung oder die Neuverhandlung dulden muss?

16.19 Vergütungsstrukturen von Transaktionen nach der Restrukturierung (post-restructuring). Kapitel IX OECD-Leitlinien, Teil II behandelt die Anwendung der OECD Verrechnungspreisrichtlinien auf Transaktionen nach der Restrukturierung, 1138 | Rasch/Leherpeur

C. OECD Entwicklungen bei der Einordnung | Rz. 16.20 Kap. 16

d.h. die laufenden Transaktionen nach der Restrukturierung. Die wesentlichen Feststellungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: – Es gibt keinen Unterschied in der Anwendung der OECD Verrechnungspreisrichtlinien für Transaktionen vor bzw. nach der Restrukturierung. – Die Vergleichbarkeitsanalyse einer Transaktion, die sich nach einer Restrukturierung ergibt, kann sich von einer solchen Transaktion unterscheiden, die in dieser Form von Anbeginn strukturiert war. Diese Unterschiede begründen keine unterschiedliche Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes, können sich jedoch in der Analyse niederschlagen. Daher ist es erforderlich und wichtig, dass eine Analyse der Funktionen vor und nach der Restrukturierung durchgeführt wird, und dass die tatsächlichen Änderungen aufgrund der Restrukturierung dokumentiert werden. – Der Vergleich der Höhe des Gewinns vor und nach der Restrukturierung ist nicht ausreichend, um eine Verrechnungspreisanpassung zu rechtfertigen, kann jedoch eine wichtige Rolle für das Verständnis der Restrukturierung selbst spielen. Der Vergleich kann auch Teil der Vergleichbarkeitsanalyse (vor und nach Restrukturierung) sein, um zu verstehen, was die wesentlichen Werttreiber sind und die Veränderung der Gewinnverteilung unter dem neuen Geschäftsmodell nachvollziehen zu können. – Standortvorteile sind nach Ansicht der OECD zwischen den Parteien aufzuteilen, basierend auf der Verteilung, die fremde Dritte vorgenommen hätten. Dies hängt üblicherweise von den wahrgenommenen Funktionen, Risiken und eingesetzten Wirtschaftsgütern sowie der jeweiligen Verhandlungsmacht und insbesondere davon ab, ob es sich bei der verlagerten Aktivität um eine stark vom Wettbewerb bestimmte Funktion handelt. IV. Übereinstimmung/Widersprüche zwischen den OECD-Leitlinien und dem innerstaatlichen Recht zur Funktionsverlagerung Die steuerlichen Folgen der Restrukturierung von Geschäftsaktivitäten beziehen sich im Rahmen der Diskussion des Kapitels IX OECD-Leitlinien vorwiegend auf die Frage, ob eine solche Umstrukturierung in Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes grundsätzlich eine Kompensation verlangt. Diese wird zwischen Finanzverwaltungen und Steuerpflichtigen sehr kontrovers diskutiert, was wenig erstaunlich ist. Weitaus problematischer ist der Umstand, dass die Ansätze zur steuerlichen Behandlung der Restrukturierungen in den unterschiedlichen Ländern stark voneinander abweichen.1 Während einzelne Länder praktisch keine steuerlichen Folgen an Restrukturierungen knüpfen, haben andere Länder – wie auch Deutschland – spezielle Vorschriften zur Funktionsverlagerungsbesteuerung eingeführt.2 Dies führt zu einer größeren Rechtsunsicherheit für den Anwender, da beteiligte Staaten einander ent1 Vgl. Kroppen/Nientimp, IStR 2011, 650 (650). 2 Vgl. dazu ausführlich die Erläuterung der Funktionsverlagerungsverordnung unter FVerl in diesem Werk, Rz. 16.7.

Rasch/Leherpeur | 1139

16.20

Kap. 16 Rz. 16.20 | Funktionsverlagerungen

gegengesetzte Lösungen vertreten und dadurch die Gefahr der Doppelbesteuerung hervorrufen können. Zu einer vereinheitlichten Interpretation des Fremdvergleichsgrundsatzes soll Kapitel IX OECD-Leitlinien beitragen. Die IFA Nationalberichte im Rahmen des IFA Kongresses zum Thema „Cross-border Business Restructuring“1 zeigen, dass viele Staaten das Kapitel IX OECD-Leitlinien in der Auslegung heranziehen.2 Dies geschieht jedoch nicht einheitlich und führt insbesondere in den Fällen spezialgesetzlicher Vorschriften, wie in der Form des § 1 Abs. 3 AStG für das nationale Recht, zu Auslegungsproblemen und Widersprüchen, da das nationale Recht und die OECD-Leitlinien in vielerlei Hinsicht nicht deckungsgleich sind (vgl. Rz. 16.17).

16.21 Mit dem Bericht der OECD vom 22.7.2010 zum Thema „Business Restructuring“ ergibt sich der Eindruck, es gebe eine abgestimmte Linie zwischen der OECD und der deutschen Sichtweise.3 Dieser Eindruck wird noch verstärkt, wenn man die Verweisungen der Verwaltungsgrundsätze FVerl4 auf das Kapitel IX OECD-Leitlinien wie nachfolgend überprüft. Es scheint daher, dass eine große Übereinstimmung, zumindest hinsichtlich großer Teile der Ansicht der deutschen Finanzverwaltung und der OECD, besteht:5 Rn. der VerwGr.FVerl

enthält Tz. des Kap. IX OECDVerweis Leitlinien 2010 auf

Synopse: Kap. IX OECDLeitlinien 2017

10

9.48, 9.1

9.10, 9.1

12

9.57

9.24

12

9.179

9.37

13

9.59

9.27

29

9.93

9.68

30

9.6, 9.65, 9.67, 9.72, 9.93

9.6, 9.39, 9.41, 9.46, 9.68

60

9.100

9.76

62

9.52, 9.173

9.35

66

9.99

9.74 9.24, 9.56, 9.37

70

9.57, 9.81, 9.178

93

9.57, 9.148, 9.181

96

9.59, 9.64

117

9.59, 9.64

1 2 3 4

IFA, Cahier de Droit Fiscal International, volume 96a, Paris 2011. Vgl. ebenfalls Baumhoff, WPg 2012, 396 (398). Vgl. Baumhoff/Puls, IStR 2009, 73 (78); Baumhoff, WPg 2012, 296 (297). BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 – VerwGr.FVerl. 5 Vgl. Rasch in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECDKap. IX Anm. 25.

1140 | Rasch/Leherpeur

C. OECD Entwicklungen bei der Einordnung | Rz. 16.22 Kap. 16 Rn. der VerwGr.FVerl

enthält Tz. des Kap. IX OECDVerweis Leitlinien 2010 auf

121

9.59, 9.64

122

9.96

126

9.59, 9.64

128

9.59

131

9.69, 9.100

135

9.88

145

9.163, 9.57

147

9.19, 9.52

148

9.168

149

9.81, 9.85, 9.13

155

9.6

157

9.57

178

9.7

184

9.67

198

9.81, 9.85

214

9.41

215

9.7

221

9.154

Synopse: Kap. IX OECDLeitlinien 2017

Festzuhalten ist, dass tatsächlich viele Empfehlungen der OECD in Übereinstimmung mit dem Ansatz des deutschen Gesetzgebers und der deutschen Finanzverwaltung stehen. Dies ist durchaus zu begrüßen, da insoweit Übereinstimmung zwischen der deutschen Sichtweise und der OECD besteht und damit die Gefahr der Doppelbesteuerung dem Grunde nach vermieden werden sollte. Allerdings gibt es jedoch einige wesentliche Unterschiede, bei denen die deutsche Sichtweise über die OECDEmpfehlungen hinausgehen bzw. von diesen abweichen. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit diese Abweichungen von der OECD abgelehnt oder aber akzeptiert werden, ohne dass sich Kapitel IX OECD-Leitlinien im Einzelnen dazu äußert.1 1 Vgl. Baumhoff, WPg 2012, 396 (397), der davon ausgeht, dass der deutsche Gesetzgeber und die deutsche Finanzverwaltung die von der OECD gesetzten Grenzen verlassen. Dies sei insbesondere für die Bewertungseinheit Transferpaket, die Anwendung der Verfahren der Unternehmensbewertung, die Einberechnung ausländischer Standortvorteile und Synergieeffekte des übernehmenden Unternehmens und den Mittelwertansatz anzunehmen. Schreiber in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl, Anm. 31, stellt sich hingegen dem in der Literatur erhobenen Vorwurf entgegen, dass die durch das UntStRefG 2008 neu geschaffenen Regelungen zur Funktionsverlagerungs-

Rasch/Leherpeur | 1141

16.22

Kap. 16 Rz. 16.22 | Funktionsverlagerungen

Es wäre jedoch ebenso zu begrüßen, wenn hinsichtlich der Unterschiede der Gesetzgeber eine Angleichung der Vorschriften mit den Empfehlungen der OECD vornehmen würde. Auch wenn die OECD-Leitlinien nunmehr die deutsche Finanzverwaltung binden1, bestehen aber die nachfolgend genannten Unterschiede fort. Für die Praxis bedeuten die Unterschiede jedoch, dass in unterschiedlichen Ländern bei der Bestimmung eines angemessenen Entgelts im Rahmen einer Reorganisation divergierende Grundsätze zur Anwendung kommen. Insbesondere für die folgenden Aspekte der deutschen Gesetzgebung bzw. der Interpretation durch die deutsche Finanzverwaltung ist zu überprüfen, inwieweit sich Unterschiede zwischen der OECD und der innerstaatlichen Sichtweise ergeben und ob diese ggf. von der OECD stillschweigend akzeptiert werden. – Dokumentation aller infolge der Verlagerung eintretenden Vor- und Nachteile auf der Ebene der beiden an der Transaktion beteiligten Unternehmen sowie auf Konzernebene (Synergieeffekte etc.) – Informationstransparenz – Mitwirkungsverweigerung ausländischer verbundener Unternehmen – Doppelte Bewertung – Hypothetischer Fremdvergleich – Maßgeblichkeit des Gewinnpotentials – Ungewöhnliche Geschäfte – Gesamtbewertung und Erfassung des Goodwills sowie der Standort- und Synergievorteile – Bandbreiten/Einigungsbereiche – Verengung – maßgeblicher Wert – Mittelwert – Rückschau und nachträgliche Preisanpassungen – Anerkennung/Nichtanerkennung/Umqualifizierung der getätigten Geschäfte – Handlungsalternativen – Verdoppelung bzw. Substitution von Funktionen Der 65. IFA-Kongress hat sich im Jahr 2011 im Generalthema I mit dem Komplex „Business Restructuring“ beschäftigt. Die Rechtfertigung für das Generalthema war u.a. die Veröffentlichung des Kapitels IX OECD-Leitlinien zum Business Restructuring. Der Generalbericht2 von Kroppen/Silva zeigt die Bandbreite der Diskussionsansätze zur Subsumtion des Themas unter den auch für diese Problematik (noch) besteuerung einen nationalen Alleingang darstellten und gegen internationales Recht verstießen, was insbesondere für die Informationstransparenz, Preisanpassungsklausel sowie die Transferpaketbewertung und die damit verbundene Besteuerung des Goodwills und ausländischer Standortvorteile und Synergieeffekte gelten solle, und verweist darauf, dass diesen Vorwürfen – wenigstens zu einem Teil – durch die OECD-Leitlinien 2010 der Boden entzogen worden sei. 1 Vgl. Rz. 2.1, BMF, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise v. 14.7.2021 – IV B 5 - S 1341/19/10017 :001, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise. 2 IFA, Cahier de Droit Fiscal International, volume 96a, Paris 2011.

1142 | Rasch/Leherpeur

C. OECD Entwicklungen bei der Einordnung | Rz. 16.22 Kap. 16

international anerkannten „arm’s length“ Grundsatz. Gleichermaßen zeigt der Generalbericht die Probleme in der Bewertung von Restrukturierungen, also insbesondere der Verlagerung von Funktionen und Risiken, immateriellen Wirtschaftsgütern und dem problematischen Fall der Verlagerung eines „going concern“. Die betriebswirtschaftlichen Erfordernisse etwa zur Anpassung der Wertschöpfungskette und zur Optimierung oder Neuausrichtung des Geschäftsmodells bringt dabei wesentliche steuerliche Fragestellungen mit sich, von denen die Verrechnungspreisthematik insgesamt das umfassendste Problem, wenngleich nicht das Einzige darstellen sollte. Die Analyse der Nationalberichte zeigt,1 dass trotz der grundlegenden Annahme der Fiscii, Restrukturierungen dienten zumindest auch dazu, Besteuerungssubstrat endgültig dem jeweiligen Hoheitszugriff zu entziehen, nur zwei Staaten spezifische Regelungen für die steuerliche Behandlung von Restrukturierungen haben. Dies waren zu diesem Zeitpunkt die USA und Deutschland. Die kontroverse Diskussion der deutschen Regelungen ist aus den vielfältigen Literaturbeiträgen zu ersehen.2 Allerdings erfährt diese geringe Dichte an speziellen innerstaatlichen Regelungen eine bedeutende Ergänzung durch Kapitel IX OECD-Leitlinien. Auf die OECD beziehen sich die meisten Staaten für die Interpretation des fremdvergleichskonformen Verhaltens in Business-Restructuring-Fällen. In den Staaten kommen bisher die Missbrauchverhinderungsnormen nach der Analyse der Nationalberichte nur selten zur Anwendung. Allerdings wird hier von den Nationalberichterstattern erwartet, dass sich diese Zurückhaltung in Zukunft ändern wird. Einer der wesentlichen Anwendungsfälle einer Restrukturierung ist wohl die Veränderung der Risikostruktur innerhalb einer Unternehmensgruppe oder nur zwischen einzelnen Einheiten. Klassischer Sachverhalt ist die Abschmelzung von Risiken in einem Land unter gleichzeitiger Allokation von Risiken auf eine andere rechtliche Einheit (vgl. nur Tz. 9.42 ff.). Erstaunlicherweise teilen viele Nationalberichterstatter die Einschätzung der OECD, dass durch ein damit verbundenes reduziertes Ertragspotential des Risiken-abgebenden Unternehmens, als solches nicht zu einem Kompensationsanspruch unter dem Fremdvergleichsgrundsatz führt. Erstaunlich ist dies vor allem, weil die Betriebsprüfungserfahrung zeigt, dass diese Thematik häufig kontroverse Diskussionen hervorruft. Die Problembereiche sind allerdings deutlich vielschichtiger, wie die Nationalberichte in der Analyse der Frage zeigen, ob die Übertragung/Verlagerung einer Geschäfts-

1 Rasch, IWB 2011, 610 (611). Kroppen/Nientimp, IStR 2011, 650 (651 ff.); Zech, IWB 2011, 601 ff. 2 Vgl. nur die Literaturliste vor der Kommentierung der FVerl, und stellvertretend für viele u.a. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649; Baumhoff/Brüninghaus, WPg – Sonderheft 2006, S 131; Blumers, BB 2007, 1757; Borstell/Schäperclaus, IStR 2008, 275; Bödefeld/Kuntschnik, Kapitel IX, S. 240 in Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008; Brandenberg, BB 2008, 864; Crüger/Wintzer, GmbHR 2008, 306; Ditz, DStR 2006, 1625; Frischmuth, IStR 2007, 485; Frotscher, FR 2008, 49; Haas, Ubg 2008, 517; Hey, BB 2007, 1303; Jahndorf, FR 2008, 101; Jenzen, NWB 2007, Fach 2, 9419; Kahle, Der Konzern 2007, 647; Kaminski, RIW 2007, 594; Looks/Scholz, BB 2007, 2541; Nawrath, DStR 2009, 2; Schwenke in Piltz/Günkel, StbJb 2007/2008, S. 137.

Rasch/Leherpeur | 1143

Kap. 16 Rz. 16.22 | Funktionsverlagerungen

chance (business opportunity) bereits ein immaterielles Wirtschaftsgut oder zumindest einen kompensationsfähigen Wert begründen kann. Genauso unterschiedlich fallen die Ausführungen zu dem Themenbereich aus, ob ein „going concern“ im Rahmen eines Business Restructuring geschieht. Es scheint, dass die Mehrzahl der Länder darin nur den Ausnahmefall – aber nicht die Regel – zu erkennen vermag. Auch die Bewertungsansätze für die Übertragung immaterieller Wirtschaftsgüter sind nicht homogen, sondern zeigen vielmehr unterschiedliche Interpretationsansätze des „arm’s length principle“.1

D. Funktionsverlagerungsregelungen im nationalen Recht I. Der Funktionsbegriff

16.23 Funktion. § 1 Abs. 1 FVerlV 2022 (= § 1 Abs. 1 FVerlV 2008) enthält eine Definition der Funktion. Danach ist eine Funktion ein organischer Teil eines Unternehmens, ohne dass ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinn vorliegen muss.2 In Tz. 2.1.1, Rz. 16 der Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung3 erläutert das BMF, dass es zur eindeutigen Abgrenzung einer Funktion von der übrigen Geschäftstätigkeit in Verlagerungsfällen notwendig sei, die Funktion tätigkeits- und objektbezogen zu definieren. Begründet wird dies mit Verweis auf § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV 2008. Damit ist es nach Ansicht des BMF zulässig, die Atomisierung der Funktion vorzunehmen und praktisch jedwede Geschäftstätigkeit als Funktion zu klassifizieren. Die Auswirkungen in der Praxis dürfen nicht unterschätzt werden: Damit ist z.B. die Lagerhaltung, die Verwaltung, die IT-Abteilung des Unternehmens oder auch die Produktion/der Vertrieb eines bestimmten Produkts oder einer bestimmten Produktgruppe für eine bestimmte Region tatsächlich eine Funktion, auf die die Grundsätze anzuwenden sind.4

16.24 Funktionsbegriff nach den Verwaltungsgrundsätzen Funktionsverlagerung. Als Funktionen kommen gemäß der Verwaltungsgrundsätzen Funktionsverlagerung in Betracht: „Geschäftstätigkeiten, die zur Geschäftsleitung, Forschung und Entwicklung, Materialbeschaffung, Lagerhaltung, Produktion, Verpackung, Vertrieb, Montage, Bearbeitung oder Veredelung von Produkten, Qualitätskontrolle, Finanzierung, Transport, Organisation, Verwaltung, Marketing, Kundendienst usw. gehören.“ Zur Annahme einer Funktion reicht es nach Ansicht der Verwaltungsgrundsätzen Funktionsverlagerung bereits aus, wenn zwischen den betroffenen Teilaufgaben ein innerer wirtschaftlicher und organisatorischer Zusammenhang zu erkennen ist. Allerdings sollten konkret feststellbare Zahlungsflüsse und abgrenzbare Gewinnauswir1 Vgl. dazu insb. die Erläuterungen in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. IX zu Tz. 9.56. 2 Vgl. zu dieser Diskussion in der Literatur bereits Kroppen/Rasch, IWB 2009 F. 3 Gr. 1 S. 2439, 2443 m.w.N. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774, vgl. Fn. 46. 4 Vgl. Kroppen/Rasch, IWB 2010, 824 (825).

1144 | Rasch/Leherpeur

D. Funktionsverlagerungsregelungen im nationalen Recht | Rz. 16.25 Kap. 16

kungen ermittelbar sein, was eine gewisse betriebswirtschaftliche Eigenständigkeit der Funktion indiziert.1 Nach den Verwaltungsgrundsätzen Funktionsverlagerung ist der Funktionsbegriff im Einzelfall sogar noch deutlich feingliedriger zu bestimmen und kann demnach „auch z.B. die Produktion eines bestimmten Produkts oder einer bestimmten Produktgruppe, der Vertrieb eines bestimmten Produkts, einer bestimmten Produktgruppe oder eine bestimmte Geschäftstätigkeit für eine bestimmte Region sein.“2 Für die Annahme einer Geschäftstätigkeit ist es dabei bereits ausreichend, wenn diese konzernintern erbracht wird; ein Tätigwerden am Markt ist nicht erforderlich.3 Gemäß den Verwaltungsgrundsätzen Funktionsverlagerung kann auch die Substitution einer Funktion den Tatbestand der Funktionsverlagerung erfüllen, z.B., wenn das inländische Unternehmen die Produktion des Produkts A einstellt und fortan nur noch das Nachfolgeprodukt B fertigt, die Produktion des Produkts A hingegen zukünftig durch eine ausländische nahestehende Person erfolgt. Teilweise Funktionsverlagerung. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber das Problem dieser teilweisen Funktionsverlagerung bereits im Gesetzgebungsverfahren und den Beratungen der FVerlV 2008 gesehen hatte. Dies wird durch die historische Entwicklung bis zur endgültigen Formulierung der Rechtsverordnung belegt.4 Nach heftiger Kritik aus der Wirtschaft wurden seinerzeit § 1 Abs. 2 Satz 2 FVerlV und die Begründung geändert, so dass eine teilweise Verlagerung in der Funktionswahrnehmung nicht mehr von der Rechtsverordnung erfasst wurde. Es war daher nicht nachzuvollziehen, dass sich das BMF im Erlasswege über den gesetzgeberischen Willen schlicht hinweggesetzt und diese teilweise Funktionsausübung durch die kleinstmögliche Teilung des Funktionsbegriffs tatsächlich in die Interpretation der Finanzverwaltung eingebracht hat.

Diese Betrachtung ist auch nicht nur rechtshistorisch von Interesse, sondern ganz aktuell vor dem Hintergrund der Funktionsverlagerungsverordnung 2022 (FVerlV2022).5 Mit der Normierung in § 1 Abs. 2 S. 1 FVerl 2022 wird auch die nur „teilweise“ Übertragung einer Funktion als Funktionsverlagerung angesehen. Damit wird zwar der u.E. verfehlte Ansatz, diese Rechtsfolge über die zuvor erwähnten Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung zu erzielen, beseitigt. In der Sache ist diese Atomisierung des Funktionsbegriffs schädlich und in der Praxis zeigt sich, dass diese Thematik und die kleinteilige Qualifikation als Funktion nicht nur ein theoretisches Problem ist.

1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 Rz. 18. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 Rz. 16. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 Rz. 17. 4 Vgl. hierzu Kroppen in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerlV, Rz. 162; und zusammenfassend Kroppen/Rasch, IWB 2009 F. 3 Gr. 1 S. 2439, 2444. 5 I.d.F. des RegEntwurfs vom 31.8.2022, Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV), BR-Drucks. 423/ 22.

Rasch/Leherpeur | 1145

16.25

Kap. 16 Rz. 16.26 | Funktionsverlagerungen

16.26 Organischer Teil als Widerspruch zur Funktionsteilung. Zu beachten ist noch, dass der Gesetzgeber für die Annahme einer Funktionsverlagerung vorausgesetzt hat, dass ein „organischer Teil eines Unternehmens“ übergeht.1 Dieser organische Teil muss nicht zwingend einen Teilbetrieb begründen, dem aber wohl sehr nahekommen.2 Das Kriterium eines organischen Teils steht demnach im Widerspruch zu der Atomisierung der Funktionsdefinition in Tz. 2.1.1, Rz. 16 und Tz. 2.1.1.2, Rz. 18. Das BMF missachtete den Willen des Gesetzgebers, denn mit einem organischen Teil als Voraussetzung für die Annahme einer Funktionsverlagerung ist es nicht zu vereinbaren, wenn eine kleinstmögliche Einheit – z.B. der Vertrieb eines bestimmten Produkts für eine bestimmte Region – als Funktion zu qualifizieren ist. Diese Sichtweise wird weder durch § 1 Abs. 3b AStG noch durch die FVerlV 2022 verändert. 16.27 Zeitweise Übernahme einer Funktion. Auch die zeitweise Übernahme einer Geschäftstätigkeit, z.B. durch zeitweise Übertragung des Vertriebsrechts für einzelne Produkte, Märkte oder Kunden oder durch befristete Versetzung einzelner Mitarbeiter, will das BMF gem. Tz. 2.1.2.3, Tz. 25 als Funktionsverlagerung ansehen. Auch das steht im Widerspruch zum Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 2 FVerlV. § 1 Abs. 2 Satz 2 FVerlV 2008 bejaht eine Funktionsverlagerung, wenn „das übernehmende Unternehmen die Funktion nur zeitweise übernimmt“. Die Erweiterung in Tz. 2.1.2.3, Rz. 35 für bestimmte (einzelne) Produkte steht im Widerspruch zum eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 2 FVerlV. In der FVerl 2022 wird die bisherige Regelung des § 1 Abs. 2 S. 2 FVerlV 2008 gestrichen. Es ist zu erwarten, dass die noch restriktivere Fassung in den vorgenannten Verwaltungsgrundsätzen Funktionsverlagerung zukünftig dann auch aufgehoben wird. 16.28 Funktionsausweitung. Neu ist der Verweis in § 1 Abs. 2 S. 1 a.E FVerlV 2022 auf § 1 Abs. 3b AStG sowie die Ergänzung, dass es bereits ausreichend sein soll, wenn das übernehmende Unternehmen eine bestehende Funktion ausweitet. Diese weite Auslegung steht ebenfalls im Widerspruch zur ursprünglichen Intention des § 1 FVerlV, eine „ausufernde Anwendung“ der Funktionsverlagerungsbesteuerung zu vermeiden.3 16.29 Ausnahmetatbestände der Funktionsverlagerung. Eine negative Abgrenzung zum weiten Begriff der Funktionsverlagerung i.S.d. § 1 Abs. 1 und 2 FVerlV 2008 (= FVerlV 2022) ergab sich aus § 1 Abs. 7 FVerlV 2008, in denen keine Funktionsverlagerung anzunehmen sein soll. Dies sind die Fälle in denen ausschließlich Wirtschaftsgüter jeder Art veräußert oder zur Nutzung überlassen werden oder lediglich Dienstleistungen erbracht werden. Allerdings gilt dies nur für Fälle, in denen die Wirtschaftsgüter oder Dienstleistungen nicht Teil einer Funktionsverlagerung sind. Man kann diesen Regelungsgehalt auch grundsätzlich in § 1 Abs. 2 FVerlV 2022 erkennen. Gleichwohl scheint die ausdrückliche Regelung nicht überflüssig zu sein. 1 Vgl. Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 2 FVerlV sowie bereits Begründung zu § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG, BT-Drucks. 16/4841, 86. 2 Vgl. Schreiber in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerlV, Rz. 43. 3 BR-Drucks. 352/08, 10 zur FVerlV 2008.

1146 | Rasch/Leherpeur

D. Funktionsverlagerungsregelungen im nationalen Recht | Rz. 16.29 Kap. 16

Im Grundsatz wurden nach § 1 Abs. 7 S. 2 FVerlV 2008 auch Personalentsendungen nicht als Funktionsverlagerung qualifiziert. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn mit der Personalentsendung nicht auch eine Funktion durch die Besetzung mit den Personen übergeht, m.a.W., wenn die Ausübung der Tätigkeit der Personen die Funktion darstellt. Die Formulierung ist u.E. nicht eindeutig. Wenn Mitarbeiter versetzt werden, werden diese üblicherweise in der Vielzahl der Fälle in ihrem bisherigen oder vergleichbaren Arbeitsgebiet eingesetzt. Dementsprechend nehmen die Mitarbeiter ihr Wissen mit und wenden es in ähnlicher Form an, wie sie dies im Inland bis zur Entsendung getan haben.1 Damit würde aber die Ausnahme zum Regelfall. Die Begründung zu § 1 Abs. 7 S. 2 FVerlV 2008 sieht im Fall der Personalentsendung nämlich doch eine Funktionsverlagerung, „wenn das entsandte Personal seinen bisherigen Zuständigkeitsbereich aus dem entsendenden Unternehmen mitnimmt und nach der Entsendung im aufnehmenden Unternehmen die gleiche Tätigkeit ausübt und infolgedessen Wirtschaftsgüter und Vorteile übertragen oder zur Nutzung überlassen werden bzw. Chancen und Risiken übergehen“. Als „Ausnahme von der Ausnahme“ ist nach der Begründung allerdings zu prüfen, ob es sich um eine Dienstleistung für das Unternehmen handelt. Dann wäre folgerichtig wiederum keine Funktionsverlagerung anzunehmen. Durch die Einschränkung in der Begründung wird der im Verordnungstext bestimmte Regelfall mehr oder minder obsolet. In den meisten Fällen wird das Wissen von den Mitarbeitern mitgenommen und auch im aufnehmenden Unternehmen angewendet. Die Ausführungen in der Begründung sind daher u.E. in dieser Hinsicht irreführend und verfehlt. Nach § 1 Abs. 7 S. 1 FVerlV 2008 ist eine Personalentsendung nur dann eine Funktionsverlagerung, wenn auch eine Funktion mit übergeht. Die Funktion bestimmt sich nach § 1 Abs. 1 FVerlV 2008 als eine Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben, der als organischer Teil eines Unternehmens anzusehen ist. Bei einer einzelnen Personalentsendung sind u.E. nur schwerlich Fälle denkbar, in denen mit einer Person eine solche Funktionsverknüpfung einhergeht. Einzelne Personen werden kaum einen organischen Teil darstellen. Der Verordnungsgeber wird sich daher vorhalten lassen müssen, dass die Definition der Funktion hier der Annahme einer Funktionsverlagerung bei der Personalentsendung entgegenstehen wird. Grundsätzlich kann dieser Gedanke auch unter neuen § 1 Abs. 2 FVerlV 2022 subsumiert werden und ist daher tatsächlich entbehrlich. Schließlich enthielt § 1 Abs. 7 S. 2, Alt. 2 2008 noch eine weitere Einschränkung des Anwendungsbereichs der Funktionsverlagerung. Eine Funktionsverlagerung soll nicht vorliegen, „wenn der Vorgang zwischen voneinander unabhängigen Dritten nicht als Veräußerung oder Erwerb einer Funktion angesehen würde“. Dem Wortlaut ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob es sich um selbständige Vorgänge handeln soll, oder aber es sich aufgrund der direkten Anschließung um eine weitere Definition im Rahmen der Personalentsendung handelt. Zieht man die Begründung zu § 1 Abs. 7 S. 2, Alt. 2 FVerlV 2008 heran, so wird jedoch deutlich, dass es sich um andere Vorgänge außerhalb der Personalentsendung handeln soll, und zwar um Bagatellfälle oder Vorgänge, die formal aus Sicht der Verordnung den Tatbestand einer Funk1 Vgl. Kroppen/Rasch, IWB 2008, 2340 (2347).

Rasch/Leherpeur | 1147

Kap. 16 Rz. 16.29 | Funktionsverlagerungen

tionsverlagerung erfüllen würden, jedoch entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz tatsächlich anders abgewickelt werden. Dies können nach der Begründung beispielsweise die Fälle einer fristgerechten Kündigung von Verträgen oder das Ende einer Vertragsbeziehung sein. Es ist zu begrüßen, dass die Verordnungsgeber diese Fälle als solche ansehen, die voneinander unabhängige Dritte nicht als Funktionsverlagerung einstufen würden und daher aus dem Anwendungsbereich ausklammern.1 Mit der FVerlV 2022 ist § 1 Abs. 7 FVerlV (2008) ersatzlos gestrichen worden. Dies wird damit begründet, dass für die dort genannten Fälle durch die verbleibenden Regelungen sichergestellt ist, dass es nicht zu einer Verwirklichung von Funktionsverlagerungen kommt. Dieser Optimismus des Gesetzgebers ist u.E. nicht begründet. Zum einen sind die bisher in § 1 Abs. 7 FVerlV 2008 geregelten Fälle spezieller Natur und haben zumindest in der Vergangenheit der Regelung bedurft. Der Wegfall des Auffangtatbestands des § 1 Abs. 7 S. 2, Alt. 2FVerlV 2008 zumindest stellt eine Verschärfung gegenüber der bisherigen Situation dar. Mindestens für die Bagatellfälle und Vorgänge, die die Voraussetzungen der Funktionsverlagerung erfüllen, aber im Sinne des Fremdvergleichsgrundsatzes anders abzuwickeln sind, bedeutet der Wegfall eine Verschärfung, da diese Fälle nicht mehr aus dem Anwendungsbereich herausfallen. II. Definition der Funktionsverlagerung 1. Tatbestandsmerkmal einer Funktionsverlagerung

16.30 Begriffsdefinition „Funktionsverlagerung“. In § 1 Abs. 3b AStG und in § 1 Abs. 2 FVerlV 2022 (= § 1 Abs. 2 FVerlV 2008) heißt es, dass eine Funktionsverlagerung vorliegt, wenn eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken und der mit übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteile verlagert wird. Das ist als Definition nicht wirklich zielführend, da eine Funktionsverlagerung als Verlagerung einer Funktion definiert wird. Der Wirtschaftsgutbegriff ist in der Rechtsprechung weitestgehend verfestigt. Was unter sonstigen Vorteilen konkret zu verstehen ist, lässt die Verordnung offen. Die vorgesehene gesetzliche Definition einer Funktionsverlagerung mit einer Pflicht zur Vereinbarung eines Entgelts für das sog. Transferpaket ist ausufernd. In vielen Fällen werden allerdings keine materiellen oder immateriellen Wirtschaftsgüter übertragen, so dass eine Gewinnrealisierung fraglich ist. Der Gesetzgeber will aber auch sonstige Vorteile einer Besteuerung zuführen und es lässt sich kaum abstreiten, dass die Marktteilnehmer Vorteile erlagen, wenn Sie Geschäfte abschließen. Andernfalls würden Marktteilnehmer nämlich gar keine Geschäfte tätigen. Der Gesetzgeber übersieht offensichtlich, dass Marktteilnehmer nur Transaktionen eingehen, wenn sie sich von dem Geschäft Vorteile versprechen. Das heißt aber nicht, dass diese bereit wären, eine gesonderte Vergütung für die erhaltenen Vorteile zu vereinbaren. Das gleiche gilt für die Verlagerung von Risiken. Auch diese will der Gesetzgeber bei einer Verlagerung einer Besteuerung unterwerfen. Das ist nicht nachzuvollziehen, da 1 Vgl. Kroppen/Rasch, IWB 2008, 2340 (2347 f.).

1148 | Rasch/Leherpeur

D. Funktionsverlagerungsregelungen im nationalen Recht | Rz. 16.31 Kap. 16

auf Märkten eher das genaue Gegenteil zu beobachten ist: bei Abgabe eines Risikos zahlt nicht der Risikoübernehmer eine Vergütung an den Abgebenden, sondern vielmehr wird der Abgebende an den Übernehmenden ein Entgelt zu entrichten haben. Das beste Beispiel dafür sind Versicherungen. Für die Absicherung eines Risikos wird unzweifelhaft der Versichernde eine Prämie verlangen und nicht dem Versicherten noch etwas für die Übernahme des Risikos zahlen. Die sehr weite Definition der Funktionsverlagerung führt dazu, dass jegliche Erscheinungsform wie Funktionsausgliederung, Abspaltung, Abschmelzung sowie Verdoppelung eine Funktionsverlagerung begründet (vgl. noch Rz. 16.32 ff.). Voraussetzungen. Die Voraussetzungen, an welche der Verordnungsgeber das Bestehen einer Funktionsverlagerung knüpft, sind vergleichsweise niedrig gesteckt. Erforderlich und ausreichend ist folglich, dass eine Funktion des verlagernden Unternehmens zumindest eingeschränkt bzw. eingestellt wird – auch, wenn dies nur zeitweilig geschieht (vgl. § 1 Abs. 2 S. 2 FVerlV 2008). Aus der Begründung zu § 1 Abs. 2 FVerlV 2008 ergibt sich auch, dass es ausreichend soll dem übernehmenden Unternehmen die Grundlagen zur Ausübung der Funktion zur Verfügung zu stellen, auch wenn die Funktion tatsächlich nicht ausgeübt wird. Dann stellt sich allerdings die Folgefrage, wie in diesen Fällen der Einigungsbereich bestimmt werden soll, oder ob dann nur der Mindestpreis des verlagernden Unternehmens als Grundlage der Besteuerung herangezogen werden soll. Die gesetzliche Systematik scheint hier nicht nachvollziehbar. Ferner ist unbeachtlich, ob das verlagernde Unternehmen zum Zeitpunkt der Verlagerung aus faktischen oder rechtlichen Gründen überhaupt in der Lage war, die verlagerte Funktion in Zukunft weiter auszuüben.1 Auch eine zeitweise Ausübung der Funktion durch das übernehmende Unternehmen, z.B. bei zeitweiser Übertragung des Vertriebsrechts für einzelne Produkte, Märkte oder Kunden, kann bereits als Verlagerung gelten, § 1 Abs. 2 Satz 2 FVerlV 2008. Diese zeitweise Ausübung entfällt allerdings mit der FVerlV 2022 (vgl. oben Rz. 16.27). Da § 1 Abs. 2 FVerlV (2008 und FVerlV 2022) eindeutig an die Übertragung bzw. Überlassung von Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteilen und den damit verbundenen Chancen und Risiken anknüpft, sind mit der Steuerpflicht einer Funktionsverlagerung vier Tatbestandsmerkmale2 verbunden: – Die Verlagerung (= endgültige Übertragung bzw. zeitweise Überlassung bzw. wesentliche Einschränkung) – einer Funktion (= gleichartige betriebliche Aufgaben, die einen organischen Teil eines Unternehmens, nicht jedoch zwingend bereits einen Teilbetrieb darstellen müssen)

1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 Rz. 20. 2 Vgl. auch Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl, Rz. 48.

Rasch/Leherpeur | 1149

16.31

Kap. 16 Rz. 16.31 | Funktionsverlagerungen

– und von Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteilen (die dem verlagernden Unternehmen zuzurechnen sind und von ihm verlagert werden) – und von Chancen und Risiken (unabhängig davon, ob diese mit der Funktion oder mit den Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteilen verbunden sind). 2. Kategorisierung von Verlagerungsfällen

16.32 Typische Erscheinungsformen. Die Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung enthalten eine Auflistung typischer Fälle, die den Tatbestand einer Funktionsverlagerung erfüllen können. Diese lassen sich in die folgenden Erscheinungsformen kategorisieren: – Funktionseinstellung (auch als Funktionsausgliederung bezeichnet) – Funktionsabschmelzung – Funktionsauslagerung (auch als Funktionsabspaltung bezeichnet) – Funktionsausweitung – Funktionsverdoppelung.

16.33 Funktionseinstellung. Bei der Funktionseinstellung stellt das verlagernde Unternehmen die Funktion im Zuge der Verlagerung an das übernehmende Unternehmen vollständig ein. Typische Fälle sind die Beendigung der Tätigkeit eines Eigenproduzenten bzw. eines Eigenhändlers und der gleichzeitigen Verlagerung der Funktion ins Ausland. Beispiel 1: Die E-AG hat bisher im deutschen Werk elektronische Schaltelemente der Produktgruppen A und B als vollumfängliche Produktionsgesellschaft hergestellt und im eigenen Namen und auf eigene Rechnung weltweit vermarktet. Die neu gegründete, 100-prozentige chinesische Tochtergesellschaft (China-Ltd.) soll nun ein neues Werk in China errichten, welches zukünftig Artikel der Produktgruppe A herstellen und weltweit als Eigenhändler an externe Kunden vermarkten soll. Die Produktion der Produktgruppe A soll in diesem Zuge in Deutschland dabei gänzlich eingestellt werden und nur noch durch die China-Ltd. ausgeführt werden. Ein Kapazitätsabbau im deutschen Werk wird dennoch insgesamt betrachtet nicht erwartet, da dort gleichzeitig die Kapazitäten für die Produktgruppe B ausgebaut werden. Der bisherige jährliche Umsatz von 5 Mio. Euro mit der Vermarktung der Produktgruppe A bricht allerdings gänzlich weg, da die Kunden fortan ausschließlich von der China-Ltd. bedient werden. Lösung: Nach der Definition in den Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung1 stellt die Einstellung der Produktion der Produktgruppe A eine Funktionsverlagerung dar. Die Tatsache, dass es auf Ebene der E-AG zu keinem Kapazitätsabbau in der Produktion kommt, da gleichzeitig die Kapazitäten für die Produktgruppe B ausgebaut werden, ist unbeachtlich. Von einer unwesentlichen Einschränkung kann im Hinblick auf die Höhe der Umsatzeinbußen nicht mehr

1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 Rz. 22.

1150 | Rasch/Leherpeur

D. Funktionsverlagerungsregelungen im nationalen Recht | Rz. 16.36 Kap. 16 ausgegangen werden, so dass die Voraussetzungen für eine Funktionsverlagerung dem Grunde nach gegeben sind.1

Funktionsabschmelzung. In diesen Fällen werden die für die Funktionsausübung erforderlichen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter entweder auf den Auftraggeber (= Central Entrepreneur) übertragen (Folge: Abschmelzung des Gewinns beim verlagernden Unternehmen auf eine Cost-plus-Vergütung mit niedrigem Gewinnaufschlag) oder sie bleiben im Eigentum des Unternehmens, dessen Funktionen abgeschmolzen werden (Folge: Profit Split zwischen verlagerndem und übernehmenden Unternehmen oder Cost-plus-Vergütung des verlagernden Unternehmens mit hohem Gewinnaufschlag). Die Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung nennen beispielhaft die Umstellung eines Eigenhändlers zum Kommissionär oder Handelsvertreter sowie die Umstellung eines Eigenfertigers zum Lohnfertiger als Fälle für eine Funktionsabschmelzung.

16.34

Merkmale von Funktionseinstellungen/-abschmelzungen. Insbesondere Funktionseinstellungen bzw. Funktionsabschmelzungen stellen häufig einschneidende Ereignisse in das verlagernde Unternehmen und dessen betriebliche Abläufe dar. Nicht selten rufen derartige Vorgänge ein hohes öffentliches Interesse hervor, insbesondere, wenn vollständige oder partielle Werksschließungen mit dem Abbau von Personal einhergehen. Darüberhinausgehende, sich auf Ebene des Unternehmens manifestierende Merkmale einer Funktionseinstellung bzw. Funktionsabschmelzung können hohe außerordentliche Kosten, beispielsweise für Sozialpläne, sowie drastische Umsatzeinbrüche und der Wegfall von Debitoren sein. Infolgedessen stellen derartige Vorgänge in der Betriebsprüfungspraxis häufig aufgegriffene Sachverhalte dar mit nicht selten weitreichender steuerlicher Tragweite für das verlagernde inländische Unternehmen.

16.35

Funktionsauslagerung/„Outsourcing“. Eine weitere Erscheinungsform ist die Funktionsauslagerung – auch häufig vereinfachend als „Outsourcing“ bezeichnet. Die Auslagerung der inländischen Produktion auf einen ausländischen Auftrags- bzw. Lohnfertiger dürfte den in der Praxis wohl geläufigsten Fall einer Funktionsauslagerung darstellen. In diesen Fällen werden regelmäßig die für die Funktionsausübung erforderlichen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern nicht übertragen, sondern entweder unentgeltlich beigestellt oder entgeltlich zur Nutzung überlassen.

16.36

Beispiel 2: Der Lebensmittelproduzent L-GmbH produziert in seinen Werken in Deutschland u.a. Schokoladentafeln und vertreibt diese im westeuropäischen Markt. Als die Kapazitäten im deutschen Werk nicht mehr ausreichen, wurde auf Grundlage wirtschaftlicher Überlegungen entschieden, keine Erweiterungsinvestitionen mehr in den deutschen Werken zu tätigen, sondern ein neues Werk mit modernen Anlagen in Tschechien zu errichten. Die bisherigen Fertigungsstraßen für Schokoladentafeln in Deutschland wurden mit Eröffnung des Werks in Tschechien vollständig eingestellt. Damit ging ein teilweiser Abbau von Personal in den deutschen Werken einher. Die tschechische Tochtergesellschaft ist seither als alleiniger Hersteller der Schokoladentafeln tätig und liefert alle produzierten Mengen ausschließlich im Rahmen eines Lohnfertigungsvertrages an die L-GmbH, welche diese im europäischen Markt als Eigenhändler vermarktet. 1 Zur Bagatellgrenze vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 Rz. 58.

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Kap. 16 Rz. 16.36 | Funktionsverlagerungen Lösung: Bei typischer Ausgestaltung des Lohnfertigungsvertrages ist von einem Fall des „Outsourcings“ auszugehen.

16.37 Fortführung Beispiel 2:

Der zwischen der L-GmbH und der tschechischen Tochtergesellschaft geschlossene Lohnfertigungsvertrag sieht u.a. vor, dass die tschechische Gesellschaft eine Vergütung nach der Kostenaufschlagsmethode unter Berücksichtigung eines routineüblichen Aufschlagssatzes für die ausgeübten Lohnfertigungsaktivitäten erhält. Das Residualergebnis aus der Geschäftsaktivität fällt aufgrund der vertraglich vereinbarten Funktions- und Risikoallokation sowie der in Einklang damit festgelegten Vergütungsstruktur nach wie vor potentiell bei der L-GmbH an. Da unterstellt wird, dass die wesentlichen Werttreiber und damit einhergehenden Gewinnpotentiale im Inland verbleiben, lösen Funktionsauslagerungen bei entsprechender Ausgestaltung nicht die – unter Umständen – weitreichenden Kompensationsfolgen einer Funktionsverlagerung aus. Lösung: Bei routineüblicher Ausgestaltung der Vergütung des Lohnfertigers (hier: nach der Kostenaufschlagsmethode) war von einem Fall des § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV 2008 auszugehen, für den eine Transferpaketbewertung entbehrlich war. Zu beachten ist jedoch, dass in der FVerlV 2022 § 2 Abs. 2 S. 1 FVerlV (2008) gestrichen wurde, wonach in Fällen, in denen das übernehmende Unternehmen die übergehende Funktion ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen auf Basis der Kostenaufschlagsmethode ausübt, davon auszugehen sei, dass mit dem Transferpaket keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter übergehen. Nach unserer Einschätzung sollte jedoch in derartigen Konstellationen nach wie vor der Anwendungsbereich der Öffnungsklausel gegeben sein und eine Einzelbewertung (anstelle einer Transferpaketbewertung) zulässig sein (vgl. Rz. 16.73).

16.38 Funktionsausweitung. Die zuletzt zu nennende Fallkategorie ist die sog. Funktionsausweitung. Als Beispiele einer Funktionsausweitung nennen die Verwaltungsgrundsätze FVerl die Umstellung eines Lohnfertigers zum Eigenproduzenten sowie eines Kommissionärs zum Eigenhändler. Weitere Fortführung Beispiel 2: Die L-GmbH beendet form- und fristgerecht den Lohnfertigungsvertrag mit ihrer tschechischen Tochtergesellschaft. In der Folge wird ein Liefervertrag zwischen den Parteien geschlossen, wonach die Tochtergesellschaft fortan auf Basis der Wiederverkaufspreismethode die in Tschechien gefertigten Produkte an die L-GmbH liefert. Die bisher im Lohnfertigungsvertrag verankerten Verpflichtungen der L-GmbH, welche die tschechische Tochtergesellschaft im Wesentlichen risikolos gestellt haben (hier annahmegemäß: Abnahmeverpflichtung, Übernahme Kapazitätsrisiko, Produkthaftungsrisiko, Beschaffungsrisiko) besteht im Liefervertrag nicht mehr, so dass die tschechische Gesellschaft nunmehr vollumfänglich als Eigenfertiger agiert. Aufgrund der Umstellung erzielt die tschechische Tochtergesellschaft fortan annahmegemäß eine deutlich höhere Umsatzrendite aus der Herstellung der Schokoladentafeln, welche über die Vergütung eines reinen Routineunternehmens hinausgeht. Die L-GmbH hingegen erzielt seit Beendigung des Lohnfertigungsverhältnisses mit dem Vertrieb der tschechischen Schokoladentafeln deutlich niedrigere Margen. Lösung: Die Margenverschiebungen können ein Indiz für den Übergang von Gewinnpotential sein. Durch die Umstellung vom Lohnfertiger zum Eigenproduzenten ist in Anlehnung an § 2 Abs. 2 Satz 2 FVerlV 2008 grundsätzlich von einer Funktionsverlagerung auszugehen. § 1

1152 | Rasch/Leherpeur

D. Funktionsverlagerungsregelungen im nationalen Recht | Rz. 16.39 Kap. 16 Abs. 4 FVerlV 2022 enthält eine Regelung für Fälle, in denen das übernehmende Unternehmen die bislang ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen erbrachten Leistungen nach der Verlagerung eigenständig gegenüber anderen Unternehmen zu Preisen erbringt, die höher sind als das Entgelt nach der Kostenaufschlagsmethode. In derartigen Konstellationen soll für bisher unentgeltlich vom verlagernden Unternehmen für die Leistungserbringung zur Verfügung gestellte Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile ein fremdüblicher Preis angesetzt werden, der im Wege einer Transferpaketbewertung zu ermitteln ist. Diese Vorschrift scheint also auf Funktionserweiterungen von vormals als „Cost-Plus Dienstleister“ tätigen Gesellschaften abzuzielen und entspricht im Wesentlichen § 2 Abs. 2 S. 2 FVerlV 2008.

Praktische Schwierigkeiten. Fälle der Funktionsausweitung können in der Praxis auf Ebene des verlagernden inländischen Unternehmens unter Umständen weniger transparent sein, insbesondere, wenn die Auswirkungen sich nicht merklich in Form von Ergebniseinbrüchen, organisatorischen Umstellungen oder personellen Veränderungen manifestieren. Dadurch kann es für die verantwortlichen Personen des Unternehmens (z.B. Steuerabteilung, Rechnungswesen) schwierig werden, von derartigen Fällen überhaupt Kenntnis zu erlangen, um die entsprechend zutreffenden steuerlichen Handlungen zu initiieren. Das nachfolgende Beispiel soll dies verdeutlichen. Abwandlung Beispiel 2: Der Lohnfertigungsvertrag zwischen der L-GmbH und der tschechischen Tochtergesellschaft besteht annahmegemäß nach wie vor. Im Laufe der Jahre entfaltet die tschechische Gesellschaft jedoch parallel zum Lohnfertigungsverhältnis nach und nach eigene Geschäftsaktivitäten auf dem osteuropäischen Markt; der osteuropäische Markt wurde bislang von der LGmbH nicht erschlossen und beliefert. Dabei produziert die tschechische Gesellschaft dieselben Schokoladentafeln wie unter dem Lohnfertigungsvertrag nun auch für eigene Zwecke, um diese als Eigenhändler in Osteuropa zu vermarkten. Für die Herstellung der Schokoladentafeln im Rahmen des Eigengeschäfts nutzt die tschechische Tochtergesellschaft die von der LGmbH im Rahmen des Lohnfertigungsvertrags zur Verfügung gestellten Rezepturen und das Produktions-Know-how. Die Vermarktung der fertigen Schokoladentafeln durch die tschechische Tochtergesellschaft im osteuropäischen Markt erfolgt unter dem der L-GmbH gehörenden Produktnamen. Dabei erzielt die tschechische Gesellschaft im Eigengeschäft Renditen, die über eine Routinevergütung hinausgehen. Lösung: Grundsätzlich erfasst § 1 Abs. 4 FVerlV 2022 solche Fälle, in denen ein bisheriger Lohnfertiger seine Aktivitäten ausweitet und nicht mehr (nur) gegenüber dem inländischen Unternehmen tätig wird, und dabei eine Vergütung über derjenigen für eine reine Routinetätigkeit erzielt, als „schädliche“ Funktionsverlagerungen. Im vorliegenden Fall ist jedoch fraglich, ob durch die Entfaltung der eigenen Geschäftsaktivitäten der tschechischen Gesellschaft im osteuropäischen Markt überhaupt eine Funktionsverlagerung angenommen werden kann, da die ursprünglich von der L-GmbH ausgeübte Funktion in der Gesamtbetrachtung (Herstellung und Vertrieb von Schokoladentafeln für den westeuropäischen Markt) nur in deutlich abgewandelter Form von der tschechischen Tochtergesellschaft ausgeübt wird (Herstellung und Vertrieb von Schokoladentafeln für den osteuropäischen Markt, einem Markt, der annahmegemäß noch nicht von der L-GmbH erschlossen und bedient wurde). Vielmehr könnte ein Fall im Sinne der Rz. 57 Verwaltungsgrundsätze FVerl (Neuaufnahme einer Geschäftstätigkeit) vorliegen, welcher keine Funktionsverlagerung darstellt. Zumindest wären dann jedoch Überlegungen hinsichtlich eines fremdüblichen Nutzungsentgelts für die Überlassung immaterieller Vermögenswerte (Rezepturen, Produktions-Know-how, Marke) anzustellen. Die verantwortlichen Personen des Unternehmens (z.B. Steuerabteilung, Rechnungswesen) erfahren ggfs. erst nach-

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16.39

Kap. 16 Rz. 16.39 | Funktionsverlagerungen dem die gesamte operative Marge der tschechischen Gesellschaft über der Brandbreite von angemessenen operativen Margen liegt. Unter Berücksichtigung einer Anlaufzeit für das Eigengeschäft kann ein solcher Sachverhalt erst nach ein paar Jahren aufgedeckt werden.

3. Negativabgrenzung

16.40 Dienstleistungen. Eine Funktionsverlagerung ist grundsätzlich nicht gegeben, wenn Wirtschaftsgüter lediglich zur Nutzung überlassen oder veräußert werden oder wenn nur Dienstleistungen erbracht werden; es sei denn, diese sind Teile einer Funktionsverlagerung, § 1 Abs. 7 Satz 1 FVerlV 2008. Bei der Beurteilung der Frage, ob diese Geschäftsvorfälle Teil einer Funktionsverlagerung sind, ist entscheidend, dass kein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Geschäftsvorfall und Funktionsverlagerung besteht; ein rein zeitlicher Zusammenhang ist grundsätzlich unkritisch.1 16.41 Personalentsendung. Gleiches gilt für die Entsendung von Personal zwischen nahestehenden Personen, § 1 Abs. 7 Satz 2 Halbs. 1 FVerlV 2008.2 Vgl. oben Rz. 16.29. Beispiel 3: Die X-GmbH hat 100 % der Anteile an der US-amerikanischen Corp. erworben. Die US-amerikanische Corp. ist in einem spezifischen Geschäftsbereich tätig, der von der deutschen GmbH bisher nicht bedient wird. Der kaufmännische Leiter der deutschen X-GmbH, Herr A, soll auf Basis eines Entsendevertrages für drei Jahre als Geschäftsführer der US-amerikanischen Corp. agieren, um eine zügige Integration des neuen Geschäftsbereichs in die Gesamtgruppe sicherzustellen. Seine bisherige Stelle in Deutschland wird von seinem Nachfolger, Herrn Z, nachbesetzt und auf Ebene der X-GmbH funktional unverändert fortgeführt. Der Beispielsfall fällt unter die oben skizzierte Ausnahmeregelung und stellt keine Funktionsverlagerung dar.

16.42 Bagatellfälle. Auch nicht in den Anwendungsbereich der Funktionsverlagerung fallen Sachverhalte, die beim Fremdvergleich nicht als Veräußerung oder Erwerb einer Funktion gelten, § 1 Abs. 7 Satz 2 Halbs. 2 FVerlV, z.B. Bagatellfälle mit Umsatzeinbußen von weniger als 1 Mio. Euro oder die Übertragung eines einzelnen Auftrags.3 Auch wenn die Grundsätze der Funktionsverlagerung in diesen Fällen nicht zum Tragen kommen sollen, wäre jedoch zu prüfen, ob es unter fremden Dritten nicht üblich wäre, beispielsweise für die Überlassung eines einzelnen Auftrags ein Entgelt zu verlangen, welches nach den allgemeinen Einzelbewertungsgrundsätzen zu bestimmen wäre.4 16.43 Drittvergleichsfälle. Eine Ausnahme von den Grundsätzen der Funktionsverlagerung gilt auch für Fälle, die unter Fremdvergleichsaspekten zwischen fremden Dritten anders abgewickelt werden, z.B. fristgerechte Kündigung von Verträgen, Auslaufen einer Vertragsbeziehung. 1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 Rz. 53. 2 Entsendung im Sinne des BMF v. 9.11.2001 – IV B 4 - S 1341 – 20/01, BStBl. I 2001, 796. 3 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 Rz. 58. 4 Vgl. auch Beispiel im BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 Rz. 59, welches einen in der Praxis relevanten Fall der zentralen Produktionssteuerung und Allokation von Produktionsaufträgen je nach Kapazitätsauslastung in den konzernweiten Werken aufgreift.

1154 | Rasch/Leherpeur

D. Funktionsverlagerungsregelungen im nationalen Recht | Rz. 16.44 Kap. 16 Beispiel 4: Die deutsche U-GmbH ist als Auftragsfertiger für ihre ausländische Muttergesellschaft im Bereich der Herstellung elektronischer Artikel für die Unterhaltungsindustrie tätig. Der Auftragsfertigungsvertrag, welcher zum 1.1. des Jahres 01 zwischen den beiden Parteien geschlossen wurde, sieht vor, dass sämtliche immateriellen Vermögenswerte im Eigentum der Muttergesellschaft stehen und der U-GmbH lediglich im Rahmen der Auftragsfertigung (unentgeltlich) überlassen werden. Für die Auftragsfertigungstätigkeit erhält die U-GmbH eine fremdübliche Vergütung nach der Kostenaufschlagsmethode. Der Auftragsfertigungsvertrag räumt beiden Parteien eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende eines Kalenderjahres ein mit einer anfänglichen festen Laufzeit von drei Jahren, um der U-GmbH einen angemessenen Zeitraum zuzugestehen, die von ihr getätigten Anfangsinvestitionen in neue Produktionsanlagen zu amortisieren. Im Jahr 04 wurde der Vertrag vom Auftraggeber, der ausländischen Muttergesellschaft, form- und fristgerecht gekündigt. Lösung: Eine fristgerechte Kündigung ist auch unter fremden Dritten üblich, die o.g. Ausnahmeregel greift. Abwandlung Beispiel 4: Die U-GmbH hat im Vertrauen auf die feste Vertragslaufzeit von drei Jahren im Jahr 01 in Absprache mit der ausländischen Muttergesellschaft Anfangsinvestitionen i.H.v. 10 Mio. Euro getätigt. Auf Druck der Muttergesellschaft wurde das Vertragsverhältnis vorzeitig zum 31.3. des Jahres 02 beendet. Durch die vorzeitige Vertragsbeendigung sind die Anfangsinvestitionen noch nicht amortisiert. Zudem sind der U-GmbH Stilllegungskosten und Kosten infolge betriebsbedingter Kündigungen i.H.v. 3 Mio. Euro entstanden. Darüber hinaus entgeht der UGmbH die vereinbarte vertragliche Vergütung für die vertragliche Restlaufzeit von 21 Monaten. Lösung: Es wäre zu prüfen, inwieweit fremde Dritte infolge vorzeitiger Vertragsbeendigung Entschädigungsansprüche geltend machen würden.

4. Funktionsverdoppelung Die Funktionsverdoppelung hatte zu Recht bereits eine sehr kritische Diskussion im Laufe der unterschiedlichen Entwurfsversionen der FVerlV 2008 erfahren.1 In der ersten Fassung aus dem Juni 2007 sollte die Funktionsverdoppelung (Wahrnehmung der gleichen Funktion im Ausland ohne Veränderung im Inland) wie eine Funktionsverlagerung i.S.d. § 1 Abs. 3 S. 9 AStG a.F. behandelt werden und damit den gleichen Rechtsfolgen unterliegen. Betrachtet man den Sinn und Zweck der Funktionsverlagerung, wie er sich aus dem bereits zuvor genannten § 1 Abs. 2 S. 2 FVerlV ergibt, sollen solche Konstellationen besteuert werden, in denen eine inländische Funktion eingeschränkt oder eingestellt wird. Das ist bei der Funktionsverdoppelung gerade nicht der Fall, da die inländische Funktion erhalten bleibt. Auch ist der Wortsinn einer Verlagerung nicht erfüllt, weil der Begriff „Verlagerung“ die Übertragung von etwas vom Verlagernden auf den Übernehmenden voraussetzt. Der ursprüngliche Entwurf einer FVerlV ging deshalb eindeutig über ihre Ermächtigungsgrundlage hinaus. Die 1 Vgl. dazu nur Welling/Tiemann, FR 2008, 68, 70; Richter/Welling, FR 2008, 71 (72); Bohr, IWB F. 3 Gr. 1 S. 2285.

Rasch/Leherpeur | 1155

16.44

Kap. 16 Rz. 16.44 | Funktionsverlagerungen

Kontroverse hatte deshalb zu Recht dazu geführt, dass das BMF von dieser Ansicht abrückte. Daran hat auch die FVerlV 2022 nichts geändert. Unverändert zur bisherigen Rechtslage soll gem. Abs. 5 eine Funktionsverlagerung nach wie vor nicht vorliegen, wenn es innerhalb von 5 Jahren nach Aufnahme der Funktion durch das übernehmende Unternehmen zu keiner Einschränkung der betreffenden Funktion beim verlagernden Unternehmen kommt (sog. „Funktionsverdoppelung“). Anhand des nachfolgenden Beispiels sollen die indessen immer noch bestehenden Probleme der neuen Formulierung aufgezeigt werden. Beispiel 5: Die A-GmbH ist als Zulieferer für die Automobilindustrie im Bereich der Elektronikkomponenten tätig. Die deutsche Produktion arbeitet aufgrund sehr guter Nachfrage an der Kapazitätsgrenze. Um die erhöhte Nachfrage bedienen zu können, wird entschieden, dass eine Tochter-Produktionsgesellschaft in Rumänien errichtet wird. Die rumänische Tochtergesellschaft zahlt für die Nutzung des Produktions- und Prozess-Know-hows eine fremdübliche Lizenz von 3 % des Umsatzes und verkauft eigenständig an OEMs und entwickelt sich von Anbeginn an profitabel. Die Lage der A-GmbH entwickelt sich wie folgt: Umsatz (Mio €) Mitarbeiter

2017

2018

2019

2020

2021

2022

370

400

420

380

350

370

1.500

1.450

1.400

1.360

1.300

1.200

Sachanlagen (Mio €)

70

65

62

57

60

62

Gewinn (Mio €)

40

38

42

25

15

16

Es sollte unstreitig eine Funktionsverdoppelung i.S.d. § 1 Abs. 5 FVerlV 2022 (= § 1 Abs. 6 FVerlV 2008) vorliegen. Fraglich ist aber, ob aufgrund der Entwicklung der A-GmbH eine Einschränkung der Funktionsausübung und damit trotzdem die Anwendung der Rechtsfolgen der Funktionsverlagerung droht. Nach § 1 Abs. 6 S. 1 FVerlV 2008 (= § 1 Abs. 5 S. 1 FVerlV 2022) liegt eine Funktionsverlagerung nicht vor, wenn es zu keiner Einschränkung der Tätigkeit des verlagernden Unternehmens kommt. Es ist aber bereits fraglich, was unter Einschränkung der inländischen Funktionsausübung zu verstehen ist. Denkbar ist beispielsweise eine Einschränkung der Umsätze, der produzierten Einheiten oder der Anzahl der Mitarbeiter oder eine Kombination verschiedener Faktoren. Diese Unsicherheit ist deshalb untragbar, weil die Betroffenen gar nicht wissen, wann sie den erheblichen Rechtsfolgen einer Funktionsverlagerung ausgesetzt sind. Aus Gründen der Rechtssicherheit wäre es empfehlenswert gewesen, wenn sich der Verordnungsgeber zu genauen Kriterien etwa in Form eines safe havens hätte entschließen können, z.B. keine Verlagerung, wenn ein Absinken bestimmter Kriterien unter 75 % des Ausgangswerts nicht vorliegt. Zusätzlich wurde eine zeitliche Restriktion eingebaut, indem in dem Fall der Funktionsverdoppelung nur dann keine Funktionsverlagerung anzunehmen ist, wenn es für einen Zeitraum von fünf Jahren nach der Aufnahme durch das übernehmende Unternehmen nicht zu einer Einschränkung der inländischen Funktionsausübung kommt. Ist dies doch der Fall, so wird eine einheitliche Funktionsverlagerung angenommen. Ein Zeitraum von fünf Jahren ist u.E. zu lang und getragen von der auch in anderen Fällen sichtbaren Furcht der Finanzverwaltung vor Missbräuchen. Es ist aber wirtschaftlich kaum sinnvoll, eine nicht mehr rentable

1156 | Rasch/Leherpeur

D. Funktionsverlagerungsregelungen im nationalen Recht | Rz. 16.46 Kap. 16 Funktion in Deutschland (z.B. eine Produktion) parallel zu einer ebenfalls im Ausland wahrgenommenen für mehrere Jahre aufrecht zu erhalten, nur um den Rechtsfolgen einer Funktionsverlagerung zu entgehen. Vor diesem Hintergrund hätte u.E. auch eine deutlich kürzere Frist ausgereicht. Mit der Einschränkung will man offensichtlich die Fallgestaltungen einer zeitlich nachgelagerten Funktionseinschränkung eingrenzen. Allerdings muss sich der Gesetzgeber wohl gefallen lassen, wenn nach Ablauf der fünfjährigen Frist ein Übergang der inländischen Funktionsausübung erfolgt. Zu beachten ist auch noch, dass der Steuerpflichtige glaubhaft machen kann, dass die Einschränkung der inländischen Funktionsausübung nicht in Zusammenhang mit der Funktionsverdoppelung steht (vgl. § 1 Abs. 5 S. 2 Alt. 2 FVerlV 2022 = § 1 Abs. 6 S. 2, Alt. 2 FVerlV 2008). Welche Anforderungen daran zu stellen sind, ist aus der FVerlV nicht zu ersehen. Was unter der Glaubhaftmachung im Sinne der FVerlV zu verstehen ist, erläutert näher die Begründung zu § 1 Abs. 6 S. 2 FVerlV 2008. Erforderlich ist demnach eine plausible Darlegung aller tatsächlichen, objektiven Umstände, die den Rückschluss zulassen, dass kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der (späteren) Einschränkung der inländischen Funktion des bisher schon tätigen Unternehmens und der Aufnahme dieser Funktion durch das andere Unternehmen gegeben ist. Der Steuerpflichtige wird in Anspruch nehmen können, dass eine inländische Reduzierung der Funktionsausübung beispielsweise auf eine veränderte Marktsituation im inländischen Markt zurückzuführen ist. Auch dies begründet eine Darlegung durch den Steuerpflichtigen und erhöht die Dokumentationspflichten erneut.

Bepreisung bei Funktionsverdoppelungen. Trotz grundsätzlichen Vorliegens der Voraussetzungen einer Funktionsverlagerung sollen Fälle der Funktionsverdoppelung nicht zu einer Wertermittlung für die Funktion als Ganzes (Transferpaketansatz, § 1 Abs. 3b S. 2 AStG) führen, sondern allenfalls sind Einzelverrechnungspreise, z.B. für die Überlassung einzelner Wirtschaftsgüter – wie etwa Patente –, anzusetzen.

16.45

Voraussetzungen. Voraussetzung für die Ausnahmeregelung ist jedoch, dass es beim inländischen Unternehmen innerhalb eines „Beobachtungszeitraums“ von fünf Jahren zu keiner Einschränkung der Ausübung der betreffenden Funktion kommt, § 1 Abs. 5 Satz 1 FVerlV 2022. Was als wesentliche Einschränkung auf Ebene des verlagernden Unternehmens zu verstehen ist, regeln derzeit (auf der Basis der alten FVerlV 2008) die Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung.1 Demnach ist von einer wesentlichen Einschränkung auszugehen, wenn der Umsatz aus der Funktion auf Ebene des verlagernden Unternehmens seit dem letzten vollen Wirtschaftsjahr vor der Funktionsverlagerung im Laufe des Beobachtungszeitraums von fünf Jahren um mehr als 1 Mio. Euro absinkt. Für die Annahme einer Funktionsverlagerung reicht es dabei bereits aus, wenn der Umsatzeinbruch in einem Wirtschaftsjahr die kritische Größe von 1 Mio. Euro übersteigt, selbst wenn dieser im Folgejahr wieder ansteigt. Auch die Tatsache, dass gegebenenfalls keinerlei Produktionsanlagen im Inland stillgelegt bzw. keinerlei Personal abgebaut wird, soll für die Annahme einer „schädlichen“ Funktionsverdoppelung unbeachtlich sein, wenn die kritische Umsatzgröße von 1 Mio. Euro überschritten wird.

16.46

1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 Rz. 49.

Rasch/Leherpeur | 1157

Kap. 16 Rz. 16.47 | Funktionsverlagerungen

III. Begriff des Transferpakets

16.47 Begriffsdefinition „Transferpaket“. Gegenstand einer Funktionsverlagerung kann ein ganzer Betrieb, ein selbständiger Teilbetrieb oder auch nur ein unselbständiger organischer Unternehmensteil (d.h. eine Zusammenfassung gleichartiger Aufgaben) sein. Der Gesetzgeber fordert im Grundsatz für all diese Fallvarianten eine Zusammenfassung der verlagerten Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile (einschließlich der Dienstleistungen, Entscheidungskompetenzen, Rechte, geschäftswertbildenden Faktoren, Chancen und Risiken) zu einem Transferpaket.1 Gegenstand der Funktionsverlagerung ist nach § 1 Abs. 3b Satz 1 AStG und ergänzend nach § 1 Abs. 2 S. 2 FVerlV 2022 die „Funktion als Ganzes“, das sog. „Transferpaket“. Die vormals in Abs. 3 enthaltene Definition des „Transferpakets“ wird zudem in Abs. 2 verschoben. § 1 Abs. 2 S. 1 FVerlV 2022 stellt auch klar, dass eine zweiseitige Bewertung des Transferpakets erforderlich ist, wenn eine Funktion auf ein Unternehmen übertragen wird, das diese Funktion bereits ausübt, oder wenn eine verlustträchtige Funktion übertragen wird. Das Transferpaket besteht aus einer Funktion und den mit dieser Funktion zusammenhängenden Chancen und Risiken sowie den Wirtschaftsgütern und Vorteilen, die das verlagernde Unternehmen zusammen mit der Funktion überträgt oder zur Nutzung überlässt, und den in diesem Zusammenhang erbrachten Dienstleistungen, vgl. § 1 Abs. 2 FVerlV 2022 (= § 1 Abs. 3 FVerlV 2008). Entscheidend für die Annahme einer Verlagerung vom verlagernden auf das übernehmende Unternehmen ist, dass dem verlagernden Unternehmen das Transferpaket einschließlich seiner Bestandteile rechtlich oder wirtschaftlich zuzuordnen war.2 16.48 Transferpaket als Ganzes. Im Grundsatz sind nicht einzelne Wirtschaftsgüter, sondern das Transferpaket als Ganzes ist folglich Verlagerungsobjekt und zugleich Ausgangsbasis für die Determinierung eines Preises für die verlagerte Funktion. Nach der Gesetzesbegründung ist diese Betrachtungsweise aus betriebswirtschaftlichen Gründen geboten, da der Preis der einzeln übertragenen Wirtschaftsgüter den Wert der Funktion regelmäßig nicht adäquat widerspiegelt.3 Die Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung gehen sogar von der Annahme aus, dass fremde Dritte bereit wären, ein Entgelt für die mit der Funktion zusammenhängenden Vorteile, z.B. geschäftswertbildende Faktoren wie guter Ruf, gut ausgebildete Arbeitnehmer oder eine eingespielte Betriebsorganisation, zu vereinbaren, selbst wenn sich diese Vorteile noch nicht zu einem Wirtschaftsgut konkretisiert haben.4

1 Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerlV Anm. 58. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 Rz. 28. 3 Vgl. bereits Gesetzesentwurf eines Unternehmenssteuerreformgesetzes 2008 der Fraktionen CDU/CSU und SPD v. 27.3.2007, BT-Drucks. 16/4841, 86. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 Rz. 29.

1158 | Rasch/Leherpeur

D. Funktionsverlagerungsregelungen im nationalen Recht | Rz. 16.50 Kap. 16

IV. Bewertung des Transferpakets 1. Bewertungsverfahren Herausforderungen bei der Preisfindung. Der Vorrang der allgemeinen Verrechnungspreismethoden in Fällen von Funktionsverlagerungen, in denen die Preisbestimmung für das Transferpaket als Ganzes auf Grund uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbarer Vergleichswerte erfolgen kann (vgl. § 2 Abs. 1 S. 1 FVerlV 2008), wurde nicht in den Referentenentwurf übernommen. Vermutlich ist dies eine Folge des neugefassten § 1 Abs. 3 AStG, der nicht mehr explizit Bezug auf die allgemeinen Verrechnungspreismethoden nimmt. Gleichwohl sollten diese unter Beachtung internationaler Prinzipien (z.B. in den OECD Leitlinien) u.E. bei verlässlicher Anwendbarkeit nach wie vor als vorrangig anzusehen sein, auch wenn dies in der Praxis bei Funktionsverlagerungen (wegen deren hoher Individualität) oftmals nicht der Fall ist, so dass auf den „hypothetischen Fremdvergleich“ zurückzugriffen werden muss.

16.49

Beispiel 6: Die deutsche M-AG ist ein Unternehmen der Maschinenbau-Branche. Im Jahr 2010 hat die M-AG 100 % der Anteile an der M-Inc. in den USA von einem fremden Dritten erworben. Die Akquisition war für die M-AG von hoher strategischer Bedeutung wegen der am Markt einzigartigen Produktionstechnologie, über die die M-Inc. verfügte. Drei Monate nach der Akquisition wurde entschieden, die unternehmerischen Funktionen aus dem akquirierten USGeschäft auf Ebene der M-AG zentral zu bündeln (Funktionsverlagerung ins Inland, Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung, Rz. 3) und die M-Inc. nur als Auftragsforscher und -entwickler sowie als Auftragsproduzent der M-AG agieren zu lassen. Die Vermarktungsfunktion im weltweiten Absatzmarkt soll gänzlich auf die M-AG übergehen. Lösung: Da die Funktionsverlagerung in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Akquisition der ZInc. steht, könnte ein geeigneter Fremdvergleichspreis vorliegen, der für die Preisfindung im Rahmen der Funktionsverlagerung zumindest flankierend herangezogen werden könnte.

Bewertung des Transferpakets. § 2 FVerlV 2022 regelt, wie der Einigungsbereich bei Durchführung eines hypothetischen Fremdvergleichs bzw. einer Transferpaketbewertung zu ermitteln ist. Demnach ist hierfür eine Funktions- und Risikoanalyse vor und nach Verlagerung durchzuführen. Zudem sollen neben tatsächlich bestehenden Handlungsalternativen auch Standortvorteile oder -nachteile, Synergieeffekte und Steuereffekte berücksichtigt werden. Dies geht u.E. über den bisherigen Wortlaut der FVerlV hinaus, welche keinen expliziten Einbezug dieser Effekte vorsah. Zwar gab es beispielsweise Regelungen zur Berücksichtigung von Steuereffekten in den Verwaltungsgrundsätzen Funktionsverlagerung (z.B. in Rz. 118 und Rz. 125), jedoch bestand bislang keine entsprechende gesetzliche Vorschrift. Weiterhin wird ausgeführt, dass für die Berechnung des Einigungsbereichs eine kapitalwertorientierte Bewertungsmethode zu verwenden ist, wobei auf die Erwartungen der finanziellen Überschüsse der beteiligten Unternehmen abzustellen ist. Bislang wurde in diesem Zusammenhang der „Reingewinn nach Steuern“ als relevante Größe definiert. Die Neufassung des Wortlautes soll nun stärker den in der Unternehmensbewertung üblichen Begriff der „finanziellen Überschüsse“ berücksichtigen, woRasch/Leherpeur | 1159

16.50

Kap. 16 Rz. 16.50 | Funktionsverlagerungen

bei laut der Begründung im Gesetzesentwurf damit keine inhaltlichen Änderungen verbunden sind.

16.51 Vorliegen von Fremdvergleichspreisen. Ob und inwieweit ein Fremdvergleichspreis tatsächlich geeignet ist, sollte aufgrund der vielfältig denkbaren Einflussfaktoren für jeden Einzelfall gesondert geprüft werden. Je nach Branche und dem im individuellen Einzelfall vorliegenden Grad der Dynamik an technischer und wirtschaftlicher Veränderung sowie dem Vorhandensein sonstiger preisbeeinflussender Faktoren können Drittpreise nicht zeitlich unbegrenzt zum Heranziehen für konzerninterne Funktionsverlagerungen geeignet sein. In jedem Fall sollte die subjektive Geeignetheit aus Sicht des Steuerpflichtigen im Rahmen der Verrechnungspreisdokumentation argumentativ dargelegt werden.1 2. Gewinnpotentiale

16.52 Begriffsdefinition „Gewinnpotentiale“. Bei der Preisermittlung für das Transferpaket ist auf die sog. „Gewinnpotenziale“ des Transferpakets abzustellen, in der FVerlV 2022 wird das Gewinnpotential durch „finanzielle Überschüsse“ ersetzt. Eine inhaltliche Änderung soll damit nicht verbunden sein. Gewinnpotentiale sind die aus der verlagerten Funktion jeweils zu erwartenden Reingewinne nach Steuern (Barwert, vgl. § 1 Abs. 4 FVerlV 2008) und reflektieren die Gewinnerwartungen, die das verlagernde bzw. das aufnehmende Unternehmen an die verlagerte Funktion knüpft. Im Reingewinn nach Steuern sind nach den Verwaltungsgrundsätze FVerl nur die finanziellen Überschüsse nach Fremdkapitalkosten und Steuern zu erfassen, die als Nettoeinnahmen im Zusammenhang mit dem Transferpaket während der erwarteten wirtschaftlichen Nutzungsdauer voraussichtlich zufließen (direkte Methode bezogen auf die Funktion).2 Die in den Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung3 vertretene Auffassung, wonach auch die Steuereffekte aus der Verlagerung an sich auf Ebene des verlagernden und des übernehmenden Unternehmens in die Bewertung einzufließen haben, ist auf heftige Kritik in der Fachwelt gestoßen. 1 Gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 Verordnung über Art, Inhalt und Umfang von Aufzeichnungen i.S.d. § 90 Abs. 3 der Abgabenordnung (Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung – GAufzV), v. 12.7.2017, BGBl. I 2017, 2367, sind u.a. Vermögensübertragungen im Zuge von Umstrukturierungsmaßnahmen und auch die Übertragung und Überlassung von Wirtschaftsgütern und Vorteilen im Zusammenhang mit wesentlichen Funktions- und Risikoänderungen im Unternehmen als sog. „außergewöhnliche Geschäftsvorfälle“ anzusehen, für welche restriktivere Dokumentationsanforderungen bestehen. Praktisch sind damit Funktionsverlagerungen regelmäßig als außergewöhnliche Geschäftsvorfälle einzustufen. Für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle gilt – im Gegensatz zu den „gewöhnlichen Geschäftsvorfällen“ – eine zeitnahe Erstellungsfrist für die Verrechnungspreisdokumentation. Zudem ist die Dokumentation für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle bereits binnen 30 Tagen auf Anfrage der Finanzverwaltung vorzulegen. Eine Missachtung dieser Erstellungs- und Vorlagefristen kann zu Sanktionen i.S.d. § 162 Abs. 3 und 4 AO führen. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 Rz. 31 f. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), 774 Rz. 33, 118 u. 125.

1160 | Rasch/Leherpeur

D. Funktionsverlagerungsregelungen im nationalen Recht | Rz. 16.56 Kap. 16

Ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter. Die Gewinnpotentiale stellen dabei die Ausgangbasis für die Bepreisung des Transferpakets dar, wobei unterstellt wird, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter des verlagernden Unternehmens nicht auf diese zukünftigen Gewinnerwartungen verzichtet hätten bzw. nur gegen eine adäquate Kompensation. Gleichzeitig wird unterstellt, dass der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter des übernehmenden Unternehmens unter Fremdvergleichsgesichtspunkten bereit wäre, ein Entgelt für die Übernahme der Funktion zu leisten.

16.53

Gewinnpotentiale vs. Geschäftschancen. Gewinnpotentiale unterscheiden sich von dem in der Rechtsprechung verfestigten Begriff der „Geschäftschancen“.1 Mit dem Begriff „Gewinnpotenzial“ wurde eine neue Begrifflichkeit geschaffen, welche die bisherige Rechtsprechung des BFH zur Geschäftschancenlehre deutlich ausweitet.

16.54

Vierseitige Betrachtungsweise. Gewinnpotentiale werden auf Basis einer Funktionsanalyse sowohl aus der Sicht des verlagernden als auch des übernehmenden Unternehmens ermittelt. In die Ermittlung der Gewinnpotentiale sind sämtliche Handlungsoptionen (z.B. Möglichkeit des übernehmenden Unternehmens, die Funktion selbst aufzubauen) wie auch Standortvorteile bzw. -nachteile und zu erwartende Synergieeffekte einzubeziehen, vgl. § 2 Satz 1 FVerlV 2022 (vgl. auch oben Rz. 16.50). Die Ermittlung der Gewinnpotentiale wird in aller Regel eine vierseitige Betrachtungsweise2 erfordern, was für den Steuerpflichtigen einen erheblichen Ermittlungsund Bewertungsaufwand bedeutet. Eine vierseitige Betrachtungsweise wird sich nur dann auf eine zweiseitige Betrachtungsweise reduzieren lassen, wenn Erträge und Aufwendungen funktionsbezogen ermittelbar sind ([1] Gewinnpotential der Funktion vor Verlagerung und [2] Gewinnpotential der Funktion nach Verlagerung).

16.55

Planzahlen. Die Gewinnerwartungen für die zwei- bzw. vierseitige Betrachtungsweise werden regelmäßig aus den zukünftig erwarteten Jahresergebnissen abzuleiten sein, so dass in dieser Hinsicht grundsätzlich auf Planzahlen (z.B. Plan-Bilanzen, Plan-Gewinn- und Verlustrechnungen bzw. Finanzplanungen, Kostenstellenrechnungen, Produktergebnisrechnungen) zurückzugreifen ist.3 In dieser Hinsicht stellt § 2 S. 2 FVerlV 2022 klar, dass Ausgangsbasis für die Beurteilung und Bewertung der Funktionsverlagerung die Unterlagen sind, welche der Steuerpflichtige bei seiner Entscheidung über die Verlagerung angefertigt hat. Es ist jedoch fraglich, ob das für betriebswirtschaftliche Zwecke angefertigte Zahlenmaterial den erforderten Umfang und Detaillierungsgrad aufweist, welcher dem Steuerpflichtigen bei der Ermittlung der Gewinnpotentiale abverlangt wird. Beispielsweise erwartet die deutsche Finanzverwaltung für die ersten Planjahre das Zugrundelegen detaillierter Prognoserech-

16.56

1 Vgl. Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Anm. 3 FVerl, Rz. 2; a.A. Greil, IStR 2009, 202. 2 (1) Wert des verlagernden Unternehmens vor Verlagerung vs. (2) Wert des verlagernden Unternehmens nach Verlagerung und (3) Wert des übernehmenden Unternehmens vor Verlagerung vs. (4) Wert des übernehmenden Unternehmens nach Verlagerung. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 Rz. 85.

Rasch/Leherpeur | 1161

Kap. 16 Rz. 16.56 | Funktionsverlagerungen

nungen; für die weiteren Jahre kann eine pauschale Wertfortschreibung erfolgen.1 In Anbetracht dessen, dass in der betrieblichen Praxis häufig Planungszeiträumen von nicht selten nur 1–3 Jahren vorzufinden sind, ergibt sich für den Steuerpflichtigen zwangsläufig das Erfordernis, eigens für steuerliche Zwecke – nämlich zur Erfüllung der Bewertungsanforderungen im Rahmen der Funktionsverlagerungsregelungen – entsprechende Planungen zu erstellen. Auch die Tatsache, dass viele Unternehmen das Szenario der Fortführung der Funktion beim verlagernden Unternehmen aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht mehr bzw. schon gar nicht für den von der Finanzverwaltung geforderten, vergleichsweise langen Planungshorizont erstellen, stellt viele Unternehmen vor eine große praktische Herausforderung.

16.57 Dokumentation von Annahmen und Berechnungen. Nach dem Willen des Verordnungsgebers sind die Unterlagen, auf denen die unternehmensinternen, allgemein angewandten, betriebswirtschaftlichen Bewertungsgrundlagen und -methoden beruhen, Bestandteil der Verrechnungspreisdokumentation i.S.d. § 90 Abs. 3 AO.2 Vor diesem Hintergrund bietet es sich in der Praxis an, die Unterlagen entsprechend nachvollziehbar zu erstellen, dass auch in späteren Jahren noch die Entscheidungsparameter im Zeitpunkt der Verlagerung nachvollzogen werden können. 16.58 Ertragswertorientierte Bewertung. Der nach den oben beschriebenen Grundsätzen ermittelte, zukünftig zu erwartende finanzielle Beitrag ist mittels einer betriebswirtschaftlichen Bewertung nach einem Kapitalwertverfahren zu ermitteln.3 Nach Ansicht der deutschen Finanzverwaltung4 sind dafür national (z.B. IDW S 1 oder IDW S 5) oder international (z.B. ISO 10668) anerkannte Bewertungsverfahren heranzuziehen. Auch die Anwendung eines betriebswirtschaftlich begründeten Discounted Cash-Flow-Verfahrens (DCF-Verfahren) zur Ermittlung der maßgebenden Barwerte ist grundsätzlich zulässig.5 Werden im Rahmen der Funktionsverlagerung überwiegend immaterielle Wirtschaftsgüter verlagert, möchte die deutsche Finanzverwaltung vorzugsweise ein Bewertungsverfahren entsprechend IDW S 5 zur Anwendung kommen lassen.6 Sollten Gegenstand der Verlagerung eigenständig lebensfähige Betriebsteile bzw. ein Unternehmen als Ganzes sein, ist idealerweise ein Verfahren entsprechend IDW S 1 heranzuziehen.7

1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 774 Rz. 90. 2 Vgl. Begründung zum Entwurf der „Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV), BR-Drucks. 352/ 08, 18. 3 Kritisch hinsichtlich des damit verbundenen erheblichen Aufwandes für den Steuerpflichtigen Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Vor § 1 Abs. 3 AStG Rz. V 58; Kraft in Kraft, § 1 AStG Rz. 301. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 Rz. 63. 5 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 Rz. 88. 6 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 Rz. 89. 7 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 Rz. 89.

1162 | Rasch/Leherpeur

D. Funktionsverlagerungsregelungen im nationalen Recht | Rz. 16.60 Kap. 16

3. Kapitalisierungszins und -zeitraum Angemessener Kapitalisierungszins. Die ermittelten Gewinnpotentiale für das verlagerte Transferpaket sind mittels eines angemessenen Kapitalisierungszinses abzuzinsen. Dabei ist von einem Zins für eine risikolose Investition auszugehen, vgl. § 5 Satz 1 Halbs. 1 FVerlV 2008. § 4 FVerlV 2022 entspricht weitgehend dem § 4 FVerlV 2008. Die Laufzeit der risikolosen Referenzinvestition hat sich an der voraussichtlichen Dauer der Funktionsausübung zu orientieren (vgl. § 5 Satz 2 FVerlV). Die Ermittlung eines risikolosen Zinssatzes aus Sicht des verlagernden und des übernehmenden Unternehmens sollte in der Praxis in aller Regel ohne wesentliche Schwierigkeiten ermittelbar sein, z.B. beim inländischen Unternehmen durch Rückgriff auf die Zinsstrukturkurve der deutschen Bundesbank für Zerobondanleihen.1 Allerdings sollte eine geeignete risikolose Vergleichsinvestition herangezogen werden, welche z.B. hinsichtlich der Laufzeit der voraussichtlichen Ausübung der Funktion oder der Wertbeständigkeit der wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter entspricht, um von möglichst vergleichbaren Verhältnissen auszugehen.2 Bei einem unbegrenzten Kapitalisierungszeitraum ist eine möglichst langfristige Vergleichsinvestition heranzuziehen.

16.59

§ 4 Satz 3 FVerlV 2022 wurde klarstellend neu gefasst um herauszustellen, dass der anzuwendende Risikozuschlag sich nicht nur auf „unternehmensübliche“ (bisherige Fassung) Vergleichsparameter bezieht, sondern einen Transaktionsbezug aufweisen muss, den auch fremde Dritte in ihre Überlegungen einbeziehen würden, so dass der Risikozuschlag „marktüblich“ ist. Eine inhaltliche Änderung sollte damit nicht verbunden sein. Risikozuschlag. Eine größere Herausforderung stellt für den Steuerpflichtigen in der Praxis meist die Festlegung des gem. § § 4 S. 1 FVerlV 2022 (= § 5 S. 1 1 Halbs. 2 FVerlV) (=) geforderten funktions- und risikoadäquaten Zuschlags auf den risikolosen Zins dar. Dieser Zuschlag hat eine für das übernehmende als auch das verlagernde Unternehmen marktübliche Rendite für vergleichbare Funktionsausübungen zu berücksichtigen Der verlagerten Funktion ist dabei mittels einer Wertschöpfungsanalyse ein angemessener Anteil des Gesamtgewinns beizumessen, welcher über den Zuschlag auf den risikolosen Zins zu berücksichtigen ist.3

1 Aus Vereinfachungsgründen kann auch für das ausländische Unternehmen der inländische Referenzzinssatz für eine risikolose Kapitalanlage herangezogen werden, allerdings ist dieser dann ggf. um entsprechende Zuschläge zu erhöhen, um Länderrisiken adäquat zu berücksichtigen, vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 Rz. 104. 2 Vgl. Begründung zum Entwurf der „Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV), BR-Drucks. 352/ 08, 21. 3 Vgl. Begründung zum Entwurf der „Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV)“, BR-Drucks. 352/ 08, 20.

Rasch/Leherpeur | 1163

16.60

Kap. 16 Rz. 16.61 | Funktionsverlagerungen

16.61 Kapitalisierungszeitraum. Ein weiterer entscheidender Einflussfaktor auf die Höhe des Mindest- bzw. Höchstpreises ist neben dem Kapitalisierungszinssatz der Kapitalisierungszeitraum. Sofern der Steuerpflichtige keine besonderen Gründe anführen kann, ist von einem unbegrenzten Kapitalisierungszeitraum auszugehen (§ 5 FVerlV 2022). Ein unbegrenzter Kapitalisierungszeitraum ist nach den Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung insbesondere anzusetzen, wenn ein ganzer Betrieb, ein Teilbetrieb oder eine teilbetriebsnahe, eigenständig lebensfähige Einheit übertragen wird.1 Je weiter die Teilbetriebsschwelle unterschritten wird, umso eher kann ein begrenzter Kapitalisierungszeitraum gerechtfertigt sein.2 Gründe für eine Begrenzung können ferner sein, dass das übernehmende Unternehmen die verlagerte Funktion nur für einen bestimmten Zeitraum ausüben wird oder dass die ursprünglichen Investitionen und Vorleistungen des verlagernden Unternehmens mit der Zeit ihren Wert verlieren und die eigenen Investitionen des übernehmenden Unternehmens für die Ausübung der Funktion immer mehr an Bedeutung gewinnen. Anhaltspunkte bei der praktischen Ermittlung der Länge des Kapitalisierungszeitraumes können z.B. der Lebenszyklus der Produkte bzw. Technologie, die Dauer eines Patentschutzes oder sonstigen Rechts (bspw. Vertriebsrechts) liefern. Gemäß den Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung ist bei unterschiedlichen Zyklen bzw. Laufzeiten die längste ausschlaggebend; ggf. ist eine Gewichtung vorzunehmen.3 § 5 FVerlV 2022 verlangt nunmehr vom Steuerpflichtigen den Nachweis, dass ein kürzerer Kapitalisierungszeitraum sachgerecht ist. Aus der Gegenüberstellung der Formulierungen „glaubhaft machen“ und „nachweisen“ lässt sich ableiten, dass die Anforderungen an einen Gegenbeweis seitens des Steuerpflichtigen durch § 5 FVerlV 2022 erhöht wurden.

16.62 Einheitlicher Kapitalisierungszeitraum. Grundsätzlich ist für das verlagernde wie auch das übernehmende Unternehmen ein einheitlicher Kapitalisierungszeitraum zugrunde zu legen; Abweichungen sind zu erläutern.4 4. Ermittlung des Einigungsbereichs und Mittelwertvermutung

16.63 Einigungsbereich. Der doppelseitige ertragswertorientierte Bewertungsansatz im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs führt zu einem Verhandlungsrahmen, welcher am unteren Ende vom (Mindest-)Preis, den ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter des verlagernden Unternehmens fordern würde, sowie von einem (Höchst-)Preis, den ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter auf

1 Vgl. BMF Rz. 109. 2 Vgl. BMF Rz. 109. 3 Vgl. BMF Rz. 110. 4 Vgl. BMF Rz. 112.

v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774

1164 | Rasch/Leherpeur

D. Funktionsverlagerungsregelungen im nationalen Recht | Rz. 16.65 Kap. 16

Ebene des übernehmenden Unternehmens bereit wäre zu leisten, begrenzt ist. Die Spanne zwischen Mindestpreis und Höchstpreis bildet den sog. „Einigungsbereich“.1 § 6 FVerlV 2022 orientiert sich weitgehend an § 7 FVerlV 2008. Weiterhin wird der Mindestpreis für die Abgabe einer Funktion durch die Änderung des Gewinns (§ 6 FVerlV 2022 bezieht sich auf finanzielle Überschüsse) des abgebenden Unternehmens unter Berücksichtigung evtl. Schließungskosten bestimmt. Der in § 6 FVerlV 2022 enthaltene Verweis auf die Maßgeblichkeit des Barwerts der finanziellen Überschüsse ist allein klarstellender Natur. So führt die Begründung zum Referentenentwurf aus, dass § 6 FVerlV 2022 dem bisherigen § 7 FVerlV 2008 mit redaktionellen Folgeanpassungen und Klarstellungen entspricht. § 6 Abs. 2 FVerlV 2022 entspricht unverändert § 7 Abs. 2 FVerlV 2008. Damit entspricht der Mindestpreis einer Funktion, die das abgebende Unternehmen nicht weiter fortführen kann, ihrem Liquidationswert. Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 FVerlV 2008 entsprach der Mindestpreis für eine Verlustfunktion entweder dem Barwert der erwarteten Verluste oder den Schließungskosten. Darüber hinaus entsprechen sich § 6 FVerlV 2022 und § 6 FVerlV Abs. 3 2008. Auch in Bezug auf die Ermittlung des Höchstpreises lassen sich keine substantiellen Änderungen in § 6 FVerlV 2022 finden. § 6 Abs. 5 FVerlV 2022 entspricht unverändert § 7 Abs. 5 FVerlV 2008 und die Anpassungen in Abs. 4 des § 6 FVerlV 2022 sind allein redaktioneller Art. Einigungsbereich im Gewinnfall. In Fällen, in denen aus Sicht des verlagernden Unternehmens eine gewinnbringende Funktion verlagert wird, reflektiert der Mindestpreis den Ausgleich für den Wegfall bzw. für die Minderung des Gewinnpotentials, gegebenenfalls zzgl. etwaiger Schließungskosten, vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 FVerlV 2022. Als Schließungskosten kommen u.a. in Betracht: Sozialplankosten, Abbruchkosten, Umweltkosten, Umstellungskosten für IT-Systeme.2 Dabei sollte jedoch ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Verlagerungsvorgang und den Schließungskosten bestehen.

16.64

Substitution. Auch bei der Substitution hat das BMF seine bisherige Argumentationslinie beibehalten. Ein Tatbestandsmerkmal der Funktionsverlagerung ist, dass das verlagernde Unternehmen die zu beurteilende Funktion einstellt oder zumindest einschränkt (Tz. 2.1.2.2, Rz. 22 Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung). Da dabei nach Auffassung des BMF auf den mit der konkreten Funktion erzielten Umsatz abzustellen ist, sind auch Fälle der Substitution erfasst. Folgendes Beispiel verdeutlicht dies:

16.65

Beispiel (Tz. 2.1.2.2, Rz. 22 f.) 7: Eine inländische Konzernmuttergesellschaft hat bisher ein Produkt A hergestellt und vertrieben. Zukünftig wird das Produkt A nur noch von der Tochtergesellschaft im Ausland her1 Der Begriff des „Einigungsbereichs“ ist von dem der „Bandbreite“ zu unterscheiden – so auch vom Gesetzgeber in § 1 Abs. 3 AStG vollzogen. Der Einigungsbereich besteht grundsätzlich nur aus zwei Werten, einem Mindest- und einem Höchstpreis. 2 Vgl. Freudenberg/Peters, BB 2008, 1425.

Rasch/Leherpeur | 1165

Kap. 16 Rz. 16.65 | Funktionsverlagerungen gestellt und vertrieben. Die Tochtergesellschaft erhält dafür von ihrer Muttergesellschaft die technische Ausstattung (einschließlich Vertriebskenntnisse) und in der Anfangsphase personelle Unterstützungsleistungen. Die Muttergesellschaft produziert und vertreibt in Zukunft das von ihr entwickelte Nachfolgeprodukt B, das im Wesentlichen auf anderen immateriellen Wirtschaftsgütern beruht. Sie erzielt damit bei unverändertem Personaleinsatz einen höheren Umsatz als mit dem Vorgängerprodukt A. Die Tochtergesellschaft zahlt für die zur Verfügung gestellte Technologie eine Lizenzgebühr i.H.v. 5 % vom Umsatz. Nach Ansicht des BMF im Entwurf ist das Tatbestandsmerkmal der Funktionseinschränkung i.S.d. § 1 Abs. 2 FVerlV erfüllt, da die Funktion „Produktion und Vertrieb von Produkt A“ im Inland entfällt. Das verlagernde Unternehmen erzielt aus dieser Funktion keinen Umsatz mehr. Bei der Produktion und dem Vertrieb von Produkt A und der Produktion und dem Vertrieb von Produkt B handelt es sich um verschiedene Funktionen, da im Wesentlichen andere immaterielle Wirtschaftsgüter eingesetzt werden.

Die Ansicht, dass in diesem Beispiel eine Funktionsverlagerung vorliegt, ist u.E. nicht zutreffend. Der inländische Produzent ändert seine Geschäftstätigkeit hier in keiner Weise, sondern führt diese unverändert fort. Daher ist bereits das Tatbestandsmerkmal der Verlagerung nicht erfüllt. Das ergibt sich auch aus § 1 Abs. 7 letzter Halbsatz FVerlV, da der Vorgang zwischen fremden Dritten nicht als Veräußerung oder Erwerb einer Funktion angesehen würde (s. unten II, 2, c). Für die Überlassung des Produkt- und Produktions-Know-hows wäre vielmehr eine Lizenzgebühr zu erheben, die sich am Umsatz oder Gewinn der Tochtergesellschaft orientiert. Eine doppelte ertragswertorientierte Transferpaketberechnung ist nicht erforderlich. Die Lizenzgebühr kann anhand einer Einzelbewertung für die überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter ermittelt werden.1

16.66 Einigungsbereich bei Unmöglichkeit der Funktionsausübung. In der Praxis sind Fälle denkbar, in denen das verlagernde Unternehmen aus rechtlichen, tatsächlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, die Funktion mit eigenen Mitteln selbst auszuüben, z.B., weil die Funktion auf Druck eines Kunden ins Ausland verlagert wird oder weil wegen der räumlichen Entfernung zu einem ausländischen Markt eine direkte Erschließung von Deutschland aus nicht sinnvoll ist (erzwungene Funktionsverlagerung). In diesen Fällen entspricht der Mindestpreis regelmäßig dem Liquidationswert, der auch die Schließungskosten umfasst und deshalb auch kleiner als null sein kann, vgl. § 6 Abs. 2 FVerlV 2022 (= § 7 Abs. 2 FverlV 2008).2 16.67 Einigungsbereich im Verlustfall. Überträgt das verlagernde Unternehmen eine Funktion, mit deren Ausübung es zukünftig dauerhaft Verluste erwartet hätte, wird der Verhandlungsrahmen des verlagernden Unternehmens durch die negativen Ergebniserwartungen oder die gegebenenfalls anfallenden Schließungskosten begrenzt; maßgeblich ist der niedrigere Betrag, vgl. § 6 Abs. 3 Satz 1 FVerlV 2022 (= § 7 Abs. 3 1 Vgl. Kroppen/Rasch, IWB 2010, 824, 826. 2 Vgl. Begründung zum Entwurf der „Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV), BR-Drucks. 352/ 08, 22.

1166 | Rasch/Leherpeur

D. Funktionsverlagerungsregelungen im nationalen Recht | Rz. 16.68 Kap. 16

FverlV 2008). In Verlustfällen kann es unter Fremdvergleichsgesichtspunkten gegebenenfalls üblich sein, dass der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter des verlagernden Unternehmens bereit ist, einen Mindestpreis zu akzeptieren, der die Schließungskosten nur teilweise deckt. Es sind sogar Fälle denkbar, in denen das verlagernde Unternehmen zu einer Ausgleichszahlung bereit ist, nur um sich der Verlustquelle zu entledigen, vgl. § 6 Abs. 3 Satz 2 FVerlV. Letzteres allerdings nur insoweit, als die Schließungskosten und die an das aufnehmende Unternehmen zu leistende Ausgleichszahlung die erwarteten Verluste nicht übersteigen.1 Einbeziehung von Standortvorteilen. Aufgrund der doppelseitigen Betrachtungsweise aus Sicht des verlagernden und des übernehmenden Unternehmens ist jedoch selbst in Fällen, in denen der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsführer des verlagernden Unternehmens bereit ist, einen Mindestpreis von null oder weniger zu akzeptieren, stets zu prüfen, ob nicht der übernehmende Geschäftsführer dennoch bereit wäre, ein Entgelt zu zahlen (vgl. § 6 Abs. 5 FVerlV 2022 = § 7 Abs. 5 FVerlV 2008). Denn es ist denkbar, dass wegen drohender Kapazitätsüberlastung oder weil ein wichtiger Kunde auf die Verlagerung drängt, die Funktionsausübung aus Sicht des verlagernden Unternehmens unwirtschaftlich erscheint und der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter zu einem Mindestpreis von null oder weniger bereit wäre. Die doppelseitige Betrachtungsweise verpflichtet jedoch dazu, auch die Perspektive des übernehmenden ausländischen Unternehmens in Augenschein zu nehmen. Sollte sich die Erwartungshaltung für das übernehmende Unternehmen hingegen positiv darstellen, z.B., weil sich die Funktion aufgrund von Standortvorteilen im Ausland gewinnbringend ausüben lässt, ist es denkbar, dass der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter des übernehmenden Unternehmens zur Zahlung einer Kompensation für die Funktionsübernahme bereit wäre. Die Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung unterstellen, dass das übernehmende Unternehmen regelmäßig bereit ist, das verlagernde Unternehmen an diesen Vorteilen zu beteiligen.2 Der Ausgleichsanspruch ergibt sich im zitierten Beispielsfall nur aufgrund von Standortvorteilen, die eigentlich der ausländischen Infrastruktur geschuldet sind, hier jedoch für deutsche Besteuerungszwecke herangezogen werden. Die doppelseitige Betrachtungsweise kann demnach dazu führen, dass sich aufgrund von Gegebenheiten, die eigentlich dem ausländischen Unternehmen oder Standort geschuldet sind (insbesondere Standort- und Kostenvorteile sowie Synergieeffekte), unter dem hypothetischen Fremdvergleich und der im Grundsatz zu unterstellenden Mittelwertvermutung rechnerisch eine Zahlungsbereitschaft des übernehmenden Unternehmens ergibt. Dieser Aspekt stößt in der Fachliteratur auf Kritik.3 1 Vgl. Begründung zum Entwurf der „Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV), BR-Drucks. 352/ 08, 23. 2 Vgl. Beispiel in BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 Rz. 123. 3 Kritisch dahingehend, dass durch den Bewertungsansatz zukünftige, im Ausland entstehende Gewinnpotentiale vorab der Besteuerung in Deutschland unterworfen werden, Hey, BB 2007, 1303 ff.; Kraft in Kraft, § 1 AStG Rz. 330; Welling/Tiemann, FR 2008, 68 f.

Rasch/Leherpeur | 1167

16.68

Kap. 16 Rz. 16.68 | Funktionsverlagerungen

16.69 Mittelwertvermutung. Im Grundsatz gilt, dass der Mittelwert des Einigungsbereichs heranzuziehen ist, es sei denn, der Steuerpflichtige macht einen anderen Wert glaubhaft, § 1 Abs. 3a Satz 4 i.V.m. §§ 1 Abs. 3 S. 7, 1 Abs. 3b S. 1 AStG. Der Verrechnungspreisdokumentation kommt in diesem Punkt besondere Bedeutung zu, da die Glaubhaftmachung in aller Regel im Rahmen der Angemessenheitsdokumentation erfolgen wird. Darin wären die konkreten Gründe für das Abweichen vom Mittelwert aus der Sicht des Steuerpflichtigen darzulegen, wie z.B. die individuellen Handlungsalternativen des verlagernden und des übernehmenden Unternehmens, welche unmittelbaren Einfluss auf die Verhandlungsmacht der hypothetisch verhandelnden Unternehmen haben. Weitere Einflussfaktoren können beispielsweise die jeweilige Marktposition, ersparte Kosten für die eigene Erschaffung der in Rede stehenden Wirtschaftsgüter und Vorteile sowie erwartete Synergie- und Standortvorteile sein. Vor allem bei der Übertragung von Verlustfunktionen dürfte es für den Steuerpflichtigen einfacher sein, eine Abweichung vom Mittelwert glaubhaft zu machen. V. Ausnahmen von der Transferpaketbewertung 1. Vermutung einer Nutzungsüberlassung

16.70 Im Zweifel Nutzungsüberlassung. Die konkrete praktische und vertragliche Ausgestaltung einer Funktionsverlagerung liegt im Zuge der unternehmerischen Dispositionsfreiheit grundsätzlich beim Steuerpflichtigen.1 Sofern eine schriftliche Vereinbarung nicht besteht, die den Willen der Transaktionspartner klar und eindeutig erkennen lässt, und liefern auch sonstige Unterlagen (z.B. Buchhaltungsunterlagen) sowie die tatsächlichen betrieblichen Abläufe keinen Anhaltspunkt, kann die Finanzverwaltung im Zweifel – auf Anfrage des Steuerpflichtigen – von einer zeitlich befristeten Nutzungsüberlassung, anstatt von einer endgültigen Übertragung der Funktion, ausgehen, vgl. § 4 Abs. 2 FVerlV.2 Zu beachten ist jedoch, dass der in Praxis überaus 1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 Rz. 97 u. 145. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 Rz. 102, worin die Formulierung wie folgt lautet („Im Zweifel ist – im Einverständnis mit dem Steuerpflichtigen – ...“) und von der oben zitierten Formulierung in der FVerlV abweicht.

1168 | Rasch/Leherpeur

D. Funktionsverlagerungsregelungen im nationalen Recht | Rz. 16.72 Kap. 16

bedeutsame § 4 Abs. 2 FVerlV 2008 in der FVerlV 2022 ersatzlos gestrichen wurde. Demnach war bei Zweifeln, ob hinsichtlich des Transferpakets oder einzelner Teile eine Übertragung oder eine Nutzungsüberlassung anzunehmen ist, bislang auf Antrag des Steuerpflichtigen von einer Nutzungsüberlassung auszugehen. Nach der Entwurfsbegründung sei diese Regelung jedoch mangels konkreten Regelungsgehalts nicht mehr erforderlich.1 Fraglich ist nun, ob dies auch weiterhin noch möglich sein wird, das Gesetz selber sollte dies zumindest nicht ausschließen. Es bleibt daher zu hoffen, dass seitens der Finanzverwaltung auch künftig noch solche Modelle einer Lizenz anerkannt werden, auch wenn wir in Folge der Streichung von vermehrten Diskussionen in Betriebsprüfungen ausgehen. Nach den allgemeinen steuerlichen Vorschriften sollte zwar eine Nutzungsüberlassung in Zweifelsfällen weiterhin angenommen werden können,2 jedoch fehlt es hierzu an einer konkreten Rechtsgrundlage. Die Option einer Lizenzierung wesentlicher immaterieller Wirtschaftsgüter ist in der Praxis eine übliche Vorgehensweise, um die international nicht anerkannte Funktionsverlagerungsbesteuerung praktisch umzusetzen, weswegen die Begründung des Entwurfs um so mehr verwundert. § 4 Abs. 2 FVerlV 2008 fungierte dabei als Rechtsgrundlage, eine solche praktische Vorgehensweise zu rechtfertigen. So hat sich bei einer ganzen Reihe von Ländern gezeigt, dass sie die deutsche Funktionsverlagerungsbesteuerung im Hinblick auf den Ansatz eines Transferpakets nicht ohne weiteres akzeptieren. Einmalversteuerung vs. Lizenz. Die Unterstellung einer Nutzungsüberlassung hätte zur Konsequenz, dass ein angemessenes Entgelt für die überlassene Funktion zu bestimmen ist, idealerweise im Wege einer Lizenz. Dies bietet dem Steuerpflichtigen potentielle Liquiditätsvorteile, da Besteuerungseffekte aus der Funktionsverlagerung über mehrere Veranlagungszeiträume verteilt werden können und der geballte Effekt einer Einmalversteuerung vermieden werden kann. Aus Sicht des übernehmenden (ausländischen) Unternehmens können Lizenzmodelle beim ausländischen Fiskus ggf. eher auf Akzeptanz stoßen und eine zeitnahe Abzugsfähigkeit der Zahlungen im Ausland gewährleisten. Bei Einmalzahlungen bestehen aufgrund der international nicht harmonisierten Bewertungsansätze für Funktionsverlagerungen Unsicherheiten, ob und in welcher Höhe die verlagerten Werte im Ausland steuerlich abzugsfähig sind bzw. kapitalisiert und abgeschrieben werden können.

16.71

Klare vertragliche Regelungen. Aufgrund der hohen Komplexität vieler Verlagerungsvorgänge kommt in der betrieblichen Praxis zur Vermeidung von Nachweisproblemen schriftlichen, im Voraus geschlossenen Verträgen eine besondere Bedeutung zu, um die unternehmerische Entscheidung der Überlassung klar und eindeutig zum Ausdruck zu bringen und den zivilrechtlichen Eigentümer der Funktion zu bestimmen. Um die Annahme von wirtschaftlichem Eigentum an der Funktion zu vermeiden und damit ungewollt die Übertragungsfolgen auszulösen, sollte die vertragliche Laufzeit unter Berücksichtigung der gewöhnlichen Nutzungsdauer der Funktion – bzw. der damit zusammenhängenden Wirtschaftsgüter und Vorteile – eindeutig erfolgen.

16.72

1 Vgl. BR-Drucks. 423/22, 8. 2 Vgl. BR-Drucks. 423/22, 8.

Rasch/Leherpeur | 1169

Kap. 16 Rz. 16.73 | Funktionsverlagerungen

2. Escape-Klauseln des § 1 Abs. 3b Sätze 2 und 3 AStG

16.73 Öffnungsklausel. § 1 Abs. 3b AStG Sätze 2 und 3 enthalten – als Ersatz der für § 1 Abs. 3 S. 10 AStG a.F. – eine Öffnungsklausel zur Vermeidung einer Transferpaketbewertung. § 1 Abs. 3b S. 2 entspricht inhaltlich grundsätzlich der bisherigen ersten Öffnungsklausel. Demnach kann von einer Transferpaketbetrachtung abgesehen werden, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung waren. Dies erlaubt sodann die Durchführung einer Einzelwirtschaftsgutbewertung -anstatt einer Transferpaketbewertung. § 1 Abs. 3b S. 2 AStG (vormals § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV 2008) enthält deshalb eine Öffnungsklausel, nach der unter bestimmten Voraussetzungen davon auszugehen ist, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter übertragen werden. Voraussetzung dafür ist gem. § 1 Abs. 3b S. 3, dass – das die Funktion übernehmende Unternehmen diese ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen erbringt und – das Entgelt, das für die Erbringung der Leistungen anzusetzen ist, nach der Kostenaufschlagsmethode zu ermitteln ist. Beide Voraussetzungen machen für das, was der Gesetzgeber eigentlich erreichen wollte, wenig Sinn.1 Nach der Verordnungsbegründung2 zu § 2 Abs. 2 S. 1 FVerlV 2008 hatte der Verordnungsgeber bei der Regelung insbesondere die sog. Routineunternehmen3 im Blick, also solche Unternehmen, die nur Routinefunktionen erbringen, nur geringe Risiken tragen, keine unternehmerische Funktion ausüben und für ihre Leistungen nur ein Tätigkeitsentgelt erhalten, welches keine substantiellen Gewinnchancen beinhaltet. In einem solchen Fall sollen die Rechtsfolgen einer Funktionsverlagerung nicht eingreifen.4 Beispiele für die Verlagerung auf ein Routineunternehmen können etwa die Einschaltung eines Lohn- oder Auftragsfertigers,5 die Verlagerung von Dienstleistungen 1 Für § 2 Abs. 2 FVerlV: Haas, Ubg 2008, 517 (523); den Wortlaut für misslungen halten Borstell/Wehnert in Vögele/Borstell/Engler3, Kapitel Q Rz. 390; für unvollkommen Pohl in Mössner/Fuhrmann, § 1 AStG Rz. 486; weniger kritisch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1945 (1950); Kahle, Der Konzern 2007, 647 (652). 2 BR-Drucks. 352/08, 16. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570 – Verwaltungsgrundsätze-Verfahren, Tz. 3.4.10.2 Buchst. a. 4 Vgl. BR-Drucks. 352/08, 16; vgl. hierzu Frischmuth, StuB 2008, 864 (865); Naumann in Lüdicke, Forum der Internationalen Besteuerung, Band 32, S. 167 (177 f.); Brüninghaus/ Bodenmüller, DStR 2009, 1285 (1287) meinen, dass in diesen Fällen schon dem Grunde nach keine Funktionsverlagerung vorliege, weil § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG als gesondertes Tatbestandsmerkmal die Verlagerung von unternehmerischen Chancen und Risiken voraussetze. Obwohl diese Auffassung durchaus Sinn macht, entspricht sie wohl nicht der Konzeption des Gesetzes und der FVerlV. Danach ist der Grundtatbestand der Funktionsverlagerung sehr weit und wird dann durch die Escape-Klauseln und für Verlagerungen auf Routineunternehmen wieder eingeschränkt. 5 Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, Fach 3 Gruppe 1, 2201 (2222).

1170 | Rasch/Leherpeur

D. Funktionsverlagerungsregelungen im nationalen Recht | Rz. 16.73 Kap. 16

auf ein sog. „Shared Service Center“1 oder die Nutzung von Vertriebsgesellschaften mit eingeschränkten Risiken (sog. „Limited Risk Distributor“) sein.2 Gemessen an dem Zweck, Routineunternehmen auszuklammern, macht die Einschränkung in § 1 Abs. 3b Satz 3 AStG auf eine ausschließliche Leistungserbringung gegenüber dem verlagernden Unternehmen keinen Sinn. Diese Voraussetzung wäre bei den obigen Beispielen nur für einen Lohn- oder Auftragsfertiger erfüllt, der die gefertigten Produkte grundsätzlich vollständig an den Auftraggeber zurückliefert oder verkauft. Demgegenüber erbringt ein Shared Service Center seine Leistung an verschiedene Empfänger.3 Auch ein Vertreiber mit geringen Risiken kauft zwar vom Hersteller, vertreibt dann aber gegenüber zahlreichen Kunden, so dass das Entgelt (die Marge) aus den Zahlungen der Kunden und nicht aus den Zahlungen des Herstellers generiert wird. Trotzdem muss u.E. auch in diesen Fällen die Möglichkeit bestehen, die Regelungen zur Funktionsverlagerung nicht anzuwenden, weil es sich um reine Routineunternehmen handelt, auf die verlagert wird.4 Leider hat der Gesetzeber die Möglichkeit einer Klarstellung nicht wahrgenommen und an diesem Kriterium, das bereits in § 2 Abs. 2 S. 1 FVerlV fehlerhaft angelegt war, festgehalten. Auch das zweite Kriterium – Ermittlung des Entgelts nach der Kostenaufschlagsmethode – ist zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet. Die Kostenaufschlagsmethode kann auch für Nicht-Routineunternehmen Anwendung finden. Der Kostenaufschlag ist dann entsprechend höher. Ein Beispiel hierfür wäre etwa die Herstellung von Vorprodukten oder Komponenten als unternehmerische Funktion im Rahmen einer konzerninternen Wertschöpfungskette.5 Der Gesetzgeber kann aber kaum gewollt haben, dass ein inländischer Hersteller, der die Produktion eines Vorproduktes auf einen unternehmerisch handelnden Komponentenfertiger in Polen verlagert, der damit z.B. ein Entgelt von Cost plus 30 % verdient, von den Grundsätzen der Funktionsverlagerung generell ausgenommen ist. U.E. sind deshalb § 1 Abs. 3b S. 2 und 3 AStG so zu verstehen, dass die gesetzlichen Rechtsfolgen einer Funktionsverlagerung (Gesamtbewertung eines Transferpakets) dann nicht eingreifen, wenn die Funktion auf ein Routineunternehmen verlagert wird, welches die Funktion ohne Übernahme wesentlicher Risiken und Chancen ausübt und dafür einen Gewinn erzielt, der zwar stabil, aber relativ gering ist. Dabei ist es unerheblich aus der Anwendung welcher Verrechnungspreismethode sich dieser Gewinn ergibt. Dies kann, muss aber nicht, die Kostenaufschlagsmethode sein. Viel-

1 Vgl. Kroppen/Rasch, IWB 2008, Fach 3 Gruppe 1, 2339 (2348). 2 Schreiber, Ubg 2008, 433 (435 f.); Looks in Verrechnungspreise und Betriebsstättengewinnermittlung, Lektion 11, S. 12; für Vertreiber auch Bernhardt/van der Ham/Kluge, IStR 2008, 1 (2 ff.). 3 Vgl. hierzu Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2008, Fach 3 Gruppe 1, 2339 (2347 f.). 4 Vgl. Haas, Ubg 2008, 517 (523); Kroppen/Rasch, IWB 2008, Fach 3 Gruppe 1, 2339 (2347 f.); Frischmuth, StuB 2008, 864 (866). 5 So etwa Tz. 3.1.3. Beispiel 2 der Verwaltungsgrundsätze 1983.

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Kap. 16 Rz. 16.73 | Funktionsverlagerungen

mehr wäre auch die Anwendung der Preisvergleichsmethode, der Wiederverkaufspreismethode oder der transaktionsbezogenen Nettomargenmethode möglich, solange es sich bei dem übernehmenden Unternehmen um ein Routineunternehmen handelt, welches nur ein Entgelt ohne unternehmerisches Gewinnpotential erhält. Dies ist der Fall, wenn das Entgelt nicht über die Verzinsung des eingesetzten Kapitals zzgl. eines Tätigkeitsentgelts hinausgeht. Diese Auffassung hat sich die FinVerw. zumindest zum Teil für die frühere Fassung der Öffnungsklausel zu Eigen gemacht (Tz. 2.2.2.1, Rz. 67 Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung). Sie wollte die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV 2008 auch auf Routineunternehmen anwenden, die ein bloßes Tätigkeitenentgelt auf Basis einer geschäftsvorfallbezogenen Nettomargen-Methode oder als Provision erhalten. Die hier vorstehend beschriebene Auffassung steht allerdings mit dem Wortlaut von § 1 Abs. 3b S. 2 und 3 AStG nicht in Einklang. Sie kann sich aber auf den Sinn und Zweck der Regelung berufen, so dass zugunsten des Steuerpflichtigen eine Abweichung vom Wortlaut der Vorschrift möglich sein sollte.1 Hält man hingegen den Wortlaut der Vorschrift für verbindlich, konnte das hier vertretene Ergebnis aus § 1 Abs. 7 Satz 2 FVerlV 2008 hergeleitet werden (vgl. aber Rz. 16.29).2 Die Verlagerung auf ein Routineunternehmen, welches nur ein Tätigkeitsentgelt erhält, würde von Dritten nicht als Veräußerung einer Funktion. In der Fassung der FVerlV 2008 wurde dies über § 1 Abs. 7 S. 2 FVerlV hergeleitet. In der FVerlV 2022 ist eine solche Regelung nicht mehr vorgesehen. Der Grundsatz bleibt aber gleichwohl richtig. 3. Altes Recht: Escape-Klauseln des § 1 Abs. 3 S. 10 AStG a.F.

16.74 Intention der Escape-Klauseln. Die ursprüngliche Intention der Escape-Klauseln war, eine Vereinfachung bei der praktischen Anwendung der Funktionsverlagerungsvorschriften zu schaffen und den Steuerpflichtigen insbesondere hinsichtlich der Wertermittlung in bestimmten Fällen von der umfassenden und umständlichen Wertermittlung nach dem Transferpaketgedanken zu entlasten. Insbesondere die zuletzt im Jahr 2010 im Rahmen des „Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften“ ins Gesetz eingefügte dritte Escape-Klausel sollte potentielle Nachteile auf den Forschungs- und Entwicklungsstandort Deutschland beseitigen. Grundgedanke der Escape-Klauseln ist, dass in Ausnahmefällen anstatt der Gesamtbewertung eine Bestimmung von Einzelverrechnungspreisen (Einzelbewertung) der entsprechenden Wirtschaftsgüter zulässig sein soll. Bei der praktischen Auslegung dieser Vorschriften seitens der Finanzverwaltung ist jedoch festzustellen, dass die Regelungen die beabsichtigte Intention, eine Vereinfachung für den Steuerpflichtigen zu schaffen, ganz klar verfehlen, teilweise sogar zu einer Verschärfung führen.3

1 So wohl auch Haas, Ubg 2008, 517, 523. 2 So wohl auch Schreiber, Ubg 2008, 433 (436). 3 Vgl. Kraft in Kraft, § 1 AStG Rz. 445.

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D. Funktionsverlagerungsregelungen im nationalen Recht | Rz. 16.75 Kap. 16

Escape-Klauseln im Überblick. Im Einzelnen sehen die Escape-Klauseln folgende Ausnahmen vor: – § 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 1 AStG: Einzelverrechnungspreise können angesetzt werden, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile mit der Funktion übergehen bzw. zur Nutzung überlassen werden. Der im Gesetz skizzierte Fall dürfte primär bei der Verlagerung von Hilfsfunktionen, mit denen in aller Regel keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile verknüpft sind, zum Tragen kommen. Die Escape-Klausel dürfte in dieser Hinsicht dennoch in der Praxis wenige praktische Anwendungsfälle finden, da für derartige Verlagerungen im Zweifel ohnehin bereits die Outsourcing-Regelung des § 2 Abs. 2 FVerlV zum Tragen kommt, welche Erleichterungen für den Steuerpflichtigen zulässt.1 – § 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 2 AStG: Eine Einzelbewertung soll auch zulässig sein, wenn die Einzelpreisbestimmungen in Summe dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen, gemessen an den Bestimmungen für das Transferpaket als Ganzes. Um diesen vom Gesetzgeber geforderten wertmäßigen Abgleich durchführen zu können, muss der Steuerpflichtige zwangsläufig eine Einzelbewertung und zusätzlich eine Gesamtbewertung des Transferpakets durchführen. Von einer Erleichterung für den Steuerpflichtigen kann demnach nicht die Rede sein. – § 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 3 AStG: Die zuletzt im Gesetz verankerte Escape-Klausel soll es dem Steuerpflichtigen ermöglichen, bei Übertragung zumindest eines wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgutes,2 welches konkret zu benennen ist, eine Einzelbewertung durchführen zu dürfen. Abgesehen von der praktischen Schwierigkeit, insbesondere nicht geschützte immaterielle Wirtschaftsgüter konkret zu benennen, ist es auch bei dieser Alternative erforderlich, eine Einzel- und eine Gesamtbewertung durchzuführen. Die zuletzt gesetzlich kodifizierte Regelung hat demzufolge eher zu einer Verschärfung der Rechtslage als zu der intendierten Erleichterung beigetragen.3 4. Schadenersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche (§ 7 FVerlV) Nachweis von Fremdverhalten. § 7 FVerlV 2022 entspricht nahezu wörtlich § 8 FVerlV 2008. Allerdings findet sich ebenso wie in § 5 FVerlV 2022 eine Verschärfung der Beweislast zu Ungunsten des Steuerpflichtigen. Während in der § 8 FVerlV 2008 vom Steuerpflichtigen gefordert wurde, glaubhaft zu machen, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter übertragen wurden, um die Bestimmung einer Ausgleichzahlung auf Schadensersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche zu beschränken, muss er dies jetzt nachweisen. 1 Vgl. auch Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Vor § 1 Abs. 3 AStG Rz. V 89. 2 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 Rz. 75 unter Verweis auf § 1 Abs. 5 FVerlV. 3 Kritisch Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl, Rz. 24.1 Buchst. b.

Rasch/Leherpeur | 1173

16.75

Kap. 16 Rz. 16.75 | Funktionsverlagerungen

Sofern es unter fremden Dritten üblich ist, dass diese für die Einschränkung ihrer unternehmerischen Handlungsmöglichkeiten gesetzliche oder vertragliche Schadenersatz-, Entschädigungs- oder Ausgleichsansprüche geltend machen, so kann der Steuerpflichtige glaubhaft machen, dass diese für die Besteuerung seiner Übertragung der Funktion auf einen Nahestehenden anstellt des Transferpaketansatzes heranzuziehen sind. Entsprechende Ansprüche können sich beispielsweise ergeben aus: – gesetzlichen Ausgleichsansprüchen gem. § 89b HGB bzw. deren analoger Anwendung auf einen konzerninternen Eigenhändler,1 – gesetzlichen Treuepflichten, z.B. gem. § 43 Abs. 1 GmbHG, – vertraglich vereinbartem Schadenersatz, – Ansprüchen wegen Verstoßes gegen ein Wettbewerbsverbot.

16.76 Klare vertragliche Vereinbarungen. Die geforderte Glaubhaftmachung dürfte dem Steuerpflichtigen in der Praxis einfacher und zweifelsfreier gelingen, wenn klare und eindeutige, schriftlich verfasste Verträge existieren, welche fremdübliche Konditionen beinhalten und von den Transaktionsparteien auch tatsächlich gelebt werden. Im Übrigen finden bestimmte Regelungen, wie beispielweise die des § 89b HGB, grundsätzlich nur Anwendung, wenn die Geschäftsbeziehung deutschem Recht unterliegt. Um Zweifel zu vermeiden, bietet sich in der Praxis daher beispielsweise der Abschluss eines schriftlichen Handelsvertreter- bzw. Vertragshändlervertrags an, um diese Aspekte hinreichend klar zu regeln. VI. Preisanpassungsklausel des § 1a AStG (= § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG a.F.)

16.77 Zielrichtung der gesetzlichen Preisanpassungsklausel. Die Kodifizierung einer gesetzlichen Preisanpassungsklausel im § 1 Abs. 3 AStG a.F. war von dem Gedanken getragen, dass die Prognose von Gewinnerwartung, welche der Transferpaketbewertung zugrunde liegt, regelmäßig mit enormen Unsicherheiten behaftet sein kann. Daher unterstellt der Gesetzgeber, dass fremde Dritte bei bestehenden Unsicherheiten im Zuge der Verlagerung wesentlicher immaterieller Wirtschaftsgüter eine Preisanpassungsklausel vereinbart hätten, die es den Vertragsparteien ermöglicht, nach Abschluss der Preisvereinbarung für die verlagerte Funktion bei Bedarf nachträglich eine Adjustierung des vereinbarten Preises – im Sinne einer „Nachverhandlung“ – vorzunehmen. Wird die Vereinbarung einer fremdüblichen Preisanpassungsklausel im Verhältnis zwischen nahestehenden Vertragsparteien trotz bestehender Unsicherheiten unterlassen, besteht für die Finanzverwaltung die Möglichkeit, bis zu einem Zeitraum von zehn Jahren den vereinbarten Verrechnungspreis für das Transferpaket nachträglich anzupassen.

1 Zur Anwendbarkeit auf Eigenhändler Kuckhoff/Schreiber, IStR 1999, 355; a.A. Baumhoff in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 1 AStG Rz. 616.

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D. Funktionsverlagerungsregelungen im nationalen Recht | Rz. 16.79 Kap. 16

Die Preisanpassungklausel wurde in § 1a im Rahmen des AbStEntModG überführt. Damit einher ging: – Die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Preisanpassungsklausel auf sämtliche Transaktionen, deren Gegenstand wesentliche immaterielle Werte oder Vorteile sind (d.h. nicht nur Funktionsverlagerungstatbestände). – Die Reduzierung des Anpassungszeitraums der Verrechnungspreise von zehn auf sieben Jahre, Anpassungsbetrag ist im achten Jahr ergebniswirksam zu erfassen. – Die Anpassung des Verrechnungspreises bei einer „erheblichen Abweichung“ von der bei der Verrechnungspreisbestimmung zugrunde gelegten Gewinnerwartungen. Als „erhebliche Abweichung“ wird eine Abweichung i.H.v. mehr als 20 % der ursprünglichen Gewinnerwartung definiert. – Eine Preisanpassung soll in den folgenden Fällen nicht erfolgen: – Die Entwicklung des Verrechnungspreises beruht auf Umständen, die ex ante (d.h. zum Zeitpunkt des Geschäftsvorfalls) nicht berücksichtigt werden konnten (Glaubhaftmachung des Steuerpflichtigen); – Unsicherheiten über zukünftige Entwicklungen wurden bei der ex ante Bestimmung des Verrechnungspreises berücksichtigt (Nachweispflicht des Steuerpflichtigen); – Bestehende Lizenzvereinbarungen für immaterielle Wirtschaftsgüter auf Basis von Umsätzen oder Gewinnen. Gestrichen wurden infolgedessen die konkretisierenden Regelungen zur Preisanpassungsklausel in § 1 Abs. 3 S. 11 f. AStG a.F. (vgl. §§ 9–11 FVerlV 2008). Der Ausschluss der Anpassungsregelung im Falle von umsatz- oder gewinnabhängigen Lizenzvereinbarungen (vgl. § 9 FVerlV 2008) findet sich nun direkt im Gesetz wieder (in § 1a S. 6 Nr. 3 AStG). Für die Praxis relevante Änderungen finden sich jedoch durch den Wegfall von § 10 und 11 FVerlV 2008, in denen bestimmt wurde, wann im Rahmen einer Transferpaketbewertung eine erhebliche Preisabweichung vorliegt (§ 10 FVerlV 2008) und wie in derartigen Konstellationen eine angemessene Ausgleichszahlung zu bestimmen ist (§ 11 FVerlV 2008). Wirkungsweise der gesetzlichen Preisanpassungsklausel (alte Gesetzeslage). Bei Anwendung der gesetzlichen Preisanpassungsklausel wird der Einigungsbereich neu bestimmt. Eine angemessene Preisanpassung wird in diesem Fall dem Unterschiedsbetrag zwischen dem ursprünglichen Verrechnungspreis und dem neu ermittelten Verrechnungspreis entsprechen (vgl. § 11 Halbs. 1 FVerlV 2008). Der neue Einigungsbereich wird dabei durch den ursprünglichen Mindestpreis und den neu ermittelten Höchstpreis des übernehmenden Unternehmens begrenzt (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 2 FVerlV 2008).

16.78

Vorliegen von Unsicherheiten (alte Gesetzeslage). Unsicherheiten liegen nach Ansicht des Gesetzgebers vor, wenn erhebliche Abweichungen bestehen (§ 1a S. 3 AStG). Von erheblichen Abweichungen ist auszugehen, wenn der unter Zugrundelegung der tatsächlichen Gewinnentwicklungen zutreffende Verrechnungspreis außer-

16.79

Rasch/Leherpeur | 1175

Kap. 16 Rz. 16.79 | Funktionsverlagerungen

halb des ursprünglichen Einigungsbereichs liegt (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 FVerlV 2008).1

16.80 Erhebliche Abweichungen (alte Gesetzeslage). Auch wenn der neu ermittelte Höchstpreis niedriger ist als der ursprüngliche Mindestpreis des verlagernden Unternehmens, ist von erheblichen Abweichungen auszugehen, vgl. § 10 Abs. 1 Satz 3 FVerlV 2008. Dies ist in Fällen denkbar, in denen die ursprünglichen Erwartungen so ungünstig verlaufen, dass sich kein Einigungsbereich mehr ergibt. In diesem Fall entspricht eine angemessene Preisanpassung dem Unterschiedsbetrag zwischen dem ursprünglichen Verrechnungspreis und dem Mittelwert zwischen dem neuen Höchstpreis des übernehmenden Unternehmens und dem ursprünglichen Mindestpreis des verlagernden Unternehmens (vgl. § 11 Halbs. 2 FVerlV 2008).

1 Vgl. Schreiber in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl, Rz. 21, der zu dem Schluss kommt, dass eine spätere Preisanpassung nur bei unzutreffend vorhergesagten „Gewinnen“ vorgenommen werden könne und nicht, wenn der Zinssatz und/oder der Kapitalisierungszeitraum unzutreffend vorhergesagt wurde.

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D. Funktionsverlagerungsregelungen im nationalen Recht | Rz. 16.82 Kap. 16

Darüber hinaus definiert die Verordnung keine weiteren Fälle von erheblichen Abweichungen. Insbesondere werden Abweichungen zugunsten des verlagernden Unternehmens grundsätzlich nicht von der gesetzlichen Preisanpassungsklausel erfasst. Ein solcher Fall kann gegeben sein, wenn der neue Höchstpreis zwar deutlich niedriger ist als der ursprüngliche, aber trotzdem noch über dem ursprünglichen Mindestpreis liegt. Sofern der inländische Steuerpflichtige sich die Option einer Preisanpassung offenhalten möchte, hätten die Vertragsparteien derartige Fälle im Rahmen einer zivilrechtlichen Vereinbarung über eine Preisanpassungsklausel zu regeln. Ursachen erheblicher Abweichungen (alte Gesetzeslage). Erhebliche Abweichungen können ihre Ursache in einer anders verlaufenden Gewinnentwicklung gegenüber den im Verlagerungszeitpunkt zugrunde gelegten Planzahlen haben. Dabei greift die gesetzliche Regelung nicht nur die Abweichungen auf, die auf unplausible Planungen zurückzuführen sind, sondern auch solche, die ihre Ursache in veränderten Marktsituationen haben, welche unter fremden Dritten aller Voraussicht nach nicht zu einer Anpassungsvereinbarung geführt hätten. Eine erhebliche Abweichung kann sich auch ergeben, wenn bei der Bewertung ein auf einen bestimmten Zeitpunkt begrenzter Kapitalisierungszeitraum angenommen wurde, die tatsächliche Nutzungsdauer der Funktion und damit zusammenhängende Wirtschaftsgüter und Vorteile davon jedoch im Nachhinein erheblich abweichen.1

16.81

Vereinbarung vertraglicher Preisanpassungsklauseln. Im Hinblick auf die praktische Umsetzung bedeutet dies, dass zur Vermeidung der Anwendbarkeit der gesetzli-

16.82

1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 Rz. 113; a.A. Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl, Rz. 21.

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Kap. 16 Rz. 16.82 | Funktionsverlagerungen

chen Preisanpassungsklausel seitens des Steuerpflichtigen entweder die Vergütung für das Transferpaket so zu bemessen ist, dass diese wesentliche Änderungen preisbeeinflussender Parameter bereits entsprechend berücksichtigt (z.B. durch Vereinbarung einer gewinn- bzw. umsatzabhängigen Lizenz),1 oder es sollte eine Preisanpassungsklausel zwischen verlagerndem und übernehmendem Unternehmen vereinbart werden – aus Nachweisgründen idealerweise im Voraus in schriftlicher Form –, welche dem Fremdvergleich standhält. Dies nicht zuletzt, weil die in § 1a AStG verankerte Preisanpassungsmöglichkeit nur zu Lasten des Steuerpflichtigen wirkt. Bei der Festlegung der vertraglichen Preisanpassungsklausel ist es im Prinzip möglich, eine Anpassungsfrist zu wählen, die unter Umständen deutlich kürzer als die gesetzliche Anpassungsfrist von 7 Jahren ist. Die Begründung der Fremdüblichkeit der vom Steuerpflichtigen gewählten Frist sollte in der Verrechnungspreisdokumentation Niederschlag finden.

E. Fazit 16.83 Es ist festzuhalten, dass der deutsche Gesetzgeber mit den Regelungen zur Funktionsverlagerung eine deutliche Verschärfung der Rechtslage herbeigeführt hat, deren Anwendung die Unternehmen vor große praktische Herausforderungen stellt.2 Aufgrund zahlreicher Zweifelsfragen und grundsätzlicher Bedenken hinsichtlich der Funktionsverlagerungsregelungen sind grenzüberschreitende Verlagerungsvorgänge für Unternehmen in steuerlicher Hinsicht mit erhöhten Unsicherheiten behaftet, obgleich diese aus betriebswirtschaftlicher Sicht oftmals für die betroffenen Unternehmen unumgänglich sind. Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit die deutschen Regelungen zur Funktionsverlagerung einer eventuell zukünftigen gerichtlichen Überprüfung standhalten werden. Auch die Überarbeitung durch den neuen § 1 Abs. 3b AStG und die neu gefasste Funktionsverlagerungsverordnung konnte die Rechtsanwendung nicht wesentlich vereinfachen. Vielmehr kommen mit den Neuregelungen Verschärfungen einher. Genauso wie der Wegfall der Lizenzierungsmöglichkeit des bisherigen § 4 Abs. 2 FVerlV 2008 bedeutet das eine Schlechterstellung für den Steuerpflichtigen.

1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 (2010/0598886), BStBl. I 2010, 774 Rz. 136. 2 Vgl. auch Schreiber in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl, Rz. 6 Buchst. g.

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Kapitel 17 Absicherung von grenzüberschreitenden Umstrukturierungen/Gestaltungen A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Absicherung durch Abstimmung mit Finanzbehörden oder Beratern I. Verbindliche Auskunft 1. Allgemeines; Beispielsfall . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . 3. Gebührenpflicht . . . . . . . . . . . . 4. Bindungswirkung . . . . . . . . . . . 5. Weitere Problemfelder für die Praxis a) Geringe Angleichung an internationale Standards . b) Divergierende Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ablehnung durch Ermessensausübung . . . . . . . . . . 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . II. Lohnsteuerliche Anrufungsauskunft 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausgewählte Problemkreise a) Umfang der klärungsfähigen Fragen nach § 19a Abs. 5 EStG . . . . . . . . . . . .

17.1

17.7 17.8 17.9 17.13

17.20 17.24 17.25 17.27 17.28

b) Keine Gebühr . . . . . . . . . . 17.32 c) Antragstellung bereits vor Gewährung der Aktienoptionen . . . . . . . . . . . . . . . 17.33 d) Eigene Ermittlungen seitens der Finanzverwaltung 17.36 e) Formale Anforderungen . 17.37 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . 17.42 III. Unverbindliche Zusagen 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . 17.43 2. Ausgewählte Problemkreise a) „Schlichte“ Auskunft . . . . 17.44 b) Unverbindliche Auskunft 17.48 IV. Opinions, Strukturpapiere . . . . . 17.52 C. Vertragliche und sonstige Sicherungsinstrumente I. Freistellungsansprüche . . . . . . . . . 17.55 II. Sprechklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . 17.60 III. Versicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . 17.61 IV. Advance Pricing Agreements . . . 17.65 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . 17.68

17.30

Literatur: Bleschick, Besteuerungspause bei Vorteilen aus der Überlassung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen (§ 19a EStG), EStB 2022, 27; Blumenberg, Seminar L: Wegzug und Zuzug von Kapitalgesellschaften, IStR 2009, 549; Brandi/Schmidt, Der grenzüberschreitende Formwechsel nach dem RegE zum UmRUG, DB 2022, 1880; Bruns, Die verbindliche Auskunft aus Perspektive der Finanzverwaltung – Zügige Bearbeitung und aktuelle Gebührenfragen, DStR 2017, 2360; Blumenberg/Lechner, Der Regierungsentwurf des SEStEG: Entstrickung und Sitzverlegung bei Kapitalgesellschaften, Neuerungen beim Einlagekonto, Körperschaftsteuerminderung und -erhöhung sowie sonstige Änderungen im Körperschaftsteuerrecht, BB Special 08, 25 (zu BB 2006, Heft 44); Burger/Kälberer, Rechts- und Planungssicherheit im Zeichen einer neuen Weltsteuerordnung, IStR 2020, 411; Dannecker/Werder, Mehrfache Gebühren für eine verbindliche Auskunft?, BB 2011, 2268; Ditz/Bärsch/Engelen/Quilitzsch, Unternehmenssteuerrechtliche Änderungen im AStG – Ein erster Überblick über den Referentenentwurf des ATAD-Umsetzungsgesetzes v. 10.12.2019, DStR 2020, 73; Drinhausen/Keinath, Referententwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie, BB 2022, 1346; Eilers/Nosthoff-Horstmann, Verbindliche Auskunft – ein Werkstattbericht, FR 2017, 170; Fahsel/Bergan,

J. Frey/F.-M. Schwarz | 1179

Kap. 17 Rz. 17.1 | Absicherung von grenzüberschr. Umstrukturierungen/Gestaltungen Mitarbeiterbeteiligung reloaded der neue § 19a EStG, Darstellung und erste Einschätzung, FR 2021, 729; Findeisen/Heer, Die Begrenzung der Verkäuferhaftung durch den Einsatz synthetischer W&I-Versicherungen, BBM 2021, 12; Flüchter, Der neue § 89a AO zu Vorabverständigungsverfahren, ISR 2021, 338; Greil, Überblick zu aktuellen Entwicklungen im Bereich der Verrechnungspreise, IStR 2021, 960; Harz/Rösch/Neutzer/Thoß, Die Förderung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen durch das FoStoG, DB 2021, 1297; Möllmann/Zantopp, Reform der Besteuerung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen durch das „Fondsstandortgesetz“, DStR 2020, 2817; Mühlenstädt, Die verbindliche Auskunft zur steuerlichen Absicherung, DB 2021, 2926; Mühlenstädt/Reberg, Steuerliche Rechtsformwahl und -optimierung bei Start-up-Unternehmen, DB 2021, 2722; Nöcker, Allgemeine Auskunfts- und Beratungspflichten der Finanzbehörden, AO-StB 2010, 305; Plenker, Fondsstandortgesetz: Änderungen bei der Überlassung von Vermögensbeteiligungen und Sonderregelungen für Startup-Beteiligungen, BC 2021, 312; Rasch, Neue Verrechnungspreisregelungen in § 1 AStG und § 89a AO, IWB 2021, 441; Renz/ Leibold, Maßstäbe für ein effektives und ganzheitliches Compliance Management System unter Einbeziehung der Tax Compliance, BB 2022, 1943; Rödder/Schumacher, Das kommende SEStEG – Teil I: Die geplanten Änderungen des EStG, KStG und AStG Der Regierungsentwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften, DStR 2006, 1481; Schnorberger/Dust/Sakuth/Etzig, Globale Mindestbesteuerung – Vermeidung der Doppelbesteuerung und Rechtsschutz im Rahmen von Säule 2, BB 2022, 151; Seer, Verbindliche Auskunft, FR 2017, 161; Wagner/Oldenbusch, Die verbindliche Auskunft als Baustein der kooperativen Compliance – Ausgewählte internationale Ansätze und deren Implikationen für nationale Vorschriften, FR 2021, 1123; Weber, Die Zusage im Umsatzsteuerrecht, UR 2018, 752; Weitnauer, Mitarbeiterbeteiligung: „Echt“ oder virtuell?, GWR 2022, 39; Weyland, Garantieversprechen (Warranties) und „Erklärungen ins Blaue hinein“, NZG 2022, 103; Zapf, Die Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen nach § 19a EStG i.d.F. des Fondsstandortgesetzes, FR 2022, 437.

A. Einleitung 17.1 Grenzüberschreitende Umstrukturierungen werden zunehmend komplexer. Aufgrund der Internationalisierung des Gesellschaftsrechts bestehen deutlich mehr Möglichkeiten eines internationalen Zusammenschlusses als vor zwanzig Jahren. Hierdurch ergibt sich eine Vielzahl ungeklärter Fragen, auf die bestehende Regelungen keine Antwort geben. Es besteht daher in der Praxis Bedarf, die steuerlichen Risiken von Umstrukturierungen soweit wie möglich zu kontrollieren. 17.2 Sicherungsbedarf ergibt sich bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen und Gestaltungen häufig bereits aus der Höhe des möglichen Steuerschadens. Nicht selten sind Gesamtheiten von Wirtschaftsgütern betroffen, bei denen die steuerlichen Auswirkungen einer abweichenden Beurteilung seitens der Finanzbehörden einschneidende steuerliche Konsequenzen haben kann, etwa im Falle einer Aufdeckung von stillen Reserven oder der Verwirklichung eines grunderwerbsteuerlichen Erwerbsvorgangs. In diesen Fällen kommt es oftmals zu Einmalbelastungen ohne entsprechende künftige Steuervorteile. Zudem kann ein liquiditätsbelastendes sog. „Dry Income“ drohen, d.h. ein steuerpflichtiger Ertrag, dem keine Mittelzuflüsse gegenüberstehen.

1180 | J. Frey/F.-M. Schwarz

A. Einleitung | Rz. 17.3 Kap. 17

Außerdem ergibt sich Sicherungsbedarf auch im Hinblick auf Tax Compliance-Anforderungen insbesondere in multilateralen Unternehmen. Interne Kontrollsysteme erlangen auch in Deutschland zunehmende Bedeutung, zum einen auf Grundlage gesetzlicher Pflichten wie etwa die zum 1.7.2021 eingeführte Pflicht des Vorstands einer börsennotierten Gesellschaft, ein im Hinblick auf den Umfang der Geschäftstätigkeit und der Risikolage des Unternehmens angemessenes und wirksames internes Kontrollsystem und Risikomanagementsystem einzurichten (§ 91 Abs. 3 AktG).1 Ferner hat ein solches System auch Relevanz im Hinblick auf die Aufarbeitung etwaiger Steuerordnungswidrigkeiten oder -straftaten, da die Einrichtung eines innerbetrieblichen Kontrollsystem Vorsatz oder Leichtfertigkeit entkräften kann.2 Das IDW hat für Compliance Management Systeme sieben Grundelemente entwickelt3 und diese für Tax Compliance Management konkretisiert.4 Diese Grundelemente lauten wie folgt: (1) Compliance-Kultur: Grundeinstellungen und Verhaltensweisen des Managements sowie Rolle des Aufsichtsorgans ("tone at the top"); (2) Compliance-Ziele: Festlegung der Ziele, die mit dem Compliance Management System erreicht werden sollen, auf Grundlage einer Analyse und Gewichtung der für das Unternehmen bedeutsamen Regeln und Ziele (insbesondere Festlegung von einzuhaltenden Regeln); (3) Compliance-Risiken: Feststellung von Risiken, die Verstöße gegen einzuhaltende Regeln zur Folge haben können, sowie Analyse der Eintrittswahrscheinlichkeit; (4) Compliance-Programm: Einführung von Grundsätzen und Maßnahmen, die auf die Begrenzung der Compliance-Risiken ausgerichtet sind – einschließlich Maßnahmen bei Verstößen; (5) Compliance-Organisation: Regelung von Rollen und Verantwortlichkeiten sowie Aufbau- und Ablauforganisation; (6) Compliance-Kommunikation: Information von Mitarbeitern und ggf. Dritten über das Compliance-Programm und festgelegte Rollen sowie Verantwortlichkeiten – Festlegung, wie Compliance-Risiken und Hinweise auf mögliche und festgestellte Regelverstöße berichtet werden; und (7) Compliance-Überwachung und Verbesserung: Überwachung auf Grundlage ausreichender Dokumentation sowie Bericht von Schwachstellen/Regelverstößen an das Management bzw. zuständige Stellen – Durchsetzung, Beseitigung von Mängeln und Verbesserung des Systems durch Management. Bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen erfolgt die steuerliche Kontrolle meist über die Steuerabteilungen und externe Berater. In der Regel werden die mögli1 Siehe hierzu Renz/Leibold, BB 2022, 1943 (1943). 2 AEAO zu § 153 Rz. 2.6. Vgl. ab 2023 Art. 97 § 38 EGAO Alternat. Prüfungsmethoden. 3 IDW Prüfungsstandard: Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung von Compliance Management Systemen (IDW PS 980) vom 11.03.2011, Rn. 23. 4 IDW-Praxishinweis 1/2016 (Stand: 31.05.2017), S. 5 ff.; siehe hierzu auch Renz/Leibold, BB 2022, 1943 (1947). Speziell zu Compliance Aspekten im Rahmen der EU-Richtlinie zur Globalen Mindestbesteuerung vgl. Schnorberger/Dust/Sakuth/Etzig, BB 2022, 151.

J. Frey/F.-M. Schwarz | 1181

17.3

Kap. 17 Rz. 17.3 | Absicherung von grenzüberschr. Umstrukturierungen/Gestaltungen

chen steuerlichen Risiken in einem internen oder externen Papier zusammengefasst. Soweit erhebliche steuerliche Risiken bestehen, ist es Sache des Managements zu entscheiden, ob diese Risken in Kauf genommen werden. Hier hat der Vorstand bzw. die Geschäftsführung ein gerichtlicher Kontrolle grundsätzlich entzogenes Ermessen, die Maßnahme durchzuführen oder davon abzusehen. Dieses Ermessen besteht, wenn er bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln (sog. Business Judgment Rule).1 So hat der BGH kürzlich ausgeführt, dass zu diesem Handlungsspielraum auch gehöre, innerhalb bestimmter Grenzen bewusst geschäftliche Risiken einzugehen und die Gefahr in Kauf zu nehmen, bei der wirtschaftlichen Betätigung Fehbeurteilungen und Fehleinschätzungen zu unterliegen.2 Das Risiko der Aufdeckung stiller Reserven steht hierbei im Vordergrund. Im Detail geht es vor allem um die folgenden Fragen: (1) Vorliegen von Teilbetrieben i.S.d. § 15 Abs. 1 UmwStG bei Spaltungsvorgängen; (2) Vorliegen von Betrieben oder Teilbetrieben i.S.d. § 20 Abs. 1 UmwStG bei Einbringungsvorgängen; (3) Fragen der Entstrickung.

17.4 In Wegzugskonstellationen, d.h. in Fällen des Wegzugs des für eine Umstrukturierung vorgesehenen Unternehmens, ergeben sich häufig Unsicherheiten aus der Frage, ob ein solcher Wegzug zu einer sog. Exit-Besteuerung führt. Der Wegzug kann hier in Form einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung3 oder eines grenzüberschreitenden Formwechsels4 erfolgen. Denkbar wäre aber auch schlichtweg die Verlegung der

1 § 93 Abs. 1 S. 2 AktG (Vorstände), § 116 S. 1 iVm. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG (Aufsichtsräte) sowie Leitbildfunktion auch für das GmbH-Recht (Geschäftsführer; Paefgen in Habersack/ Casper/Löbbe, GmbH Großkommentar, 3. Aufl. 2020, § 43 Rn. 111; Schnornbus in Rowedder/Pentz, GmbH-Gesetz, 7. Auflage 2022, § 43 Rz. 16); zur Business Judgment Rule grundlegend BGH, Urt. v. 21.04.1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926 (1927 f.); zuletzt zudem BGH, Urt. v. 10.2.2022 – 3 StR 329/21, NZG 2022, 1293 ff.; zum Zusammenspiel von Tax Compliance Management Systemen und der Business Judgment Rule auch Schwahn/Cziupka in Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, 2. Aufl. 2018, § 7 Rz. 10; allgemein auch Spindler in Goette/Habersack/Kalss, Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, Bd. 2, 93 AktG Rz. 115. 2 BGH, Urt. v. 10.2.2022 – 3 StR 329/21, NZG 2022, 1293 (1294). 3 Siehe hierzu EuGH, Urt. v. 25.10.2017 – C-106/16 Rn. 35 – Polbud; OLG Frankfurt am Main, Beschluss v. 3.1.2017 – 20 W 88/15, ZIP 2017, 611 zum Fall einer Sitzverlegung einer deutschen GmbH nach Rom unter Annahme der neuen Rechtsform società a responsabilità limita; vgl. zudem OLG Nürnberg, Beschluss v. 19.6.2013 – 12 W 520/13, DNotZ 2014, 150 zum Fall einer Sitzverlegung einer luxemburgischen S.à r.l. nach Deutschland unter gleichzeitiger Annahme der Rechtsform einer deutschen GmbH.; vgl. zudem Art. 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VO (EG) 2157/2001 (SE-VO). 4 §§ 333 ff. UmwG i.d.F.d. G zur Umsetzung d. Umw-RL, BGBl. I 2023, Nr. 51, anzuwenden spätestens ab 1.3.2023; Brandi/Schmidt, DB 2022, 1880 ff.; vgl. zum Referentenentwurf Drinhausen/Keinath, BB 2022, 1346 (1353 ff.).

1182 | J. Frey/F.-M. Schwarz

A. Einleitung | Rz. 17.6 Kap. 17

Geschäftsleitung (§ 10 AO). Es steht hierbei etwa die Frage nach der Anwendbarkeit des § 11 KStG im Raum, verbunden mit der Frage, ob und in welchen Fällen in einem Wegzug eine Auflösung der betreffenden inländischen Kapitalgesellschaft zu sehen ist.1 Komplexitäten ergeben sich auch, wenn nach Wegzug im Inland eine Betriebsstätte bestehen bleibt2 oder wenn die Gesellschaft oder bei Personengesellschaften einzelne Mitunternehmer nach Wegzug im Inland ohne Betriebsstätte beschränkt körperschaftsteuerpflichtig bleiben (etwa nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG).3 Bei Immobiliengesellschaften stellt sich auch die Frage nach einer lediglich gewerbesteuerlichen Entstrickung.4 Auch sind grunderwerbsteuerliche Fragen mit Unsicherheiten behaftet, insbesondere die Frage, ob es sich bei dem Wegzug von Kapitalgesellschaften um einen identitätswahrenden Formwechsel handelt.5

17.5

Gerade die genannte Wegzugskonstellation zeigt die Komplexität derartiger Umstrukturierungen und den Bedarf nach Transaktionssicherheit. Im Folgenden wird zunächst auf Sicherungsinstrumente durch Abstimmung mit Finanzbehörden oder Beratern eingegangen (s. unten B.) sowie auf vertragliche Sicherungsinstrumente (s. unten C.), die für grenzüberschreitende Umstrukturierungen und damit zusammenhängende Fragen herangezogen werden können.

17.6

1 Siehe Münch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 11 Rz. 20 (Stand: 1.6.2020), wonach eine Sitzverlegung einer Kapitalgesellschaft in einen Drittstaat nur dann nicht zu einer Auflösung führt, wenn der aufnehmende Staat die Gründungstheorie anwendet; s. zu verschiedenen Umwandlungsvorgängen, bei denen die Anwendbarkeit des § 11 KStG in Betracht kommt, wenngleich in den meisten Fällen abgelehnt wird Stalbold in Gosch4, § 11 KStG Rz. 28. 2 Siehe hierzu etwa Kolbe in Herrmann/Heuer/Raupach, § 12 KStG Anm. 32; Blumenberg, IStR 2009, 549 f. 3 Siehe etwa Kolbe in Herrmann/Heuer/Raupach, § 12 Anm. 29 (Stand: 04.2021). 4 Siehe hierzu etwa Pfirrmann in Brandis/Heuermann, § 12 KStG Rz. 26 (Stand: Dezember 2021) mit Verweis auf BFH, Urt. v. 14.6.1988 – VIII R 387/83, BStBl. II 1989, 187; s. zudem Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 (1484); Blumenberg/Lechner, BB Special 08, 25 (29; zu BB 2006, Heft 44); Benecke/Staats in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 12 KStG Rz. 95 (Stand: 06/2017); Lampert in Gosch4, § 12 KStG Rz. 42; von Freeden in Rödder/Herlinghaus/Neumann, § 12 KStG Rz. 41. 5 Siehe hierzu Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 57 ff.; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 15, wonach Grunderwerbsteuer nur ausgelöst werden kann, wenn die Gesellschaft durch die Sitzverlegung ihre rechtliche Identität verliert; die Finanzverwaltung geht nicht ausdrücklich auf Wegzugskonstellationen ein, nimmt jedoch an, dass die formwechselnde Umwandlung einer inländischen Gesellschaft in eine Gesellschaft eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union oder umgekehrt mangels Rechtsträgerwechsels nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt (Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse betr. Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801, Tz. 5.2.5.3; Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse betr. Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821, Tz. 5.2.5.3).

J. Frey/F.-M. Schwarz | 1183

Kap. 17 Rz. 17.7 | Absicherung von grenzüberschr. Umstrukturierungen/Gestaltungen

B. Absicherung durch Abstimmung mit Finanzbehörden oder Beratern I. Verbindliche Auskunft 1. Allgemeines; Beispielsfall

17.7 Das in der Praxis am häufigsten bemühte Sicherungsinstrument im Hinblick auf Umstrukturierungen oder Gestaltungen ist die verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass eine wirksame verbindliche Auskunft für die Besteuerung des Antragstellers grundsätzlich bindend ist (s. unten 4., Rz. 17.13). Anhand eines Beispielsfalls werden die Voraussetzungen sowie verschiedene Problemkreise eines Antrags auf verbindliche Auskunft dargestellt (s. unten 2. bis 5., Rz. 17.8 ff.). Beispielsfall: An der grundbesitzenden A-GmbH mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung im Inland ist die XS.A. mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in Frankreich unmittelbar zu 100 % beteiligt. AGmbH ist Kommanditistin an der inländischen C-KG und D-KG mit einem Festkapitalanteil von jeweils 100 %. Beide C-KG und D-KG halten jeweils inländischen Grundbesitz. Die AGmbH beabsichtigt nunmehr, ihren Sitz und Ort der Geschäftsleitung nach Frankreich zu verlegen und die Rechtsform einer société à responsabilité limitée (SARL) anzunehmen. Außerdem sollen die C-KG und D-KG jeweils in eine société en commandite simple (SCS) umgewandelt werden. Es stellen sich hier insbesondere Fragen nach einer möglichen Exit-Besteuerung sowie grunderwerbsteuerliche Fragen.

2. Voraussetzungen

17.8 Die verbindliche Auskunft erfordert einen Antrag, der in der Regel durch den Steuerpflichtigen zu stellen ist.1 Zudem kann der Antrag nach § 1 Abs. 4 StAuskV auch durch einen Dritten gestellt werden, soll der Sachverhalt durch eine Person, Personenvereinigung oder Vermögensmasse verwirklicht werden, die im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht existiert. Dies kann z.B. im Falle einer Umwandlung zur Neugründung relevant sein.2 Anforderungen hinsichtlich Form und Inhalt des Antrags ergeben sich aus § 1 Abs. 1 Satz 2 StAuskV. Zentrale Bedeutung kommt in der Praxis der Darstellung des Sachverhaltes, der Darlegung des Rechtsproblems mit eingehender Begründung des eigenen Rechtsstandpunktes des Antragstellers sowie der Formulierung konkreter Rechtsfragen zu (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Nr. 4 und Nr. 5 StAuskV).

1 AEAO zu § 89, Tz. 3.2.2 S. 1; Hahlweg in Koenig4, § 89 AO Rz. 26; Volquardsen in Schwarz/Pahlke, § 89 AO Rz. 49; Rätke in Klein, § 89 AO Rz. 20; Söhn in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 194; Mühlenstädt, DB 2021, 2926 (2926). 2 Keuthen in S/H9, UmwG, UmwStG, Kap. F. Rz. 7; Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, Anh. 14 Rz. 80.

1184 | J. Frey/F.-M. Schwarz

B. Absicherung durch Abstimmung mit Finanzbeh./Beratern | Rz. 17.11 Kap. 17

3. Gebührenpflicht Der Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist gebührenpflichtig (§ 89 Abs. 3 Satz 1 AO).1 Dabei richtet sich die Höhe der Gebühr nach dem Gegenstandswert, § 89 Abs. 4 Satz 1 AO, der auf eine Obergrenze von € 30 Millionen gedeckelt ist, § 89 Abs. 5 Satz 2 AO i.V.m. § 39 Abs. 2 GKG. Auf diesen Streitwert wird § 34 GKG entsprechend mit einem Gebührensatz von 1,0 angewendet, so dass sich die Gebühr pro Antrag derzeit zwischen € 2662 und € 120.721 bewegt. Bei Rücknahme des Antrags kann die Gebühr im Rahmen des Ermessens der Finanzbehörde ermäßigt werden, § 89 Abs. 7 Satz 2 AO. Dabei hat die Finanzverwaltung verschiedene Fälle im AEAO geregelt (z.B. Ermäßigung auf Null, wenn die Finanzbehörde noch nicht mit der Bearbeitung des Antrags begonnen hat; angemessene Berücksichtigung des Bearbeitungsaufwands).3 Aus Sicht des BFH liegt auf Grundlage der genannten Regelung des AEAO jedoch keine Ermessensreduzierung der Finanzbehörde auf Null dahingehend vor, dass lediglich eine Zeitgebühr nach § 89 Abs. 6 Satz 1 AO festzusetzen sei.4 Vielmehr könne auch eine Wertgebühr festgesetzt werden.

17.9

Besondere Beachtung ist in der Praxis der Frage zu schenken, ob im Zusammenhang mit einem Sachverhalt mehrere Gebühren anfallen. Diese Problematik stellt sich mitunter, wenn mehrere Antragsteller einen Antrag auf verbindliche Auskunft zu demselben Sachverhalt stellen, etwa im Falle von Umwandlungsvorgängen, die parallel durch eine große Anzahl von Gesellschaften eines Konzerns umgesetzt werden sollen.

17.10

Hierfür ist zunächst zu klären, ob in diesen Fällen überhaupt mehrere Anträge vorliegen. Dies dürfte in der Praxis mit der Rechtsprechung des BFH,5 der Finanzverwaltung6 sowie Literaturstimmen7 zu bejahen sein. Der BFH erteilte damit im Ergebnis der bis dahin mitunter in der Literatur vertretenen Ansicht eine Absage, wonach in Anlehnung an das Gebührenrecht bei mehreren Antragstellern zu einem Sachverhalt nur ein Antrag vorliege.8 Nach dieser Auffassung sollten in Anlehnung an § 39 Abs. 1 GKG die Streitwerte zusammenzurechnen sein und die Summe insoweit die Bemessungsgrundlage der Gebühr bilden, begrenzt durch den maximalen Gegenstandswert von € 30 Mio.9 Zur Begründung wurde angeführt, dass es unbillig sei, im Rahmen einer verbindlichen Auskunft mehrere Gebühren festzusetzen, im Rahmen einer Verpflichtungsklage auf Erteilung dieser Auskunft nach Ablehnung derselben jedoch nur

17.11

1 Siehe hierzu AEAO zu § 89, Tz. 4.1.1. Satz 1; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 338; Rätke in Klein15, § 89 AO Rz. 53; Volquardsen in Schwarz/Pahlke, § 89 AO Rz. 58; Jörißen, AO-Stb 2007, 183 (184); Mühlenstädt, DB 2021, 2926 (2929). 2 Streitwert von € 10.000, s. GKG, Anlage 2. Für Gegenstandswerte unter € 10.000 wird keine Gebühr erhoben, § 89 Abs. 5 Satz 3 AO. 3 AEAO zu § 89 Rz. 4.5.2. 4 BFH, Urt. v. 4.5.2022 – I R 46/18. 5 BFH v. 9.3.2016 – I R 66/14, BStBl. II 2016, 706. 6 AEAO zu § 89 AO, Tz. 4.1.2 Abs. 1 Satz 2. 7 Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 348 f. 8 So vertreten von Dannecker/Werder, BB 2011, 2268 (2271). 9 Dannecker/Werder, BB 2011, 2268 (2271).

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Kap. 17 Rz. 17.11 | Absicherung von grenzüberschr. Umstrukturierungen/Gestaltungen

eine Gebühr.1 Auch wenn diese Argumente u.E. durchaus überzeugen, wird man in der Praxis angesichts der Rechtsprechung von mehreren Anträgen ausgehen müssen.

17.12 U.E. sollte jedoch für gleichgelagerte Sachverhalte mehrerer Antragsteller nur eine Gebühr festzusetzen sein. Dies gilt umso mehr, soweit für diese Sachverhalte jeweils die identische rechtliche Frage gestellt wird. In diesem Falle ist eine einheitliche Erteilung der verbindlichen Auskunft gegeben. Jedenfalls aber spricht die Kostenausgleichsfunktion der Gebühr dafür, dass eine mehrfahre Gebühr unbillig ist und das Ermessen der Behörde im Hinblick auf den Verzicht auf die Gebühr nach § 89 Abs. 7 Satz 1 AO auf Null reduziert. Im o.g. Beispielsfall wäre daher gegenüber der C-KG und der D-KG lediglich jeweils eine Gebühr festzusetzen, da sich die in diesem Zusammenhang stellenden Rechtsfragen (Aufdeckung von stillen Reserven, Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG) gleichen. 4. Bindungswirkung

17.13 Anträge auf verbindliche Auskunft sind im Vorfeld der Verwirklichung eines bestimmten, im Antrag genau geschilderten Sachverhalts zu stellen, § 89 Abs. 2 Satz 1 AO. Auf diesen erstreckt sich die Bindungswirkung der verbindlichen Auskunft gem. § 89 Abs. 2 Satz 1, Satz 5 AO i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 StAuskV. Dies gilt allerdings nur insoweit, als der später verwirklichte Sachverhalt von dem der Auskunft zugrunde gelegten Sachverhalt nicht oder nur unwesentlich abweicht.2 Außerdem gilt die Bindungswirkung dann nicht, wenn der Antrag abgelehnt wird.3 17.14 Bei Reorganisationen stellt sich oft die Frage, ob die tatsächliche Durchführung derart von der in dem Antrag auf verbindliche Auskunft dargestellten Sachverhalt abweicht, dass hierdurch die Bindungswirkung entfällt. Abweichungen, die für die steuerliche Frage unbeachtlich sind, lassen die Bindungswirkung nicht entfallen.4 Im Rahmen von verbindlichen Auskünften geht es um Rechtsfragen und nicht um die Klärung eines ungewissen Sachverhalts.5 17.15 Einerseits sollte daher der zugrunde liegende Sachverhalt detailliert dargestellt werden, um auch die wirtschaftlichen Hintergründe der geplanten Reorganisation zu erklären. Andererseits birgt dies das Risiko, dass sich bei der tatsächlichen Durchführung Gestaltungen ändern, die lediglich als Hintergrundinformationen im Antrag dargestellt werden. Im Antrag sollten daher die Hintergrundinformation so weit wie 1 Dannecker/Werder, BB 2011, 2268 (2270). 2 AEAO zu § 89, Tz. 3.6.1. Abs. 1 S. 1; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 252; Rätke in Klein15, § 89 AO Rz. 40; Volquardsen in Schwarz/Pahlke, § 89 AO Rz. 58; Mühlenstädt, DB 2021, 2926 (2928). 3 AEAO zu § 89, Tz. 3.7.3 S. 3; BFH, Urt. v. 29.2.2012 – IX R 11/11, BStBl. II 2012, 651, wonach eine sog. Negativauskunft lediglich enthält, wie die Finanzbehörde eine ihr zur Prüfung gestellte hypothetische Gestaltung gegenwärtig beurteilt. 4 Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 255; dies nimmt auch Mühlenstädt, DB 2021, 2926 (2929) an. 5 Seer in T/K, § 89 AO Rz. 49; Seer, FR 2017, 161 (164); Rätke in Klein15, § 89 AO Rz. 15; Mühlenstädt, DB 2021, 2926 (2927).

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B. Absicherung durch Abstimmung mit Finanzbeh./Beratern | Rz. 17.18 Kap. 17

möglich offen dargestellt werden, um spätere Abweichungen in der Durchführung zu vermeiden. Die Darstellung von Hintergrundinformationen und der Motivlage ist zudem von höchster Relevanz, da verbindliche Auskünfte keine Bindungswirkung bei Gestaltungsmissbrauch haben.1 Auch die Finanzverwaltung geht hiervon aus, da verbindliche Auskünfte nicht erteilt werden sollen „in Angelegenheiten, bei denen die Erzielung eines Steuervorteils im Vordergrund steht (z.B. Prüfung von Steuersparmodellen, Feststellung der Grenzpunkte für das Handeln eines ordentlichen Geschäftsleiters)“.2 Bei umfassender Darstellung der Motivlage und einer positiven verbindlichen Auskunft erscheint die Verneinung einer Bindungswirkung aufgrund von Gestaltungsmissbrauch nur schwer vorstellbar. Vielmehr besteht das Risiko, dass die verbindliche Auskunft nicht erteilt wird.

17.16

Die Bindungswirkung kann zudem entfallen, wenn die Finanzbehörde die verbindliche Auskunft aufhebt oder diese entfällt. Eine Aufhebung durch die Finanzbehörde kann zum einen nach § 2 Abs. 4 StAuskV3 mit Wirkung für die Zukunft erfolgen, wenn die verbindliche Auskunft rechtswidrig war.4 Entscheidend ist hierbei die Sachund Rechtslage zum Zeitpunkt der Erteilung der verbindlichen Auskunft, wobei hier die Besonderheit gilt, dass die Finanzverwaltung auch bei späteren FG- oder BFH Urteilen oder einer später ergangenen Verwaltungsanweisung von einer zur Aufhebung nach § 2 Abs. 4 StAuskV rechtfertigenden Rechtswidrigkeit ausgeht.5 In diesen Fällen soll die Unrichtigkeit lediglich nachträglich erkannt worden sein.6 Diese Sichtweise erscheint problematisch, da die verbindliche Auskunft den Steuerpflichtigen gerade vor abweichender Auslegung der betreffenden Regelung seitens der Finanzverwaltung schützen soll. Jedenfalls geht auch die Finanzverwaltung davon aus, dass die Bindungswirkung bestehen bleibt, wenn der Sachverhalt im Zeitpunkt der Bekanntgabe bereits im Wesentlichen verwirklicht ist.7 Daher ist eine Korrektur nach § 2 Abs. 4 StAuskV in der Regel nur zwischen Erteilung und Sachverhaltsverwirklichung möglich.8

17.17

Zudem kommt ein Widerruf für die Zukunft nach § 131 AO in Betracht, z.B. wenn die Finanzverwaltung ihre Auffassung ändert,9 wobei hier im Rahmen der Ermes-

17.18

1 Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 240, wonach die Finanzbehörde ohne Frage Auskünfte über missbräuchliche Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO) ermessensfehlerfrei ablehnen könne; Haselmann in Wagner1, Kap. L Rz. 157; vgl. Seer in T/K, § 89 AO Rz. 43; vgl. Mühlenstädt, DB 2021, 2926 (2930). 2 AEAO zu § 89, Tz. 3.5.4.; so auch Seer in T/K, § 89 AO Rz. 42; Volquardsen in Schwarz/ Pahlke, § 89 AO Rz. 55. 3 Zur Diskussion zur etwaigen Nichtigkeit dieser Vorschrift Seer in T/K, § 89 AO Rz. 58. 4 Siehe hierzu AEAO zu § 89, Tz. 3.6.6.; Hahlweg in Koenig4, § 89 AO Rz. 29. 5 AEAO zu § 89, Tz. 3.6.6 UA 3. 6 AEAO zu § 89, Tz. 3.6.6 UA 3 S. 3. 7 AEAO zu § 89, Tz. 3.6.6 UA 5 S. 2. 8 Seer in T/K, § 89 AO Rz. 58. 9 AEAO zu § 89, Tz. 3.6.5.; Rätke in Klein15, § 89 AO Rz. 47; Söhn in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 89 AO Rz. 289 f.

J. Frey/F.-M. Schwarz | 1187

Kap. 17 Rz. 17.18 | Absicherung von grenzüberschr. Umstrukturierungen/Gestaltungen

sensentscheidung ebenfalls Vertrauensschutzgesichtspunkte zu berücksichtigen sind.1 Für die Vergangenheit kann die verbindliche Auskunft nach § 130 AO unter engen Voraussetzungen zurückgenommen werden, z.B. wenn die verbindliche Auskunft durch Täuschung erwirkt wurde und rechtswidrig war.2 Ferner ist eine Berichtigung offensichtlicher Fehler nach § 129 AO möglich.3

17.19 Schließlich entfällt die verbindliche Auskunft nach § 2 Abs. 3 StAuskV, wenn sich die zugrunde liegenden gesetzlichen Vorschriften geändert haben oder aufgehoben werden.4 Aus diesem Grunde war es im Vorfeld der Grunderwerbsteuerreform in 20215 mitunter in der Praxis schwierig möglich, durch verbindliche Auskünfte Transaktionssicherheit zu erhalten (s. auch unten 5.c), Rz. 17.25). 5. Weitere Problemfelder für die Praxis a) Geringe Angleichung an internationale Standards

17.20 Vergleicht man verbindliche Auskünfte nach § 89 Abs. 2 AO mit Tax Ruling Systemen anderer Staaten, so erscheint die Ausgestaltung in Deutschland vergleichsweise starr, nicht grenzüberschreitend und wenig kooperativ. 17.21 Dies ergibt sich zum einen daraus, dass die Bindungswirkung verbindlicher Auskünfte auf nationale Fragen begrenzt ist und gerade bei internationalen und grenzüberschreitenden Sachverhalten Rechtssicherheit lediglich aus zusammenwirkenden Einschätzungen verschiedener Steuerbehörden ergibt.6 Internationale Streitbeilegungsverfahren wie das DBA-Verständigungsverfahren (Art. 25 Abs. 1, 2 OECD-MA), DBA-Schiedsverfahren (Art. 25 Abs. 5 OECD-MA) sowie Streitbeilegungsmechanismen auf Grundlage der EU-Schiedskonvention oder der EU-Streitbeilegungsrichtlinie existieren zwar und versuchen, diese Lücke zu schließen. Sicherheit im Vorfeld einer Transaktion können diese Mechanismen allerdings nicht bieten.7 17.22 Außerdem ist ein kooperativer Austausch mit den Steuerbehörden im Vorfeld, wie es z.B. im Rahmen des sog. Horizontal Monitoring in Österreich erfolgt,8 gesetzlich nicht vorgesehen. Gleiches gilt für kooperative Modelle in Frankreich oder Kanada einschließlich der anonymisierten Veröffentlichung verbindlicher Auskünfte.9 Die Kontaktaufnahme mit den Finanzbehörden vorab, damit der Antragsteller zeitnah erfährt, wer zuständig ist und ob bestimmte Besonderheiten vorliegen,10 ist nicht hin-

1 Rätke in Klein15, § 89 AO Rz. 46 f. 2 AEAO zu § 89, Tz. 3.6.5. UA 2; Seer in T/K, § 89 AO Rz. 57; Söhn in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 89 AO Rz. 283. 3 AEAO zu § 89, Tz. 3.6.5.; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 282. 4 Rätke in Klein15, § 89 AO Rz. 44. 5 Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.5.2021 (BGBl. I 2021, 986). 6 So auch Wagner/Oldenbusch, FR 2021, 1123 (1125). 7 Siehe hierzu Burger/Kälberer, IStR 2020, 411 (413). 8 Siehe hierzu Macho in Vögele/Borstell/Bernhardt5, Verrechnungspreise, Rz. 766 ff. 9 Hierzu Wagner/Oldenbusch, FR 2021, 1123 (1126 f.). 10 So Bruns, DStR 2017, 2360 (2361).

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B. Absicherung durch Abstimmung mit Finanzbeh./Beratern | Rz. 17.25 Kap. 17

reichend, um internationalen Standards in puncto Kooperation zwischen Steuerpflichtigen und Finanzbehörden gerecht zu werden. Der Mangel an „Internationalisierung“ verbindlicher Auskünfte zeigt sich auch daran, dass trotz Harmonisierung der Umsatzsteuer im EU-Binnenmarkt kein unionsrechtlich bestimmter Mechanismus für verbindliche Auskünfte existiert und derartige Bestrebungen auf EU-Ebene über Pilotprojekte bisher nicht hinausgingen.1

17.23

b) Divergierende Zuständigkeiten Eine weitere Problematik folgt daraus, dass im Rahmen einer Umstrukturierung eine umfassende Absicherung oftmals nur durch Einholung verschiedener verbindlicher Auskünfte bei verschiedenen Finanzämtern möglich ist. Dies folgt aus § 89 Abs. 2 Satz 2 AO, wonach für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft die Finanzbehörde zuständig ist, die bei Verwirklichung des dem Antrag zugrunde liegenden Sachverhalts örtlich zuständig sein würde.2 Ist im Beispielsfall die A-GmbH in einem Finanzamtsbezirk eines Bundeslandes steuerlich ansässig, in dem beispielsweise die Zuständigkeit für Grunderwerbsteuer gebündelt wurde (z.B. Hessen, Baden-Württemberg oder Hamburg), so kann dies dazu führen, dass das für Ertragsteuern zuständige von dem für Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt abweicht. U.a. in diesem Falle werden mehrere Anträge auf verbindliche Auskunft erforderlich. Neben des mehrfachen Anfalls von Gebühren birgt dies zudem das erhebliche Risiko, dass Finanzbehörden identische steuerliche Fragen unterschiedlich behandeln. Die in § 1 Abs. 3 StAuskV geregelten Fälle betreffen eng begrenzte Fälle, die bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen eine Mehrfachzuständigkeit häufig nicht beseitigen können. In Einbringungs- und Anteilstauschfällen ist das Finanzamt des übernehmenden Rechtsträgers örtlich zuständig. Zudem wird in der Literatur gefordert, Landes-Zentralzuständigkeiten zu schaffen, die auf Ebene spezieller Finanzämter, den Oberfinanzdirektionen oder Landesfinanzämtern angesiedelt werden könnten.3 Dies wäre zu begrüßen, da dies die praktischen Risiken minimieren würde, die beantragte Auskunft nur teilweise oder zeitverzögert zu erhalten.

17.24

c) Ablehnung durch Ermessensausübung Die Erteilung verbindlicher Auskünfte liegt in bestimmten Fällen im Ermessen der Finanzverwaltung. So lässt die Finanzverwaltung eine Ablehnung der Erteilung einer verbindlichen Auskunft im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens zu, wenn z.B. „zu dem Rechtsproblem eine gesetzliche Regelung, eine höchstrichterliche Entscheidung oder eine Verwaltungsanweisung in absehbarer Zeit zu erwarten ist“.4 Dies führte z.B. dazu, dass bereits ab dem Frühjahr 2019 bis zum Erlass der gleichlautenden Erlasse

1 2 3 4

Siehe hierzu Weber, UR 2018, 752 ff.; Monfort, UR 2020, 550 (557). S. Steuer-AuskunftsVO v. 30.11.2007 i.d.F. v. 19.12.2022, BGBl. I 2022, 2434. Seer, FR 2017, 161 (169). AEAO zu § 89, Tz. 3.5.4. S. 2.; Volquardsen in Schwarz/Pahlke, § 89 AO Rz. 56; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 238.

J. Frey/F.-M. Schwarz | 1189

17.25

Kap. 17 Rz. 17.25 | Absicherung von grenzüberschr. Umstrukturierungen/Gestaltungen

zu § 1 Abs. 2a GrEStG und § 1 Abs. 2b GrEStG am 10.5.20221 mit einer Ablehnung verbindlicher Auskünfte zu Fragen der Grunderwerbsteuer gerechnet werden musste. Ab dem Frühjahr 2019 war eine gesetzliche Neuregelung u.a. zu § 1 Abs. 2a, Abs. 3, Abs. 3a und § 6 GrEStG zu erwarten, die sodann nach längerem Gesetzgebungsverfahren mit Wirkung zum 1.7.2021 eingeführt wurden.2 Die genannten Erlasse ergingen rund ein Jahr nach Verkündung des geänderten Gesetzes. Diese Konstellationen traten auch im Rahmen des sog. Umwandlungssteuer-Erlasses vom 11.11.20113 auf.4

17.26 Es stellt sich die Frage, ob eine derartige Ermessensausübung rechtmäßig ist. Geht man davon aus, dass sich der Anspruch auf Erteilung auf verbindliche Auskunft aus der verfassungsrechtlich durch Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG geschützten Handlungsfreiheit auf vermögensrechtlichem Gebiet ergibt, die wiederum Planungsund Entscheidungssicherheit erfordere,5 erscheint eine Ablehnung aufgrund einer zu erwarteten und damit keinesfalls sicheren Änderung der Rechtsprechung oder einer Gesetzesinitiative ermessensfehlerhaft. In diesen Fällen hat der Steuerpflichtige sogar ein erhöhtes Bedürfnis an Planungs- und Entscheidungssicherheit. Eine Ermessensentscheidung dahingehend, den Antrag aufgrund einer unsicheren oder sich ändernden Rechtslage erscheint daher jedenfalls nicht angemessen. In diesen Fällen sollte das Interesse des Steuerpflichtigen an Planungs- und Entscheidungssicherheit Vorrang haben gegenüber dem fiskalischen Interesse der Übereinstimmung mit der Rechtsprechung. Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Finanzverwaltung zu einer Versagung gezwungen sein solle. Denn auch nach Sicht der Finanzverwaltung kann nach § 2 Abs. 4 StAuskV in verschiedenen Konstellationen einer Rechtsprechungsänderung eine Aufhebung der verbindlichen Auskunft erreicht werden (z.B. wenn eine Rechtsprechungsänderung in einer Verwaltungsanweisung umgesetzt wird).6 Zudem entfällt die Bindungswirkung bei Aufhebung oder Änderung der zugrunde liegenden gesetzlichen Vorschriften, § 2 Abs. 3 StAuskV. Folglich gebieten verfassungsrechtliche Grundsätze, dass auch in den genannten Konstellationen eine verbindliche Auskunft zu erteilen ist. 6. Zusammenfassung

17.27 Trotz der dargestellten Problemfelder bleibt die verbindliche Auskunft das zentrale Mittel zur Absicherung internationaler Umstrukturierungen und Gestaltungen. 1 Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse betr. Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG ab dem 1.7.2021 v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801) Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse betr. Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG ab dem 1.7.2021 v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821. 2 Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2021, 986); s. hierzu ausführlich Drüen, Ubg 2018, 605 ff.; Drüen, Ubg 2018, 673 ff.; Drüen, Ubg 2019, 65 ff.; Brinkmann, GmbH-Stb 2019, 285 ff. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314. 4 Eilers/Nosthoff-Horstmann, FR 2017, 170 (171). 5 Seer in T/K, § 89 AO Rz. 23; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 179. 6 Allgemein zu Aufhebungen nach § 2 Abs. 3 StAuskV bei der Abweichung von einer später ergangenen Verwaltungsanweisung Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 289.

1190 | J. Frey/F.-M. Schwarz

B. Absicherung durch Abstimmung mit Finanzbeh./Beratern | Rz. 17.29 Kap. 17

Dies ist insbesondere durch die Bindungswirkung der verbindlichen Auskunft bedingt. Dennoch ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine solche verbindliche Auskunft praktikabel und möglich ist oder ob effizientere Alternativen der Absicherung bestehen. II. Lohnsteuerliche Anrufungsauskunft 1. Allgemeines Im Rahmen grenzüberschreitender Umstrukturierungen wird die steuerliche Behandlung der Übertragung von Mitarbeiterbeteiligungsprogramme zunehmend praxisrelevant. Insbesondere bei grenzüberscheitenden Zusammenschlüssen von Unternehmen bedarf es der Zusammenführung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen, oftmals verbunden mit der Implementierung eines neuen einheitlichen Programms für alle Mitarbeiter des (zusammengeschlossenen) Unternehmens. Hierbei stellt sich regelmäßig die Frage eines lohnsteuerpflichtigen Zuflusses, ohne dass hierbei eine Auszahlung von Lohn erfolgt (sog. „dry income“).

17.28

Eine Absicherung lohnsteuerrechtlicher Fragen lässt sich u.a. über die Anrufungsauskunft i.S.d. § 42e EStG erreichen. Danach hat das Betriebsstättenfinanzamt auf Anfrage eines Beteiligten darüber Auskunft zu geben, ob und inwieweit im einzelnen Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind, § 42e Satz 1 EStG. Als Sondervorschrift für den Bereich der Lohnsteuer bindet eine erteilte Anrufungsauskunft das Betriebsstättenfinanzamt in Bezug auf das Lohnsteuerabzugsverfahren,1 nicht jedoch auf das Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers.2. Insoweit können insbesondere Haftungsrisiken nach § 42d Abs. 1, Abs. 2 EStG minimiert werden.3 Im Kontext der o.g. Mitarbeiterbeteiligungen hat die Anrufungsauskunft nicht zuletzt durch die Einführung einer besonderen Form nach § 19a Abs. 5 EStG an Aktualität gewonnen.4

17.29

1 BMF v. 12.12.2017 – IV C 5 - S 2388/14/10001, BStBl. I 2017, 1656, Rz. 15; Heuermann in Brandis/Heuermann, § 42e EStG Rz. 30 ff.; Hummel in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 42e EStG Rz. B 15; Krüger in Schmidt41, § 42e EStG Rz. 9; Eisgruber in Kirchhof/Seer21, § 42e EStG Rz. 7; Bleschick in Herrmann/Heuer/Raupach, § 42e EStG Anm. 24. 2 BMF v. 12.12.2017 – IV C 5 - S 2388/14/10001, BStBl. I 2017, 1656, Rz. 20; BFH, Urt. v. 13.1.2011 – VI R 61/09, BStBl. II 2011, 479; Eisgruber in Kirchhof/Seer21, § 42e EStG Rz. 6; Hummel in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 42e EStG Rz. B 17; Küch in Lippross/Seibel, § 42e EStG Rz. 18. 3 BFH, Urt. v. 20.3.2014 – VI R 43/13, BStBl. II 2014, 592; Heuermann in Brandis/Heuermann, § 42e EStG Rz. 35; Krüger in Schmidt,41, § 42e Rz. 9; Bleschick in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 42e EStG Anm. 24. 4 Eingeführt durch das Gesetz zur Stärkung des Fondsstandorts Deutschland und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1160 zur Änderung der Richtlinien 2009/65/EG und 2011/61/EU im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Vertrieb von Organismen für gemeinsame Anlagen (Fondsstandortgesetz – FoStoG) v. 3.6.2021, BGBl. I 2021, 1498; BStBl. I 2021, 803; s. zur Neuregelung allgemein Zapf, FR 2022, 437 ff.; Plenker, BC 2021, 312 ff.; Mühlenstädt/Reberg, DB 2021, 2722 (2726); Weitnauer, GWR 2022, 39 (40 ff.).

J. Frey/F.-M. Schwarz | 1191

Kap. 17 Rz. 17.29 | Absicherung von grenzüberschr. Umstrukturierungen/Gestaltungen Beispielsfall: Eine in Luxemburg ansässige Kapitalgesellschaft (X-SA) erwägt eine Sitzverlegung nach Deutschland. Nach Abschluss dieser Sitzverlegung ist die Ausgabe eines sog. Stock Ownership Plans beabsichtigt. Dazu sollen sämtlichen Mitarbeitern Aktienoptionen an der künftigen XAG gewährt werden, die der vorläufigen Nichtbesteuerung nach § 19a Abs. 1 EStG unterliegen sollen. Vor Sitzverlegung und Unterzeichnung des Equity Stock Ownership Plans (ESOP) beabsichtigt die X-SA die Klärung im Wege einer Anrufungsauskunft, ob die Voraussetzungen des § 19a Abs. 1 EStG vorliegen.

2. Ausgewählte Problemkreise a) Umfang der klärungsfähigen Fragen nach § 19a Abs. 5 EStG

17.30 Mit Hilfe einer Anrufungsauskunft lassen sich verschiedene Fragen im Zusammenhang mit Mitarbeiterbeteiligungen klären. § 19a Abs. 5 EStG stellt klar, dass das Betriebsstättenfinanzamt nach der Übertragung einer Vermögensbeteiligung im Rahmen einer Anrufungsauskunft (§ 42e) den vom Arbeitgeber nicht besteuerten Vorteil zu bestätigen hat. 17.31 Die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass die lohnsteuerliche Behandlung im Zeitpunkt der Übertragung der Vermögensbeteiligung geklärt werden kann.1 Dies betrifft u.E. die Frage, ob Lohnsteuer bei Gewährung (grant), Unverfallbarkeit (vesting) oder erst bei Übertragung (settlement) anfällt. Auch kann geklärt werden, ob dem Grunde nach ein geldwerter Vorteil vorliegt, der vorläufig nicht, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt zu versteuern ist.2 Ferner sind Fragen des Wertansatzes erfasst,3 nicht jedoch Auskunftserteilungen zu verschiedenen möglichen Wertansätzen.4 Die im Beispielsfall gestellte Frage könnte folglich beantwortet werden. b) Keine Gebühr

17.32 Für den Antrag nach § 19a Abs. 5 EStG wie für die Anrufungsauskunft an sich nach § 42e Satz 1 EStG ist keine Gebühr fällig.5 c) Antragstellung bereits vor Gewährung der Aktienoptionen

17.33 Problematisch erscheint die Frage, ob eine Anrufungsauskunft hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 19a EStG auch bereits im Vorfeld der Gewährung von Aktienoptionen begehrt werden kann.

1 BT-Drucks. 19/28868, 128. 2 Eisgruber in Kirchhof/Seer21, § 19a EStG Rz. 15. 3 BT-Drucks. 19/28868, 128; Zapf, FR 2022, 437 (448); Zantopp in Herrmann/Heuer/Raupach, § 19a EStG Anm. 45; Krüger in Schmidt41, § 19a EStG Rz. 19 („Vorteilsbewertung“). 4 Eisgruber in Kirchhof/Seer21, § 19a EStG Rz. 15. 5 Vgl. R 42e Abs. 1 Satz 1 LStR; s. Baldauf in Brandis/Heuermann, § 19a EStG, Rz. 191; Bleschik, EStB 2022, 27 (32); Harz/Rösch/Neutzner/Thoß, DB 2021, 1297 (1299); Zantopp in Herrmann/Heuer/Raupach, § 19a EStG, Anm. 45; Zapf, FR 2022, 437 (448).

1192 | J. Frey/F.-M. Schwarz

B. Absicherung durch Abstimmung mit Finanzbeh./Beratern | Rz. 17.35 Kap. 17

Der Wortlaut des § 19a Abs. 5 EStG erscheint hier zunächst vordergründig klar, da er „nach der Übertragung“ die dort eingeräumte Möglichkeit zur Anrufungsauskunft gewährt. In der Literatur wird daher teilweise vertreten, dass ein Antrag auf Anrufungsauskunft zu Fragen des § 19a Abs. 5 EStG erst nach Übertragung der Anteile möglich ist.1

17.34

Dies entspräche indes weder der Systematik noch dem Sinn und Zweck der Regelung. Vielmehr sollte eine Anrufungsauskunft auch im Vorfeld der Verwirklichung eines Sachverhaltes gestellt werden können. In der Literatur wird u.E. zurecht darauf hingewiesen, dass § 19a Abs. 5 EStG lediglich die Bestätigung „des vom Arbeitgeber nicht besteuerten Vorteils“ regelt und dass es daneben dem Arbeitgeber jederzeit freisteht, vor Verwirklichung eines Sachverhalts eine Anrufungsauskunft nach § 42e EStG zu beantragen.2 Von dieser parallelen Anwendbarkeit des § 42e EStG neben § 19a Abs. 5 EStG geht auch die Finanzverwaltung aus.3 Auch der Gesetzesentwurf der Bundesregierung ging von einer parallelen Anwendbarkeit von § 19a Abs. 5 EStG und § 42e Satz 1 EStG aus.4 In der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses wurde dieser Hinweis jedoch gestrichen und ausgeführt, dass Wertansätze einer geplanten Übertragung nicht in den Anwendungsbereich fallen.5 Vom Sinn und Zweck der Norm her muss u.E. jedoch eine Anwendbarkeit des § 42e EStG vor Verwirklichung möglich bleiben. Der Gesetzgeber beabsichtigte mit der Einführung des § 19a Abs. 5 EStG nicht, den Anwendungsbereich der Lohnsteueranrufungsauskunft einzuschränken. Vielmehr sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer Rechtssicherheit hinsichtlich der lohnsteuerlichen Behandlung erhalten.6 Folglich sollten über § 42e EStG auch die im Beispielsfall gestellten Fragen in einer Anrufungsauskunft geklärt werden können.

17.35

1 Baldauf in Brandis/Heuermann, § 19a EStG Rz. 191; Eisgruber in Kirchhof/Seer21, § 19a EStG Rz. 15; Harz/Rösch/Neutzner/Thoß, DB 2021, 1297 (1298); Weitnauer, GWR 2022, 39 (41); Zapf, FR 2022, 437 (448). 2 Bergan/Fahsel in Littmann/Bitz/Pust, § 19a EStG Rz. 136; so auch Zantopp in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 19a EStG Rz. 45; Fahsel/Bergan, FR 2021, 729 (738); eine diesbezügliche Klarstellung forderten im Gesetzgebungsverfahren bereits Möllmann/Zantopp, DStR 2020, 2817 (2824). 3 BMF v. 16.11.2021– IV C 5 - S 2347/21/10001 :006 (2021/1192053), BStBl. I 2021, 2308, Rz. 55. 4 Im Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 19/27631, 110 heißt es wörtlich: „Möchte der Arbeitgeber Rechtssicherheit hinsichtlich der lohnsteuerlichen Behandlung im Zeitpunkt der Übertragung der Vermögensbeteiligungen haben, kann er eine Anrufungsauskunft einholen (§ 42e EStG). Dies betrifft auch die spätere Besteuerung nach § 19a Abs. 4 EStG.“ 5 Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drucks. 19/28868, 128, wonach die Anrufungsauskunft erst „zulässig [sei], wenn der Sachverhalt der Übertragung einer Vermögensbeteiligung auch tatsächlich verwirklicht“ ist. 6 Die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drucks. 19/28868, 127, lässt jedenfalls eine solche Absicht nicht erkennen.

J. Frey/F.-M. Schwarz | 1193

Kap. 17 Rz. 17.36 | Absicherung von grenzüberschr. Umstrukturierungen/Gestaltungen

d) Eigene Ermittlungen seitens der Finanzverwaltung

17.36 Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass ihre Aufgabe im Rahmen einer Anrufungsauskunft nach § 19a Abs. 5 EStG auf die Überprüfung einer Wertermittlung des Arbeitgebers begrenzt ist und dass eigene Wertermittlungen durch die Finanzverwaltung nicht durchzuführen sind.1 In der Literatur wird diese Ansicht teilweise geteilt,2 andererseits jedoch davon ausgegangen, dass das Betriebsstättenfinanzamt in Erfüllung seines allgemeinen Auftrags, die Besteuerungsgleichheit zu wahren (vgl. § 85 Satz 1 AO), auch eigene Ermittlungen durchführen dürfe.3 In der Praxis dürfte es alleine schon aufgrund des Informationsvorsprungs der betreffenden Gesellschaft und der meist bereits abgeschlossenen wirtschaftlichen Analyse der Auswirkungen des Incentive-Programms zweckmäßiger sein, wenn die entsprechenden Wertermittlungen seitens der Steuerpflichtigen vorgetragen und mit der Finanzverwaltung besprochen werden. e) Formale Anforderungen

17.37 Anträge auf Erteilung einer Anrufungsauskunft nach § 42 Satz 1 EStG sind durch den Arbeitgeber, Dritte i.S.d. § 38 Abs. 3a EStG (soweit dieser die Pflichten des Arbeitgebers erfüllt) oder den Arbeitnehmer4 grundsätzlich beim Betriebsstättenfinanzamt des Arbeitgebers oder Dritten i.S.d. §§ 42e Satz 1, 41 Abs. 2 EStG zu stellen.5 17.38 Auch wenn § 42e Satz 1 einer formlosen Antragstellung theoretisch durch § 42e Satz 1 EStG nicht im Wege steht,6 empfiehlt sich eine schriftliche Antragstellung bereits aus Beweisgründen.7 Zudem soll die Auskunft aus Sicht der Finanzverwaltung unter ausdrücklichem Hinweis auf § 42e EStG schriftlich erteilt werden, unabhängig von der Form des Antrags; dies gilt zwingend bei Ablehnung oder abweichender Erteilung der Auskunft.8 1 BMF, Schr. v. 16.11.2021 – IV C 5 - S 2347/21/10001 :006 (2021/1192053), BStBl. I 2021, 2308, Rz. 52. 2 Zapf, FR 2022, 437 (448) begründet dies damit, dass eine belastbare Bewertung eines Startup-Unternehmens im Rahmen einer (kostenfreien) Lohnsteueranrufungsauskunft nicht auf das Betriebsstättenfinanzamt abgewälzt werden sollte. 3 Bleschick, EStB 2022, 27 (33). 4 BMF v. 12.12.2017 – IV C 5 - S 2388/14/10001 (2017/0888392), BStBl. I 2017, 1656 Rz. 1.; Heuermann in Brandis/Heuermann, § 42e EStG Rz. 11; Eisgruber in Kirchhof/Seer21, § 42e Rz. 3. 5 BMF v. 12.12.2017 – IV C 5 - S 2388/14/10001 (2017/0888392), BStBl. I 2017, 1656 Rz. 2.; Hummel in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 42e EStG B 9; Schmieszek in Bordewin/Brandt/ Bode, § 42e EStG Rz. 13. 6 BMF v. 12.12.2017 – IV C 5 - S 2388/14/10001 (2017/0888392), BStBl. I 2017, 1656 Rz. 3.; Heuermann in Brandis/Heuermann, § 42e EStG Rz. 18; Hummel in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 42e EStG B 8; Krüger in Schmidt41, § 42e EStG Rz. 4, der jedoch davon ausgeht, dass die Finanzbehörde eine schriftliche Formulierung des Auskunftsbegehrens im Rahmen ihres Ermessens verlangen kann. 7 Heuermann in Brandis/Heuermann, § 42e EStG Rz. 18; Hummel in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 42e EStG B 8; Krüger in Schmidt41, § 42e EStG Rz. 4. 8 BMF v. 12.12.2017 – IV C 5 - S 2388/14/10001 (2017/0888392), BStBl. I 2017, 1656 Rz. 8.

1194 | J. Frey/F.-M. Schwarz

B. Absicherung durch Abstimmung mit Finanzbeh./Beratern | Rz. 17.42 Kap. 17

Bei Antragstellung ist der Sachverhalt genau und bestimmt darzulegen,1 ferner eine konkrete Rechtsfrage zu stellen.2 Dabei muss sich der Antrag nach der Rechtsprechung des BFH nicht auf einen bestimmten Arbeitnehmer oder ein bestimmtes Arbeitsverhältnis, sondern lediglich auf einen bestimmten Falltypus oder eine bestimmte Fallgruppe beziehen.3 Dies folgt aus dem Wortlaut des § 42e Satz 1 EStG („im einzelnen Fall“) und soll die Erteilung von Anrufungsauskünften zu theoretischen Fragen verhindern.4 Eine Darlegung der eigenen Rechtsauffassung ist – anders als bei der verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 2 Satz 5 AO i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 StAuskV – zwar keine Voraussetzung, allerdings empfehlenswert.5

17.39

Umstritten ist zudem die Frage, ob ein besonderes Auskunftsinteresse erforderlich ist. Während dies in der Literatur teilweise abgelehnt wird,6 wird dies teils gefordert und zugleich verneint, wenn eine verbindliche Zusage nach § 204 AO erteilt wurde oder wenn nach Ablauf des Kalenderjahres weder eine Änderung nach § 41c EStG noch ein Lohnsteuerjahresausgleich nach § 42b EStG möglich ist.7

17.40

Im Beispielsfall könnten daher die Frage nach dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 19a Abs. 1 EStG für das gesamte Optionsprogramm und nicht nur im Hinblick auf einen einzelnen Arbeitnehmer oder Fragen zum Zufluss der zu gewährenden Optionen gestellt werden.

17.41

3. Zusammenfassung Für lohnsteuerliche Fragen stellt die Anrufungsauskunft ein effizientes Mittel dar, um Rechts- und Transaktionssicherheit zu erhalten. Es handelt sich um ein in der Praxis vielfach genutztes Mittel, um das Haftungsrisiko des Arbeitgebers nach § 42d Abs. 1 EStG zu minimieren.

1 Heuermann in Brandis/Heuermann, § 42e EStG Rz. 13. 2 BMF v. 12.12.2017 – IV C 5 - S 2388/14/10001 (2017/0888392), BStBl. I 2017, 1656 Rz. 1.; Heuermann in Brandis/Heuermann, § 42e EStG Rz. 13; Hummel in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 42e EStG B 6. 3 BFH, Urt. v. 9.10.1992 – VI R 97/90, BStBl. II 1993, 166 Rz. 13; so auch Eisgruber in Kirchhof/Seer21, § 42e EStG Rz. 4; Bleschick in Herrmann/Heuer/Raupach, § 42e EStG Anm. 15. 4 Bleschick in Herrmann/Heuer/Raupach, § 42e EStG Rz. 15: „Diese Einschränkung soll ... nur verdeutlichen, dass der Anfrage ein konkreter Anlass zugrunde liegen muss und die Behörde nicht zur Erteilung aller denkbaren theoretischen Auskünfte ohne konkretes Rechtsschutzbedürfnis verpflichtet ist ... .“ 5 Bleschick in Herrmann/Heuer/Raupach, § 42e EStG Anm. 15; Schmieszek in Bordewin/ Brandt/Bode, § 42e EStG Rz. 15. 6 Heuermann in Brandis/Heuermann, § 42e EStG Rz. 17; Schmieszek in Bordewin/Brandt/ Bode, § 42e EStG Rz. 15. 7 Eisgruber in Kirchhof/Seer21, § 42e EStG Rz. 3 m.w.N.

J. Frey/F.-M. Schwarz | 1195

17.42

Kap. 17 Rz. 17.43 | Absicherung von grenzüberschr. Umstrukturierungen/Gestaltungen

III. Unverbindliche Zusagen 1. Allgemeines

17.43 Ein weitaus schwächeres Mittel zur Erreichung von Transaktionssicherheit sind unverbindliche Zusagen von Finanzbehörden. Da die Bindungswirkung eingeschränkt ist (s. unten), besteht auf diese Weise zumindest die Möglichkeit, die Finanzverwaltung frühzeitig einzubeziehen. Auf diese Weise lassen sich steuerliche Risiken unter Umständen bereits früh einschätzen. Dies kann einen Beitrag zur Kontrolle von steuerlichen Risiken darstellen. Gerade bei komplexen Sachverhalten kann auch eine frühzeitige Einbindung der Verwaltung Vorteile haben. Allerdings birgt eine solche frühzeitige Einbindung auch das Risiko von Missverständnissen, insbesondere wenn der Sachverhalt abweichend umgesetzt wird, wie dies aufgrund verschiedener Komplexitäten bei internationalen Umstrukturierungen nicht selten der Fall sein dürfte. Darüber hinaus besteht selbst bei einer positiven Reaktion der Finanzverwaltung das Risiko einer abweichenden Behandlung, z.B. im Rahmen einer Betriebsprüfung. Daher ist im Einzelfall zwischen den Vorteilen einer frühzeitigen Abstimmung und den Nachteilen durch begrenzte Flexibilität bei der Umsetzung eines Sachverhalts abzuwägen. Beispiel: Die X-Inc., eine in den USA ansässige Gesellschaft, beabsichtigt die Veräußerung zahlreicher unmittelbarer und mittelbarer Tochtergesellschaften an die ebenfalls in den USA steuerlich ansässige Y-Inc. Hierzu schließen die Parteien ein sog. Transaction Agreement. Dieser Vertrag beinhaltet eine Vielzahl von Verpflichtungen, die den Abschluss der Transaktion fördern (z.B. Durchführung von Carve-outs oder Umstrukturierungen, Einholung kartellrechtlicher Genehmigungen etc.). Außerdem sind die Parteien verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass nach Eintritt verschiedener aufschiebender Bedingungen Tochtergesellschaften der Parteien Share Purchase Agreements u.a. über Anteile an inländischen Kapitalgesellschaften mit inländischem Grundbesitz abschließen und erfüllen. Aufgrund der Komplexität ist es offen, ob die Transaktion vollzogen werden kann. Für die Y-Inc. stellt sich grunderwerbsteuerlich die Frage, zu welchem Zeitpunkt eine Anzeige nach §§ 19, 20 GrEStG abgegeben werden muss, um das Risiko des Eintritts der unerwünschten Rechtsfolgen des § 16 Abs. 5 GrEStG (Grunderwerbsteuer trotz Rückabwicklung) möglichst zu minimieren. Die Y-Inc. wendet sich daher an das zuständige Finanzamt und erkundigt sich per formlosen Schreiben, ob eine Pflicht nach §§ 19, 20 GrEStG im Zusammenhang mit der Unterzeichnung des Transaction Agreement besteht.

2. Ausgewählte Problemkreise a) „Schlichte“ Auskunft

17.44 Im Beispielsfall sollte eine Auskunftspflicht des zuständigen Finanzamts nach § 89 Abs. 1 Satz 2 AO bestehen. Danach erteilt die zuständige Finanzbehörde, soweit erforderlich, Auskunft über die den Beteiligten im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und die ihnen obliegenden Pflichten. Einigkeit besteht in der Literatur, dass sich die Auskunft gegenständlich ausschließlich auf verfahrensrechtliche Rechte und

1196 | J. Frey/F.-M. Schwarz

B. Absicherung durch Abstimmung mit Finanzbeh./Beratern | Rz. 17.47 Kap. 17

Pflichten bezieht.1 Auch die Finanzverwaltung2 und die Rechtsprechung3 gehen davon aus. Ausdrücklich genannt werden durch die Finanzverwaltung als Beispiele: Fristberechnung, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie Aussetzung der Vollziehung.4 Diese Aufzählung wird in der Literatur vereinzelt und u.E. zurecht ergänzt um die Fragen steuerlicher Erklärungspflichten, Rechtsbehelfe oder Beschränkung der Vollstreckung.5 An anderer Stelle wird darauf hingewiesen, dass im Falle einer Steuererklärung der Steuerpflichtige allein auf die Abgabe einer Steuererklärung hinzuweisen ist.6 Der Wortlaut des § 89 Abs. 1 Satz 2 AO beschränkt u.E. die Auskunftspflicht der Finanzbehörden nicht auf Fragen innerhalb eines bereits laufenden Verwaltungsverfahrens, sondern umfasst auch Fragen, ob und ggf. wann ein bestimmtes Verwaltungsverfahren durch Verfahrenshandlungen eines Steuerpflichtigen einzuleiten ist. Außerdem umfasst die Auskunftspflicht der Finanzverwaltung die konkrete Subsumtion des Sachverhalts des Steuerpflichtigen unter eine Regelung, was mitunter zur Klärung von materiell-rechtlichen Vorfragen führen kann.7 Dies steht im Einklang mit dem durch die Rechtsprechung formulierten Sinn und Zweck des § 89 Abs. 1 Satz 2 AO, wonach „verfahrensungewandte Rechtssuchende ... die gleiche Möglichkeit haben [sollen], ihr Recht durchzusetzen, wie im Verfahrensrecht Erfahrene.“8

17.45

Da § 89 Abs. 1 Satz 2 AO einen gegenständlich begrenzten Anspruch auf Auskunft begründet, bestünde im Beispielsfall u.E. ein Anspruch der Y-Inc. auf Auskunft nach § 89 Abs. 1 Satz 2 AO hinsichtlich ihrer Erklärungspflichten nach §§ 19, 20 GrEStG.

17.46

Einer Auskunft nach § 89 Abs. 1 Satz 2 AO kommt Bindungswirkung in begrenztem Umfang zu. Einerseits spricht sich das Schrifttum dafür aus, den Steuerpflichtigen nach Treu und Glauben so zu stellen, wie er stünde, wäre die Auskunft korrekt erteilt worden.9 An anderer Stelle wird davon ausgegangen, dass keine Bindungswirkung besteht.10 Die Sichtweise der Finanzverwaltung hierzu ist nicht ganz eindeutig, auch wenn viel dafür spricht, dass in bestimmten, eng begrenzten Fällen auch nach der Finanzverwaltung unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben in entsprechender Anwendung von § 133 BGB eine Bindungswirkung angenommen werden

17.47

1 Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 144; Rätke in Klein15, § 89 AO Rz. 10; Seer in T/K, § 89 AO Rz. 11; Volquardsen in Schwarz/Pahlke, § 89 Rz. 28; Hahlweg in Koenig4, § 89 Rz. 16. 2 AEAO zu § 89, Tz. 2 Satz 1. 3 BFH, Urt. v. 8.2.1994 – VII R 88/92, BStBl. II 1994, 552. 4 AEAO zu § 89, Tz. 2 Satz 1. 5 Volquardsen in Schwarz/Pahlke, 89 AO Rz. 28. 6 Nöcker, AO-StB 2010, 305 (306). 7 Vgl. Nöcker, AO-StB 2010, 305 (306) zum Fall einer Steuererklärungspflicht einer Privatperson. 8 BFH, Urt. v. 8.2.1994 – VII R 88/92, BStBl. II 1994, 552. 9 Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 161. 10 Rätke in Klein15, § 89 AO Rz. 10; Nöcker, AO-StB 2010, 305 (306).

J. Frey/F.-M. Schwarz | 1197

Kap. 17 Rz. 17.47 | Absicherung von grenzüberschr. Umstrukturierungen/Gestaltungen

kann.1 Welche Fälle eine solche Bindungswirkung begründen können, erscheint offen. Im Beispielsfall bliebe daher ein Risiko für die Y-Inc., dass die gewährte Auskunft keine Bindungswirkung entfaltet. In der Praxis wäre damit Anzeigen nach §§ 19, 20 GrEStG aus Vorsichtsgründen der Vorzug zu geben, um der nachteiligen, möglicherweise anwendbaren Rechtsfolge des § 16 Abs. 5 GrEStG zu begegnen. b) Unverbindliche Auskunft

17.48 Ferner sind die Steuerbehörden kraft Annexkompetenz dazu berechtigt, auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 89 Abs. 1 AO Auskünfte zu erteilen.2 Solche Auskünfte können individuell oder generell, beispielsweise in Form von Merkblättern ergehen.3 17.49 Erteilt die Finanzbehörde eine Auskunft über materielle Fragestellungen außerhalb des Anwendungsbereichs des § 89 AO, sind solche Auskünfte im Regelfall unverbindlich.4 Eine Bindungswirkung käme nur dann in Betracht, wenn die Finanzbehörde durch ihr Verhalten einen Vertrauenstatbestand durch ein bestimmtes Verhalten geschaffen hat, aufgrund dessen der Steuerpflichtige bei objektiver Beurteilung annehmen konnte, die Finanzbehörde werde an ihrer Position und an ihrem Verhalten konsequent und auf Dauer festhalten.5 17.50 Im Beispielsfall ist daher – sollte § 89 Abs. 1 Satz 2 AO von den Finanzbehörden abgelehnt werden – von einer unverbindlichen Auskunft auszugehen. Ob eine solche in der Praxis tatsächlich einen Mehrwert liefert, ist sorgfältig abzuwägen. 17.51 In grenzüberschreitenden Sachverhalten erscheint es jedoch nahezu ausgeschlossen, von der Finanzverwaltung eine Auskunft nach § 89 Abs. 1 AO zu erhalten. Das lokale Finanzamt könnte die zugrunde liegenden Rechtsfragen u.U. nicht selbst entscheiden, sondern müsste ggf. Experten des Bundeszentralamts für Steuern heranziehen. Bei bisher nicht geklärten Rechtsfragen – wie bei grenzüberschreitenden Sachverhalten nicht selten – müsste das das Bundeszentralamt für Steuern wiederum das Bundesfinanzministerium involvieren. Eine derartige Abstimmung würde vermutlich 1 AEAO zu § 89, Tz. 2 Satz 4, wonach durch Auslegung zu ermitteln sein soll, ob der Empfänger in entsprechender Anwendung des § 133 BGB nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben von einer Verbindlichkeit der ihm erteilten Auskunft ausgehen konnte, wenn im Rahmen einer schriftlichen Auskunft materieller Art außerhalb des § 89 Abs. 2 AO und der StAuskV der gebotene Hinweis unterlassen wird, dass die Auskunft unverbindlich ist. 2 AEAO zu § 89 Abs. 2 Satz 3; Seer in T/K, § 89 AO Rz. 13; Söhn in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 89 AO Rz. 152; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor §§ 204–207 AO Rz. 6. 3 Seer in T/K, § 89 AO Rz. 13. 4 AEAO zu § 89 Abs. 2 Satz 5; Seer in T/K, § 89 AO Rz. 16; Schallmoser in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Vor §§ 204–207 AO Rz. 3. 5 BFH, Urt. v. 30.3.2011 – XI R 30/09, BStBl. II 2011, 613; Seer in T/K, § 89 AO Rz. 17, wonach durch Auslegung zu ermitteln sein soll, ob die Auskunft verbindlich oder unverbindlich sein soll.

1198 | J. Frey/F.-M. Schwarz

B. Absicherung durch Abstimmung mit Finanzbeh./Beratern | Rz. 17.54 Kap. 17

zwischen 6–18 Monaten dauern, ohne jedoch eine hinreichende, belastbare Bindungswirkung zu erhalten. IV. Opinions, Strukturpapiere Eine Absicherung erfolgt häufig auch durch sog. Opinions oder Strukturpapiere. Hierbei bereitet der steuerliche Berater einer Gesellschaft in der Regel den relevanten Sachverhalt auf, und stellt sodann die möglichen Risiken sowie die eigene Rechtsauffassung sowie steuerliche Risiken dar.

17.52

Opinions werden häufig auch seitens der Wirtschaftsprüfern verlangt, soweit Fragen von etwaigen Steuerrückstellungen in Abschlüssen untersucht werden. Wirtschaftsprüfer verlangen dabei regelmäßig einen Standard von „more likely than not“, dass eine bestimmte Steuer nicht anfällt (sog. „MLTN-Standard“). Bei einer MLTN-Opinion liegt das Risiko, dass die Finanzbehörden den Fall anders beurteilen, bei unter 50 %. Weitere „Comfort Levels“ sind etwa „should“-Level oder etwa „qualified should“-Level. Die Wahl des geeigneten Comfort Levels hängt von den Erfordernissen des Adressaten ab und von der Frage, ob die Sach- und Rechtslage eine derartige Schlussfolgerung zulässt. Gesetzlich definiert sind diese nicht.

17.53

Bei derartigen Opinions ist u.a. entscheidend, dass der Sachverhalt richtig und umfassend dargestellt wird. Gleichzeitig sollten keine ungerechtfertigten Annahmen getroffen werden. Diese Problematik stellt sich vor allem bei Annahmen, die bereits eine Subsumtion voraussetzen wie etwa Fragen der steuerlichen Ansässigkeit von Gesellschaften oder etwa der Annahme, dass eine Gesellschaft keine deutsche Betriebsstätte hat.

17.54

Beispiel: Eine Opinion nimmt zum Nichtvorliegen einer Betriebsstätte i.S.d. § 12 Satz 1 AO in Deutschland Stellung. In diesem Fall sollte daher nicht einfach angenommen werden, dass keine feste Geschäftseinrichtung in Deutschland vorliegt. Eine derartige Annahme nimmt bereits Teile der Opinion vorweg, die eigentlich untersucht werden sollten. Die Opinion kann auch dazu dienen, diese den Finanzbehörden bei einer späteren Betriebsprüfung vorzulegen. Bei internationalen Konzernen birgt die Vorlage gegenüber anderen Behörden jedoch Risiken. So kann die Vorlage dazu führen, dass das sog. Attorney-Client Privilege1 verloren geht. In einem solchen Fall findet man in der Praxis mitunter zur Durchsetzung von Rechtspositionen auch sog. Tax Certificates durch Steuerberater/Wirtschaftsprüfer. Da Opinions letztlich nur Gutachten darstellen, die die steuerlichen Risiken nicht minimieren, sondern lediglich einen gewissen Level of Comfort schaffen können, sind Opinions ein eher schwächeres, aber in der Praxis doch beliebtes Mittel der Transaktionssicherheit.

1 Das „Attorney-Client Privilege“ schützt etwa in den USA die vertrauliche Kommunikation zwischen Mandanten und Anwalt (sog. Privilegierte Personen), sofern es sich um Rechtsberatung handelt. Die freiwillige oder unbeabsichtigte Vorlage gegenüber Dritten (z.B. steuerlichen Beratern oder Behörden) kann unter bestimmten Voraussetzungen zu einem sog. Waiver, einer schädlichen Aufgabe des „Attorney-Client Privilege“ führen. Vgl. hierzu allgemein Baus/Bartz in Momsen/Grützner, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht2, § 15 Rz. 3 ff.; 44 ff.

J. Frey/F.-M. Schwarz | 1199

Kap. 17 Rz. 17.54 | Absicherung von grenzüberschr. Umstrukturierungen/Gestaltungen Vergleichbar mit Opinions sind sog. Strukturpapiere. Diese Art der Darstellung hat sich in der Beratungspraxis zum absoluten Standard entwickelt. Es ist praktisch keine Transaktion denkbar, ohne dass die beabsichtigte Struktur und die zugehörigen Risiken auf diese Weise dargestellt und zwischen den verschiedenen beteiligten Akteuren sowie deren Beratern abgestimmt werden. Im Rahmen dieser Strukturpapiere werden die im Rahmen einer Transaktion durchzuführenden Schritte, soweit sie steuerlich relevant sind, beschrieben. Im Gegensatz zu Opinions sollten Strukturpapiere alle steuerlichen Fragestellungen der betreffenden Transaktion umfassen. Opinions umfassen hingegen regelmäßig nur spezielle steuerliche Themen (z.B Nutzbarkeit des körperschaftsteuerlichen und des gewerbesteuerlichen Verlustvortrags). Strukturpapiere werden regelmäßig auch von Darlehensgebern bei Finanzierungen von Transaktionen verlangt, um sich ein Bild der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Darlehenszinsen zu machen. Darüber hinaus ist für die Darlehensgeber entscheidend, dass keine Abzugsteuer auf die Zinszahlungen anfällt. Zudem werden häufig geplante Umstrukturierungen oder sonstige geplante Schritte untersucht, die potentiell Mittelabflüsse verursachen können und damit die Rückführung der Finanzierung gefährden könnten. Sowohl Opinions als auch Strukturpapiere spielen in der Praxis eine wichtige Rolle und kommen in unterschiedlichen Konstellationen zur Anwendung. In der Regel wird einem Strukturpapier der Vorzug gegeben, da dieses oftmals eine größere Anzahl rechtlicher oder steuerlicher Probleme abbilden kann und zudem ein flexibles Instrument ist, komplexen Entwicklungen grenzüberschreitender Transaktionen zu begegnen. Allerdings findet auch eine Opinion in o.g. Konstellationen durchaus ihren Anwendungsbereich.

C. Vertragliche und sonstige Sicherungsinstrumente I. Freistellungsansprüche

17.55 Neben den behördlichen Sicherungsinstrumenten besteht für Parteien grenzüberschreitender Umstrukturierungen oder Gestaltungen die Möglichkeit, durch Allokation von Risiken eigene Haftungsrisiken zu minimieren. 17.56 Freistellungsansprüche hinsichtlich Steuern sind das zentrale Element jeglicher vertraglicher Absicherung gegen steuerliche Risiken. Im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Umstrukturierungen oder Gestaltungen ergeben sich in der Regelungstechnik zunächst keine Unterschiede zu rein innerstaatlichen Freistellungsregelungen. Bei grenzüberschreitenden Reorganisationen im Vorfeld eines Zusammenschlusses oder einer Akquisition trägt in der Regel die Partei die steuerlichen Risiken, die die Reorganisation vornimmt. Die andere Partei verlangt in der Regel, so gestellt zu werden, als ob die Reorganisation plangemäß besteuert wird. Hier spielt insbesondere der Sphärengedanke eine entscheidende Rolle. Sofern die Reorganisation in der Sphäre einer Partei stattfindet, hat diese Partei auch die steuerlichen Risiken zu tragen. Eine Risikotragung der andere Partei scheidet in den meisten Fällen aus. Dies liegt u.a. daran, dass der anderen Partei der Einblick in die steuerliche Struktur der Partei fehlt, die die Reorganisation vornimmt. Ohne einen genauen Einblick lässt sich allerdings nur schwerlich ein steuerliches Risiko übernehmen. 17.57 Bei Unternehmenskäufen sollte beispielsweise der Erwerber gegen bestimmte steuerliche Risiken im Zusammenhang mit außerordentlichen Maßnahmen seitens des Verkäufers geschützt sein, die in den Zeitraum zwischen dem Locked Box Stichtag 1200 | J. Frey/F.-M. Schwarz

C. Vertragliche und sonstige Sicherungsinstrumente | Rz. 17.60 Kap. 17

und dem Vollzugstag fallen. Dies betrifft üblicherweise Steuern im Zusammenhang mit der Zahlung von Exit Boni, Transaktionskosten, verdeckte Gewinnausschüttungen etc. Diese im Rahmen von Unternehmenskäufen praxiserprobten Ansätze kommen mitunter auch bei Umwandlungsvorgängen zum Tragen. Zu nennen sind etwa Freistellungsansprüche im Rahmen eines Anteilstauschs nach § 21 UmwStG. Für natürliche Personen ist ein Anteilstausch nur steuerneutral möglich, wenn die aufnehmende Gesellschaft die eingebrachten Anteile nicht innerhalb von sieben Jahren veräußert oder ein sog. veräußerungsgleicher Vorgang vorliegt (§ 22 Abs. 2 S. 6 iVm. Abs. 1 Satz 6 Nr. 1-5 UmwStG). Andernfalls käme es für die einbringenden Gesellschafter zur nachträglichen Besteuerung des Anteilstausches, ohne dass die Gesellschafter einen entsprechenden Barmittelzufluss hätten (sog. "dry income"). Zum Schutz der einbringenden Gesellschafter verpflichtet sich die übernehmende Gesellschaft regelmäßig, steuerschädliche Maßnahmen zu unterlassen sowie die einbringenden Gesellschafter jährlich über den Status zu informieren, u.a. damit die einbringenden Gesellschafter ihren Erklärungspflichten nach § 22 Abs. 3 Satz 1 UmwStG nachkommen können. Bei einem Verstoß stellt die übernehmende Gesellschaft die einbringenden Gesellschafter frei. Dieser Freistellungsanspruch wird sich in der Regel durch Anrechnung der Steuervorteile der Gesellschafter reduzieren. Eine Besteuerung des Anteiltausches würde für die einbringenden Gesellschafter zu erhöhten Anschaffungskosten und damit zu einem geringeren späteren Veräußerungsgewinn führen. Zur Reduzierung der Komplexität bezüglich der Ermittlung des Steuerschadens wird oftmals eine Steuerfreistellung in Höhe eines pauschal berechneten Betrages vereinbart (zum Beispiel ein Prozentsatz des Wertes der eingebrachten Anteile).

17.58

Ferner ist an eine Verschmelzung einer deutschen Kapitalgesellschaft auf eine ausländische Kapitalgesellschaft mit dritten Anteilseignern beim übernehmenden Rechtsträger zu denken. Letztere Anteilseigner würden im genannten Fall üblicherweise auf eine Freistellung von Steuerrisiken im Zusammenhang mit der Verschmelzung bestehen. Zu beachten ist zudem, dass Steuerfreistellungen regelmäßig durch verschiedene Regelungen eingeschränkt oder reduziert werden. Hierzu gehören Regelungen, die eine doppelte Freistellung verhindern sollen. Allerdings existieren häufig auch absolute Grenzen (z.B. De-Minimis-Regelungen, Freibeträge und -grenzen sowie summenmäßige absolute Haftungsbeschränkungen). Nicht zuletzt aus diesem Grund sind vertragliche Absicherungen ein eingeschränkteres Mittel zur Absicherung von grenzüberschreitenden Umstrukturierungen und Gestaltungen.

17.59

II. Sprechklauseln Sprechklauseln werden üblicherweise vorgesehen, wenn Parteien gewisse Risiken identifizieren, deren Eintritt jedoch derart unwahrscheinlich sind, dass eine KostenNutzenanalyse für eine vertragliche „Ausklammerung“ dieser Themen spricht. Üblicherweise wird sich darauf geeinigt, dass bei Eintritt gewisser Voraussetzungen über bestimmte Themen gesprochen wird mit dem Ziel, u.U. unter Berücksichtigung bestimmter Maßgaben eine Einigung zu erzielen. Dabei wird vereinbart, das ursprüngJ. Frey/F.-M. Schwarz | 1201

17.60

Kap. 17 Rz. 17.60 | Absicherung von grenzüberschr. Umstrukturierungen/Gestaltungen

liche wirtschaftlich Gewollte zu berücksichtigen. Dies ähnelt einer Nachbildung der Regelungen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Je nach Detailgrad können derartige Klauseln keine oder eine Vielzahl von Regelungen enthalten. III. Versicherungen

17.61 Ein erheblich zunehmendes Sicherungsmittel stellen Versicherungen dar, wozu insbesondere Warranty & Indemnity (W&I)-Versicherungen gehören. 17.62 Unterscheiden kann man hierbei üblicherweise zwischen „klassischen“ und synthetischen Steuerfreistellungen. Bei ersteren wird üblicherweise eine Steuerfreistellungsklausel vereinbart, bei der die Haftung des Verkäufers auf € 1 beschränkt wird. In der Versicherungspolice wird sodann bestimmt, dass bei Bestehen eines Anspruchs unter dieser Freistellung dem Grunde nach der Versicherungsfall ausgelöst wird. Im Falle von synthetischen Steuerfreistellungen hingegen werden die vertragliche Vereinbarungen zwischen Veräußerer und Erwerber von Steuerfreistellungen freigehalten. Stattdessen wird eine solche Freistellungsregelung zwischen dem Versicherer und dem Erwerber separat vereinbart. Dies führt üblicherweise zu einer Erhöhung der Versicherungsprämie für den Käufer.1 17.63 Der Versicherungsschutz unter einer W&I-Versicherung steht der vertraglichen Freistellung gegenüber einem Veräußerer jedoch in einigen Punkten nach. So werden üblicherweise bestimmte Risiken nicht versichert. Hierzu gehören Zeiträume oder Gesellschaften, für die der Erwerber aus Sicht der Versicherung keine hinreichende Tax Due Diligence durchgeführt hat. Steuerliche Risiken im Zusammenhang mit Verrechnungspreisen oder verdeckten Gewinnausschüttungen werden in der Regel auch nicht versichert. Außerdem unterliegen die Ansprüche gegen den Versicherer Haftungsobergrenzen (Caps), Freigrenzen und Freibeträgen, die im Zusammenspiel mit der Höhe der Versicherungspolice eine Kosten-Nutzen-Abwägung seitens des Versicherten erfordern. 17.64 Ein Versicherungsschutz ist dennoch ein zunehmend populäres Mittel, um Transaktionssicherheit herzustellen. In extremen Fällen kann können auch Gesetzesänderungen versichert werden. Hierbei handelt es sich um Spezialversicherungen, die ein attraktives Mittel der Transaktionsabsicherung darstellen können. IV. Advance Pricing Agreements

17.65 Transaktionssicherheit kann grundsätzlich auch durch sog. Advance Pricing Agreements (APAs) erreicht werden (s. Kapitel 1, Rz. 1.80-1.82). Hierbei handelt es sich um eine Vereinbarung zwischen den Steuerbehörden zweier Staaten. Dabei werden bestimmte Merkmale in Bezug auf Verrechnungspreise im Voraus einvernehmlich zwischen den Steuerbehörden festgestellt. Hierzu gehört etwa die Bestimmung der Verrechnungspreismethode, bestimmter Vergleichswerte oder andere tatsächliche 1 Weyland, NZG 2022, 103 (105 Fn. 20); Findeisen/Heer, BBM 2021, 12 (14), die von Mehrkosten von im Mittel von 50–100 % der üblichen Kosten ausgehen.

1202 | J. Frey/F.-M. Schwarz

C. Vertragliche und sonstige Sicherungsinstrumente | Rz. 17.66 Kap. 17

Annahmen, die Verrechnungspreise beeinflussen können.1 Grenzüberschreitende Umstrukturierungen geben oftmals Anlass zur Änderung oder Anpassung der Verrechungspreise. Eine entsprechende Absicherung durch APAs kann sich insbesondere dann anbieten, wenn nach Vollzug einer solchen Umstrukturierung beispielsweise Lieferketten oder Finanzierungen geändert werden und damit neue Verrechnungspreisfragen auftreten. Eine Abstimmung dieser Fragen auf Grundlage eines APA schafft insoweit Sicherheit für die künftige steuerliche Behandlung und ermöglicht einen kooperativen, frühzeitigen Austausch der betroffenen Steuerpflichtigen mit den Finanzbehörden verschiedener Staaten. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen eines APA die betroffenen Unternehmen den Behörden sämtliche angefragten Informationen zur Verfügung stellen müssen. Dies kann einerseits zu Verzögerungen führen. Andererseits besteht das Risiko, dass die betroffenen Behörden diese Informationen an weitere in- oder ausländische Behörden kommunizieren, zum Beispiel im Rahmen eines spontanen Informationsaustausches nach § 8 Abs. 1 EUAHiG. Vor Einleitung eines APA sollte daher sorgfältig abgewogen werden, ob die Bereitschaft zur Herausgabe der entsprechenden Informationen besteht. Technisch handelt es sich bei einem Advance Pricing Agreement nicht um eine Vereinbarung zwischen dem Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung.2 Vielmehr liegt eine Vereinbarung der Steuerverwaltungen verschiedener Staaten vor. Bislang erfolgte dies auf Antrag entsprechend Art. 25 Abs. 1 OECD-MA im Wege eines Vorabverständigungsverfahrens (Mutual Assistance Procedure).3 Für Anträge, die nach dem 8. Juni 2021 eingehen, hat der Gesetzgeber nunmehr mit der Vorschrift des § 89a AO eine nationale Rechtsgrundlage geschaffen.4 Diese nationale Rechtsgrundlage ist ausweislich der Gesetzesbegründung nunmehr die alleinige Rechtsgrundlage aus deutscher Sicht.5 Dabei hatte der Gesetzgeber ein Vorabverständigungsverfahren im Sinn, das von Seiten Deutschlands unabhängig von DBARegelungen auf der Grundlage von § 89a AO geführt wird. Der andere Staat kann das Verfahren entweder auf Grundlage einer Art. 25 OECD-MA nachgebildeten DBA-Regelung oder auf einer entsprechenden nationalen Regelung führen.6 Außer1 OECD (2020), OECD Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations 2022, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/0e655865-en, Tz. 4.134. 2 BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06, BStBl. I 2006, 594, Ziff. 1.2, wonach Steuervereinbarungen zwischen einem Steuerpflichtigen und den deutschen Finanzbehörden nach deutschem Steuerrecht unzulässig sind. 3 BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06, BStBl. I 2006, 594, Ziff. 1.2, 2.3. 4 Siehe hierzu Flüchter, ISR 2021, 338 ff.; Greil, IStR 2021, 960 (961); Ditz/Bärsch/Engelen/ Quilitzsch, DStR 2020, 73 (80 f.); Rasch, IWB 2021, 441 (452 ff.). 5 Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer (Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz – AbzStEntModG), Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 17.3.2021 (BT-Drucks. 19/27632), S. 79. 6 Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer (Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz – AbzStEntModG), Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 17.3.2021 (BT-Drucks. 19/27632), S. 79 f.

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17.66

Kap. 17 Rz. 17.66 | Absicherung von grenzüberschr. Umstrukturierungen/Gestaltungen

dem sollte durch Einführung des § 89a AO das Vorabverständigungsverfahren ausdrücklich nicht auf Verrechnungspreisfragen begrenzt bleiben, sondern durch einen Gleichlauf mit der verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO auch für andere steuerliche Fragen, bei denen die Gefahr einer Doppelbesteuerung besteht, geöffnet werden.1

17.67 Die Einleitung eines Vorabverständigungsverfahrens bedarf eines Antrags nach § 89a Abs. 2 AO, der die in § 89a Abs. 2 Satz 1 AO enthaltenen Angaben, insbesondere eine umfassende und in sich abgeschlossene Darstellung des Sachverhalts einschließlich des erwünschten Geltungszeitraums der Vorabverständigungsvereinbarung (§ 89a Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AO), zu enthalten hat. Dabei ist zu beachten, dass sämtliche zur Durchführung des Verfahrens erforderlichen Angaben und Unterlagen beizufügen sind.2 Die Zuständigkeit liegt beim Bundeszentralamt für Steuern, § 89a Abs. 1 Satz 1 iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 FVG. Die Geltungsdauer soll grundsätzlich fünf Jahre nicht überschreiten, § 89a Abs. 1 Satz 1 AO, allerdings kommt unter bestimmten Voraussetzungen eine Verlängerung nach § 89a Abs. 6 AO auf Antrag in Betracht. Es wird zudem eine Gebühr iHv. EUR 30.000 erhoben, wenn Verrechnungspreisfragen betroffen sind, § 89a Abs. 7 Satz 1, 5 AO. Dabei ist die Bestandskraft der Gebührenfestsetzung sowie deren Begleichung erforderlich, damit das BZSt das Vorabverständigungsverfahren einleitet, § 89a Abs. 1 Satz 3 AO. In der Praxis besteht eine Vielzahl verschiedener Herausforderungen, die die Einleitung eines Vorabverständigungsverfahrens im Vorfeld der Verwirklichung von Sachverhalten oftmals schwierig gestalten. Zunächst ist die oben bereits angerissene umfassende Darstellung des Sachverhalts als erhebliches Hindernis. Das BMF verlangt umfassende Informationen wie eine Darstellung von Beteiligungsverhältnissen, der organisatorischen und operativen Konzernstruktur, der Tätigkeitsbereiche, Geschäftsbeziehungen, Funktionen, Risiken, Geschäftsstrategien, Markt- und Wettbewerbsverhältnisse, Wertschöpfungsketten und Benennung aller offenen Steuerfragen.3 Gerade im Kontext internationaler Umstrukturierungen sind diese Fragen regelmäßig nicht umfassend vorab zu beantworten. Eine Darstellung sowie Diskussion mit den am Vorabverständigungsverfahren beteiligten Behörde können eine Vielzahl Fragen aufwerfen und sog. Fishing expeditions seitens der beteiligten Behörden befeuern. Außerdem sprechen Verfahrensdauern von üblicherweise mehreren Jahren gegen eine Praktikabilität der Erlangung von Advance Pricing Agreements.4 Nach Abschluss dieses Verfahrens ist zudem ungewiss, ob sich die betreffenden Behörden einigen. Eine solche ist in den meisten Fällen nicht geschuldet.5 Einzelne deutsche

1 Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer (Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz – AbzStEntModG), Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 17.3.2021 (BT-Drucks. 19/27632), S. 79. 2 BMF v. 5.10.2006 – IV B 4-S 1341-38/06, BStBl. I S. 594 Tz. 3.5; Volquardsen in Schwarz/ Pahlke, § 89a AO Rz. Rn. 10. 3 BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06, BStBl. I 2006, 594 Tz. 3.5. 4 Eilers/Drüen in Wassermeyer, Art. 25 OECD-MA 2017 Rz. 14. 5 Eilers/Drüen in Wassermeyer, Art. 25 OECD-MA 2017 Rz. 13.

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D. Zusammenfassung | Rz. 17.69 Kap. 17

DBA sehen jedoch obligatorische Schiedsverfahren für den Fall vor, dass sich die Behörden nicht einigen (z.B. Art. 25 Abs. 5 und Abs. 6 DBA USA, Art. 25 Abs. 5 DBA Österreich).1 Vor der vorgenannten Ungewissheit, ob und ggf. wann es zu einer Einigung zwischen den betreffenden Behörden kommt, wird in der Praxis im Vorfeld der Einleitung eines Vorabverständigungsverfahrens mit dem Ziel des Abschlusses eines Advance Pricing Agreements stets eine Abwägung der Interesses an steuerlichen Planungssicherheit mit den genannten Nachteilen erfolgen.

D. Zusammenfassung Unter den diskutierten Absicherungsmitteln wird zu recht oftmals die verbindliche Auskunft bevorzugt. Allerdings ist ein Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft zeit- und kostenintensiv, zumal ein solcher in der Regel eine längerfristige Abstimmung der Beteiligten und ihrer Berater bedarf. Zudem kann eine verbindliche Auskunft aus verschiedenen Gründen abgelehnt oder an bestimmte Voraussetzungen gebunden werden. Darüber hinaus ist für den Zeitraum zwischen einem Antrag und der Erteilung einer verbindlichen Auskunft mit mindestens ca. 2-4 Monaten zu rechnen. Will man jedoch weitestgehend verbindliche Transaktionssicherheit, wird man diese Nachteile in der Regel in Kauf nehmen. Gleiches gilt für eine Anrufungsauskunft für lohnsteuerliche Fragen nach § 42e oder § 19a Abs. 5 EStG, die ein ähnliches Schutzniveau bietet. Im Bereich von Verrechnungspreisen schaffen wiederum APA die höchste Sicherheit, erfordern aber u.a. eine umfassende Preisgabe zahlreicher Informationen seitens der betroffenen Unternehmen.

17.68

Die etwas schwächere, aber immer noch gegenüber anderen Mitteln vorzugswürdige Sicherungsmöglichkeit kann die Versicherung sein. Sie hat gegenüber der verbindlichen Auskunft den Vorteil, dass sie innerhalb weniger Wochen vereinbart werden kann. Allerdings wird die Versicherungspolice die Gebühr für eine verbindliche Auskunft oftmals übersteigen, gerade bei hohen Beträgen. Versicherungen haben – ebenso wie vertragliche Sicherungsmittel und Opinions den Nachteil, dass die Reaktion der Finanzbehörden nicht abgesichert ist. Soweit also Finanzbehörden die steuerliche Behandlung aufgreifen und in Frage stellen, kommt es bei diesen Sicherungsmitteln zu zusätzlichem Aufwand und Ineffizienzen bis hin zu gerichtlichen Verfahren. Dies ist im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen.

17.69

Im Ergebnis sind stets die zugrunde liegende steuerliche Eintrittsrisiko sowie die potenzielle Steuerschadenshöhe maßgeblich. Selbst wenn das Eintrittsrisiko gering ist, wird bei sehr hohen Beträgen oftmals eine verbindliche Auskunft vorzugswürdig sein. Ist indes der potenzielle Steuerschaden bei Eintritt eines Risikos gering, kann eine vertragliche Absicherung eher in Frage kommen. In der Praxis kommt es daher stets darauf an, anhand der konkreten Konstellation und unter Abwägung der Kosten und Nutzen ein akzeptables Sicherungsniveau zu erreichen.

1 Zu Art. 25 Abs. 5, Abs. 6 DBA USA Eimermann in Wassermeyer, Art. 25 DBA USA Rz. 51 ff.

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1206 | J. Frey/F.-M. Schwarz

Kapitel 18 Doppelt ansässige Gesellschaften A. Einführung I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.1 II. Doppelt ansässige Gesellschaften 1. Kapitalgesellschaften a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.5 b) Satzungssitz . . . . . . . . . . . . 18.6 c) Ort der Geschäftsleitung bzw. Verwaltungssitz 2. Personengesellschaften . . . . . 18.16 III. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.17 1. Verlegung des Satzungssitzes 18.19 2. Verlegung des Verwaltungssitzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.21 B. Ausgewählte laufende steuerliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.23 I. Persönliche Steuerpflicht . . . . . . 18.24 II. Sachliche Steuerpflicht 1. Innerstaatliches Steuerrecht . 18.27 2. Abkommensrecht . . . . . . . . . . 18.28 III. Ausschüttungen einer doppelt ansässigen Kapitalgesellschaft 1. Innerstaatliche steuerliche Regelungen a) Besteuerung auf Ebene der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . 18.30 b) Besteuerung auf Ebene der Anteilseigner 2. Abkommensrechtliche Aspekte a) Vermeidung bzw. Abmilderung der steuerlichen Mehrfachbelastung . . . . . . 18.36 b) Kapitalgesellschaft mit Satzungssitz in Deutschland und Geschäftsleitung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . 18.37 c) Kapitalgesellschaft mit Satzungssitz im Ausland und Geschäftsleitung in Deutschland . . . . . . . . . . . . 18.38 IV. Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer doppelt ansässigen Gesellschaft . . . . . . . . 18.39

V. Ausschüttungen an eine doppelt ansässige Gesellschaft 1. Innerstaatliche steuerliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.41 2. Abkommensrechtliche Aspekte a) Vorbemerkung . . . . . . . . . 18.43 b) Kapitalgesellschaft mit Satzungssitz in Deutschland und Geschäftsleitung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . 18.44 c) Kapitalgesellschaft mit Satzungssitz im Ausland und Geschäftsleitung in Deutschland . . . . . . . . . . . . 18.45 VI. Gewinne einer doppelt ansässigen Gesellschaft aus der Veräußerung von Anteilen . . . . . . . 18.46 VII. Organschaft 1. Zulässigkeit als Organträgerin a) Ausländische Kapitalgesellschaft mit Betriebsstätte im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.48 b) Inländische Kapitalgesellschaft mit Ort der Geschäftsleitung im Ausland 18.50 c) Keine doppelte Verlustnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.51 2. Zulässigkeit als Organgesellschaft a) Ausländische Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland . . . . . . . . . . . . . . 18.52 b) Inländische Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Ausland . . . . . . . . . . . . 18.55 VIII. Hinzurechnungsbesteuerung 1. Innerstaatliches Steuerrecht . 18.57 2. Abkommensrecht . . . . . . . . . 18.60 3. Fallkonstellationen . . . . . . . . 18.61 a) Grundfälle . . . . . . . . . . . . . 18.62 b) Dreiecksfälle . . . . . . . . . . . 18.63

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Kap. 18 | Doppelt ansässige Gesellschaften C. Ausgewählte Aspekte im Zusammenhang mit Umwandlungen I. Anwendung des UmwG 1. Vorüberlegungen a) Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . 18.66 b) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . 18.67 2. Implikationen für doppelt ansässige Kapitalgesellschaften a) Inländische Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz im Ausland . . . . . . . . . . . . 18.70 b) Ausländische Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz im Inland . . . . . . . . . . . . . . 18.72 II. Anwendung des UmwStG 1. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.73

2. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.79 3. Wesentliche weitere Prüfungsschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.83 III. Fallbeispiele 1. Fall 1: Verschmelzung zweier niederländischer B.V. mit Verwaltungssitz im Inland . . . . . 18.84 2. Fall 2: Hinausverschmelzung einer doppelt ansässigen Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . 18.87 3. Fall 3: Formwechsel einer niederländischen B.V. mit Verwaltungssitz im Inland . . . . . 18.90 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . 18.93

Literatur: Bachmann, Das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts, NJW 2021, 3073; Beinert/Maucher, Ausgewählte Praxisfragen zum Ort der Geschäftsleitung, DB 2023, 224; Benecke, Anwendungsbereich des UmwStG und Rückwirkung nach dem UmwStErlass 2011, GmbHR 2012, 113; Benecke/Schnitger, Wichtige Änderungen bei der körperschaftsteuerlichen Organschaft durch das UntStG 2013, IStR 2013, 143; Bregenhorn-Kuhs/ Drumm/Wagner, Gewerbesteuerliches Schachtelprivileg bei Gewinnanteilen aus doppelt ansässigen Kapitalgesellschaften, IWB, Fach 3 Gruppe 5, 85 ff.; Brühl, Entwicklungen der gewerbesteuerlichen Behandlung von Erträgen ausländischer Tochter-Kapitalgesellschaften, FR 2019, 257; Bungert, Rechtliche Auswirkungen der „domestication“ einer deutschen GmbH in den USA nach deutschem Gesellschaftsrecht, RIW 1999, 109; Dötsch/Pung, Organträger-Personengesellschaft mit ausländischen Gesellschaftern: Zur Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 7 KStG, DB 2014, 1215; Ege/Klett, Praxisfragen der grenzüberschreitenden Mobilität von Gesellschaften, DStR 2012, 2442, Ehret/Lausterer, Einleitende Erläuterungen des Umwandlungssteuererlasses und Anwendungsbereich, DB 2012, Beilage 1, 5; Eidenmüller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, ZGR 2007, 168; Elser/Dürrschmidt, Die deutsche Immobilien-GmbH mit Geschäftsleitung im Ausland – Gesellschaftsrechtliche Grundlagen und ausgewählte steuerrechtliche Fragen, IStR 2010, 79; Geils, Der Ort der Geschäftsleitung von ausländischen Gesellschaften und die Begründung von betriebsstättenlosen gewerblichen Einkünften, Ubg 2018, 377; Goette, Das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie – Ein Überblick, DStR 2023, 157; Haase, Hinzurechnungsbesteuerung bei doppelansässigen Gesellschaftern, IStR 2008, 695; Heckschen, Grenzüberschreitende Sitzverlegung und grenzüberschreitender Rechtsformwechsel, GWR 2020, 449; Heckschen/Knaier, Größte Reform des Umwandlungsrechts – nicht nur Richtlinienumsetzung! (Teil I), GmbHR, 2022, 501; Heckschen/ Knaier, Größte Reform des Umwandlungsrechts – nicht nur Richtlinienumsetzung! (Teil II), GmbHR, 2022, 613; Jaensch, Der grenzüberschreitende Formwechsel vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH, EWS 2007, 97; Koehler, Der grenzüberschreitende Gewinnabführungsvertrag mit einer ausländischen GmbH, DK 2018, 325; Kollruss/Schultze/Nöhring, Neue Lösungsansätze zur Begründung einer grenzüberschreitenden Organschaft – Begründung einer grenzüberschreitenden Organschaft durch Wegzug sowie Hinausformwechsel der Organgesellschaft, WPg 2022, 54; Kollruss, Gewerbesteuerliche Kürzung bei Ausschüttungen

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A. Einführung | Rz. 18.1 Kap. 18 ausländischer Gesellschaften – Grundlegende Dogmatik und Folgerungen, IStR 2021, 344 Kollruss, Hinzurechnungsbesteuerung bei doppelt ansässigen Kapitalgesellschaften, IStR 2008, 316; Kollruss/Buße/Braukmann, Doppelt ansässige Gesellschaften, Zentralfunktionsthese des Stammhauses und Hinzurechnungsbesteuerung nach dem AStG, IStR 2011, 18; Kraft/Quilitzsch, Verbleibende unionsrechtliche Schwachstellen der Hinzurechnungsbesteuerung nach den legislativen Rettungsbemühungen in § 8 Abs. 2 AStG, EWS 2012, 130; Kreutziger, Festlegung des Mittelpunktes der geschäftlichen Oberleitung eines Schifffahrtsunternehmens, DStR 1998, 1122; Leuering/Rubner, Deutsche GmbH mit Verwaltungssitz im Ausland, NJWSpezial 2011, 463; Lips/Randel/Werwigk, Das neue GmbH-Recht – Ein Überblick, DStR 2008, 2220; Mayer/Manz, Der Brexit und seine Folgen auf den Rechtsverkehr zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich, BB 2016, 1731; Meining, Sind doppelansässige EU-Kapitalgesellschaften inländische Kapitalgesellschaften i.S.d. § 9 Nr. 2a GewStG?, GmbHR 2015, 1309; Noack, Von Maurach in die Welt – Der Gesetzentwurf der Expertenkommission zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts im Überblick, NZG 2020, 581; Pick, Die körperschaftsteuerliche Organschaft im Spannungsfeld des supranationalen und bilateralen Rechts, 2021; Piltz, Besteuerung einer Kapitalgesellschaft mit Satzungssitz in Deutschland und Geschäftsleitung in der Schweiz (Doppelansässigkeit), in Kessler/Förster/Watrin, FS Herzig, 2010, 23; Prinz, Ertragsteuerliche Organschaft – Gestaltungsinstrument für den Mittelstand, DB 2023, 8; Prinz, Wirren der Rechtsprechung im Columbus Container Fall – Gesetzgeberischer Handlungsbedarf bei der Hinzurechnungsbesteuerung!, FR 2010, 378; Prinz/Ludwig, Steuerliches Organschaftsrecht: Grenzüberschreitender Gewinnabführungsvertrag zu einer abhängigen EU/EWR-KapGes. mit inländischer Geschäftsleitung, DB 2020, 1022; Schaumburg, Grenzüberschreitende Umwandlungen (I), GmbHR 1996, 501; Schönfeld/Hoene, Hinzurechnungsbesteuerung doppeltansässiger Hinzurechnungsadressaten, IStR 2013, 349; Schnitger, Fragestellungen zur steuerlichen Behandlung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, IStR 2013, 82; Schwenke, Grenzüberschreitende Organschaft – Anmerkungen zu den Neuregelungen im Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts, ISR 2013, 41 Seibold, Problematik der Doppelansässigkeit von Kapitalgesellschaften, IStR 2003, 45; Stadler/Elser, Steueränderungen zum 1.1.2002 im Unternehmensbereich, DB 2002, Beilage 1, 41; Stadler/Elser/Bindl, Vermögensübergang bei Verschmelzungen auf eine Personengesellschaft oder auf eine natürliche Person und Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft, DB 2012, Beilage 1, 14; Staringer, Besteuerung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, Wien 1999; Suchanek/Hannweber, § 9 Nr. 2a GewStG als Gewerbesteuerfalle bei doppelt ansässigen Tochterkapitalgesellschaften in Zuzugsfällen?, Ubg 2016, 441; Töben in Festgabe Wassermeyer, 2015, Nr. 26 Geschäftsleitung; Weinberger, Die Anti Double Dip Regelung des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 KStG bei Organschaft, 2020; Weiss, Kürzung nach § 9 Nr. 2a GewStG bei Dividende einer doppelt ansässigen EU-Kapitalgesellschaft ISR 2019, 44; Winter/Marx, „Grenzüberschreitende“ Organschaft mit zugezogenen EU-/ EWR-Gesellschaften, DStR 2011, 1101; Zimmer/Naendrup, Das Cartesio-Urteil des EuGH: Rück- oder Fortschritt für das internationale Gesellschaftsrecht?, NJW 2009, 545.

A. Einführung I. Überblick Begriff. Der Begriff der steuerlichen Ansässigkeit stammt aus dem Recht der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA).1 Für die persönliche Anwendbarkeit eines DBA kommt es nämlich darauf an, ob eine Person in einem der beiden Vertragsstaaten 1 Zum Begriff vgl. Staringer, Besteuerung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, S. 33.

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18.1

Kap. 18 Rz. 18.1 | Doppelt ansässige Gesellschaften

ansässig ist (Art. 1 OECD-MA 2017 bzw. Art. 1 der deutschen DBA-Verhandlungsgrundlage – DBA VG1). Dies ist dann der Fall, wenn die Person nach dem Recht dieses Staates dort aufgrund ihres Wohnsitzes (bzw. ihres Satzungssitzes), ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen steuerlichen Anknüpfungsmerkmals2 der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt (Art. 4 Abs. 1 OECD-MA 2017). Unter doppelt ansässigen Personen versteht man dementsprechend allgemein Steuersubjekte, die in zwei verschiedenen Staaten unbeschränkt steuerpflichtig sind.3

18.2 Erscheinungsformen. Die Doppelansässigkeit kann verschiedene Erscheinungsformen haben. Dies sei am Beispiel einer Kapitalgesellschaft erläutert: – Typischerweise liegt eine Doppelansässigkeit vor, wenn eine Gesellschaft in zwei Staaten unterschiedliche steuerliche Anknüpfungsmerkmale erfüllt. Zum Beispiel kann sie ihren Satzungssitz im Ausland und die Geschäftsleitung im Inland haben, oder umgekehrt. – Möglich ist auch, dass ein und dasselbe steuerliche Anknüpfungsmerkmal, wie z.B. der Ort der Geschäftsleitung, nach dem innerstaatlichen Recht zweier Staaten unterschiedlich ausgelegt wird mit der Folge, dass es aus Sicht jedes der beiden Staaten erfüllt ist.4 Liegt der Satzungssitz der Gesellschaft dann noch in einem dritten Staat, kann es sogar zu einer dreifachen Ansässigkeit kommen. Angesichts des hohen Grads an internationaler Arbeitsteilung, der technischen Vernetzung und der dadurch ermöglichten Flexibilisierung des Arbeitsorts sowie neuer digitaler, nicht ortsgebundener Geschäftsmodelle, stellt es in der Praxis häufig eine Herausforderung dar, den (einen) steuerlich maßgeblichen Ort der Geschäftsleitung nach klassischen Maßstäben zu bestimmen (s. Rz. 18.12).5 – In zeitlicher Hinsicht kann die Doppelansässigkeit bereits ab Gründung der Gesellschaft bestehen. Sie kann aber auch erst später entstehen, indem die Gesellschaft ihren Satzungssitz oder ihren Geschäftsleitungsort – gewollt oder ungewollt – aus der Sicht eines oder mehrerer Staaten in einen anderen Staat verlegt; dies kann auch im Zusammenhang mit einem grenzüberschreitenden Umwandlungsvorgang erfolgen.6 Häufig stellen sich in diesem Zusammenhang aus steuerlicher Sicht Zuordnungs- sowie Entstrickungs- und Verstrickungsfragen (s. hierzu Kapitel 15). 1 Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen, BMF v. 22.8.2013 – IV B 2 - S 1301/13/10009, abgedruckt in V/L7, Art. 13 OECD-MA. 2 In einigen Ländern, wie z.B. in den USA nach, kommt es etwa darauf daran, ob die betreffende Kapitalgesellschaft in diesem Staat oder nach dem Recht dieses Staates gegründet wurde (sog. domestic corporations nach Sec. 7701 (a) (4) IRC). 3 Zur Auflösung der Doppelansässigkeit im DBA-Fall mittels der sog. Tie Breaker Rule s. Rz. 18.28. 4 Seibold, IStR 2003, 45 (45 f.). 5 Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, DBA, Art. 4 OECD-MA Rz. 105. 6 Zum Beispiel im Rahmen einer grenzüberschreitenden Verschmelzung, wobei als Verwaltungssitz des übernehmenden Rechtsträgers nach der Verschmelzung der bisherige Verwaltungssitz des übertragenden Rechtsträgers gewählt wird.

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A. Einführung | Rz. 18.5 Kap. 18

Ursachen und Gründe für die Doppelansässigkeit. Für die Doppelansässigkeit einer Gesellschaft kann es verschiedene Ursachen und Gründe geben. So kann z.B. die Verlegung des Verwaltungssitzes einer nach deutschem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft ins Ausland unter Beibehaltung ihres Satzungssitzes im Inland interessant sein, da auf diese Weise im Ausland eine Gesellschaftsform verwendet werden kann, die einer vertrauten Rechtsordnung unterliegt.1 In der Zeit vor dem Brexit hatte sich die englische Limited für einige Zeit aufgrund des fehlenden Mindestkapitalerfordernisses, der geringeren Gründungskosten und der höheren Gründungsgeschwindigkeit besonders für kleinere Unternehmen zu einer Alternative zur deutschen GmbH entwickelt.2 Spätestens mit der Einführung der Unternehmergesellschaft i.S.v. § 5a GmbHG am 1.11.2008 hatte dieses Modell allerdings an Attraktivität verloren.3 Auch kollektivarbeitsrechtliche sowie insolvenzrechtliche Gründe können für die Verwendung einer ausländischen Gesellschaft mit inländischem Verwaltungssitz sprechen. Steuerliche Gründe wie z.B. abkommensrechtliche Vorteile können ebenfalls eine Rolle spielen, wobei rein steuerlich motivierten Gestaltungen regelmäßig die Anerkennung verweigert wird und ein entsprechender wirtschaftlicher Gehalt nachzuweisen ist. Schließlich kann die Doppelansässigkeit auch rein privat bedingt sein, weil die Geschäftsführung ihren Lebensmittelpunkt einschließlich beruflicher Tätigkeit ins Ausland verlegt.

18.3

Die Anknüpfung an mindestens zwei unterschiedliche Rechtsordnungen ist mit komplexen Rechtsfragen verbunden. Dies gibt Anlass, ausgewählte steuer- und gesellschaftsrechtliche Aspekte im Zusammenhang mit doppelt ansässigen Gesellschaften näher zu untersuchen.

18.4

II. Doppelt ansässige Gesellschaften 1. Kapitalgesellschaften a) Begriff Begriff. Der Begriff der doppelt ansässigen Gesellschaft bezieht sich in der steuerlichen Praxis regelmäßig auf Kapitalgesellschaften, die entweder 1 Elser/Dürrschmidt, IStR 2010, 79; Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2011, 463; Lips/Randel/ Werwigk, DStR 2008, 2220 (2223); Zimmer/Naendrup, NJW 2009, 545 (549). 2 Eidenmüller, ZGR 2007, 168. Seit dem Ablauf des Brexit-Übergangszeitraums am 31.12.2020 kann sich eine britische Limited nicht mehr auf Art. 30 der Gesellschaftsrichtlinie oder die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49, 54 AEUV berufen; BGH v. 16.2.2021 – II ZB 25/17, NZG 2021, 702. Ob die Gründungstheorie noch Anwendung findet oder solche Gesellschaften in Deutschland als GbR, OHG oder – bei nur einer Gesellschafterin – als einzelkaufmännisches Unternehmen zu behandeln sind, ist umstritten; vgl. OLG München v. 5.8.2021 – 29 U 2411/21 Kart, NZG 2021, 1518; Fleischer in MünchKomm/ GmbHG4, Band 1, Einleitung Rz. 232; Merkt in MünchKomm/GmbHG4, § 11 Rz. 123 ff. Für die körperschaftsteuerrechtliche Behandlung einer ausländischen Gesellschaft kommt es jedoch auf den sog. Rechtstypenvergleich und nicht die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit an; im Ergebnis wird eine englisch Limited als Körperschaftsteuersubjekt behandelt, vgl. BFH v. 13.10.2021 – I B 31/21, BFH/NV 2022, 357; Münch in D/P/M, § 1 KStG Rz. 87. 3 Kleindiek in Lutter/Hommelhoff20, § 5a GmbHG Rz. 1.

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18.5

Kap. 18 Rz. 18.5 | Doppelt ansässige Gesellschaften

– ihren Satzungssitz im Inland und die Geschäftsleitung im Ausland oder – ihren Satzungssitz im Ausland und die Geschäftsleitung im Inland haben. In Bezug auf diese beiden Merkmale gelten zusammengefasst die nachfolgenden Grundsätze: b) Satzungssitz

18.6 Inländische Kapitalgesellschaften. Für deutsche Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) ist der Satzungssitz in § 4a GmbHG geregelt, für Aktiengesellschaften (AG) in § 5 AktG. Nach beiden Vorschriften muss sich der Satzungssitz der Gesellschaft im Inland befinden.1 Eine Begründung oder Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland ist danach unzulässig.2 Allerdings ist es seit dem MoMiG3 möglich, einen Verwaltungssitz zu wählen, der vom Satzungssitz abweicht. Auch die grenzüberschreitende Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland ist unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (s. Rz. 18.21). 18.7 Europäische Aktiengesellschaft (SE). Der Sitz einer Europäischen Aktiengesellschaft (SE) muss in dem EU-Mitgliedstaat bzw. EWR-Staat4 liegen, in dem sich auch die Hauptverwaltung der SE befindet (Art. 7 SE-VO5, § 1 SEAG). Eine isolierte Verlegung des Verwaltungssitzes in einen anderen EU-Mitgliedstaat führt zur Liquidation der SE (Art. 64 Abs. 2 SE-VO).6 Eine Kapitalgesellschaft in der Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) kann somit aus gesellschaftsrechtlichen Gründen nicht doppelt ansässig sein. 18.8 Ausländische Kapitalgesellschaften. Soweit in der Praxis von doppelt ansässigen Kapitalgesellschaften ausländischer Rechtsform die Rede ist, betrifft dies in der Regel Kapitalgesellschaften mit Satzungssitz im Ausland und Geschäftsleitung (Verwaltungssitz) in Deutschland.7 Ihren Satzungssitz können ausländische Rechtsformen hingegen nicht im Inland haben, da Gesellschaften mit ausländischer Rechtsform 1 Ein doppelter Satzungssitz ist, von Ausnahmen abgesehen, nach h.M. unzulässig; Bayer in Lutter/Hommelhoff20, § 4a GmbHG Rz. 5 m.w.N. 2 Bayer in Lutter/Hommelhoff20, § 4a GmbHG Rz. 16; Ringe in K. Schmidt/Lutter4, § 5 AktG Rz. 9; Scheller in Scholz13, § 4a GmbHG Rz. 26. 3 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026. 4 Die Einbeziehung der EWR-Gesellschaften ergibt sich aus Ziff. 10a der Anlage XXII zu Art. 77 des EWR-Vertrags unter Bezugnahme auf den Beschluss des Gemeinsamen EWRAusschusses Nr. 93/2002 v. 25.6.2002 zur Änderung des Anhangs XXII (Gesellschaftsrecht) des EWR-Abkommens, ABl. EG Nr. L 266 v. 3.10.2002, 69. 5 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates v. 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. EU Nr. L 294 v. 10.11.2001, 1. 6 Kollruss, IStR 2008, 316. 7 Voraussetzung für die Anerkennung einer doppelt ansässigen ausländischen Kapitalgesellschaft ist nach der Rechtsprechung des EuGH, dass die Kapitalgesellschaft auch nach Verlegung ihres Verwaltungssitzes nach Deutschland die ihr nach dem Recht des ausländischen Staates zuerkannte Rechtspersönlichkeit beibehält; EuGH v. 29.11.2011 – C-371/ 10 – National Grid Indus, FR 2012, 25.

1212 | Bindl/Stadler

A. Einführung | Rz. 18.11 Kap. 18

nicht in ein deutsches Handelsregister eingetragen werden.1 Daher kann eine doppelt ansässige Kapitalgesellschaft nicht durch eine identitätswahrende grenzüberschreitende Verlegung des Satzungssitzes errichtet werden. Jedenfalls innerhalb der EU/ EWR ist jedoch ein grenzüberschreitender Formwechsel in eine inländische Gesellschaftsform möglich (s. Rz. 18.19). c) Ort der Geschäftsleitung bzw. Verwaltungssitz aa) Definition Gesetzliche Definition. Der Ort der Geschäftsleitung ist aus deutscher steuerlicher Sicht als der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung (§ 10 AO) definiert. Dieser entspricht nach der BFH-Rechtsprechung im Wesentlichen dem Ort des Verwaltungssitzes im Zivil- und Handelsrecht.2 Da es in diesem Zusammenhang jeweils auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommt, ist der Ort der Geschäftsleitung naturgemäß schwieriger zu bestimmen als der Satzungssitz. Die Rechtsprechung hat verschiedene Merkmale zur Konkretisierung der gesetzlichen Definition entwickelt.

18.9

bb) Allgemeine Grundsätze Ort der geschäftlichen Willensbildung. Maßgebend ist danach der Ort, wo der für die Geschäftsführung maßgebliche Wille gebildet wird und die entsprechenden Entscheidungen getroffen werden.3 Unbeachtlich ist hingegen, wo die angeordneten Maßnahmen ausgeführt oder die abgegebenen Willenserklärungen wirksam werden.4

18.10

Qualitative Anforderungen. In qualitativer Hinsicht kommt es darauf an, wo die für die Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden.5 Abzustellen ist in diesem Zusammenhang auf die laufende Geschäftsführung. Zu ihr gehören die tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt, und solche organisatorischen Maßnahmen, die zur gewöhnlichen Verwaltung der Gesellschaft gehören (sog. Tagesgeschäfte). Dabei sind Art, Umfang, Struktur und Eigenart des betreffenden Unternehmens zu berücksichtigen.6 Bei Körperschaften befindet sich der Ort der Ge-

18.11

1 Pentz in MünchKomm/AktG5, § 45 Rz. 27. 2 BFH v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972; s. hierzu auch Heckschen in W/M, § 1 UmwG Rz. 102 (dort Fn. 236); Rengers in Brandis/Heuermann, § 1 KStG Rz. 141. 3 Drüen in T/K, § 10 AO Rz. 1 m.w.N. zur Rechtsprechung. 4 Drüen in T/K, § 10 AO Rz. 2a m.w.N. zur Rechtsprechung. 5 BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86; v. 23.1.1991 – I R 22/90, BStBl. II 1991, 554. 6 Geschäftsführungsmaßnahmen, die für eine operativ tätige Kapitalgesellschaft von untergeordneter Bedeutung sind, können für eine vermögensverwaltend tätige Kapitalgesellschaft den Ort der Geschäftsleitung begründen. Bei einer vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaft kann daher bereits die laufende Kontrolle über das Vermögen, die Verwahrung von Wertpapieren oder das Anfertigen bzw. Unterschreiben von Steuererklärungen den Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung bestimmen, sofern nur an keinem anderen Ort gewichtigere Entscheidungen getroffen werden; BFH v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437; v. 7.12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175.

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Kap. 18 Rz. 18.11 | Doppelt ansässige Gesellschaften

schäftsleitung in der Regel an dem Ort, an dem das Geschäftsführungsorgan normalerweise (d.h. grundsätzlich und regelmäßig) tätig ist.1 Dies kann auch dessen private Wohnung sein.2

18.12 Geschäftsführung an mehreren Orten. Wird die Geschäftsführung regelmäßig an mehreren Orten tätig, ist der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung grundsätzlich dort, wo sich die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht bedeutungsvollste Stelle befindet.3 Befinden sich kaufmännische und technische Leitung an verschiedenen Orten, kommt dem Ort der kaufmännischen Leitung, der sich notfalls auch am Wohnsitz des betreffenden Geschäftsführers befinden kann, entscheidende Bedeutung zu.4 Streitig ist, ob eine Gesellschaft auch mehrere Mittelpunkte der geschäftlichen Oberleitung haben kann, wenn die Geschäftsleitung nahezu gleichrangig an mehreren Orten ausgeübt wird. Nach Auffassung des BFH ist dies grundsätzlich möglich, wobei er dies ausdrücklich auf „seltene Fälle“ beschränkt sieht.5 Dies soll insbesondere dann gelten, wenn mehrere Personen, die mit gleichwertigen Geschäftsführungsaufgaben betraut sind, diese nicht von einem gemeinsamen Ort, sondern von unterschiedlichen Orten aus wahrnehmen.6 Auch nach gewichtigen Stimmen im Schrifttum kann eine Kapitalgesellschaft mehrere Mittelpunkte der geschäftlichen Oberleitung haben.7 Dabei wird eingewandt, dass das Bild einer hierarchisch-zentralisierten Unternehmensführung nicht der modernen digitalen Lebenswirklichkeit entspricht (zur abkommensrechtlichen Tie Breaker Rule (s. Rz. 18.28).8 Dies mag richtig sein. Aus praktischer Sicht erscheint es aber jedenfalls weiterhin vorzugswürdig, als Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung einen einzigen Ort im Rahmen einer qualitativen und quantitativen Gewichtung zu bestimmen. Sofern eine eindeutige Bestimmung nicht möglich ist, weil neben dem Satzungssitz auch an einem oder mehreren anderen Orten regelmäßig bedeutungsvolle Geschäftsleitungstätigkeiten ausgeübt werden, sollte u.E. im Zweifel der Sitz der Gesellschaft gem. § 11 AO als Mittelpunkt der geschäftlichen

1 BFH v. 29.4.1987 – X R 6/81, BFH/NV 1988, 63. 2 BFH v. 23.1.1991 – I R 22/90, BStBl. II 1991, 554. 3 BFH v. 23.1.1991 – I R 22/90, BStBl. II 1991, 554; v. 21.9.1989 – V R 55/84, BFH/NV 1990, 353; v. 21.9.1989 – V R 32/88, BFH/NV 1990, 688. 4 BFH v. 23.1.1991 – I R 22/90, BStBl. II 1991, 554. 5 BFH v. 5.11.2014 – IV R 30/11, BStBl. II 2015, 601; BFH v. 15.10.1997 – I R 76/95, BFH/ NV 1998, 434; BFH v. 30.1.2002 – I R 12/01, BFH/NV 2002, 1128; BFH v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437. 6 BFH v. 5.11.2014 – IV R 30/11, BStBl. II 2015, 601. Erwähnenswert ist die Tatsache, dass das streitgegenständliche Unternehmen seinen Sitz in einer nordfriesischen „GewSt-Oase“ hatte und der BFH nach den Worten des damaligen Vorsitzenden des zuständigen Senats vermeiden wollte, dass angesichts der geringen Geschäftstätigkeit überhaupt kein Geschäftsleitungsort angenommen werden kann, Beinert/Maucher, DB 2023, 224 mit Hinweis auf Wendt, BFH/PR 2015, 158. 7 Zum Streitstand vgl. Drüen in T/K, § 10 AO Rz. 9 m.w.N.; Lampert in Gosch4, § 1 KStG Rz. 47a m.w.N.; Beinert/Maucher, DB 2023, 219, (224). 8 Drüen in T/K, § 10 AO Rz. 9 m.w.N.

1214 | Bindl/Stadler

A. Einführung | Rz. 18.15 Kap. 18

Oberleitung angesehen werden.1 In jedem Fall aber sollte die Möglichkeit mehrerer Orte der Geschäftsleitung auf Sonderfälle beschränkt bleiben.2 cc) Abgrenzung von den Aufgaben und Tätigkeiten Dritter Abgrenzungserfordernis. Besonderer Sorgfalt bedarf die Abgrenzung der Geschäftsführungstätigkeiten von den Aufgaben und Tätigkeiten Dritter im Rahmen von gesellschaftsrechtlichen oder schuldrechtlichen Leistungsbeziehungen. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine teilweise oder vollständige Personenidentität zwischen den Geschäftsführern und den jeweiligen Dritten besteht.

18.13

Ausübung von Gesellschafterrechten. Von der Geschäftsführung strikt zu trennen ist zunächst die Ausübung von Gesellschafterrechten durch die Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft.

18.14

Nach der BFH-Rechtsprechung3 hat die Mitwirkung der Gesellschafter an Geschäftsführungsentscheidungen zumindest so lange keinen Einfluss auf den Ort der Geschäftsführung, als die Gesellschafter sich nicht ständig in den gewöhnlichen Geschäftsverkehr der Kapitalgesellschaft einmischen und nicht alle Geschäftsführungsentscheidungen von einigem Gewicht selbst treffen. Unschädlich ist daher z.B. die Festlegung der Grundsätze der Unternehmenspolitik durch die Gesellschafter und deren Mitwirkung an ungewöhnlichen Maßnahmen bzw. an Entscheidungen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung. Die Wahrnehmung der Geschäftsführung durch einen Gesellschafter setzt vielmehr voraus, dass der Gesellschafter diese völlig an sich gezogen hat, dass er den laufenden Geschäftsgang nicht nur beobachtet, kontrolliert und fallweise beeinflusst, sondern ständig in die Tagespolitik der Gesellschaft eingreift und dauernd die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erforderlichen Entscheidungen von einigem Gewicht selbst trifft. Erbringung von Leistungen durch Dritte. Grundsätzlich steht es der Geschäftsführung frei, einzelne Verwaltungsaufgaben im Rahmen vertraglicher Leistungsbeziehungen an externe Dritte auszulagern (sog. Outsourcing). Je nach Ausgestaltung des Dienstleistungsvertrags kann eine solche Auslagerung jedoch steuerlich zu einer Verlagerung des Orts der Geschäftsleitung auf den Dritten führen: – Sofern das Schwergewicht der geschäftlichen Willensbildung weiterhin bei den Geschäftsführungsorganen verbleibt (insbesondere Entscheidungen über Investitionen und De-Investitionen sowie Finanzierungen), üben diese weiterhin die Geschäftsleitung aus. Dies ist insbesondere bei reinen Beratungsverträgen der Fall.

1 Ebenso Geils, Ubg 2018, 377 (381). 2 Ebenso Töben in Festgabe Wassermeyer, 2015, Nr. 26 Geschäftsleitung, Rz. 16, 24 f. Beinert/Maucher, DB 2023, 219, (224) m.w.N. 3 BFH v. 7.12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175; v. 26.5.1970 – II 29/65, BStBl. II 1970, 759; v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695 m.w.N.

Bindl/Stadler | 1215

18.15

Kap. 18 Rz. 18.15 | Doppelt ansässige Gesellschaften

Hierbei bereitet der Dienstleister in der Regel lediglich die für die Entscheidungen erforderlichen Informationen vor und unterbreitet Empfehlungen.1 – Dagegen führt die Ausgliederung von Verwaltungsaufgaben zu einer Verlagerung der Geschäftsleitung auf den Dritten, wenn dieser dauerhaft die Tagesgeschäfte einschließlich der dafür erforderlichen wesentlichen Entscheidungen bestimmt und hierfür ggf. auch noch eine Abschlussvollmacht erhält (sog. Managementverträge).2 2. Personengesellschaften

18.16 Keine wesentliche praktische Bedeutung. Denkbar sind grundsätzlich auch doppelt ansässige Personengesellschaften. In der Praxis spielen sie jedoch zumindest bislang keine wesentliche Rolle. Dies hat verschiedene Gründe: – Bei inländischen Personengesellschaften kommt dem Satzungssitz bis zum 31.12.2023, dass aus deutscher gesellschaftsrechtlicher Sicht keine eigenständige Bedeutung zu.3 Vielmehr bestimmt sich der Sitz einer Personengesellschaft, unabhängig von einer etwaigen Regelung im Gesellschaftsvertrag und unabhängig von einer Eintragung im Handelsregister, allein nach dem Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung.4 Hieraus wird gefolgert, dass eine inländische Personengesellschaft ihren Verwaltungssitz nicht identitätswahrend ins Ausland verlegen kann; denn die Verlegung hätte auf Basis der Sitztheorie zur Folge, dass die Personengesellschaft als aufgelöst gilt (s. hierzu auch Rz. 2.52 ff.).5 Auf Basis der EuGH-Rechtsprechung zu den identitätswahrenden Wegzugsfällen6 dürfte dies auch mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar sein. Dieses Verständnis wird – soweit ersichtlich – schließlich auch im steuerrechtlichen Schrifttum geteilt.7 1 Zur angrenzenden Frage der Begründung einer Betriebstätte bei Einschaltung einer Dienstleistungsgesellschaft z.B. BFH v. 23.3.2022 – III R 35/20, BStBl. II 2022, 844; v. 24.8.2011 – I R 46/10, BStBl. II 2014, 764; v. 23.2.2011 – I R 52/10, BFH/NV 2011, 1354. 2 BFH v. 25.8.1999 – VIII R 76/95, BFH/NV 2000, 300; v. 7.12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175; vgl. auch Musil in H/H/S, § 10 AO Rz. 24 f.; Heinsen in Gosch, § 10 AO Rz. 35, Stichworte „Outsourcing“ und „Vermögensverwaltung“; Gersch in Klein16, § 10 AO Rz. 2; Kreutziger, DStR 1998, 1122; Werth in Kühn/von Wedelstädt22, § 10 AO Rz. 4. 3 Emmerich in Heymann3, § 106 HGB Rz. 13; Ihrig in Semler/Stengel/Leonard5, § 234 UmwG Rz. 5; Fleischer in MünchKomm/HGB5, § 106 Rz. 29. 4 Kindler in Koller/Kindler/Roth/Drüen9, § 106 HGB Rz. 2; Fleischer in MünchKomm/ HGB5, § 106 Rz. 29. 5 Ege/Klett, DStR 2012, 2442; Kindler in MünchKomm/BGB8, 13. Bd., Teil 10 (IntGesR) Rz. 825 ff.; a.A. Eberhard in Beck’sches Handbuch der Personengesellschaften5, § 28 Rz. 37. 6 EuGH v. 16.12.2008 – C-210/06 – Cartesio, Slg. 2008, I-9641; Urt. v. 27.9.1988 – C-81/87 – Daily Mail, Slg. 1988, I-5483; Urt. v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, ABl. EU 2012, Nr. C 32, 9. 7 Musil in H/H/S, § 11 AO Rz. 29a. Steuerlich sollte in diesem Fall eine Aufdeckung der stillen Reserven auf Basis des § 6 Abs. 5 EStG vermieden werden können. Dies gilt zumindest insoweit, als die betreffenden Wirtschaftsgüter weiterhin in Deutschland steuerverstrickt sind; anderenfalls greifen §§ 16 Abs. 3a, 36 Abs. 5 EStG (ganzer Betrieb) bzw. § 4 Abs. 1 Satz 3 ff. EStG (einzelne Wirtschaftsgüter).

1216 | Bindl/Stadler

A. Einführung | Rz. 18.16 Kap. 18

Ab dem 1.1.2024 dürfen Personengesellschaften nach § 706 Satz 2 BGB n.F.1 einen vom Verwaltungssitz abweichenden Satzungssitz bestimmen.2 Damit können deutsche Personengesellschaften ihren Verwaltungssitz künftig auch im Ausland haben, ohne auf eine für sie vertraute deutsche Rechtsform verzichten zu müssen.3 Insoweit werden Personengesellschaften künftig den Kapitalgesellschaften (GmbH und AG) gleichgestellt, denen dieses Recht bereits seit dem MoMiG offensteht (s. Rz. 18.6).4 Es ist davon auszugehen, dass deutsche Personengesellschaften von diesen neuen rechtlichen Möglichkeiten künftig verstärkt Gebrauch machen. Voraussetzung ist stets, dass die ausländische Rechtsordnung die zugezogene deutsche Personengesellschaft anerkennt, wobei EU-/EWR-Staaten auf Basis der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung (s. Rz. 18.22) hierzu verpflichtet sein dürften. – Bei ausländischen Personengesellschaften ist zunächst nach dem ausländischem Gesellschaftsrecht zu prüfen, ob eine Doppelansässigkeit im vorstehenden Sinne möglich ist.5 Behält die Gesellschaft durch Verlegung des Verwaltungssitzes ihre Rechtsfähigkeit nach dem Gründungsstaat, ist diese zumindest bei einem Zuzug aus dem EU-/EWR-Ausland auch in Deutschland anzuerkennen.6 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass diese Personengesellschaften aus abkommensrechtlicher Sicht üblicherweise7 transparent sind. Sie stellen zwar Personen im Sinne des Abkommensrechts dar (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA 2017 bzw. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b DBA-VG). Da sie jedoch nach innerstaatlichem Steuerrecht regelmäßig kein eigenes Steuersubjekt darstellen, sind sie mangels eigener Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht nicht ansässig i.S.v. Art. 4 Abs. 1 OECD-MA 2017 bzw. Art. 4 Abs. 1 DBA-VG.8 Dies bedeutet, dass für die Anwendung des jeweiligen 1 Über § 105 Abs. 2 HGB n.F., § 161 Abs. 2 HGB und § 1 Abs. 4 PartGG n.F. gilt die Vorschrift für Personenhandelsgesellschaften sowie für die Partnerschaftsgesellschaft entsprechend; vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) v. 17.3.2021, BT-Drucks. 19/27635, 126. Zum MoPeG z.B. Fleischer in MünchKomm/HGB5, Vor § 105 Rz. 208 ff. 2 Bachmann, NJW 2021, 3073 (3074). 3 Vgl. Entwurf eines Gsetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) v. 17.3.2021, BT-Drucks. 19/27635, 127. 4 Noack, NZG 2020, 581 (583). 5 Maetz in W/M, § 1 UmwStG Rz. 89; s. auch BGH v. 27.5.1957 – II ZR 317/55, WM 1957, 99; international-privatrechtlich werden Personengesellschaften aber üblicherweise den juristischen Personen gleichgestellt, vgl. Henssler in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht5, § 105 HGB Rz. 192; Benecke, GmbHR 2012, 113 (115). 6 Henssler in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht5, § 105 HGB Rz. 193; Eberhard in Beck’sches Handbuch der Personengesellschaften5, § 28 Rz. 16 ff.; steuerlich kann es in diesem Fall zu einer Verstrickung von Wirtschaftsgütern gem. § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG kommen. 7 In Ausnahmefällen werden Personengesellschaften selbst der unbeschränkten Steuerpflicht unterworfen und sind dann im jeweiligen Staat auch abkommensberechtigt; vgl. Weggenmann/Nehls in V/L7, Art. 1 OECD-MA Rz. 25 ff.; OECD-MK zu Art. 1 Rz. 9, 10. 8 Im Fall von gewerblichen Personengesellschaften kommt es für Zwecke der abkommensrechtlichen Ansässigkeit auf die Gewerbesteuerpflicht nicht an; vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.1.1; Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 19.177; Wassermeyer in Wassermeyer, DBA, Art. 1 OECD-MA Rz. 17, 27d.

Bindl/Stadler | 1217

Kap. 18 Rz. 18.16 | Doppelt ansässige Gesellschaften

Doppelbesteuerungsabkommens auf die unmittelbar oder mittelbar dahinterstehenden Kapitalgesellschaften oder natürlichen Personen abzustellen ist. Bei Vorliegen einer doppelt ansässigen ausländischen Personengesellschaft mit inländischem Verwaltungssitz hat dies lediglich zur Folge, dass die Anteilseigner der Personengesellschaft im Staat des Verwaltungssitzes sowie ggf. des Satzungssitzes jeweils eine Betriebsstätte haben. Die Besteuerung richtet sich nach den allgemeinen Betriebsstättengrundsätzen. Besondere steuerliche Vorteile dieser Strukturen sind nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund konzentrieren sich die nachfolgenden Ausführungen auf doppelt ansässige Kapitalgesellschaften. III. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen

18.17 Hintergrund. Eine doppelt ansässige Gesellschaft entsteht in der Praxis häufig dadurch, dass sie ihren Satzungssitz oder ihren Ort der Geschäftsleitung (bzw. gesellschaftsrechtlich ihren Verwaltungssitz) in einen anderen Staat verlegt. Von zentraler Bedeutung ist dabei, ob der Gründungs- und der Aufnahmestaat eine solche Sitzverlegung identitätswahrend jeweils zulässt oder die Gesellschaft nach dem Recht des Gründungsstaats aufgelöst und nach dem Recht des Aufnahmestaats neu gegründet werden muss. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, welches Gesellschaftsrecht (sog. Gesellschaftsstatut oder Sachrecht) auf die Gesellschaft nach der Sitzverlegung anzuwenden ist. Dies ist nach den Grundsätzen des internationalen Privatrechts als Kollisionsrecht zu lösen. Wesentliche Fragen sind dabei nach wie vor hoch umstritten.1 Nachfolgend werden einige Grundzüge zusammengefasst. 18.18 Sitztheorie vs. Gründungstheorie. Die Bestimmung des maßgeblichen Gesellschaftsstatuts ist Gegenstand eines Theorienstreits um die sog. Sitztheorie und die Gründungstheorie sowie ihre Abwandlungen.2 Nach der in Deutschland lange Zeit vorherrschenden Sitztheorie bestimmt sich das auf eine Gesellschaft anwendbare Gesellschaftsrecht nach dem Recht des Staates, in dem die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz hat.3 Demgegenüber ist nach der Gründungstheorie das Gesellschaftsrecht des Staates maßgeblich, in dem die Gesellschaft gegründet wurde.4 Die Gründungstheorie ist insbesondere im anglo-amerikanischen Recht vorherrschend, gewinnt aber auch in Deutschland nicht zuletzt geprägt durch die Rechtsprechung des EuGH immer mehr an Einfluss.5 1 Für einen Überblick s. Ego in MünchKomm/AktG5, 7. Bd., Europäisches Aktienrecht, Abschnitt B. Rz. 197 ff. 2 Ego in MünchKomm/AktG5, 7. Bd., Europäisches Aktienrecht, Abschnitt B. Rz. 200. 3 Kindler in MünchKomm/BGB8, 13. Bd., Teil 10 (IntGesR) Rz. 423 ff. 4 Ego in MünchKomm/AktG5, 7. Bd., Europäisches Aktienrecht, Abschnitt B. Rz. 212 weist darauf hin, dass die vereinfachende Redeweise von einer Anknüpfung an den Satzungssitz missverständlich ist, da das Ausland einen Satzungssitz kontinentaleuropäischer Prägung häufig nicht kennt. 5 Siehe die Darstellungen in Kindler in MünchKomm/BGB8, 13. Bd., Teil 10 (IntGesR) Rz. 362; Ego in MünchKomm/AktG5, 7. Bd., Europäisches Aktienrecht, Abschnitt B. Rz. 197 ff., 220; Bayer in Lutter/Hommelhoff20, § 4a GmbHG Rz. 14.

1218 | Bindl/Stadler

A. Einführung | Rz. 18.19 Kap. 18

1. Verlegung des Satzungssitzes Wegzugsfall. Unabhängig davon, ob man der Sitztheorie oder der Gründungstheorie folgt (kollisionsrechtliche Ebene), scheitert eine grenzüberschreitende Verlegung des Satzungssitzes einer deutschen Gesellschaft ins Ausland unter Wahrung ihres Gesellschaftsstatuts daran, dass § 5 AktG und § 4a GmbHG jeweils einen Satzungssitz im Inland verlangen (sachrechtliche Ebene).1 Ein Gesellschafterbeschluss über die Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland wird daher nach wohl nach h.M. als Auflösungsbeschluss oder – u.E. zutreffend – als nichtig qualifiziert.2 Das Erfordernis eines inländischen Satzungssitzes ist nach dem EuGH-Urteil in der Rechtssache Cartesio3 auch mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar. Danach steht es einem Mitgliedstaat frei, sowohl die Gründung als auch den Fortbestand einer Gesellschaft nach der eigenen nationalen Rechtsordnung zu regeln. Möglich ist innerhalb der EU/EWR jedoch ein sog. grenzüberschreitender Formwechsel, d.h. eine identitätswahrende Umwandlung in eine ausländische Gesellschaftsform (Herausformwechsel).4 Hierzu führt der EuGH in einem obiter dictum im Cartesio-Urteil aus, dass ein Mitgliedstaat einen Herausformwechsel nicht behindern darf, indem er die Auflösung und Liquidation der nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft verlangt, sofern der andere Mitgliedstaat die Umwandlung in eine Gesellschaftsform seiner Rechtsordnung zulässt.5 Daran anknüpfend hat der EuGH in der Rechtssache VALE6 klargestellt, dass auch der Aufnahmemitgliedstaat einen grenzüberschreitenden Hereinformwechsel anzuerkennen hat, sofern der Mitgliedstaat für die nach seinem eigenen Recht gegründeten Gesellschaften die Möglichkeit einer Umwandlung vorsieht (Äquivalenzprinzip). Den vorläufigen Endpunkt dieser Rechtsprechung stellt die Entscheidung in der Rechtssache Polbud7 dar, wonach der Gründungsstaat auch die bloße Verlegung des Satzungssitzes unter Beibehaltung des Verwaltungssitzes und der wirtschaftlichen Tätigkeit im Gründungsstaat ohne Auflösung und Liquidation der Gesellschaft akzeptieren muss, sofern der Zuzugsstaat die Verlegung zulässt (bzw. auf Basis des VALE-Urteil zulassen muss). Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie,8 das am 1.3.2023 in Kraft getreten, aber schon zum 1.2.2023 anwendbar ist, wird im deutschen Recht erstmals eine gesetzliche Grundlage für grenzüberschreitende Formwechsel innerhalb der EU/EWR geschaffen (§§ 333 ff. UmwG).

1 Bayer in Lutter/Hommelhoff20, § 4a GmbHG Rz. 16; Ego in MünchKomm/AktG5, 7. Bd., Europäisches Aktienrecht, Abschnitt B. Rz. 78. 2 Servatius in Noack/Servatius/Haas23, § 4a GmbHG Rz. 9; Ego in MünchKomm/AktG5, 7. Bd., Europäisches Aktienrecht, Abschnitt B. Rz. 357; Wicke in Grigoleit2, § 5 AktG Rz. 12; Berner in MünchKomm/GmbHG4, § 60 GmbHG Rz. 210; Pentz in MünchKomm/AktG5, § 45 Rz. 25. 3 EuGH v. 16.12.2008 – C-210/06 – Cartesio, Slg. 2008, I-09641. 4 Siehe die Rechtsprechungsübersicht in Mäsch in BeckOK/BGB, Art. 12 EGBGB Rz. 66. 5 EuGH v. 16.12.2008 – C-210/06 – Cartesio, Slg. 2008, I-09641, Rz. 111 f. 6 EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10 – VALE, DB 2012, 1614. 7 EuGH v. 25.10.2017 – C-106/16 – Polbud, DB 2017, 2596. 8 Gesetz v. 22.2.2023, BGBl. I 2023 Nr. 51 v. 28.2.2028, aber schon unter direkter Berufung auf die EU-Richtlinie ab dem 1.2.2023 anwendbar, Prinz, Rz. 1.9, Spiegelstrich „Europäisiertes Umwandlungsrecht“.

Bindl/Stadler | 1219

18.19

Kap. 18 Rz. 18.20 | Doppelt ansässige Gesellschaften

18.20 Zuzugsfall. Verlegt eine ausländische Gesellschaft nur ihren Satzungssitz ins Inland, richtet sich die rechtliche Behandlung dieses Vorgangs ausschließlich nach dem für die Gesellschaft geltenden ausländischen Recht.1 Es ist danach zu unterscheiden, ob der ausländische Staat der Sitztheorie oder der Gründungstheorie folgt. Im ersten Fall bleibt das ausländische Gesellschaftsrecht maßgeblich, da der Verwaltungssitz sich unverändert im Ausland befindet.2 Dies gilt auch im zweiten Fall, wenn der ausländische Staat, dem engen Wortsinne der Gründungstheorie entsprechend, ausschließlich auf die Gründung abstellt. Allerdings sind hier verschiedene Spielarten denkbar. Aus US-amerikanischer Sicht soll es z.B. wohl allein darauf ankommen, dass die in einem US-Bundesstaat gegründete Gesellschaft in diesem Staat ein „registered office“ und einen „registered agent“ behält; der Satzungssitz deutscher Prägung soll, soweit ersichtlich, keine Rolle spielen.3 Unabhängig vom ausländischen Kollisionsrecht besteht bei einem Zuzug aus dem EU-/EWR-Raum wiederum die Möglichkeit eines identitätswahrenden grenzüberschreitenden Hereinformwechsels auf Basis der in Rz. 18.19 dargestellten Grundsätze. 2. Verlegung des Verwaltungssitzes

18.21 Wegzugsfall. Seit dem MoMiG4 ist es gem. § 4a GmbHG und § 5 AktG möglich, dass der Verwaltungssitz vom Satzungssitz abweicht.5 Danach ist grundsätzlich auch ein ausländischer Verwaltungssitz zulässig (s. hierzu auch Rz. 2.48 ff.). Weiterhin umstritten ist jedoch, ob sich durch die sachrechtliche Neufassung des § 4a GmbHG und § 5 AktG auch die kollisionsrechtliche Rechtslage geändert hat oder ob diesbezüglich weiterhin die Sitztheorie gilt.6 Letzteres hätte jedenfalls dann die Auflösung der Gesellschaft zur Folge, wenn das Ausland nicht seinerseits die Gründungstheorie anwendet und kollisionsrechtlich auf das deutsche Sachrecht zurückverweist (sog. renvoi au premier degré).7 Nach der ganz h.M. kommt § 4a GmbHG und § 5 AktG jedoch auch ein kollisionsrechtlicher Gehalt zu mit der Folge, dass die Verlegung des Verwaltungssitzes einer deutschen Gesellschaft ins Ausland zumindest aus deutscher Sicht ungeachtet dessen zulässig ist, ob das Ausland der Sitztheorie oder der Gründungstheorie folgt.8 Zu prüfen ist dann grundsätzlich noch, ob der ausländische Staat nach seinem Kollisionsrecht die deutsche Gesellschaft als solche anerkennt, wobei EU-/EWR-Staaten hierzu nach der Rechtsprechung des EuGH verpflichtet sind (s. Rz. 18.22).9 Im 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Pentz in MünchKomm/AktG5, § 45 Rz. 27. Kindler in MünchKomm/BGB8, 13. Bd., Teil 10 (IntGesR) Rz. 847. Bungert, RIW 1999, 109 (113 f.). Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026. Ab dem 1.1.2024 ist dies auch bei Personengesellschaften möglich, s. Rz. 18.16. Ego in MünchKomm/AktG5, Band 7, Europäisches Aktienrecht, Abschnitt B. Rz. 223. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EGBGB; Ego in MünchKomm/AktG5, Band 7, Europäisches Aktienrecht, Abschnitt B. Rz. 222. Bayer in Lutter/Hommelhoff20, § 4a GmbHG Rz. 14 m.w.N.; Servatius in Noack/Servatius/ Haas23, § 4a GmbHG Rz. 10 m.w.N.; Ego in MünchKomm/AktG5, 7. Bd., Europäisches Aktienrecht, Abschnitt B. Rz. 223. Bayer in Lutter/Hommelhoff20, § 4a GmbHG Rz. 14; Servatius in Noack/Servatius/Haas23, § 4a GmbHG Rz. 11.

1220 | Bindl/Stadler

A. Einführung | Rz. 18.22 Kap. 18

Ergebnis verbleibt bei Drittstaaten, die der Sitztheorie folgen, ein Risiko, dass es zu einer Statutenverdopplung kommt mit der Folge, dass die wegziehende deutsche Gesellschaft im Ausland nicht als solche anerkannt wird.1 Zuzugsfall. Im Hinblick auf Zuzugsfälle ist zwischen EU/EWR-Gesellschaften und Drittstaaten-Gesellschaften zu unterscheiden (s. hierzu auch Rz. 2.35 ff.). Erstere können ihren Verwaltungssitz auf Basis der EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit identitätswahrend nach Deutschland verlegen. Zwar hatte der EuGH in der Rechtssache Daily Mail für den Wegzugsfall entschieden, dass es einem Mitgliedstaat freisteht, die Gründung und den Fortbestand einer Gesellschaft nach der eigenen nationalen Rechtsordnung zu regeln und damit auch die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland zu sanktionieren.2 Etwas anderes gilt jedoch für den Zuzugsstaat. Seit den Urteilen in den Rechtssachen Centros3, Überseering4 und Inspire Art5 ist nahezu unstrittig, dass ein Mitgliedstaat die Rechts- und Parteifähigkeit einer aus einem anderen Mitgliedstaat zugezogenen und dort ordnungsgemäß errichteten Gesellschaft anzuerkennen hat („europarechtliche Gründungstheorie“).6 Im Verhältnis zu Drittstaaten gilt in Deutschland hingegen grundsätzlich weiterhin die Sitztheorie.7 Verlegt eine Drittstaaten-Gesellschaft ihren Verwaltungssitz nach Deutschland, hat dies somit einen Statutenwechsel zur Folge, d.h. auf die zugezogene Gesellschaft findet deutsches Gesellschaftsrecht Anwendung.8 Dies hat die drastische Konsequenz, dass die ausländische Gesellschaft als solche nicht anerkannt wird.9 Um ihre Rechtsfähigkeit wiederzuerlangen, muss die Gesellschaft nach deutschem Recht neu gegründet und ins Handelsregister eingetragen werden.10 Bis dahin ist die Gesellschaft als Personengesellschaft (oder sogar als Einzelunternehmen bei Gesellschaften mit einem Alleingesellschafter) zu behandeln mit der Folge einer unbeschränkten Haftung ihrer Gesellschafter entsprechend §§ 128, 129 HGB.11 Dies bedeutet, dass doppelt an1 Bayer in Lutter/Hommelhoff20, § 4a GmbHG Rz. 14; Servatius in Noack/Servatius/Haas23, § 4a GmbHG Rz. 11. 2 EuGH v. 27.9.1988 – 81/87 – Daily Mail, Slg. 1988, 5483, Rz. 19. Diese Grundsätze hat der EuGH im Cartesio-Urteil nochmals bestätigt, wobei er in einem obiter dictum deutlich gemacht hat, dass ein Mitgliedstaat einen sog. Herausformwechsel nicht behindern darf, sofern der andere Mitgliedstaat die Umwandlung in eine Gesellschaftsform seiner Rechtsordnung zulässt; EuGH v. 16.12.2008 – C-210/06 – Cartesio, Slg. 2008, I-09641. 3 EuGH v. 9.3.1999 – C-212/97 – Centros, Slg. 1999, I-1459. 4 EuGH v. 5.11.2002 – C-208/00 – Überseering, Slg. 2002, I-9919. 5 EuGH v. 30.9.2003 – C-167/01 – Inspire Art, Slg. 2003, I-10155. 6 Bayer in Lutter/Hommelhoff20, § 4a GmbHG Rz. 14 m.w.N., auch zur Rechtsprechung des BGH; v. Hein in MünchKomm/BGB8, Art. 3 EGBGB Rz. 97 ff. 7 v. Hein in MünchKomm/BGB8, Art. 3 EGBGB Rz. 102; Ego in MünchKomm/AktG5, Band 7, Europäisches Aktienrecht, Abschnitt B. Rz. 206. 8 Fleischer in MünchKomm/HGB5, Vor § 105 Rz. 353. 9 Ego in MünchKomm/AktG5, 7. Bd., Europäisches Aktienrecht, Abschnitt B. Rz. 206. 10 BGH v. 21.3.1986 – V ZR 10/85, BGHZ 97, 269; 11 BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, BGHZ 178, 192 (sog. Trabrennbahn-Entscheidung); v. 1.7.2002 – II ZR 380/00, BGHZ 151, 204; Kindler in MünchKomm/BGB8, 13. Bd., Teil 10 (IntGesR) Rz. 427; Fleischer in MünchKomm/GmbHG4, 1. Bd., Einleitung Rz. 350; Mayer/ Manz, BB 2016, 1731 (1733).

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18.22

Kap. 18 Rz. 18.22 | Doppelt ansässige Gesellschaften

sässige Kapitalgesellschaften mit einem Satzungssitz im Drittland und einem Verwaltungssitz in Deutschland aufgrund der insoweit in Deutschland immer noch angewendeten Sitztheorie grundsätzlich nicht möglich sind. Ausnahmen können auf Basis bilateraler Abkommen gelten. So werden z.B. Gesellschaften, die in den USA gegründet wurden und ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegen, nach Art. XXV des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags vom 29.10.19541 mit ihrer USRechtsform als voll rechtsfähig anerkannt (s. hierzu auch Rz. 2.41).2

B. Ausgewählte laufende steuerliche Aspekte 18.23 Kapitalgesellschaften mit Inlandsbezug. Nachfolgend werden ausgewählte Aspekte im Zusammenhang mit der laufenden Besteuerung doppelt ansässiger Gesellschaften dargestellt. Dabei wird stets ein Inlandsbezug unterstellt. Dies bedeutet, dass die doppelt ansässige Kapitalgesellschaft annahmegemäß entweder ihren Sitz oder ihren Ort der Geschäftsleitung in Deutschland hat. I. Persönliche Steuerpflicht

18.24 Körperschaftsteuer. Zunächst unterliegt die doppelt ansässige Kapitalgesellschaft im Inland der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht. Hierfür ist nämlich ausreichend, dass die Kapitalgesellschaft entweder ihren Sitz oder ihren Ort der Geschäftsleitung im Inland hat (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG). Mit dem SEStEG3 wurde klargestellt, dass auch ausländische Gesellschaftsformen, die nach dem Rechtstypenvergleich mit inländischen Kapitalgesellschaften vergleichbar sind, von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG erfasst sind.4 18.25 Gewerbesteuer. Der deutschen Gewerbesteuer unterliegt eine doppelt ansässige Kapitalgesellschaft nur, soweit sie im Inland eine Betriebsstätte unterhält (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang die Legaldefinition in § 12 AO. Die inländische Geschäftsleitung einer ausländischen Kapitalgesellschaft stellt stets eine solche gewerbesteuerlich relevante Betriebsstätte dar (§ 12 Satz 1 Nr. 1 AO). Umgekehrt unterliegt eine inländische Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Ausland nur mit ihren inländischen Betriebsstätteneinkünften der Gewerbesteuerpflicht.5 1 BGBl. II 1956, 487. 2 Bayer in Lutter/Hommelhoff20, § 4a GmbHG Rz. 8; v. Hein in MünchKomm/BGB8, Art. 3 EGBGB Rz. 102. 3 Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. 4 Münch in D/P/W, § 1 KStG Rz. 87. Nach früherer Rechtslage war streitig, ob ausländische Gesellschaften mit Geschäftsleitung im Inland unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 5 KStG fallen; s. hierzu Stadler/Elser, DB 2002, Beilage 1, 41 (41, dort Fn. 396 m.w.N.). 5 Dieses Ergebnis wird auf Ebene der sachlichen Steuerpflicht durch die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG wiederholt. Der Vorschrift kommt insoweit nur deklaratorische Bedeutung zu; vgl. Gosch in Brandis/Heuermann, § 9 GewStG Rz. 212.

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B. Ausgewählte laufende steuerliche Aspekte | Rz. 18.28 Kap. 18

Ausländische Steuern. Neben der Steuerpflicht im Inland ist die doppelt ansässige Gesellschaft definitionsgemäß noch in einem weiteren Staat unbeschränkt steuerpflichtig.

18.26

II. Sachliche Steuerpflicht 1. Innerstaatliches Steuerrecht Zweifache Besteuerung. In sachlicher Hinsicht unterliegt die doppelt ansässige Kapitalgesellschaft in Deutschland mit ihrem gesamten Welteinkommen der Besteuerung. Zusätzlich wird die Gesellschaft regelmäßig nach dem Recht des anderen Staates, in dem sie unbeschränkt steuerpflichtig ist, mit ihrem Welteinkommen besteuert.1 Besteht zwischen beiden Staaten kein DBA, kann die hieraus resultierende Doppelbesteuerung nur durch unilaterale Anrechnungs- und Abzugsvorschriften (§ 26 KStG i.V.m. § 34c EStG) abgemildert werden. Gegebenenfalls sieht das Steuerrecht des anderen Staates ähnliche Regelungen vor.

18.27

2. Abkommensrecht Tie Breaker Rule. Sofern beide Staaten ein DBA abgeschlossen haben, wird das Problem der doppelten unbeschränkten Steuerpflicht regelmäßig dadurch gelöst, dass die betreffende Gesellschaft nach dem Abkommen als nur in dem Staat ansässig behandelt wird, in dem sich der Ort der Geschäftsleitung2 befindet (sog. Tie Breaker Rule, Art. 4 Abs. 3 DBA-VG). Dem anderen Staat, in dem sich der Satzungssitz befindet, wird die Rolle eines Quellenstaates zugewiesen, was mit entsprechenden Einschränkungen im Hinblick auf sein Besteuerungsrecht verbunden ist (insb. im Hinblick auf die Besteuerung von Drittstaateneinkünften, s. Art. 20 DBA-VG). Demgegenüber sieht Art. 4 Abs. 3 OECD MA 2017 nunmehr ein Verständigungsverfahren zur Bestimmung des Orts der Geschäftsleitung vor.3 Beispiel: Eine deutsche GmbH mit Satzungssitz im Inland und Ort der Geschäftsleitung in Luxemburg unterhält neben ihrer Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Luxemburg jeweils noch eine operative Betriebsstätte in Deutschland und in Hongkong.

1 Lampert in Gosch4, § 1 KStG Rz. 63. 2 Zum Begriff, auch zum Verhältnis zum „Ort der Geschäftsleitung“ i.S.d. § 10 AO, vgl. Ismer/Blank in V/L7, Art. 4 OECD-MA Rz. 279. 3 Kritisch Ismer/Blank in V/L7, Art. 4 OECD-MA Rz. 242.

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18.28

Kap. 18 Rz. 18.28 | Doppelt ansässige Gesellschaften

Lösung: Die GmbH gilt nach Art. 4 Abs. 3 DBA LUX als nur in Luxemburg ansässig. Deutschland darf die Gewinne der GmbH nur insoweit besteuern, als sie der deutschen Betriebsstätte zugerechnet werden können (Art. 7 Abs. 1 DBA LUX). Die Einkünfte der Betriebsstätten in Luxemburg und Hongkong stellen andere Einkünfte i.S.d. Art. 20 DBA LUX dar und dürfen somit – vorbehaltlich eines innerstaatlichen Treaty Override (z.B. § 20 Abs. 1, 2 AStG; s. auch unten Rz. 18.60 ff.) – nur in Luxemburg besteuert werden.

18.29 Mehrere Mittelpunkte der geschäftlichen Oberleitung. Entsprechend dem Sinn und Zweck der Tie Breaker Rule, die Ansässigkeit eindeutig festzulegen, kann als Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung nur ein einziger Ort in Betracht kommen. Dies führt insbesondere dann zu Schwierigkeiten, wenn das Unternehmen aufgrund einer dezentralen Leitung mehrere Mittelpunkte der geschäftlichen Oberleitung hat (s. Rz. 18.12). Der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung ist in diesen Fällen letztlich im Wege einer Gesamtabwägung sämtlicher im Einzelfall erheblichen Umstände und Tatsachen zu bestimmen.1 Ein Verständigungsverfahren wie in Art. 4 Abs. 3 OECD MA 2017 erscheint in den praktisch relevanten Fällen nicht praktikabel, da sich die tatsächlichen Verhältnisse im Zweifel laufend ändern. Die Diskussion ist diesbezüglich noch nicht abgeschlossen. III. Ausschüttungen einer doppelt ansässigen Kapitalgesellschaft 1. Innerstaatliche steuerliche Regelungen a) Besteuerung auf Ebene der Gesellschaft

18.30 Zweifache Kapitalertragsteuerpflicht. Nach dem innerstaatlichen Steuerrecht unterliegen Gewinnausschüttungen einer doppelt ansässigen Kapitalgesellschaft als ausschüttende Gesellschaft an ihre Anteilseigner regelmäßig in beiden Staaten, in denen die Gesellschaft unbeschränkt steuerpflichtig ist, der Kapitalertragsteuer: – In Deutschland ergibt sich die Kapitalertragsteuerpflicht aus § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Inländische Kapitalerträge im Sinne der Vorschrift liegen vor, wenn die ausschüttende Kapitalgesellschaft entweder ihren Sitz oder ihre Geschäftslei1 Ismer/Blank in V/L7, Art. 4 OECD-MA Rz. 281.

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B. Ausgewählte laufende steuerliche Aspekte | Rz. 18.31 Kap. 18

tung im Inland hat (§ 43 Abs. 3 EStG). Die Kapitalertragsteuer beträgt grundsätzlich 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag.1 Erfolgt die Ausschüttung an eine EU-Muttergesellschaft, ist grundsätzlich auch für doppelt ansässige Kapitalgesellschaften der Anwendungsbereich des § 43b EStG, mit dem Deutschland die sog. Mutter-Tochter-Richtlinie umgesetzt hat, eröffnet.2 Maßgeblich ist insoweit, dass die doppelt ansässige Gesellschaft in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist (§ 43b Abs. 2 Satz 3 EStG).3 Sofern auch die übrigen Voraussetzungen (z.B. Beteiligungshöhe, Haltedauer, Freistellungsbescheinigung4 etc.) erfüllt sind und die Anti-Treaty-Shopping- bzw. Anti-Directive-Shopping-Regelung des § 50d Abs. 3 EStG nicht zur Anwendung kommt, wird die deutsche Kapitalertragsteuer auf die Ausschüttung nicht erhoben. Beschränkungen des deutschen Kapitalertragsteuerabzugs können sich auch aus einem Doppelbesteuerungsabkommen ergeben (s. Rz. 18.43 ff.). – Auch in dem ausländischen Staat, in dem die doppelt ansässige Kapitalgesellschaft der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt, besteht nach dem dortigen innerstaatlichen Recht regelmäßig eine Verpflichtung zum Einbehalt von Kapitalertragsteuer (ggf. ebenfalls ermäßigt nach Maßgabe der Mutter-Tochter-Richtlinie oder eines Doppelbesteuerungsabkommens). b) Besteuerung auf Ebene der Anteilseigner aa) Einkommen- und Körperschaftsteuer Betriebsvermögen. Werden die Anteile an der doppelt ansässigen Kapitalgesellschaft im Betriebsvermögen gehalten, unterliegen die Ausschüttungen dem sog. Teileinkünfteverfahren. Dies bedeutet, dass die Ausschüttungen grundsätzlich5 zu 40 % (natürliche Personen) bzw. 95 % (Kapitalgesellschaften) steuerfrei sind (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG, § 8b Abs. 1 und 5 KStG). Andererseits können natürliche Personen beteiligungsbezogene Betriebsausgaben nur zu 60 % abziehen (§ 3c Abs. 2 EStG), Kapitalgesellschaften hingegen in voller Höhe (§ 8b Abs. 3 Satz 2 KStG). 1 §§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 3 Abs. 1 Nr. 5 SolZG. Für bestimmte Anteilseigner reduziert sich die Kapitalertragsteuer auf 15 % zzgl. Solidaritätszuschlag; s. z.B. § 44a Abs. 7 und 8 EStG für steuerbefreite Anteilseigner und inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder § 44a Abs. 9 i.V.m. § 50d Abs. 3 EStG für beschränkt steuerpflichtige Körperschaften. 2 Richtlinie (EWG) Nr. 90/435 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten v. 23.7.1990, ABl. EU Nr. L 225 v. 20.8.1990, 6. 3 Im Hinblick auf die Muttergesellschaft ist Voraussetzung, dass sie nach dem Steuerrecht eines Mitgliedstaates in diesem ansässig ist und darüber hinaus abkommensrechtlich nicht aufgrund eines DBA mit einem Drittstaat nach der Tie Breaker Rule als in Letzterem ansässig betrachtet wird. Diese in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Mutter-Tochter-Richtlinie verankerte Regelung hat der Gesetzgeber durch den Verweis in § 43b Abs. 2 Satz 3 EStG auf Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Mutter-Tochter-Richtlinie und damit indirekt auf Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Mutter-Tochter-Richtlinie auch in innerstaatliches Recht umgesetzt. 4 § 50c Abs. 2 EStG. 5 D.h. vorbehaltlich Sonderregelungen wie z.B. § 8b Abs. 4, 7 und 8 KStG.

Bindl/Stadler | 1225

18.31

Kap. 18 Rz. 18.32 | Doppelt ansässige Gesellschaften

18.32 Privatvermögen. Bei Anteilen im Privatvermögen unterliegen die Ausschüttungen grundsätzlich1 der Abgeltungsteuer (§ 32d i.V.m. § 43 Abs. 5 EStG). Als Werbungskosten kann lediglich der Sparer-Pauschbetrag i.H.v. 1.000 € (Einzelveranlagung) bzw. 2.000 € (Zusammenveranlagung) abgezogen werden.2 Ein Abzug der tatsächlichen Werbungskosten ist ausgeschlossen (§ 20 Abs. 9 EStG). bb) Gewerbesteuer

18.33 Statutarischer Sitz im Ausland und Ort der Geschäftsleitung im Inland. Der BFH hat im Hinblick auf Kapitalgesellschaften mit statutarischem Sitz im Ausland und Ort der Geschäftsleitung im Inland für eine Anwendung des § 9 Nr. 2a GewStG entschieden.3 Für die Einbeziehung solcher Kapitalgesellschaften sprechen aus Sicht des BFH zunächst systematische Gesichtspunkte. Da die Regelung des § 9 Nr. 7 GewStG ausdrücklich auf Kapitalgesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland beschränkt ist, müsse im Umkehrschluss für § 9 Nr. 2a GewStG grundsätzlich ein einfacher Inlandsbezug ausreichen. Entscheidend sei letztlich der Zweck des gewerbesteuerrechtlichen Schachtelprivilegs, eine gewerbesteuerliche Doppelbelastung sowohl auf Ebene der ausschüttenden Gesellschaft als auch auf Ebene ihres Anteilseigners zu vermeiden. Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland und Ort der Geschäftsleitung im Inland unterlägen in gleicher Weise wie Kapitalgesellschaften mit doppeltem Inlandsbezug der inländischen Gewerbesteuerpflicht. Aus welchem Grund es gerade in diesem Fall bei einer gewerbesteuerlichen Doppelbelastung bleiben soll, obwohl nach § 9 Nr. 7 GewStG sogar Kapitalgesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland begünstigt werden, sei auch unter dem Gesichtspunkt einer Typisierung nicht ersichtlich. Schließlich werde der Einbezug von ausländischen Gesellschaften mit Ort der Geschäftsleitung im Inland auch durch den Verweis auf § 2 Abs. 2 GewStG bestätigt; denn diese Regelung erfasst auch ausländische Rechtsformen. 18.34 Statutarischer Sitz im Inland und Ort der Geschäftsleitung im Ausland. Ob auch Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften mit statutarischem Sitz im Inland und Ort der Geschäftsleitung im Ausland von § 9 Nr. 2a GewStG erfasst sind, hat der BFH mangels Entscheidungserheblichkeit offengelassen. Nach der unseres Erachtens zutreffenden herrschenden Auffassung ist dies der Fall.4 Die vom BFH angeführten Argumente sind auf diese Fälle nämlich übertragbar. Dies betrifft erstens die systematischen Überlegungen, nämlich das Zusammenspiel mit § 9 Nr. 7 GewStG und mit § 2 1 Unter bestimmten Voraussetzungen kommt auf Antrag des Steuerpflichtigen der tarifliche Einkommensteuersatz zur Anwendung (§ 32d Abs. 2 Nr. 3, Abs. 6 EStG). 2 § 20 Abs. 9 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2022, BGBl. I 2022, 2294. 3 BFH v. 28.6.2022 – I R 43/18, DB 2022, 2516. Die Regelung des § 9 Nr. 7 GewStG ist auf Gesellschaften, die im Inland ihren Sitz oder ihren Ort der Geschäftsleitung haben, nach ihrem insoweit eindeutigen Wortlaut (doppelter Auslandsbezug) nicht anwendbar. 4 Güroff in Glanegger/Güroff10, § 9 Nr. 2a GewStG Rz. 3; Rehfeld in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, § 9 Nr. 2a GewStG Rz. 27; Rehfeld in Deloitte, § 9 Nr. 2a GewStG Rz. 5; Schnitter in Frotscher/Drüen, § 9 GewStG Rz. 133; Kollruss, IStR 2021, 344, (348 ff.); BregenhornKuhs/Drumm/Wagner, IWB, Fach 3 Gruppe 5, 85 (89). Eher ablehnend Bergmann in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann2, § 9 Nr. 2a GewStG Rz. 21. Zum Streitstand siehe Gosch in Brandis/Heuermann, § 9 GewStG Rz. 164 f.

1226 | Bindl/Stadler

B. Ausgewählte laufende steuerliche Aspekte | Rz. 18.36 Kap. 18

Abs. 2 GewStG. Was die Vermeidung der gewerbesteuerlichen Doppelbelastung anbelangt, so ist die Anwendung der Kürzungsvorschrift streng genommen in denjenigen Fällen nicht erforderlich, in denen die doppelt ansässige Gesellschaft mangels inländischer Betriebsstätte nicht der Gewerbesteuer unterliegt. Hierauf kommt es nach unserem Verständnis der o.g. BFH-Entscheidung aber nicht an. Vielmehr muss sich die Auslegung des § 9 Nr. 2a GewStG auch in diesem Fall an § 9 Nr. 7 GewStG messen lassen. Da nach § 9 Nr. 7 GewStG sogar Kapitalgesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland begünstigt werden, ohne dass eine inländische Betriebsstätte vorliegen muss, ist nicht ersichtlich, weshalb für die Anwendung des § 9 Nr. 2a GewStG auf Kapitalgesellschaften mit Sitz im Inland und Geschäftsleitung im Ausland etwas anderes gelten sollte. cc) Einlagenrückgewähr Einlagenrückgewähr grundsätzlich steuerneutral. Soweit die Ausschüttung eine Einlagenrückgewähr i.S.v. § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG darstellt, ist diese auf Ebene der Anteilseigner nicht steuerbar, soweit sie den Beteiligungsbuchwert der Anteile in der Steuerbilanz nicht übersteigt.1 Der Beteiligungsbuchwert der Anteile reduziert sich in einem solchen Fall um den Betrag der Einlagenrückgewähr.2 Der Bestand des steuerlichen Einlagekontos wird von Amts wegen gesondert festgestellt (§ 27 Abs. 2 Satz 1 KStG). Die Vorschrift ist nach ihrem Wortlaut auf alle unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften anzuwenden und erfasst damit auch doppelt ansässige Kapitalgesellschaften.3 Die Sonderregelung des § 27 Abs. 8 KStG findet keine Anwendung. Bis zum 31.12.2022 ergab sich dies daraus, dass die Vorschrift ausschließlich Körperschaften oder Personenvereinigungen erfasste, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen, ohne gleichzeitig in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig zu sein.4 Seit dem 1.1.2023 ist § 27 Abs. 8 KStG nur auf solche Kapitalgesellschaften anwendbar, die nicht der unbeschränkten Steuerpflicht im Inland unterliegen.

18.35

2. Abkommensrechtliche Aspekte a) Vermeidung bzw. Abmilderung der steuerlichen Mehrfachbelastung Bedeutung. Aufgrund der zweifachen Quellensteuerpflicht und der zusätzlichen Besteuerung auf Ebene der Anteilseigner ist es insbesondere bei Ausschüttungen von doppelt ansässigen Gesellschaften wichtig, dass die drohende steuerliche Mehrfachbelastung durch entsprechende abkommensrechtliche Regelungen vermieden oder 1 Soweit die Einlagenrückgewähr den Buchwert der Beteiligung übersteigt, unterliegt sie bei Kapitalgesellschaften als Anteilseigner der Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 2 KStG; vgl. BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a – 7/03, BStBl. I 2003, 292 Rz. 6. Zur abweichenden Behandlung bei Anteilen im Privatvermögen (ggf. negative Anschaffungskosten) vgl. Levedag in Schmidt41, § 20 EStG Rz. 67 mit Hinweis auf BFH v. 20.4.1999 – VIII R 44/96, BStBl. II 1999, 698. 2 Levedag in Schmidt41, § 20 EStG Rz. 67. 3 Bauschatz in Gosch4, § 27 KStG Rz. 137. 4 Bauschatz in Gosch4, § 27 KStG Rz. 137.

Bindl/Stadler | 1227

18.36

Kap. 18 Rz. 18.36 | Doppelt ansässige Gesellschaften

zumindest abgemildert wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Voraussetzungen der Mutter-Tochter-Richtlinie nicht erfüllt werden. In der nachfolgenden abkommensrechtlichen Analyse wird unterstellt, dass sämtliche beteiligten Staaten untereinander DBA entsprechend der deutschen DBA-VG1 abgeschlossen haben. Die abkommensrechtliche Verteilung der Besteuerungsrechte lässt sich in diesem Fall wie folgt systematisieren:2 b) Kapitalgesellschaft mit Satzungssitz in Deutschland und Geschäftsleitung im Ausland

18.37 Hat die ausschüttende Kapitalgesellschaft ihren Satzungssitz in Deutschland und ihre tatsächliche Geschäftsleitung im Ausland, gilt sie gem. Art. 4 Abs. 3 DBA-VG als nur im Geschäftsleitungs-Staat (GL-Staat) ansässig. Die weiteren Rechtsfolgen bestimmen sich nach der Ansässigkeit des Anteilseigners. In diesem Zusammenhang ist zwischen der Ansässigkeit im GL-Staat (Fall 1), in Deutschland (Fall 2) und im sonstigen Ausland (Fall 3) zu unterscheiden:

– Fall 1: Anteilseigner (A) ist im GL-Staat ansässig Abkommensrechtlich liegt kein grenzüberschreitender Sachverhalt vor, da sowohl A als auch die GmbH abkommensrechtlich im GL-Staat ansässig sind bzw. als ansässig gelten. Das Besteuerungsrecht liegt grundsätzlich3 ausschließlich beim GL1 Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen, BMF v. 22.8.2013 – IV B 2 - S 1301/13/10009, abgedruckt in V/L7, Art. 13 OECD-MA. 2 Für eine ausführliche Darstellung vgl. Staringer, Besteuerung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, S. 387 ff. m.w.N.; vereinfachend wird nachfolgend davon ausgegangen, dass der Anteilseigner seine Beteiligung jeweils im Stammhaus und nicht über eine ausländische Betriebsstätte hält. 3 Einzelne DBA enthalten Sonderregelungen, wonach bei doppelt ansässigen Gesellschaften auch der Sitzstaat zum Abzug von Quellensteuern berechtigt ist (z.B. Art. 4 Abs. 10 DBA Schweiz); Hardt in Wassermeyer, DBA, Art. 4 DBA Schweiz Rz. 331 ff.

1228 | Bindl/Stadler

B. Ausgewählte laufende steuerliche Aspekte | Rz. 18.38 Kap. 18

Staat, da die Ausschüttungen abkommensrechtlich aus dem Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners stammen und somit nach h.M. andere Einkünfte i.S.v. Art. 20 Abs. 1 DBA-VG darstellen.1 Deutschland darf die Ausschüttung nicht besteuern; technisch erfolgt dies im Wege der Freistellung (§ 50c Abs. 2 EStG) bzw. der Erstattung(§ 50c Abs. 3 EStG), in beiden Fällen jedoch vorbehaltlich § 50d Abs. 3 EStG. – Fall 2: Anteilseigner (B) ist in Deutschland ansässig Deutschland als Ansässigkeitsstaat des B hat gem. Art. 10 Abs. 1 DBA-VG das Besteuerungsrecht im Hinblick auf die Dividende, das der Höhe nach nicht beschränkt ist. Dieses Besteuerungsrecht darf nach richtiger Auffassung nicht nur im Rahmen der Veranlagung des B, sondern auch in Form des Kapitalertragsteuerabzugs unmittelbar bei der ausschüttenden GmbH ausgeübt werden.2 Der GLStaat darf die Dividende auch besteuern, ist jedoch nach Art. 10 Abs. 2 DBA-VG in seinem Besteuerungsrecht der Höhe nach auf 5 % bzw. 15 % beschränkt. Die doppelt ansässige Kapitalgesellschaft muss daher je nach Ausgestaltung der innerstaatlichen Regelungen ggf. zweimal Kapitalertragsteuer einbehalten, einmal für deutsche Zwecke und einmal für Zwecke des ausländischen GL-Staates. – Fall 3: Anteilseigner (C) ist im sonstigen Ausland ansässig Nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und dem GLStaat darf ausschließlich der GL-Staat die Dividende besteuern. Deutschland ist am Einbehalt von Kapitalertragsteuer gehindert; dies ergibt sich aus dem in Art. 10 Abs. 5 DBA-VG festgelegten Verbot der exterritorialen Besteuerung.3 Eine eventuell einbehaltene Kapitalertragsteuer ist vorbehaltlich § 50d Abs. 3 EStG zu erstatten. Dass der im Drittstaat ansässige Anteilseigner C selbst nicht persönlich abkommensberechtigt in Bezug auf das DBA zwischen Deutschland und dem GLStaat ist, spielt nach der h.M. insoweit keine Rolle.4 Der Quellensteuereinbehalt im GL-Staat wird der Höhe nach ggf. durch ein bestehendes DBA zwischen dem GLStaat und dem Drittstaat beschränkt (Art. 10 Abs. 2 DBA-VG). c) Kapitalgesellschaft mit Satzungssitz im Ausland und Geschäftsleitung in Deutschland Hat die ausschüttende Kapitalgesellschaft ihren Satzungssitz im Ausland und ihre tatsächliche Geschäftsleitung in Deutschland, gilt sie gem. Art. 4 Abs. 3 DBA-VG als nur in Deutschland ansässig. Die weiteren Rechtsfolgen bestimmen sich wiederum nach der Ansässigkeit des Anteilseigners: 1 Lehner in V/L7, Art. 21 OECD-MA Rz. 3; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, DBA, Art. 21 OECD-MA Rz. 1, 55. 2 Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, DBA Art. 10 OECD-MA Rz. 52. 3 Tischbirek/Specker in V/L7, Art. 10 OECD-MA Rz. 245. In einzelnen DBA wird das Verbot der exterritorialen Besteuerung allerdings durch Sonderbestimmungen aufgehoben (z.B. Art. 4 Abs. 10 DBA Schweiz). In diesem Fall darf auch der Sitzstaat Quellensteuern erheben; Hardt in Wassermeyer, DBA, Art. 4 DBA Schweiz Rz. 348; Piltz in FS Herzig, 23 (33 f.). 4 Staringer, Besteuerung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, S. 397 m.w.N.

Bindl/Stadler | 1229

18.38

Kap. 18 Rz. 18.38 | Doppelt ansässige Gesellschaften

– Fall 4: Anteilseigner (A) ist im Satzungssitz-Staat (S-Staat) ansässig Dieser Fall entspricht spiegelverkehrt dem Fall 2. Dem S-Staat steht gem. Art. 10 Abs. 1 DBA-VG das uneingeschränkte Besteuerungsrecht im Hinblick auf die Dividende zu. Deutschland ist nach Art. 10 Abs. 2 DBA-VG zum Einbehalt von Kapitalertragsteuer i.H.v. maximal 5 % bzw. 15 % berechtigt. – Fall 5: Anteilseigner (B) ist in Deutschland ansässig Dieser Fall entspricht spiegelverkehrt dem Fall 1. Abkommensrechtlich liegt kein grenzüberschreitender Sachverhalt vor. Das Besteuerungsrecht liegt gem. Art. 20 Abs. 1 DBA-VG ausschließlich bei Deutschland. Der deutsche Kapitalertragsteuerabzug wird abkommensrechtlich nicht eingeschränkt. – Fall 6: Anteilseigner (C) ist im sonstigen Ausland ansässig Dieser Fall entspricht spiegelverkehrt dem Fall 3. Im Verhältnis zwischen Deutschland und dem S-Staat darf nur Deutschland die Dividende besteuern (Art. 10 Abs. 5 DBA-VG). Das deutsche Besteuerungsrecht wird ggf. nach dem DBA mit dem Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners der Höhe nach beschränkt (Art. 10 Abs. 2 DBA-VG). IV. Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer doppelt ansässigen Gesellschaft

18.39 Innerstaatliches deutsches Steuerrecht. Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer doppelt ansässigen Kapitalgesellschaft unterliegen aus Sicht des innerstaatlichen deutschen Steuerrechts den gleichen Regeln der Besteuerung wie Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einfach ansässigen Gesellschaften.1 1 D.h. § 20 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 32d Abs. 1 EStG bzw. § 17 i.V.m. § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG bei Anteilen im Privatvermögen und § 3 Nr. 40 Buchst. a i.V.m. § 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b Abs. 2, 3 KStG bei Anteilen im Betriebsvermögen.

1230 | Bindl/Stadler

B. Ausgewählte laufende steuerliche Aspekte | Rz. 18.42 Kap. 18

Abkommensrecht. Abkommensrechtlich ist die Situation einfacher als bei Ausschüttungen. Dies liegt daran, dass das Besteuerungsrecht für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften in der Regel1 ausschließlich dem Wohnsitzstaat des Anteilseigners zugewiesen wird (Art. 13 Abs. 5 DBA-VG). Auf die Ansässigkeit der Gesellschaft, deren Anteile veräußert werden, und etwaige Quellensteuern kommt es zumindest dann nicht an, wenn zwischen allen beteiligten Staaten ein DBA abgeschlossen wurde.

18.40

V. Ausschüttungen an eine doppelt ansässige Gesellschaft 1. Innerstaatliche steuerliche Regelungen Besteuerung in Deutschland. Aus deutscher innerstaatlicher Sicht unterliegen doppelt ansässige Kapitalgesellschaften der unbeschränkten Steuerpflicht. Ausschüttungen einer Tochtergesellschaft an ihre doppelt ansässige Muttergesellschaft sind somit grundsätzlich wie Ausschüttungen an eine einfach ansässige Kapitalgesellschaft zu behandeln.

18.41

– Dies bedeutet, dass die Ausschüttungen regelmäßig2 zu 95 % körperschaftsteuerfrei sind (§ 8b Abs. 1 KStG). – Die gewerbesteuerliche Behandlung hängt davon ab, ob die doppelt ansässige Kapitalgesellschaft im Inland eine Betriebsstätte unterhält und – falls dies der Fall ist – im Hinblick auf die Beteiligung an der Tochter-Kapitalgesellschaft die Voraussetzungen des nationalen (§ 9 Nr. 2a GewStG) bzw. des internationalen (§ 9 Nr. 7 GewStG) Schachtelprivilegs erfüllt sind.3 Besteuerung im Ausland. Aufgrund der definitionsgemäß gegebenen unbeschränkten Steuerpflicht der doppelt ansässigen Kapitalgesellschaft in einem weiteren Staat ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Ausschüttungen auch nach dem innerstaatlichen Steuerrecht dieses Staates steuerlich zu erfassen sind.

1 Dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft wird hingegen nur ausnahmsweise ein Besteuerungsrecht zuerkannt z.B. nach dem im Verhältnis zur Slowakei und zu Tschechien fortgeltenden Art. 13 Abs. 3 DBA Tschechoslowakei. Ein weiteres Beispiel sind nach neueren DBA solche Gesellschaften, deren Wert zu mehr als 50 % unmittelbar oder mittelbar auf unbeweglichem Vermögen beruht, das im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft liegt; vgl. Art. 13 Abs. 4 der deutschen DBA-Verhandlungsgrundlage, abgedruckt in V/L7, Art. 13. OECD-MA. Beispiele hierfür sind Art. 13 Abs. 2 DBA Luxemburg oder Art. 13 Abs. 2 DBA Großbritannien. 2 Zu Ausnahmen s. insbesondere § 8b Abs. 4, 7 und 8 KStG. 3 Die Regelung des § 9 Nr. 7 GewStG ist auf unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschaften nicht anwendbar, BFH v. 28.6.2022 – I R 43/18, DB 2022, 2516. Die Anwendung ist nur möglich in dem hier nicht behandelten Fall, dass sich der Sitz und der Ort der Geschäftsleitung der ausschüttenden Gesellschaft in zwei verschiedenen ausländischen Staaten befinden.

Bindl/Stadler | 1231

18.42

Kap. 18 Rz. 18.43 | Doppelt ansässige Gesellschaften

2. Abkommensrechtliche Aspekte a) Vorbemerkung

18.43 Eine differenzierte Betrachtung erfordert das Abkommensrecht, wobei wiederum unterstellt wird, dass sämtliche beteiligten Staaten untereinander DBA entsprechend der deutschen DBA-VG abgeschlossen haben. Ferner wird aus Vereinfachungsgründen stets davon ausgegangen, dass die Beteiligung abkommensrechtlich dem Staat der Geschäftsleitung zuzuordnen ist. Schließlich wird angenommen, dass die Substanzanforderungen von Anti Treaty Shopping bzw. Anti Directive Shopping Regelungen wie z.B. § 50d Abs. 3 EStG jeweils erfüllt sind. b) Kapitalgesellschaft mit Satzungssitz in Deutschland und Geschäftsleitung im Ausland

18.44 Hat die Kapitalgesellschaft ihren Satzungssitz in Deutschland und ihre tatsächliche Geschäftsleitung im Ausland, gilt sie gem. Art. 4 Abs. 3 DBA-VG als nur im Geschäftsleitungs-Staat (GL-Staat) ansässig. Die weiteren Rechtsfolgen bestimmen sich danach, ob die Tochtergesellschaft abkommensrechtlich im GL-Staat (Fall 1), in Deutschland (Fall 2) oder in einem Drittstaat (Fall 3) ansässig ist.

– Fall 1: Tochtergesellschaft (A-TG) ist im GL-Staat ansässig Abkommensrechtlich liegt kein grenzüberschreitender Sachverhalt vor, da sowohl die A-TG als auch die GmbH abkommensrechtlich im GL-Staat ansässig sind bzw. als ansässig gelten. Das Besteuerungsrecht liegt ausschließlich beim GL-Staat, da die Ausschüttung abkommensrechtlich aus dem Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners stammt und somit nach h.M. andere Einkünfte i.S.v. Art. 20 Abs. 1 DBA-VG darstellt.1 Deutschland darf die Ausschüttung nicht besteuern. 1 Rust in V/L7, Art. 21 OECD-MA Rz. 3; Wassermeyer in Wassermeyer, DBA, Art. 21 OECD-MA Rz. 1, 55; Schönfeld/Hoene, IStR 2013, 349 (351).

1232 | Bindl/Stadler

B. Ausgewählte laufende steuerliche Aspekte | Rz. 18.45 Kap. 18

– Fall 2: Tochtergesellschaft (B-TG) ist in Deutschland ansässig Der GL-Staat hat gem. Art. 10 Abs. 1 DBA-VG das Besteuerungsrecht im Hinblick auf die Dividende, das der Höhe nach nicht beschränkt ist. Deutschland als Quellenstaat darf die Dividende auch besteuern, ist jedoch nach Art. 10 Abs. 2 DBAVG in seinem Besteuerungsrecht der Höhe nach auf 5 % bzw. 15 % beschränkt. Ggf. kommt eine weitere Reduktion nach § 43b EStG in Frage. – Fall 3: Tochtergesellschaft (C-TG) ist im sonstigen Ausland ansässig Im Verhältnis zwischen Deutschland und dem GL-Staat darf ausschließlich der GL-Staat als Ansässigkeitsstaat der GmbH die Dividende besteuern (Art. 20 Abs. 1 DBA-VG).1 Dem Drittstaat steht abkommensrechtlich ein beschränktes Quellensteuerrecht zu (Art. 10 Abs. 2 DBA-VG). Streitig ist in diesem Zusammenhang, welches DBA aus Sicht des Drittstaats maßgeblich ist. Die Frage ist dann von Bedeutung, wenn in den jeweiligen DBA unterschiedliche Quellensteuersätze vereinbart wurden. Nach dem DBA zwischen dem Drittstaat und Deutschland ist die GmbH in Deutschland ansässig, während sie nach dem DBA zwischen dem Drittstaat und dem GL-Staat im GL-Staat ansässig ist (Art. 4 Abs. 1 DBA-VG). Die Tie Breaker Rule löst diesen Konflikt nicht. Sie regelt lediglich die Ansässigkeit im Verhältnis zwischen Deutschland und dem GL-Staat, nicht jedoch im Verhältnis zum Drittstaat.2 Auf Basis überzeugender Stimmen im Schrifttum sind daher beide DBA gleichzeitig anzuwenden. Die C-TG darf sich jedoch auf das für sie günstigere DBA berufen.3 Ggf. kommt eine weitere Reduktion auf Basis der Mutter-Tochter-Richtlinie in Frage. c) Kapitalgesellschaft mit Satzungssitz im Ausland und Geschäftsleitung in Deutschland Hat die Kapitalgesellschaft ihren Satzungssitz im Ausland und ihre tatsächliche Geschäftsleitung in Deutschland, gilt sie gem. Art. 4 Abs. 3 DBA-VG als nur in Deutschland ansässig. Die weiteren Rechtsfolgen bestimmen sich wiederum nach der Ansässigkeit der Tochtergesellschaft:

1 Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, DBA, Art. 10 OECD-MA Rz. 207. 2 Staringer, Besteuerung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, S. 149; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, DBA, Art. 4 OECD-MA Rz. 91. 3 Staringer, Besteuerung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, S. 371 f.; Wassermeyer/ Kaeser in Wassermeyer, DBA, Art. 10 OECD-MA Rz. 192, 207.

Bindl/Stadler | 1233

18.45

Kap. 18 Rz. 18.45 | Doppelt ansässige Gesellschaften

– Fall 4: Tochtergesellschaft (A-TG) ist im Satzungssitz-Staat (S-Staat) ansässig Dieser Fall entspricht spiegelverkehrt dem Fall 2. Deutschland steht gem. Art. 10 Abs. 1 DBA-VG das uneingeschränkte Besteuerungsrecht im Hinblick auf die Dividende zu. Daneben ist der S-Staat nach Art. 10 Abs. 2 DBA-VG zum beschränkten Einbehalt von Kapitalertragsteuer i.H.v. maximal 5 % bzw. 15 % berechtigt. Ggf. kommt eine weitere Reduktion auf Basis der Mutter-Tochter-Richtlinie in Frage. – Fall 5: Tochtergesellschaft (B-TG) ist in Deutschland ansässig Dieser Fall entspricht spiegelverkehrt dem Fall 1. Abkommensrechtlich liegt kein grenzüberschreitender Sachverhalt vor. Das Besteuerungsrecht liegt gem. Art. 20 Abs. 1 DBA-VG ausschließlich bei Deutschland. Der deutsche Kapitalertragsteuerabzug wird somit abkommensrechtlich nicht eingeschränkt. – Fall 6: Tochtergesellschaft (C-TG) ist im sonstigen Ausland ansässig Dieser Fall entspricht spiegelverkehrt dem Fall 3. Im Verhältnis zwischen Deutschland und dem S-Staat darf ausschließlich Deutschland die Dividende besteuern (Art. 20 Abs. 1 DBA-VG). Im Verhältnis zum Drittstaat steht diesem ein beschränktes Quellensteuerrecht zu (Art. 10 Abs. 2 DBA-VG). Die C-TG darf sich in diesem Zusammenhang auf das für sie günstigere DBA berufen (s. Rz. 18.44). VI. Gewinne einer doppelt ansässigen Gesellschaft aus der Veräußerung von Anteilen

18.46 Innerstaatliches deutsches Steuerrecht. Gewinne einer doppelt ansässigen Kapitalgesellschaft aus der Veräußerung von Anteilen an einer anderen Kapitalgesellschaft sind aus deutscher steuerlicher Sicht regelmäßig zu 95 % körperschaft- und gewerbesteuerfrei (§ 8b Abs. 2, 3 KStG, § 7 GewStG). 1234 | Bindl/Stadler

B. Ausgewählte laufende steuerliche Aspekte | Rz. 18.48 Kap. 18

Abkommensrecht. Abkommensrechtlich steht das Besteuerungsrecht für die Veräußerungsgewinne in der Regel1 ausschließlich dem Staat zu, in dem sich die tatsächliche Geschäftsleitung des Anteilseigners befindet (Art. 13 Abs. 5 i.V.m. Art. 4 Abs. 3 DBA-VG). Auf die Ansässigkeit der Gesellschaft, deren Anteile veräußert werden, kommt es in diesen Fällen nicht an.

18.47

VII. Organschaft 1. Zulässigkeit als Organträgerin a) Ausländische Kapitalgesellschaft mit Betriebsstätte im Inland Zulässigkeit als Organträgerin. Aus steuerrechtlicher2 Sicht ist eine Kapitalgesellschaft mit ausländischem Satzungssitz und Ort der Geschäftsleitung im Ausland als Organträgerin zulässig, sofern die Organbeteiligungen einer inländ. Betriebsstätte des Organträgers funktional zuzuordnen sind. Voraussetzung ist lediglich, dass die Organträgerin nicht von der Körperschaftsteuer befreit ist (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG). Ferner muss die Beteiligung an der Organgesellschaft ununterbrochen während der gesamten Dauer der Organschaft einer inländischen Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO/Art. 5 OECD-MA der Organträgerin zuzurechnen sein.3 Sind die o.g. sowie die übrigen Voraussetzungen der Organschaft erfüllt, ist das Einkommen der Organgesellschaft der betreffenden inländischen Betriebsstätte des Organträgers zuzurechnen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 6 KStG). Diskutiert wird in diesem Zusammenhang, ob bei einer rein vermögensverwaltenden Holdinggesellschaft als Organträgerin die Beteiligung einer inländischen Betriebsstätte zuzurechnen ist.4 Hintergrund ist § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 7 KStG, wonach die der Betriebsstätte zuzurechnenden Einkünfte der Organgesellschaft sowohl nach innerstaatlichem Recht als auch nach Abkommensrecht der inländischen Besteuerung unterliegen müssen.5 Sofern die Organträgerin keine Betriebsstätte im Ausland hat, sollte dies unproblematisch sein, da es kein betriebsstättenloses Vermögen gibt. Besteht noch eine ausländische 1 Dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft wird hingegen nur ausnahmsweise ein Besteuerungsrecht zuerkannt z.B. nach dem im Verhältnis zur Slowakei und zu Tschechien fortgeltenden Art. 13 Abs. 3 DBA Tschechoslowakei. Ein weiteres Beispiel sind nach neueren DBA solche Gesellschaften, deren Wert zu mehr als 50 % unmittelbar oder mittelbar auf unbeweglichem Vermögen beruht, das im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft liegt; vgl. Art. 13 Abs. 4 der deutschen DBA-Verhandlungsgrundlage, abgedruckt in V/L7, Art. 13 OECD-MA. Beispiele hierfür sind Art. 13 Abs. 2 DBA Luxemburg oder Art. 13 Abs. 2 DBA Großbritannien. 2 Die Voraussetzungen für die körperschaftsteuerliche und die gewerbesteuerliche Organschaft sind identisch (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG, R 2.3 Abs. 1 Satz 1 GewStR 2009). 3 Entsprechendes gilt bei mittelbarer Beteiligung an der Organgesellschaft in Bezug auf die Beteiligung an der vermittelnden Gesellschaft (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 KStG). 4 Neumann in Gosch4, § 14 Rz. 120a. 5 Neumann in Gosch4, § 14 Rz. 120a. Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, § 14 KStG Rz. 246, 250 sprechen in diesem Zusammenhang zutreffend von einer tatbestandlichen Ergänzung bzw. Verdrängung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 KStG (Zuordnung nur nach innerstaatlichem Recht erforderlich) durch § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 7 KStG (im Ergebnis Zuordnung auch nach Abkommensrecht erforderlich).

Bindl/Stadler | 1235

18.48

Kap. 18 Rz. 18.48 | Doppelt ansässige Gesellschaften

Betriebsstätte, ist die Zuordnung nach der tatsächlich-funktionalen Betrachtungsweise zu prüfen.1 Die funktionale Zuordnung zur inländischen Betriebsstätte kann sich z.B. aus einer geschäftsleitenden Holdingtätigkeit ergeben, sofern die Geschäftsleitungsaufgabe organisatorisch hinreichend verselbständigt ist und im Inland ausgeübt wird.2 Im Schrifttum wird darauf hingewiesen, dass die Finanzverwaltung in der Praxis regelmäßig auch noch weitere Leistungsbeziehungen zwischen der Betriebsstätte und der Beteiligungsgesellschaft fordert.3

Wegzug ins Ausland. Da § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG nicht einmal eine inländische Geschäftsleitung voraussetzt (ebenso wenig wie einen inländischen Satzungssitz), bleibt die Organschaft ceteris paribus sogar dann erhalten, wenn die Organträgerin ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlegt.4 Ob die Beteiligungen dann weiterhin einer inländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind, ist im Einzelfall zu prüfen.

18.49 Gesellschaftsrechtliche Aspekte. Aus deutscher gesellschaftsrechtlicher Sicht kann ein Gewinnabführungsvertrag mit einer deutschen Organgesellschaft auch mit einem ausländischen Unternehmen als Organträger abgeschlossen werden; denn die Zulässigkeit des Abschlusses von Unternehmensverträgen richtet sich kollisionsrechtlich nach dem Konzernrecht der abhängigen Gesellschaft.5 Davon unabhängig ist zu prüfen, ob die ausländische Gesellschaft auch nach Verlegung ihres Verwaltungssitzes nach Deutschland nach ausländischem Recht weiterhin rechtsfähig ist und nach ihrem Gesellschaftsstatut zivilrechtlich überhaupt wirksam einen Gewinnabführungsvertrag abschließen kann. Auf Basis der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung sollte dies zumindest dann der Fall sein, wenn die Kapitalgesellschaft aus einem EU-/

1 Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, § 14 KStG Rz. 294. 2 Krumm in Brandis/Heuermann, § 14 KStG Rz. 71a; Neumann in Gosch4, § 14 Rz. 120a. Zu den praktischen Herausforderungen s. Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/ Neumann, § 14 KStG Rz. 264. 3 Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, § 14 KStG Rz. 296 mit Verweis auf Dötsch/Pung, DB 2014, 1215 (1218) und Dötsch/Pung in D/P/M, § 14 KStG Rz. 215. 4 Neumann in Gosch4, § 14 Rz. 98. 5 BFH v. 7.12.2011 – I R 30/08, BStBl. II 2012, 507; Liebscher in MünchKomm/GmbH4, § 13 Anh. Rz. 1277 f.; Kiefner in MüHdb/GesR3, Band 3, § 67 Rz. 45; Kindler in MünchKomm/ BGB8, 13. Bd., Teil 10 (IntGesR) Rz. 713 m.w.N.

1236 | Bindl/Stadler

B. Ausgewählte laufende steuerliche Aspekte | Rz. 18.51 Kap. 18

EWR-Staat zugezogen ist (s. Rz. 18.22).1 Gleiches gilt auf Basis des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages vom 29.10.19542 für Kapitalgesellschaften, die in den USA gegründet wurden und die ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt haben.3 Letztere hat auch der BFH in der Vergangenheit bereits ausdrücklich als Organträger anerkannt.4 b) Inländische Kapitalgesellschaft mit Ort der Geschäftsleitung im Ausland Zulässigkeit als Organträgerin. Für eine inländische Kapitalgesellschaft mit Ort der Geschäftsleitung gelten die Ausführungen in Rz. 18.48 entsprechend; d.h. auch eine solche Gesellschaft kann eine taugliche Organträgerin sein.

18.50

c) Keine doppelte Verlustnutzung Keine doppelte Verlustnutzung. Die Ermittlung und Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft erfolgt nach den allgemeinen steuerrechtlichen Grundsätzen. Als Besonderheit ist bei doppelt ansässigen Gesellschaften als Organträger die Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG zu berücksichtigen. Danach soll ein negatives Einkommen des Organträgers bei der inländischen Besteuerung unberücksichtigt bleiben, soweit es in einem ausländischen Staat im Rahmen einer der deutschen Besteuerung des Organträgers entsprechenden Besteuerung berücksichtigt wird. Hierdurch sollen Strukturen zur doppelten Verlustberücksichtigung vermieden werden. Die Vorschrift wird im Schrifttum nicht zuletzt aufgrund ihrer fehlenden Unbestimmtheit als nicht praktizierbar sowie verfassungs- und unionsrechtlich bedenklich angesehen.5 Der BFH hat die Vorschrift in einem obiter dictum zu seinem Urteil vom 12.10.2016 dahingehend einschränkend ausgelegt, dass negative Einkünfte des Organträgers i. S. d. § 14 Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 KStG nur dann vorliegen, wenn bei diesem nach der Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft ein Verlust verbleibt.6 Das BMF hat das Urteil mit einem Nichtanwendungserlass belegt.7 Entgegen der Auslegung des BFH soll danach bei der Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG jeweils isoliert auf die Einkünfte des Organträgers und auf die Einkünfte der einzelnen Organgesellschaften abzustellen sein. 1 Z.B. Niederlande, Finnland, Dänemark und Liechtenstein; vgl. Leible in Michalski3, Syst. Darst. 2 Rz. 70; Lindacher/Hau in MünchKomm/ZPO6, § 50 Rz. 63–68; Schaub in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn4, § 12 HGB Anh. Rz. 17. 2 BGBl. II 1956, 487. 3 BGH v. 5.7.2004 – II ZR 389/02, ZIP 2004, 1549. 4 BFH v. 29.1.2003 – I R 6/99, BFH/NV 2003, 969; weitere Freundschafts- und Niederlassungsabkommen bestehen u.a. mit Japan, dem Iran, der Türkei und der Dominikanischen Republik, vgl. Heckschen in W/M, § 1 UmwG Rz. 185. 5 Weinberger, Die Anti Double Dip Regelung des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 KStG bei Organschaft, S. 81 ff.; Dötsch/Pung in D/P/M, § 14 KStG Rz. 641 m.w.N.; Prinz, DB 2023, 8 (14). Zudem ist die seinerzeitige rückwirkende Einführung der Vorschrift beim BFH anhängig (Az. I R 20/22, vorgehend FG Düsseldorf v. 30.3.2022 – 7 K 905/19 K,G,F, EFG 2022, 1226). 6 BFH v. 12.10.2016 – I R 92/12, BStBl. II 2022, 123. 7 BMF v. 14.1.2022 – IV C 2-S 2770/20/10001:001 (2022/0048244), BStBl. I 2022, 160.

Bindl/Stadler | 1237

18.51

Kap. 18 Rz. 18.52 | Doppelt ansässige Gesellschaften

2. Zulässigkeit als Organgesellschaft a) Ausländische Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland

18.52 EU-/EWR-Gesellschaften. Eine Kapitalgesellschaft mit Satzungssitz im EU-/EWRAusland und Ort der Geschäftsleitung im Inland ist aus steuerrechtlicher Sicht grundsätzlich, d.h. vorbehaltlich der weiteren Voraussetzungen wie insbesondere eines wirksamen Gewinnabführungsvertrags (s. Rz. 18.53), eine taugliche Organgesellschaft (§ 14 Abs. 1 Satz 1, § 17 KStG).1 Eine Ausnahme gilt für die für die Europäische Gesellschaft (SE), weil sie nach Art. 7 Satz 1 der SE-VO2 ihren statutarischen Sitz stets in dem Mitgliedstaat haben muss, in dem sich ihre Hauptverwaltung befindet. Daher kommt eine SE mit Satzungssitz im Ausland nicht als Organgesellschaft in Betracht.3

18.53 Gewinnabführungsvertrag. Neben der bloßen Zulässigkeit einer EU-/EWR-Gesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung als Organgesellschaft ist in diesem Zusammenhang außerdem das Erfordernis des Gewinnabführungsvertrags zu beachten (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KStG). Der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages nach § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG mit einer Gesellschaft, die einen ausländischem Satzungssitz hat, scheidet nach ganz allgemeiner Auffassung aus, da der Gewinnabführungsvertrag dem ausländischen Rechtsstatut der Organgesellschaft unterliegt.4 Im 1 Mit dem Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts v. 20.2.2013 (BGBl. I 2013, 285) ist der bis dahin gesetzlich vorgesehene sog. doppelte Inlandsbezug für EU/EWR-Gesellschaften aufgehoben worden. Zuvor war der doppelte Inlandsbezug für EU/EWR-Gesellschaften bereits durch BMF, Schr. v. 28.3.2011 – IV C 2 - S 2770/09/10001, BStBl. I 2011, 300 im Verwaltungswege aufgehoben worden, nachdem Deutschland von der Europäischen Kommission am 30.9.2010 im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens (Nr. 2008/4909) förmlich aufgefordert worden war, die Vorschrift entsprechend zu ändern. 2 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001, ABl. EG Nr. L 294, 1. 3 Kolbe in H/H/R, § 14 KStG Anm. 51; Neumann in Gosch4, § 14 KStG Rz. 56. 4 Langenbucher in K. Schmidt/Lutter4, § 291 AktG Rz. 21 m.w.N.; Mülbert in Hopt/Wiedemann4, § 291 AktG Rz. 43; Koehler, DK 2018, 325 (326).

1238 | Bindl/Stadler

B. Ausgewählte laufende steuerliche Aspekte | Rz. 18.53 Kap. 18

Recht der meisten EU-/EWR-Staaten sind Gewinnabführungsverträge jedoch unbekannt.1 Die Europäische Kommission hat am 25.7.2019 ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.2 Danach verstößt Deutschland gegen die Niederlassungsfreiheit, wenn es Gewinnabführungsverträge von EU-/EWROrgangesellschaften mit ausländischem Satzungssitz und inländischer Geschäftsleitung nicht anerkennt und es damit trotz zwischenzeitlicher Änderung des § 14 KStG im Ergebnis weiterhin nicht ermöglicht, die formalen Voraussetzungen der Organschaft zu erfüllen.3 Als Reaktion darauf erkennt die Finanzverwaltung nunmehr nach bundeseinheitlich abgestimmten4 Verfügungen auch nach dem Recht eines EU-/ EWR-Staats abgeschlossene Gewinnabführungsverträge an, wenn die Regelungen des ausländischen Gewinnabführungsvertrages – vollständig den Vorgaben des § 291 AktG entsprechen und insbesondere auch eine Pflicht zur Verlustübernahme entsprechend der Regelung des § 302 AktG beinhalten; – nach ausländischem (Zivil-)Recht zulässig sind (insbesondere Vereinbarkeit mit den dortigen handels- und gesellschaftsrechtlichen Vorschriften zum Schutz von Gläubigern sowie Minderheitsgesellschaftern); – in eintragungspflichtiger Form vereinbart werden, d.h. es besteht entweder nach ausländischem Recht eine Pflicht, die Regelungen in ein mit dem deutschen Handelsregister vergleichbares öffentliches Register einzutragen, oder die Regelungen zur Gewinnabführung werden in die Satzung der beherrschten Gesellschaft aufgenommen und es besteht nach dem ausländischen Recht eine Eintragungspflicht hinsichtlich der Satzungsänderungen; und – falls der Gewinnabführungsvertrag nicht selbst in der Satzung verankert wird, satzungsändernden Charakter haben (eine bloße satzungsüberlagernde Wirkung genügt nicht).5 Nach kritischen Stimmen im Schrifttum beinhalten diese Anforderungen in der Praxis nahezu „unüberwindbare Hürden“ für die Anerkennung des Gewinnabführungsvertrags und wirken daher EU-rechtlich diskriminierend.6 Nach dieser Auffassung sollte ein schuldrechtlicher Gewinnabführungsvertrag, der die aktienrechtlichen Typusmerkmale weitgehend umsetzt, für die Begründung einer Organschaft ausreichend sein.7 Diskutiert wird derzeit außerdem noch, wie das Kriterium der Abfüh1 Ausnahmen bilden Kroatien, Österreich, Portugal und Slowenien; für eine Übersicht vgl. Koehler, DK 2018, 325 ff. 2 EU-Kommission, Pressemitteilung vom 25.7.2019, abrufbar unter https://ec.europa.eu; Bartelt/Gebert, DB 2019, 1990. 3 Dötsch in D/P/M, § 14 KStG Rz. 98. 4 Prinz, DB 2023, 8 (14). 5 OFD Frankfurt/M. v. 12.11.2019 – S 2770 A – 55 – St 55, DStR 2019, 2701; FM SchleswigHolstein, Kurzinformation v. 17.1.2020, DStR 2020, 1573. 6 Prinz, DB 2023, 8 (14). 7 Für eine eingehende Analyse vgl. Prinz/Ludwig, DB 2020, 1022; Kollruss/Schultze/Nöhring, WPg 2022, 54; Prinz/Witt, Stl. Organschaft, Rz. 26.1 ff. zum GesR.

Bindl/Stadler | 1239

Kap. 18 Rz. 18.53 | Doppelt ansässige Gesellschaften

rung des „ganzen Gewinns“ in § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG in den o.g. Fällen auszulegen ist vor dem Hintergrund, dass Gesellschaften mit ausländischem Satzungssitz ihren Jahresabschluss nicht nach HGB, sondern nach dem anwendbaren ausländischen Handelsrecht (z.B. lokale GAAP oder IFRS) aufstellen.1 U.E. ist es folgerichtig, insoweit auf den Gewinn nach ausländischem Handelsrecht abzustellen. Zu Recht wird im Schrifttum festgestellt, dass die Abschaffung des doppelten Inlandsbezugs sonst ins Leere laufen würde.2 Für die Praxis ist dringend zu empfehlen, das Vorliegen der Organschaftsvoraussetzungen im Rahmen einer verbindlichen Auskunft mit dem zuständigen Finanzamt abzustimmen.

18.54 Drittstaaten-Gesellschaften. Gesellschaften mit Satzungssitz in einem Drittstaat und Geschäftsleitung im Inland, sofern diese aus gesellschaftsrechtlicher Sicht wirksam bestehen (s. Rz. 18.22), können keine Organgesellschaften sein, obwohl sie im Inland der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen. Soll mit einer solchen Gesellschaft eine ertragsteuerliche Organschaft begründet werden,3 bleibt als Gestaltungsmöglichkeit nur die Sitzverlegung in einen EU-/EWR-Staat, was in der Regel einer Neugründung gleichkommt. Nach teilweiser vertretener Auffassung liegt darin ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 1 OECD-MA (bzw. Art. 23 Abs. 1 DBA-VG).4 b) Inländische Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Ausland

18.55 Keine Zulässigkeit nach derzeitigem innerstaatlichen Recht. Nach deutschem Steuerrecht weiterhin nicht zulässig ist eine Organschaft mit einer deutschen Kapitalgesellschaft als Organgesellschaft, die ihre Geschäftsleitung ins Ausland verlegt hat. Dies dürfte daran liegen, dass die Europäische Kommission diese sog. Wegzugsfälle bislang nicht aufgegriffen hat. 18.56 Europarechtliche Bedenken. Unseres Erachtens ist diese Beschränkung europarechtswidrig.5 Zumindest in den Fällen, in denen der identitätswahrende Wegzug ins Ausland nach dem innerstaatlichen Gesellschaftsrecht möglich ist (s. Rz. 18.21), ist es u.E. nicht mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar, der weggezogenen Gesellschaft die Anerkennung als Organgesellschaft zu verweigern.6 Dies wird durch die Rechtsprechung des EuGH gestützt. In der Rechtssache Philipps Electronics7 hat der EuGH entschieden, dass eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit eines gebietsfremden Unternehmens vorliegt, wenn nationale Rechtsvorschriften die Möglichkeit der Über1 2 3 4

Dötsch in D/P/M, § 14 KStG Rz. 99. Krumm in Brandis/Heuermann, § 14 KStG Rz. 53. Krumm in Brandis/Heuermann, § 14 KStG Rz. 54. Benecke/Schnitger, IStR 13, 143 (144); Frotscher in Frotscher/Drüen, § 14 KStG Rz. 188 f.; Pick, Die körperschaftsteuerliche Organschaft im Spannungsfeld des supranationalen und bilateralen Rechts, S. 223; Winter/Marx, DStR 2011, 1101 (1107). 5 Ebenso Desens in Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht2, § 2 GewStG Rz. 84. 6 Gl.A. Schnitger, IStR 2013, 82 (86); Schwenke, ISR 2013, 41 (43); Frotscher in Frotscher/ Drüen, § 14 KStG Rz. 191. 7 EuGH v. 6.9.2012 – C-18/11 – Philips Electronics, IStR 2012, 847.

1240 | Bindl/Stadler

B. Ausgewählte laufende steuerliche Aspekte | Rz. 18.59 Kap. 18

tragung von Verlusten, die eine in diesem Mitgliedstaat ansässige Betriebsstätte einer gebietsfremden Gesellschaft erlitten hat, auf eine gebietsansässige Gesellschaft im Wege des Konzernabzugs von der Voraussetzung abhängig machen, dass die Verluste nicht für die Zwecke einer ausländischen Steuer verwendet werden können, obwohl für die Übertragung von Verlusten, die eine gebietsansässige Gesellschaft in diesem Mitgliedstaat erlitten hat, keine entsprechende Voraussetzung gilt.1 VIII. Hinzurechnungsbesteuerung 1. Innerstaatliches Steuerrecht Doppelt ansässige Gesellschaft als Zwischengesellschaft. Die Einkünfte doppelt ansässiger Gesellschaften selbst unterliegen nicht der Hinzurechnungsbesteuerung gem. §§ 7 bis 13 AStG, da die Vorschriften nur auf Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen i.S.d. KStG, die weder Geschäftsleitung noch Sitz im Inland haben, anwendbar sind (§ 7 Abs. 1 Satz 1 AStG).

18.57

Doppelt ansässige Gesellschaft als Anteilseigner einer Zwischengesellschaft. Anwendbar ist die Hinzurechnungsbesteuerung jedoch, soweit eine doppelt ansässige Gesellschaft an einer niedrig besteuerten ausländischen Kapitalgesellschaft i.S.d. § 7 Abs. 2 bzw. § 13 Abs. 1 AStG beteiligt ist, die passive Einkünfte erzielt. Denn die doppelt ansässige Gesellschaft ist „unbeschränkt Steuerpflichtige“ i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 AStG.

18.58

Ausländische Betriebsstätte einer doppelt ansässigen Gesellschaft. Ferner ist die unilaterale Switch-over-Regelung des § 20 Abs. 2 AStG anwendbar, sofern die doppelt ansässige Gesellschaft passive Einkünfte über eine niedrig besteuerte Betriebsstätte im DBA-Ausland erzielt.2 In diesem Fall wird die Doppelbesteuerung ungeachtet des jeweiligen Abkommens nicht durch Freistellung, sondern durch Anrechnung der ausländischen Steuern vermieden.3 Die Gegenbeweismöglichkeit nach § 8 Abs. 2 AStG besteht nach dem Gesetzeswortlaut grundsätzlich nicht. Nach der ganz herrschenden Literaturauffassung muss die Gegenbeweismöglichkeit jedoch aus europarechtlichen Gründen im Wege einer sog. geltungserhaltenden Reduktion in den § 20 Abs. 2 AStG hineingelesen werden.4 Auch das Schlussurteil des BFH in der Rechtssache Columbus Container Services vom 21.10.2009, das zwar zu § 20 Abs. 2 AStG a.F.

18.59

1 Schwenke, ISR 2013, 41 (43). 2 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 20 AStG Rz. 133; kritisch Rupp in Haase3, § 20 AStG Rz. 95 f. Zur Nichtanwendung des § 20 Abs. 2 AStG in den Fällen, in denen eine inländische Kapitalgesellschaft mit ausländischer Geschäftsleitung die passiven Einkünfte ausschließlich über eine inländische Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO erzielt, s. Kollruss/Buße/ Braukmann, IStR 2011, 13 (13 ff.). 3 Eine Inländerbeherrschung liegt in diesem Fall vor, da die Betriebsstätte als fiktive rechtlich selbstständige ausländische Gesellschaft zu 100 % von der unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft gehalten wird. 4 Kraft/Quilitzsch, EWS 2012, 130 (135) m.w.N.; Prinz, FR 2010, 378 ff.; Wassermeyer/ Schönfeld in F/W/B/S, § 20 AStG Rz. 154. Kritisch, aber im Ergebnis wohl gegen eine Anwendbarkeit des Motivtests hingegen Prokopf in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, § 20 AStG Rz. 158.4, 163.

Bindl/Stadler | 1241

Kap. 18 Rz. 18.59 | Doppelt ansässige Gesellschaften

ergangen ist, aber in einem obiter dictum Ausführungen zur aktuellen Gesetzesfassung enthält, wird überwiegend so verstanden.1 Demgegenüber ist der Ausschluss des Motivtests nach Ansicht der OFD Rheinland mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar.2 Vor dem Hintergrund der nicht abschließend geklärten Rechtslage wird im Schrifttum teilweise die Errichtung einer ausländischen Kapitalgesellschaft anstelle einer Betriebsstätte empfohlen, wenn der Steuerpflichtige den Entlastungsbeweis führen möchte.3 2. Abkommensrecht

18.60 Abkommensrechtliche Qualifizierung des Hinzurechnungsbetrags. Die abkommensrechtliche Qualifizierung des Hinzurechnungsbetrags nach § 10 AStG ist nicht abschließend geklärt. Nach der herrschenden Auffassung im Schrifttum ist der Hinzurechnungsbetrag für Abkommenszwecke als Dividende zu behandeln und fällt daher unter Art. 10 OECD-MA (bzw. Art. 10 DBA-VG).4 Dieses Verständnis wird den nachfolgenden Ausführungen zugrunde gelegt. Ferner sei unterstellt, dass die Beteiligung abkommensrechtlich dem Geschäftsleitungsstaat zuzuordnen ist. Anteilseigner mit Geschäftsleitung im Inland. Hat der Anteilseigner5 seinen Satzungssitz im Ausland und ihre tatsächliche Geschäftsleitung in Deutschland, gilt sie gem. Art. 4 Abs. 3 DBA-VG als nur in Deutschland ansässig. Der Besteuerung des Hinzurechnungsbetrags in Deutschland stehen in diesem Fall grundsätzlich keine abkommensrechtlichen Regelungen entgegen. Denn nach Art. 10 Abs. 1 DBA-VG (Zwischengesellschaft im anderen Vertragsstaat) bzw. Art. 20 Abs. 1 DBA-VG (Zwischengesellschaft in einem Drittstaat) steht Deutschland grundsätzlich das uneingeschränkte Besteuerungsrecht an der fiktiven Dividende (Hinzurechnungsbetrag) zu (s. Rz. 18.39). Auf den Treaty Override nach § 20 Abs. 1 Alt. 1 AStG kommt es grundsätzlich nicht an. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt dann, wenn die Dividenden nach einem sog. abkommensrechtlichen Schachtelprivileg in Deutschland von der Besteuerung freigestellt sind. Die Freistellung gilt für den Hinzurechnungsbetrag aufgrund des § 20 Abs. 1 Alt. 1 AStG nicht. Anteilseigner mit Geschäftsleitung im Ausland. Hat die Kapitalgesellschaft ihren Satzungssitz in Deutschland und ihre tatsächliche Geschäftsleitung im Ausland, gilt sie gem. Art. 4 Abs. 3 DBA-VG als nur im Geschäftsleitungsstaat ansässig (nachfolgend als Ansässigkeitsstaat bezeichnet). Für diesen Fall ist streitig, ob der Hinzurech1 BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, BStBl. II 2010, 774. Zur Rezeption im Schrifttum s. Prokopf in Strunk/Kaminski/Köhler, § 20 AStG Rz. 161. 2 OFD Rheinland, Kurzinformation v. 22.10.2010, DStR 2011, 175. 3 Prokopf in Strunk/Kaminski/Köhler, § 20 AStG Rz. 164. 4 Nach anderen Auffassungen richtet sich die Zuweisung des Besteuerungsrechts für den Hinzurechnungsbetrag nach Art. 7 OECD-MA oder nach Art. 21 OECD-MA. Für eine Übersicht zu den verschiedenen Auffassungen s. Prokopf in Strunk/Kaminski/Köhler, § 20 AStG Rz. 41 ff. 5 Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 ff. AStG. Sie gelten für die Fälle der Switch-over-Regelung des § 20 Abs. 2 AStG jedoch entsprechend.

1242 | Bindl/Stadler

B. Ausgewählte laufende steuerliche Aspekte | Rz. 18.62 Kap. 18

nungsbetrag in Deutschland besteuert werden darf oder nicht. Hierbei geht es im Kern um die Reichweite des Treaty Override nach § 20 Abs. 1 Alt. 1 AStG. Nach der herrschenden und unseres Erachtens zutreffenden Auffassung überschreibt die Regelung sämtliche abkommensrechtlichen Vorschriften.1 Dies umfasst auch die Tie Breaker-Regelung des Art. 4 Abs. 3 DBA-VG und die Verteilungsnorm des Art. 20 Abs. 1 DBA-VG für andere Einkünfte, wonach das Besteuerungsrecht für Dividenden aus dem Vertragsstaat oder einem Drittstaat abkommensrechtlich dem Ansässigkeitsstaat zusteht. Als Folge des Treaty Override darf der Hinzurechnungsbetrag in Deutschland besteuert werden. Nach einer Mindermeinung überschreibt § 20 Abs. 1 Alt. 1 AStG hingegen nur DBA-Vorschriften, die im Bereich der Verteilungsnormen den Durchgriff durch die ausländische Gesellschaft verhindern könnten oder aufgrund eines Schachtelprivilegs die deutsche Besteuerung der fiktiven Dividende verhindern könnten, nicht hingegen Art. 20 Abs. 1 DBA-VG.2 Nach dieser Auffassung hätte Deutschland kein Besteuerungsrecht für den Hinzurechnungsbetrag. Begründet wird dies mit der sonst drohenden Doppelbesteuerung der zugrunde liegenden Einkünfte, nämlich einmal als fiktive Dividende (Hinzurechnungsbetrag) in Deutschland und einmal als tatsächliche Dividende im Ansässigkeitsstaat. Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb Deutschland ein Besteuerungsrecht an einer fiktiven Dividende zustehen soll, wenn an der tatsächlichen Dividende aufgrund des Art. 20 Abs. 1 DBA-VG kein Besteuerungsrecht besteht.3 Diese Überlegungen sind vom Ergebnis her gedacht richtig, können gegen den insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut aber nicht durchdringen.4 Die genannten Friktionen sind Folge des Treaty Override. 3. Fallkonstellationen Auf Basis dieser allgemeinen Überlegungen werden nachfolgend verschiedene Fallkonstellationen untersucht:

18.61

a) Grundfälle Sachverhalt. Als Grundfälle werden nachfolgend die Fälle bezeichnet, in denen sich die Zwischengesellschaft (TG) bzw. Betriebsstätte (BS) der doppelt ansässigen Kapitalgesellschaft in dem anderen Staat, in dem die Gesellschaft unbeschränkt steuerpflichtig ist (DBA-Staat), ansässig ist bzw. sich befindet. Rechtsfolgen. Die passiven Einkünfte der Zwischengesellschaft (ZG) sind gem. § 10 Abs. 1 AStG als Hinzurechnungsbetrag bei der doppelt ansässigen Kapitalgesellschaft anzusetzen und bei dieser zu versteuern. Dies gilt wegen des Treaty Override nach § 20 Abs. 1 Alt. 1 AStG auch dann, wenn Deutschland abkommensrechtlich eigentlich kein Besteuerungsrecht hat, z.B. bei Vorliegen eines abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs für Dividenden, bei einer abkommensrechtlichen Zuordnung der 1 Haase, IStR 2008, 695 (695 ff.); Kollruss, IStR 2008, 316, (319); Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 20 AStG Rz. 102. 2 Schönfeld/Hoene, IStR 2013, 349 (353). 3 Schönfeld/Hoene, IStR 2013, 349 (351). 4 Zweifelnd auch Prokopf in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, § 20 AStG Rz. 118.3.

Bindl/Stadler | 1243

18.62

Kap. 18 Rz. 18.62 | Doppelt ansässige Gesellschaften

Beteiligung an der Zwischengesellschaft zu einer ausländischen Betriebsstätte1 oder der Zuweisung des Besteuerungsrechts nach Art. 20 Abs. 1 DBA-VG zum anderen Vertragsstaat (s. hierzu Grundfall 2 unten). Im Hinblick auf die passiven Einkünfte der BS ist grundsätzlich danach zu unterscheiden, ob die doppelt ansässige Kapitalgesellschaft ihre tatsächliche Geschäftsleitung im Inland (Grundfall 1) oder im DBA-Staat (Grundfall 2) hat.

– Im Grundfall 1 gilt die Ltd. abkommensrechtlich als nur in Deutschland ansässig (Art. 4 Abs. 3 DBA-VG). Die ausländischen Betriebsstätteneinkünfte sind nach dem DBA mit dem Betriebsstättenstaat in Deutschland grundsätzlich von der Besteuerung freigestellt (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a DBAVG). Soweit in der Betriebsstätte niedrig besteuerte passive Einkünfte anfallen, geht Deutschland jedoch im Wege eines Treaty Override von der Freistellungs- auf die Anrechnungsmethode über, jedenfalls wenn der Motivtest nicht erfolgreich geführt werden kann (§ 20 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 AStG). – Im Grundfall 2 gilt die GmbH nach Art. 4 Abs. 3 DBA-VG als nur im DBA-Staat ansässig. Deutschland hat an den Betriebsstätteneinkünften abkommensrechtlich kein Besteuerungsrecht (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 DBA-VG). Auch in diesem Fall geht Deutschland jedoch gem. § 20 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 AStG von der Freistellungsauf die Anrechnungsmethode über. b) Dreiecksfälle

18.63 Definition. Als Dreiecksfälle werden nachfolgend die Fälle bezeichnet, in denen sich die Zwischengesellschaft (ZG) bzw. Betriebsstätte (BS) der doppelt ansässigen Kapitalgesellschaft in einem weiteren Staat befindet, der weder mit dem Sitz- noch mit dem Geschäftsleitungs-Staat identisch ist und mit dem Deutschland ebenfalls ein DBA abgeschlossen hat (BS-Staat).

1 Hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 20 AStG Rz. 103 f.

1244 | Bindl/Stadler

B. Ausgewählte laufende steuerliche Aspekte | Rz. 18.65 Kap. 18

Rechtsfolgen. Die passiven Einkünfte der Zwischengesellschaft sind wiederum gem. § 10 Abs. 1 AStG als Hinzurechnungsbetrag bei der doppelt ansässigen Kapitalgesellschaft anzusetzen und bei dieser zu versteuern, und zwar aufgrund des Treaty Overrides nach § 20 Abs. 1 Alt. 1 AStG auch dann, wenn abkommensrechtlich kein deutsches Besteuerungsrecht besteht.

18.64

Die ausländischen Betriebsstätteneinkünfte sind nach dem DBA mit dem BS-Staat in Deutschland grundsätzlich von der Besteuerung freigestellt (Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a DBA-VG). Soweit in der Betriebsstätte niedrig besteuerte passive Einkünfte anfallen, geht Deutschland unilateral von der Freistellungs- auf die Anrechnungsmethode über (§ 20 Abs. 2 AStG). Das deutsche Besteuerungsrecht für die Betriebsstätteneinkünfte wird auch nicht im Verhältnis zum DBA-Staat beschränkt. Dies gilt unabhängig davon, ob die doppelt ansässige Kapitalgesellschaft ihre tatsächliche Geschäftsleitung im Inland (Dreiecksfall 1) oder im Ausland (Dreiecksfall 2) hat:

– Im Dreiecksfall 1 steht der deutschen Besteuerung der Betriebsstätteneinkünfte nach Maßgabe des § 20 Abs. 2 AStG das DBA mit dem DBA-Staat nicht entgegen, da die Ltd. nach Art. 4 Abs. 3 DBA-VG als nur in Deutschland ansässig gilt. Der DBA-Staat hat im Hinblick auf die aus seiner Sicht vorliegenden Drittstaateneinkünfte aus der Betriebsstätte kein Besteuerungsrecht (Art. 20 Abs. 1 DBA-VG). – Im Dreiecksfall 2 gilt die GmbH nach Art. 4 Abs. 3 DBA-VG als nur im DBAStaat ansässig. Das Recht zur Besteuerung der Betriebsstätteneinkünfte steht somit grundsätzlich ausschließlich dem DBA-Staat zu (Art. 20 Abs. 1 DBA-VG). Deutschland geht jedoch auch in diesem Fall im Verhältnis zum DBA-Staat auf Basis des § 20 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 AStG von der Freistellungs- auf die Anrechnungsmethode über. Zwischenergebnis. Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, dass bei ausländischen Gesellschaften, die beabsichtigen, ihren Verwaltungssitz nach Deutschland zu verlegen, im Rahmen der Prüfung der steuerlichen Konsequenzen auch die potentielle Anwendung des AStG berücksichtigt werden sollte. Umgekehrt können inländische Gesellschaften die Anwendung des AStG nicht dadurch vermeiden, dass sie ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlegen, da es in diesem Zusammenhang auf die unbeschränkte Steuerpflicht (hier aufgrund des Satzungssitzes im Inland) ankommt. Insbesondere im zweiten Fall kann es zu einer Doppelbesteuerung kommen, die auf Bindl/Stadler | 1245

18.65

Kap. 18 Rz. 18.65 | Doppelt ansässige Gesellschaften

dem Treaty Override des § 20 Abs. 1 AStG basiert und daher z.B. nicht durch die Regelungen des § 11 AStG vermieden bzw. abgemildert wird.

C. Ausgewählte Aspekte im Zusammenhang mit Umwandlungen I. Anwendung des UmwG 1. Vorüberlegungen a) Persönlicher Anwendungsbereich

18.66 Nur Rechtsträger mit Satzungssitz im Inland erfasst. Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 UmwG sind vom UmwG nur Rechtsträger mit Sitz im Inland erfasst. Darunter ist nach der herrschenden Auffassung der Satzungssitz zu verstehen.1 Ausländische Gesellschaften, die lediglich ihren Verwaltungssitz im Inland haben, fallen somit nach dieser Bestimmung nicht in den Anwendungsbereich des UmwG. Die Vorschrift ist jedoch nicht so zu verstehen, dass eine grenzüberschreitende Umwandlung unter Beteiligung eines Rechtsträgers mit Sitz im Ausland unzulässig wäre. Vielmehr regelt das UmwG lediglich die Rechtsfolgen für die beteiligten Rechtsträger mit Sitz im Inland. Für die beteiligten Rechtsträger mit ausländischem Sitz ist dagegen das ausländische Gesellschaftsstatut maßgebend. Dies entspricht auch dem gesetzgeberischen Konzept. So muss bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung gem. § 122a Abs. 1 UmwG a.F. nur ein beteiligter Rechtsträger seinen Sitz im Inland haben. Der andere Rechtsträger hat seinen Satzungssitz in einem EU- oder EWR-Staat. Eine weitere Bestätigung dieses Konzepts erfolgt durch das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie,2 das mit einem Monat Verspätung gegenüber der Umsetzungspflicht Deutschlands am 1.3.2023 in Kraft getreten, jedoch bereits ab 1.2.2023 unter Berufung auf die Richtlinie anwendbar ist. Danach sind neben grenzüberschreitenden Verschmelzungen (nunmehr mit einigen Änderungen in §§ 305 ff. UmwG unter Aufhebung der §§ 122a UmwG a.F. geregelt) auch grenzüberschreitende Spaltungen (§§ 320 ff. UmwG) und grenzüberschreitende Formwechsel (§§ 333 ff. UmwG) zulässig. Auch bei grenzüberschreitenden Spaltungen muss mindestens einer der beteiligten Rechtsträger seinen Satzungssitz im EU/EWR Ausland haben. Im Falle eines grenzüberschreitenden Formwechsels wird der satzungsmäßige Sitz der die Rechtsform wechselnde Gesellschaft entweder von Deutschland in einen anderen EU/EWR-Staat verlegt oder umgekehrt.

1 Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard5, Einleitung C Rz. 20; Heckschen in W/M, § 1 UmwG Rz. 105; Marsch-Barner/Oppenhoff in Kallmeyer7, § 1 UmwG Rz. 2; Kindler in MünchKomm/BGB8, 13. Bd., Teil 10 (IntGesR) Rz. 869. 2 Gesetz v. 22.2.2023, BGBl. I 2023 Nr. 51 v. 28.2.2028.

1246 | Bindl/Stadler

C. Ausgewählte Aspekte im Zusammenhang mit Umwandlungen | Rz. 18.69 Kap. 18

b) Sachlicher Anwendungsbereich Anwendung auf grenzüberschreitende Umwandlungen offen. Streitig ist, ob die Formulierung des § 1 Abs. 1 UmwG grenzüberschreitende Umwandlungen – mit Ausnahme der im UmwG normierten grenzüberschreitenden Umwandlungen – aus dem Regelungsbereich des UmwG vollständig ausklammert.1

18.67

Streitstand. Nach der früheren vorherrschenden Meinung war dies mit der Begründung der Fall, dass alle an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger ihren Satzungssitz im Inland haben müssen.2 Dagegen legt die durch die Rechtsprechung des EuGH bestärkte Gegenmeinung – unseres Erachtens zutreffend – den Wortlaut der Vorschrift dahingehend aus, dass es ausreicht, wenn nur einer der Beteiligten seinen Sitz im Inland hat.3 Die Formulierung in § 1 Abs. 1 UmwG bringe lediglich die Selbstverständlichkeit zum Ausdruck, dass das UmwG in diesem Zusammenhang nur auf den inländischen Rechtsträger Anwendung findet. Für den beteiligten ausländischen Rechtsträger ist dagegen das ausländische Umwandlungsrecht maßgeblich (sog. Vereinigungstheorie).4 Die Auffassung der Gegenmeinung wird unseres Erachtens durch die jüngsten Änderungen des UmwG durch das UmRUG bestätigt.

18.68

Europarechtliche Aspekte. Überlagert wird diese Diskussion bei grenzüberschreitenden Umwandlungen im EU-/EWR-Bereich von europarechtlichen Einflüssen. Auf Basis der Rechtsprechung des EuGH in den Rechtsachen SEVIC, VALE und Polbud (s. hierzu auch Rz. 18.22) vertraten gewichtige Stimmen im Schrifttum5 und auch Teile der Rechtsprechung6 schon bisher die Auffassung, dass die Niederlassungsfreiheit über die Fälle der §§ 122a ff. UmwG a.F. hinaus weitere Formen der Herein-Umwandlung schützt, wie z.B.

18.69

– die Herein-Verschmelzung von Personengesellschaften, – den Herein-Formwechsel ausländischer Kapital- und Personengesellschaften sowie – grenzüberschreitende Spaltungen.

1 Vgl. hierzu und zum Folgenden ausführlich Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard5, Einleitung C. Rz. 20 m.w.N. 2 Großfeld in Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht, Rz. 699; Jaensch, EWS 2007, 97 (98); Kindler in MünchKomm/BGB8, 13. Bd., Teil 10 (IntGesR) Rz. 866; Schaumburg, GmbHR 1996, 501 (502). 3 Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard5, Einleitung C Rz. 33; Drinhausen/Keinath in BeckOGK UmwG, § 1 UmwG Rz. 20 f.; Drygala in Lutter UmwG, § 1 UmwG Rz. 5 f.; MarschBarner/Oppenhoff in Kallmeyer7, § 1 UmwG Rz. 4. 4 Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard5, Einleitung C Rz. 16. 5 Ego in MünchKomm/AktG5, 7. Bd., Europäisches Aktienrecht, Abschnitt B. Rz. 97 ff.; Drinhausen in Semler/Stengel/Leonard5, Einleitung C Rz. 27 ff.; Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, Einführung Rz. 48; Drinhausen/Keinath in BeckOGK UmwG, § 1 UmwG, Rz. 26; Drygala in Lutter UmwG, § 1 UmwG, Rz. 20. 6 OLG Nürnberg v. 19.6.2013 – 12 W 520/113, NZG 2014, 349; KG v. 21.3.2016 – 22 W 64/ 15, NZG 2016, 834; OLG Düsseldorf v. 19.7.2017 – 3 Wx 171/16, NZG 2017, 1354; alle unter Bezugnahme auf die VALE-Entscheidung.

Bindl/Stadler | 1247

Kap. 18 Rz. 18.69 | Doppelt ansässige Gesellschaften

Streitig ist jedoch aus deutscher Sicht weiterhin, ob und, wenn ja, welche Vorschriften des UmwG bei grenzüberschreitenden Umwandlungen auf Basis der EuGH-Rechtsprechung Anwendung finden.1 Durch das UmRUG sollte sich die Diskussion jedenfalls insoweit erledigt haben, als nunmehr einheitliche Regelungen für grenzüberschreitende Verschmelzungen, grenzüberschreitende Spaltungen zur Neugründung und grenzüberschreitende Formwechsel gelten.2 Zu beachten ist jedoch, dass die Regelungen für grenzüberschreitende Umwandlungen weiterhin nur für EU-/EWR-Kapitalgesellschaften gelten. EU-/ EWR-Personengesellschaften sind mit einer Ausnahme weiterhin vom Regelungskonzept ausgenommen.3 Dies bedeutet, dass grenzüberschreitende Umwandlungen unter Einbeziehung von Personengesellschaften auch weiterhin nur auf Basis der EuGH-Rechtsprechung möglich sind, wobei weiterhin streitig ist, ob umwandlungsrechtliche Vorschriften analog anzuwenden sind oder nicht.4 Gesetzliche Regelungen fehlen ferner weiterhin vollständig bei grenzüberschreitenden Umwandlungen unter Einbeziehung von Drittstaaten-Kapitalgesellschaften.5 2. Implikationen für doppelt ansässige Kapitalgesellschaften a) Inländische Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz im Ausland

18.70 Grundsätzliche Anwendbarkeit des UmwG. Inländische Kapitalgesellschaften, die ihren Verwaltungssitz unter Beibehaltung ihrer Rechtsfähigkeit wirksam ins Ausland verlegt haben (s. Rz. 18.21), sind gem. § 1 Abs. 1 UmwG vom Anwendungsbereich des UmwG erfasst, da es insoweit ausschließlich auf den inländischen Satzungssitz ankommt.6 Das Vorliegen eines inländischen Satzungssitzes ist auch für grenzüberschreitende Verschmelzungen gem. § 305 UmwG) sowie für grenzüberschreitende Spaltungen §§ 320 ff. UmwG) und Formwechsel (§§ 333 ff. UmwG) erforderlich. 18.71 Sachliche Einschränkungen. Den doppelt ansässigen Kapitalgesellschaften mit Verwaltungssitz im Ausland stehen jedoch nicht alle der im UmwG geregelten Umwandlungsmöglichkeiten offen. Nicht möglich dürfte nach aktuellem Recht insbesondere die Umwandlung (z.B. Formwechsel) in eine inländische Personengesellschaft sein, sofern auch diese ihre Geschäftsleitung im Ausland hätte. Denn nach der bislang noch herrschenden Auffassung führt die Verlegung der Geschäftsleitung einer inlän1 Siehe hierzu z.B. Heckschen, GWR 2020, 449 zu Rechtsfragen einer grenzüberschreitenden Satzungssitzverlegung einer Luxemburger Personengesellschaft in eine deutsche Kommanditgesellschaft. 2 Heckschen/Knaier, GmbHR, 2022, 501 (Teil I), 613 (Teil II). 3 S. § 122b Abs. 1 Nr. 2 UmwG a.F., § 306 Abs. 1 Nr. 2 UmwG, wonach bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung als übernehmende Gesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Personenhandelsgesellschaft in Betracht kommt. 4 Heckschen, GWR 2020, 449. 5 Heckschen/Kainer, GmbHR 2022, 613, (621 ff.); Goette, DStR 2023, 157. 6 Selbst wenn die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland zur Auflösung der Gesellschaft führen würde – was wegen der in Deutschland grundsätzlich noch geltenden Sitztheorie möglich wäre –, bliebe die Gesellschaft als Liquidationsgesellschaft trotzdem umwandlungsfähig; vgl. Marsch-Barner/Oppenhoff in Kallmeyer7, § 1 UmwG Rz. 2.

1248 | Bindl/Stadler

C. Ausgewählte Aspekte im Zusammenhang mit Umwandlungen | Rz. 18.74 Kap. 18

dischen Personengesellschaft vom Inland ins Ausland stets zur Auflösung der Gesellschaft (s. Rz. 18.16).1 Daher dürfte der Formwechsel einer inländischen Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz im Ausland in eine Personengesellschaft mit ausländischer Geschäftsleitung somit erst gar nicht im Handelsregister eingetragen werden.

Die Rechtslage ändert sich ab dem 1.1.2024 aufgrund der Reform des Personengesellschaftsrechts (MoPeG). Ab diesem Zeitpunkt muss eine Personengesellschaft nur noch ihren Satzungssitz in Deutschland haben, dagegen kann der Verwaltungssitz auch im Ausland (einschließlich Drittstaaten) sein (§ 706 Satz 2 BGB i.d.F. MoPeG, § 105 Abs. 2 HGB i.d.F. MoPeG, § 161 Abs. 2 HGB). Bei offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften sind zur Eintragung im Handelsregister jedoch noch vom Verwaltungssitz ggf. abweichende Geschäftsanschriften in einem EU-Staat anzumelden.2 b) Ausländische Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz im Inland Keine Anwendbarkeit des UmwG. Ausländische Kapitalgesellschaften, die lediglich ihren Verwaltungssitz im Inland haben, fallen nicht in den Anwendungsbereich des UmwG. Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen für diese Gesellschaften richten sich ausschließlich nach dem ausländischen Gesellschaftsrecht. Dies gilt auch bei grenzüberschreitenden Umwandlungen (§§ 305 ff. UmwG, §§ 320 ff. UmwG, §§ 333 ff. UmwG). Die letztgenannten Vorschriften finden nur auf den an der Umwandlung beteiligten inländischen Rechtsträger Anwendung.

18.72

II. Anwendung des UmwStG 1. Persönlicher Anwendungsbereich

Allgemeine Grundsätze. Aus steuerlicher Sicht ist vorrangig zu prüfen, ob die Umwandlung der doppelt ansässigen Kapitalgesellschaft in den Anwendungsbereich des UmwStG fällt, da die Umwandlung in diesem Fall bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen steuerneutral erfolgen kann. Hierbei ist zwischen Umwandlungen, deren steuerlicher Übertragungsstichtag vor dem 1.1.2022 liegt, und Umwandlungen, bei denen der steuerliche Übertragungsstichtag nach dem 31.12.2021 liegt, zu unterscheiden.

18.73

Steuerlicher Übertragungsstichtag vor dem 1.1.2022. Bei diesen Umwandlungen ist zu beachten, dass der persönliche Anwendungsbereich des UmwStG nur bei Vorliegen von umwandlungstauglichen Rechtsträgern gem. § 1 Abs. 2 UmwStG a.F. eröffnet ist.3 Danach muss der übertragende Rechtsträger eine nach dem Recht eines EU-/EWR-Staat gegründete Gesellschaft i.S.d. Art. 48 EGV (heute: Art. 54 AEUV) oder Art. 34 EWR-Abkommen sein, „deren Sitz und Ort der Geschäftsleitung sich innerhalb des Hoheitsgebiets eines dieser Staaten befinden“. Der übernehmende

18.74

1 Str., wie hier statt vieler Fleischer in MünchKomm/HGB5, § 106 Rz. 29 f. m.w.N. 2 Sanders in BeckOGK/HGB, § 106 HGB Rz. 26.1. 3 § 1 Abs. 2 UmwStG a.F. wurde mit der Europäisierung des Umwandlungssteuerrechts durch das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782 (SEStEG) eingeführt.

Bindl/Stadler | 1249

Kap. 18 Rz. 18.74 | Doppelt ansässige Gesellschaften

Rechtsträger muss eine ebensolche Gesellschaft oder eine natürliche Person mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im EU-/EWR-Raum sein.1 Die Kriterien (i) Gründung, (ii) Sitz und (iii) Ort der Geschäftsleitung in einem EU-/ EWR-Staat müssen kumulativ erfüllt sein. Nicht erforderlich ist hingegen, dass Gründungs- und Sitzstaat identisch sind. Ebenso müssen sich der Sitz und der Ort der Geschäftsleitung nicht in demselben Mitgliedstaat befinden.2

18.75 Steuerlicher Übertragungsstichtag nach dem 31.12.2021. Für diese Umwandlungen wurde das UmwStG durch das Körperschaftsteuermodernisierungsgesetz (KöMoG) zumindest für Körperschaften (Zweiter bis Fünfter Teil des UmwStG) vollständig globalisiert, indem § 1 Abs. 2 UmwStG aufgehoben wurde.3 Die Neuregelung ist für alle Umwandlungen anwendbar, deren steuerlicher Übertragungsstichtag nach dem 31.12.2021 liegt (§ 27 Abs. 18 UmwStG). Der Wegfall des EU-/EWR-Nexus hat zur Folge, dass nunmehr die in dem Zweiten bis Fünften Teil des UmwStG geregelten Umwandlungen auch für solche mit Drittstaatenbezug anwendbar sind. Hierunter fallen insbesondere Verschmelzungen sowie Auf- und Abspaltungen von Körperschaften auf andere Körperschaften oder auf Personengesellschaften sowie formwechselnde Umwandlungen von Drittstaatenkörperschaften in Personengesellschaften. Erfasst werden nicht nur grenzüberschreitende Umwandlungen einer EU-/EWRoder Drittstaatenkapitalgesellschaft auf eine (andere) Körperschaft in einem Drittstaat, sondern auch rein nationale Umwandlungen innerhalb eines Drittstaats. Dies bedeutet eine erhebliche Erweiterung des Anwendungsbereichs bei Drittstaatenfällen im Vergleich zum bisherigen Recht. Bisher war eine Buchwertfortführung nur bei der Verschmelzung von Drittstaaten-Körperschaften unter den engen Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 KStG a.F. möglich. Diese Regelung wurde durch das KöMoG ebenfalls gestrichen. 18.76 Implikationen für doppelt ansässige Kapitalgesellschaften. Im Hinblick auf doppelt ansässige Kapitalgesellschaften bedeutet dies Folgendes: 18.77 Steuerlicher Übertragungsstichtag vor dem 1.1.2022. Nur eine Gesellschaft, die in einem EU-/EWR-Staat gegründet wurde und auch ihren Sitz in einem EU-/EWRStaat hat, aber deren Ort der Geschäftsleitung sich in einem anderen Mitgliedstaat befindet, fällt in den Anwendungsbereich des UmwStG.4 Unbeachtlich ist, in wel1 Zusätzliche Voraussetzung ist bei natürlichen Personen, dass sie nicht auf Basis eines DBA als in einem Drittstaat ansässig gelten (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG). 2 Schlösser/Reichl/Rapp in Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen5, § 16 Rz. 36. 3 Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts vom 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050. Bis zur Aufhebung von § 1 Abs. 2 UmwStG hatte lediglich § 24 UmwStG für Einbringungen in Personengesellschaften einen globalen Anwendungsbereich. 4 Frotscher in Frotscher/Drüen, § 1 UmwStG Rz. 114b; Graw in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 1 UmwStG Rz. 107, 120. Hingegen nicht unter die alte Rechtslage fallen Fälle, in denen sich nicht beide Anknüpfungspunkte innerhalb des EU-/EWR-Raums befinden; das gilt auch für den identitätswahrenden Zuzug aus einem Drittstaat oder für ein in einem Mitgliedsstaat gegründetes Unternehmen, das in einen Drittstaat verzogen ist, s. hierzu Graw in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 1 UmwStG Rz. 120; Schlösser/Reichl/Sapp in Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen5, § 16 Rz. 38.

1250 | Bindl/Stadler

C. Ausgewählte Aspekte im Zusammenhang mit Umwandlungen | Rz. 18.80 Kap. 18

chem Staat die Gesellschaft für abkommensrechtliche Zwecke als ansässig gilt.1 Dies bedeutet, dass Umwandlungen mit Drittstaatenbezug nicht in den Anwendungsbereich des UmwStG fallen. Nicht erfasst ist auch eine Gesellschaft, die in einem Drittstaat (z.B. USA) gegründet wurde oder dort ihren Sitz hat und identitätswahrend in einen EU-/EWR-Staat zugezogen ist.2 Gleiches gilt für eine Gesellschaft, die zwar in einem EU-/EWR-Staat gegründet wurde, aber in einen Drittstaat weggezogen ist.3 Steuerlicher Übertragungsstichtag nach dem 31.12.2021. Aufgrund der Aufhebung von § 1 Abs. 2 UmwStG ist ein EU-/EWR-Nexus nicht mehr erforderlich, so dass die §§ 3 bis 19 UmwStG nicht nur für EU-/EWR-Gesellschaften, sondern auch für Drittstaaten-Gesellschaften persönlich anwendbar sind.4

18.78

2. Sachlicher Anwendungsbereich Allgemeine Grundsätze. In sachlicher Hinsicht werden die vom UmwStG erfassten Umwandlungsarten in § 1 Abs. 1 und 3 UmwStG abschließend aufgeführt.

18.79

Für inländische Umwandlungen knüpft die Regelung zunächst an die Umwandlungen des UmwG an, geht jedoch im Hinblick auf Einbringungen durch Einzelrechtsnachfolge (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 UmwStG) und den Anteilstausch (§ 1 Abs. 3 Nr. 5 UmwStG) auch darüber hinaus. Vom Anwendungsbereich des UmwStG erfasst sind ferner „vergleichbare ausländische Vorgänge“. Begriff des „ausländischen Vorgangs“. Fraglich ist, unter welchen Voraussetzungen eine Umwandlung einen „ausländischen Vorgang“ darstellt. Dies ist insofern von Bedeutung, als in diesem Fall die Vergleichbarkeit mit dem entsprechenden inländischen Umwandlungsvorgang geprüft werden muss (s. hierzu Rz. 4.12 ff.). Die Finanzverwaltung stellt auf das Gesellschaftsrecht ab. Nach den Ausführungen im UmwSt-Erlass ist ein ausländischer Vorgang gegeben, wenn auf den übertragenden oder den übernehmenden Rechtsträger das deutsche UmwG kollisionsrechtlich keine Anwendung findet, sondern das ausländische Gesellschaftsstatut maßgeblich ist.5 Die Definition der Finanzverwaltung umfasst damit sowohl – reine Auslandsumwandlungen (d.h., übertragender und übernehmender Rechtsträger haben ihren statutarischen Sitz im Ausland) als auch – grenzüberschreitende Umwandlungen (d.h., entweder der übertragende oder der übernehmende Rechtsträger hat seinen statutarischen Sitz im Ausland). 1 Graw in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 1 UmwStG Rz. 128. 2 Schlösser in Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen5, § 16 Rz. 31. 3 Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 1 UmwStG Rz. 165; Schlösser in Sagasser/ Bula/Brünger, Umwandlungen5, § 16 Rz. 31. 4 Mückl in BeckOK UmwStG, § 1 UmwStG Rz. 301. 5 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314, Rz. 01.20.

Bindl/Stadler | 1251

18.80

Kap. 18 Rz. 18.80 | Doppelt ansässige Gesellschaften

Dementsprechend stellt nach der Verwaltungsauffassung auch eine grenzüberschreitende Verschmelzung nach §§ 305 ff. UmwG) einen ausländischen Vorgang dar, wobei die Vergleichbarkeit mit einer Verschmelzung i.S.d. § 2 UmwG grundsätzlich gegeben ist.1 Dasselbe sollte für grenzüberschreitende Spaltungen und Formwechsel gelten (§§ 320 ff., 333 ff. UmwG).

18.81 Implikationen für doppelt ansässige Kapitalgesellschaften. Im Hinblick auf doppelt ansässige Kapitalgesellschaften bedeutet dies Folgendes: Die Beteiligung einer Kapitalgesellschaft mit Satzungssitz im Ausland und Verwaltungssitz im Inland an einer Umwandlung führt stets dazu, dass ein ausländischer Vorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 UmwStG vorliegt und das Vergleichbarkeitserfordernis zu prüfen ist. Dies liegt daran, dass im Hinblick auf die doppelt ansässige Kapitalgesellschaft das ausländische Gesellschaftsstatut maßgeblich ist (s. Rz. 18.72). Ist an dem Umwandlungsvorgang eine Kapitalgesellschaft mit inländischem Satzungssitz und ausländischem Verwaltungssitz beteiligt, findet auf diese Kapitalgesellschaft weiterhin das deutsche UmwG Anwendung (§ 1 Abs. 1 UmwG). Ein ausländischer Vorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 UmwStG ist somit nur gegeben, wenn der andere Rechtsträger einem ausländischen Gesellschaftsstatut unterliegt.

18.82 Steuerliche Ansässigkeit der beteiligten Rechtsträger sowie Merkmale auf Anteilseignerebene unbeachtlich. Die steuerliche Ansässigkeit der beteiligten Rechtsträger spielt bei der Bestimmung, ob ein ausländischer Vorgang vorliegt, keine Rolle (Maßgeblichkeit des Gesellschaftsrechts2). Ein ausländischer Vorgang kann somit auch dann vorliegen, wenn sämtliche beteiligten Rechtsträger aufgrund einer Doppelansässigkeit im Inland unbeschränkt steuerpflichtig sind (s. Fallbeispiel in Rz. 18.84; s. hierzu auch Rz. 1.53). Die Anteilseignerebene (Gesellschaftsstatut, Ansässigkeit etc.) ist bei der Bestimmung eines in- bzw. ausländischen Vorgangs ebenfalls irrelevant. 3. Wesentliche weitere Prüfungsschritte

18.83 Umwandlung zum Buchwert vs. Aufdeckung stiller Reserven. Falls der persönliche und der sachliche Anwendungsbereich des UmwStG eröffnet sind, sind die einzelnen Vorschriften auf die doppelt ansässige Kapitalgesellschaft grundsätzlich ohne Einschränkung anwendbar. Ein zentraler Prüfungsschritt ist in diesem Zusammenhang, ob die Umwandlung steuerlich zu Buchwerten durchgeführt werden kann. Dabei ist von wesentlicher Bedeutung, ob (i) die Wirtschaftsgüter vor der Umwandlung im Inland steuerlich verstrickt sind und (ii) infolge der Umwandlung das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Insofern unterscheidet sich das Vorgehen bei der Umwandlung von doppelt ansässigen Gesellschaften nicht wesentlich von demjenigen bei der Umwandlung von einfach ansässigen Gesellschaften. 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314, Rz. 01.21. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314, Rz. 01.23.

1252 | Bindl/Stadler

C. Ausgewählte Aspekte im Zusammenhang mit Umwandlungen | Rz. 18.86 Kap. 18

III. Fallbeispiele 1. Fall 1: Verschmelzung zweier niederländischer B.V. mit Verwaltungssitz im Inland Sachverhalt: Zwei Kapitalgesellschaften in der Rechtsform der niederländischen B.V., die ihren statutarischen Sitz jeweils in den Niederlanden und ihren Verwaltungssitz im Inland haben, werden verschmolzen. Die übernehmende Gesellschaft hält 100 % der Anteile an der übertragenden Gesellschaft (sog. Upstream-Merger). Die übertragende Gesellschaft hält als einzigen Vermögensgegenstand eine in Deutschland belegene Immobilie.

18.84

Gesellschaftsrecht. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht richtet sich die Umwandlung nach dem niederländischen Gründungsstatut. Das deutsche UmwG ist auf keine der beiden Gesellschaften anwendbar, weil der statutarische Sitz jeweils im Ausland liegt (§ 1 Abs. 1 UmwG).

18.85

Steuerrecht. Aus steuerlicher Sicht ist der persönliche Anwendungsbereich des UmwStG (hier: §§ 11 ff. UmwStG) eröffnet. Dies gilt unabhängig davon, ob der steuerliche Übertragungsstichtag vor dem 1.1.2022 oder nach dem 31.12.2021 liegt. Bei einem steuerlichen Übertragungsstichtag vor dem 1.1.2022 liegen die Voraussetzungen von § 1 Abs. 2 UmwStG a.F. vor, da sowohl der übertragende als auch der übernehmende Rechtsträger nach dem Recht eines EU-/EWR-Mitgliedstaates gegründet sind und ihren Sitz (Niederlande) und ihre Geschäftsleitung (Deutschland) jeweils in einem EU-/EWR-Mitgliedstaat haben (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG a.F.). Bei einem steuerlichen Übertragungsstichtag nach dem 31.12.2022 ist aufgrund der Aufhebung von § 1 Abs. 2 UmwStG kein EU-/EWR-Nexus mehr erforderlich, so dass der persönliche Anwendungsbereich ohne weitere Voraussetzungen nicht nur für sämtliche EU-/EWR-Kapitalgesellschaften, sondern auch für sämtliche DrittstaatenKapitalgesellschaften gilt.

18.86

Bindl/Stadler | 1253

Kap. 18 Rz. 18.86 | Doppelt ansässige Gesellschaften

Ob der Upstream-Merger auch in sachlicher Hinsicht unter das UmwStG fällt, hängt davon ab, ob es sich um einen dem § 2 UmwG vergleichbaren Vorgang handelt. Unter Zugrundelegung der von der Finanzverwaltung im UmwSt-Erlass aufgestellten Kriterien wird die Vergleichbarkeit einer Verschmelzung nach niederländischem Recht in der Literatur bejaht.1 Der sachliche Anwendungsbereich ist somit eröffnet. Die Verschmelzung kann auf Antrag der T-B.V. zu Buchwerten vorgenommen werden. Denn aufgrund der unbeschränkten Steuerpflicht der M-B.V. i.V.m. Art. 4 Abs. 3 DBA NL wird das deutsche Besteuerungsrecht im Hinblick auf die Immobilie nicht ausgeschlossen oder beschränkt. Gleiches gilt für etwaige geschäftswertbildende Faktoren, wie z.B. günstige Mietverträge etc. (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG). Aus grunderwerbsteuerlicher Sicht ist zu berücksichtigen, dass die Verschmelzung einen grundsätzlich steuerpflichtigen Rechtsträgerwechsel darstellt (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG). Gegebenenfalls kann die Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG in Anspruch genommen werden. 2. Fall 2: Hinausverschmelzung einer doppelt ansässigen Kapitalgesellschaft

18.87 Sachverhalt:

Die T-GmbH mit statutarischem Sitz im Inland und Verwaltungssitz im Ausland wird auf ihre einfach ansässige niederländische Muttergesellschaft M-B.V. verschmolzen. Die übernehmende Gesellschaft hält 100 % der Anteile an der übertragenden Gesellschaft. Die übertragende Gesellschaft unterhält in Deutschland eine operative Betriebsstätte (Op-BS).

18.88 Gesellschaftsrecht. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht richtet sich die Umwandlung der T-GmbH nach dem deutschen UmwG, da insoweit der inländische Satzungssitz der T-GmbH maßgeblich ist. Es liegt eine Hinausverschmelzung i.S.d. §§ 122a ff. UmwG (§§ 305 ff. UmwG-E) vor. Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen für die MB.V. richten sich hingegen nach niederländischem Gesellschaftsrecht.

1 Ehret/Lausterer, DB 2012, Beilage 1, 5 (12).

1254 | Bindl/Stadler

C. Ausgewählte Aspekte im Zusammenhang mit Umwandlungen | Rz. 18.90 Kap. 18

Steuerrecht. Aus steuerlicher Sicht ist der persönliche Anwendungsbereich des UmwStG (hier: §§ 11 ff. UmwStG) eröffnet. Dies gilt unabhängig davon, ob der steuerliche Übertragungsstichtag vor dem 1.1.2022 oder nach dem 31.12.2021 liegt. Bei einem steuerlichen Übertragungsstichtag vor dem 1.1.2022 liegen die Voraussetzungen von § 1 Abs. 2 UmwStG a.F. vor, da sowohl der übertragende als auch der übernehmende Rechtsträger nach dem Recht eines EU-/EWR-Mitgliedstaats gegründet sind und ihren Sitz (Niederlande) und ihre Geschäftsleitung (Deutschland) jeweils in einem EU-/EWR-Mitgliedstaat haben (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG a.F.). Bei einem steuerlichen Übertragungsstichtag nach dem 31.12.2022 ist aufgrund der Aufhebung von § 1 Abs. 2 UmwStG kein EU-/EWR-Nexus mehr erforderlich, so dass der persönliche Anwendungsbereich ohne weitere Voraussetzungen nicht nur für sämtliche EU-/EWR-Kapitalgesellschaften, sondern auch für sämtliche DrittstaatenKapitalgesellschaften gilt.

18.89

Auch der sachliche Anwendungsbereich ist eröffnet. Die Verschmelzung stellt auf Basis der Verwaltungsauffassung einen ausländischen Vorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG dar, der mit einer rein inländischen Verschmelzung nach § 2 UmwG vergleichbar ist.1 Die Verschmelzung kann unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 UmwStG auf Antrag zu Buchwerten vorgenommen werden. Ob es sich bei der übertragenden TGmbH um eine im Inland einfach ansässige oder um eine doppelt ansässige Gesellschaft handelt, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Entscheidend ist im Ergebnis die Frage, ob die Hinausverschmelzung zu einer steuerlichen Entstrickung der Betriebsstätten-Wirtschaftsgüter führt. 3. Fall 3: Formwechsel einer niederländischen B.V. mit Verwaltungssitz im Inland Sachverhalt: Eine Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer niederländischen B.V. mit Verwaltungssitz im Inland wird formwechselnd in eine Personengesellschaft in der Rechtsform einer niederländischen C.V. umgewandelt. Die Geschäftsleitung der C.V. soll auch nach der Umwandlung im Inland verbleiben. Die beiden Anteilseigner der B.V. halten jeweils 50 % der Anteile und sind in den Niederlanden steuerlich ansässig.

1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.21.

Bindl/Stadler | 1255

18.90

Kap. 18 Rz. 18.91 | Doppelt ansässige Gesellschaften

18.91 Gesellschaftsrecht. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht richtet sich die Umwandlung nach niederländischem Gesellschaftsrecht. Dies gilt insbesondere auch für die Frage, ob nach dem niederländischen Gesellschaftsstatut eine C.V. mit Verwaltungssitz im Ausland (hier: Deutschland) weiterhin rechtsfähig ist. 18.92 Steuerrecht. Aus steuerlicher Sicht ist der persönliche Anwendungsbereich des UmwStG eröffnet. Dies gilt unabhängig davon, ob der steuerliche Übertragungsstichtag vor dem 1.1.2022 oder nach dem 31.12.2021 liegt. Bei einem steuerlichen Übertragungsstichtag vor dem 1.1.2022 liegen die Voraussetzungen von § 1 Abs. 2 UmwStG a.F. vor, da der umzuwandelnde Rechtsträger nach dem Recht eines EU-/ EWR-Mitgliedstaates gegründet ist und seinen Sitz (Niederlande) und seine Geschäftsleitung (Deutschland) jeweils in einem EU-/EWR-Mitgliedstaat hat (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG. Bei einem steuerlichen Übertragungsstichtag nach dem 31.12.2022 ist aufgrund der Aufhebung von § 1 Abs. 2 UmwStG kein EU-/EWR-Nexus mehr erforderlich, so dass der persönliche Anwendungsbereich ohne weitere Voraussetzungen nicht nur für sämtliche EU-/EWR-Kapitalgesellschaften, sondern auch für sämtliche Drittstaaten-Kapitalgesellschaften gilt. Auch der sachliche Anwendungsbereich ist eröffnet. Der Formwechsel stellt auf Basis der Verwaltungsauffassung einen ausländischen Vorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwStG dar, da sich die Umwandlung nach ausländischem Gesellschaftsstatut richtet.1 Unter Zugrundelegung der von der Finanzverwaltung im UmwSt-Erlass aufgestellten Kriterien wird die Vergleichbarkeit eines Formwechsels nach niederländischem Recht mit dem Formwechsel gem. §§ 190 ff. UmwG in der Literatur bejaht.2 Der Formwechsel kann unter den Voraussetzungen des § 9 i.V.m. § 3 Abs. 2 UmwStG auf Antrag zu Buchwerten vorgenommen werden. In diesem Zusammenhang kommt es im Wesentlichen darauf an, ob es infolge der Umwandlung zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts im Hinblick auf die Wirtschaftsgüter der B.V. kommt (s. hierzu ausführlich Kapitel 13). Für die beiden Anteilseigner ist ein Übernahmeergebnis zu ermitteln (§ 4 Abs. 4 i.V.m. § 5 Abs. 2 UmwStG). Im Hinblick auf die steuerlichen Gewinnrücklagen gilt die Vollausschüttungsfiktion gem. § 7 UmwStG. Auf die Erträge i.S.d. § 7 UmwStG findet das Teileinkünfteverfahren Anwendung. Wegen der Einlagefiktion des § 5 Abs. 2 UmwStG ist die einbehaltene deutsche Kapitalertragsteuer nicht definitiv. Die Anteilseigner können sich die Kapitalertragsteuer im Rahmen ihrer Veranlagung der beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG auf die inländische Steuerschuld anrechnen lassen.3

1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.21. 2 Ehret/Lausterer, DB 2012, Beilage 1, 5 (12). 3 Pung/Werner in D/P/M, § 7 UmwStG Rz. 24; Stadler/Elser/Bindl, DB 2012, Beilage 1, 14 (25).

1256 | Bindl/Stadler

D. Zusammenfassung | Rz. 18.93 Kap. 18

D. Zusammenfassung Doppelt ansässige Gesellschaften zeichnen sich dadurch aus, dass sie in zwei Staaten der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen (z.B., weil sie ihren Satzungssitz in einem und ihren Verwaltungssitz in einem anderen Staat haben). Abkommensrechtlich gilt nur der Staat als Ansässigkeitsstaat, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung befindet (sog. Tie Breaker Rule). Dies ist insbesondere relevant im Hinblick auf Drittstaateneinkünfte der Gesellschaft und den Quellensteuereinbehalt im Fall von Ausschüttungen an Anteilseigner. Unter bestimmten Voraussetzungen können doppelt ansässige Gesellschaften taugliche Organträger oder Organgesellschaften im Rahmen einer ertragsteuerlichen Organschaft sein. Im Bereich des Außensteuergesetzes ist bei Vorliegen niedrig besteuerter und passiv tätiger Betriebsstätten insbesondere auf die Anwendbarkeit des § 20 Abs. 2 AStG hinzuweisen. In umwandlungsrechtlicher Hinsicht hängt es vom Satzungssitz der an der Umwandlung beteiligten Gesellschaft ab, ob das deutsche UmwG oder das jeweilige ausländische Gesellschaftsstatut zu prüfen ist. Die Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie in deutsches Recht hat zur Folge, dass nunmehr auch grenzüberschreitenden Spaltungen sowie Formwechsel von EU-/EWR-Kapitalgesellschaften unter Anwendung des UmwG möglich sind. Umwandlungssteuerlich hatte die Aufhebung von § 1 Abs. 2 UmwStG mit Wirkung zum 1.1.2022 zur Folge, dass der persönliche Anwendungsbereich für die §§ 3 bis 19 UmwStG vollständig globalisiert wurde. Bei Beteiligung von Gesellschaften mit Satzungssitz im Ausland und Verwaltungssitz im Inland ist jedoch weiterhin zu prüfen, ob die betreffende Umwandlung einen „vergleichbaren ausländischen Vorgang“ i.S.d. § 1 Abs. 1 und 3 UmwStG darstellt. Im Übrigen richtet sich die steuerliche Behandlung nach den allgemeinen Grundsätzen, insbesondere im Hinblick auf die einschlägigen Entstrickungs- und Verstrickungsnormen.

Bindl/Stadler | 1257

18.93

1258 | Bindl/Stadler

Kapitel 19 Hybride Gesellschaften A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.1 B. Begriff und Arten der hybriden Gesellschaften I. Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2 II. Rechtstypenvergleich . . . . . . . . . . . 19.4 III. Verschiedene Arten von Hybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.8 1. Originäre Hybride . . . . . . . . . . 19.9 2. Hybride durch Option . . . . . . . 19.10 3. Hybride Finanzierung . . . . . . . 19.14 4. Deutscher (originärer) Hybrid: Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) . . . . . . . . . . . . . . . . 19.17 C. Laufende Besteuerung hybrider Gesellschaften I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . 19.18 II. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10 . . . 19.22 III. Switch-over-Klauseln . . . . . . . . . . . 19.24 IV. Besteuerung im Veräußerungsfall 19.28 V. Exkurs: Besteuerung von Schachteldividenden bei der KGaA . . . . 19.31

D. Nutzung hybrider Gesellschaften bei internationalen Umwandlungen I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . 19.34 II. Ausgangsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.35 III. Grenzüberschreitende Umwandlungen 1. Umwandlungsvarianten und Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.37 2. Qualifizierung der hybriden Grundeinheit . . . . . . . . . . . . . . . 19.39 3. Fusionsrichtlinie . . . . . . . . . . . . 19.42 4. Umsetzung ins UmwStG . . . . . 19.46 5. Umwandlungsvorgänge im Einzelnen a) (Hinaus-)Verschmelzung durch Neugründung . . . . . 19.47 b) (Hinaus-)Abspaltung . . . . 19.52 c) Ausgliederung . . . . . . . . . . 19.54 d) Exkurs: Formwechsel . . . . 19.56

Literatur: Behrendt/Heeg, Die abkommensrechtliche Behandlung des Einbringungsgewinns I i.S.d. § 22 Abs. 1 UmwStG, RIW 2008, 56; Behrens/Grabbe, Zur Rückfallklausel bei Nichtausübung des ausschließlichen Besteuerungsrechts für einen Umwandlungsgewinn, BB 2008, 818; Benecke/Schnitger, Änderungsrichtlinie zur Fusionsrichtlinie: Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung und Aufnahme transparenter Gesellschaften – zwei unvereinbare Ziele?, IStR 2005, 641; Berens, Auftakt zur Umsetzung des Multilateralen Instruments in Deutschland durch das MLI-Umsetzungsgesetz vom 22.11.2020, Ubg 2021, 1; Blumers/Kinzl, Änderungen der Fusionsrichtlinie: Warten auf den EuGH – Oder: Wie Sekundärrecht gegen Primärrecht verstößt, BB 2005, 971; Bodden, Die atypisch stille Gesellschaft im Einkommensteuerrecht, KÖSDI 2019, 21282; Bode, Transparente Besteuerung einer KGaA nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG - Anmerkung zum Urteil des BFH vom 1.6.2022 – I R 44/18, FR 2022, 1074; Böhmer/Schewe/Schlücke, Der Referentenentwurf des ATAD-Umsetzungsgesetzes – Gewinnausschüttungen, Veräußerungen und Umwandlungen, FR 2020, 164; Brähler/Heerdt, Steuerneutralität bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen unter Beteiligung hybrider Gesellschaften, StuW 2007, 260; Brandi/Schmidt, Der grenzüberschreitende Formwechsel nach dem RegE zum UmRUG, DB 2022, 1880; Ditz, Umsetzung des Mehrseitigen Übereinkommens (Multilateral Instrument) in Deutschland, DB 2020, 2208; Djanani/Brähler/Waldbach, Steuerplanung bei deutschen Direktinvestitionen in Ungarn, IStR 2011, 317; Dorn/Dibbert, Gesetz zur Modernisierung des KStG (KöMoG) vorgelegt – Optionsmodell für PersGes. in Sicht!, DB 2021, 706; Dötsch/Pung, SEStEG: Die Änderungen des KStG, DB 2006, 2648; Dorf-

Sterner | 1259

Kap. 19 | Hybride Gesellschaften müller, Die Qualifikation der deutschen GmbH & Co. KG aus US-amerikanischer Sicht: Risiken für die Anwendung des DBA USA, IStR 2010, 644; Drüen/van Heek, Die Kommanditgesellschaft auf Aktien zwischen Trennungs- und Transparenzprinzip – Eine steuersystematische Bestandsaufnahme, DStR 2012, 541; Ehlermann/Link, Die Anti-Hybrid-Regel des § 4k EStG – Ausgewählte Anwendungs- und Auslegungsfragen im Inbound-Kontext, ISR 2021, 319; Eilers, Umwandlungssteuerrecht: Der Weg in die LLP, BB-Special 2010 Nr. 3, 27; Eimermann, Qualifikationsverkettung, FS für Franz Wassermeyer, 2015, 69; Farwick, Transparente Besteuerung einer KGaA nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG – Anmerkungen zum BFH-Urteil v. 1.6.2022 – I R 44/18, StuB 2023, 85; Felkai, Steueroptimale Rechtsformwahl bei Investitionen deutscher Unternehmer in Ungarn, PIStB 2010, 164; Görgen, Mitunternehmerstellung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, DStZ 2020, 607; Günkel/Lieber, Atypisch stille Gesellschaft als grenzüberschreitendes Gestaltungsinstrument, IWB 1999 Fach 10 Gr. 2, 1393; Greinert/Siebing, Hybride Gestaltungen – Ein kritischer Überblick über § 4k EStG -E, Ubg 2020, 589; Grotherr, ATADUmsetzungsgesetz: Anwendungs- und Auslegungsfragen zum neuen Betriebsausgabenabzugsverbot gemäß § 4k EStG-E bei hybriden Gestaltungen, IStR 2020, 773; Grotherr, BEPS: Neutralisierung der Effekte von hybriden Gestaltungen im Abkommensrecht durch das Multilaterale Instrument (Teil 1), ISR 2017, 179; Grotherr, BEPS: Neutralisierung der Effekte von hybriden Gestaltungen im Abkommensrecht durch das Multilaterale Instrument (Teil 2), ISR 2017, 221; Grotherr, Welche Steuergestaltungsmodelle sollen durch die neue Anti-Hybrid-Richtlinie bekämpft werden?, BB 2017, 1367; Hagena, Hybride Gesellschaften im Verhältnis Deutschland-USA, ISR 2014, 83; Hellio/Cadet, Die Behandlung der teiltransparenten Personengesellschaft in Frankreich – Das UFO des französischen Steuerrechts, IWB 2022, 67; Hey, F., Außensteuerrecht, Doppelbesteuerungsabkommen und EU-Recht im Spannungsverhältnis, FS für Debatin, 1997, 121; Hey/Bauersfeld, Die Besteuerung der Personen(handels)gesellschaften in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, der Schweiz und den USA, IStR 2005, 649; Hinz, Hybride Gestaltungen und strukturelles Vollzugsdefizit – Anspruch und Grenzen der Administrierbarkeit, IStR 2020, 397; Holle/Krüger/Weiss, Die geplante Erweiterung der persönlichen Anwendbarkeit des UmwStG durch das KöMoG – Globalisierung des UmwStG?, IStR 2021, 489; Höreth/Stelzer/Kummer, Aufräumarbeiten vor der Bundestagswahl? – Teil I: ATAD-Umsetzungsgesetz, Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz, DStZ 2021; Kahlenberg, Neutralisierungsregeln für hybride Gestaltungen – Die endgültigen Empfehlungen der OECD zur Bekämpfung internationaler Gewinnverlagerungen, NWB 2015, 490; Jordan, Konsequenzen des Formwechsels für einen vorgelagerten Anteilstausch nach § 21 UmwStG, NWB 2023, 191; Kahlenberg, Qualifikationsverkettungen als „schärfere“ Abwehrmaßnahme für den Bereich hybrider Gestaltungsinstrumente – Vergleich der Instrumente im Kontext der Anti-BEPS-Richtlinie Ubg 2016, 405; Kahlenberg, Seminar D: Hybrid instruments and entities, IStR 2019, 636; Kahlenberg/Oppel, Anti-BEPS-Richtlinie: Erweiterung um Regelungen zur Neutralisierung von hybriden Gestaltungen mit Drittstaaten, IStR 2017, 205; Kahlenberg/ Radmanesh, Einführung von Anti-Hybrid Regelungen durch das ATAD-Umsetzungsgesetz – Teil 1 – Geltung für Gestaltungen nach dem 31.12.2019, IWB 2021, 497; Kahlenberg/Radmanesh, Einführung von Anti-Hybrid- Regelungen durch das ATAD-Umsetzungsgesetz – Teil 2 – Die § 4k EStG flankierenden Regelungen, IWB 2021, 891; Kofler/Lüdicke/Simonek, Hybride Personengesellschaften – Umsetzung des OECD Partnership Reports in Deutschland, Österreich und der Schweiz IStR 2014, 349; Kollruss, Mehrstöckige Hybrid-Kapitalgesellschaftsstrukturen und § 50d Abs. 11 EStG: Leerlaufen der Norm?, BB 2013, 157; Kollruss, Ungeklärte ertragsteuerliche Fragestellungen hybrider ausländischer Gesellschaften, StuW 2010, 381; Kollruss/Weißert, Dogmatik und Anwendungsfragen des § 50d Abs. 11 EStG, IStR 2020, 402; Kraft/Kockrow, Dreidimensionale Betrachtung der Anti-Hybrid- und CFC-Regeln – Wechselwirkung des § 4k EStG mit der Hinzurechnungsbesteuerung und dem US-Steuerrecht, IWB-2021, 570; Krause, Umsetzung der ATAD II in Bezug auf hybride Gestaltungen mit Unternehmen, DB 2019, 1098; Kusterer, Besteuerung des Komplementärs einer Kommanditgesellschft auf Aktien, DStR 2023, 183; Levedag, Ausgewählte ertragsteuerliche Entwicklun-

1260 | Sterner

Hybride Gesellschaften | Kap. 19 gen bei der atypisch stillen Gesellschaft und (a)typisch stillen Unterbeteiligung, GmbHR 2019, 699; Linn/Maywald, Der Rechtstypenvergleich nach MoPeG und KöMoG, IStR 2021, 825; Loose, USA: Finale und vorgeschlagene Anti-Hybrid-Regulations veröffentlicht, IStR-LB 2020, 45; Krechel/Strüder; Beschränkte Steuerpflicht bei umgekehrt hybriden Gestaltungen – Einführung des § 49 Abs. 1 Nr. 11 EStG; FR 2021, 884; Lüdicke, Beteiligung an ausländischen intransparent besteuerten Personengesellschaften, IStR 2011, 91; Mädel/Stockburger/Stößel, Implementierung nationaler Anti-Hybrid-Normen – Kollision mit verfassungsrechtlichen Grundprinzipien und Gefahr der Doppelbesteuerung?, FR, 2021, 1110; Marquardsen, Hybride Gesellschaften im internationalen Steuerrecht – Systematisierung des Diskurses, StuW 2019, 374; Mitschke, Das Treaty Override zur Verhinderung einer Keinmalbesteuerung aus Sicht der Finanzverwaltung, DStR 2011, 2221; Möhlenbrock/Haubner, Die Zukunft der Besteuerung der Personengesellschaften: MoPeG, KöMoG und DAOs, FR 2022, 53; Müller-Gatermann, Notwendige strukturelle Steuergesetzgebung in dieser Legislaturperiode bei den direkten Steuern, FR 2018, 389; Müller-Gatermann/Strüder/Ludwig, Sieht ATAD den richtigen Abwehrmechanismus bei hybriden Rechtsträgern vor?, FR 2020, 303; Müller/Wangler, Qualifikationskonflikte bei der Beteiligung inländischer Investoren an ausländischen Personengesellschaften, IStR 2003, 145; Niedling/Rautenstrauch, Auswirkungen des „ATAD II“-Vorschlags zu hybriden Gestaltungen mit Drittländern auf Finanzierungstransaktionen, BB 2017, 1500; OECD, Issues in International Taxation – The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships, No. 6, 1999; Oppel, Die Anwendung des Multilateralen Instruments (MLI), ISR 2019, 321; Rosembuj, Hybrid Entities Why Not Tax Pass-throughs as Corporations?, INTERTAX 2012, 298; Oppermann, Kapitalertragsteuerentlastung für hybride LLCs in den USA – ein Leitfaden, PIStB, 2021, 348; Prinz, Internationale Personengesellschaften: Option gem. § 1a KStG bei ausländischen Mitunternehmern, FR 2023, 1; Prinz, Die Reform der Besteuerung der Personengesellschaften – Ein Statement, FR 2022, 61; Prinz, Globalisierung des deutschen Umwandlungssteuerrechts durch das KöMoG – Begrüßenswert, aber unvollständig, FR 2021, 561; Prinz, Besteuerungsgrundsätze für hybride internationale Mitunternehmerschaften, FR 2012, 381; Röder, Ein frischer Blick auf den Typenvergleich: Gestiegene gesellschaftsrechtliche Komplexität erfordert radikale Vereinfachung, IStR 2021, 795; Rüsch, § 50d Abs. 11 EStG als korrespondierender Besteuerungstatbestand für grenzüberschreitende laufende Beteiligungserträge bei hybriden Gesellschaften, ISR 2019, 419; Rüsch, Hybride Gestaltungen im internationalen Steuerrecht – Perspektiven einer neuen gesetzlichen Regelung, DStZ 2015, 783; Salinger/ Schießl, Wegzugsbesteuerung: Hybride Gestaltungen und Wegzugsbesteuerung, ISR 2015, 186; Schick, Die Besteuerung der Personengesellschafter nach dem DBA Spanien – Einkünftezurechnung nach Abkommensrecht, IWB 2011, 93; Schiefer, Maßnahmen zur Bekämpfung hybrider Finanzierungsinstrumente – Änderung der Mutter-Tochter-Richtlinie und aktuelle Diskussion, Schiefer, IWB 2015, 352;Schmidt, Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften – Eine Analyse des BMF-Schreibens vom 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, IStR 2010, 413; Schmidt, Steuergestaltung bei Direktinvestitionen in Mittel- und Osteuropa mittels Personengesellschaften – Fragen zur abkommensrechtlichen Behandlung, IWB 2011, 696; Schnitger/Krüger, Praxisfragen zur Anwendung der Meldepflichten nach §§ 138d ff. AO bei grenzüberschreitenden M&A-Transaktionen und Unternehmensrestrukturierungen, DB 2020, 2422; Schulz-Trieglaff, Zulässigkeit einer Qualifikationsverkettung auch ohne entsprechende abkommensrechtliche Anordnung in den Verteilungsnormen, IStR 2018, 341; Schön, Seminar E (IFA/OECD): Das Multilaterale Instrument, IStR 2017, 681; Staats, Zur Neutralisierung hybrider Gestaltungen – Der OECD-Bericht zu Maßnahme 2 des BEPS-Aktionsplans, IStR 2014, 749; Stevens/Fibbe, Taxation of Hybrid Entities under the Parent-Subsidiary Directive: The Example of the Netherlands, EC TAX REVIEW 2011, 242; Suchanek, Die Gleichstellung der atypisch stillen Gesellschaft mit den übrigen ertragsteuerlichen Mitunternehmerschaften, GmbHR 2017, 292; Thiel, Unternehmensbesteuerung, FS für Herzig, 2010; Valta, Base Erosion and Profit Shifting: Die jüngsten Diskussionsentwürfe der OECD zum BEPS Projekt (Teil 3): Hybride Gestaltungen, ISR 2014, 249; Zinowsky/Jochimsen,

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Kap. 19 Rz. 19.1 | Hybride Gesellschaften ATAD II – Ausweitung der Abwehrmaßnahmen gegen steuerlich hybride Gestaltungen auf Drittlandsfälle, ISR 2017, 325.

A. Einführung 19.1 Im Rahmen der Internationalisierung werden Konzerne und mittelständische Unternehmen vermehrt grenzüberschreitend tätig. Sie bedienen sich dazu verschiedener Instrumentarien, z.B. investieren sie in ausländische Gesellschaften oder gründen diese. Vielfach werden Gesellschaften genutzt, die Merkmale einer Personen- und einer Kapitalgesellschaft aufweisen (hybride Gesellschaften). Die Qualifikation einer solchen Gesellschaft als Personen- oder Kapitalgesellschaft kann dabei aufgrund der unterschiedlichen Steuerrechtsordnungen in den jeweiligen betroffenen Staaten (Sitzstaat der Gesellschaft und Wohnsitzstaat der Gesellschafter) voneinander abweichen. Aus diesen Abweichungen ergeben sich für grenzüberschreitend tätige Unternehmen mitunter steuerrechtlich interessante Gestaltungsvarianten. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für derartige grenzüberschreitende Sachverhalte unterliegen in den letzten Jahren jedoch einem rasanten Wandel. Insbesondere die EU-Mitgliedstaaten haben in dem Bestreben ihre jeweiligen Steuerrechtsordnungen aufeinander abzustimmen und dadurch eine Besteuerung von Unternehmensgewinnen sowie die Verteilung des Steueraufkommens sicherzustellen umfassende Änderungen an ihren jeweiligen nationalen steuerlichen Regelungen vorgenommen. Davon sind insbesondere auch Gestaltungen mit hybriden Gesellschaften betroffen. Schwerpunkt dieses Beitrags bilden Outbound-Investitionen aus Deutschland in EU/EWR- und Drittstaaten.

B. Begriff und Arten der hybriden Gesellschaften I. Begriffsklärung

19.2 Unter einer hybriden Gesellschaft versteht man eine Gesellschaft, die in der Steuerrechtsordnung von mindestens zwei Staaten abweichend voneinander in einem Staat als Personengesellschaft und im anderen Staat als Kapitalgesellschaft qualifiziert wird. Solche Gesellschaften besitzen zwar eine einfache formale Gesellschaftsstruktur. Diese lässt aber grenzüberschreitend keine einheitliche Typisierung zu. Die Klassifizierung der Gesellschaftsrechtsordnung im Sitzstaat wird in der nationalen Steuerrechtsordnung des Ansässigkeitsstaates des Gesellschafters nicht nachvollzogen. Es entsteht ein steuerlich relevanter Qualifikationskonflikt. Dieser kann beispielsweise bei einer deutschen Outbound-Investition entstehen, wenn eine ausländische Gesellschaft gegründet wird und diese Gesellschaft steuerrechtlich im Ausland als Kapitalgesellschaft und in Deutschland als Personengesellschaft qualifiziert wird. Im Ausland wird die hybride Gesellschaft dann als Kapitalgesellschaft intransparent auf Gesellschaftsebene besteuert. In Deutschland erfolgt hingegen eine transparente Besteuerung auf Ebene der Gesellschafter. Da einige Staaten Personengesellschaften intransparent besteuern, kann ein solcher Konflikt jedoch auch dann entstehen, wenn

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B. Begriff und Arten der hybriden Gesellschaften | Rz. 19.4 Kap. 19

Deutschland und der Zielstaat eine Gesellschaft übereinstimmend als Personengesellschaft qualifizieren. Vermeiden lassen sich Qualifikationskonflikte durch eine sog. Qualifikationsverkettung. Darunter ist die einheitliche Qualifikation eines Rechtsträgers durch die unterschiedlichen Steuerrechtsordnungen mindestens zweier Staaten zu verstehen, indem die Qualifikation des Rechtsträgers – als Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft – durch den einen Staat Bindungswirkung für den anderen Staat entfaltet.1 Dadurch wird gewährleistet, dass die Qualifikation einheitlich erfolgt. Die Rechtsprechung lehnt die Annahme einer Qualifikationsverkettung als einen allgemeinen Auslegungsgrundsatz jedoch ab, sofern keine entsprechende gesetzliche Grundlage besteht.2 In neueren Vorschriften wie beispielsweise § 1a Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 KStG ist der Gesetzgeber dazu übergegangen derartige Qualifikationsverkettungen ausdrücklich gesetzlich zu regeln.3 In der Praxis spricht man von einem Hybrid, wenn die Gesellschaft im Sitzstaat als Kapitalgesellschaft besteuert, nach deutschem Recht aber als Personengesellschaft qualifiziert und besteuert wird (Behandlung im Ausland als Körperschaft).4 Von einem Reverse Hybrid spricht man, wenn eine nach deutschem Steuerrecht als Körperschaft einzuordnende ausländische Gesellschaft im Sitzstaat steuerlich transparent behandelt wird (Behandlung in Deutschland als Körperschaft). Diese Definitionen bilden die Ausgangsbasis für die folgende Untersuchung.

19.3

II. Rechtstypenvergleich Bei der Beteiligung eines Inländers an einer ausländischen Gesellschaft muss aus deutscher Sicht geprüft werden, ob die ausländische Zielgesellschaft nach deutschen 1 Levedag in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG1, § 2 Rz. 16; Schönfeld in Schönfeld/Ditz, DBA2, Artikel 10 Rz. 31; Roser in Gosch, KStG4, § 26 Rz. 31; Eimermann in FS Wassermeyer, 70; Schulz-Trieglaff, IStR 2018, 341. 2 Dazu grundlegend BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760; Prinz, FR 2012, 381; Schulz-Trieglaff, IStR 2018, 341 (343). 3 Tiede in H/H/R314, EStG/KStG, § 1a KStG Anm. 40; Mundfortz in Frotscher/Drüen166, KStG, § 1a KStG Rz. 24; Prinz, FR 2022, 61 (63); BT-Drucks. 19/28656, 22. 4 Vgl. Müller/Wangler, IStR 2003, 145 (150); Marquardsen, StuW 2019, 374.

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19.4

Kap. 19 Rz. 19.4 | Hybride Gesellschaften

(Steuer-)Maßstäben einer Personen- oder Kapitalgesellschaft entspricht. Die Qualifikation der Gesellschaft und die steuerliche Behandlung im Sitzstaat sind für das deutsche Steuerrecht nicht bindend.1 Würde die im Ausland erfolgende Qualifikation übernommen, könnten wirtschaftlich gleiche Sachverhalte aufgrund der unterschiedlichen ausländischen Rechtsordnungen unterschiedlich behandelt werden, worin eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu sehen wäre.2 Es findet daher eine autonome Qualifikation für das innerstaatliche Steuerrecht statt. Abkommensrechtliche Definitionen nach DBA bleiben ebenfalls außer Betracht.3 Die Grundtypenvermischung von Kapital- und Personengesellschaft wird im deutschen Steuerrecht durch eine Qualifizierung in Form eines Rechtstypenvergleichs aufgelöst.

19.5 Der Rechtstypenvergleich findet seinen Ursprung in der sog. Venezuela-Entscheidung des RFH.4 Der RFH musste über die Qualifizierung einer venezolanischen KG entscheiden und stellte dazu Leitlinien auf. Der BFH und die Finanzverwaltung haben diese Leitlinien übernommen.5 Die steuerrechtliche Qualifizierung einer ausländischen Gesellschaft erfolgt in zwei Stufen.6 Auf der ersten Stufe werden die gesellschaftsrechtlichen Merkmale der ausländischen Gesellschaft untersucht. Nach Ansicht des RFH muss bei dem Typenvergleich die Gesamtheit der ausländischen Gesellschaft, unter Beachtung ihrer wirtschaftlichen Stellung und ihres rechtlichen Aufbaus nach dem Recht des Sitzstaats, gewürdigt werden.7 Für den Vergleich sind alle Elemente heranzuziehen, die nach deutschem Recht die wesentlichen Strukturmerkmale einer Körperschaft ausmachen.8 Auf der zweiten Stufe erfolgt die Zuordnung zu einem vergleichbaren inländischen Rechtstyp. Soweit sich eine weitgehende Übereinstimmung mit dem Aufbau und der wirtschaftlichen Bedeutung einer deutschen Gesellschaft hinsichtlich deren Einordnung in das System des Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetzes ergibt, wird die ausländische Gesellschaft entsprechend behandelt.9 Der BFH und die Finanzverwaltung haben verschiedene Strukturmerkmale herausgearbeitet. Eine Prüfung anhand dieser Merkmale ist im Einzelfall jedenfalls immer dann erforderlich, soweit nicht auf bestehende Grundsätze – wie die Einordnung ausgewählter Rechtsformen in den Tabellen 1 und 2 im Anhang zum sog. Betriebsstättenerlass10 – zurückgegriffen werden kann. Liegt in der Praxis hingegen 1 BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695 (696); BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263 (266); BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA – 22/04, BStBl. I 2004, 411 (412); BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, 1258 (1260). 2 Müller/Wangler, IStR 2003, 145 (146). 3 Müller/Wangler, IStR 2003, 145 (146). 4 RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RFHE 27, 73. 5 Vgl. BFH v. 15.3.1995 – II R 24/91, BStBl. II 1995, 653 (655); v. 19.3.1996 – VIII R 15/94, BStBl. II 1996, 312 (313); v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263 (266); BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA – 22/04, BStBl. I 2004, 411 (zur LLC); v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, 1258 (1260). 6 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 394; Schnittker in W/R/S2, 164. 7 RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RFHE 27, 73 (79). 8 BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA – 22/04, BStBl. I 2004, 411 (412) (zur LLC). 9 RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RFHE 27, 73 (79 f.). 10 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4-S 1300-111/99, BStBl. I 1999, 1076.

1264 | Sterner

B. Begriff und Arten der hybriden Gesellschaften | Rz. 19.7 Kap. 19

eine der im vorgenannten Erlass aufgeführten Rechtsformen vor, ist eine erneute Durchführung des Rechtstypenvergleich, vorbehaltlich eines atypisch ausgestalteten Gesellschaftsvertrages, praktisch nicht erforderlich.1 Die deutsche zivilrechtliche Rechtsprechung beeinflusst den autonomen Typenvergleich nicht.

19.6

Merkmale für eine Körperschaft nach BMF vom 19.3.2004:2 – zentralisierte Geschäftsführung und Vertretung – beschränkte Haftung – freie Übertragbarkeit der Anteile – Gewinnzuteilung – Kapitalaufbringung – unbegrenzte Lebensdauer der Gesellschaft – Gewinnverteilung – formale Gründungsvoraussetzungen Diese Merkmale hat die Rechtsprechung zuletzt durch Beschluss vom 18.5.20213 bestätigt und die Geschäftsführung, Vertretung, beschränkte Haftung, Gewinnzuteilung sowie die formalen Gründungsvoraussetzungen als besonders bedeutsame Merkmale hervorgehoben.

Kann zur Qualifikation des ausländischen Rechtsgebildes nicht auf die zuvor genannten bestehenden Grundsätze zurückgegriffen werden, ist zwingend ein am Einzelfall orientierter Rechtstypenvergleich erforderlich.4 Bei der Einordnung für deutsche Besteuerungszwecke ist eine abstrakt-generelle Betrachtung nicht ausreichend. Aufgrund der Flexibilität des (ausländischen) Gesellschaftsrechts kann der Typenvergleich nur bei einer individuell-konkreten Betrachtung erfolgreich zur Unterscheidung zwischen Personen- und Kapitalgesellschaft beitragen.5 Maßgeblich ist eine rechtliche und wirtschaftliche Gesamtwürdigung der ausländischen Rechtsvorschriften.6 Vor dem Hintergrund der Einführung des § 1a KStG mit dem KöMoG7 sowie der gesellschaftsrechtlichen Änderungen aufgrund des MoPeG, welches grundsätzlich zum 01.01.20248 in Kraft tritt, werden die Auswirkungen dieser Gesetzesänderungen 1 Schnittker in W/R/S2, 162. 2 BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411 (412); bestätigt durch BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263. 3 BFH v. 18.5.2021 – I B 75/20, BFH/NV 2021, 1489. 4 Schnittker in W/R/S2, 162. 5 Hey in FS Debatin, 121 (138); Liebchen, Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften, 10 f. 6 So auch BFH v. 18.5.2021 – I R 12/18, BStBl. II 2021, 875 (877); BFH v. 18.5.2021 – I B 75/ 20, BFH/NV 2021, 1489. 7 Körperschaftsteuermodernisierungsgesetz v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050. 8 Art. 137 Satz 1 des Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436.

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19.7

Kap. 19 Rz. 19.7 | Hybride Gesellschaften

auf den Rechtstypenvergleich diskutiert.1 Mitunter wird sogar eine radikale Vereinfachung des Rechtstypenvergleichs gefordert, nach welcher lediglich das Kriterium des Haftungsregimes herangezogen werden sollte.2 Die weiteren Entwicklungen in diesem Zusammenhang bleiben abzuwarten. Insbesondere bei hybriden Gesellschaften kann sich der Rechtstypenvergleich schwierig gestalten. Bei diesen räumt der jeweilige nationale Gesetzgeber regelmäßig einen weiten gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages ein. Es können sich daher unterschiedlichste Regelungen finden, die im Sinne des Rechtstypenvergleichs als Merkmale einer Personen- oder einer Kapitalgesellschaft einzustufen sind. Mitunter kann sogar die Änderung des Gesellschaftsvertrages die steuerliche Einordnung der Gesellschaft nachträglich verändern.3 III. Verschiedene Arten von Hybriden

19.8 Es lassen sich verschiedene Gruppen von Hybriden unterscheiden. 1. Originäre Hybride

19.9 Originäre Hybride sind Gesellschaften, die bereits aufgrund ihres Grundtypus grenzüberschreitend zum einen transparent und zum anderen intransparent besteuert werden. Den Grundfall bilden Gesellschaften, die im Ausland als Körperschaft besteuert, nach deutschem Recht durch den Typenvergleich aber als Personengesellschaft qualifiziert werden. Danach sind insbesondere folgende Gesellschaften Hybride oder Reverse-Hybride:4 – Die deutsche GmbH & Co. KG wird nicht als Kapitalgesellschaft nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG behandelt, sondern die Besteuerung folgt dem Prinzip der Mitunternehmerschaft gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG. In den USA hingegen wird sie als Kapitalgesellschaft intransparent besteuert.5 – Die niederländische open Commanditaire Vennootschap (open CV6) ist eine offene Kommanditgesellschaft. Dies bedeutet, dass die Gesellschafter über ihre Anteile ohne Zustimmung der Mitgesellschafter verfügen können. Die open CV wird in den Niederlanden als Steuersubjekt behandelt und intransparent besteuert. In Deutschland wird sie wie die KG transparent besteuert.

1 Nach Ansicht Linn/Maywald, IStR 2021, 825 (830) haben die zum Rechtstypenvergleich herangezogenen Merkmale jedenfalls an Trennschärfe verloren; Möhlenbrock/Haubner, FR 2022, 53 (55). 2 Röder, IStR 2021, 795 (803); vgl. auch Schwemmer, StuW 2022, 82. 3 Schnittker in W/R/S2, 163. 4 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/100003, BStBl. I 2010, 354; Hey/Bauersfeld, IStR 2005, 649 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 1275 ff. 5 Vgl. Dorfmüller, IStR 2010, 644 ff. m.w.N. 6 Zur Zuordnung von Sonderbetriebsvermögen im Zusammenhang mit einer niederländischen CV s. auch BFH v. 12.10.2016 – I R 92/12, BStBl. II 2022, 123.

1266 | Sterner

B. Begriff und Arten der hybriden Gesellschaften | Rz. 19.9 Kap. 19

– Die französische Société Civile ist der deutschen GbR ähnlich. Sie unterliegt in Frankreich der Körperschaftsteuer, wenn sie gewerbliche Einkünfte erzielt. Aus deutscher Sicht wird sie steuerlich als Personengesellschaft qualifiziert. Damit handelt es sich bei der Société Civile um einen Ausnahmefall. Denn dem Grundprinzip des französischen Steuerrechts nach werden Personengesellschaften zwar als eigenes Steuersubjekt qualifiziert (teiltransparent), die Besteuerung erfolgt jedoch grundsätzlich auf Ebene der Gesellschafter.1 – Die englische LLP besitzt Merkmale einer Personen- und einer Kapitalgesellschaft. Die Rechtsform wurde entwickelt, um die organisatorische Flexibilität und den steuerlichen Status einer Personengesellschaft mit der beschränkten Haftung ihrer Gesellschafter zu vereinen.2 Nach englischem Recht ist die LLP eine juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit. Im Inland wird die LLP generell als Personengesellschaft eingeordnet. Hiervon wird im Einzelfall abgewichen und eine intransparente Besteuerung vorgenommen, wenn die LLP nach dem Rechtstypenvergleich im Inland als Kapitalgesellschaft qualifiziert wird (Reverse-Hybrid).3 Auch die US-amerikanische LLP ist regelmäßig wie eine Personengesellschaft zu behandeln.4 – Die spanischen Personenhandelsgesellschaften Sociedad Regular Colectiva (ähnlich der deutschen OHG) und Sociedad en Commandita (ähnlich der deutschen KG) werden als juristische Personen zur spanischen Körperschaftsteuer veranlagt.5 Das deutsche Steuerrecht qualifiziert sie hingegen als Personengesellschaften. Deutsche Personenhandelsgesellschaften, die in Spanien ansässig und steuerpflichtig sind, unterliegen der spanischen Körperschaftsteuer.6 – Die rumänischen Personengesellschaften, Societate in nume colectiv (SNC) und Societate in comandita simpla (SCS), werden im rumänischen Steuerrecht als juristische Personen behandelt. Sie werden zur Gewinnsteuer (impozi pe profit) – ähnlich der deutschen Körperschaftsteuer – herangezogen. Nach dem Rechtstypenvergleich werden diese Gesellschaften in Deutschland als Personengesellschaften transparent besteuert. – Die slowakische Kommanditná Spolecnost (K.S.) ist infolge der Qualifizierung durch den Typenvergleich mit der deutschen Kommanditgesellschaft vergleichbar. Eine Beteiligung an der K.S. wird in Deutschland wie die Beteiligung an einer KG i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG transparent besteuert. Das slowakische Steuerrecht hingegen unterscheidet bei der Besteuerung der K.S. zwischen Kommanditisten und Komplementär. Die Kommanditisten werden wie Kapitalgesellschaften, die Komplementäre wie Personengesellschaften besteuert.

1 2 3 4 5 6

Hellio/Cadet, IWB 2022, 67 (68). FinSen. Berlin v. 19.1.2007 – III A – S 1301 GB – 2/2006, IStR 2007, 447. Zum Rechtstypenvergleich bei der UK LLP Eilers, BB-Special 2010 Nr. 3, 27 ff. Schnittker/Lemaitre, FR 2003, 485 (497). Schick, IWB 2011, 93; Hey/Bauersfeld, IStR 2005, 649 (650) m.w.N. Schick, IWB 2011, 93.

Sterner | 1267

Kap. 19 Rz. 19.9 | Hybride Gesellschaften

– Das ungarische Steuerrecht unterwirft sowohl Kapital- und Personengesellschaften als sog. Wirtschaftsgesellschaften der Körperschaftsteuer.1 Eine Gesellschaft, die nach dem Rechtstypenvergleich in Deutschland als Personengesellschaft qualifiziert wird, wird in Ungarn intransparent besteuert.2 Dies gilt für die ungarische Betéti társaság (BT) und die Közkereseti társaság (KKT). 2. Hybride durch Option

19.10 Der subjektive Qualifikationskonflikt kann auch bei grenzüberschreitend übereinstimmender Rechtsform ausgelöst werden, wenn der Gesellschaft im Ausland eine Optionsmöglichkeit eingeräumt wird, transparent oder intransparent besteuert zu werden. Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts vom 25.6.20213 wurde mit § 1a KStG im deutschen Steuerrecht für den Veranlagungszeitraum 2022 zudem erstmals Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften die Möglichkeit eingeräumt, hinsichtlich der Besteuerung des Einkommens zur Körperschaftsteuer zu optieren.4 Dies ähnelt in seiner Konzeption dem langjährig in den USA etablierten „check-the-box“-Verfahren. Künftig ist es damit möglich, dass die von § 1a KStG erfassten Personengesellschaften auf Antrag wie eine Körperschaft behandelt und dementsprechend intransparent besteuert werden. Auch ausländischen Gesellschaften steht dieses Wahlrecht unter den Voraussetzungen des § 1a Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 KStG grundsätzlich zu.5 Nach hier vertretener Ansicht ist dieses Wahlrecht dabei nicht auf Gesellschaften mit Sitz im Inland beschränkt, sondern steht auch beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaften oder Gesellschaftern mit Sitz im Ausland zu.6 Mit der Ausübung der Option nach § 1a KStG könnten sich damit grundsätzlich hybride Gestaltungen ergeben. Dem sollte jedoch die gesetzlich geregelte Qualifikationsverkettung des § 1a Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 KStG entgegenstehen.7 Auf die Einzelheiten des § 1a KStG soll hier jedoch nicht im näheren eingegangen werden.

19.11 In den USA besteht für bestimmte Gesellschaften (eligible entities) ein Wahlrecht für ihre steuerliche Einordnung (§ 301 7701-3 Income Tax Regulations). Auf Antrag können die Gesellschaften durch Ankreuzen auf der Steuererklärung (check-thebox) wählen, ob sie als Kapital- oder Personengesellschaft besteuert werden wollen. Das Wahlrecht gilt für inländische und für ausländische Unternehmen, also bspw. für deutsche Tochtergesellschaften.8 Eligible entities sind gewerbliche Unternehmen, 1 Djanani/Brähler/Waldbach, IStR 2011, 317 (318) m.w.N. 2 Zu den Gestaltungsmöglichkeiten und steuerlichen Folgen in Ungarn Felkai, PIStB 2010, 164 ff.; Djanani/Brähler/Waldbach, IStR 2011, 317 ff. 3 Körperschaftsteuermodernisierungsgesetz v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050. 4 BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004 (2021/1162290), BStBl. I 2021, 2212. 5 Wackerbeck in Brandis/Heuermann163, § 1a KStG Rz. 13. 6 Dorn/Dibbert, DB 2021, 706 (707); Prinz, FR 2023, 1. 7 S. auch Rz. 19.2 m.w.N. 8 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 396.

1268 | Sterner

B. Begriff und Arten der hybriden Gesellschaften | Rz. 19.14 Kap. 19

die keine Muss-Kapitalgesellschaften sind (per-se-corporation). Die deutsche AG wird als per-se-corporation eingestuft, nicht hingegen die deutsche GmbH. Eligible entities mit mindestens zwei Gesellschaftern haben die Wahl zwischen der steuerrechtlichen Klassifizierung als Kapital- oder Personengesellschaft. Die amerikanische LLC (Limited Liability Company) ist zwar mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet, aber keine Körperschaft. Ihre Ausgestaltung richtet sich nach dem Recht im jeweiligen Bundesstaat ihrer Gründung. Die Gesellschafter können wählen, ob die LLC für Zwecke der US-Besteuerung als Personen- oder als Kapitalgesellschaft behandelt werden soll. Treffen die Gesellschafter keine Wahl, wird die LLC als Personengesellschaft besteuert. Aus deutscher Sicht kann die LLC eigenständiges Steuersubjekt, Personengesellschaft oder unselbstständige Niederlassung sein.1 Maßgeblich ist die Einordung durch einen Rechtstypenvergleich anhand der konkreten Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags und der praktischen Umsetzung im Einzelfall. Die LLC ist u.a. wegen der beschränkten Haftung der Gesellschafter sowie des weiten gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsspielraums beliebt.2 Eine generelle Aussage über ihre Einordnung als Personen- oder Kapitalgesellschaft für Zwecke der deutschen Besteuerung ist aufgrund dieses weiten Gestaltungsspielraums nicht möglich. Die Qualifikation der LLC erfolgt anhand einer Würdigung des Einzelfalls und Gesamtbildbetrachtung.

19.12

Die check-the-box-Regelungen bieten ebenfalls interessante Gestaltungsmöglichkeiten bei Inbound-Investitionen aus den USA in Deutschland. US-amerikanische Investoren bedienen sich dabei meist einer deutschen GmbH.3 Diese wird infolge des check-the-box-Wahlrechts zu einer hybriden Gesellschaft, da für eine transparente oder intransparente Besteuerung optiert werden kann. Die deutsche GmbH & Co. KG kann in den USA ebenfalls nach den check-the-box-Regelungen optieren.4 In Frankreich können bestimmte Personengesellschaften für eine Besteuerung als Kapitalgesellschaft optieren, soweit sie nicht körperschaftsteuerpflichtig sind.5 Dazu gehören insbesondere die Société en nom collectif (SNC), die Société en commandite simple (SCS) und die Société Civile (SC). Die Familien-GmbH, die Société à responsabilité limitée de caractère familial, kann wiederum von der Körperschaftsteuer zur Einkommensteuer optieren.6

19.13

3. Hybride Finanzierung Outbound-Investitionen müssen sich nicht zwangsläufig einer hybriden Gesellschaft bedienen. Es kommen auch verschiedene hybride Finanzierungen in Betracht. Dazu gehören u.a. Genussrechte, nachrangige Darlehen, Gewinnschuldverschreibungen, 1 BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411 (412). 2 Scheffbuch/Rüdenburg, IStR 2021, 546 (547). 3 Zu den Vorteilen von GmbHs bei Inbound-Investitionen aus den USA nach Deutschland Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 1276. 4 Dorfmüller, IStR 2010, 644. 5 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/100003, BStBl. I 2010, 354. 6 Hey/Bauersfeld, IStR 2005, 649 ff.

Sterner | 1269

19.14

Kap. 19 Rz. 19.14 | Hybride Gesellschaften

Wandel- oder Optionsanleihen, stille Beteiligungen oder partiarische Darlehen. Aus deutscher Sicht besonders relevant sind die atypisch stille Beteiligung und das partiarische Darlehen.

19.15 Investitionen im Ausland können durch eine atypisch stille Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft erfolgen. Eine solche grenzüberschreitende Beteiligung wird als synthetischer Hybrid beschrieben.1 Die atypisch stille Beteiligung ist eine besondere Ausprägung der stillen Gesellschaft i.S.v. §§ 230 ff. HGB. Sie ist eine Personengesellschaft nach § 705 BGB in Form einer Innengesellschaft ohne eigenes Vermögen. Hinsichtlich der Mitverwaltungs- und Vermögensrechte weicht die atypisch stille Gesellschaft von dem in den §§ 230 ff. HGB geregelten Grundtyp ab. Der atypisch stille Gesellschafter partizipiert an den stillen Reserven und nimmt unter Umständen Einfluss auf die Geschäftsführung.2 Steuerrechtlich wird die atypisch stille Gesellschaft als Mitunternehmerschaft nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG qualifiziert.3 Sie ist aus deutscher Sicht nur Subjekt der Gewinnermittlung, nicht selbst Steuersubjekt. Steuersubjekt sind der atypisch stille Gesellschafter und die Kapitalgesellschaft.4 Nach Ansicht des BFH5 unterliegt der Gewinnanteil eines im Rahmen einer atypisch stillen Gesellschaft an einer ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligten Gesellschafters grundsätzlich den DBA-Regelungen für Unternehmensgewinne und ist – das Vorliegen einer Betriebsstätte vorausgesetzt und vorbehaltlich etwaiger Aktivitätsvorbehalte – der ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen und entsprechend in Deutschland freizustellen. Im Ausland wird die atypisch stille Gesellschaft unterschiedlich behandelt. Zum Teil ist sie gänzlich unbekannt, z.B. in den USA.6 Die atypisch stille Beteiligung wird dann als eigenkapitalähnliche Kapitalüberlassung behandelt. Ferner gibt es Staaten, die sie wiederum als Fremdkapitalüberlassung behandeln, z.B. Italien, Japan und Russland.7 In Brasilien und Mexiko wird die atypisch stille Gesellschaft hingegen als Kapitalgesellschaft qualifiziert und besteuert.8 In Frankreich kann die atypisch stille Gesellschaft (Société en Participation) zur Besteuerung nach Kapitalgesellschaftsgrundsätzen optieren.9 1 Kollruss, StuW 2010, 381. 2 Blaurock, Handbuch Stille Gesellschaft9, 10 f. 3 BFH v. 13.7.2017 – IV R 41/14, BStBl. II 2017, 1133; BFH v. 19.7.2018 – IV R 10/17, BFH/ NV 2018, 1268; BFH v. 12.4.2021 – VIII R 46/18, BStBl. II 2021, 614; Levedag, GmbHR 2019, 699; Görgen, DStZ 2020, 607 (615). 4 Zur atypisch stillen Beteiligung am Handelsgewerbe einer Personengesellschaft und der daraus entstehenden doppelstöckigen Personengesellschaftsstruktur siehe BFH v. 8.12.2016 – IV R 8/14, BStBl. II 2017, 538; Suchanek, GmbHR 2017, 292 (294); Bodden, KÖSDI 2019, 21282 (21284). 5 BFH v. 21.7.1999 – I R 110/98, BStBl. II 1999, 812; Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung v. 28.12.1999 – IV D 3 - S 1300 - 25/99, BStBl. I 1999, 1121, aufgehoben durch BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354, in dem die Finanzverwaltung die Ansicht des BFH bestätigt. 6 Günkel/Lieber, IWB Fach 10 Gr. 2, 1393 (1396); Becker, Die atypisch stille Gesellschaft als Outbound-Finanzierungsalternative, 72 m.w.N. 7 Becker, Die atypisch stille Gesellschaft als Outbound-Finanzierungsalternative, 73 m.w.N. 8 Becker, Die atypisch stille Gesellschaft als Outbound-Finanzierungsalternative, 91. 9 Becker, Die atypisch stille Gesellschaft als Outbound-Finanzierungsalternative, 91.

1270 | Sterner

C. Laufende Besteuerung hybrider Gesellschaften | Rz. 19.18 Kap. 19

Ein partiarisches Darlehen ist inhaltlich ein Darlehensvertrag i.S.d. § 488 BGB, der die Besonderheit aufweist, dass anstelle oder neben einer (Mindest-)Verzinsung eine Beteiligung am Gewinn vereinbart ist. Im Gegensatz zur stillen Gesellschaft verbinden sich der Inhaber des Handelsgewerbes und -Darlehensgeber nicht zu einem gemeinsamen Zweck, sondern vereinbaren eine reine Kreditgewährung.1 Kennzeichnend für Begriff und Wesen eines partiarischen Rechtsverhältnisses ist, dass die Vergütung nicht – oder nicht nur – in einem festen periodischen Betrag besteht, sondern in einem Anteil an dem vom Darlehensempfänger erwirtschafteten Erfolg.2 Einkünfte aus einem partiarischen Darlehen sind Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Je nach rechtlicher Behandlung können bei grenzüberschreitenden partiarischen Darlehen die Eigenkapital- und Fremdkapitalelemente miteinander verbunden werden.

19.16

4. Deutscher (originärer) Hybrid: Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) Die KGaA ist eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit. Sie ist eine originäre hybride Gesellschaft, da sie infolge ihrer gesetzlichen Ausgestaltung sowohl Personengesellschaft (KG) als auch Kapitalgesellschaft (AG) ist. Ein Gesellschafter haftet als Komplementär unbeschränkt, die übrigen Gesellschafter sind als Kommanditaktionäre gem. § 278 AktG an dem in Aktien zerlegten Grundkapital beteiligt, ohne persönlich für Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften. Bei der steuerlichen Beurteilung der KGaA wird diese Zwitterstellung deutlich.3 Die KGaA ist Körperschaftsteuersubjekt i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG und wird grundsätzlich nach dem Trennungsprinzip besteuert. Die Kommanditaktionäre werden wie normale Aktionäre besteuert. Der Komplementär wird wie ein Mitunternehmer gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG besteuert. Daher ist gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG bei der Ermittlung des Einkommens der KGaA der Teil des Gewinns, der an den persönlich haftenden Gesellschafter auf seine nicht auf das Grundkapital gemachte Einlage oder als Vergütung für die Geschäftsführung verteilt wird, abzuziehen.

19.17

C. Laufende Besteuerung hybrider Gesellschaften I. Vorbemerkung Bei Outbound-Investitionen sind für den deutschen Gesellschafter die steuerlichen Folgen ein wichtiges Entscheidungskriterium. Bei hybriden Gesellschaften müssen die steuerlichen Sphären im In- und Ausland unterschieden werden. Die Steuerfolgen sind abhängig von der Behandlung der hybriden Gesellschaft sowohl in ihrem Sitz1 Ratschow in Brandis/Heuermann163, § 20 EStG Rz. 250; Buge in H/H/R314, § 20 EStG Anm. 191. 2 BFH v. 13.9.2000 – I R 61/99, BStBl. II 2001, 67; BGH v. 22.10.1997 – XII ZR 142/95, DB 1998, 875; Weidenkaff in Grüneberg81, vor § 488 BGB Rz. 20. 3 Detaillierte Bestandsaufnahme des Meinungsspektrums zur Besteuerung der KGaA bei Drüen/van Heek, DStR 2012, 541 ff. Zu den ertragsteuerlichen Grundlagen der KGaA auch Drüen in HHR, § 9 KStG Anm. 23–25; Farwick, StuB 2023, 85; Bode, FR 2022, 1074.

Sterner | 1271

19.18

Kap. 19 Rz. 19.18 | Hybride Gesellschaften

staat als auch im Wohnsitzstaat der Gesellschafter. Meist wird die hybride Gesellschaft im Ausland als Körperschaft behandelt und überwiegend zur Körperschaftsteuer veranlagt. Die auf einen deutschen Gesellschafter entfallenden Gewinnanteile unterliegen damit zunächst im Sitzstaat der Körperschaftsteuer. Anschließend erfolgt ein Gewinntransfer durch Dividendenausschüttung an den deutschen Gesellschafter. Aus deutscher Sicht wird die hybride Gesellschaft als Personengesellschaft qualifiziert. Sie wird transparent besteuert, d.h., Steuersubjekt ist nicht die Gesellschaft, sondern der Gesellschafter. Die Besteuerung des Gesellschafters richtet sich danach, ob die hybride Gesellschaft gewerblich tätig i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist und der Gesellschafter demnach als Mitunternehmer behandelt wird oder ob die Gesellschaft nicht gewerblich tätig ist. Die Besteuerung erfolgt unabhängig davon, ob der Gewinn entnommen wird oder nicht.

19.19 Die Einkünfte eines Steuerpflichtigen werden aufgrund des sog. „Welteinkommensprinzips“ unabhängig von dessen Rechtsform grundsätzlich vollumfänglich besteuert.1 Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten führt dies zu einer mehrfachen Besteuerung derselben Einkünfte, sofern die involvierten Staaten die Besteuerung der Einkünfte jeweils für sich beanspruchen. Um dies zu vermeiden, finden sich in den nationalen Steuerrechtsordnungen regelmäßig Möglichkeiten, ausländische Steuern anzurechnen oder Einkünfte freizustellen. Zudem schließen Staaten miteinander DBA, in welchen die Verteilung der Besteuerungsrechte geregelt und aufeinander abgestimmt werden. Es soll also einer doppelten Besteuerung der Einkünfte durch Verteilung der Besteuerungsrechte entgegengewirkt werden. Mangels Harmonisierung der weltweiten Steuersysteme können sich bei hybriden Gesellschaften Besteuerungskonflikte ergeben, die daraus resultieren, dass die Qualifikation einer Gesellschaft in deren Sitzstaat von der Qualifikation der Gesellschaft im Wohnsitzstaat der Gesellschafter abweicht. Nationale Regelungen, die eine einheitliche Qualifikation der Gesellschaft in den involvierten Staaten inhärent voraussetzen, stoßen dabei regelmäßig an ihre Grenzen. Der Qualifikationskonflikt führt entweder zu einer doppelten Besteuerung oder kann vom Steuerpflichtigen mitunter bewusst genutzt werden, um eine geringere Gesamtsteuerbelastung herbeizuführen.2 Gerade aus den in DBA getroffenen Regelungen können Besteuerungskonflikte entstehen. Die in den DBA getroffenen Regelungen werden aufgrund abweichender Qualifikation einer hybriden Gesellschaft von den betroffenen Staaten nicht einheitlich angewendet, weshalb die Besteuerung in einem solchen Fall nicht aufeinander abgestimmt erfolgt. Dies kann dazu führen, dass das eigentliche Ziel der DBA konterkariert wird und trotz DBA eine doppelte Besteuerung oder gar eine doppelte Nichtbesteuerung der Einkünfte stattfindet.3

19.20 Um dem entgegenzuwirken, wurden auf internationaler Ebene unter dem Stichwort „Base Erosion and Profit Shifting“ (BEPS) Lösungsansätze diskutiert, die zu einer gerechten Verteilung des Steueraufkommens und zu einer Eindämmung der – vor al1 Weber-Grellet in Schmidt, EStG41, § 2 Rz. 4; Roser in Gosch4, § 8 KStG Rz. 24a. 2 Grotherr, ISR 2017, 179 (181); Kofler/Schnitger, BEPS-Handbuch, 102. 3 Marquardsen, StuW 2019, 374.

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C. Laufende Besteuerung hybrider Gesellschaften | Rz. 19.20 Kap. 19

lem bei international tätigen Unternehmen auftretenden – Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung beitragen können. Die OECD hat im Rahmen des sog. BEPS-Projekts Problemfelder untersucht und in ihrem Abschlussbericht vom 5.10.2015 eine 15 Aktionspunkte umfassende Empfehlung veröffentlicht. Ein Kernpunkt dieser Empfehlungen befasst sich dabei auch mit hybriden Gesellschaften und hybriden Gestaltungen. Insbesondere auf Ebene der EU wurden zur Umsetzung des BEPS-Projekts daraufhin umfassende Anpassungen der Steuerrechtsordnungen der Mitgliedstaaten auf den Weg gebracht. Am 12.7.2016 wurde die sog. ATAD-Richtlinie1 („ATAD I“) erlassen, welche Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts enthielt. Diese wurde bereits wenige Monate später am 29.5.2017 durch eine Änderungsrichtlinie2 („ATAD II“) ergänzt, mit welcher die EU-Mitgliedstaaten zur Umsetzung von Maßnahmen gegen hybride Gestaltungen mit Drittländern verpflichtet wurden. Ziel der Regelungen ist die Angleichung der Steuerordnungen innerhalb des Binnenmarktes der EU. Innerhalb der Mitgliedstaaten soll ein mit den ATAD Richtlinien vorgegebener Mindeststandard zur Auflösung von Besteuerungskonflikten bei hybriden Gestaltungen sichergestellt werden. Die Maßnahmen zur Bekämpfung hybrider Gestaltungen lassen sich dabei mit Art. 9 (Hybride Gestaltungen), Art. 9a (Umgekehrt hybride Gestaltungen) und Art. 9b (Inkongruenzen bei der Steueransässigkeit) in drei Teile aufteilen.3 Demnach sind Maßnahmen einzuführen, die sich gegen Gestaltungen richten, bei denen es zum Abzug von Betriebsausgaben bei gleichzeitiger Nichtberücksichtigung von Einnahmen oder zu einem doppelten Abzug von Betriebsausgaben kommt. Die Maßnahmen müssen zudem Wirkung nicht nur innerhalb der EU entfalten, sondern auch gegenüber Drittländern gelten. Der Gesetzgeber hat die europäischen Vorgaben mit dem Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATADUmsG) vom 25.6.2021 in nationales Recht umgesetzt.4 Kernstück dessen ist die Einführung des § 4k EStG, welcher zur Bekämpfung von hybriden Gestaltungen in bestimmten Fällen von Besteuerungsinkongruenzen ein Betriebsausgabenabzugsverbot vorsieht. Danach wird ein Betriebsausgabenabzug für Aufwendungen, die im Zusammenhang mit einer hybriden Gestaltung entstanden sind, nur dann möglich, soweit die korrespondierenden Erträge in irgendeinem Staat der Besteuerung unterliegen und die Aufwendungen nicht zusätzlich (doppelt) in einem anderen Staat berücksichtigt werden.5

1 2 3 4

Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates v. 12.7.2016. Richtlinie (EU) 2017/952 des Rates v. 29.5.2017. Zinowsky/Jochimsen, ISR 2017, 325 (336). Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz – ATADUmsG) v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2035. 5 In der Regelung des § 4k EStG ist dabei kein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip zu sehen, vgl. Mädel/Stockburger/Stößel, FR 2021, 1110 (1122); zur Frage eines möglichen strukturellen Vollzugsdefizits Hinz, IStR 2020, 397.

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Kap. 19 Rz. 19.20 | Hybride Gesellschaften

Daneben sind Änderungen des Teileinkünfteverfahrens in § 3 Nr. 40 EStG und § 8b Abs. 1 KStG vorgenommen worden, welche in bestimmten Fällen von Besteuerungsinkongruenzen die sonst vorgesehene (teilweise) Steuerbefreiung versagen. Eine weitere Neuerung ist in § 50d Abs. 9 Nr. 3 EStG vorgesehen, welcher verhindern soll, dass es im Falle von DBA zu einer doppelten Freistellung von Einkünften kommt und seinem Anwendungsbereich nach Outbound-Investitionen im Zusammenhang mit Betriebsstätten erfasst.1 Ebenfalls mit dem Ziel der Eindämmung von Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung haben Deutschland sowie eine Reihe anderer Staaten am 7.6.2017 ein mehrseitiges Übereinkommen geschlossen (Multilaterales Instrument oder auch „MLI“).2 Durch den Abschluss des MLI wurden die jeweiligen DBA der unterzeichnenden Staaten nicht unmittelbar geändert. Stattdessen tritt das MLI neben die bestehenden DBA und soll diese modifizieren.3 Inhaltich zielt das MLI insbesondere auch auf die Verhinderung doppelter Nichtbesteuerung aufgrund hybrider Gestaltungen ab. Als völkerrechtlicher Vertrag bedarf das MLI der Transformation in nationales Recht4, welche der Gesetzgeber mit dem „Gesetz zu dem Mehrseitigen Übereinkommen vom 24.11.2016 zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung“5 angestoßen hat.

19.21 Besteht mit dem Sitzstaat einer hybriden Gesellschaft ein DBA, so müssen bei der Besteuerung der ausländischen Einkünfte die DBA-Vorschriften beachtet werden. Die Finanzverwaltung hat mit Schreiben vom 16.4.20106 welches mit Schreiben vom 26.9.20147 geändert wurde ausdrücklich die Anwendung der DBAs auf Personengesellschaften geregelt. Zunächst sei bei der Anwendung der DBAs auf in- und ausländische Personengesellschaften und ihre Gesellschafter nach nationalem Recht zwischen Personengesellschaften zu unterscheiden, die gewerbliche Einkünfte erzielen, und Personengesellschaften, die andere Einkünfte erzielen, insbesondere solche aus Vermögensverwaltung. Die Vorschriften des EStG seien maßbeglich dafür, ob eine Personengesellschaft gewerbliche Einkünfte oder andere Einkünfte erzielt. Der BFH folgt in seiner Entscheidung vom 25.5.20118 der Auffassung der Finanzverwaltung nicht. Er lehnt die Bindung des Ansässigkeitsstaats des Gesellschafters an die Qualifikation einer Beteiligungsgesellschaft im Sitzstaat ab und nimmt die Einkünftequalifikation nach Abkommensgrundsätzen vor.

1 Kahlenberg/Radmanesh, IWB 2021, 891 (896). 2 Schön, IStR 2017, 681. 3 Siehe dazu Ditz, DB 2020, 2208 (2209); Schön, IStR 2017, 681 (682); Oppel, ISR 2019, 321 (322). 4 Berens, Ubg 2021, 1 (3). 5 BGBl. II 2020, 946. 6 BMF v. 16.4.2010 – IV B 5 - S 1300/07/10087, BStBl. I 2010, 354; dazu Schmidt, IStR 2010, 413 ff. 7 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, 1258. 8 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760.

1274 | Sterner

C. Laufende Besteuerung hybrider Gesellschaften | Rz. 19.22 Kap. 19

II. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10 Sachverhalt: Der im Inland wohnhafte Kläger war im Streitjahr 1996 mit einem Gesellschaftsanteil i.H.v. 96,62 % beschränkt haftender Mitgesellschafter einer ungarischen BT, der T-BT. Weitere Anteile i.H.v. 2,03 % hielt der ebenfalls in Deutschland wohnende Beigeladene. Die übrigen Anteile hielt die Komplementärin, die ungarische T-KFT. An der T-KFT war der Kläger mehrheitlich beteiligt. Zur Geschäftsführung in der T-BT war nur die T-KFT befugt. Die T-BT erzielte Einkünfte aus der Vermietung eines in Ungarn belegenen Grundstücks und der darauf befindlichen Maschinen an die ungarische E-BT. Komplementärin der E-BT war wiederum die T-KFT und der Kläger war auch hier Mehrheitsgesellschafter. Die E-BT stellte Wirtschaftsgüter als Subunternehmerin der deutschen E-GmbH her. Gesellschafter-Geschäftsführer der E-GmbH war der Kläger mit einem Gesellschaftsanteil i.H.v. 90 %. Die übrigen Gesellschaftsanteile hielt der Beigeladene.

Lösung: Im Mittelpunkt der Entscheidung stand die Frage, ob die Einkünfte der T-BT nach dem DBA mit Ungarn anteilig bei dem deutschen Gesellschafter zu versteuern waren. Das Finanzamt stellte die Einkünfte der T-BT, die im ungarischen Steuerrecht der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer unterworfen worden waren, sowohl gegen den Kläger als auch gegen den Beigeladenen gesondert und einheitlich fest. Die Gewinne aus der Vermietung der T-BT an die E-BT seien gewerbliche Einkünfte des Gesellschafters, da zwischen der T-BT als sog. Besitzunternehmen und der E-BT als sog. Betriebsunternehmen in den Streitjahren eine sog. mitunternehmerische Betriebsaufspaltung existiere. Das Finanzamt vertrat die Ansicht, die betreffenden Einkünfte seien nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a und Buchst. c DBA Ungarn 19771 in Deutschland zu besteuern. Nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA Ungarn 1977 werden bei einer in Deutschland ansässigen Person die Einkünfte von der Bemessungsgrundlage der Steuer ausgenommen, die nach dem DBA Ungarn besteuert werden können. Ob die streitgegenständlichen Einkünfte i.S.d. Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA Ungarn 1977 besteuert werden dürfen, hängt nach 1 Das DBA Ungarn 1977 stimmt in den streitgegenständlichen Vorschriften wesentlich mit dem OECD-MA überein.

Sterner | 1275

19.22

Kap. 19 Rz. 19.22 | Hybride Gesellschaften Ansicht des BFH insbesondere davon ab, ob das Besteuerungsrecht für laufende Einkünfte der T-BT nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 DBA Ungarn 1977 Ungarn zusteht. Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 DBA Ungarn 1977 dürfen Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaats nur in diesem Staat besteuert werden, soweit sie nicht durch eine Betriebsstätte des Unternehmens in dem anderen Vertragsstaat erzielt worden sind. Unternehmen eines Vertragsstaats ist gem. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA Ungarn 1977 ein Unternehmen, das von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person betrieben wird. Unter einer Person werden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b DBA Ungarn 1977 sowohl natürliche Personen als auch Gesellschaften verstanden. Gesellschaften sind wiederum juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden, Art. 3 Abs. 1 Buchst. c DBA Ungarn 1977. Maßgeblich ist, ob die T-BT abkommensberechtigt ist. Die T-BT wird als hybride Gesellschaft in Ungarn wie eine Körperschaft behandelt (Veranlagung zur Körperschaftsteuer). Sie ist aus Sicht des ungarischen Steuerrechts damit abkommensberechtigt. Das deutsche Steuerrecht hingegen ordnet sie nach den Merkmalen des Rechtstypenvergleichs als transparente Personengesellschaft ein. Unternehmer sind demnach die Gesellschafter der T-BT, die jeweils ein Unternehmen i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA Ungarn 1977 betreiben. Nach Ansicht des BFH ist die deutsche Sicht für die Beurteilung der Abkommensberechtigung maßgeblich. Art. 3 Abs. 2 DBA Ungarn überlasse diese Frage dem jeweiligen Anwenderstaat. Der im OECD Partnership Report 19991 vertretenen und von Teilen des Schrifttums2 verfolgten abkommensorientierten Auffassung, die Einordnung des Quellenstaats binde den Ansässigkeitsstaat, sei nicht zu folgen.3 Diese Auffassung lasse sich nicht aus dem Wortlaut und Zweck des DBA Ungarn 1977 ableiten. Art. 3 Abs. 2 DBA Ungarn 1977 unterscheide nicht zwischen Ansässigkeitsstaat und Quellenstaat, sondern stelle auf das innerstaatliche Recht des Anwenderstaates ab. Der BFH hat die Einkünfte des deutschen Gesellschafters abkommensrechtlich als Vermietungseinkünfte qualifiziert. Da die T-BT lediglich Einkünfte aus der Vermietung des Grundstücks und der Maschinen erzielte, sei sie nicht originär gewerblich tätig. Die Qualifizierung nach deutschem Steuerrecht als gewerblich geprägt i.S.d. § 15 Abs. 3 EStG oder aufgrund der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung bleibe aufgrund der eigenständigen Einkünftequalifizierung in DBA außer Betracht. Die Einkünfte aus der Vermietung des Grundstücks waren daher nach Art. 6 DBA Ungarn 1977 und die Einkünfte aus der Vermietung der Maschinen nach Art. 21 DBA Ungarn 1977 dem Ansässigkeitsstaat zuzuordnen. Die Entscheidung des BFH, dass die Umqualifikation auf die abkommensrechtliche Einkunftsqualifikation nicht durchschlägt, steht der bisherigen Sichtweise der Finanzverwaltung entgegen.4 Der BFH hat die Sache wegen weiterer Sachverhaltsaufklärung an das FG zurückverwiesen.

19.23 Mit der in den BMF-Schreiben vom 16.4.2010 und 26.9.2014 aufgeworfenen Frage der Anrechnung der Quellensteuer hat sich der BFH nicht weiter auseinandergesetzt.5 In Ungarn fällt für die Einkünfte der Betéti társaság – aufgrund ihres hybriden Charakters – Körperschaftsteuer an. Die ungarische Körperschaftsteuer wird als 1 The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships, Issues in International Taxation, No. 6. 2 Schmidt, IStR 2010, 413 (426); Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 532 ff. (539, 564 f.); Prokisch in Vogel/Lehner, Art. 1 OECD-MA Rz. 38. 3 So auch tendenziell BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, IStR 2010, 525; v. 19.5.2010 – I B 191/ 09, BStBl. II 2011, 156. 4 BMF v. 16.4.2010 – IV B 5 - S 1300/07/10087, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.1.1. 5 BMF v. 16.4.2010 – IV B 5 - S 1300/07/10087, BStBl. I 2010, 354 Rz. 4.1.4.1; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, 1258 Tz. 4.1.4.1.

1276 | Sterner

C. Laufende Besteuerung hybrider Gesellschaften | Rz. 19.25 Kap. 19

Steuer des deutschen Gesellschafters nach Rz. 4.1.4.1 i.V.m. Rz. 4.1.1 des BMF-Schreibens vom 16.4.2010 behandelt. Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist die anteilige auf den Gewinn der Gesellschaft erhobene ausländische Steuer nach § 34c Abs. 1 bzw. 2 i.V.m. Abs. 6 EStG zu berücksichtigten, soweit die Freistellung abkommensrechtlich entfällt. § 34c Abs. 1 bzw. 2 i.V.m. Abs. 6 EStG fänden Anwendung, soweit es sich im Inland um einen steuerbaren Vorgang handle. Danach sei die Quellensteuer auf die Ausschüttung nicht anrechenbar, da die Ausschüttung im Inland nicht steuerbar ist. III. Switch-over-Klauseln Hinsichtlich der laufenden Besteuerung von hybriden Gesellschaften hat die Einführung von sog. Switch-over-Klauseln zu einer Beschränkung des steuerlichen Nutzens von hybriden Strukturen geführt. Unter einer Switch-over-Klausel ist eine Regelung zu verstehen, aufgrund welcher – regelmäßig zur Vermeidung doppelter Nichtbesteuerung von Einkünften – von der Freistellungsmethode zur Anrechnungsmethode gewechselt wird. Diese finden sich sowohl in bilateralen als auch unilateralen Vorschriften.

19.24

Zum einen hat die Bundesrepublik Deutschland die Behandlung hybrider Gesellschaften in einigen DBAs durch bilaterale Switch-over-Klauseln geregelt. Sie finden Anwendung, wenn die Vertragsstaaten Einkünfte verschiedenen Steuersubjekten zurechnen und die Einkünfte aufgrund dieser Zurechnung unbesteuert oder zu niedrig besteuert werden.1 Exemplarisch wurde dies im DBA USA 2008 umgesetzt. Art. 1 Abs. 7 DBA USA 2008 regelt die Abkommensberechtigung hybrider Gesellschaften. Es soll die doppelte Nichtbesteuerung infolge einer Verpflichtung zur Reduzierung von Quellenstaatssteuern für den Fall ausgeschlossen werden, dass der Ansässigkeitsstaat den Gesellschafter einer hybriden Gesellschaft nicht besteuert, da er die Gesellschaft steuerlich intransparent behandelt und als Steuersubjekt qualifiziert.2 Art. 1 Abs. 7 DBA USA 2008 ist insbesondere eine Folge des Wahlrechts (check-the-box) für die steuerliche Qualifikation bestimmter Gesellschaften in den USA. Nach Art. 23 Abs. 3 Buchst. a DBA USA 2008 findet grundsätzlich die Freistellungsmethode zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung Anwendung. Liegt ein negativer Qualifikationskonflikt vor, wird Art. 23 Abs. 3 Buchst. a DBA USA 2008 von Art. 23 Abs. 4 Buchst. b DBA USA 2008 verdrängt. Er regelt den Übergang zur Anrechnungsmethode, wenn die an sich anwendbare Freistellungsmethode zu einer Keinmal- oder Minderbesteuerung führt. Zum anderen hat der Gesetzgeber verschiedene unilaterale Switch-over-Klauseln konstatiert, die im Verhältnis zu den DBA eine Ausnahmeregelung darstellen, indem die Freistellungsmethode durch die Anrechnungsmethode ersetzt wird. Im Hinblick auf die steuerlichen Folgen im Inland sind insbesondere § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG und § 20 Abs. 2 AStG zu beachten. Durch sie wird die innerstaatliche Geltung von DBA aufgehoben und geändert.3 Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der 1 Kollruss, StuW 2010, 381 (386). 2 Linn in Wassermeyer158, Art. 1 DBA USA Rz. 48. 3 Dazu Mitschke, DStR 2011, 2221.

Sterner | 1277

19.25

Kap. 19 Rz. 19.25 | Hybride Gesellschaften

Überschreibung von DBA durch innerstaatliches einfaches Gesetz (sog. „treaty override“) wurde vom BVerfG beschlossen.1

19.26 § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG versagt unbeschränkt Steuerpflichtigen die ihnen durch DBA zugestandene Freistellung von Einkünften und gewährt lediglich die Anrechnung der hierauf gezahlten Steuern. Der Gesetzgeber will vermeiden, dass die Freistellungsmethode durch entsprechende Gestaltungen gezielt zur Erreichung von „doppelten“ Nichtbesteuerungen eingesetzt wird.2 Voraussetzung von § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG ist, dass der Quellenstaat das DBA so anwendet, dass die Einkünfte dort von der Besteuerung ausgenommen sind oder nur durch einen durch das DBA begrenzten Steuersatz besteuert werden können.3 Liegen die Voraussetzungen von § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG vor, wird für die Steuerfolgen hybrider Gesellschaften die abkommensrechtliche Einkünftezurechnung (hybride Gesellschaft = Steuersubjekt im Sitzstaat; Gesellschafter = Steuersubjekt in Deutschland) ausgeblendet.4 § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG deckt sich weitgehend mit Art. 23 Abs. 4 Buchst. b DBA USA 2008. 19.27 § 20 Abs. 2 AStG sieht den Wechsel von der Freistellungsmethode zur Anrechnungsmethode vor, wenn Einkünfte allgemein in der ausländischen Betriebsstätte anfallen. Es soll damit eine Umgehung der Hinzurechnungsbesteuerung durch Einschaltung einer ausländischen Betriebsstätte oder Personengesellschaft verhindert werden. Die Zwischenschaltung einer ausländischen Betriebsstätte zwischen die hybride Gesellschaft und den inländischen Gesellschafter wird insoweit mit dem Wechsel zur Anrechnungsmethode quittiert. Zu beachten ist, dass die deutschen DBA zum Teil eigene Aktivitätsklauseln für Betriebsstätteneinkünfte vorsehen. § 20 Abs. 2 AStG findet dann keine Anwendung, da bereits ein abkommensrechtlicher Switch-over stattfindet. Umstritten ist, in welchem Verhältnis § 20 Abs. 2 AStG gegenüber § 50d Abs. 9 EStG anzuwenden ist.5 Laut § 50 Abs. 9 Satz 3 EStG bleibt die Regelung des § 20 Abs. 2 AStG unberührt. Der Wortlaut der Norm spricht daher für eine vorrangige Anwendung des § 20 Abs. 2 AStG.6 IV. Besteuerung im Veräußerungsfall

19.28 Bei der Veräußerung einer Beteiligung an einer hybriden Gesellschaft, die ihren Sitz in einem DBA-Staat hat, kommt es zu einem Qualifikationskonflikt. Die Zwitterstellung der hybriden Gesellschaft bedingt eine unterschiedliche Abkommensanwendung.7 Zum einen wird die hybride Gesellschaft im Sitzstaat als Kapitalgesellschaft 1 BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1-56 (LT 1-5). 2 BT-Drucks. 16/2712, 61. 3 Zur Anwendung von § 50d Abs. 9 EStG auf hybride Gesellschaften in der Slowakei Kollruss, StuW 2010, 381 ff.; Wagner in Brandis/Heuermann163, § 50d EStG Rz. 118. 4 Kollruss, StuW 2010, 381 (384). 5 Prokopf in Strunk/Kaminski/Köhler63, AStG, § 20 Rz. 24 m.w.N. 6 Vogt in Brandis/Heuermann163, § 20 AStG Rz. 26. 7 BT-Drucks. 16/2712, 61.

1278 | Sterner

C. Laufende Besteuerung hybrider Gesellschaften | Rz. 19.30 Kap. 19

behandelt und intransparent besteuert. Sie ist Steuersubjekt. Aus Sicht des Sitzstaats wird die Veräußerung der Beteiligung als Veräußerung eines Kapitalgesellschaftsanteils behandelt. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA findet mit der Folge Anwendung, dass nicht der Sitzstaat den Veräußerungsgewinn besteuert, sondern der Ansässigkeitsstaat des Veräußerers. Zum anderen wird die hybride Gesellschaft im Ansässigkeitsstaat des Veräußerers als Personengesellschaft qualifiziert. Nach Maßgabe des Art. 13 Abs. 2 OECD-MA weist der Ansässigkeitsstaat wiederum dem Sitzstaat die Besteuerung des Veräußerungsgewinns zu.1 Es kommt dem Grunde nach zu einer doppelten Nicht- oder Minderbesteuerung.2 Deutschland ist als Ansässigkeitsstaat aufgrund des Qualifikationskonfliktes nach Ansicht der Finanzverwaltung und des Gesetzgebers nicht verpflichtet, den Veräußerungsgewinn freizustellen.3 Die durch den Qualifikationskonflikt entstehende „Besteuerungslücke“ soll durch § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG geschlossen werden. Die Veräußerung des Anteils wird infolge der steuerlichen Qualifikation als Personengesellschaft im Inland wie die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG besteuert. Hinsichtlich der stillen Reserven kann aus der doppelten Nichtbesteuerung eine Doppelbesteuerung werden, wenn zunächst die einzelnen Wirtschaftsgüter im Rahmen eines Asset-deals veräußert werden.4 Die stillen Reserven werden bereits bei ihrer Realisierung im Ausland besteuert. Im Inland erhöhen sie den Wert der Anteile an der Gesellschaft und werden noch mal besteuert. Die offenen Reserven bleiben unberücksichtigt, da sie nur den Wert des Betriebsvermögens erhöhen. Denn nach § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG ist der Veräußerungsgewinn der Betrag, um den der Veräußerungspreis den Wert des Anteils am Betriebsvermögen übersteigt.

19.29

Zu beachten ist, dass § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG nur Anwendung findet, wenn tatsächlich eine abkommensrechtliche Nicht- oder durch das DBA begrenzte Besteuerung stattfindet. Von § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG werden nur Steuerfreistellungen erfasst, die abkommensrechtlicher Natur sind (strenge Abkommenskongruenz).5 Der Übergang zur Anrechnungsmethode nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG ist ausgeschlossen, wenn der Sitzstaat den Veräußerungsgewinn nach innerstaatlichem Recht nicht besteuert, weil die Voraussetzungen dafür (z.B. die erforderliche Beteiligungsquote) nicht vorliegen.6 Es kommt beispielsweise bei der Abkommensanwendung zwischen Deutschland und der Slowakei zu einer Besteuerung des deutschen Gesellschafters bei Veräußerung eines Anteils an einer hybriden slowakischen Gesellschaft.7 Sein Veräußerungsgewinn wird der slowakischen Flat-tax mit einem Steuersatz von 19 % unterworfen. Eine Heraufschleusung der Veräußerungsgewinn-

19.30

1 2 3 4 5 6 7

Vgl. Art. 13 OECD-MK Rz. 26. BT-Drucks. 16/2712, 61. BT-Drucks. 16/2712, 61. Ausführlich Thiel in FS Herzig, 1023 (1033). Schönfeld/Rüsch in F/W/B, § 50d Abs. 9 EStG Rz. 55. Lüdicke, IStR 2011, 91 (98). Ausführlich Kollruss, StuW 2010, 381 (389).

Sterner | 1279

Kap. 19 Rz. 19.30 | Hybride Gesellschaften

besteuerung unter Anrechnung der slowakischen Steuer gem. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG findet nicht statt. V. Exkurs: Besteuerung von Schachteldividenden bei der KGaA

19.31 Die KGaA ist eine hybride Gesellschaft, da sie sowohl Personengesellschafts- (KG) als auch Kapitalgesellschaftselemente (AG) enthält. Der BFH hat den hybriden Charakter der KGaA in seiner Entscheidung zum Schachtelprivileg vom 19.5.20101 abkommensrechtlich außer Acht gelassen und die KGaA als Kapitalgesellschaft behandelt. In seiner Entscheidung hat er das Schachtelprivileg für eine an eine KGaA gezahlte Dividende in vollem Umfang gewährt. Voraussetzung sei, dass das DBA an die Subjekteigenschaft der KGaA als Kapitalgesellschaft anknüpfe und keine Einschränkungen nach der Gesellschaftsstruktur oder der Einkommenszuordnung vorsehe. Der BFH ist der Ansicht, „die (Teil-)Transparenz der hybriden KGaA wirkt sich nicht aus“.2 19.32 Nach Auffassung des Gesetzgebers (JStG 2013) ergibt sich die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung, weil die Freistellung der Dividenden aus den Schachtelbeteiligungen durch entsprechende Gestaltungen gezielt eingesetzt werde, damit natürliche Personen Dividenden ohne Teileinkünftebesteuerung vereinnahmen können.3 Mit einer Ergänzung des § 50d EStG um einen Abs. 11 soll die Lücke geschlossen und Steuerausfälle infolge der Freistellung der Dividenden vermieden werden. Der § 50d Abs. 11 EStG soll den steuerfreien Bezug von ausländischen Schachteldividenden bei persönlich haftenden Gesellschaftern von hybriden Gesellschaften infolge der BFH-Rechtsprechung unterbinden. Im Ergebnis sind von dieser Rechtsprechung aber nur Sachverhalte betroffen, in denen ein DBA ohne Ausschlussklausel besteht. Der überwiegende Teil der deutschen DBA sieht eine Einschränkung für das Schachtelprivileg dahingehend vor, dass die an die Körperschaft gezahlte Dividende dieser auch zugerechnet werden kann (sog. Wurzeltheorie). 19.33 Zu beachten ist, dass nach Ansicht der Bundesregierung von § 50d Abs. 11 EStG nicht nur Gestaltungen bei KGaA, sondern auch bei anderen Formen hybrider Gesellschaften erfasst werden.4 Die Bundesregierung hat beispielsweise auch die atypisch stillen Beteiligungen an GmbHs im Blick.

1 BFH v. 19.5.2010 – I R 62/09, IStR 2010, 712. 2 BFH v. 19.5.2010 – I R 62/09, IStR 2010, 712 Rz. 25. Fortgeführt durch BFH v. 1.6.2022 – I R 44/18, DStR 2022, 247 mit dem Verständnis des § 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG als Umqualifikations- und Zurechnungsnorm. Zu Erläuterungen Farwick, StuB 2023, 85, Kusterer, DStR 2023,183; Bode, FR 2022, 1074. 3 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses v. 5.3.2012, BT-Drucks. 17/8867, 9. 4 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses v. 5.3.2012, BT-Drucks. 17/8867, 9.

1280 | Sterner

D. Nutzung hybrider Gesellschaften bei internat. Umwandlungen | Rz. 19.35 Kap. 19

D. Nutzung hybrider Gesellschaften bei internationalen Umwandlungen I. Vorbemerkung In der Praxis werden Outbound-Investitionen im Zielland meist in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft strukturiert. Dies hat überwiegend haftungsrechtliche Gründe. Vielfach bietet die Verwendung hybrider Gesellschaften gegenüber Kapitalgesellschaften zusätzlichen Gestaltungsspielraum. Mithilfe einer hybriden Gesellschaft können die gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Vorteile von Personen- und Kapitalgesellschaft verknüpft werden. Ferner kann unter Umständen eine steuergünstige Gestaltung erreicht werden. Bei Investitionen in Ländern, mit denen ein DBA zur Freistellung des Auslandsgewinns besteht, kann die definitive Steuerbelastung auf die ausländischen Ertragssteuern beschränkt sein, wenn auch die deutsche Spitzeneinheit als Personengesellschaft ausgestaltet ist.1 Der Gewinntransfer von der hybriden Gesellschaft zur Spitzeneinheit nach Deutschland und von der Spitzeneinheit zu ihren Gesellschaftern kann eine nicht steuerbare Entnahme sein.2 Um eine Steuerbelastung durch nicht anrechenbare Quellensteuern zu vermeiden, kann die Zwischenschaltung einer deutschen Organgesellschaft geboten sein. Der deutsche Gesetzgeber hat mit den §§ 138d ff. AO umfassende Meldepflichten zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen erlassen. Diese sind grundsätzlich erstmals ab dem 1.7.2020 in allen Fällen anzuwenden und können auch im Rahmen von grenzüberschreitenden Umwandlungen einschlägig sein.3 Vergleichbare ausländische Vorschriften und Meldepflichten sind ebenfalls zu beachten.

19.34

II. Ausgangsfall Nachfolgend sollen ausgewählte grenzüberschreitende Umwandlungen unter Nutzung einer hybriden Gesellschaft im Ausland untersucht werden. Eine grenzüberschreitende Umwandlung liegt vor, wenn der Verwaltungs- oder Satzungssitz von (mindestens) zwei der beteiligten Rechtsträger in unterschiedlichen Jurisdiktionen liegt. Den Grundfall bildet ein mehrstufiger Aufbau. An der Spitze steht ein Unternehmensträger mit inländischen natürlichen Personen als Gesellschaftern. Den übertragenden Rechtsträger bildet eine deutsche Spitzeneinheit in Form einer Kapitalgesellschaft. Im Zielland soll die Grundeinheit ein Hybrid sein, d.h., die Grundeinheit wird im Sitzstaat als Kapitalgesellschaft und in Deutschland als Personengesellschaft qualifiziert.

1 Ausführlich Schmidt, IWB 2011, 696 (697). 2 Schmidt, IWB 2011, 696 (697). 3 Schnitger/Krüger, DB 2020, 2422 (2428).

Sterner | 1281

19.35

Kap. 19 Rz. 19.35 | Hybride Gesellschaften

19.36 Das UmwStG unterscheidet im Gegensatz zu dem UmwG nicht zwischen der übertragenden Umwandlung durch Aufnahme oder durch Neugründung und behandelt beide Varianten gleich.1 Im Folgenden wird von einer Neugründung der Grundeinheit ausgegangen. Hinsichtlich des Anwendungsbereichs des UmwStG musste bisher aufgrund der Regelung des § 1 Abs. 2 UmwStG a.F. stets zwischen grenzüberschreitenden Umwandlungen mit EU/EWR-Staaten und Drittstaaten unterschieden werden. Das UmwStG fand danach auf Umwandlungen in Zusammenhang mit Drittstaaten keine Anwendung. Mit dem Körperschaftsteuermodernisierungsgesetz vom 25.6.2021 hat der Gesetzgeber § 1 Abs. 2 UmwStG jedoch ersatzlos entfallen lassen, weshalb sich der Anwendungsbereich des UmwStG nun auch auf Umwandlungen mit Drittstaaten erstreckt, sofern der steuerliche Übertragungsstichtag nach dem 31.12.2021 liegt.2 Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 UmwStG knüpft an die vom UmwG vorgegebenen Möglichkeiten grenzüberschreitender Umwandlungen an. Mit der Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie durch das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie3 wird zudem mit den §§ 305 ff. UmwG die grenzüberschreitende Umwandlung von Körperschaften durch den deutschen Gesetzgeber geregelt und in der Praxis dadurch künftig wohl mit mehr Rechtssicherheit verbunden sein.4 Eine gesellschaftsrechtliche Grundlage für derartige Umwandlung hinsichtlich der Personengesellschaften existiert jedoch auch nach in Kraft treten des UmRUG nicht. Insofern verwundert es nicht, dass in Teilen der Literatur ein Appell zur Nachbesserung an den Gesetzgeber gerichtet wird.5 1 Möhlenbrock in D/P/M108, Einf. UmwStG (SEStEG) Rz. 127. 2 Loose in Brandis/Heuermann163, § 1 UmwStG Rz. 19a; vgl. auch Prinz, FR 2021, 561 ff. 3 Gesetz v. 22.2.2023, BGBl. I 2023 Nr. 51 v. 28.2.2023. Das Gesetz ist mit einem Monat Verspätung gegenüber der Umsetzungsverpflichtung zum 1.3.2023 in Kraft getreten. Steuerpflichtige können sich jedoch seit dem 1.2.2023 direkt auf die Richtlinie berufen, vgl. Rz. 1.9, Spiegelstrich „Europäisches Umwandlungsrecht“. 4 Brandi/Schmidt, DB 2022, 1880 (1890). 5 So etwa Prinz, DB 25/2022.

1282 | Sterner

D. Nutzung hybrider Gesellschaften bei internat. Umwandlungen | Rz. 19.40 Kap. 19

III. Grenzüberschreitende Umwandlungen 1. Umwandlungsvarianten und Anwendungsbereich des UmwStG Für Gestaltungsvarianten mit hybriden Gesellschaften bieten sich insbesondere die folgenden Umwandlungsvorgänge an:

19.37

– Verschmelzung der Spitzeneinheit auf die hybride Grundeinheit – Abspaltung eines Teils des Vermögens der Spitzeneinheit auf die hybride Grundeinheit – Ausgliederung eines Teils des Vermögens der Spitzeneinheit auf die hybride Grundeinheit Grenzüberschreitende Sachverhalte werden vom UmwStG erfasst, wenn der sachliche und persönliche Anwendungsbereich des § 1 UmwStG erfüllt ist. Der persönliche Anwendungsbereich unterliegt für Umwandlungen nach dem 31.12.2021 keinen Beschränkungen mehr, weshalb auch von einem „globalen Anwendungsbereich“ gesprochen werden kann.1 Bezüglich des Anwendungsbereichs der §§ 20 ff., 25 UmwStG ist jedoch nach dem Wortlaut der Normen weiterhin zwischen Einbringenden in der EU und in dem EWR einerseits, die grundsätzlich begünstigt sind, und Einbringenden in Drittstaaten anderseits zu differenzieren, die grundsätzlich nicht begünstigt sind.2 Der sachliche Anwendungsbereich ist gegeben, wenn ein in § 1 Abs. 1 Nr. 1–4 genannter Umwandlungsvorgang oder ein mit einem inländischen Umwandlungssachverhalt vergleichbarer ausländischer Vorgang vorliegt.3 Der vergleichbare ausländische Vorgang muss seinem Wesen nach einem der Umwandlungsarten des UmwG entsprechen. Er muss sowohl hinsichtlich seiner Rechtsfolgen als auch der beteiligten Rechtsträger vergleichbar sein.4

19.38

2. Qualifizierung der hybriden Grundeinheit Hybride Gesellschaften besitzen aufgrund ihrer Zwitterstellung sowohl Merkmale einer Personen- als auch einer Kapitalgesellschaft. Die Einordnung in die verschiedenen Umwandlungsvorgänge und die dazugehörigen Vorschriften im UmwStG knüpfen an die Rechtsform der Grundeinheit an. Maßgeblich ist aber nicht die Behandlung nach dem Recht des Sitzstaats. Für steuerliche Zwecke wird die ausländische Gesellschaft mit dem Rechtstypenvergleich qualifiziert. Entscheidend für die Einordnung in das System des UmwStG ist, ob die Grundeinheit mit einer deutschen Personen- oder Kapitalgesellschaft vergleichbar ist.

19.39

Grundsätzlich werden Hybride im Ausland als Kapitalgesellschaft und im Inland als Personengesellschaft qualifiziert. Damit handelt es sich bei Umwandlungsvorgängen zwischen der deutschen Spitzeneinheit und der hybriden ausländischen Grundein-

19.40

1 Holle/Krüger/Weiss, IStR 2021, 489 (491); Prinz, FR 2021, 561 (562) mit Hinweisen zu den Einschränkungen bei Einbringungsfällen i.S.d. §§ 20, 21 UmwStG. 2 Vgl. Prinz, FR 2021, 561 (563). 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.20. 4 Regierungsbegründung zum SESTEG-E, BT-Drucks. 16/2710, 35.

Sterner | 1283

Kap. 19 Rz. 19.40 | Hybride Gesellschaften

heit um einen Vorgang zwischen einer Kapitalgesellschaft und einer Personengesellschaft.

19.41 Die Behandlung von Umwandlungsvorgängen bei Outbound-Investitionen soll am Beispiel der Rechtslage in Ungarn erläutert werden. In Ungarn werden die Betéti Társaság und die Közkereseti Társaság als Wirtschaftsgesellschaften der Körperschaftsteuer unterworfen. Das deutsche Steuerrecht behandelt sie hingegen als Personengesellschaften.

3. Fusionsrichtlinie

19.42 Das UmwStG verfolgt das Ziel, betriebswirtschaftlich erwünschte und handelsrechtlich zulässige Umstrukturierungen der Wirtschaft nicht durch steuerliche Folgen zu behindern.1 Grundsätzlich ist die Umwandlung kein betrieblicher Vorgang, sondern ein gesellschaftsrechtlicher. Blendet man die Vorschriften des UmwStG aus, ist der Vermögensübergang bei einer Verschmelzung oder Spaltung als steuerrelevantes Veräußerungs- oder Anschaffungsgeschäft zu behandeln.2 19.43 Das SESTEG setzt die Änderungsrichtlinie vom 17.2.20053 zur Fusionsrichtlinie (FRL) vom 23.7.1990 um. Ziel der FRL ist es, die Mitgliedstaaten zur steuerneutralen Behandlung bestimmter Umwandlungsvorgänge zu verpflichten, wobei die FRL keinen endgültigen Steuerverzicht erklärt, sondern nur einen Steueraufschub bis zum Zeitpunkt der (tatsächlichen) Veräußerung. 19.44 Bei Umwandlungsvorgängen zwischen transparenten und intransparenten Gesellschaften verändern sich die Besteuerungsrechte der Mitgliedstaaten.4 Infolge der Verschmelzung der Kapitalgesellschaft auf die Personengesellschaft geht insofern das ei1 2 3 4

Amtl. Begründung BT-Drucks. 12/6885, 14. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 00.02. Richtlinie 2005/19/EG v. 17.2.2005, ABl. EU Nr. L 58, 19. Klingberg/Lishaut, Der Konzern 2005, 698 (708).

1284 | Sterner

D. Nutzung hybrider Gesellschaften bei internat. Umwandlungen | Rz. 19.45 Kap. 19

genständige Besteuerungsrecht an der Kapitalgesellschaft verloren.1 Grundsätzlich sehen Art. 7 und Art. 8 FRL die Steuerneutralität bei Umwandlungen vor. Nach Art. 7 Abs. 1 FRL wird die Differenz zwischen dem Wert der Aktiva und Passiva und dem Buchwert der untergegangenen Anteile nicht besteuert. Die Mitgliedstaaten können gem. Art. 7 Abs. 2 FRL davon abweichen, wenn der Anteil der übernehmenden Gesellschaft am Kapital der einbringenden Gesellschaft weniger als 10 % beträgt. Art. 7 FRL trägt damit der Mutter-Tochter-Richtlinie Rechnung:2 Die Übernehmerin hätte sich die nicht ausgeschütteten Gewinne oder stillen Reserven, die zu einem Übernahmegewinn führen, auch steuerneutral ausschütten lassen können.3 Ferner wird nach Art. 8 Abs. 3 FRL die Besteuerung des Veräußerungsgewinns aus dem Austausch der Anteile bis zur tatsächlichen Veräußerung aufgeschoben, wenn die Gesellschafter als steuerlich transparent gelten. Die Änderungsrichtlinie vom 17.2.2005 hat den Anwendungsbereich der FRL auf hybride Gesellschaften ausgedehnt, Art. 3 Buchst. a i.V.m. Anhang I Teil A FRL. Die Steuerneutralität grenzüberschreitender Verschmelzungen wird für hybride Gesellschaften eingeschränkt, um die finanziellen Interessen der Mitgliedstaaten zu wahren.4 Kern der Regelungen betreffend die hybriden Gesellschaften ist Art. 11 FRL. Er konstatiert Ausnahmen von der Steuerneutralität grenzüberschreitender Umwandlungen für hybride Gesellschaften.5 Im Einzelnen bestehen die folgenden Ausnahmeregelungen:6 – Art. 11 Abs. 1 und Abs. 2 FRL erlauben den Mitgliedstaaten die Option eines vollständigen Anwendungsausschlusses der FRL. Der Mitgliedstaat kann bei dem Verlust seines Besteuerungsrechts im Zuge einer nach der FRL begünstigten Umwandlung die dadurch seinem Steuerzugriff entzogenen stillen Reserven besteuern. Betrachtet der Mitgliedstaat die einbringende Gesellschaft oder die erworbene Gesellschaft beim Anteilstausch als transparente Einheit, kann er gem. Art. 11 Abs. 1 FRL und entgegen Art. 4 Abs. 2, 9 FRL den Veräußerungsgewinn besteuern. Voraussetzung ist, dass die hybride Gesellschaft übertragen wird. Nach Art. 11 Abs. 2 FRL muss der Mitgliedstaat eine im ausländischen Staat tatsächlich nicht erhobene Steuer jedoch fiktiv anrechnen. – Art. 11 Abs. 3 FRL sieht einen teilweisen optionalen Anwendungsausschluss für den Fall vor, dass die übernehmende oder erwerbende Gesellschaft steuerlich transparent ist. Dadurch werden die Besteuerungsrechte des Sitzstaates gewahrt, wenn eine Gesellschaft auf eine ausländische hybride Gesellschaft umgewandelt wird (bspw. Hinausverschmelzung). Der Mitgliedstaat ist in der Folge berechtigt, den Art. 8 Abs. 1, 2 und 3 FRL nicht anzuwenden. Durch den Anwendungsaus-

1 2 3 4 5 6

Schmitt in S/H9, Vor §§ 3–9 UmwStG Rz. 9. Richtlinie 2005/19/EG v. 17.2.2005, ABl. EU Nr. L 58, 19 Erwägungsgrund Nr. 16. Blumers/Kinzl, BB 2005, 971 (974). Brähler/Heerdt, StuW 2007, 260 (268). Kritisch zum „opting-out“ in Art. 11 FRL Blumers/Kinzl, BB 2005, 971 (973 f.). Ausführlich Benecke/Schnitger, IStR 2005, 641 ff.; Winkeljohann/Fuhrmann, Handbuch Umwandlungssteuerrecht, 601 ff.

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19.45

Kap. 19 Rz. 19.45 | Hybride Gesellschaften

schluss von Art. 8 Abs. 3 FRL wird erreicht, dass ein möglicher Übernahmegewinn auf Ebene des Gesellschafters besteuert wird. – Art. 11 Abs. 4 FRL erlaubt dem Mitgliedstaat bei grenzüberschreitenden Vorgängen, jeden unmittelbaren und mittelbaren Gesellschafter steuerlich so zu behandeln, als sei die gebietsfremde übernehmende Gesellschaft in seinem Gebiet ansässig. Voraussetzung ist, dass die übernehmende Gesellschaft steuerlich transparent behandelt wird. Infolgedessen kann der Mitgliedstaat gem. Art. 11 Abs. 4 FRL grenzüberschreitende Umwandlungen wie innerstaatliche Umwandlungen besteuern. Durch diesen Gleichbehandlungsgrundsatz wird gegenüber Art. 11 Abs. 3 FRL die Möglichkeit der Besteuerung der offenen Rücklagen i.S.v. Art. 7 FRL ermöglicht, die ansonsten durch Art. 7 Abs. 3 FRL ausgeschlossen wäre. 4. Umsetzung ins UmwStG

19.46 Bei der Umsetzung der FRL ins UmwStG hat der Gesetzgeber von den Wahlmöglichkeiten in Art. 11 Abs. 3 und 4 FRL Gebrauch gemacht. Er hat sich dafür entschieden, die Art. 7, 8 Abs. 1 bis 3 FRL nicht anzuwenden und den Gesellschafter der übertragenden Körperschaft mit seinem Veräußerungsgewinn zu besteuern.1 Entgegen Art. 7, 8 Abs. 1 bis 3 FRL gelten für die Anteilseigner der übertragenden Körperschaft die Grundsätze von §§ 4, 5 UmwStG. 5. Umwandlungsvorgänge im Einzelnen a) (Hinaus-)Verschmelzung durch Neugründung

19.47 Outbound-Investitionen können durch eine Verschmelzung einer deutschen Spitzeneinheit auf eine neu gegründete hybride Grundeinheit vorgenommen werden. Verschmelzung durch Neugründung bedeutet, dass das gesamte Vermögen eines Rechtsträgers auf einen anderen neu gegründeten Rechtsträger im Wege der Gesamtrechtsnachfolge unter Auflösung ohne Abwicklung übertragen wird.2 Wird eine deutsche Kapitalgesellschaft auf eine ausländische hybride Gesellschaft, die im Sinne des UmwStG als Personengesellschaft qualifiziert wird, verschmolzen, finden die §§ 3–8, 10, 18 UmwStG zur Vermögensübertragung auf eine Personengesellschaft Anwendung, d.h., Deutschland behandelt den Gesellschafter der übertragenden Körperschaft steuerlich so, als ob die übernehmende Gesellschaft im Inland ansässig wäre.3

1 Regierungsbegründung zum SESTEG-E, BT-Drucks. 16/2710, 39. 2 Amtl. Begründung BT-Drucks. 12/6885, 14. 3 Regierungsbegründung zum SESTEG-E, BT-Drucks. 16/2710, 39.

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D. Nutzung hybrider Gesellschaften bei internat. Umwandlungen | Rz. 19.49 Kap. 19

Die Behandlung auf Ebene der deutschen Spitzeneinheit ist in § 3 UmwStG geregelt. Nach § 3 Abs. 1 UmwStG sind in der Schlussbilanz der deutschen Spitzeneinheit die Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert (§ 9 Abs. 2 BewG) anzusetzen, um die Besteuerung der stillen Reserven in Deutschland zu garantieren. Davon kann gem. § 3 Abs. 2 UmwStG abgewichen werden, wenn die Besteuerung der stillen Reserven gewährleistet ist und keine Gegenleistung erfolgt. Auf Antrag sind die Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert oder einem Zwischenwert anzusetzen, wenn die stillen Reserven betrieblich verstrickt bleiben und das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland gewahrt ist.1 Pensionsrückstellungen sind nach § 6a EStG zu bewerten.2 Zu beachten ist, dass sich bei einem Sachverhalt mit einer EU/EWR-Betriebsstätte gem. § 3 Abs. 3 UmwStG die Bewertung in der Schlussbilanz danach richtet, ob mit dem Betriebsstättenstaat ein DBA besteht.

19.48

Auf Ebene der hybriden Grundeinheit erfolgt die steuerliche Behandlung nach § 4 UmwStG. Bei einer Verschmelzung durch Neugründung findet § 6 UmwStG keine Anwendung. § 4 UmwStG sieht die Besteuerung eines Übernahmeerfolgs auf Ebene der übernehmenden Gesellschaft vor. Maßgeblich für die übernehmende hybride Grundeinheit ist nach § 4 Abs. 1 UmwStG der Ansatz in der Schlussbilanz der deutschen Spitzeneinheit. Die übernehmende Personengesellschaft ist an den Wertansatz der übertragenden Körperschaft gebunden. Die hybride Grundeinheit tritt nach § 4 Abs. 2 UmwStG in die Rechtsstellung der Spitzeneinheit ein (Gesamtrechtsnachfolge). Bei der Ermittlung des Übernahmeerfolgs wird nach § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG ausländisches Betriebsstättenvermögen (neutrales Vermögen) mit dem gemeinen Wert i.S.d. § 3 Abs. 1 UmwStG angesetzt.3 Die Regelung entspricht Art. 11 Abs. 3

19.49

1 Regierungsbegründung zum SESTEG-E, BT-Drucks. 16/2710, 37. 2 Dazu ausführlich Schlösser/Reichl/Rapp in Sagasser/Bula/Brünger5, Umwandlungen, § 11 Rz. 301 m.w.N. 3 Regierungsbegründung zum SESTEG-E, BT-Drucks. 16/2710, 39; zu dem zugrunde liegenden negativen Qualifikationskonflikt Brähler/Heerdt, StuW 2007, 260 (269 f.).

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Kap. 19 Rz. 19.49 | Hybride Gesellschaften

FRL, der die Entstrickung sämtlicher stiller Reserven gewährt. Ein Ansatz mit dem gemeinen Wert erfolgt, wenn vor der Umwandlung das ausländische Betriebstättenvermögen in Deutschland nicht steuerverhaftet war und nach der Umwandlung durch DBA freigestellt ist.

19.50 Im Anwendungsbereich von hybriden Gesellschaften wirft § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG folgendes Problem auf: Nach Art. 13 Abs. 5 OECD-MA können Gewinne aus der Veräußerung nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem der Veräußerer ansässig ist. Demnach hat bei der Hinausverschmelzung Deutschland das Besteuerungsrecht inne. Art. 13 Abs. 2 OECD-MA sieht hingegen vor, dass Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens, das Betriebsvermögen einer Betriebstätte ist, die ein Unternehmen eines Vertragsstaats im anderen Vertragsstaat hat, in dem anderen Staat besteuert werden können. Danach steht wiederum dem Betriebsstättenstaat die Besteuerung zu. Dieser negative Qualifikationskonflikt wird durch die Anwendung von § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG einseitig durch nationales Recht zugunsten der deutschen Besteuerung entschieden. 19.51 Bei der Verschmelzung durch Neugründung findet für die Besteuerung der Anteilseigner der hybriden Grundeinheit § 7 UmwStG Anwendung. Das Übernahmeergebnis wird nach § 4 Abs. 4 und 5 UmwStG in einen Übernahmegewinn oder -verlust und eine fiktive Ausschüttung der offenen Rücklagen nach § 7 UmwStG aufgespalten. Von § 7 UmwStG werden alle Anteilseigner der übertragenden Körperschaft erfasst, die Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft werden, und zwar unabhängig davon, ob für diese ein Übernahmeergebnis zu ermitteln ist oder nicht.1 Durch die Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft wird nach § 7 UmwStG eine Vollausschüttung der Gewinnrücklagen fingiert. Beim Anteilseigner sind die offenen Reserven der deutschen Spitzeneinheit als Ausschüttungen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu erfassen. Sie gelten gem. § 2 Abs. 2 UmwStG bereits mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags als zugeflossen. Die Kapitalertragsteuer hierauf entsteht erst im Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Umwandlung.2 Neben der fiktiven Ausschüttung wird den Anteilseignern je nach Art ihrer Beteiligung an der Spitzeneinheit ein Übernahmeerfolg zugewiesen. Soweit der Übernahmegewinn auf eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse als Mitunternehmerin entfällt, ist nach § 4 Abs. 7 Satz 1 UmwStG der § 8b KStG anzuwenden. Zu beachten ist, dass der Sitzstaat der hybriden Gesellschaft nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. b OECD-MA die offenen Rücklagen im Zeitpunkt einer späteren Gewinnverwendung der Quellensteuer i.H.v. 15 % unterwerfen kann.3 Diese Quellensteuer ist nach dem BMF, Schr. v. 16.4.2010 und 26.9.2014 in Deutschland nicht nach § 34c Abs. 1, 2 i.V.m. Abs. 6 EStG anrechenbar, da aus deutscher Sicht die Ausschüttungen als steuerlich nicht relevante Entnahmen nicht besteuert werden.4 1 2 3 4

BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 07.01. Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 07.08. Brähler/Heerdt, StuW 2007, 260 (270). BMF v. 16.4.2010 – IV B 5 - S 1300/07/10087, BStBl. I 2010, 354 Rz. 4.1.4.1; dazu Schmidt, IStR 2010, 413 (425, Bsp. 5); BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, 1258 Rz. 4.1.4.1.

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D. Nutzung hybrider Gesellschaften bei internat. Umwandlungen | Rz. 19.54 Kap. 19

b) (Hinaus-)Abspaltung Investitionen im Ausland sind auch in Form einer Hinausabspaltung von einer deutschen Kapitalgesellschaft auf eine ausländische hybride Gesellschaft möglich. Bei der Abspaltung bleibt der übertragende, sich spaltende Rechtsträger als Rumpfunternehmen bestehen und überträgt einen Teil oder mehrere Teile seines Vermögens jeweils als Gesamtheit auf einen oder mehrere andere neu gegründete Rechtsträger.1

19.52

Hybride Gesellschaften werden im Inland als Personengesellschaft qualifiziert. § 3 Abs. 1 UmwStG verlangt als übernehmende Gesellschaft eine Personenhandelsgesellschaft oder Partnerschaftsgesellschaft. Maßgeblich ist die Qualifizierung der hybriden Grundeinheit nach den Leitlinien des deutschen Rechtstypenvergleichs. Soweit die ausländische Grundeinheit mit einer deutschen OHG oder KG vergleichbar ist, finden gem. § 16 Satz 1 UmwStG bei dem Übergang des Vermögens von der deutschen Kapitalgesellschaft auf die hybride ausländische Gesellschaft durch Spaltung die Vorschriften über den Vermögensübergang von Körperschaften auf Personengesellschaften (§§ 3–8, 10, 15 UmwStG) entsprechende Anwendung. Es kann daher auf die steuerlichen Folgen der Verschmelzung von Spitzeneinheit auf hybride Grundeinheit verwiesen werden.

19.53

c) Ausgliederung Die Ausgliederung ist eine weitere Möglichkeit für Outbound-Investitionen und eine Form der (Ab-)Spaltung. Entgegen der Abspaltung fallen die Anteile an den neuen Rechtsträgern nicht den Anteilsinhabern des sich spaltenden Rechtsträgers, sondern dem Vermögen des Rumpfunternehmens selbst zu.2 Bei der Ausgliederung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils von der Spitzeneinheit auf die hybride Grundeinheit findet § 24 UmwStG Anwendung. 1 Amtl. Begründung BT-Drucks. 12/6885, 14. 2 Amtl. Begründung BT-Drucks. 12/6885, 14.

Sterner | 1289

19.54

Kap. 19 Rz. 19.54 | Hybride Gesellschaften

19.55 Die hybride Grundeinheit wird aus deutscher Sicht als Personengesellschaft qualifiziert und damit nach § 24 UmwStG als Mitunternehmerschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG behandelt.1 Bei der Ausgliederung eines Betriebs oder Teilbetriebs handelt es sich für die deutsche Kapitalgesellschaft um einen tauschähnlichen Veräußerungsvorgang. Aus Sicht der ausländischen hybriden Gesellschaft liegt ein Anschaffungsgeschäft vor. Nach § 24 Abs. 2 UmwStG hat die hybride Grundeinheit das Wahlrecht, das eingebrachte Betriebsvermögen zum Buchwert, zu einem Zwischenwert oder höchstens zum gemeinen Wert anzusetzen. Für die deutsche Spitzeneinheit gilt nach § 24 Abs. 3 UmwStG der Wertansatz, mit dem das eingebrachte Betriebsvermögen in der Steuerbilanz der Personengesellschaft angesetzt wird, als Veräußerungspreis. Die Rechtsfolgen für die Spitzeneinheit richten sich gem. § 24 Abs. 4 UmwStG nach § 23 Abs. 1, 3, 4 und 6 UmwStG. Die Besteuerung ist demnach vom gewählten Wertansatz abhängig. Grundsätzlich sieht § 24 UmwStG bei den steuerlichen Folgen keine Besonderheiten für die Ausgliederung in hybride Gesellschaften vor. d) Exkurs: Formwechsel

19.56 Ein Formwechsel kommt zwar zur Gestaltung einer Outbound-Investition nicht in Betracht. Der Wechsel der gesellschaftsrechtlichen Einkleidung der ausländischen Gesellschaft kann aber für die Beendigung der Investition durch Veräußerung des Gesellschaftsanteils eine Rolle spielen. Der Formwechsel der hybriden Gesellschaft wird in der Literatur zur Optimierung der Besteuerung des Veräußerungsgewinns diskutiert.2 Bei der Veräußerung des Anteils an der hybriden Gesellschaft kann es gem. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG infolge des Übergangs zur Anrechnungsmethode zu einer Anpassung der Steuerquote an das deutsche Steuerniveau kommen (s. 1 Schmitt in S/H9, § 24 UmwStG Rz. 117 m.w.N. 2 Bereits Behrens/Grabbe, BB 2008, 818 ff. mit Anmerkungen zu BFH v. 17.10.2007 – I R 96/06, IStR 2008, 262; Kollruss, StuW 2010, 381 (389).

1290 | Sterner

D. Nutzung hybrider Gesellschaften bei internat. Umwandlungen | Rz. 19.59 Kap. 19

Rz. 19.27 ff.). Dies soll vermieden werden, indem die hybride Gesellschaft vor der Veräußerung formumgewandelt wird.1 Dem Grunde nach ist die hybride Gesellschaft eine Personengesellschaft. Sie wird aber im Sitzstaat wie eine Kapitalgesellschaft zur Körperschaftsteuer veranlagt. Im Rahmen des Formwechsels wird aus der Personen- eine Kapitalgesellschaft. Diese ist – wie die hybride Gesellschaft zuvor – Körperschaftsteuersubjekt. Dadurch wird im Sitzstaat die Umwandlung als homogener Formwechsel (meist) ertragssteuerneutral ablaufen.2 Abkommensrechtlich treten durch den Formwechsel vordergründig keine Änderung ein. Der Sitzstaat hat weiterhin das Besteuerungsrecht an der Gesellschaft nach Art. 7 Abs. 1 OECD-MA. Dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters steht gem. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA das Besteuerungsrecht an dem Veräußerungsgewinn zu, da es sich nun um eine Kapitalgesellschaft handelt.

19.57

Aus deutscher Sicht wird der Formwechsel in die Kapitalgesellschaft gem. §§ 1 Abs. 3, Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, 25 Satz 1, 20 Abs. 1 UmwStG als Einbringung in eine Kapitalgesellschaft behandelt. Unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1–3 UmwStG kann die aufnehmende Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen der Personengesellschaft mit dem Buchwert ansetzen. Der Buchwert bildet gem. § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG den Veräußerungspreis (§ 16 Abs. 2 i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG) ab. Nach § 20 Abs. 3 Satz 2 UmwStG gilt für den Gesellschafter der gemeine Wert des Betriebsvermögens im Zeitpunkt der Einbringung als Anschaffungskosten der Kapitalgesellschaftsanteile. Damit wird eine steuerliche Verstrickung der stillen Reserven der ausländischen Gesellschaft in Deutschland vermieden.

19.58

Es ist allerdings zu beachten, dass die §§ 20 ff., 25 UmwStG trotz der Internationalisierung und Globalisierung des UmwStG im Falle der Einbringung durch eine ausländische Person (natürliche Person oder Kapitalgesellschaft oder Mitunternehmerschaft) weiterhin zwischen der Einbringung durch eine EU-/EWR Person einerseits und eine Drittstaaten-Person andererseits differenziert. Während die Einbringung durch eine EU-EWR-Person nach §§ 20 ff., 25 UmwStG grundsätzlich begünstigungsfähig ist, ist die Einbringung durch eine Drittstaaten-Personen nach dem Wortlaut der Vorschriften nicht begünstigungsfähig. Ob diese Differenzierung gerechtfertigt ist, erscheint zweifelhaft.3 Die gesetzliche Begründung für den „Globalisierungsverzicht“ kann jedenfalls nicht überzeugen, da die angeblich drohende Einschränkung für die aus der EU bzw. dem EWR einbringenden Personen kein Differenzierungskriterium ist.4 Nach dem Formwechsel wird der Anteil des deutschen Gesellschafters an der ausländischen Kapitalgesellschaft veräußert. In Deutschland findet gem. § 22 Abs. 1 1 Darstellung nach Kollruss, StuW 2010, 381 (389); vgl. auch allgemein Jordan, NWB 2023, 191 unter Hinweis auf FG Münster, Gerichtsbescheid v. 30.12.2021 – 4 K 1512/15 F, EFG 2022, 538, zu den Wirkungen eines Formwechsels. 2 Zu der Formumwandlung einer ungarischen BT in eine KFT vor der Veräußerung (nach DBA 1977) Kollruss, StuW 2010, 381 (390). 3 Vgl. Prinz, FR 2021, 561 (563) m.z.N.; Hageböke/Stangl, Ubg 2020, 242. 4 Vgl. Prinz FR 2021, 516 (563).

Sterner | 1291

19.59

Kap. 19 Rz. 19.59 | Hybride Gesellschaften

UmwStG eine rückwirkende Besteuerung der Einbringung bei Veräußerung innerhalb von sieben Jahren statt. Es wird der sog. Einbringungsgewinn I gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 und 3 UmwStG ausgelöst. Fraglich ist, ob Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters infolge der rückwirkenden Besteuerung nach § 22 Abs. 1 UmwStG ein Besteuerungsrecht zusteht. Der Einbringungsgewinn I unterliegt nur dann der deutschen Besteuerung, wenn Deutschland auch die Besteuerung der Sacheinlage im Einbringungszeitpunkt zustand.1 Es wird rückwirkend auf den Zeitpunkt der Einbringung des Mitunternehmeranteils an der hybriden Gesellschaft in die Kapitalgesellschaft abgestellt. Diese Einbringung wird nun nach § 22 Abs. 1 UmwStG als Veräußerung des Anteils durch den Gesellschafter qualifiziert. Nach Art. 13 Abs. 2 OECD-MA können Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens, das Betriebsvermögen einer Betriebsstätte ist, im Belegenheitsstaat der Betriebsstätte besteuert werden. Dazu gehören auch Gewinne aus der Veräußerung einer gewerblichen Personengesellschaft. Deutschland hat demnach kein Besteuerungsrecht an dem Veräußerungsgewinn, soweit zur Sacheinlage eine Betriebstätte in einem Staat gehört, mit dem ein DBA besteht, das die Freistellungsmethode vorsieht.2 Dem Grundsatz der strengen Abkommenskongruenz folgend ist für die Anwendung von § 50d Abs. 9 EStG kein Raum, da der Formwechsel im Ausland nicht besteuert wird.3 Nicht die abkommensrechtliche Nichtbesteuerung verhindert den deutschen Steuerzugriff, sondern die innerstaatliche (ausländische) Nichtbesteuerung. Maßgeblich ist die Reichweite der Rückwirkung von § 22 UmwStG.

19.60 Neben der o.g. Auffassung wird in der Literatur vereinzelt auch eine eingeschränkte Rückwirkung vertreten. Danach werde der Einbringungsgewinn unabhängig von der Rückwirkung i.S.d. § 22 UmwStG besteuert.4 Schränkt man die Rückwirkung ein, handelt es sich um eine Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen, die gem. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA ausschließlich im Ansässigkeitsstaat des Veräußerers besteuert werden kann.

1 Widmann in W/M, § 22 UmwStG Rz. 169; Schmitt in S/H9, § 22 UmwStG Rz. 58; zur Fiktion des § 22 UmwStG Behrendt/Heeg, RIW 2008, 56 (61 f.). 2 Widmann in W/M, § 22 UmwStG Rz. 169. 3 Ausführlich Kollruss, StuW 2010, 381 (390). 4 Gosch in Gosch/Kroppen/Grotherr, Art. 13 OECD-MA Rz. 149.

1292 | Sterner

Kapitel 20 Option von Personengesellschaften zur Körperschaftsbesteuerung (§ 1a KStG) A. Bedeutung der Körperschaftsteueroption im Internationalen Umwandlungssteuerrecht . . . . . . . . . B. Die Körperschaftsteueroption als Alternative zum heterogenen (typusändernden) Formwechsel im Internationalen Steuerrecht I. Wirksame Ausübung der Option 1. Grundinformationen . . . . . . . 2. Wirksame Ausübung der Inlandsoption mit Auslandsbezug (Grundkonstellation 1) a) Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaft b) Kein Investmentfonds i.S.d. Investmentsteuergesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antragsteller und Zustimmung der Gesellschafter d) Form und Frist des Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Richtiges Finanzamt als Antragsadressat . . . . . . . . 3. Wirksame Ausübung der Auslandsoption mit Inlandsbezug (Grundkonstellation 2) a) Optionsberechtigung einer vergleichbaren ausländischen Gesellschaft . . . . b) Besondere Voraussetzung: unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht im Staat der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zustimmung der Gesellschafter einer vergleichbaren ausländischen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . d) Richtiges Finanzamt als Antragsadressat . . . . . . . .

20.1

20.9

20.13 20.16 20.17 20.18 20.19

20.21

20.25

20.26 20.27

4. Wirksame Optionsausübung bei doppelt ansässigen Personengesellschaften a) Doppelansässigkeit durch Geschäftsleitung im Inland und Vertragssitz im Ausland . . . . . . . . . . . . . . b) Doppelansässigkeit durch Geschäftsleitung im Ausland und Vertragssitz im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuerliche Behandlung der wirksamen Optionsausübung 1. Die Option als fingierter Formwechsel einer Personenin eine Kapitalgesellschaft . . . 2. Ertragsteuerliche Qualifikation der Rechtsnatur der Option als fingierter Formwechsel . . 3. Ertragsteuerliche Bewertung der Option als fingierter Formwechsel nach allgemeinen Bewertungsregeln a) Ertragsteuerliche Bewertung der Option einer mitunternehmerischen Personengesellschaft nach allgemeinen Regeln . . . . . b) Ertragsteuerliche Bewertung der Option einer vermögensverwaltenden Personenhandelsgesellschaft nach allgemeinen Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ertragsteuerliche Bewertung der Option als fingierter Formwechsel im Anwendungsbereich des UmwStG a) Gemeinsame Regeln für die Option von mitunternehmerischen und von vermögensverwaltenden Personen(handels)gesellschaften . . . . . . . . . . . . . .

20.29

20.30

20.31 20.32

20.33

20.35

20.36

Desens | 1293

Kap. 20 | Option von PersGes zur KSt (§ 1a KStG) b) Option einer Mitunternehmerschaft (§ 25 S. 1 i.V.m. § 20 UmwStG) c) Option einer vermögensverwaltenden Personenhandelsgesellschaft (§ 21 UmwStG) 5. Grundkonstellation 1: steuerliche Besonderheiten bei der Inlandsoption einer mitunternehmerischen Personengesellschafft durch den Auslandsbezug a) Überblick . . . . . . . . . . . . . b) Keine Steuerneutralität der Option für Drittstaaten-Gesellschafter nach Maßgabe des § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG c) Zurückbehaltenes Sonderbetriebsvermögen von im Ausland ansässigen Gesellschaftern . . . . . . . . . . . d) Neutralisierung der mittelbaren Verstrickung von stillen Reserven im Anteil der optierenden Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verstrickung durch den Zwang zur einheitlichen Wahlrechtsausübung bei Option einer Mitunternehmerschaft . . . . . . . . . 6. Grundkonstellation 2: Steuerliche Besonderheiten bei Auslandsoptionen von mitunternehmerischen Personengesellschaften durch den Inlandsbezug a) Überblick . . . . . . . . . . . . . b) Ausschluss der Steuerneutralität bei inländischen Gesellschaftern und ausländischen Anrechnungsbetriebsstätten (§ 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 UmwStG) . . . . c) Keine Steuerneutralität für Drittstaaten-Gesellschafter nach Maßgabe des § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG . . . . .

1294 | Desens

20.64

20.71

20.74

20.76

20.79

20.80

20.83

d) Keine Steuerneutralität für Gesellschafter einer Drittstaaten-Gesellschaft nach Maßgabe des § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG . . . . . . . . . . . . . 20.85 7. Steuerliche Besonderheiten bei der Option doppelt ansässiger Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . 20.87 III. Steuerliche Behandlung der optierenden Gesellschaft und ihrer Anteilseigner während der Option 1. Grundinformationen a) Besteuerung der optierenden Gesellschaft . . . . . . . 20.88 b) Beteiligung an der optierenden Gesellschaft . . . . 20.93 2. Persönliche Körperschaftsteuerpflicht, DBA-Berechtigung und DBA-Ansässigkeit der optierenden Gesellschaft . . . . . . 20.94 3. Gewinnausschüttungen der optierenden Gesellschaft a) Zeitpunkt der Gewinnverwendung und Entrichtung von Kapitalertragsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . 20.98 b) Steuerfreie Einlagenrückgewähr im ersten Optionsjahr . . . . . . . . . . . . . . . 20.103 c) Grenzüberschreitende Gewinnausschüttung von einer inländischen optierenden Gesellschaft an einen ausländischen Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . 20.104 d) Grenzüberschreitende Gewinnausschüttung von einer ausländischen optierenden Gesellschaft an einen inländischen Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . 20.107 4. Veräußerung von Anteilen an der optierenden Gesellschaft durch deren Gesellschafter . . 20.110 5. Steuerliche Bewertung von Rechtsbeziehungen zwischen optierender Gesellschaft und ihren Gesellschaftern . . . . . . . 20.113

Option von PersGes zur KSt (§ 1a KStG) | Kap. 20 6. Vereinnahmung von Gewinnausschüttungen durch die optierende Gesellschaft . . . . . . . 20.115 7. Veräußerung von Kapitalanteilen durch die optierende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.120 8. Grenzüberschreitende Sitzverlegungen der optierenden Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.121 9. Wegzug des Gesellschafters einer optierenden Gesellschaft ins Ausland . . . . . . . . . . . . . . . 20.126 10. Besondere Nachweis- und Meldepflichten während der Option a) Besondere Nachweis- und Meldepflichten für die optierende Gesellschaft . . . . 20.128 b) Besondere Nachweis- und Meldepflichten für Gesellschafter nach einer steuerneutralen Option durch sperrfristbehaftete Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.129 11. Zuständiges Finanzamt für die optierende Gesellschaft . . . . . 20.131 IV. Beendigung der Option 1. Beendigung der Option auf Antrag (§ 1a Abs. 4 S. 1 KStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.132 2. Zwangsweise Beendigung der Option (§ 1a Abs. 4 S. 4 KStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.133 3. Rechtsfolgen der Beendigung der Option a) Grundinformation . . . . . 20.134

b) Regel-Rechtsfolge: fingierter Formwechsel einer Kapital- in eine Personengesellschaft (§ 1a Abs. 4 S. 2 KStG) . . . . . . . . . . . . . . . . 20.136 c) Besondere Rechtsfolgen bei Erlöschen durch Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters (§ 1a Abs. 4 S. 5 und 6 KStG) . 20.144 d) Besondere Rechtsfolgen bei Erlöschen durch zivilrechtliche Umwandlung (§ 1a Abs. 4 S. 7 KStG) . 20.146 e) Sperrfristverletzung (§ 22 Abs. 1 UmwStG) durch Beendigung der Option . 20.149 C. Grenzüberschreitende Umwandlungen vor Ausübung der Körperschaftsteueroption I. Grundinformation . . . . . . . . . . . . 20.152 II. Sperrfristverletzungen durch Ausübung der Option . . . . . . . . . 20.153 D. Grenzüberschreitende Umwandlungen nach Ausübung der Körperschaftsteueroption I. Rechtsgrundlagen bei Umstrukturierung einer optierenden Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.162 II. Anwendung der Fusionsrichtlinie bei Umwandlungen von und mit optierenden Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.166 III. Sperrfristbegründungen durch die Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.168 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . 20.174

Literatur: Behrens/Seemaier, Änderungen der §§ 5, 6 Abs. 3 GrEStG durch das KöMoG und das StAbwG, DStR 2021, 1673; Benecke, Ausländische Umstrukturierungen mit Inlandsbezug – „Stolpersteine“ auf dem Weg von der Europäisierung zur Globalisierung des Umwandlungssteuergesetzes, DStJG 43 (2020), 623; Bernhagen, Der Formwechsel und die Sperrfrist des § 22 UmwStG, GmbHR 2022, 301; Blöchle/Dumser, Die Option zur Körperschaftsteuer für Personengesellschaften, GmbHR 2022, 72; Bochmann/Bron, Die nächste Stufe der Modernisierung des Personengesellschaftsrechts: Vom MoPeG zum KöMoG, NZG 2021, 613; Bockhoff/ Frieburg/Darijtschuk, Das Optionsmodell für PersGes. im Licht grenzüberschreitender Sachverhalte, DB 2021, 2521; Bodden, Doppeltstöckige Personengesellschaften im Kontext der Option zur Körperschaftsbesteuerung, KÖSDI 2021, 22526; Bodden, Sonderbetriebsvermögen im

Desens | 1295

Kap. 20 | Option von PersGes zur KSt (§ 1a KStG) Rahmen der Option zur Körperschaftsbesteuerung nach § 1a KStG, KÖSDI 2022, 22869; Bodden, Die optierende Gesellschaft iS des § 1a KStG im steuerlichen Gesamtgefüge, KÖSDI 2022, 22937; Bogenschütz, Umwandlung von Kapital- in Personengesellschaften, Ubg 2011, 393; Böhmer/Mühlhausen/Oppel, Die Körperschaftsteuer-Option nach § 1a KStG n.F. im internationalen Steuerrecht – Überblick anhand von Beispielsfällen, ISR 2021, 388; Böhmer/ Schewe/Schlücke, Neujustierung der Grenzen des deutschen Besteuerungsrechts durch ATADUmsG und das KöMoG, FR 2021, 765; Böhmer/Schewe, Das BMF-Schreiben zur Option zur Körperschaftsbesteuerung, FR 2022, 69; Brill, KöMoG: Betriebsaufspaltung und Optionsmodell: Anwendungsfragen aus der Praxis, NWB 2021, 2420; Broemel/Tigges-Knümann, Grunderwerbsteuerfolgen der Option zur Körperschaftsteuer nach § 1a KStG, Ubg 2021, 521; Brühl/Weiss, „Check the box“ from good old Germany – Die Option zur Besteuerung als Körperschaft nach dem Entwurf des KöMoG, DStR 2021, 889; Brühl/Weiss, Keine Besteuerungsschaukel – Die Rückoption zur transparenten Besteuerung nach dem Entwurf des KöMoG, DStR 2021, 945; Brühl/Weiss, Die Option zur Körperschaftsteuerung nach der endgültigen Fassung des KöMoG, DStR 2021, 1617; Bulk, § 1a Abs. 2 und 4 KStG: Die Verweisungen der (Rück-)Option auf das UmwStG, BB 2022, 1752; Bünning, Bilanzsteuerliche Fallstricke und Praktikabilitätsfragen bei der Ausübung der Körperschaftsteueroption, BB 2022, 427; Carlé, KöMoG: Gesellschaftsrechtliche Anforderungen des Optionsmodells, NWB 2021, 2270; Cordes/Kraft, Regierungsentwurf zum Optionsmodell – Körperschaftsteuer ab 2022 auch für Personengesellschaften?, FR 2021, 401; Demuth, Hinweise zum Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts aus Beratersicht, KÖSDI 2021, 22241; Demuth, KöMoG: Immobiliengesellschaft als optierende Gesellschaft, NWB 2021, 2586; Desens, Das Halbeinkünfteverfahren, 2004; Dibbert/Dorn, „Optionsmodell“ – Entwurf eines BMF-Schreibens vom 30.9.2021, DB 2021, 2525; Dorn/Weiss, Das Optionsmodell iSd § 1a KStG – eine Option für vermögensverwaltende Personengesellschaften?, DStR 2021, 2489; Dreßler/Kompolsek, Das Optionsmodell zur Besteuerung als Kapitalgesellschaft nach dem vom Bundestag beschlossenen KöMoG, Ubg 2021, 301; Dreßler/Kompolsek, Das finale BMF-Schreiben zum Optionsmodell zur Besteuerung als Kapitalgesellschaft gem. § 1a KStG, Ubg 2022, 1; Ertel/Weber, Mitgefangen, mitgehangen – der Steuerschaden von Minderheitsgesellschaften bei Ausübung der Option zur Körperschaftsbesteuerung, DB 2022, 1657; Förster/Felchner, Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personenunternehmen nach dem Referentenentwurf zum SEStEG, DB 2006, 1072; Förster, Internationale Aspekte der Option zur Körperschaftsteuerpflicht von Personenhandelsgesellschaften, IStR 2022, 109 (Teil 1) und 157 (Teil 2); Frieling/Schneeloch, Zur Vorteilhaftigkeit einer Option zur Körperschaftsteuer, FR 2022, 743; Fuhrmann, KöMöG: Das Optionsmodell im Umwandlungssteuerrecht, NWB 2021, 2356; Geiger/Biehlmaier, Optionsmodell bei Transaktionen – alles wie gehabt?, Ubg 2021, 555; Jachmann-Michel/Liebl, Gemeinnützigkeitsrecht kompakt – Grundlagen und aktuelle Entwicklungen für die Praxis BB 2022, 535 (Teil I) und 599 (Teil II); Jacobsen, Vorschlag zur vollständigen Globalisierung des Umwandlungssteuerrechts, DStZ 2021, 490; Jäschke, Die Option zur Körperschaftsbesteuerung gem. § 1a KStG und die ertragsteuerliche Organschaft, GmbHR 2022, 627; von Goldacker/Mathy/Schuster, Reichweite der Fiktion im Optionsmodell nach § 1a KStG: Begründung sperrfristbehafteter Anteilen nach § 22 UmwStG fraglich?, BB 2021, 2967; von Goldacker/Mathy/Schuster, Begründung von sperrfristbehafteten Anteilen im Rahmen des Optionsmodells nach § 1a KStG – Neueste Entwicklungen, BB 2022, 981; Grotherr, Außensteuerrechtliche Auswirkungen und Zweifelsfragen der Option von Personenhandelsgesellschaften zur Körperschaftsbesteuerung (§ 1a KStG), Ubg 2021, 568; Haase, Option nach § 1a KStG auch für ausländische Personengesellschaften, IWB 2021, 647; Haase, Internationalsteuerliche Aspekte des geplanten KöMoG, Ubg 2021, 193; Hageböke/Stangl, „Globalisierung“ des UmwStG durch das KöMoG und Einbringungen durch Drittstaatengesellschafter – Eine Bestandsaufnahme unter Berücksichtigung der „DMC“-Rechtsprechung“, Ubg 2021, 242; Haug, Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) – Folgen aus dem Optionsmodell für die Investmentbesteuerung, FR 2021, 410; Hornstein/Hefner, Grunderwerbsteuer bei Aus-

1296 | Desens

Option von PersGes zur KSt (§ 1a KStG) | Kap. 20 gliederung eines Einzelunternehmens in eine Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft mit Option nach § 1a KStG – die Behaltensfristen nach § 6a S. 4 GrEStG, BB 2022, 1879; Kahle, Zur Zukunft der Besteuerung der Personengesellschaften, FR 2022, 377; Kahle/Mock, Zur Bilanzierung von Beteiligungen an Personengesellschaften, DStZ 2022, 232; Kahsnitz, KöMoG: Optionsmodell und Thesaurierungsbegünstigung, NWB 2021, 2100; Kaminski, Ausgewählte Überlegungen zur Optionsmöglichkeit gem. § 1a KStG, Stbg 2021, 436; Kanzler, Verfassungswidrige Benachteiligung Steuerpflichtiger durch die Exklusivoption zur Körperschaftsteuerbesteuerung für Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften, FR 2021, 1049; Kelm/Rindermann/Hennrichs, Das Optionsmodell – ein wichtiger Schritt in Richtung Rechtsformneutralität und stärkerer Wettbewerbsfähigkeit, WPg 2021, 1166; Kölbl/Luce, Optionsmodell nach dem KöMoG-E – eine erste Analyse ausgewählter Fragestellungen, Ubg 2021, 264; Korn, KöMoG: Auswirkungen aus der Existenz verrechenbarer Verluste und von Überentnahmen, NWB 2021, 2660; Korezkij, Begünstigungen für Betriebsvermögen in der Erbschaftsteuer: Überblick über aktuelle Gesetzesänderungen, Rechtsprechung und Verwaltungsanweisungen, DStR 2021, 2561; Kudert/Rein, Eine ökonomische Analyse der steuerlichen Vorteilhaftigkeit der Option nach § 1a KStG, FR 2022, 976; Lauer, Der persönliche Anwendungsbereich der Körperschaftsteueroption – Ist eine Erweiterung geboten?, Ubg 2021, 548; Leidel/ Conrady, Anwendungsschreiben der Finanzverwaltung zum steuerlichen Optionsmodell für Personengesellschaften, BB 2022, 663; Leitsch, Einführung eines Optionsmodells – Zur Möglichkeit der Körperschaftsbesteuerung für Personengesellschaften, BB 2021, 1943; Liekenbrock, Kann eine optierende Personengesellschaft Organgesellschaft sein?, DB 2021, 2111; Link, Das Optionsmodell – Nach dem BMF-Schreiben ist vor der Evaluierung, DStR 2022, 1599; Lüdicke, Die Bedeutung des § 8b Abs. 2 KStG in der Rechtssache DMC, IStR 2014, 537; Lüdicke/ Eiling, Erste Überlegungen zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts, BB 2021, 1439; Mayer/Käshammer, Das Optionsmodell zur Körperschaftsbesteuerung – Praxishinweise und steuerliche Implikationen, NWB 2021, 1300; Möhlenbrock/ Haubner, Die Zukunft der Besteuerung der Personengesellschaften: MoPeG, KöMoG und DAOs, FR 2022, 53; Müller, KöMoG: Optionsmodell im Lichte steuerlicher Sperrfristen, NWB 2021, 2190; Müller, Gewinnausschüttungen im Optionsmodell nach § 1a KStG, NWB 2022, 241; Müller/Lucas/Mack, Das Optionsmodell im Internationalen Steuerrecht, IWB 2021, 528; Nagel/Schlund, KöMoG: Die neue Option zur Körperschaftsteuer für Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften, NWB 2021, 1874; Orth, Gemeinnützige Personengesellschaften, DStR 2022, 864; Ott, Ausgewählte Fragen zum Optionsmodell nach dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts, DStZ 2021, 559; Ott, Sperrfristverletzungen durch die Option zur Körperschaftsteuerbesteuerung nach § 1a KStG, DStZ 2022, 142; Ott, Ergänzungsbilanzen als Problem beim Optionsmodell nach § 1a KStG, DStR 2022, 2121; Ott, Unentgeltliche Übertragung von sperrfristbehafteten Anteilen und Sperrfristverletzung, DStZ 2023, 76; Patek, Vorteilhaftigkeitsanalyse zur Körperschaftsteuer-Optionsregelung des § 1a KStG, BB 2022, 1131; Patt, Die Bedeutung der optierenden (Personen-)Gesellschaft (§ 1a KStG) bei den Einbringungsvorschriften der §§ 20 ff. UmwStG, EStB 2021, 391; Prinz, Globalisierung des deutschen Umwandlungssteuerrechts durch das KöMoG – Begrüßenswert, aber unvollständig, FR 2021, 561; Prinz, Die Reform der Besteuerung der Personengesellschaften – Ein Statement, FR 2022, 61; Prinz, Neue „Steuerkoordinaten“ für Personengesellschaften: Bestandsaufnahme, Entwicklungstendenzen, Handlungsbedarf, DB 2022, 11; Prinz, Internationale Personengesellschaften: Option gem. § 1a KStG bei ausländischen Mitunternehmern, FR 2023, 1; Rapp, Einbringung von Mitunternehmeranteilen in Kapitalgesellschaften nach § 20 UmwStG – Umstrukturierungshindernis Gesellschafterverbindlichkeiten?, DStR 2017, 580; Rein, Entstrickungs- und Doppelbesteuerungsrisiken von SBV durch Optionsausübung nach § 1a KStG im Inbound-Fall, IStR 2022, 130; Rein/Kahlenberg, Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts: Internationale Aspekte des Optionsmodells für Personengesellschaften, PIStB 2021, 259 (Teil 1), 289 (Teil 2), 2022, 52 (Teil 3); Rickermann, Rein in die KSt, raus aus der KSt: Chancen und Risiken des Optionsmodells für die Praxis, DB 2021, 1561; Rombach/

Desens | 1297

Kap. 20 Rz. 20.1 | Option von PersGes zur KSt (§ 1a KStG) Kahle, Auswirkungen der Option auf die GrESt und ErbSt, DB 2022, 1856; Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 2. Aufl. 2020; Schiffers, Optionsmodell für Personengesellschaften nach dem Körperschaftsteuermodernisierungsgesetz: handels- und steuerbilanzielle Aspekte bei der optierenden Gesellschaft, DStZ 2021, 530; Schiffers, Option zur Körperschaftsteuer als Entscheidungssituation in typischen Beratungsfällen und einzelnen Branchen, DStZ 2021, 781; Schiffers, Option zur Körperschaftsteuer nach § 1a KStG – Aspekte zur Abgrenzung einer Vorteilhaftigkeit der Option, DStZ 2021, 852; Schiffers, Option zur Körperschaftsteuer nach § 1a KStG – Anwendungsschreiben der Finanzverwaltung in der Entwurfsfassung vom 30.9.2021, DStZ 2021, 900; Schiffers, Option zur Körperschaftsbesteuerung nach § 1a KStG – stille Beteiligung an der Gesellschaft oder Unterbeteiligung/Nießbrauch am Anteile, DStZ 2022, 52; Schiffers, Strukturierung von mittelständischen Familienunternehmen/-unternehmensgruppen: Option zur Körperschaftsteuerung als neues Gestaltungsinstrument, GmbHR 2022, 526; Schiffers/Jacobsen, Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG): Optionsmodell für Personengesellschaften, DStZ 2021, 348; Schnitger/ Krüger, Optionsmodell nach § 1a KStG: Ausgewählte Auslegungsfragen bei Umwandlungen unter Beteiligung von optierenden Gesellschaften, DB 2022, 418; Schreiber/Müller, KöMoG: Auswirkungen des MoPeG auf das Optionsmodell, NWB 2021, 2740; Schulze zur Wiesche, Die GmbH & Co. KG als Gegenstand der Option, BB 2022, 215; Strecker/Carlé, KöMoG: Behandlung des Sonderbetriebsvermögens im Rahmen des Optionsmodells, NWB 2021, 2022; Wacker/Krüger/Levedag/Loschelder, Zum Optionsmodell nach dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts – oder: eventus varios res nova semper habet, Beihefter zu DStR Heft 41/2021, 3; Wagner, KöMoG – Einschränkungen bei der Befreiung nach § 5 und 6 GrEStG bei Ausübung der Körperschaftsteuer-Option nach § 1a KStG i.d.F. des KöMoG, DStZ 2021, 604; Wälzholz, Anwendungsfragen zum KöMoG im Erbschaftsteuer- und Bewertungsrecht aufgrund der gleich lautenden Ländererlasse vom 5.10.2022, ZEV 2023, 73; Wernberger/Wangler, Das Optionsmodell für Personengesellschaften auf dem Prüfstand – Herausforderungen für die optierende Gesellschaft und ihre Gesellschafter, DStR 2022, 1513; Wernberger/Wangler, Die optierende Gesellschaft nach § 1a KStG – Eine GmbH zweiter Klasse im internationalen Steuerrecht?, DStR 2022, 1896; Wernberger/Wangler, Das Optionsmodell für Personengesellschaften: Überlegungen zur Steuerbelastung von optierenden Gesellschaften mit Investitionen im Ausland, IStR 2023, 62; WKGT/BDI, Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts, 2. Aufl., 2021; Wighardt/Storz, Auswirkungen der Option zur Körperschaftsteuer auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer, DStR 2022, 132; Winkler/Carlé, KöMoG: Optionsmodell und Erbschaft-/Schenkungsteuerrecht, NWB 2021, 2508; Zapf, Eine kritische Analyse des neuen § 1a KStG i.d.F. des Finanzausschusses vom 21.5.2021, BB 2021, 2711 (Teil 1), 2775 (Teil 2); Zapf, Das finale BMF-Schreiben zum Optionsmodell, NWB 2021, 3792; Zwirner/ Busch/Krauß, Auswirkungen der Körperschaftsbesteuerung nach § 1a KStG auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss – Ein Überblick, DStR 2022, 449.

A. Bedeutung der Körperschaftsteueroption im Internationalen Umwandlungssteuerrecht 20.1 Die seit 2022 geltende Option zur Körperschaftsbesteuerung (§ 1a KStG)1 ermöglicht Personenhandels-, Partnerschafts- oder vergleichbaren ausländischen Gesellschaften und deren Gesellschaftern, sich für ertragsteuerliche Zwecke wie eine Kapitalgesellschaft und nicht persönlich haftenden Anteilseigner besteuern zu lassen. Ertragsteu1 Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050.

1298 | Desens

A. Bedeutung der Körperschaftsteueroption im int. UmwStR | Rz. 20.2 Kap. 20

erlich treten durch die Option dieselben Wirkungen wie bei einem heterogenen (typusändernden) Formwechsel von einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft ein (Wechsel von der transparenten zur intransparenten Besteuerung)1, ohne dass sich die zivilrechtliche Qualifikation der Personengesellschaft und deren Gesellschafter ändert. Unverändert bleiben daher neben der Haftung die arbeitsrechtliche Mitbestimmung oder handelsrechtliche Prüfungs- und Publikationsanforderungen.2 Gleichwohl werden regelmäßig vor und mit der Option zivilrechtliche Anpassungen erforderlich sein,3 damit die Option wirtschaftlich sinnvoll ist (Rz. 20.55, Rz. 20.99). Bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen wird die Option unter drei Aspekten relevant: (1) Körperschaftsteueroption als Alternative zum heterogenen (typusändernden) Formwechsel. Wird ein heterogener (typusändernder) Formwechsel zwar aus steuerrechtlichen Gründen als vorteilhaft angesehen, aber aus zivilrechtlichen, aufsichtsrechtlichen, mitbestimmungsrechtlichen4 oder sonstigen Gründen (auch Publizitätsund Prüfungsanforderungen,5 Aufwand, Familientradition etc.)6 von ihm abgesehen, bietet sich die Körperschaftsteueroption anstelle eines Formwechsels an. Steuertariflich vorteilhaft ist die Option – ebenso wie die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG (Belastungsvergleich Option/§ 34a EStG s. Rz. 20.54) – bei gewinnstarken und thesaurierenden Gesellschaften, wobei der Vorteil größer wird, je niedriger der GewSt-Hebesatz unter 400 % liegt. Der Belastungsvergleich (ESt/KSt, GewSt, SolZ)7 in der folgenden Tabelle 1 zeigt auch, dass die Option unter Einbeziehung der Ausschüttungsbelastung nur dann günstiger ist, wenn die ESt-Belastung (hier: Durchschnittsteuersatz) hoch und der GewSt-Hebesatz niedrig ist (Ausnahme: GewSt-Hebesatz über 576 % bei ESt-Durchschnittssteuersatz von 45 %): GewStHebesatz

200 % Thes.

Option ESt 35 %, GewSt, SolZ Vorteil Option

1 2 3 4 5 6 7

Auss.

300 % Thes. Auss.

341,5 % Thes.

Auss.

400 % Thes.

Auss.

576 % Thes.

Auss.

22,83 43,18 26,33 45,75 27,78 46,82 29,83 48,33 35,99 52.87 36,54

36,35

13,71 - 6,64 10,02

- 9,5

36,27 8,49

-10,55

36,20 6,37

-12,13

42,36 6,37

-10,51

Dazu Wacker u.a., DStR-Beihefter 41/2021, 3 (3 f., 7 f.). Zu mittelbaren Auswirkungen Zwirner/Busch/Krauß, DStR 2022, 449. Dazu Carlé, NWB 2021, 2270 (2272 f.). Mayer/Käshammer, NWB 2021, 1300 (1306); Schiffers, GmbHR 2022, 526 (530 f.). Wacker u.a., DStR-Beihefter 41/2021, 3 (10); Schiffers, GmbHR 2022, 526 (532). Weitere Gründe bei Schiffers, DStZ 2021, 852 (855). Belastungsvergleiche und Vorteilhaftigkeitsanalysen auch bei Kudert/Rein, FR 2022, 976 (977 ff.); Frieling/Schneeloch, FR 2022, 743 (744 ff.); Patek, BB 2022, 1131 (1131 ff.); Cordes/Kraft, FR 2021, 401 (402); Rickermann, DB 2021, 1561 (1562 ff.); Wernberger/Wangler, IStR 2023, 62 bei Investitionen im Ausland; Vor- und Nachteile für typische Konstellationen bei Schiffers, DStZ 2021, 781 (783 ff.).

Desens | 1299

20.2

Kap. 20 Rz. 20.2 | Option von PersGes zur KSt (§ 1a KStG) GewStHebesatz

200 % Thes.

ESt 40 %, GewSt, SolZ

300 %

Auss.

41,82

Thes.

341,5 %

Auss.

Thes.

41,62

Auss.

41,54

20,35

ESt 43,91 %, GewSt, SolZ Vorteil Option

45,94 23,11

ESt 45 %, GewSt, SolZ Vorteil Option

0

2,76

47,09 24,26

3,91

Thes.

Auss.

41,43

Vorteil 18,99 - 1,36 15,29 - 4,13 13,76 - 5,28 Option ESt 41,29 %, 43,18 42,98 43,51 GewSt, SolZ Vorteil Option

400 %

11,6

- 6,9

48,95

576 % Thes.

47,59 11,6

19,42

45,67 0

1,15

46,82 19,04

46,71 0

-3,92

51,72

17,89 - 1,15 15,73 - 2,77 15,73

46,9 20,57

45,56

-5,28

48,95

16,65 - 2,77 15,73 - 3,31 12,96 - 5,54 12,96 45,75

Auss.

-1,15

52,87

16,88 - 1,62 16,88

0

Tabelle 1: Belastungsvergleich KSt-Option (KSt, GewSt, SolZ, AbgSt) und Regelbesteuerung (ESt [inkl. GewSt-Anrechnung auf ESt], SolZ, GewSt). GewSt ohne Abweichungen vom Gewinn durch §§ 8,9 GewStG und ohne Freibeträge (§ 11 GewStG). Zahlenangaben in %, bei „Vorteil Option“ in %-Punkten, bei negativen Vorzeichen ist die Option entsprechend nachteilig. Markiert sind die Wendepunkte (Vorteil/ Nachteil) sowie der größte Vor- und Nachteil der Option. Da die Körperschaftsteueroption selbst weder eine Verlegung der Geschäftsleitung (des Verwaltungssitzes) noch des Vertragssitzes (des statuarischen Sitzes) bewirkt, ist – jenseits der Verschiebungen von der transparenten zur intransparenten Besteuerung – weder eine Outbound-Option („Hinaus“-Option“) noch eine Inbound-Option („Herein“-Option) möglich. Jedoch kann eine Inlandsoption einen Auslandsbezug (Grundkonstellation 1) und jede Auslandsoption einen Inlandsbezug (Grundkonstellation 2) aufweisen, wobei der Wechsel von transparenten zur intransparenten Besteuerung einen grenzüberschreitenden Inbound- oder OutboundEffekt haben kann. Eine Sonderkonstellation stellt die Option einer doppelt ansässigen Personengesellschaft dar.

20.3 Grundkonstellation 1 (Inlandsoption mit Auslandsbezug). Optiert eine nach deutschem Recht gegründete Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland, entsteht der grenzüberschreitende Auslandsbezug durch: – im Ausland belegenes Vermögen (Betriebsstätte, Grundvermögen, Kapitalvermögen), – im Ausland ansässige Gesellschafter oder – im Ausland belegenes Vermögen und im Ausland ansässige Gesellschafter. 1300 | Desens

A. Bedeutung der Körperschaftsteueroption im int. UmwStR | Rz. 20.5 Kap. 20

Grundkonstellation 2 (Auslandsoption mit Inlandsbezug). Optiert eine nach ausländischem Gesellschaftsrecht gegründete vergleichbare Gesellschaft mit Geschäftsleitung im Ausland, entsteht der grenzüberschreitende Bezug durch

20.4

– im Inland belegenes Vermögen (Betriebsstätte, Grundvermögen, Kapitalvermögen), – im Inland ansässige Gesellschafter oder – im Inland belegenes Vermögen und im Inland ansässige Gesellschafter. Sonderkonstellation „doppelt ansässige“ Personengesellschaften. Ob Personengesellschaften ihre Geschäftsleitung (Verwaltungssitz) und ihren Vertragssitz (statuarischer Sitz) in unterschiedlichen Staaten haben können, ist eine Vorfrage des internationalen Personengesellschaftsrechts, was sich durch die Option auch nicht ändert. Kollisionsrechtlich hängt die Anerkennung von doppelt ansässigen Gesellschaften grundsätzlich davon ab, ob der jeweilige Staat der sog. Gründungs- oder der Sitztheorie folgt, wobei die Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV, Art. 31, 34 EWRAbk.) die Möglichkeiten innerhalb des EU/EWR-Raums deutlich erweitert. Folgt ein Staat der Gründungstheorie (etwa anglo-amerikanische Staaten, Niederlande), erkennt er eine Gesellschaft als eine solche des Gründungsstaates (Vertragssitz) unabhängig davon an, ob die Geschäftsleitung in einen anderen Staat verlegt wird (Rz. 2.14). Folgt ein Staat dagegen der Sitztheorie (etwa Deutschland), muss die Gesellschaft im Staat ihres Vertragssitzes auch ihre Geschäftsleitung haben und gilt daher im Falle einer Sitzverlegung ins Ausland als aufgelöst (Rz. 2.3). Insoweit sind zwei Sonderkonstellationen denkbar: – Anerkennung einer nach ausländischem Recht gegründeten Personengesellschaft nach Verlegung der Geschäftsleitung nach Deutschland (ausf. Rz. 2.36 ff.). Nach der Sitztheorie ist eine solche Gesellschaft in Deutschland selbst dann nicht anzuerkennen, wenn der ausländische Staat der Gründungstheorie folgt. Nach dem EuGH verstößt es jedoch gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV, Art. 31, 34 EWR-Abk.), wenn der Zuzugsstaat die Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes von einem in einem EU/EWR-Mitgliedstaat gegründeten Rechtsträger verweigert; vielmehr muss der Zuzugsmitgliedstaat die ausländische Rechtsform anerkennen.1 Da die Niederlassungsfreiheit Kapital- und Personengesellschaften gleichermaßen schützt (Art. 54 AEUV, Art. 34 EWR-Abk.) gilt das auch für Personengesellschaften.2 Überdies verpflichtet Art. XXV Abs. 5 S. 2 FHSVUSA3 zur Anerkennung von Personengesellschaften, die nach US-Recht gegründet wurden und ihre Geschäftsleitung nach Deutschland verlegen. 1 EuGH v. 9.3.1999 – C-212/97 – Centros, Slg. 1999, I-1459; EuGH v. 5.11.2002 – C-208/00 – Überseering, Slg. 2002, I-9919; EuGH v. 30.9.2003 – C-167/01 – Inspire Art, Slg. 2003, I10155. 2 Vgl. Desens in Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, UmwStG, 2. Aufl. 2022, Einf. 17 m.w.N. 3 Gesetz zu dem Freundschafts-, Handels-, und Schifffahrtsvertrag v. 29.10.1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika v. 7.5.1956, BGBl. II 1956, 487.

Desens | 1301

20.5

Kap. 20 Rz. 20.5 | Option von PersGes zur KSt (§ 1a KStG)

– Anerkennung einer nach deutschem Recht gegründeten Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaft nach Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland (ausf. Rz. 2.47 ff.): Nach der Sitztheorie ist die Gesellschaft durch Deutschland nicht anzuerkennen. Auch nach dem EuGH ist es grundsätzlich die Entscheidung des EU/EWR-Wegzugsstaats, ob und unter welchen Voraussetzungen er die Rechtspersönlichkeit einer Gesellschaft noch anerkennt, die ihren Verwaltungssitz in einen anderen EU/EWR-Mitgliedstaat verlegt.1 Etwas anderes gilt aber im Fall, wenn der Zuzugsstaat diese zivilrechtlich anerkennt.2 Folgt der EU/EWR-Zuzugsstaat daher der Gründungstheorie, muss Deutschland die Gesellschaft weiter anerkennen. Bis 2023 besteht insoweit aber eine erhebliche Rechtsunsicherheit, weil die Anerkennung insoweit von einer europarechtskonformen Entscheidung des jeweils zuständigen Registergerichts abhängig ist. Mit der Umsetzung des MoPeG3 wird diese Unsicherheit beseitigt: Ab 2024 räumt § 706 BGB n.F. – wie bereits für die GmbH oder AG – auch einer jeweils nach deutschem Recht gegründeten Personenhandelsgesellschaft (über § 105 Abs. 2 HGB) oder Partnerschaftsgesellschaft (über § 1 Abs. 4 PartGG) ein Wahlrecht ein, ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlegen zu können. Wird der Verwaltungssitz dabei in einen EU/EWR-Staat verlegt, verpflichtet die Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV, Art. 31, 34 EWRAbk.) diesen selbst dann zur Anerkennung, wenn er der Sitztheorie folgt.

20.6 Die Einwirkung des internationalen Steuerrechts auf eine Körperschaftsteueroption, die anstelle eines heterogenen (typusändernden) Formwechsels vorgenommen wird, zeigt sich bei – der wirksamen Ausübung der Option (dazu B. I., Rz. 20.9), – der steuerlichen Behandlung der wirksamen Optionsausübung (dazu B. II., Rz. 20.31), – der steuerlichen Behandlung während der Option (dazu B. III., Rz. 20.88) sowie – der wirksamen Rückoption und ihrer steuerlichen Behandlung (dazu B. IV., Rz. 20.132).

20.7 (2) Körperschaftsteueroption nach einer internationalen Umstrukturierung. Der internationalsteuerrechtliche Kontext kann sich auch unter dem Aspekt ergeben, dass eine in- oder ausländische Personengesellschaft an einer internationalen Umstrukturierung als übertragendender, übernehmender oder formwechselnder Rechtsträger bzw. als dessen Gesellschafter beteiligt war und diese im Anschluss an die Umstrukturierung zur Körperschaftsteuer optiert (dazu C., Rz. 20.152, insbesondere zur Verletzung von Sperrfristen durch die Option, die durch die vorherige Umstrukturierung in Gang gesetzt wurden). 1 EuGH v. 16.12.2008 – C-210/06 – Cartesio, Slg. 2008, I-9641. 2 Zur grenzüberschreitenden Outbound-Umwandlung: EuGH v. 16.12.2008 – C-210/06 – Cartesio, Slg. 2008, I-9641 Rz. 111 f.; EuGH v. 25.10.2017 – C-106/16 – Polbud, NJW 2017, 3639, Rz. 41 ff. 3 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436.

1302 | Desens

B. Die Option als Alternative zum Formwechsel | Rz. 20.11 Kap. 20

(3) Optierende Gesellschaft als Rechtsträger einer internationalen Umstrukturierung. Optiert eine Personengesellschaft zur Körperschaftsteuer, stellt sich die Frage, wie sie bei nachfolgenden Umstrukturierungen als übertragender, übernehmender oder formwechselnder Rechtsträger bzw. als dessen Gesellschafter steuerlich zu behandeln ist (dazu D., Rz. 20.162 ff.).

20.8

B. Die Körperschaftsteueroption als Alternative zum heterogenen (typusändernden) Formwechsel im Internationalen Steuerrecht I. Wirksame Ausübung der Option 1. Grundinformationen Wird ein wirksamer Antrag auf Option gestellt, treten die Wirkungen der Option bereits kraft Gesetzes ein,1 wenn die Personenhandels-, Partnerschafts- oder vergleichbare ausländische Gesellschaft die folgenden Anforderungen des persönlichen Anwendungsbereichs erfüllt und nachweist:

20.9

– Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaft (§ 1a Abs. 1 S. 1 Halbs. 1 KStG), – Kein Investmentfonds i.S.d. Investmentsteuergesetzes (§ 1a Abs. 1 S. 6 Nr. 1 KStG) und – Keine Gesellschaft, die nach Ausübung der Option in dem Staat, in dem sich ihre Geschäftsleitung befindet, keiner der deutschen unbeschränkt Körperschaftsteuerpflicht vergleichbaren Steuerpflicht unterliegt (§ 1a Abs. 1 S. 6 Nr. 2 KStG). Die Voraussetzungen für den wirksamen Antrag ergeben sich aus § 1a Abs. 1 S. 1 bis 5 KStG:

20.10

– richtiger Antragsteller: Personen- oder Partnerschaftsgesellschaft (§ 1a Abs. 1 S. 2 Halbs. 1 KStG), – erforderliche Zustimmung der Gesellschafter/Partner (§ 1a Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 KStG), – einzuhaltende Form für den Antrag (§ 1a Abs. 1 S. 2 Halbs. 1 KStG), – einzuhaltende Frist für den Antrag (§ 1a Abs. 1 S. 2 Halbs. 1 KStG) und – richtiges Finanzamt als Antragsadressat (§ 1a Abs. 1 S. 2 Halbs. 1, S. 3 bis 5 KStG). Werden die Anforderungen erfüllt, erteilt das nach § 20 AO zuständige Finanzamt (Rz. 20.131) eine Körperschaftsteuernummer, die zugleich die konkludente Information beinhalten soll, dass die Finanzbehörde nach summarischer Prüfung von einer

1 Jäschke in Lademann, KStG (1/2022), § 1a Rz. 25; Kaminski, Stbg 2021, 436 (437).

Desens | 1303

20.11

Kap. 20 Rz. 20.11 | Option von PersGes zur KSt (§ 1a KStG)

wirksamen Option ausgeht.1 Diese Information ist mangels selbständiger Regelung (Rechtsfolgen treten bereits kraft Gesetzes ein) kein selbständig anfechtbarer Verwaltungsakt i.S.d. § 118 AO. Über die Wirksamkeit der Option wird erst rechtsverbindlich im späteren Körperschaftsteuerbescheid entschieden, was ein zeitweiliges Rechtsunsicherheitsrisiko in sich birgt, dem m.E. mit einer Feststellungsklage (§ 41 Abs. 1 FGO) begegnet werden kann.2 Geht die Finanzbehörde dagegen von einer unwirksamen Option aus, ergeht mit einem Ablehnungsbescheid ein allgemeiner Steuerverwaltungsakt (§§ 118–132 AO).3 Wird dieser nicht (erfolgreich) angefochten, treten die Optionswirkungen selbst dann nicht ein, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorlagen (zwar rechtswidriger, aber wirksamer Ablehnungsbescheid).

20.12 Der wirksam gestellte Antrag ist unwiderruflich (§ 1a Abs. 1 S. 1 Halbs. 1 KStG), auch wenn ein etwaiger Widerruf noch vor Optionsbeginn erfolgt. Eine Rückoption (Rz. 20.132) ist erst für das Folgejahr möglich.4 2. Wirksame Ausübung der Inlandsoption mit Auslandsbezug (Grundkonstellation 1) a) Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaft

20.13 § 1a Abs. 1 S. 1 Halbs. 1 KStG begrenzt den persönlichen Anwendungsbereich strikt anhand zivilrechtlicher Rechtsformen.5 Personenhandelsgesellschaften sind offene Handelsgesellschaften i.S.d. § 105 HGB (OHG), Kommanditgesellschaften i.S.d. § 161 HGB (KG) sowie Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigungen, vgl. § 1 EWIVAG). Sie müssen ein Handelsgewerbe (§ 6 Abs. 1 i.V.m. § 1 HGB) betreiben oder mit ihrer Firma ins Handelsregister eingetragen sein, so dass auch eine vermögensverwaltende Personenhandelsgesellschaft (§ 105 Abs. 2 HGB, § 107 Abs. 1 HGB 2024), optieren kann, die nicht nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 EStG als Mitunternehmerschaft qualifiziert wird (zur Steuerneutralität nach § 21 UmwStG Rz. 20.57).6 Optionsberechtigt ist auch eine zivilrechtliche KG, die durch Etablierung des sog. Treuhandmodells7 steuerlich als Einzelunternehmen qualifiziert wird (zur 1 BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004 (2021/1162290), BStBl. I 2021, 2212 Rz. 21. 2 Die Option begründet ein feststellbares Rechtsverhältnis, für das ein alsbaldiges Feststellungsinteresse besteht. Keine Subsidiarität (§ 41 Abs. 2 FGO), weil die Wirksamkeit der Option zu den mit Rechtsbehelfen nicht selbständig anfechtbaren Besteuerungsgrundlagen des KSt-Bescheides gehört (vgl. § 158 Abs. 2 AO). 3 BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004 (2021/1162290), BStBl. I 2021, 2212 Rz. 22; a.A. Jäschke in Lademann, KStG (1/2022), § 1a Rz. 46. 4 Schiffers/Jacobsen, DStZ 2021, 348 (359); a.A. Bochmann/Bron, NZG 2021, 613 (615). 5 Schiffers/Jacobsen, DStZ 2021, 348 (352); Schiffers, DStZ 2021, 900 (900 ff.). 6 Zutreffend BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004 (2021/1162290), BStBl. I 2021, 2212 Rz. 2; Dorn/Weiss, DStR 2021, 2489 (2490 ff.); Carlé, NWB 2021, 2270 (2271); a.A. Ott, DStZ 2021, 559 (562); HHR/Tiede, § 1a KStG (6/2022) Anm. 22. 7 Einziger Kommanditist Treuhänder der Komplementär-GmbH; dazu BFH v. 1.10.1992 – IV R 130/90, BStBl. II 1993, 751; BFH v. 3.2.2010 – IV R 26/07, BStBl. II 2010, 751; BFH v. 6.6.2019 – IV R 34/16, BFH/NV 2019, 1078.

1304 | Desens

B. Die Option als Alternative zum Formwechsel | Rz. 20.15 Kap. 20

Steuerneutralität Rz. 20.39).1 Eine Partnerschaftsgesellschaft i.S.d. PartGG muss ins Partnerschaftsregister eingetragen sein (§ 7 Abs. 1 PartGG).2 Jedoch muss die Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaft bereits vor Beginn der Option zivilrechtlich existieren,3 was sich – etwas versteckt – daraus ergibt, dass sie selbst den Antrag auf Option spätestens einen Monat vor Optionsbeginn stellen muss (Rz. 20.18). Bereits bei Antragstellung muss daher das Handelsgewerbe betrieben oder die Registereintragung erfolgt sein. Folglich kann eine Gesellschaft weder als optierende Gesellschaft gegründet werden kann noch ist eine Verschmelzung oder Spaltung zur Neugründung auf eine optierende Gesellschaft möglich.4

20.14

Keine Option ist möglich bei Einzelunternehmen, Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR),5 Erbengemeinschaften oder reinen Innengesellschaften wie (atypisch) stille Gesellschaften6 unabhängig davon, ob sie als Mitunternehmerschaften qualifiziert werden.7 Auch atypisch stille Gesellschaften bilden zwar eine ertragsteuerliche Mitunternehmerschaft, betreiben aber kein eigenes Handelsgewerbe (§ 230 Abs. 1 HGB).8 Beteiligt sich der stille Gesellschafter an einer Personenhandelsgesellschaft, ist nur diese optionsberechtigt.9 Die Optionsfähigkeit kam beim Einzelunternehmen durch Einbringung in eine GmbH & Co KG10 und bei einer GbR durch Registereintragung (OHG oder PartGG, Rz. 20.1311 vor Antragstellung (Rz. 20.14) hergestellt werden. Mit Inkrafttreten des MoPeG (2024)12 spricht nichts mehr dagegen, die Option kraft Gesetzesänderung auch für eine eintragungspflichtige Außen-GbR (vgl. § 707a Abs. 2 BGB n.F.) zu öffnen.13

20.15

1 Wacker u.a., DStR-Beihefter 41/2021, 3 (8); Zapf, NWB 2021, 3792 (3793); Müller, NWB 2022, 241 (243 f.); HHR/Tiede, § 1a KStG (6/2022) Anm. 22. 2 BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004 (2021/1162290), BStBl. I 2021, 2212 Rz. 18. 3 Zutreffend BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004 (2021/1162290), BStBl. I 2021, 2212 Rz. 18; Wacker u.a., DStR-Beihefter 41/2021, 3 (9 f.); Blöchle/Dumser, GmbHR 2022, 72 (74); krit. Schiffers, DStZ 2021, 900 (905). 4 Zutreffend BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004 (2021/1162290), BStBl. I 2021, 2212 Rz. 18; Dreßler/Kompolsek, Ubg 2022, 1 (4); Leidel/Conrady, BB 2022, 663 (668); krit. Schiffers, DStZ 2021, 900 (905); Böhmer/Schewe, FR 2022, 69 (71); Schnitger/ Krüger, DB 2022, 418 (422); Wernberger/Wangler, DStR 2022, 1513 (1515 f.): a.A. Kelm/ Rindermann/Hennrichs, WPg 2021, 1166 (1174); Nagel/Schlund, NWB 2021, 1874 (1875). 5 Krit. dagegen Nagel/Schlund, NWB 2021, 1874 (1877); Lauer, Ubg 2021, 548 (550 ff.); Kanzler, FR 2021, 1049 (1053 ff.); Wernberger/Wangler, DStR 2022, 1513 (1513 ff.): Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. 6 BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004 (2021/1162290), BStBl. I 2021, 2212 Rz. 2. 7 Schiffers, DStZ 2021, 900 (900) zur GbR als Besitzunternehmen einer Betriebsaufspaltung. 8 Lauer, Ubg 2021, 548 (553). 9 Brühl/Weiss, DStR 2021, 889 (891); Schiffers, DStZ 2021, 900 (902); Schiffers, DStZ 2022, 52 (53). 10 Carlé, NWB 2021, 2270 (2271). 11 Schiffers/Jacobsen, DStZ 2021, 348 (352); Kelm/Rindermann/Hennrichs, WPg 2021, 1166 (1167); Dreßler/Kompolsek, Ubg 2021, 301 (302); Ott, DStZ 2021, 559 (560). 12 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 13 So auch Schreiber/Müller, NWB 2021, 2740 (2744 ff.).

Desens | 1305

Kap. 20 Rz. 20.16 | Option von PersGes zur KSt (§ 1a KStG)

b) Kein Investmentfonds i.S.d. Investmentsteuergesetzes

20.16 Die Einschränkung hat insofern einen Ausnahmecharakter, weil Personengesellschaften sowieso nur dann als Investmentfonds i.S.d. § 1 Abs. 2 InvStG qualifiziert werden, wenn sie die zusätzlichen Voraussetzungen eines OGAW (§ 1 Abs. 2 KAGB) oder eines Altersvorsorgevermögensfonds (§ 53 InvStG) erfüllen (sonst Ausschluss nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 InvStG).1 Für solche Personengesellschaften gehen die spezielleren InvStG-Regeln vor, insb. die Körperschaftsteuerpflicht nach § 6 Abs. 1 InvStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 5 oder § 2 Nr. 1 KStG. c) Antragsteller und Zustimmung der Gesellschafter

20.17 Der Antrag ist zwar von der Personengesellschaft selbst zu stellen (§ 1a Abs. 1 S. 2 Halbs. 1 KStG), bedarf jedoch eines Zustimmungsbeschlusses der Gesellschafter- oder Partnerversammlung, die den Anforderungen genügen muss, die für eine Zustimmung zu einem zivilrechtlichen Formwechsel gelten (sinngemäße Geltung des § 217 Abs. 1 UmwG nach § 1a Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 KStG). Grundsätzlich müssen daher alle anwesenden Gesellschafter/Partner auf einer Gesellschafter- oder Partnerversammlung der Option zustimmen (§ 217 Abs. 1 S. 1 UmwG), wobei eine Mehrheitsentscheidung (mindestens 75 % der abgegebenen Stimmen) ausreicht, wenn dies im Gesellschafts- oder Partnerschaftsvertrag vorgesehen ist (§ 217 Abs. 1 S. 2 und 3, ggf. i.V.m. § 225c UmwG). Formell dürfte dafür eine allgemeine Klausel, nach der Gesellschafterbeschlüsse generell eine Mehrheit von drei Vierteln bedürfen, soweit weder das Gesetz noch der Gesellschaftsvertrag ausdrücklich eine abweichende Mehrheit vorschreiben, ausreichend sein.2 Dies kann jedoch hinsichtlich der materiellen Legitimation (Minderheitenschutz) zweifelhaft sein.3 Enthält der Gesellschaftsvertrag bisher keine konkrete Klausel für die Option, soll es nach Auffassung der FinVerw. ausreichen, wenn eine Klausel für einen zivilrechtlichen Formwechsel besteht.4 Das ist m.E. zweifelhaft, weil sich die Option gerade für Minderheitengesellschafter nachteilig auswirken kann5 und wegen der Gefahr einer zwangsweisen Rückoption (Rz. 20.133) Steuerrisiken entstehen, die bei einem echten Formwechsel nicht bestehen. Insoweit ist die Option kein bloßes „Minus“, sondern ein „Aliud“ zum echten Formwechsel.6 Die Zustimmung der erforderlichen Anzahl der Gesellschafter muss bereits vor der Antragstellung vorliegen, weil sie im Antrag nachgewiesen werden muss;7 eine nota-

1 Haug, FR 2021, 410 (411). 2 Zapf, BB 2021, 2711 (2717). 3 Ausf. Kelm/Rindermann/Hennrichs, WPg 2021, 1166 (1167 f.); Bochmann/Bron, NZG 2021, 613 (617). 4 BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004 (2021/1162290), BStBl. I 2021, 2212 Rz. 12; krit. Lüdicke/Eiling, BB 2021, 1439 (1440). 5 Ausf. Ertel/Weber, DB 2022, 1657 (1658 ff.). 6 A.A. Wacker u.a., DStR-Beihefter 41/2021, 3 (11). 7 BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004 (2021/1162290), BStBl. I 2021, 2212 Rz. 12; a.A. Leidel/Conrady, BB 2022, 663 (664); Schiffers, DStZ 2021, 900 (903); Böhmer/ Schewe, FR 2022, 69 (70 f.).

1306 | Desens

B. Die Option als Alternative zum Formwechsel | Rz. 20.20 Kap. 20

rielle Beurkundung ist nicht erforderlich.1 Ein Antrag ohne Zustimmungsbeschluss ist m.E. unwirksam, so dass die Wirkungen der Option von vornherein nicht eintreten.2 d) Form und Frist des Antrags Der Antrag ist nach amtlich vorgesehenen Datensatz durch elektronische Datenfernübertragung (vgl. § 87a Abs. 6 und § 87b AO) zu stellen. Eine Ausnahme von der elektronischen Form gilt nur bei unbilliger Härte (§ 1a Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 i.V.m. § 31a Abs. 1a S. 2 KStG, § 158 Abs. 8 AO). Das Vorliegen der persönlichen Anwendungsvoraussetzungen (Rz. 20.9) ist mit dem Antrag nachzuweisen.3 Der Antrag ist spätestens einen Monat vor Beginn des Wirtschaftsjahres zu stellen, ab den die Option wirken soll (§ 1a Abs. 1 S. 2 Halbs. 1 KStG). Bei kalendergleichem Wirtschaftsjahr ist das der 30.11. (Abweichung ggf. wegen § 108 Abs. 3 AO)4. Ein nicht fristgerechter Antrag ist unwirksam und entfaltet auch keine Wirkung für das Folgejahr.5

20.18

e) Richtiges Finanzamt als Antragsadressat Der Antrag ist beim Finanzamt zu stellen, das für die gesonderte und einheitliche Feststellung (§ 179 Abs. 2 S. 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 5 AO) örtlich zuständig ist (§ 1a Abs. 1 S. 2 KStG). Das ist das Finanzamt, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung befindet (Betriebsfinanzamt, § 18 Abs. 1 Nr. 2 AO). Bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften ist es das Finanzamt, in dessen Bezirk die Verwaltung des Vermögens erfolgt (Verwaltungsfinanzamt, § 18 Abs. 1 Nr. 4a AO).

20.19

Eine abweichende Zuständigkeit ergibt sich, wenn bei der Personengesellschaft keine gesonderte und einheitliche Feststellung durchgeführt wird, was der Fall sein kann, wenn nur ein Gesellschafter in Deutschland einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtig ist (§ 180 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AO) oder ausschließlich Inlandseinkünfte erzielt werden, die dem Steuerabzug vom Kapitalertrag oder nach § 50a EStG unterlie-

20.20

1 BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004 (2021/1162290), BStBl. I 2021, 2212 Rz. 12. 2 BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004 (2021/1162290), BStBl. I 2021, 2212 Rz. 12; Brühl/Weiss, DStR 2021, 889 (892); Schiffers/Jacobsen, DStZ 2021, 348 (358); Wacker u.a., DStR-Beihefter 41/2021, 3 (11); Link, DStR 2022, 1599 (1600); Wackerbeck in Brandis/Heuermann, § 1a KStG (10/2021) Rz. 19; Schießl in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht (10/2021), § 1a KStG Rz. 102; Jäschke in Lademann, KStG (1/2022), § 1a Rz. 29, 31; einschränkend Prinz, FR 2023, 1 (2): nur bei „evidenter Rechtswidrigkeit“; a.A. („bloß gesellschaftsrechtliche Begleitregelung“) Kelm/Rindermann/Hennrichs, WPg 2021, 1166 (1169); Schiffers, DStZ 2021, 900 (904); HHR/Tiede, § 1a KStG (6/2022) Anm. 24. 3 BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004 (2021/1162290), BStBl. I 2021, 2212 Rz. 6. 4 Zapf, BB 2021, 2711 (2718) m.w.N.; HHR/Tiede, § 1a KStG (6/2022) Anm. 26: dann 1.12. statt 30.11. 5 BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004 (2021/1162290), BStBl. I 2021, 2212 Rz. 19.

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Kap. 20 Rz. 20.20 | Option von PersGes zur KSt (§ 1a KStG)

gen und als abgegolten gelten (§ 50 Abs. 2 S. 1 EStG, § 32 Abs. 1 KStG). In diesem Fall ist das Finanzamt zuständig, in dessen Bezirk die „Gesellschaft ihren Sitz“ hat (§ 1a Abs. 1 S. 5 KStG, Abweichung von § 1a Abs. 1 S. 3 und 4 KStG). Gemeint ist laut Gesetzesbegründung der Vertragssitz.1 3. Wirksame Ausübung der Auslandsoption mit Inlandsbezug (Grundkonstellation 2) a) Optionsberechtigung einer vergleichbaren ausländischen Gesellschaft

20.21 Bei einer Auslandsoption optiert zwangsläufig keine in Deutschland gegründete Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaft. Jedoch wird zu Recht davon ausgegangen, dass die Option auch für vergleichbare ausländische Gesellschaften eröffnet ist (vgl. § 1a Abs. 1 S. 5, 6 Nr. 2 KStG)2 und zwar unabhängig davon, ob die optierende Gesellschaft dann selbst in Deutschland beschränkt steuerpflichtig ist.3 20.22 Qualifizierter Rechtstypenvergleich. Da nicht alle inländischen Personengesellschaften unter den persönlichen Anwendungsbereich fallen (Rz. 20.13), muss auch der erforderliche Rechtstypenvergleich entsprechend qualifiziert werden. Eine vergleichbare ausländische Gesellschaft muss also nicht bloß mit einer deutschen Personengesellschaft,4 sondern gerade mit einer Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaft vergleichbar sein.5 Der Nachweis (erhöhte Mitwirkungspflichten, § 90 Abs. 2 AO) ist bereits bei Antragstellung zu erbringen. 20.23 Vergleich mit einer deutschen Personenhandelsgesellschaft. Die ausländische Personengesellschaft muss ein „Handelsgewerbe“ betreiben, das die Anforderungen des § 1 Abs. 2 HGB erfüllt.6 Betreibt die ausländische Personengesellschaft kein Handels1 BT-FinAus, BT-Drucks. 19/29843, S. 44: „entsprechend § 20 Abs. 2 AO“ (dort Satzungssitz nach § 11 AO). 2 BT-Drucks. 19/28656, S. 21; BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004 (2021/ 1162290), BStBl. I 2021, 2212 Rz. 3; Grotherr, Ubg 2021, 568 (570); Wacker u.a., DStR-Beihefter 41/2021, 3 (35 f.); Böhmer/Mühlhausen/Oppel, ISR 2021, 388 (389); Kaminski, Stbg 2021, 436 (437); Müller/Lucas/Mack, IWB 2021, 528 (529 ff.); Mayer/Käshammer, NWB 2021, 1300 (1306); HHR/Tiede, § 1a KStG (6/2022) Anm. 21; Jäschke in Lademann, KStG (1/2022), § 1a Rz. 18; a.A. Haase, Ubg 2021, 193 (194 f.); Haase, IWB 2021, 647 (649 f.); Carlé, NWB 2021, 2270 (2271). 3 BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004 (2021/1162290), BStBl. I 2021, 2212 Rz. 4; Böhmer/Schewe, FR 2022, 69 (69); HHR/Tiede, § 1a KStG (6/2022) Anm. 21. 4 Zum Typenvergleich BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA – 22/04, BStBl. I 2004, 411 zur US-LLC mit allgemein gültigen Kriterien; bestätigend BFH v. 20.8.2009 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; jüngst BFH v. 18.5.2021 – I R 12/18, BStBl. II 2021, 875; vgl. bereits RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RStBl. 1930, 444 (sog. Venezuela-Entscheidung). 5 BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001 :004 (2021/1162290), BStBl. I 2021, 2212 Rz. 3 mit Verweis auf BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 – 1978-b/08