Aktuelle Problemfelder im Internationalen Steuerrecht 9783504385125

Fehling/Hummel: Stand und Bewertung des BEPS-Projekts aus Sicht von Verwaltung und Unternehmen Ismer: BEPS und DBA – E

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Aktuelle Problemfelder im Internationalen Steuerrecht
 9783504385125

Table of contents :
Vorwort
Grußwort
Inhaltsverzeichnis
Stand und Bewertung des BEPS-Projekts aus Sicht der Verwaltung
A. Stand des BEPS-Projekts
B. Hintergrund des BEPS-Projekts
C. Fortschritte bei Transparenz, Substanz und Kohärenz
D. Bedeutung für Deutschland
E. Das BEPS-Projekt als Meilenstein für die internationale Steuerpolitik
F. Die Post-BEPS-Agenda
G. BEPS in der EU
H. Fazit
(Stand und) Bewertung des BEPS-Projekts aus Sicht der Unternehmen
A. Status des Projekts
B. Wettbewerbsneutralität
C. Steuersubstrat
D. Fazit und Ausblick
BEPS und DBA – Ein Überblick über die vorgeschlagenen Änderungen des OECD-MA
A. Einleitung
B. Action 2: Schließung von Lücken bei der Abkommensberechtigung durch Art. 1 Abs. 2 OECD-MA (E)
C. Action 6: Verhinderung von Abkommensmissbrauch
D. Action 7: Missbräuchliche Verhinderung von Betriebsstätten
E. Zusammenfassung und Ausblick
F. Anhang: Tabellarischer Überblick über die vorgeschlagenen Änderungen des OECD-MA sowie des Kommentars
Stand und Bewertung des BEPS-Projekts aus Sicht von Verwaltung und Unternehmen
Podiumsdiskussion
Brennpunkte der Besteuerung internationaler Personengesellschaften
A. Ausländische Betriebsstättenverluste – Gründungsaufwand – Symmetriethese – Unionsrecht
B. „Goldfingerfälle“ – ausländische Personengesellschaft – kein Wahlrecht zur Überschussrechnung
C. § 50d Abs. 10 EStG
Brennpunkte der Besteuerung internationaler Personengesellschaften
Podiumsdiskussion
Gelöste und ungelöste Fragen der Entstrickungsbesteuerung
A. Einleitung
B. Mittelbare Entstrickung
C. Streckung der Besteuerung
D. Fazit und Ausblick
Gelöste und ungelöste Fragen der Entstrickungsbesteuerung
Podiumsdiskussion
Anrechnung ausländischer Steuern
A. Ausgangspunkte
B. „Technik“ der Anrechnung
C. Ausgewählte Zweifelsfragen
D. Fazit
Anrechnung ausländischer Steuern
Podiumsdiskussion
Stichwortverzeichnis

Citation preview

Jürgen Lüdicke (Hrsg.) Aktuelle Problemfelder im Internationalen Steuerrecht

Forum der Internationalen Besteuerung

Band 45

Aktuelle Problemfelder im Internationalen Steuerrecht Herausgegeben von

Prof. Dr. Jürgen Lüdicke Rechtsanwalt, Steuerberater International Tax Institute Universität Hamburg mit Beiträgen von

Andreas Benecke, LL.M. Dr. Daniel Fehling, LL.M. (King´s College London)

Roland Hummel, LL.M. Prof. Dr. Roland Ismer, MSc Econ. (LSE) Prof. Dr. Bert Kaminski Dr. Roland Wacker Diskussionsteilnehmer

Prof. Dr. Dietmar Gosch Prof. Dr. Jürgen Lüdicke Dr. Hans Georg Raber und die Beitragsverfasser

2016

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-61545-1 ©2016 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entwurf von: Jan P. Lichtenford Satz: WMTP, Birkenau Druck: Stückle, Ettenheim Printed in Germany

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Vorwort Das durch die von der OECD im Oktober 2015 vorgelegten Abschlussberichte konkretisierte BEPS-Maßnahmenpaket beherrschte naturgemäß einen Teil der Hamburger „Nikolaustagung“. Daneben standen „klassische“ Themen des internationalen Steuerrechts auf dem Programm. Der vorliegende Tagungsband dokumentiert die Referate und Diskussionen der unter dem Generalthema „Aktuelle Problemfelder im Internationalen Steuerrecht“ stehenden 32. Hamburger Tagung zur Internationalen Besteuerung am 4. Dezember 2015 des Interdisziplinären Zentrums für Internationales Finanz- und Steuerwesen (IIFS) der Universität Hamburg. Jaana Karola Kleinschmit von Lengefeld, Vizepräses der Handelskammer Hamburg, weist in ihrem Grußwort auf die Risiken für deutsche Unternehmen aus einer weltweit unterschiedlich strengen Umsetzung der BEPS-Vorschläge der OECD hin. Peter Tschentscher, Finanzsenator der Freien und Hansestadt Hamburg, erläutert die politischen Bestrebungen, den geäußerten Befürchtungen Rechnung zu tragen, aber auch den Verlust von Steuersubstrat durch BEPS-Umsetzungsmaßnahmen zu vermeiden. Daniel Fehling und Roland Hummel diskutieren aus der Sicht von Finanzverwaltung und Unternehmen den mit den Abschlussberichten vom Oktober 2015 erreichten Stand des BEPS-Projektes sowie die zu erwartende weitere Entwicklung. Roland Ismer befasst sich mit den im Rahmen verschiedener BEPS-Aktionspunkte vorgeschlagenen Änderungen des OECD-Musterabkommens. Roland Wacker würdigt ausgewählte Entscheidungen des BFH zum internationalen Steuerrecht unter besonderer Berücksichtigung von Personengesellschaften. Andreas Benecke befasst sich mit gelösten und ungelösten Fragen der Entstrickungsbesteuerung. Bert Kaminski stellt das kürzlich geänderte Regelungsgefüge zur Anrechnung ausländischer Steuern dar und zeigt weiteren Reformbedarf auf.

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Vorwort Prof. Dr. Jürgen Lüdicke

Der vorliegende Tagungsband enthält die Referate sowie die sich daran anschließenden Podiumsdiskussionen zwischen Dietmar Gosch, Hans Georg Raber und den Referenten. Hamburg, im Mai 2016 Prof. Dr. Jürgen Lüdicke

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Grußwort Sehr geehrter Herr Professor Lüdicke, sehr geehrter Herr Senator Tschentscher, meine sehr geehrten Damen und Herren, im Namen der Handelskammer möchte auch ich Sie heute hier sehr herzlich zur 32. Hamburger Tagung zur Internationalen Besteuerung begrüßen. Es ist gut gelebte Tradition – der Herr Professor hat es bereits gesagt –, dass diese hochrangige steuerliche Tagung in unserem Hause stattfindet und auch gern als Nikolaustagung benannt wird, weil sie jeden ersten Freitag im Dezember stattfindet und dieser Tag das eine oder andere Mal auch auf den Nikolaustag fällt. Meine Damen und Herren, ein kluger Mann hat einmal gesagt: „Wo Handel ist, dahin hat der Hamburger Kaufmann schon einmal seinen Fuß gesetzt.“ Das ist nicht übertrieben, sondern entspricht den Tatsachen. Die Hamburger Außenhändler kennen sich in der Welt aus und knüpfen gerade auch in schwierigen Ländern Verbindungen für die deutsche und europäische Industrie. Sie sind Pioniere, die in vielen Ländern als erste vor Ort waren und seither die Verbindungen nicht haben abbrechen lassen. Letzteres setzt, wie wir wissen, gute Rahmenbedingungen für private Unternehmen im Investitionsland voraus. Außenhandel und Hafen sind das Rückgrat der Hamburger Wirtschaft. Unsere Stadt und deren Außenhandel brauchen den freien Welthandel wie der Fisch das Wasser. Lassen Sie uns alle gemeinsam daran arbeiten, den Welthandel weiter zu intensivieren und Handelsschranken abzubauen. Das gilt auch für das Steuerrecht, denn deutsche Unternehmen sind auf eine Präsenz an Standorten in aller Welt angewiesen. Die Kompliziertheit des Steuerrechts und die damit verbundene überbordende Bürokratie macht es aber gerade mittelständischen Unternehmen schwer, mit dem Steuerdickicht zurechtzukommen. Aber die Probleme werden noch größer, wenn Regeln über Grenzen hinweg beachtet werden müssen. Ihr heutiges Programm zeugt davon. Im Zuge der Globalisierung und Digitalisierung nehmen die grenzüberschreitenden Sachverhalte in der Unternehmenspraxis sowohl nach Anzahl und auch an Bedeutung stetig zu. Damit wächst auch die Relevanz des internationalen Steuerrechts, das sich mit den steuerlichen Rah-

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Grußwort Jaana Karola Kleinschmit von Lengefeld

menbedingungen für eine weltweite Unternehmenstätigkeit befasst. Im Februar 2013 hat die OECD erstmals Untersuchungsergebnisse zum Ausmaß und der Funktionsweise von Gewinnverlagerungen veröffentlicht. Besonders im Fokus standen dabei multinationale Konzerne, die der Digital Economy zugeordnet werden. Im Juli 2013 wurde der BEPSAktionsplan im Rahmen des G20-Gipfels in Moskau durch die OECD veröffentlicht, in dem 15 konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung von BEPS vorgeschlagen wurden. Der Plan sollte schrittweise bis Ende diesen Jahres umgesetzt werden. Nach über zwei Jahren intensiver Verhandlungen ist das BEPS-Projekt der OECD jetzt abgeschlossen. Die Staatengemeinschaft hat zu allen 15 Aktionspunkten ihre Empfehlungen ausgesprochen. Die Staats- und Regierungschefs der 20 stärksten Wirtschaftsnationen haben sich auf dem G20-Gipfel am 15. und 16. November dieses Jahres politisch dazu verpflichtet, die Vorschläge in nationales Recht umzusetzen. Lassen Sie mich die Bewertung der Vorschläge aus Sicht der Wirtschaft in einem Satz zusammenfassen: Sie enthalten für deutsche Unternehmen mehr Risiken als Chancen. Es gibt zwar Vorschläge zur internationalen Steuerharmonisierung, etwa in der Zinsschranke, für deutsche Unternehmen bieten diese jedoch kaum einen Vorteil. Vielmehr gehen die deutschen Regelungen im Unternehmenssteuerrecht weiterhin deutlich über die internationalen Standards hinaus. Risiken bestehen beim geplanten Vorstoß, umfangreiche Steuerdaten und betriebswirtschaftliche Daten der Unternehmen zwischen den Finanzverwaltungen auszutauschen. Damit werden das Steuergeheimnis und die Vertraulichkeit von Geschäftsdaten bedroht. Die OECD-Vorschläge enthalten nunmehr eine für Deutschland nachteiligere Steuerverteilung. Kern des Problems ist, dass dieselben Staaten, die nun den Steuerwettbewerb begrenzen wollen, ihn zuvor durch eigene Anreize für die Ansiedlungen von Unternehmen befördert haben. Wichtig ist, das deutsche Steuerrecht darf die hiesigen Unternehmen nicht aus dem Markt katapultieren. Es ist derzeit noch völlig offen, wie stringent die Maßnahmen in den beteiligten Staaten umgesetzt werden. Insbesondere die USA lassen wenig Bereitschaft erkennen, ihre Unternehmen mit zusätzlichen Aufzeichnungs- und Meldepflichten zu belasten. Vor allem die länderspezifischen Berichtspflichten, das Country-by-Country-Reporting, die dem Informationsaustausch vorangehen, schaffen einen erheblichen Mehraufwand, da die Daten nicht auf Knopfdruck zur Verfügung stehen. Im Ergebnis führt ein noch bürokratischeres und strengeres deutsches Au-

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Grußwort Jaana Karola Kleinschmit von Lengefeld

ßensteuerrecht wohl nicht zu den erhofften höheren Einnahmen. Für Deutschland gilt: Das nationale Steuerrecht knüpft schon jetzt ein dichtes Netz, das Gewinne ausreichend besteuert. Keinesfalls darf eine gut gemeinte Initiative am Ende hiesige Unternehmen im internationalen Wettbewerb schwächen. Dann würden hierzulande die Steuereinnahmen sogar sinken. Deutschland ist gut beraten, nicht vorschnell Regelungen ins deutsche Steuerrecht einzubauen, ohne zu wissen, wie die anderen Staaten die Sache angehen. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass dieselben Staaten, die nun den Steuerwettbewerb begrenzen wollen, ihn zuvor durch eigene Anreize für die Ansiedlungen von Unternehmen befördert haben. Ich kann Ihnen, sehr geehrter Professor Lüdicke, sowie Ihren Mitstreitern im International Tax Institute der Universität Hamburg nur dazu gratulieren, dass Sie für die heutige Veranstaltung einen interessanten Themenfächer ausbreiten. Sie haben hierzu auch wirklich renommierte Referenten und Diskussionspartner gewinnen können. Es bleibt mir noch, Ihnen, meine Damen und Herren, einen informativen Tag zu wünschen. Ich möchte Sie ausdrücklich ermuntern, die Gelegenheit zu nutzen, mit den Experten über die vielfältigen Aspekte internationaler Unternehmensbesteuerung zu diskutieren. Ich wünsche Ihnen aufschlussreiche Informationen und wertvolle Erkenntnisse, aber auch gute Begegnungen und Gespräche am Rande des Fachprogramms und viel Vergnügen heute Abend bis in die frühen Morgenstunden morgen. Vielen Dank! Herr Tschentscher, Sie haben das Wort. Jaana Karola Kleinschmit von Lengefeld Vizepräses der Handelskammer Hamburg

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Grußwort Sehr geehrter Herr Professor Lüdicke, sehr geehrte Frau Vizepräses, sehr geehrte Damen und Herren, auch im Namen des Senats herzlich willkommen in Hamburg zur 32. Tagung zur Internationalen Besteuerung. Tagungen wie diese erinnern uns in Hamburg daran, dass es auf internationaler Ebene noch andere Dinge zu regeln gibt als die Frage, wo die olympischen Sommerspiele im Jahr 2024 auszurichten sind. Unsere Bürgerinnen und Bürger haben sich am Wochenende mit knapper Mehrheit entschieden, dass sich der Senat nicht weiter um die olympischen Sommerspiele bemühen soll. Eine knappe Entscheidung, aber auch eine knappe Entscheidung ist eindeutig. Wir bewerten dieses nicht, deuten es nicht um, sondern respektieren es. Bei einem Referendum über eine konsequente Vermeidung von Steuerflucht und aggressiver Steuergestaltung hätten wir vermutlich eine Zustimmung von über 90 %. Auch viele kleine und mittlere Unternehmen wünschen sich keine Wettbewerbsnachteile gegenüber internationalen Konzernen, die steuermindernde Gewinnverlagerungen vornehmen, indem sie gezielt Abweichungen zwischen nationalen Steuersystemen ausnutzen. Die OECD hat hierzu viele Regelungslücken aufgezeigt, die sobald wie möglich geschlossen werden sollen, wie es nicht zuletzt auch die G20-Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfeltreffen in Antalya vor wenigen Wochen festgestellt haben. Bei der Hamburger Olympiabewerbung haben wir rund 700 Teilprojekte identifiziert und geplant. Ähnlich zahlreich sind die Themen und Fragestellungen im Rahmen des Base Erosion and Profit Shifting-Projekts der OECD und der G20-Staaten. Verrechnungspreise und Country-byCountry Reporting, Lizenzschranke und Lizenzbox, Zinsabzugsverbot und hybride Gestaltungen, Entstrickungsbesteuerung und viele andere Themen, über die sich eigentlich nur Fachleute vernünftig unterhalten können und von denen einige sicher auch heute auf dieser Tagung zur Sprache kommen. Dabei hat die Wirtschaft verständlicherweise ein großes Interesse, dass bei der Überarbeitung und Harmonisierung der internationalen Steuerregelungen nicht über das Ziel hinausgeschossen wird und dass es zu keinen Mehrfachbesteuerungen kommt. Das Bundesfinanzministerium und die Finanzminister der Länder sind aber der ge-

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Grußwort Dr. Peter Tschentscher

meinsamen Auffassung, dass die BEPS-Empfehlungen sobald wie möglich in das deutsche Steuerrecht eingearbeitet werden sollten. Sie haben hierzu eine gemeinsame Arbeitsgruppe eingerichtet, um diese doch sehr komplexe Materie vernünftig zu durchdringen. Die Umsetzung in Deutschland sollte, Frau Vizepräses hat schon darauf hingewiesen, möglichst im Gleichklang mit den entsprechenden Maßnahmen anderer Staaten erfolgen, damit sich kein Wettbewerbsnachteil für die deutschen Unternehmen und den deutschen Wirtschaftsstandort ergibt. Aber auch andere Staaten arbeiten bereits an der Umsetzung der BEPSErgebnisse. Unter anderem soll die US-Steuerverwaltung angekündigt haben, noch bis Jahresende einen Entwurf von Regelungen zum Country-by-Country Reporting vorzulegen. Im Zusammenhang mit der Umsetzung von BEPS scheint mir ein Gedanke noch nicht so weit verbreitet zu sein: Es geht nicht nur darum, dass alle Unternehmen ihre Gewinne vollständig versteuern, sondern auch darum, in welchem Land welcher Anteil der Steuern vereinnahmt wird. Viele gehen davon aus, dass das Steueraufkommen in Deutschland mit der Umsetzung der BEPS-Ergebnisse größer wird. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass bei Anwendung bestimmter Grundsätze durchaus auch Steuersubstrat in andere Länder verloren gehen kann. Deshalb werden die Regierungen und Finanzminister aller Staaten darauf achten, nach welchen konkreten Kriterien und Maßstäben das Steueraufkommen internationaler Konzerne zwischen den Ländern künftig verteilt wird. Die Finanzministerinnen und Finanzminister der deutschen Bundesländer haben sich angesichts der Bedeutung der Thematik jedenfalls darauf verständigt, das Bundesfinanzministerium bei der Umsetzung von BEPS in deutsches Recht tatkräftig zu unterstützen. Sachdienliche Hinweise Dritter zu Fallstricken und kritischen Punkten sind herzlich willkommen. Insofern freuen wir uns auf Hinweise und Ergebnisse Ihrer Tagung, und nicht zuletzt deshalb wünsche ich Ihnen einen guten Verlauf dieser 32. Tagung zur Internationalen Besteuerung, mit vielen neuen Erkenntnissen und, vor allem den auswärtigen Gästen, einen schönen Aufenthalt in der Hansestadt Hamburg. Vielen Dank! Dr. Peter Tschentscher Finanzsenator der Freien und Hansestadt Hamburg

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Inhaltsverzeichnis* Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Grußworte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dr. Daniel Fehling, LL.M. (King’s College London) Stand und Bewertung des BEPS-Projekts aus Sicht der Verwaltung

1

A. Stand des BEPS-Projekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

B. Hintergrund des BEPS-Projekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2

C. Fortschritte bei Transparenz, Substanz und Kohärenz . . . . . . . . .

3

D. Bedeutung für Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4

E. Das BEPS-Projekt als Meilenstein für die internationale Steuerpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

F. Die Post-BEPS-Agenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6

G. BEPS in der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

H. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Roland Hummel, LL.M. (Stand und) Bewertung des BEPS-Projekts aus Sicht der Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A. Status des Projekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

B. Wettbewerbsneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Steuersubstrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Prof. Dr. Roland Ismer, MSc Econ. (LSE) BEPS und DBA – Ein Überblick über die vorgeschlagenen Änderungen des OECD-MA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

B. Action 2: Schließung von Lücken bei der Abkommensberechtigung durch Art. 1 Abs. 2 OECD-MA (E) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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* Ausführliche Inhaltsübersichten jeweils zu Beginn der Beiträge.

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Inhaltsverzeichnis

C. Action 6: Verhinderung von Abkommensmissbrauch . . . . . . . . .

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D. Action 7: Missbräuchliche Verhinderung von Betriebsstätten . .

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E. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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F. Anhang: Tabellarischer Überblick über die vorgeschlagenen Änderungen des OECD-MA sowie des Kommentars . . . . . . . . . .

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Prof. Dr. Jürgen Lüdicke (Diskussionsleitung) Stand und Bewertung des BEPS-Projekts aus Sicht von Verwaltung und Unternehmen Podiumsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dr. Roland Wacker Brennpunkte der Besteuerung internationaler Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A. Ausländische Betriebsstättenverluste – Gründungsaufwand – Symmetriethese – Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. „Goldfingerfälle“ – ausländische Personengesellschaft – kein Wahlrecht zur Überschussrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. § 50d Abs. 10 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Prof. Dr. Jürgen Lüdicke (Diskussionsleitung) Brennpunkte der Besteuerung internationaler Personengesellschaften Podiumsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Andreas Benecke Gelöste und ungelöste Fragen der Entstrickungsbesteuerung . . . . . . 129 A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 B. Mittelbare Entstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 C. Streckung der Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 D. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

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Inhaltsverzeichnis

Prof. Dr. Jürgen Lüdicke (Diskussionsleitung) Gelöste und ungelöste Fragen der Entstrickungsbesteuerung Podiumsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Univ.-Prof. Dr. Bert Kaminski Anrechnung ausländischer Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 A. Ausgangspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 B. „Technik“ der Anrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 C. Ausgewählte Zweifelsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Prof. Dr. Jürgen Lüdicke (Diskussionsleitung) Anrechnung ausländischer Steuern Podiumsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

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Stand und Bewertung des BEPS-Projekts aus Sicht der Verwaltung Dr. Daniel Fehling, LL.M. (King’s College London) Oberregierungsrat Bundesministerium der Finanzen, Berlin

A. Stand des BEPS-Projekts . . . .

1

B. Hintergrund des BEPSProjekts . . . . . . . . . . . . . . . . .

2

C. Fortschritte bei Transparenz, Substanz und Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . .

3

D. Bedeutung für Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4

E. Das BEPS-Projekt als Meilenstein für die internationale Steuerpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

F. Die Post-BEPS-Agenda . . . . .

6

G. BEPS in der EU . . . . . . . . . . .

7

H. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A. Stand des BEPS-Projekts Wie ist der Stand des BEPS-Projekts aus Sicht des BMF?1 Bei dieser Frage kann ich mich kurz fassen: Die Arbeiten sind fertig, zu allen 15 BEPSAktionspunkten liegen Empfehlungen vor. Grundlage dafür war der BEPS-Aktionsplan vom Juli 2013 – zwar hat man sich auch schon vorher mit den zugrunde liegenden Problemen beschäftigt, aber mit diesem Aktionsplan wurden die konkreten Arbeitsfelder festgelegt. Im Herbst 2014 wurden fristgerecht die ersten vorläufigen Ergebnisse zu sieben BEPS-Aktionspunkten präsentiert, und jetzt im Oktober 2015 wurden die finalen Empfehlungen zu allen 15 Aktionspunkten vorgelegt. Ausgangspunkt war ein entsprechender Arbeitsauftrag der G20 – also der 19 wirtschaftlich stärksten Nationen der Welt, zuzüglich der EU –

1 Die Vortragsform wurde im Wesentlichen beibehalten. Für weiterführende Hinweise zum Thema s. BDI/Ernst&Young/VDA, OECD/G20-Projekt BEPS, 2015; Piltz, IStR 2015, 529; Fehling, FR 2015, 817; Kreienbaum, IStR 2015, 753.

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Fehling – Stand und Bewertung des BEPS-Projekts aus Sicht der Verwaltung

an die OECD. Die OECD-Staaten haben daraufhin mit den G20-Staaten und auch mit weiteren Schwellen- und Entwicklungsländern intensive Verhandlungen geführt und sich auf konkrete Lösungsansätze verständigt. Anschließend hat die OECD diese Ergebnisse der G20 vorgelegt, die das Gesamtpaket erst auf Ebene der G20-Finanzminister und -Notenbankgouverneure bei ihrem Treffen in Lima am 8. Oktober 2015 und anschließend durch die G20-Staats- und -Regierungschefs bei ihrem Gipfel in Antalya am 15./16. November 2015 gebilligt haben. Dass sich die Staats- und Regierungschefs der G20 mit einem steuerlichen Thema befassen, zeigt die politische Bedeutung und Sichtbarkeit der BEPS-Initiative.

B. Hintergrund des BEPS-Projekts Um die Ergebnisse des BEPS-Projekts zu bewerten, ist es sinnvoll, sich noch einmal die Ausgangslage vor Augen zu führen, die vor ein paar Jahren bestand und die die BEPS-Initative ausgelöst hat. Am Anfang der Arbeiten stand die Feststellung, dass sich international tätige Unternehmen durch gezielte Gestaltungen der Besteuerung fast vollständig entziehen können. Dafür wurden mehrere Ursachen identifiziert. Erstens wurden Defizite bei der steuerlichen Transparenz festgestellt. Die Finanzverwaltungen haben häufig keine ausreichenden Erkenntnisse über die wirtschaftlichen Aktivitäten ausländischer Unternehmen, die bei ihnen tätig sind. Das macht es schwierig, grenzüberschreitende Wertschöpfungsketten richtig zu beurteilen und die zutreffende Besteuerung im Inland festzusetzen. Zweitens haben sich einige internationale Besteuerungsstandards als zu „flexibel“ erwiesen. Einige Regelungen in den Doppelbesteuerungsabkommen und im Bereich der Verrechnungspreise bieten Gestaltungsspielräume, die von den Staaten nicht intendiert waren. Die dritte Ursache besteht in der Inkonsistenz, die sich aus der fehlenden Abgestimmtheit der nationalen Besteuerungsregelungen ergibt. Denn die direkte Besteuerung ist weltweit nicht harmonisiert (nicht einmal in Europa). Dieses unkoordinierte Nebeneinander der Steuerrechtsordnungen führt bei grenzüberschreitenden Geschäftsvorfällen unter Umständen zu Verwerfungen, bis hin zu vollständiger doppelter Nichtbesteuerung. Es kommt hinzu, dass einige Staaten solche Effekte bewusst herbeiführen, um ihre Attraktivität als Wirtschaftsstandort zu erhöhen. Dies erhöht die Möglichkeiten von Unternehmen, durch gezielte Gestaltungen weitreichende Steuervorteile zu erzielen, beträchtlich.

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Fehling – Stand und Bewertung des BEPS-Projekts aus Sicht der Verwaltung

Was hat das BEPS-Projekt angesichts dieser Herausforderungen erreicht? Verbesserungen wurden vor allem in drei Bereichen erzielt: Transparenz, Substanz und Kohärenz. Diesen Oberbegriffen lassen sich alle Empfehlungen zu den einzelnen 15 BEPS-Aktionspunkten zuordnen.

C. Fortschritte bei Transparenz, Substanz und Kohärenz Eine Verbesserung der Transparenz ergibt sich zunächst durch BEPS-Aktionspunkt 13, der einen internationalen Informationsaustausch über die sogenannten Country-by-Country-Reports vorsieht. Diese Berichte enthalten Informationen über bestimmte Kennziffern international tätiger Unternehmen und vermitteln damit wichtige Hintergrundinformationen über die globale Struktur und die Geschäftsmodelle dieser Unternehmen. Dies soll die Finanzverwaltungen in die Lage versetzen, eine Risikobewertung durchzuführen und ggf. gezielte Nachfragen an das Unternehmen zu stellen. Ausdrücklich nicht gestattet ist es, die Korrektur von Verrechnungspreisen allein auf diese Informationen zu stützen, ohne die dafür notwendige Funktionsanalyse durchzuführen. Der Erhöhung von Transparenz dient zudem der Informationsaustausch über Tax Rulings. Der medienwirksame Skandal um die von Luxemburg erteilten Tax Rulings (Luxemburg-Leaks) hat gezeigt, dass einige Staaten Tax Rulings auch dann erteilen, wenn der einzige Zweck der zugrunde liegenden Gestaltung in der Vermeidung von Steuern besteht. Um dem entgegenzuwirken, haben sich OECD und G20 auf einen verpflichtenden Informationsaustausch verständigt. Die daduch geschaffene zwischenstaatliche Transparenz dürfte die Bereitschaft von Staaten, solche Gestaltungen allzu bereitwillig mit Tax Rulings abzusichern, erheblich mindern. Beim Thema Substanz sind zum einen die Verrechnungspreisleitlinien zu nennen. Hier wurden Verbesserungen beschlossen, um die Besteuerung wieder enger an Substanzerfordernisse zu knüpfen, auch wenn dies teilweise zu einer weitergehenden Lösung von den vertraglichen Vereinbarungen der beteiligten Unternehmen führen kann. Ziel ist es, dass sich die Besteuerung stärker daran ausrichtet, wo die wirtschaftliche Betätigung und die sich daraus ergebende Wertschöpfung stattfinden. Auch bei den steuerlichen Präferenzregimes für Lizenzeinkünfte (sogenannte Patentboxen) ergeben sich künftig höhere Substanzanforderungen. Aus deutscher Sicht handelt es sich hierbei um eine besonders wichtige Thematik, weil viele unserer europäischen Nachbarn in

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den letzten Jahren solche Vergünstigungen eingeführt haben. Das deutsche Verhandlungsziel bestand darin, den Umfang der Patentboxen einzuschränken. Dieses Ziel wurde dadurch erreicht, dass sich OECD und G20 auf den sogenannten Nexus-Ansatz geeinigt haben. Dieser besagt, dass eine steuerliche Privilegierung von Lizenzeinkünften grundsätzlich nur noch dann zulässig ist, wenn die zugrunde liegende Forschungsund Entwicklungstätigkeit von dem jeweiligen Unternehmen in dem betreffenden Staat selbst vorgenommen worden ist. Schließlich ergeben sich Verbesserungen bei der Kohärenz, also der internationalen Abstimmung der Besteuerungsregeln. Hier sind zum einen die BEPS-Empfehlungen zur Neutralisierung hybrider Gestaltungen zu nennen. Diese sog. Hybrid Mismatches bewirken eine doppelte Nichtbesteuerung aufgrund abweichender Qualifikation oder Zuordnung durch die beteiligten Staaten. Um das Entstehen solcher „weißen Einkünfte“ künftig zu vermeiden, hat sich die Staatengemeinschaft auf Verknüpfungsregeln geeinigt, die die Besteuerung von der Einordnung durch den jeweils anderen Staat abhängig machen. Zum anderen haben sich OECD und G20 auf Grundsätze für Zinsabzugsgrenzen und Hinzurechnungsbesteuerungssysteme geeinigt. Deutschland besitzt bereits entsprechende Regelungen in § 4h EStG i.V. m. § 8a KStG sowie in §§ 7 ff. AStG. Nun wurden erstmalig auf internationaler Ebene Prinzpien festgelegt, an denen sich Staaten, die solche Regelungen ebenfalls einführen möchten, orientieren können.

D. Bedeutung für Deutschland Was bedeutet das BEPS-Projekt für Deutschland? Aus Sicht des BMF ist BEPS nicht nur ein steuerliches Problem. BEPS-Gestaltungen führen neben entgangenen Steuereinnahmen auch zu Wettbewerbsverzerrungen, zum Nachteil derjenigen Unternehmen, die solche Gestaltungen nicht einsetzen. Dabei ist zu beachten, dass Deutschland schon jetzt über – im internationalen Vergleich – robuste steuerliche Abwehrregelungen verfügt. Aus Sicht des BMF geht es beim BEPS-Projekt also nicht darum, dass die bestehenden deutschen Standards weiter verschärft werden, sondern dass nun auch andere Staaten ihre „Hausaufgaben“ machen, also Steuerschlupflöcher schließen und von schädlichem Steuerwettbewerb absehen. Wenn hierdurch international eine größere Gleichmäßigkeit bei den steuerlichen Regelungen eintritt – ein „level playing field“ –, stärkt dies

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den deutschen Wirtschaftsstandort und die Wettbewerbsfähigkeit der hier ansässigen Unternehmen. Das heißt aber nicht, dass in Deutschland keinerlei Handlungsbedarf bestünde. Vielmehr gibt es auch in Deutschland BEPS-Probleme, etwa im Bereich der hybriden Gestaltungen, gegen die es im deutschen Steuerrecht noch keinen ausreichenden Schutz gibt. Die konkreten Schritte zur Umsetzung von BEPS-Empfehlungen, einschließlich möglicher gesetzgeberischer Maßnahmen, sind Gegenstand von Beratungen in den zuständigen Bund-Länder-Gremien. Jedenfalls sollte Deutschland bei der nationalen Umsetzung mit Augenmaß vorgehen, um übermäßige Belastungen für die hier ansässigen Unternehmen zu vermeiden.

E. Das BEPS-Projekt als Meilenstein für die internationale Steuerpolitik Das BEPS-Projekt ist ein Meilenstein für die internationale Steuerpolitik. Es geht dabei nicht nur um die konkreten einzelnen Ergebnisse zu den 15 Aktionspunkten. Die überragende Bedeutung des BEPS-Projekts besteht auch darin, dass sich eine Vielzahl von Staaten mit unterschiedlichen Interessen und Rechtstraditionen in lediglich zwei Jahren auf gemeinsame Standards geeinigt hat. Dass zu sämtlichen Aktionspunkten ein internationaler Konsens erzielt werden konnte, zeigt, dass die Staatengemeinschaft die notwendige Kompromissbereitschaft aufgebracht hat, um am Ende zu – für alle Staaten akzeptablen – Lösungen zu kommen. Dabei ist es auch gelungen, größere Systembrüche oder -wechsel zu vermeiden. Die bestehenden und bewährten Prinzipien der internationalen Besteuerung wie Fremdvergleichsgrundsatz und Betriebsstättenprinzip wurden nicht relativiert, sondern gestärkt und gegen Fehlentwicklungen geschützt. Diese behutsame Weiterentwicklung bestehender Prinzipien schafft größere Rechtssicherheit als die Einführung völlig neuer Besteuerungsansätze wie beispielsweise einer formelgestützten Gewinnaufteilung. Die Bedeutung des BEPS-Projekts für die internationale Steuerpolitik ergibt sich schließlich aus dem globalen Ansatz, also der Mitwirkung aller OECD- und G20-Staaten sowie einer Vielzahl weiterer Schwellen- und Entwicklungsländer. Dies ist gerade aus deutscher Sicht von großem Wert. Denn es bietet sich die Chance, diese enge Zusammenarbeit fortzusetzen und mit den anderen Staaten noch stärker ins Gespräch über

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steuerliche Standards – auch zur effektiveren Vermeidung der Doppelbesteuerung – zu kommen. Bekanntlich wird die grenzüberschreitende unternehmerische Tätigkeit behindert, wenn die Staaten unterschiedliche Besteuerungsprinzipien anwenden oder in der Praxis von den eigentlich vereinbarten Regeln abweichen. Aus Sicht des BMF stellt der internationale Dialog den besten Weg dar, die Rechtssicherheit bei der Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte zu erhöhen.

F. Die Post-BEPS-Agenda Mit der Vorlage der BEPS-Empfehlungen ist das BEPS-Projekt nicht etwa beendet. Nun stehen weitere Aktivitäten an, die sich aus der sogenannten Post-BEPS-Agenda ergeben. Im Mittelpunkt steht dabei die Schaffung eines „Inclusive Frameworks“ durch die OECD. „Inklusiv“ bedeutet dabei, dass im Grundsatz alle Staaten und Jurisdiktionen teilnehmen dürfen, also nicht nur die Mitglieder von OECD und G20. Voraussetzung für die Teilnahme ist die Bereitschaft, die BEPS-Empfehlungen mitzutragen und sich an den Kosten zu beteiligen. Die primäre Aufgabe des Inclusive Frameworks wird im sogenannten Monitoring bestehen. Damit soll geprüft werden, wie die BEPS-Empfehlungen in den einzelnen Staaten umgesetzt werden. Die Bedeutung dieser Überwachung ergibt sich daraus, dass die BEPS-Empfehlungen nur „soft law“ darstellen, also – im Gegensatz etwa zum EU-Recht – keine rechtliche Verbindlichkeit besitzen. Durch das Monitoring soll festgestellt werden, ob die Staaten ihr politisches Bekenntnis zum BEPSProjekt tatsächlich mit Leben füllen und die Ergebnisse national umsetzen. Einzelheiten zu Umfang und Ablauf des Monitoring-Prozesses werden geklärt, sobald die G20 das Konzept der OECD für das Inclusive Framework gebilligt haben. Daneben wird es technische Folgearbeiten zu BEPS geben. In den knapp zwei Jahren konnten nicht sämtliche Punkte des BEPS-Aktionsplans vollständig abgearbeitet werden, teilweise auch deshalb, weil diese aufeinander aufbauen. Das gilt namentlich für das Multilaterale Instrument (BEPS-Aktionspunkt 15), welches der Umsetzung der DBA-bezogenen BEPS-Empfehlungen dient. Die Verhandlungen über den konkreten Text dieses Abkommens konnten erst beginnen, nachdem die betreffenden Aktionspunkte mit DBA-Bezug abgeschlossen wurden. Eine weitere Frage ist, ob die Staaten neben BEPS-Problemen auch weitere materiell-rechtliche Probleme diskutieren werden. Das ist derzeit

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schwer einschätzbar, weil der Fokus zunächst auf den weiteren Arbeiten zu BEPS liegen wird. Aus Sicht des BMF ist es aber wichtig, dass neben der Bekämpfung der doppelten Nichtbesteuerung auch die weitere Verhinderung der Doppelbesteuerung international angegangen wird. Die Fortsetzung der engen Kooperation der Staatengemeinschaft im Inclusive Framework bietet die Chance, die Erörterungen auch auf diese Aspekte auszuweiten. Schließlich kann das Inclusive Framework für eine Vertiefung der praktischen Kooperation der Finanzverwaltungen genutzt werden. Die Globalisierung der Wirtschaft muss eine engere internationale Abstimmung der Finanzverwaltungen nach sich ziehen. Ein konkreter Ansatz besteht in der Vereinbarung gemeinsamer Betriebsprüfungen (Joint Audits). Erfahrungen hierzu werden gegenwärtig im Rahmen von Pilotprojekten gesammelt.

G. BEPS in der EU Beim Thema „BEPS in der EU“ sind mehrere Aspekte relevant. Zum einen haben die EU-Staaten ihre Unterstützung für das BEPS-Projekt zum Ausdruck gebracht (viele EU-Mitgliedstaaten waren als G20- oder OECD-Staaten auch unmittelbar an den zuständigen Arbeitsgruppen beteiligt); sie haben sich damit politisch zur Umsetzung der BEPS-Empfehlungen verpflichtet. Bei dieser Umsetzung müssen sie sich im Rahmen des europäischen Rechts bewegen. Zudem könnte man eine EU-weit einheitliche Umsetzung erwägen, um insoweit gleiche Wettbewerbsbedingungen in der EU zu schaffen. Die Europäische Kommission prüft dies gegenwärtig; voraussichtlich wird sie zu Beginn des Jahres 2016 den Entwurf einer Anti-BEPS-Richtlinie zur Umsetzung der BEPS-Empfehlungen vorlegen. Ein anderer Aspekt besteht darin, dass das Recht der EU bzw. einiger EUMitgliedstaaten spezifische BEPS-Ursachen schafft. Hier ist insbesondere die Zins- und Lizenzrichtlinie in der Diskussion. Diese Richtlinie verbietet nach herrschender Auffassung die Erhebung von Quellensteuern auf grenzüberschreitende Lizenzzahlungen zwischen verbundenen Unternehmen auch dann, wenn im anderen Staat nur eine niedrige Besteuerung erfolgt. Derzeit beraten die Mitgliedstaaten über eine Änderung der Richtlinie. Ebenfalls dem Kampf gegen die EU-spezifischen BEPS-Ursachen dient eine Reform der Gruppe Verhaltenskodex (Unternehmensbesteuerung).

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Fehling – Stand und Bewertung des BEPS-Projekts aus Sicht der Verwaltung

Diese Gruppe geht gegen schädlichen Steuerwettbewerb in der EU vor. Dies war auch sehr erfolgreich und führte zur Abschaffung einer Reihe schädlicher Regimes. Mittlerweile – nach knapp 20 Jahren – ist aber zu konstatieren, dass die Wirksamkeit dieser Arbeiten gelitten hat. Das BMF strebt daher an, die Gruppe wieder zu stärken, indem die Kriterien für schädlichen Steuerwettbewerb verschärft werden und die Arbeitsweise der Gruppe effektiver ausgestaltet wird. Auch hierüber wird zurzeit von den Mitgliedstaaten beraten. Schließlich sind die „Tax Rulings“ in diesem Zusammenhang erneut anzusprechen. Der Skandal um „Luxemburg-Leaks“ hat dazu geführt, dass die schädlichen Wirkungen bestimmter Tax Rulings eingehend diskutiert wurden. Die Europäische Kommission hat daher im Frühjahr 2015 einen Vorschlag zur Ausweitung der Amtshilferichtlinie unterbreitet, um einen automatischen Informationsaustausch über Tax Rulings einzuführen. Im Oktober 2015 haben die EU-Finanzminister über diesen Vorschlag eine politische Einigung erzielt, und im Dezember 2015 soll die endgültige Beschlussfassung erfolgen.

H. Fazit Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das BEPS-Projekt einen Meilenstein der internationalen Steuerpolitik darstellt, zum einen wegen der konkret erzielten Ergebnisse zur Bekämpfung von BEPS-Problemen, zum anderen wegen der engen weltweiten Kooperation, die es ermöglicht hat, selbst unter hohem Zeitdruck zu tragfähigen Kompromissen zu kommen. Diese internationale Zusammenarbeit gilt es zu pflegen und noch weiter zu intensivieren. Gerade Deutschland mit seiner exportorientierten Wirtschaft profitiert, wenn die grenzüberschreitende Aktivität von Unternehmen zu gleichmäßigen und vorhersehbaren steuerlichen Folgen führt. Wichtig ist, dass die BEPS-Empfehlungen nun von den Staaten umgesetzt werden. Dabei sollte in Deutschland mit Augenmaß vorgegangen werden, um unverhältnismäßige Belastungen für den Wirtschaftsstandort zu vermeiden. Besondere Bedeutung hat die Bekämpfung der europäischen BEPS-Ursachen. Hierzu sind noch intensive Diskussionen der EU-Mitgliedstaaten notwendig. Jedenfalls hat das BEPS-Projekt eine völlig neue Dynamik im Kampf gegen schädlichen Steuerwettbewerb und unerwünschte steuerliche Gestaltungen entfaltet. Die Bilanz fällt aus Sicht der Finanzverwaltung daher – wenig überraschend – positiv aus.

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(Stand und) Bewertung des BEPS-Projekts aus Sicht der Unternehmen Roland Hummel, LL.M. Rechtsanwalt/Steuerberater Siemens AG, München

A. Status des Projekts . . . . . . . .

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B. Wettbewerbsneutralität . . . . I. Problemstellung . . . . . . . . . . II. Wettbewerbssituation gegenüber US-geführten Unternehmensgruppen . . . . . . . . . . . . . III. Wettbewerbsaspekte außerhalb der USA . . . . . . . . . . . . .

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C. Steuersubstrat . . . . . . . . . . . . I. Problemstellung . . . . . . . . . . II. Doppelbesteuerung als Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gegenläufige Maßnahmen: BEPS-Aktionspunkte 14 und 15 . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Fazit und Ausblick . . . . . . . .

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A. Status des Projekts Bei den am 5.10.2015 veröffentlichten 15 Maßnahmen des OECD/G20Aktionsplans1 handelt es sich um eine beeindruckende Welle, die noch lange auslaufen, und die Steuerlandschaft nachhaltig verändern wird. Je nach Perspektive des Betrachters sollte sich ihre hohe Energie hochwillkommen zu einer lange erwünschten Einebnung bislang unzugänglicher Gelände nutzen lassen, oder könnte sie dramatische Verheerungen bewirken. Auch mit einer moderaten Grundhaltung wird man sich ihren Wirkungen als Steuerpraktiker auf absehbare Zeit jedenfalls nicht entziehen können. Bereits im Vorfeld der Veröffentlichungen haben sowohl die federführenden Akteure der OECD und der nationalen Steuerverwaltungen, aber auch die vielfach öffentlich konsultierten Unternehmen und Praktiker2 erhebliche Anstrengungen unternommen, den eingangs für das Projekt

1 OECD, BEPS 2015 Final Reports, http://www.oecd.org/ctp/beps-2015-finalreports.htm (Stand: 24.1.2016). 2 Zu den Konsultationsunterlagen siehe OECD, Previous Requests for Input, http://www.oecd.org/tax/previous-requests-for-input.htm (Stand: 25.1.2016).

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festgelegten, ambitionierten Zeitplan1 einzuhalten, und dabei brauchbare Ergebnisse zu erzielen. Eingehalten wurde jedenfalls der Zeitplan. Einer ersten qualitativen Einordnung der Ergebnisse aus Sicht der Unternehmen sollen die nachfolgenden Ausführungen dienen. Eine Bewertung erfordert neben dem Bewertungsgegenstand einen Bewertungsmaßstab. Im Folgenden soll das Maßnahmenpaket aus Sicht eines deutschen Unternehmens anhand zweier bei Projektbeginn als wesentlich erkennbarer Ziele bewertet werden. In den diversen, generell wortreichen und oft redundanten OECD–Publikationen zum BEPS-Programm stehen die Herstellung gleicher steuerlicher Wettbewerbsbedingungen und die Erhöhung des Ertragssteueraufkommens aus internationalen Unternehmensgruppen im Vordergrund.2

B. Wettbewerbsneutralität I. Problemstellung Selbstverständlich beeinflussen divergierende Steuerrechte die Wettbewerbsbedingungen konkurrierender Unternehmen. Im Grundsatz unterstützen die Unternehmen das ewige Ziel eines wettbewerbsneutralen Steuerrechts. Bei geringerer Betrachtungshöhe rücken allerdings die derzeitigen Realitäten in den Blick, wo sie im weiteren Fortgang der Umsetzung der BEPS-Aktionsmaßnahmen auch tunlichst verbleiben sollten. Tatsächlich sind wir von gleichmäßigen und international harmonisierten Steuerregimes nämlich noch weit entfernt, und es ist trotz der vielfachen Zustimmungen der Ländervertreter zu den BEPS-Abschlussberichten keine ausgemachte Sache, dass sich im weiteren Fortgang der Umsetzung alle Staaten mit gleichem Enthusiasmus und mit konsistenten Regelungen an der Umsetzung des Aktionsplans beteiligen werden. Unternehmen belastet daher die Sorge, dass genau dies nicht gelingen, und dass sich die Wettbewerbssituation durch international asynchrone Umsetzungsakte gegenüber dem Status Quo sogar weiter verschlechtern wird.

1 Vgl. OECD, Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting, v. 19.7.2013, http://www.oecd.org/ctp/BEPSActionPlan.pdf, Annex A (Stand: 25.1.2016). 2 Vgl. OECD, Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting, v. 19.7.2013, http:// www.oecd.org/ctp/BEPSActionPlan.pdf, S. 8; Anmerkungen des Generalsekretärs der OECD Angel Gurría v. 20.7.2013, http://www.oecd.org/tax/closing-thetax-gap.htm (Stand: 25.1.2016).

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II. Wettbewerbssituation gegenüber US-geführten Unternehmensgruppen Ausgangspunkt der BEPS-Diskussion waren insbesondere US-geführte internationale Unternehmensgruppen, die sich bei zwischenzeitlich erhöhtem öffentlichem Interesse vermittels beeindruckend niedriger Steuerquoten oder –zahlungen zu Anfang des Jahres 2013 in die Schlagzeilen gebracht hatten.1 Hieraus konnte schon von Beginn an nur bei undifferenzierter Betrachtung ein Befund allgemein unzureichender Steuerregeln für multinationale Konzerne abgeleitet werden, denn tatsächlich unterscheiden sich die körperschaftsteuerlichen Regelungen der USA von denen der anderen großen Wirtschaftsräume in wesentlichen Punkten. So erfasst das US-Steuerrecht grundsätzlich das Welteinkommen.2 Unter Anwendung eines Anrechnungsverfahrens werden grundsätzlich alle weltweiten Erträge dem international vergleichsweise hohen US-Steuerniveau unterworfen.3 US-geführte Unternehmen verweisen auf den hieraus für sie gegenüber niedriger besteuerten Konkurrenten aus Freistellungsstaaten entstehenden Wettbewerbsnachteil.4 Andererseits erlaubt das US-Steuerrecht durch international unübliche Wahlrechte hinsichtlich des Steuerstatus von Konzerngesellschaften, sowie durch Besonderheiten der Hinzurechnungsbesteuerung5 und des Zeitpunkts der Erfassung ausländischer Erträge (sog. deferrals) steuerlich extreme Optimierungen, auf welche nicht US-geführte Unternehmen als Wettbewerbsvorteil verweisen. Aus Sicht des BEPS-Projekts ist sicherlich vorrangig der letztgenannte Aspekt hervorzuheben. Zu Recht lässt sich nämlich vertreten, dass die bisherige Entscheidung des US-Gesetzgebers zu einem Welteinkom1 Z.B. BBC v. 21.3.2013, http://www.bbc.com/news/magazine-20560359 (Stand: 25.1.2016); praktisch zeitgleich (am 12.3.2013) veröffentlichte die OECD ihr Papier OECD (2013), Addressing Base Erosion and Profit Shifting, Paris, http:// dx.doi.org/10.1787/9789264192744-en (Stand: 9.5.2016). 2 IRC § 11, § 61. 3 Vgl. zu Dividenden IRC § 61 (a) (7), § 301 (c), § 901–909. 4 Instruktiv zu Ansätzen einer US-Steuerreform bzgl. internationaler Einkünfte: Gravelle, Reform of U.S. International Taxation, 2015, https://www.fas.org/ sgp/crs/misc/RL34115.pdf (Stand: 25.1.2016); Keightley/Stupak, U.S. International Corporate Taxation: Basic Concepts and Policy Issues, 2014, https:// www.fas.org/sgp/crs/misc/R41852.pdf (Stand: 25.1.2016). 5 Sog. Subpart F Rules, IRC § 951 ff.

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mensprinzip und zu einem heute vergleichsweise hohen Steuersatz zu keinen Aktivitäten anderer OECD/G20–Staaten veranlasst. Man könnte dies als rein nationale Angelegenheit sehen, die unabhängig von den BEPS-Maßnahmen adressiert werden sollte – oder nicht. Sehr fraglich ist aber, ob diese differenzierte Betrachtung den Weg zu einer Umsetzung der BEPS-Maßnahmen in den USA ebnet. Zweifel ergeben sich insbesondere aus einer im Sommer 2015 öffentlich gewordenen Kontroverse zwischen Vertretern des Kongresses und dem Vertreter des US-Finanzministeriums im BEPS-Projekt, Robert Stack.1 Hieraus musste der Eindruck entstehen, dass der Vertreter seine Beiträge und Voten letztlich ohne beachtliches Mandat der für die nachfolgende nationale Umsetzung zuständigen verfassungsmäßigen Gremien erbrachte. Nun wissen wir zwar, dass das BEPS-Projekt nachfolgend, im Spätsommer, auch mit der Stimme des US-Vertreters Stack verabschiedet wurde. Aus Sicht eines deutschen Unternehmens verbleibt aber die Sorge, dass Maßnahmen des BEPS-Programms bei unglücklicher zeitlicher Abfolge zwar in Deutschland, aber nicht korrespondierend in den USA umgesetzt werden könnten. Das Ziel einer verbesserten Wettbewerbsneutralität würde dann verfehlt. Daraus folgt das Petitum, etwaige nationale Umsetzungsschritte generell mit Blick auf eine synchrone Umsetzung auch in den USA zu planen.

III. Wettbewerbsaspekte außerhalb der USA Nationale Umsetzungsakte können die Wettbewerbslage der Unternehmen auch außerhalb der USA nachteilig verändern, insbesondere wenn sie einseitig asynchron erfolgen. Verzerrungen können sich hier temporär über einen gewissen Zeitraum bei international divergierenden Umsetzungsgeschwindigkeiten ergeben, oder final bei dauerhaft inhaltlich unterschiedlichen Maßnahmen. Die Forderung an die deutsche Legislative, bei künftigen Umsetzungsakten auf größtmögliche Synchronität zu achten, formuliert sich insoweit von selbst. Abschließend sind in diesem Zusammenhang auch solche Maßnahmen zu nennen, bei denen Fisci, zwar motiviert durch BEPS, aber außerhalb des definierten Aktionsrahmens, selbständig unilaterale Maßnahmen entwickeln und umsetzen. Dies gilt insbesondere für teleologisch als Missbrauchsregeln ausgestaltete Regime oder entsprechend zielgerichtete Verwaltungspraktiken. 1 Piltz, IStR 2015, 529.

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C. Steuersubstrat I. Problemstellung Das Ziel des BEPS-Projekts, das Aufkommen der Einkommensteuer aus internationalen Konzernen zu erhöhen, besteht m.E. aus zwei Unterzielen: Erhöhung der Gesamtsteuerbelastung der Konzerne, insbesondere durch Vermeidung von Nichtbesteuerung, und Erhöhung des Einkommensteueranteils bei den Staatseinnahmen gerade in Entwicklungsländern. Es erscheint naheliegend, dass mit Umsetzung der BEPS-Empfehlungen das erste dieser Unterziele erreicht werden wird. Ob dies auch für das zweite Unterziel gilt, lässt sich dagegen nicht ohne weitere Annahmen diskutieren, und soll im Weiteren nicht weiterverfolgt werden.

II. Doppelbesteuerung als Risiko Naheliegend (und aus Unternehmenssicht sehr kritisch) erscheint es auch, dass das Steuersubstrat nicht lediglich durch Beseitigung einer bisherigen Nichtbesteuerung, sondern durch vielfältige Doppelbesteuerungen erhöht werden wird. Hierfür spricht, dass in vielen Fällen der BEPSAktionspunkte neue Ansätze und Instrumentarien empfohlen werden, die an Stelle etablierter bisheriger Regelungen treten sollen. Juristische, formale Kriterien werden hierbei flächendeckend weiter durch wirtschaftliche Kriterien zurückgedrängt, und innerhalb jener werden bislang unbekannte Konzepte und Begriffe eingeführt. Es liegt auf der Hand, dass unter den Staaten divergierende Umsetzungsakte oder Interpretationen der Empfehlungen zu Doppelbesteuerungen führen werden. Als besonders kritische Fälle kann auf die vielfältigen geplanten Modifikationen bei den Betriebsstättenregelungen (BEPS-Aktionspunkt 7)1 und der Bestimmung sowie Zuordnung von IP (BEPS-Aktionspunkte 8-10)2 hingewiesen werden. Ein Sonderproblem besteht in drohenden Entstrickungsfolgen bei der Erstanwendung der neuen Regimes, wenn sich etwa, ohne 1 OECD (2015), Preventing the Artificial Avoidance of Permanent Establishment Status, Action 7 – 2015 Final Reports, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, Paris, insb. S. 15 ff. (Rz. 9), S. 29 ff. (Rz. 13), S. 39 ff. (Rz. 15), S. 42 ff. (Rz. 17). 2 OECD (2015), Aligning Transfer Pricing Outcomes with Value Creation, Actions 8-10 – 2015 Final Reports, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, Paris, S. 73 ff, insb. Rz. 6.32, 6.35 ff.

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Änderungen des Sachverhaltes, die Zuordnung von IP ändert, oder wenn erstmals Betriebsstätten angenommen werden; hier wird man an sachgerechten Übergangsregelungen arbeiten müssen. Neben Änderungen des materiellen Rechts werden auch erweiterte Informations- und Handlungsmöglichkeiten der Finanzverwaltungen zusätzliche Risiken von Doppelbesteuerungen mit sich bringen. So ist zu erwarten, dass auch das Country-by-Country Reporting im Interesse des Steuermehraufkommens genutzt werden wird.1 Unternehmen müssen sich allein durch diese Veranlassung auf stark erweiterte Prüfungshandlungen und Anfragen durch unterschiedliche Interessenträger einrichten. Wenngleich der Abschlussbericht auf eine strikte Vertraulichkeit der ausgetauschten Informationen Wert legt2, wird man allein durch den standardmäßig versorgten, international ausgeweiteten Adressatenkreis ein erhöhtes Veröffentlichungsrisiko bisher geschützter Informationen sehen, und letztlich mit einer Diskussion auch durch die Öffentlichkeit gerechnet werden müssen. Durch massiven zusätzlichen Aufwand für die entsprechende Dokumentation müssen die Unternehmen selbst den Adressaten die Basis zur Verfügung stellen für vielfältige Auswertungsmöglichkeiten und hieraus resultierende Nachfragen, welche wiederum mit zusätzlichem Aufwand geklärt werden müssen. Am Ende werden gerade im Bereich der Verrechnungspreise, in denen eindeutig richtige und damit zwingend zu akzeptierende Ergebnisse oft nicht vorliegen, vermehrt Ergebniskorrekturen erfolgen. Nur als kleiner Exkurs sei folgender Lichtblick erlaubt: der enorme, durch BEPS-Aktionspunkt 13 (CbC Reporting) verursachte, zusätzliche Aufwand könnte möglicherweise gegenläufig zu den skizzierten zusätzlichen Belastungen innerhalb der EU die Entwicklung der GKKB befeuern. Immerhin wird dort die Einsparung der milliardenschweren Kosten für steuerliche Berichtspflichten einschließlich der Verrechnungspreisdokumentationen als erstrebenswert anerkannt.3 1 Vgl. OECD (2015), Transfer Pricing Documentation and Country-by-Country Reporting, Action 13 – 2015 Final Reports, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, Paris, S. 9 a.E.; Rz. 25 (S. 16) schließt mit Blick auf das CbCReporting auch nur eine Anpassung des Einkommens durch eine formelhafte Aufteilung aus, selbstverständlich aber nicht solche auf anderer Basis. 2 OECD (2015), Transfer Pricing Documentation and Country-by-Country Reporting, Action 13 – 2015 Final Reports, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, Paris, S. 19 f., Rz. 44 f. 3 Siehe Presserklärung IP /11/319 der EU Kommission v. 16.3.2011, http://europa. eu/rapid/press-release_IP-11-319_en.htm (Stand: 25.1.2016).

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Doch zurück zu BEPS: auch die das BEPS-Aktionsprogramm vielerorts begleitende Moraldebatte und ein verbreitetes „Blame-Game“ gegenüber internationalen Konzernen hat der Atmosphäre in Steuerprüfungen schon in der jüngeren Vergangenheit nicht gedient, selbst wenn im konkreten Fall keine Anzeichen für Gewinnverschiebungen vorlagen. Diese Tendenz muss im Interesse der Sachlichkeit wieder neutralisiert werden. Bedenklich ist auch die Entwicklung, wonach unter dem Deckmantel der BEPS-Aktionspunkte unilateral, und damit international unabgestimmt, damit also richtigerweise als Pseudo-BEPS zu nennende Maßnahmen ergriffen werden. Hier sind beispielsweise die in 2015 in Großbritannien und Australien eingeführten sog. Diverted Profits Taxes zu nennen, welche, soweit ersichtlich, dem Finanzbeamten einen weitreichenden Beurteilungsspielraum bei der Ermittlung angemessener Einkünfte einräumen, ohne aber hierfür einen transparenten Rahmen zu definieren. Ein anderes Beispiel besteht im Entwurf zu Art. XX des UN-Musterabkommens zu technischen Dienstleistungen, welcher sich auf die Stoßrichtung und angebliche Lücken des BEPS-Programms beruft.1 Klar ist hier nur das erhöhte Risiko einer Doppelbesteuerung. Aus deutscher Sicht gilt cum grano salis die Vermutung, dass BEPS nicht zu umfangreichen Änderungen führen sollte, da in die Aktionspunkte viele deutsche Regelungen übernommen wurden2; gleichwohl sind als besonders relevante Aktionspunkte anzusprechen: BEPS-Aktionspunkt 2 – Neutralising the Effects of Hybrid Mismatch Arrangements: Hybride Finanzinstrumente und Gesellschaften erscheinen den Fisci problematisch, wenn einem steuerlichen Abzug auf Seiten des Empfängers kein korrespondierender Ertrag entspricht, oder wenn es zu einem doppelten Abzug für steuerliche Zwecke kommt. Diesen Bedenken sollen nach dem Aktionsprogramm insbesondere Verknüpfungsregelungen („Linking Rules“) begegnen, welche die Steuerwirkungen unter den beteiligten Parteien gegenläufig korrespondierend ausgleichen sollen. Für den Bereich der Dividendenbesteuerung wurde eine solche Korrespondenz schon durch das JStG 2007 in § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG verankert3; 1 Vgl. Committee of Experts on International Cooperation in Tax Matters, Genf, 27–31.10.2014, http://www.un.org/esa/ffd/tax/tenthsession/CRP8_Technical Services.pdf, Rz. 14 (Stand 25.1.2016). 2 Ebenso z.B. Elicker in Blümich Vor § 1 AStG Rz. 3. 3 JStG 2007 v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878; zur zeitl. Anwendung s. § 34 Abs. 7 Satz 12 KStG; vgl. Lüdicke in Kohl/Kübler/Ott/Schmidt, GS für W. Rainer Walz, Zwischen Markt und Staat, Köln, 2008, 401 ff.

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zwischenzeitlich wurde auch Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der EU Mutter-Tochter-Richtlinie entsprechend angepasst.1 Weitergehend hatte der Bundesrat im Jahre 2015 in Form eines § 4 Abs. 5a EStG eine erweiterte Korrespondenzregelung vorgeschlagen2, wonach ein steuerlicher Abzug von Aufwendungen generell daran geknüpft sein sollte, dass der korrespondierende Ertrag in die Bemessungsgrundlage des Empfängers eingegangen ist. Dieser – in seiner Form und wegen der Einbeziehung von Drittfinanzierungen als überschießend zu kritisierende3 – Regelungsvorschlag wurde letztlich nicht in das Zollkodexanpassungsgesetz übernommen, um zunächst die Aktionspunkte des BEPS- Programms abzuwarten. Fraglich ist derzeit, ob diese Idee nun nochmals aufgegriffen werden wird. Für diesen Fall darf man wohl davon ausgehen, dass bei etwaigen Vorschlägen die zwischenzeitlich artikulierte Kritik der Öffentlichkeit berücksichtigt wird. BEPS-Aktionspunkt 3 – Designing Effective Controlled Foreign Company Rules: Die OECD empfiehlt die Einführung von Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung, und gibt hierfür empfehlungsweise diverse Strukturprinzipien zu bedenken. Harte Mindeststandards werden hierfür nicht formuliert. Dies ist ein sehr kritischer Befund, wenn man sich noch einmal die Bedeutung gerade dieses Regelungsbereichs für das Ziel der Wettbewerbsneutralität im Allgemeinen, und spezifisch im transatlantischen Kontext vor Augen führt. Wünschenswert wäre es aus Sicht der deutschen Unternehmen, wenn im Zuge etwaiger Maßnahmen des deutschen Gesetzgebers zu BEPS-Aktionspunkt 3 auch – längst fällige – Anpassungen am deutschen AStG vorgenommen würden. Hier wären insbesondere der überkommene Aktivitätskatalog des § 8 AStG und der „Niedrigsteuersatz“ von 25% zu nennen. Der Abschlussbericht empfiehlt schließlich, den Niedrigsteuersatz wesentlich unterhalb des regulären Steuersatzes anzusetzen. Zur Klarstellung der Gesamtsteuerbelastung aus Einkünften einer Zwischengesellschaft sollte auch das zuletzt unsicher gewordene Verhältnis des AStG zum GewStG4 geregelt werden. 1 RL 2014/86/EU v. 8.7.2014, ABl. L 219/40 v. 25.7.2014. 2 BR-Drucks.432/14 v. 7.11.2014, S. 12. 3 Vgl. bspw. die Eingabe des IdW zum ZollkodexAnpG v. 17.11.2014, https://www. bundestag.de/blob/341744/16fd38a9dcc4ac00c984fb48e6649625/13—idw-data. pdf (Stand: 9.5.2016). 4 BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BStBl. II 2015, 1049; hierzu gleichlautende Nichtanwendungserlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 14.12.2015, BStBl. I, 1090.

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BEPS-Aktionspunkt 5 – Countering Harmful Tax Practices More Effectively, Taking into Account Transparency and Substance: Neben wettbewerbsrelevanten steuerlichen Anreizen, insbesondere durch Sonderregimes für Forschung und Entwicklung, welche man bekanntlich nur außerhalb Deutschlands finden kann, hatte die OECD hierbei die Praxis zur Erteilung sog. Rulings im Blick. Darunter werden im weitesten Sinne verbindliche Auskünfte verstanden, APAs und sonstige Vorabbescheide zu steuerlichen Sachverhalten.1 In Gestalt eines verbindlichen Rahmens wurde hierzu vereinbart, dass sich die Staaten gegenseitig umfassend und nicht nur anlassbezogen informieren. Die hieraus resultierenden Auswirkungen auf ein Vertrauensverhältnis zwischen lokaler Steuerbehörde und Steuerpflichtigen sind gewollt. Aus Sicht der Unternehmen sind zwei Forderungen zu erheben: wir benötigen eine klare Definition der austauschrelevanten Rulings, und der konkrete Austausch selbst muss den betroffenen Steuerpflichtigen seitens der Verwaltung offengelegt werden. Die weitere Entwicklung in diesem Bereich wird wohl auch durch Aktivitäten seitens der EU geprägt werden. Nach einer Einigung des Ministerrats für Wirtschaft und Finanzen werden deutsche Rulings wohl ab 1.1.2017 (auch) auf europarechtlicher Basis ausgetauscht werden. BEPS-Aktionspunkt 7 – Preventing the Artificial Avoidance of Permanent Establishment Status: Hiernach soll der Betriebsstättenbegriff im Bereich des Vertriebs stark ausgeweitet werden. Kommissionäre sollen künftig ebenso schnell zu Betriebsstätten führen, wie die Vertretung durch nahestehende Personen. Unter mehreren Konzerngesellschaften aufgeteilte Tätigkeiten sollen künftig im Rahmen einer Gesamtschau zur schnelleren Annahme einer Betriebsstätte führen, ebenso wie im Bereich der Bau- und Montagebetriebsstätten die Zusammenrechnung fragmentierter Vertragsteile. Die Unternehmen müssen demzufolge ihre bisherigen Vertriebs- und Vertragsstrukturen überprüfen, um zumindest die nach neuem Recht entstehenden formellen steuerlichen Verpflichtungen zu erkennen; die Vermeidung von Betriebsstätten samt resultierender Doppelbesteuerung wird sich dagegen oft nicht mehr erreichen lassen. Viel Zeit wird der deutsche Gesetzgeber den Unternehmen hierfür offenbar nicht einräumen. Bereits sechs Wochen nach Veröffentlichung des Aktionspunktes 1 Vgl. OECD (2015), Countering Harmful Tax Practices More Effectively, Taking into Account Transparency and Substance, Action 5 – 2015 Final Report, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, Paris, S. 47, Rz. 95 ff.

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7 wurden dessen wesentliche Komponenten in die Betriebsstättendefinition des Art. 5 Abs. 5 bis 10 des neuen DBA-Australien 20151 aufgenommen. BEPS-Aktionspunkt 8–10 – Aligning Transfer Pricing Outcomes with Value Creation: Im Bereich der Verrechnungspreisregelungen soll die tatsächliche Wertschöpfung künftig als wesentlicher Anknüpfungspunkt und Beurteilungsmaßstab in den Vordergrund treten; demgegenüber treten formale Anknüpfungspunkte, wie etwa zivilrechtliche Vereinbarungen oder Registrierungen, in den Hintergrund. Wie das im Einzelfall anzuwenden ist, und welche Folgen sich nach Auffassung der Fisci hieraus ergeben, kann in diesem Beitrag nicht einmal angerissen werden. Hingewiesen sei nur auf zwei wesentliche Aspekte. Die weitere Abwendung von formalen Kriterien erhöht ganz offensichtlich die Wahrscheinlichkeit divergierender Einschätzungen der beteiligten Fisci und damit einer Doppelbesteuerung gegenüber den Unternehmen. Zweitens wird der Übergang vom Status Quo in das neue Regime seitens der Gesetzgeber sorgfältig zu planen sein, insbesondere mit Blick auf resultierende Entstrickungssachverhalte. In Deutschland darf man hier gespannt auf die für 2016 geplante Fremdvergleichsverordnung warten.

III. Gegenläufige Maßnahmen: BEPS-Aktionspunkte 14 und 15 Angesichts der vielfältigen Neuerungen aus dem BEPS-Aktionsplan, und der aus jenen erwartbar resultierenden Doppelbesteuerungen, müssen die Unternehmen große Hoffnungen in geplante Maßnahmen zur Verbesserung der Verständigungs- und Schiedsverfahren und zur Harmonisierung durch ein multilaterales Instrument setzen. Aus diesen Aktionspunkten muss das ausgleichende Gegengewicht zu den zusätzlichen Belastungen durch die anderen Aktionspunkte kommen. Es handelt sich aus Sicht der Unternehmen um einen zentralen Regelungsbereich des BEPS-Programms. BEPS-Aktionspunkt 14 – Making Dispute Resolution Mechanisms More Effective: Verständigungs- und Schiedsverfahren 1 DBA-Australien v. 12.11.2015; http://www.bundesfinanzministerium.de/ Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Internationales_Steuerrecht/ Staatenbezogene_Informationen/Laender_A_Z/Australien/2015-11-12-AustralienAbkommen-DBA.html (Stand: 25.1.2016).

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Der OECD–Bericht macht Vorschläge für eine verbesserte Zusammenarbeit der Finanzverwaltungen im Interesse einer Vermeidung oder zeitgerechten Erledigung von abkommensbezogenen Konflikten. Den Steuerpflichtigen soll der Zugang zu Verständigungsverfahren erleichtert werden. Zwanzig Staaten, darunter auch Deutschland, aber nicht China und Indien, haben sich bereit erklärt, für Abkommenskonflikte auch eine verpflichtende Schiedsgerichtsbarkeit zu akzeptieren. Das geht aus Unternehmenssicht in die richtige Richtung. Wichtig ist aber, dass diese Möglichkeiten tatsächlich auch zur Verfügung stehen, sobald die übrigen Teile des BEPS–Programms umgesetzt werden. Umgekehrt sollte die Umsetzung der materiellen BEPS-Aktionspunkte, insbesondere auch durch den deutschen Gesetzgeber, konditional und zeitlich an Verbesserungen im Bereich der Konfliktbeilegungsverfahren geknüpft werden. Bedenklich sind insoweit bereits dem Grunde nach Maßnahmen, beispielsweise im Bereich der Betriebsstättendefinition, der Verrechnungspreise oder des Country-by-Country Reporting, im Verhältnis zu solchen Staaten, die sich nicht zu verpflichtenden Schiedsverfahren durchringen können. Aber auch im Übrigen sind noch wesentliche Aufgaben zu erledigen, um Anspruch und Wirklichkeit in Übereinstimmung zu bringen. Hier ist zunächst an die personelle Ausstattung des BZSt zu denken. Über die vergangenen Jahre haben wir einen kontinuierlich zunehmenden Bearbeitungsrückstand im Bereich der Verständigungsverfahren verzeichnen müssen. Da die hieraus erkennbare Überlastung BEPS-induziert in Zukunft noch zunehmen wird, ist ein Kapazitätsaufbau entsprechender Planstellen dringend angezeigt. Daneben sind auch noch viele verfahrensbezogene Fragen zu klären. Der Teufel liegt oft im Detail, und man darf gespannt sein, ob und wie die Staaten sich hierzu verständigen werden. Werden etwa steuerliche Nebenleistungen in die Verfahren einbezogen werden? Können Mehrstaatenfälle einheitlich gelöst werden (etwa durch Streitverkündung)? Vor allem das Schiedsverfahren berührt die nationale Souveränität der betroffenen Staaten. Wie soll es konkret ausgestaltet werden (Baseball Arbitration, Zwangssplit etc.)? Wie wird das Schiedsgericht besetzt? Welche zeitlichen Vorgaben sollen hier gelten? Die Verhandlung dieser Punkte in bi- oder multilateralen Verträgen wird wohl einige Zeit in Anspruch nehmen. Umso wichtiger ist es, die Umsetzung der materiellen BEPS-Aktionspunkte zeitlich abgestimmt anzugehen.

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BEPS-Aktionspunkt 15 - Developing a Multilateral Instrument to Modify Bilateral Tax Treaties: Multilaterales Instrument Durch ein multilaterales Instrument soll das BEPS-Aktionsprogramm zeitlich beschleunigt in das bestehende bilaterale DBA-Netz integriert werden. Statt jene weltweit über 3.000 DBA im Wege individueller Revisionsverhandlungen an die BEPS-Vorgaben anzupassen, sollen jene umgekehrt uno actu in die DBA einwirken. Eine entsprechende Ad-Hoc Arbeitsgruppe der OECD/G20 hat in diesem Sinne im November die Arbeit aufgenommen und möchte diese bis Ende 2016 abschließen. Es handelt sich um ein Novum jedenfalls in der Geschichte des DBARechts, möglicherweise sogar um ein absolutes Novum.1 Während das Ziel verständlich ist, gilt dasselbe leider weder für die Rechtstechnik noch für vielfältige Folgefragen dieses Vorhabens. Hier ist rechtswissenschaftlich und praktisch noch vieles ungeklärt, und es scheint, als müsse sich während der kommenden zwölf Monate eine beispiellose Dynamik von wissenschaftlicher Grundlegung und simultaner Verwertung durch die Arbeitsgruppe entfalten, wenn jene planmäßig brauchbare Ergebnisse abliefern soll. Hier ist Skepsis nicht verboten. Selbst bei optimistischer Grundhaltung bezüglich dieser Herausforderungen muss man schon heute konzedieren, dass eine flächendeckende Harmonisierung durch dieses Instrument nicht erreicht werden wird. Nach der Vorstellung der OECD ist die Teilnahme der Staaten an diesem Instrument freiwillig, und selbst bei Teilnahme sollen sie die Möglichkeit bekommen, aus einem Menü von DBA-Klauseln auszuwählen, um sie ihren DBA zugrunde zu legen.

D. Fazit und Ausblick BEPS ist zweifellos ein Meilenstein in der internationalen Steuerpolitik. Die nun kommenden Umsetzungsschritte werden ebenso wichtig sein wie die bisherigen Vorarbeiten durch die OECD. Die Unternehmen stehen weiterhin bereit, hier zu begleiten. Ob das Ziel verbesserter Wettbewerbsneutralität erreicht werden kann, scheint insbesondere angesichts der Situation in den USA unsicher. Der deutsche Fiskus darf diesen Aspekt bei Entwicklung und Geschwindigkeit deutscher Maßnahmen nicht ignorieren.

1 Vgl. Reimer, IStR 2015, 1 ff.

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Aus dem BEPS-Aktionspunkte-Kanon heraus ergibt sich ein Risiko erheblicher Doppelbesteuerung. Ob der prozedurale Ausgleich durch die BEPS-Aktionspunkte 14 und 15 gewährleistet werden kann, ist höchst zweifelhaft. Wichtig ist, dass bei der Umsetzung diese Aspekte im Sinne einer gesamtheitlichen Strategie beachtet werden.

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BEPS und DBA – Ein Überblick über die vorgeschlagenen Änderungen des OECD-MA Prof. Dr. Roland Ismer, MSc Econ. (LSE)1 Lehrstuhl für Steuerrecht und Öffentliches Recht Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU)

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . B. Action 2: Schließung von Lücken bei der Abkommensberechtigung durch Art. 1 Abs. 2 OECD-MA (E). . . . . . . C. Action 6: Verhinderung von Abkommensmissbrauch . . . . I. Limitation on Benefits (LOB)-Klausel. . . . . . . . . . . . . II. Principal Purpose Test (PPT). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Mindesthaltefrist für Schachtelprivileg in Art. 10 Abs. 2 Buchst. a) OECDMA (E) . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Erweiterung von Art. 13 Abs. 4 OECD-MA . . . . . . . . . V. Reines Verständigungsverfahren als Tie-breaker bei Art. 4 Abs. 3 OECDMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Diskussionsentwurf zu einer Norm zur Verhinderung von Missbrauch durch Drittstaatenbetriebsstätten. . . . . . . . . . . . . .

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VII. Art. 1 Abs. 3 OECD-MA (E): Grundsätzlich keine Beschränkung der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat . VIII. Art. 23A und 23B Abs. 1 OECD-MA: Grundsätzlich keine Beschränkung der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat . . . . . . . . . . . . . IX. Vorschlag einer neuen Norm über Vorzugsbesteuerungsregimes . . . . . . . . D. Action 7: Missbräuchliche Verhinderung von Betriebsstätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Künstliche Umgehung einer Betriebsstätte durch Kommissionärsstrukturen und ähnliche Strategien (Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA) . . . . . . . . . II. Künstliche Umgehung einer Betriebsstätte durch den Ausnahmekatalog des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA. . . . III. Keine Neuregelung für andere Vermeidungsstrategien i.R.d. Art. 5 Abs. 3 OECDMA („splitting-up of contracts“). . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1 Prof. Dr. Roland Ismer dankt seinem wissenschaftlichen Assistenten Christoph Gradl für wertvolle Hilfe bei der Recherche und beim Erstellen der Tabelle im Anhang.

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Ismer – BEPS und DBA: Die vorgeschlagenen Änderungen des OECD-MA E. Zusammenfassung und Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . .

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F. Anhang: Tabellarischer Überblick über die vorgeschlagenen Änderungen des OECD-MA sowie des Kommentars . . . . . 52

A. Einleitung In den letzten Jahrzehnten hat sich die Wirtschaft in raschem Tempo globalisiert. Zugleich wurden verstärkt europäische und globale Steuerplanungsstrukturen erfolgreich zur Senkung der Steuerlasten eingesetzt. In den Augen der Öffentlichkeit haben allerdings einige global mobile Steuerpflichtige allzu erfolgreich gestaltet. Diese Beispiele haben die Arbeiten der OECD in Sachen Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) angestoßen. Seit Oktober 2015 liegen die Abschlussberichte vor.1 Zu den 15 Aktionspunkten (Actions) sind als Ergebnis 13 umfangreiche Abschlussberichte erstellt worden. Die Arbeiten bringen eine Zusammenstellung von Vorschlägen für verschiedenste Maßnahmen zur Koordinierung des nationalen Steuerrechts. Es finden sich verpflichtende Minimumstandards, darüber hinausgehend aber auch optionale Vorschläge (z.B. Regeln über die Offenlegung, Action 12). Neben dieser koordinierten Einwirkung auf das nationale Recht soll aber auch das Abkommensrecht angepasst werden. Dementsprechend werden umfassende Änderungen am OECD-MA mit zahlreichen neuen Vorschriften und erhebliche Anpassungen des zugehörigen Kommentars zum OECD-MA vorgeschlagen.2 Die Vielzahl der Maßnahmen, ihr Umfang und ihre beabsichtigte Reichweite3 rechtfertigen es, auch für die Doppelbesteuerungsabkommen von Ansätzen zu einem Paradigmenwechsel zu sprechen. Dieser Paradigmenwechsel kommt bereits in den Zielen der Doppelbesteuerungsabkommen zum Ausdruck.4 Das lässt an ein Zitat den1 Diese sind abrufbar im Internet unter http://www.oecd.org/ctp/beps.htm. Allgemein zum BEPS-Projekt etwa Dourado, Intertax 2015, 2 ff.; Jacobs/Endres/ Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl. 2016, Erster Teil, Kapitel 5.C.; Pross/Radmanesh, Begriff 72: Der Aktionsplan der OECD/G20 zu Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) – Richtschnur für eine Überarbeitung der internationalen Besteuerungsregelungen, in Festgabe Wassermeyer, S. 535 ff.; Staringer, SWI 2015, 575. 2 Vgl. dazu näher unten B.–D. 3 Vgl. dazu auch den tabellarischen Überblick im Anhang. 4 S. dazu auch schon Ismer/Piotrowski, Intertax 2016, 348.

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ken, das dem US-amerikanischen Philosophen Reinhold Niebuhr zugeschrieben wird „Every time I find the meaning of life, they change it“.1 So mag es einem inzwischen auch bei den Doppelbesteuerungsabkommen gehen. Die Doppelbesteuerungsabkommen sollen sicherlich Doppelbesteuerung verhindern.2 Früher hatte es dabei sein Bewenden. Fälle von Doppelnichtbesteuerung wurden für weitgehend unbedenklich befunden. Auch die virtuelle Doppelbesteuerung war verboten, also die Besteuerung durch einen Staat, dessen Besteuerungsrecht das DBA auch dann ausschloss, wenn der andere Staat nicht besteuert.3 Dies gilt in Zukunft nicht mehr so ohne weiteres. Doppelbesteuerungsabkommen erschöpfen sich künftig nicht mehr darin, Doppelbesteuerung zu vermeiden. Das Ziel ist geändert, erweitert worden. Aber wohin? Was genau ist das weitere Ziel der Abkommen? Die deutsche Verhandlungsgrundlage4 nennt bereits im Titel des Abkommens neben der Vermeidung der Doppelbesteuerung auch die Vermeidung der Nichtbesteuerung als ausdrückliches Ziel. Auch die Mandatierung zu BEPS von Seiten der OECD/G20 aus dem Jahre 2013 hatte hier ein klares, wenngleich abgeschwächtes Bekenntnis gefordert. Danach sollten die Abkommen jedenfalls nicht dazu benutzt werden, Fälle von Doppelnichtbesteuerung zu generieren. Dieses klare Bekenntnis findet sich in Abschlussberichten so nicht mehr. Vielmehr ändert Action 6 den Titel der Doppelbesteuerungsabkommen dahingehend, dass diese zum Ziel hätten Doppelbesteuerung einerseits sowie Steuerhinterziehung und Steuerumgehung andererseits zu vermeiden. Damit wird die Doppelnichtbesteuerung nicht mehr ausdrücklich

1 Vgl. etwa Klein, Every Time I Find the Meaning of Life, They Change It – Wisdom of the Great Philosophers on How to Live, 2015, S. 2. 2 Vgl. De Broe, International Tax Planning and Prevention of Abuse (2008), Rz. 127 ff.; M. Lang, CDFI 89a, 21 (26 ff.); M. Lang, Introduction to the Law of Double Taxation Conventions, 2. Aufl. 2013, Rz. 72; Lehner in Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, 6. Aufl., Grundlagen, Rz. 73; Rust, ISR 2013, 241 (244 f.); Vogel, IStR 2007, 225. 3 Lehner in Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, 6. Aufl., Grundlagen, Rz. 69–73, der zugleich zurecht darauf hinweist, dass darin ein Widerspruch zu einer leistungsfähigen Besteuerung liegen kann. A.A. etwa Czakert, IStR 2012, 703 (706); Wichmann, FR 2011, 1082. 4 Abrufbar im Internet unter https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/ DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Internationales_Steuerrecht/Allgemeine_ Informationen/2013-08-22-Verhandlungsgrundlage-DBA-deutsch.pdf?__blob= publicationFile&v=10.

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genannt.1 In der Präambel wird dann ausgeführt, Doppelbesteuerungsabkommen sollten Doppelbesteuerung vermeiden „without creating opportunities for non-taxation or reduced taxation through tax evasion and avoidance“.2 Man kann schon sprachlich rätseln, worauf sich denn der Ausdruck „through tax evasion and avoidance“ bezieht: nur auf die reduced taxation? Dann wäre Doppelnichtbesteuerung per se etwas, was das Abkommen nicht herbeiführen soll. Oder doch auch auf Doppelnichtbesteuerung? Auch die Vorschläge für den OECD-MK bringen hier keine Klarheit; vielmehr gibt es Stellen, die für die eine und solche, die für die andere Lesart sprechen.3 Man wird das Ziel der Doppelbesteuerungsabkommen also weiter suchen müssen, und es ist durchaus denkbar, dass unterschiedliche Staaten den gleichen Wortlaut unterschiedlich auslegen. Das ist im Übrigen nicht zu verurteilen, sondern nur festzustellen. 1 S. OECD, Action 6 - 2015 Final Report, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, 2015, Rz. 72. Danach soll der Titel des Abkommens nunmehr lauten: „Convention between (State A) and (State B) for the elimination of double taxation with respect to taxes on income and on capital and the prevention of tax evasion and avoidance“ (statt zuvor „Convention between (State A) and (State B) with respect to taxes on income and on capital“). 2 S. OECD, Action 6 - 2015 Final Report, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, 2015, Rz. 72, wonach die Präambel künftig lauten soll „PREAMBLE TO THE CONVENTION (State A) and (State B), Desiring to further develop their economic relationship and to enhance their co-operation in tax matters, Intending to conclude a Convention for the elimination of double taxation with respect to taxes on income and on capital without creating opportunities for non-taxation or reduced taxation through tax evasion or avoidance (including through treaty-shopping arrangements aimed at obtaining reliefs provided in this Convention for the indirect benefit of residents of third States) Have agreed as follows:“. 3 S. OECD, Action 6 – 2015 Final Report, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, 2015, Rz. 78. Danach soll in Ziff. 15.2 der Introduction des OECD-MK eingefügt werden: „States should also consider whether there are elements of another State’s tax system that could increase the risk of non-taxation“. S. a.a.O., S. 46 auch den Vorschlag zur Einfügung des Texts „Whilst it is impossible to provide a detailed list of all the facts and circumstances that would be relevant to the determination referred to in paragraph 5, examples of such facts and circumstances include ... whether the establishment or use of the resident gives rise to non-taxation or reduced taxation of the income.“ [Hervorhebung nur hier] als Ziff. 69 des Kommentars zur geplanten LOB-Klausel. S. auch die letzte Seite des Berichts: „A key focus of this work [i.e. of the BEPS process] is to eliminate double non-taxation.“

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Die Vagheit dürfte letztlich den unterschiedlichen Interessen der beteiligten Staaten geschuldet sein, die in einem gemeinsamen Text zusammengefasst werden mussten. Bei aller Unsicherheit, welche Ziele nun genau mit den Abkommen verfolgt werden, sind bereits jetzt zwei Entwicklungen zu beobachten: Erstens ändert sich die Regelungstechnik grundlegend. Der Kommentar wird nicht nur immer länger. Vielmehr greift er zunehmend auf Beispiele zurück. Das ist eine Regelungstechnik, wie sie bisher vor allem aus dem Bereich der internationalen Rechnungslegung bekannt ist. Es ist davon auszugehen, dass diese Technik den Wert der Ausführungen bei der Rechtsfindung vor deutschen Gerichten nicht erhöhen dürfte. Zugleich nimmt er zunehmend Anleihe in der US Model Convention. Dies geht soweit, dass für die Finalisierung der Vorschläge der OECD an einigen zentralen Punkten die Änderungen des US Models noch abgewartet werden sollen. Die Anleihen am US Model bedingen eine divergierende Technik der Normsetzung: Entsprechend dem anglo-amerikanischen Drafting sind die Vorschriften deutlich länger, nicht zuletzt, weil wesentlich mehr Begriffe definiert werden. Zweitens war es bisher so, dass Änderungen des Musterabkommens sich in den Doppelbesteuerungsabkommen erst dann niederschlugen, wenn die jeweiligen Vertragsstaaten bilateral ein neues Doppelbesteuerungsabkommen neu abschlossen oder ein entsprechendes Änderungsprotokoll vereinbarten. Künftig hingegen soll ein neues multilaterales Instrument geschaffen werden, mit dem die Empfehlungen aus dem BEPS-Prozess weitgehend auf einen Schlag umgesetzt werden können, soweit die betreffenden beiden Staaten generell, also nicht bezogen auf ein spezifisches DBA, ihr Einverständnis mit einer derartigen Änderung signalisiert haben.1 Der nachfolgende Beitrag wird die geplanten inhaltlichen Änderungen von OECD-MA und OECD-MK vorstellen. Im Folgenden wird zunächst auf die in Action 2 vorgeschlagene neue Regelung des Art. 1 Abs. 2 OECDMA eingegangen, die Lücken bei der Abkommensberechtigung schließen soll (B.). Der Schwerpunkt der Ausführungen wird aber auf den Änderungen von OECD-MA und OECD-MK liegen, die eine Einschränkung der Steuerplanung und Steuergestaltung intendieren. Dabei werden zunächst die Vorschläge zur Verhinderung des Abkommensmissbrauchs im Bericht zu Action 6 vorgestellt (C.). Anschließend werden die vorgeschlagenen Änderungen in Art. 5 Abs. 4 und 5 aufgezeigt, mit denen künstliche

1 Dazu etwa Reimer, IStR 2015, 1.

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Umgehungen von Betriebsstätten verhindert werden sollen (D.). Eine Zusammenfassung mit einem Ausblick beschließt den Beitrag (E.).

B. Action 2: Schließung von Lücken bei der Abkommensberechtigung durch Art. 1 Abs. 2 OECD-MA (E) Es gibt im Maßnahmenpaket, was im BEPS-Kontext zunächst überraschend erscheinen mag, auch eine für den Steuerpflichtigen günstige Änderung. Diese steht nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem BEPS-Projekt, sondern setzt vorangegangene Arbeiten der OECD fort. Es handelt sich dabei um die geplante Einfügung eines Art. 1 Abs. 2 OECDMA.1 Die bisherige Regelung über den personellen Anwendungsbereich, der in Deutschland auch als Abkommensberechtigung bezeichnet wird,2 bleibt unverändert bestehen. Sie soll aber künftig um einen Absatz 2 ergänzt werden. Die neue Vorschrift soll eine Regelung zur Zurechnung von Einkommen bei Subjektkonflikten enthalten. Subjektkonflikte betreffen im Gegensatz zu Qualifikationskonflikten grundsätzlich nicht die anzuwendende Verteilungsnorm. Vielmehr geht es um unterschiedliche Antworten auf die Frage, ob bestimmte Rechtssubjekte als Zurechnungssubjekt für Einkommen in Betracht kommen. Mit anderen Worten: Subjektkonflikte treten dann auf, wenn Rechtsgebilde von einem Vertragsstaat als transparent, vom anderen aber als intransparent angesehen werden. Diese Konflikte können sowohl zur Doppelbesteuerung als auch zu doppelter Nichtbesteuerung führen. Für Personengesellschaften hatte die OECD bekanntlich in ihrem Partnership Report3 aus dem Jahre 1999 erste Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt. Diese wurden später auch in den Kommentar zum OECD-MA aufgenommen, aber eben nur in den OECD-MK, nicht in das Abkommen selbst. Der Ansatz löste das Problem aus drei Gründen nicht vollständig: Erstens hat der Kommentar nicht zuletzt in Deutschland für die gerichtliche Rechtsfindung nur eine geringe Bedeutung. Zweitens

1 Vgl. OECD, Neutralising the Effects of Hybrid Mismatch Arrangements, Action 2 – 2015 Final Report, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, 2015, S. 139 ff. 2 Vgl. zur Diskussion um subjektive Rechte aus den Abkommen Ismer/Piotrowski, Intertax 2016, 348 (350 ff.). 3 OECD, The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships, 1999.

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haben sich die bisherigen Lösungsansätze auf Konstellationen mit Personengesellschaften beschränkt, während andere Problemfälle, die namentlich im Zusammenhang mit Trusts entstehen, ausgeklammert blieben. Drittens schließlich sind Fälle zu bedenken, in denen das Rechtsgebilde weder vollständig transparent noch vollständig intransparent ist, sondern beides zugleich. Diese Defizite nimmt die OECD zum Anlass, nunmehr eine ausdrückliche Regelung im Abkommen vorzusehen.1 Danach kommt es für die Abkommensberechtigung auf die steuerliche Beurteilung durch den Staat an, in dem eine Ansässigkeit in Betracht kommt. Der dahingehende Vorschlag zu Art. 1 Abs. 2 OECD-MA, der durch umfangreiche Erläuterungen im OECD-MK begleitet werden soll,2 ist komplex formuliert3 und lautet wie folgt: „For the purposes of this Convention, income derived by or through an entity or arrangement that is treated as wholly or partly fiscally transparent under the tax law of either Contracting State shall be considered to be income of a resident of a Contracting State but only to the extent that the income is treated, for purposes of taxation by that State, as the income of a resident of that State.“4

Die Funktionsweise der Vorschrift lässt sich am besten durch ein Beispiel verdeutlichen:5 Die Vertragsstaaten haben ein DBA geschlossen, das dem OECD-MA in der Form der vorgeschlagenen Änderungen entspricht. Vertragsstaat A betrachtet ein Rechtsgebilde aus Staat B als intransparent und besteuert die Zinsen von 10.000 Euro, die dieses aus einem Darlehen an einen ebenfalls in Staat A ansässigen Schuldner erzielt. Staat B hält das Gebilde aber für eine transparente Personengesellschaft und besteuert die Gesellschafter, denen die Einkünfte je zur Hälfte zugerechnet werden. Ein Gesellschafter ist in Staat B ansässig, 1 Dazu Boer/Marres, Intertax 2015, 14, unter 4.3; Schnitger/Oskamp, IStR 2014, 385 (387 ff.); Staats, IStR 2014, 749 (755); Valta, ISR 2014, 249 (254). 2 Vgl. die einzufügenden Ziff. 26.3 bis 26.16 im Kommentar zu Art. 1 OECDMA. 3 Vgl. auch BFH v. 26.6.2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367, Rz. 19 zu Art. 1 Abs. 7 DBA USA. 4 „Für Zwecke des Abkommens gilt Einkommen, das von einer oder über eine Person oder von einem oder über ein Arrangement bezogen wird, die nach dem Steuerrecht eines der beiden Staaten vollständig oder teilweise steuerlich transparent sind, als das Einkommen einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person, aber nur soweit dieses Einkommen für Zwecke der Besteuerung durch diesen Vertragsstaat als Einkommen einer in diesem Staat ansässigen Person behandelt wird.“ [eigene Übersetzung]. 5 Nach der einzufügenden Ziff. 26.7 im Kommentar zu Art. 1 OECD-MA.

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der andere in einem Staat, mit dem weder Staat A noch Staat B ein DBA abgeschlossen haben. Abkommensschutz besteht dann nur in Bezug auf die auf den im Staat B ansässigen Gesellschafter entfallenden Zinseinkünfte von 5.000 Euro. Der Vorschlag der OECD orientiert sich ersichtlich am Vorbild der Regelung im US Model Tax Convention aus dem Jahre 2006,1 die sowohl Doppelbesteuerungen als auch Doppelnichtbesteuerungen entgegentreten soll2 und der auch Art. 1 Abs. 7 des DBA USA weitgehend entspricht.3 Zur letztgenannten Vorschrift gibt es bereits eine fein differenzierte Entscheidung des BFH zur sogenannten S-Corporation.4 Danach ist nicht nur von einer Erstreckung des Abkommensschutzes auf die Gesellschafter mit ihren betreffenden Einkünften auszugehen. Vielmehr soll die Vorschrift zugleich nach Auffassung des BFH eine Zurechnungsund Ansässigkeitsfiktion dahingehend enthalten, dass die Einkünfte abkommensrechtlich der eigentlich nicht steuerpflichtigen S-Corporation zuzurechnen sind und dass diese als in einem Vertragsstaat ansässig gelte. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, die von „einer“, nicht aber von „der“ ansässigen Person spreche.5 Indessen ist festzuhalten, dass der Wortlaut eine solche Folgerung nicht ausdrücklich vorsieht. Vielmehr vollzieht der BFH im Ergebnis einen auf sehr genaue Lektüre gestützten Umkehrschluss. Mag man aber durchaus Zweifel haben, ob eine derartige Genauigkeit intendiert war oder ob nicht eine bloße lex imperfecta vorliegt, so dass die Lücke hinsichtlich der Zurech1 Vgl. Art 1 Abs. 6 der US Model Convention: „An item of income, profit or gain derived through an entity that is fiscally transparent under the laws of either Contracting State shall be considered to be derived by a resident of a State to the extent that the item is treated for purposes of the taxation law of such Contracting State as the income, profit or gain of a resident.“ 2 Vgl. US Technical Explanations zu Article 1(6). 3 Die Vorschrift im DBA USA stellt allerdings abweichend nicht auf das Vorliegen einer „Entity“, sondern einer Person ab: „Werden Einkünfte oder Gewinne von einer oder über eine Person erzielt, die nach dem Recht eines der Vertragsstaaten als solche nicht steuerpflichtig ist, gelten diese als von einer in einem Staat ansässigen Person erzielt, soweit sie im Sinne der Steuergesetze dieses Staates als Einkünfte oder Gewinne einer ansässigen Person gelten.“ Vgl. dazu BFH v. 26.6.2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367, der die Frage der Charakterisierung als Person nach dem Recht des Anwenderstaates (im Streitfall also des Quellenstaates) bestimmen will. 4 BFH v. 26.6.2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367 m. zust. Anm. Bauer/Huber, IStR 2013, 886 ff. 5 S. BFH v. 26.6.2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367 Rz. 20.

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nung anderweitig zu schließen wäre. Für letzteres spricht im Übrigen, dass Doppelbesteuerungsabkommen Fragen der Einkommenszurechnung als Vorfragen grundsätzlich nicht behandeln. Will man davon abgehen, spricht viel dafür, die Lücke – wie es auch Art. 3 Abs. 2 OECDMA nahelegt – aus dem systematischen Zusammenhang zu schließen. Dann aber ist zu berücksichtigen, dass die (objektbezogene) Erstreckung des Abkommens auf das in Rede stehende Einkommen aus der Abkommensberechtigung des Gesellschafters folgt. Auch ist es nicht ersichtlich, warum das Abkommen so ausgelegt werden sollte, dass es zu Vorteilen kommt, die dem Gesellschafter selbst nicht zustünden. Ferner eröffnet die vom BFH befürwortete Auslegung allzu leichte Möglichkeiten für in den USA ansässige natürliche Personen, deutsche Quellensteuer durch Zwischenschaltung einer hybriden Gesellschaft zu vermeiden.1 Schließlich ist zu bedenken, dass es andernfalls zu Problemen bei der Anrechnungsmethode käme, da die Einkünfte abkommensrechtlich gerade nicht von der Person bezogen werden, welche die Anrechnung begehrt. Die Anrechnung muss aber gerade möglich sein, um das von der Regelung angestrebte Ziel der Vermeidung der Doppelbesteuerung auch wirklich zu erreichen. Im Ergebnis ist daher von einer Zurechnung der Einkünfte zu den ansässigen Personen auszugehen.2 Der Vorschlag zu Art. 1 Abs. 2 OECD-MA übernimmt die Beschränkung auf Einkommen, so dass die Regelung auf Vermögen systemwidrigerweise keine Anwendung findet. Er modifiziert das Vorbild allerdings dahingehend,3 dass er eine Regelung zur teilweisen Transparenz aufnimmt. In tatbestandlicher Hinsicht setzt die Vorschrift im OECD-MA dementsprechend ein Rechtsgebilde voraus, das in einem oder in beiden Vertragsstaaten ganz oder teilweise steuerlich transparent ist. Dabei kommt es nicht darauf an, wo das Rechtsgebilde gegründet wurde, so dass auch solche aus Drittstaaten in Betracht kommen.4 Ferner muss das Einkommen im Staat, der als Ansässigkeitsstaat in Betracht kommt, als Einkommen einer dort ansässigen Person behandelt werden. Die Regelung 1 So zu Recht Rust, Chapter 14: US S Corporation and Income Allocation under Germany-United States Tax Treaty, in Kemmeren et al., Tax Treaty Case Law around the Globe 2014, 2015, S. 135 (139). 2 Wie hier Larcier in van de Vijver, The New US-Belgium Double Tax Treaty: A Belgian and EU Perspective, 1999, Art. 10.18. Dem BFH zustimmend hingegen Rust (Fn. 26), S. 135 (139). 3 S. zum Vergleich der Vorschriften auch Schnitger/Oskamp, IStR 2014, 385 (387 ff.). 4 So ausdrücklich der Vorschlag für Ziff. 26.8 a.E. OECD-MK zu Art. 1.

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weicht vom bisherigen binären Verständnis der Abkommensberechtigung ab: Während herkömmlich eine Person mit ihren Einkünften abkommensberechtigt ist oder nicht, werden nunmehr auch Einkommensteile als Einkommen einer ansässigen Person fingiert, wenn sie nach dem innerstaatlichen Steuerrecht dieses Vertragsstaates als Einkommen (irgend-) einer dort ansässigen Person behandelt werden. Neben die personenbezogene Betrachtung tritt damit eine einkünftebezogene, also objektbezogene Betrachtung. Die Regelung weist indessen erhebliche Unklarheiten und Unvollständigkeiten auf, die auch mit Hilfe des umfangreichen Kommentars nicht beseitigt werden können. Zunächst setzt die Norm mit dem Begriff der ansässigen Person („resident“) voraus, dass eine Person vorliegt: Fehlt die Eignung des Rechtsgebildes, eine Person zu sein, kann die vorgeschlagene Vorschrift leerlaufen, wenn der Nichtansässigkeitsstaat das Gebilde für transparent, der Ansässigkeitsstaat es aber für intransparent hält, da dann dessen Voraussetzungen (dass es sich um eine ansässige Person handelt), nicht gegeben ist. Es bedarf in solchen Konstellationen ergänzender Regelungen.1 Bei der Bestimmung des Ausdrucks „steuerlich transparent“ kann man zudem zweifeln, ob dies auch für den Fall der Hinzurechnungsbesteuerung gilt.2 Auf Tatbestandsebene ist ferner unklar, wann eine Besteuerung im Ansässigkeitsstaat der Person besteht. Dies gilt insbesondere in Dreiecksfällen, wo der BFH dem OECDMK nicht gefolgt ist und Beschränkungen der Steuerpflicht aufgrund eines Abkommens mit Drittstaaten für die Abkommensberechtigung für unschädlich erachtet.3 Ferner finden sich keine Ausführungen dazu, wem die Einkünfte zugerechnet werden sollen. Damit bleibt die Unsicherheit bestehen, ob sich die ausländischen Finanzverwaltungen und Gerichte dem Verständnis des BFH anschließen oder die oben aufgezeigten Einwände für überzeugender erachten werden. Wenn überhaupt dürfte dem Kommentar jedenfalls eine Tendenz dahingehend zu entnehmen sein, dass die Einkünfte der hinter dem Gebilde stehenden Person zuzurechnen sind.4 Die drohende Diskrepanz erscheint umso bedauerlicher, als bei divergenten Sichtweisen Doppelbesteuerungen drohen an1 2 3 4

Vorschlag für Ziff. 26.15 a.E. OECD-MK zu Art. 1. So zu Recht Schnitger/Oskamp, IStR 2014, 385 (389 ff.). BFH v. 4.11.2014 – I R 19/13, IStR 2015, 142 m. Anm. Wassermeyer. So spricht Vorschlag für Ziff. 26.15 a.E. OECD-MK zu Art. 1 davon, dass eine Änderung der innerstaatlichen Vorschriften über die Zurechnung von Einkommen nicht erforderlich sei und führt sodann ein Beispiel zur Besteuerung im Quellenstaat an. A.A. aber Rust, Chapter 14: US S Corporation and Income Al-

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gesichts der Tatsache, dass nach der Rechtsprechung des BFH1 bekanntlich eine Anrechnung abkommenswidrig erhobener Quellensteuern ausscheiden soll. Schließt man sich hingegen der hier vertretenen Auffassung an und nimmt eine Zurechnung an die ansässige Person vor, so ist immer noch das Problem zu lösen, das auftritt, wenn beide Staaten eine unterschiedliche Person für in ihrem Staat ansässig halten und dieser die Einkünfte zurechnen wollen.2 In dieser Situation bedarf es einer zusätzlichen Regel zur Lösung des Konflikts, wobei etwa ein Abstellen auf den Quellenstaat der Einkünfte in Betracht kommt.

C. Action 6: Verhinderung von Abkommensmissbrauch Den Schwerpunkt der vorgeschlagenen Änderungen – und damit auch den Schwerpunkt der nachfolgenden Ausführungen, die sich auf die Änderungen des Abkommenstexts3 beschränken werden – bilden indes die Ausführungen zu Action 6, der die Vermeidung von Abkommensmissbrauch zum Gegenstand hat.4 Dort wird – neben der bereits erörterten Neufassung von Titel und Präambel im Zuge der Zielneubestimmung (oder: Zielnichtneubestimmung?)5 – die Einführung einer neuen Vorschrift vorgeschlagen, die bisher noch nicht numeriert ist und daher einstweilen die Bezeichnung Artikel X trägt. Die Vorschrift enthält zum einen Regelungen zur Begrenzung von Abkommensvorteilen, die dem Vorbild der US-amerikanischen Limitation on Benefits (LOB)-Klauseln entsprechen. Derartige Klauseln sollen verhindern, dass durch die Zwischenschaltung von Gesellschaften Abkommensvorteile erlangt werden, welche den Gesellschaftern selbst nicht zustünden. Ferner wird ein sogenannter Principal Purpose Test (PPT) vorgeschlagen, wonach die Abkommensvorteile dann zu versagen sind, wenn einer der Hauptzwecke der Gestaltung in der Erlangung des Vorteils lag und die Gewährung des Vorteils dem Sinn und Zweck der jeweiligen Abkommensvorschriften widersprechen würde. Der Principal Purpose Test soll kumulativ

1 2 3 4 5

location under Germany-United States Tax Treaty, in Kemmeren et al., Tax Treaty Case Law around the Globe 2014, 2015, S. 135 (139). BFH v. 8.12.2010 – I R 92/09, BFH/NV 2011, 695: DBA-Schweiz; Ismer in Vogel/ Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, 6. Aufl., Art. 23 Rz. 129 ff. Vgl. M. Lang, IStR 2010, 114. S. aber die ausführliche Neukommentierung von Teilen des OECD-MK zu Art. 1. OECD, Action 6 – 2015 Final Report, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, 2015. S. dazu etwa de Broe/Luts, Intertax 2015, 122. Dazu oben A.

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oder alternativ zur Limitation on Benefits (LOB)-Klausel hinzutreten. Mit dieser Offenheit im Musterabkommen soll den Vertragsstaaten Flexibilität eingeräumt werden, wobei man Flexibilität auch als anderes Wort für Uneinheitlichkeit verstehen kann. Daneben finden sich noch weitere, eher technische Änderungen wie die Einführung einer Mindesthaltefrist für die Schachtelprivilegierung nach Art. 10 Abs. 2 OECD-MA sowie schließlich eine noch in den Kinderschuhen befindliche Reaktion auf Vorzugsbesteuerungsregimes.

I. Limitation on Benefits (LOB)-Klausel Bei der Limitation on Benefits (LOB)-Klausel enthält der Abschlussbericht noch keine endgültige Fassung, sondern wartet noch auf die ausstehenden Änderungen der US Model Convention, so dass der Abkommenstext voraussichtlich erst in der ersten Hälfte des Jahres 2016 vorliegen wird.1 Der Vorschlag entspricht dem US-amerikanischen Vorbild, das auch Eingang in das DBA USA gefunden hat. Allerdings gibt es zwei Fassungen, eine einfache einerseits sowie eine (sehr) ausführliche und zugleich striktere andererseits; die einfache Fassung soll dann zur Anwendung kommen können, wenn die Vertragsstaaten zugleich einen PPT vorsehen. Beide Fassungen, die einfache und die detaillierte, haben eine gemeinsame Struktur:2 Danach werden die Abkommensvorteile grundsätzlich nur qualifizierten Personen gewährt. Qualifizierte Personen sind natürliche Personen, die Vertragsstaaten, seine Unterteilungen sowie vollständig in öffentlichem Eigentum stehende Rechtsgebilde, ferner bestimmte an Aktienmärkten gehandelte Gesellschaften und deren Tochtergesellschaften, bestimmte gemeinnützige Körperschaften und Pensionsfonds, andere Rechtsgebilde, die bestimmte Anforderungen an die Eigentümerstruktur erfüllen sowie schließlich bestimmte kollektive Investmentvehikel. Für andere als diese qualifizierten Personen kommen die Abkommensvorteile nur dann in Betracht, soweit es um aktive Einkünfte geht – so Abs. 3 der Vorschrift – oder wenn das Rechtsgebilde mindestens zu einem festgelegten Anteil einer Person gehört, die eine entsprechende Abkommensberechtigung aufweisen (Abs. 4 der Vor1 Vgl. OECD, Action 6 - 2015 Final Report, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, 2015, Rz. 25. 2 Vgl. OECD, Action 6 - 2015 Final Report, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, 2015, Rz. 25.

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schrift). Abs. 5 schafft noch die Möglichkeit, dass die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten die Abkommensvorteile in Fällen, in denen die Voraussetzungen nach der Vorschrift eigentlich nicht vorliegen, gleichwohl gewähren. Abs. 6 schließlich sieht Definitionen vor. Die Vorschrift, die der Begrenzung von Abkommensvorteilen dient, ist schwere Kost. Als kleine gute Nachricht ist festzuhalten, dass der Wortlaut der Vorschrift klarstellt, dass die Doppelbesteuerungsabkommen den Steuerpflichtigen subjektive Rechte gewähren, etwas, was bisher in dem OECD-MA nicht in dieser Klarheit der Fall war, weil Art. 1 OECDMA nur von einer Anwendung des DBA sprach.1 Jenseits dessen sind die LOB-Klauseln abkommenspolitisch aber mit einer erheblichen Skepsis zu sehen: Sie führen gegebenenfalls zu einem vollständigen Ausschluss von Abkommensvorteilen. Zudem ist der Vorschlag vergleichsweise günstig insbesondere für börsennotierte Gesellschaften, weil diese qualifizierte Personen sein können. Das ist in verschiedenen Ländern aber sehr unterschiedlich. Während in den USA die Finanzierung über die Kapitalmärkte im Vordergrund steht und vergleichsweise viele Unternehmen an der Börse gehandelt werden, ist dies in anderen Ländern, etwa Deutschland mit seinem hergebrachten Hausbankenmodell, weitaus weniger der Fall. Damit können insbesondere mittelständische GmbHs in der zweiten oder dritten Generation mit einer entsprechenden Vielzahl von international verstreuten Anteilseignern Probleme bekommen. Dies gilt umso mehr, als die Aktivitätsklausel schärfer gefasst ist als vergleichbare Klauseln etwa aus dem AStG oder der deutschen Abkommenspraxis. Es wird insbesondere eine Verbindung zu einem im Ansässigkeitsstaat betriebenen Geschäftsbetrieb verlangt. In unionsrechtlicher Hinsicht sind Anknüpfungen an die Ansässigkeit der Gesellschafter problematisch, soweit es sich nicht um rein künstliche Strukturen handelt und keine hinreichende Prüfung von äquivalenten Vorteilen erfolgt.2 Schließlich erscheint es für das hergebrachte deutsche Verständnis von Steuerrecht als strikter Gesetzesbindung unterliegendes Eingriffsrecht bedenklich, wenn der zuständigen Behörde des den jeweiligen Vorteil gewährenden Vertragsstaats eine im Ermessen stehende Möglichkeit eingeräumt wird, den Vorteil gleichwohl zu gewähren. Man darf gespannt sein, welche Kontrolldichte die deutsche Rechtsprechung bei der Überprüfung solcher Entscheidungen anlegen wird.

1 Dazu Ismer/Piotrowski, Intertax 2016, 348 (350 ff.). 2 Kreienbaum, IStR 2015, 721 (723 f.).

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II. Principal Purpose Test (PPT) In der geplanten Vorschrift über die Begrenzung der Abkommensvorteile findet sich in Abs. 7 ein zweiter, kumulativ oder alternativ denkbarer Ansatz, der eher den Charakter eines allgemeinen Missbrauchsverbots trägt.1 Durch die Vorschrift werden einzelne Abkommensvorteile – aber nicht notwendig alle – versagt, wenn der Hauptzweck einer Gestaltung darin liegt, Abkommensvorteile zu erlangen, die nicht im Einklang mit Sinn und Zweck des Doppelbesteuerungsabkommens stehen. Der zugehörige Kommentar stellt klar, dass die Zwecke durch objektive Analyse aller Ziele und Beweggründe aller beteiligter Personen zu bestimmen sind. Es findet sich eine umfangreiche Darstellung von Beispielen zu dieser Frage. Zusätzlich wird eine optionale Vorschrift vorgeschlagen, die anstelle des versagten Abkommensvorteils zumindest einen anderweitigen Vorteil gewähren soll, der ohne die missbräuchliche Gestaltung eingetreten wäre.

III. Mindesthaltefrist für Schachtelprivileg in Art. 10 Abs. 2 Buchst. a) OECD-MA (E) Ferner soll eine Mindesthaltefrist eingeführt werden2 für das Schachtelprivileg in Art. 10 Abs. 2 Buchst. a) OECD-MA,3 um kurzfristigen Eigen1 Vgl. OECD, Action 6 - 2015 Final Report, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, 2015, S. 55 ff. Die geplante Vorschrift lautet: „7. Notwithstanding the other provisions of this Convention, a benefit under this Convention shall not be granted in respect of an item of income or capital if it is reasonable to conclude, having regard to all relevant facts and circumstances, that obtaining that benefit was one of the principal purposes of any arrangement or transaction that resulted directly or indirectly in that benefit, unless it is established that granting that benefit in these circumstances would be in accordance with the object and purpose of the relevant provisions of this Convention.“ Dazu näher Báez, GAARs and Treaties. From the Guiding Principle to the Principal Purpose Test. What Have We Gained from BEPS Action 6?, abrufbar unter: http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.2722459. 2 Vgl. OECD, Action 6 – 2015 Final Report, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, 2015, Rz. 36. 3 Die geplante Vorschrift lautet: „a) 5 per cent of the gross amount of the dividends if the beneficial owner is a company (other than a partnership) which holds directly at least 25 per cent of the capital of the company paying the dividends throughout a 365 day period that includes the day of the payment of the dividend (for the purpose of computing that period, no account shall be taken of changes of ownership that would directly result from a corporate reorganisa-

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tümerwechseln rund um den Ausschüttungstag entgegenzutreten. Die Ermäßigung der zulässigen Quellensteuer auf 5 Prozent des Bruttobetrags setzt nunmehr eine Haltedauer von mindestens 365 Tagen (einschließlich dem Ausschüttungstag) voraus. Eigentumswechsel, die direkt auf Umwandlungen der ausschüttenden Gesellschaft oder der Anteilseigner zurückgehen, etwa Verschmelzungen oder Spaltungen, bleiben dabei im Übrigen ausgeklammert. Die Vorschrift trifft allerdings keine Aussage dazu, ob die 365-Tagesfrist schon im Zeitpunkt der Ausschüttung erfüllt sein muss. Auch der Kommentar schweigt zu dieser Frage. Für die Parallelkonstellation der Mutter-Tochter-Richtlinie entschied der EuGH bekanntlich in der Rechtssache Denkavit,1 dass die Mindesthaltedauer auch später noch erfüllt werden kann. Indessen weichen die Wortlautfassungen voneinander ab;2 auch hat der vom EuGH bemühte Grundsatz der engen Auslegung von Ausnahmevorschriften im DBA-Recht keine Bedeutung. Schließlich ist auch das teleologische Argument, dass die Mutter-Tochter-Richtlinie eine Förderung grenzüberschreitender Wirtschaftstätigkeit bezweckt und daher auch eine spätere Erfüllung der Haltedauer ausreichen muss, im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung, da hier gerade eine zur Verhinderung von Missbräuchen nachträglich eingefügte Beschränkung in Rede steht. Indessen dürfte das Ziel der Missbrauchsverhinderung auch dann erreicht werden, wenn der 365-Tageszeitraum erst nach der Ausschüttung erfüllt wird. Schließlich spricht auch die genaue sprachliche Fassung („holds“ statt „has … held“3) gegen die Annahme, dass die Mindesthaltefrist schon im Zeitpunkt der Ausschüttung erfüllt sein müsste.

tion, such as a merger or divisive reorganisation, of the company that holds the shares or that pays the dividend)“. 1 EuGH v. 17.10.1996 – C-283/94, Denkavit, Slg. 1996, I-05063. 2 Art. 3 Abs. 2 Buchst. b) der Richtlinie 2011/96/EU des Rates v. 30.11.2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, ABl. Nr. L 345 S. 8, zuletzt geändert durch RL (EU) 2015/121 des Rates v. 27.1.2015, ABl. Nr. L 21 S. 1 verwendet den Ausdruck „bleiben“, während der Vorschlag für das OECD-MA neutral von „holds … throughout“ spricht. 3 Art. 3 Abs. 1 Buchst. a) Doppelbuchst. ii) der englischen Fassung der Richtlinie 2011/96/EU des Rates v. 30.11.2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, ABl. Nr. L 345 S. 8, zuletzt geändert durch RL (EU) 2015/121 des Rates v. 27.1.2015, ABl. Nr. L 21 S. 1.

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IV. Erweiterung von Art. 13 Abs. 4 OECD-MA Ferner wird der Anwendungsbereich von Art. 13 Abs. 4 OECD-MA erweitert.1 Nach Art. 13 Abs. 1 OECD-MA können Gewinne aus der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen im Belegenheitsstaat besteuert werden. Zur Vermeidung von Umgehungsgestaltungen sah Art. 13 Abs. 4 OECD-MA ein Besteuerungsrecht des Staates für Gewinne aus Anteilsveräußerungen vor, wenn die Gesellschaft ihren Wert zu mehr als 50 Prozent direkt oder indirekt aus unbeweglichem Vermögen herleitet. Nunmehr wird präzisiert, dass diese Voraussetzung lediglich zu irgendeinem Zeitpunkt in den letzten 365 Tagen vorgelegen haben muss. In dieser Vorschrift wird zugleich klargestellt, dass der Begriff des unbeweglichen Vermögens im Gleichklang mit Art. 6 OECD-MA zu definieren ist. Ferner, und das erscheint mir weitaus problematischer, wird die Vorschrift über die Veräußerung von Anteilen hinaus auch auf vergleichbare Rechte erstreckt, wobei Rechte an Personengesellschaften und Trusts als Beispiele genannt werden.2 Gerade der Ausdruck „vergleichbare Rechte” (Comparable Interests) erscheint bedenklich. Hier wird offensichtlich ein sogenannter Elephant Test vorgegeben: Man mag zwar einen Elefanten nicht definieren können, ihn aber gleichwohl erkennen, wenn man ihn sieht. Ein derartiges Vorgehen findet sich zunehmend im innerstaatlichen Steuerrecht, wo es schon nicht frei von Einwänden ist. Es wird aber im Abkommensrecht desto gravierender, weil es dort regelmäßig an einer übergeordneten Instanz fehlt, welche die Streitigkeiten abschließend entscheiden kann. Verständigungsverfahren kennen keinen Einigungszwang und Schiedsverfahren sind jedenfalls noch nicht universell vorgesehen. Dadurch droht Doppelbesteuerung. Umgekehrt können derart unscharfe Formulierungen aber auch zu Doppelnichtbesteuerungen führen, wenn die Gerichte in den beiden Vertragsstaaten den Ausdruck unterschiedlich verstehen und das jeweilige Abkommen keine Art. 23 Abs. 4 OECD-MA entsprechende Vorschrift kennt. Konsultationsvereinbarungen können dann auch nicht helfen, 1 Die Vorschrift soll gegenüber der bisherigen Version wie folgt geändert werden (Neueinfügungen kursiv, Streichungen durchgestrichen): „4. Gains derived by a resident of a Contracting State from the alienation of shares or comparable interests, such as interests in a partnership or trust, may be taxed in the other Contracting State if, at any time during the 365 days preceding the alienation, these shares or comparable interests derived deriving more than 50 per cent of their value directly or indirectly from immovable property, as defined in Article 6, situated in that the other State may be taxed in that other State.“ 2 Vgl. dazu bisher schon Ziff. 28.5 OECD-MK zu Art. 13.

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zumindest, wenn man der zweifelhaften jüngeren Rechtsprechung des BFH folgt.

V. Reines Verständigungsverfahren als Tie-breaker bei Art. 4 Abs. 3 OECD-MA Als weitere Neuerung ist die grundlegende Änderung der Tie-BreakerRegelung bei Art. 4 Abs. 3 OECD-MA zu verzeichnen.1 Die Abkommen sind grundsätzlich darauf angelegt, dass genau ein Staat Ansässigkeitsstaat ist. Sind die Voraussetzungen nach Abs. 1 in mehr als einem Staat erfüllt, so kommt es auf die sogenannten Tie-breaker-Regeln in Abs. 2 (für natürliche Personen) und Abs. 3 (für andere Personen) an. Die Tiebreaker-Regel in Abs. 3 sah bisher vor, dass der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung maßgeblich ist, also der Place of Effective Management (POEM).2 Dieses Kriterium war schon seit einiger Zeit in die Diskussion gekommen, so dass intensiv über Alternativen nachgedacht wurde.3 Die unterbreiteten Vorschläge für ein anderes materielles Kriterium wurden indessen nicht aufgegriffen. Vielmehr wurde stattdessen eine rein verfahrensmäßige Regelung geschaffen, die sich ansatzweise bereits jetzt in einzelnen Abkommen4 und als Alternativvorschlag im

1 Die geplante Regelung lautet: „3. Where by reason of the provisions of paragraph 1 a person other than an individual is a resident of both Contracting States the competent authorities of the Contracting States shall endeavour to determine by mutual agreement the Contracting State of which such person shall be deemed to be a resident for the purposes of the Convention, having regard to its place of effective management, the place where it is incorporated or otherwise constituted and any other relevant factors. In the absence of such agreement, such person shall not be entitled to any relief or exemption from tax provided by this Convention except to the extent and in such manner as may be agreed upon by the competent authorities of the Contracting States.“; dazu Schnitger/Oskamp, IStR 2014, 385 (386); Valta, ISR 2014, 176 (180 f.) und 249 (253 f.). 2 Ismer/Riemer in Reimer/Rust, Klaus Vogel on Double Taxation, 2015, Art. 4 Rz. 121 ff.; Lehner in Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, 6. Aufl., Art. 4 Rz. 260 ff. 3 Vgl. die Nachweise bei Ismer/Riemer in Reimer/Rust, Klaus Vogel on Double Taxation, 2015, Art. 4 Rz. 137 ff. und Rz. 129 ff. zu abweichender Abkommenspraxis. 4 Vgl. die Nachweise bei Ismer/Riemer in Reimer/Rust, Klaus Vogel on Double Taxation, 2015, Art. 4 Rz. 130. Vgl. für Kapitalgesellschaften auch Art. 4 Abs. 4 S. 2 und 3 der US Model Convention.

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OECD-MK1 findet. Danach müssen sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten einigen. Dafür gibt die Regelung gewisse Entscheidungskriterien vor, ohne jedoch deren Gewichtung zu bestimmen. Die Rechtsfolgen in der Zwischenzeit sind drakonisch: Solange die Behörden keine Einigung über die Ansässigkeit erzielt haben, werden den doppelt ansässigen Gesellschaften Abkommensvorteile nur zuerkannt, soweit sich die zuständigen Behörden darauf geeinigt haben. Mit dieser Regelung soll dem Einsatz von doppelt ansässigen Gesellschaften zu Steuerplanungszwecken entgegengetreten werden,2 die etwa mit Blick auf die doppelte Verlustverwertung bestehen.3 Die Regelung erscheint abkommenspolitisch zweifelhaft:4 Nicht nur besteht angesichts der fehlenden Gewichtung der Entscheidungskriterien Rechtsunsicherheit.5 Vielmehr sind solche Verständigungsvereinbarungen grundsätzlich retrospektiv angelegt. Zwar gibt es die Möglichkeit, wie bei Advance Pricing Agreements solche Vereinbarungen zumindest auch mit Wirkung für die Zukunft zu vereinbaren. Indessen müsste diese Geltung der Verständigungsvereinbarung dann auch hier von Critical Assumptions abhängig gemacht werden, die angesichts der fehlenden Gewichtung der Kriterien kaum zu spezifizieren sind. Zudem sieht die Vorschrift keinen Einigungszwang der Behörden vor, sondern spricht von einem bloßen „shall endeavour“, also einer bloßen Verpflichtung zur Mühewaltung. Diese Formulierung „shall endeavour“ findet sich auch in den regulären Verständigungsverfahren nach Art. 25 Abs. 1 und 2 OECD-MA. Dort wird sie indes neuerdings durch ein Schiedsverfahren nach Abs. 5 ergänzt. Dieses dürfte indessen auf die Verständigungsverfahren nach Art. 4 Abs. 3 OECD-MA keine Anwendung finden. Letzt1 Vgl. Ziff. 24.2 OECD-MK zu Art. 4. 2 Vgl. auch Action 2 zu Zinszahlungen von doppelt ansässigen Gesellschaften: OECD, Neutralising the Effects of Hybrid Mismatch Arrangements, Action 2 – 2015 Final Report OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, 2015. 3 Vgl. dazu auch Rust, BTR 2015, 308 (321 ff.). 4 So auch Schnitger/Oskamp, IStR 2014, 385 (386); Valta, ISR 2014, 249 (253 f.). Vielmehr sollte vorrangig am POEM-Test festgehalten werden; nur soweit dieser zu keinem Ergebnis führt, sollte ein Verständigungsverfahren vorgesehen werden, dass allerdings wie bei Art. 4 Abs. 2 Buchst. d) OECD-MA einen Einigungszwang vorsehen sollte, vgl. Ismer/Riemer in Reimer/Rust, Klaus Vogel on Double Taxation, 2015, Art. 4 Rz. 142. Als Alternativvorschlag sieht auch der OECD-MK ein Festhalten am POEM-Test vor, vgl. Ziff. 24.5 OECD-MK zu Art. 4. 5 Valta, ISR 2014, 176 (180 f.).

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lich lässt sich der Vorschlag nur vor dem Hintergrund erklären, dass Doppelansässigkeitsfälle unerwünscht erscheinen und von den für die Steuerplanung zuständigen vermieden werden können.1 Dies dürfte für die Steuerabteilung von Unternehmen eine gute Gelegenheit sein, sich bei der Geschäftsleitung durch Hinweise auf entsprechende steuerliche Konsequenzen von verlagerten Entscheidungsprozessen überaus beliebt zu machen. Im Ernst: Vorausschauende Steuercompliance in diesem Bereich dürfte zunehmend wichtig werden. Das Problem verschwindet im Übrigen auch nicht dadurch, dass Fälle von doppelt ansässigen Gesellschaften bisher selten sein sollen. Denn das mag durchaus damit zu tun haben, dass sie bisher von den Finanzbehörden nicht besonders aktiv gesucht wurden. Die Kriterien des Ortes der Geschäftsleitung und vergleichbare Kriterien sind wenig präzise. Daher könnte es in der Zukunft durchaus bei unveränderten Sachverhaltskonstellationen zu einer Zunahme von Doppelansässigkeitsfällen kommen. Lassen sich die im Rahmen der Verständigungsverfahren getroffenen Entscheidungen von innerstaatlichen Gerichten kontrollieren oder die derartig diskretionären Regelungen rechtlich angreifen? Weitgehend wohl nicht. Es besteht keine Verpflichtung zur Beseitigung der internationalen Doppelbesteuerung. Damit können Regelungen vorgesehen werden, die deren Beseitigung in das Ermessen der Behörde stellen. Eine einseitige Kontrolle der deutschen Behörden durch innerstaatliche Gerichte könnte lediglich eine Einigung zerstören, grundsätzlich aber gerade keine Einigung erzwingen, sondern allerhöchstens der zuständigen Behörde ein bestimmtes Einigungsangebot aufgeben.

VI. Diskussionsentwurf zu einer Norm zur Verhinderung von Missbrauch durch Drittstaatenbetriebsstätten Ferner ist der Entwurf einer weiteren Norm vorgesehen, der die Besteuerung im Quellenstaat in einer besonderen Konstellation trotz entgegenstehender DBA-Regelung wiederaufleben lässt.2 Der Text befindet sich 1 Vgl. dazu Hinnekens, Intertax 2003, 31(10), 314 (318); Ismer/Riemer in Reimer/ Rust, Klaus Vogel on Double Taxation, 2015, Art. 4 Rz. 130. 2 Der Entwurf der Vorschrift lautet: „Where a) an enterprise of a Contracting State derives income from the other Contracting State and such income is attributable to a permanent establishment of the enterprise situated in a third jurisdiction, and

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ausweislich des Abschlussberichts noch im Entwurfsstadium, so dass zu hoffen ist, dass die unkonventionelle Nummerierung, die wohl auf Microsoft Word zurückzuführen ist, noch beseitigt wird. In inhaltlicher Hinsicht geht es um Fälle, in denen die in Rede stehenden Einkünfte einer Drittstaatenbetriebsstätte zuzurechnen sind und der nach dem hier in Rede stehenden Abkommen eigentlich für die Besteuerung zuständige Ansässigkeitsstaat diese nicht besteuert. Zudem ist erforderlich, dass die Besteuerung im Drittstaat niedrig ist; dies ist dann anzunehmen, wenn die Besteuerung im Drittstaat weniger als 60 Prozent der Steuer beträgt, die im Ansässigkeitsstaat entstanden wäre, wenn die Einkünfte dort und nicht in der Drittstaatenbetriebsstätte angefallen wären. Rechtsfolge der Norm ist, dass die Quellensteuerbegrenzungen für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren durch einen höheren, im Einzelnen zwischen den Staaten zu vereinbarenden Satz ersetzt werden. Abkommensvorteile im Quellenstaat für andere Einkünfte entfallen gänzlich. Eine Ausnahme von dieser drakonischen Rechtsfolge ist vorgesehen, sob) the profits attributable to that permanent establishment are exempt from tax in the first-mentioned State the tax benefits that would otherwise apply under the other provisions of the Convention will not apply to any item of income on which the tax in the third jurisdiction is less than 60 per cent of the tax that would be imposed in the first-mentioned State if the income were earned or received in that State by the enterprise and were not attributable to the permanent establishment in the third jurisdiction. In such a case c) any dividends, interest, or royalties to which the provisions of this paragraph apply shall remain taxable according to the domestic law of the other State but the tax charged in that State shall not exceed [rate to be determined] per cent of the gross amount thereof, and d) any other income to which the provisions of this paragraph apply shall remain taxable according to the domestic law of the other State, notwithstanding any other provision of the Convention. The preceding provisions of this paragraph shall not apply if the income derived from the other State is e) derived in connection with or is incidental to the active conduct of a business carried on through the permanent establishment (other than the business of making, managing or simply holding investments for the enterprise’s own account, unless these activities are banking, insurance or securities activities carried on by a bank, insurance enterprise or registered securities dealer, respectively), or f) royalties that are received as compensation for the use of, or the right to use, intangible property produced or developed by the enterprise through the permanent establishment.“.

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weit die Drittstaatenbetriebsstätte aktive Einkünfte erzielt. Dasselbe gilt für den Fall, dass die Lizenzgebühren für Rechte gezahlt werden, die in der Betriebsstätte entwickelt wurden. Letztere Ausnahme setzt ihrem Wortlaut nach (bestimmter Artikel!) eine Identität der Entwicklungsbetriebsstätte und der Verwertungsbetriebsstätte voraus. Damit dürften gruppeninterne Übertragungen vermutlich schädlich sein. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Entwurf des OECD-Kommentars zu dieser Vorschrift sich dafür ausspricht, die bereits im Rahmen der Limitation-on-Benefits-Klausel diskutierte Gnadenklausel auch auf die hier in Rede stehende Vorschrift anzuwenden.1 Auch diese Norm dürfte, wenn sie denn so kommt, die Steuerabteilungen intensiv beschäftigen. Probleme könnte hier insbesondere die systemwidrige deutsche Besteuerung von Streubesitzdividenden erzeugen, die zu einer hohen Besteuerung in Deutschland als Ansässigkeitsstaat führt. Bei einer Zuordnung von solchen Einkünften zu einer Drittstaatenbetriebsstätte kommt es dann zu einem Entfallen der Quellensteuerbegrenzungen im Quellenstaat. Abhilfe kann allerdings wohl häufig die Umwandlung der Drittstaatenbetriebsstätte in eine selbständige Kapitalgesellschaft schaffen, deren Abschirmwirkung einem Entfallen der Abkommensvorteile entgegensteht.

VII. Art. 1 Abs. 3 OECD-MA (E): Grundsätzlich keine Beschränkung der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat Ferner wird eine Neuregelung in Art. 1 Abs. 3 OECD-MA vorgeschlagen, wonach die Besteuerung im Ansässigkeitsstaat mit Ausnahme der dort genannten Normen nicht beeinträchtigt ist.2 Die Regelung soll klarstellen, dass weder die Hinzurechnungsbesteuerung durch CFC-Regeln noch die Regelungen über die Wegzugsbesteuerung durch DBA beschränkt werden. Indessen erstaunt, dass Art. 8 fehlt, der auf die Besteuerung im POEM-Staat abstellt und gegebenenfalls die Besteuerung im Ansässigkeitsstaat verbietet. Nähme man die Vorschrift beim Wort, wäre für diese Vorschrift grundsätzlich eine Besteuerung im Ansässigkeitsstaat mög-

1 S. dazu oben bei C. I. 2 Die vorgeschlagene Regelung lautet: „3. This Convention shall not affect the taxation, by a Contracting State, of its residents except with respect to the benefits granted under paragraph 3 of Article 7, paragraph 2 of Article 9 and Articles 19, 20, 23 A [23 B], 24 and 25 and 28.“.

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lich; dies dürfte indessen kaum gewollt sein. Vielmehr ist von einem Redaktionsversehen auszugehen.

VIII. Art. 23A und 23B Abs. 1 OECD-MA: Grundsätzlich keine Beschränkung der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat In manchen Situationen besteuern die Vertragsstaaten dasselbe Einkommen oder Vermögen in der Hand unterschiedlicher Personen. Dem gleichzustellen ist künftig die Situation, dass es im Falle der Doppelansässigkeit von Personen, die keine natürlichen Personen sind, nicht zu einer Einigung im Rahmen des Verständigungsverfahrens als Tiebreaker kommt. Daher wird die Aufnahme eines dahingehenden Klammerzusatzes in die Vorschrift vorgeschlagen, die klarstellen soll, dass in solchen Fällen die Vorschrift des Art. 23A/B Abs. 1 OECD-MA nicht anzuwenden ist.1

1 Die Vorschrift des Art. 23A Abs. 1 soll gegenüber der bisherigen Version wie folgt geändert werden (Neueinfügungen kursiv, Streichungen durchgestrichen): „1. Where a resident of a Contracting State derives income or owns capital which may be taxed in the other Contracting State in accordance with the provisions of this Convention (except to the extent that these provisions allow taxation by that other State solely because the income is also income derived by a resident of that State), may be taxed in the other Contracting State, the firstmentioned State shall, subject to the provisions of paragraphs 2 and 3, exempt such income or capital from tax.“ Art. 23B Abs. 1 soll künftig lauten „Where a resident of a Contracting State derives income or owns capital which may be taxed in the other Contracting State in accordance with the provisions of this Convention (except to the extent that these provisions allow taxation by that other State solely because the income is also income derived by a resident of that State), may be taxed in the other Contracting State, the firstmentioned State shall allow: a) as a deduction from the tax on the income of that resident, an amount equal to the income tax paid in that other State; b) as a deduction from the tax on the capital of that resident, an amount equal to the capital tax paid in that other State. Such deduction in either case shall not, however, exceed that part of the income tax or capital tax, as computed before the deduction is given, which is attributable, as the case may be, to the income or the capital which may be taxed in that other State.“.

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IX. Vorschlag einer neuen Norm über Vorzugsbesteuerungsregimes Gegen Ende der Arbeiten an Action 6 sind schließlich zwei – indessen noch vorläufige – alternative Vorschläge über Vorzugsbesteuerungsregimes entstanden, die sich am Ende des Abschlussberichts finden. Der erste Vorschlag sieht vor, dass die Besteuerung im Quellenstaat für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren nicht beschränkt ist, falls das entsprechende Einkommen im Ansässigkeitsstaat einer Vorzugsbesteuerung unterliegt. Der alternative zweite Vorschlag würde den Vertragsstaaten im Ergebnis eine Teilkündigung bestimmter Vorschriften erlauben: Auf die Einführung von umfassenden Vorzugsbesteuerungsregimes im anderen Staat für Einkommen aus Quellen im Ausland hin könnte ein Vertragsstaat erklären, dass er künftig die Vorschriften der Art. 10, 11, 12 und 21 nicht mehr anwenden werde. In einem solchen Fall sind die genannten Vorschriften nach Ende von 6 Monaten ab Zugang der Erklärungen in beiden Vertragsstaaten nicht mehr anwendbar. Beide Vorschriften erscheinen noch nicht vollständig ausgereift.

D. Action 7: Missbräuchliche Verhinderung von Betriebsstätten Action 7 hat sich mit einem besonderen Fall des Missbrauchs beschäftigt, nämlich der missbräuchlichen Verhinderung von Betriebsstätten.1 Dazu werden bedeutsame Änderungen an Art. 5 Abs. 4 bis 6 OECD-MA vorgeschlagen, die durch das geplante multilaterale Instrument umgesetzt werden sollen. Dies betrifft einerseits die Umgehung von Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA durch Kommissionärsstrukturen und ähnliche Strategien. Dazu wird sowohl eine grundlegende Änderung des Art. 5 Abs. 5 als auch des Abs. 6 OECD-MA vorgeschlagen (I.). Andererseits geht es um die Umgehung durch missbräuchliche Inanspruchnahme des Ausnahmekatalogs des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA. Insbesondere soll hier in Art. 5 Abs. 4.1 OECD-MA eine neue anti-fragmentation rule geschaffen werden (II.). Keine Neuregelung ist dagegen für die künstliche Aufspaltung von Verträgen („splitting-up of contracts“) vorgesehen, die für sich genommen das Tatbestandsmerkmal der Dauer von zwölf Monaten 1 OECD, Preventing the Artificial Avoidance of Permanent Establishment Status, Action 7 – 2015 Final Report OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, 2015; dazu Schmidt-Heß, IStR 2016, 165; Staringer, SWI 2015, 575 (580 f.).

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nach Art. 5 Abs. 3 OECD-MA nicht erfüllen (III.). Noch ausstehend sind schließlich die Ergebnisse der Arbeiten zur Betriebsstättengewinnermittlung.1

I. Künstliche Umgehung einer Betriebsstätte durch Kommissionärsstrukturen und ähnliche Strategien (Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA) In der Steuerplanung sind seit etwa zwei Jahrzehnten verstärkt Strategien zu beobachten, die in Hochsteuerländern die Entstehung von Betriebsstätten durch Kommissionärsstrukturen vermeiden. Diese Strategien setzen am bisherigen Art. 5 Abs. 5 und Abs. 6 OECD-MA an. Die Entstehung einer Vertreterbetriebsstätte setzt derzeit voraus, dass der Vertreter die Befugnis zum Abschluss von Verträgen im Namen des Unternehmens hat und diese regelmäßig nutzt. Demnach entsteht erstens bei Kommissionsgeschäften keine Vertreterbetriebsstätte, wenn also der Handelnde die Verträge zwar für Rechnung des Unternehmens abschließt, aber eben nicht in dessen Namen. Dasselbe gilt zweitens, wenn der Handelnde keine Abschlussvollmacht hat, sondern die Verträge nur vorbereitet. Schließlich entsteht drittens auch dann keine Betriebsstätte, wenn der Handelnde zwar im fremden Namen Verträge abschließt, aber ein unabhängiger Vertreter im Sinne des bisherigen Abs. 6 ist. Nach bisherigem Verständnis kann dies auch ein verbundenes Unternehmen sein. Hinsichtlich aller drei Punkte soll nunmehr Abhilfe geschaffen werden. Mit Blick auf die ersten beiden Punkte soll Abs. 5 erweitert werden:2

1 OECD, Preventing the Artificial Avoidance of Permanent Establishment Status, Action 7 – 2015 Final Report OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, 2015, 45. 2 Die Vorschrift des Art. 5 Abs. 5 soll gegenüber der bisherigen Version wie folgt geändert werden (Neueinfügungen kursiv, Streichungen durchgestrichen): „5. Notwithstanding the provisions of paragraphs 1 and 2 but subject to the provisions of paragraph 6, where a person other than an agent of an independent status to whom paragraph 6 applies is acting in a Contracting State on behalf of an enterprise and has, and habitually exercises, in a Contracting State, an authority to conclude contracts, in doing so, habitually concludes contracts, or habitually plays the principal role leading to the conclusion of contracts that are routinely concluded without material modification by the enterprise, and these contracts are a) in the name of the enterprise, or

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Zum einen sollen Kommissionsgeschäfte grundsätzlich einbezogen werden. Dementsprechend soll es fortan statt des Abschlusses im Namen des Unternehmens alternativ auch ausreichen, wenn ein vermittelter Vertrag die Übertragung des Eigentums oder die Gewährung von Nutzungsrechten an Gegenständen des Unternehmens oder die Erbringung von Dienstleistungen durch das Unternehmen zum Gegenstand hat. Derartige Kommissionsgeschäfte führen zur Begründung einer Betriebsstätte, wenn nicht Abs. 6 eingreift (dazu sogleich). Zum anderen soll statt der rechtlichen Vertretungsmacht auf die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen sein. Für das Entstehen einer Betriebsstätte soll künftig ausreichen, dass der Handelnde die maßgebliche Rolle spielt, so dass es regelmäßig ohne signifikante Änderungen zum Abschluss von Verträgen durch das Unternehmen kommt („plays the principal role leading to the conclusion of contracts that are routinely concluded without material modification by the enterprise.”). Die Gestaltungen funktionierten allerdings auch bisher nur, wenn der Handelnde unabhängig war.1 Als Ausnahmetatbestand zu Abs. 5 ent-

b) for the transfer of the ownership of, or for the granting of the right to use, property owned by that enterprise or that the enterprise has the right to use, or c) for the provision of services by that enterprise, that enterprise shall be deemed to have a permanent establishment in that State in respect of any activities which that person undertakes for the enterprise, unless the activities of such person are limited to those mentioned in paragraph 4 which, if exercised through a fixed place of business, would not make this fixed place of business a permanent establishment under the provisions of that paragraph.“. 1 Die Vorschrift des Art. 5 Abs. 5 soll gegenüber der bisherigen Version wie folgt geändert werden (Neueinfügungen kursiv, Streichungen durchgestrichen): „An enterprise shall not be deemed to have a permanent establishment in a Contracting State merely because it carries on business in that State through a broker, general commission agent or any other agent of an independent status, provided that such persons are acting in the ordinary course of their business. a) Paragraph 5 shall not apply where the person acting in a Contracting State on behalf of an enterprise of the other Contracting State carries on business in the first-mentioned State as an independent agent and acts for the enterprise in the ordinary course of that business. Where, however, a person acts exclusively or almost exclusively on behalf of one or more enterprises to which it is closely related, that person shall not be considered to be an independent agent within the meaning of this paragraph with respect to any such enterprise.

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stand keine Betriebsstätte, wenn der unabhängige Vertreter im Rahmen seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit handelte. Auch an dieser Stelle sind die Anforderungen verschärft worden. Eine bloß formale, rechtliche Unabhängigkeit reicht künftig nicht mehr aus. Danach wird die Unabhängigkeit als Rückausnahme verneint, wenn der Handelnde mit dem Unternehmen verbunden ist.1

II. Künstliche Umgehung einer Betriebsstätte durch den Ausnahmekatalog des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA Andere Gestaltungen setzen am Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA an. Danach begründen Aktivitäten i.S.d. Buchst. a)–d) in jedem Fall keine Betriebsstätten, während dies für die Aktivitäten in Buchst. e) und f) nur dann der Fall ist, wenn die Aktivitäten vorbereitender Art oder Hilfstätigkeiten sind. In Zukunft hingegen soll erforderlich sein,2 dass alle Aktivitäten (Buchst. a)–f)) vorbereitender Art oder Hilfs-

b) For the purposes of this Article, a person is closely related to an enterprise if, based on all the relevant facts and circumstances, one has control of the other or both are under the control of the same persons or enterprises. In any case, a person shall be considered to be closely related to an enterprise if one possesses directly or indirectly more than 50 per cent of the beneficial interest in the other (or, in the case of a company, more than 50 per cent of the aggregate vote and value of the company’s shares or of the beneficial equity interest in the company) or if another person possesses directly or indirectly more than 50 per cent of the beneficial interest (or, in the case of a company, more than 50 per cent of the aggregate vote and value of the company’s shares or of the beneficial equity interest in the company) in the person and the enterprise.“. 1 Zur Definition „nahestehend“ s. Art. 5 Abs. 6 Buchst. b) OECD-MA. 2 “4. Notwithstanding the preceding provisions of this Article, the term “permanent establishment” shall be deemed not to include: a) the use of facilities solely for the purpose of storage, display or delivery of goods or merchandise belonging to the enterprise; b) the maintenance of a stock of goods or merchandise belonging to the enterprise solely for the purpose of storage, display or delivery; c) the maintenance of a stock of goods or merchandise belonging to the enterprise solely for the purpose of processing by another enterprise; d) the maintenance of a fixed place of business solely for the purpose of purchasing goods or merchandise or of collecting information, for the enterprise;

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tätigkeiten sind. Zudem kommt es künftig nicht auf die einzelne Tätigkeit an, sondern auf die Gesamtaktivität der Geschäftseinrichtung. Ferner war es bisher möglich, dem Entstehen einer Betriebsstätte durch Aufteilung von Funktionen auf verschiedene verbundene Unternehmen entgegenzutreten. Als Gegenmaßnahme soll in Abs. 4.1 künftig eine „anti-fragmentation rule“ eingeführt werden.1 Danach reicht die bloße Aufteilung zusammenhängender („cohesive“) Aktivitäten nicht mehr aus, um der Anwendung von Art. 5 Abs. 4 OECD-MA zu entgehen. Vielmehr soll nunmehr eine Gesamtbetrachtung angestellt werden, in welche auch sich ergänzende Tätigkeiten („complementary functions“) nahestehender Unternehmen (s. Art. 5 Abs. 6 OECD-MA) einzubeziehen sind.2

e) the maintenance of a fixed place of business solely for the purpose of carrying on, for the enterprise, any other activity of a preparatory or auxiliary character; f) the maintenance of a fixed place of business solely for any combination of activities mentioned in subparagraphs a) to e), provided that the overall activity of the fixed place of business resulting from this combination is of a preparatory or auxiliary character, provided that such activity or, in the case of subparagraph f), the overall activity of the fixed place of business, is of a preparatory or auxiliary character.“. 1 Der Vorschlag zu Art. 5 Abs. 4.1 OECD-MA lautet: „4.1 Paragraph 4 shall not apply to a fixed place of business that is used or maintained by an enterprise if the same enterprise or a closely related enterprise carries on business activities at the same place or at another place in the same Contracting State and a) that place or other place constitutes a permanent establishment for the enterprise or the closely related enterprise under the provisions of this Article, or b) the overall activity resulting from the combination of the activities carried on by the two enterprises at the same place, or by the same enterprise or closely related enterprises at the two places, is not of a preparatory or auxiliary character, provided that the business activities carried on by the two enterprises at the same place, or by the same enterprise or closely related enterprises at the two places, constitute complementary functions that are part of a cohesive business operation.“. 2 S. dazu Ziff. 27.1 und 30.2–30.4.

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III. Keine Neuregelung für andere Vermeidungsstrategien i.R.d. Art. 5 Abs. 3 OECD-MA („splitting-up of contracts“) Keine Neuregelung wird hingegen für andere Vermeidungsstrategien i.R.d. Art. 5 Abs. 3 OECD-MA („splitting-up of contracts“) vorgesehen, wonach anstelle eines einheitlichen Vertrags mehrere gesonderte Verträge mit verschiedenen Gesellschaften derselben Gruppe geschlossen werden, die für sich genommen das Tatbestandsmerkmal der Dauer von zwölf Monaten nicht erfüllen. Vielmehr soll sie grundsätzlich bereits durch die Principal Purpose Test (PPT) rule (Art. X im Aktionspunkt 6) sowie durch “example J” im Kommentar zu Art. X bewältigt werden. Allerdings soll der Kommentar künftig in Rz. 18–18.1 zusätzlich oder alternativ einen optionalen Absatz zur Verfügung stellen. Danach sind die Zeiträume verbundener („connected“) Aktivitäten nahestehender Unternehmen (s. Art. 5 Abs. 6 OECD-MA) zu addieren, wenn sie sich auf einen Zeitraum von mehr als 30 Tagen erstrecken.

E. Zusammenfassung und Ausblick Der Steuerwettbewerb soll zunehmend durch Koordination der Staaten eingedämmt werden. Ob und in welchem Umfang das tatsächlich gelingt, wird abzuwarten bleiben. Die Maßnahmen im Rahmen des BEPS-Projekts werden dabei nur einen Teil der Antwort darstellen. Es werden daher auch andere Instrumente wie namentlich die Subventionskontrolle durch das Europäische Beihilferecht1 zum Einsatz kommen müssen. Daneben werden auch die einschlägigen Vorschriften im Welthandelsrecht in Erwägung zu ziehen sein. Zugleich gilt es aus steuerpolitischer Sicht aufzupassen, dass die Anreize für unkooperatives Verhalten nicht durch die Kooperation erhöht werden, weil weniger Wettbewerb herrscht zwischen den Jurisdiktionen, die Steuerwettbewerb betreiben, und dass internationale Wirtschaftsaktivitäten nicht durch unterschiedlichen Eifer bei der Bekämpfung von Steuerwettbewerb verzerrt werden. Die ökonomische Theorie zeigt, dass es in einer Welt mit territorial begrenzter Steuerhoheit optimal sein kann, mobile Faktoren geringer zu besteuern als immobile Faktoren; Steuerwettbewerb kann diese Steuersatzdifferenzierungen ermöglichen.

1 Dazu etwa Ismer/Piotrowski, Intertax 2015, 559.

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Jedenfalls aber kommen durch den BEPS-Prozess umfangreiche Änderungen auf die Abkommenspraxis zu. Weil die Umsetzung durch das geplante multilaterale Instrument erfolgen soll, werden diese Änderungen nicht nur künftige Abkommen betreffen, sondern auch bestehende Abkommen modifizieren. Allerdings sind die Vorschläge, wie die OECD selbst ausführt, durch eine gewisse Flexibilität gekennzeichnet. Flexibilität ist dabei nur ein anderes Wort für Uneinheitlichkeit aufgrund fehlenden Konsenses; an manchen Stellen dürften die Vorschläge eher die Vorgabe einer groben Richtung beinhalten. Es ist daher davon auszugehen, dass die Unterschiede zwischen den DBA zunehmen werden. Auch erhöhen die im Zuge von BEPS getroffenen Maßnahmen das Risiko, dass es zu abkommenswidriger Besteuerung kommt. Daher ist die Streitbeilegung von Anfang an Teil des BEPS-Projekts gewesen. Allerdings haben sich die Akzente verschoben: War anfänglich noch von einer bedeutenden Stärkung des Schiedsverfahrens auszugehen, so haben sich die dahingehenden Hoffnungen relativiert. Zwar haben sich wichtige Staaten für die Einführung von Schiedsverfahren, die sich seit dem Update 2008 ja bereits im OECD-MA finden, in die Abkommenspraxis aber noch nicht umfassend aufgenommen werden, ausgesprochen. Eine ausdrückliche Erklärung im Rahmen des Abschlussberichts1 fehlt. Stattdessen liegt der Schwerpunkt auf der Verbesserung des Verständigungsverfahrens. Hier ist zunächst eine Änderung des Abkommenstexts selbst zu verzeichnen: Künftig sollen Anträge auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens nicht nur bei der zuständigen Behörde des Ansässigkeitsstaats, sondern bei jeder zuständigen Behörde gestellt werden können. Daneben finden sich verfahrensmäßige Standardsicherungen, die bald den Charakter von Mindeststandards, bald von Best Practice Standards haben. Die Einhaltung der Vorgaben soll durch Peer Review Verfahren gesichert werden. Die Vorgaben sind indessen rechtlich weniger bedeutsam als tatsächlich. Aus Sicht der Steuerpflichtigen werden die nächsten Dekaden wohl weniger erfreulich werden als die Hochzeiten des Steuerwettbewerbs. Aufgabe der Steuerwissenschaften und der Steuerpraxis ist es jedenfalls, die Rechtssicherheit zu wahren und vor allem die Zielgenauigkeit der Maßnahmen einzufordern. Denn das Steuerrecht darf nicht verhindern, dass die Wirtschaft die legitimen Früchte der Globalisierung ernten kann. 1 OECD, Making Dispute Resolution Mechanisms More Effective, Action 14 – 2015 Final Report, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, 2015, 41.

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F. Anhang: Tabellarischer Überblick über die vorgeschlagenen Änderungen des OECD-MA sowie des Kommentars Änderungen hinsichtlich …

Vorgeschlagene Änderungen des OECD-MA

Vorgeschlagene Änderungen des Kommentars zum OECD-MA

Einleitung

(siehe Änderungen hinsichtlich Titel u. Präambel)

Ersetzen von Ziff. 2 bis 3 (Action 6) Einfügen von Ziff. 15.1 bis 15.6 (Action 6) Ersetzen von Ziff. 16 (Action 6)

Titel

Ersetzen des Titels einschl. – Fußnote (Action 6)

Präambel

Ersetzen der Präambel einschl. Fußnote (Action 6)



Art. 1

Einfügen von Abs. 2 (Action 2)

Einfügen von Ziff. 26.3 bis 26.16 (Action 2)

Keine entsprechende Änderung des OECD-MA (nur Kommentar)

Ersetzen von Ziff. 7 bis 26.8 (Action 6)

Einfügen von Abs. 3 (Action 6)

Einfügen von Ziff. 26.17 bis 26.21 (Action 6)

Art. 2





Art. 3

Vorschlag 1: Einfügen von Abs. 1 “special tax regimes” (Action 6)1



Art. 4

Ersetzen von Abs. 3 (Action 6)

Ersetzen von Ziff. 21 bis 24.1 (Action 6)

Art. 5

Keine entsprechenden Änderungen von Abs. 3 (nur Kommentar)

Ersetzen von Ziff. 18 (Action 7)

1 Ergänzt durch Protokollvorschriften.

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Ismer – BEPS und DBA: Die vorgeschlagenen Änderungen des OECD-MA Änderungen hinsichtlich …

Vorgeschlagene Änderungen des OECD-MA

Vorgeschlagene Änderungen des Kommentars zum OECD-MA

Ersetzen von Abs. 4 (Action 7)

Ersetzen von Ziff. 21 bis 30 (Action 7)

Einfügen von Abs. 4.1 (Action 7)

Ersetzen von Ziff. 27.1 (Action 7) Einfügen von Ziff. 30.2 bis 30.4 (Action 7)

Ersetzen von Ziff. 5 und 6 (Action 7)

Ersetzen von Ziff. 31 bis 39 (Action 7)

Art. 6





Art. 7

Keine entsprechende Änderung des OECD-MA (nur Kommentar)

Einfügen von Ziff. 59.1 (Action 14)

Alternative: Einfügen einer Ersetzen von Ziff. 62 neuen Vorschrift (Action 14) (Action 14)2 Art. 8





Art. 9

Keine entsprechende Änderung des OECD-MA (nur Kommentar)

Einfügen von Ziff. 6.1 (Action 14)

Alternative: Einfügen einer Ersetzen von Ziff. 10 neuen Vorschrift (Action 14) (Action 14)3 Art. 10

Art. 11

Änderung von UAbs. a) von – Abs. 2 (Action 6) Optional Einfügen von UAbs. a) von Abs. 2 (Action 6)



Vorschlag 1: Neue Vorschrift „special tax regimes“ (Action 6)



2 Falls ein Staat Art. 25 Abs. 2 OECD-MA nicht vereinbaren kann. 3 Falls ein Staat Art. 25 Abs. 2 OECD-MA nicht vereinbaren kann.

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Ismer – BEPS und DBA: Die vorgeschlagenen Änderungen des OECD-MA Änderungen hinsichtlich …

Vorgeschlagene Änderungen des OECD-MA

Vorgeschlagene Änderungen des Kommentars zum OECD-MA

Art. 12

Vorschlag 1: Neue Vorschrift „special tax regimes“ (Action 6)



Art. 13

Ersetzen von Abs. 4 (Action 6)



Art. 14 (gelöscht)





Art. 15





Art. 16





Art. 17





Art. 18





Art. 19





Art. 20





Art. 21

Vorschlag 1: Neue Vorschrift „special tax regimes” (Action 6)



Art. 22





Art. 23A

Ersetzen von Abs. 1 (Action 6)

Einfügen von Ziff. 11.1 (Action 6)

Art. 23B

Ersetzen von Abs. 1 (Action 6)

Einfügen von Ziff. 11.1 (Action 6)

Art. 24

Einfügen einer neuen Vorschrift (Action 6)4

Einfügen von Ziff. 1 bis 3 (Action 6)

Art. 25

Ersetzen von Abs. 1 (Action 14)

Ersetzen von Ziff. 7 (Action 14)

Keine entsprechende Änderung des OECD-MA (nur Kommentar)

Ersetzen von Ziff. 16 bis 19 (Action 14)

4 Missbrauchsvorschrift hinsichtlich Drittstaatenbetriebsstätten.

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Ismer – BEPS und DBA: Die vorgeschlagenen Änderungen des OECD-MA Änderungen hinsichtlich …

Vorgeschlagene Änderungen des OECD-MA

Vorgeschlagene Änderungen des Kommentars zum OECD-MA

Keine entsprechende Änderung des OECD-MA (nur Kommentar)

Ersetzen von Ziff. 31 bis 35 (Action 14)

Keine entsprechende Änderung des OECD-MA (nur Kommentar)

Ersetzen von Ziff. 14 (Action 14)

Keine entsprechende Änderung des OECD-MA (nur Kommentar)

Ersetzen von Ziff. 23 (Action 14)

Keine entsprechende Änderung des OECD-MA (nur Kommentar)

Ersetzen von Ziff. 35 (Action 14)

Keine entsprechende Änderung des OECD-MA (nur Kommentar)

Ersetzen von Ziff. 42 (Action 14)

Art. 26





Art. 27





Art. 28





Art. 29





Art. 30





Art. 31





Art. X (neu) – Berechtigung zu Abkommensvorteilen

Einfügen von Art. X Ziff. 1 bis 6 (Action 6)

Einfügen von Ziff. 1 bis 87 (Action 6)

Einfügen von Art. X Abs. 7 (Action 6)

Einfügen von Ziff. 1 bis 19 (Action 6)

Einfügen von Ziff. 1 bis 3 (Action 6)



Vorschlag 2: Neue allg. Vorschrift5

5 Neue Vorschrift, um das Abkommen an Änderungen des nationalen Rechts anzupassen.

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Stand und Bewertung des BEPS-Projekts aus Sicht von Verwaltung und Unternehmen BEPS und DBA – Ein Überblick über die vorgeschlagenen Änderungen des OECD-MA Podiumsdiskussion Leitung Prof. Dr. Jürgen Lüdicke Rechtsanwalt, Steuerberater, International Tax Institute, Universität Hamburg Teilnehmer Dr. Daniel Fehling Bundesministerium der Finanzen, Berlin

Dr. Hans Georg Raber Volkswagen AG, Leiter Steuerpolitik und Zölle

Roland Hummel, LL.M. Siemens AG, Leiter Tax Planning

Dr. Roland Wacker Vors. Richter am Bundesfinanzhof, München

Prof. Dr. Roland Ismer, MSc Econ. (LSE) Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Prof. Dr. Lüdicke Wir haben drei sehr interessante Vorträge gehört. Wir haben auch schöne Folien gesehen; insbesondere die Folie mit der perfekten oder nicht so perfekten Welle1 von Herrn Hummel hat mich sehr beeindruckt. Ich habe mich gefragt – und vielleicht wird ja Herr Raber das jetzt gleich beantworten –, ob außer dem, was Herr Hummel beschrieben hat, was da alles zu sehen und nicht zu sehen war in dem großen Wasser hinter der Welle, vielleicht auch noch ein weißer Hai herumschwimmt. 1 Die erste Folie der Präsentation von Herrn Hummel zu seinem Vortrag „Stand und Bewertung des BEPS-Projekts aus Sicht der Unternehmen“ zeigte das Foto einer riesigen Welle, die sich im Hintergrund bereits schäumend zu überschlagen begann und im nächsten Augenblick vollständig zusammenzubrechen drohte.

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Podiumsdiskussion zu BEPS: Stand und Bewertung des Projekts/BEPS und DBA

Dr. Raber Wenn ich das wüsste, wäre ich wahrscheinlich irgendwo in der Karibik. Ich glaube, das weiß derzeit keiner von uns genau, aber ich kann hier natürlich ergänzend zu Herrn Hummel die Sicht unseres Unternehmens zu BEPS hinzufügen. Das Entscheidende ist, dass die Maßnahmen, die im Zuge der BEPS-Diskussion umgesetzt werden sollen, den internationalen Wirtschaftsverkehr nicht behindern dürfen. Und wir müssen uns dabei nicht nur die jetzige Situation, sondern auch die Zukunftssituation vor Augen führen. Die Wertschöpfung, an die zunehmend angeknüpft wird, die aber betriebswirtschaftlich nicht trennscharf zu definieren ist, findet nicht mehr klassischerweise an einem Ort, sondern zunehmend an einer Vielzahl verschiedener Orte statt. Und die rechtliche und wirtschaftliche Bestimmung, wo denn welcher Teil der Wertschöpfung stattfindet, ist selbst beim besten Willen immer schwerer durchführbar. Das sieht man beispielhaft an Geschäftsmodellen der digitalisierten Welt. Zukünftig werden noch ganz andere arbeitsteilige, heute noch gar nicht beschriebene Geschäftsmodelle eine Rolle spielen. Wenn die BEPS-Diskussion nur auf das Bestehende und nicht auch auf diese künftigen Entwicklungen Rücksicht nimmt, dann kann es durchaus sein, dass die internationale Geschäftstätigkeit, die eigentlich zum Wohlstand weltweit beitragen sollte, in Zukunft zumindest ein Stück weit abgewürgt wird, und das muss auf jeden Fall verhindert werden. Der Entwurf zu § 4 Abs. 5a EStG1, der als Bundesratsinitiative eingebracht worden war, wurde schon genannt. Das ist ein Beispiel für die Behinderung normaler Wirtschaftstätigkeit. Denn diese Vorschrift würde auch normale Kapitalmarkttransaktionen erfassen, die typischerweise zur Finanzierung abgeschlossen werden und nicht, um Steuern zu sparen. Demjenigen, der davon erfasste Anleihen ausgibt, ist die steuerliche Situation des Investors regelmäßig wegen der Anonymität des Kapitalmarkts gar nicht bekannt. Deshalb soll es zu einer Versagung des Betriebsausgabenabzugs für die gezahlten Zinsen kommen. Damit wäre die Vorschrift deutlich über das Ziel einer Missbrauchsvermeidung hinausgeschossen. Man kann nur hoffen, dass man solche und ähnliche Vorschriften auf den wirklichen Missbrauchskernbereich begrenzt und nicht mit der „Rasenmähermethode“ auch die normale Wirtschaft trifft.

1 BR-Drucks. 432/14.

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Doppelbesteuerungsrisiken sehen wir vor allen Dingen bei den neuen Entwicklungen zu Betriebsstätten. Es ist ja bekannt, dass in vielen Ländern die Betriebsstättendefinitionen deutlich weiter sind als bei uns und dass auch in deutschen Doppelbesteuerungsabkommen beispielsweise Dienstleistungsbetriebsstätten vereinbart sind. Über diese Fälle hinaus wird es künftig weitere Betriebsstättenrisiken geben. Kommissionärsstrukturen sind angesprochen worden. Es kann also sein, dass neben einer Tochtergesellschaft in einem ausländischen Staat demnächst eine Vielzahl von Betriebsstätten bestehen, die dann administrativ vom Steuerpflichtigen zu bewältigen sind. Eigentlich müssten sich die beteiligten zwei Fisci darüber verständigen, ob eine Betriebsstätte anzunehmen ist oder nicht. Man sollte also auf jeden Fall den Betriebsstättenbegriff eher eng definieren. Und für uns im Zusammenhang mit Doppelbesteuerungen ganz entscheidend ist, wie von Herrn Hummel auch schon erwähnt, ein verbindlicher Streitbeilegungsmechanismus. Alle BEPS-Maßnahmen werden selbst bei bester Umsetzung dazu führen, dass die Zahl der Doppelbesteuerungsfälle steigt, und es ist eigentlich schade, dass sich nur ein kleiner Kreis von Staaten dazu hat durchringen können, wirklich verbindliche Streitbeilegungsmechanismen zu schaffen. Das hätte eigentlich für alle Staaten verbindlich vorgesehen werden müssen, die sich an der BEPS-Initiative beteiligt haben. Abschließend noch ein praktischer Hinweis zum Country-by-CountryReporting: Wir sehen eine große Gefahr von Fehlinterpretationen dieser Zahlen. Sie wissen, dass mit schematisiert abgerufenen Daten und Zahlen wiederum mehr Fragen aufgeworfen werden. Außerdem spielen bei der Interpretation der Daten auch unterschiedliche Interessen der unterschiedlichen Staaten eine Rolle. Gewisse Schwellenländer könnten zum Beispiel denken, sie seien steuerlich zu kurz gekommen. All dies wird dazu führen, dass die Daten erklärungsbedürftig sind, und genau so, Herr Hummel, wie Sie gesagt haben, zu deutlich schärferen Nachfragen der Finanzbehörden führen, ohne dass irgendeine Steuervermeidung dahinter stecken muss. Wir haben auch große Sorge, dass die Daten, die zum Teil sehr sensibel sind, nicht nur an die Finanzbehörden, sondern auch an Wettbewerber gelangen. Verhindert werden muss deshalb auf jeden Fall eine Veröffentlichungspflicht. Wenn die Öffentlichkeit solche Daten missinterpretiert, dann wird sich die Entwicklung, die Sie, Herr Hummel, als „Pseudo-BEPS“ beschrieben haben, nur noch verstärken. Es muss vermieden werden, dass in der Öffentlichkeit ein gegen multinationale Unternehmen gerichtetes Zerrbild aufgebaut wird. Das könn-

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te aber leicht passieren, wenn hier nicht mit Augenmaß umgesetzt wird. Gestatten Sie mir ein abschließendes Petitum: Auf keinen Fall sollte Deutschland irgendetwas umsetzen, bevor wichtige andere Staaten, ich meine hier vor allem die USA, dies tun. Eine nicht-koordinierte Umsetzung der BEPS-Maßnahmen wäre für die internationale Wirtschaft sehr negativ. Dr. Fehling Herr Raber hat einige Punkte angesprochen, die ich natürlich jetzt nicht alle sofort kommentieren werde. Aber, vielleicht beispielhaft auch für andere BEPS-Aktionspunkte, kann ich das Country-by-Country-Reporting nennen. Sie müssen sehen, wir sind nicht in einem Szenario, wo entweder wir handeln, oder es passiert sonst nichts. Es wäre in jedem Fall etwas passiert. Beim Thema Country-by-Country-Reporting gibt es eine Vielzahl von Staaten, die dieses Instrument sehr stark befürwortet haben und die schon ziemlich konkret in den Startlöchern waren, so etwas bei sich einzuführen. Und dann wäre die Folge gewesen, dass deutsche Konzerne mit ihren Tochtergesellschaften im Ausland dort angefragt werden würden, solche konzernweiten Daten zu liefern. Und wenn diese Tochtergesellschaften dann sagen, das können wir gar nicht, diese Informationen haben wir nicht, glauben Sie, dass die Finanzverwaltung sich damit zufrieden gibt? Die Fragen zu Transparenz und Öffentlichkeit kommen hinzu. Auch das haben Sie angesprochen. Es gibt eine Vielzahl von Bestrebungen, diese Daten nicht nur zwischen den Finanzverwaltungen auszutauschen, sondern öffentlich zu machen. Wir haben das zuletzt bei der Diskussion zur Aktionärsrechte-Richtlinie, wo das europäische Parlament entsprechende Forderungen gestellt hat, erlebt. Das ist jetzt erst einmal zurückgestellt worden, aber es gibt auch eine Vielzahl anderer Bestrebungen. Unser Ansatz war, hier ein rechtssicheres Verfahren zu schaffen, das gewisse Standards einbehält. Wir haben die Grenze von 750 Millionen Euro Umsatz, die Sie kennen, und wir haben Regelungen geschaffen, die dazu führen, dass es nach Abgabe des Country-by-Country-Reports eines deutschen Unternehmens in Deutschland und nach Austausch mit den betreffenden Staaten keine Nachfrage an die dortigen Tochtergesellschaften mehr geben soll. Natürlich wäre es schön gewesen, wenn wir diesen Punkt und auch alle anderen Punkte mit einem verbindlichen Schiedsverfahren begleitet hätten, und, das möchte ich an dieser Stelle auch sagen, Aktionspunkt 14 war

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für Deutschland einer der wichtigsten. Ich weiß nicht, ob Sie es verfolgt haben, aber es gab während des Prozesses bei Aktionspunkt 14 einen Impuls, diese Schiedsverfahren noch stärker voranzubringen. Deutschland hat dieses Anliegen im Rahmen seiner G7-Präsidentschaft besonders gefördert. Dass es jetzt immerhin 20 Staaten geworden sind, die sich dazu bekannt haben, ist aus unserer Sicht ein wichtiger Erfolg. Man muss aber auch zur Kenntnis nehmen, dass es einige Staaten gibt, die noch nicht so weit sind. Die sagen uns, dass sie diese verbindlichen Schiedsverfahren nicht kennen und deshalb Berührungsängste haben. Es gibt aber auch andere Staaten, die sagen, dass sie das zwar nicht kennen, es sich aber mal angucken. Und das sehe ich als eine Chance, dass sich die Zahl 20 noch vergrößert, wenn wir die Vorzüge solcher Verfahren in der internationalen Diskussion noch stärker herausstellen können. Das ist auf jeden Fall unser Ziel. Prof. Dr. Lüdicke Vielen Dank, Herr Fehling. Herr Wacker, es sind ja über das rein Politische hinaus auch rechtliche Gesichtspunkte angesprochen worden. Mögen Sie vielleicht zu dem einen oder anderen etwas sagen? Dr. Wacker Also, wenn ich noch einmal auf diese Welle zu sprechen kommen darf: Die Rechtsprechung reitet nicht auf der Welle, sondern, um das Bild vielleicht ein bisschen auszudehnen, wir sitzen gewissermaßen in der zweiten Reihe der Düne im Strandkorb und schauen uns von dort her die Sache an. Insofern hat mich die Bemerkung von Herrn Fehling interessiert. Sie wollen an den bestehenden nationalen Regelungen gar nicht so viel ändern. Da sind wir dann auch bei § 4h EStG, der Zinsschranke. Sie wissen, dass der I. Senat zwischenzeitlich bereits zu zwei Aussetzungsverfahren entschieden hat, und zwar zu beiden Escapes, die diese Vorschrift bietet, sowohl zur Gesellschafterfremdfinanzierung1 als auch zum konzerninternen Eigenkapitalvergleich2. Die endgültige Klärung der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift steht noch aus; sie wird allerdings nicht in München, sondern in Karlsruhe stattfinden.3 1 BFH v. 18.12.2013 – I B 85/13, BStBl II 2014, 947. 2 BFH v. 13.3.2012 – I B 111/11, BStBl II 2012, 611. 3 Anm.: Zwischenzeitlich ist der Vorlagebeschluss v. 14.10.2015 – I R 20/15 bekannt geworden. Vgl. hierzu Märtens, jurisPR-SteuerR 8/2016, Anm. 1; Wiese, GmbHR 2016, 300 ff.; Glahe, ISR 2016, 86 ff.

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Die Einschätzung des I. Senats zu den Konsultationsvereinbarungen1 halte ich für zutreffend. Jede Rechtsverordnung unterliegt nach Art. 80 des Grundgesetzes dem Bestimmtheitsgebot, und hieran müssen sich auch solche Verordnungen messen lassen. Dass dem nicht genügt und das Bestimmtheitsgebot in § 2 Abs. 2 der Abgabenordnung missachtet wurde, liegt eigentlich auf der Hand. Prof. Dr. Ismer Wir arbeiten ja heute sehr erfolgreich mit dem Bild der Welle, und das Wesen einer Welle ist, dass sie sich irgendwann legt. Letztendlich geht es um Wasser, das sich in einem Zustand befindet, der große Kraft hat, und am Ende des Ganzen ist sie weg. So ist das mit der Rechtsunsicherheit auch. Irgendwann werden wir aus den Problemen der Rechtsunsicherheit, die wir uns hier schaffen, herauskommen. Die Frage ist nur, was passiert in der Zwischenzeit. Ja, es ist vielleicht für das Opfer eines Tsunami nicht besonders beruhigend, wenn man ihm sagt, am Ende hat sich die Welle wieder gelegt. Das heißt, wir brauchen Mechanismen, um Streitigkeiten, die bei Doppelbesteuerungsabkommen entstehen, möglichst schnell rechtssicher beizulegen. Dazu gehören die individuellen Streitbeilegungsverfahren, also Verständigungsverfahren nach Art. 25 Abs. 1 und Abs. 2 OECD-MA, die dann irgendwann in Schiedsverfahren übergehen können. Der Grund, warum wir uns eine nicht ganz billige Rechtsprechung leisten, liegt darin, dass sie über den konkret zu entscheidenden Einzelfall hinaus Rechtssicherheit schaffen soll. Das Problem ist, dass die nationale Rechtsprechung damit oftmals überfordert ist. Denn sie kann die Probleme für nur einen Teil, für ein Steuerrechtsverhältnis von mehreren, lösen. Das heißt, wir brauchen internationale Koordinierungsmechanismen. Die brauchen wir zunächst im individuellen Fall. Dann müssen aber auch die individuellen Verständigungsvereinbarungen und die Schiedsverfahren in geeigneter Form veröffentlicht werden. Das reicht aber nicht. Der Rechtssicherheit sind die Konsultationsvereinbarungen sicherlich dienlich, weil sie in abstrakt-genereller Weise das Abkommen konkretisieren. In einer Weise, wie es die nationale Rechtsprechung nicht kann. Wir haben diesen Mechanismus explizit in den DBA vorgesehen, der auch in Einklang mit der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes steht.

1 BFH v. 30.6.2015 – I R 79/13, BFHE 250, 110.

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Der Hinweis auf das Bestimmtheitsgebot überzeugt mich persönlich nicht, wenn ich sehe, was das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit für hinreichend bestimmt erklärt hat. Das Bundesverfassungsgericht war bisher sehr, sehr großzügig, was das Bestimmtheitserfordernis angeht. Ich frage mich also, ob man nicht der Rechtssicherheit einen großen Dienst hätte erweisen können, indem man hier mit Augenmaß das Ganze verfassungskonform interpretiert hätte, statt es einfach zu verwerfen. Im Übrigen, als letzter Punkt noch, Sie merken, ich rede mich in Rage, und das ist immer etwas gefährlich, wenn man einen Professor hat, der sich in Rage redet. Ich fasse mich also kurz: Wir wissen, dass auf internationaler Ebene internationale Organisationen Rechtssetzungsbefugnisse haben können. Das kennen Sie von der EU als supranationaler Organisation, das haben aber auch andere internationale Organisationen. Im völkerrechtlichen Schrifttum wird intensiv diskutiert, ob es so etwas auch bei rein vertraglichen Zusammenschlüssen gibt, die unterhalb der internationalen Organisationen anzusiedeln sind. Das wird diskutiert, und es wird meiner Kenntnis nach signifikant bejaht.1 Wenn das so ist, dann frage ich mich, haben wir da nicht ein Stadium, in dem wir eine vertragliche Grundlage für Rechtserzeugung haben? Als letztes Beispiel: Vielleicht sagen wir in Deutschland, wenn wir das erste Mal mit einem englischen Trust konfrontiert werden: „Dinglich ist das nicht. Das ist rein vertraglich, was wollen die eigentlich?“. Dann aber können wir darüber nachdenken, dass es bei uns auch das Anwartschaftsrecht gibt. Mein Analogon ist hier, dass wir eine Teilverdinglichung der Rechtssetzungsbefugnis durch die Konsultationsvereinbarung haben, dass also sozusagen eine nicht-internationale Organisation durchaus Recht schaffen kann. Diese dogmatische Konstruktion dient nicht nur dazu, dass ich jetzt eine Norm verteidige, zu der ich mal eine Anregung gegeben habe, sondern es geht mir darum, dass wir hier Rechtssicherheit schaffen in einem Bereich, in dem eine rein national agierende Rechtsprechung es per definitionem nicht kann. Dr. Wacker Vielleicht hätte ich mich präziser ausdrücken müssen. Die Situation, mit der wir es hier zu tun hatten, war der Grundfall eines nach Ansicht 1 Vgl. die Nachweise bei Ismer, Klimaschutz als Rechtsproblem, 2014, S. 301 ff.

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des Senats nicht auslegungsfähigen, sprich eindeutigen, Wortlauts und einer damit nicht in Einklang stehenden Konsultationsvereinbarung. Gehen wir hiervon aus, so werden Sie mir zustimmen können, dass die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 AO nicht erfüllt sind. Prof. Dr. Lüdicke Ich glaube, das ist keine ganz unwichtige Frage, denn wir werden in Zukunft mehr von solchen Konflikten haben. Herr Ismer hat in seinem Vortrag vorgestellt, was da alleine bei den nicht ganz präzisen, nicht ganz eindeutigen Formulierungen der OECD für die geplanten Änderungen des Musterabkommens so alles auf uns zukommt. Und Herr Fehling, ich glaube, wir dürfen sicher sein, dass auch in anderen Bereichen die internationalen Vorstellungen über die eine oder andere Umsetzungsmaßnahme unterschiedlich sein könnten. Prof. Dr. Ismer Ich möchte mit einer Frage antworten, nämlich der Frage, ob ein Wortlaut auch dann hinreichend klar ist, wenn man ihn als deutsches oberstes Bundesgericht für hinreichend klar befindet, aber ein anderes oberstes Gericht des anderen Vertragsstaates genau das Gegenteil ansieht. Das haben wir im Bereich des Art. 18 DBA Schweiz, wo das Schweizer Bundesgericht genau das Gegenteil für richtig hält als das, was der deutsche BFH für richtig hält. Übrigens unter Verweis auf den klaren Wortlaut. Ich frage mich: Ist der Wortlaut dann wirklich klar? Sind die Schweizer unfähig, Rechtsprechung zu betreiben? Oder gibt es vielleicht einen gewissen Graubereich? Dr. Wacker Im Grundsatz ist natürlich jedes Gericht eigenständig aufgerufen über die Auslegung einer Norm zu entscheiden, und zu dieser Eigenständigkeit gehört auch eine Aussage dazu, ob man einen Gesetzestext als eindeutig ansieht oder nicht. Prof. Dr. Lüdicke Zurückkommend auf BEPS möchte ich drei Themenbereiche zur Diskussion stellen. Mein erster Punkt ist, um das Bild wieder aufzugreifen, Gesetzgebung auf der BEPS-Welle. Als Beispiel kann man den schon erwähnten § 4

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Abs. 5a EStG anführen. Die Vorschrift wurde in der vom Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagenen Form in den BEPS-Abschlussberichten weder gefordert noch auch nur angeregt. Sie ging weit über das in Paris einvernehmlich Beschlossene hinaus. Außerdem war sie inhaltlich in mehrerer Hinsicht nicht zu Ende gedacht. Ich rede, um es auf den Punkt zu bringen, von angeblichen Umsetzungsmaßnahmen, die über die BEPS-Forderungen hinausgehen, die man aber vielleicht schon immer einmal machen wollte. Mein zweiter Punkt sind die Variationen des internationalen Korrespondenzprinzips. Hier kann man ebenfalls den Entwurf des § 4 Abs. 5a EStG anführen, aber auch § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG mit einem Korrespondenzprinzip bei Ausschüttungen, § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG mit dem konzeptionell verfehlten Korrespondenzprinzip bei verdeckten Einlagen oder § 14 Abs. 1 Nr. 5 KStG mit einem Korrespondenzprinzip bei Verlusten in Organschaftsfällen, der sog. deutschen Dual Consolidated Loss Rule. Alle diese Regelungen sind aus gutem Grunde hinlänglich umstritten. Sie haben ferner gemein, dass sie sich allesamt so in den BEPS-Papieren nicht finden, weil sie alle in ihren Wirkungen über die BEPS-Vorschläge hinausgehen. Wie bekommen wir diese überschießenden Wirkungen in den Griff? Dritter Punkt: Die genannten Regelungen begründen eine korrespondierende Besteuerung, sie machen die Besteuerung in Deutschland davon abhängig, wie, bei wem auch immer, irgendetwas im Ausland besteuert wird. Auf welche Besteuerung genau, in welchem Staat und bei welcher Person es ankommt, wird nicht immer eindeutig klar. Prototypisch ist § 14 Abs. 1 Nr. 5 KStG, der von der Berücksichtigung der negativen Einkünfte des Organträgers oder der Organgesellschaft bei irgendeiner Person in irgendeinem anderen Staat spricht. Irgendwann wird das durch die Gerichte auszulegen sein, Herr Wacker. Und im Zuge der Umsetzung der BEPS-Vorschläge, konkret Action 2, könnten weitere Korrespondenzregeln im Bereich von Hybrids auf uns zukommen. Herr Fehling, darf ich Sie um eine Äußerung bitten? Dr. Fehling Ich kann gerne versuchen, das zu beantworten. Zumindest fange ich mal an, und dann können die Kollegen mich ergänzen oder korrigieren, je nachdem. Die erste Frage ist: Wie genau halten wir uns bei der Umsetzung an die BEPS-Empfehlungen? Ich hatte darauf bereits hingewiesen, wir gehen da

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mit Augenmaß vor, was meines Erachtens bei all den Regelungen notwendig sein wird. Wir wissen, dass wir in Deutschland schon jetzt bestehende Regelungen haben. Wir haben eine Regelung zur Funktionsverlagerungsbesteuerung, wir haben schon eine Zinsschranke und wir haben schon eine Hinzurechnungsbesteuerung, die stärker ist als in anderen Ländern. Das heißt, bei der Umsetzung von Empfehlungen werden wir nicht nur das berücksichtigen, was in den Berichten steht, sondern wir werden auch eine Bestandsaufnahme machen. Das zeigt sich gerade bei dem von Ihnen angesprochenen Beispiel der hybriden Empfehlungen. Wir haben in der Tat teilweise schon etwas gemacht, aber teilweise auch noch nicht. § 4 Abs. 5a EStG-Entwurf soll den Abzug der Betriebsausgaben betreffen, wozu wir noch eine Regelung bräuchten und weswegen der Bundesrat diese Regelung auch vorgeschlagen hat. Wie konkret das am Ende aussehen wird, kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen. Sie werden wissen, dass es dazu eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe gibt, die sich mit der Erarbeitung eines solchen Regelungsentwurfes befasst, und ich bin jetzt nicht in der Position, Ihnen zu sagen, zu welchem Ergebnis sie kommen wird. Das kann ich schlichtweg noch nicht. Aber wir werden natürlich darauf achten, dass die Dinge sich systemgerecht ins deutsche Steuerrecht einpassen lassen. Und zu der letzten Frage: Das betrifft etwas, das auch gerne der „Import von Rechtsrisiken“ genannt wird – die Berücksichtigung des ausländischen Steuerrechts bei der Anwendung des innerstaatlichen Steuerrechts. Das ist natürlich eine Herausforderung, dessen sind wir uns bewusst. Das gilt nicht nur für die Unternehmen, das gilt auch für die Finanzverwaltung, denn die muss diese Angaben überprüfen können. Dass jetzt auch das Recht eines anderen Staates zu berücksichtigen ist, erhöht für die Veranlagung im Finanzamt natürlich erst einmal die Komplexität. Aber wir sind der Meinung, dass dies konzeptionell der beste Weg ist, um hybride Gestaltungen zu bekämpfen. Was wäre denn die Alternative? Entweder streben wir eine Vereinheitlichung der Begrifflichkeiten an. Wir sehen bei der GKB-Diskussion allerdings, wie langwierig so etwas sein kann. Und wenn Sie das auch noch global hinbekommen wollen, dann handeln Sie unter sehr viel schwereren Bedingungen. Gelingt diese Vereinheitlichung nicht, dann macht es jeder so, wie er es für richtig hält. Und dann haben wir erst recht eine Zersplitterung. Deswegen meinen wir, dass diese Verknüpfungsregelungen konzeptionell der beste Weg sind. Das ist kein einfacher Weg, das ist uns auch klar, aber wir glauben, es war der beste, den man an der Stelle gehen konnte.

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Dr. Raber Also, meines Erachtens sind diese Verknüpfungsregelungen mit vielen Risiken behaftet. Eine Doktorandin an Ihrem Lehrstuhl, Herr Lüdicke, hat kürzlich einen Aufsatz1 veröffentlicht, in dem sie feststellt, dass derartige Linking Rules, gerade wenn sie wie der § 4 Abs. 5a EStG-E zielgerichtete Konstruktionen betreffen, europarechtliche und andere Probleme aufwerfen. Aus praktischer Sicht ist es so, dass sich ein Finanzbeamter oder auch ein Steuerpflichtiger natürlich mit ausländischem Recht beschäftigen kann. Aber wir alle wissen, wie kompliziert es allein schon ist, sich nur mit dem deutschen Recht zu beschäftigen. Wenn wir tatsächlich dasselbe jetzt auch noch in dieser Detailtiefe mit dem Steuerrecht in vielen Staaten machen müssen, dann werden wir eine enorme zusätzliche Komplexität erreichen. Es wäre für ein handhabbares Steuerrecht besser, sich nicht in einem zu großen Maße von ausländischen Rechtsordnungen abhängig zu machen. Prof. Dr. Lüdicke Ein Punkt, der in dem Zusammenhang vielleicht auch noch eine Rolle spielt, ist ja auch, je nachdem, wie diese Regelungen ausgestaltet werden, wer zum Schluss die objektive Beweislast trägt. Also es wird ja nicht völlig unwahrscheinlich sein, dass das eine oder andere zum Schluss unaufgeklärt bleibt. Führt die Unaufklärbarkeit dann dazu, dass in Deutschland Betriebsausgaben nicht abziehbar sind, Einkünfte nicht steuerfrei gestellt werden? Oder führt das zum Gegenteil? Hummel Zusätzlich stellt sich noch die Frage, woran in so einem Fall anzuknüpfen ist: an die abstrakte Rechtslage im Ausland oder an die konkrete Sachbehandlung? Wenn sich im Ausland dann später nochmal etwas ändert, stellen sich weitere Fragen der Korrespondenz über den materiellen Bereich hinaus. Wie man solche verfahrensrechtlichen Anknüpfungen lösen würde, ist ein unbestelltes Feld. Wenn Sie mir erlauben, ich würde gerne nochmal auf den Punkt „Umsetzung mit Augenmaß“ zurückkommen. Das ist natürlich erstmal akzeptabel, da wird niemand widersprechen. Wir haben eine inhaltliche Komponente, darauf hatten Sie das Augenmerk gelegt. Ich hatte darauf hingewiesen, dass es aus meiner Sicht eine gewisse zeitliche Korrelation 1 Milanin, IStR 2015, 861.

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geben muss zwischen der Umsetzung dieser materiellen BEPS-Aspekte und demjenigen, was wir auf Ebene insbesondere der wichtigen anderen Marktteilnehmer und Mitgliedsstaaten sehen. Ich hoffe, dass auch insoweit das Augenmaß eingehalten wird. Vielleicht können Sie dazu nochmal sagen, wie das Hin- und Herwandern des Blickes gewissermaßen genau funktioniert. Was gibt es zu tun, und wann tun wir es? Wieweit wird das die Vorarbeiten und dann die Entscheidungsfindung mit beeinflussen? Und dann vielleicht noch einmal spezifisch zu einem inhaltlichen Punkt: Ich hatte darauf hingewiesen, dass im Zusammenhang mit Aktionspunkt 3 der BEPS-Empfehlungen, den CFC-Rules, aus meiner Sicht in Deutschland auch die Chance genutzt werden könnte, hier die Welle zu reiten und das AStG mit anzupacken. Es gibt wirklich genug Gedanken, um das auf einen internationalen Standard zu bringen. Ich hätte nichts dagegen, wenn wir auch da mit Augenmaß die Arbeit beginnen würden. Vielleicht können Sie sagen, wie hierzu die Überlegungen momentan sind. Prof. Dr. Lüdicke Herr Fehling, könnten Sie bei Ihrer Antwort bitte auch sagen, wie der Zeitplan sich derzeit aus der Sicht des BMF darstellt. Das ist glaube ich von allgemeinem Interesse. Dr. Fehling Gut, dann versuche ich mal alle Fragen zu beantworten. Erstmal zu der Frage, die Sie eingangs angesprochen haben: Wie stellen wir sicher, dass wir nicht die Einzigen sind, die als erste handeln. Der Begriff „Musterknabe“ ist ja schon gefallen. Es ist natürlich so, dass Deutschland sich bei seinen internationalen Verpflichtungen immer in besonderer Weise gebunden fühlt, und bei anderen Staaten ist das leider nicht immer ganz der Fall. Aber darauf haben wir schon geachtet. Ich hatte in meinem Vortrag kurz angesprochen, dass es einen Monitoringprozess geben wird. Auch aus Sicht der OECD war es ein ganz wichtiger Punkt, dass nicht alle Staaten mit den Empfehlungen nach Hause gehen und dann keiner etwas tut, sondern dass die Umsetzung überprüft wird, sodass unter Wettbewerbsgesichtspunkten nicht der Ehrliche der Dumme ist. Es gibt eine Abstufung in der Verbindlichkeit dieses Soft Laws. Das klingt jetzt erstmal nach einem Widerspruch in sich, denn Soft Law ist ja gerade nicht verbindlich. Aber aus dem Explanatory Statement,

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das bei der Veröffentlichung der BEPS-Empfehlungen ebenfalls publiziert wurde, ergibt sich, dass die OECD- und G20-Staaten eine Differenzierung vorgenommen haben. Diese Frage wurde erst in allerletzter Minute konsentiert und findet sich daher nicht in den Berichten selbst. Die Differenzierung stellt sich wie folgt dar: Bei einigen Empfehlungen gibt es einen sogenannten Mindeststandard, bei denen der Monitoringprozess in besonderer Weise zum Greifen kommen wird. Andere Empfehlungen hingegen werden nur als „best practice“ angesehen, das heißt, hier sind die Staaten mehr oder weniger frei. Und dann gibt es noch einen dazwischen liegenden „common approach“. Hier wird von den Staaten erwartet, dass sie über eine gewisse Zeitschiene gemeinsame Regelungen schaffen werden. Dieser Monitoringprozess wird jetzt ins Leben gerufen, und bis Anfang nächsten Jahres soll ein Konzept vorliegen, das von der G20 gebilligt wird und im Rahmen des von mir bereits angesprochenen Inclusive Framework umgesetzt werden soll. Die weiteren Einzelheiten dazu werden jetzt geklärt. Aber jedenfalls ist dafür Sorge getragen. So, und jetzt komme ich zum deutschen Gesetzgeber. Wie nimmt der das alles auf? Wir müssen natürlich aufpassen, dass wir kein Mikadospiel nach dem Motto beginnen: „Wir bewegen uns nur, wenn alle anderen sich auch bewegt haben.“. Dann bewegt sich nämlich keiner. Wichtig ist aus unserer Sicht, dass wichtige Wirtschaftspartner die Empfehlungen ebenfalls umsetzen. Das muss nicht jedes Land der Welt sein, denn am Ende gucken die anderen Staaten auch auf uns und sagen: „Na, wenn Deutschland nicht umsetzt, dann setzen wir auch nicht um“, und dann tut keiner etwas. Das geht natürlich nicht. Wichtige Partner sind die USA, darüber haben wir bereits gesprochen. Gerade beim Country-byCountry-Reporting gibt es eine konkrete Ankündigung aus den USA, noch in diesem Jahr einen Entwurf vorzulegen. Wir achten aber auch auf unsere großen europäischen Partner, und da sehen wir, dass in Großbritannien, in Frankreich und in Spanien bereits sehr konkrete Umsetzungsmaßnahmen begonnen haben oder gerade initiiert werden. Auch unter diesem Gesichtspunkt sollten wir nicht warten, bis der Letzte gehandelt hat, sondern versuchen, möglichst im Konzert mit den anderen zu handeln. Ob die Europäische Kommission das Ganze durch einen eigenen Richtlinienvorschlag noch befördern kann, wird man sehen, wenn er vorliegt. Und schließlich zu den letzten beiden Punkten, AStG und Zeitplan. In der Tat liegen Empfehlungen zu Aktionspunkt 3 vor, die ebenfalls Soft

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Law sind, so dass es keine Erwartungshaltung einer zeitnahen Umsetzung gibt. Aber Sie haben recht, das deutsche Hinzurechnungsbesteuerungsregime ist nicht mehr das taufrischeste, und es gibt sehr wohl Überlegungen im BMF, ob man gemeinsam mit den Bundesländern etwas tun kann. Darüber werden wir auch nachdenken. Zu dem konkreten Zeitplan für ein Gesetzgebungsvorhaben: Es gibt noch keine spruchreifen Termine, die ich Ihnen jetzt hier unterbreiten könnte. Wir haben auch noch keinen Referentenentwurf in der Welt. Das ist letztlich eine Frage, die politisch entschieden werden muss. Die Bundestagsabgeordneten interessieren sich sehr für das Thema BEPS und haben dabei natürlich auch den deutschen Standort im Blick. Was ich Ihnen sagen kann und was auch kein Geheimnis ist: Beim Thema Country-by-Country-Reporting haben wir uns international auf einen konkreten Zeitplan geeinigt, denn im Jahr 2016 sollen erstmalig Informationen ausgetauscht werden. Das bedeutet, dass wir zum einen bis Ende des Jahres 2016 nationale Regelungen für Dokumentationspflichten geschaffen haben sollten. Zum anderen müssen wir eine völkerrechtliche Absicherung schaffen, damit der Informationsaustausch erfolgen kann. Hierzu plant die OECD, zu Beginn des nächsten Jahres ein multilaterales Verwaltungsabkommen abzuschließen, was dann in deutsches Recht zu überführen wäre, so ähnlich, wie wir das auch beim automatischen Informationsaustausch kürzlich gemacht haben. Prof. Dr. Lüdicke Vielen Dank! Weil wir jetzt über die Hinzurechnungsbesteuerung gesprochen haben: Ist es politisch überhaupt vorstellbar, dass die Punkte, in denen unsere Hinzurechnungsbesteuerung, wenn ich das mal so sagen darf, schärfer ist als die OECD-Vorschläge, angegangen werden? Ich meine jetzt nicht nur die Punkte, die offensichtlich ohnehin zur Debatte stehen, wie z.B. der Grenzsteuersatz, ob der nun 25 oder 15 oder irgendetwas dazwischen beträgt. Aber wir haben ja auch andere Regelungen, z.B. die sogenannte „Deutschbeherrschung“. Die gibt es in den Berichten der OECD nicht, weil es da ja nur um Konzernfälle geht. Ist es politisch vorstellbar, dass so etwas überhaupt angegangen wird? Dr. Fehling So konkret kann ich das jetzt nicht beantworten, weil wir wie gesagt noch nicht in dem Stadium sind, dass ich Ihnen das im Einzelnen darlegen könnte. Aber ich kann nochmal auf das zurückkommen, was ich

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vorhin schon gesagt habe: Wenn wir eine BEPS-Umsetzung in Deutschland machen, dann nehmen wir natürlich in den Blick, was wir schon haben. Und wenn wir Regelungen neu einführen, werden wir die Wechselwirkungen zu bestehenden Regelungen beachten. Das beinhaltet auch die Frage, inwieweit die BEPS-Empfehlungen in Deutschland bereits umgesetzt sind und inwieweit das dem internationalen Standard entspricht. Man könnte zum Beispiel im europäischen Verbund darüber nachdenken, ob man noch ambitionierter ist, als das im internationalen Konzert gelungen ist, indem man sich gemeinsam bei dem einen oder anderen Punkt auf strengere Standards einigt. Aber die Frage, ob es sinnvoll ist, wenn Deutschland das alleine tut, ist eine ganz andere. Prof. Dr. Lüdicke Vielen Dank. Herr Raber, möchten Sie, dass Deutschland eine Patentbox einführt? Dr. Raber Die Patentbox hat ja eine politische und eine fachlich-inhaltliche Dimension. Ich glaube, genauer muss ich da jetzt nicht werden. Ich sag mal, wenn es gelänge, bei BEPS wirklich mit Augenmaß vorzugehen und Wettbewerbsverzerrungen sowie negative Folgen für den internationalen Wirtschaftsverkehr zu vermeiden, dann bräuchten wir wahrscheinlich keine Patentbox. Prof. Dr. Lüdicke Das war ein klares Statement und wird auch in unserem Tagungsband abgedruckt werden. Herr Hummel, wollen Sie dazu etwas sagen? Hummel Es bleibt zunächst bei der Stellungnahme, dass wir sicherlich an einem weitgehend wettbewerbsneutralen Steuerrecht interessiert sind. Insofern sind natürlich gerade diese Anrainer-Patentboxen Fremdkörper und passen nicht richtig in die Landschaft. Umgekehrt ist es natürlich so, dass wir (als Unternehmen) bestehende Anreizsysteme auch mit in den Blick nehmen müssen, und, um es mal in eine andere Richtung zu lenken, wir bedienen uns auch bestimmter Regimes, die über eine Patentboxlogik hinausgehen. Da schaut man sich zum Beispiel auch an, was China anbietet. Die Förderung ist anders strukturiert; sie knüpft zwar an die Qualität von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an, führt

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aber dann in einem viel größeren Umfang zu steuerlichen Vergünstigungen, die an sich nichts mehr mit dem Zugang von Lizenzzahlungen oder mit dem Aufwand für Forschung und Entwicklung zu tun haben. Was ich damit sagen will ist, dass Patentboxen alleine für mich kein magisches Element eines optimalen Steuerrechts sind. Wir müssen als deutscher Staat und als Verantwortliche für das deutsche Steuerrecht die Augen offenhalten um zu sehen und nicht zu verpassen, welche zum Teil ungeheuren Anreizwirkungen andere Volkswirtschaften durch ihr Steuersystem auf uns ausüben. Ich glaube, mir wäre ein insgesamt wettbewerbsneutrales Steuerrecht insoweit auch recht. Gleichzeitig mache ich mir aber Sorgen, dass wir Unternehmer durch das Beharren des Gesetzgebers auf seinem sehr deutschen Standpunkt ungeschützt den Gravitationskräften ausgesetzt sind, die international tatsächlich wirken. Prof. Dr. Ismer Als Hochschullehrer hat man die Möglichkeit, auch ein bisschen zu träumen im Elfenbeinturm… Ich würde mir wünschen, die Patentbox nicht in Deutschland einzuführen, sondern ich würde mir erhoffen, dass die Arbeiten der Kommission, Patentboxen zu beschränken, Erfolg haben wird, um dann eine gemeinsame Linie für die Patentboxen zu erarbeiten, damit wir nicht mit ganz, ganz vielen verschiedenen Patentboxregimen konfrontiert werden, sondern ungefähr mit einem. Der Vorteil ist im Übrigen, wenn die Kommission das als Maßnahme vorschlägt, dass es dann auch außerhalb des Anwendungsbereichs Beihilfekontrollen geben wird. Prof. Dr. Lüdicke Besteht die Gefahr, Herr Ismer, wenn die Kommission so etwas vorschlägt, wenn es dann einheitlich in vielen Staaten in Europa eingeführt und auch europarechtlich wirklich unproblematisch ist, aber es in Deutschland keine Patentbox gibt, dass wir dann Arbeitsplätze exportieren, weil ja der Nexus-Approach erfordert, dass in den ausländischen Patentboxen wirklich geforscht wird? Prof. Dr. Ismer Ja, wenn wir es auf europäischer Ebene umsetzen, dann sollten wir natürlich mitmachen. Es ist ein Mittel, den effektiven Steuersatz von im internationalen Wettbewerb befindlichen Unternehmen effektiv zu senken. Das ist die Hauptfunktion. Im Moment machen wir es so: Es gibt

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Anbieter für dieses Instrument des Steuerwettbewerbs, das dazu dient, dass andere europäische Konzerne es nutzen können, selbst, wenn es in ihrem Land nicht angeboten wird. Wir haben die Grundfreiheiten, die es ermöglichen, darauf zurückzugreifen. Aber sinnvoll wäre es, es auf europäischer Ebene gemeinsam als Positionierung im internationalen Steuerwettbewerb vorzusehen. Das macht die Dinge einfach, zumal wir dann innerhalb Europas eine vergleichbare Rechtslage hätten. Prof. Dr. Lüdicke Ich habe dazu noch eine Anschlussfrage. Andere Missbrauchsregelungen, die wir haben, die wir einführen, von § 50d Abs. 3 EStG bis zu was auch immer da jetzt noch alles kommen mag, die gehen ja alle auf Substanz. Das heißt, ich brauche also, wenn Deutschland viele von diesen Regelungen hat, im Ausland Substanz, damit ich in Deutschland die steuerliche Behandlung bekomme, die eigentlich vorgesehen ist. Werden auch dadurch Arbeitsplätze exportiert? Nehmen wir die typische niederländische Zwischenholding, die eigentlich jeder deutsche Konzern inzwischen braucht, um sich gegen allerlei Steuerfolgen von ausländischen Verschmelzungen usw. zu schützen, die sich zwar vielleicht aus dem Gesetz herauslesen lassen1, die da aber nicht nach jeder Lesart wirklich drinstehen2. Sind das nicht gefährliche Entwicklungen, dass wir da im Grunde die Substanz im Ausland durch das deutsche Steuerrecht erfordern, was im Grunde für Arbeitsplätze kontraproduktiv ist? Dr. Fehling Was ich zu Substanz gesagt habe, muss man dann auch konsequent zu Ende gehen. Wenn wir uns international darauf verständigen, dass wir die willkürliche Trennung von Wertschöpfung, wie immer man sie definiert, und Besteuerung nicht mehr haben wollen, dann können wir natürlich nicht auf halbem Weg stehen bleiben. Wir dürfen aber trotzdem auch Abwehrrecht gebrauchen. Die Einigung auf die Einführung des Nexus-Approachs bedeutet nicht, dass Deutschland gegen Patentboxen nicht mehr vorgehen dürfte. Sie werden den hessischen Vorschlag3 kennen, unter Umständen eine Lizenzschranke einzuführen, je nachdem, wie sich die Diskussion zu den Patentboxen in den nächsten Monaten 1 Vgl. bspw. Hruschka, IStR 2012, 844 ff. 2 Vgl. bspw. Becker/Kamphaus/Loose, IStR 2013, 328 ff. 3 Bundesratsinitiative des Hessischen Ministeriums der Finanzen, Pressemitteilung v. 10.7.2015.

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entwickeln wird. Deutschland ist nicht schutzlos, nur weil es den Nexus-Ansatz gibt. Wir meinen übrigens auch, dass das deutsche Steuerrecht auch in Abwesenheit einer Patentbox in den letzten Jahren nicht alles falsch gemacht haben kann, auch wenn ich nicht sagen will, dass das deutsche Steuerrecht dafür allein verantwortlich ist, dass wir international ganz gut dastehen, was unsere Wirtschaft betrifft. Sie werden wahrscheinlich sagen, dass das trotz des deutschen Steuerrechtes so ist. Im Ergebnis kann ich sagen, dass wir das alles im Blick behalten werden. Ob wir dann wirklich eine Patentbox einführen oder nicht, das wird man sehen. Prof. Dr. Lüdicke Ja gut, mir ging es jetzt auch gar nicht um die Einführung der Patentbox in Deutschland, mir ging’s mehr um die überbordende Korrespondenz und die volkswirtschaftlich unsinnigen Folgen dieser Abwehrregeln aller Arten. Es ist doch bekannt, dass jeder deutsche Konzern darüber nachdenkt, eine holländische Zwischenholding zu haben, die dann auch natürlich wieder Substanz haben muss. Das heißt, da werden Holdingfunktionen ins Ausland verlagert, um sich gegen an sich völlig unsinnige Erfassungen von Drittstaatsveranstaltungen wie Umwandlungen zu schützen. Ist das wirklich sinnvolle Steuergesetzgebung? Oder ist das nicht, global und volkswirtschaftlich betrachtet, kontraproduktiv? Dr. Fehling Also wäre die Alternative, nichts zu tun und diese leeren Hüllen weiterhin zu akzeptieren? Prof. Dr. Lüdicke Naja, die Alternative wäre vielleicht in der Tat, nichts zu tun, wenn im Ausland irgendetwas passiert, was an sich mit Deutschland gar nichts zu tun hat. Zwei ausländische Tochtergesellschaften handeln miteinander zu Preisen, die dort im Ausland akzeptiert werden, die aber nach unserer Auffassung zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führen. Zwei ausländische Gesellschaften werden dort zu Buchwerten aufeinander verschmolzen, im selben Staat oder grenzüberschreitend. Wenn nun von Vertretern der Finanzverwaltung in Aufsätzen1 behauptet wird, dass solche Vorgänge wegen einer Korrespondenzregel hier steuerliche Folgen 1 Vgl. bspw. Hruschka, IStR 2012, 844 ff.

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auslösen, wenn im Entwurf von Körperschaftsteuerrichtlinien1 hierzu überzogene Positionen bezogen werden, müssen deutsche Konzerne darüber nachdenken, wie sie solche durch nichts gerechtfertigten steuerlichen Folgen abwehren können. Eine niederländische Holding zur „Abschottung“ mag da keine schlechte Lösung sein. Aber aus volkswirtschaftlicher Sicht ist die Notwendigkeit einer solchen Lösung doch nicht mehr nachvollziehbar. Solche Regelungen zu entschärfen und auf das sachlich gebotene Maß zurückzuführen, wäre mein Verständnis von „mit Augenmaß“. Dr. Fehling Ich glaube, das Wort „Augenmaß“ definiert hier auch jeder anders, aber gut, ich nehme den Punkt mit. Prof. Dr. Lüdicke Meine Damen und Herren, ich glaube, dass die Vorträge und unsere Diskussionen manches erhellt haben. Als Erkenntnis werden wir auch mitnehmen dürfen, dass das Thema BEPS auch im nächsten Jahr auf unserer Tagung behandelt werden wird. Wir haben den Referenten für ihre erhellenden Referate und Diskussionsbeiträge zu danken. Es geht nun weiter mit Erkenntnissen des I. Senats des BFH zum internationalen Steuerrecht, die uns Herr Wacker vorstellen wird.

1 Vgl. R 12 Satz 2 des Entwurfs einer Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Neufassung der Körperschaftsteuer-Richtlinien 2015 (KStR 2015) v. 18.5.2015; in der endgültigen Fassung v. 6.4.2016, BStBl. I 2016, Sondernummer 1/16, nicht mehr enthalten.

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Brennpunkte der Besteuerung internationaler Personengesellschaften Dr. Roland Wacker Vors. Richter am Bundesfinanzhof

A. Ausländische Betriebsstättenverluste – Gründungsaufwand – Symmetriethese – Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . I. BFH-Urteil vom 26.2.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703 . 1. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . 2. Aus den Gründen . . . . . . . a) Verfahrensrecht – Feststellungsbescheid . . . . . b) Freistellung gemäß DBA-VA 1995 – Hauptanträge. . . . . . . . . . . . . . c) Hilfsanträge bleiben gleichfalls erfolglos. . . . II. Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . B. „Goldfingerfälle“ – ausländische Personengesellschaft – kein Wahlrecht zur Überschussrechnung. . . . I. BFH-Urteil vom 25.6.2014 – I R 24/13, BStBl. II 2015, 141: atypisch stille Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . 2. Aus den Gründen (gestrafft) . . . . . . . . . . . . . . II. BFH-Urteil vom 10.12.2014 – I R 3/13; BFH/NV 2015, 667: englische Partnership . . . . . .

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1. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . 2. Aus den Gründen . . . . . . . III. Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. § 50d Abs. 10 EStG . . . . . . . . I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsprechung des BFH . 2. Reaktion des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Legislative Zielerfüllung und Vorlage – Beschluss vom 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791 . . . . . . . . . 1. Vorlagefall. . . . . . . . . . . . . 2. Aus dem DBA-Italien (1989). . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unilaterale- und abkommensrechtliche Erwägungen des BFH . . . . . . 4. Zwischenfazit. . . . . . . . . . III. Einzelfragen zum Tatbestand des § 50d Abs. 10 EStG n.F. – Geltungsgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eindeutige Abgrenzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Positives Sonderbetriebsvermögen II. . . . . . . . . . . . 3. Zinslose Gesellschafterdarlehen und fremdfinanzierte Einlagen . . . . . . .

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A. Ausländische Betriebsstättenverluste – Gründungsaufwand – Symmetriethese – Unionsrecht I. BFH-Urteil vom 26.2.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703 1. Sachverhalt Die Klägerin, eine ärztliche Praxis in der Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft mit sieben Gesellschaftern, verfolgte in den Jahren 2002 bis 2005 den Plan, eine kardiologische Praxis in Dubai (VAE) zu errichten. Es fielen Aufwendungen (insbesondere für Reisen) an. Am 28.4.2004 erhielt die Klägerin ein von ihr beantragtes „Certificate of good standing“ vom Senator für Arbeit, Gesundheit, Frauen, Jugend und Soziales in Bremen. Im Juli 2005 zog ein Gesellschafter seine Zustimmung zu dem Projekt zurück. Daraufhin gründeten die sechs anderen Gesellschafter der Klägerin im August 2005 die B-KG mit dem Gesellschaftszweck „Ausübung ärztlicher Tätigkeit im Ausland“. Die B-KG führte die Aktivitäten zum Aufbau einer Praxis in Dubai weiter; der Betrieb wurde 2006 eröffnet. Die Klägerin erfasste die im Streitjahr (2004) im Zusammenhang mit dem Projekt entstandenen Aufwendungen (16.321,49 Euro) in der (bilanziellen) Gewinnermittlung als Betriebsausgaben. Das Finanzamt (FA) folgte dem lediglich teilweise für Aufwendungen in Höhe von 8.473,27 Euro. Im Übrigen behandelte es die Aufwendungen nach Maßgabe des DBA-VAE 1995 (9.4.1995, BGBl II 1996, 518, BStBl. I 1996, 588) als steuerfrei und stellte die Aufwendungen (7.848,22 Euro) nur für Zwecke des negativen Progressionsvorbehalts nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG 2002 fest; eine Minderung der freiberuflichen Einkünfte lehnte es insoweit ab.

2. Aus den Gründen a) Verfahrensrecht – Feststellungsbescheid Gegenstand der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO) sind die in gesamthänderischer Verbundenheit durch die freiberufliche Tätigkeit der Gesellschafter der Klägerin erzielten inländischen Einkünfte (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und 2 und Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 2002). Bei der Er-

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mittlung des Gewinns sind die durch den Betrieb veranlassten Aufwendungen als Betriebsausgaben einkünftemindernd zu berücksichtigen. Durch eine Tätigkeit im Ausland erzielte Einkünfte sind in die Einkünftefeststellung einzubeziehen, wenn sie nicht kraft ausdrücklicher Anordnung im Inland steuerfrei sind (z.B. Senatsurteil vom 28.4.2010 –I R 81/09, BFHE 229, 252; […]). Nach einem DBA von der Bemessungsgrundlage ausgenommene Einkünfte, die bei der Festsetzung der Steuern der beteiligten Personen z.B. mit Blick auf die Anwendung eines Progressionsvorbehalts von Bedeutung sind, sind Gegenstand einer besonderen gesonderten Feststellung (§ 180 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO). Jene Feststellung kann mit der Einkünftefeststellung des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO verbunden werden (z.B. Senatsbeschluss vom 4.4.2007 – I R 110/05, BFHE 217, 535, BStBl. II 2007, 521; […]).

b) Freistellung gemäß DBA-VA 1995 – Hauptanträge Die Voraussetzungen für eine Steuerfreistellung von im Zusammenhang mit der zukünftig beabsichtigten Tätigkeit in Dubai erwirtschafteten Einkünften sind erfüllt (Art. 24 Abs. 1 Buchst. a DBA-VAE 1995). (a) Das Abkommen ist auf die Klägerin anwendbar. Zwar ist sie als Partnerschaftsgesellschaft für eine Steuer vom Einkommen kein Steuersubjekt und nicht als „Person“ bzw. als „Gesellschaft“ im abkommensrechtlichen Sinne anzusehen (s. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und c DBA-VAE 1995). Die Abkommensberechtigung (Art. 1 DBA-VAE 1995) besteht aber für jeden einzelnen ihrer Gesellschafter, die durch ihre jeweilige Tätigkeit die Einkünfteerzielung im Namen der Klägerin bewirken. (b) Einkünfte aus einer ärztlichen Tätigkeit, die durch eine feste Einrichtung in den VAE einen entsprechenden Ortsbezug aufweist, unterfallen bei einer entsprechenden Veranlassungszurechnung dem dortigen Besteuerungsrecht. Denn nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 DBA-VAE 1995 können Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus einem freien Beruf (z.B. der selbständigen Tätigkeit als Arzt, s. Art. 14 Abs. 2 DBA-VAE 1995) bezieht, in diesem Staat nur besteuert werden, wenn der Person im anderen Vertragsstaat für die Ausübung ihrer Tätigkeit gewöhnlich keine feste Einrichtung zur Verfügung steht. Steht ihr eine solche feste Einrichtung zur Verfügung, können die Einkünfte im anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser fes-

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ten Einrichtung zugerechnet werden können (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 DBAVAE 1995). Erzielen natürliche Personen durch gemeinschaftliche Ausübung der Tätigkeit … Einkünfte aus selbständiger Arbeit (Freiberuflergesellschaft i.S. des § 18 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 2002), ist Art. 14 DBA-VAE 1995 auch auf diese Einkünfte anzuwenden (s. allgemein Wassermeyer, Doppelbesteuerung, MA Art. 14 Rz 77). Eine von der Freiberuflergesellschaft unterhaltene feste Einrichtung wird den Gesellschaftern wie deren feste Einrichtung zugerechnet. (c) Werden Einkünfte nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 und Satz 2 DBA-VAE 1995 erzielt, wird bei einer in Deutschland ansässigen Person die deutsche (Einkommen-)Steuer nach Art. 24 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-VAE 1995 festgesetzt, indem von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer die Einkünfte aus den VAE ausgenommen werden, die nach dem DBA-VAE 1995 in den VAE besteuert werden können. So liegt der Streitfall. (d) Die abkommensrechtliche Steuerfreistellung von „Einkünften“ umfasst nach der ständigen Senatsrechtsprechung, an der festzuhalten ist, nicht nur positive, sondern auch negative Einkünfte (z.B. Senatsurteile vom […] 9.6.2010 – I R 107/09, BFHE 230, 35). Die im Streitjahr angefallenen Aufwendungen unterfallen als negative Einkünfte aus einer in den VAE unterhaltenen festen Einrichtung Art. 24 Abs. 1 Buchst. a (i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 und Satz 2) DBA-VAE 1995. (aa) Nach den Feststellungen des FG ist es zwar [nicht …] zu einer Errichtung oder einem Erwerb der festen Einrichtung durch die Klägerin gekommen. Insbesondere ist eine feste Einrichtung in Dubai nicht schon dadurch begründet worden, dass die inländische (Gesundheits-)Behörde der Klägerin ein „Certificate of good standing“ erteilt hat. Allerdings ist dem FG-Urteil auch zu entnehmen, dass die im Jahre 2005 durch sechs der ursprünglich sieben Gesellschafter der Klägerin errichtete B-KG die entsprechenden (Errichtungs-)Aktivitäten der Klägerin fortgesetzt hat und eine Betriebseröffnung im Jahre 2006 stattfand. Dass die dadurch errichtete feste Einrichtung im Namen der B-KG betrieben wird, ändert für die abkommensrechtlichen Zusammenhänge nach den oben beschriebenen Grundsätzen der mitunternehmerischen Zuordnung nichts. Auf dieser Grundlage liegen jedenfalls in Höhe von 6/7 der streitgegenständlichen Aufwendungen negative ausländische Einkünfte vor; die Aufwendungen unterfallen insoweit ohne Weiteres dem sachlichen Anwendungsbereich des DBA-VAE 1995, und das wird zwischenzeitlich auch von der Klägerin eingeräumt.

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(bb) Für den verbleibenden, schon während der Vorbereitungsphase (im Streitjahr) ausgeschiedenen Gesellschafter der Klägerin verhält es sich aber nicht anders, auch wenn die Errichtung der festen Einrichtung für diesen im Ergebnis gescheitert ist. Denn auch insoweit ist ein ausreichend enger (grenzüberschreitender) Veranlassungszusammenhang gegeben, der geeignet ist, im Rahmen der abkommensrechtlichen Freistellung den Ansässigkeitsstaat in seinem Besteuerungsrecht durch das DBA-VAE 1995 zu beschränken. (aaa) Die Rechtsfrage der veranlassungsgerechten Zuordnung von vorweggenommenen vergeblichen Aufwendungen wird unterschiedlich beantwortet. –

So wird zum einen darauf abgestellt, dass das ortsbezogene Besteuerungsrecht des Quellenstaates (s. Wassermeyer, a.a.O., MA Art. 14 Rz. 67) die Existenz der festen Einrichtung und das Ausüben einer selbständigen Arbeit durch sie voraussetzt (Wassermeyer, ebenda, MA Art. 14 Rz. 86, MA Art. 7 (2000) Rz. 300; […] Kempermann, daselbst, Rz. 3.79; Kroppen in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA-Kommentar, Art. 7 OECD-MA Rz. 191; Ditz in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 7 (2008) Rz. 185; […] Buciek in Flick/Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 7 Rz. 216; […] Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Rz. 16.274 u. 18.36; […]).



Nach anderer Auffassung setzt eine veranlassungsbezogene Zuordnung einen konkreten Objektbezug – hier im Sinne einer früheren, gegenwärtigen oder zukünftigen (tatsächlichen) Existenz der festen Einrichtung – nicht zwingend voraus (so im Ergebnis auch Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.9.1; s.a. – unter Verweis auf § 3c EstG – Urteile des Bundesfinanzhofs vom 28.4.1983 – IV R 122/79, BFHE 138, 366, BStBl. II 1983, 566; vom 1.12.1987 – IX R 104/83, BFH/NV 1989, 99; Senatsbeschluss vom 17.12.1998 – I B 80/98, BFHE 187, 549, BStBl. II 1999, 293; FG München, Urteil vom 18.10.2010 – 13 K 2802/08, DStRE 2012, 142; Schmidt/Heinicke, EStG, 33. Aufl., § 3c Rz. 15; Gosch in Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 49 Rz. 107 f.).

(bbb) Der Senat schließt sich der zuletzt angeführten Auffassung an. –

Es besteht – soweit nicht ein entsprechender normspezifischer Zweck vorliegt (z.B. Senatsurteil vom 9.1.2013 – I R 72/11, BFHE 240, 111,

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BStBl. II 2013, 343, zu II.2.a) – kein Anlass, die Zuordnungsfrage je nachdem unterschiedlich zu beantworten, ob der Objektbezug in tatsächlicher Hinsicht realisiert wurde oder nicht. Entscheidend ist der Umstand, dass die Aufwendungen angefallen sind, um diesen Objektbezug herzustellen (s.a. Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 49 Rz. 107); schon die zielgerichtete Mittelverwendung begründet auf der Grundlage einer wertenden Zuordnung (s. insoweit Schwarz, Die Unternehmensbesteuerung 2014, 48 [50]) einen jedenfalls vorrangigen Veranlassungszusammenhang zur Betriebsstätte oder (hier) der festen Einrichtung, der die Zuordnungsfrage endgültig regelt. Damit wird auch ein Wechsel der Zuordnung ausgeschlossen, der sonst eintreten müsste, wenn in der streitgegenständlichen Situation der Gründungsaufwendungen für eine Betriebsstätte oder feste Einrichtung jene Aufwendungen zunächst bei dem jeweiligen Stammhaus zu buchen, sie im Falle einer späteren Errichtung der Betriebsstätte oder festen Einrichtung aber auf jene umzubuchen wären (s. z.B. Ditz in Schönfeld/Ditz, a.a.O., Art. 7 (2008) Rz. 185). –

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Diese Überlegungen sind im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht in einer sog. Inbound-Situation gleichermaßen maßgeblich wie im umgekehrten Fall entsprechender Auslandseinkünfte (vgl. § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG 2002) in einer sog. Outbound-Situation (z.B. Senatsurteile vom 20.7.1988 – I R 49/84, BFHE 154, 465, BStBl. II 1989, 140; vom 16.2.1996 – I R 43/95, BFHE 180, 286, BStBl. II 1997, 128). Dem FG ist damit darin zuzustimmen, dass das Veranlassungsprinzip eine entsprechende Zuordnung der auf das konkrete Projekt in den VAE bezogenen Aufwendungen zur inländischen Tätigkeit ausschließt. Der Senat verweist in diesem Zusammenhang auf seine Rechtsprechung zum Vorrang des Veranlassungsprinzips gerade auch in grenzüberschreitenden Zusammenhängen, z.B. bezogen auf den Schuldzinsenabzug bei „schachtelbefreiten“ fehlenden Dividenden (Senatsurteile vom 29.5.1996 – I R 15/94, BFHE 180, 410, BStBl. II 1997, 57; vom 29.5.1996 – I R 167/94, BFHE 180, 415, BStBl. II 1997, 60; vom 29.5.1996 I R 21/95, BFHE 180, 422, BStBl. II 1997, 63), vor allem aber auch für sog. Outbound-Situationen in Konsequenz der abkommensrechtlichen Freistellung (Senatsurteil vom 20.9.2006 – I R 59/05, BFHE 215, 130, BStBl. II 2007, 756, m.w.N.). Hier wie dort hat er herausgestellt, dass die Zuordnung kraft Veranlassungsprinzips in abkommensrechtlicher Hinsicht nicht davon abhängt, dass der objekti-

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ve Bezugspunkt im Zuordnungszeitpunkt tatsächlich besteht (zur abkommensrechtlichen Betriebsstätte s. Senatsurteil vom 28.10.2009 – I R 99/08, BFHE 227, 83, BStBl. II 2011, 1019, zu B.I.7.b bb bbb). (e) Schließlich scheitert die Anwendung der in Art. 24 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-VAE 1995 angeordneten Freistellung der Einkünfte nicht an dem in Buchst. c Satz 1 der Vorschrift enthaltenen sog. Aktivitätsvorbehalt, wonach Buchst. a (u.a.) nicht auf die Gewinne einer Betriebsstätte anzuwenden ist, wenn die in Deutschland ansässige Person nicht nachweist, dass die Bruttoeinkünfte der Betriebsstätte ausschließlich oder fast ausschließlich aus Tätigkeiten i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 des Gesetzes über die Besteuerung der Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz) stammen. Denn unabhängig davon, ob dieser Nachweis im Streitfall erbracht ist oder nicht, ist eine hier einzufordernde feste Einrichtung keine Betriebsstätte (i.S. von Art. 5 DBA-VAE 1995) und ist der sog. Aktivitätsvorbehalt unter den Gegebenheiten des Streitfalles – entgegen der Annahme der Revision – deswegen von vornherein nicht einschlägig.

c) Hilfsanträge bleiben gleichfalls erfolglos Es kommt weder in Betracht, die weiteren Aufwendungen von 7.848,22 Euro in entsprechender Anwendung der Rechtsgrundsätze des § 2a Abs. 3 EStG 1997 im Entstehungsjahr zum Verlustabzug zuzulassen noch unter entsprechender Anwendung der Rechtsgrundsätze für aktive gewerbliche Einkünfte i.S. des § 2a Abs. 1 und 2 EStG 2002 n.F. zum Verlustabzug zuzulassen bzw. zumindest als gesonderten Verlustvortrag festzustellen: Zum einen ist § 2a Abs. 3 EStG 1997 nach § 52 Abs. 3 Satz 2 EStG 2002 letztmals für den Veranlagungszeitraum 1998 anzuwenden. Darüber hinaus bezog sich die Regelung ausdrücklich nur auf gewerbliche Einkünfte. Es ist kein Rechtsgrund dafür ersichtlich, die durch diese tatbestandliche Einengung als insoweit abschließend ausgestaltete Regelung auf die streiterheblichen Einkünfte anzuwenden. Zum anderen kommt eine entsprechende Anwendung der Rechtsgrundsätze für aktive gewerbliche Einkünfte i.S. des § 2a Abs. 1 und 2 EStG 2002 n.F. im Streitjahr nicht in Betracht. Einkünfte, welche nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung freigestellt sind, er-

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füllen den objektiven Tatbestand dieser Norm nicht; es fehlt schon an einer Regelungslücke, die eine entsprechende Anwendung ermöglichen könnte.

II. Hinweise (1) Ausgangspunkt der Entscheidung, deren Grundsätze nicht nur für feste Einrichtungen i.S.v. Art. 14 OECD-MA a.F., sondern gleichermaßen für die Aufwandszuordnung i.Z.m. Betriebsstätten (BS) zu beachten sind, ist zum einen der Transparenzgedanke, demzufolge die BS der Personengesellschaft (Personenvereinigung) als eine solche des Gesellschafters zu qualifizieren ist. Ausgangspunkt ist zum anderen die Symmetriethese, nach der sich der Begriff der Betriebsstätteneinkünfte auf einen Nettobetrag bezieht mit der Folge, dass die DBA-rechtliche Freistellung der Einkünfte nicht nur Betriebsstättengewinne, sondern ebenso Betriebsstättenverluste erfasst. Auch Letztere sind mithin aus der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA).1 (2) Hiernach konnte die Aufwandszuordnung für die sechs Partner, die sich in der KG zusammengeschlossen hatten und anschließend in Dubai tatsächlich im Rahmen einer festen Einrichtung freiberuflich tätig geworden sind, nicht fraglich sein. Für sie handelt es sich m.a.W. lediglich um vorweggenommenen Aufwand i.Z.m. der anschließend begründeten DBA-ausländischen (festen) Einrichtung/BS. (3) Ob anderes für den siebten Partner gilt, entscheidet sich danach, ob man die DBA-rechtliche Aufwandszuordnung an die Existenz der BS bindet oder ob man insoweit einen veranlassungsbezogenen Zurechnungszusammenhang mit der Folge genügen lässt, dass auch vergeblicher (Gründungs-)Aufwand den aus den Einkünften der freigestellten Einrichtung/BS zuzurechnen ist. (4) Ersteres – nämlich eine objektbezogene Betrachtung – wird insbesondere von Wassermeyer2 vertreten: Bis zur Gründung der ausländischen Betriebsstätte ist der Aufwand dem Stammhaus zuzurechnen: arg. § 34d Nr. 2 Buchst. a, § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG: im Ausland/Inland (tatsächlich) belegene BS/unterhaltene feste Einrichtung; bloßer Zukunfts-

1 Ständige Rechtsprechung, vgl. BFH v. 5.2.2014 – I R 48/11, BFHE 244, 371, DStR 2014, 837. 2 Wassermeyer, IStR 2015, 37.

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bezug zu einer noch nicht existierenden BS nicht ausreichend. Folge: Der Gründungsaufwand ist regelmäßig dem Stammhaus zuzuordnen, auch wenn es später zur Gründung der ausländischen/inländischen BS kommt. Man wird ergänzen können, dass auch der Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA für diese Ansicht ins Feld geführt werden kann, fordert er doch, dass der „BS nach Absatz 2“ der Gewinn zuzurechnen ist. (5) Gleichwohl hat sich der I. Senat des BFH für die Maßgeblichkeit des Veranlassungsprinzips entschieden mit der Folge, dass die Aufwandszuordnung von den Unwägbarkeiten des BS-Gründungserfolgs entkoppelt wird1 und die grundsätzliche DBA-rechtliche Aufteilungs- und Zuordnungsentscheidung (Einkünftefreistellung) gewahrt bleibt. Seine Geltung ist nicht nur in § 4 Abs. 4 EStG und § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG verankert, das Veranlassungsprinzip ist darüber hinaus mit der (äußeren) Wortlautgrenze auch der von der Gegenansicht herangezogenen Bestimmungen (insbesondere also Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 OECD-MA) vereinbar und sie war – nicht zuletzt durch mehrere Grundaussagen in der bisherigen Rechtsprechung – auch im DBA-rechtlichen Kontext sowie mit Rücksicht auf die lex fori-Klausel des Art. 3 Abs. 2 OECD-MA vorgeprägt: a) Das gilt zunächst im Hinblick auf die Rechtsprechung zur Steuerfreiheit von Schachteldividenden. Sie hat zwischen dem Veranlassungszusammenhang einerseits, der unabhängig vom tatsächlichen Dividendenbezug zu bejahen ist, und dem unmittelbaren Zusammenhang (vgl. § 3c Abs. 1 EStG a.F.) andererseits, der den Bezug der (Schachteldividende) erforderte, unterschieden.2 b) Hiermit übereinstimmend hat der I. Senat zum Fall eines Arbeitnehmers, der bisher im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war und hier Einkünfte gem. § 19 EStG erzielt hatte und der Kosten für einen Umzug nach Australien als Werbungskosten berücksichtigt wissen wollte, entschieden (LS):

1 Ähnl. Gosch, Die Zeit im Abkommensrecht, in Festgabe für F. Wassermeyer, 2015, 209 (217). 2 Z.B. BFH v. 29.5.1996 – I R 167/94, BFHE 180, 415, BStBl. II 1997, 60; zu § 8b Abs. 3 KStG und § 9 Nr. 3 GewStG s. BFH v. 9.1.2013 – I R 72/11, BFHE 240, 111, BStBl. II 2013, 343: objektbezogene Deutung des § 8b Abs. 3 KStG/gewerbesteuerrechtliches Objektsteuerprinzip verengt Veranlassungszusammenhang.

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Wacker – Brennpunkte der Besteuerung internationaler Personengesellschaften „Vorab entstandene Werbungskosten im Zusammenhang mit einer beabsichtigten nichtselbständigen Tätigkeit im Ausland sind nicht in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einzubeziehen, wenn die Einkünfte aus der beabsichtigten Tätigkeit nicht der deutschen Besteuerung unterliegen“.1

c) Ähnlich BFH-Urteil vom 1.12.1987 (LS): „Stellt die Vermietung von in Spanien belegenen Ferienwohnungen einen Gewerbebetrieb dar, so sind dabei entstehende Verluste gemäß DBA-Spanien von der Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer ausgenommen. Sie sind auch dann nicht abziehbar, wenn es sich um vorbereitende Aufwendungen handelt und die Betriebstätte erst in einem späteren Veranlagungszeitraum eröffnet werden soll“.2

d) Des Weiteren – und vor allem – ist das Veranlassungsprinzip auch im Kontext der Aufgabe der sog. finalen Betriebsaufgabe (Entnahme) angelegt. Sie beruht u.a. auf der Kernüberlegung, dass – auch aus der Sicht eines DBA – die im Rahmen einer inländischen festen Einrichtung (oder BS) entstandenen stillen Reserven selbst dann dem Inland als nachträgliche Einkünfte zugeordnet bleiben, wenn die selbständige Tätigkeit oder der Betrieb vor der Aufdeckung der stillen Reserven ins DBA-Ausland verlegt worden ist.3 Aus BFH vom 28.10.2009: „[Maßgeblich] […] für die abkommensrechtliche Abgrenzung der Betriebsstätteneinkünfte auf das der jeweiligen Betriebsstätte tatsächlich zuzuordnende Vermögen und das in der Betriebsstätte erwirtschaftete Ergebnis an ([ist das] sog. Veranlassungsprinzip […]). Soweit der künftige Gewinn aus der Realisierung der vor der Betriebsverlegung entstandenen stillen Reserven einer vormaligen, in Deutschland belegenen festen Einrichtung des Klägers zugerechnet werden kann, steht das Besteuerungsrecht demnach abkommensrechtlich weiterhin der Bundesrepublik Deutschland zu […]. Auch in abkommensrechtlicher Hinsicht steht der Zuordnung nicht entgegen, dass die feste Einrichtung, in der die stillen Reserven erwirtschaftet worden sind, zum Zeitpunkt der Realisierung nicht mehr besteht“.4

e) Auf dieser Linie hat der I. Senat nunmehr auch zu nachträglichen ausländischen Betriebsstätteneinkünften mit Urteil vom 20.5.20155 Stellung genommen. Danach sind – vorbehaltlich der noch nicht einschlägigen Bestimmung des § 4 Abs. 1 Satz 8, zweiter Halbs. EStG – die zu Lasten ausländischer BS gebildeten Rückstellungen unter Geltung der DBA-Freistellungsmethode (Belgien) auch dann zu Lasten dieser auslän1 2 3 4 5

BFH v. 20.9.2006 – I R 59/05, BFHE 215, 130, BStBl. II 2007, 756. BFH v. 1.12.1987 – IX R 104/83, BFH/NV 1989, 99. Auch insoweit dezidiert a.A. Wassermeyer, IStR 2015, 37. BFH v. 28.10.2009 – I R 99/08, BStBl. II 2011, 1019. BFH v. 20.5.2015 – I R 75/14, BFH/NV 2015, 1687.

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dischen Betriebsstätte aufzulösen, wenn sie im Zeitpunkt der Rückstellungsauflösung nicht mehr besteht.1 (6) Exkurs: Geht man von dem Dargelegten aus, so kann m.E. für Inbound-Situationen nichts anderes gelten, d.h. die entsprechenden „Inlandsverluste“ (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 3 EStG) sind gesondert festzustellen und – bei erfolgreicher „Alternativgründung“ – einkommen- bzw. körperschaftsteuerrechtlich mit Inlandsgewinnen zu verrechnen.2 (7) Zurück zum vergeblichen Aufwand des Besprechungsfalls. Entsprechend den vorstehenden Erläuterungen (Maßgeblichkeit des nationalen Veranlassungsprinzips) ist nach deutschem Ertragsteuerrecht auch die zeitliche Zäsur zu bestimmen, ab der der vorab entstandene Aufwand der ausländischen BS (festen Einrichtung) zuzurechnen ist. Die Abgrenzung ist nach der Rechtsprechung daran auszurichten, ob im Zeitpunkt der Aufwandsentstehung die Entscheidung über die Betriebsstättengründung grundsätzlich gefasst worden ist oder ob der Aufwand lediglich der Vorbereitung einer noch unbestimmten und später zu fassenden Investitionsentscheidung dient.3 Die Abgrenzung ist haarfein4 und dürfte mit erheblichen praktischen Umsetzungsproblemen einhergehen5; jedenfalls liegt der Schnitt vor einer „endgültigen Entscheidung“ (so die frühere Rechtsprechung des BFH). Für den Streitfall (I R 56/12) hat das FA sich in der m.V. vor dem I. Senat dahin eingelassen, dass die Zäsur mit dem „Certificate of good standing“ (28.4.2004; s.o.) zu setzen, d.h. der ab diesem Zeitpunkt entstehende Aufwand der (geplanten) festen Einrichtung in den VAE zuzurechnen sei. (8) Die Ansicht des Besprechungsurteils zum Veranlassungsprinzip stimmt mit der Sicht der Verwaltung überein. Nach dem Betriebsstätten-Erlass6 gilt: 1 Vgl. hierzu auch Girlich/Philipp, DB 2015, 459; Schäfer, IStR 2015, 346. 2 Zutr. Gosch in Kirchhof, 14. Aufl., 2015, § 49 EStG Rz 107a; Gosch, Festgabe für F. Wassermeyer, 2015, 209 (218); Heinsen/Wendland, GmbHR 2014, 1033: fraglich für Zwecke der Gewerbesteuer wegen des Erfordernisses der objektbezogenen Veranlassung; a.A. Loschelder in Schmidt, 34. Aufl., 2015, § 50 EStG Rz 9. 3 BFH v. 28.10.2009 – VIII R 22/07, BFHE 228, 28, BStBl. II 2010, 469; v. 27.3.2007 – VIII R 62/05, BFHE 217, 491, BStBl. II 2010, 159. 4 Vgl. Ditz u.a., DB 2013, 1634. 5 Lesenswert Kahle/Hiller, DB 2014, 500. 6 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 – S 1300 – 111/99, BStBl. I 1999, 1076 – Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze.

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Wacker – Brennpunkte der Besteuerung internationaler Personengesellschaften „Gründungsaufwand und Aufwendungen im Hinblick auf eine Betriebsstätte vor ihrer Errichtung sind zu Lasten des Betriebsstättenergebnisses anzusetzen, weil sie in einem Veranlassungszusammenhang mit ihr stehen. Die entstehenden Aufwendungen führen zu negativen Betriebsstätteneinkünften. Bei Bestehen eines DBA handelt es sich um negative Einkünfte i.S.d. Art. 7 OECD-MA 1992 aus dem Staat, in dem die Betriebsstätte begründet werden soll. Sieht dieses DBA die Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte von der inländischen Besteuerung vor, so ist auf Antrag für die Berücksichtigung der Verluste bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen nach § 2a Abs. 3 EStG (bis einschließlich VZ 1998) zu verfahren. Sollte § 2a Abs. 3 EStG nicht anzuwenden sein, ist § 32b EStG zu beachten (BFH vom 25.5.1970, BStBl. II S. 660; BFH vom 17.10.1990, BStBl. 1991 II S. 136). […] Die vorstehenden Ausführungen gelten auch dann, wenn die Betriebsstättenbegründung scheitert, da die Aufwendungen in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einnahmen stehen, die aus der zu errichtenden Betriebsstätte erzielt werden sollten (BFH vom 28.4.1983, BStBl. II S. 566). Aufwendungen der Auftragsakquisition, die nur bei Erfolg zu einer Betriebsstättenbegründung führt, sind stets vom Stammhaus zu tragen“.1

(9) Folge sowohl nach BFH als auch Verwaltung: Insbesondere dann, wenn die Betriebsstättengründung scheitert, kann es – vorbehaltlich des EU-Rechts (s.u.) – zur Keinmalberücksichtigung des Aufwands kommen.2 Allerdings wird man hierbei verschiedenes berücksichtigen müssen: a) Zum einen wird für den Fall, dass das einschlägige DBA eine Subjectto-tax-Klausel (Freistellung unter Besteuerungsvorbehalt) enthält, darauf hingewiesen3, dass diese nach Ansicht der Verwaltung auch für negative Einkünfte zum Tragen kommt, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass „eine Berücksichtigung im anderen Vertragsstaat – auch in anderen VZ – endgültig und vollständig ausgeschlossen ist, weil sie zu einer dort nicht besteuerten Kategorie von Einkünften gehören oder mit diesen in Verbindung stehen“4.5

Ähnlich der Versuch von Hagemann, nach dem § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG (Rückkehr zur Anrechnungsmethode) auch die Nichtberücksichtigung der Gründungsverluste durch den (anderen) DBA-Vertragsstaat erfasst;6 allerdings kann dieser Gedanke m.E. nur dann zum Tragen kom1 2 3 4 5 6

BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 – S 1300 – 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.9.1. Gosch, BFH/PR 2014, 334. Heinsen/Wendland, GmbHR 2014, 1033; sehr lesenswert. BMF v. 20.6.2013 – IV B 2 – S 1300/09/1006, BStBl. I 2013, 980 Rz 2.5. Heinsen/Wendland, GmbHR 2014, 1033: Nachweis schwierig. Hagemann, BB 2015, 226.

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men, wenn die Nichtberücksichtigung auf der Auslegung des DBA fußt, nicht hingegen, wenn dies bereits nach innerstaatlichem Recht ausgeschlossen ist. b) Zum anderen: Steht die DBA-Betriebsstätte unter einem Aktivitätsvorbehalt, wird dies auch für die Verlustberücksichtigung zu beachten sein; ebenso aber – in Drittstaaten-Sachverhalten – die Verwertungsrestriktionen des § 2a EStG.1 c) Nach der Neufassung des DBA-VAE 2010 vermeidet die BRD – abweichend von ihrer üblichen Abkommenspraxis – die inländische Besteuerung bei Einkünften von hier ansässigen Personen ausschließlich im Wege der Steueranrechnung. Bei Gründung ausländischer gewerblicher oder LuF-Betriebsstätten sind allerdings für Verluste die Verwertungsschranken des § 2a EStG zu beachten.2 (10) Gehört das Besprechungsurteil der Rechtsgeschichte an? In der Literatur wird hierzu die Ansicht vertreten, dass die Veranlassungslösung des BFH durch die Kodifizierung des Authorised OECD-Approach (AOA) in § 1 Abs. 5 AStG n.F. (vgl. auch Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008/2010/ 2014) überholt sei, weil hiernach (jedenfalls im Grundsatz) der Aufwand nur bereits bestehenden Betriebsstätten zugeordnet werden könne (Selbständigkeitsfiktion i.V.m. Fremdvergleich versus Veranlassung). Fehle es hieran, handle es sich um Aufwand des Stammhauses.3 Auch hier sind m.E. Zweifel angebracht. Abgesehen davon, dass § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG n.F. die Einkünftekorrektur an eine Minderung der inländischen Einkünfte oder Erhöhung der ausländischen Einkünfte bindet und die Selbständigkeitsfiktion nach § 1 Abs. 5 Satz 2 AStG unter dem Vorbehalt steht, dass die Zugehörigkeit der BS zum Unternehmen keine andere Behandlung erfordert, ist es nach Gosch naheliegend, den abkommensautonomen Zuordnungsmaßstab der Selbständigkeitsfiktion und des Fremdvergleichs mit dem (nationalen und wertenden) Veranlassungsprinzip zu identifizieren. Der Grund hierfür sei darin zu sehen, dass sowohl unter dem Blickwinkel des Art. 7 Abs. 1 OECD-MA als auch des § 1 Abs. 5 AStG n.F.

1 Heinsen/Wendland, GmbHR 2014, 1033. 2 S.o.; Herkenroth/Striegel in HHR, § 2a EStG Rz 30. 3 Ismer in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl., Art. 23 OECD-MA Rz 52 ff.; Schnorberger/Dust, BB 2014, 608; ebenso Girlich/Philipp, DB 2015, 459; ähnlich Heinsen/Wendland, GmbHR 2014, 1033; Wassermeyer, IStR 2015, 37; offen Schäfer, IStR 2015, 346.

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bei nachträglichen BE/BA auf die Aufwandszuordnung nach der jeweiligen unternehmerischen Tätigkeit abzustellen1 und



im Falle eines vergeblichen (Gründungs-) Aufwands – wenn auch entgegen den Absichten des Verordnungsgebers zu § 1 Abs. 5 AStG2 – im Veranlassungsprinzip ein vorgelagerter und gegenüber den vorgenannten Vorschriften vorrangiger Zuordnungsgrundsatz zu sehen sei.3

(11) Zum Abzug sog. finaler Verluste nach EU-Recht darf auf das nachträglich ergangene Urteil des EuGH in der Rs. Timac Agro4 verwiesen werden. Dessen Leitsatz 2 lautet: „Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Steuerregelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegensteht, die einer gebietsansässigen Gesellschaft im Fall der Veräußerung einer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte an eine gebietsfremde, zum gleichen Konzern wie die veräußernde Gesellschaft gehörende Gesellschaft die Möglichkeit verwehrt, die Verluste der veräußerten Betriebsstätte in die Bemessungsgrundlage der Steuer einzubeziehen, sofern aufgrund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die ausschließliche Befugnis zur Besteuerung der Ergebnisse dieser Betriebsstätte dem Mitgliedstaat zusteht, in dem sie belegen ist.“

B. „Goldfingerfälle“ – ausländische Personengesellschaft – kein Wahlrecht zur Überschussrechnung I. BFH-Urteil vom 25.6.2014 – I R 24/13, BStBl. II 2015, 141: atypisch stille Gesellschaft 1. Sachverhalt Der unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Kläger vereinnahmte im Streitjahr (2008) eine kapitalisierte Pensionszahlung i.H.v. …Euro. Im selben Jahr beteiligte er sich mit einer Einlage von ... Mio. Euro atypisch still an einer in Österreich ansässigen C-GmbH, die seit November 2008 mit Edelmetallen handelte. Der Kläger hat dazu mitgeteilt, die C-GmbH habe laufend An- und Verkäufe von Buntmetallen durchgeführt; auch

1 Hinweis auf Vorlagebeschluss zu § 50d Abs. 10 EStG n.F. v. 11.12.2013 – I R 4/13, BFHE 244, 1 = BStBl. II 2014, 791. 2 Vgl. BR-Drucks. 401/14, 127 zu § 31 Abs. 4 Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung – BsGaV. 3 Gosch, Festgabe für F. Wassermeyer, 2015, 209 ff. 4 EuGH v. 17.12.2015 – Rs. C-388/14, DStR 2016, 28.

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die im Streitjahr erworbenen Metalle seien […] 2009 wieder veräußert worden. Die C-GmbH habe ihren Gewinn und Verlust im Wege der Bilanzierung ermittelt. Hieraus ergab sich ein (niedriger) bilanzieller Verlust zum 31. Dezember 2008, der anteilig dem Kläger zuzurechnen sei. Aus dieser Beteiligung erklärten die Kläger nach Art. 7 und Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Österreich 2000 steuerfreie gewerbliche Einkünfte von ./. ... Mio. Euro, die sie dem sog. negativen Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG 2002 unterwarfen. Den Verlust errechneten die Kläger im Wege der Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG 2002, wobei die Anschaffungskosten für die im Streitjahr getätigten Rohstofferwerbe als sofort abziehbare Betriebsausgaben angesetzt wurden. Das FA folgte dem zwar dem Grunde nach. Allerdings sei für die Berechnung der österreichische Jahresabschluss der C-GmbH zum 31. Dezember 2008 maßgebend. Der Verlustanteil betrage hiernach aber lediglich ... Mio. Euro. Eine alternative Gewinnermittlung nach Maßgabe von § 4 Abs. 3 EStG 2002 und ein sofortiger Abzug der Anschaffungskosten für die gehandelten Edelmetalle als Betriebsausgaben scheide aus (BMF vom 16.5.2011, BStBl. I 2011, 530, Rz. 3: zu den anderen Gesetzen i.S.v. § 140 AO, die für Zwecke der inländischen Besteuerung eine Buchführungspflicht auslösen, gehören auch ausländische Rechtsnormen; ebenso AEAO n.F. vom 31.1.2014, BStBl. I 2014, 291 zu § 140 Satz 4). Der BFH bestätigte im Ergebnis die Sicht des FA mit der Folge, dass die Klage abgewiesen wurde.

2. Aus den Gründen (gestrafft) (1) Das FG ist davon ausgegangen, dass der im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Kläger im Streitjahr an der C-GmbH atypisch still beteiligt war. Es ist weiter davon ausgegangen, dass er aus seiner Beteiligung gewerbliche Einkünfte nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 2002 erwirtschaftet hat; die C-GmbH als Inhaberin des Handelsgeschäfts habe nach den Maßstäben des § 15 Abs. 2 EStG 2002 einen Gewerbebetrieb betrieben. All das ist unter den Beteiligten unstreitig und das gibt dem Senat auch keinen Anlass zu rechtlichen Beanstandungen. (2) Zutreffend hat das FG angenommen, dass dem Kläger (atypisch stiller Gesellschafter) die Betriebsstätte der C-GmbH in Österreich in seiner Eigenschaft als Unternehmer zuzurechnen ist. Folge: die Einkünfte aus Österreich sind – vorbehaltlich des Rechts zur Berücksichtigung beim Steuersatz (Progressionsvorbehalt; hier § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG) – nach

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Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 i.V.m. Art. 7 DBA-Österreich 2000 von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen (MUerBS). Allerdings wäre es – so der I. Senat – vorstellbar, dass der Kläger in Deutschland in seiner Funktion als Mitunternehmer der atypisch stillen Gesellschaft und für diese eine eigene Betriebsstätte unterhalten hat, welcher sein Gewinnanteil zuzurechnen wäre (s. zu einer sog. Mitunternehmerbetriebsstätte). Letzteres blieb jedoch – mangels Entscheidungserheblichkeit – offen. (3) Denn der Kläger war in jedem Fall verpflichtet, seinen Gewinnanteil an der atypisch stillen Gesellschaft nach Maßgabe des deutschen Rechts einheitlich durch Vermögensvergleich zu ermitteln. Er konnte deswegen die Anschaffungskosten der erworbenen Edelmetalle nicht unmittelbar als Betriebsausgaben in Abzug bringen, woraus sich wiederum ergibt, dass die Berechnung des Steuersatzes nach Maßgabe von § 32a Abs. 1 und Abs. 5 i.V.m. § 32b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 1 Nr. 3 EStG 2002 n.F. so, wie sie vom FA vorgenommen worden ist, entgegen der Vorinstanz richtig ist. (a) Eine Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG 2002 ist nur möglich (Wahlrecht), wenn die Steuerpflichtigen –

erstens nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, und



zweitens auch keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen. Damit knüpft die Vorschrift an die allgemeinen abgabenrechtlichen Bestimmungen über die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten in §§ 140 ff. der Abgabenordnung (AO) an, die ihrerseits auf die einschlägigen handelsrechtlichen Pflichten zurückzuführen sind.

An diesen tatbestandlichen Anforderungen fehlt es unter den Gegebenheiten des Streitfalls. Denn die C-GmbH als Inhaberin des Handelsgeschäfts wird nach den tatrichterlichen Feststellungen von dem einschlägigen österreichischen Handelsrecht verpflichtet, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, und sie ist tatsächlich auch in dieser Weise verfahren. [Im Streitfall] Unter diesen Maßgaben steht dem Kläger als atypisch still beteiligtem Gesellschafter aber kein "Wahlrecht" zu, von der Gewinnermittlung abzuweichen und nur für seine Person den Gewinnanteil im Wege der Überschussrechnung zu ermitteln. Vielmehr ist der Gewinn der atypisch stillen Gesellschaft für alle an ihr Beteiligten einheitlich zu ermitteln. Dass der Inhaber des Handelsgeschäfts in Österreich ansässig

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ist, ändert daran nichts. Die Abschlüsse der atypisch stillen Gesellschaft sind auch in dieser Situation für die Zwecke der inländischen Besteuerung prinzipiell nach deutschem Handels- und Steuerrecht und hierbei nach den allgemeinen innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschiften aufzustellen (vgl. Senatsurteil vom 16.2.1996 – I R 43/95, BFHE 180, 286, BStBl. II 1997, 128). (b) […] Die atypisch stille Gesellschaft als solche betreibt – anders als die Personenhandelsgesellschaft – zwar kein gewerbliches Unternehmen. Eine zivilrechtliche Tätigkeit der atypisch stillen Gesellschaft gibt es nicht. Tätig ist nur der Inhaber des Handelsgeschäfts. Allerdings führt der Geschäftsinhaber die Geschäfte im Innenverhältnis für alle Gesellschafter entsprechend der für sie geltenden Gemeinschaftsordnung; sie sind deshalb entsprechend der Gemeinschaftsordnung auch allen Gesellschaftern einheitlich zuzurechnen. Darauf stellt das Einkommensteuerrecht in § 15 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG 2002 ab und danach wird auch eine atypisch stille Gesellschaft im Sinne dieser Regelungen gewerblich tätig. Sie ist selbständiges Subjekt der Gewinnermittlung und Einkünftequalifikation (vgl. z.B. Urteile […] vom 5.2.2002 – VIII R 31/01, BFHE 198, 101, BStBl. II 2002, 464; […]; Schmidt/Wacker, EStG, 33. Aufl., § 15 Rz 347, jeweils m.w.N.). Ob es vor diesem Hintergrund einer "eigenen" Steuerbilanz der atypisch stillen Gesellschaft bedarf, mag dahinstehen. Jedenfalls ist eine Gesamtbilanz der atypisch stillen Gesellschaft aus der Handels- und Steuerbilanz des Geschäftsinhabers abzuleiten. Auf dieser Basis gibt es aber nur einen einheitlichen Vermögensvergleich und einen Gewinn oder Verlust der Gesellschaft und dem sind, wie gesagt, alle Beteiligten unterworfen (s. allgemein [...] Pfirrmann, Die Einkommensteuerrechtssubjektivität der Personengesellschaft unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen Steuerrecht und Zivilrecht, 2002, S. 182 ff. und passim, sowie für eine mit dem Streitfall vergleichbare Sachverhaltsgestaltung FG Nürnberg, Urteil vom 26.11.2013 – 1 K 1884/10, nicht veröffentlicht). (c) [Freiwillige Buchführung] Selbst wenn die C-GmbH nach österreichischem Recht nicht zur Buchführung verpflichtet gewesen sein sollte, verhielte es sich nicht anders. Auch dann schiede ein „Wahlrecht“ des Klägers, seinen individuellen Gewinn aus der atypisch stillen Beteiligung durch Überschussrechnung zu ermitteln, aus, weil die C-GmbH unter solchen Umständen jedenfalls freiwillig einen Vermögensvergleich angestellt hätte. Auch das stünde aber, wie sich aus dem kumula-

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tiv erforderlichen zweiten Tatbestandsmerkmal des § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG 2002 ergibt, einer Überschussrechnung durch den Kläger entgegen. (d) Auf die (umstrittene) Rechtsfrage danach, ob sich eine materiellrechtliche Buchführungspflicht des Klägers (auch) isoliert nach Maßgabe von § 140 AO in Verbindung mit dem hier maßgebenden österreichischen Handelsrecht ergibt, bedarf es deswegen im Streitfall – nach wie vor (s. bereits Senatsurteile vom 13.9.1989 – I R 117/87, BFHE 158, 340, BStBl. II 1990, 57, und vom 14.9.1994 – I R 116/93, BFHE 176, 125, BStBl. II 1995, 238, […] ) – keiner abschließenden Antwort (bejahend BMF-Schreiben in BStBl. I 2011, 530, dort Rz. 3; AEAO in BStBl. I 2014, 291, dort zu § 140 Satz 4; R 4.1 Abs. 4 EStR 2008; […]). Gleichermaßen können die unter den Beteiligten diskutierten Fragen offen bleiben, ob die besonderen Abzugsregelungen des § 4 Abs. 3 Satz 4 oder des § 15b EStG 2002 auf die Situation des Streitfalls anwendbar sind oder nicht.

II. BFH-Urteil vom 10.12.2014 – I R 3/13; BFH/NV 2015, 667: englische Partnership 1. Sachverhalt Der verheiratete Kläger beteiligte sich mit einer Einlage von … Euro an der in London ansässigen … Partnership (im Folgenden: P), die nach ihrer Satzung u.a. mit Edelmetallen handelte. Im Dezember 2007 erwarb sie Gold zu einem Preis von … Euro. Obgleich die P – so das FG – entsprechend ihrer nach britischem Recht bestehenden Verpflichtung zum 31.12.2007 eine Bilanz erstellt hatte, machte der Kläger aus seiner Beteiligung im Rahmen des sog. negativen Progressionsvorbehalts nach § 32b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes 2002 (EStG 2002) einen gemäß Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG 2002) ermittelten Verlust in Höhe von … Euro geltend. Das FA folgte dem nicht. Es ging zwar – ebenso wie der Kläger – davon aus, dass die Einkünfte aus der Beteiligung an der P nach Art. XVIII Abs. 3 Buchst. a i.V.m. Art. III Abs. 2 DBA-Großbritannien 1964/1970 von der inländischen Einkommensbesteuerung auszunehmen seien. Zu berücksichtigen sei aber der nach bilanziellen Grundsätzen zu ermittelnde Verlustanteil; der sich hierbei anzusetzende Betrag (… Euro) wirke sich allerdings auf die Höhe der festzusetzenden Einkommensteuer nicht aus. Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage hat das FG stattgegeben (Hessisches FG, EFG 2013, 503). Das Urteil wurde vom BFH aufgehoben.

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2. Aus den Gründen Die Revision ist begründet. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger befugt gewesen sei, die Einkünfte aus seiner Beteiligung an der P nach der Überschussrechnung des § 4 Abs. 3 EStG 2002 zu ermitteln. Allerdings hat die Vorinstanz keine Feststellungen zu den im Rahmen einer bilanziellen Gewinnermittlung anzusetzenden Einkünften getroffen. Das Urteil des FG ist deshalb aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen. (1) Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG 2002 können Steuerpflichtige (nur dann) den Gewinn als Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen, wenn sie – erstens – nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, und – zweitens – auch keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen. Der Senat hat hierzu mit Urteil vom 25.6.2014 – I R 24/13 (BFHE 246, 404, BStBl. II 2015, 141) entschieden, dass im Falle einer (mitunternehmerischen) atypisch stillen Beteiligung eines im Inland ansässigen Gesellschafters an einer österreichischen Kapitalgesellschaft, die im Inland über keine Betriebsstätte verfügt, jedoch aufgrund gesetzlicher Vorschriften (nämlich des österreichischen Rechts) verpflichtet ist, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, oder die dies freiwillig tut, der atypisch stille Gesellschafter nicht befugt ist, seinen Gewinn aus der Beteiligung nach Maßgabe von § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG 2002 als Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben anzusetzen. Dazu hat der Senat erläutert, dass die Gesamtbilanz der atypisch stillen Gesellschaft (Mitunternehmerschaft) aus der Handels- und Steuerbilanz ihres Geschäftsinhabers (Kapitalgesellschaft) abzuleiten ist und demgemäß alle Mitunternehmer einer einheitlichen Gewinnermittlung auf der Grundlage eines Betriebsvermögensvergleichs unterworfen sind. Gleiches muss (erst recht) für den anhängigen Streitfall gelten, der nach den Feststellungen des FG dadurch gekennzeichnet ist, dass die P als selbständiges Subjekt der Einkünftequalifikation und Einkünfteermittlung eine Bilanz erstellt hat. Demnach kann es – entgegen der Beurteilung der Vorinstanz – auch nicht in Betracht kommen, bei der Einkommensteuerveranlagung des Streitjahres einen nach den Überschussgrundsätzen des § 4 Abs. 3 EStG 2002 berechneten Verlustanteil des Klägers anzusetzen. (2) Die Sache ist allerdings nicht spruchreif, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs

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für den Kläger unter Berücksichtigung etwaiger Sonderbetriebsausgaben ein – wenn auch geringerer – Verlust ergibt. Da das FG hierzu aber – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen getroffen hat, sieht der Senat keine Veranlassung, zur rechtlichen Gesamtwürdigung des Sachverhalts durch das FG abschließend Stellung zu nehmen. Letzteres erscheint erst dann angezeigt, wenn die vom FG aufgeworfenen Rechtsfragen tatsächlich unter Berücksichtigung der Darlegungen zu [… (1)] entscheidungserheblich sind.

III. Hinweise (1) Die Urteile sind auf fast einhellige Kritik gestoßen. Insbesondere wurde geltend gemacht, dass der I. Senat erkennbar nur den „Goldfinger-Modellen“ habe begegnen wollen.1 (2) Dem ist zu widersprechen. Nach allgemeinen Grundsätzen ist der Gesamtgewinn einer Mitunternehmerschaft nur einheitlich entweder nach Bilanzierungs- oder nach Überschussgrundsätzen zu ermitteln. Mischlösungen sind dem deutschen Ertragsteuerrecht fremd.2 Nichts anderes gilt für die atypisch stille Gesellschaft.3 Sowohl in Fällen der Außengesellschaft als auch der Innengesellschaften handeln die Geschäftsführungsbefugten für und gegen alle Mitunternehmer; diese müssen sich m.a.W. deren Handeln zurechnen lassen.4 Folge: die Buchführungspflicht der Außengesellschaft oder des Inhabers des Geschäftsbetriebs (bei einer Innengesellschaft) erfasst notwendigerweise alle Mitunternehmer und nimmt ihnen den Spielraum für eine abweichende Handhabung. (3) Unter diesem Blickwinkel sind deshalb auch die Ausschlusstatbestände des § 4 Abs. 3 EStG für eine Überschussrechnung (keine Bilanzierungspflicht; keine freiwillige Bilanzierung) zu lesen. Sie beziehen 1 Siehe – neben Böing, EStB 2015, 8; Richter/John, ISR 2014, 414 f.; Schmidt/ Renger, IStR 2015, 254; Hennrichs, DStR 2015, 1420; P. Müller, BB 2015, 2327 – die Darstellungen auf der Steuerrechtlichen Jahresarbeitstagung 2015 der Fachanwälte für Steuerrecht, S. 315 ff. (Blumenberg: allgemeine Geltung offen) und S. 371 ff. (Michael Fischer: keine klare Begründung; Geltung auch für Inlandssachverhalte; kein widerspruchsfreies steuerrechtliches Konzept für atypisch stille Gesellschaft). Zum Urteil I R 3/13 (Partnership) s. Salzmann, IStR 2015, 282. 2 Wacker in Schmidt, 34. Aufl. 2015, § 15 EStG Rz. 400 ff. 3 Wacker in Schmidt, 34. Aufl. 2015, § 15 EStG Rz. 347 jeweils m.w.N. 4 A.A. – z.B. – Hennrichs, DStR 2015, 1420.

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sich in Fällen der Innengesellschaft notwendigerweise auf den Inhaber des Gewerbebetriebs. Damit ist zugleich geklärt, dass diese Zusammenhänge – auch jenseits der „Goldfinger-Fälle“ – jedenfalls bei inländischen Sachverhalten zum Tragen kommen. (4) Die einzig hiernach verbleibende Frage ging deshalb in den vorbezeichneten Fällen dahin, ob die dargestellten Grundsätze auch durch eine ausländische Buchführungs- und Abschlusspflicht ausgelöst werden. Der Senat hat dies – m.E. zu Recht und unter Bestätigung seines Urteils vom 16.2.19961 (betr. Währungsverluste einer ausländischen BS) – bejaht. Der Wortlaut des § 4 Abs. 3 EStG gibt insoweit keine Anhaltspunkte für eine Einschränkung; auch ist nicht erkennbar, dass Sinn und Zweck der Norm insoweit eine solche Auslegung gebieten würden.2 Auch kann ich mich der Ansicht von P. Müller nicht anschließen, nach der es verfassungsrechtlich geboten sei, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs. 3 EStG nicht auf eine Buchführung/Buchführungspflicht nach ausländischem Recht zu erstrecken (verfassungskonforme Auslegung).3 (5) Hiervon ausgehend kann ferner nicht fraglich sein, dass die Ergebnisse der ausländischen Bilanzierung an die Regeln des deutschen Ertragsteuerrechts angepasst werden müssen. Auch dies ist jedoch im Verhältnis zu einer Buchführungspflicht nach inländischem HGB keine Besonderheit und wird zudem – worauf im Urteil I R 24/134 unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 16.2.19965 (betr. Währungsverluste i.Z.m. ausländischen BS) hingewiesen worden ist – in der Regelung des § 146 Abs. 2 AO für den Fall der ausländischen Buchführung für eine dort belegene (ausländische) BS ausdrücklich vorgegeben: „(1) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. (2) Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. (3) In diesem Fall […] müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. (4) Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen“. 1 2 3 4 5

BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BFHE 180, 286 = BStBl. II 1997, 128. Abl. Drüen, ISR 2014, 265, 271: „kurzschlüssig“. P. Müller, BB 2015, 2327. BFH v. 25.6.2014 – I R 24/13, BFHE 246, 404 = BStBl. II 2015, 141. BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BFHE 180, 286 = BStBl. II 1997, 128.

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Ungeachtet dessen, welche Stellung der Vorschrift des § 146 Abs. 2 Satz 4 AO im Gefüge des § 140 AO zukommt1 gibt sie gewissermaßen den Programmsatz auch für die Vorgehensweise einer auf die Regelungen des § 4 Abs. 3 EStG gestützten Buchführungspflicht vor. Findet sie ihren Ausgangspunkt im ausländischen Recht, sind deren Ergebnisse mit denen der deutschen Steuerbilanz abzugleichen und im Konfliktfall an Letztere anzupassen.2 (6) Allerdings wird im Schrifttum3 und in der Rechtsprechung der Finanzgerichte4 darauf hingewiesen, dass eine General Partnership (vergleichbar einer BGB-Gesellschaft bzw. OHG) nach englischem Recht keiner Bilanzierungspflicht unterliege; unberührt hiervon bleibt aber, dass § 4 Abs. 3 EStG eine Überschussermittlung gewerblicher Einkünfte bereits dann ausschließt, wenn die Gesellschaft freiwillig bilanziert5. Anders hingegen bei einer sog. Qualifying Partnership bzw. Limited Partnership.6 (7) Buchführungspflichtig ist ferner die Limited Liability Partnership (LLP) nach englischem Recht7 mit der Folge, dass – so Gosch8 – bei Zusammenschluss inländischer RA die Haftungsvorteile durch Bilanzierungszwang relativiert werden. (8) Weitere offene Verfahren, bei denen insbesondere auch über die Frage der Gewerblichkeit des Gold-/Edelmetallhandels zu entscheiden ist: BFH I R 34/14 (Gewerbebetrieb/Vermögensverwaltung bei Goldhandel/ General Partnership); I R 62/15 (Goldhandel einer General Partnership als Vermögensverwaltung); I R 14/14 (Abgrenzung Gewerbebetrieb/Vermögensverwaltung bei Goldhandel/General Partnership); IV R 50/13 (General Partnership/Goldgeschäfte als Gewerbebetrieb); IV R 10/14 (Goldbarren einer gewerblich geprägten Personengesellschaft als nicht abnutzbares Anlagevermögen).9

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Vgl. hierzu ausführlich Drüen, ISR 2014, 265. A.A. Drüen, ISR 2014, 265. Insb. Schmidt/Renger, IStR 2015, 254. FG München v. 29.6.2015 – 7 K 928/13, EFG 2015, 1931; Rev. I R 62/15. Salzmann, DStR 2015, 1725 und 1727; Mann/Stahl, DStR 2015, 1726. Vgl. auch hierzu Schmidt/Renger, IStR 2015, 254. Vgl. dazu Schmidt/Renger, IStR 2015, 254. Gosch, BFH/PR 2015, 1. Vgl. auch Gosch, BFH/PR 2015, 1: Die ergangenen BFH-Entscheidungen (I R 24/13, BStBl. II 2015, 141 und I R 3/13, BFH/NV 2015, 667) sind nicht für alle offenen Verfahren exemplarisch.

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(9) Fazit: Die materiell-rechtliche Lösung i.R.v. § 4 Abs. 3 EStG hatte zur Folge, dass der BFH zur Auslegung des § 140 AO durch die Finanzverwaltung nicht Stellung nehmen musste.1 Ebenso wenig findet sich in den Urteilen die eigentliche selbstverständliche Aussage, dass es in Fällen einer Bilanzierung nach ausländischem Recht keine Bindung an die GoB nach deutschem Handelsrecht (§ 5 Abs. 1 EStG) geben kann.2 Auch hierauf kam es nach dem Vorstehenden nicht an. (10) Deshalb nur ergänzend der Hinweis, dass der Gesetzgeber – gewissermaßen vorsorglich – aktiv geworden ist und sowohl § 15b (Abs. 3a) EStG als auch § 32b (Abs. 1 Satz 3) EStG – gezielt mit Rücksicht auf die vorliegenden Gestaltungen – ergänzt hat.3 (11) Ausstrahlen könnten die vorgenannten Entscheidungen auch auf den Anwendungsbereich des § 141 AO. Da diese Vorschrift im Verhältnis zur abgeleiteten Buchführungspflicht gemäß § 140 AO subsidiär ist, stellt sich die Frage, ob anderes dann gelten kann, wenn – wie vom I. Senat angenommen – die ausländische Buchführungspflicht (oder tatsächliche Buchführung) das Wahlrecht nach § 4 Abs. 3 EStG zugunsten einer Überschussrechnung ausschließt. Die Frage kann sich insbesondere auch in Fällen der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht ausländischer Immobilienkapitalgesellschaften4 nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG stellen. Auf den zu diesem Problemkreis ergangenen AdV-Beschluss vom 15.10.20155 wird verwiesen. (12) Nur abrundend: Die „Goldfinger“-Gestaltungen sind abzugrenzen von den sog. Xetra-Goldwertpapieren (Inhaberschuldverschreibungen auf Lieferung „physischen Goldes“), bei denen die Frage zu entscheiden 1 Vgl. hierzu jüngst insbesondere Drüen, ISR 2014, 265: Ausländische Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten sind nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck (Rückgriff auf nicht steuerliche Buchführungspflichten zur Sicherstellung einer materiell zutreffenden Besteuerung entspricht dem Verifikationszweck der Norm) von § 140 AO umfasst. Allerdings soll die ausländische Buchführung „lediglich verfahrensrechtliche Bedeutung haben; d.h., materiell werde hierdurch eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht ausgeschlossen. Krit. auch insoweit Hennrichs, DStR 2015, 1420. 2 Vgl. hierzu BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BFHE 158, 340, BStBl. II 1990, 57: die Vorschrift nimmt auf ausländische GoB nicht Bezug. 3 Vgl. dazu Gosch, BFH/PR 2015, 1: „für die Zukunft läuft das feinsinnige … Goldfingermodell leer“; zustimmend Krää, FR 2015, 928 (939). Zur Frage der Gewerblichkeit des Goldhandels s. Preißer, DB 2015, 1558. 4 Zum Zuzug s. Pöllath/Fischer, IStR 2015, 778. 5 BFH v. 15.10.2015 – I B 93/15, BFH/NV 2016, 138.

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war, ob die Erträge (Einlösungs- oder Veräußerungsgewinne) als Kapitaleinkünfte der Abgeltungsteuer unterliegen oder ob nach Ablauf von einem Jahr nicht steuerbare Veräußerungsgewinne i.S.v. § 23 EStG erzielt werden. Der BFH hat Letzteres angenommen.1

C. § 50d Abs. 10 EStG I. Einleitung 1. Rechtsprechung des BFH Der BFH ist zwar nicht Vater des § 50d Abs. 10 EStG, aber doch ihr geistiger Urheber insofern, als der I. Senat in ständiger Rechtsprechung die Ansicht vertritt, dass grenzüberschreitende Sondervergütungen, die ein Mitunternehmer von „seiner“ Personengesellschaft erhält, also beispielsweise im sog. Inboundfall Zinsen, die die inländische KG an ihren im Ausland ansässigen Gesellschafter (Mitunternehmer; im Folgenden: MUer) zahlt, zwar nach den Bestimmungen des deutschen EStG (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG) zu den mitunternehmerischen Einkünften gehören, die Vergütungen indes DBA-rechtlich nicht als Unternehmensgewinne der inländischen BS, sondern als Zinseinkünfte des MUers zu qualifizieren sind. Die Ansicht beruht nicht nur auf dem sog. Spezialitätenvorrang des Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2014 (im Folgenden: OECD-MA) einerseits, nach dem die Bestimmungen der speziellen Zuteilungsnormen – hier also des Art. 11 OECD-MA über die Besteuerung von Zinsen im Ansässigkeitsstaat des MUers – durch Art. 7 OECD-MA nicht berührt werden. Sie fußt andererseits vor allem auf einem gegenüber der national-staatlichen Qualifikation engeren Verständnis des sog. Betriebsstättenvorbehalts, der z.B. in Art. 11 Abs. 4 OECD-MA zwar auf den Unternehmensartikel zurückverweist, dies jedoch nur unter der Voraussetzung der „tatsächlichen Zugehörigkeit“ der Zinsforderung zu der in Frage stehenden BS. Tatsächliche Zugehörigkeit in diesem Sinne meint nach ständiger Rechtsprechung eine tatsächliche-funktionale Zuordnung, die aus einer abkommensautonomen Auslegung gewonnen wird und sich im Interesse der Entscheidungsharmonie von dem rechtlichen Zurechnungszusammenhang des Mitunternehmerkonzepts und der in § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG verfügten Zuordnung der Sonderver1 BFH v. 12.5.2015 – VIII R 4/15 und VIII R 35/14: Ansprüche auf Lieferung von Gold begründen weder Kapitalforderung i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 2 Nr. 7 EStG noch liegt ein Termingeschäft i.S.v. § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG vor.

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gütung zum Gesamtgewinn der MUerschaft löst. Eine Zinsforderung könne deshalb – so der BFH – nur dann der BS tatsächlich angehören, wenn die Zinsen in der BS erwirtschaftet werden, nicht aber, wenn sie – wie im Fall eines Zinsanspruchs des MUers – die BS als Passivum belaste.

2. Reaktion des Gesetzgebers Die Auffassung der Rechtsprechung weicht von der Sicht der Verwaltung ab, die schon immer die Einheit der mitunternehmerischen Einkünfte auch DBA-rechtlich gewahrt und hierdurch nicht nur Einzelund Mitunternehmer, sondern auch in- und ausländische Personengesellschaften mit BS in der Bundesrepublik mit Blick auf deren gewerbesteuerrechtliche Belastung gleich behandelt wissen wollte.1 Der erste mit dem JStG 20092 unternommene Versuch, dieser Ansicht – im Rahmen einer die Rechtsprechung brechenden Regelung in § 50d Abs. 10 EStG 2009 – Rechtsbeständigkeit zu geben, ist vom I. Senat anlässlich eines Falles, in dem einer inländischen Personengesellschaft Lizenzrechte von einer US-amerikanischen Kapitalgesellschaft gewährt wurden, mit der Begründung verworfen worden, die Regelung (§ 50d Abs. 10 EStG 2009) sei tatbestandlich zu kurz gefasst und könne deshalb ihr Ziel nicht erreichen. Der Gesetzgeber hat – das Schrifttum spricht von einem Wettlauf3 – nachgelegt und die Vorschrift, die auch gewerbesteuerrechtlich zu beachten ist (§ 7 Satz 6 GewStG), durch das AmtshilferichtlinieUmsetzungsgesetz4 umfassend restauriert. Die Vorschrift – im Folgenden: § 50d Abs. 10 EStG n.F. – lautet nunmehr: „(1) 1Sind auf eine Vergütung im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 1 zweiter Halbsatz und Nummer 3 zweiter Halbsatz die Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuwenden und enthält das Abkommen keine solche Vergütungen betreffende ausdrückliche Regelung, gilt die Vergütung für Zwecke der Anwendung des Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ausschließlich als Teil des Unternehmensgewinns des vergütungsberechtigten Gesellschafters. 2Satz 1 gilt auch für die durch das Sonder1 BT-Drucks. 16/11108, 23 (zum JStG 2009); BT-Drucks. 17/13033, 73; vgl. aus der Rspr. BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BFHE 164, 38, BStBl. II 1991, 444 (Leitentscheidung). 2 Jahressteuergesetz 2009 v. 19.12.2008, BGBl I 2008, 2794 = BStBl. I 2009, 74. 3 Loschelder in Schmidt, 34. Aufl. 2015, § 50d EStG Rz. 60. 4 Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG –) v. 26.6.2013, BGBl I 2013, 1809 = BStBl. I 2013, 790.

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Wacker – Brennpunkte der Besteuerung internationaler Personengesellschaften betriebsvermögen veranlassten Erträge und Aufwendungen. 3Die Vergütung des Gesellschafters ist ungeachtet der Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung über die Zuordnung von Vermögenswerten zu einer Betriebsstätte derjenigen Betriebsstätte der Gesellschaft zuzurechnen, der der Aufwand für die der Vergütung zugrunde liegende Leistung zuzuordnen ist; die in Satz 2 genannten Erträge und Aufwendungen sind der Betriebsstätte zuzurechnen, der die Vergütung zuzuordnen ist. 4Die Sätze 1 bis 3 gelten auch in den Fällen des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 2 sowie in den Fällen des § 15 Absatz 1 Satz 2 entsprechend. 5Sind Einkünfte im Sinne der Sätze 1 bis 4 einer Person zuzurechnen, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung als im anderen Staat ansässig gilt, und weist der Steuerpflichtige nach, dass der andere Staat die Einkünfte besteuert, ohne die darauf entfallende deutsche Steuer anzurechnen, ist die in diesem Staat nachweislich auf diese Einkünfte festgesetzte und gezahlte und um einen entstandenen Ermäßigungsanspruch gekürzte, der deutschen Einkommensteuer entsprechende, anteilige ausländische Steuer bis zur Höhe der anteilig auf diese Einkünfte entfallenden deutschen Einkommensteuer anzurechnen. 6Satz 5 gilt nicht, wenn das Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung eine ausdrückliche Regelung für solche Einkünfte enthält. 7Die Sätze 1 bis 6 1. sind nicht auf Gesellschaften im Sinne des § 15 Absatz 3 Nummer 2 anzuwenden; 2. gelten entsprechend, wenn die Einkünfte zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 gehören; dabei tritt der Artikel über die selbständige Arbeit an die Stelle des Artikels über die Unternehmenseinkünfte, wenn das Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung einen solchen Artikel enthält. 8Absatz

9 Satz 1 Nummer 1 bleibt unberührt.“

II. Legislative Zielerfüllung und Vorlage – Beschluss vom 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791 Wie bekannt, hat der I. Senat auch diesen Fall zum Anlass genommen, die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des treaty-overriding auf den Prüfstand des BVerfG zu stellen.1 Gegenstand der Vorlage ist ferner, ob 1 Vgl. hierzu – betr. § 50d Abs. 8 EStG – den zwischenzeitlich ergangenen Beschluss des BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, DStR 2016, 359 (Leitsätze 3 bis 5): „Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG schränkt die Geltung des lex-posterior-Grundsatzes für völkerrechtliche Verträge nicht ein. Spätere Gesetzgeber müssen – entsprechend dem durch die Wahl zum Ausdruck gebrachten Willen des Volkes – innerhalb der vom Grundgesetz vorgegebenen Grenzen Rechtsetzungsakte früherer Gesetzgeber revidieren können. Die Verfassungswidrigkeit völkerrechtswidriger Gesetze lässt sich nicht unter Rückgriff auf den ungeschriebenen Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes begründen. Dieser Grundsatz hat zwar Verfassungsrang, beinhaltet jedoch keine verfassungs-

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die sowohl für § 50d Abs. 10 EStG i.d.F. des JStG 2009 als auch für die Neufassung des AmtshilfeRLUmsG angeordneten Rückwirkungen (beide Vorschriften gelten nach § 52 Abs. 59a Satz 10 und 11 EStG 2009 n.F. zumindest für die Vergangenheit parallel) den Anforderungen an einen rechtsstaatlichen Vertrauensschutz genügen. Auch wenn der Wettlauf damit – um im Bild zu bleiben – in die nächste Runde geht, soll von beiden Vorlagefragen im Folgenden nicht die Rede sein. Vielmehr sollen hier zum einen die grundsätzlichen Zusammenhänge der Neuregelung sowie zum anderen die einfachrechtlichen Geltungsgrenzen des § 50d Abs. 10 EStG n.F. angesprochen werden. Ersteres, nämlich die einfach-rechtlich und – innerhalb der Grenzen einer zulässigen Rückwirkung – auch verfassungsrechtlich (s.o.) geglückte Abkommensüberschreibung, macht man sich am besten am Vorlagefall im Verfahren I R 4/131 klar.

1. Vorlagefall Die Klägerin ist eine inländische GmbH & Co. KG. Im Streitjahr 2000 war der – in Italien wohnhafte – Beigeladene (B) als atypisch stiller Gesellschafter am Betrieb der KG beteiligt. Hieraus erzielte er einen Gewinnanteil i.H.v. 15.000 DM sowie Zinsen i.H.v. 718.952 DM für ein Darlehen, das er der Klägerin gewährte. Das FA stellte die Zinsen als Sondervergütungen des B unter Hinweis auf § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 2009 fest. Das FG folgte hingegen der Ansicht der Klägerin, nach der gem. Art. 11 Abs. 2 DBAItalien 1989 Italien das Besteuerungsrecht für die Zinsen zustehe. Hiervon hatte Italien im Streitfall auch Gebrauch gemacht. Deutschland habe wegen § 50d Abs. 10 EStG 2002 n.F. auch kein Recht, Kapitalertragsteuer auf die Zinsen einzubehalten.

2. Aus dem DBA-Italien (1989) „Artikel 7 Unternehmensgewinne (1) Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaats können nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, das Unternehmen übt seine Tätigkeit im anderen rechtliche Pflicht zur uneingeschränkten Befolgung aller völkerrechtlichen Normen. Aus dem Rechtsstaatsprinzip kann ein (begrenzter) Vorrang des Völkervertragsrechts vor dem (einfachen) Gesetz oder eine Einschränkung des lexposterior-Grundsatzes nicht abgeleitet werden.“ 1 BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791.

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Wacker – Brennpunkte der Besteuerung internationaler Personengesellschaften Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte aus. Übt das Unternehmen seine Tätigkeit auf diese Weise aus, so können die Gewinne des Unternehmens im anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser Betriebsstätte zugerechnet werden können. [...] (7) Gehören zu den Gewinnen Einkünfte, die in anderen Artikeln dieses Abkommens behandelt werden, so werden die Bestimmungen jener Artikel durch die Bestimmungen dieses Artikels nicht berührt. Artikel 11 Zinsen (1) Zinsen, die aus einem Vertragsstaat stammen und an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt werden, können im anderen Staat besteuert werden. (2) Diese Zinsen können jedoch auch in dem Vertragsstaat, aus dem sie stammen, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden; die Steuer darf aber, wenn der Empfänger der Zinsen der Nutzungsberechtigte ist, 10 vom Hundert des Bruttobetrags der Zinsen nicht übersteigen. […] (5) Die Absätze 1, 2 und 3 sind nicht anzuwenden, wenn der in einem Vertragsstaat ansässige Nutzungsberechtigte im anderen Vertragsstaat, aus dem die Zinsen stammen, eine gewerbliche Tätigkeit durch eine dort gelegene Betriebsstätte oder eine selbständige Arbeit durch eine dort gelegene feste Einrichtung ausübt und die Forderung, für die die Zinsen gezahlt werden, tatsächlich zu dieser Betriebsstätte oder festen Einrichtung gehört. In diesem Fall können die Zinsen im anderen Vertragsstaat nach dem Recht dieses Staates besteuert werden.“.

3. Unilaterale- und abkommensrechtliche Erwägungen des BFH LS 1 Erhält ein in Italien ansässiger Gesellschafter einer deutschen Personengesellschaft Zinsen für ein von ihm der Gesellschaft gewährtes Darlehen, so können diese Zinsen nach dem DBA-Italien 1989 in Deutschland nicht als gewerbliche Gewinne besteuert werden (Bestätigung der ständigen Spruchpraxis). Ein deutsches Besteuerungsrecht kann sich insoweit aber infolge der in § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 2009 angeordneten Umqualifizierung von Sondervergütungen i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG (1997) in abkommensrechtliche Unternehmensgewinne ergeben, wenn der Gesellschafter über keine anderweitige Betriebsstätte verfügt (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 8.9.2010 – I R 74/09, BFHE 231, 84, BStBl. II 2014, 788 und Fortfüh-

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rung des Senatsurteils vom 12.6.2013 –I R 47/12, BFHE 242, 107). Gleiches ergibt sich nunmehr aus § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG n.F. Beschlussgründe (z.T. wörtlich) (1) B war gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG im Inland beschränkt einkommensteuerpflichtig. Die Betriebsstätte (BS) der Klägerin (KG) ist ihm als eigene zuzurechnen. Zu dieser BS gehören nach dem insoweit maßgeblichen nationalen Recht auch die Zinsforderung gegenüber der Klägerin (SBV I; vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). (2) Das deutsche Besteuerungsrecht an den Zinsen wird jedoch ausgeschlossen, da sie nach Art. 11 Abs. 1 DBA-Italien 1989 in Italien besteuert werden können. (a) Der Beigeladene hatte im Streitjahr keinen Wohnsitz im Inland; er war nur in Italien ansässig. Zinsen, die aus einem Vertragsstaat stammen und an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt werden, können im anderen Vertragsstaat besteuert werden, Art. 11 Abs. 1 DBA-Italien 1989. Diese Zinsen können jedoch auch in dem Vertragsstaat, aus dem sie stammen, besteuert werden; die Steuer darf aber, wenn der Empfänger der Zinsen der Nutzungsberechtigte ist, 10 v.H. des Bruttobetrags der Zinsen nicht übersteigen, Art. 11 Abs. 2 Satz 1 DBA-Italien 1989. […] (b) Diese Besteuerungszuordnung gilt unbeschadet dessen, dass die Zinsen nach deutschem Steuerrecht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG (1997) als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln sind und dass gewerbliche Einkünfte den Unternehmensgewinnen nach Maßgabe von Art. 7 Abs. 1 und 2 DBA-Italien 1989 unterfallen; die speziellere Einkunftsart nach Art. 11 DBA-Italien 1989 geht ebenso wie die zwischenstaatlich dafür vereinbarte Einkunftszuordnung infolge des in Art. 7 Abs. 7 DBA-Italien 1989 angeordneten sog. Spezialitätenvorrangs vor. Nationale Besonderheiten – wie hier in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 (i.V.m. § 20 Abs. 3) EStG (1997) für Sondervergütungen – treten dahinter zurück (vgl. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA, Art. 3 Abs. 2 DBA-Italien 1989). (c) Nichts anderes ergibt sich aus dem sog. Partnership Report der OECD aus dem Jahre 1999. […] (d) Ein Besteuerungsrecht Deutschlands lässt sich nicht aus der Rückverweisung in Art. 11 Abs. 5 DBA-Italien 1989, dem sog. Betriebsstättenvorbehalt, ableiten. Danach ist u.a. Art. 11 Abs. 1 DBA-Italien 1989 nicht anzuwenden, wenn der in einem Vertragsstaat ansässige Nut-

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zungsberechtigte im anderen Vertragsstaat, aus dem die Zinsen stammen, eine gewerbliche Tätigkeit durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausübt und die Forderung, für die die Zinsen gezahlt werden, tatsächlich zu dieser Betriebsstätte gehört. In diesem Fall können die Zinsen im anderen Vertragsstaat nach dem Recht dieses Staats besteuert werden. Diese Voraussetzung ist aber im Streitfall nicht erfüllt. Zwar übt der Beigeladene im Inland eine gewerbliche Tätigkeit durch eine hier gelegene Betriebsstätte aus (s.o. sowie Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 DBA-Italien 1989). Jedoch greift die Rückverweisungsklausel des Art. 11 Abs. 5 DBAItalien 1989 im Streitfall deshalb nicht durch, weil die in Rede stehende Darlehensforderung nicht tatsächlich zu der deutschen Betriebsstätte gehört. Der Umstand, dass die Zinsen nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts als Sondervergütungen des Beigeladenen i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG (1997) anzusehen und dem Gewinn der Gesellschaft und mithin den von ihr unterhaltenen Betriebsstätten zuzuordnen sind, widerspricht dem nicht. Ausschlaggebend ist, dass die zugrunde liegende Darlehensforderung des Beigeladenen nur dann in der gebotenen tatsächlichen Weise zu der Betriebsstätte gehören kann, wenn sie aus der Sicht der Betriebsstätte einen Aktivposten bildet. […] Unabhängig davon ist Art. 11 Abs. 5 DBA-Italien 1989 ohnehin nicht einschlägig, stellt man nicht auf die schuldrechtliche Forderung (hier des Beigeladenen als Gläubiger), sondern auf die damit korrespondierende schuldrechtliche Verbindlichkeit (hier der Klägerin als Schuldnerin) ab (vgl. dazu Senatsurteil in BFHE 164, 38, BStBl. II 1991, 444;[…]). (3) In Reaktion auf die zitierte Spruchpraxis des Senats sowie des II. Senats des BFH hat der Gesetzgeber des Jahressteuergesetzes 2009 allerdings mit § 50d Abs. 10 EStG 2002 n.F., nunmehr § 50d Abs. 10 EStG 2009 a.F., eine Regelung geschaffen, welche darauf abzielt, das deutsche Besteuerungsrecht unbeschadet dieser Spruchpraxis sicherzustellen (vgl. BTDrucks 16/11108, S. 23). Nach Satz 1 dieser Vorschrift gelten Vergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 und Nr. 3 Halbsatz 2 EStG (1997), auf die die Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuwenden sind, das – wie das DBA-Italien 1989 – keine solche Vergütungen betreffende ausdrückliche Regelung enthält, für Zwecke der Anwendung des Abkommens ausschließlich als Unternehmensgewinne. Nach § 52 Abs. 59a Satz 10 EStG 2009 n.F. ist die Regelung in allen Fällen anzuwenden, in denen die Einkommen- und Körperschaftsteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist.

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(a) Konsequenz […] ist, dass für Sondervergütungen im Ausgangspunkt allein Art. 7 OECD-MustAbk – und damit im Streitfall Art. 7 DBA-Italien 1989 – anzuwenden ist (Besteuerung im BS=Quellenstaat=BRD) […]. Die Voraussetzungen des § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F./2009 a.F. werden durch den im Streitfall zu beurteilenden Sachverhalt erfüllt. (b) Indem § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F./2009 a.F. Sondervergütungen abkommensrechtlich den Unternehmensgewinnen unterwirft, kommt zwar – jedenfalls im Ausgangspunkt – Art. 7 OEDC-MustAbk (hier Art. 7 DBA-Italien 1989) und kommen nicht Art. 10, Art. 11 und Art. 12 OECD-MustAbk zum Zuge. Das bedingt strenggenommen einen Zirkelschluss der Anwendung, weil dann nicht nur Art. 7 Abs. 1 OECDMustAbk, sondern diese Abkommensvorschrift insgesamt anzuwenden ist, also einschließlich des sog. Spezialitätenvorrangs in Art. 7 Abs. 7 OECD-MustAbk (hier Art. 7 Abs. 7 DBA-Italien 1989), der – wenn auch seinerseits unter dem sog. Betriebsstättenvorbehalt in Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4 und Art. 12 Abs. 3 OECD-MustAbk – wiederum zu Einkünften nach den jeweils spezielleren Einkunftsarten führt. So gesehen würde der Anwendungsbefehl des § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F./2009 a.F. schon im Ansatz unterlaufen. Doch hält der Senat ein derartiges Regelungsverständnis im Ergebnis für nicht vertretbar […]. Es würde der mit der Regelung beabsichtigte Zweck mit einer letztlich formal-strikten Spitzfindigkeit auf den Kopf stellen. Bei richtiger Lesart ist vielmehr zu unterstellen, dass der Gesetzgeber mit der angeordneten Umqualifikation der Sondervergütungen in Unternehmensgewinne lediglich Art. 7 Abs. 1 OECD-MustAbk zur Anwendung bringen wollte. (c) Bleibt es infolgedessen bei der Anwendung (nur) von Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 OEDC-MustAbk (hier Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 DBA-Italien 1989), bestimmt sich die abkommensrechtliche Zurechnung der den Zinsen zugrunde liegenden Darlehensforderung und der Darlehensverbindlichkeit zu der dem Beigeladenen von der Klägerin vermittelten Betriebsstätte nach allgemeinen Verursachungs- und Veranlassungsgesichtspunkten, und dieser Zuordnungsmaßstab deckt sich im Ergebnis mit der Zurechnung nach wirtschaftlichen Maßstäben, wie sie nach der innerstaatlichen Regelungslage des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (1997) geboten ist. Die vereinnahmten Zinsen sind damit als Unternehmensgewinne einer Inlandsbetriebsstätte i.S. von Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 DBA-Italien 1989 zu behandeln. Der Senat hält auch insoweit an seiner Spruchpraxis fest und verweist auf seine Urteile vom

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13.2.2008 – I R 63/06 (BFHE 220, 415, BStBl. II 2009, 414) und vom 12.6.2013 – I R 47/12 (BFHE 242, 107, jeweils m.w.N.). (d) Eine möglicherweise anderweitige wirtschaftliche Zuordnung des Darlehens zu einer sog. Mitunternehmerbetriebsstätte des Beigeladenen in Italien scheidet unter den Gegebenheiten des Streitfalles aus. Das zum einen deswegen, weil es sich für die bloße Verwaltung des ausgereichten Darlehens bei der abkommensrechtlich gebotenen isolierten Betrachtung um Vermögensverwaltung handelt, nicht aber um eine unternehmerische Betätigung, welche allein eine Betriebsstätte im Abkommenssinne (vgl. Art. 5 Abs. 1 OECD-MustAbk, Art. 5 Abs. 1 DBA-Italien 1989) begründen könnte, und zum anderen, weil nichts dafür ersichtlich oder dargetan ist, dass die Verwaltung in einem möglichen Veranlassungszusammenhang zu einem vom Beigeladenen in Italien tatsächlich unterhaltenen gewerblichen Unternehmen gestanden hätte (s. zu einer derartigen Konstellation Senatsurteil in BFHE 231, 84, BStBl. II 2014, 788). (e) Ebenso wenig kann gänzlich auf die Zuordnung zu einer (hier der durch die Klägerin vermittelten) Betriebsstätte verzichtet werden. Die von der Klägerin befürwortete Annahme sog. betriebsstättenloser Einkünfte aus Gewerbebetrieb vertragen sich nicht mit dem vom Senat – im Urteil vom 19.12.2007 – I R 19/06 (BFHE 220, 160, BStBl. II 2010, 398) – vertretenen Rechtsverständnis, an welchem ebenfalls festzuhalten und welches allgemein – und damit auch für Abkommenszusammenhänge – bedeutsam ist. (4) In gleicher Weise wäre zu entscheiden, stellt man auf die […]Regelungsneufassung des § 50d Abs. 10 Satz 3 EStG n.F. ab. Mit dieser Neuregelung hat der Gesetzgeber abermals auf die Spruchpraxis des Senats – dieses Mal in dessen Urteil in BFHE 231, 84, BStBl. II 2014, 788 – reagiert. Sind auf eine Vergütung i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG (1997) die Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuwenden und enthält das Abkommen keine solche Vergütungen betreffende ausdrückliche Regelung, gilt die Vergütung nach Satz 1 der Vorschrift für Zwecke der Anwendung des Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ausschließlich als Teil des Unternehmensgewinns des vergütungsberechtigten Gesellschafters. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt selbiges jetzt ausdrücklich auch für die durch das Sonderbetriebsvermögen veranlassten Erträge und Aufwendungen. Diese tatbestandliche Erweiterung betrifft auch die im Streitfall zu beurteilende Darlehensverbindlichkeit (vgl. dazu Senatsurteil in BFHE 164,

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38, BStBl. II 1991, 444). Die danach vorzunehmende abkommensrechtliche Umqualifikation wird nunmehr zudem durch eine fiktive Zuordnungsregelung ergänzt: Nach § 50d Abs. 10 Satz 3 EStG 2009 n.F. ist die Vergütung des Gesellschafters ungeachtet der Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung über die Zuordnung von Vermögenswerten zu einer Betriebsstätte derjenigen Betriebsstätte der Gesellschaft zuzurechnen, der der Aufwand für die der Vergütung zugrunde liegende Leistung zuzuordnen ist. Für die Situation des Streitfalles stimmt die gesetzlich angeordnete Zuordnung insoweit allerdings mit den beschriebenen abkommensrechtlichen Zuordnungsmaßstäben überein und wirkt die abermalige Neuregelung deswegen – entgegen ihrem ausdrücklichen Wortlaut – insoweit nicht „abkommensüberschreibend“. (5) [Es folgen Ausführungen zu den Vorlagefragen (Treaty Override; Rückwirkung).]

4. Zwischenfazit Sieht man von den verfassungsrechtlichen Fragen ab (s.o.), ist das Kalkül des Gesetzgebers auch nach Meinung des BFH „aufgegangen“. D.h., der durch das DBA-rechtliche Merkmal der tatsächlichen Zugehörigkeit gekennzeichnete Zurechnungszusammenhang ist durch § 50d Abs. 10 EStG i.d.F. des JStG 2009/n.F. überschrieben worden. Soweit der Senat dies in seinem Urteil vom 8.9.20101 noch anders beurteilt hat, waren die Sachverhalte jedenfalls insoweit nicht vergleichbar, als es in dem Verfahren I R 75/09 (betr. Lizenzzahlungen an eine amerikanische Inc.) um die Zuordnungskonkurrenz von US-amerikanischem Stammhaus der Inc. und der inländischen BS einer Personengesellschaft ging, an der die Inc. als MUerin beteiligt war. Im Vorlagefall kam hingegen nur die Zuordnung zu einem inländischen Betrieb in Betracht.

III. Einzelfragen zum Tatbestand des § 50d Abs. 10 EStG n.F. – Geltungsgrenzen In jüngster Zeit sollen in Außenprüfungen vermehrt Fragen im Zusammenhang mit dem einfach-rechtlichen Verständnis des § 50d Abs. 10 EStG n.F., insbesondere solche, die die Geltungsgrenzen der Bestim-

1 BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFHE 231, 84 = BStBl. II 2014, 788.

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mung zum Gegenstand haben, aufgetreten sein. Hierzu – mit der gebotenen Zurückhaltung – einige Anmerkungen.

1. Eindeutige Abgrenzungen Die Vorschrift setzt nicht nur Vergütungen im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1, zweiter Halbsatz und Nr. 3 EStG voraus, die der (unmittelbare oder mittelbare) MUer (einschließlich des persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA) für die Hingabe eines Darlehens Überlassung oder für die Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern (WG) bezogen hat. Hinzukommen muss, dass auf diese im jeweiligen Sonderbetriebsvermögen zeit- und betragskongruent anzusetzenden Sondervergütungen die Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) anzuwenden sind (§ 50d Abs. 10 Satz 1 EStG n.F.).1 Fehlt es hieran, ist § 50d EStG n.F. nicht anwendbar mit der weiteren Folge, dass die durch den Betriebsstättenvorbehalt ausgelöste Zurechnungsverengung nicht zum Tragen kommen kann und deshalb auch im grenzüberschreitenden Sachverhalt (also z.B. im Kontext der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) die Zuordnungsregel des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zur kongruenten Erfassung der Vergütungen im SBV greift. Handelt es sich hingegen um einen DBA-Fall, ist § 50d Abs. 10 EStG n.F. nach Satz 7 Nr. 1 der Bestimmung auch bei Einkünften aus selbständiger Arbeit anzuwenden, nicht hingegen, wenn die Personengesellschaft vermögensverwaltend tätig ist und zwar selbst dann, wenn sie nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägt ist. Da die Gewerblichkeitsfiktion nach der Rechtsprechung des BFH2 – wiederum entgegen der ursprünglichen Sicht der Verwaltung – nicht geeignet ist, unternehmerische Einkünfte i.S.v. Art. 7 OECD-MA zu begründen, hat der Gesetzgeber für sog. Altfälle zur Vermeidung „unkontrollierter“ Entstrickungen mit der Vorschrift des § 50i EStG reagiert. Auch diese Norm war bereits einmal in der Inspektion des Gesetzgebers und soll – so ist zu hören – noch einmal (general-)überholt werden.3

1 Frotscher/Geurts, EStG, § 50d Rz. 268: DBA zwischen Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters und Belegenheitsstaat der BS. 2 BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFHE 229, 252 = BStBl. II 2014, 754 (seitdem ständige Rspr). 3 S. Loschelder in Schmidt, 34. Aufl. 2015, § 50i EStG Rz. 2.

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Auch bei unternehmerischen (gewerblichen/freiberuflichen) Einkünften ist allerdings zu beachten, dass abkommensrechtliche Sonderregelungen1 zur Behandlung der vorgenannten Sondervergütungen den Anweisungen des § 50d Abs. 10 EStG n.F. vorgehen (s. dort Satz 1 und – wohl nur noch deklaratorisch Satz 6); da diese ohnehin darauf gerichtet sind, die Vergütungen oder sonstigen Sonderbetriebserträge dem Unternehmensgewinn zuzurechnen2, besteht auch mit Blick auf das gesetzgeberische Ziel des § 50d Abs. 10 EStG n.F. keine Veranlassung, dieses mit den Wertungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG übereinstimmende Ergebnis, unilateral noch einmal in Abschnitt IX des EStG zu bekräftigen.

2. Positives Sonderbetriebsvermögen II Fraglich ist, ob die Aktiva des sog. SBV II – also vor allem Kapitalgesellschaftsanteile, die als sog. notwendiges SBV der Beteiligung des MUers unmittelbar dienen, wie z.B. Komplementär-Anteile oder Anteile an Kapitalgesellschaften mit enger wirtschaftlicher Verflechtung zur Personengesellschaft3 – von § 50d Abs. 10 EStG n.F. erfasst werden. Die Verwaltung scheint dies zu verneinen4; das Schrifttum vermittelt kein einheitliches Bild5. M.E. sprechen bereits der Wortlaut und die Systematik der Vorschrift gegen einen Einzug dieser WG in die Bestimmung des § 50d Abs.10 EStG n.F.6, verlangt diese doch „im Einstieg“ SBV i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1, zweiter Halbs oder i.S.v. Nr. 3, zweiter Halbs. EStG, also Erträge, die von der Personengesellschaft bezogen werden. Demgemäß ist auch nicht recht ersichtlich, weshalb aus der Regelung des § 50d Abs. 10 Satz 2 EStG n.F., nach der Satz 1 auch für die durch das Sonderbetriebsvermögen veranlassten Erträge und Aufwendungen eine gegenständliche Erweiterung bewirken könnte; Letzteres scheint vor allem deshalb nur schwer begründbar, weil die Zuordnungs1 Vgl. dazu z.B. BMF v. 26.9.2014, BStBl. I 2014, 1258, Rz. 5.2.; Gosch in Kirchhof, 14. Aufl. 2015, § 50d EStG Rz. 45. 2 Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl., Art. 7 Rz. 61. Aus der Rechtsprechung z.B. BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BFHE 168, 52, BStBl. II 1992, 937: Zuordnung von Dividendenerträgen aus Komplementäranteil in den Unternehmensgewinn des Kommanditisten. Maßgeblich ist der funktionale Zusammenhang der Beteiligung zu der in der BS ausgeübten Tätigkeit (vgl. LS 2). 3 Wacker in Schmidt, 34. Aufl. 2015, § 15 EStG Rz. 517 f. 4 BMF v. 26.9.2014, BStBl. I 2014, 1258, Rz. 5.1.1 a.E. 5 Verneinend Hruschka, IStR 2014, 830; a.A. Hagemann/Kahlenberg, IStR 2015, 734 mwN; ebenso Gosch in Kirchhof, 14. Aufl. 2015, § 50d EStG Rz. 45a. 6 Gl.A. Gebhardt, IStR 2015, 808.

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regel des § 50d Abs. 10 Satz 3, zweiter Halbs. EStG n.F. auch für die in Satz 2 genannten Erträge und Aufwendungen an die BS anknüpft, der die „Vergütung“, also die SBV i.S.v. Satz 1 (s.o.) zuzurechnen ist1. Hinzu tritt ein Weiteres: Da § 50d Abs. 10 EStG n.F. die abkommensrechtliche Rechtsprechung zum Betriebsstättenvorbehalt, genauer zum einengenden Verständnis der tatsächlichen Zugehörigkeit des WG zur BS des MUers, brechen will und diese Rechtsprechung auf dem Schuldcharakter des SBV I, d.h. der Zins-, Miet- oder Lizenzverbindlichkeit der Personengesellschaft fußt, besteht auch unter diesem Blickwinkel keine Veranlassung, § 50d Abs. 10 EStG n.F. mit Rücksicht auf den Einbezug von SBV II extensiv auszulegen. Zum einen deshalb nicht, weil dem aktiven SBV II kein Passivum der Personengesellschaft korrespondiert; zum andern kommt hinzu, dass die Rechtsprechung des I. Senats im Hinblick auf die BS-Zuordnung von SBV II dahin zu verstehen sein dürfte, dass sie – jedenfalls dann, wenn eine Zuordnungskonkurrenz im Verhältnis zweier BS (oder Stammhaus zu BS) nicht vorliegt - sich an dem national-staatlichen Kriterium des Veranlassungszusammenhangs ausrichtet2.

3. Zinslose Gesellschafterdarlehen und fremdfinanzierte Einlagen Angesprochen sind vor allem folgende Sachverhalte: Beispiel 1: Der im DBA-Ausland ansässige Kommanditist/MUer (K) nimmt bei einer inländischen/ausländischen Bank ein (fremdübliches) Darlehen auf und reicht die Valuta 1 Vgl. auch Frotscher/Geurts, EStG, § 50d Rz. 296; Hagemann/Kahlenberg, IStR 2015, 54 (57 f.). 2 Vgl. BFH v. 18.5.1983 – I R 5/82, BFHE 138, 548 = BStBl. II 1983, 771; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BFHE 168, 52 = BStBl. II 1992, 937 (jeweils Komplementär-Anteil); v. 13.2.2008 – I R 63/06, BFHE 220, 415 = BStBl. II 2009, 414 (Anteil an ausländischer Produktions- und Vertriebskapitalgesellschaft);v. 12.6.2013 – I R 47/12, BFHE 242, 107 = BStBl. II 2014, 770 („Thailandfall“; ausländische Vertriebskapitalgesellschafts; Dreieckssachverhalt). Zur Zuordnung bei mehreren BS (bzw. Stammhaus oder BS) nach tatsächlich funktionalen Gesichtspunkten s. – jeweils zu Dividenden aus Vertriebskapitalgesellschaften – BFH v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771; v. 19.12.2007 – I R 66/06, BFHE 220, 173 = BStBl. II 2008, 510; BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076 (BS-Verwaltungsgrundsätze); zu § 1 Abs. 5 AStG n.F. (AOA) s. § 7 BSGaV; aktuell FG Münster v. 15.12.2014 – 13 K 624/11 F, EFG 2015, 704, Rev. I R 10/15; dazu Trieglaff, IStR 2015, 717.

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Wacker – Brennpunkte der Besteuerung internationaler Personengesellschaften anschließend zinslos an die inländische KG zur Finanzierung ihrer gewerblichen Tätigkeit weiter. Beispiel 2: Wie zuvor, K leistet mit den Kreditmitteln jedoch einen Teil der von ihm geschuldeten Einlage in die KG (Gutschrift zugunsten KapKo I). Beispiel 3: K erwirbt mittels des Kredits den Kommanditanteil des V (Altgesellschafter).

Das BMF-Schreiben vom 26.9.20141 äußert sich zu Beispiel 1 in Rz. 5.1.1 a.E. dahin, dass § 50d Abs. 10 EStG n.F. mangels Sondervergütung keine Anwendung finde und erläutert hierzu in Rz. 5.1.2 weiter, dass die Darlehensforderung und eine etwaige Darlehensschuld zur Refinanzierung des Darlehens SBV seien2; jedoch gelte für die DBA-Anwendung Artikel 11 OECD-MA. Da die Voraussetzungen des Betriebsstättenvorbehalts (Artikel 11 Absatz 4 OECD-MA) nicht erfüllt seien, gehöre die Darlehensforderung nicht zu der inländischen BS des B3. Das wiederum habe zur Folge, dass ein etwaiger Refinanzierungsaufwand bei der Betriebsstätte des B nicht zu berücksichtigen sei. Zum Outboundfall – im Inland ansässiger I reicht seiner DBA-ausländischen Personengesellschaft ein zinsfreies Darlehen aus – sollen die vorgenannten Grundsätze sinngemäß zum Tragen kommen. Hruschka hat in mehreren Veröffentlichungen die Verwaltungsäußerung aus seiner Perspektive näher beschrieben: –

Aus dem Umstand, dass § 50 Abs. 10 Satz 3 EStG n.F. nicht einschlägig und ihr ein abschließender Charakter beizumessen sei, ergebe sich für Beispiel 1 im Umkehrschluss die Zuordnung des Darlehens zum Ansässigkeitsstaat des MUers (K).4 Ferner werde dieses Ergebnis dadurch gestützt, dass auch auf unentgeltliche grenzüberschreitende Gesellschafterdarlehen die Zuordnungsregel des Art. 11 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 4 OECD-MA (Spezialitätenvorbehalt) zum Tragen komme, wenn die Voraussetzungen des Betriebsstättenvorbehalts (Art. 11 Abs. 4 OECD-MA) nicht vorlägen5.

1 BStBl. I 2014, 1258. 2 Hinweise auf BFH v. 8.11.1990 – IV R 127/86, BStBl. II 1991,505; v. 28.10.1999 – VIII R 42/88, BStBl. II 2000, 390. 3 Hinweis auf BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356. 4 Hruschka, IStR 2013, 830 (833 f.). 5 Hruschka, IStR 2014, 785 (791); einschränkend Gosch in Kirchhof, 14. Aufl. 2015, § 50d EStG Rz. 45.

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Zu Beispiel 2 (Einlagefinanzierung), das im BMF-Schreiben vom 26.9.20141 nicht angesprochen werde, erläutert Hruschka weiter, dass der Refinanzierungsaufwand nach Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2008 abziehbar gewesen sei. Da die Vorschrift mit Einführung des AOA jedoch gestrichen worden sei und § 1 Abs. 5 Satz 7 AStG die zivilrechtliche Trennung von Gesellschafter und Gesellschaft anerkenne, müsse das Finanzierungsdarlehen abkommensrechtlich dem Ansässigkeitsstaat des K zugeordnet bleiben.



In der Umkehrung von Beispiel 1 (Outbound; Darlehensaufnahme des im Inland ansässigen K) sei weiterhin die Abzugssperre des § 3c Abs. 1 EStG zu beachten, wenn und soweit das Darlehen mit DBA-rechtlich freigestellten BS-Einkünften in unmittelbarem Zusammenhang stehe. Fazit: Die Refinanzierungskosten seien weder im Inboundfall (Spezialitätenvorrang des Zinsartikels) noch im Outboundfall (§ 3c EStG) abziehbar.2



In einem weiteren Beitrag spricht Hruschka allerdings nur noch von „Zweifeln“, ob die tatsächliche Veranlassung die zivilrechtlichen Vorgaben verdrängen könne.3

Die Zweifel sind m.E. berechtigt. Sie setzen vor allem bei den postulierten Sperrwirkungen an. Zwar ist der Verwaltung im Ausgangspunkt zuzustimmen, dass das unentgeltliche Gesellschafterdarlehen mangels Vergütung nicht § 50d Abs. 10 EStG n.F. untersteht. Gleiches dürfte m.E. in Beispiel 1 – abweichend von der Sicht der Verwaltung - für Art. 11 OECD-MA gelten. Da die Vorschrift als sog. Verteilungsnorm die abkommensrechtliche Zuteilung von Zinsen regelt und der Zinsbegriff nicht nur den Normtatbestand konstituiert, sondern Art. 11 auch von den anderen Verteilungsnormen abgrenzt4, ist nicht ersichtlich, weshalb der Zuordnung des Refinanzierungsaufwands zur BS der Betriebsstättenvorbehalt (Art. 11 Abs. 4 OECD-MA) entgegen stehen kann. Maßgeblich sollte deshalb – wie bisher5 – das Veranlassungsprinzip sein6. Dessen

1 2 3 4 5

BStBl. I 2014, 1258. Hruschka, IStR 2014, 785 (792). Hruschka, DStR 2014, 2421 (2426). Zutr. Körner in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 11 Rz. 53. Dazu BFH v. 28.10.2009 – I R 99/08, BFHE 227, 83, BStBl. II 2011, 1019; Wassermeyer, DBA, Art. 7 OECD-MA Rz. 331. 6 Vgl. z.B. zur Aufteilung des Zinsaufwands der PersGes auf Stammhaus und BS BFH v. 17.11.1999 – I R 7/99, BFHE 191, 18, BStBl. II 2000, 605.

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Geltung wird für den Inboundfall m.E. auch nicht durch § 1 AStG n.F. eingeschränkt. Weder greifen die AOA-Grundsätze für Geschäftsbeziehungen zwischen Mitunternehmer und Mitunternehmerschaft (§ 1 Abs. 5 Satz 7 AStG) noch führt die unentgeltliche Darlehensgewährung in Beispiel 1 (sieht von Sonderkonstellationen z.B. gem. § 15a EStG ab) zu einer in § 1 Abs. 1 AStG vorausgesetzten Minderung der Einkünfte1. Nichts anderes wird man für Beispiel 3 (fremdfinanzierter Anteilserwerb) entscheiden können2. Zweifel sind m.E. ferner mit Rücksicht auf die zu Beispiel 2 (Fremdfinanzierung der Einlage) dargestellte Lösung erlaubt. Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, weshalb die Regelung zur Anerkennung zivilrechtlicher Beziehungen durch § 1 Abs. 5 Satz 7 AStG die Geltung des Veranlassungsprinzips sperren sollte3, beruht doch die Grundregelung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1, zweiter Halbs. EStG gleichfalls auf der Anerkennung der schuldrechtlichen Vereinbarung, ohne dass hierdurch das Veranlassungsprinzip für die Fremdfinanzierung der Gesellschaftereinlagen in Frage gestellt würde4. Maßgeblich sollte vielmehr sein, dass – wovon auch die Materialien5 zum AmtshilfeRlUmsG ausdrücklich ausgehen – das Transparenzprinzip durchgängig, d.h. sowohl nationalstaatlich als auch abkommensrechtlich zu beachten bleibt und deshalb vorbehaltlich anderer Wertungen des DBA der vom MUer (Gesellschafter) getragene Aufwand nach dem Veranlassungsprinzip der jeweiligen BS zuzuordnen ist. Abgesehen davon, dass jede andere Sicht sowohl mit den Grundfreiheiten des AEUV und möglicherweise auch mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 3 OECD-MA in Konflikt gerät, wird das Veranlassungsprinzip auch unter der Geltung des OECD-

1 Gl.A. Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl. 2015, Kap. 12 Rz. 12.42, S. 670 und Rz 12.25, S. 655 ff. 2 Ausführlich Nitzschke, Ubg 2015, 523. 3 Dazu, dass es sich um Einlagenleistungen nicht um Geschäftsbeziehungen i.S.v. § 1 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AStG handelt, s. zutreffend Ditz in Wassermeyer/ Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl. 2015, Kap. 12 Rz. 12.21, S. 652. M.E. würde sich hieran auch durch eine Gutschrift zugunsten der gesamthänderisch gebundenen Rücklage nichts ändern. 4 Allg. Wacker in Schmidt, 34. Aufl. 2015, § 15 EStG Rz. 522 m.w.N. 5 BT-Drucks. 17/10000, 65.

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MA 2010/2014 befürwortet, da der Wegfall von Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2008 nur von deklaratorischer Bedeutung sei. Ich darf auch insoweit auf die Erläuterungen im jüngeren Schrifttum1 verweisen.

1 Gebhardt, IStR 2015,808; Nitzschke, Ubg 2015, 523; Wassermeyer, DBA, Art. 7 OECD-MA Rz. 331: Art. 7 Abs. 3 (2000) ist als klarstellende Ergänzung zum Dealing at Arm’s length-Grundsatz iSd Art. 7 Abs. 2 zu verstehen; ähnl. Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 7 (2008) Rz. 210.

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Brennpunkte der Besteuerung internationaler Personengesellschaften Podiumsdiskussion Leitung Prof. Dr. Jürgen Lüdicke Rechtsanwalt, Steuerberater, International Tax Institute, Universität Hamburg Teilnehmer Dr. Daniel Fehling Bundesministerium der Finanzen, Berlin

Dr. Hans Georg Raber Volkswagen AG, Leiter Steuerpolitik und Zölle

Prof. Dr. Roland Ismer, MSc Econ. (LSE) Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Dr. Roland Wacker Vors. Richter am Bundesfinanzhof, München

Prof. Dr. Lüdicke Herr Wacker, haben Sie ganz herzlichen Dank für den von Ihnen gegebenen Überblick über die drei Fallbereiche, die nach Ihren Worten mehr oder weniger umstritten sind. Es bietet sich deshalb an, dass wir alle drei Fallbereiche diskutieren. Ich schlage vor, mit dem ersten Fallbereich anzufangen, also den Aufwendungen für eine fehlgeschlagene Betriebsstättengründung. Diese Aufwendungen scheinen mir das eigentliche Problem zu sein. Sie haben zwar auch auf Ihr neuestes Urteil1 hingewiesen, wonach nachlaufende Einkünfte einer nicht mehr existenten Betriebsstätte zuzuordnen sind, und haben dies als eine gewisse Fortentwicklung bezeichnet. Aber der Unterschied ist natürlich, dass es in diesem Fall einmal eine Betriebsstätte gab, während es bei den fehlgeschlagenen Aufwendungen eben keine Betriebsstätte gibt. Das halte ich für einen entscheidenden Unterschied.

1 BFH v. 26.2.2014 – I R 56/12 („Dubai“), BStBl II 2014, 703.

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Dr. Raber Ich sehe auch einen Unterschied zwischen diesen beiden Urteilen, und zwar genau in dem Punkt, den Sie angesprochen haben: der Existenz der Betriebsstätte. In dem Dubai-Fall wird letztlich das nicht vorhandene Merkmal einer Betriebsstätte fingiert, und der BFH gelangt nur unter Veranlassungsgesichtspunkten zu einer Zurechnung. Die Veranlassungsgesichtspunkte als solche sind systematisch nachvollziehbar, aber in dem Abkommen mit den VAE wurde und wird die Existenz einer festen Einrichtung bzw. Betriebsstätte vorausgesetzt. Da eine solche tatsächlich nie vorhanden gewesen ist, sind als Konsequenz diese Aufwendungen nirgendwo abzugsfähig. Nur für den EU-Fall wäre das EuGH-Urteil Deutsche Shell1 anwendbar mit der Folge, dass die Kosten irgendwo abzugsfähig sein müssten, sodass der Fall dann wahrscheinlich anders ausgegangen wäre. Ich teile also grundsätzlich den Ansatz von Herrn Wassermeyer, das Bestehen einer Betriebsstätte zu verlangen.2 Die Betriebsstätte bestand hier aber nie, und darin liegt genau der Unterschied zu dem anderen Fall3, in dem es darum ging, ob die nachlaufenden Erträge dieser früheren Betriebsstätte noch zuzurechnen sind. Dr. Wacker Dass sich die Sympathiewerte der vorgestellten Entscheidungen in Grenzen halten, lag auf der Hand. Aber noch einmal, Herr Raber, weil Sie das angesprochen haben: Aus der Perspektive von sechs Gesellschaftern war es ein Aufwand im Kontext einer letztlich erfolgreichen Unternehmensgründung, wobei gewissermaßen die Feinheit des Begründungsgangs darin zu sehen sein dürfte, dass der Senat aufgrund des einheitlichen Gründungsvorgangs das Transparenzprinzip rechtsträgerübergreifend entfaltet hat. Das heißt, er hat die Tätigkeit der Partnerschaft und diejenige der KG bezogen auf die sechs Gesellschafter zusammengefasst. Ihr Einwand trägt eigentlich nur aus der Perspektive des siebten Gesellschafters. Wassermeyer argumentiert insoweit mit dem Gesetzeswortlaut, der die (durchgängige) Existenz einer Betriebsstätte voraussetze.4 Indes: Der I. Senat liest diese Vorschriften anders und stellt sie in den Kontext des Veranlassungsprinzips; dies ist – wie ausgeführt – m.E. mit dem Wortlaut des Gesetzes vereinbar. Der große Vorteil dieser Lösung, egal, wie man das öko1 2 3 4

EuGH v. 28.2.2008 – C-293/06, Deutsche Shell, Slg. I 2008, 1147. Wassermeyer, IStR 2015, 37 (38). BFH v. 20.5.2015 – I R 75/14, IStR 2015, 883. Vgl. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA; § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG.

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nomische Ergebnis bewerten mag, ist, dass man die grundsätzliche Verteilungsentscheidung des Doppelbesteuerungsabkommens wahrt. Die Zuordnung des Aufwands wird von der Frage der erfolgreichen Betriebsstättengründung im Ausland entkoppelt. Vielleicht noch ein Wort zur Entscheidung des EuGH Deutsche Shell und in der Rechtssache X1: Es wird also eines hohen interpretatorischen Aufwands bedürfen, diese beiden Entscheidungen, die sich jeweils mit der Berücksichtigung von Wechselkursverlusten im Zusammenhang mit ausländischen Engagements beschäftigen, in Einklang zu bringen. Prof. Dr. Lüdicke Ja, eines der vielen europäischen Rechtsrätsel. Prof. Dr. Ismer Ich habe nur eine kurze Frage an Herrn Wacker. Ich habe viel Sympathie für das, was Sie gemacht haben als Senat. Ich habe nur die Frage, was passiert denn umgekehrt? Nehmen wir mal an, sieben Emiratis beschließen, zu uns zu kommen, und bei einem scheitert die Investition, aber er kommt doch physisch zu uns, wächst in die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland hinein – hat derjenige § 10d EStG-Verluste? Dr. Wacker Ja, natürlich. Prof. Dr. Ismer Ich würde das auch so sehen. Dann ist das Argument, dass die Verluste nirgendwo berücksichtigt werden, vielleicht gar nicht richtig. Vielmehr ist das dann eine Frage von Diskrepanzen in der Verlustberücksichtigung, die wir international hinzunehmen haben. Prof. Dr. Lüdicke Herr Wacker, Sie haben gesagt, natürlich habe der nach der gescheiterten Betriebsstättengründung im Inland später zu uns kommende Steuerausländer einen § 10d EStG-Verlustvortrag. Aber setzt nicht § 49 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG für die beschränkte Steuerpflicht voraus, dass man im Inland eine Betriebsstätte unterhält? Die hat dieser Steuerausländer aber gerade nicht. Und wenn nicht einer von sieben Steuerausländern 1 EuGH v. 25.02.2010 – C-337/08, X, Slg. I 2010, 1237.

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später zuzieht, sondern überhaupt nur eine Einzelperson eine Betriebsstätte vergeblich zu gründen versucht, muss – so habe ich Sie verstanden – der Fall genauso gelöst werden. Dr. Wacker Es muss auch methodisch so sein. Geboten ist eine Gesamtschau der hier in Frage stehenden Normen, und zu denen gehört nicht nur Art. 7 OECD-MA oder früher Art. 14 OECD-MA a.F., sondern es gehört natürlich auch der § 49 EStG dazu. Wenn man den Betriebsstättenbegriff im Kontext des DBA veranlassungsbezogen auslegt, dann, meine ich, spricht alles dafür, das Nämliche auch im Kontext des § 49 EStG zu tun. Prof. Dr. Lüdicke Für die beschränkte Steuerpflicht nach § 49 EStG kommt es ja nicht auf ein DBA an. Ich stelle mir jetzt einen Nicht-DBA-Ausländer vor, der hier eine Betriebsstätte gründen möchte, was aber scheitert. Es gibt also keine Betriebsstätte. Dieser Steuerausländer sucht nun für seine Veranlagung und die Feststellung seines Verlustes ein zuständiges Finanzamt. Die Zuständigkeitsfrage ist natürlich eine eher praktische Frage, aber sie verdeutlicht das Problem. Nehmen wir einmal an, es sei nachweisbar, dass er die Betriebsstätte hier in Hamburg gründen wollte. Wird jetzt ein Hamburger Finanzamt wirklich einen Verlustvortrag feststellen, den unser Steuerausländer dann im Rahmen seiner beschränkten oder, wenn er später zuzieht, unbeschränkten Steuerpflicht nutzen kann? Wir haben dieses Problem vor einem Jahr bei der IStR-Tagung diskutiert, als Herr Brandis die Entscheidung vorgestellt hat. Sie wurde stark angegriffen. Vertreter der Finanzverwaltung sahen jedenfalls keine Möglichkeit, einen solchen Verlustfeststellungsbescheid zu erlassen, weil es eben keine Betriebsstätte gab. Ich persönlich halte das übrigens auch für richtig. Dr. Wacker Sie halten was für richtig? Prof. Dr. Lüdicke Dass es keine Betriebsstätte und deswegen auch keinen Verlustvortrag gibt. Deswegen halte ich allerdings die Entscheidung auch für falsch. Nun gut, das ist meine persönliche Meinung. Herr Fehling, würden Sie, wenn Sie die Einkommensteuerrichtlinien überarbeiten müssten, dort

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hineinschreiben, dass Verluste auch anzuerkennen sind, wenn es tatsächlich nicht zur Gründung einer Betriebsstätte kommt? Dr. Fehling Nach dem, was Herr Wacker gesagt hat, bin ich jetzt natürlich bösgläubig, da er ja sowieso so entscheiden wird, dass es im Inland letztlich zu berücksichtigen ist. Aber ich möchte noch einen Punkt ergänzen, der ein bisschen darüber steht. Ich will jetzt nicht juristisch diskutieren, ob das die richtige Entscheidung ist oder nicht, aber ich meine, wir sollten überlegen, was Betriebsstätte hier eigentlich als Funktion bedeutet. Das ist die möglichst saubere Abgrenzung von Besteuerungsrechten. Deswegen hat man auch immer diese physische Komponente dabei. Ich bin durchaus Anhänger der veranlassungszusammenhangbezogenen Sichtweise, aber wir müssen uns klarmachen, dass wir hier auf der Zeitschiene die Grenzen der Betriebsstätte verschieben. Zum einen rechnen wir schon zu, wo sie vielleicht physisch noch gar nicht da ist, und selbst wenn sie irgendwann nicht mehr da ist, rechnen wir weiterhin zu. Das führt natürlich wieder im internationalen Kontext zu den beschriebenen Verwerfungen. Das muss man sehen. Dr. Wacker Ich würde es gern vereinfachen. Ich darf einmal § 4 Abs. 4 EStG vorlesen: „Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind.“. So steht es dort geschrieben. Keiner hat Zweifel, dass dazu auch vorweggenommene Betriebsausgaben gehören, und keiner hat Zweifel, dass dazu auch Aufwendungen in Zusammenhang mit einer gescheiterten Betriebsgründung gehören. Ich frage also, wenn man dieses Verständnis auch der DBA-rechtlichen Beurteilung zugrunde legt, worin liegt dann das durchschlagende Argument, diese Wertung des § 4 Abs. 4 EStG nicht auch für § 49 EStG als maßgeblich anzusehen? Prof. Dr. Frotscher1 (aus dem Publikum) Ich möchte auf den DBA-Fall zurückkommen. Ich würde Ihren Ausführungen zu § 4 Abs. 4 EStG völlig zustimmen, das ist gar nicht das Problem. Was mich aber stört ist Folgendes: Diese positiven oder negativen Einkünfte sind beim inländischen Standort zu berücksichtigen, es sei 1 Prof. Dr. Gerrit Frotscher, International Tax Institute (IIFS), Universität Hamburg.

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denn, sie werden abgeschirmt durch das DBA und dem Ausland zugeordnet. Was ich nicht begreifen kann ist, wie eine nicht existierende Betriebsstätte diese Abschirmwirkung hervorrufen kann. Diese Folge ist nicht einzusehen. Prof. Dr. Lüdicke Vielen Dank, Herr Frotscher, das werden wir dann demnächst klären. Ich denke, dass die Argumente ausgetauscht sind. Wir sollten noch kurz die Goldfinger-Entscheidungen besprechen. Anders als offenbar manch anderer halte ich sie im Grundsatz für richtig. Von mir kommt jedenfalls keine Kritik, aber wenn hier auf dem Podium Kritik geäußert werden soll, gerne. Ich glaube übrigens auch, dass man die Weiterungen mit Blick auf die ausländischen Grundstückskapitalgesellschaften so sehen kann, wie Herr Wacker sie zum Schluss angedeutet hat. Wir werden entsprechende Entscheidungen abwarten müssen. Dr. Fehling Nur ein Punkt, damit ich nochmal auf BEPS zu sprechen kommen kann, was ja hier mein Leib- und Magenthema heute ist. Mit den Goldfingerentscheidungen sind wir natürlich zufrieden aus nachvollziehbaren Gründen. Nur eines: Solche Goldfingerfälle sind natürlich genau die Gestaltungen, die auch die Politik umtreiben. Ich will niemandem verbieten, solche Gestaltungen zu wählen, aber wenn Sie über Aktionspunkt 12 nachdenken, über die mögliche Einführung einer Anzeigepflicht für Steuergestaltungen – der Bundesrat hat uns bereits empfohlen, so etwas einzuführen, das wird noch geprüft –, dann sind es genau diese Gestaltungen, die bei den Politikern den entsprechenden Impuls setzen, so etwas zu tun oder nicht. Prof. Dr. Lüdicke Ich muss jetzt doch einmal etwas sagen zur universitären Ausbildung. Das Problem mit den Goldfingern ist ja nun wahrlich nicht neu gewesen. Neu war allenfalls, dass man so etwas mit Goldfingern macht, aber strukturell kann man das mit allem Möglichen machen. Seit ich internationales Steuerrecht unterrichte, erkläre ich den Studenten, dass die Auswirkung eines positiven Progressionsvorbehalts um den Betrag x und die Auswirkung eines negativen Progressionsvorbehalts um den Betrag x niemals identisch ist, sondern dass die Auswirkung des negativen Progressionsvorbehalts aus rein mathematischen Gründen immer höher

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ist und oft bis auf null geht, wenn nur die Beträge groß genug sind. Das ist sozusagen Erstsemester-Steuerrechtswissen. Und dass nun alle überrascht sind, wenn solche Fälle tatsächlich passieren, das überrascht mich jetzt. (Lacher) Dr. Fehling Ich will niemandem zu Steuergestaltungen raten oder abraten, aber dass Leute anfangen, Goldhandel in England oder Österreich zu betreiben, das ist natürlich eine bemerkenswerte Pointe. Also ich käme nicht auf die Idee, aber als Beamter habe ich auch nicht die Mittel dazu. Prof. Dr. Lüdicke Wahrscheinlich ist es aber genau das, was die Väter der europäischen Verträge eigentlich befördern wollten, das grenzüberschreitende Handeln in Europa. Aber ich bin bei Ihnen, das ist schon alles etwas skurril. Gut, wir sollten uns jetzt dem § 50d Abs. 10 EStG zuwenden. Herr Wacker, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie Ihre drei Fälle hier behandelt haben, die teilweise dem BMF-Schreiben1 und teilweise den Beiträgen von Herrn Hruschka2 entnommen sind. Diese Fälle sind nämlich leider nicht nur Theorie. Nach unserer Erfahrung werden sie derzeit bundesweit in Betriebsprüfungen durchgetestet, zumindest einmal in die Debatte geworfen, um sich möglicherweise bei anderen Punkten zu einigen. Angesichts des klaren Statements von Herrn Wacker, dass da nun gar nichts dran ist, ist das schon ein bemerkenswertes Vorgehen. Oder ist da doch etwas dran? Immerhin steht im BMF-Schreiben das Gegenteil dessen, was Herr Wacker für richtig hält. Möchte jemand ein Argument dafür bringen, dass das BMF-Schreiben richtig ist? (Lacher) … Wir haben auch Saalmikrophone … Dr. Wacker Vielleicht eine Nachfrage an Herrn Ismer. In der Vorbereitung zu heute habe ich lange bei Art. 11 OECD-MA nachgelesen. Ist es denkbar, dass man diesen Artikel entfalten kann, ohne dass Zinseinkünfte vorliegen? Verneint man dies, bricht die komplette Prüfungskaskade zusammen.

1 BMF v. 26.9.2014 - IV B 5 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, 1258. 2 Hruschka, IStR 2013; 830 (833, Beispiel 12); Hruschka, IStR 2014, 785 (792); Hruschka, DStR 2014, 2421 (2426).

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Dann kann es keinen Spezialitätenvorrang geben, und dann kann es auch keinen Betriebsstättenvorbehalt geben. Nur im BMF-Schreiben steht es anders drin. Prof. Dr. Ismer Ich rede mich raus, indem ich sage, dass ich zur tatsächlichen Verbindung zur Betriebsstätte ohnehin eine andere Auffassung vertreten habe, auch schon schriftlich.1 Ich glaube, dass das Wort „effectively connected“ anders zu verstehen ist. So macht es der Vogel-Kommentar schon seit Ewigkeiten.2 Ich halte das persönlich für richtig, so dass Ihre Frage für mich nicht entscheidungserheblich wäre. Prof. Dr. Lüdicke Aber im Ergebnis kämen Sie auch dazu, dass die Fälle so zu lösen sind, wie Herr Wacker sie gelöst hat? Prof. Dr. Ismer Ja. Prof. Dr. Lüdicke Gut, das nehmen wir hier einmal zu Protokoll. Wir haben eben allerdings sozusagen Sonderfälle diskutiert, in denen die Finanzverwaltung die gesetzliche Regelung auszuweiten versucht. Ich möchte hier aber einmal die Frage zur Diskussion stellen, welchen Sinn die Regelung des § 50d Abs. 10 EStG denn überhaupt macht. Betrachten wir dazu den Grundfall einer ganz normalen Lizenz. Stellen wir uns ein amerikanisches Unternehmen vor, das an einer deutschen KG beteiligt ist und über ein Patent verfügt. Die deutsche KG benötigt das Patent, um hier irgendetwas zu produzieren, und bekommt at arm‘s length eine Lizenz eingeräumt. § 50d Abs. 10 EStG soll nun dazu dienen, im Ergebnis den Aufwand der KG aus der Lizenzzahlung im Inland nicht zum Abzug zuzulassen. Ich frage mich, welchen Sinn diese Regelung hat, wenn man sich die beiden denkbaren Alternativszenarien anschaut: Erstens, das amerikanische Unternehmen hat hier eine Tochterkapitalgesellschaft, bei der entsprechende Lizenzzahlungen mit Sicherheit abziehbare Betriebsausgaben sind. Zweitens, das amerikanische Unter1 Ismer/Kost, IStR 2007, 120. 2 Görl in V/L, DBA, 6. Aufl. 2015, Vor Art. 10-12 OECD-MA , Rz. 40.

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nehmen hat im Inland eine eigene Betriebsstätte. In diesem Fall besteht doch nach dem AOA nicht der geringste Zweifel, das angemessene Lizenzzahlungen als sog. dealings im Inland gewinnmindernd und in den USA gewinnerhöhend zu berücksichtigen sind. Welchen Sinn macht dann aber § 50d Abs. 10 EStG? Dr. Fehling Da müssen Sie den Gesetzgeber in seiner höheren Weisheit fragen und nicht die arme Finanzverwaltung, die natürlich überhaupt nichts mit solchen Vorschriften zu tun hat. Prof. Dr. Lüdicke Allenfalls mit den Gesetzesvorlagen! Dr. Fehling Nein, nur Spaß. Letztlich ist § 50d Abs. 10 EStG natürlich, das haben Sie eingehend beschrieben, nur aus seiner Historie heraus zu dem geworden, was er ist. Es ist letztlich diese Entscheidung des Bundesfinanzhofs1 gewesen, ob wir das Konzept der Sondervergütungen ins Abkommen hineinlesen oder nicht – der Bundesfinanzhof hat das letztlich nicht getan.2 Für Deutschland hängt nun einiges an Geld daran. Man hätte ja auch sagen können, wir schaffen das Instrument der Sondervergütungen im internationalen Kontext ab. Wenn weltweit nur sehr wenige Staaten der Meinung sind, dass man so etwas braucht, dann stellt sich die Frage, warum Deutschland dann bei denjenigen Staaten dabei ist, die das immer noch für den einzig richtigen Weg halten. Aber letztlich hängt die Gewerbesteuer daran, und wenn Sie über Gewerbesteuer reden wollen, dann ist es eigentlich immer nochmal schwieriger, weil Sie noch an die Kommunen denken müssen. Langer Rede kurzer Sinn, wir sind jetzt nun mal in diese Situation hineingekommen, in der der Gesetzgeber der Meinung war, das bis zum Ende durchexerzieren zu wollen – auch mit zwei Anläufen, was ja durchaus bemerkenswert ist. Insofern ist wenigstens die gute Nachricht, dass der Bundesfinanzhof der Meinung ist, dass das diesmal geglückt ist. Die schlechte Nachricht ist, dass es jetzt in Karlsruhe ist, aber das war wiederum nicht anders zu erwarten, nachdem wir schon andere Vorlagebeschlüsse zum Treaty 1 BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, IStR 2008, 300. 2 BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, IStR 2008, 300.

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Overriding hatten. Wir erwarten mit Demut und Interesse, was dann aus Karlsruhe kommt.1 Prof. Dr. Ismer In dem von Ihnen gebildeten Beispiel – unter der Voraussetzung, dass wir keine Betriebsaufspaltung haben; hätten wir eine Betriebsaufspaltung, wäre das ja schon wieder anders – scheint es mir auf den ersten Blick so zu sein, dass wir einfach Strukturunterschiede zwischen dem Einsatz einer Kapitalgesellschaft und einer Personengesellschaft haben. Die Sondervergütungen werden durch explizite Regelung, ob man sie für konstitutiv hält oder nicht, einbezogen, während bei der Kapitalgesellschaft, wenn keine Betriebsaufspaltung vorliegt, grundsätzlich das Trennungsprinzip gilt mit der Folge, dass der Fall im Inland strukturell anders gelöst würde und dementsprechend sich die unterschiedliche Lösung im Inland übersetzt in eine unterschiedliche Lösung auch im Ausland. Prof. Dr. Lüdicke Da bin ich voll bei Ihnen, Herr Ismer. Deswegen habe ich auch noch als Drittes die Betriebsstätte erwähnt. Der AOA dient ja dazu, die Betriebsstätte der Tochterkapitalgesellschaft möglichst anzunähern, sie soweit wie möglich ähnlich zu behandeln, und erreicht das ja auch in dem Fall, weil nämlich bei der Betriebsstätte diese Lizenzen als dealings auch abziehbar sind. Ich frage mich, wenn solche Lizenzen bei der Betriebsstätte abziehbar sind und bei der Kapitalgesellschaft ebenfalls abziehbar sind, warum sollen sie dann bei der Personengesellschaft nicht abziehbar sein? Eins der Dogmen der Personengesellschaftsbesteuerung in Deutschland ist, den Mitunternehmer möglichst genauso wie den Einzelunternehmer zu behandeln. Der kann es abziehen. Prof. Dr. Ismer In dem von Ihnen gebildeten Beispiel beim AOA frage ich mich: Wo ist denn das Recht? Kann es nicht auch sein, dass das Recht dann doch in die inländische Betriebsstätte wandert?

1 S. etwa den Vorlagebeschluss des BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791; beim BVerfG anhängig unter BvL 15/14.

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Prof. Dr. Lüdicke Gut, einverstanden, das ist aber dann ein anderer Fall. Ich gehe dabei davon aus, dass das Recht in den USA liegt und weltweit, u.a. auch in Deutschland, genutzt wird. Prof. Dr. Ismer Dann glaube ich, dass das von Anfang an so in der Interpretation des Art. 11 OECD-MA hätte strukturiert werden können. Davon ausgehend, dass das Recht da wirklich nicht ist, hätte man keinen Fall einer tatsächlichen Verbindung. Dementsprechend spricht viel für Ihre Lösung. Aber erforderlich ist die genaue Analyse, wo ist das IP, wo würde man es wirklich zuordnen. Prof. Dr. Lüdicke Ja, das ist klar. Mir geht es nur darum, dass wir mit § 50d Abs. 10 EStG jetzt eine Regelung haben, die für den Mitunternehmer ein anderes Ergebnis erreicht als für die Betriebsstätte des Einzelunternehmers. Und das ist für mich schwer nachvollziehbar. Dr. Wacker Ich denke, man muss mit in den Blick nehmen, dass es zwei Wertungen sind, die hier nebeneinander stehen. Es ist die Wertung des § 50d Abs. 10 EStG, und es ist die Wertung des § 1 Abs. 5 AStG, der mit dealings arbeitet. Hinzu tritt § 1 Abs. 5 Satz 7 AStG, der sagt, dass auf Geschäftsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Personengesellschaft die zuvor getroffenen Regellungen nicht anwendbar sind. Das heißt doch: Dem Gesetzgeber stand vor Augen, dass er offensichtlich zwei Regelungsregime nebeneinander gestellt hat, und er hat dabei auch in Kauf genommen, dass sie unterschiedliche Ergebnisse zeitigen. Prof. Dr. Lüdicke Ja, die zwei Regelungsregime sind natürlich schon deswegen da, weil der Einzelunternehmer mit seiner Betriebsstätte nur dealings machen kann, er kann ja keine Verträge schließen. Und bei der Personengesellschaft gibt es die echten Verträge, deswegen braucht man es nicht unter die dealings zu fassen. Aber mir geht es ja darum, ob wertungsmäßig der § 50d Abs. 10 EStG richtig ist. Dass das da alles drinsteht, ist unbestreitbar.

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Benecke1 (aus dem Publikum) Vielleicht als Problematik: Wir haben schon Strukturunterschiede angesprochen. Vielleicht ist das Problem einfach die Zulassung der Nutzungseinlage durch den AOA. Das ist insofern möglicherweise noch nicht ganz abgestimmt. Herr Wacker, Sie haben es schon angesprochen, Sie stufen den Veranlassungsgrundsatz immer noch als primär ein, das heißt, man muss erstmal ein DBA finden, was den AOA so umgesetzt hat, dass man überhaupt in diese Situation kommt. Aber es ist auf jeden Fall auf der Tagesordnung, und da wird man noch diskutieren müssen. Genauso wie über die Frage der Folgen der dealings auf den Gewinnermittlungsvorschlag. Das ist ein Punkt, insofern haben sich durch zeitliche Abläufe auch Wertmaßstäbe verschoben.

1 Andreas Benecke, LL.M., Bundesministerium der Finanzen, Berlin.

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Gelöste und ungelöste Fragen der Entstrickungsbesteuerung Andreas Benecke, LL.M. Bundesministerium der Finanzen

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . 129 B. Mittelbare Entstrickung . . . . I. Unionsrechtswidrigkeit des § 20 Abs. 3 UmwStG 1995 . . 1. Ausgangslage und Fragestellung . . . . . . . . . . . . . 2. Formen der Entstrickung (Begrifflichkeiten) . . . . . . . a) Aktive und passive Entstrickung . . . . . . . . . b) Mittelbare Entstrickung . . . . . . . . . . . . 3. EuGH-Urteil in der Rs. C-164/12 (DMC) . . . . . II. Bedeutung des EuGH-Urteils in der Rs. C-164/12 (DMC) für das geltende Recht . . . . . .

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1. § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG 2006 . 2. § 50i Abs. 2 EStG . . . . . . . III. Unionsrechtlich kompatible Alternative(n)? . . . . . . . . . . . 1. Vereinbarkeit mit Primärrecht. . . . . . . . . . . . 2. Vereinbarkeit mit Sekundärrecht . . . . . . . . . C. Streckung der Besteuerung. . I. Privatvermögen / natürliche Personen. . . . . . . . . . . . II. Betriebsvermögen / Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Differenzierung notwendig?.

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D. Fazit und Ausblick . . . . . . . . 143

A. Einleitung Vor fast genau 10 Jahren wurden durch das SEStEG1 erstmals allgemeine Ent- und Verstrickungsregelungen kodifiziert. Bis zu diesem Zeitpunkt waren lediglich vereinzelte Entstrickungstatbestände gesetzlich geregelt (z.B. in § 6 AStG a.F. betreffend den Wegzug unbeschränkt steuerpflichtiger natürlicher Personen, § 12 KStG a.F. betreffend die Sitzverlegung von unbeschränkt steuerpflichtigen bzw. die Verlegung einer Betriebsstätte von beschränkt steuerpflichtigen Körperschaften sowie § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG 1995 betreffend den Verlust des deutschen Besteuerungsrechts an einbringungsgeborenen Anteilen). Der Gesetzgeber sah in den Entstrickungsregelungen unter anderem den Ausgangspunkt 1 Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) v. 7.12.2006, BGBl. 2006 I, 2782, ber. BGBl. 2007 I, 68.

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für die Europäisierung des Umwandlungssteuergesetzes, welches hieran systematisch anknüpft und Ausnahmeregelungen für einen steuerneutralen Übergang von Betriebsvermögen im Rahmen von Umwandlungen und Einbringungen vorsieht.1 Jüngst hat nunmehr die Europäische Kommission selbst einen Richtlinienvorschlag für eine harmonisierte allgemeine Entstrickungsregelung für Körperschaften veröffentlicht.2 Sie sieht in allgemeinen Entstrickungsregelungen unter anderem auch eine Maßnahme zur Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen.3 Diesem Richtlinienvorschlag gingen mehrere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs voraus, in denen der Gerichtshof zur Vereinbarkeit von Entstrickungsregelungen mit Unionsrecht Stellung genommen hatte. Angesichts dieser Entwicklungen möchte ich mich zum einen auf „unionsrechtliche“ gelöste und ungelöste Fragen der Entstrickungsbesteuerung und zum anderen auf zwei Themenkomplexe beschränken, die aktuell von besonderem Interesse sind.

B. Mittelbare Entstrickung I. Unionsrechtswidrigkeit des § 20 Abs. 3 UmwStG 1995 1. Ausgangslage und Fragestellung Durch das SEStEG wurde das Modell der Sonderregelungen für die Besteuerung einbringungsgeborener Anteile durch eine nachträgliche Besteuerung des zugrunde liegenden Einbringungsvorgangs abgelöst, wenn die erhaltenen Anteile bei Einbringung nach § 20 UmwStG 2006 oder die eingebrachten Anteile beim Anteilstausch nach § 21 UmwStG 2006 innerhalb von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt veräußert werden.4 Dabei wurde für EU-/EWR-Einbringende das bisherige Erfordernis in § 20 Abs. 3 UmwStG 1995 – sog. Erfordernis der Doppelverhaftung der stillen Reserven oder auch mittelbare Entstrickung5 – hinsicht1 Vgl. BT-Drucks. 16/2710, 26. 2 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts, COM(2016) 26 final v. 28.1.2016. 3 Vgl. Erwägungsgrund (3) des Vorschlags für eine Richtlinie des Rates mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts, COM(2016) 26 final v. 28.1.2016. 4 Vgl. BT-Drucks. 16/2710, 42. 5 Siehe hierzu im Folgenden Punkt B.I.2.

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lich des deutschen Besteuerungsrechts an den erhaltenen Anteilen aufgegeben. Ursächlich hierfür waren Bedenken, ob das bisherige Regelungskonzept und insbesondere § 20 Abs. 3 UmwStG 1995 in einem europäisierten deutschen Umwandlungssteuerrecht mit primärem wie auch sekundärem Unionsrecht vereinbar sei. Der Bundesrat sah in der Aufgabe von § 20 Abs. 3 UmwStG 1995 eine Entstrickungslücke (sog. Wegzugsprämie1) und sprach sich daher für eine eingehende Überprüfung des neuen Einbringungskonzepts aus.2 Den Gesetzesmaterialien3 zum SEStEG lässt sich das Ergebnis dieser Prüfung nicht konkret entnehmen. Es lässt sich daher nur vermuten, dass der Gesetzgeber diese Entstrickungslücke für EU-/EWR-Einbringende akzeptierte und die Sperrfrist in § 22 UmwStG 2006 zur Verhinderung von Steuergestaltungen als ausreichend erachtete. In Bezug zu Einbringenden aus Drittstaaten hielt der Gesetzgeber mit § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG 2006 hingegen an dem Erfordernis der Doppelverhaftung der stillen Reserven unverändert fest.4 Erst Jahre später kam es mit Einführung des § 50i Abs. 2 EStG zu einer für den Rechtsanwender erkennbaren Reaktion des Gesetzgebers in Bezug auf diese Entstrickungslücke bei EU-/EWR-Einbringungen. Denn mit § 50i Abs. 2 EStG sollen bestimmte Steuergestaltungen verhindert werden, die genau diese – durch das SEStEG entstandene und vom Bundesrat monierte – Entstrickungslücke ausnutzen. Insofern kann unterstellt werden, dass der Gesetzgeber die Entstrickungslücke nicht ausnahmslos akzeptiert. Angesichts der Einführung des § 50i Abs. 2 EStG und der sich hieran anschließenden Diskussion zur Anwendung auf Inlandssachverhalte5 ist daher die Lösung der Frage virulent geworden, inwiefern § 20 Abs. 3 UmwStG 1995 mit Unionsrecht vereinbar ist.

2. Formen der Entstrickung (Begrifflichkeiten) Von den allgemeinen SEStEG-Entstrickungsregelungen sind nach nicht unumstrittener Auffassung der Finanzverwaltung sowohl Fälle der aktiven als auch passiven Entstrickung erfasst. Nicht von den allgemeinen

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Vgl. BT-Drucks. 16/2710, 60. Vgl. BT-Drucks. 16/3369, 2. Siehe insbesondere BT-Drucks 16/2710 und 16/3369. Vgl. BT-Drucks. 16/2710, 36. Vgl. z.B. Kudert/Kahlenberg, ISR 2014, 257 (262 f.); Rödder/Kuhr/Heimig, Ubg 2014, 477 (479).

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SEStEG-Entstrickungsregelungen erfasst sind hingegen die Fälle der mittelbaren Entstrickung.1

a) Aktive und passive Entstrickung Die Differenzierung zwischen aktiver und passiver Entstrickung basiert auf der ursprünglichen BFH-Rechtsprechung zur sog. finalen Entnahmetheorie. Denn diese Theorie beruhte auf der Auslegung des Begriffs Entnahme in § 4 Abs. 1 S. 2 EStG, die zwingend eine Entnahmehandlung voraussetzt (aktive Entstrickung).2 Fehlte die Entnahmehandlung, kam es nach der sog. finalen Entnahmetheorie – trotz eines Verlustes des deutschen Besteuerungsrechts (passive Entstrickung) – mangels eines allgemein kodifizierten Entstrickungstatbestandes zu keiner Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 2 EStG. Aufgrund der Kodifizierung allgemeiner Entstrickungstatbestände durch das SEStEG ist eine solche Entnahmehandlung nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht mehr erforderlich, denn die SEStEG-Entstrickungsregelungen definieren eigenständige Gewinnrealisationstatbestände (z.B. § 4 Abs. 1 S. 3 EStG: „Einer Entnahme […] steht […] gleich.“) und stellen abstrakt nur auf den Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts ab. Darüber hinaus wurde mit dem SEStEG ausweislich der Gesetzesmaterialien das bis dato ausschließlich von der Rechtsprechung entwickelte Entstrickungskonzept der sog. finalen Entnahmetheorie nicht einfach nur kodifiziert, sondern darüber hinaus fortentwickelt.3 Diese Fortentwicklung umfasst zum einen die Erweiterung des Katalogs der aktiven Entstrickungssachverhalte (z.B. um die Überführung einzelner Wirtschaftsgüter in ausländische DBA-Anrechnungsbetriebsstätten)4, zum anderen – zumindest nach Auffassung der Finanzverwaltung – auch die Fälle der passiven Entstrickung. Als für die Praxis bedeutsamsten Beispielsfall passiver Entstrickung sei hier nur der Abschluss eines DBA genannt.5

1 Vgl. Schnitger, Die Entstrickung im Steuerrecht, IFSt-Schrift Nr. 487 (2013), 127. 2 Zu den vom BFH entschiedenen Fällen aktiver Entstrickung vgl. Benecke/ Staats in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, KStG § 12 Rz. 204 [Stand: 76. EL, Dez. 2012]. 3 Vgl. BT-Drucks. 16/2710, 26. 4 Vgl. BT-Drucks. 16/2710, 28. 5 Zum Fehlen der für die finale Entnahmetheorie erforderlichen Entnahmehandlung bei Abschluss eines DBA siehe BFH v. 16.12.1975 – VIII R 3/74, BStBl. 1976 II, 246.

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b) Mittelbare Entstrickung Klassischer Beispielsfall einer mittelbaren Entstrickung ist die Einbringung von (inländischem steuerverhaftetem) Betriebsvermögen in eine Kapitalgesellschaft, wenn der Einbringende steuerlich im Ausland ansässig ist. Die Steuerneutralität der Einbringung von Betriebsvermögen in eine Kapitalgesellschaft basiert(e) auf zwei zentralen Grundsätzen. Es sind dies der Grundsatz der –

Verdopplung der stillen Reserven und



Doppelverhaftung der stillen Reserven.

Der Grundsatz der Verdopplung der stillen Reserven betrifft die steuersystematische Problematik der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung von stillen Reserven auf der Ebene des Veräußerers sperrfristverhafteter Anteile sowie auf der Ebene der das eingebrachte Betriebsvermögen veräußernden Kapitalgesellschaft. Das Konzept der nachgelagerten Besteuerung des Einbringungsgewinns in § 22 UmwStG 2006 betrifft nur diesen erstgenannten Grundsatz, weil nach diesem Konzept eine von den Grundsätzen des Teileinkünfteverfahrens abweichende doppelte Besteuerung stiller Reserven konsequent vermieden wird.1 Der Grundsatz der Doppelverhaftung der stillen Reserven betrifft hingegen die Problematik des Ausschlusses oder der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich der aufgrund der Einbringung des Betriebsvermögens erhaltenen Anteile. Der Gesetzgeber sah in dem Ausschluss oder der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich dieser Anteile einen „mittelbaren“ Verlust des Besteuerungsrechts an dem eingebrachten Betriebsvermögen, weil bei Veräußerung der erhaltenen Anteile durch im Ausland ansässige Einbringende die Besteuerung der stillen Reserven im eingebrachten Betriebsvermögen durch den deutschen Fiskus nicht mehr sichergestellt sei.2 Aus diesem Grunde wurde bereits im UmwStG 19693 die Steuerneutralität einer Einbringung in eine Kapitalgesellschaft versagt, wenn das deutsche Besteuerungsrecht an den erhaltenen Anteilen ausgeschlossen oder beschränkt war.4

1 Vgl. BT-Drucks. 16/2710, 27. 2 Vgl. BT-Drucks. V/3186, 15 zu § 15 Abs. 3 UmwStG-Entwurf. 3 Gesetz über steuerliche Maßnahmen bei Änderung der Unternehmensform v. 14.8.1969, BGBl. I 1969, 1163. 4 In diesem Sinne siehe z.B. § 17 Abs. 3 UmwStG 1969 und § 20 Abs. 3 UmwStG 1995.

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3. EuGH-Urteil in der Rs. C-164/12 (DMC) Die bislang ungelöste Frage, ob das Erfordernis der Doppelverhaftung der stillen Reserven in § 20 Abs. 3 UmwStG 1995 mit Unionsrecht vereinbar ist, wurde durch das EuGH-Urteil in der Rs. C-164/12 (DMC)1 beantwortet. Danach ist die Beschränkung in § 20 Abs. 3 UmwStG 1995 nur dann unionsrechtlich2 gerechtfertigt, wenn der Mitgliedstaat seine Besteuerungsbefugnis hinsichtlich der stillen Reserven im eingebrachten Vermögen bei einer späteren Realisierung dieser stillen Reserven auch tatsächlich verliert. Dies zu prüfen sei Aufgabe des nationalen Gerichts.3 In der Folge wurde im Fachschrifttum4 über das zutreffende Verständnis der Tz. 57 des EuGH-Urteils in der Rs. C-164/12 (DMC) diskutiert: „Im vorliegenden Fall ist aber aus dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens nicht zweifelsfrei ersichtlich, dass die Bundesrepublik Deutschland tatsächlich jedes Recht verliert, die nicht realisierten Wertzuwächse im Zusammenhang mit den Anteilen an einer Personengesellschaft zu besteuern, sobald diese gegen Anteile einer Kapitalgesellschaft ausgetauscht werden. Es scheint nämlich nicht ausgeschlossen, dass diese nicht realisierten Wertzuwächse im Zusammenhang mit den in das Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft eingebrachten Anteilen bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer berücksichtigt werden können, der die aufnehmende Kapitalgesellschaft, hier die DMC GmbH, in Deutschland unterliegt. Dies festzustellen, ist Sache des vorlegenden Gerichts.“

Dabei ging es um die Frage, ob bezüglich der Prüfung des Verlustes des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich der stillen Reserven im eingebrachten Vermögen auf die erhaltenen Anteile oder auf die eingebrachten (Mitunternehmer-)Anteile abzustellen sei. Das FG Hamburg5 und dieses bestätigend der BFH6 stellen für die erforderliche unionsrechtliche Prüfung des Verlustes des deutschen Besteuerungsrechts auf das eingebrachte Betriebsvermögen ab. Damit wurde fast 10 Jahre nach dem Inkrafttreten des SEStEG die Frage gelöst, ob § 20 1 EuGH v. 23.1.2014 – C-164/12, DMC Beteiligungsgesellschaft mbH, IStR 2014, 106. 2 Für die Einbringung nach § 20 UmwStG 1995 wurde vom EuGH konkret die Kapitalverkehrsfreiheit für einschlägig erachtet. 3 Vgl. die Antwort des Gerichtshofs zur ersten Frage im EuGH v. 23.1.2014 – C-164/12, DMC Beteiligungsgesellschaft mbH, IStR 2014, 106. 4 Siehe die umfangreichen Literaturnachweise in BFH v. 30.9.2015 – I B 66/15, IStR 2015, 974. 5 FG Hamburg v. 15.4.2015 – 2 K 66/14, IStR 2015, 521. 6 BFH v. 30.9.2015 – I B 66/15, IStR 2015, 974.

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Abs. 3 UmwStG 1995 in den EU-/EWR-Sachverhalten mit Unionsrecht vereinbar sei. Im Ergebnis ist also eine Entstrickungsbesteuerung bei einer „nur“ mittelbaren Entstrickung von stillen Reserven unionsrechtlich nicht zu rechtfertigen.

II. Bedeutung des EuGH-Urteils in der Rs. C-164/12 (DMC) für das geltende Recht Auch wenn das EuGH-Urteil in der Rs. C-164/12 (DMC) zu § 20 Abs. 3 UmwStG 1995 ergangen ist, hat diese Entscheidung auch Bedeutung für geltendes Recht. Dies betrifft zum einen die in § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG 2006 fortbestehende Beschränkung für in Drittstaaten ansässige Einbringende. Zum anderen betrifft dies die Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 50i Abs. 2 S. 1 EStG bei Einbringung nach den §§ 20, 25 UmwStG 2006 auf im Ausland ansässige Einbringende.1

1. § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG 2006 Die Beschränkung des Anwendungsbereichs des UmwStG 2006 durch § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG 2006 entspricht vom Wortlaut und vom Regelungszweck dem bisherigen § 20 Abs. 3 UmwStG 1995.2 Aufgrund des EuGH-Urteils in der Rs. C-164/12 (DMC) stellt sich nunmehr die bislang ungelöste Frage, ob es sich bei der Beschränkung in § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG 2006 um eine ausnahmsweise zulässige Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit in Bezug zu Drittländern i.S.d. Art. 64 AEUV handelt (sog. Stillhaltevorschrift oder Standstill-Klausel). Die Anwendung der Stillhaltevorschrift hängt von der kumulativen Erfüllung jeweils eines persönlichen, zeitlichen und materiellen Kriteriums ab. In persönlicher Hinsicht muss die in Rede stehende Maßnahme ein oder mehrere Drittländer betreffen. Die Erfüllung des persönlichen Kriteriums steht unter dem ungeschriebenen Vorbehalt, dass mit dem Drittland keine weitergehenden vertraglichen Liberalisierungsverpflichtungen auf dem Gebiet des Kapitalverkehrs bestehen.3 In zeitlicher Hinsicht müssen die auf einzelstaatlichen oder unionsrechtlichen Rechts1 Vgl. BMF-Schreiben v. 21.12.2015, BStBl. I 2016, 7, Rz. 2.1.1. 2 Vgl. auch BT-Drucks. 16/2710, 36. 3 So im EWR-Abkommen; vgl. z.B. EuGH v. 23.9.2003 – C-452/01, Ospelt u. Schlössle Weissenberg, Slg. 2003, I-9743, Rz. 30.

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vorschriften beruhenden Beschränkungen am 31.12.1993 bestanden haben. In materieller Hinsicht bezieht sich die Ausnahme von der Kapitalverkehrsfreiheit auf Maßnahmen im Zusammenhang mit –

Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien,



der Niederlassung,



der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder



der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten.

Die vorgenannten Begrifflichkeiten sind in den Verträgen nicht weiter definiert und ausschließlich unionsrechtlich zu verstehen.1 Maßgebend für die Auslegung dieser materiellen Kriterien durch den EuGH ist nach wie vor die Gliederung des Kapitalverkehrs entsprechend der Nomenklatur in Anhang 1 der sog. Kapitalverkehrs-Richtlinie aus dem Jahre 1988.2 Dabei ist es m.E. wahrscheinlich, dass die Einbringung von Betriebsvermögen gegen Gewährung von neuen Anteilen vom EuGH als (Sach-)Kapitalbewegung im Zusammenhang mit einer Direktinvestition oder einer Niederlassung beurteilt würde. Damit käme es für die Anwendung der Stillhaltevorschrift bezogen auf § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG 2006 maßgebend auf die Prüfung des zeitlichen Tatbestandsmerkmals an. Hierbei ist die Lösung der Frage entscheidend, ob die Beschränkung seit dem 31.12.1993 unverändert bestanden hat. Aufgrund des Umstands, dass diese Beschränkung gegenüber Drittländern bereits seit dem UmwStG 1969 in § 17 Abs. 3 UmwStG 1969 bzw. später in § 20 Abs. 3 UmwStG 1995 und § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG 2006 unverändert bestanden hat, sollte dies m.E. der Fall sein. Nach anderer Auffassung soll aber für diese Betrachtung nicht isoliert auf die umwandlungssteuerliche Rechtslage für den Einbringungsvorgang abgestellt werden können, sondern es müsste darüber hinaus auch die Wirkung des § 8b Abs. 2 KStG im Fall der Veräußerung der erhaltenen Anteile in die Betrachtung einbezogen werden.3 Als Folge dieser Auffassung hätte dann die Beschränkung in § 20 Abs. 3 UmwStG 1995 und § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG 2006 aufgrund des Systemwechsels vom Anrechnungs- zum Halb- bzw. später

1 Vgl. Ress/Ukrow in Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 64 AEUV Rz. 13 [52. EL, Jan. 2014]. 2 Richtlinie 88/361/EWG des Rates v. 24.6.1988 zur Durchführung von Art. 67 des Vertrags, ABl. Nr. L 178 v. 8.7.1988, 5. 3 In diesem Sinne Lüdicke, IStR 2014, 537.

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zum Teileinkünfteverfahren nicht unverändert seit dem 31.12.1993 bestanden.

2. § 50i Abs. 2 EStG Durch § 50i Abs. 2 EStG sollen bekannt gewordene Steuergestaltungen verhindert werden, die die durch das SEStEG entstandene Entstrickungslücke ausnutzen.1 Insofern hat das EuGH-Urteil in der Rs. C-164/12 (DMC) darüber hinaus auch Bedeutung für die Lösung der Frage, ob die Schließung dieser Entstrickungslücke für bestimmte Sachverhalte durch Einführung einer „Einbringungssperre“ in § 50i Abs. 2 S. 1 EStG mit Unionsrecht vereinbar sei. Dies ist zweifelsfrei dann der Fall, wenn § 50i Abs. 2 S. 1 EStG für im In- und Ausland ansässige Einbringende gleichermaßen Anwendung fände. Nun soll aber § 50i Abs. 2 S. 1 EStG aus Billigkeitsgründen bei Einbringung nach den §§ 20, 25 UmwStG 2006 nicht anzuwenden sein, wenn das deutsche Besteuerungsrecht an den erhaltenen Anteilen nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist.2 Damit wird die Steuerneutralität der Einbringung für im Inland ansässige Einbringende begrenzt, so dass insoweit de facto eine § 20 Abs. 3 UmwStG 1995 entsprechende Beschränkung durch Verwaltungsanweisung wieder eingeführt wurde. Ein auf im Ausland ansässige Einbringende beschränkter Anwendungsbereich des § 50i Abs. 2 EStG soll nach Auffassung im Fachschrifttum nicht mit Unionsrecht vereinbar sein.3 Aufgrund des EuGH-Urteils in der Rs. C-164/12 (DMC) dürfte ein solcher Verstoß gegen Unionsrecht evident sein. Diese Beschränkung des Anwendungsbereichs könnte jedoch entsprechend dem EuGH-Urteil in der Rs. C-182/084 betreffend die Hinzurechnung eines Sperrbetrags i.S.d. § 50c EStG a.F. beim Doppelumwandlungsmodell dann unionsrechtlich gerechtfertigt sein, wenn hierdurch rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen verhindert würden, die allein zu dem Zweck geschaffen wurden, ungerechtfertigt in den Genuss eines Steuervorteils zu gelangen. Ungelöst ist hierbei die Frage, ob allein der Umstand, dass das deutsche Besteuerungsrecht an den aufgrund der Einbringung erhaltenen Anteilen 1 Vgl. auch Punkt B.I.1. 2 Vgl. BMF-Schreiben v. 21.12.2015, BStBl. I 2016, 7, Rz. 2.1.1. 3 Z.B. Liekenbrock in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 50i EStG Rz. 46, 140 [Stand: 74 EL., Okt. 2014] und Moldenhauer, ISR 2016, 70 (71 f.) jeweils m.w.N. 4 EuGH v. 17.9.2009 – C-182/08, Glaxo Wellcome, Slg. 2009, I-8591.

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ausgeschlossen oder beschränkt ist, für sich genommen die Annahme einer solchen missbräuchlichen Gestaltung rechtfertige oder ob hierfür nicht noch weitere Umstände hinzutreten müssten (z.B. ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Einlage i.S.d. § 50i Abs. 1 S. 1 EStG, dem Wegzug des Steuerpflichtigen und der Einbringung in eine Kapitalgesellschaft).

III. Unionsrechtlich kompatible Alternative(n)? Sollten § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG 2006 oder die Begrenzung des Anwendungsbereichs von § 50i Abs. 2 S. 1 EStG in den Fällen der Einbringung nach den §§ 20, 25 UmwStG 2006 aufgrund des EuGHUrteils in der Rs. C-164/12 (DMC) nicht mit Unionsrecht vereinbar sein1, stellt sich die bislang ungelöste Frage, ob es zum „Konzept“ der mittelbaren Entstrickung entsprechend § 20 Abs. 3 UmwStG 1995 unionsrechtlich kompatible Alternativen gibt, wenn das Fehlen eines Besteuerungsrechts an den aufgrund einer Einbringung erhaltenen Anteilen unverändert als Entstrickungslücke2 gesehen wird.

1. Vereinbarkeit mit Primärrecht Sofern eine Realisation stiller Reserven im eingebrachten Betriebsvermögen bei einer nur mittelbaren Entstrickung wegen Unionsrecht ausscheidet, könnte diese Entstrickungslücke ggf. durch eine Entstrickungsbesteuerung hinsichtlich der in den erhaltenen Anteilen – als Folge des weiterhin geltenden Grundsatzes der Verdopplung der stillen Reserven3 – enthaltenen stillen Reserven de lege ferenda geschlossen werden. Eine solche Entstrickungsbesteuerung könnte rechtstechnisch z.B. auf Basis der Grundsätze in § 6 Abs. 1 AStG erfolgen, wobei eine Veräußerungsfiktion m.E. nicht den Tatbestand des § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG 20064 erfüllt. Dafür wären u.a. aufgrund der abkommensrecht1 2 3 4

Zur Diskussion siehe Punkt B.II. Vgl. Punkt B.I.1. Vgl. Punkt B.I.2.b). Vgl. im Einzelnen Benecke/Staats in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 12 KStG Rz. 362 [Stand: 81. EL, Aug. 2014]; anders die Finanzverwaltung zur Sperrfristverletzung nach § 6 Abs. 5 EStG bei Entstrickung nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG, vgl. BMF-Schreiben v. 8.12.2012, BStBl. I 2011, 1279, Rz. 23 – dies jedoch m.E. insofern widersprüchlich zur Rückausnahme von der Aufwandsverteilung in § 4f Abs. 1 S. 3 EStG bei Entstrickung nach § 16 Abs. 3a EStG.

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lichen Lage zum einen ein Treaty-override und aufgrund der Rechtslage in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG zum anderen eine Erweiterung des Katalogs der beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte bei Einbringung inländischen Betriebsvermögens in eine Kapitalgesellschaft mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung im EU-/EWR-Ausland erforderlich. Aufgrund der Anwendung des Teileinkünfteverfahrens auf einen fiktiven Veräußerungsgewinn der erhaltenen Anteile würde sich die Bedeutung einer solchen Regelung jedoch auf einkommensteuerpflichtige Einbringende beschränken. Die Vereinbarkeit einer solchen Entstrickungsbesteuerung hinsichtlich der aufgrund der Einbringung erhaltenen Anteile mit Unionsrecht hängt von der bislang ungelösten Frage ab, ob eine solche „direkte“ Entstrickungsbesteuerung der stillen Reserven in den erhaltenen Anteilen durch die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis der Mitgliedstaaten unionsrechtlich gerechtfertigt werden kann. Entscheidend für das Rechtfertigungsargument der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis der Mitgliedstaaten in den Fällen der Einbringung von Betriebsvermögen, bei denen das deutsche Besteuerungsrecht an den erhaltenen Anteilen ausgeschlossen oder beschränkt wird, ist die Lösung der Frage, ob der EuGH – aus unionsrechtlicher Sicht – dem Betriebsstättenstaat einen Besteuerungsanspruch an den betreffenden stillen Reserven in den erhaltenen Anteilen zuerkennt. Hierzu hat der EuGH in der Tz. 54 des EuGH-Urteils in der Rs. C-164/12 (DMC) zumindest anerkannt, dass es zwischen den stillen Reserven im eingebrachten Betriebsvermögen und den erhaltenen Anteilen einen unmittelbaren Zusammenhang gibt: „Zweitens ist es aus dem Blickwinkel der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten nicht ausschlaggebend, dass die nach § 20 Abs. 3 und 4 UmwStG 1995 besteuerten Wertzuwächse nach der Umwandlung der betroffenen Anteile etwa einen Zusammenhang mit andersartigem Vermögen aufweisen, nämlich zunächst einer Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft und dann einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft. Die mit den Anteilen an der Kommanditgesellschaft zusammenhängenden Wertzuwächse finden sich nämlich zwangsläufig in den Anteilen an der Kapitalgesellschaft wieder, die für die Einbringung der Kommanditgesellschaftsanteile gewährt wurden.“

Für eine Legitimität der Entstrickungsbesteuerung reicht dem EuGH dabei allein der Umstand aus, dass die Einbringung von Betriebsvermögen in eine Kapitalgesellschaft bewirkt, dass Einkünfte der Ausübung der Steuerhoheit des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet sie entstanden sind, entzogen werden, soweit danach die Steuer auf diese Einkünfte

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zum Zeitpunkt der Einbringung festgesetzt wird.1 Eine Ausweitung der Einkünftetatbestände um eine „direkte“ Entstrickungsbesteuerung der erhaltenen Anteile sollte diesem Grundsatz genügen. Von dem Verständnis, dass die stillen Reserven in den erhaltenen Anteilen im Zeitpunkt der Einbringung dem Betriebsstättenstaat zuzuordnen sind, geht im Übrigen auch § 20 Abs. 3 S. 2 UmwStG 2006 aus.

2. Vereinbarkeit mit Sekundärrecht Selbst wenn eine Entstrickungsbesteuerung hinsichtlich der stillen Reserven in den erhaltenen Anteilen primärrechtlich zulässig sein sollte, wäre dessen ungeachtet zwingend die Vereinbarkeit einer solchen Besteuerung mit den Vorgaben der Fusionsrichtlinie (FRL)2 zu beachten. Die Einbringung von Unternehmensteilen regelt Art. 9 FRL. Danach gelten die Art. 4, 5 und 6 FRL entsprechend. Es wird jedoch keine entsprechende Geltung von Art. 8 FRL angeordnet, der die Besteuerung stiller Reserven in den erhaltenen Anteilen verbietet. Insofern ist eine Besteuerung stiller Reserven in den erhaltenen Anteilen im Zeitpunkt der Zuteilung sekundärrechtlich nicht unzulässig.

C. Streckung der Besteuerung Neben der Grundsatzfrage der unionsrechtlichen Zulässigkeit von Entstrickungsregelungen ist die Frage des Zeitpunkts der Steuererhebung bei der Entstrickungsbesteuerung von zentraler Bedeutung. Auf die Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung hierzu und sich hieraus ergebende Grundsatzfragen auf die Geltung unterschiedlicher Stundungskonzepte im EStG und AStG soll im Folgenden kurz eingegangen werden. Dabei soll zunächst entsprechend den unterschiedlichen Stundungskonzepten in § 6 Abs. 5 AStG und § 4g sowie § 36 Abs. 5 EStG zwischen Privatver-

1 Vgl. EuGH v. 23.1.2014 – C-164/12,DMC Beteiligungsgesellschaft mbH, IStR 2014, 106, Rz. 55. 2 Richtlinie 2009/133/EG des Rates v. 19.10.2009 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, Abspaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, sowie für die Verlegung des Sitzes einer Europäischen Gesellschaft oder einer Europäischen Genossenschaft von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat, ABl. L 310 v. 25.11.2009, 34.

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mögen bzw. natürlichen Personen und Betriebsvermögen bzw. Gesellschaften differenziert werden.

I. Privatvermögen / natürliche Personen Ausgangspunkt für das Stundungskonzept nach § 6 Abs. 5 AStG bildet das EuGH-Urteil in der Rs. C-9/02 (De Lasteyrie du Saillant).1 Hiernach ist es einem Mitgliedstaat verwehrt, Entstrickungsregelungen zur Vorbeugung gegen die Steuerflucht einzuführen, wenn ein Steuerpflichtiger seinen steuerlichen Wohnsitz ins Ausland verlegt. Auch wenn der Gesetzgeber hierauf durch das SEStEG mit der Umsetzung in § 6 Abs. 5 AStG reagierte2, lässt dieses Urteil Fragen offen. Insbesondere ist fraglich, ob es sich hierbei um einen mit Blick auf die deutsche Rechtslage nicht vergleichbaren Sonderfall handelte, da zum einen die französische Rechtslage keine allgemeine Regelung zur Entstrickungsbesteuerung bei Wegzug vorsah3 und daher zum anderen die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis nicht betroffen war.4 Mit EuGH-Urteil in der Rs. C-470/04 (N)5 hatte der Gerichtshof den Wechsel des Besteuerungsrechts nach Art. 13 Abs. 5 OECD-MA bei Wegzug als legitimen Grund für die Auslösung der Wegzugsbesteuerung und damit die Zulässigkeit von Entstrickungsregelungen anerkannt.6 Er hielt in dem Urteil allerdings eine Wegzugsbesteuerung insoweit für nicht mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar, wenn die Stundung von der Gestellung von Sicherheiten abhängig ist und nachträgliche Wertminderungen nicht vollständig anerkannt werden. Aufgrund dessen sieht § 6 Abs. 5 AStG eine unbefristete Stundung ohne Erfordernis der Gestellung von Sicherheiten vor. Zudem werden nachträgliche Wertminderungen, sofern sie nicht ausschüttungsbedingt sind, nach § 6 Abs. 6 AStG berücksichtigt.

II. Betriebsvermögen / Gesellschaften Für Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens wurde das für Privatvermögen / natürliche Personen in § 6 Abs. 5 und 6 AStG eingeführte Stun1 EuGH v. 11.3.2004 – C-9/02, De Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I-2409. 2 Vgl. BT-Drucks. 16/2710, 27. 3 EuGH v. 11.3.2004 – C-9/02, De Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I-2409, Rz. 65. 4 EuGH v. 11.3.2004 – C-9/02, De Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I-2409, Rz. 68. 5 EuGH v. 7.9.2006 – C-470/04, N, Slg. 2006, I-7409. 6 EuGH v. 7.9.2006 – C-470/04, N, Slg. 2006, I-7409, Rz. 46 f.

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dungskonzept allerdings nicht übernommen. Der gleichzeitig durch das SEStEG eingeführte § 4g EStG sieht bei Entstrickung im Betriebsvermögen demgegenüber zum einen „nur“ einen ratierlichen Besteuerungsaufschub vor und zum anderen können nachträgliche Wertminderungen nicht berücksichtigt werden; trotz Unterschieden im Anwendungsbereich gilt dies für die durch das JStG 20101 zusätzlich eingeführte Stundungsmöglichkeit nach § 36 Abs. 5 EStG entsprechend. Mit Blick auf die vorgenannte EuGH-Rechtsprechung zur Entstrickungsbesteuerung bei Privatvermögen / natürlichen Personen2 war bislang die Frage ungelöst, ob das ratierliche Stundungskonzept in § 4g und § 36 Abs. 5 EStG und die Nichtberücksichtigung von nachträglichen Wertminderungen mit Unionsrecht vereinbar sind. Die Europäische Kommission hatte daher zwei Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet – eines betreffend Gesellschaften3 und eines betreffend natürliche Personen.4 Durch das EuGH-Urteil in der Rs. C-371/10 (National Grid Indus)5 wurde vom Gerichtshof die Frage zur Zulässigkeit der Nichtberücksichtigung von nachträglichen Wertminderungen bei Wegzug einer Gesellschaft bejaht. Darüber hinaus hat der Gerichtshof erkennen lassen, dass ggf. die Verzinsung des Stundungsbetrags sowie das Erfordernis der Erbringung einer Sicherheitsleistung grundsätzlich mit Unionsrecht vereinbar sind. Hinsichtlich der Zulässigkeit des Erfordernisses der Erbringung einer Sicherheitsleistung wird allerdings ein Nichteinbringungsrisiko bewertet werden müssen, wie es z.B. in § 6 Abs. 4 S. 3 AStG vorgesehen ist. Sofern der Steueranspruch nicht gefährdet erscheint, wäre das Erfordernis der Erbringung einer Sicherheitsleistung wohl unionsrechtlich unzulässig. Aufgrund der EuGH-Urteile in der Rs. C-164/12 (DMC) und in der Rs. C-657/12 (Verder Lab Tec)6 wurde nunmehr auch die Frage nach der Zulässigkeit einer ratierlichen Stundung gelöst. Danach ist eine ratierliche Stundung von mindestens 5 Jahren mit Unionsrecht vereinbar.

1 2 3 4 5 6

Jahressteuergesetz 2010 (JStG 2010) v. 8.12.2010, BGBl 2010 I, 1768. Vgl. Punkt C.I. Nr. 2011/4043. Nr. 2012/4183. EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10, National Grid Indus, Slg. 2011, I-12273. EuGH v. 21.5.2015 – C-657/13, Verder Lab Tec, IStR 2015, 440.

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III. Differenzierung notwendig? Aufgrund der EuGH-Rechtsprechung zur Entstrickung bei Betriebsvermögen / Gesellschaften1 stellt sich die bislang ungelöste Frage, ob die gleichen Grundsätze – keine Wertminderungen, ratierliche Stundung zulässig, Sicherheitsleistung bei Nichteinbringungsrisiko, Verzinsungsmöglichkeit – auch für die Entstrickung bei Privatvermögen / natürliche Personen gelten. Die Europäische Kommission hat bislang nur das Vertragsverletzungsverfahren betreffend Gesellschaften2 eingestellt und führt das Vertragsverletzungsverfahren betreffend natürliche Personen3 fort. Es wird erwartet, dass sich aus dem EuGH-Verfahren in der Rs. C-503/14 (Europäische Kommission / Portugiesische Republik), welches die Entstrickungsbesteuerung natürlicher Personen betrifft, Anhaltspunkte für die Lösung dieser Frage ergeben. M.E. sind keine sachlichen Differenzierungsgründe für eine abweichende Verhältnismäßigkeitsprüfung von Entstrickungsregelungen für Privatvermögen / natürliche Personen sowie Betriebsvermögen / Gesellschaften erkennbar. Auch der aufgrund des Wechsels des Besteuerungsrechts nach Art. 13 Abs. 5 OECD-MA vom EuGH anerkannte legitime Grund für eine Entstrickungsbesteuerung bei Privatvermögen / natürliche Personen4 gibt für eine Differenzierung nichts her, da Art. 13 Abs. 5 OECD-MA für Privatvermögen / natürliche Personen und Betriebsvermögen / Gesellschaften gleichermaßen gilt.

D. Fazit und Ausblick Im Bereich der Entstrickungsbesteuerung wurde durch den EuGH eine Vielzahl von Fragestellungen gelöst. Klarheit besteht nunmehr über die unionsrechtliche Zulässigkeit direkter Entstrickungsregelungen sowie die Unzulässigkeit der Entstrickungsbesteuerung bei nur mittelbarer Entstrickung. Die Vorgaben des EuGH haben unter anderem Bedeutung für die Vereinbarkeit von § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG 2006 und der Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 50i Abs. 2 S. 1 EStG auf gebietsfremde EU-/EWR-Einbringende durch die Finanzverwaltung. Mit Blick auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung von Entstrickungsregelungen und die hierzu notwendige Stundung der Steuer ist insbesondere 1 2 3 4

Vgl. Punkt C.II. Nr. 2011/4043. Nr. 2012/4183. EuGH v. 7.9.2006 – C-470/04, N, Slg. 2006, I-7409, Rz. 46 f.

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noch die Frage ungelöst, ob der EuGH zwischen Privatvermögen / natürliche Personen und Betriebsvermögen / Gesellschaften differenziert. Einheitliche Vorgaben des EuGH wären wünschenswert. Basierend hierauf könnte der Gesetzgeber dann ein einheitliches und konsistentes Stundungskonzept entwickeln.

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Gelöste und ungelöste Fragen der Entstrickungsbesteuerung Podiumsdiskussion Leitung Prof. Dr. Jürgen Lüdicke Rechtsanwalt, Steuerberater, International Tax Institute, Universität Hamburg Teilnehmer Andreas Benecke, LL.M. Bundesministerium der Finanzen, Berlin

Prof. Dr. Roland Ismer, MSc Econ. (LSE) Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Dr. Daniel Fehling Bundesministerium der Finanzen, Berlin

Prof. Dr. Bert Kaminski Helmut-Schmidt-Universität – Universität der Bundeswehr Hamburg

Prof. Dr. Dietmar Gosch Vors. Richter am Bundesfinanzhof a.D., München/ Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel

Dr. Hans Georg Raber Volkswagen AG, Leiter Steuerpolitik und Zölle

Prof. Dr. Lüdicke Herr Benecke, vielen Dank! Ich bin ganz überrascht, Sie haben die Zeit, die Sie hatten, gar nicht ausgenutzt! Aber wir können ja sicherlich auf das eine oder andere in der Diskussion zurückkommen. Herr Gosch, möchten Sie beginnen? Prof. Dr. Gosch Das tue ich gerne, und zwar zunächst mit der handlungsunabhängigen Entstrickung, also der Frage, ob durch bloßen Abschluss von DBA der Entstrickungstatbestand realisiert wird oder nicht. Isoliert betrachtet habe ich persönlich durchaus Verständnis für Ihre Position, Herr Benecke. Es wird de lege lata ein Entstrickungstatbestand ausgelöst. Auf der anderen Seite hat man da möglicherweise auch ein Verfassungsproblem. Man muss sehen, dass uns das BVerfG bei der Herabsetzung der Wesent-

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lichkeitsschranke in § 17 EStG deutlich geheißen hat, wo die Grenzen sind. Nämlich bei der Disposition, welche der handlungsunabhängigen Steuerverstrickung durch die Herabsenkung der Wesentlichkeitsgrenze vorangeht. Mein alter, leider verstorbener Kollege Buciek hätte gesagt, da sind „Schlangen im Grase“. Und so ist hier auch eine „Schlange im Grase“, die man sich vor Augen führen muss. Gleichwohl leuchtet mir die Position der Finanzverwaltung ein. Das Gesetz führt unmittelbar zu einer Steuerverstrickung, und das ist augenscheinlich auch gewollt. Das sollten wir vielleicht vorab diskutieren. Prof. Dr. Lüdicke Ja, dann diskutieren wir das doch jetzt erstmal. Benecke Vielen Dank erstmal für Ihr Verständnis. Natürlich ist es so, dass wir noch mehr über Probleme hätten sprechen können, aber ich glaube, man sollte sich hier auf die wesentlichen Dinge konzentrieren. In der Entstrickung gibt es genügend Probleme, und Herr Lüdicke hat mir nur 40 Minuten Zeit gegeben – ich wollte genügend Zeit für die Podiumsdiskussion lassen. In der Tat, Verfassungsrecht ist ein Punkt. Wir haben das auch bei dem Gesetzesentwurf zu § 8b Abs. 4 KStG gesehen, der viel diskutiert worden ist, und zwar auch im Hinblick auf die Frage, ob es eine hinreichend lange Übergangsfrist geben muss. Da der Entwurf erstmal nicht mehr umgesetzt wird, wird man so schnell hier eine Regelung oder eine Lösung nicht finden. Aber zumindest für jemanden, der nach Inkrafttreten des SEStEG eine Beteiligung erworben hat, würde sich die verfassungsrechtliche Frage hinsichtlich der stillen Reserven nicht mehr so gravierend stellen, wenn es denn später zu einem Abschluss eines DBA kommt. Aber es ist auf jeden Fall ein Punkt, den man sehen muss. Prof. Dr. Kaminski Herr Gosch, ich möchte noch einmal nachfragen. Es gibt ja seit dem Zollkodex-Anpassungsgesetz1 den § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 AStG. Danach bekommen Sie jetzt kraft Gesetzes die Stundung. Damit hat sich bei 1 Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 22.12.2014, BGBl. I 2014, 2417.

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mir die Frage gestellt, ob es verfassungswidrig sein kann, wenn der Gesetzgeber – ich gebe zu, zeitlich ein bisschen spät – einen Tatbestand zwar zunächst der Besteuerung unterwirft, aber anschließend die Steuer von Amts wegen stundet. In Altfällen wird ggf. im Billigkeitswege abzuhelfen sein. Prof. Dr. Gosch Sie sehen darin gewissermaßen eine „Salvierung“ des Problems? Prof. Dr. Kaminski Ja. Prof. Dr. Gosch Das kann man so sehen. Es bezöge sich dann aber allemal nur auf EUund EWR-Staaten. Das Problem wäre also nicht gelöst. Prof. Dr. Kaminski Wenn nicht besteuert wird, habe ich keinen Konflikt mit der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Der Wortlaut des § 6 AStG sieht – das mag einem gefallen oder nicht – als Tatbestand den Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechtes vor. Wenn Sie zum Beispiel ins DBA-Spanien schauen, dann wird das Problem deutlich. Zum 1.1.2013 ist das neue DBA mit Spanien in Kraft getreten. Dessen Art. 13 Abs. 2 sieht entsprechend Art. 13 Abs. 4 OECD-MA vor, dass – abweichend von der bisherigen Regelung – Anteile an Kapitalgesellschaften, deren Vermögen zu mehr als 50% aus in Spanien belegenen Grundvermögen besteht, bei einer Veräußerung in Spanien besteuert werden dürfen. Und damit stellt sich die Frage der Anwendung von § 6 AStG und der möglichen Stundung. Es wäre natürlich schön gewesen, wenn die Finanzverwaltung zum 1.1.2013 dazu einen Erlass herausgegeben hätte und im Vorgriff auf die gesetzliche Regelung klargestellt hätte, dass eine Stundung erfolgt. Prof. Dr. Gosch Das hätte vielleicht geholfen. Aber Sie müssen, wenn Sie das DBA-Spanien zitieren, auch mal in das DBA-Liechtenstein gucken. Dort ist die Situation der Ent- oder Verstrickung, je nachdem, speziell angesprochen, was wiederum ein Zeichen dafür sein könnte, dass doch in diese Richtung überlegt wurde, einen Besteuerungsfall auszulösen.

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Prof. Dr. Kaminski Ja, aber vermutlich war dies der Grund, warum der Gesetzgeber den § 6 AStG ergänzt hat. Prof. Dr. Gosch Das mag sein, liegt aber im ungesicherten Vermutungsbereich und ändert im Ergebnis nichts. Prof. Dr. Lüdicke Ich möchte den Punkt noch einmal etwas allgemeiner beleuchten. Es geht mir nicht um mögliche europarechtliche Notwendigkeiten, denn wir müssen ja nicht jedes Gesetz und dessen Sinnhaftigkeit immer nur am Europarecht messen. Wir können ja einmal die Sinnhaftigkeit als solche diskutieren. Deutschland schließt also erstmalig mit einem anderen Staat ein DBA ab und vereinbart einen Art. 13 Abs. 5, der nach bekannter Lesart der OECD zum Inhalt hat, dass Veräußerungsgewinne, soweit sie nicht unter Art. 13 Abs. 1 bis 4 fallen, ausschließlich im neuen Ansässigkeitsstaat besteuert werden, und zwar zur Gänze. Das gilt unabhängig davon, wann und wo diese Gewinne entstanden sind. Und nun nimmt man das Inkrafttreten des DBA zum Anlass, den im anderen Vertragsstaat Ansässigen zu besteuern, nach dem Motto: „Hättest Du gestern veräußert, hätten wir es als Quellenstaat ja noch besteuern können, aber jetzt veräußerst Du eben erst morgen, und da können wir es nicht mehr besteuern.“. Das kommt schon in die Nähe des Gedankens eines „Venire contra factum proprium“. Wenn Deutschland die bei späterer tatsächlicher Veräußerung realisierten stillen Reserven anteilig, nämlich in der bis zum Abschluss des DBA entstandenen Höhe besteuern will, könnte man das ja im DBA regeln, nämlich entsprechend der Rechtsprechung des BFH zur Überführung von Wirtschaftsgütern in ausländische Betriebsstätten.1 Wenn das aber im DBA nicht geregelt ist, fragt man sich schon, welche Rechtfertigung es für die durch den Abschluss des DBA ausgelöste Entstrickungsbesteuerung eigentlich gibt. Mit Europarecht hat das jedenfalls nichts zu tun. Dr. Raber Für mich ist es abkommenswidrig, wenn man so etwas macht und im Abkommen oder dem Protokoll nicht ausdrücklich eine entsprechende 1 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464.

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Regelung vereinbart. Die beiden Staaten verhandeln und grenzen die Besteuerungsrechte voneinander ab. Hauptziel dieser Verhandlung ist sicher nicht, erstmals ein Besteuerungsrecht zu schaffen, das vorher gar nicht bestanden hat. Man würde jedoch genau das tun, denn vorher bestand kein Besteuerungsrecht, und durch den Abschluss des DBA soll plötzlich ein Besteuerungsrecht für den einen Staat geschaffen werden. Und alles nur, weil die nationalen Normen das im Zusammenhang mit dem Wegfall oder der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts so vorsehen. Das ist natürlich ein klarer Treaty Override und als solcher beim Verfassungsgericht anhängig.1 Da teile ich Ihre Auffassung voll und ganz. Prof. Dr. Lüdicke Ich möchte aber ausdrücklich klarstellen, dass ich die Problematik nicht am Treaty Override festmachen will. Auch wenn Karlsruhe Treaty Override für verfassungsrechtlich zulässig erklärt, bleibe ich bei meinem Argument. Die Staaten haben miteinander vereinbart, dass ab dem Inkrafttreten des Abkommens der Ansässigkeitsstaat uneingeschränkt besteuern kann. Wenn der das tatsächlich tut und Deutschland trotzdem einen Teil abgreift, kommt es zur Doppelbesteuerung. Für echte Wegzugsfälle hat Deutschland in etlichen Abkommen zur Vermeidung einer solchen Doppelbesteuerung unterschiedliche Regelungen getroffen, um seine Wegzugsbesteuerung sinnvoll durchführen zu können. Das kann man alles machen. Aber wenn man in einem Erstabkommen nichts macht, ist es eigenartig, dann anschließend zu argumentieren, dass dessen Inkrafttreten ein Realisierungstatbestand sei. Benecke Hier sind m.E. zwei Dinge zu unterscheiden. Zum einen die Rechtsprechung des BFH zur Aufgabe der finalen Entnahmetheorie2: Überführe ich ein Wirtschaftsgut, geht das Besteuerungsrecht nach Auffassung des BFH nicht verloren, denn Deutschland kann seine bis zum Zeitpunkt des Wegzugs entstandenen stillen Reserven besteuern. Offensichtlich funktioniert dieses Konzept aber auf der anderen Seite nicht bei Abschluss eines DBA.

1 Vorlage des BFH v. 10.1.2012 – I R 66/09, DStR 2012 mittlerweile vom BVerfG entschieden mit Beschluss v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, DStR 2016, 359. 2 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464.

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Prof. Dr. Lüdicke Das funktioniert nicht bei Art. 13 Abs. 5 OECD-MA. Benecke Das wissen Sie ja noch gar nicht. Vielleicht sieht es der BFH ja auch mal anders! Wenn man die Zuordnung der Besteuerungsrechte von der physischen Präsenz der Wirtschaftsgüter so löst, wie der BFH das zu Art. 13 Abs. 2 und Art. 7 OECD-MA entschieden hat, dann könnte der BFH das Besteuerungsrecht in Art. 13 Abs. 5 OECD-MA vielleicht auch von der physischen Präsenz der Ansässigkeit lösen. Das geht dann vielleicht auch dem BFH ein bisschen zu weit. Aber zumindest im Bereich des „Abschlusses von Doppelbesteuerungsabkommen“ gehen wir, und ich glaube auch der BFH, nach tradierter Rechtsprechung davon aus, dass das Besteuerungsrecht „einfach“ den entsprechenden Vertragsstaaten zugewiesen wird, ohne dass es zu einer solchen Aufteilung kommt, wie wir sie bei der Entstrickung nach Art. 13 Abs. 2 und Art. 7 OECD-MA sonst kennen. Und dann ist es natürlich Sache der Abkommensparteien, die sich schließlich vertraglich einigen, sich zu überlegen, ob die Entstrickungsregelungen suspendiert werden sollen. Und wenn ich als Vertragsstaat der Auffassung bin, dass der eine mehr gibt als der andere, dann besteht wie immer die Möglichkeit, eine Stundung zu gewähren. Das Problem ist eigentlich eher, dass durch das SEStEG auch eine passive Entstrickung geregelt worden ist und es natürlich erst langsam, viele Jahre später – das DBA-Liechtenstein war insofern der erste Fall –, in Abkommensverhandlungen angekommen ist, dass es hier dementsprechenden Regelungsbedarf im DBA gibt. Insofern macht das natürlich einen Sinn! Darum macht auch BEPS Sinn, weil die Staaten ihre Besteuerungsansprüche reklamieren. Und dann kann man darüber reden, wie man sie in einem Maße verteilt, dass es nicht zur Doppelbesteuerung kommt. Prof. Dr. Gosch Also Herr Benecke, dass man dem durch Abkommensabreden vorgreifen kann, das steht außer Frage. Es geht aber um den Fall, dass solche fehlen. Und auch gegen Sie gewendet, Herr Lüdicke: Dass Doppelbesteuerungselemente einbezogen sind, gerade auch bei dem Verständnis, das der BFH der Sache andient, das liegt auf der Hand. Wenn Sie keinen Step-up im anderen Staat haben, sind Sie in der Doppelbesteuerung, da gibt es überhaupt kein Vertun. Deswegen kann man darüber nachden-

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ken, ob die Auslegung, die der BFH – und übrigens auch der EuGH – vornimmt, richtig ist, wonach der Entstrickungsstaat die Möglichkeit des Zugriffs auf die in seinem Territorium aufgelaufenen stillen Reserven bis zur Entstrickungssekunde unbeschadet des Art. 13 Abs. 2 und 5 OECD-MA beibehält. Aber nun nehmen wir das erstmal als gegeben hin, dann ist eine Doppelbesteuerung eine zwangsläufige Konsequenz. Das ist kein Treaty Override. Insofern würde ich Ihnen widersprechen. Das ist einfach eine Frage der Auslegung und der Zuweisung der Besteuerungshoheit. Prof. Dr. Lüdicke Gut, die Problematik ist damit klar. Prof. Dr. Gosch Um noch einmal Ihr Argument zu DMC1 anzusprechen, Herr Benecke, Sie haben gesagt, das Ganze habe eine gewisse Fernwirkung, es bleibe nicht bei ausgelaufenem Recht. Der BFH hat in dem Nichtzulassungsbeschwerdebeschluss2 in der Tat auch das Momentum des „ausgelaufenen“ Rechts – ein schönes Wort – strapaziert. Das war aber nicht das Kernargument, sondern ist lediglich dem Beschwerdevorbringen geschuldet. Zum Pro und Contra in der Drittstaatenfrage: In der Tat, wenn wir in das alte Umwandlungssteuergesetz 1969 hinein schauen, dann sehen wir, wie Herr Benecke gesagt hat, schlicht und ergreifend genau die identische Vorschrift. Und damit greift dann wohl die Stand-still- oder Grandfather-Grenze, weil die Vorschrift bereits am danach maßgebenden Stichtag, dem 31.12.1993, existierte, sodass von daher alles „im grünen Bereich“ wäre. Wenn nicht Herr Lüdicke mit der ihm eigenen Pfiffigkeit einen IStR-Aufsatz3 geschrieben und gesagt hätte, dass wir das Umfeld beleuchten müssen. Das Umfeld wird beschrieben durch § 8b KStG. Vor diesem Hintergrund wäre die Welt dann aber eine andere: Wenn die siebenjährige Sperrfrist ausläuft und die typisierte Missbrauchsidee, die damit verbunden wird, nicht zuvor, vor Ablauf jener Frist, durch einen Veräußerungsvorgang unterbrochen wird, dann ist alles steuerfrei. Damit aber bewegen wir uns in einem anderen Regelungs-

1 EuGH v. 23.1.2014 – C-164/12, DMC, DStR 2014, 193. 2 BFH, Beschl. v. 30.9.2015 – I B 66/15, DStR 2015, 2603. 3 Lüdicke, IStR 2014, 537 ff.

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kontext, der von jenem, der bis zum 31.12.1993 maßgebend war, abweicht, sodass die Drittstaatenfrage neu beleuchtet werden muss. Das ist richtig, dem kann man sich nur anschließen; die Annahme des BFH springt in diesem Punkt zu kurz. Wobei es mich (und wohl nicht nur mich allein) verwundert hat, dass der EuGH in der DMC-Entscheidung das Ganze unter dem Spektrum der Kapitalverkehrsfreiheit hat ablaufen lassen, obwohl in der Vorlage des FG Hamburg1 nur die Niederlassungsfreiheit geprüft worden ist. Diese Grundfreiheit erscheint mir für den Sachverhalt, der hier zu beurteilen war, nach wie vor als die richtige, nicht aber die Kapitalverkehrsfreiheit. Und wenn man das nicht tut, dann hat man natürlich auch keine Drittstaatenproblematik. Benecke In der Tat, es ist schon sehr bemerkenswert. Es ist aber auch eine gewisse Tendenz des EuGH bei der Stand-still-Regelung zu erkennen. Der EuGH fragt sich, warum dort etwas von Finanzdienstleistungen oder warum im Zusammenhang mit Umwandlungen dort etwas von Niederlassung steht. Welche Kapitalbewegung im Zusammenhang mit einer Niederlassung könnte denn gemeint sein, die unter Art. 64 AEUV fällt? Man könnte auf die Idee kommen, dass eine Umwandlung oder eine Sachmittelzuführung in anderer Form dazu führen könnten. Das ist auf jeden Fall ein ungelöstes Feld. Ich glaube, der EuGH hat sich in Bezug darauf noch gar nicht so klar positioniert. Bis er wirklich mal einen Drittstaatenfall zu entscheiden hat, und dann ist der EuGH meiner Ansicht nach durchaus zu Volten fähig. Prof. Dr. Gosch Sie hatten in Ihrem Alternativangang auch gesagt, man müsse nicht überlegen, ob sich in den eingetauschten Anteilen die in den dafür eingebrachten Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven weiterhin fortsetzen. Hier tue ich mich nach wie vor schwer. Man fragt sich doch, ob der EuGH überhaupt verstanden hat, wie das Umwandlungssteuergesetz in der Fassung vor SEStEG funktioniert hat. Ich bin mir dessen alles andere als sicher. Denn es ist schon recht gewagt zu sagen, dass in den erhaltenen Anteilen, bei deren Veräußerung ein etwaiger Gewinn zuvor ja nie, zu keinem Zeitpunkt, dem Besteuerungsrecht Deutschlands unterlegen hat – einem solchen Recht stand und steht Art. 13

1 FG Hamburg, Beschl. v. 26.1.2012 – 2 K 224/10, IStR 2012, 305.

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Abs. 5 OECD-MA entgegen –, dass sich in diesen Anteilen gleichwohl die stillen Reserven der eingebrachten Wirtschaftsgüter fortsetzen. Richtigerweise stellt die dadurch ausgelöste Wertsteigerung der Anteile wohl bloß einen „Wertreflex“ dar, mehr aber auch nicht. Hier dürfte der EuGH schlicht falsch liegen. Benecke Wobei der EuGH natürlich, wie der BFH, seinen eigenen Kopf hat, und das auch im Hinblick auf die Frage, wie er die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse interpretiert und ob er sich eng an die Vorgaben des DBA’s hält. Natürlich wird ihm das eine Leitwirkung sein, aber Sie wissen, der EuGH ist frei, das Rechtsinstitut fortzuentwickeln. Prof. Dr. Gosch Wobei dieses Rechtsinstitut, das in der Sache als Rechtfertigungsgrund fungiert, immer mehr zur Zauberformel wird. Auch früher war das zwar als Argumentationsansatz bekannt, jetzt wird damit im Prinzip aber nahezu jeder Grundfreiheitseingriff legitimiert. Der zunächst – eingangs der methodischen „Durchprüfung“ – stets konstatierte Eingriff in den Schutzbereich der Freiheit wird dann irgendwann geradezu beliebig, er verliert jede Substanz und Rechtswirkung. Das ist eine bedenkliche Entwicklung, die methodisch sehr zweifelhaft ist und die noch aufgearbeitet werden müsste. Benecke Das passt ja zum Thema „ungelöste Fragen“. Prof. Dr. Gosch Dann noch zu einem letzten, bislang ebenfalls noch „ungelösten“ Punkt, der mir am Herzen liegt und lag, nämlich der der ratierlichen Stundung. Nun haben wir durch DMC wie auch durch Verder LabTec1 erfahren, dass die typisierte Begrenzung und die Stundungsregelung sogar mit Sicherheitsleistung und Zins und Ähnlichem mehr oder weniger akzeptiert wird, um letztlich den Vollzugsdefiziten, die sonst für die Finanzverwaltung drohen würden, entgegen zu wirken. Die Verwaltung soll nachverfolgen können, was mit dem „entschwundenen“ Wirtschaftsgut passiert. Für den Fall des Besteuerungsausfalls soll eine Si1 EuGH v. 21.5.2015 – C-657/13, Verder LabTec, DStR 2015, 1166.

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cherheit gegeben werden. Dazu colorandi causa: Wenn wir in den § 36 Abs. 5 EStG schauen, der den Fiskus für die Situation der in § 16 Abs. 3a EStG geregelten finalen Betriebsaufgabe in ähnlicher Weise unterstützt, dann ist dort zu lesen: Die ratierliche Stundung wird beendet, sobald das Wirtschaftsgut in ein Drittland verschwindet oder untergeht. Anders gewendet: Der vollzugsdefizitäre Raum, der Anlass gab, die typisierte 5-Jahres-Frist zu bestimmen, gibt dann doch wieder Anlass, um auf diese Weise nachzuverfolgen, was in den fünf Jahren passiert. Wie soll das gehen, wenn es doch so schwierig ist? Unter dem Stichwort „Folgerichtigkeit“ – ich glaube, Herr Kaminski wird das nachher noch ansprechen – kann man seine Zweifel haben. Denn wenn es dem Gesetzgeber nachdrücklich daran gelegen ist, mittels § 16 Abs. 3a EStG Vollzugsdefiziten zu begegnen, so ist nicht ersichtlich, weshalb er jedenfalls hinsichtlich der Ratenzahlungen solche Defizite hinnimmt. Ebenso, wie es schwerfällt, das Besteuerungsrecht insgesamt nachträglich durchzusetzen, so schwer wird es fallen, diejenigen Umstände zu verifizieren, welche nach § 36 Abs. 5 S. 4 EStG zur Beendigung der Ratenzahlung und zur sofortigen Fälligkeit der festgesetzten Steuer führen sollen. Wenn wir den nunmehrigen Stand der EuGH-Spruchpraxis aber als Ausgangssituation nehmen, dann kommen wir zu der Diskussion, die mir doch immer noch am Herzen liegt: Verder LabTec ist aufgebaut auf dem Rechtsboden, den das vorlegende FG Düsseldorf1 aufbereitet hat, und danach zieht § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG in casu eine Entstrickungssituation nach sich: Der deutsche Besteuerungszugriff auf die stillen Reserven wird im Sinne jener Vorschrift ausgeschlossen. Aber trifft das tatsächlich zu? Schauen wir in das Gesetz, erfordert die Entstrickung den Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts. Das erste betrifft die abkommensrechtliche Freistellung, das zweite die abkommensrechtliche Anrechnung. Darauf sind die Tatbestandsvorgaben gemünzt. Insoweit besteht eine begriffliche Korrespondenz. Der BFH hatte bekanntermaßen seine frühere Spruchpraxis zur finalen Betriebsaufgabe und zur finalen Entnahme aufgegeben,2 und der Gesetzgeber hat dazu im zeitnahen Kontext, aber keineswegs als unmittelbare Reaktion auf diese Entscheidungen, die Regelung in § 4 Abs. 1 S. 3 EStG geschaffen. Auf dieser Regelung gründet nun der Vorlagebeschluss des FG Düsseldorf. Ich persönlich habe hier so meine Zweifel. Legt man die Argumentation 1 FG Düsseldorf, Beschl. v. 5.12.2013 – 8 K 3664/11 F, DStRE 2014, 577. 2 BFH v. 28.10.2009 – I R 28/08, BFH/NV 2010, 432; v. 28.10.2009 – I R 99/08, BStBl. II 2011, 1019.

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des BFH zugrunde, dass bis zur letzten Sekunde der Betriebsverlegung oder der Verbringung des Wirtschaftsguts in das Ausland bezogen auf die bis dahin aufgelaufenen stillen Reserven ein Zugriff des Entstrickungsstaats möglich bleibt – ich hatte auf diese Rechtsprechung ja vorhin schon hingewiesen –, dann haben wir weder einen Besteuerungsausschluss noch eine Besteuerungsbeschränkung. Rein tatbestandlich fehlt damit einhergehend die Handhabe für einen Entstrickungszugriff. Das kann man natürlich auch anders sehen, und ich weiß, dass beispielsweise Herr Wacker das auch anders sieht und kommentiert, aber ich bleibe bei meinem Verständnis. Teilt man das, läuft die Vorlage des FG Düsseldorf ins Leere. Wie das dann letztendlich ausgeht, das werden die Schlussentscheidung des FG1 respektive die dann nachfolgende Revision vor dem BFH zeigen. Benecke Nein, ich finde es ja sehr interessant, und ich finde auch gut, dass man mit Unterschreiten seiner Redezeit hierzu eine interessante Diskussion bekommt. Dankeschön. Der Tatbestand – das unbekannte Wesen bei der Entstrickung. Interessant ist die Frage, ob denn die finale Entnahmetheorie aufgegeben wurde. Nicht, dass sich das verfestigt. Ich könnte mir vorstellen, dass sie noch für gewisse Einzelfälle weiterlebt, wenn wir aktive Entnahmehandlungen nicht für erforderlich halten und keine Aufteilungstheorie mehr haben. Allerdings, worauf bezieht sich der tatbestandlich vorausgesetzte Ausschluss bzw. die Beschränkung? Im Rahmen der BFHRechtsprechung zur finalen Entnahmetheorie haben wir von einer Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven gesprochen, davon spricht aber § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht. Der spricht vom Ausschluss oder der Beschränkung hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung. Dann stellt sich die Frage: Was ist denn der Gewinn? Ist das der Gewinn vor oder nach Gewinnabgrenzung? Ich will aber auch zugestehen, dass das im Kontext der Norm und des Gewollten auch so zu interpretieren ist, dass es der Gewinn sein soll, der einem Vertragsstaat nach Gewinnabgrenzung zusteht. So könnte man auch argumentieren. Was ich aber meine, das ist, dass die Finanzverwaltung sich bisher noch niemals dazu geäußert hat, ob die Überführung einer Freistellungsbetriebsstätte unter SEStEG nicht doch als Beschränkung zu sehen ist. Sie lehnen das natür1 Die mittlerweile vorliegt: FG Düsseldorf v. 19.11.2015 – 8 K 3664/11 F, EFG 2016, 118, Rev. unter I R 95/15.

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lich ganz klar ab, weil Sie davon ausgehen, wir haben es gehört, dass der Ausschluss die Freistellung betrifft und die Beschränkung die Anrechnung. Aber aus Sicht eines objektivierten Gesetzgebers kenne ich zumindest einen Fall des Ausschlusses bei Freistellungsbetriebsstätten, und das ist der Abschluss eines DBA. Je nachdem, wie man es gewichtet, fallen die Freistellung und die Anrechnung unter die Beschränkung des Besteuerungsrechts. Man könnte sogar sagen, was ich fast ein bisschen für inkonsequent halte, die Anrechnung bei Ihrer Sichtweise als Beschränkung des Besteuerungsrechts anzusehen, weil Sie nur insoweit eine Anrechnung zulassen würden, als hier auf ausländische stille Reserven abzustellen ist, und damit würde eigentlich auch dieser Entstrickungstatbestand entfallen. Prof. Dr. Gosch Dagegen hätte ich nichts. Allerdings, den Begriff des Ausschlusses abkommensrechtlich aufzuladen, den Begriff der Beschränkung jedoch als Metapher für die Schwierigkeit des praktischen Steuervollzugs zu nehmen, das fällt mir doch sehr schwer, Herr Benecke. Da werden wir nicht einig werden. Prof. Dr. Lüdicke Ich möchte darauf hinweisen, dass auch die Finanzverwaltung im Laufe der Jahrzehnte um den Begriff der finalen Entnahme herum mäandert ist. Es gab da einmal, im Februar 1990, ein BMF-Schreiben1, in dem klipp und klar steht, dass bei der Überführung eines Wirtschaftsguts von einer Betriebsstätte in eine andere kein Gewinn oder Verlust verwirklicht wird, weil der betriebliche Bereich nicht verlassen wird. Später hat man bekanntlich im Betriebsstättenerlass2 wieder das Gegenteil hineingeschrieben. Vor diesem Hintergrund einfach zu behaupten, dass in den neunziger Jahren alle der Meinung gewesen seien, es gäbe noch die finale Entnahmetheorie, ist nicht richtig. Die Finanzverwaltung war jedenfalls nicht dieser Meinung. Benecke Ja gut, aber der Gesetzgeber sah das anders.

1 BMF v. 12.2.1990 – IV B 2-S 2135-4/90, BStBl. I 1990, 72. 2 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076.

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Prof. Dr. Lüdicke Nein, der sah das nicht anders! Der hat sich zu dem Zeitpunkt gar nicht aus der Deckung gewagt. Prof. Dr. Gosch Nochmals: Der Gesetzgeber hat irgendwann gemerkt, da passiert etwas, die etwas mürbe gewordene Spruchpraxis der „finalen“ Entnahme und „finalen Entstrickung“ steht auf schwankendem Rechtsboden, der BFH könnte sie aufgeben, und deswegen brauchen wir dafür eine ordnungsgemäße Rechtsgrundlage. Es genügt nicht, das in irgendeinem Erlass zu regeln. Der Gesetzgeber ist dann tätig geworden, hat allerdings nicht zeitgleich die gewandelte, gewissermaßen überholende Judikatur des BFH im Auge gehabt, auch nicht haben können, und das ist auch der Grund dafür, dass er später mit § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG nachgebessert hat. Das muss man ganz klar sehen. Ob der Nachbesserungsversuch seinerseits ausreicht, das ist wieder ein anderes Thema. Das können wir jetzt nicht zu Ende diskutieren. Festzuhalten bleibt jedenfalls: Man tut immer so, als wäre § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG die positive Antwort des Gesetzgebers auf die besagte gewandelte Rechtsprechung. Das ist sie aber nicht! Vielleicht ein letztes Wort dazu, weil ich neulich einen entsprechenden Einwand vernahm: Der EuGH hat durch Verder LabTec das deutsche Entstrickungssystem, gleichviel, wie man das nun zu verstehen hat, keineswegs gutgeheißen. Er beantwortet immer nur das, was ihm vorgelegt, was er gefragt wird. Wenn das vorlegende FG Düsseldorf sagt, wir haben eine deutsche Regelung, die ist nur so zu verstehen wie Herr Benecke das annimmt, dann sagt der EuGH: „Wunderbar, auf dem Boden dieses Verständnisses erkennen wir auf die Stundungsregelung.“ Er macht sich keinen Kopf über das, was möglicherweise innerstaatlich zu Grunde liegt, ob dort auch ein anderes Verständnis möglich und richtig wäre. Benecke Das habe ich auch nie behauptet. Prof. Dr. Gosch Nein, nein.

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Benecke Nur eine Antwort des EuGH hinsichtlich der Ratierlichkeit der Stundung. Dass wir natürlich einfach-gesetzlich noch Probleme haben, das ist ein anderer Punkt … Prof. Dr. Gosch Ist völlig in Ordnung. Ich habe nur einen ergänzenden Hinweis geben wollen. Letztlich wird der BFH die Frage beantworten müssen. Für den Augenblick haben wir in der Tat nur über die Stundungsfrage Klarheit. Benecke Wir haben § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG, und wir haben jetzt auch den AOA. Aber wie greift das alles? Da ist ein Konglomerat, das sollte nicht Schwerpunkt meines Vortrags sein. Dr. Raber Der EuGH nähert sich jetzt trotz der ungelösten Entstrickungsthematik einer Lösung, wenn auch auf zum Teil etwas verschlungenen Wegen und nicht immer konsistent. Für Privatvermögen hat er es in weiterem Umfang zugelassen als für betriebliches Vermögen. Erst hat er Stundungen mit Zinsen und Sicherheitsleistungen für zulässig gehalten, jetzt sagt er, Sicherheitsleistungen setzen eine Bewertung des Nichteinbringungsrisikos voraus. Der EuGH wird auch da deutlich differenzierter. Bei der ratierlichen Stundung über fünf Jahre frage ich mich, ob man sich von Seiten der Finanzverwaltung einfach darauf verlassen sollte, dass das wirklich das mildeste Mittel ist. Wenn ich mir die im Fluss befindliche EuGHRechtsprechung anschaue, wage ich es nicht auszuschließen, dass der EuGH irgendwann entscheidet, der Stundungszeitraum müsse nach den Umständen des Einzelfalls, nach dem Kreditrisiko und verschiedenen anderen Bewertungsfaktoren festgelegt werden. Sich einfach auf den Standpunkt zu stellen, mit fünf Jahren sei – wie in Verder LabTec und in DMC angedeutet – alles in Ordnung, erscheint mir ein bisschen zu einfach. Wahrscheinlich müssen in Zukunft, auch nach Rechtsprechung des EuGH, differenziert noch mildere Mittel angewandt werden.

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Benecke Wobei ich den EuGH so verstanden hätte, dass die fünf Jahre salviert sind. Was anderes ist es, wenn noch verzinst werden soll oder noch Sicherheitsleistungen oder Bankbürgschaften geplant sind. Das habe ich aber bewusst ausgeklammert. Das sind natürlich Fragen, die den Gesetzgeber möglicherweise irgendwann nochmal umtreiben, aber zumindest beim § 6 AStG hat er die Frage des Nichteinbringungsrisikos erkannt, und das sind noch offene Felder. Aber bei den fünf Jahren glaube ich, das wäre unionsrechtskonform. Dr. Raber Derzeit wohl ja. Prof. Dr. Lüdicke Man kann alles am EU-Recht messen, man kann sich aber auch fragen, was sinnvolle Gesetzgebung ist. Ich möchte noch zu einem anderen Problemkreis überleiten, der bereits mehrfach erwähnt worden ist. Es gibt eine gewisse Verbindung zu den eben erörterten Entstrickungsfragen, insbesondere des § 6 AStG, zu § 50i EStG. Das ist im Grunde Vergangenheitsbewältigung, die manchen heute in seiner Bewegungsfreiheit einschränkt. Die notwendige Bewegungsfreiheit, insbesondere für mittelständische Unternehmerfamilien, ist aber das generelle Problem. Wenn Anteile i.S.d. § 6 AStG gehalten werden, in denen nennenswerte stille Reserven ruhen, ist die internationale Bewegungsfreiheit erheblich eingeschränkt. Das kann bspw. auch den Nachwuchs in Unternehmerfamilien treffen, der zunächst einmal für etliche Jahre ins Ausland gehen will oder soll. Die Problematik ist bekannt, und sie muss möglichst bald gelöst werden. Es handelt sich nicht nur um eine EU-rechtliche Problematik, sondern gerade auch um eine Problematik im Verhältnis zu Drittstaaten wie den USA. Wir sollten das einmal diskutieren, können aber gerne auch schon auf § 50i EStG und das von Herrn Wacker ins Gespräch gebrachte in Vorbereitung befindliche BMF-Schreiben zu sprechen kommen. Benecke Vielleicht erst nur ganz kurz zu § 6 AStG. Nach meiner Meinung ist § 6 AStG sehr differenziert. Wer geht, um wiederzukommen, der hat ein ganz anderes Regime. Der hat die Möglichkeit, maximal auf 10 Jahre

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hier seine Steuer gestundet zu bekommen, auch in einem Drittstaat. Man kann im Ausland studieren und muss dies nicht aus steuerlichen Gründen im Inland tun. Die Frage ist, ob der Zeithorizont den Gegebenheiten entspricht. Wenn aber jemand geht, um im Ausland zu bleiben, dann halte ich es für ein durchaus legitimes Interesse, wenn der Staat seinen Besteuerungsanspruch festsetzt und irgendwie geartet temporär durchsetzt. Prof. Dr. Ismer Es stand von vorher noch die Frage im Raum, wie wir die unterschiedliche Behandlung von de Lasteyrie du Saillant1 einerseits und der Gesellschaften im weiteren Sinne andererseits, der nicht natürlichen Personen, rechtfertigen können. Vielleicht ist das in der Tat damit zu rechtfertigen, dass vor dem Leitbild der Mobilität im Binnenmarkt die Mobilität von Arbeitnehmern oder allgemein von Menschen geradezu typisch voraussetzt, dass der Wohnsitz verlagert wird, während das Gebrauchmachen vom Binnenmarkt durch Gesellschaften auch andere Formen annehmen kann, ohne dass notwendig die Ansässigkeit im Inland aufgegeben werden muss. Insofern lässt sich das als Differenzierungsgrund erkennen – ich weiß, da lädt man die Rechtsprechung des EuGH im Lichte eines großen Wunsches nach Konsistenz oder Erklärbarkeit auf, aber vielleicht hat Konsistenz allgemein immer eine gewisse Tendenz, ex-post-Kohärenz zu schaffen, die narrativ beim Erzählen gar nicht dem Erzähler, in dem Fall also dem EuGH, so bewusst war. Um auf die hier gerade diskutierte Frage des Wegzugs ins Ausland zurückzukommen: Die Frage ist, was würden wir denn wollen, wenn wir frei wählen könnten? Ich bin ganz optimistisch, dass man einen europarechtskompatiblen Weg findet, wenn man weiß, wo man hin will. Die Fragestellungen, denen wir uns zunehmend stellen müssen sind, ob wir in den Fällen, in denen wir Mobilität der jungen Leute haben, auch Wohnsitzverlagerungen haben. In der Praxis könnte es sein, dass wir uns mit der Fiktion zufrieden geben, dass wir bei längeren Auslandsaufenthalten nicht nachfragen, ob im Inland wirklich noch ein Wohnsitz begründet wird. Solange eine Adresse angegeben wird und dafür gesorgt wird, dass die Briefe nicht zurückkommen, könnten sich alle einig sein, dass der Wohnsitz nicht aufgegeben wurde und man wieder zurückkommen kann. Das erscheint im Ergebnis durchaus pragmatisch richtig. Die

1 EuGH v. 11. 3. 2004 – C-9/02, de Lasteyrie du Saillant, IStR 2004, 236.

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Frage ist aber, können wir dieses Ergebnis auch in saubere Gesetzesform gießen, wenn wir es für richtig halten? Und zwar in der Form, dass am Ende das Richtige dabei herauskommt? Das würde im Prinzip heißen, dass wir nicht nur stunden, sondern dass wir den gestundeten Anspruch ex post wieder vernichten können. Das ist etwas, was die ursprüngliche französische Regelung in de Lasteyrie du Saillant auch gekannt hat. Benecke Das ist so ähnlich in § 6 Abs. 4 AStG auch angelegt. Wenn Sie weggehen, um zu studieren, und dann wiederkommen, dann wird die Steuerfestsetzung ex post wieder rückwirkend geändert. Dr. Fehling Ich würde gerne noch einmal versuchen zu erklären, warum der EuGH differenziert zwischen natürlichen Personen und Kapitalgesellschaften. Ich glaube, das folgt letztlich schon aus der Daily Mail-Entscheidung1 1988. Das ist die recht brutale Sichtweise, dass Kapitalgesellschaften anders als natürliche Personen Geschöpfe des Rechtes sind und dass Staaten nach ihrem nationalen Gesellschaftsrecht diese Gesellschaften auch wieder vernichten können. Da ist bei Wegzug die Entstrickung das mildere Mittel. Das mag unter Binnenmarktsgesichtspunkten eine sehr rigide Sicht der Dinge sein, denn man könnte ja auch sagen, solange die Gesellschaft noch besteht, soll sie auch genauso gut behandelt werden wie eine natürliche Person, aber der EuGH scheint hier dieses relativ harsche Denken immer noch zu haben. Prof. Dr. Lüdicke Ja, vielen Dank. Wollen wir dann jetzt noch kurz zu § 50i EStG kommen? Prof. Dr. Kaminski Ich hätte zwei andere Punkte. Eine Frage, die sich mir stellt, ist: Haben wir mit § 4g EStG nicht noch eine ganz andere „Baustelle“? Der gilt nur in den EU-Fällen, nicht im EWR-Fall, und nach meinem Verständnis ergibt sich aus dem EWR-Abkommen eine Gleichbehandlung mit den Fällen des Unionsrechts. Also müsste der Gesetzgeber doch den § 4g EStG auch im EWR-Fall für anwendbar erklären. 1 EuGH v. 27.9.1988 – C-81/87, Daily Mail, BeckEuRS 1988, 142374.

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Zweiter Punkt: Wir diskutieren im Moment die Einführung der AOAGrundsätze. Bekanntermaßen grenzen wir zumindest in Teilbereichen Wirtschaftsgüter zukünftig anders ab. Nicht mehr funktional, wie der BFH das entschieden hat, sondern nach People’s Function, und das kann, zumindest in bestimmten Fällen – nicht in allen, aber in bestimmten Fällen –, eine andere Zuordnung ergeben. Ist das eine Entstrickung kraft Gesetzes? Das ist eine Frage mit großer Bedeutung, denn die AOA-Grundsätze gelten seit dem 1.1. diesen Jahres, und so stellt sich für den Steuerpflichtigen die Frage, ob bis zur Abgabe der Steuererklärung mit einem Erlass zu rechnen ist. Oder wie mit diesen Fällen umzugehen ist? Benecke Erst einmal zur Frage des § 4g EStG: Natürlich, ich habe es angedeutet, nicht nur die Frage im Hinblick auf die EWR-Fälle ist relevant, auch die Frage nach der beschränkten und unbeschränkten Steuerpflicht. Das betrifft die Frage: Brauchen wir in anderen Entstrickungsregelungen nicht auch Stundungsregelungen, um nicht das heute vielzitierte Umwandlungssteuergesetz zu bemühen? Das sind aber Themen, denen sich der Gesetzgeber sicherlich im Rahmen einer Vereinheitlichung dieser Regelungen annehmen wird, und insofern hat natürlich der Gesetzgeber die Marschroute vorgegeben, als er in § 36 Abs. 5 EStG den EWR zitiert hat. Bezüglich der AOA-Grundsätze kommt es aufgrund der BsGaV zu einer geänderten Zuordnung kraft Gesetzes. Inwieweit überschreibt also die BsGaV die bisherigen Grundsätze zum Veranlassungszusammenhang? Bei Herrn Wacker hat es sich noch ein bisschen anders angehört, als ob sie es nicht könnte. Aber wenn sie es könnte, dann bin ich der Auffassung, dass das auch im Falle einer geänderten Zuordnung nach der BsGaV eintritt und dass dies dann auch zu Konsequenzen bei der Entstrickung führen müsste. Prof. Dr. Kaminski Dann würde ich jetzt aber die Frage von Herrn Gosch aufwerfen wollen: Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit? Es wird keine Stundung und auch keine andere Erleichterung gewährt. Der Gesetzgeber beschließt etwas ohne Übergangsvorschriften, das zu einer Entstrickung führt. Wenn Sie an immaterielle Wirtschaftsgüter denken, können das

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Milliardenwerte sein, die mit einem Schlag besteuert werden, ohne dass der Steuerpflichtige irgendetwas tun kann, um das zu verhindern. Benecke Frage: Warum bekommen Sie keine Stundung, wenn Sie im Inland bleiben? Prof. Dr. Kaminski Wenn ich in einem Drittstaatenfall bin? Benecke Dann ist das klar, da haben wir das nicht. Aber zumindest bekommen Sie doch in einem normalen EU-Fall erstmal den § 4g EStG. Prof. Dr. Lüdicke Aber die Steuerausländer bekommen ihn nicht, oder? Benecke Das ist dann eine Frage des Konzepts, inwieweit das geboten ist. Natürlich erfasst der § 36 Abs. 5 EStG auch beschränkt Steuerpflichtige, die dann wohl auch betroffen sein müssen. Prof. Dr. Gosch Wobei das Verhältnis von Entstrickungsregelungen zum AOA noch nicht ausgelotet ist. Das fängt damit an, wie man diesen qualifiziert, ob als einen allgemeinen Einkünftekorrekturmaßstab oder als eine Ersatzrealisation. Das ist zunächst einmal auszuloten. Noch ein Wort aber zu Ihnen, Herr Kaminski. Wenn Sie sagen, bisher wird die Einkommenszuordnung und -aufteilung funktional aufgezogen, jetzt hingegen kommt es auf die Personal Function an – das klingt erstmal vernünftig und dem Tatbestand entsprechend. Ich persönlich habe dennoch Zweifel daran, dass das so vorbehaltlos richtig ist. Die tatsächlich-funktionale Zuordnung ist im Abkommen bislang nur im Kontext des Betriebsstättenvorbehalts angewandt worden. Nur dort findet sie sich im Tatbestand. Normalerweise richtet sich die Zuordnung nach allgemeinen Veranlassungsgesichtspunkten, auch im Abkommensrecht, so in Art. 7 Abs. 1 OECD-MA. Ob diese Gesichtspunkte nun unter der

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Geltung des AOA völlig ausgespart sind? Ich persönlich vertrete eine andere Meinung, nämlich, dass sie nach wie vor ihren Rang beibehalten, dass insofern also zumindest auf einer ersten Stufe doch erst noch die Veranlassungsfrage zu stellen ist, und dass erst im Anschluss daran die besonderen Zuordnungsmaßstäbe des § 1 Abs. 5 AStG greifen. Prof. Dr. Ismer Ich würde gern noch einmal auf die Abgabenordnung hinweisen. Wir haben keine speziell kodifizierte Stundung, aber wir können eine Kombination aus einer Stundung aus der Abgabenordnung und einer verfassungskonformen Interpretation machen. Wir könnten insbesondere die Verzinsungspflichten beseitigen. Das sollte schon gelingen, wenn wir wirklich zu dem Ergebnis kommen, dass anderweitig eine Verfassungswidrigkeit drohen würde. Ja, es ist schöner, wenn wir irgendwann eine allgemeine Regelung haben, in der steht, was die generelle Regel ist. Solange wir aber nur eine lückenhafte Regelung haben, müssen wir sozusagen in die Lücken den Kitt reinschmieren. Benecke Ich kann das nur unterstützen. Der Punkt ist nur, wenn man in Richtung Stundung marschiert, dann muss man immer im Hinterkopf haben, dass man gerichtlich auch im Erhebungsverfahren vorgeht. Wir haben ja einige FG-Fälle, die den Wegzug betreffen und wo im Rahmen des Festsetzungsverfahrens gegen eine fehlende Stundungsregelung vorgegangen wird. Da muss man natürlich anders vorgehen. Dies sollte man zumindest im Hinterkopf haben, damit man nicht aus verfahrensrechtlichen Gründen scheitert. Prof. Dr. Lüdicke Ja, vielen Dank. Wollen wir jetzt noch kurz etwas zu § 50i EStG sagen? Benecke Herr Wacker sprach es bereits an, dass man zu § 50i EStG die tollsten Sachen aus dem BMF hört. Ich finde, man hört auch sonst nur Gutes. Da ist es in der Tat so, dass ein BMF-Schreiben in Vorbereitung ist, welches auch die Frage der Begrenzung des Anwendungsbereichs auf ausländische Steuerpflichtige vorsieht. Da gibt es noch Abstimmungsarbeiten, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass wir, noch bevor das vierte

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Lichtlein brennt, eine dementsprechende Aussage auf der Internetseite des BMF haben.1 Prof. Dr. Gosch Was ich gelesen habe, geht in die aus meiner Sicht zutreffende Richtung, allerdings indem – so wie ich das verstanden habe, korrigieren Sie mich gerne! – die besagte Tatbestandsbegrenzung nicht im Wege der Gesetzesinterpretation, sondern im Wege des Billigkeitserweises vollzogen wird. Das Gesetz sagt eigentlich etwas anderes. Der Weg über den Billigkeitserweis ist angesichts dessen alles andere als unproblematisch. In einem Rechtsstaat sollte man solches doch dem positiv gesetzten Recht anvertrauen, hier also einer Gesetzesänderung und nicht einem Billigkeitserweis. Auch, wenn sie gut gemeint sind. Benecke Richtig. Ich gehe davon aus, dass das, was einem billig ist, auch wert ist zu regeln. Insofern gehe ich davon aus, dass das auch irgendwann passieren wird. Prof. Dr. Lüdicke Herr Benecke, ich kann nur sagen: Ceterum censeo. Ein Billigkeitserlass ist schön und gut, er wird in der Praxis auch in den allermeisten Fällen funktionieren. Das BMF-Schreiben2 führt zu einer Ermessensreduzierung auf Null, Betriebsprüfer und Veranlagungsbeamte werden sich sicherlich daran halten. Nur wenn einer es nicht tut, hat der Steuerpflichtige Pech gehabt. Natürlich kann er dagegen klagen. Er bekommt aber ein Problem, wenn der BFH eines späteren Tages der Meinung sein sollte, dass ein Billigkeitserlass, mit dem ein Gesetz nahezu vollständig außer Kraft gesetzt wird, eben kein Billigkeitserlass mehr ist. Ein Problem hat der Steuerpflichtige auch, wenn er für das Jahr, in dem der Billigkeitserlass zu seinen Gunsten tatsächlich ausgesprochen worden ist, mit einem ganz anderen Streitpunkt vor Gericht ziehen will oder muss. Das Gericht kann dann nämlich den anderen Streitpunkt, wenn es ihn für begründet hält, mit dem aus seiner Sicht unzulässigen Steuervorteil aus dem Billigkeitserlass saldieren. Im Grunde haben Sie damit für andere Streitpunkte faktisch keinen Rechtsschutz. Ich kann mich deshalb 1 BMF v. 21.12.2015 – IV B 5 - S 1300/14/10007, BStBl. I 2016, 7. 2 BMF v. 21.12.2015, aaO.

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dem Petitum von Herrn Gosch, dass der gesetzliche Fehler durch eine neue gesetzliche Regelung behoben werden muss, nur anschließen. Dass das Ganze ein politisches Problem ist, ist klar. Derzeit scheint es im Bundestag keine Mehrheit dafür zu geben, den gesetzlichen Unsinn, der jetzt per Erlass aus Billigkeitsgründen nicht angewendet werden soll, auch wieder aus dem Gesetz zu entfernen; aber daran muss gearbeitet werden. Noch ein weiterer Punkt: Es besteht bekanntlich die Gefahr, dass die auf das Inland begrenzte Regelung in dem BMF-Schreiben europarechtswidrig ist. Das mag durch den Billigkeitserlass ein bisschen versteckt werden vor der Kommission, aber im Grunde hilft die Art der Rechtsförmlichkeit nicht, wenn die Regelung im Kern europarechtswidrig ist. Ein letzter Punkt, den man auch als gewisse Gefahr sehen kann: Der Steuerpflichtige bekommt aufgrund des BMF-Schreibens eine begünstigende Einzelmaßnahme, die erklärtermaßen vom Gesetz abweicht – das ist ebenfalls europarechtlich nicht unproblematisch. Prof. Dr. Gosch Anders gedeutet wäre das dann eine unzulässige Beihilfe? Prof. Dr. Lüdicke Ich weiß nicht, ob das Beihilfe ist, das weiß noch keiner. Aber zumindest mit dem Risiko wird man sich befassen müssen. Prof. Dr. Ismer Mit der Beihilfe wäre ich entspannt, weil wir ja eine dreistufige Tatbestandsprüfung im Beihilfetatbestand der Selektivität haben. Hier liegen Gründe vor, die im Steuersystem selbst angelegt sind. Damit glaube ich, dass das nicht ganz zu vergleichen ist, das heißt mit Dingen, die vorsätzlich falsch sind. Benecke Der Gesetzgeber regelt ja keinen Unsinn. Der Gesetzgeber kann regeln, dass bestimmte Vorgänge steuerpflichtig sind. Das ist Sache des Gesetzgebers. Wenn er meint, dass er an dieser Regelung nicht mehr festhalten will, dann wird er sicherlich auch etwas anderes regeln. In der Tat, wenn man das auch so sieht, dass der Gesetzgeber Konsequenzen hervorgerufen hat, die er so nicht gesehen hat, dann sind wir bei der sachlichen Bil-

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ligkeit. Dann wissen wir bei der Nachversteuerung zur Teilwertabschreibung im Umwandlungssteuergesetz, dass man durchaus Billigkeitsmaßnahmen vorsehen kann. In der Tat ist es natürlich schöner, wenn man Gesetze an die Rechtspraxis einfach anpasst. Prof. Dr. Gosch Also wir halten fest, Herr Benecke: Der Gesetzgeber braucht einen guten Souffleur! (Lacher) Benecke Ich glaube, den hat er schon gehabt, ja. (Lacher) Prof. Dr. Ismer Kriegen wir den Billigkeitserlass denn rein verfahrenstechnisch so ohne weiteres? Im Bereich der Umsatzsteuer denken wir immer wieder darüber nach, ob wir nicht am Billigkeitserlass vorbei konstruieren können, in irgendeiner Weise durch wie auch immer geartete Auslegung von Gesetzen, damit wir nicht durch die behördeninternen Zuständigkeiten durch müssen. Denn ab einer bestimmten Summe in den Landesfinanzverwaltungen ist auf einmal die OFD zuständig, und da ist nicht einmal ganz klar, ob das so gerne gesehen wird und ob das verfahrensrechtlich wirklich alles klappt. Benecke Das ist in der Tat eine sehr interessante Frage. Bei der Umwandlungssteuer arbeiten wir aus bekannten Gründen traditionell eher über Billigkeit, aber es gibt auch eine Rechtspraxis der Länder, und das führt sicherlich zu einer – ich weiß nicht, ob das schon von allen AO-Referaten beschlossen ist – Änderung des BMF-Schreibens zu den Zustimmungsgrenzen1. Wenn man sich über Billigkeitsmaßnahmen im BMF-Schreiben verständigt, dann will man auch nicht mehr die Bundesoberbehörden bemühen. Ich finde es ein bisschen schade, ich sehe gerne mal Praxisfälle, aber zumindest aus Praktikabilitätsgründen hat man sich so entschieden. Das wird es vielleicht auch ein bisschen erleichtern.

1 BMF v. 11.12.2015 – IV A 3 - S 0336/07/10010, BStBl. I 2015, 1023.

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Prof. Dr. Lüdicke Vielen Dank, Herr Benecke. Hoffen wir, dass die Lösung, die Sie jetzt zunächst einmal, vielleicht vorübergehend, vielleicht als dauerhaftes Provisorium, gefunden haben, in der Praxis wirklich hält.

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Anrechnung ausländischer Steuern Univ.-Prof. Dr. Bert Kaminski Institut für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Fakultät für Wirtschaftsund Sozialwissenschaften, Helmut Schmidt Universität – Universität der Bundeswehr Hamburg

A. Ausgangspunkte . . . . . . . . . . 169 B. „Technik“ der Anrechnung . 173 I. Voraussetzungen für die Anrechnung einer ausländischen Steuer . . . . . . . . . . . . 173 II. Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrages . . . . . . . 175 C. Ausgewählte Zweifelsfragen. I. Umsetzung der Vorgaben zum Anrechnungshöchstbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorgaben zur Höhe des Betrages . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitliche Vorgaben . . . . . . 3. Mögliche Auswirkungen auf andere Steuern . . . . . .

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a) Körperschaftsteuer. . . . b) Erbschaftsteuer . . . . . . II. Per-country- versus overall-limitation. . . . . . . . . . . . . III. Auswirkungen der Abzugsbeschränkung in § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt. . . . . . . . . 2. Konsequenzen des Abzugsverbots . . . . . . . . . . . . 3. Ermittlung der übrigen Einkünfte . . . . . . . . . . . . . IV. Pflicht zu Billigkeitsmaßnahmen trotz vorgenommener Anrechnung . . . . . . . .

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D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 183

A. Ausgangspunkte Das im Völkerrecht anerkannte Prinzip der Souveränität der Staaten1 beinhaltet für diese auch das Recht, grundsätzlich frei zu entscheiden, welche sachlichen und/oder persönlichen Anknüpfungspunkte sie in ihrem Territorium für eine – wie auch immer ausgestaltete – Besteuerung verwenden. Hiermit ist auch das Recht verbunden, einen bestimmten Sachverhalt als nicht steuerbar anzusehen oder ihn – aus welchen Gründen auch immer – von der Besteuerung im eigenen Land zu befreien. Dieses Recht kann allenfalls über völkerrechtliche Verträge eingeschränkt werden, in denen sich der Staat unter freiwilliger, partieller Aufgabe dieser grundsätzlichen Entscheidungsfreiheit bereit erklärt, auf die Besteuerung von einzelnen Einkünften zu verzichten oder lediglich ermäßigt – 1 Vgl. etwa Brähler, Internationales Steuerrecht, 6. Aufl., Wiesbaden 2010, 3.

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insbesondere durch eine der Höhe nach beschränkte Quellensteuer – zu besteuern. Hierfür kommen sowohl Doppelbesteuerungsabkommen1, Richtlinien der Europäischen Union2 als auch weitere völkerrechtliche Verträge3 in Betracht. Vorbehaltlich des evtl. Eingreifens dieser Sonderregelungen ist hiermit die Gefahr verbunden, dass ein in einem Staat verwirklichter Sachverhalt in zwei (oder gar mehreren) Staaten der Besteuerung unterliegt. Ursächlich hierfür ist, dass die Staaten bei der Abgrenzung ihrer Besteuerungsrechte nicht konsequent dem Wohnsitzoder dem Ursprungslandprinzip folgen oder sich nicht gegenseitig ausschließende Kriterien für eine unbeschränkte Steuerpflicht verwenden. Eine solche Doppelbesteuerung ist nach einhelliger Auffassung volkswirtschaftlich schädlich, führt zu Verwerfungen in der internationalen Faktorallokation und beeinträchtigt die globale Arbeitsteilung negativ. Hieraus drohen Wohlfahrtsverluste für die einzelnen Volkswirtschaften.4 Allerdings gibt es keinen Rechtsgrundsatz, nachdem eine Doppelbesteuerung unzulässig wäre.5 Gleichwohl sehen die allermeisten Steuerrechtsordnungen Regelungen vor, die diese zumindest mindern sollen. Umstritten ist welchem Prinzip gefolgt werden soll, um diese Nachteile zu beseitigen. Nach dem Grundsatz der Kapitalimportneutralität sollen alle Investoren in einem Land gleich besteuert werden. Dies impliziert, dass ein Inländer, der im Ausland investiert, steuerlich nicht schlechter gestellt werden darf, als ein Ausländer, der in seinem Heimatland investiert. Deshalb werden die Einkünfte an der Quelle besteuert und im Wohnsitzstaat freigestellt. Hingegen will die Forderung nach Kapitalexportneutralität alle Investoren innerhalb eines Staates gleich stellen. Folglich muss für sie der gleiche Steuersatz gelten, unabhängig davon,

1 Vgl. zum aktuellen Stand der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen das BMF-Schreiben v. 19.1.2016 – IV B 2-S 1301/07/10017-07 2016/0028964, BStBl. I 2016, 76. 2 Zu nennen ist insbesondere die Mutter-Tochter-Richtlinie v. 23.6.1990 90/435/EWG, ABl. 1990, L 225/6-9, mit späteren Änderungen. 3 Etwa das NATO-Truppenstatut (v. 19.6.1951, BGBl. 1961 II, 1183 (1190)) oder das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (v. 18.4.1961, BGBl. 1964 II, 957). 4 Vgl. hierzu aus gesamtwirtschaftlicher Sicht z.B. Paschen, Steuerumgehung im nationalen und internationalen Steuerrecht, Wiesbaden 2001, 180; Busch, Attraktivitäts- und Aufkommenswirkung zinsbereinigter Steuersysteme, Lohmar 2015, 96. 5 Vgl. BFH v. 14.2.1975 – VI R 210/72, BStBl. II 1975, 497.

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in welchem Land Einkünfte1 entstanden sind. Dies impliziert eine Anrechnung der im Ausland gezahlten Steuer auf die inländische Steuer, wobei – regelmäßig unter Hinweis auf die sonst entstehenden Friktionen zwischen den Steueraufkommen der Staaten – eine Erstattung einer ggf. höheren ausländischen Steuer durch den Wohnsitzstaat unterbleibt. Die Bundesrepublik Deutschland wendet sowohl im innerstaatlichen als auch im Abkommensrecht für einzelne Einkünfte die Freistellungsals auch die Anrechnungsmethode an. Hierbei ist die Freistellung im nationalen Recht der Bundesrepublik Deutschland vergleichsweise selten. Zu nennen sind § 9 Nr. 2, 32 oder 73 GewStG und § 8b Abs. 14 oder 2 KStG, sofern nicht dessen Ausnahmeregelungen nach Abs. 4, 7 oder 8 Anwendung finden. Die Anrechnungsmethode ist sowohl für die Einkommen-, die Körperschaft- als auch die Erbschaftsteuer die innerstaatliche Standardmethode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Die deutschen DBA sehen für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, für Unternehmensgewinne und für Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, die unter die 183-Tage-Regelung fallen, grundsätzlich die Freistellungsmethode vor5, während für die anderen Einkunftsarten des DBA die Anrechnungsmethode angewendet wird. Bei den typischerweise freigestellten Einkünften sind in vielen DBA entweder Aktivitäts- oder

1 Allerdings erfolgt teilweise auch die Besteuerung des Einkommens, also der Bruttogröße vor Abzug von Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten. Hieraus können sich Infolge von Anrechnungsbeschränkungen Anrechnungsüberhänge ergeben, vgl. hierzu unter C.I.1. 2 Vgl. zur Diskussion, ob hierfür eine Betriebsstätte i.S.v. § 12 AO oder entsprechend der Definition des jeweiligen DBA erforderlich ist, FG Köln v. 5.7.2015 – 10 K 73/13, EFG 2015, 1558, Revision anhängig unter Az. I R 50/15, sowie zu grundlegenden Auswirkungen der unterschiedlichen Qualifikation von Betriebsstätten nach innerstaatlichem- und Abkommensrecht Kaminski, Stbg 2012, 354 ff. 3 Allerdings wird diese Kürzung nur unter einer Beteiligungs- und Aktivitätsbedingung gewährt. Hierauf wird im Folgenden nicht eingegangen. 4 Allerdings wird die Steuerfreiheit nach § 8b Abs. 1 Satz 2 bis 4 KStG versagt, wenn bei der leistenden Körperschaft ein steuermindernder Abzug erfolgen kann und es infolge dessen an einer konkreten Vorbelastung dieser Beträge fehlt. Insoweit besteht ein Korrespondenzprinzip, vgl. hierzu Gosch in Gosch, KStG, 3. Aufl., München 2015, § 8b KStG Rz. 143a ff. 5 Vgl. hierzu die Abkommensübersicht von Ismer in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 23A/23B OECD-MA Rz. 16 und die Verhandlungsgrundlage, BMF, Stand: 22.8.2013 - IV B 2 – S 1301/13/10009, online im Internet unter www.bundesfinanzministerium.de.

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Rückfallklauseln vorgesehen.1 Danach bleibt es nur bei der Freistellung, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die Einkünfte aus einer – häufig als „aktiv“ bezeichneten – Tätigkeit stammen, eine Beteiligung am allgemeinen Geschäftsverkehr erfolgt und/oder ein eingerichteter Geschäftsbetrieb unterhalten wird bzw. im Ausland eine tatsächliche bzw. nicht unangemessen niedrige Besteuerung erfolgt.2 Diese Vorgaben finden sich häufig nicht in den Abkommen selbst sondern in den Protokollen und Notenwechseln.3 Außerdem verwendet der Gesetzgeber in zunehmendem Maße im innerstaatlichen Recht Regelungen, die als treaty override4 die abkommensrechtlich verankerte Freistellung von der Erfüllung weiterer Voraussetzungen oder dem Erbringen weiterer Nachweise abhängig machen.5 Folglich kommt inzwischen für früher in der deutschen Abkommenspraxis regelmäßig freigestellte Einkünfte häufig die Anrechnungsmethode zur Anwendung. Die DBA enthalten keine eigenen Regelungen zur Ausgestaltung dieser Methode, vielmehr richten sich die Details der Anwendung nach den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts des jeweiligen Vertragsstaats.6 Dies überrascht, weil aus Sicht des anderen Staats die Vorteilhaftigkeit von Investitionen durch Ausländer auf seinem Territorium negativ beeinflusst wird, wenn die Anrechnung ganz oder teilweise nicht erfolgen kann.7 Ferner wird für die Steueranrechnung nach § 12 AStG auf

1 Vgl. zu einer Übersicht Schmidt/Blöchle in Strunk/Kaminski/Köhler, AStGDBA, Art. 23 A/B OECD-MA Rz. 151, 158, 180 (April 2010). 2 Vgl. hierzu eingehend Kaminski, Aktivitätsklauseln als Problem für die Steuerberatungspraxis, in Blümke/Böke/Heißenberg u.a., Aktuelles Steuerrecht: Gestaltung der Gegenwart als Ausgangspunkt der Rechtsentwicklung, FS Korth, 149 ff. m.w.N., und Kaminski, StuW 2007, 275 ff. 3 Kritisch hierzu Wassermeyer, IStR 2000, 65. 4 Vgl. zur Frage der Zulässigkeit eines solchen treaty override jüngst BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, HFR 2016, 405, nach dem Vorlagebeschluss des BFH v. 10.1.2012 – I R 66/09, BFH/NV 2012, 1056, hierzu Kaminski, Stbg 2012, 256 (257); sowie ergänzend die Vorlagebeschlüsse des BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791, anhängig unter 2 BvL 15/14 und v. 20.8.2014 – I R 86/13, BFH/NV 2014, 1985, anhängig unter 2 BvL 21/14. 5 Zu nennen sind insbesondere § 50d Abs. 8 und 9 EStG oder § 50i EStG als jüngstes Beispiel. 6 Sofern ein DBA besteht, sind diese Regelungen vorrangig, vgl. BFH v. 15.3.1995 – I R 98/94, BStBl. II 1995, 580. 7 Diese Idee liegt auch der fiktiven Anrechnung von ausländischen Steuern zu Grunde, die in einigen DBA vorgesehen ist.

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eine entsprechende Anwendung von § 34c Abs. 1 EStG verwiesen.1 Darüber hinaus enthält § 4 Abs. 2 – 4 InvStG2 Regelungen zur Steueranrechnung, wobei auf große Teile des § 34c Abs. 1 EStG verwiesen wird. Im Folgenden wird auf die „Technik“ der Steueranrechnung und auf hiermit im Zusammenhang stehende Zweifelsfragen eingegangen.

B. „Technik“ der Anrechnung I. Voraussetzungen für die Anrechnung einer ausländischen Steuer Unbeschränkt Steuerpflichtige3, die mit ihren Einkünften aus einem ausländischen Staat dort zu einer der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer herangezogen worden sind, können die festgesetzte4, gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch unterliegende5 ausländische Steuer auf die deutsche Steuer anrechnen (§ 34c Abs. 1 Satz 1 EStG, § 26 Abs. 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 1 EStG).6 Dabei werden die ausländischen Steuern berücksichtigt, die der inländische Steuerpflichtige auf seine ausländischen Einkünfte gezahlt hat oder die für ihn einbehalten wurden (Subjektidentität). Eine Anrechnung wird nur insoweit gewährt, wie auf ausländische Einkünfte deutsche Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer entfällt.7 Die Regelungen gelten unmittelbar nur gegenüber Nicht-DBA1 Vgl. zur Reichweite dieses Verweises Sonntag in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG-DBA, § 12 AStG Rz. 19 ff. (Oktober 2013). 2 Vgl. zur Reichweite dieses Verweises Patzner/Kempf, InvStG, 2. Aufl., BadenBaden 2015, § 4 Rz. 17 ff. 3 Hingegen ist die Ansässigkeit nach Maßgabe des DBA nicht entscheidend, vgl. BFH v. 13.10.1965 – I 410/61 U, BStBl. III 1965, 738. Bei beschränkt Steuerpflichtigen erfolgt eine entsprechende Anwendung, wenn diese Gewinneinkunftsarten erzielen, vgl. § 50 Abs. 3 EStG. 4 Werden im Ausland Abzugsteuern erhoben, ersetzt die Steueranmeldung die Steuerfestsetzung, vgl. BFH v. 5.2.1992 – I R 9/90, BStBl. II 1982, 607. 5 Dies bezieht sich jedoch nur auf Ermäßigungsansprüche gegenüber staatlichen Stellen, nicht aber auf z.B. private Geschäftspartner, vgl. BFH v. 25.4.1990 – I R 70/88, BStBl. II 1990, 1086. Vgl. hierzu auch Kaminski, Stbg 2008, 399. 6 Diese Voraussetzungen müssen auch für einen Abzug nach § 34c Abs. 2 EStG erfüllt sein, vgl. z.B. Heinicke in Schmidt, 34. Aufl. 2015, § 34c EStG Rz 15; Gosch in Kirchhof, 14. Aufl. 2015, § 34c EStG Rz 29; Kaminski/Strunk in Korn, § 34c EStG Rz. 38 (August 2010). 7 Hierin soll nach Auffassung des FG Köln v. 11.7.2012 – 7 K 8572/98, EFG 2012, 1391, weder ein Verstoß gegen Unionsrecht noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu sehen sein.

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Staaten. Soweit jedoch in einem DBA die Anrechnung von Steuern vereinbart wurde, sind sie auf den anzurechnenden Teil entsprechend anzuwenden (§ 34c Abs. 6 EStG ggf. i.V.m. § 26 Abs. 1 KStG). Für eine inländische Anrechnung von ausländischer Erbschaftsteuer nach § 21 ErbStG muss es sich um ausländisches Vermögen i. S. v. § 121 BewG handeln. Um die Anrechnung durchführen zu können, bedarf es der Feststellung der unbeschränkten Steuerpflicht, der Ermittlung der ausländischen Einkünfte, der Überprüfung, ob die ausländische Steuer der deutschen Einkommensteuer entspricht und der Festsetzung des Anrechnungsbetrages. Außerdem ist zu prüfen, ob die Subjektidentität1, Objektidentität und die Identität des Besteuerungszeitraums vorliegen. Nach § 34c Abs. 1 EStG sind nur die Steuern anrechenbar, die auf ausländische Einkünfte entfallen.2 Diese sind abschließend in § 34d EStG aufgeführt3, wobei diese Regelung auch für die Körperschaftsteuer gilt. Die Ermittlung der ausländischen Einkünfte richtet sich nach deutschem Steuerrecht, wobei z. B. auch die §§ 2a, 15a und 15b EStG zu beachten sind. Zweck des § 34d EStG ist es nicht nur, die Einkünfte in inländische, ausländische und „Drittstaaten“ einzuteilen, sondern eine Zuordnung zu einem ausländischen Staat vorzunehmen. Auf dieser Grundlage ist die Frage zu beantworten, welcher Staat als Wohnsitzstaat für die Steueranrechnung bzw. den Steuerabzug als Quellen- bzw. Drittstaat anzusehen ist und aus welchem Staat die Einkünfte stammen. Liegen die Voraussetzungen für eine Anrechnung der ausländischen Steuer dem Grunde nach vor, ist der Anrechnungshöchstbetrag zu beachten. Im Gegensatz zur Freistellungsmethode macht sich der Wohnsitzstaat die Vorteile eines niedrigeren ausländischen Steuertarifs zunutze, da nach Abzug einer geringeren ausländischen Steuer von der deutschen Steuer auf das Welteinkommen die ausländischen Einkünfte zumindest teilweise mit inländischer Steuer belastet bleiben. Die Gesamtsteuerbelastung der ausländischen Einkünfte wird in diesen Fällen

1 Vgl. hierzu auch BFH v. 4.6.1991 – X R 35/88, BStBl. II 1992, 187. Diese kann auch bei ausländischen Abzugssteuern gegeben sein, vgl. BFH v. 5.2.1992 – I R 9/90, BStBl. II 1992, 607. 2 Vgl. hierzu BFH v. 27.3.1996 – I R 49/95, BStBl. II 1997, 91. 3 Vgl. zu einer eingehenden Analyse die einschlägige Kommentierung und aus Sicht des Verfassers die gemeinsamen Ausführungen mit Strunk in Korn, § 34d EStG Rz. 29 ff. (August 2010).

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auf das inländische Steuerniveau erhöht. Hingegen soll eine über den Anrechnungshöchstbetrag hinausgehende ausländische Steuer weder vor- noch zurückgetragen werden können1. Billigkeitsmaßnahmen nach §§ 163, 227 AO können nicht erfolgen.2

II. Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrages Der EuGH hatte sich in der Rs. Beker & Beker3 mit der unionsrechtlichen Zulässigkeit des Anrechnungshöchstbetrages nach § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG für das Streitjahr 2007 zu beschäftigen. Fraglich war, ob die Teilhabe der ausländischen Einkünfte an den Abzugspositionen im Rahmen der Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrages unionsrechtlich zulässig sei. Schließlich muss der Ansässigkeitsstaat – und nicht der Quellenstaat – die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen berücksichtigen.4 Dies geschehe etwa bei der Anrechnung von Kapitalertragsteuer als Quellensteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 EStG 2002. Außerdem bleiben bei beschränkt Steuerpflichtigen gem. § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG 2002 Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen unberücksichtigt.5 Denkbar wäre, dass Deutschland als Ansässigkeitsstaat verpflichtet sei, diese Belastungen vollständig zu tragen und deshalb bei der Bestimmung des Anrechnungshöchstbetrages nicht auf die Summe der Einkünfte gem. § 2 Abs. 3 EStG, sondern auf das zu versteuernde Einkommen i.S.v. § 2 Abs. 5 EStG abzustellen habe. Dies würde zu einer höheren Anrechnungsmöglichkeit im Inland führen. Bereits in der Rs. de Groot6 hatte der EuGH allerdings zur Arbeitnehmerfreizügigkeit entschieden, dass es grundsätzlich dem Wohnsitzstaat obliege, dem Steuerpflichtigen sämtliche an seine persönlichen und familiären Verhältnisse knüpfenden steuerlichen Vergünstigungen zu gewähren, da er am besten die bestehende Steuerkraft beurteilen könne. 1 Vgl. BFH v. 25.4.1990 – I R 70/88, BStBl. II 1990, 1086. 2 Vgl. BFH v. 26.10.1972 – I R 125/70, BStBl. II 1973, 271. 3 EuGH v. 28.2.2013 – C-168/11, Rs. Beker & Beker, ABl. EU 2013, Nr. C 114, 9. 4 Vgl. z.B. EuGH v. 14.2.1995 – C-279/93, Rs. Schumacker, Slg. 1995, I-225, Rz. 34; v. 14.9.1999 – C-391/97, Rs. Gschwind, Slg. 1999, I-5451, BStBl. II 1999, 841, Rz. 23; BFH v. 10.1.2007 – I R 87/03, BStBl. II 2008, 22; vgl. aber auch EuGH v. 6.6.2006 – C-346/04, Rs. Conijn, Slg. 2006, I-6137, Rz. 16. 5 Auf mögliche Besonderheiten auf Grund der sog. fiktiv unbeschränkten Steuerpflicht wird verwiesen. 6 EuGH v. 12.12.2002 – C-385/00, Rs. De Groot, Slg 2002, I-11819.

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Der EuGH hat mit Urteil vom 28.2.20131 einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV (ex. Art. 56 EGV) bejaht und damit die deutsche Regelung als unvereinbar mit den unionsrechtlichen Vorgaben angesehen. Er führt zunächst aus, dass die steuerliche Behandlung von Beteiligungen, die ausschließlich mit der Absicht der Geldanlage erfolgten, ohne auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss nehmen zu wollen, ausschließlich nach der Kapitalverkehrsfreiheit zu prüfen sei. Außerdem bestätigt der Gerichtshof seine Rechtsprechung2, dass diese Grundfreiheit auch im Verhältnis zu Drittstaaten Bedeutung hat. Zugleich betont der EuGH erneut3, dass die Mitgliedstaaten bei der Aufteilung von Steuerhoheiten im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen verpflichtet seien, die Unionsvorschriften zu beachten. Die streitige deutsche Regelung führe dazu, dass die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen nicht vollständig berücksichtigt würden. Hierbei kritisiert das Gericht insbesondere, dass der ansässige Steuerpflichtige von den gesetzlichen Abzugsbeträgen vollständig profitiert, wenn seine gesamten Einkünfte inländisch sind. Hingegen unterbleibt dies, wenn ein Teil der Einkünfte aus dem Ausland bezogen wurde. Es sei jedoch die grundsätzliche Aufgabe des Wohnsitzstaates, dem Steuerpflichtigen sämtliche an seine persönliche und familiäre Situation anknüpfenden Vergünstigungen zu gewähren. Eine Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung lehnt der Gerichtshof ab. Hierauf hatte das BMF noch vor der Entscheidung des BFH in der Hauptsache mit dem Schreiben vom 30.9.20134 reagiert. Danach waren alle Einkommensteuerfestsetzungen, in denen eine Anrechnung ausländischer Steuern erfolgt und bei denen ein Anrechnungsüberhang entstand, gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig vorzunehmen. Ein entsprechender Hinweis war in die Steuerbescheide aufzunehmen. Außerdem gewährte die Finanzverwaltung Aussetzung der Vollziehung nach § 361 Abs. 2 AO oder nach § 69 Abs. 2 FGO in Höhe des Differenzbetrags zwischen der festgesetzten Steuer und der Steuer, die sich bei Be1 EuGH v. 28.2.2013 – C-168/11, Rs. Beker & Beker, BStBl. II 2015, 431. 2 EuGH v. 13.3.2007 – C-524/04, Rs. Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Slg. 2007, I-02107. 3 Vgl. z.B. EuGH v. 21.9.1999 – C-307/97, Rs. Saint Gobain ZN, Slg. 1999, I-6161, Rz. 58 f., v. 12.12.2001 – C-385/00, Rs. De Groot, Slg. 2002, I-11819, Rz. 94 und v. 13.3.2007 – C-524/04, Rs. Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Slg. 2007, I-02107, Rz. 53. 4 BMF v. 30.9.2013 – IV B 3 - S 2293/09/10005-04, BStBl. I 2013, 1612.

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rechnung des Anrechnungshöchstbetrages anhand der Summe der Einkünfte abzüglich der Kosten der persönlichen Lebensführung sowie der personen- und familienbezogenen Umstände ergeben würde. Als solche Kosten konnten in Ansatz gebracht werden: –

der Altersentlastungsbetrag (§ 24a EStG),



der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG),



Sonderausgaben (§§ 10, 10a, 10b, 10c EStG),



außergewöhnliche Belastungen (§§ 33 bis 33b EStG) und



die berücksichtigten Freibeträge für Kinder (§§ 31, 32 Abs. 6 EStG).

Nach Verwaltungsauffassung galten diese Regelungen lediglich für die Einkommensteuer, nicht aber für die Körperschaftsteuer. Rückschlüsse auf die Anrechnung der Erbschaftsteuer nach Maßgabe des § 21 ErbStG wurden nicht gezogen. Der BFH hat in der Folgezeit sein Urteil in dem Ausgangsverfahren verkündet.1 Er folgt den Vorgaben des EuGH und sieht in § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG einen Verstoß gegen das unionsrechtliche Gebot, das subjektive Nettoprinzip vorrangig im Wohnsitzstaat zu verwirklichen. Der Höchstbetrag sei deswegen „geltungserhaltend“ in der Weise zu errechnen, dass der Betrag der Steuer, die auf das in Deutschland zu versteuernde Einkommen – einschließlich der ausländischen Einkünfte – zu entrichten sei, mit dem Quotienten multipliziert werde, der sich aus den ausländischen Einkünften und der Summe der Einkünfte ergäbe, wobei der letztgenannte Betrag um alle steuerrechtlich abzugsfähigen personenbezogenen und familienbezogenen Positionen, vor allem Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen, aber auch den Altersentlastungsbetrag sowie den Grundfreibetrag, zu vermindern sei. Dies gelte für Einkünfte aus EUMitgliedstaaten gleichermaßen wie für Einkünfte aus Drittstaaten. Das BMF war dem Verfahren beigetreten und distanzierte sich von der eigenen oben dargestellten Vorgehensweise in dem BMF-Schreiben vom 30.9.20132. Indem das Gesetz die tarifliche Einkommensteuer als Multiplikator der zur Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages anzustellenden Vervielfachung bestimme und sich die tarifliche Einkommensteuer auf das zu versteuernde Einkommen – und damit auch die persönlichen Abzugsbeträge – beziehe, sei es konsequent, jene Abzugsbeträge bei der Bestimmung des Multiplikanden synchron zu berücksichtigen, also so1 Vgl. BFH v. 18.12.2013 – I R 71/10, BStBl. II 2015, 361. 2 BMF v. 30.9.2013 – IV B 3 - S 2293/09/10005-04, BStBl. I 2013, 1612.

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wohl im Zähler – den ausländischen Einkünften – als auch im Nenner – der Summe der Einkünfte. Andernfalls würden die persönlichen Abzugsbeträge einseitig zu Lasten der Summe der Einkünfte berücksichtigt und die ausländischen Einkünfte würden von dem Abzug zweifach profitieren, nämlich einmal bei der tariflichen Einkommensteuer und ein weiteres Mal bei der Verhältnisberechnung. Dieser Auffassung widerspricht der Senat ausdrücklich. Er sieht hierin einen Verstoß gegen die unionsrechtlichen Anforderungen. Danach sei eine Synchronisation zwischen den beiden maßgebenden Faktoren der Höchstbetragsberechnung, also der deutschen Einkommensteuer als Multiplikator und der korrespondierenden Bezugsgröße im Multiplikanden der Berechnung erforderlich. Die persönlichen Abzugspositionen seien nicht gleichermaßen im Zähler der anzustellenden Bruchrechnung bei den ausländischen Einkünften ebenso wie im Nenner jener Bruchrechnung bei der Summe der Einkünfte zu kürzen, sondern lediglich von der letzteren Größe, also der Summe der Einkünfte. Es sei unzulässig, wenn die persönlichen Abzugspositionen lediglich die deutsche tarifäre Einkommensteuer verringern, mit der Folge eines rechnerisch geringeren Höchstbetrages, während die Summe der Einkünfte sich nicht verändert. Der BFH führt aus, dass diese Grundsätze für die aufgeführten steuerrechtlichen Abzugspositionen, vor allem die Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen gelten, geht aber noch darüber hinaus und fordert den Abzug auch des Grundfreibetrages nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG 2002. Dies ergebe sich zwar nicht direkt aus der Entscheidung des EuGH, sei aber bei einer Analyse der Urteilsgründe zwingend. Schließlich verlange der EuGH, dass der Wohnsitzstaat dem Steuerpflichtigen sämtliche an seine persönliche und familiäre Situation geknüpften steuerlichen Vergünstigungen gewähren müsse. Außerdem müsse sowohl im Zähler als auch im Nenner der damals gültige SparerFreibetrag nach § 20 Abs. 4 EStG berücksichtigt werden. Dieser ziele darauf ab, die Spartätigkeit der Bevölkerung zu fördern und komme daher insgesamt den erzielten in- und ausländischen Kapitaleinkünften zugute. Folglich sei er nicht gesondert zu berücksichtigen. Ferner legt der Senat dar, dass die länderweise bezogene Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrages, die sog. Per-Country-Limitation, nicht gegen Unionsrecht verstößt.1 Diese Einschätzung dürfte in gleicher Weise für die Ertrag- wie für die Erbschaftsteuer gelten. 1 Vgl. hierzu eingehend unter C.II. auf S. 186.

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Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des Anrechnungshöchstbetrages stellt sich die Frage, ob eine Kürzung der ausländischen Steuer für Zwecke der Anrechnung in Deutschland zu erfolgen hat, wenn die ausländischen Gewinnermittlungsvorschriften zu einer höheren Bemessungsgrundlage führen, als die deutschen. Dies ist nicht der Fall, weil dies Folge der unterschiedlichen Ausgestaltung der Regelungen in den jeweiligen Staaten ist.1

C. Ausgewählte Zweifelsfragen Sowohl aus der gesetzlichen Neuregelung als auch aus den oben dargestellten „technischen“ Vorgaben zur Umsetzung ergeben sich vielfältige Fragestellungen. Auf einige ausgewählte Aspekte wird im Folgenden eingegangen.

I. Umsetzung der Vorgaben zum Anrechnungshöchstbetrag 1. Vorgaben zur Höhe des Betrages Durch das Zollkodex-Anpassungsgesetz2 wurde eine Modifikation der gesetzlichen Regelung vorgenommen. Danach können ausländische Steuern höchstens mit der durchschnittlichen tariflichen deutschen Einkommensteuer auf die ausländischen Einkünfte angerechnet werden. Anders als bisher, wird nicht mehr auf das Verhältnis zwischen ausländischen Einkünften und der Summe der Einkünfte abgestellt. Vielmehr wird die deutsche Steuer berücksichtigt, die auf die ausländischen Einkünfte entfällt. M.E. ist fraglich, ob diese gesetzliche Regelung ausreichend ist.3 Der BFH4 hatte auch die Gewährung des Grundfreibetrages verlangt. Insoweit bleibt abzuwarten, ob es ausreichend ist, die durchschnittliche Steuerbelastung zu betrachten oder ob eine umfangreichere Anrechnung geboten ist. Daher ist m.E. auch der Aussage

1 Vgl. BFH v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727, sowie BMF v. 18.2.1992 – IV C 6-S 2293-17/91, BStBl. I 1992, 123, entgegen BFH v. 4.6.1991 – X R 35/88, BStBl. II 1991, 187, wonach eine anteilige Kürzung zu erfolgen habe. 2 Vom 22.12.2014, BGBl. I 2014, 2417. 3 Gleicher Auffassung z.B. Ditz/Qulitzsch, DStR 2015, 548. 4 Vgl. BFH v. 18.12.2013 – I R 71/10, BStBl. II 2015, 361.

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in der Regierungsbegründung1 nicht zu folgen, dass damit die Benachteiligung von ausländischen gegenüber inländischen Einkünften beseitigt ist. Der Anwendungszeitpunkt soll durch einen neuen § 52 Abs. 34a EStG wie folgt geregelt werden: „(34a) Für Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2014 ist § 34c Absatz 1 Satz 2 in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung in allen Fällen, in denen die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist, mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle der Wörter „Summe der Einkünfte“ die Wörter „Summe der Einkünfte abzüglich des Altersentlastungsbetrages (§ 24a), des Entlastungsbetrages für Alleinerziehende (§ 24b), der Sonderausgaben (§§ 10, 10a, 10b, 10c), der außergewöhnlichen Belastungen (§§ 33 bis 33b), der berücksichtigten Freibeträge für Kinder (§§ 31, 32 Absatz 6) und des Grundfreibetrages (§ 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1)“ treten.“

Zugleich wird eine Folgeänderung in § 26 KStG vorgenommen. Diese ist notwendig, weil dieser grundsätzlich auf § 34c EStG verweist, aber bei Kapitalgesellschaften die individuelle Leistungsfähigkeit und damit die Berücksichtigung der persönlichen Merkmale keine Rolle spielen soll.2 Die Vorgehensweise des Gesetzgebers ist problematisch. Sie wird m.E. den Vorgaben des Unionsrechts nicht gerecht. Aus fiskalischer Sicht überrascht, dass die Regelungen z. T. über das hinausgehen, was notwendig wäre, um die Vorgaben des EuGH in nationales Recht umzusetzen. Hinzu kommt, dass für alle Fälle bis zum Vz. 2014 eine andere Regelung gilt, als für solche ab Vz. 2015. Eine Begründung hierfür wird nicht gegeben und ist auch nicht ersichtlich.3 Der Gesetzgeber war aufgefordert, die personenbezogenen Begünstigungen im Nenner zu berücksichtigen. Dies ist insoweit auch geschehen. Jedoch geht die Regelung darüber hinaus. Durch das Abstellen auf das zu versteuernde Einkommen (z.v.E.) werden auch folgende Beträge mit berücksichtigt, die gerade nicht dazu dienen, die persönlichen Verhältnisse und die subjektive Leistungsfähigkeit zu erfassen: 1 Vgl. BT-Drucks. 18/3017, 61. 2 Ferner scheidet eine außerbetriebliche Sphäre einer Kapitalgesellschaft aus, vgl. BFH v. 4.12.1996 – I R 54/95, BFHE 182, 123; v. 8.7.1998 – I R 123/97, BFHE 186, 540; v. 8.8.2001 – I R 106/99, BStBl. II 2003, 487; v. 15.5.2002 – I R 92/00, BFHE 199, 217; v. 31.3.2004 – I R 83/03, BFHE 206, 58; v. 17.11.2004 – I R 56/03 BFHE 208, 519, und v. 22.8.2007 – I R 32/06, BStBl. II 2007, 961. 3 Vgl. hierzu auch das BMF-Schreiben v. 4.5.2015 – IV B 3 - S 2293/09/10005-04, IV A 3 - S 1900/07/10107-45, 2015/0295660, BStBl. I 2015, 452.

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der Freibetrag für Land- und Forstwirtschaft (§ 13 Abs. 3 EStG),



der Verlustvortrag (§ 10d EStG),



die Steuerbegünstigungen für zu Wohnzwecken genutzte Wohnungen, Gebäude und Baudenkmale sowie für schutzwürdige Kulturgüter nach § 10e bis 10i EStG und



ein zuzurechnendes negatives Einkommen einer Organschaft (§§ 14, 17 KStG).

Aus unionsrechtlicher Sicht ist diese „Übererfüllung“ nicht zu beanstanden. Allerdings führt sie zu der Frage, ob vor dem Hintergrund der Folgerichtigkeit ähnliche Beträge auch bei Körperschaften zu berücksichtigen sind. Dies sieht das Gesetz jedoch nicht vor. Hiergegen spricht m.E. auch nicht, dass die persönliche Leistungsfähigkeit bei der Besteuerung von Kapitalgesellschaften unbedeutend ist. Schließlich erfassen diese Punkte gerade nicht die Leistungsfähigkeit. Fraglich ist, ob eine Rechtfertigung unter Hinweis auf die Rechtsform erfolgen kann. M.E. ist dies nicht der Fall, weil es sich gerade nicht um Regelungen handelt, die einen subjektiven Bezug aufweisen, sondern um objektive Vorgaben. Dies gilt speziell für den Verlustabzug und das Organeinkommen. Hinzu kommt, dass § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG n. F. den Abzug des Grundfreibetrages nicht vorsieht, wie dies nach der Rechtsprechung des BFH1 in Auslegung des Urteils in der Rs. Beker & Beker2 geboten wäre. Danach müsste die Formel wie folgt lauten: tarifliche ESt * ausländische Einkünfte zu versteuerndes Einkommen ./. Grundfreibetrag Die jetzige Gesetzesfassung bewirkt, dass der Grundfreibetrag nur anteilig im Verhältnis der inländischen zu den ausländischen Einkünften gewährt wird. Dies führt insbesondere bei vergleichsweise niedrigen ausländischen und inländischen Einkünften zu erheblichen Mehrbelastungen. Nach den Vorgaben des BFH müsste in diesen Fällen eine geltungserhaltende Auslegung erfolgen. M.E. ist zu erwarten, dass diese Frage schon bald den EuGH erreichen wird. Vor dem Hintergrund der oben bereits dargestellten „Übererfüllung“ der Vorgaben scheidet eine Rechtfertigung der hiermit verbundenen Einschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit mit einer Verteilung der Besteuerungsrechte auf die Staaten bzw. mit dem Argument der Territorialität der Besteuerung m.E. aus. 1 Vgl. BFH v. 18.12.2013 – I R 71/10, BStBl. II 2015, 361. 2 EuGH v. 28.2.2013 – C-168/11, Rs. Beker & Beker, BStBl. II 2015, 431.

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2. Zeitliche Vorgaben Das BMF hat mit dem Schreiben vom 4.5.20151 zu der Frage Stellung genommen, wie mit in der Vergangenheit verwirklichten Fällen verfahren werden soll. Dabei wird zunächst das oben unter B.II. behandelte BMFSchreiben vom 30.9.20132 aufgehoben. Ferner wird die bisherige Praxis beendet, nach der alle ESt-Festsetzungen, in denen der Anrechnungshöchstbetrag nach § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG a. F. zur Anwendung kam, vorläufig ergehen. Alle Fälle, in denen eine vorläufige Festsetzung erfolgte, sind von Amts wegen nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO zu ändern. Führt die Anwendung des § 34c Abs. 1 i.d.F. des § 52 Abs. 34a EStG zu einer Verminderung der Steuerbelastung, ist der Bescheid für endgültig zu erklären. In allen anderen Fällen erfolgt die Endgültigkeitserklärung nur auf Antrag des Steuerpflichtigen. M.E. ist dieses Schreiben nicht geeignet, um die unterschiedliche Behandlung von Altfällen und den nach Maßgabe der Neufassung des Anrechnungshöchstbetrages zu behandelnden Fällen zu rechtfertigen. Es sollte daher in denjenigen Altfällen, in denen die Anwendung der Neuregelung zu einer höheren anrechenbaren ausländischen Steuer führt Einspruch eingelegt werden, um zu verhindern, dass die Steuerbescheide bestandskräftig werden und deshalb später nicht mehr geändert werden können. Außerdem werden von Amts wegen alle Steuerbescheide geändert, gegen welche die Steuerpflichtigen zulässigerweise Einspruch eingelegt oder welche sie mit einer zulässigen Klage angefochten haben. Allerdings soll dies nur dann geschehen, wenn die Anwendung des § 34c Abs. 1 i.d.F. des § 52 Abs. 34a EStG zu einer geringeren Steuerbelastung führt. Auch in diesen Fällen erfolgt eine Differenzierung zwischen der neuen und der nachträglich veränderten alten Rechtslage. Dies ist m.E. nicht sachgerecht, so dass hiergegen Rechtsmittel eingelegt werden sollten. Zugleich wird ein Widerruf der Aussetzung der Vollziehung nach § 361 Abs. 2 AO bzw. nach § 69 Abs. 2 FGO in den Fällen angeordnet, in de-

1 BMF v. 4.5.2015 – IV B 3 - S 2293/09/10005-04, IV A 3 - S 1900/07/10107-45, 2015/0295660, BStBl. I 2015, 452. 2 BMF v. 30.9.2013 – IV B 3 - S 2293/09/10005-04, BStBl. I 2013, 1612.

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nen die Steuerpflichtigen unter Hinweis auf Rz. 2 des BMF-Schreibens vom 30.9.20131 eine solche beantragt hatten. Da m.E. die Neuregelung den Anforderungen des Unionsrechts nicht genügt, könnte überlegt werden, in diesen Fällen nicht nur Rechtsmittel einzulegen, sondern zusätzlich eine weitere Aussetzung der Vollziehung zu beantragen. Dies ist m.E. jedoch vor dem Hintergrund für die Dauer des Rechtsbehelfsverfahrens zusätzlich zu zahlenden Aussetzungszinsen in Höhe von 6% p. a. regelmäßig uninteressant, zumal bei einem Obsiegen der Betrag der zu viel gezahlten Steuer mit 6% verzinst wird. Dies erscheint vor dem Hintergrund des derzeitigen Zinsniveaus und der Sicherheit dieser Verzinsung als attraktiver.

3. Mögliche Auswirkungen auf andere Steuern a) Körperschaftsteuer Der Gesetzgeber hat den bisherigen Verweis zur Bestimmung des Anrechnungshöchstbetrages in § 26 Abs. 1 KStG auf § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG angepasst. Damit wirken sich die dortigen Änderungen nicht auf die Körperschaftsteuer aus. Dies erscheint auf den ersten Blick als konsequent. Schließlich verfügt eine im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft nach st. Rspr.2 über keine außerbetriebliche Sphäre. Der BFH hat dies allerdings jüngst für eine ausländische Kapitalgesellschaft offen gelassen, weil diese Frage insoweit nicht entscheidungserheblich war.3 Insoweit könnte diese Frage ggf. anders zu beantworten sein, sofern davon auszugehen ist, dass eine solche außerbetriebliche Sphäre auch auf inländische Betriebsstätten ausländischer Körperschaften Anwendung finden kann. Dies ist jedoch bisher noch nicht entschieden. Hiergegen spricht insbesondere die sonst entstehende Ungleichbehandlung im Verhältnis zu unbeschränkt Steuerpflichtigen, die m.E. nicht gerechtfertigt wäre. Gleichwohl zeigt eine nähere Betrachtung, dass die Neuregelung der Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrages zu einer neuen Ungleichbehandlung führt: Die einkommensteuerliche Vorschrift ordnet an, dass

1 BMF v. 30.9.2013 – IV B 3 - S 2293/09/10005-04, BStBl. I 2013, 1612. 2 Vgl. BFH v. 8.7.1998 – I R 123/97, BFHE 186, 540; v. 8.8.2001 – I R 106/99, BFHE 196, 173, BStBl. II 2003, 487; v. 31.3.2004 – I R 83/03, BFHE 206, 58; v. 17.11.2004 – I R 56/03, BFHE 208, 519; und v. 22.8.2007 – I R 32/06, BFHE 218, 523, BStBl. II 2007, 961. 3 Vgl. BFH v. 12.6.2013 – I R 109-111/10, BFHE 241, 549, BStBl. II 2013, 1024.

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die inländischen Einkünfte und damit der Zähler des Bruchs zur Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrages auch um Verlustvorträge nach § 10d Abs. 2 EStG und auch um ein zuzurechnendes Organeinkommen nach §§ 14, 17 KStG verringert wird. Dies erfolgt bei Kapitalgesellschaften nicht. In der Regierungsbegründung1 wird hierzu lediglich darauf verwiesen, dass Körperschaften über keine Privatsphäre verfügen. Eine Aussage zur Begründung der übrigen Abweichungen gegenüben der Regelung in § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG findet sich dort nicht. Daher kann nicht abschließend beurteilt werden, ob der Gesetzgeber bewusst eine solche Ungleichbehandlung vorgenommen hat oder ob diese Frage nicht näher thematisiert wurde. Bedauerlich ist auf jeden Fall die mangelnde Qualität der Gesetzesbegründung. M.E. ist diese Ungleichbehandlung problematisch, weil damit die Unterschiede zwischen der einkommensteuerlichen und der körperschaftsteuerlichen Vorgehensweise vergrößert werden. Eine Rechtfertigung ist hierfür m.E. nicht ersichtlich. Vielmehr stellt sich vor dem Hintergrund der Anforderungen an die Folgerichtigkeit2 des Gesetzgebers die Frage, ob diese unterschiedliche Behandlung erfolgen darf oder ob die grundsätzliche Wertungsentscheidung des Gesetzgebers, dass diese Beträge sich bei der Einkommensteuer entlastend auswirken sollen, auch zu entsprechenden steuerlichen Konsequenzen bei einer Körperschaft führen müssen.

b) Erbschaftsteuer Der Gesetzgeber hat die Bestimmung des Anrechnungshöchstbetrages für Zwecke der Erbschaftsteuer nicht geändert. Vielmehr bleibt es bei der Ermittlungsweise des § 21 ErbStG3, wonach die inländische Erbschaftsteuer multipliziert wird mit dem Verhältnis aus ausländischem Vermögen zum steuerpflichtigen Gesamtvermögen. Hierbei hat – in entspre-

1 Vgl. BT-Drucks. 18/3017, 52. 2 Vgl. hierzu Prokisch, Von der Sach- und Systemgerechtigkeit zum Gebot der Folgerichtigkeit, in FS Vogel, S. 293 ff.; Weber-Grellet, FR 2011, 1028 (1030 f.). 3 Hierbei handelt es sich um eine abschließende Regelung, die einen Abzug der ErbSt ausschließt, vgl. etwa FG Nürnberg v. 18.12.1962 - II 374/61, EFG 1963, 311; FG Düsseldorf v. 13.5.2009 – 4 K 155/08 Erb, EFG 2009, 1310 sowie BFH v. 19.6.2013 – II R 10/12, BStBl. II 2013, 746, m.w.N.

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chender Anwendung der unter C.II. dargestellten Grundsätze – eine länderbezogene Betrachtung („per-country-limitation“) zu erfolgen. Der Gesetzgeber geht offenbar davon aus, dass die Entscheidung in der Rs. Beker & Beker1 keine Auswirkungen auf die Erbschaftsteuer hat. Dieser Auffassung kann m.E. nicht gefolgt werden. Vielmehr hat der EuGH in der Rs. Theodor Jäger2 entschieden, dass die Rechtsprechung zu den unionsrechtlichen Grundfreiheiten auch bei der Erbschaftsteuer zu beachten ist. Hierbei erfolgt regelmäßig eine Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV (ex-Artikel 56 EGV).3 Diese unionsrechtliche Grundfreiheit hat der EuGH in der Rs. Beker & Beker4 herangezogen und für diese entschieden, dass eine umfassende Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse bei der Bestimmung des Anrechnungshöchstbetrages durch den Wohnsitzstaat zu erfolgen hat. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass eine Beschränkung der Änderungen auf die Einkommensteuer nicht ausreichend ist. Vielmehr wäre es geboten, auch die Ermittlungsweise in § 21 ErbStG anzupassen. Diese müsste – um den unionsrechtlichen Vorgaben zu genügen – den folgenden Ausdruck zur Bestimmung des Anrechnungshöchstbetrages bekommen: Inländische Erbschaftsteuer * ausländisches Vermögen steuerpflichtiges Gesamtvermögen ./. persönliche Freibeträge Die jetzige Gesetzesfassung führt dazu, dass der Grundfreibetrag nur anteilig im Verhältnis des inländischen zum ausländischen Vermögen gewährt wird. Dies führt insbesondere bei vergleichsweise niedrigen ausländischen und inländischen Erwerben zu erheblichen Mehrbelastungen. Nach den Vorgaben des BFH müsste in diesen Fällen eine geltungserhaltende Auslegung erfolgen. M.E. ist zu erwarten, dass diese Frage schon bald den EuGH erreichen wird. Vor dem Hintergrund der unter C.I.1 dar-

1 EuGH v. 28.2.2013 – C-168/11, Rs. Beker & Beker, BStBl. II 2015, 431. 2 EuGH v. 17.1.2008 – C-256/06, Rs. Theodor Jäger, BFH/NV Beilage 2008, 120. 3 Vgl. aus der st. Rspr. des EuGH z.B. EuGH v. 17.1.2008 – C-256/06, Rs. Theodor Jäger, BFH/NV Beilage 2008, 120 und EuGH v. 12.2.2009 – C-67/08, Rs. Magarete Block, BFH/NV 2009, 677. Etwas anderes gilt lediglich in den Fällen, in denen keine wesentlichen Elemente über die Grenzen eines Mitgliedsstaates hinausgehen. 4 EuGH v. 28.2.2013 – C-168/11, Rs. Beker & Beker, BStBl. II 2015, 431.

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gestellten „Übererfüllung“ der Vorgaben scheidet m.E. eine Rechtfertigung mit der sog. Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten bzw. mit dem Argument der Territorialität der Besteuerung aus. Hierbei ist zu beachten, dass die Anrechnung von ausländischer auf die deutsche Erbschaftsteuer auf Grund der geringen Zahl von erbschaftsteuerlichen DBA1 und der Anrechnung als einzige unilaterale Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei der Erbschaftsteuer große Bedeutung hat.2

II. Per-country- versus over-all-limitation Anders als in einigen anderen Staaten3 wird in der Bundesrepublik Deutschland die Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrages für jeden Staat, aus dem ausländische Einkünfte bezogen werden, gesondert vorgenommen.4 Dies hat zur Folge, dass sich unterschiedlich hohe Belastungen beim Vorliegen mehrerer ausländischer Einkünfte im Inland nicht ausgleichen können. Erzielt ein inländischer Steuerpflichtiger etwa aus einem Land A Einkünfte, die höher als in der Bundesrepublik Deutschland besteuert werden, und aus einem Land B, solche die niedriger besteuert werden, erfolgt kein Ausgleich. Vielmehr würde auf die Einkünfte in Land A nur die Steuer in Höhe des Betrages angerechnet werden, der bei einer Besteuerung in Deutschland entstünde und die Einkünfte aus Land B einer zusätzlichen, inländischen Belastung in Höhe der Differenz zwischen der deutschen und der ausländischen Steuer unterliegen. Der BFH5 hat erst jüngst diese Begrenzung für zulässig gehalten und sowohl verfassungs- als auch unionsrechtliche Bedenken hiergegen – an-

1 Vgl. zum aktuellen Stand der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen das BMF-Schreiben v. 19.1.2016 – IV B 2-S 1301/07/10017-07 2016/0028964, BStBl. I 2016, 76. 2 Vgl. hierzu eingehend Kaminski, ErbR 2016, 187 ff. 3 Vgl. z.B. die Praxis in den USA, die zunächst sämtliche ausländische Einkünfte zusammenrechnen, dabei auch Gewinne und Verluste saldieren, und auf dieser Basis den Anrechnungshöchstbetrag bestimmen, wobei allerdings eine getrennte Ermittlung für „passive“ und „general category income“ erfolgt, vgl. Sec. 902 IRC. 4 Die Einzelheiten hierzu ergeben sich aus § 68a EStDV, der seine Rechtsgrundlage in § 34c Abs. 7 Nr. 1 EStG findet. 5 Vgl. BFH v. 18.12.2013 – I R 71/10, BStBl. II 2015, 361.

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ders als teilweise im Schrifttum vertreten1 – verneint. Er sieht die Anforderungen für eine ausreichende Ermächtigungsnorm als erfüllt an, zumal damit die staatenbezogene Begrenzung nicht ausschließlich durch eine Rechtsverordnung, sondern bereits durch das Gesetz angelegt sei.2 Der unionsrechtliche Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit werde durch den Rechtfertigungsgrund der notwendigen Wahrung einer angemessenen Aufteilung der Besteuerungsrechte geheilt. Da die Vorschriften über die Anrechnung nicht harmonisiert seien, obliegen sie der Regelungsbefugnis der Staaten. Da eine Anwendung nur im bilateralen Verhältnis zu erfolgen habe, sei die staatenbezogene Ermittlung gerechtfertigt. Zugleich soll damit eine Art Meistbegünstigung verhindert werden. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass eine andere Vorgehensweise insbesondere bei Verlusten für den Steuerpflichtigen nachteilig sein kann. Der EuGH hatte sich in der Rs. Beker & Beker3 hierzu nicht geäußert. M.E. überzeugt diese Argumentation nicht. Schließlich hätte ergänzend geprüft werden müssen, ob die Regelungen verhältnismäßig und erforderlich sind. Dies ist jedoch nicht geschehen. Ferner stellt sich die Frage, ob eine Gleichbehandlung von Gefahren einer Steuermehr- und -minderbelastung zu erfolgen hat. Schließlich führt die Praxis der Staaten zu einer erheblichen Beeinträchtigung des freien Kapitalverkehrs und die Risiken einer insgesamt höheren Steuerbelastung werden einseitig dem Steuerpflichtigen auferlegt. Hingegen wird ihm die Chance genommen, einen Ausgleich zwischen mehreren Ländern vorzunehmen. M.E. ist hierfür die Frage nach dem Vergleichsobjekt entscheidend. Wird unterstellt, dass als Vergleichsmaßstab der Fall einer ausschließlichen Investition in einem Land betrachtet wird, wäre es naheliegend, eine umfassende Anrechnung vorzusehen. Dies entspricht auch dem Leitbild des Binnenmarktes besser. In einem solchen Fall wäre m.E. eindeutig, dass die Regelung nur unter strengen Voraussetzungen gerecht-

1 Vgl. z.B. Wölfert/Quinten/Schiefer, BB 2013, 2076 (2079); Lieber in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 26 KStG Rz 4 (Juli 2015); Thömmes, IWB 2013, 295; Prokisch in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 34c EStG Rz B 171 ff., Rz. B 173 (April 2011); Lüdicke, IStR 2003, 433; Schön, JbFAStR 2012/2013, S. 76, m.w.N. 2 Ähnlich bereits Schleswig-Holsteinisches FG v. 9.3.2011 – 2 K 221/08, EFG 2011, 1528. Die hiergegen gerichtete Revision wurde vom BFH mit Urteil v. 23.10.2013 – I R 21/11, juris, aus verfahrensrechtlichen Gründen an das FG zurückverwiesen. 3 Vgl. EuGH v. 28.2.2013 – C-168/11, Rs. Beker & Beker, BStBl. II 2015, 431.

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fertigt werden kann. Insoweit wäre es sachgerecht gewesen, diese Frage dem EuGH erneut vorzulegen, auch wenn die betroffenen Steuerpflichtigen mit der nunmehr getroffenen Entscheidung zufrieden sein dürften. Entgegen den Aussagen des Senats kann es nicht darauf ankommen, ob es zu einer höheren oder niedrigeren Steuerbelastung durch die over-alllimitation kommt. Entscheidend ist die Frage nach der methodisch zutreffenden Vorgehensweise und diese kann nicht von einer höheren Beoder Entlastung im Einzelfall abhängig gemacht werden. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht sind diese Vorgaben des Gesetzgebers nicht überzeugend. Die Argumente, die eine Anrechnung von ausländischen Steuern insgesamt rechtfertigen, verlangen nach einer zusammenfasssenden Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrages für alle Länder. Schließlich werden damit die möglichen Nachteile infolge unterschiedlich hoher Steuersätze in den einzelnen Ländern begrenzt, um so die internationale Arbeitsteilung nicht zu beeinträchtigen. Ferner würde dadurch der Forderung nach einer Besteuerung nach Maßgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besser Rechnung getragen werden. Schließlich führt die ausländische Steuer dazu, dass diese Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird. Insoweit wäre es geboten, auch die höhere Steuer mit zu berücksichtigen. Da international die Erstattung von in einem anderen Staat gezahlter Steuer nicht erfolgt, wäre es sachgerecht, zumindest im Rahmen der Steueranrechnung dieser höheren Belastung durch eine Zusammenfassung der ausländischen Einkünfte und der hierauf entfallenden ausländischen Steuer Rechnung zu tragen. Damit würde auch der Forderung nach einer folgerichtigen Ausgestaltung1 der Regelung besser entsprochen.

1 Vgl. BVerfG v. 7.5.1968 – 1 BvR 420/64, BVerfG 23, 242 (256); v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (271); v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 (172) sowie v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 unter C.I.2.b; v. 23.6.2015 – 1 BvL 13/1, 1 BvL 14/11, BGBl. I 2015, 1423 unter A.III und IV; v. 5.11.2014 – 1 BvF, BGBl. I 2014, 1764, unter B.III.1.c)cc); v. 25.6.2014 – 1 BvR 668/10, 1 BvR 2104/10, WM 2014, 1693-1696, unter Leitsatz 2 sowie B.2; v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224-263 unter D.I.; v. 7.7.2010 – 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1-31 unter C.III.1; v. 6.7.2010 – 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268-286 unter C.I.2a); v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210-248 unter C.I.2a).

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III. Auswirkungen der Abzugsbeschränkung in § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG 1. Ausgangspunkt Der Gesetzgeber hat bereits durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz1 in § 34c Abs. 1 EStG den folgenden Satz 4 eingefügt, der ab Vz. 20032 gilt. „Gehören ausländische Einkünfte der in § 34d Nummer 3, 4, 6, 7 und 8 Buchstabe c genannten Art zum Gewinn eines inländischen Betriebes, sind bei ihrer Ermittlung Betriebsausgaben und Betriebsvermögensminderungen abzuziehen, die mit den diesen Einkünften zugrunde liegenden Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.“

Diese Regelung gilt nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut nur für die folgenden Einkünfte, soweit sie zu Einkünften eines inländischen Betriebs gehören: –

Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die im Ausland ausgeübt oder verwertet wird,



Einkünfte aus der Veräußerung von im Ausland gelegenen Anlagegütern oder von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften,



Einkünfte aus Kapitalvermögen, wenn der Schuldner im Ausland ansässig ist oder das Kapitalvermögen durch ausländischen Grundbesitz gesichert ist,



Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus im Ausland gelegenen unbeweglichem Vermögen oder Sachinbegriffen oder



Sonstige Einkünfte aus Leistungen (einschließlich der Leistungen i. S. d. § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG) an ausländische Auftraggeber.

Diese Regelung gilt infolge des § 34c Abs. 6 Satz 2 EStG auch für entsprechende ausländische Einkünfte, die aus einem DBA-Staat stammen. Ferner haben diese Vorgaben auf Grund des Verweises in § 26 Abs. 1 Satz 1 KStG auch für die Körperschaftsteuer Bedeutung. Hingegen bleibt es für die Ermittlung der nicht genannten anderen ausländischen Einkünfte i.S.d. § 34d EStG bei den bisherigen Grundsätzen.3 1 Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 16.5.2003, BGBl. I 2003, 660; BStBl. I 2003, 321. 2 Vgl. § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des StVergAbG. 3 Gl. Auffassung Grotherr, Zweifelsfragen zur Ausgabenberücksichtigung bei der Ermittlung ausländischer Einkünfte, in Gocke/Gosch/Lang, Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS Wassermeyer, 305.

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2. Konsequenzen des Abzugsverbots Die Formulierung des § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG verlangt lediglich einen mittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und den ausländischen Einkünften, nicht jedoch einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang, wie er etwa von § 3 Nr. 10 Satz 2 EStG, § 3 Nr. 26 EStG, § 3 Nr. 26a Satz 3 EStG sowie insbesondere § 3c Abs. 1 EStG vorausgesetzt wird. Vielmehr reicht hierfür ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit den o.g. Einkünften aus. Der Gesetzgeber verwendet in anderen Regelungen ebenfalls den Begriff des wirtschaftlichen Zusammenhangs.1 Hingegen wird in der Regierungsbegründung zu § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG teilweise auf einen mittelbaren Zusammenhang abgestellt.2 Insoweit zeigt sich ein unklares Begriffsverständnis.3 Hinzu kommt ein systematischer Bruch: § 34c Abs. 1 EStG stellt bereits auf die Einkünfte, also eine Nettogröße ab. Daher erscheint es grundlegend problematisch, hieran anknüpfend Aufwendungen den Betriebsausgabenabzug versagen zu wollen, zumal wenn dies im Rahmen einer Steuerermäßigungsvorschrift und nicht im Rahmen von Regelungen zur Gewinnermittlung geschieht.4 Der „wirtschaftliche Zusammenhang“ wird in der Literatur un-

1 Vgl. § 3 Nr. 44 Buchst. b) EStG für Stipendien, § 3 Nr. 45 EStG für die Steuerbefreiung für die im Zusammenhang mit bestimmten Zuwendungen erbrachten Dienstleistungen, in § 3c Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 und für die Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG. 2 Vgl. BT-Drucks. 15/119, 40 zu Nr. 19 und Buchst. A (Abs. 1): „Aufgrund der vom Bundesfinanzhof entwickelten Rechtsprechung (Urteile vom 16.3.1994 I R 42/93, BStBl. II 1994, 799; vom 9.4.1997 I R 178/94, BStBl. II 1997, 657; vom 29.3.2000 I R 15/99, BStBl. II 2000, 577) werden gegenwärtig bei der Ermittlung ausländischer Einkünfte eines inländischen Unternehmens Aufwendungen, die mit im Ausland erzielten Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, diesen Einnahmen nicht zugeordnet, wenn der Zusammenhang nur ein mittelbarer ist (z. B. im Zusammenhang mit ausländischen Portfolioanlagen gezahlte Refinanzierungszinsen)“. 3 Nach Auffassung von Wassermeyer in Lüdicke/Mössner/Hummel, Das Steuerrecht der Unternehmen, Festschrift für Gerrit Frotscher zum 70. Geburtstag, Freiburg 2013, 691, ist die Regelung systematisch falsch zugeordnet, weil § 34c Abs. 1 EStG auf der Höhe der nach den allgemeinen Einkunftsermittlungsvorschriften bestimmten Einkünften aufbaue. 4 Kritisch auch Wassermeyer in Lüdicke/Mellinghoff/Rödder, Nationale und internationale Unternehmensbesteuerung in der Rechtsordnung, FS Gosch, 439 ff. unter 4. und Wassermeyer in Lüdicke/Mössner/Hummel, Das Steuerrecht der Unternehmen, Festschrift für Gerrit Frotscher zum 70. Geburtstag, Freiburg 2013, 695.

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terschiedlich ausgelegt. Allerdings gibt es die Tendenz, eine einheitliche Auslegung mit dem Veranlassungszusammenhang nach § 4 Abs. 4 und § 9 Abs. 1 EStG vorzunehmen.1 Die ausländischen Einkünfte werden durch diese Aufwendungen gemindert. Hieraus resultiert im Rahmen der Anrechnung der ausländischen Steuer auf die inländische ein niedrigerer Anrechnungshöchstbetrag. Schließlich kann eine Anrechnung nur insoweit erfolgen, wie eine inländische Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer auf diese ausländischen Einkünfte anfiele. Wird die Bemessungsgrundlage verringert, resultieren daraus eine niedrigere inländische Steuerbelastung und damit ein niedrigerer Höchstbetrag für die anrechenbare ausländische Steuer. Die Regelung ist sehr unbestimmt. Fraglich ist, ob auch allgemeine, im Unternehmen entstehende Kosten (wie z. B. Finanzierungs-, Geschäftsführungs- und Verwaltungskosten) teilweise auf die ausländischen Einkünfte umzulegen sind und nach welchem Schlüssel dies ggf. zu geschehen hat.2 Das Land Baden-Württemberg hatte im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens einen Gesetzentwurf als Reaktion auf das – auch in der Regierungsbegründung erwähnte – BFH-Urteil vom 9.4.19973 vorgelegt, nach dem ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit einer Auslandstätigkeit zu einer Minderung der Einkünfte führen sollte. Ein solcher Zusammenhang sollte danach vorliegen, „wenn die Einnahmen und Ausgaben nach Entstehung und Zweckbestimmung verbunden sind“.4 Hingegen sollte ein zeitlicher Zusammenhang nicht erforderlich sein. Bei einem Zusammenhang sowohl mit in- als auch mit ausländischen Einkünften sollte eine anteilige Zuordnung und damit Abzugspflicht gegeben sein. Ausweislich der Regierungsbegründung hatte der Gesetzgeber Refinanzierungszinsen im Blick, die wirtschaftlich mit Zinseinnahmen eng zusammenhängen, bei denen sich jedoch ein konkreter Zusammenhang nicht darlegen lässt.5 Hingegen ist fraglich, ob darüber hinaus auch all-

1 Vgl. z.B. Wagner in Blümich, § 34c EStG, Rz. 60 (März 2015), sowie Wassermeyer in Festschrift für Gerrit Frotscher zum 70. Geburtstag, Freiburg 2013, 690, m.w.N. 2 Vgl. hierzu auch Grotherr, Zweifelsfragen zur Ausgabenberücksichtigung bei der Ermittlung ausländischer Einkünfte, in Gocke/Gosch/Lang, Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS Wassermeyer, 315. 3 BFH v. 9.4.1997 – I R 178/94, BStBl. II 1997, 657. 4 BR-Drucks. 12/98 v. 16.1.1998, 31. Entwurf zu § 9 Abs. 2 AStG. 5 Vgl. BR-Drucks. 866/02, 61.

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gemeine Fixkosten, wie etwa allgemeine Verwaltungskosten, einzubeziehen sind.1 Allgemein wird deshalb eine enge Auslegung vertreten und eine Begrenzung auf die Fälle gefordert, die Refinanzierungskosten ähnlich sind.2 Allerdings muss m.E. davon ausgegangen werden, dass auch ein Zusammenhang mit künftigen oder bereits entstandenen Einkünften ausreichend ist.3 Fraglich ist, ob auch nicht abzugsfähige Betriebsausgaben (etwa i.S.d. § 4 Abs. 5 oder des § 4h EStG) abgezogen werden müssen.4 Wenn dies bejaht wird, müssten die inländischen Einkünfte entsprechend vermindert werden, weil nun die nicht abzugsfähigen Beträge – ganz oder teilweise – auf die ausländischen Einkünfte entfallen. Da insgesamt nicht mehr als 100% der nicht abziehbaren Aufwendungen als nicht abziehbar zu behandeln sein können, müsste insoweit im Inland eine Verringerung des z.v.E. erfolgen. Hieraus würde sich damit für den Steuerpflichtigen ein Vorteil ergeben können, zumindest wenn § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG im konkreten Fall nicht zu einer höheren tatsächlichen Steuerbelastung führt. Fraglich ist ferner, welche Konsequenzen aus der Abzugsregelung entstehen, wenn in einem Veranlagungszeitraum zwar Aufwand im Zusammenhang mit den ausländischen Vermögenswerten entsteht, aber diese nicht zu inländischen Einkünften führen, z. B. weil im Ausland zwar Kapitalvermögen vorhanden war, aber dieses nicht zu Ausschüttungen geführt hat. Regelungen zu einer interperiodischen Verrechnung sind § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG nicht zu entnehmen. Ein Rückgriff auf § 10d EStG scheidet mangels gesetzlicher Grundlage aus. Der BFH hatte früher für § 3c Abs. 1 EStG einen solchen zeitlichen Zusammenhang verlangt5, im Rahmen des § 3c Abs. 2 EStG ist ein solcher gerade nicht vorgesehen. Der BFH hat entschieden, dass ein wirtschaftlicher Zusammenhang i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG gegeben ist, wenn eine tatsächliche Verwendung der Werbungskosten für die entsprechende Einkunftsquelle erfolgt, aus der die Erträge erzielt werden. In Übereinstimmung mit 1 Kritisch z.B. Lüdicke, IStR 2003, 434; Müller-Dott, DB 2003, 1470. 2 Vgl. z.B. Gosch in Kirchhof, 14. Aufl. 2015, § 34c EStG Rz. 15. 3 A.A. Gosch in Kirchhof, 14. Aufl. 2015, § 34c EStG Rz. 15, der unter Hinweis auf die gebotene enge Auslegung diese nicht berücksichtigen will. 4 Vgl. hierzu auch (verneinend) Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 60 (März 2015). 5 Vgl. BFH v. 13.12.2012 – IV R 51/09, BStBl. II 2013, 203, m.w.N.

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Franz Wassermeyer1 ist m.E. die Regelung in § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG in diesem Sinne auszulegen. Dies hätte allerdings zur Folge, dass die vom Gesetzgeber intendierte Zielsetzung nicht erreicht würde. Er wollte gerade auch nur im mittelbaren Zusammenhang mit den ausländischen Einkünften entstehende Aufwendungen vom Abzug ausschließen. Allerdings kommt dies in der Formulierung des Gesetzes m.E. so nicht zum Ausdruck. Der Gesetzgeber hätte hierfür etwa anordnen können, dass die von ihm näher zu definierenden Gemeinkosten auf in- und ausländische Einkünfte proportional aufzuteilen sind. Hierbei ist zu beachten, dass in § 34c Abs. 1 EStG schon eine Nettogröße („Einkünfte“) verwendet wird, die um die mit dem Einkommen im Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben2 gemindert sind. Dies bedingt, dass die Aufwendungen zum Erwerb, zur Sicherung und Erhaltung von Einnahmen bereits abgezogen worden sind, sofern dem nicht spezielle Abzugsbeschränkungen entgegenstehen. Fehlt ein solcher Zusammenhang, ist auch ein wirtschaftlicher Zusammenhang zu verneinen. Im Ergebnis bliebe es damit bei den vom BFH entwickelten Grundsätzen. Grundsätzlich denkbar wäre, ein weites Verständnis zu verwenden, wie es in der Regierungsbegründung3 offenbar zum Ausdruck gebracht werden soll. Allerdings ist hierfür m.E. das Gesetz nicht ausreichend bestimmt bzw. bestimmbar genug, weil ihm nicht entnommen werden kann, welche Bestandteile „direkt“ und welche „indirekt“ zuzurechnen sind. Schließlich hängt die konkrete Zuordnung u. a. davon ab, wie das Rechnungswesen des Unternehmens (insbesondere die Kosten- und Leistungsrechnung) ausgestaltet ist. Insoweit hätte es eines klaren Gesetzesbefehls bedurft, auch um den Anforderungen an den Bestimmtheitsgrundsatz4 zu genügen. Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob die Regelung mit geltendem Unionsrecht zu vereinbaren ist. Der EFTA-Gerichtshof hat in der Ent1 Wassermeyer in Lüdicke/Mössner/Hummel, Das Steuerrecht der Unternehmen, Festschrift für Gerrit Frotscher zum 70. Geburtstag, Freiburg 2013, 695. 2 Die Regelung verlangt eine Zugehörigkeit zum inländischen Betriebsvermögen, so dass es sich stets um Betriebsausgaben handelt, unabhängig von der Frage, welche Aufwendungen im Rahmen der Einkünfteermittlung abgezogen werden können, vgl. hierzu z.B. Strunk/Kaminski in Korn, § 34c EStG Rz. 31.2 (August 2010), m.w.N. 3 Vgl. BT-Drucks. 15/119, 40. 4 Vgl. zu diesen z.B. Grzeszick in Maunz/Dürig, Art. 20 GG Rz. 58 ff. (Mai 2015).

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scheidung „Seabrokers“1 eine vergleichbare Regelung des norwegischen Rechts als abkommenswidrig angesehen. Hinzu kommt, dass hier Aufwendungen ausländischen Einkünften zugeordnet werden, bei denen häufig ein Abzug im Ausland mangels eines ausreichenden Veranlassungszusammenhangs nicht möglich ist. Insoweit wird eine grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit gegenüber einem reinen Inlandsfall schlechter gestellt. Hierfür bedürfte es einer Rechtfertigung. Diese könnte zwar in der Territorialität der Besteuerung gesehen werden, doch ist m.E. fraglich, ob ein derart weiter Zusammenhang mit ausländischen Einkünften eine Zuordnung zu diesen ermöglicht, zumal hiermit i.d.R. alleine auf Grund der praktischen Schwierigkeiten des Nachweises und der Prüfung durch die ausländische Finanzverwaltung ein Abzug bei der Ermittlung der ausländischen Einkünfte – unabhängig von der Frage, ob die dortige Besteuerung auf einer Brutto- oder Nettobasis erfolgt – nicht vorgenommen werden kann. Daher bestehen m.E. erhebliche Bedenken gegen die Vereinbarkeit mit Unionsrecht.

3. Ermittlung der übrigen Einkünfte Liegt keine der o.g. Einkunftsarten vor, ist die Regelung nicht anwendbar. In diesen Fällen verbleibt es bei den bisher von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen, die ausweislich der Regierungsbegründung zum StVergAbG2 durch die Neuregelung insoweit verdrängt werden sollen. Die oben präferierte Auslegung hätte den Vorteil, dass damit eine Ungleichbehandlung zwischen unterschiedlichen ausländischen Einkünften vermieden werden könnte. Andernfalls bedürfte es einer Rechtfertigung für die entstehende Ungleichbehandlung, die den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG genügt.

IV. Pflicht zu Billigkeitsmaßnahmen trotz vorgenommener Anrechnung Die Zulässigkeit einer internationalen Doppelbesteuerung ist in den letzten Jahren intensiv diskutiert worden.3 Hierbei wird insbesondere 1 EFTA-Gerichtshof v. 7.5.2008 – E-7/07, IStR 2009, 315 mit Anm. Lüdicke/ Wunderlich. 2 Vom 16.5.2003, BGBl. I 2003, 660; BStBl. I 2003, 321. 3 Vgl. z.B. Weinschütz in Lademann, § 34c EStG Rz. 199 ff. (März 2014); Geurts in Frotscher/Geurts, § 34c EStG, Rz. 28 ff. (09/2013); Kaminski/Strunk in Korn, § 34c EStG Rz. 13.6 (August 2010).

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die Frage aufgeworfen, ob die Grundfreiheiten des AEUV einer höheren Besteuerung als bei ausschließlicher Tätigkeit in einem Staat entgegenstehen. Schließlich kann es durch die materielle Mehrbelastung zu einem erheblichen finanziellen Nachteil für den Investor kommen, so dass damit grenzüberschreitende Investitionen gegenüber rein innerstaatlichen Vergleichsfällen ungünstiger behandelt werden. Diese Frage ist in jüngerer Zeit auch für grenzüberschreitende Erbschaftsteuerfälle betrachtet worden.1 Bei diesen zeigt sich regelmäßig, dass solche Vorgänge zu einer erheblichen Steuer(mehr)belastung führen können, die unter Umständen sogar konfiskatorische Züge annehmen kann. Der BFH hat mit Urteil vom 19.6.20132 betont, dass die Anwendung von Billigkeitsmaßnahmen geboten sein kann, wenn eine erbschaftsteuerliche Doppelbesteuerung zu einer übermäßigen, konfiskatorischen Steuerbelastung führt. Im Urteilsfall ging es um ausländisches Kapitalvermögen, das nach § 121 Nr. 7 oder 8 BewG nach deutschem Verständnis nicht als ausländisches Vermögen galt und deshalb im Ausland nicht hätte besteuert werden dürfen. Im Privatvermögen gehaltene Forderungen von Inländern gegen ausländische Schuldner gehören danach nur dann zum Auslandsvermögen in diesem Sinne, wenn die Voraussetzungen des § 121 Nr. 7 oder 8 BewG sinngemäß erfüllt sind, wenn also beispielsweise die Forderung durch ausländischen Grundbesitz unmittelbar oder mittelbar gesichert ist. Private Guthaben von Inländern bei ausländischen Banken rechnen danach nicht zum Auslandsvermögen.3 Gleichwohl erfolgte dort eine Besteuerung und die Anrechnung nach § 21 ErbStG scheiterte am nicht erfüllten § 121 BewG. Dies führte im Ergebnis zu einer Steuerbelastung von insgesamt rd. 75,7%.4 Der BFH 1 Vgl. z.B. Hey, DStR 2011, 1149 ff. 2 BFH v. 19.6.2013 – II R 10/12, BStBl. II 2013, 746, vgl. hierzu auch das Editorial von Hufeld, Stbg Oktober-Heft, 2010. Die gegen diese Entscheidung unter dem Az. 1 BvR 2488/13 ursprünglich anhängige Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG mit Beschluss vom 22.9.2015 nicht zur Entscheidung angenommen. 3 Vgl. BFH v. 16.1.2008 – II R 45/05, BStBl. II 2008, 623. 4 Dieser Betrag ergibt sich aus einem steuerpflichtigen Erwerb von 815.790 DM und einer französischen ErbSt von 383.237 DM sowie einer deutschen von 234.697 DM. Dies führt zu einer Gesamtsteuerbelastung i.H.v. 617.934 DM. Vgl. hierzu auch die Entscheidung des FG Baden-Württemberg v. 21.12.2011 – 7 K 1935/10, EFG 2012, 1290. Zur Beseitigung der Doppelbesteuerung schlug das Bundesministerium der Finanzen einen Teilerlass der deutschen Erbschaft-

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sieht hierin weder einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit, noch gegen die aktive und passive Dienstleistungsfreiheit, die allgemeine persönliche Freizügigkeit, gegen das Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 GG) oder die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) noch gegen das 1. Zusatzprotkoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention. M.E. ist dies ein wenig überzeugendes Ergebnis, weil eine übermäßige Besteuerung – die in den erbschaftsteuerlichen Regelungen der Mitgliedstaaten angelegt ist – nur durch Billigkeitsmaßnahmen im Einzelfall ausgeglichen werden kann. Allerdings ist der Rechtsprechung auch zu entnehmen, dass Billigkeitsmaßnahmen nicht alleine deshalb ergriffen werden müssen, weil die Anrechnungsmethode dazu führt, dass im Ausland gewährte steuerliche Vorteile durch die Anwendung der Anrechnungsmethode neutralisiert werden.1 Außerdem sei eine Billigkeitsmaßnahme nicht allein deshalb geboten, weil ein ausländischer Staat eine im Inland erhobene Steuer nicht vollständig anrechnet und es damit zu einer Doppelbesteuerung kommt.2 Soweit ersichtlich, hat sich die Rechtsprechung bisher nicht mit der Frage befassen müssen, ab welcher kumulierten Steuerbelastung eine Höhe erreicht wird, die durch Billigkeitsmaßnahmen zu beseitigen ist.3 Folglich besteht erhebliche Unsicherheit, inwieweit der Steuerpflichtige einen Anspruch auf Erlass im Billigkeitswege hat. Dies wird sich ggf. erst im Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung beantworten lassen. Eine solche Vorgehensweise ist rechtstaatlich problematisch, weil der Steuerpflichtige nicht in der Lage ist, die entstehende steuerliche Belastung vorherbestimmen zu können. Dies ist gerade vor dem Hintergrund der sonst erfolgenden steuerlichen Begünstigungen für (vorweggenommene) Unternehmensnachfolgen nicht sachgerecht. Das Unbehagen wird dadurch noch vergrößert, dass der I. Senat entschieden hat, dass beim Entstehen eines Anrechnungsüberhangs Billigkeitsmaßnahmen nach §§ 163, 227

steuer vor. Daraufhin erließ das FA der Klägerin durch Verwaltungsakt vom 23.4.2007 Erbschaftsteuer in Höhe von 40.559,25 Euro. Dies verringerte die Steuerbelastung auf rd. 66%. 1 Vgl. z.B. BFH v. 26.10.1972 – I R 125/70, BStBl. II 1973, 271. 2 Vgl. BFH v. 25.2.1970 – I 192/65, BStBl. II 1970, 392. 3 Der vom II. Senat in seinem Urteil v. 19.6.2013 – II R 10/12, BStBl. II 2013, 746, zitierte Beschluss des BVerfG v. 10.11.1998 – 2 BvL 42/93, BStBl. II 1999, 174, trifft hierzu keine Aussagen, sondern verweist lediglich auf einen „ungewollten Überhang“ der gesetzlichen Regelungen.

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AO ausscheiden.1 Insoweit überrascht, dass der II. Senat in seinem Urteil sich nicht mit dieser Entscheidung auseinandersetzt und insoweit eine klarere Abgrenzung vornimmt. Eine Vermeidung der Anrufung des großen Senats lässt sich nur dadurch rechtfertigen, dass bei Anwendung der Anrechnungsmethode solche Maßnahmen nicht erforderlich seien, sie aber bei einer ungemilderten Doppelbesteuerung infolge der nicht vorliegenden Voraussetzungen für die Anrechnung zulässig sind.

D. Fazit Auch wenn die Regierungsbegründung von einem „Systemwechsel“ spricht2, entsteht der Eindruck, dass der deutsche Gesetzgeber nicht bereit ist, die bereits in der Schumaker-Entscheidung vom 15.2.19953 durch den EuGH getroffenen und nunmehr für die Steueranrechnung explizit bestätigten Vorgaben konsequent und folgerichtig umzusetzen. Für die Steuerpflichtigen wird sich damit in vielen Fällen die Frage ergeben, ob sie gegen die Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrages vorgehen. Dabei führt die Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit dazu, dass diese Überlegungen auch im Verhältnis zu Drittstaaten angestellt werden müssen. Im Ergebnis ist die gesetzliche Neuregelung nicht geeignet, Rechtsfrieden zu schaffen. Die übrigen Überlegungen haben gezeigt, dass trotz der großen praktischen Bedeutung der Anrechnung in wesentlichen Fragen Rechtsunsicherheit besteht. Der Gesetzgeber sollte daher sehr genau prüfen, ob er die Beantwortung dieser Fragen im Detail der Rechtsprechung überlässt oder seinerseits die Gelegenheit nutzt, um Rechtssicherheit zu schaffen.

1 Vgl. BFH v. 25.4.1990 – I R 70/88, BStBl. II 1990, 1086. 2 Vgl. BT-Drucks. 18/3017, 50. 3 EuGH v. 15.2.1995 – C-279/93, Rs. Schumaker, Slg. 1995, I-225.

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Anrechnung ausländischer Steuern Podiumsdiskussion Leitung Prof. Dr. Jürgen Lüdicke Rechtsanwalt, Steuerberater, International Tax Institute, Universität Hamburg Teilnehmer Andreas Benecke, LL.M. Bundesministerium der Finanzen, Berlin

Prof. Dr. Roland Ismer, MSc Econ. (LSE) Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Dr. Daniel Fehling Bundesministerium der Finanzen, Berlin

Prof. Dr. Bert Kaminski Helmut-Schmidt-Universität – Universität der Bundeswehr Hamburg

Prof. Dr. Dietmar Gosch Vors. Richter am Bundesfinanzhof a.D., München/ChristianAlbrechts-Universität zu Kiel

Dr. Hans Georg Raber Volkswagen AG, Leiter Steuerpolitik und Zölle

Prof. Dr. Lüdicke Herr Kaminski, vielen Dank für Ihr wahres Feuerwerk verschiedener Punkte. In der Diskussion sollten wir uns auf diejenigen Punkte konzentrieren, die Sie in Ihrer Zusammenfassung noch einmal erwähnt haben. Allerdings wäre mir daran gelegen, dass wir auch über die von Ihnen nicht erwähnte Problematik reden, dass wir in Deutschland – anders als in vielen anderen Staaten – keinen Anrechnungsvortrag haben. Natürlich ist das zunächst keine rechtliche, sondern eine steuerpolitische Frage. Aber vielleicht fangen wir zunächst mit der Umsetzung Beker und Beker1 an. Herr Kaminski hat ausgeführt, dass die Umsetzung nicht in Ordnung sei. Prof. Dr. Gosch Ich kann gerne ein paar Worte dazu sagen. Das Ganze, Herr Kaminski, das haben Sie uns, wie nicht anders erwartet, tiefsinnig zu Gehör ge1 EuGH v. 28.2.2013 – C-168/11, Beker und Beker, IStR 2013, 275.

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bracht, ist eine Gemengelage. Wir haben es zum einen mit „bloßer“ Rechtstechnik zu tun, die sich in gewisser Weise dem Rechtsgefühl, dem Judiz entzieht – erschwerend kommt hinzu, dass Richter bekanntermaßen nicht rechnen können: iudex non calculat. Das andere, mit dem wir es hier – jenseits der Regelungsauslegung – zu tun haben, ist sehr viel Rechtspolitik. Und dann kommen natürlich die notwendigen Korrekturen durch das Unionsrecht und durch das Verfassungsrecht hinzu. All das gilt es auseinanderzuhalten. Aus Sicht des Unionsrechts ist das EuGH-Urteil in der Rechtssache Beker und Beker umzusetzen. Diese Entscheidung krankt allerdings daran, dass die Steuerpflichtigen mit ihrer Klage das Problem nicht vollends ausgeschöpft haben. Und daran sind die Gerichte gebunden. Es gilt der alte Rechtsgrundsatz des „ne ultra petita“; der Herr des Verfahrens ist der jeweilige Kläger. In diesem Kontext galt es zuvörderst, das Schumacker-Prinzip1 umzusetzen: Die Verwirklichung des subjektiven Nettoprinzips obliegt an sich dem Ansässigkeitsstaat; der Quellenstaat tritt jedoch an dessen Stelle, wenn im anderen Staat keine oder nur geringe Einkünfte erzielt werden und die Verwirklichung des subjektiven Nettoprinzips dort deswegen leerläuft. Das alles ist gesicherte Rechtserkenntnis. Ich glaube, Herr Lüdicke, Sie haben just deshalb damals mit Frau Jorewitz geschrieben: „Weshalb bedarf es dazu bezogen auf die Anrechnungshöchstbeträge überhaupt einer abermaligen EuGH-Vorlage?“2 Prof. Dr. Lüdicke Jaja, wir dachten, dass das durch de Groot3 schon entschieden wäre. Prof. Dr. Gosch Ja, das weiß man in der Tat nie. Aus Sicht des Senats waren die Situation und deren Einschätzung noch nicht geklärt. Der EuGH hat sich zwar schon oft zum Freistellungsverfahren geäußert, das Anrechnungsverfahren wurde bis dato aber eher stiefmütterlich behandelt. Nun wissen wir: Das subjektive Nettoprinzip ist getreu den Maßstäben der Schumacker-Entscheidung einzupflegen. Bloß: Wie weit geht das? Hier bestanden auch nach Vorliegen der Beker und Beker-Entscheidung Ungewissheiten, weil der Klageantrag das Problem eben, wie erwähnt,

1 EuGH v. 14.2.1995 – C-279/93, Schumacker, Slg. I 1995, 225. 2 Lüdicke/Jorewitz, IStR 2011, 387 (390). 3 EuGH v. 12.12.2002 – C-385/00, de Groot, Slg. I 2002, 11819.

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nicht ganz ausgeschöpft hat. Der BFH sah sich durch die Entscheidung aber ermuntert und legitimiert, auch den Grundfreibetrag in die Berechnung einzubeziehen, den Sparerfreibetrag hingegen nicht. Im Übrigen bleibt festzuhalten: Das subjektive Nettoprinzip ist vom Gesetzgeber keineswegs strikt, sondern gewissermaßen heterogen umgesetzt worden. Abziehbar ist hiernach nämlich nicht nur Aufwand der persönlichen Lebensführung, es sind vielmehr auch ganz anderweitige Positionen, beispielsweise Verluste. Der Abzug ist insofern „überschießend“ geregelt. Es fragt sich, ob sich solche Positionen gleichwohl unter das verfassungsrechtliche Folgerichtigkeitsgebot subsumieren lassen. Ich habe damit Probleme, und ich habe deshalb auch Probleme damit, Herr Kaminski, das dann im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens durch das BVerfG klären zu lassen. Prof. Dr. Lüdicke Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie das im Hinblick auf die Überlegung von Herrn Kaminski zur Folgerichtigkeit, also zur Ausdehnung der Regelung auf Körperschaftsteuerpflichtige, als europarechtlich nicht gefordert ansehen? Muss man das also wahrscheinlich so hinnehmen, weil man es eben nicht so ganz genau weiß? Aber die Berücksichtigung des Grundfreibetrags fällt unter das EuGH-Urteil – so habe ich Sie jedenfalls verstanden, Herr Kaminiski… Prof. Dr. Kaminski … ja … Prof. Dr. Lüdicke … und der Grundfreibetrag ist ja auch in dem Übergangsschreiben des BMF1 enthalten. Man wundert sich schon, dass der Grundfreibetrag für die Vergangenheit berücksichtigt wird, bei der gesetzlichen Regelung für die Zukunft aber nicht. Herr Ismer, Sie hatten sich dazu ja auch schon literarisch geäußert in der IStR2.

1 BMF v. 30.9.2013 – IV B 3 - S 2293/09/10005-04, BStBl. I 2013, 1612 zur Anrechnung ausländischer Steuern bis zu einer gesetzlichen Umsetzung des EuGHUrteils in der Rs. Beker und Beker. 2 Ismer, IStR 2013, 297; IStR 2014, 925.

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Prof. Dr. Ismer Ich würde gerne nochmal die Wertung herausarbeiten, die dem Ganzen zugrunde liegt und die offensichtlich immer wieder untergeht, wenn da immer wieder von Diskriminierung die Rede ist. Das ist zwar in der Tat eine Dimension der Grundfreiheiten, Diskriminierungen zu verbieten. Wenn ich aber die Schumacker-Rechtsprechung mit der Folgerechtsprechung de Groot betrachte, dann steht da auch etwas anderes! Da steht nämlich, dass es eine absolute Zuständigkeit des Ansässigkeitsstaates zur Berücksichtigung persönlicher Verhältnisse gibt. Dafür ist der Ansässigkeitsstaat zuständig, mit der kleinen Ausnahme der SchumackerSituation, wenn der Ansässigkeitsstaat es nicht kann. Aber sofern der Ansässigkeitsstaat seine Zuständigkeit ausüben kann, ist nur er zuständig. Es gab im Vorfeld der de Groot-Entscheidung ganz elegante Modelle, das Welteinkommen und einen Bruchteilsansatz anzuwenden. Hat der Steuerpflichtige Einkünfte in Höhe von 100.000 Euro insgesamt, und davon 10.000 Euro in den Niederlanden, dann sollten die persönlichen Verhältnisse zu 1/10 in den Niederlanden berücksichtigt werden. Bei 10 EU-Mitgliedstaaten wird dann jeweils ein Zehntel des Grundfreibetrags in dem Staat berücksichtigt. Das ist die Garantie dafür, dass Sie verrückt werden. Die Umsetzung im örtlichen Finanzamt – in Hamburg mag das gehen, aber wenn Sie dann vielleicht… Prof. Dr. Lüdicke Nürnberg? Prof. Dr. Ismer In Nürnberg auch, aber … (Lacher) Wenn Sie dann in andere Finanzämter kommen, dann mag das schwieriger werden. Zumal dann auch noch im Raum steht, nach welchen Vorschriften wir das Ganze ermitteln und überprüfen? Es war eine große Tat des EuGH, diese absolute Zuweisung vorzunehmen, die mit Gleichbehandlung nichts zu tun hat, sondern eine absolute Zuweisung ist. Im Ergebnis behandle ich damit ausländische Einkünfte anders als inländische Einkünfte. Warum? Weil es im Urteil des EuGH immer wieder so steht. Die Vorlage Beker und Beker war wahrscheinlich gut, weil sie das nochmal verdeutlicht hat. Wenn man im Vorhinein eine Wette hätte abschließen müssen, dann hätte ich keine besonders gute Quote für die Position gegeben, dass der EuGH entscheiden würde, dass alles so passe. Mit etwas Überlegen hätte man das Ergebnis also vorhersagen können. Gleichwohl waren das

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EuGH-Urteil und die BFH-Vorlage gut, weil sie noch einmal Klarheit gebracht haben. Manchmal müssen Dinge gesagt werden. Ich verstehe nicht, warum sich das Ergebnis noch nicht durchgesetzt hat, ich habe überlegt, ob ich nochmal wieder etwas dazu schreiben soll – ich schreibe aber nichts mehr. Der BFH hat das richtig gemacht, der Gesetzgeber hat es dann nicht richtig gemacht, das hab ich noch einmal aufgeschrieben … Prof. Dr. Lüdicke Aber jetzt erklärt uns Herr Fehling, warum der Gesetzgeber es doch richtig gemacht hat, oder …? Dr. Fehling Eine Lanze für § 34c EStG! Ich habe den Paragrafen natürlich nicht formuliert, aber ich habe mich schlau gemacht, warum das so gemacht worden ist. Die einfache Antwort ist, der EuGH hat das in der Rechtssache Beker und Beker zum Grundfreibetrag nicht entschieden, und der BFH hat es aus der Entscheidung herausgelesen oder herausentwickelt, wie Herr Kaminski gesagt hat. Aber der Gesetzgeber hat berechnet, was es kosten würde, das alles zu berücksichtigen. In dem Fall hat man entschieden, es für die Vergangenheit großzügig zu regeln, weil der BFH es für die Vergangenheit entschieden hat, und für die Zukunft stellen wir es auf eine neue gesetzliche Grundlage, und dann gehen wir mal ins Rennen. Prof. Dr. Lüdicke Aber die Großzügigkeit mit den Abzugsbeträgen, den organschaftlichen Zurechnungen und so, die war dann schon drin? Dr. Fehling Das ergibt sich aus der Systemumstellung. Man geht jetzt von dem zu versteuernden Einkommen aus – der EuGH hat das in seiner Entscheidung so angesprochen, auch wenn man nicht genau weiß, ob er wirklich genau wusste, was der deutsche Gesetzgeber in § 2 EStG Unterschiedliches geregelt hat. Das war wohl der Boden, den man meinte beschreiten zu müssen.

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Prof. Dr. Lüdicke Ich habe das so verstanden, dass Sie es für die Vergangenheit einfach so gemacht haben, weil nun mal in dem BFH-Urteil drinstand: Grundfreibetrag. Das heißt aber mit andern Worten, im Grunde muss da noch einmal ein Fall entschieden werden. Dr. Fehling Ja genau. Zu berücksichtigen ist auch die Frage, ob eine Berücksichtigung im Tarifverlauf dasselbe ist wie eine Berücksichtigung als Abzugsbetrag bei der Bemessungsgrundlage, und ich glaube, das ist bei der BFHEntscheidung in der mündlichen Verhandlung auch Gegenstand der Diskussion gewesen. Die Frage klingt jetzt vielleicht erstmal technisch, aber das ist glaube ich der Schlüssel zur Lösung, ob die Berücksichtigung im Tarif etwas anderes erfordert als in der Bemessungsgrundlage. Prof. Dr. Lüdicke Da möchte ich einmal einhaken. Das habe ich kürzlich gelesen. Und zwar auch in der IStR1. Das war aber nicht von Herrn Ismer – der hätte das wahrscheinlich nicht so geschrieben –, sondern von Frau SülflowSchworck. Die arbeitet offensichtlich im Bundesfinanzministerium, hat das aber in privater Eigenschaft veröffentlicht … Dort liest man, dass die Einarbeitung des Grundfreibetrags in den Tarif diesen Grundfreibetrag zu einem Teil des Tarifs macht. Würde der Grundfreibetrag hingegen abgezogen und somit das zu versteuernde Einkommen mindern, und würde dann darauf der normale Tarif – der dann bereits beim ersten Euro mit der Steuer beginnt – angewendet, dann wäre der Grundfreibetrag nicht Teil des Tarifs. Das kann man so zur Kenntnis nehmen. Allerdings hat der Gesetzgeber dieselbe Frage in § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG für die beschränkt Steuerpflichtigen genau umgekehrt geregelt. Dort steht, übrigens in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH2, dass beschränkt Steuerpflichtige den Grundfreibetrag nicht erhalten. Wenn sie (auf Antrag) veranlagt werden, würden sie ihn an sich als Teil des Tarifs erhalten; genau deswegen wird das zu versteuernde Einkommen aber um nämlichen Grundfreibetrag erhöht. Das scheint mir nun doch ein wenig widersprüchlich.

1 Sülflow-Schworck, IStR 2015, 802. 2 EuGH v. 12.6.2003 – C-234/01, Gerritse, IStR 2003, 458.

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Dr. Fehling Das sehe ich natürlich ganz anders. (Lacher) Prof. Dr. Lüdicke Ist klar! Dr. Fehling Aber letztlich will ich das hier an der Stelle natürlich auch konzedieren, ob das aus europarechtlicher Sicht vor dem Hintergrund der Schumacker-Entscheidung hält, … Prof. Dr. Gosch Das ist der Punkt! Dr. Fehling … in der man sagt, der Ansässigkeitsstaat ist der Staat des Lebensmittelpunktes und dem fällt es zu, diese Dinge anzunehmen. Ob man sich dann durch Wahl der technischen Umsetzung wieder anders entscheiden kann, das ist eine andere Geschichte, aber letztlich hat es der Gesetzgeber jetzt so gemacht. Prof. Dr. Gosch Eine Ergänzung dazu: In der Tat, jenseits des BMF-Schreibens, Sie haben es erwähnt, Herr Kaminski, hatte das beigetretene BMF bei der Schlussentscheidung des BFH1 in der Rechtssache Beker und Beker in der mündlichen Verhandlung schon vorgebracht, was Sie jetzt in Ihrem Vortrag umgesetzt haben. Das BMF hatte dafür sogar hauseigene Mathematiker mitgebracht. Das hat aber auf Grund der unionsrechtlichen Überlagerung nicht gefruchtet. Dem Rechnerischen liegt eine andere Fragestellung zugrunde. Diese Fragestellung wird verkürzt, indem das Ganze als Rechenexempel auf der Tarifebene abgearbeitet wird. Das ist aus meiner Sicht ein Missverständnis der EuGH-Vorgaben. Und das steht denn auch in dem besagten Schlussurteil des BFH exakt so drin.

1 BFH v. 18.12.2013 – I R 71/10, BStBl II 2015, 361.

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Prof. Dr. Lüdicke Herr Ismer noch dazu, aber bitte ganz kurz. Danach sollten wir noch die steuerpolitischen Fragen der Anrechnung, nämlich Anrechnung auf die Gewerbesteuer, Anrechnungsvortrag und, wenn jemand sich dazu äußern möchte, gerne auch § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG diskutieren. Prof. Dr. Ismer Das Bundesverfassungsgericht hat dem deutschen Gesetzgeber aufgegeben, dass wir einen Grundfreibetrag haben. Das heißt, wir dürfen uns davon gar nicht entfernen. Warum hat das Bundesverfassungsgericht das dem deutschen Gesetzgeber aufgegeben? Zur Berücksichtigung des subjektiven Existenzminimums. Da ist keine Leistungsfähigkeit im Bereich zwischen Null und Existenzminimum. Das ist genau das, was der EuGH in seiner Schumacker-Rechtsprechung gemeint hat. Wir dürfen nicht sagen, der EuGH kenne sich mit den Details des deutschen EStG nicht aus und es sei nicht klar, ob er sich damit hinreichend auseinander gesetzt habe. Das ist nicht seine Aufgabe! Wir wissen auch nicht alle, die wir hier sitzen, was Einkommensteuer auf Finnisch heißt, trotzdem können wir dort geltende Strukturvorgaben erkennen. So funktioniert Europa. Wir kriegen allgemeine Vorgaben, die vielleicht nicht ganz genau unseren Begrifflichkeiten entsprechen, die aber Zielkonzepte vorgeben, und es gibt überall so etwas wie die Berücksichtigung des subjektiven Existenzminimums – in welcher Form auch immer –, und das hat der EuGH gemeint. Dr. Raber Wir haben in der Praxis ohnehin auch ohne den neuen § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG genügend Schwierigkeiten, die Einkünfte entsprechend der Per-Country-Limitation zu ermitteln. Auch bei uns ist es nicht die Hauptaufgabe der Controller, das Steuerrecht zu vollziehen. Unsere Controller rechnen über Projektkostenstellen ab, und wir als Steuerabteilung sehen dann, wie wir gemessen an diesen Projektkostenstellen die Ausgaben und die Einnahmen nach steuerlichen Grundsätzen zusammenbringen können. Das erfordert schon bei einem unmittelbaren Zusammenhang einen hohen Aufwand. Wenn man sich jetzt diesen Satz 4 vorstellt, der praktisch eine zusätzliche mittelbare Zurechnung von weiteren allgemeinen Gemeinkosten zu beinhalten scheint, bei dem allerdings nicht nur Herr Kaminski nicht genau weiß, was es damit auf sich haben soll, dann sind wir in der alten Diskussion des § 3c EStG,

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und zwar noch um einiges intensiver. § 3c EStG enthält immerhin das Wort „unmittelbar“. Aber selbst bei dem Wort „unmittelbar“ bestand ein hohes Streitpotential mit der Finanzverwaltung, welche Kosten der Konzernstrategieabteilungen usw. den steuerfreien Dividenden anteilig hinzuzurechnen seien. Wenn Sie sich jetzt noch vorstellen, dass das Wort „mittelbar“ hinzukommt, also „mittelbar“ hängt doch alles zusammen! Im Extremfall - je nachdem, wie wir die Vorschrift auslegen funktioniert dann demnächst gar keine Anrechnung mehr. Prof. Dr. Lüdicke Vielen Dank. Wir geben das Herrn Fehling mal so für das Bundesfinanzministerium mit. Prof. Dr. Gosch Man kann das schon auslegen im Sinne eines eng verstandenen Zugriffs. Das habe ich auch in meiner Kommentierung dazu so formuliert.1 Wenn man ein zweckorientiertes enges Verständnis zugrunde legt, dann sind zumindest Gemeinkosten und dergleichen ausgeschlossen. Das kann man schon machen. Aber das ist sicherlich im Ergebnis und im Detail unpräzise, kein Thema. Prof. Dr. Kaminski Es gibt vielfältige Fragen. Insbesondere Fragen hinsichtlich des Zeitpunktes. Müssen die Aufwendungen im gleichen Zeitraum entstehen wie die Einkünfte? Und, Herr Gosch, klar kann man versuchen das auszulegen, aber wenn Sie den Wortlaut des Gesetzes mal ernst nehmen – und das tut der I. Senat bekanntermaßen –, kommen Sie zu etwas anderen Ergebnissen als bei einer bewusst engen Auslegung. Eine Auslegung könnte unter Hinweis auf den Sinn und Zweck erfolgen, oder es könnte eine solche Auslegung gewählt werden, mit der das gewünschte Ergebnis erzielt wird. Grundsätzlich bin ich auch für eine enge Auslegung, weil dies sinnvoll ist. Nur, wenn ich auf den Wortlaut und auf die Regierungsbegründung schaue, dann muss ich sagen, finde ich nicht viel für eine enge Auslegung. Auch in der Regierungsbegründung nicht, die nennt ein Beispiel, aber eine enge Auslegung habe ich da ehrlich gesagt nicht gefunden.

1 Gosch in Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 34c Rz. 15.

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Prof. Dr. Gosch Ja nur, Herr Kaminski, es handelt sich immerhin unbestritten um eine unbestimmte Regelung, und der kann man schon im Wege der Auslegung näherkommen. Und danach bedarf es zwar in der Tat für den notwendigen Zusammenhang keines unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs mehr. Erforderlich sollte aber dessen ungeachtet ein zweckgerichteter Bezug der betreffenden (indirekten) Betriebsausgaben zu diesen Einkünften sein. Der bloße wirtschaftliche Bezug zu sich daraus ergebenden (auch steuerlichen) Folgen, wie z.B. die Steueranrechnung oder die Einkunftsverwaltung, reicht dann nicht aus. Des Wegs nach Karlsruhe bedarf es dafür nicht. Und mit dem Einwand einer normativen Unbestimmtheit kommt man dort mit Gewissheit nicht weiter. Selbst der seinerzeit dem Bundesverfassungsgericht vorgelegte § 2 Abs. 3 EStG, den wirklich kein Mensch ernsthaft verstehen konnte, blieb dort unbeanstandet, getreu dem Motto: Wer nur tüchtig nachdenkt, der macht die Norm schon irgendwie handhabbar.1 Prof. Dr. Lüdicke Gut, wollen wir dann vielleicht noch eine kurze Runde zur Anrechnung bei der Gewerbesteuer und zum Anrechnungsvortrag machen? Dr. Raber Es gibt jetzt eine wegweisende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs2 zum Außensteuergesetz, in der ein gewisser Gleichklang gefordert wurde. Diese Grundsätze sollten zumindest rechtspolitisch hier übertragen werden. Prof. Dr. Gosch Na gut, bei der Gewerbesteuer haben wir eine Lücke, da gibt es gar nichts zu diskutieren. Das ist rechtspolitisch gewollt. Es kostet einfach zu viel Geld, und damit ist die Tür zu. Die Inkonsequenz, die übrigens auch der I. Senat dem Gesetzgeber schon in die Leviten geschrieben hat,3 ist sichtbar bei § 50d Abs. 10 EStG, der ja nun auch eine Anrechnungsmodifikation vorsieht, um das Treaty Override dadurch gewissermaßen zu entschärfen. Aber, wenn Sie in die Materialien schauen, dann 1 BVerfG, Beschl. v. 12.10.2010 – 2 BvL 59/06, BVerfGE 127, 335. 2 BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14 BStBl. II 2015, 1049, Rz. 10. 3 BFH, Vorlagebeschl. v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl II 2014, 791.

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steht dort, dass das insbesondere wegen der Gewerbesteuer gemacht worden ist. Aber für die Gewerbesteuer sieht man nun gerade keine Anrechnung vor. Das ist wiederum ein Thema der Folgerichtigkeit, Herr Kaminski. Da ist manches im Argen, das Ganze ist nicht konsistent. Aber wie wollen Sie es durchkriegen? Das ist Politik. Prof. Dr. Lüdicke Das ist Politik. Aber wir machen ja hier neben der Rechtsexegese auch immer mal ein bisschen Steuerpolitik. Nur geht eben bei der Gewerbesteuer gegen die deutschen Gemeinden gar nichts … Dr. Fehling Die Forderung ist ja nicht neu. Das ist alles bekannt und wird immer wieder kritisiert. Aber, wir sprachen vorhin bereits darüber, bei der Gewerbesteuer sind die Kommunen mit am Tisch, und das macht es sehr schwierig. Prof. Dr. Lüdicke Wenn eine Reform nicht für jede einzelne Kommune zumindest neutral ist, dann geht es nicht. Prof. Dr. Gosch Außerdem ist das Außensteuerrechtsproblem jetzt dadurch entkernt, dass nach der Rechtsprechung des BFH der Hinzurechnungsbetrag nicht mehr gewerbesteuerpflichtig ist.1 Prof. Dr. Lüdicke Wie lange wird denn das so bleiben? Gibt es da schon Überlegungen? Dr. Fehling Wir sind ja gerade dabei zu sammeln, was wir im Rahmen von BEPS machen sollten und machen wollen, und da prüfen wir natürlich den gesamten deutschen Rechtskörper auf Änderungsbedarf. Wir haben heute Vormittag schon darüber gesprochen, dass das Ganze dann aus einem Guss und sehr harmonisch ist. (Lacher)

1 BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BStBl. II 2015, 1049.

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Prof. Dr. Lüdicke Das heißt aber nicht, dass Sie Auslandsbetriebsstätten, die niedrig besteuert sind und deswegen unter § 20 Abs. 2 AStG fallen, auch der Gewerbesteuer unterwerfen wollen? Dr. Fehling Wir prüfen… Prof. Dr. Lüdicke Das wäre ja die Abschaffung des Territorialitätsprinzips und damit jeder Rechtfertigung der Gewerbesteuer, wenn ich das richtig sehe. Wobei ich einräume, dass das in Karlsruhe möglicherweise auch noch dem weiten Ermessensspielraum des Gesetzgebers überantwortet wird. Zum Abschluss möchte ich noch das Thema des allgemeinen Anrechnungsvortrags aufrufen. Es geht dabei um Folgendes: Sie haben im Jahr 01 positive ausländische Einkünfte, die auch im Inland steuerpflichtig sind. Allerdings haben Sie im Inland weitere Einkünfte, die negativ sind. Wenn Sie deswegen insgesamt keine Steuer zahlen, können Sie die an sich anrechenbare ausländische Steuer tatsächlich nicht anrechnen. Der alternativ mögliche Abzug hat bekanntlich keinen nennenswerten Entlastungszweck. Wenn Sie nun im Jahr 02 im Inland positive Einkünfte erzielen, zahlen Sie darauf tatsächlich Steuer, weil der Verlust aus dem Jahr 01 durch die positiven ausländischen Einkünfte neutralisiert worden ist. Sie haben also keinen Verlustvortrag. Allerdings können Sie die ausländische Steuer des Jahres 01 im Jahr 02 nicht anrechnen, weil wir nicht nur eine Per-Country, sondern auch eine Per-Year-Limitation haben. Viele andere Staaten, bspw. die USA, sind da großzügiger und gewähren – im Grunde sehr sachgerecht – einen Anrechnungsvortrag. Danach kann man die Steuer aus dem Jahr 01 vortragen und im Jahr 02 anrechnen. Da bei uns aus verschiedenen Gründen, Herr Kaminiski hat das ja dargestellt, die Anrechnung immer wichtiger wird, muss nach meiner Auffassung steuerpolitisch dringend überlegt werden, wie man hier helfen kann. Herr Fehling, ist das im Bereich des Möglichen? Dr. Fehling Ich glaube die Diskussionen haben gezeigt, dass der Gesetzgeber bei § 34c EStG erstmal keine Lust hat, noch mehr zu machen. Es wird meines Wissens gegenwärtig nicht diskutiert. Es wäre natürlich eine entlas-

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tende Maßnahme, aber, wir prüfen und wir sammeln. Aber es gibt jetzt keinen konkreten Vorstoß etwas zu tun. Benecke Vielleicht nur eine Ergänzung. In der Tat, § 34c EStG ist sehr technisch, und insofern ist das natürlich politisch schwer vermittelbar. Das ist klar. Irgendwann zählen nur die finanziellen Auswirkungen. Es ist ja die Frage, was verstehen wir unter Anrechnungsvortrag? Ein solcher, der zum Beispiel den Anrechnungshöchstbetrag überhaupt per se hinfällig macht? Oder ob man sich zumindest auch mal Fälle anschaut, in denen es sich um reine Timing-Mismatches-Fälle handelt. Die Problematik Timing Mismatches ist insbesondere bei § 14 Abs. 1 Satz 5 KStG, eine heute sehr viel zitierte aber wenig angewendete Vorschrift, ein gravierendes Problem, mit dem sich die Finanzverwaltung auseinander setzen muss und möglicherweise ein Grundkonzept für derartige Verwerfungen regeln wird. Eine solche Lösung wäre dann eigentlich auch ein System, das man in § 34c EStG zu Timing Mismatches übertragen könnte, ohne einen generellen Anrechnungsvortrag zu implementieren. Prof. Dr. Lüdicke Herr Benecke, ich bin Ihnen sehr dankbar für diesen Hinweis. Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich halte es für neben der Sache liegend, über einen Anrechnungsvortrag nachzudenken für solche Anrechnungsüberhänge, die daraus resultieren, dass im Ausland der Steuersatz höher ist als bei uns. Das wird zwar teilweise gefordert, nach meiner Auffassung aber völlig zu Unrecht.1 Mir geht es nur um die Timing Mismatches. Darauf bezog sich auch eben mein Beispielsfall. Davon abgesehen wäre der Gesetzgeber schlecht beraten, ausländische Steuern zu erstatten, die schlicht auf einem höheren ausländischen Steuerniveau beruhen. Herr Kaminski, ein Schlusswort, wenn Sie wollen? Prof. Dr. Kaminski Herr Lüdicke, beim letzten Punkt muss über das Vergleichsobjekt nachgedacht werden. Denn wenn ich unterstelle, dass ich jemanden habe, der im Ausland insgesamt – ich betrachte das Ausland als Einheit – tätig 1 Vgl. Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 2008, S. 108 Fn. 418.

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ist, dann wäre ich wieder bei meiner Overall-Limitation, und dann würde ich möglicherweise in Ihrem Fall auch zu einer anderen Lösung kommen. Ich meine, das hängt beides miteinander zusammen. Unabhängig davon – das können wir ja ein anderes Mal weiterdiskutieren – möchte ich Folgendes sagen: Je stärker der Gesetzgeber versucht, alle Möglichkeiten zu schließen, in denen Steuerpflichtige von solchen Qualifikationskonflikten profitieren, umso stärker muss er natürlich auch dafür sorgen, dass Doppelbesteuerung vermieden wird. Das sollte ein Gebot der Fairness sein. Prof. Dr. Lüdicke Vielen Dank, Herr Kaminski, für das Schlusswort. Ich danke den Teilnehmern hier auf dem Podium für interessante Diskussionen und allen Referenten für ihre Vorträge. Die nächste Nikolaus-Tagung findet wieder wie üblich am ersten Freitag im Dezember, nämlich am 2. Dezember 2016, hier in den Räumen der Handelskammer Hamburg statt. Noch einmal vielen Dank an alle Mitwirkenden. Prof. Dr. Gosch Und, wie immer, Dank an den guten Lüdicke!

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Stichwortverzeichnis § 50d EStG 100 ff. § 50i EStG 131, 137 f. Abkommen – ~praxis / deutsche 35, 39, 51, 89.172 – ~sberechtigung 23, 27 ff., 31 f., 34, 79 – ~smissbrauch 23, 27 ff., 33 ff., 45 ff. Abzug – ~sbeschränkung 169, 189, 193 – ~sverbot 169, 190 Advance Pricing Agreements (APA) 17, 40 Aktivitätskatalog – § 8 AStG 16 Aktivitätsklausel 35, 171 f. Aktivitätsvorbehalt 83, 89 Altersentlastungsbetrag 177, 180 Anrechnung 31, 33, 154, 156, 169 ff., 194, 199, 206 ff. – Erbschaftssteuer 178, 184 ff. – Körperschaftsteuer 177, 191 – ~shöchstbetrag 169, 174 f., 177 ff., 191, 197, 200, 211 – ~smethode 31, 88, 171 f., 196 f. – ~süberhang 176, 196, 211 Ansässigkeit 29, 35, 40, 150, 160 – doppelte 41, 44 – Lebensmittelpunkt 205 – Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung 39 – ~sfiktion 30 – ~sstaat 23, 31 f., 35, 40, 42 f., 45, 51, 81, 100, 113 f., 148 f., 175, 200, 202, 205; s. a. Wohnsitzstaat Art. XX UN-MA 15 Atypisch stille Gesellschaft 90, 92 f., 95 f. Ausländische Steuer 102, 173 f., 179, 188, 191, 210 f. Auslandsvermögen 195

Außensteuergesetz 16, 68 ff., 83, 104ff, 208 Außerbetriebliche Sphäre 183 Außergewöhnliche Belastungen 175, 177 Aussetzung der Vollziehung 176, 183 Authorized OECD Approach (AOA) 89, 114 f., 125 ff., 158, 162 f. Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) 1 ff., 9 ff., 23 ff., 57 ff., 122, 150, 209 – Post-~ 6 f. Beihilferecht 50, 72, 166 Bemessungsgrundlage 16, 79 f., 84 ff., 90, 92, 179, 191, 204 Besteuerungsbefugnis 134 ff., 153, 186 f. Betriebsausgabenabzug 58, 190 Betriebsprüfung – gemeinsame ~(joint audits) 7 Betriebsstätte 5, 14, 17 ff., 23, 27, 41 ff., 45 f., 48 f., 54, 59, 82 ff., 86 ff., 95, 102, 104 ff., 117 ff., 124, 126 f., 148, 155 f., 171, 183 – Mitunternehmer~ 92, 108 – ~nerlass 87, 156 – ~ngewinne 84 ff. – ~ngründung 87 f., 117, 119 – ~nregelungen 13 – ~nverluste 78 ff. – ~vorbehalt 100, 105 ff., 124, 163 Billigkeitsmaßnahmen 165, 167, 175, 194 ff. Binnenmarkt 130, 160 f., 187 CFC-Rules 16, 43, 68; s. a. Hinzurechnungsbesteuerung Country-by-Country Reporting (CbCR) 3, 14, 19, 59 f., 69 f. Deduction/No Inclusion (D/NI) 44 Deferrals 11 Dienstleistungsfreiheit 196

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Stichwortverzeichnis Diverted Profits Tax 15 Dividenden 15, 42 ff., 85, 207 – Schachtel~ 85 – Streubesitz~ 43 Doppelansässigkeit 41, 44; s. a. Ansässigkeit Doppelbesteuerung 2 ff., 9 ff., 24 ff., 57 ff., 80, 83, 90, 101 f., 106, 108 ff., 133, 149 ff., 170 f., 186, 190 f., 194 ff., 212 – ~srisiken 59 – virtuelle 25 Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) 2, 6, 18, 20, 23 ff., 57 ff., 78 ff., 100 ff., 119 ff., 128, 132, 145 ff., 170 ff., 186, 189 – ~-Australien 2015 18 – ~-Italien 1989 103 ff. – ~-Liechtenstein 147, 150 – ~-Österreich 2000 91 f. – ~-Schweiz 33, 64, 81 – ~-Spanien 86, 147 – ~-USA 29 f., 34 – ~-VAE 1995 78 ff. – ~-VAE 2000 89 Doppelte Nichtbesteuerung / Doppelnichtbesteuerung 2, 4, 7, 13, 25 f., 30, 38 Drittstaat 31 f., 42, 89, 131, 159 f., 174, 176 f., 197 EFTA-Gerichtshof 193 f. Einbringungssperre 137 Einkünfte – Abgrenzung 86, 110 – weiße ~ 4 Entstrickung 13, 18, 110, 129 ff., 145 ff. – aktive 132 f. – mittelbare 129 f., 132 f., 135, 138, 143 – passive 132 f. – ~slücke 131, 137 f. – Stundung bei ~ 140 ff., 146 f., 150, 153, 158, 162 ff.

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Erbschaftsteuer 171, 177 f., 184 ff., 196 Finale Betriebsaufgabe 86, 154 Finale Entnahme 86, 132, 149, 154 ff. Finanzinstrumente – hybride 15 Fixkosten 192 Forschung und Entwicklung – steuerliche Förderung 4, 17, 71 f. Freibetrag Land- und Forstwirtschaft 19 Freistellung 79 ff., 82 ff., 88, 154 ff., 171 ff., 200 – -~smethode 86, 171, 174 Fremdfinanzierung 61, 115 Fremdvergleichsgrundsatz 5, 18, 89 G20 2 ff., 9 ff., 23 ff., 33 f., 36, 40, 45 f., 51, 69 Gemeinkosten 193, 206 f. Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) 14 Gesamtsteuerbelastung 13, 195 Geschäftsleitung 41 – -Ort der ~ 39, 139 Gewinnausschüttung – verdeckte 74 Goldfingerfälle 90 ff., 122 Grundfreibetrag 177 f., 180 f., 185, 201 ff., 206 Gründungsaufwand 77 f., 85, 88 Harmonisierung 2, 10, 18, 20, 130, 187 Hinzurechnungsbesteuerung 4, 11, 32, 43, 66, 70, 209; s. a. CFC- Rules Hybrid Mismatch Arrangements 4, 15, 28, 40 Hybride – Finanzinstrumente 15 – Rechtsträger/Gesellschaften 15, 31 – Strukturen/Gestaltungen 4

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Stichwortverzeichnis Immaterielle Wirtschaftsgüter 162 Inbound-Fall 82, 87, 100, 114 f. Inclusive Framework 6 f., 69 Informationsaustausch 3, 8, 70 Intangibles 162 Interperiodische Verrechnung 192 InvStG 172 f. Joint Audits 7 Kapitalimportneutralität 170 Kapitalverkehrsfreiheit 134 f., 152, 176, 181, 185, 187, 196 f. Kohärenz 1, 3 f., 160 Kommissionärsstrukturen 17, 45 f., 59 Korrespondenz 15, 16, 67, 74, 154 – ~prinzip 65, 171 Leistungsfähigkeit 147, 162, 180 f., 188, 206 Limitation-on-Benefits (LOB) – -~Klausel 33 ff., 43 Linking Rules 15, 66 f.; s. a. Verknüpfungsregeln Lizenzschranke 73 Lizenzzahlungen 3 f., 7, 42 ff., 72, 109, 112, 124 ff. Luxemburg Leaks 3, 8 Meistbegünstigung 167 Missbrauch s.a. Abkommensmissbrauch – ~sregelungen 12, 73 – ~svermeidung 27ff, 37, 58 Mobilität 160 Monitoring 68 f. Montagebetriebsstätte 17 Multilaterales Instrument 6, 18, 20, 27, 45, 51 Mutter-Tochter-Richtlinie 16, 37, 170 Nettoprinzip 177, 200, 201 Nexus-Ansatz/Nexus-Approach 4, 72 ff.

Nicht abzugsfähige Betriebsausgaben 192 Nichtanwendungserlass 16 Niederlassungsfreiheit 141, 152 OECD Partnership Report 1999 28, 105 OECD-MA 23 ff., 57 ff., 81, 84 f., 88 f., 100, 105, 110, 113 ff., 118, 120, 123 f., 127, 141, 143, 147, 150 f., 153, 163, 171 – Präambel 26, 33, 52 – Titel 25, 33, 52 Organeinkommen 181, 184 Organträger 65 Outbound-Fall 82, 113 f. Over-all-limitation 186 ff., 212 Partnerschaftsgesellschaft 78 f., 118 Patentbox 3 f., 71 ff. Pensionsfonds 34 People Function 162 f. Per-Country-Limitation 178, 185 f., 206, 210 Personengesellschaft 28, 77, 84, 98, 100 f., 109 ff., 117, 126134 f. Präferenzregime 34, 45; s.a. Vorzugsbesteuerungsregime Principal Purpose Test (PPT) 23, 33 f., 36, 50 Progressionsvorbehalt 78, 91, 94, 122 Quellenbesteuerung 33, 37, 175 Quellenstaat 30, 32 f., 41 ff., 45, 81, 107, 148, 175, 200 Rechtssicherheit 6, 51, 62 f., 197 Refinanzierungszinsen 190 f. Risikobewertung 3 Rs. Beker & Beker 175 f., 181, 185, 187, 199 ff. Rs. de Groot 175 f., 200, 202 Rs. Denkavit 37 Rs. DMC 129, 134 f., 137 ff., 142, 151 ff., 158 Rs. Schumacker 175, 200, 202, 205 f.

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Stichwortverzeichnis Rs. Timac Agro 90 Rs. Verder LabTec 142, 153 f., 157 f. Rückfallklauseln s. Subject-to-TaxKlausel Schachtelprivileg 34, 36 Schiedsverfahren/-gerichtsbarkeit 18 f., 38, 40, 51, 60 ff. Schwellenländer 59 Seabrokers-Entscheidung 194 Selbständigkeitsfiktion 89 Sitzstaat s. Ansässigkeitsstaat und Wohnsitzstaat Soft Law 68 Sonderausgaben 175, 177 f., 180 Souveränitätsprinzip 169 Sparer-Freibetrag 178, 201 Steueraufkommen 10, 171 Steuerflucht 25, 38, 45 ff., 141, 170 Steuergestaltungen 27, 122 f., 131, 137; s. a. Hybrid Mismatch Arrangements Steuerplanung 24, 27, 40 f., 46 Steuerpolitik 57, 117, 145, 199, 209 – internationale 1, 8, 20 Steuersatz 12, 16, 91 f., 170, 211 – effektiver 72 Steuerschlupfloch 4 Steuersubstrat 13 ff., 171; s. a. Steueraufkommen Steuerumgehung 25, 38, 45 ff., 141, 170 Steuervergünstigungsabbaugesetz 189 Steuervermeidung 50, 59 – Kampf gegen ~ 130 Steuerwettbewerb 4, 8, 50 f., 73; s. a. Wettbewerb – schädlicher 8 Streitbeilegungsmechanismen 18 f., 38 f., 40 f., 44, 51, 59, 62; s. a. Verständigungs- und Schiedsverfahren Stundung bei Entstrickung 140 ff., 146 f., 150, 153 f., 158, 162 ff.; s.a. Entstrickung Subject-to-Tax-Klausel 88, 172; s. a. Rückfallklausel

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Substanz 1, 3, 73 f., 152 Symmetriethese 77 f. Tax Rulings 3, 8, 17 Territorialitätsprinzip 210 Tie-Breaker-Regelung 39, 44 Tochtergesellschaft 34, 37, 59 f., 74 Transfer Pricing s. Verrechnungspreise Transparenz 1 ff., 31, 60 Treaty Override 99, 102, 109, 125 f., 139, 149, 151, 172, 208 Treaty Shopping 26 Umsatzsteuer 167 Unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang 88, 208 Unternehmensbesteuerung 7, 24, 82, 190 Unternehmensgewinne 103 ff., 171 US-Kongress, Kontroverse 12 US-Steuerrecht 11 Veranlassungszusammenhang 82, 88, 108, 112, 162, 191 Verbundene Unternehmen 7, 46, 49 Vergleichsmaßstab 187 Verhandlungsgrundlage – deutsche, auch DE-VG 171 Verknüpfungsregelungen 15, 66 f.; s. a. Linking Rules Verlustvortrag 83, 119 f., 181, 184, 210 Verrechnungspreise 2 f., 13 f., 18 Verständigungsverfahren/-vereinbarung 18 f., 38 f., 40 f., 44, 51, 62; s. a. Streitbeilegungsmechanismen Verwaltungsaufwand 191 Völkerrechtliche Verträge 102, 169 Vorzugsbesteuerungsregime 34, 45; s. a. Präferenzregime Wertschöpfung 3, 18, 58, 73 Wettbewerb 50, 59, 72; s. a. Steuerwettbewerb – ~sneutralität 9 f., 16, 20

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Stichwortverzeichnis Wirtschaftlicher Zusammenhang 191 ff. Wirtschaftsgut 132, 141, 148 ff., 152 ff. – immaterielles ~ 162 Wohnsitzstaat 170 f., 174 f., 178, 185; s. a. Ansässigkeitsstaat

Xetra-Goldwertpapiere 99 Zins- und Lizenzrichtlinie 7 Zinsen 29, 35, 42, 58, 100 f., 103 ff., 114, 158 Zinsschranke 61, 66 ZollkodexAnpG 16, 146, 179

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