Immobilien im Steuerrecht 9783504387884

Behandelt werden die Besteuerung von Immobilien aus ökonomischer Sicht, die verfassungs- und unionsrechtlichen Rahmenbed

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Immobilien im Steuerrecht
 9783504387884

Table of contents :
Inhalt
Immobilien im Steuerrecht – Eröffnung der Jahrestagung
Besteuerung von Immobilien aus ökonomischer Sicht
Verfassungs- und unionsrechtliche Rahmenbedingungen der Besteuerung von Immobilien
Systemfragen und Reformperspektiven der Ertragsbesteuerung von Immobilien
Erzielung und Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
Besteuerung von Immobiliengesellschaften
Immobilien im internationalen Steuerrecht
Bewertung von Immobilien für die Besteuerung
Immobilien im Erbschaftsteuerrecht
Droht neues verfassungsrechtliches Unheil bei der Grundsteuer?
Immobilien im Umsatzsteuerrecht
Belastungsgrund und Ausgestaltung der Grunderwerbsteuer
Anteilseignerwechsel und Grunderwerbsteuer
Nachwort zur Tagung „Immobilien im Steuerrecht“
Laudatio
Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft e.V
Vorstand und Wissenschaftlicher Beirat der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V
Stichwortverzeichnis

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Klaus-Dieter Drüen (Hrsg.) Immobilien im Steuerrecht

Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V. DStJG Band 44

Immobilien im Steuerrecht 45. Jahrestagung der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V. Online, 20. und 21. September 2021 Herausgegeben im Auftrag der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V. von

Prof. Dr. Klaus-Dieter Drüen Ludwig-Maximilians-Universität München 2022

Zitierempfehlung Verf. in DStJG 44 (2022), S. ...

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-62046-2 ©2022 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Beltz Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza Printed in Germany

Inhalt Ausführliche Inhaltsübersichten jeweils zu Beginn der Beiträge. Seite

Prof. Dr. Klaus-Dieter Drüen, Vorsitzender der DStJG, München/Düsseldorf Immobilien im Steuerrecht – Eröffnung der Jahrestagung . . . . . . . . .

1

I. Der Steuerzugriff auf Immobilien im sog. Vielsteuersystem . . .

1

II. Grundlegende Einsichten und aktuelle Reformfragen bei der „Immobilienbesteuerung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

III. Weitere Felder der „Immobilienbesteuerung“ . . . . . . . . . . . . . . . .

9

Prof. Dr. rer. pol. Ralf Maiterth, Humboldt-Universität zu Berlin Besteuerung von Immobilien aus ökonomischer Sicht . . . . . . . . . . .

11

I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

II. Marktversagen auf dem Mietwohnungsmarkt? . . . . . . . . . . . . . .

13

III. Besteuerung von Immobilien aus ökonomischer Sicht . . . . . . . .

16

IV. Kritische Würdigung des Status Quo der Immobilienbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

Prof. Dr. Simon Kempny, LL.M. (UWE Bristol), Universität Bielefeld Verfassungs- und unionsrechtliche Rahmenbedingungen der Besteuerung von Immobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

I. Steuer(rechts)wissenschaftliche Einordnung des Betrachtungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

II. Verteilung der liegenschaftsbezogenen Besteuerungsgewalt . . .

46

III. Grundrechtliche und unionsrechtliche Grenzen der liegenschaftsbezogenen Besteuerungsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

IV. Schlußbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

V

Inhalt

Prof. Dr. Andreas Musil, Universität Potsdam Systemfragen und Reformperspektiven der Ertragsbesteuerung von Immobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 II. Grundzüge und Systemfragen der Ertragsbesteuerung von Immobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 III. Insbesondere: Abgrenzung von Gewerbebetrieb und privater Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 IV. Reformperspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Dr. Nils Trossen, Richter am BFH, München Erzielung und Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 II. Fragen des objektiven Einkünftetatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 III. Fragen des subjektiven Einkünftetatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Dr. Martin Klein, Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht, Frankfurt/M. Besteuerung von Immobiliengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 I. Einleitung und Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 II. Ertragsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 III. Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 IV. Besondere Immobiliengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Prof. Dr. Madeleine Simonek Immobilien im internationalen Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 II. Grundsätze des Abkommensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 III. Ausgewählte Themenbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204

VI

Inhalt

Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Prof. Dr. Marcel Krumm, Westfälische Wilhelms-Universität Münster Bewertung von Immobilien für die Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 I. Eingrenzung des Themas auf den Verkehrswert von Wirtschaftsgütern und wirtschaftlichen Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . 225 II. Verkehrswertbandbreite und Punktwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 III. Verkehrswertermittlung und normative Steuerung . . . . . . . . . . . 229 IV. Ermittlung des gemeinen Wertes (§ 9 Abs. 2 BewG) und des Teilwertes (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG) im Einzelfall . . . . . . . . 241 V. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Prof. Dr. Christine Osterloh-Konrad, Eberhard Karls Universität Tübingen Immobilien im Erbschaftsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 II. Die Immobilie in der Erbschaft- und Schenkungsteuer: ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 III. Die Begünstigung des Familienheims . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 IV. Die Begünstigung vermieteter Immobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 V. Ausblick: Psychologie und Perspektiven der Erbschaftsteuer . . 269 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 Ministerialdirigent Dr. iur. Stefan Breinersdorfer Droht neues verfassungsrechtliches Unheil bei der Grundsteuer? . 285 I. Einführung in das Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 II. Steuerfindungsrecht für die Grundsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 III. Verfassungsrechtlicher Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316

VII

Inhalt

Prof. Dr. Karoline Spies, Wirtschaftsuniversität Wien Immobilien im Umsatzsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 II. Die besonderen Herausforderungen der Umsatzbesteuerung von Immobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 III. Unionsrechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 IV. Der Verkauf von Immobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 V. Die Vermietung von Immobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 VI. Nachträgliche Nutzungsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 VII. Conclusio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 Prof. Dr. Joachim Englisch, Westfälische Wilhelms-Universität, Münster Belastungsgrund und Ausgestaltung der Grunderwerbsteuer . . . . . . 361 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 II. Historische Beweggründe für die Erhebung von Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 III. Verfassungsrechtliche Würdigung von Belastungsgrund und Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 IV. Steuerpolitische Würdigung und Perspektiven der Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 V. Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 Dr. Heinrich Hübner, Rechtsanwalt, Steuerberater, Reutlingen Anteilseignerwechsel und Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 II. Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 III. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447

VIII

Inhalt

Prof. Dr. Klaus-Dieter Drüen, Vorsitzender der DStJG, München/Düsseldorf Nachwort zur Tagung „Immobilien im Steuerrecht“ . . . . . . . . . . . . . 459 Prof. Dr. Hanno Kube, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Laudatio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft e.V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 Vorstand und Wissenschaftlicher Beirat der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481

IX

Immobilien im Steuerrecht – Eröffnung der Jahrestagung Prof. Dr. Klaus-Dieter Drüen Vorsitzender der DStJG München/Düsseldorf

I. Der Steuerzugriff auf Immobilien im sog. Vielsteuersystem

III. Weitere Felder der „Immobilienbesteuerung“

II. Grundlegende Einsichten und aktuelle Reformfragen bei der „Immobilienbesteuerung“

I. Der Steuerzugriff auf Immobilien im sog. Vielsteuersystem Schenkt man Aufsatz-, Seminar- und Werktiteln Glauben, so gibt es ein eigenständiges „Immobiliensteuerrecht“. Verlage haben dazu Handbücher1 und Fortbildungsveranstaltungen2 im Programm und Beiträge berichten für die Immobilienbranche und ihre Berater über aktuelle Entwicklungen3 der (neudeutsch:) Real Estate Taxation. Ganz im Sinne des neuen Megaziels der Nachhaltigkeit wird überlegt, wie das Immobiliensteuerrecht in ihre Dienste gestellt werden kann4. Natürlich haben Erwerb, Nutzung und Veräußerung von Grundbesitz zahlreiche Implikationen bei verschiedenen Steuerarten. Das deutsche Steuerrecht sieht bekanntlich keine Einheitssteuer vor, sondern greift 1 Marquardt/Wagner (Hrsg.), Praxishandbuch Immobiliensteuerrecht, 2017; Haase/Jachmann-Michel (Hrsg.), Beck’sches Handbuch Immobiliensteuerrecht, 2. Aufl. 2020. 2 Stellvertretend die alljährlichen „Kölner Tage Immobilienbesteuerung“. 3 Rödding, Neue Entwicklungen im Immobiliensteuerrecht, BB 2017, 1052; Naujok/Hamacher, Neue Entwicklungen im Immobilien-Steuerrecht, ZfIR 2019, 824; zuletzt zum „Gebiet des Immobiliensteuerrechts“ Perschon, Ausgewählte aktuelle Entwicklungen bei der Besteuerung von Immobilien, Stbg 2021, 225. 4 So jüngst Arendt/Dworog/Thomer, Nachhaltigkeit im Immobiliensteuerrecht – Eine Bestandsaufnahme, StuB 2021, 326.

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Drüen – Eröffnung der Jahrestagung

mit seiner Vielzahl von – historisch gewachsenen – Einzelsteuern multipel auf die tatsächliche, vermutete oder unterstellte Leistungsfähigkeit der Bürger und Unternehmen zu. Von einem „Vielsteuersystem“5 lässt sich nur mit einem unambitionierten Systembegriff 6 sprechen7. Denn ein echtes System8 warum, wann, wie und in welcher Höhe der Staat durch einzelne Steuern und ihr Zusammenwirken auf die Leistungsfähigkeit zugreift, gibt es in der Besteuerungsrealität nicht9. Der multiple Steuerzugriff durch den „Steuerpluralismus“10 erfolgt unabgestimmt ohne Belastungsrationalität, -einsichtigkeit und -transparenz. Der föderale Steuerstaat versteckt die Lastenhöhe und -kumulation. Überhaupt ist die föderal aufgespaltene Ertragshoheit von Bund, Ländern und Gemeinden11 eher das Erklärungsmuster des Vielsteuerrechts als ein systematisch-geordnetes, rationales und transparentes Zusammenwirken von Einzelsteuern. Eine konsensfähige Steuerkonkurrenzlehre bleibt in Steuerrechtslehre und -praxis ein Desiderat12. Die Finanzverfassung bekennt sich zwar – an systematisch verfehlter Stelle – in Art. 106 Abs. 3 5 Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, Rz. 11; Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, Rz. 3.52 ff. 6 Zu den verschiedenen rechtswissenschaftlichen Systembegriffen näher bereits Drüen, Systembildung und Systembindung im Steuerrecht, in FS Spindler, 2011, S. 29 (33 ff.); zuletzt Kaiser, Juristische Methode, Dogmatik und System, in Kahl/Ludwigs, Handbuch des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2021, § 24 Rz. 49 m.w.N. 7 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl. 2003, S. 572 spricht demgegenüber von „historisch gewachsene[n] Vielsteuerkonglomerate[n]“ und ebd., S. 960: „Das traditionelle deutsche Vielsteuersystem ist leider chaotisch“. Ähnlich Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, Rz. 9. 8 Gegen ein „logisch exakte[s], erschöpfendes System“ des deutschen Steuerrechts auch Vogel/Walter in Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum GG, Art. 105 GG Rz. 97 (Juli 2004). 9 Deutlich bereits Tipke, Vom Konglomerat herkömmlicher Steuern zum System gerechter Steuern, BB 1994, 437 (438 ff.), wonach Art. 106 GG lediglich ein „Konglomerat herkömmlicher Steuern“ enthalte, ohne dass das dadurch geschaffene „Steuersystem“ ein „ethisch rationales System“ sei, weil sich das „Steuersystem“ des Art. 106 GG nicht „auf Gerechtigkeitsprinzipien“ gründe. 10 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl. 2003, S. 569. 11 Dazu Drüen in Bonner Kommentar, Art. 106 GG Rz. 144 ff. (Sept. 2021). 12 Dazu Kube, Verfassungsrechtliche Grenzen kumulierter Steuerlasten, in Kube/Reimer, Geprägte Freiheit 2020/21, HFSt 15 (2021), S. 7 (12 f.); Hidien, (Umsatz-)Steuer von der (Verbrauch-)Steuer – legal, illegitim oder fiskalisch? – Zugleich ein Beitrag zur Steuerkonkurrenzlehre, UR 2020, 667 (671, 676) m.w.N.

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Drüen – Eröffnung der Jahrestagung

Satz 4 Nr. 2 GG zur Vermeidung einer „Überbelastung der Steuerpflichtigen“, bietet aber trotz ihrer verfassungsgerichtlich bekräftigten Schutzund Begrenzungsfunktion13 kein explizites Abstimmungs- und Schutzkonzept gegenüber einer unabgestimmten und kumulativen Belastung des Steuerpflichtigen. Das gilt namentlich für die „liegenschaftsbezogene Besteuerungsgewalt“, deren verfassungs- und unionsrechtliche Grenzen Simon Kempny zu Beginn vermessen wird14. Gerade bei Immobilien schlägt der Staat mehrfach zu. An Immobilien knüpfen zahlreiche Steuergesetze mit ihrer eigenen Regelungsteleologie und -technik an. Dabei lassen sich steuerartenübergreifend durchaus Wertungswidersprüche und Zielkonflikte im Nebeneinander von Be- und Entlastungen von Immobilien und Wohnen ausmachen. Das staatliche Nehmen und Geben erfolgt – auch bezogen auf Grundstücke – vielfach unkoordiniert15. Immobilien im Steuerrecht16 sind ein steuerrechtliches Querschnittsthema quer durch die verschiedenen Steuerarten, die Grundbesitz tangieren. Bei der „Immobilienbesteuerung“17 stehen die Grunderwerbsteuer und die Grundsteuer, aber auch Umsatzsteuer und Ertragsteuern, namentlich Einkommenund Gewerbesteuer bei der Vermietung und Veräußerung von Immobilien des Betriebs- und Privatvermögens, im Fokus. Die praxisorientierten Werke zur Immobilienbesteuerung kommen darum nicht umhin, die Steuerfolgen von Erwerb, Nutzung und Veräußerung18 von den Ertragsteuern bis zu Einzelsteuern durchzubuchstabieren. Die DStJG erstrebt mit dieser Tagung den vernetzenden Blick auf Immobilien im Steuerrecht mit dem Anspruch auf wissenschaftliche Vertiefung ohne Missachtung des Praxisbezuges.

13 BVerfG v. 13.4.2017 – 2 BvL 6/13, BVerfGE 145, 171 (191); Waldhoff, Finanzautonomie und Finanzverflechtung in gestuften Rechtsordnungen, in VVDStRL 66 (2007), 216 (235) m.w.N. 14 Kempny, Verfassungs- und unionsrechtliche Rahmenbedingungen der Besteuerung von Immobilien, in diesem Tagungsband. 15 Zum Wertungswiderspruch der Belastung des Wohnens mit Grundsteuer und der (früheren) steuerlichen Eigenheimförderung sowie der Zahlung von Wohngeld bereits Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl. 2003, S. 959. 16 Dazu bereits Spiegelberger/Schallmoser (Hrsg.), Immobilien im Zivil- und Steuerrecht, 3. Aufl. 2018. 17 Dazu Sauer/Ritzer/Schuhmann, Handbuch Immobilienbesteuerung (Stand Aug. 2021). 18 Ergänzt um insolvenzrechtliche Bezüge bei Haase/Jachmann-Michel (Hrsg.), Beck’sches Handbuch Immobiliensteuerrecht, 2. Aufl. 2020.

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Drüen – Eröffnung der Jahrestagung

Der multiple Steuerzugriff ist der besonderen rechtlichen und wirtschaftlichen Bedeutung von Grund und Boden geschuldet. Als primärer und natürlich limitierter Produktionsfaktor spielt der Grund und Boden eine immense Rolle in der Eigentumsordnung und im Wirtschaftsleben. Vielfach sind Immobilien Lebens- und Erwerbsgrundlage im Wortsinne. Als knappes Gut haben sie erhebliche Werte und Wertsteigerungspotentiale. Die Besteuerung knüpft seit jeher an Grund und Boden als „Besteuerungsgut“ an. Die Grundsteuer gilt als älteste Steuer und ist bereits „alttestamentarisch“19. Grund und Boden wurde früher als die ursprünglichste und einzige Quelle des Reinertrages der gesamten Volkswirtschaft verstanden und die Grundsteuer war eine Hauptsteuer20. Die Überwindung der Natural- und Tauschwirtschaft zur Geldwirtschaft hat die Bedeutung von Grund und Boden als originärer Zugriffquelle relativiert und der Einkommensbesteuerung zum Durchbruch verholfen21. Statt gescheiterten Versuchen, die Grundsteuer zu einer Alleinsteuer zu machen22, wurde der Zugriff auf Grund und Boden in neuzeitliche Besteuerungsformen integriert. Die Bedeutung von Grundbesitz bei der Gesamtbesteuerung ist dadurch noch gewachsen. Die Besteuerung baut auf wirtschaftlichen Begebenheiten und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit auf und steuert zugleich das Verhalten des Marktes, wenn auch Richtung und Intensität nicht genau vorhersehbar sind23. Darum tun wir als Steuerjuristen gut daran, uns eingangs der ökonomischen Grundlagen und Wirkungen der Immobilienbesteuerung zu versichern, die Ralf Maiterth aus Berlin zum Auftakt vorstellen wird24.

19 Kruse, Abschied von den Einheitswerten, BB 1996, 717 (718); zustimmend Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl. 2003, S. 956; zur historischen Entwicklung zuletzt Heller, Geschichte der Grundsteuer, KStZ 2019, 67. 20 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl. 2003, S. 956 m.w.N. 21 Allgemein Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, Allgemeiner Teil, 1991, S. 1 ff.; Großfeld, Die Einkommensteuer, 1981, S. 7 ff. 22 Dazu Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl. 2003, S. 956 m.w.N. 23 P. Kirchhof, Verfassungsrechtliche Grenzen von Umweltabgaben, in Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, in DStJG 15 (1993), S. 3 (7 ff.); allgemein zur Wirtschaftslenkung durch Steuern Sieker (Hrsg.), Steuerrecht und Wirtschaftspolitik, DStJG 39 (2016). 24 Maiterth, Besteuerung von Immobilien aus ökonomischer Sicht, in diesem Tagungsband.

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Drüen – Eröffnung der Jahrestagung

II. Grundlegende Einsichten und aktuelle Reformfragen bei der „Immobilienbesteuerung“ Besondere Aufmerksamkeit bei der „Immobilienbesteuerung“ genießen seit einigen Jahren die sonst nur im Blick von Spezialisten stehenden Steuern beim Erwerb und Halten von Grundbesitz. Bei der Grundsteuer besteht verfassungsgerichtlicher Reformzwang bis Ende des Jahres 202425, bei der Grunderwerbsteuer bestand und besteht rechtspolitischer Reformdruck, den das Schlagwort „share deals“26 auch in allgemeinen Medien illustriert. Auslöser der Grundsteuerreform war bekanntlich die Jahrzehnte währende Malaise der nicht realitätsgerechten und wertverzerrenden Einheitsbewertung. Dabei verdeutlicht die theoretisch wie praktisch gescheiterte Einheitsbewertung die Grenzen einer pragmatischen Einheitsbehandlung von Grundbesitz im Steuerrecht. Die Einheitswerte insbesondere für Grundbesitz sollten einheitlich mehreren Steuern als Bemessungsgrundlage dienen und betrafen nicht nur Substanzsteuern wie die (nicht mehr erhobene) Vermögensteuer, die Erbschaft- und Schenkungsteuer, die (frühere) Gewerbekapitalsteuer und die Grundsteuer, sondern zum Teil auch die Grunderwerbsteuer, die Einkommensteuer und (bei der pauschalen Eliminierung von Grundbesitzerträgen durch § 9 Nr. 1 GewStG) auch die Gewerbeertragsteuer27. Für den Preis der Einheitlichkeit der Einheitswerte wurde in Kauf, genommen, dass die außerhalb der jeweiligen Festsetzungsverfahren gesondert festgestellten Einheitswerte keineswegs immer zu den Steuern passten, bei denen sie angesetzt wurden28. Auch außerhalb des Steuerrechts knüpfte die Bemessung verschiedener Gebühren und Beiträge an die Einheitswerte an29. Die einfache Übernahme ungeachtet des Kontexts war verlockend. Dabei waren die Personalkosten bei der Erhebung der einheitswertabhängigen Steuern hoch30. Die turnusmäßige Hauptfeststellung aller Grundbesitzwerte hat nie dem Gesetz und im Zeitablauf mit zunehmenden Bewertungsdivergen25 BVerfG v. 10.4.2018 – 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12, BVerfGE 148, 147 – Rz. 92 ff., 177 ff. 26 Kritischer Überblick zur Diskussion bei Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, Rz. 18.37. 27 Uelner, Die Problematik der Einheitsbewertung, in DStJG 7 (1984), 275 (276 f.). 28 Kruse, BB 1996, 717. 29 Uelner in DStJG 7 (1984), 275 (279) m.w.N. 30 Kruse, BB 1996, 717 (720) m.w.N.

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zen auch nicht mehr der Verfassung genügt. Die Einheitswertidee ist gescheitert und vom Gesetzgeber – mit mehrfachen Anstößen durch das BVerfG31 – überwunden. Die rechtliche Steuerung der Bewertung im Steuerrecht bleibt eine besondere Herausforderung im Steuerrecht, gerade beim Problem der Werteinschätzung von Grundbesitz. Nachdem er seine Habilitationsschrift zu Rechtsfragen der steuerlichen Bewertung vorgelegt hat32, wird sich Marcel Krumm aus Münster zu Beginn des zweiten Tages mit dem Bewertungsproblem sub specie der Besteuerung von Grundbesitz beschäftigen33. Bei der Eröffnung der Salzburger (dreitägigen!) Tagung zum Thema „Werte und Wertermittlung im Steuerrecht“ im Jahre 1983 erinnerte Heinrich Wilhelm Kruse an Albert Hensels grundlegende und weitsichtige Bemerkungen zum Bewertungsproblem im Steuerrecht34. Seine Überlegungen haben gerade für die Grundsteuerreform höchste Aktualität. Hensel hob die „Grundtatsache“ hervor, „daß kein einziger Steuerwert irgendwie mit dem ‚wirklichen‘ Wert des zu bewertenden Gegenstandes übereinzustimmen braucht. Jeder im Steuerrecht verwendete ‚Wert‘ ist nur wegen seiner Funktion, die er im Steuertatbestande zu erfüllen hat, bedeutsam. […] Bei der Auswahl der im einzelnen Fall anzuwendenden Werte kann daher der Steuergesetzgeber mit vollem Recht seine Wahl zwischen verschiedenen, an sich denkbaren Bewertungsmöglichkeiten treffen; er wird die Auswahl vor allem auch unter Berücksichtigung verwaltungstechnischer Gesichtspunkte zu treffen haben, zumal die Bewertung die Steuerbehörden meist vor die schwierigsten Aufgaben der gesamten Steuerverwaltung, insbesondere der Veranlagung, stellt. Das Gesetz wird also insbesondere auf die objektive Feststellbarkeit der Werte abstellen, ebenso auf die einfache Feststellungsmöglichkeit, selbst wenn dadurch Vereinfachungen beim Bewertungsgeschäft vorgenommen werden, die die Steuerwerte von dem, was man gemeinhin unter dem ‚wirklichen Werte‘ eines Gegenstandes versteht, abführen. Trotz dieser Vereinfachung, die wir namentlich im modernen Steuerrecht antreffen, wird bei Auswahl des Wertmaßstabes und dessen Ausgestaltung dafür Sorge zu tragen sein, daß durch die Bewertung

31 BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 Rz. 47, 65 ff. zur Vermögensteuer; BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 Rz. 33 ff. zur Erbschaftsbesteuerung; BVerfG v. 23.6.2015 – 1 BvL 13/11, BVerfGE 139, 285 Rz. 49 ff. zur Ersatzbemessungsgrundlage des § 8 Abs. 2 GrEStG; zuletzt BVerfG v. 10.4.2018 – 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12, BVerfGE 148, 147 Rz. 92 ff. zur Grundsteuer. 32 Krumm, Steuerliche Bewertung als Rechtsproblem, 2014. 33 Krumm, Bewertung von Immobilien für die Besteuerung, in diesem Tagungsband. 34 Kruse, Rechtfertigung des Themas – Ziel der Tagung, 1 (4).

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Drüen – Eröffnung der Jahrestagung gleichliegende Tatbestände auch gleichmäßig (oder wenigstens möglichst gleichmäßig) vom Steuersatz getroffen werden“35.

Diese Forderung hat der Gesetzgeber über Jahrzehnte missachtet. Auch Hensels letzte Mahnung zur Bewertung im Steuerrecht sei wegen ihrer Aktualität in Erinnerung gerufen: „Das Steuerrecht wird ferner solche Werte bevorzugen, die dem zu besteuernden Gegenstand für eine gewisse Dauer innewohnen, insbesondere bei den auf eine Dauerbelastung abstellenden Steuern, namentlich den auf Vermögensgrundlage fußenden Einheitswertsteuern“36.

Hensel war seiner Zeit – nicht nur in diesem Punkte – weit voraus. Im Rahmen der Grundsteuerreform, die Stefan Breinersdorfer aus dem rheinland-pfälzischen Ministerium der Finanzen vorstellen wird37, werden dem wertorientierten Bundesgesetz von einzelnen abweichungswilligen Landesgesetzgebern wertunabhängige oder kombinierte Modelle entgegengesetzt38. Einzelne Landesgesetze sind bereits verabschiedet, andere Landesparlamente beraten zurzeit über Ob und Wie einer landesgesetzlichen Abweichung. Dabei wird eine wertbasierte Grundsteuer – je nach politischer Grundeinstellung – als Vorbote oder Türöffner für eine Revitalisierung der Vermögensteuer begrüßt oder bekämpft. Sollte die Vermögensteuer, für die sich im aktuellen Bundestagswahlkampf 2021 mehrere Parteien dezidiert ausgesprochen haben, wieder erhoben werden, so würde sich das eingangs angesprochene Konkurrenzproblem wieder und sicherlich verschärft stellen. Beim Ringen um eine verfassungsfeste Besteuerung von Grundvermögen ist an den ernüchternden Befund des im Mai 2021 verstorbenen Klaus Tipke, Initiator dieser Gesellschaft und ihr Ehrenmitglied39, in seiner „Steuerrechtsordnung“ zu erinnern: „Zu einer zeitnahen, gerechten Grundstücksbewertung sind die Finanzbehörden noch nie in der Lage gewesen. ‚Gleichheit im Belastungserfolg‘ ist zu keiner Zeit erreicht worden“40.

35 36 37 38

Hensel, Steuerrecht, 3. Aufl. 1933, S. 82 f. (Hervorhebungen im Original). Hensel, Steuerrecht, 3. Aufl. 1933, S. 83 (Hervorhebungen im Original). Breinersdorfer, in diesem Tagungsband. Zum Überblick über abweichende Landes-Grundsteuern Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, Rz. 16.37 ff. 39 Näher Drüen, Nachruf auf Klaus Tipke, DStR 2021, 1385; eingehende Würdigungen von Person und Werk durch P. Kirchhof, Klaus Tipke: Steuergerechtigkeit, StuW 2021, 190 und Seer, Klaus Tipke (8.11.1925 – 13.5.2021) – Leben im Dienst der Steuerrechtswissenschaft, FR 2021, 665. 40 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl. 2003, S. 956.

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Auch das zweite Reformthema bei der Besteuerung von Immobilien hat lange historische Schatten. Für Immobilientransaktionen ist nach langen politischen und steuerfachlichen Diskussionen41 zum Ende der auslaufenden Legislaturperiode noch die neue, verschärfende Regelung für sog. share deals bei der Grunderwerbsteuer getroffen worden. Das ist Anlass, dass sich zunächst Joachim Englisch, Münster, grundlegend mit dem Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer beschäftigt42 und sodann Rechtsanwalt und Steuerberater Heinrich Hübner aus Reutlingen speziell Fragen des Anteilseignerwechsels und grunderwerbsteuerlicher Folgen beleuchtet43. Eingangs sei auch insoweit nur die Kontinuität des Rechtsproblems hervorgehoben, die in der aktuellen Diskussion und bei „modernen“ Reformvorschlägen nicht immer hinreichend deutlich wird. Dabei ist die Instrumentalisierung von grundbesitzenden Personen- und Kapitalgesellschaften zur Vermeidung von „Grundwechselabgaben“ so alt wie diese Abgaben selbst. Seit jeher waren dem Gesetzgeber die Unzulänglichkeiten bei der Besteuerung von Anteilserwerben bzw. -übertragungen bei grundbesitzenden Gesellschaften bewusst44, wie bereits die Begründung zum GrEStG 194045 belegt. Durch die Änderungen der zivilrechtlichen Grundlagen der Personengesellschaften durch das MoPeG stellen sich auch im Steuerrecht manche Fragen neu. Das gilt namentlich für die §§ 5, 6 GrEStG, die noch heute auf dem Gesetz vom 1940 fußen46. Natürlich muss der Gesetzgeber darüber befinden, ob die einst gefundenen Antworten noch zeitgemäß sind und – freilich im Rahmen des Verfassungs- und Unionsrechts – ggf. zeitgemäßere Lösungen einführen.

41 Zum Zwischenstand Hirschberg/Schaflitzl, Grunderwerbsteuer – Stand der Reformüberlegungen und mögliche Auswirkungen für die Beratungspraxis, Ubg 2019, 253. 42 Englisch, Belastungsgrund und Ausgestaltung der Grunderwerbsteuer, in diesem Tagungsband. 43 Hübner, Anteilseignerwechsel und Grunderwerbsteuer, in diesem Tagungsband. 44 Dazu bereits Drüen, Verfassungsfragen bei der Reform der Grunderwerbsteuer, Ubg 2018, 605 (607) m.w.N. 45 Begründung zum Grunderwerbsteuergesetz, RStBl. 1940 v. 5.4.1940, 387 (392). 46 Zur Rechtsentwicklung Schley in Behrens/Wachter, 2018, § 5 GrEStG Rz. 12, § 6 GrEStG Rz. 12.

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III. Weitere Felder der „Immobilienbesteuerung“ Die Dramaturgie der Einzelthemen ergibt sich aus dem Programm, das der Wissenschaftliche Beirat der DStJG nach Vorbereitung durch eine Programmkommission beraten und beschlossen hat. Uns ist die Unvollständigkeit bewusst und wir lassen insbesondere die Zweitwohnungsteuern47 gezielt außer Betracht48. Neben den angesprochenen Themenfeldern wird Karoline Spies aus Wien die Umsatzsteuer behandeln49, während sich Christine Osterloh-Konrad aus Tübingen mit den Begünstigungen von Immobilien im Rahmen der Verschonung von Betriebsvermögen und der Steuerbefreiung „familiär“ genutzter Immobilien bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer beschäftigt50. Beim besonderen Schwerpunkt der Ertragsbesteuerung von Immobilien legt Andreas Musil die Grundlagen und zeigt Perspektiven auf 51. Nils Trossen vom BFH vertieft die Vermietung und Verpachtung von Grundbesitz als einer besonderen Einkunftsart bei der Einkommensteuer52, die inzwischen ihren Charakter von einer defizitären Subventionseinkunftsart53 zu ertragsbringender Steuerquelle für den Fiskus gewandelt hat54. Bei der Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer gilt die Rechtsformabhängigkeit der Besteuerung der Vermietung und Veräußerung von Immobilien, so dass bei Immobiliengesellschaften ein differenzierender Blick erforderlich ist, den Martin Klein, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater aus Frankfurt am Main, anstellen wird55. Natürlich darf in einer globalen Wirtschaft trotz der Ortsgebundenheit des Grundbesitzes

47 Dazu zuletzt Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, Rz. 18.120; Überblick und Rechtsprechungsübersicht zur „Zweitwohnungssteuer“ bei Troll/Eisele, GrundStG, 12. Aufl. 2021, Anhang V. 48 Gegen ihre Rechtfertigung bereits Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl. 2003, S. 1118 ff. 49 Spies, Immobilien im Umsatzsteuerrecht, in diesem Tagungsband. 50 Osterloh-Konrad, Immobilien im Erbschaftsteuerrecht, in diesem Tagungsband. 51 Musil, Systemfragen und Reformperspektiven der Ertragsbesteuerung von Immobilien, in diesem Tagungsband. 52 Trossen, Erzielung und Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, in diesem Tagungsband. 53 Pezzer, Vermietung und Verpachtung – eine strukturell defizitäre Einkunftsart, in Gedächtnisschrift Trzaskalik, 2005, S. 239. 54 Drüen in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 21 EStG Rz. A 40 f. (Okt. 2019). 55 Klein, Besteuerung von Immobiliengesellschaften, in diesem Tagungsband.

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nicht die internationale Sicht56 fehlen, weshalb Madeleine Simonek aus Zürich namentlich Abkommensrecht- und -praxis zu Immobilieneinkünften präsentieren wird57. Das aktuelle Thema eines Schutzes des Steueraufkommens vor Verlagerung zur Nutzung des internationalen Steuergefälles stellt sich bei Immobilien freilich nicht, denn – so schon Tipke – „Grundstücke können nicht fliegen“58. Damit genug der Vorrede. Achtet die Gesellschaft im Allgemeinen auf die Koinzidenz von Tagungsort und -thema, so ist es der Pandemie geschuldet, dass ausgerechnet der ortsgebundene Grundbesitz örtlich freischwebend im Netz behandelt wird. Aber vielleicht eröffnet der virtuelle Tagungsort ja besonders ungebundene Analysen und Perspektiven zur Immobilienbesteuerung. Ich wünsche uns einen guten Verlauf dieser digitalen Tagung mit anregenden Vorträgen und – trotz der räumlichen Ferne – lebhaften Diskussionen. Ich eröffne die 45. Jahrestagung der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft. Die Tagesleitung liegt ortsungebunden in den Händen der Leitungsgremien der Gesellschaft, am ersten Tag bei Frau Prof. Johanna Hey als stellvertretener Vorsitzender und am zweiten bei Herrn Prof. Rainer Hüttemann als Vorsitzendem des Wissenschaftlichen Beirats.

56 Daneben mag bei einzelnen Steuern der Rechtsvergleich lohnen (exemplarisch zur Grundsteuer der internationale Vergleich bei Troll/Eisele, GrundStG, 12. Aufl. 2021, Anhang IV m.w.N.). 57 Simonek, Immobilien im internationalen Steuerrecht, in diesem Tagungsband. 58 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl. 2003, S. 960.

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Besteuerung von Immobilien aus ökonomischer Sicht Prof. Dr. rer. pol. Ralf Maiterth* Humboldt-Universität zu Berlin

I. Einleitung II. Marktversagen auf dem Mietwohnungsmarkt? III. Besteuerung von Immobilien aus ökonomischer Sicht 1. Ökonomische Legitimation von Steuern a) Äquivalenzprinzip b) Leistungsfähigkeitsprinzip 2. Effizienz als ökonomisches Leitmotiv a) Effiziente Allokation von privaten und öffentlichen Gütern b) Effiziente Besteuerung zur Vermeidung steuerlicher Zusatzlasten c) Effiziente (Ertrags-)Besteuerung auf privatwirtschaftlichen Märkten

d) Effiziente (Grundstücks-)Besteuerung und Bereitstellung öffentlicher Güter IV. Kritische Würdigung des Status Quo der Immobilienbesteuerung 1. Ertragsbesteuerung von Immobilien a) Niedrige Erfassungsquote der Einkünfte aus vermieteten Immobilien im Privatvermögen b) Konsumgutlösung für selbstgenutzte Immobilien c) Tarifvergünstigungen im gewerblichen Bereich 2. Grundsteuer V. Fazit

I. Einleitung Die Besteuerung von Immobilien ist seit einiger Zeit wieder in den Fokus sowohl der steuerpolitischen als auch der wissenschaftlichen Diskussion gerückt. Dies liegt u.a. an den zum Teil dramatischen Entwicklungen, vor allem was Immobilienpreise und Neuvermietungen anbelangt. Aber auch im Mietbestand werden übermäßige Mietsteigerungen beklagt. Dies * Prof. Dr. Ralf Maiterth ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Humboldt-Universität zu Berlin, Teilprojektleiter im Sonderforschungsbereich TRR 266 Accounting for Transparency sowie Forschungsprofessor am DIW und Vorstandsmitglied von arqus e.V. Der Autor dankt seinen Wissenschaftlichen Mitarbeitern Leonie Babilas, Hans-Peter Huber und Karina Körösi sowie den Diskutanten der 45. DStJG-Jahrestagung für wertvolle Hinweise.

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hat zu verschiedenen gesetzgeberischen Maßnahmen geführt. Hier seien die bundesweite Mietpreisbremse und der – inzwischen für verfassungswidrig erklärte – Berliner Mietendeckel genannt. Die Ursachen für die gestiegenen Immobilienpreise und -mieten sind vielfältig: Der Zuzug in Ballungszentren, strikte gesetzliche Bauvorgaben, eine restriktive Baulandpolitik sowie das niedrige Zinsniveau haben einen starken Preisanstieg zu verantworten. So haben sich die Berliner Immobilienpreise innerhalb der letzten 10 Jahre nahezu verdreifacht.1 Die Angebotsmieten, also die Mieten von neu vermieteten Wohnungen, sind im selben Zeitraum um lediglich rund 66 % gestiegen.2 Beklagt wird im Zusammenhang mit den steigenden Immobilienpreisen, dass die Wertsteigerungen aufgrund der niedrigen Immobilieneigentumsquote in Deutschland insbesondere den wohlhabenderen Haushalten zugutekommen und somit zu einer stärkeren Vermögensungleichheit beitragen. Aus ökonomischer Sicht ist die Besteuerung von Immobilien aus mehreren Gründen interessant. Zum einen ist die Immobilienwirtschaft ein bedeutender Wirtschaftsfaktor.3 Rund 815.000 Unternehmen in diesem Bereich erbringen rund 18 % der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung. 56 % des gesamten Nettoanlagevermögens entfällt auf das Immobilienvermögen, das aus rund 41 Mio. Wohnungen und über 19 Mio. Gebäuden besteht. Zum anderen weist der Immobilienmarkt einige Besonderheiten auf. So ist Grund und Boden im Gegensatz zu anderen Produktionsfaktoren (Arbeit und Kapital) immobil und lässt sich nicht beliebig vermehren. Hinzu kommen zahlreiche staatliche Regulierungen wie die Ausweisung von Bauland sowie die Festlegung der Bebauungsart 1 Vgl. Guthmann Estate (2021) Immobilien-Marktreport Berlin 2021, abrufbar unter: https://guthmann.estate/de/marktreport/berlin/ (Stand: 19.10.2021). 2 Die Daten hierzu stammen von Investitionsbank Berlin 2016 und 2020 (Investitionsbank Berlin, IBB Wohnungsmarktbericht 2016, abrufbar unter: https:// www.ibb.de/media/dokumente/publikationen/berliner-wohnungsmarkt/woh nungsmarktbericht/ibb_wohnungsmarktbericht_2016.pdf [Stand: 19.10.2021]; Investitionsbank Berlin, IBB Wohnungsmarktbericht 2020, abrufbar unter: https://www.ibb.de/media/dokumente/publikationen/berliner-wohnungs markt/wohnungsmarktbericht/ibb_wohnungsmarktbericht_2020.pdf [Stand: 19.10.2021]). Dagegen sind die Mieten in Berlin insgesamt zwischen 2005 und 2018 lediglich um 23 % gestiegen. 3 Vgl. dazu Just/Voigtländer/Eisfeld/Henge/Hesse/Toschka, Wirtschaftsfaktor Immobilien 2017, IRE|BS International Real Estate Business School, Heft 19, Kapitel 2.

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und -dichte. Bezüglich der aufstehenden Gebäude gilt für den Bestand dasselbe wie für den Grund und Boden, nämlich dass diese immobil sind. Gänzlich anders sieht es im Bereich des Wohnungsneubaus aus. Das hierfür notwendige Kapital ist mobil und wird bei einer ungenügenden Renditeerwartung in andere Anlageobjekte, z.B. Aktien, investiert. Auch reagiert der Immobilienmarkt relativ träge auf Änderungen des Umfelds, was insbesondere an langen Planungsverfahren und einer politisch gesteuerten Baulandpolitik liegt. Bei der Immobilienbesteuerung liegt das Hauptaugenmerk der derzeitigen Diskussion vor allem auf der Behandlung von Share Deals bei der Grunderwerbsteuer und der Neuordnung der Grundsteuer. Jüngst haben Bach und Eichfelder aber auch ertragsteuerliche Privilegien ausgemacht und deren Abschaffung gefordert.4 Der vorliegende Beitrag geht der Frage nach, wie die Immobilienbesteuerung aus ökonomischer Sicht ausgestaltet sein sollte. Dabei wird auf die Grundsteuer und die Ertragsbesteuerung abgestellt, wohingegen die Grunderwerbsteuer, ebenso wie die Umsatz- oder die Erbschaft- und Schenkungsteuer, nicht betrachtet werden. Zunächst wird gezeigt, dass die derzeit oftmals angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt nichts mit Marktversagen zu tun hat, wie dies gerade in der politischen Diskussion oftmals behauptet wird. Danach wird auf die ökonomische Legitimation von Steuern und die Effizienz als ökonomisches Leitmotiv bei der Besteuerung eingegangen. Anschließend werden die Ertragsbesteuerung und die Grundsteuer aus ökonomischer Sicht beleuchtet und der Status quo einer kritischen Würdigung unterzogen.

II. Marktversagen auf dem Mietwohnungsmarkt? In diesem Abschnitt wird gezeigt, dass die derzeitige Situation auf dem Wohnungsmarkt nicht durch Marktversagen verursacht wird, sondern Ausfluss der wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen ist. Dies ist wichtig für das Verständnis der nachfolgenden Abschnitte, da eine effiziente Besteuerung darauf ausgelegt ist, eine effiziente Allokation möglichst wenig zu beeinträchtigen. Eine effiziente Allokation kann sich im Fall von Marktversagen allerdings nicht einstellen, so dass das

4 Vgl. Bach/Eichfelder, Reform der Immobilienbesteuerung: Bodenwerte belasten und Privilegien streichen, in DIW Berlin, DIW Wochenbericht Nr. 27, 2021, doi:10.18723/diw_wb:2021–27-3, S. 264–469.

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Postulat einer effizienten Besteuerung auf solchen Märkten nicht sinnvoll anwendbar ist. Das Argument des Marktversagens soll für den Mietwohnungsmarkt entkräftet werden. Dazu werden die Preisreaktionen auf einem funktionierenden Mietwohnungsmarkt betrachtet, um zu erkennen, dass es genau diese Reaktionen sind, die augenblicklich auf dem Mietwohnungsmarkt zu beobachten sind. Zunächst sei der Mietwohnungsmarkt betrachtet, wie er sich in aller Regel auf kurze Sicht darstellt. Ein solcher Markt ist gekennzeichnet durch eine (preis-)elastische, also eine auf Preisänderungen reagierende und damit fallende Nachfragekurve sowie ein (nahezu) unelastisches Wohnungsangebot, das kurzfristig (nahezu) unveränderlich ist und damit eine vertikale Angebotskurve besitzt (vgl. Abbildung 1). Abbildung 1: „Marktversagen“ auf dem Mietwohnungsmarkt

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Während die nachgefragte Menge an Wohnraum mit steigendem (Miet-) Preis abnimmt, ist die angebotene (Gleichgewichts-)Menge an Wohnraum (X0) auf kurze Sicht unveränderlich und damit unabhängig vom herrschenden Marktpreis. Dies liegt daran, dass neue Wohnungen geplant und gebaut werden müssen, was eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Zudem können zusätzliche Wohnungen nur gebaut werden, wenn entsprechend Bauland zur Verfügung steht. Dazu bedarf es in der Regel der Ausweisung neuen Baulands bzw. neuer Bebauungsmöglichkeiten, was zusätzlich Zeit in Anspruch nimmt. Zudem wird die Ausweisung neuen

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Baulands durch die Städte und Gemeinden in der Regel äußerst restriktiv gehandhabt. Das Berliner Beispiel „Tempelhofer Feld“, das infolge eines Volksentscheids nicht einmal teilbebaut werden darf, mag als Illustration hierfür dienen. Kommt es in einer solchen Konstellation zu einer gestiegenen Nachfrage nach Wohnraum – Ökonomen sprechen von einem Nachfrageschock – insbesondere durch Zuzug neuer Bewohner, führt dies zu Mietsteigerungen (P0 auf P1). Dies ist für die Mieter zwar eine unerfreuliche Entwicklung, weil sie entweder mehr Miete für ihre bisherige Wohnung aufwenden oder in eine kleinere Wohnung ziehen müssen, um ihre Mietausgaben konstant zu halten. Dies mag aus sozialpolitischer Sicht unerwünscht sein, bedeutet aber kein Marktversagen. Vielmehr reagiert der Mietmarkt wie alle anderen Märkte auch mit steigenden Preisen, wenn die Nachfrage steigt. Auch im Fall eines (preis-)elastischen Wohnungsangebots steigt der Mietpreis. Jedoch fällt die Preissteigerung nun geringer aus, weil sich nicht nur die Nachfrage, sondern auch die Menge an angebotenem Wohnraum erhöht (Abbildung 2). Abbildung 2: „Marktversagen“ auf dem Mietwohnungsmarkt

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Je elastischer die Angebotsseite auf eine gestiegene Nachfrage reagieren kann, umso flacher verläuft die Angebotskurve, umso geringer ist die Preissteigerung (P0 auf P1) und umso höher ist das zusätzliche Angebot an Wohnraum (X0 auf X1). Es ist also insbesondere an der Politik, Ver-

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waltungsverfahren zu beschleunigen, mehr Bauland auszuweisen oder andere Möglichkeiten zu eröffnen, vermehrt Wohnungen zu erstellen.5

III. Besteuerung von Immobilien aus ökonomischer Sicht 1. Ökonomische Legitimation von Steuern a) Äquivalenzprinzip Das Äquivalenzprinzip der Besteuerung fußt auf der Äquivalenztheorie, wonach der einzelne Steuerpflichtige ein originäres Interesse an staatlichen Leistungen hat, weil er unmittelbar von diesen profitiert, und daher auch bereit ist, Steuern zu entrichten. Steuern werden als Preis für staatliche Leistungen angesehen.6 Im Kontext der Immobilienbesteuerung bedeutet eine Besteuerung nach dem Äquivalenzprinzip, dass die zu zahlenden Steuern als Preis für die lokale Infrastruktur angesehen werden.7 Das Äquivalenzprinzip hat zwei Ausprägungen: 1. Individuelle Äquivalenz: Hiernach sind Steuern das Äquivalenz einer einzelnen Person für die staatlichen Leistungen, die dieser Person Nutzen stiften. Dieses Prinzip wird oftmals im Zusammenhang mit der Grundsteuer angeführt. 2. Gruppenmäßige Äquivalenz: Steuern werden in diesem Fall bezogen auf einzelne Bevölkerungsgruppen so erhoben, dass die jeweilige Bevölkerungsgruppe als Ganzes so viel Steuern entrichtet, wie die Bereitstellung der von ihr genutzten staatlichen Leistungen kostet. Mit diesem Prinzip wird oftmals die Gewerbesteuer begründet.

b) Leistungsfähigkeitsprinzip Das Leistungsfähigkeitsprinzip wird von der weit überwiegenden Anzahl der Ökonomen als das bedeutsamste Prinzip zur Legitimation der Besteuerung angesehen. Für eine Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip ist es ohne Belang, wer Nutzen aus staatlichen Leistungen zieht. Stattdessen soll sich der Steuerbeitrag eines Wirtschaftssubjekts 5 Z.B. durch eine weniger bürokratische Regulierung beim Ausbau von Dachgeschossen zu Wohnraum. 6 Vgl. Homburg, Allgemeine Steuerlehre, 7. Aufl. 2015, S. 40. 7 Vgl. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie: Eine Einführung in die Finanzwissenschaft, 8. Aufl. 2016, S. 179.

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an dessen Leistungsfähigkeit orientieren.8 Eine Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip fordert bereits Adam Smith in seinem 1776 erschienenen bahnbrechendem Werk An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations.9 Es soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass unter den Ökonomen keinesfalls Einigkeit darüber herrscht, dass das Einkommen einer Person der geeignete Maßstab zur Bemessung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist. Vielmehr präferiert ein Teil der Vertreter der ökonomischen Zunft den Konsum als steuerliche Bemessungsgrundlage, da durch eine Konsumsteuer infolge der Steuerfreiheit der (Normal-)Verzinsung des gesparten/investierten Kapitals die Ersparnisbildung nicht verzerrt wird.10 Wenn man das Einkommen als geeigneten Indikator für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ansieht, bedeutet das für die Besteuerung von Immobilien, dass die mit einer Immobilie erzielten Einkünfte zu besteuern sind.

2. Effizienz als ökonomisches Leitmotiv a) Effiziente Allokation von privaten und öffentlichen Gütern Ökonomen interessieren sich in erster Linie für die effiziente Ressourcenallokation. Das heißt, sie gehen der Frage nach, wie knappe Ressourcen (z.B. Arbeit, Kapital oder Boden) zur Produktion von Gütern und Dienstleistungen eingesetzt werden sollen, damit ein möglichst hohes Wohlfahrtsniveau gewährleistet werden kann. Eine effiziente Allokation wird im Bereich privater Güter – dies sind Güter, bei denen ein potentieller Nutzer vom Konsum ausgeschlossen werden kann – bei funktionierenden Märkten durch die „unsichtbare Hand“ (A. Smith) des freien Marktes gewährleistet. Die „unsichtbare Hand“ bewirkt, dass aufgrund der Konkurrenz zwischen den zahlreichen Anbie8 Vgl. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, 5. Aufl. 1990, S. 238. 9 Vgl. A. Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, 1776 (Hrsg. Soares, MetaLibri DigitalLibrary, 2007), S. 639 f., abrufbar unter: https://www.ibiblio.org/ml/libri/s/SmithA_WealthNations_p.pdf (Stand: 16.10.2020). 10 Die bis in die 2000er Jahre intensiv geführte Kontroverse spielt gegenwärtig kaum mehr eine Rolle. Als besondere Verfechter einer einkommensbasierten Besteuerung seien hier für den deutschsprachigen Raum exemplarisch Peter Bareis, Stefan Homburg, Dieter Schneider und Theodor Siegel genannt. Für eine Konsumsteuer haben insbesondere Manfred Rose, Franz W. Wagner und Ekkehard Wenger plädiert.

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tern die produzierten Güter und Dienstleistungen zum niedrigstmöglichen Preis angeboten werden. Im Fall des vollkommenen Wettbewerbs (zahlreiche Anbieter ohne jegliche Marktmacht) werden unternehmerische Gewinne „wegkonkurriert“.11 Bei öffentlichen Gütern ist der Ausschluss einzelner Wirtschaftssubjekte von der Nutzung nicht möglich oder extrem kostspielig (z.B. staatliche Infrastruktur, Landesverteidigung), somit versagt das Marktprinzip. Daher müssen diese Güter von der öffentlichen Hand bereitgestellt und mittels Steuern finanziert werden. Der Standortwettbewerb bietet in einem dezentralen Staatswesen eine Möglichkeit, öffentliche Güter (hier wird insbesondere auf öffentliche Infrastruktur abgestellt) durch „voting by feet“ effizient bereitzustellen.12 Dies geht auf Tiebout13 (1956) zurück und besagt, dass die unterschiedlichen Jurisdiktionen verschiedene Niveaus an Infrastruktur und Steuerbelastung anbieten und die Bürger sich in derjenigen Jurisdiktion niederlassen, die ihren Präferenzen am besten entspricht.14

b) Effiziente Besteuerung zur Vermeidung steuerlicher Zusatzlasten Jegliche Steuern mindern die Kaufkraft des privaten Sektors, da Ressourcen zugunsten des öffentlichen Sektors umverteilt werden.15 Selbst bei einer Steuer ohne Erhebungs- und Entrichtungskosten ist die Gesamtbelastung einer Volkswirtschaft bzw. deren Wirtschaftssubjekte höher als das Steueraufkommen, wenn eine Zusatzlast der Besteuerung (excess burden oder deadweight loss of taxation) auftritt.16 Darunter versteht man über die reine Steuerzahlung hinausgehende Wohlfahrtseinbußen, die durch steuerinduzierte Verhaltensänderungen entstehen.

11 Ein Gewinn i.H.v. null bedeutet aber nicht, dass die Unternehmen mit ihrem eingesetzten Kapital keine Rendite erzielen. Sie erzielen eine Rendite, die gerade ihre Kapitalkosten deckt, und damit auch einen Gewinn im buchhalterischen Sinne, nicht jedoch einen Gewinn im ökonomischen Sinne. Dieser entsteht erst, wenn ein Überschuss über die Kapitalkosten hinaus verbleibt. 12 Vgl. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie8, S. 180. 13 Tiebout, A Pure Theory of Local Expenditures, in Journal of Political Economy, Vol. 64(5), 1965, S. 416–424. 14 Vgl. dazu ausführlich Gruber, Public Finance and Public Policy, 3. Edition 2011, S. 267–275. 15 Vgl. Wellisch, Finanzwissenschaft II: Theorie der Besteuerung, 1999, S. 23. 16 Vgl. Homburg, Allgemeine Steuerlehre7, S. 142.

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Als Lehrbuchbeispiel zur Illustration der Zusatzlast der Besteuerung dient eine auf ein spezielles Gut erhobene Mengensteuer (vgl. Abbildung 3).17 Abbildung 3: Wohlfahrtseffekte der Besteuerung auf einem Gütermarkt

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Das Marktgleichgewicht ohne Besteuerung befindet sich im Punkt C, bei dem zum Preis PG die Menge XG des Gutes gehandelt wird. Die Konsumenten erzielen eine Konsumentenrente in Größe der Dreiecksfläche PGCB, da auch Konsumenten das Gut zum Preis PG erwerben können, die einen höheren Preis (max. B) zu zahlen bereit wären. Umgekehrt umfasst die Produzentenrente die Dreiecksfläche ACPG, da auch Produzenten (Anbieter), die zu einem niedrigeren Preis anbieten würden (min. A), den Preis PG erhalten. Infolge der Mengensteuer t pro Gut sinkt der von den Produzenten vereinnahmte Nettopreis von PG auf Pnetto (= Pbrutto – t), der Bruttopreis des Konsumenten steigt von PG auf Pbrutto (= Pnetto + t) und die abgesetzte Menge geht von XG auf XS zurück. Damit tragen sowohl die Anbieter als auch die Produzenten einen Teil der Steuerlast, so dass sich sowohl die Konsumenten- als auch die Produzentenrente reduzieren (auf die Flächen PbruttoBD bzw. AEPnetto). Das aus den Steuerzahlungen resultieren-

17 Vgl. zur Zusatzlast der Besteuerung Homburg, Allgemeine Steuerlehre7, S. 142–145.

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de Steueraufkommen entspricht der Fläche des Rechtecks PnettoEDPbrutto und stellt lediglich eine wohlfahrtsneutrale Umverteilung hin zum Staat dar. Darüber hinaus entsteht jedoch ein Wohlfahrtsverlust (deadweight loss) in Höhe der Fläche ECD (Harberger Dreieck).18 Ein prägnantes Beispiel für steuerliche Zusatzlasten bildet die zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert in England erhobene Fenstersteuer.19 Dabei wurde die Anzahl der Fenster als Indikator für den Wert eines Gebäudes und damit die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Steuerzahlers herangezogen. Um die Steuerbelastung zu reduzieren, wurden wesentlich weniger Fenster in den Gebäuden eingebaut als vor der Einführung der Steuer und bestehende Fenster teilweise sogar zugemauert. Dies hatte sowohl negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Bewohner20 als auch auf das Steueraufkommen. Um das Budgetziel zu erreichen, wurde die Fenstersteuer erhöht, was zu noch stärkeren Ausweichhandlungen führte.

c) Effiziente (Ertrags-)Besteuerung auf privatwirtschaftlichen Märkten Auf privatwirtschaftlich organisierten Märkten soll die Besteuerung möglichst so ausgestaltet werden, dass die oben beschriebenen Zusatzlasten minimiert (second-best) oder gänzlich vermieden (first-best) werden.21 Steuerliche Verzerrungen lassen sich dann komplett vermeiden (firstbest), wenn die Steuerpflichtigen keine Möglichkeit besitzen, der Steuerbelastung durch eine Steuervermeidung in Form von Substitutionseffekten auszuweichen.22 Dies ist bei einer Pauschalsteuer der Fall, die

18 Vgl. Harberger, The Incidence of the Corporation Income Tax, in Journal of Political Economy, Vol. 70 3, 1962, S. 215–240. 19 Vgl. zu diesem Abschnitt Oates/Schwab, The Window Tax: A Case Study in Excess Burden, in Journal of Economic Perspectives, Vol. 29(1), 2005, S. 163–179. 20 Gerade in Gegenden mit ärmeren Bewohnern wurden zum Teil ganze Stockwerke ohne Fenster gebaut, was sich naturgemäß äußerst negativ auf den Gesundheitszustand dieses Teils der Bevölkerung auswirkte. 21 Vgl. ausführlich zur first-best und second-best Besteuerung Homburg, Allgemeine Steuerlehre7, S. 149–160. 22 Vgl. Kaiser, Konsumnachfrage, Arbeitsangebot und optimale Haushaltsbesteuerung: Theoretische Ergebnisse und mikroökonometrische Simulation für die Bundesrepublik Deutschland, in Albers/Krause-Junk et al. (Hrsg.): Finanzwissenschaftliche Schriften, No. 42, 1990, S. 16.

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nur einen wohlfahrtsökonomisch unbedenklichen Einkommenseffekt (Einkommenstransfer zum Staat hin), aber keinen störenden Substitutionseffekt hat, da eine Pauschalsteuer unabhängig vom individuellen Verhalten zu zahlen ist.23 Eine Pauschalsteuer kann als Kopfsteuer ausgestaltet sein, sich aber auch nach anderen Kriterien, z.B. nach den individuellen Fähigkeiten (die zugegebenermaßen schwer zu ermitteln sind) richten. Die gleiche Wirkung geht von einer allgemeinen Gütersteuer aus, wenn diese gleichmäßig auf sämtliche Güter erhoben wird. Wichtig ist hier jedoch, dass dann auch das Gut „Freizeit“ besteuert werden muss.24 Da diese beiden Formen der erstbesten Besteuerung entweder aus verteilungspolitischen (Kopfsteuer) oder administrativen Gründen (andere Formen der Pauschalsteuer oder die geforderte Besteuerung der Freizeit bei einer allgemeinen Gütersteuer) nicht in Betracht kommen25, besteht nur noch die Möglichkeit der „second-best“-Besteuerung. Eine „second-best“-Besteuerung versucht, steuerbedingte Verhaltensanpassungen zu minimieren, wenn sich diese schon nicht gänzlich vermeiden lassen. Das Informationsproblem einer Pauschalsteuer wird überwunden, indem der Fiskus auf die Besteuerung von beobachtbaren Größen, wie das Einkommen oder den Konsum, abstellt.26 Im Zusammenhang mit der Konsumbesteuerung hat Ramsey bereits 1927 die Inverse-Elastizitäten-Regel aufgestellt.27 Danach sollen preis- und damit steuerelastische Güter, das sind solche, bei denen die Nachfrage stark auf Preisänderungen reagiert (z.B. Luxusgüter), niedrig besteuert werden. Umgekehrt sollen preisunelastische Güter (z.B. Güter des täglichen Bedarfs) hoch besteuert werden, weil in diesem Fall ein Ausweichen der Besteuerung schwerfällt.28 Wenn man die Inverse-Elastizitäten-Regel auf den Bereich der Ertragsteuer überträgt, bedeutet dies, dass mobile Einkünfte, die steuerelastisch sind, niedrig besteuert und immobile und

23 Vgl. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft5, S. 264. 24 Vgl. zur Effizienz einer allgemeinen Gütersteuer Homburg, Allgemeine Steuerlehre7, S. 150 ff. 25 Vgl. Homburg, Allgemeine Steuerlehre7, S. 152. 26 Vgl. Wiegard, Erkenntnisgegenstand und -inhalt der „Neuen Finanztheorie“, in FinanzArchiv, Vol. 40(1), S. 155 (160). 27 Vgl. Ramsey, A contribution to the theory of taxation, in Economic Journal, Vol. 37 (145), 1927, S. 47–61. 28 Da diese Art der Besteuerung verteilungspolitisch hoch problematisch ist, findet sich eine derartige Besteuerung auch in keinem existierenden Steuersystem.

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damit steuerunelastische Einkünfte hoch besteuert werden sollten. Die duale Einkommensteuer der skandinavischen Staaten ist eine Besteuerung, die hiernach ausgerichtet ist. Die (Normal-)Verzinsung von Kapital wird proportional und niedrig besteuert, während ökonomische Renten (Übergewinne) und Arbeitseinkünfte progressiv besteuert werden.29 Auf die Ertragsbesteuerung von Immobilien übertragen bedeutet dies, dass Einkünfte aus dem Immobiliensektor eher höher denn niedriger als andere Einkünfte besteuert werden sollten.30 Das gilt zumindest für Einkünfte aus dem Grund und Boden (Bodenrente31) sowie dem bereits bestehenden Gebäudebestand. Beides ist immobil und kann der Besteuerung daher nicht ausweichen.32 Anders verhält es sich allerdings beim Gebäudeneubau. Hier kann einer höheren Besteuerung durch eine anderweitige Verwendung des Kapitals ausgewichen werden. Um den Neubau von Gebäuden steuerlich nicht zu behindern, verbleibt daher nur eine höhere Besteuerung der aus dem Grund und Boden resultierenden Einkünfte. Ob sich dies allerdings in der Besteuerungspraxis umsetzen lässt, erscheint zweifelhaft. Immobilieneinkünfte müssten entsprechend aufgeteilt werden, was in der Besteuerungspraxis nicht administrierbar ist. Eine weitere Forderung an eine Besteuerung, die steuerbedingte Verzerrungen minimiert, ist, dass ökonomisch gleichwertige Einkünfte gleich besteuert werden. Bezogen auf die Ertragsbesteuerung von Immobilien bedeutet dies, dass (laufende) Mieteinkünfte und (aperiodische) Veräußerungsgewinne identisch besteuert werden sollten. Andernfalls wird die

29 Dagegen orientiert sich die Abgeltungsteuer in Deutschland nur unzureichend an diesem Prinzip. 30 Blesse/Dörrenberg/Rauch, Higher Taxes on Less Elastic Goods? Evidence from German Municipalities, ZEW Discussion Paper No. 18-039, 2018, zeigen, dass Immobilien im Vergleich zu Unternehmensgewinnen deutlich schwächer auf die Besteuerung auf lokaler Ebene reagieren und daher höher besteuert werden sollten. Bach/Eichfelder, DIW Wochenbericht Nr. 27, 2021, S. 465, verweisen zudem auf das Argument der Bodenrente, die leistungsloses Einkommen bedeutet, welches höher besteuert werden sollte. 31 Vgl. ausführlich zu Bodenrenten und deren Besteuerung van Suntum/Schultewolter, Die Besteuerung des Wohneigentums, in Voigtländer/Depenheuer (Hrsg.), Wohneigentum: Herausforderungen und Perspektiven, Vol. 11, 2014, S. 191 (193–196). 32 Nach Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie8, S. 179, sind „Grundstücke […] der Besteuerung durch den Fiskus ausgeliefert“.

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Wahl zwischen mietrenditestarken Immobilien und solchen, die bei einer niedrigen Mietrendite einen entsprechend höheren Wertzuwachs versprechen, steuerbedingt verzerrt.

d) Effiziente (Grundstücks-)Besteuerung und Bereitstellung öffentlicher Güter Wie unter III.2.a) dargelegt, lässt sich eine effiziente Bereitstellung öffentlicher Güter, wobei oftmals kommunale Infrastrukturleistungen adressiert werden, durch den Standortwettbewerb gewährleisten. Im deutschen Fall treten die Gemeinden als Wettbewerber auf, und die lokalen Steuern sind als Wettbewerbspreis anzusehen.33 Eine effiziente Besteuerung, die keinerlei unerwünschte Verhaltensanpassungen durch die Steuerpflichtigen mit sich bringt (first-best), liegt dann vor, wenn es sich um eine Äquivalenzsteuer handelt. Eine solche Steuer liegt vor, wenn ein Steuerpflichtiger gerade so viel an Steuern entrichtet, wie er Nutzen aus den öffentlichen Gütern der Gebietskörperschaft zieht. Die Grundsteuer wird als eine geeignete Kommunalsteuer angesehen, da sie als Preis für die Nutzung lokaler Infrastruktur eingestuft werden kann.34 Wenn sich die Grundsteuer auf den Wert des Grundstücks inklusive des aufstehenden Gebäudes bezieht, beinhaltet sie zwei Komponenten. Die erste Komponente ist die Bodenwertsteuer, die den Grund und Boden belastet. Die Bodenwertsteuer wird von den Ökonomen in der Regel positiv beurteilt. Es wird argumentiert, dass diese Steuer einzig den Grundstückseigner belastet (er vereinnahmt nur noch Pnetto statt Pbrutto, wie im Fall ohne Bodenwertsteuer), da dieser der Besteuerung nicht ausweichen kann (XG ändert sich nicht), da Grund und Boden unelastisch, weil nicht vermehrbar ist (vgl. Abbildung 4).35

33 Vgl. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie8, S. 180. 34 van Suntum/Schultewolter in Voigtländer/Depenheuer, Wohneigentum, 2014, S. 196 f., lehnen dagegen eine äquivalenztheoretische Begründung der Grundsteuer ab. 35 Vgl. Homburg, Allgemeine Steuerlehre7, S. 107.

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Abbildung 4: Inzidenz einer Bodenwertsteuer

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Der Grundstückseigner kann sich der Grundsteuerbelastung auch nicht durch Verkauf entziehen, da ein potentieller Käufer den Barwert der Grundsteuerbelastung kaufpreismindernd berücksichtigt.36 Dies gilt im Übrigen für jegliche Form der Zusatzsteuer auf den Bodenwert, also auch für eine höhere Einkommensteuer auf die Bodenwertrente. Das hier Gesagte gilt auch für eine Steuer auf den Gebäudebestand. Ob eine Bodenwertsteuer tatsächlich einzig den Grundstückseigentümer belastet, hängt von deren Ausgestaltung ab. Soweit die Bodenwertsteuer nach dem Äquivalenzprinzip erhoben wird, trägt bei vermieteten Objekten im Ergebnis der Mieter die Grundsteuer. Denn diese wird genau dann so bemessen, dass sie den Vorteil abschöpft, den eine Immobilie aus der Infrastruktur zieht. Eine bessere Infrastruktur schlägt sich in entsprechend höheren Mieten nieder, so dass folglich letztlich die Mieter – wie (bei selbstgenutzten Immobilien) die Eigentümer – für den Nutzen aus der kommunalen Infrastruktur bezahlen. Der Eigentümer leitet diesen Mehrbetrag an Miete via Grundsteuer lediglich an die Gemeinde weiter. Soweit die Grundsteuer allerdings den Infrastrukturvorteil übersteigt, trägt allein der Eigentümer den übersteigenden Teil der Steuerlast.37

36 Vgl. Homburg, Allgemeine Steuerlehre7, S. 108. 37 Dies gilt auch für alle anderen Steuern, die einzig auf Grund und Boden erhoben werden, wie eine höhere Einkommensteuer auf Bodenrenten.

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Die zweite Komponente der Grundsteuer ist die Gebäudewertsteuer. Wenngleich die Besteuerung des Gebäudewerts nicht auf derart uneingeschränkte Zustimmung unter den Ökonomen wie die des Bodenwerts trifft38, wird eine Gebäudewertsteuer von einem Teil der Ökonomen als ein geeignetes Instrument im Sinne einer „second-best“-Lösung angesehen, um Grenzballungskosten (Kosten der Ansiedlung neuer Personen) zu finanzieren.39 Ideal im Sinne von first-best wäre hier die Erhebung einer Kopfsteuer40, die jedoch politisch nicht durchsetzbar ist. Diese Erfahrung machte bereits Margaret Thatcher mit der Poll Tax im Vereinigten Königreich, die 1989 von ihr eingeführt und 1991 von ihrem Nachfolger, John Major, wieder abgeschafft wurde. Die Gebäudewertsteuer soll auf die Bewohner überwälzbar sein, damit auch diese merklich an der Finanzierung kommunaler Infrastruktur beteiligt sind. Dies trägt auch zur Steuersatzdisziplin der Gemeinden bei. Andernfalls droht die Gefahr, dass eine übermäßig hohe Grundsteuer in Form einer Bodenwertsteuer erhoben wird, wenn die Mieter die Mehrheit der Bevölkerung stellen41, wie es in deutschen Großstädten regelmäßig der Fall ist. Die Überwälzbarkeit auf die Mieter ist bei der Gebäudewertsteuer aber auch aus einem anderen Grund bedeutsam. Bei Betrachtung des Gebäudeneubaus zeigt sich, dass eine (vom Gebäudeeigentümer zu entrichtende) Gebäudesteuer vollständig vom Mieter getragen werden muss (Pbrutto = Pnetto + Steuer), weil kein Gebäudeneubau stattfindet, wenn dem Anbieter nicht Pnetto verbleibt (vgl. Abbildung 5).42

38 So präferieren Bach/Eichfelder, DIW Wochenbericht Nr. 27, 2021, S. 466, eine Bodenwertsteuer oder zumindest eine Stärkung der Bodenwertkomponente aus verteilungspolitischen Gründen. 39 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, Stellungnahme zur Reform der Grundsteuer, 2010, S. 2, abrufbar unter: https:// www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Ministe rium/Geschaeftsbereich/Wissenschaftlicher_Beirat/Gutachten_und_Stellung nahmen/Ausgewaehlte_Texte/2011-01-11-reform-der-grundsteuer-anl.pdf?__ blob=publicationFile&v=3. 40 Vgl. Richter/Heckmann, Die nicht umlagefähige Mietsteuer als Modell für eine Reform der Grundsteuer, StuW 2021, 331 (335); Wissenschaftlicher Beirat, Stellungnahme zur Reform der Grundsteuer, 2010, S. 2. 41 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat, Stellungnahme zur Reform der Grundsteuer, 2010, S. 3. 42 Der Rückgang an neu gebauten Gebäuden von XG auf XS resultiert aus der infolge des höheren Preises (Pbrutto . Pnetto) gesunkenen Nachfrage.

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Abbildung 5: Inzidenz einer Steuer auf den Gebäudeneubau

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Ursächlich hierfür ist, dass ein potentieller Investor eine bestimmte (Mindest-)Verzinsung seines eingesetzten Kapitals fordert und sein Kapital nicht im Gebäudeneubau, sondern anderweitig investiert, wenn er die – bei der Alternativanlage nicht anfallende – Grund(gebäude)steuerlast tragen muss. Mit anderen Worten, das Angebot an neuen Gebäuden reagiert vollkommen elastisch, falls die gewünschte (Mindest-)Rendite im Immobilienbereich nicht erzielt werden kann.43 Daher ist die in Deutschland zulässige Überwälzung der Grundsteuer auf die Mieter im Rahmen der Betriebskosten zu begrüßen, da eine Überwälzung im Rahmen der geforderten Nettokaltmiete aufgrund von Preisregulierungen (z.B. Mietspiegelmiete als Obergrenze für bestehende Mietverhältnisse) oftmals nicht gelingt. Sofern eine Überwälzung nicht gelingt, stellt sich das Problem einer Doppelbelastung der Erträge eines Grundstücks, einmal mit Grundsteuer und einmal mit Ertragsteuern.44 Dass die äquivalenztheoretische Argumentation zugunsten einer Bodensteuer in der Besteuerungsrealität an ihre Grenzen stößt, liegt auf der Hand. So bestimmt sich der Wert von Grund und Boden in hohem Maße durch Gegebenheiten, die von der Infrastruktur weitgehend unabhängig 43 Vgl. Homburg, Allgemeine Steuerlehre7, S. 110. 44 Vgl. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie8, S. 182; van Suntum/ Schultewolter in Voigtländer/Depenheuer, Wohneigentum, 2014, S. 196.

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sind. Der entscheidende Werttreiber für Grund und Boden ist die Lage des Grundstücks und deren Qualität, die vor allem von der Nachbarschaft, der natürlichen Umgebung und der Art der Bebauung bestimmt wird. Dabei kann die Kommune lediglich über die Art der Bebauung in begrenztem Umfang mitbestimmen. Ob sich allerdings die besonders begehrten Gründerzeithäuser in einer Gegend befinden, lässt sich nicht (mehr) beeinflussen und auch die bereits gegebene Bebauungsart und -dichte lässt sich auf Sicht nur wenig verändern. Auch erscheint zweifelhaft, dass die Gebäudewertkomponente einer Grundsteuer überwälzt werden kann, während die Bodenwertkomponente nicht überwälzt werden kann und beim Eigentümer verbleibt. Zum einen ist den Eigentümern (wie den Mietern) nur die gesamte Grundsteuerbelastung und nicht die einzelnen Komponenten bekannt. Aber selbst, wenn beides getrennt ausgewiesen würde, erscheint eine differenzierte Überwälzung bzw. Nicht-Überwälzung aufgrund der niedrigen Grundsteuerbelastung zweifelhaft.

IV. Kritische Würdigung des Status Quo der Immobilienbesteuerung 1. Ertragsbesteuerung von Immobilien Entgegen den wissenschaftlichen Erkenntnissen in Abschnitt III.2.b) werden Einkünfte aus dem Immobilienbereich in vielen Fällen niedriger besteuert als andere Einkünfte. Bach und Eichfelder sprechen von „erhebliche[n] steuerliche[n] Privilegien“ und Fuest, Hey und Spengel sehen „Investitionen in Immobilien […] seit Jahrzehnten massiv steuerlich begünstigt“.45 Vermutlich resultiert die niedrige Ertragsbesteuerung daraus, dass der Gesetzgeber meint, eine steuerliche Förderung wäre geeignet, um mehr Wohnraum zu schaffen. Tatsächlich krankt der derzeitige Wohnungsmarkt jedoch nicht an zu niedrigen Vor-Steuerrenditen, sondern an zu wenig ausgewiesenem Bauland und an zu vielen nicht-steuerlichen Regulierungen. Die geringe Ertragsteuerbelastung von Immobilien resultiert aus 1. der niedrigen Erfassungsquote der Einkünfte aus vermieteten Immobilien im Privatvermögen, 45 Bach/Eichfelder, DIW Wochenbericht Nr. 27, 2021, S. 264; Fuest/Hey/Spengel, Vorschläge für eine Reform der Immobilienbesteuerung, in ifo Schnelldienst 12/2021, Vorabdruck, S. 1.

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2. der Konsumgutlösung für selbstgenutzte Immobilien und 3. Tarifvergünstigungen im gewerblichen Bereich.

a) Niedrige Erfassungsquote der Einkünfte aus vermieteten Immobilien im Privatvermögen Dass bei der Besteuerung von im Privatvermögen gehaltenen Immobilien manches im Argen liegt, zeigt bereits ein Blick auf die aggregierten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 EStG zwischen 1992 und 2017 (vgl. Abbildung 6):46 Abbildung 6: Aggregierte Einkünfte aus V & V (§ 21 EStG) 1992–2017

Abbildung 6 zeigt, dass die gesamten steuerlich erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bis einschließlich 2002 negativ waren.47 Das ist ein doch etwas unerwarteter Befund, da dies bedeuten würde, dass zwischen 1992 und 2002 im deutschen privaten Immobiliensektor negative Renditen aus der Vermietung erwirtschaftet wurden.48 46 Die Daten stammen aus den Fachserien zur Lohn- und Einkommensteuerstatistik des Statistischen Bundesamts. 2017 ist das letzte Jahr, für das Zahlen des Statistischen Bundesamts vorliegen: Statistisches Bundesamt (Destatis), 2017, Lohn- und Einkommensteuer, abrufbar unter: https://www.destatis.de/ DE/Themen/Staat/Steuern/Lohnsteuer-Einkommensteuer/Publikationen/ Downloads-Lohn-und-Einkommenssteuern/lohn-einkommensteuer-21407 10177004.pdf;jsessionid=6BF34B43BD5B0434AF691C9D94B22687.live741?__ blob=publicationFile (Stand: 18.11.2021). 47 Darauf weisen auch Bach/Eichfelder, DIW Wochenbericht Nr. 27, 2021, S. 465, hin. 48 Dabei lag die Mietrendite in mehreren Jahren mehr oder weniger deutlich oberhalb des Zinssatzes für 10-jährige Hypothekendarlehen (vgl. Milleker,

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Um die steuerliche Untererfassung der Immobilieneinkünfte grob abzuschätzen, wird nachfolgend die steuerliche Immobilienrendite mit der Immobilienrendite der Vonovia SE verglichen. Dabei wird auf 2017, das aktuellste Jahr, für das steuerliche Werte vorliegen, abgestellt. Tabelle 1: Steuerliche vs. Vonovia Immobilieneinkünfte 2017 Steuerliche Immobilienrendite: Mietimmobilienvermögen privater Haushalte lt. VGR Einkünfte aus V&V lt. Lohn- und Einkommensteuerstatistik Steuerliche Brutto-Immobilienrendite Immobilienrendite Vonovia SE: Brutto-Rendite aus operativer Tätigkeit (< Vermietung) Brutto-Rendite aus Wertzuwächsen Brutto-Immobilienrendite gesamt

4.160 Mrd. t1) 36,1 Mrd. t 0,87 % 1,9 % 12,7 % 14,6 %

1) Die Höhe des vermieteten privaten Immobilienvermögens wurde approximiert, indem das gesamtwirtschaftliche Immobilienvermögen der privaten Haushalte und privaten Organisationen ohne Erwerbszweck 2017 aus DESTATIS Vermögensbilanzen 1999-2019 mit dem Anteil des vermieteten Immobilienvermögens (vgl. DESTATIS 2021) multipliziert wurde.

Es zeigt sich, dass bereits die steuerliche Bruttorendite deutlich unter der Bruttorendite der Vonovia SE aus ihrer Vermietungstätigkeit liegt. Wesentlich bedeutsamer sind jedoch die Wertzuwächse. Diese Renditekomponente spielt steuerlich praktisch keine Rolle, wenn die Immobilien im Privatvermögen gehalten werden. So betrugen die aggregierten Einkünfte gem. § 23 EStG in 2014 lediglich rund 500 Mio. t, wohingegen die Einkünfte gem. § 21 EStG immerhin 26,5 Mrd. t ausmachten.49

Deutsche Wohnimmobilien: Preissteigerungen stehen bevor, in Allianz Dresdner Economic Research, Nr. 67, 2006, abrufbar unter: https://www.al lianz.com/content/dam/onemarketing/azcom/Allianz_com/migration/media/ current/images/pdf/saobj_1298095_ifdl_2006_05.pdf (Stand: 5.10.2021), S. 9). Damit ließen sich selbst im Fall voll fremdfinanzierter Immobilien meist Überschüsse erzielen. 49 Auf die Werte 2014 wird abgestellt, da dies das letzte Jahr ist, für das Mikrodaten (FAST 2014) vorliegen. Diese sind notwendig, um die Höhe der aggregierten Einkünfte gem. § 23 EStG zu identifizieren, da die Fachserien zur Lohnund Einkommensteuerstatistik nur Angaben zu § 22 EStG, nicht jedoch § 23 EStG erhalten.

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Dies belegt, dass die Steuerpflichtigen größtenteils von der 10-JahresFrist Gebrauch machen und ihre vermieteten Immobilien erst nach dieser Frist (steuerfrei) verkaufen. Dennoch können Gebäudeabschreibungen und Erhaltungsaufwendungen im Rahmen von § 21 EStG steuermindernd geltend gemacht werden.50 Für den zuletzt genannten Aspekt bietet sich eine einfache Lösung an, wenn es bei der gegenwärtigen Regelung zu Veräußerungsgewinnbesteuerung bleibt. Entweder werden Gebäudeabschreibungen und Erhaltungsaufwendungen generell nicht mehr zum Abzug zugelassen, oder die Abzugsbeträge werden im Fall einer steuerfreien Veräußerung (bis maximal in Höhe des Veräußerungsgewinns) nachversteuert.51 Nicht so einfach ist eine Lösung der Untererfassung von Veräußerungsgewinnen durch Einführung einer generellen Besteuerung derselben, für die sich Bach und Eichfelder sowie Fuest, Hey und Spengel aussprechen.52 Hierbei stellen sich drei Probleme: 1. Da nicht davon auszugehen ist, dass auch stille Reserven erfasst werden, die vor Neueinführung einer generellen Veräußerungsgewinnbesteuerung entstanden sind53, ist eine Verkehrsbewertung sämtlicher betroffenen Immobilien vorzunehmen. Dass dies aufwendig und streitanfällig ist, braucht nicht eigens betont werden. 2. Im Gegensatz zu diesem einmalig auftretenden Problem ist der mit einer Veräußerungsgewinnbesteuerung verbundene Lock-in-Effekt dauerhafter Natur. Der Lock-in-Effekt besagt in diesem Fall, dass der

50 van Suntum/Schultewolter in Voigtländer/Depenheuer, Wohneigentum, 2014, S. 203, sprechen von Abschreibungsarbitrage. Bach/Eichfelder, DIW Wochenbericht Nr. 27, 2021, S. 466, sehen dadurch einen Anreiz, Immobilien unmittelbar nach der 10-Jahres-Frist steuerfrei zu veräußern, um dann die höheren Abschreibungen aus einem Reinvestitionsobjekt geltend machen zu können. Jedoch dürften die oftmals hohen Transaktionskosten des Immobilienerwerbs diesen Steuervorteil in vielen Fällen zunichtemachen. 51 Fuest/Hey/Spengel, ifo Schnelldienst 12/2021, Vorabdruck, S. 6, geht eine solche Regelung nicht weit genug, sondern sie fordern eine generelle Veräußerungsgewinnbesteuerung. 52 Vgl. Bach/Eichfelder, DIW Wochenbericht Nr. 27, 2021, S. 464; Fuest/Hey/ Spengel, ifo Schnelldienst 12/2021, Vorabdruck, S. 4. Die Einführung einer generellen Veräußerungsgewinnbesteuerung erfordert zwingend die generelle Berücksichtigung von Veräußerungsverlusten und damit auch eine Verlustverrechnung mit anderen positiven Einkünften. 53 Vgl. Fuest/Hey/Spengel, ifo Schnelldienst 12/2021, Vorabdruck, S. 6.

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Maiterth – Besteuerung aus ökonomischer Sicht

Verkauf einer Immobilie und die Reinvestition des Verkaufserlöses in eine rentablere Anlage steuerbedingt oftmals unterbleibt. Beispiel: Dies sei an einem Beispiel illustriert: Eine Immobilie wurde für 100.000 t erworben, hat jetzt einen Verkehrswert i.H.v. 500.000 t und erwirtschaftet eine Rendite (bezogen auf den Verkehrswert) i.H.v. 3 %. Alternativ besteht die Möglichkeit, Kapital zu einer Rendite i.H.v. 4 % anzulegen. Ohne Veräußerungsgewinnbesteuerung würde die Immobilie veräußert und der Erlös in die Anlage mit 4 % investiert. Im Fall einer Veräußerungsgewinnbesteuerung und einem Steuersatz i.H.v. 45 % verbleiben aus dem Verkauf der Immobilie A lediglich 320.000 t, so dass sich der Verkauf der Immobilie und die Wiederanlage des Nettoveräußerungserlöses nicht lohnt. Anstatt 15.000 t jährlichem Rückfluss (vor Steuern) aus der Immobilie lassen sich lediglich 12.800 t vereinnahmen. Um einen Lock-in-Effekt zu vermeiden, bietet sich die Übertragung stiller Reserven im Rahmen einer „§ 6b EStG“-Rücklage an, was jedoch einen Steueraufschub möglicherweise über Jahre oder Jahrzehnte bedeutet.54

3. Veräußerungsgewinne beinhalten einen Inflationsausgleich und führen zur geballten Realisierung stiller Reserven. Letzteres ließe sich durch die Anwendung von § 34 EStG berücksichtigen.55 Eine Berücksichtigung inflationsbedingter Scheingewinne ist im deutschen Steuerrecht generell nicht vorgesehen, so dass sich die Frage stellt, ob man hiervon eine Ausnahme machen sollte.56 Die Einführung einer generellen Veräußerungsgewinnbesteuerung erfordert zwingend die generelle Berücksichtigung von Veräußerungsverlusten und damit auch eine Verlustverrechnung mit den anderen Einkunftsarten.57

54 Bach/Eichfelder, DIW Wochenbericht Nr. 27, 2021, S. 467 und Fuest/Hey/ Spengel, ifo Schnelldienst 12/2021, Vorabdruck, S. 6, sprechen sich für die Anwendung von § 6b EStG nur für Veräußerungsgewinne bei selbstgenutzten Immobilien aus, die sie besteuert sehen wollen. 55 Vgl. Bach/Eichfelder, DIW Wochenbericht Nr. 27, 2021, S. 467; Fuest/Hey/ Spengel, ifo Schnelldienst 12/2021, Vorabdruck, S. 6. 56 Bach/Eichfelder, DIW Wochenbericht Nr. 27, 2021, S. 467, schlagen vor, dies über Freibeträge oder reduzierte Steuersätze zu lösen, was aber keine zielgenaue Lösung darstellt. Fuest/Hey/Spengel, ifo Schnelldienst 12/2021, Vorabdruck, S. 6, bringen eine Indexierung ins Spiel, ohne sich jedoch deutlich dafür auszusprechen. 57 So auch Fuest/Hey/Spengel, ifo Schnelldienst 12/2021, Vorabdruck, S. 6.

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b) Konsumgutlösung für selbstgenutzte Immobilien Bis 1986 wurden im deutschen Steuerrecht auch selbstgenutzte Immobilien als steuerpflichtiges Investitionsgut eingestuft.58 Dabei wurde im Rahmen von § 21 EStG a.F. ein fiktiver Mietertrag angesetzt, der nach der ortsüblichen Miete zu bemessen war.59 Gleichzeitig konnten Werbungskosten angesetzt werden, wobei es jedoch Abzugsbeschränkungen gab.60 1987 entschied sich der Gesetzgeber, die Investitionsgutlösung zugunsten der immer noch geltenden Konsumgutlösung aufzugeben. Die Konsumgutlösung für selbstgenutzte Immobilien unterstellt, dass es sich bei einer eigengenutzten Immobilie um ein Konsumgut handelt, das wie alle anderen Konsumgüter auch Einkommensverwendung darstellt und damit steuerlich irrelevant ist. Als Begründung führte der Gesetzgeber damals an: „Aufgrund der Nutzungswertbesteuerung werden fiktive Einkünfte zur Besteuerung herangezogen, so daß das Wohnen im eigenen Wohnraum steuerpflichtig ist und der Staat einen zentralen Teil der Privatsphäre des Bürgers einkommensteuerlich erfaßt. Insbesondere im Alter, wenn das Wohneigentum weitgehend entschuldet ist, entstehen dadurch häufig Steuerbelastungen.“61

Die Beurteilung der Konsumgutlösung fällt gemischt aus. Da sie eigengenutzte und vermietete Immobilien unterschiedlich behandelt, wirkt sie nicht entscheidungsneutral und bewirkt damit verzerrte Entscheidungen. So ist es steuerlich vorteilhaft, eine gewinnbringende (z.B. voll eigenfinanzierte) Immobilie selbst zu nutzen, während es steuerlich günstiger ist, dieselbe Immobilie zu vermieten, wenn sie Verluste erzielt (z.B. bei vollständiger oder weitgehender Fremdfinanzierung). Auch bietet es sich steuerlich an, Immobilien in der Verlustphase zu vermieten, 58 Nach Katz, Imputing Rents to Owner-Occupied Housing by Directly Modelling Their Distribution, BEA Working Paper WP2017-7, Bureau of Economic Analysis, Washington DC, S. 1, https://www.bea.gov/research/papers?kwds= Imputing&tid=All&field_publication_date_value=All&jel_code=All&wpid= wp2017-7, ist es seit dem späten 19.Jahrhundert üblich, den Nutzungswert der selbstgenutzten Immobilie bei der Einkommensmessung zu berücksichtigen (vgl. dazu auch Frick/Grabka, Der Einfluss von Imputed Rent auf die personelle Einkommensverteilung, in Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Vol. 221(3), 2001, S. 285). 59 Vgl. dazu und den damit verbundenen Problemen Grube in Littmann, 14. Aufl. 1985, § 21 EStG Rz. 44–49a. 60 Vgl. Grube in Littmann14, § 21 EStG Rz. 50b. 61 BT Drucks. 10/5208, 1.

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und in späteren (potentiellen) Gewinnphasen selbst zu nutzen. Dagegen bietet die Konsumgutlösung Vorteile in zweierlei Hinsicht. Erstens vermeidet sie das auch vom Gesetzgeber angesprochene Liquiditätsproblem, das gerade bei älteren Personen mit eher geringer Rente einen Umzug aus dem jahrelang selbstgenutzten Eigenheim notwendig machen kann. Zweitens bewirkt die Konsumgutlösung eine erhebliche Steuervereinfachung, da weder eine ortsübliche Miete noch angemessene Werbungskosten oder die Frage zu klären sind, wie das Verhältnis zu unentgeltlich überlassenen Immobilien aussieht.62 Bei mehreren Millionen eigengenutzten Immobilien ist der Steuervereinfachungsaspekt m.E. nicht hoch genug zu veranschlagen. Daher ist es m.E. zweckmäßig, trotz der genannten Probleme an der Konsumgutlösung festzuhalten. Bach und Eichfelder sowie Fuest, Hey und Spengel fordern dagegen die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus selbstgenutzten Immobilien.63

c) Tarifvergünstigungen im gewerblichen Bereich Eine steuerliche Vorzugsbehandlung erfahren nicht nur private Immobilien, sondern in Teilen auch Immobilien, die im gewerblichen Bereich gehalten werden. Eigentlich unterliegen sowohl Einkünfte aus der Vermietung als auch Veräußerungsgewinne im Zusammenhang mit Immobilien der Regelbesteuerung. Das heißt, bei natürlichen Personen unterliegen sie der progressiven Einkommensteuer und bei gewerblichen Unternehmen auch der Gewerbesteuer. Bei Kapitalgesellschaften fallen Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie Einkommensteuer im Fall der Ausschüttung an natürliche Personen an. Jedoch gibt es besondere Besteuerungsregime für Unternehmen, die ausschließlich oder weitgehend im Immobilienbereich tätig sind: 1. Die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG für Grundstücksunternehmen, die bezogen auf den eigenen Grundbesitz eine vermögensverwaltende Tätigkeit ausüben. Diese Norm wirkt sich vor allem bei Kapitalgesellschaften in hohem Maße begünstigend aus, da bei Personenunternehmen § 35 EStG die Gewerbesteuerbelastung meist gänzlich oder zumindest weitestgehend neutralisiert. 62 Vgl. zu diesen und weiteren Punkten ausführlich Grube in Littmann14, § 21 EStG Abschnitt F. Nutzungswert der eigenen Wohnung (§ 21 Abs. 2). 63 Vgl. Bach/Eichfelder, DIW Wochenbericht Nr. 27, 2021, S. 467; Fuest/Hey/ Spengel, ifo Schnelldienst 12/2021, Vorabdruck, S. 6 f.

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2. REIT-AGs bzw. die Anteilseigner einer REIT-AG unterliegen im Ergebnis lediglich einer 25%igen Besteuerung. Dies liegt daran, dass die REIT-AG gem. § 16 REIT-Gesetz körperschaft- und gewerbesteuerfrei gestellt ist und lediglich Gewinnausschüttungen bei den Anteilseignern mit 25 % Abgeltungsteuer belastet werden.64 3. Offene Immobilienfonds sind als Zweckvermögen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG körperschaftsteuerpflichtig. Von der Gewerbesteuerpflicht sind Immobilienfonds gem. § 15 Abs. 2 Nr. 1 InvStG befreit. Auf Ebene der Anteilseigner kommt es lediglich zu einer Teilbesteuerung mit dem Ergebnis, dass die Gewinne insgesamt nur mit rund 25 % belastet werden.65 Diese Steuervergünstigungen bewirken weder ein möglichst entscheidungsneutrales und damit effizientes Steuersystem noch ist eine steuerliche Subventionierung in diesem Bereich nötig, um das seit einiger Zeit virulente Wohnraumproblem zu lösen. Hierzu bedarf es, wie bereits erwähnt, vor allem der Ausweisung von Flächen, die bebaut oder baulich als Wohnraum genutzt werden können. Die im Zusammenhang mit der erweiterten Gewerbesteuerkürzung (§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG) ins Feld geführte Doppelbelastung mit zwei Realsteuern ließe sich, z.B. durch eine Anrechnung der Grundsteuer analog zu § 35 EStG, zielgenau adressieren.66 Daher sind diese besonderen Besteuerungsregime ersatzlos zu streichen.

2. Grundsteuer Dass die noch geltende Einheitsbewertung bei der Grundsteuer nicht mehr akzeptabel ist, ist kein Geheimnis. Das Problem liegt jedoch nicht in der Unterbewertung durch die veralteten Einheitswerte, sondern in den verzerrten Werten zwischen den Grundstücken. Immerhin genügt

64 Eine REIT-AG muss gem. § 13 REIT-Gesetz mindestens 90 % ihres Jahresüberschusses ausschütten. 65 Dies gilt für den Fall, dass inländische Immobilien den Anlageschwerpunkt des Immobilienfonds bilden. Hier sind die Erträge beim Anteilseigner zu 60 % steuerfreigestellt; die Steuerbelastung beträgt damit 15,825 % + (1-0,15825) × 0,4 × 25 %). Im Fall ausländischen Immobilienvermögens beträgt die Freistellung auf Ebene des Anteilseigners 80 % statt 60 % im Inlandsfall. 66 So auch Fuest/Hey/Spengel, ifo Schnelldienst 12/2021, Vorabdruck, S. 7. Auch Bach/Eichfelder, DIW Wochenbericht Nr. 27, 2021, S. 469, sehen Reformbedarf bei der erweiterten Gewerbesteuerkürzung.

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die Einheitsbewertung grundsätzlich der von vielen Ökonomen geforderten wertabhängigen Bemessungsgrundlage.67 Anders verhält es sich nach der Grundsteuerreform, die ab 2025 neue Grundsteuerwerte mit sich bringt.68 Hier konnte man sich nicht auf ein einheitliches Modell einigen, so dass es den Bundesländern durch eine Öffnungsklausel freigestellt wird, welche Größe sie zur Bemessung der Grundsteuer heranziehen. Dabei reichen die Modelle vom Bundesmodell, das sowohl den Boden- als auch den Gebäudewert erfasst, über das modifizierte Bodenwertmodell in Baden-Württemberg, das Flächen-Lage-Modell der Länder Hamburg, Hessen und Niedersachsen bis hin zum vollkommen wertunabhängigen bayerischen „Äquivalenzmodell“, das mit den im vorliegenden Beitrag vorgenommenen äquivalenztheoretischen Überlegungen wenig bis nichts gemein hat.69 Insofern stellt die Grundsteuerreform nicht generell eine Verbesserung gegenüber dem Status quo dar. Ein weiterer Kritikpunkt, der ab und an im Zusammenhang mit der Grundbesteuerung (regelmäßig aber bei der Vermögensteuerdiskussion) ins Feld geführt wird, ist die im internationalen Vergleich niedrige Belastung mit Substanzsteuern in Deutschland.70 Abbildung 7 belegt exemplarisch für das Jahr 2018, dass der Beitrag der Grundsteuer zum Gesamtsteueraufkommen in Deutschland tatsächlich unterdurchschnittlich ausgeprägt ist, es aber auch Länder gibt, in denen der Grundsteuer noch weniger Bedeutung zukommt.

67 Vgl. bspw. Bach/Eichfelder, DIW Wochenbericht Nr. 27, 2021, S. 466, die vor allem aus Verteilungsgesichtspunkten jedoch eine Stärkung der Bodenwertkomponente aussprechen; Wissenschaftlicher Beirat (2010), S. 2 f. 68 Initiiert wurde die Grundsteuerreform durch die Rechtsprechung des BVerfG, das die Verwendung der veralteten Einheitswerte als gleichheitswidrig eingestuft hat (vgl. BVerfG v. 10.4.2018 – 1 BvL 11/14). 69 Der Begrifflichkeit liegt die seltsam anmutende Vorstellung zugrunde, die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen einer Gemeinde würde durch die Größe des Grunds und Bodens sowie des aufstehenden Gebäudes determiniert. Einzig die Einfachheit dieses wertunabhängigen Modells spricht für diese Form der Grundsteuererhebung. 70 Vgl. Bach/Eichfelder, DIW Wochenbericht Nr. 27, 2021, S. 466.

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Abbildung 7: Anteil der Grundsteuer am Steueraufkommen 2018 KͲƵƌĐŚƐĐŚŶŝƚƚ PƐƚĞƌƌĞŝĐŚ ^ĐŚǁĞĚĞŶ ĞƵƚƐĐŚůĂŶĚ EŽƌǁĞŐĞŶ /ƚĂůŝĞŶ ^ĐŚǁĞŝnj